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German Pages [475] Year 2023
Thomas Daiber
Vita des Konstantin-Kyrill Altkirchenslavischer Text – Übersetzung – Kommentar
Harrassowitz
Vita des Konstantin-Kyrill
© 2023, Otto Harrassowitz GmbH & Co. KG, Wiesbaden ISBN Print: 978-3-447-12023-4 - ISBN E-Book: 978-3-447-39396-6
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Thomas Daiber
Vita des Konstantin-Kyrill Altkirchenslavischer Text, Übersetzung, Kommentar
2023
Harrassowitz Verlag · Wiesbaden
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Deinde coniecturalis causa non potest simul ex eadem parte eodem ingenere et coniecturalis esse et definitiva. Cicero, De inventione, lib. I:14
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Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort
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2 Abkürzungen - Siglen 2.1 Abkürzungen . . . . . . 2.2 Sonderzeichen . . . . . . 2.3 Erwähnte Editionen . . . 2.4 Erwähnte Handschriften .
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9 9 9 10 11
3 Prinzipien der Textdarbietung 3.1 Das Verhältnis von VC zum Griechischen . . . . . . . . 3.1.1 Gräzismus und Rekonstruktion (IV:56) . . . . . 3.1.2 Gräzismus und Idiomatik (VI: 16) . . . . . . . . 3.1.3 Gräzismus und Interpretation (VI:19) . . . . . . 3.2 Zur historischen Einordnung von VC . . . . . . . . . . . 3.3 Das Textproblem von VC . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Satz- und Absatzzählung . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Quantifizierter Apparat . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Lemmatisierung und Kombinatorik . . . . . . . 3.3.4 Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Zur Graphie der Handschrift CH . . . . . . . . . . . . . 3.4.1 Die Nasalvokale . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Vorderer reduzierter Vokal . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Die Schreibung des vorderen Reduzierten in v’se 3.4.4 Digraph des vorderen Reduzierten . . . . . . . . 3.4.5 Gelegentliche Digraphen mit /a/ . . . . . . . . . 3.4.6 Jat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.7 Palatalität des /r/ . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13 13 16 19 20 24 28 30 31 32 37 37 38 39 41 42 43 43 44
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4 Zeittafel
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5 Inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
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Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis
385
Personen
457
Sachen
461
Bibelzitate in VC
465
Personen und Werke in VC
469
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1 Vorwort Die Heiligen Kyrill und Method sind transnationale, aber nicht antinationale Akteure, die sich überkonfessionell, jedoch nicht indifferent verhalten, und im Umgang mit den politisch Mächtigen ihrer Zeit Pragmatik nicht mit Charakterlosigkeit verwechseln. In ihren Lebensgeschichten, besonders in der philosophisch-theologisch argumentierenden Vita des Kyrill, werden die kulturelle Einheit Europas, aber auch seine Teilung in einen östlichen und westlichen Kulturkreis und seine Identität gegenüber dem islamischen Kulturkreis in der Begrifflichkeit des 9. Jahrhunderts verhandelt. Während die Nachrichten von Kyrill und Method in der westlichen Welt bis zum 17. Jh. vornehmlich auf die lateinischen Berichte (”Italische Legenden”) gestützt waren1 , sind die slavischen Lebensgeschichten des Brüderpaares dem deutschen Publikum seit August Ludwig Schlözer (1735-1809) bekannt, der eine in Moskau 1759 gedruckte Ausgabe in Auszügen veröffentlichte: ”Wie werden die Ausländer, die sich bisher einzig und allein an ihre lateinische[n] Legenden halten mußten, über diesen Fund staunen! Schlechtweg verwerfen können sie den Aufsatz nicht: eine russische Legende wird doch eben so vieler Ehre wert sein, als eine lateinische?”2 Im 19. Jh. kam der Vita von Konstantin-Kyrill (VC; der als ’Konstantin’ geborene Slavenapostel nahm kurz vor seinem Tode den Mönchsnamen ’Kyrill’ an) und der Vita seines Bruders Method (VM) im slavischsprachigen Kulturraum gesteigerte öffentliche Bedeutung zu, weil sich viele nationale Bewegungen - aus aktuellem Anlass: für die Ukraine siehe Glassl (1985) - auf das Brüderpaar als auf den Beginn einer slavischen Kultur und Identität beriefen. Außerdem hat auch die Slavistik selbst als eine sich im 19. Jh. thematisch als ‘Slavenkunde’ und methodisch als aus der Indogermanistik heraus entwickelnde Philologie ein großes Interesse an möglichst alten Sprachdokumenten entwickelt.3 Diese beiden Strömungen, erstens das ’nationale Er1
Wie sie in den Acta Sanctorum zum 9. März eingeordnet werden: ”Vita [Constantini-Cyrilli] cum translatione S. Clementis” (Carnandet, 1865, 20-22), ”Vita SS Cyrilli et Methodii” (ebd. 22-24), ”Lectiones ecclesiasticae de iisdem SS Cyrillo et Methodio” (24-25), ”Bohemorum Conversio per S Methodium episc.” (Auszug aus der Vita S Ludmillae mart., 25-26) und siehe auch den alten Kenntnisstand des 19. Jhs. im vorangesetzten ”Commentarius praevius” ”De Sanctis episcopis Slavorum apostolorum Cyrillo et Methodio, Olomucii in Moravia”. 2 Zitiert in (Dobrovský, 1823, 7). 3 Für den deutschsprachigen Raum ist das Entstehen der Slavistik als eigenes Universitätsfach aus der Indogermanistik typisch, auch in Gießen (Daiber, 2019a) haben zuerst Indogermanisten altkirchenslavische Texte behandelt.
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1 Vorwort
wachen’ der vielen unter Fremdherrschaft (Preussen, Habsburg, Russland) lebenden slavischen Sprachgemeinschaften, die sich als sprachbasierte Nationen verstanden, und zweitens die von der Indogermanistik begründete Auffassung von sprachfamilienbasierten Universitätsdisziplinen (Germanistik, Romanistik, Slavistik) führten dazu, dass die Slavistik sich zunächst besonders der historischen Aufarbeitung der slavischen Sprachen und Literaturen zuwandte, was gleichzeitig zur sprachbasierten Nationalidentität der ’erwachenden’ Nationalstaaten beitrug.4 Im Zuge der Propagierung sprachbasierter Nationalstaaten im 19. Jahrhundert meldeten dann nicht nur einzelne slavische Nationen, sondern auch Repräsentanten von Kulturräumen konkurrierende Ansprüche auf die Deutungshoheit über die Slavenmission Kyrills und Methods an. Papst Leo XIII. schrieb 1880 in der Enzyclika ”Grande munus” (Pecci, 1880) das liturgische Gedenken an das Brüderpaar in der Westkirche verbindlich vor, wobei sich die Einordnung von Kyrill und Method im katholischen Kulturraum auf deren Auftreten als ”Slavenapostel” konzentrierte, was natürlich von Stimmen aus Russland, welches sich im 19. Jh. (wie schon lange zuvor und leider auch noch lange danach) als othodoxe Schutzmacht verstand, kritisch kommentiert wurde5 . In Russland wird des Brüderpaares eher als der ”Begründer der slavischen Schriftkultur” gedacht, was mit einer gewissen Vereinnahmung des in hohem Maße nach Russland importierten und dort tradierten kirchenslavischen Schrifttums zu tun hat, welches in anderen Ländern - v.a. dem jahrhundertelang osmanisch besetzten Balkan und den damit einhergehenden Kulturzerstörungen - keine so günstigen Überlieferungsbedingungen genoß. Es ist nicht möglich, hier in Kürze den Komplex der kulturpolitischen Instrumentalisierung von Kyrill und Method und, davon unterschieden, auch die gerechtfertigte Bewertung des kyrillomethodianischen Werkes darzustellen6 , aber unbeschadet der Frage, ob man das Werk von Kyrill und Method unter dem Aspekt seiner kulturellen Wirkung oder unter dem Aspekt seiner politischen Instrumentalisierung betrachtet, ist es angesichts der Bedeutung der beiden ’Slavenapostel’ nicht verwunderlich, dass 4
Es ist kein Zufall, dass in einer Zeit der Infragestellung des Nationalstaates methodische Debatten über die Neuausrichtung der historisch orientierten Slavistik aufkommen (Pánek, 2015). 5 Siehe etwa Chojnackij (1881), Serebrennikov (1885). 6 Eine solche Darstellung würde bei allen Gemeinsamkeiten (Andrzejewski (2013), Bǎrlieva (2017)) auch Unterschiede der Erinnerungsfiguren berücksichtigen: Ist der 24. Mai der ”Tag der slavischen Kultur und des slavischen Schrifttums” (russ. День славянской литературы и письменности, ähnl. ukrainisch und makedonisch) oder der ”Tag der bulgarischen Bildung und Kultur und des slavischen Schrifttums” (blg.: Денят на българската просвета и култура и на славянската писменост) bzw. ist der 5. Juli der ’Tag der slavischen Glaubenskünder” (tschech. Den slovanských věrozvěstů Cyrila a Metoděje, ähnlich in der Slovakei)? Vgl. die Studien zur Rezeption Kyrills und Merthods in der westlichen [Popp (1972), Bǎrlieva (2007), Bǎrlieva (2008), Tschechien: Machilek (2004)], südlichen [Kroatien: Grabar (1986), Serbien: Daiber (2015a), Komatina (2015), Bulgarien: Prižimova (1974), Bǎrlieva/Naumow (2005), Rohdewald (2014)] und östlichen [Russland: Beljakova/Tokareva (2015)] Slavia. - Die Vereinnahmung Kyrill und Methods als Kämpfer des Slaventums gegen das Germanentum (D’Avril, 1885) hat zur Zeit keine Konjunktur.
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1 Vorwort
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die Viten von Kyrill und Method nicht nur im Rahmen der slavistischen Mediävistik, sondern auch im kulturpolitischen Rahmen der slavischen Länder bis heute Gegenstand der Aufmerksamkeit sind. Unter den ersten Ausgaben der Vita Constantini-Cyrilli sind zu nennen Šafařík 1851 (nachgedruckt in Šafařík (1873)), welcher aus verschiedenen süd- und ostslavischen Hss den Text kompilierte. Später publizierten Dümmler/Miklosich (1870) die Vita nach der südslavischen Redaktion und gaben eine lateinische Übersetzung bei, kurz darauf erschien der Text mit tschechischer Übersetzung auch in Emler (1873). Die Edition der ältesten ostslavischen Hs bei Lavrov (1930) wurde häufig zitiert, ehe nun VC nach den je eine besonders hervorgehobene Hs (s. S. 10 und 11) wiedergebenden Editionen Grivec/Tomšič (1960), MMFH) und KO)7 gelesen wird. Der in Grivec/ Tomšič (1960) edierte und in Lindstedt (1986) bereits seit 1986 digitalisierte aksl. Text liegt auch dieser Ausgabe zugrunde. Ich danke Prof. Jouko Lindstedt für die Erlaubnis, das Digitalisat als Grundstock für diese Buchausgabe benutzen zu dürfen. Im deutschsprachigen Raum wurden die Viten von Kyrill und Method mehrfach in Übersetzung veröffentlicht. Bujnoch (1972) hat VC übersetzt nach der von Lavrov (1930, 1-66) edierten und auch in MMFH, 2: 59) zu Grunde gelegten ältesten ostslavischen Hs Nr. 5. Ebenso verfuhr Schütz (1985b), der die bislang letzte vollständige deutsche Version der Lebensgeschichten von Kyrill und Method nach dem aksl. Text gemäß MMFH) vorlegte und sich stark an die in der tschechischen Ausgabe gebotenen Übersetzungslösungen hielt (Rez. von Reinhart (1986)). Randow (1972) dagegen hat VC übersetzt nach dem sprachlich altertümlichen Text der südslavischen Hs CH, der - wie gesagt - auch hier zur Grundlage dient.8 Neue Erkenntnisse der Philologie verbessern das Verständnis von VC und machen eine Neuübersetzung nötig, das sich erweiternde historische Wissen macht auch eine Neukommentierung der Vita wünschenswert. Sprachliche und historische Kommentierung verteilt vorliegende Ausgabe auf die Apparate zum aksl. Text bzw. zur dt. Übersetzung und überläßt die Einbettung von VC in übergreifende historische Zusammenhänge einer vorangestellten Zeittafel. Aufgrund des zuweilen sehr ungleichen Umfanges der Apparate zum aksl. und zum dt. Text war eine parallele Führung der aksl. und dt. Textabschnitte auf gegenüberliegenden Seiten nicht möglich, außerdem mußte Worttrennung im Aksl. durchgeführt werden. Die Übersetzung des aksl. Textes ins Deutsche will, wo es nicht 7
Den genannten Ausgaben, dazu besonders Dvorník (1933) und Tachiaos (2005) entnehme ich oft Anregungen für die Kommentierung. - Der Irrtum, VC für ein Werk des Bulgaren Kliment Ochridski zu halten, ist schon bei Lehr-Spławiński (1959, XXXIII) greifbar. 8 Um die orthographischen Varianten bzw. damit verbundenen phonetischen Probleme der Hss vor Augen zu führen, wurden die ersten drei Kapitel von VC mit Lesarten der zur ostslavischen Redaktion gehörigen Vilnaer Handschrift verglichen. Die mit Ф referierten Lesarten ergänzen nicht den Komplex der von Grivec/Tomšič (1960) berücksichtigten Varianten, sondern illustrieren orthographische Varianzmöglichkeiten. Eine noch ausstehende kritische Edition von VC wird nicht umhinkommen, sämtliche Hss nochmals hinsichtlich Orthographie, Interpunktion usw. zu vergleichen.
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1 Vorwort
ganz aussichtslos war, die Syntax des Vorlagentextes abbilden. Vorliegendes Buch konzentriert sich auf die Frage nach dem grammatischen und sinngemäßen Verständnis der Vita des Konstantin-Kyrill. Der Apparat wurde explizit auch im Hinblick auf akademischen Unterricht formuliert, aber es finden sich darin, glaube ich, auch einige neue Aspekte als Vorschlag an die wissenschaftliche Community. Die Anmerkungen sollen nicht als ”Hocuspocus - als wahres Symbolum und Formula concordiae der Philologen” (Riemer, 1820, 645) den Eindruck einer historisch-kritischen Ausgabe machen, sondern bieten sich vielmehr als Vorarbeit zu einer solchen an. Die Vorläufigkeit des Unterfangens versteht sich von selbst. Angesichts der bei Mirčeva (2014) zusammengestellten Hss von VC ist klar, dass die in Grivec/Tomšič (1960) zur Verfügung stehenden Lesarten zu einer vollständigen Textkritik nicht ausreichen. Dennoch glaube ich, dass vor Herstellung einer historisch-kritischen Ausgabe auf der Basis aller verfügbaren Hss das sechshundertjährige Schweigen zwischen der Abfassung von VC und ihrer ersten Bezeugung in einer Handschrift von 1469 überbrückt werden muss durch eine Ausgabe wie die vorliegende, nämlich durch eine inhaltliche Rezension des Überlieferten. Auch eine Kollation aller Handschriften wird wohl inhaltliche, und nicht nur linguistische Kriterien ansetzen müssen, um zwischen den Lesarten oder sogar gegen alle Lesarten im Sinne einer Konjektur zu entscheiden. Dieses Buch will zu inhaltlich informierten Entscheidungen beitragen, ohne dass ich mir einbilde, alle bereits entschieden zu haben oder unter denen, die ich entschieden habe, immer das Richtige getroffen zu haben. Das Typoskript wurde in LATEXgesetzt, wobei ich entweder mich oder das Programm überschätzt habe und nur mit Hilfe von VincentS Daiber M.Sc. die gröbsten Schnitzer entfernen konnte; leider gibt es keinen debugger für inhaltliche Mängel.
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2 Abkürzungen - Siglen 2.1 Abkürzungen AcI add AT DatAbs DcI GenAbs GenNeg GenPart Hs, Hss Impf Komm MA NT om PartCon PP PPA PPP PPraesAkt PPraesP
Accusativus cum infinitivo addit, addunt alttestamentlich, Altes Testament Dativus absolutus Dativus cum Infinitivo Genetivus absolutus Genetivus negationis Genetivus partitivus Handschrift, Handschriften Imperfekt (tempus) Kommentar mittelalterlich/ Mittelalter neutestamentlich, Neues Testament omittit, omittunt Participium coniunctum Präpositionalphrase Partizip Perfekt aktiv Partizip Perfekt passiv Partizip Präsens aktiv Partizip Präsens passiv
2.2 Sonderzeichen Der aksl. Text ist, wie üblich, in den Hss spärlich interpunktiert; die in den Editionen vorliegende Interpunktion stammt nicht selten auch von den Herausgebern. Die Ausgabe löst Abbreviaturen kommentarlos auf, jedoch ohne Rekonstruktion zusätzlicher Grapheme, und verzichtet auf die Wiedergabe von Abbreviatur-, Spirituszeichen und Akzente. Zur orthographischen Wiedergabe von Ф (s. S. 11) werden im speziellen benutzt:
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10 ҄ ”
2 Abkürzungen - Siglen
Ein rundes titlo ist über dem folgenden Buchstaben anzuordnen (so ist etwa жит҄е zu lesen als житье). Anführungszeichen vertreten zwei fallende Akzentzeichen, die über dem folgenden Buchstaben anzuordnen sind
2.3 Erwähnte Editionen CH KO MMFH VM IL
ZP PS
KS
1
Vita Constantini-Cyrilli, ediert nach der Hs des Klosters Chilandar in Grivec/Tomšič (1960, 95-143), siehe S. 11 Nr. 41 Vita Constantini-Cyrilli, ediert nach der ältesten südslavischen Hs von 1469 in KO, 3: 30-159); siehe S. 11 Nr. 1 Vita Constantini-Cyrilli, ediert nach der ältesten ostslavischen Hs in MMFH, 2: 57-115); siehe S. 11 Nr. 5 Vita Methodii, zitiert nach der Edition in Grivec/Tomšič (1960, 147167) ’Italische (zuweilen auch ’römisch’ genannte) Legende’ = Vita Constantini-Cyrilli cum translatione s. Clementis’, ed. in MMFH, 2: 120-133). IL erzählt als Auszug aus der Clemensvita die von Kyrill bewerkstelligte Auffindung und Überführung der Gebeine des hl. Clemens nach Rom. Die Vita s. Clementi ist von Johannes Diaconus begonnen und von Gauderich von Velletri vor 882 fertiggestellt worden, so dass sie als zeitgenössischer Bericht anzusehen ist. Zachariinski Parimejnik1 , ediert von Kuzovenkova/Žolobov/ Baranov (2017). ’Prophezeiung Salomonis’, eine apokryphe Ausdeutung der Sprüche Salomons und weiterer Quellen. Die älteste und beste der insgesamt 5 bekannten Handschriften ist auf das Jahr 1234 datiert (Vodolazkin, 2001, 518). Der Text enthält die sogenannte ”Erzählung vom Kelch Salomons” (VC XIII 3-10), hier als Vergleichstext zitiert nach (Vodolazkin/Rudi, 2003, 255-257). Lateinischer Text der Inschrift auf dem Kelch des Salomon (siehe zuvor PS), Hs der Bibliothèque Carnegie de Reims. Ms. 390 ”B. Augustini de Trinitate libri XV”, fol 4a, 9. Jh., aufbewahrt und digitalisiert in der Pariser Nationalbibliothek .
Zur Textgattung des gr. Prophetologion, ksl. Parimejnik genannten at Lektionars, dessen aksl. Textgestalt von der Forschung einhellig mit der kyrillomethodianischen Mission in Verbindung gebracht wird, was im übrigen durch die Zitate des Parimejnik in VC bestätigt wird, siehe Engberg (2006).
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2 Abkürzungen - Siglen
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2.4 Erwähnte Handschriften Die bisher bekannten 58 Handschriften vom 15. bis zum 18. Jh., von denen 24 vollständig ediert vorliegen, erfasst Mirčeva (2014, 23-49) (rez. Diddi (2014a)), deren Werk die folgenden Informationen entnommen sind, um Hss, auf die in dieser Untersuchung gelegentlich hingewiesen wird, zu identifizieren. Die erste Spalte bringt die Nummer der Hs nach Mirčevas Durchzählung, die zweite die bei Grivec/Tomšič (1960) verwendete Bezeichnung, wobei Zahlen mit den in Bodjanskij (1863); Bodjanskij (1864); Bodjanskij (1865b); Bodjanskij (1865a); Bodjanskij (1873) edierten Hss korrelieren. Die dritte Spalte gibt den Namen, die vierte Aufbewahrungsort und Datierung der Hs.
2
M 1
G/T G
5
A/1
41
CH
45
16
52
V
53
-
Name Vladislav Grammaticus, Erste (Zagreber) Abschrift -
aufbewahrt in Zagreb Kroat. Akad. III.a.47: 1469 Moskau RGB f 173 (Geistl. Akademie) Nr 19: Mitte 15. Jh. Abschrift von Chilandar Athoskloster Chilandar Nr. 444: 1625-1626 Zweite Abschrift von Chil- Moskau RGADA f 381 andar, Kopie aus dem Besitz (Synodal. Typografija) Nr. von Dmitrij Rostovskij 420: Ende 17. Jh. Vatikanische Hs Rom, Codex Vaticanus Slav. 12: 17. Jh. Vilnaer Hs/ Ф Vilna, Zentr. Bibl. Lit. AN f 19 (Smlg. Öffentl. Bibl.) Nr. 80; 15182 .
Die Vilnaer Hs konnte ich einige Stunden einsehen; sie wird im Apparat zu den ersten drei Kapiteln zur Demonstration orthographischer Varianz verwendet. Die bisherige Datierung lautete allgemein ”17. Jh.”, doch im Katalog von Morozova (2008, 31) werden die Folia 487bff, auf denen VC zu finden ist, nun als zum ”Grundbestand des Kodex” gehörend identifiziert, der über eine Schreibernotiz genau datierbar ist.
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3 Prinzipien der Textdarbietung Abgedruckt wird der aksl. Text samt den Lesarten, welche Grivec/Tomšič (1960) bieten,1 , wobei sich zeigt, dass die aksl. Formulierungen stark von entsprechenden Formulierungen des Griechischen abhängen (oder, das eine Mal XV:10-11, vom Lateinischen). Es handelt sich bei dieser Abhängigkeit nicht um eine stilistische, sondern vor allem um eine grammatische. Die aksl. überlieferte VC ist überall von der gr. Morphosyntax so sehr abhängig, dass sie als Übersetzung aus dem Griechischen in Gestalt einer wahrscheinlich zuerst interlinear angefertigten Übersetzung ad verbum anzusehen ist (siehe gleich ’Verhältnis zum Griechischen’ S. 13, die textsortengemäß und historisch kontextualisiert werden muß (S. 23). Die Behandlung der Lesarten von VC sollte deren besondere Überlieferungsbedingungen berücksichtigen (S. 28) und im speziellen die Besonderheiten der zugrunde gelegten serbischen Hs CH (S. 37).
3.1 Das Verhältnis von VC zum Griechischen Die Erkenntnisabsicht, aus den Viten des Konstantin-Kyrill und seines Bruders Method ein historisches Bild der Vorgänge des 9. Jhs. zu erhalten, bringt es mit sich, dass VC und VM zumeist als koordinierte Quellen behandelt wurden, welche Auskunft geben über die Erfindung des ersten slavischen Alphabetes, über die Entstehung der frühesten altbulgarischen Übersetzungs- und Originalliteratur, über die konfessionsgeschichtlich ebenso wie politisch bedeutsame Trennung in eine katholische slavica latina und eine orthodoxe slavica graeca, über die Spuren der altkirchenslavischen Mission in der Westslavia, über die kulturgeschichtliche Innovationskraft des Werkes der beiden Slavenapostel im Ersten bulgarischen Reich und über die kulturprägende Kraft des Erbes der Slavenapostel in anderen Ländern der Slavia, insbesondere in der Kiever Rus’. All dies und noch weitere, besonders auch linguistische Fragestellungen gehören zu den traditionellen paläoslavistischen Sachgebieten. Einem historischen Verständnis, dem die Viten als Dokumente des 9. Jhs. gelten, liegt es nahe, 1
Anhand vorwiegend lexikalischer Überlegungen wurde CH von ihren Editoren als Textgrundlage gewählt (Grivec/Tomšič, 1960, 83) und mit den Lesarten der 16 (= Siglen 1-16; Nr. 1 ist die Grundlage aller russ Übersetzungen seit der Reedition Lavrov (1930)) von Osip Maksimovič Bodjanskij (Bodjanskij (1863), Bodjanskij (1864), Bodjanskij (1873)) edierten Hss, außerdem den Lesarten der ersten Abschrift des Vladislav Grammaticus von 1469 und der Vatikanischen Hs ”Slavo 12” zusammengestellt.
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3 Prinzipien der Textdarbietung
beide Texte als gleichartig zu verstehen, gehören sie doch zur selben Textsorte, verfasst von vergleichbaren historischen Akteuren in unmittelbarem zeitlichen Bezug. Für Brückner (1906, 186f.) war es ausgemacht, dass VC und VM (und auch noch die lateinische Vita des Kyrill) nicht anders als auf Method als den alleinigen Autor zurückgehen müssten, wobei allenfalls den Bericht vom Tode Methods in VM, den der Slavenapostel schwerlich selbst schreiben konnte, ein Schüler nachgetragen habe. Für ein sprachwissenschaftliches Verständnis ist diese Annahme äußerst hinderlich gewesen und weil die historische Benutzung der Texte auf ihrer sprachlichen Klarheit ruht, ist das Sprachproblem auch für die Geschichtswissenschaft schädlich.2 Die parallele Benutzung von VC und VM hat die Antwort auf die Frage, in welcher Sprache VC und VM ursprünglich geschrieben worden seien, zu lange behindert. Der nie verstummende Hinweis auf Gräzismen in VC wurde immer wieder mit dem Hinweis auf originale altkirchenslavische Grammatik in VM beantwortet, als ob nicht VC ursprünglich griechisch, VM aber ursprünglich altkirchenslavisch geschrieben sein können.3 Zwischen dem Todesjahr Kyrills 869 und dem Todesjahr Methods 885 liegen immerhin 16 Jahre, die keinesfalls zwingend nahelegen, der Autor beider Viten müsse derselbe gewesen sein. Bereits am Ende des 19. Jhs. mehrten sich die Stimmen, die dafürhielten, dass VC ursprünglich griechisch geschrieben worden wäre und die überlieferten slavischen Abschriften also nur Abschriften der aksl. Übersetzung eines ursprünglich gr. Originals seien. Diese Stimmen stützten sich vor allem auf stilistische Beobachtungen4 und vermischten trotz ihres Plädoyers für das Griechische aber oft die Frage nach der Ursprungssprache von VC mit der Frage nach der Ursprungssprache von VM. 2
So urteilt schon Goetz (1897, 106) von VC, ”dass sie weit mehr als die Vita Methodii legendenhaft weitergebildet ist und offenkundig sagenhafte Züge enthält. Alle Nachrichten also, die die Vita Konstantini allein, oder im Gegensatz zu den anderen Quellen berichtet, müssen von vornherein mit einem gewissen berechtigten Misstrauen oder direktem Zweifel aufgenommen werden.” Das Urteil ’offenkundig sagenhafter’ Züge beruht m.E. vor allem auf sprachlichen Schwierigkeiten. 3 Ein Beispiel für die sachgrundlose Vermischung beider Texte bietet Lehr-Spławiński (1959) (siehe auch I:3, Kommentar zur dt. Übersetzung), der in seinem Vorwort ohne weitere Diskussion die aksl. Überlieferungssprache beider Viten für ihre Entstehungssprache ansetzt und auf die slavische Ethnie beider Autoren schließt. Ebenso erklärt Dvorník (1953, 81) den sprachlichen und sachlichen Einfluss des Griechischen auf VC durch kulturellen Einfluss: ”a Slav brought up in Byzantium ( … ) wrote the Life under the direction of ( … ) Methodius ( … ) in Moravia between 873 and 880 most probably”. 4 ”Так, Воронов решительно утверждал, что ЖК и ЖМ были первоначально написаны на греческом языке, а дошедшие до нас славянские тексты представляют собой вольный перевод греческих оригиналов. Предполагали возможность существования греческих оригиналов Миклошич, Ягич, известный русский византинист Успенский. Основной аргумент состоял в следующем: в стиле и языке ЖК и ЖМ имеется очень много греческих элементов. Однако уже давно многие русские слависты (например, Викторов, Малышевский, Лавров и др.) не признавали за этим аргументом доказательной силы” (Bernštejn, 1984, 22).
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3.1 Das Verhältnis von VC zum Griechischen
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Vorliegende Arbeit stellt heraus, dass VC von Gräzismen im Sinne von lexikalischen und morphosyntaktischen Lehnübersetzungen geprägt ist, deren Erkenntnis nicht selten ein korrektes Textverständnis überhaupt erst ermöglicht. Dujčev (1951) brachte m.W. als erster ein echtes linguistisches Argument vor (allerdings mit nicht ganz voller Beweiskraft), indem er anhand von XII:10 auf ein gr. Original von VC schloß, weil nur im Griechischen eine bestimmte Homophonie von Nomen und Adjektiv gegeben sei, welche seiner Meinung nach das Verständnis der Stelle erst ermögliche. Gräzismen sind im Falle der griechischen Slavenapostel an sich nichts Unerwartetes. In Saloniki wuchs man zweisprachig auf (vgl. S. 64), weshalb schon Method aufgrund seiner slavischen Sprachkenntnisse in der Verwaltung eines ’slavischen Fürstentums’5 tätig war. Die Frage ist aber, ob die Gräzismen auf dem Wege der stilistischen Nachahmung in den slavischsprachigen Text geraten konnten oder ob sie nicht von solcher Qualität sind, dass der slavischsprachige Text nicht anders denn als wörtliche, bis in die Morphosyntax von der Quellsprache abhängige Übersetzung eines verlorenen griechischen Originals zu betrachten ist. Dabei muss auch die Möglichkeit zugestanden werden, dass mehrere Hände an der Verfertigung einer solchen Übersetzung beteiligt sein konnten, so dass die einzelnen Teile von VC unterschiedlich stark von Gräzismen geprägt sind. Betrachten wir Gräzismen auf der lexikalischen inklusive der idiomatischen Ebene, finden sich laufend Beispiele, welche ein spezifisches Verständnis des aksl. Textes erst unter Berücksichtigung der zugrunde liegenden griechischen Konstruktion ermöglichen. So weiß man nur unter Berücksichtigung der gr. Idiomatik, dass in VI:19 niemand ’in die Meerestiefe hineingeht’, weil gr. ’hineingehen’ in Bezug auf eine kontextuell verfügbare Referenz auf ein Gewässer auch ohne Erwähnung eines Wasserfahrzeuges ’sich einschiffen’ bedeutet. Ebenso steigt dann auch in IX:2 niemand irgendwo herab, weil ”hinabsteigen” im Griechischen auch ohne Erwähnung eines Wasserfahrzeuges ’an Land gehen’ bedeuten kann. Ein muttersprachlich slavischer Autor hätte in einem originalen slavischen Text eine solche griechische Idiomatik nicht produziert, so dass die Beispiele zugrunde liegender griechischer idiomatischer Bedeutung eindeutig einen griechischen Muttersprachler als Verfasser von VC ausweisen. Ist es aber wahrscheinlich, ein gr. Muttersprachler (Daiber (2017a), Daiber (2018)) habe sich mit schwachen Kenntnissen des Askl. an die Niederschrift gemacht und auf diese Weise einen aksl. Text mit Interferenzen geprägt? Es müßte sich also um einen Griechen handeln, der sich an die Niederschrift eines Textes in einer Fremdsprache setzt, den er literarisch und rhetorisch glänzend formen und mit intertextuellen Verweisen versehen kann, aber gleichzeitig unsicher ist, wie Altersangaben (III:1) oder Umstandsadverbien (IX:2) gebildet werden. Nimmt man weiterhin in traditionellem Sinne an, dass VC im Original aksl. geschrie5
Schütz (1985b, 90) = MV II:4 кнѧжениѥ … словѣньско Grivec/Tomšič (1960, 153)
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3 Prinzipien der Textdarbietung
ben war, und gesteht nur zu, dass ein griechischer Muttersprachler VC verfasst habe, so hat also dieser Muttersprachler bei der freien Formulierung eines abg. Textes auffallend viele Lehnübersetzungen produziert, d.h. idiomatische Wendungen seiner gr. Muttersprache oder idiosynkratische Bedeutungen gr. Ausdrücke den semantisch bzw. morphologisch zwar äquivalenten, aber mit den Sonderbedeutungen nicht ausgestatteten aksl. Worten unterlegt. Diese Sonderbedeutungen konnten nur Leser von VC verstehen, welche den aksl. Text sozusagen mit gr. Verständniswillen lasen, und das taten die slav. Abschreiber nicht. Manche Gräzismen (etwa das ansprochene въходеть von VI:19) machen den Textsinn - in diesem Fall einen Vergleich - zwar schief, aber hindern noch nicht das prinzipielle Verständnis der Stelle. Überhaupt bewirken die meisten Gräzismen nur eine leichte semantische Verschiebung und sind gut daran erkennbar, dass an diesen Stellen ohne grammatische Not sich eine Häufung von Lesarten einstellt (beispielsweise ꙗсно VI:20). Daneben aber gibt es auch Gräzismen, wie das gleich zu besprechende прѣмѣниль in IV:5, die den Textsinn verdunkeln. Es ist mir schwer vorstellbar, dass ein griechischsprachiger Autor, der subtile Argumente in den theologischen Disputationen wiedergeben kann, sich nicht zugleich darüber im Klaren ist, dass gr. Lehnbildungen im Aksl. mißverstanden werden müssen. Die Problematik der Bestimmung lingualer Substrate und die Problematik, aus dem Vorliegen von Substraten auf die Ursprungssprache eines Textes zu schließen, führt vor die philologische Frage, ob ein Dokument oder ein Text ediert werden soll. Ich entscheide mich hier für eine Textausgabe, also für eine auf die Wiedergabe des Inhaltes konzentrierte Ausgabe, was für den Umgang und die Rezension von Lesarten hermeneutische Bedeutung besitzt. Daher sollen nun zwei exemplarische und gegensätzliche Fälle vorgestellt werden. Der Fall IV:56 прѣмѣниль stellt einen klaren Gräzismus dar, allerdings inklusive einer notwendigen Rekonstruktion gegen alle in den Hss noch bezeugten Lesarten; das anschließend anhand von VI:16 besprochene Verb творити im Sinne eines Sprechaktverbs kann, muss aber nicht zwingend und jedenfalls nicht überall ein Gräzismus sein. Beide, als Extreme eines Kontinuums von Kontaktphänomenen ausgewählten Fälle stellen vor die Frage, ob anhand von Ausdrücken wie прѣмѣниль über die Ursprungssprache von VC zu urteilen ist, oder ob man lieber anhand von Ausdrücken wie творити über stilistische Lehnprägungen in VC sprechen will.6
3.1.1 Gräzismus und Rekonstruktion (IV:56) VC IV:5 bietet das Beispiel eines Gräzismus7 , der den slav. Kopisten unüberwindliche Schwierigkeiten entgegenstellte, weil sich die Bedeutung der Lehnübersetzung aus dem Kontext nicht erschließen läßt. Die Stelle lautet 6 7
Alphabetwechsel gr.-glag. scheint auch einmal in XV:9 nachweisbar. Kurz erwähnt in Daiber (2017a, 380f.).
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3.1 Das Verhältnis von VC zum Griechischen
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како би въ земл’ныхь [Präpositio ”in”] небесьнаа [AkkPl] прѣмѣниль Im bisherigen Verständnis der Formulierung dominiert das Konzept ’Tausch’, das sich auf Lesarten stützt, die ihrerseits schon versuchen, den Satz gefügig zu machen. Bei Schütz (1985b, 29) ”dachte [Kyrill] nur daran, wie er das Irdische gegen das Himmlische vertauschen” könne, was bis in das Verb (”myslil”) das Tauschkonzept der tschech. Übersetzung ”vyměniv pozemské (věci) za nebeské” (MMFH, 2: 66) wiedergibt, welche wiederum die Partizipialkonstruktion von Lavrov ”переменив земное на небесное” (zit. nach Tachiaos (2005, 263)) übernommen hat. Auch die bulg. Übersetzung ”как вместо земното да придобие небесното” (KO, 3: 122) läßt Kyrill ’statt des Irdischen das Himmlische erwerben’ und Grivec/Tomšič (1960, 174), die ebenfalls davon reden, ’anstelle des Irdischen das Himmlische zu vertauschen’ (loco terrestrium caelestia permutaret), hören sogar eine Anspielung auf Gregor von Nazianz (”per terrena caelestia emendo”). Nun mag ein hagiographischer Held das Irdische zugunsten des Himmlischen eintauschen wollen, aber nicht gegen die Syntax. Auch im Slavischen muss man ’etwas mit etwas’ vertauschen, und alle Übersetzungen zeigen auch dieses Bedürfnis, indem sie entweder ’das Eine’ (Akk) für ’das Andere’ (Akk) vertauschen (russ., tschech., dt.), oder aber ’das Eine’ (Akk.) ’anstelle des Anderen’ vertauschen (lat., bulg.), wobei letztere Wendung den Satz nicht besser macht, denn ’anstelle des Einen’ etwas zu vertauschen, sagt immer noch nicht, ’in was’ dieses Etwas vertauscht werde. Die Übersetzungen weichen alle beträchtlich in den verwendeten Präpositionen und den Kasus der zu vertauschenden Entitäten vom aksl. Text ab und können höchstens als sinngemäß bezeichnet werden - wenn denn der Sinn der Stelle im Konzept des ’Tausches’ zu suchen wäre. Aber hätte der Autor von VC das Konzept ’Tausch’ im Auge gehabt, so hätte er auch schon im 9. Jahrhundert nicht anders gekonnt, als ’etwas in etwas’ zu vertauschen. Er hätte also zwei Akkusative mit einer entsprechenden Präposition (z. B. на, въ) verbunden und einen klaren Satz formuliert. Dieser klare Satz, den die Übersetzungen lesen, steht nicht da, und daher darf man vermuten, dass er auch nie beabsichtigt war. Alle Lesarten des Satzes außer zeigen entweder aksl. прѣ-мѣнити ”ver-tauschen, um-wandeln” oder die Ersatzformulierung ’anstelle’ (въ мѣсто). Wir haben es also einerseits damit zu tun, dass auch schon alle Abschreiber von VC nichts anderes als das Konzept ’Tausch’ lesen können, andererseits aber dieses Konzept gewaltsam dem Satz aufgezwängt werden muss. Eine Rückübersetzung ins Griechische dagegen ergibt eine andere Bedeutung. In прѣ-мѣнити kann das Präfix die gr. Präposition προ vertreten wie etwa Ps 88 (89):15 προ προσώπου σου = прѣ лицемь твоıмь (CVB, 533), aber als Verbalpräfix vertritt es auch gr. προσ- wie in прѣбывати = προσμένειν neben ἐπιμένειν (a.a.O.). Zugrunde liegt die Bedeutung ’hin zu, nach, auf zu’. Das Verbalpräfix an sich ist unproblematisch, nicht aber der Verbstamm. Der wahr-
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3 Prinzipien der Textdarbietung
scheinlichste Kandidat, der durch Verschreibung zu dem heute lesbaren -мѣн- werden kann, dürfte eine Form des Verbs имѣти sein. Nimmt man an, dass statt prě-měnil ursprünglich prě-iměl stand, hätte ein slav. Schreiber nicht wissen können, was das Verb ’hin-haben’ bedeuten soll. Die Lehnübersetzung ’hin-haben’ des im NT belegten gr. προσ-έχω = ”den Sinn richten auf” (Bauer, 1988, 1430) konnten die slav. Kopisten nur als Verschreibung empfinden, ersetzten sie deshalb mit der orthographisch ähnlichen Bildung von einem anderen Stamm -měn- und führten so das Konzept ’Tausch’ in den Satz. Mit dem Wissen der gr. Lehnbedeutung des Morphem für Morphem aus dem Griechischen übersetzten prě-iměl hat der Satz einen einwandfreien Sinn und ist grammatisch in Ordnung: ’als ob er im Irdischen den Sinn auf das Himmlische richte’. Die Rede davon, den Sinn statt auf das untere Irdische vielmehr auf das obere Himmlische zu richten, erinnert an Gregorius Magnus ”Omnis peccator terrena cogitans, coelestia non requirens, sursum respicere non valet, quia dum desideris inferiora sequitur, a mentis suae rectitudine curvatur, et hoc semper videt, quod sine cessatione cogitat” (PL, 76: 1230), als Hinweis darauf, dass das metaphorische Konzept ’sich im Unteren auf das Obere besinnen’ jedenfalls Teil der Väterliteratur ist, die dem Autor von VC bekannt gewesen sein dürfte, ohne dass damit behauptet wird, er habe hier die 31. Evangelienhomilie von Gregor I. paraphrasiert. Jedenfalls bereitet das metaphorische Konzept ’in der Befangenheit des unteren irdischen Lebens den Sinn auf das obere himmlische Leben richten’ die Bewegung der nachfolgenden Metapher ’um aus diesem Körper herauszufliegen’ in der Blickrichtung anschaulich vor, was man von dem ’Vertauschungs-Konzept’ nicht so eindeutig sagen kann. Natürlich bleibt hier ein Rest Spekulation, denn прѣ-имѣти kann nur als Konjektur vorgeschlagen werden, es ist in keiner Hs von VC mehr bezeugt. Jedoch dürfte die Diskussion möglicher Kopistenverschreibungen, die nur auf dem Wege der Rekonstruktion geklärt werden können (wie hier am Beispiel прѣ-мѣнити < прѣ-имѣти) im Hinblick auf eine auf allen Hss basierende künftige historisch-kritische Ausgabe von VC in jedem Falle nicht sinnlos sein. Wenn man diesen Gräzismus akzeptiert, ist die Vorstellung unmöglich, dass ein griechischer Muttersprachler in seiner Fremdsprache Altbulgarisch hätte sagen wollen, dass Kyrill im Irdischen (въ земл’ныхь) ’seinen Sinn richte auf’ das Himmlische (небесьнаа), aber es fallen dem Autor gerade nicht die aksl. Worte für ’Sinn’ (z.B. мысль, разѹмъ) und ’richten auf’ (z.B. направити) ein (die er ansonsten in VC ganz geläufig benutzt) und der griechische Autor möchte in seiner Ausdrucksnot auch nicht paraphrasieren (etwa ’im Irdischen das Himmlische sehen’), sondern greift lieber zu einer morphologisch genauen Lehnübersetzung aus seiner Muttersprache, voller Vertrauen, dass man ihn verstehe. Mir scheint es sehr viel einfacher anzunehmen, dass VC im Original griechisch geschrieben war und, vielleicht von mehreren Händen mit ungleicher Übersetzungstechnik, sehr eng am gr Wortlaut entlang übersetzt wurde.
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3.1 Das Verhältnis von VC zum Griechischen
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3.1.2 Gräzismus und Idiomatik (VI: 16) Während vorhin besprochenes прѣ-мѣниль (IV:56) m. E. nur als in den Abschriften verdorbener Gräzismus erklärt werden kann, gibt es dagegen Wortgebrauch, wo eine kognitiv naheliegende semantische Extension von fremdsprachlich motivierter Idiomatik nicht zu unterscheiden ist. Dies ist etwa der Fall bei Verwendung des Verbs ’machen’ als verbum dicendi, was ja auch im Deutschen im Sinne des ’Vormachens, Vorgebens’ eintreten kann. Die Übersetzung von творити ”machen” ist in VC nur in wenigen Fällen (etwa X:87) wörtlich möglich, weit öfter wird das Verb im Sinne eines verbum dicendi ”vorgeben” gebraucht.8 Die metaphorische Verwendung von ποιεῖν ist im Bibelgriechischen eher selten9 , öfter erscheint ”machen” = ”glauben machen” im Sinne des irreführenden Sprechens und also in der Funktion eines verbum dicendi im Lateinischen (Thielemann, 1886), wahrscheinlich auch im Kirchenslavischen tschechischer Redaktion (Mareš (1979, 179)) und sicher im Altruss.10 Die Bedeutungsverschiebung von ’machen’ zu ’vormachen’ ist auch in VC sichtbar, wo творити öfters als Sprechaktverb auftritt, gehäuft im sechsten Kapitel (VI:16, 53, 54). Zu der Bedeutung von творити als ”vorgeben” siehe auch VII:5 mit der Konstruktion творити къ, wo sich auch die Syntax nur mit der Bedeutung ’sprechen, sagen’ rechtfertigen läßt. Interessant ist X:20, wo vielleicht von den Kopisten nicht als Sprechaktverb empfundenes дѣѥм in 3 Hss mit творимъ ersetzt wurde. In der gemeinsamen Bedeutung ’machen, tun’ schwanken sonst творити/ дѣти (дѣꙗти) in den Lesarten zu XI:6 und XI:7, wo sicher kein Sprechaktverb vorliegt, sondern vielmehr die Fügung ’einen Rat machen’ = ’einen Rat geben’.11 In X:68 oder X:82 ist die Bedeutung des ’Vorgebens, Betrügens, den Anschein machen’ besonders deutlich, während unmittelbar darauf in X:74 im Gegenteil eine positive Bedeutung des ’Machens’ in der Wendung ’ein Urteil bilden’ vorliegt. In der Masse der Belege allerdings will scheinen, als ob mit dem Sprechaktverb творити überwiegend die Konnotation des ’Vorgeblichen’ verbunden sei. Das 8
Buck (1915) hat eine schmale Zusammenstellung von metonymisch zu ihrer Bedeutung gelangten pie. Sprechaktverben, hat aber keine von ’machen’ abgeleitete Gruppe (und behandelt daher auch nicht творити). Kaiser (1990, 46) macht zusätzlich auf eine ”nostratische” lexikalische Erweiterung von ”dějati stellen > machen > sagen” aufmerksam. 9 Im Sinne eines verbum dicendi erscheint ’machen’ als ’sich zu etwas machen’ = ’sich ausgeben als’ etwa in Joh 10: 33 ὅτι σὺ ἄνθρωπος ὢν ποιεῖς σεαυτὸν Θεόν = ’daß du ein Mensch seiend dich zu Gott machst/ als Gott ausgibst’ oder Joh 19:7 ὅτι ἑαυτὸν υἱὸν θεοῦ ἐποίησεν = quia Filium Dei se fecit. Die weitaus größte Zahl der Fälle hat unmetaphorischen Verbgebrauch wie Mt 1:24 ’Joseph tat, wie ihm befohlen’. 10 и новгородци не вѣдаху, кдѣ князь идетъ; друзии творяху, яко на Чюдь идеть = Und die Novgoroder wussten nicht, wohin der Fürst geht, andere ”machten” = ”gaben vor”, dass er gegen die Čuden ziehe. (PSRL, 31: 81). 11 SJS, 551) verzeichnet дѣти als Sprechaktverb nur ein Mal für VM; die Belege von VC wären zu vergleichen, etwa VI:52 дѣѥши.
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3 Prinzipien der Textdarbietung
Beispiel von творити als verbum dicendi unterliegt der stilistischen Beurteilung; die semantische Verschiebung von ’machen’ zu ’vormachen’ kann im Abg. ohne gr. Sprachkontakt bestehen und erscheint bereits lexikalisiert, wenn im Codex Marianus in Lk 20:20 ein (reflexives) творити сѧ das gr. (mediopassive) ύποκρίνομαι ”sich verstellen, vortäuschen, heucheln” (Bauer, 1988, 1683) übersetzt. Am Beispiel von творити wird sichtbar, dass naheliegende semantische Verschiebungen (machen > vormachen) zu vergleichbarem idiomatischem Gebrauch führen, ohne dass sprachliche Interferenz zwingend angenommen werden muss. Der Apparat vorliegender Ausgabe neigt im Sinne der These des Buches, dass VC ursprünglich griechisch geschrieben war, zu eher intensiven Hinweisen, was möglichen gr. Einfluss betrifft, und setzt sich damit bewußt der Diskussion aus.
3.1.3 Gräzismus und Interpretation (VI:19) Auf die erste Frage der Muslime, warum denn die Christen sich nicht nur nicht in gleichem Maße, sondern untereinander auch noch je verschieden an die Gebote Christi halten würden, antwortet Kyrill mit einem Vergleich aus der Seefahrt, wie solche die vorderasiatischen Kulte, das Judentum und in seiner Vermittlung auch das Christentum besitzen (zum ’Meer’ passim und speziell zur christlichen Analogie von Querung des Roten Meers und Taufe in 1 Kor10:1 siehe Morales (2011, 243, Anm. 61)). Damit steht die Interpretation vor der textlinguistischen Frage, wo denn der spezifische Übergang von der muslimischen Frage zur christlichen Antwort sei, denn die MeerMetapher in Kyrills Antwort ruft eine solche Fülle von Bezügen auf (vom Urelement der Schöpfung bis zur Metapher des unergründlichen Seins Gottes), dass ein irgendwie kohärenter Anschluß an die muslimische Frage sozusagen nach Belieben konstruiert werden könnte. Es bleibt der Interpretation nur der philologische Weg, so genau wie möglich spezifisches Verständnis aus dem vorliegenden Wortlaut zu ziehen. Für die Meer-Metapher in IV:19 bieten sich nicht beliebig viele Theologeme zur Kontextualisierung an, wenn man verlangt, dass auch die Folgesätze sich logisch an die gleichnishafte Entfaltung der Meer-Metapher müssen anschließen lassen können: сего же ради исканїа мнѡзїи въ пѹчинѹ тѹ въходеть и силнъıи ѹмомь …прѣплавають и възвращають се, а слабїи ꙗко и в сьгнилѣхь кораблихь покѹшають се прѣити, ови истаплꙗють, а ѡви съ трꙋдомь ѥдва ѡтьдыхають Die Stelle wird in den verschiedenen Übersetzungen einheitlich, aber eben nicht überzeugend aufgefasst, pars pro toto sei Schütz (1985b, 35) zitiert: Deswegen steigen viele der Suche halber in diese Tiefe hinab. Und die Mächtigen im Geiste …schwimmen hinüber und kehren wieder...
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3.1 Das Verhältnis von VC zum Griechischen
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Die leichte Absurdität einer Übersetzung mit ”Tiefe” ergibt sich daraus, dass ein Seefahrer, egal ob stark oder schwach, der ”in die Tiefe” hinabfährt oder auch dorthin ”hinabsteigt”, eben finalen Schiffbruch erlitten hat und nicht ’hinüberschwimmen und wiederkehren’ wird, womit die gleichnishafte Ausbeutung der Metapher, dass die einen von einer weiten Ausfahrt sicher zurückkehren, die anderen aber kurz nach Ablegen von Land schon in Seenot geraten, verhindert ist. Schütz ist zugute zu halten, dass seine tschechische Vorlage (MMFH, 2: 71) ebenfalls schon davon spricht, dass die Vielen ”in die Tiefe hinabsteigen” (”Do té hlubiny sestupují …mnozí”), wie schon Lavrov (входят в эту пучину, zit. nach Tachiaos (2005, 268)) und auch die bulgarischen Übersetzer (KO, 3: 124) (мнозина се впушат в тази бездна) in die Tiefe abgehen ließen, während Grivec/Tomšič (1960, 180) über die lateinische Idiomatik den Sinn richtig ergriffen (”multi in mare illud ingrediuntur”). Natürlich muss въ пѹчинѹ тѹ въходеть in der Logik des Gleichnisses ’sich auf die hohe See begeben’ heißen, denn nur so ist die Fortsetzung verständlich, dass die einen, stark an Geist und mit Hilfe Christi, auch reich an Erkenntnis zurückkehren, die anderen aber auf lecken Schiffen die Ausfahrt nur versuchen, wobei sie nun entweder ertrinken oder nur mit Mühe wieder das rettende Ufer erreichen. Wenn zwar klar ist, dass die Logik der Schifffahrtsmetapher zwingend erfordert, dass въ пѹчинѹ тѹ въходеть ’sich auf die hohe See begeben’ heißen muss, so ist nicht recht klar, wie die slavischen Worte dies bedeuten könnten. Zunächst muss die Präpositionalphrase въ пѹчинѹ тѹ verstanden werden, die aufgrund der akkusativischen Rektion die Bewegung zu einem Ziel ’in die Tiefe’ auszudrücken scheint. In Bezug auf die Tiefe, und zwar speziell auf die Wassertiefe, darf aber an die Konstruktion in 2. Kor 11:25 (τρις εναυάγησα νυχθήμερον εν τω βυθώ πεποίηκα = ’drei Male erlitt ich Schiffbruch, einen Tag und eine Nacht lang habe ich über der Tiefe durchgemacht’), wo der Apostel gerade nicht ’in die Tiefe’ oder ’in der Tiefe’ seine Zeit verbrachte, denn sonst wäre schon sein erster Schiffbruch der letzte gewesen. Natürlich trieb Paulus ’über der Tiefe’ oder ’auf der Tiefe’. Weiters ist festzustellen, dass VI:19 mit dem Demonstrativpronomen пѹчинѹ тѹ ’diese Tiefe’ eindeutig auf VI:17 пѹчина …мор’ска ’Meerestiefe’ rekurriert. Wir haben es nicht mit irgendeiner ’Tiefe’, sondern speziell mit einer auf das Meer bezogenen Eigenschaft zu tun. Aksl. пѫчина erscheint nun bevorzugt mit dem Zusatz морьскаꙗ (CVB, 563) und bedeutet analog zu gr. πέλαγοϛ (Bauer, 1988, 1292) neben ’Meerestiefe’ auch ’Meer’ oder ’hohe See’. Es ist bereits aus der aksl. Verwendung des Wortes klar, dass das Phrasem въ пѹчинѹ тѹ въходеть nicht zwingend als ’in die Tiefe hineingehen’ zu übersetzen ist, aber - und das macht die Schwierigkeit die Bedeutung ’auf die Tiefe, auf das offene Meer, auf die hohe See hinausgehen’ will sich nicht mit dem Verb въходити vertragen, welches abg. invariant ’hinein-gehen’ oder ’hin-gehen’ bedeutet.
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3 Prinzipien der Textdarbietung
Die durch den Kontext quasi erzwungene Bedeutung der Wendung scheitert also an den aksl. bekannten Bedeutungen von въходити. Betrachtet man nun das Verb morphologisch въ- + ходити kann das Präfix u.a. gr. ἐπί übersetzen (CVB, 126) und ходити kann gr. βαίνω ”gehen, kommen” wiedergeben; gr. ἐπι-βαίνω hat klassisch (seit Thukydides) neben der Grundbedeutung ’hinaufsteigen, besteigen’ die übertragene und nicht seltene Bedeutung ’an Bord gehen, sich einschiffen’, wobei ein Schiff oder ein Wasserfahrzeug nicht eigens erwähnt werden muss (Bauer, 1988, 587). Alternativ wäre an gr. ἐμβαίνω (Bauer, 1988, 512) zu denken, das Mk 8:13 ohne Erwähnung eines Bootes in der Bedeutung ’sich einschiffen’ gebraucht wird. Unter Berücksichtigung der dem Gr. entnommenen Lehnbedeutung von въходити kann also въ пѹчинѹ тѹ въходеть problemlos ’sich auf diese hohe See einschiffen’ bedeuten und so exakt die Bedeutung annehmen, welche die gleichnishaft entfaltete Metapher auch verlangt. Zweifellos liegt in der Lehnbedeutung von въходити ein Gräzismus vor, der jedoch für die slav. Abschreiber nur wenig problematisch war, weil im vorliegenden Satz die akk. Richtungserweiterung ”auf die hohe See”, auch wenn man sie mißversteht (? ’in die Tiefe’), die Bedeutung des Verbes als mit Schiffahrt verbunden evoziert. Daraus erklärt sich, dass die Stelle nur eine Lesart in einer Hs hervorrief, nämlich съходити, welches das vermeintliche ’hinab-gehen’ betont und damit die sinnliche Anschaulichkeit des Gleichnisses verhindert. Anders dagegen hat das später im Satz auftauchende покѹшають се прѣити immerhin zur achtmaligen Lesart преплыти = ’hinüberschwimmen’ und zur siebenmaligen Lesart преплѹти = ’dass.’ geführt, die sicher sekundär sind, indem sie das Konzept ’Schwimmen’ glauben hervorheben zu müssen, welches aber als Gräzismus auch in прѣ-ити = δια-βαίνω mit der Bedeutung ”setzen über” (Bauer, 1988, 363) bereits vorhanden ist. Der Aktionsartenwechsel zwischen inchoativem ’sich einschiffen’ (въ-ходити) und faktualem ’hinüberschwimmen’ (прѣ-ити) schlägt sich im Aksl. zwar im Wechsel der einander zugeordneten Stämme für ’gehen’ wieder, aber der dahinterliegende Gräzismen bleibt bestehen, den nur ein gr. Muttersprachler produzieren würde. Wenn die aksl. Stelle nun korrekt mit ihrer gr. Lehnbedeutung rekonstruiert ist, sieht man auch, dass das Argument der Sätze Kyrills nicht so sehr auf ’Tiefe’ o.ä. fokussiert, sondern auf das Gleichnis der Meeresschifffahrt als Ganzem. Suchen wir nun eine Parallelstelle aus der Literatur, geht es also nicht mehr darum, Nachweise für die Metapher ’Meer = Weisheit Gottes’ o.ä. beizubringen, sondern vielmehr darum, das Konzept ’ein Meer mit unterschiedlichem Ausgang der Reise befahren’ wiederzufinden. Wir denken nicht an at. Stellen wie Jes 60:9 bzw. Ps 48:7, wo von den ’Tarsisschiffen’, also den seetauglichen Schiffen im Gegensatz zur Küstenschiffahrt gesprochen wird,
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3.1 Das Verhältnis von VC zum Griechischen
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deren Ausfahrt glücklich oder unglücklich endet. Ebenso, wenngleich schon näherliegend im Streit um Religionskonzepte, sind die Vergleiche der christlichen Kirche mit einem Schiff nicht spezifisch genug,12 da sie nur einen Teilaspekt des Gleichnisses abdecken. Vielmehr benötigen wir eine Stelle, die direkt Gotteserkenntnis mit Seefahrt vergleicht wie etwa Sapientia 14:2-4 ”Jenes [das Schiff] hat ja das Verlangen nach Erwerb erdacht, die kunstfertige Weisheit aber hat es konstruiert; deine Vorsehung aber, Vater, steuert es, denn du hast gegeben auch im Meer einen Weg und in den Wogen einen sicheren Pfad, indem du zeigst, dass du aus allem erretten kannst, damit auch ohne Kunstfertigkeit jemand (ein Schiff) besteigt” Niebuhr (2015, 85). Natürlich sei damit nicht behauptet, dass der Autor von VC bei seiner Formulierung tatsächlich an die Weisheit Salomonis dachte (die übrigens sehr wörtlich III:31 zitiert wird), aber jedenfalls ist das sprachlich korrekte Verständnis von VC die Grundlage, um eine adaequate Interpretation bzw. den Nachweis intertextueller Bezüge vorzubereiten. Während hier an einem die Interpreten bisher wenig interessierenden Beispiel der Zusammenhang von Gräzismus und Interpretation dargestellt wurde, sei noch an folgenreiche Stellen erinnert. Das Mißverständis der in gr. Sinne zu lesenden Konjunktion in X:77 führte dazu, dass die Passage für unverständlich gehalten wurde (ausführlich Daiber (2020)); bei XV:2 entspinnen sich Diskussionen, ob Kyrill den im Großmährischen Reich vorhandenen Stundendienst ’angenommen’ oder doch ’übersetzt’ habe, wobei sich der Sachverhalt anders darstellt, wenn man die einzelnen Gebetsstunden danach sortiert, ob sie dativisch der ursprünglich gr. Verbrektion oder akkusativisch der slav. Verbrektion folgen, was nichts anderes bedeutet, als dass Akkusative sekundär in die bereits vorliegende aksl. Übersetzung eingepaßt wurden, aber im gr. Original nicht standen. Ähnliche Phänomene, welche unterschiedliche Morphosyntax zwischen Gr. und Aksl. betreffen, sind überall bemerkbar, vgl. etwa X:5 die Frage des Objektskasus zu сказаѥмыи. Ausgehend von diesen Stellen, die unser Nachdenken erfordern, mag es sein, dass der Kommentar sich in dem Kontinuum sprachlicher Interferenz zwischen den vorstehend besprochenen Beispielen прѣмѣниль (IV:56) und творити (VI:16) zuweilen zu entschieden dem Pol des ’Gräzismus’ zuneigt, was im Sinne einer eindeutigen Thesenbildung ’Das Original von VC war griechisch geschrieben’ sicher zulässig ist. Eine Diskussion über die Ursprungsfrage von VC aber, wenn sie nach Lektüre des Buches noch eine sein sollte, darf nicht mehr an diesen grammatischen Phänomenen vorbeischauen.
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Siehe etwa in Funk (1905, 158).
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3 Prinzipien der Textdarbietung
3.2 Zur historischen Einordnung von VC Die Bestimmung der Originalsprache von VC ist zwar wesentlich für ein an grammatischer Durchsichtigkeit interessiertes Verständnis des Textes, aber Verständnis ist auch von hermeneutischen Vorannahmen über die textsortenspezifische Narrativität und die historische Einbettung von VC abhängig. Hinter einer historisch-politischen oder soziolinguistischen Lektüre von VC sollte die Kenntnisnahme des theologischen Inhaltes13 nicht zurücktreten, was man auch den Versuch einer erneuten ’kritischen und nicht-romantischen Lektüre’ (vgl. Stančev (2012, 57)) nennen könnte. Die Vermutungen, wer (Athanasius Bibliothecarius oder ein anonymer, im römischen Exil befindlicher Byzantiner?) und wann (vielleicht in Rom unmittelbar nach Kyrills Tod) VC verfasste, sind nicht Gegenstand vorliegender Untersuchung; die Konkurrenzthese über die Frage des wer (Method) und wann (kurz vor dem Reichstag in Regensburg oder während der Klosterhaft auf der Reichenau) wird hier ausdrücklich weder angefochten noch vertreten. Es sei nur bemerkt, dass verschiedene Eigenarten des Textes zeigen (siehe bspw. Kommentar zu VI:54a), dass die in VC wiedergegebenen Dialoge auf zu diplomatischen Zwecken angefertigten Protokollen beruhen und der Autor von VC also Zugang zu ihnen hatte. Da Method kaum die Unterlagen zur Araber- und Chasarenmission auf die Slavenmission mitgenommen hat, dürfte die Vita wohl nicht in Rom entstanden sein, sondern stammt vielleicht von einem Schüler Methods, der dessen mündliche Berichte und die in Byzanz lagernden Protokolle zu einem Ganzen zusammensetzte. Die zum gegenwärtigen Zeitpunkt (soweit meine Sicht der äußerst umfangreichen 13
Zweifellos besitzen Theologeme wie die Zwei-Schwerter-Lehre eine die Organisationsstruktur ihres Geltungsbereiches regelnde und also machtpolitische Kraft (Schulz et al., 2019), aber sie sind gleichzeitig eben auch Theologeme, nicht nur ad hoc-Lösungen für politische Aktualität. Ebenso ist das Konzept von ’Heiligkeit’ zwar ein soziologisch zu interpretierendes Instrument zur Herstellung gesellschaftlicher Vorbildlichkeit (aus der reichen Literatur sei verwiesen auf Brown (1971), Schreiner (1994), Garbarino (2010), mehrere Beiträge in Gemeinhardt/Heyden (2012) und besonders Klaniczay (2010), Klaniczay (2013) und Klaniczay (2014)), aber trotz alledem ist das Europa prägende Konzept von Heiligkeit eben auch ein Theologem, das unverwechselbar christlich und nicht nur allgemein religiös ist. Und so war auch das Phänomen des ’Heiligen Krieges’ in Byzanz geläufig (Dennis, 2001), aber irgendeinen Grund muss es geben, dass man einerseits feststellen kann, die Entstehung des Christentums auf den antiken Grundlagen wäre geradezu als Opposition zu einer ”politischen Theologie” auszuzeichnen Peterson (1935, 98ff.), während man andererseits feststellen kann, dass ”das nie überwundene Konzept des Staates als einer Eroberungsbewegung die nach westlichem Muster aufgebauten heutigen islamischen Staaten” ”untergräbt” (Nagel, 2008, 54). Die unvermittelte Entgegenstellung beider Zitate ist natürlich in dieser Form polemisch, aber ganz offensichtlich benötigen wir differenzierte Untersuchungen, wie sich religiöse Praxis, theologische Dogmatik, Wissenskulturen und gesellschaftliche Verfasstheit gegenseitig ausprägen, um das ”framing” der Entscheidungsträger des 9. Jhs. zu beschreiben, während die apriorisch angenommene Instrumentalisierbarkeit von Religion sich selbst schon immer als letzten Inhalt ausgibt.
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3.2 Zur historischen Einordnung von VC
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Literatur reicht, vgl. nur die längst überholte Bibliographie von Možaeva (1980)) vorliegenden historischen Kontextualisierungen von VC werden in dieser Arbeit also angesprochen, aber bewusst nur im Sinne eines Kommentares. Eine neue geschichtliche Einordnung der Slavenmission kann nicht nur anhand von VC erfolgen, aber ehe man alle Quellen zu einem großen Bild zusammenfügt, muss man vorab jede einzelne erst einmal rezensiert haben. Dies für VC zu leisten ist die Aufgabe vorliegenden Buches. Nicht nur die ungegründete Vorannahme, VC und VM wären parallel zu betrachten und die Originalsprache beider Werke müsse Aksl. sein, sondern auch die ungegründete Vorannahme, man habe in VC und VM Dokumente des Konfliktes zwischen der römischen und byzantinischen Kirche zur Hand, bestimmen massiv die Deutungsgeschichte der Texte und verlängern deren nationale Identitätsbenutzung des 19. Jhs. hin zu einer, wenn man so will, konfessionellen Identitätsbenutzung des 20. Jhs. Methodisch gesehen funktioniert es so, dass die historischen Zeugnisse zu Kyrill und Method ein Gesamtbild ergeben sollen, und weil sie dies nicht tun, muss man Schlüsse ziehen darauf, was dem Gesamtbild nach Meinung der Interpreten fehlt.14 Dabei 14
Betti (2014) ordnet die Slavenmission in den Kontext der politischen Großkonstellationen Rom Karolingerreich - fränkischer Klerus - Byzanz und geht von kollektiv angesetzten Gegnerschaften und Interessenskonflikten aus. Der historisch nachvollziehbare Ansatz wird allerdings durch die unreflektierte Annahme verdunkelt, man man hätte schon im 9. Jh. die europäische Bedeutung der Slavenmission erkannt. Wahrscheinlicher ist, daß Kyrill und Method für ihre Zeitgenossen nur eine Episode darstellten. Die ahistorische Annahme dient Betty zur Begründung, das Fehlen eines der angenommenen Bedeutung der Slavenmission entsprechenden zeitgenössischen Schrifttums beklagen zu können (”silence of the Roman sources” [ebd. 71]), woraus die Vermutung resultiert, weitere vatikanische Schreiben über Method und sein Erzbistum seien unterdrückt worden. Hier ist entgegenzuhalten, dass die meisten Quellen über die Slavenapostel aus der westlichen Kirche stammen, und dass die Slavenmission, hätte ein politisches Motiv vorgelegen, auch in Konstantinopel als zentral hätte empfunden werden müssen, weshalb man mit gleichem Recht auch der Ostkirche vorwerfen könnte, ihre Archive zensiert zu haben: ”It should be noted that there is nothing whatever about the Moravian mission in Byzantine historians” (Vlasto, 1970, 32). Betty aber leitet aus der ahistorischen Annahme einer zeitgenössischen Popularität der Slavenmission eine Zensurvermutung ab; das Fehlen von Dokumenten wird interpretiert als Fakt, dass sie geheimgehalten wurden: ”The most reasonable hypothesis is that Hadrian II had begun to evaluate the possibility of Roman intervention in the region of the mid-Danube, but had chosen to operate in a discreet manner: he used Methodius, the Byzantine missionary already known both to the local political leaders and the Carolingian authorities, without advertising that Methodius was now a Roman bishop and legate. Thanks to Methodius, Hadrian II was informed about the plurality of the new powers in the region. He began to treat secretly with Kocel, ruler of Lower Pannonia, and, above all, he was able to experience the violence of the Carolingian response to a Roman intervention in the Bavarian missionary territories, without compromising the Apostolic seed” (ebd. 208, vgl. auch 69). Mir ist nicht ganz klar, wie Method als ’Geheimbischof’ überhaupt hätte agieren können, aber jedenfalls beruht Bettis Darstellung auf dem Vorsatz, ex negativo aus dem Fehlen von Dokumenten Dokumente machen (”this silence … compels us to rethink papal policy” Betti (2014, 5)). Ich spreche hier konträr zu den positiven Rezensionen von Diddi (2014b), Steinova (2014) und Moffat (2015). - Ledit (1933, 563) hat anläßlich von Dvorník (1933) resümiert: ”Photius occupe une place imméritée dans l’ouvrage de
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3 Prinzipien der Textdarbietung
liegen zwischen der Abfassungszeit von VC (nach Kyrills Tod 869 und jedenfalls vor 882 (s. S. 99) und dem frühesten Abfassungszeitpunkt von VM (direkt nach Methods Tod 885) zumindest 3, wahrscheinlich aber eher die vollen 16 Jahre, denn auch VC wird gleich nach dem Tode Kyrills geschrieben worden sein und jedenfalls zeigt VC nirgends an, dass der Verfasser weiß, dass die Entscheidungen von Past Hadrian II (869) von Papst Johannes VIII (873, 879) wieder eingeschränkt wurden. Zwei Autoren, zwei verschiedene Sprachen und zeitbedingt unterschiedliche Produktionsimpulse (Hagiographie, Apologie, Diplomatie, Ekklesiologie) - wie soll man erwarten, dass die beiden Texte inhaltlich dasselbe Ziel verfolgen? Um nicht den einen Text durch den anderen zu erklären und damit eine intertextuelle Einheit herzustellen, die ursprünglich nicht vorlag, beschränkt sich der Kommentar vorliegender Ausgabe darauf, nur die Angaben von VC verstehen zu wollen. Die historische Einbettung von VC beruht auf der Möglichkeit, dass VC tatsächlich historische Angaben mache. Dass der Text aus ”topoi” bestehe, wäre nicht nur M. Dvornik. Ni les légendes slaves, ni d’autres documents n’autorisent l’auteur à affirmer que des rapports étroits existaient entre le patriarche byzantin et les apòtres des Slaves”. Wenn Betti (2014) die Mission der Slavenapostel als Geheimdiplomatie in einem römisch-byzantinischen Kampf um Regionaleinfluß betrachtet, ist dies über Philaret (Gumilevskij) (1847, 2), Dvorník (1933) und LehrSpławiński (1936, 45) bis Garzaniti (2015, 53) vorbereitet: ”In our reconstruction, after coming to the patriarchal throne in 858, Photius, supported by the imperial curia, drew up a complex missionary plan, in which the conversion of the Slavs to Christianity would counterbalance the Germanic peoples’ adherence to Western Christianity. A leading role in this project was to be played by Photius’s ’close friend’ Constantine-Cyril (’fortissimus amicus’)”. Während Garzaniti (ibid.) feststellt ”In general, the role of Photius is understated”, halte ich ihn mit Ledit (1933) für überschätzt. Der ganze Ost-West-Gegensatz scheint mir zu betont die Interpretationen zu beherrschen: erstens, was man überall in VC nachlesen kann, waren die Päpste nicht gegen die Slavenmission, zweitens waren die Slavenmissionare nicht gegen die Päpste, und drittens beruht die ’photianische Freundschaft’ Kyrills - denn Photius ist der einzige, der etwas gegen die Päpste hat - auf einer schwer deutbaren Bemerkung des Anastasius Bibliothecarius; zu den Notizen des Anastasius siehe Lukoviny (2015), dort 29f. die Textstelle (’amicus’) und S. 36 zur inhaltlichen Exaktheit des Textes (”veľmi nepravdepodobné”) und nochmals Lukoviny (2017b), wo jeder photianische Einfluss auf VC abgewiesen wird. Übrigens so schon Forrai (2008b, 39) bezüglich der Verwertbarkeit der Atanasius-Notiz: ”it is impossible to tell, to what extent the official and personal views of Anastasius might have been divergent on the subject of the profile of Greeks in general”. Auch sollte man nicht vergessen, dass sich Kyrill nach nur kurzer Anstellung bei seinem ’Freund’ Photios fluchtartig in ein Kloster zurückgezogen hat (IV:17). Zur Rom-Freundlichkeit Kyrills, die ihn für ein geheimdiplomatisches Ränkespiel schlecht qualifiziert, siehe Forrai (l.c., ”Constantine was a Romano-phile”) und den leider zu kurzen Aufsatz von Grivec (1924). Übrigens macht auch die Laufbahn von Photios nicht wahrscheinlich, dass er je in der Lage war, eine von den Kaisern gestützte außenpolitische Strategie zu verfolgen: Photios wird von Michael III. berufen (858), mit der Thronusurpation des Mitkaisers Basileios abgesetzt (867) und von Basileios wiederberufen (877), dann aber sofort mit dem Tode des Basileios von Leo VI. in die Verbannung gezwungen (886). Auf seiten der involvierten drei byz. Kaiser ist mit dem Namen Photios sicher keine kontinuierliche außenpolitische Strategie verbunden.
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3.2 Zur historischen Einordnung von VC
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zu behaupten, sondern nachzuweisen, aber selbst der geglückte Hinweis - etwa Zitat oder paralleles Motiv - würde nicht von der Frage entlasten, ob und wie sich die Erwähnung von Realien in VC mit dem Wissen von den Realien des 9. Jhs. in Übereinstimmung bringen läßt. Textsortenspezifische Versprachlichungsstrukturen sind noch kein Hinweis auf ’Fiktionalität’: wenn sich Polizeiberichte von Verkehrsunfällen in ihren Formulierungen gleichen, kann man daraus nicht schließen, daß sich nur der erste, wenn überhaupt, Unfall ereignet habe. Ebenso erlauben Gleichförmigkeiten der Versprachlichung religiösen Erlebens oder theologischen Denkens keinen Schluß auf Historizität, sondern nur auf Stilisierung bzw. Intertextualität, was aber nicht von der Prüfung auf historische Sachrichtigkeit entbindet.15 Die angestrebte ”Scheidung von Tatsachen und erbaulicher Dichtung” in VC (Schaeder, 1935, 255), die im Grunde bis heute betrieben wird, unterstellt vorab, dass der Vorlagentext beides als geschieden enthielte. Angemessen wäre eine narratologische, die Ästhetik des Textes und des Genres berücksichtigende Untersuchung. Es führt zu nichts, einem hagiographischen Autor zu unterstellen, es sei ihm ohnehin nicht an Tatsachen gelegen, vielmehr wäre es vernünftig, bis zum Beweis des Gegenteils die Glaubwürdigkeit des Textes anzunehmen, die man aber nicht einschätzen kann ohne Berücksichtigung ehemaliger Versprachlichungsnormen. Weil das Erkenntnisinteresse vorliegender Untersuchung sich alleine auf das Textverständnis von VC konzentriert, wurde auf eine historische Einführung, die nicht nur auf VC, sondern auf allen verfügbaren Quellen zu beruhen hätte, verzichtet, sondern statt dessen eine Zeittafel als Kontextualisierungsvorschlag erstellt im Sinne einer Philologie, die ihre Ziele setzt in ”historicization, commentaries, editing texts, collecting fragments, and the institutionalization of classics as a whole” (Hui, 2017, 141). Die in der Zeittafel aufgeführten Ereignisse korrespondieren den in VC mittel- oder unmittelbar angesprochenen historischen Realien, wobei die Auswahl der zur Kontextualisierung aufgeführten Ereignisse bzw. zeitgenössischen Zitate nicht frei von der begrenzten Sicht des Bearbeiters sein kann. Die Kontextualisierungsvorschläge stellen keine historische Arbeit dar, sondern verweisen nach Meinung des Bearbeiters auf die im Rahmen von VC und des europäischen 9. Jhs. erwartbaren Themenkreise, nämlich Geopolitik und das Verhältnis der Religionen, das Verhältnis von theologisch legitimierter Staatlichkeit zu vorstaatlichen (Raub-) Gemeinschaften, die Balance zwi15
Die Frage des historischen Wertes von Heiligenviten hat in der Slavistik wahrscheinlich Ključevskij (1871) das erste Mal aufgeworfen. Zur Disskussion allgemein siehe etwa Rohr (1995), Rydén (2004) und - in sozialhistorischer Perspektive - Manndorff (2015). - Jakobsson (2011, 89) anläßlich eines Vergleiches der Berichte über die Skandinavienmissionare mit den Viten der Slavenapostel: ”One of the interesting parallels between the Frankish missions in the North during the ninth century and East Roman missions in Central Europe within the same generation is the emphasis which posterity has placed on the work of few individuals. ( … ) It is difficult to avoid the trap of overrating the evidence provided by the Lives of these saints at the expense of less comprehensive and entertaining sources.”
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3 Prinzipien der Textdarbietung
schen Staat und Kirche, wobei im Westen das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Macht eher legalistisch, im Osten dagegen eher als Frage der öffentlichen Symbolik (Ikonenstreit, vgl. aber auch XI:39, dt. Kommentar) ausgehandelt wird, innerhalb beider Konfessionen aber die kirchenrechtliche Stellung des Klerus je neu zu bestimmen ist. Was VC produktionsästhetisch betrifft, wäre noch zu bedenken, dass sich im 9. Jh. auch die Praxis der Reliquienverehrung und der Kanonisierung von Heiligen und dadurch auch die Anforderungen an Hagiographie ändern.
3.3 Das Textproblem von VC Die handschriftliche Überlieferung von VC16 , die sicher im Dezember 882 vorlag (s. S. 99), wird erst mit dem Jahre 1469 in der Abschrift des Vladislav Grammatik (siehe Hs. Nr. 1 auf S. 11) greifbar, obgleich eine mit dem Tode Kyrills einsetzende, ununterbrochene kirchliche Verehrung, möglicherweise verbunden mit dem Gedenken an den hl. Clemens (Bǎrlieva/Naumow (2005), Bǎrlieva (2007)) anzunehmen ist. Der von Krys’ko (2014) im gr. Urtext rekonstruierte Kanon zu Ehren des hl. Kyrill bezeugt ebenso wie Kyrills Bestattung im päpstlichen Sarkophag an architektonisch prominenter Stelle (Osborne (1981), Carmassi (2001)) die unmittelbare Anerkennung der Memorierungswürdigkeit des Lebenswandels und der Taten Kyrills seitens seiner Zeitgenossen. Trotz einer auch von vielfältigen Dokumenten (Bǎrlieva, 2021) nahegelegten Verehrungstradition haben sich keine Abschriften von VC vor 1469 erhalten. Dass die Geschichte vom Kelch des Salomon aus VC:XIII auch separat oder innerhalb antijüdischer Traktate (Ševčenko, 1967, 1807), also unabhängig von der Überlieferung von VC auftaucht, ist kein Grund, nicht von einer rund 600 Jahre schweigenden Textüberlieferung von VC zu sprechen, welche also jahrhundertelang ohne erhaltene Bezeugung abgeschrieben worden ist. Dieser Befund wirft die Frage auf, wie mit den Lesarten im aksl. Text von VC umzugehen ist. Schnell wurde mit Beginn der Edition verschiedener Abschriften von VC klar, dass der Text entweder von südslavischen oder von ostslavischen Schreibern kopiert worden war, was ostslavische bzw. südslavische Redaktion genannt wurde. Alle Abschriften zeigen jedoch denselben Text ohne Spuren eines intentionalen Eingriffes, so dass die Forschung sich darüber einig ist, es nur mit ost- und südslavischen Abschriftvarianten desselben Textes, nicht mit Redaktionen im Sinne der eingreifenden Bearbeitung zu tun zu haben. Es gibt natürlich einige Hss (etwa die vatikanische = ”V” bei Grivec/ Tomšič = Nr. 52, aber auch ”G” = Nr. 1 und ”16” = Nr. 45), welche öfters erkennbar individuell agieren, jedoch grundlegend mit der allgemeinen Hss.-Tradition zusammengehen, so dass es nicht gerechtfertigt schien, sie als eigene Siglen im Ap16
Berichtet von Mirčeva (2014), rezensiert von Diddi (2014a), wobei Diddi (2016) die Manuskriptübersicht mit Überlieferungsvarianten korrelliert.
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3.3 Das Textproblem von VC
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parat hervorzuheben; Hs 16=45 hebt sich sozusagen selbst hervor, da sie Paraphrasen ganzer Sätze und Abschnitte (besonders im Kapitel XIV) bietet, die im Kommentarteil auch übersetzt wurden. Es handelt sich bei Nr. 45 um die Abschrift einer verlorenen Hs aus dem Athoskloster Chilandar, die im Archiv des Hagiographen Dmitrij Rostovskij (Kompilator und Redakteur der bis heute benutzten ksl.-russischen Lesemenäen; Krylov (2014)) gefunden wurde. Die langen, aber klar additiven Lesarten von Nr. 45 sind aufgrund ihrer teilweise anachronistischen Information auszuscheiden und können nicht das Urteil einer ungeteilten, d.h. redaktionell einheitlichen Überlieferung von VC erschüttern. Die kritische Betrachtung der Lesarten von VC wird von Mario Capaldo (Capaldo (2004), Capaldo (2005), Capaldo (2011), Capaldo (2013)) und Cristiano Diddi (Diddi (1997), Diddi (2004b), Diddi (2004a), Diddi (2008), Diddi (2009b), Diddi (2009a), Diddi (2012), Diddi (2016)) seit mehreren Jahren vorangetrieben; dabei gelang es, einzelne Hss zu Überlieferungsgruppen zusammenzustellen, wobei die Gruppenzugehörigkeit oft durch die Art der Sammelhandschrift, innerhalb derer die Texte verbreitet wurden, bestimmt wird. Trotz dieser hoffentlich bald in die angekündigte kritische Edition von VC mündenden Arbeit der beiden italienischen Slavisten lassen sich aus ihren Studien aber nur bedingt, wenn überhaupt, Schlüsse auf Textrichtigkeit ziehen, denn auch wenn Lesarten zu Lesartengruppen zusammengestellt werden, ist die Entstehung dieser Lesartengruppen über Hunderte von Jahren hinweg immer noch dunkel. Angesichts der teilweise kaum verständlichen Lesarten von VC hatte schon van Wijk (Wijk (1941a); Wijk (1941b), s.a. Hinrichs (2006)) eine Rekonstruktion von VC vorgeschlagen, wobei der niederländische Slavist allerdings literarischästhetische Kriterien zugrunde legen wollte, um zwischen den aksl. überlieferten Lesarten die originale herauszufinden. Van Wijk hatte richtig erkannt, dass das Prinzip, das unter den vorliegenden Lesarten der Hss von VC die ’richtigen’ auszusortieren erlaube, nicht in einer Prüfung linguistischer Richtigkeit im Aksl. zu erreichen sei, sondern quasi außerhalb des aksl. Textes liege. Dieses außerhalb der aksl. VC liegende Prinzip wird hier vorgetragen als Rekonstruktion einer mutmaßlichen gr. Ausgangsformulierung, die den aksl. Wortlaut als deren Übersetzung charakterisiert. Der Begriff ’Rekonstruktion’ begreift allerdings nicht nur die sich in gewissem Sinne selbst beantwortende Frage, ob der Hinweis auf eine gr. Vorlageformulierung semantisch und grammatisch hilfreich sei für das Verständnis des aksl. Textes, sondern der Begriff ’Rekonstruktion’ begreift auch die Frage des Verhältnisses der aksl. Lesarten zueinander. Es ist keineswegs so, dass beim Vergleich der aksl. Lesarten jedesmal eine hypothetisch angenommene gr. Vorlageformulierung ermöglicht, unter
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3 Prinzipien der Textdarbietung
den aksl. Lesarten die jeweils entsprechende herauszufinden.17 Oft sind die aksl. Lesarten zu unspezifisch, als dass eine spezifische gr. Ausgangsformulierung und damit ein spezifisches Kriterium zur Sortierung der aksl. Lesarten gewonnen werden kann. Es ist darüber hinaus im Besonderen zu beachten, dass zuweilen die aksl. Lesarten so verwirrt sind, dass keine unter ihnen als akzeptabel anzusehen ist. Dieses Problem bestimmt die Textdarbietung und den Aufbau des Apparates der vorliegenden Ausgabe und soll nun im Detail besprochen werden.
3.3.1 Satz- und Absatzzählung Der aksl. Lesetext folgt strikt der Ausgabe von Grivec/Tomšič (1960). Die einzelnen Erzählabschnitte von VC und die jeweilig darin vorkommenden Sätze werden selbstverständlich im aksl. Original nicht durchnummeriert, was aber zu Zitationszwecken sehr nützlich ist. Daher weiche ich nur an wenigen Stellen von der Absatzeinteilung in Grivec/Tomšič (1960) ab18 , und aus Gründen der besseren Vergleichbarkeit mit wenigen Ausnahmen19 nur dann von der Satzzählung, wenn die Richtigstellung der Syntax es zwingend verlangt. 17
So hat in X:18 der Gen. ”dieses Bundes” sein Bezugswort verloren, welches in keiner Hs mehr bezeugt ist. Da es sich um ein Bibelzitat handelt, ist das Bezugswort klar, das in der bulg. Übersetzung sinngemäß [думите на] тоя завет (KO, 3: 129) ergänzt wird, während Grivec/Tomšič (1960, 189) aus dem Gen. einen Akk. machen (’pactum hoc’). Weil sich der Gen. auf keine Weise grammatisch erklären läßt, indem eine partitive Bedeutung unmöglich ist (’verflucht sei, wer nicht einen Teil dieses Bundes hört’ ?), bleibt nichts anderes übrig, als die den Überlieferungszufällen geschuldete Möglichkeit zu konzedieren, dass keine der zugänglichen Abschriften den korrekten Text mehr bietet. Diese Möglichkeit zuzulassen darf natürlich nicht dazu verleiten, ex nihilo nach eigenem Verständnis einen Urtext zu fingieren. Leitendes Prinzip ist immer die Grammatik: defektive Grammatik führt zum Aufsuchen der lectio difficilior und, in wenigen Fällen, vielleicht auch zur Rekonstruktion. Lectio difficilior heißt nicht, das Unverständliche an sich zu schätzen, sondern ganz im Gegenteil, das Unverständliche aufzulösen und eine verstehbare grammatische Konstruktion in möglichst konservativer Behandlung des dokumentierten Wortlautes aufzufinden, die sich kontextuell rechtfertigen läßt und die gleichzeitig ein hinreichender Grund ist, um die Entstehung von Lesarten zu motivieren, welch letztere dann als sekundär zur lectio difficilior dargestellt werden müssen. 18 So beginnt etwa beim Streitgespräch mit den Juden in X:68 ein neuer Gedankengang und entsprechend wurde Absatztrennung eingeführt. Da die anderen Editionen zuweilen keine Absatztrennung kennen oder keine Satzzählung durchführen, ist es nicht nötig, diese wenigen Eingriffe zu dokumentieren. 19 Im Unterschied zu Absatzgliederungen sind Eingriffe in die Satzzählung oft Eingriffe in die Syntax und betreffen das Textverständnis. Daher sei genauer berichtet: In III:18-20 wird bei der Rekonstruktion der Verse Kyrills, wo Sätze 18 und 19 als ein einziger zu behandeln wären, die Zählung beibehalten, aber Satz ’20a’ abgetrennt, um die nicht mehr zu dem Gedicht gehörige Äußerung formal abzugrenzen. In VI:38ab wird, um die zwei Zitate voneinander abzugrenzen, eine mit Buchstaben benannte Satzunterteilung eingeführt, ebenso in VI:54 wegen Themenwechsel, in XIII:6 wegen gräzisierender Syntax, in XIII:9 stellt der zweite Teil ein Zitat aus PS dar. In X:41 wurde die Satzgrenze verlegt, weil Grivec/Tomšič (1960, 116) irrtümlich den Rest des vorgehenden Satzes 40 für den Beginn des Satzes 41 halten. XVI:26 ist der zweite Teil von 1Kor 14:9 und gehört daher mit XVI:25
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3.3 Das Textproblem von VC
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3.3.2 Quantifizierter Apparat Der Apparat dieser Ausgabe drückt die Absicht aus, eine kritische, aber nicht eine historische Ausgabe20 des Textes zu veranstalten. Dies führt zu einer nicht auf die Handschriften und ihre mutmaßlichen gegenseitigen Abhängigkeiten, sondern auf eine strikte Quantifizierung der Lesarten21 zielenden Einrichtung des Apparates. Zum aksl. Text von CH werden im Apparat alle der Ausgabe von Grivec/Tomšič (1960) entnehmbaren Lesarten angeführt, und zwar in zusammengefasster Form22 der Textzeugen, so dass die Häufigkeit der Bezeugung der Textvariante erkennbar wird. Es bedeutet beispielsweise: ”14: на своемь домꙋ 1: на своемꙋ домꙋ”, dass 14 Handschriften und noch eine weitere Handschrift jeweils mit dem hinter der Zahl stehenden Wortlaut von der Lesart der edierten Fassung abweichen. Bei der Ausrichtung auf die Frequenz der jeweiligen Lesart wurde i.d.R. sämtliche Information über die Hss selbst getilgt. zusammen, in XVI:50 gehört der Nachsatz vielmehr als Vordersatz zu XVI:51. Die Interpunktion wurde überall angepaßt. 20 Veder (2011) sieht die Grenzen einer historischen, stemmageleiteten Editionstechnik dort, wo die Überlieferung von außerlinguistischen Faktoren mehr als von sprachlich-redaktionellen Gesetzmäßigkeiten beherrscht wird. 21 Ziegler (1963) hob schon nach ihrem Erscheinen den großen Wert der Ausgabe von Grivec/ Tomšič hervor, dem bis heute nichts hinzuzufügen ist (zur wissenschaftlichen Leistung von Grivec siehe Škafar (2018), Zajc (2014)). Erst nach Autopsie einer Hs wird sichtbar, welche Auswahl die Editoren getroffen haben hinsichtlich der Frage, welche Lesart als morphologische, welche nur als bloß orthographische (und damit übergehenswerte) zu behandeln sei. Es wäre kleinlich, gelegentliche Inkonsequenzen hier zu kritisieren. 22 Vereinzelt fasst auch die Edition von Grivec/ Tomšič Lesarten zusammen, etwa bei den Addenda zu II:4 лѣторасль, gehäuft bei XI:1 лѹчьши, XI:4 живѹщима, XI:13 водꙋ пив’шꙋ, XI: 14 исцѣлиѣи. - Einmal wurden Lesarten zusammengedruckt (X:36 mit X:37), was aber ein Textvergleich korrigiert. Ein Druckfehler bei XIV:12 macht uneindeutig, ob 15 oder 16 Hs die Konjunktion auslassen. Ebenfalls uneindeutig sind die Angaben zu XIV:2 und besonders XVI:20, wo nur vermutet werden kann, welches Satzteil von den Lesarten variiert wird. Die Lesartenangaben zu XVIII:3-5 und 8-9 sind inakzeptabel uneindeutig, bei XIII:2 helfen KO) und MMFH). - Einmal (X:65) übergehe ich numerisch eine Hs. - Die Lesartenangaben zu X:5, X:96 палѧщь und zu XI:5 сѧ sind bei Grivec/ Tomšič unverständlich: bei X:5 werden 5 Hss gleichzeitig für zwei sich ausschließende Lesarten als Zeugen genannt, bei X:96 muss man die Lesarten semantisch auf ein anderes Lemma beziehen, bei XI:5 ist es unmöglich (Wackernagel), dass die Reflexivpartikel vor der Bekräftigungspartikel же in den Hss eingesetzt worden wäre. Bei X:96 und XI:5 wurden die Lesartenangaben in vorliegender Ausgabe verbessert. Bei XII:10 fehlt der übliche Zusatz ”add.” und es muss angenommen werden, dass 2 Lesarten ein Demonstrativpronomen hinzusetzen und damit nicht etwa das lemmatisierte Partizip ersetzen. - Bei zweifelhaften Stellen wurden zuweilen (z. B. XI:13 ꙗдь) auch Lesarten aus KO) und MMFH) (etwa zu XII: 23 oder XIV:2) in den Apparat aufgenommen, was aber nicht systematisch geschah.
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3 Prinzipien der Textdarbietung
3.3.3 Lemmatisierung und Kombinatorik Zuweilen wurde die Lemmatisierung von Grivec/Tomšič (1960) verändert, und dies im Wissen darum, dass damit handschriftenbezogene (vereinzelt auch orthographische) Information verloren geht. Längere Lesarten, wie etwa bei XII:13, wo Grivec/ Tomšič (1960) ganze Phraseme lemmatisieren, werden in vorliegender Edition in kombinatorische Teile zerlegt und einzeln lemmatisiert. Dies geschieht allerdings nur dort, wo Lesarten die Möglichkeit zulassen, dass sie in zwei oder mehreren Abschreibeschritten zustande kamen.23 Lesarten werden natürlich nicht unkorreliert behandelt, wenn sie nur zusammen auftreten können wie der von mehreren Wörtern getrennte Konjunktiv бы … пришьль in XIV:16 oder die Substitutionen nach vorgehendem Lexemausfall in XVII:4. Man meine aber nicht, dass Lesarten logisch wären: Gerade in XIV:16 verwandeln 4 Hss das erste Verb eines finalen Nebensatzes in den Plural, aber nur eine der vier Hss wandelt das zweite tautosubjektivische Verb ebenfalls in den Plural. Es muss immer der Einzelfall betrachtet werden. So wurden noch über die Deutlichkeit bei Grivec/ Tomšič hinaus die Lesarten bei XVI:50 + XVI:54 als miteinander korrelierend gekennzeichnet, weil sie durch eine gemeinsame Lakune im Text zustandekommen. Die gewählte formale Methode, die Lesarten als unhistorische, nämlich unverbundene und nur quantifizierte lexematische Substitutionsklasse zu bieten, hat sich aber in der weitaus größten Zahl von Fällen als nützlich erwiesen. Das Vorgehen sei im einzelnen mit einigen Beispielen verdeutlicht. Wenn etwa CH in VIII:8 ”пѣшь и босъ” (’zu Fuß und barfuß/ unbeschuht’) bietet, so gestalten einige Hss das erste Adverb zu einem Attribut ”пѣшь сыи” (wrtl. ’fußläufig seiend’) um, und von diesen Hss wiederum, welche das Attribut umgestalten, lassen manche, aber nicht alle, das nächste Adverb ”и босъ” aus. Freilich lassen aber das Adverb ”и босъ” auch zwei Hss aus, die das vorgehende ”пѣшь” nicht umgestaltet hatten, so dass die beiden Lesarten also nicht regelmäßig miteinander korre23
Wenn etwa in X:9 das Partizip in der negierten Wendung не потающе nicht nur durch потаꙗще und пытающе variiert wird, sondern darüber hinaus der ganze negierte Ausdruck durch истинно ersetzt wurde, ist es sinnlos, die Lesarten so auseinanderzureißen, dass zuerst bei der Negationspartikel als Lesart vermerkt würde, dass sie in einer Hs unterblieben sei, und dann beim Partizip anzugeben, dass es durch ein Adverb ersetzt werden könnte, als ob auch zusätzlich eine Lesart mit nichtnegiertem Partizip bestanden hätte. - Auch bei X:49 kann das Schwanken der Lesarten zwischen Präpositionalphrase und reinem Instrumental nicht unter Annahme von Zwischenschritten ineinander übergehen. In X:58 ist die Varianz der Hss совершило ... пророческое vs. совершила ... пророческаѧ durch die Genuskongruenz klar. - In XVI:2 zeigen die Lesarten, dass die syntaktisch erforderte Ergänzung des Infinitives ’sein’ nicht zweimal zustande kam, weshalb die Wendung als ganze lemmatisiert wurde. - In XVII:11 sind ein Partizip und ein finites Verb miteinander kombiniert und zu beiden Verben liegen Lesarten vor; die Kombination wurde als Einheit lemmatisiert, weil eine Lesart, die zwei Partizipien oder zwei finite Verben koordiniert, nicht vorkommt - außer im von Grivec/ Tomšič edierten Text selbst.
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3.3 Das Textproblem von VC
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lieren, indem keineswegs Adverbumgestaltung mit Auslassen des zweiten Adverbs regelmäßig auftritt. Es liegt vielmehr eine Kombinatorik von Lesarten vor. Der stemmatische Informationsverlust (’welche Kombination der Lesarten ist bezeugt?’), den unser Apparat anstrebt, provoziert vielmehr die Frage nach der Möglichkeit des Zustandekommens der Kombinationen. Die vorliegende Ausgabe ist also kritisch, aber nicht historisch: Sie projiziert alle stemmatischen Informationen auf die Eindimensionalität quantifizierender Angaben. In VIII:3 wird ein Adjektiv старꙋю von 2 Hss. vielmehr mit пьрвѹю repräsentiert, und weitere drei Handschriften machen zu старꙋю noch den Zusatz поминающи. In der Lemmatisierung der vorliegenden Ausgabe kann der Leser nicht sicher wissen, ob der Zusatz des Partizips zu старꙋю oder zu пьрвѹю erfolgte. Getilgt wurde also die Korrelation der Lesarten. Es ist nun aus semantischen Gründen allerdings höchst wahrscheinlich, dass in der Erstübersetzung aus dem Griechischen mit пьрвѹю übersetzt wurde, die durch den Gräzismus entstehende Doppeldeutigkeit (’erst’ = archaisch: zeitlich oder prinzipiell?, siehe dazu auch VIII:1) wollte ein späterer Abschreiber eliminieren, indem er die Zeitsemantik von ’erst’ betonte und ein (syntaktisch unglücklich positioniertes) Partizip mit der Semantik der Zeitlichkeit (’erinnern’) hinzusetzte. Ein Zusatz dieses Partizips hinter ’alt’ dagegen wäre eher redundant und jedenfalls ohne erkennbare Motivation. Es ist gut möglich, dass es in dem sechshundertjährigen unbezeugten Abschreibeprozess von VC auch Hs gab, welche den Partizipzusatz zusammen mit dem Adjektiv ’erst’ aufwiesen; bezeugt sind aber nur drei Hss mit dem Partizipzusatz hinter ’alt’. Die Möglichkeit, dass die überlieferten Lesarten in einem nicht nachvollziehbaren Prozess sich kombinierten, ist nicht auszuschließen. Ich glaube mir daher nicht den Vorwurf der Spekulation einzuhandeln, wenn der Apparat diese Möglichkeit als Erklärung offenhält. Umgekehrt darf man nämlich fragen, ob es Sinn hat, den durch geschichtliche Zufälle bestimmten Überlieferungsprozess als unantastbare Gegebenheit zu behandeln. Ein weiteres Beispiel, um das gewählte Prinzip der Lemmatisierung zu verdeutlichen, ist X:5: Während sich die Masse der Lesarten um das Lexem ради+Gen versammelt, sei (Grivec/Tomšič, 1960, 119) in einer unbestimmbaren Zahl von Hss eine erweiterte und grammatisch schwer zu rechtfertigende Variante да сего ради пер’выи bezeugt, die also noch eine vorausgehende Subjunktion (да) und ein nach ради vom Standpunkt des Aksl. seltsam anmutendes akk. (oder nominativisches, was aber keinen Sinn macht) пер’выи enthält. Keine der in den Hss vorliegenden Lesarten kann befriedigen, aber ein nicht bezeugtes *ради пер’выи [Akk] = gr. ἐπ’ ἀρχὴν [Akk] führt zu einem kontextuell passenden ”fragt ihr nach dem ersten…”. Die Kombinatorik der Veränderungen, welche die Abschreiber am Text und also auch an den
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3 Prinzipien der Textdarbietung
Veränderungen ihrer Vorgänger vornahmen, dürfte genau dadurch ausgelöst worden sein, dass ein der gr. Morphosyntax folgendes ради+Akk im Aksl. nicht tolerierbar ist und deshalb ein generisches Genetivobjekt (сего) eingesetzt wurde. Um sichtbar zu machen, wie die Lesarten entstanden sein und sich kombinatorisch zueinander verhalten könnten, wird das bezeugte, aber ungrammatische да сего ради пер’выи in zwei Teilen lemmatisiert, nämlich als vorangesetztes да, und als ради пер’выи. Ich bin mir darüber im Klaren, dass in dem Apparat nun dem Leser nicht mehr vor Augen steht, welche Teile der angeführten Lesarten nur zusammen vorkommen. Wieder aber scheint mir der Gewinn, nämlich eine These über den Grund, warum die Lesarten überhaupt entstanden, den Verlust an handschriftenbezogener Information aufzuwiegen. Die Entscheidung, Lesarten möglichst in ihren Bestandteilen zu lemmatisieren, legt auch XVI:14 nahe, wo eindeutig Joh 1:12 zitiert wird und also klar ist, was zu lesen wäre. Biblisch lautet der Satz ’Soviele aber ihn annahmen (ὅσοι [NomPl] δὲ ἔλαβον [3Pl Aor] αὐτόν [AkkSg]), denen gab er Macht, Gottes Kinder zu sein”. Der Vers hat im gr. Urtext keine Lesarten (Aland et al., 2012) und darf als Teil des Johannesprologs ohne Bedenken zu jenen Versen des NT gerechnet werden, die häufig gelesen werden. Der Zographensis (Marianus ist hier defekt) übersetzt wörtlich ohne Mühe елико же ихъ приѩтъ ꙇ, дастъ ꙇмъ власть чѧдомъ бж͡иемъ быти (Jagić, 1879, 1954, 136). Sicher ist der Vers jedem Bibelkundigen, umso mehr jedem Mönch bekannt, und dennoch wird er in VC nicht richtig zitiert, sondern als (CH) ѥликоже ѥсть приель ихь, дастъ имь ѡбласть … , was also heißt ”wieviele derer (ихъ) er [was nur auf Christus zu beziehen ist] angenommen hat, gab er ihnen einen Macht (-Bereich, ѡбласть) … ”, was erkennbar verwirrend ist. Keine der überlieferten Hss von VC zeigt Lesarten bei der verstörten Syntax (wer nimmt wen an?) und bei dem Wort ѡбласть. Das Pronomen ихъ, obgleich auch Bestandteil der (richtigen) Übersetzung des Zographensis, steht in VC an falscher Stelle, nämlich an der Position, wo der Akk als Objekt des Annehmens zu stehen hat, und da keine der Hss ein anderes Akk-Objekt anbietet, bleibt nur übrig, den Gen=Akk ихъ als vom Quantifikator ѥликъ (CVB, 803) abhängig (’welche derer’) zu akzeptieren. Fasst man die Wendung akkusativisch auf, tendiert das Verb zum Singular, der Satz wird grammatisch, aber verstößt gegen den biblischen Wortlaut und die Stelle wird inhaltlich zirkulär ”welchen derer er angenommen hat, nahm er als Kinder Gottes an’. Nimmt man ”welcher derer” als Subjekt, kann das Verb kognitiv zum Plural gehen, kann auch Singular bleiben, doch der Satz verliert immer sein Objekt ’welcher derer [wen oder was?] annahm(en)’. In den Hss sind singularische (CH), möglicherweise pluralische (приать < приѧть, als Wurzelaorist auch 3PsSg möglich), zweifelhaft pluralische (прїали есть [wie Grivec/
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Tomšič angeben], grammatisch besser singularisch zu lesen als прїал и есть) oder singularisch-unpersönliche (prijalo) Verbformen belegt. Nur eine Hs zeigt den Aorist приать (< приѧть), der dem gr. Tempus angemessen wäre, während gleich 10 Hss für Kongruenz von Quantifikator und Verb (eliko prijalo) plädieren. Wir könnten nun den Charakter der einzelnen Handschriften bedenken und sähen, dass die Vatikanische Handschrift (Nr. 52 = V, s. 11) einen Aorist zeigt, was wenig vertrauenswürdig ist, da V in großem Maße die Tendenz zeigt, Formulierungen zu glätten oder anderweitig (etwa dem Bibeltext) anzupassen. Aber auch ohne dieses Wissen ist klar, dass kein Abschreiber einen primären Aorist gegen den gr. und aksl. (Zographensis) Wortlaut in ein Perfekt verwandelt hätte. Die ursprüngliche Bibelübersetzung der Slavenmission hat, wie unsere Stelle zeigt, vielmehr mit einem Perfekt agiert, aber ein glattes ’*eliko (wieviele) že ichъ prijęli sǫt’ (angenommen haben) и (ihn)’ wird es kaum gewesen sein, denn nirgends ist sǫt’ belegt, aber einmal immerhin i est’, und ein rekonstruiertes elikъ/ ὅσοι že/ δὲ prijęlъ est’/ ἔλαβον αὐτόν/ i klingt aksl. möglich und beruht nur auf der Veränderung von pluralischem Subjekt im Gr. (wieviele ihn annahmen) zu singularischem Subjekt im Aksl. (welcher/ ὅσοϛ immer ihn angenommen hat). Man sieht, dass keine der überlieferten Hss an dieser Stelle einen akzeptablen Wortlaut bietet, denn entweder kämpfen wir gegen die Bibel oder gegen die Grammatik.24 Aus der Kombination der überlieferten Lesarten unter Berücksichtigung der Wahrscheinlichkeit der Änderungswege ergibt sich eine Rekonstruktion, die überliefertes елико zu еликъ und ихъ [Gen=AkkPl] zu и [AkkSgmask] ändert, also zwei von den Hss nicht dokumentierte Eingriffe vornimmt und in Kauf nimmt, dass sich im Nachsatz durch die pluralische Referenzierung eine Härte ergibt, die aber ad sensum verständlich ist (’wer [Sg] ihn angenommen hat, denen [Pl] gab er … ). Die die Rekonstruktion wesentlich motivierende Lesart (prijal i est’) ist nur in 1 Hs überliefert, das dahinterstehende Konzept eines ursprünglich singularischen Satzsubjektes allerdings ist in vielen Lesarten präsent. Die Rekonstruktion berücksichtigt so weit wie möglich die Erfordernisse der sinngemäßen Richtigkeit und deutet immerhin den Grund an, weshalb sich überhaupt Lesarten entwickeln konnten. Die rekonstruierende Erklärung beruht auf der Beobachtung, dass viele Hss, unbeschadet ihrer Filiation, sich an einem singularischen Satzsubjekt abmühen, erkennt also darin den Auslöser der Lesarten, und verfolgt nun die grammatisch passenden Elemente zu diesem Auslöser wiederum quer durch alle Hss unbeschadet ihrer Filiation. Diese Art der Erklärung (aber ich sehe auch keine andere Möglichkeit) ließ es gerechtfertigt scheinen, die historische 24
KO, 3: 118) meint trotz des neutralen Satzsubjektes im Aksl., dass елико же приꙗло (приꙗли) ѥсть и das Gr genau wiedergebe. MMFH, 2: 197) übersetzt ”kolikoli jich přijalo (jej)” und ergänzt also stillschweigend das vermisste akk. Pronomen, ebenso schon die lat. Übersetzung bei Grivec/ Tomšič (1960, 206) quotquot eorum receperunt eum. Falls mich der Vorwurf des Überkritischen treffen sollte, so nehme ich ihn lieber in Kauf, als die Stelle wie viele Übersetzungen (Kantor/White, 1976, 49) so wiederzugeben, als stünde der erwartete Wortlaut der Bibel tatsächlich dar.
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3 Prinzipien der Textdarbietung
Information zu den Hss aus dem Apparat als nebensächlich auszuschließen und nur die (quantifizierten) Lesarten anzuführen als kombinierbare Versatzstücke, deren ursprünglicher Zusammenhang möglicherweise von keiner Hs mehr bewahrt wird. Als weiteres, für die gewählte Methode sprechendes Beispiel sei XVI:39 genannt, wo 1Kor 14:22 übersetzt wird und die Lesarten alle Elemente für eine sachlich richtige und zugleich morphologisch äquivalente Übersetzung des NT bereitstellen. Der ganze Abschnitt XVI:21-58 übersetzt bekanntlich 1Kor 14:5-39 und die Analyse (siehe dort Apparat) zeigt, dass die Übersetzung so eng wie möglich morphologische und syntaktische Äquivalenz zum Gr. sucht. Man kann aus den vorhandenen Lesarten von VC eine sachlich und morphologisch exakte Übersetzung des gr. Urtextes herstellen, allerdings kommen die angemessenen Lesarten bei einzelnen Sätzen in keiner Hs zusammen vor. Daraus kann man nur den Schluß ziehen, dass die Hs mit der sachlich und morphologisch exakten Äquivalenz zum Gr. bereits verloren ging. Die Nichtkorreliertheit der Lesarten zeigt sich auch in XV:7, wo 11 Hss trotz des Verweises auf drei heilige Sprachen nur ”hebräisch” nennen und ”griechisch und lateinisch” fortlassen. Konsequenterweise erscheint nun das sich auf die Sprachen beziehende anaphorische Pronomen im folgenden Attributsatz in 11 Hss im Singular - allerdings nicht exakt in denselben 11 Hss, die den Singular provozieren. Auch in X:19 ist die prinzipiell nicht vorauszusetzende Korrelliertheit der Lesarten offenbar, wo ein finites Verb (попиратете) in den verschiedenen Hss entweder mit einem Partizip (въздвиг’ше) oder sechs Mal vielmehr mit einem weiteren finiten Verb (въздвигоша) kombiniert wird. Die Kombination zweier finiter Verben bedeutet eine Satzreihung, welche mit einer Konjunktion zu verbinden ist. Die Lesarten zeigen nun aber erstens, dass die tatsächlich in den Hss bezeugte Konjunktion и25 auch bei Kombination von finitem Verb und Partizip auftritt (wie auch in CH) und dass zweitens 16 Hss die Konjunktion nicht haben. Laut dem Apparat von Grivec/Tomšič (1960) kommen nun ausnahmslos ausgerechnet jene Hss, welche zwei finite Verben kombinieren, ohne Konjunktion aus, was syntaktisch eher schwierig ist, während umgekehrt viele Hss, welche finites Verb und Partizip korrelieren, die Konjunktion aufweisen, aber von diesen eben auch nicht alle. Letzteres wundert nicht, da die Frage nach konjunktionsgestützter Verbindung von finitem Verb und tautosubjektivischem Partizip auf die im Gr. überall verwendete (und in VC per Übersetzung nachgeahmte) Konstruktion mit absoluten Partizipien zurückgeht, welche Partizipien, weil sie als voll satzwertig empfunden werden, mit einer Konjunktion zum finiten Satz verbunden sein können, 25
Eine Verwechslung mit AkkSgMask des anaphorischen Pronomens ist ausgeschlossen, weil der Satz schon den Akk инь законь enthält, so dass sich das Problem nicht löst, indem andere Interpunktion bzw. Satzgrenzen angenommen werden.
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aber nicht müssen. Vor diesem Hintergrund ist die Frage, welche Hss nun die Konjunktion haben und welche nicht, kaum mehr aufschlußreich für das Verständnis des Textes. Vorgenannte Beispiele ließen sich unschwer vermehren. In Reaktion auf eine Textüberlieferung, in welcher Lesarten unkorreliert vorliegen, wurde also ein Lesartenapparat angefertigt, der als quasi mechanische Frequenz von Lexemsubstitutionen gestaltet ist. Natürlich ist eine Filiation der Lesarten aller Hss an sich eine weitere sinnvolle Aufgabe, und zwar dann, wenn die 5 bisher noch nicht edierten Hss zusätzlich vorliegen. Еine Filiation der Hss wird zwar Einblicke in die Geschichte der Textüberlieferung geben, jedoch werden sich auch aus dieser Geschichte kaum Rückschlusse auf die richtige Lesart des Textes gewinnen lassen, der nicht aus seinen Lesarten, sondern eher in der Rekonstruktion der Gründe für die Entstehung der vielen Lesarten erklärt werden muß, wobei fast überall ein Gräzismus als Auslöser der Abschreiberbemühungen anzusehen ist. Das Prinzip, den Apparat wo möglich auf die Quantifizierung der lexikalischen Varianten auszurichten, ist geleitet von einem Satzverständnis, welches annimmt, dass kombinatorisches Zustandekommen von Lesarten nur dort möglich ist, wo sich der Satzsinn nicht ins Gegenteil verkehrt, und welches in Zweifelsfällen annimmt, dass die einfachste Möglichkeit des Zustandekommens von Lesarten auch die wahrscheinlichste ist.
3.3.4 Übersetzung Eine dt. Übersetzung teilweise ungrammatischer, teilweise nur sprachhistorisch erklärbarer Lesarten des aksl. Textes ist natürlich nicht möglich. Wenn die deutsche Übersetzung des in CH gebotenen Textes aufgrund der Bevorzugung anderer Lesarten abweicht, wird jedenfalls darauf hingewiesen. Selbstverständlich werden die häufigen Bibelzitate in VC nicht nach den Bibelausgaben, sondern nach dem in VC gebotenen Wortlaut übersetzt, welcher bei Zitaten aus dem AT öfters von den Formulierungen des Prophetologions bestimmt ist. Die Unterschiede können beträchtlich sein, vgl. etwa das Zitat aus Gen 49:10 in X:44, welches deutlich LXX, aber nicht dem Hebr. folgt und damit auch nicht modernen Bibelübersetzungen; vgl. aber zuvor Zach 9:9 in X:43, dessen Formulierung nur aus dem Prophetologion verständlich ist, welches in der aksl. Gestalt des ZP hier, wo nötig, verglichen wurde.
3.4 Zur Graphie der Handschrift CH Zur Lektüre von CH gehört die Wahrnehmung folgender orthographischer und phonetisch-phonologischer Phänomene.
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3 Prinzipien der Textdarbietung
3.4.1 Die Nasalvokale Entnasalierung der Nasalvokale findet sich an allen Stellen des Textes, zum Beispiel: III: 23 ме < мѧ III: 25 честь < чѧсть VI:28 расплодеть < расплодѧть V:4 юноше сь < юношѫ сь (AkkSg) VIII:2 ѹсте < ѹстѧ[тъ] VIII:15 дръже < дръжѧ VIII:17 кораблѥ < кораблѩ VIII:17 идоще < идѫще X:12 въсеѥ землѥ < вьсеѭ землеѭ [!] X:19 ꙋгодише < ѹгодишѧ (wie in 17 anderen Hss) X:27 напишѹ ѥ < ѧ X:57 благословет’ < благословѧть (3PsPl, Zitat aus LXX) X:68 се благословени быти < сѧ благословени быти26 X:95 памети ради < памѧти ради X:22 глаголѥ < глаголѧ XI:25 прѣстанеть < прѣстанѧть (3PsPl27 XI:29 бледи < блѧдь XI:31 кромѣ ѥе < ѥѧ (GenSgFem des anaphorischen Pronomens) XI:35 въ име светыѥ троице < въ имѧ светыѩ троицѧ XI:29 добрѣишеѥ < добрѣишѧѩ (AkkPlMaskFem) 26
So ergibt sich ein AcI, während die Annahme, се sei vielmehr Demonstrativpronomen, syntaktisch nicht sinnvoll auflösbar ist. 27 Ursprünglich ist die Endung -ѧть, nicht -ѫть, aufgrund des Affixes -ne- (Aitzetmüller, 1991, 209).
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3.4 Zur Graphie der Handschrift CH
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XI:41 чедїи < чѧдїи (чеда < чѧда XVI:14) XII:2 жеждꙋ < жѧждꙋ XII:13 нѣсмы начели < начѧли XVI:12 поѥт’ < поѭть (3 PsPl, Ps 65: 4) XVI:7 хотещихь < xотѧщихь XVI:40 вънидеть < вънидѫть (3PsPl; vgl. dazu auch XVI:21) XVI:51 мльчеть < мльчѧть (3PsPl) XVI:52 хотеть < хотѧть (3PsPl) XVIII:10 еѵаггелїе < еѵаггелїѩ (GenSgfem) Hervorzuheben in der obigen Aufzählung ist das Beispiel X:12 , welches nicht (bulgarische) Entnasalierung von ę > e und von ǫ > ǔ, sondern einen (serbischen) Zusammenfall der beiden Nasalvokale zeigt, da in X:12 entnasaliertes je ein ursprüngliches jǫ wiedergibt; dasselbe V:4, XVI:12 und XVI:40. Bei XI:29 fragt sich, inwiefern die Polemik Ungereimtheiten des Koran (’Geschwätz’), inwiefern Polygamie (’Hurerei’) treffen will, was für das Verständnis des nächsten Verbs, das nur in VC auftritt, wichtig ist. Die morphologische Gestalt des AkkPl auf /-i/ spricht zugunsten von блѧдь. Der, wenn auch nur selten, feststellbare Zusammenfall der Nasalvokale ǫ und ę > /e/ ist als Folge der serbischen Tradierung des Textes zu verstehen, wenngleich der Zusammenfall auch für das Dialektgebiet nördlich von Solun/ Thessaloniki bezeugt ist. Aber man wird aus der Schreibung einer Hs des 17. Jhs. keine Schlüsse auf die Dialektherkunft des aksl. Übersetzers ziehen wollen.
3.4.2 Vorderer reduzierter Vokal Wegen südslavischem Zusammenfall der reduzierten Vokale ъ und ь in /a/ fallen im Schreibusus die Reduzierten meistens in der Schreibung des vorderen Reduzierten zusammen, der folglich auch an etymologisch unrichtiger Position erscheint wie in XI:29 льжь (< лъжь ’lügnerisch’).28 Der Reduzierte muss aber zuweilen auch in schwacher Positionen vokalisiert als /a/ oder /’a/ aufgefasst werden: IX:25 неистовь < неистова 28
Die in CH anzutreffende Schreibung der reduzierten Vokale läßt sich nicht mehr sprachgeschichtlich interpretieren; vgl. III:2 стратигь събра, wo einem etymologisch falschen - das auslautende -ь bei стратигь - ein richtig plazierter reduzierter Vokal - das ъ in събра - folgt.
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3 Prinzipien der Textdarbietung
X:84 херѹвıмь изредны < херѹвыма X:96 раздѣль ѥ на ѡсмь словесъ < разделꙗ < раздѣлѧ XI:1 лучь < луча ? XI:45 Грькь < Грька GenSg ’Griechenlands’29 Bei IX:25 haben fast alle Hss неистова, was auch aufgrund von Parallelismus zum vorigen Satz - dort auch in CH неистова - erwartet wird. Bei X:84 steht херѹвıмь30 am Ende einer Reihe von InstPl. Schwierig ist die Bewertung von X:96 im Vergleich mit VI:40 (siehe in der nächsten Tabelle). In X:96 wird der Satz nur grammatisch verstanden, wenn PartPraesAkt делѧ mit Entnasalierung gelesen wird: ”sie in acht Abschnitte einteilend”, wobei also nicht serbische (dělję > dělje), sondern vielmehr ostslavische (dělję > dělja) Entwicklung vorliegt. In VI:40 ist aber palatalisiertes \’a\ausgeschlossen, denn besser liest man mit den ostslavischen Handschriften GenPl делъ, auch wenn eine Hs PPraesAkt делѧ \делꙗ ausprobiert. Schließlich stellt XI:1 eine Interpretationsfrage dar - siehe dort. Entgegen der üblichen serbischen Schreibung eines doppelten -ьь für den serbischen GenPl -ā (siehe gleich S. 42) bezeichnet auch einfaches -ь gelegentlich den GenPl, falls nicht die südslavische Verwechslung von ь und ъ vorliegt beim ’endungslosen’ GenPl der o-Stämme. Die folgenden Beispiele sind sicher GenPl und unter diesen ist besonders auffällig X:40 (езыкь), was eigentlich immer nur mit dem GenPl der u-Stämme (also: język-ov) realisiert wird: VI:40 дѣль (GenPl) IX:1 къав’каискыихь горь (GenP) X:37 ѡть въстокь (GenPl, idiomatisch) X:40 чаꙗнѩ езыкь (GenPl) X:87 ѹгождьшїихь богѹ ѡбразь (GenPl) XII:7 нѣкоимь особь (GenPl zum Bezugswort) XVI:27 толїко ... родь съгласныихь (GenPl) 29 30
So auch MMFH, 2: 94): ”zajaté Řeky”. Aksl. херѹвимъ bzw. херовимъ (CVB, 761) wird als Nomen und als Adj empfunden und teilweise auch als indeklinabel angesehen. Da X:84 eine unwahrscheinliche, aber theoretisch mögliche syntaktische Alternativlesart zuläßt, in welcher херѹвıмь als NomSg erscheint, kann das Beispiel nur bedingt gewertet werden.
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3.4 Zur Graphie der Handschrift CH
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XVI:52 мѹжа (Akk=GenPl) XVII:4 различныхь недꙋгь (GenPl) In IX:1 und X:87 zeigen die kongruierenden Adjektive Kasus und Numerus des Nomens an, in X:87 findet sich überdies im selben Satz auch die ’korrekte’ DigraphSchreibung ѡбразьь. In XII:7 ist durch das pluralische Pronomen ’einige’ einzig der Pl ’der Personen’ als Fortsetzung möglich; in VI:40 und XII:7 sind die Plurale der Nomina kontextuell eindeutig. Bemerkenswerter Gräzismus ist X:37, vgl. Lk 13:29 ”ἀπό ἀνατολών [GenPl] ἡλίου καὶ ἕως δυσμών [GenPl] καὶ ἀπὸ βορρᾶ [GenSg] καὶ νότου [GenSg]”. Die Ausdrücke ’von Osten’ und ’von Westen’ sind im Gr pluralische PPs, aber ’von Norden’ und ’von Süden’ sind singularische PPs. Kaum kombiniert daher X:37 einen GenSg въстокь mit einem GenPl западьь. Auch im Codex Marianus ist die Wendung zwei Male bezeugt in ”отъ въстокъ и западъ придѫтъ” (Mt 8:11) oder ”и придѫтъ отъ въстокъ и западъ и сѣвера и юга (Lk 13:29), wobei das Zitat aus Lk die pluralischen ’въстокъ и западъ’ zeigt, die also auch in X:37 vorliegen. In XVI:27 толїко ... родь съгласныихь wird der adnominale Gen 1Kor 14:10 γένη [NomPl] φωνῶν [GenPl]) übersetzt. Der aksl. Wortlaut kann theoretisch als in den Singular gewendetes родь [NomSg] съгласныихь [GenPl] aufgefasst werden, was zwar an das Pronomen ’soviele’ schlecht anschließt, jedoch ist eine ad-hoc-Konstruktion an zwischengeschaltetes singularisches Verb случит се (eigentlich unpersönlich gemeint: ’soviele es geben mag …’) nicht auszuschließen. Besser aber wird parallel zum Bibeltext analysiert толїко ... родь [= родъ bzw. serb. рода = GenPl] съгласныихь [GenPl]. Das Beispiel XVI:52 wird aus dem zugrundeliegenden Bibeltext und Lesarten in den Hss von VC als AkkPl erkannt.
3.4.3 Die Schreibung des vorderen Reduzierten in v’se Gegen die Etymologie erscheint die Schreibung des hinteren Reduzierten auffälligerweise häufig in dem Lexem ’alles’: въсе statt вьсе, ѡ въсемь, въсѹ мою честь, въсакаа, въсѣмь философиискымь ѹченѩмь, въсѣмь прочїимь, въса, въсѣмь, въсакѹ чьсть usw. Sollte die auffällig häufige Schreibung der Gruppe /v’s/ als въ ein phonetischer Gräzismus sein, wie in III:23 (добрѣ als Vokativ) oder VIII:10 (граматикїѹ als nomen agentis; (Daiber, 2022))? Die Lautverbindung /v’s/ tendierte unter den Bedingungen des gr. Sigmatismus31 dazu, als /ss/ ausgesprochen zu werden. In der nichtetymologischen Schreibung въс- könnte sich hyperkorrekte Schreibung der im gr. Dialektumfeld komplizierten Verbindung eines Labiodentalen mit nachfolgendem Zischlaut niederschlagen. Auch hier gilt: Methodisch kann von der 31
Hadley (1872) und Malingoudis (1981, 134-150).
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3 Prinzipien der Textdarbietung
Orthographie eines Textes des 17. Jhs. nicht auf die Phonetik seiner Entstehungszeit geschlossen werden.
3.4.4 Digraph des vorderen Reduzierten Die Schreibung ”-ьь” bezeichnet in der Regel GenPl : III:17 изь ѹстьь (GenPl) III:21 гльбиньь (GenPl) V:16 цвѣтьцьь (GenPl) VI:25 ѡть аггельь (GenSg oder GenPl) VI:30 ѡть пророкьь (GenPl) VI:30 ѡть ѹчительь (GenPl) X:34 ѡть пророкьь (GenPl) X:37 до западьь (GenPl) X:58 въсѣхь пророкьь (GenPl) X:82 десет’ бо именьь (GenPl) X:87 ѡть демуньскыихь ѡбразьь (GenPl) X:96 съврьшен’ныихь сихь бесѣдьь (GenPl) XI:45 плѣн’никьь mit den Lesarten плѣнныхъ (GenPl) XIII:2 въ црькви светыхь апостольь (GenPl) XV:19 и͡ ѹченникъъ (GenPl) XVI:36 т’ми словесьь (GenPl) XVIII:12 невидимыихь нашихь врагьь (GenPl) Die Digraphschreibung -ьь als Zeichen des GenPl ist ein Spezifikum der Schreibnorm von Raška32 . In IV:25 könnte auch GenSg vorliegen, da ein Parallelismus (от скота [GenSg] … от ангел-a/-ā [GenSg oder GenPl] (Sg ангел-а siehe etwa X:46) 32
”Specifikem rašské normy, i když nedůsledným, je používání zdvojeného jeru. … V praxi se tento pravopisný prostředek uplatňuje nejvíce k označení gen. pl.” (Knoll, 2019, 113).
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3.4 Zur Graphie der Handschrift CH
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möglich ist, wobei natürlich genauso gut auch скота als GenPl behandelt werden könnte. An folgenden Stellen vertritt die Doppelschreibung jedenfalls nicht den GenPl: II:2 отрочетьь (< a; AkkPl der nt-Stämme) VI:14 чедьь (< a; NomPl der o-Stämme)
3.4.5 Gelegentliche Digraphen mit /a/ Weitere Digraphen mit /a/ erscheinen gelegentlich, in der Masse als Ausfall der Schreibung von intervokalischem /j/ erklärbar, aber zuweilen auch phonetisch auffällig: II:5 таа (NomDualmask) III:20b таковаа (NomPlneut) IV:6 сущаа (GenSgmask) X:59 дѣваа (NomSgfem) In II:5 liegt Dual33 vor, in IV:6 muß bestimmte Deklination сущаго ergeben. Eher orthographisch dagegen erklärt sich die Masse der Fälle wie III:20b oder X:59, wo intervokalisches /j/ wie in дѣваꙗ (CVB, 203)34 nicht notiert wird.
3.4.6 Jat Zwei Mal erscheint die Schreibung /ѣ/ auffällig: III:23 добрѣ < добр-е (Vokativ) XIII:2 живѣше < живꙗше (Aorist) Die vielen Lesarten zu III:23 zeigen, dass die slav. Abschreiber vor einem grundlegenden Problem standen. So hält sich die Formulierung добрѣ дѣѧ aus (MMFH, 2: 64) an eine jüngere Rationalisierung, welche den ungrammatischen VokSg добрѣ (statt regelrechter Vokativ добре) missversteht als Adverb und ein entsprechendes Verb nun dazu bilden muss. Erwartet wird aber kontextuell ein Vokativ, den schon 33
Die Dualendung geht auf pie. /ā/ zurück (Aitzetmüller, 1991, 116), was aber nicht mehr die Schreibung in CH betreffen kann. 34 Wegen Akzentverhältnissen kann slav. děva kann nicht unmittelbar auf Pie. zurückgeführt werden (Derksen, 2008, 105).
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3 Prinzipien der Textdarbietung
die literarische Gestaltung des Abschnittes fordert, der von der Anrede an das bewunderte Vorbild ”O Gregor” (III:18) über die Anrede an den Lehrer ”O Guter” (III:23), der das Vorbild zu verstehen helfen soll, bis zu dessen Absage an den Schüler ”O Jüngling” (III:24) reicht. Das gegen die Morphologie (ѣ statt erwartetem е) gebildete добрѣ ist also eine phonetische Interferenz, nämlich Wiedergabe des gr. ὠγαθέ ”mein Lieber, mein Bester” (Daiber, 2017b, 214-216), wobei die Endbetonung der gr. Form zur Längung des auslautenden Vokals beim slav. Wort geführt hat. Trotz der methodischen Bedenken, von einer Abschrift des 17. Jhs. auf die Phonetik des 9. Jhs. zu schließen, ist man versucht anzunehmen, dass der die gr. Aussprache nachahmende slav. Vokativ ein Phänomen der lebendigen Umgangssprache des 9. Jhs. war.
3.4.7 Palatalität des /r/ Besonders bei dem Wort für ”Kaiser” царь35 und seinen Derivaten36 schwankt die Markierung der Palatalität. Das Lexem царь erscheint insgesamt 14 mal mit palatal markiertem /r/, nämlich 10 Mal im Nom царь (V:4, VI:5, VIII:6, VIII:9, IX:3, Х:42, XIV:6, XIV:10, XIV:12, XIV:15), dazu 2 Mal als Wortbasis in царьство (VI:45, VIII:4) und 2 Mal als Basis für Adjektivbildungen царьскую (VIII:9) und царьскою (VIII:9). Die nicht-palatale Schreibung des Lexems царь erscheint insgesamt 25 Mal, und zwar 5 Mal im Gen цара (IV: 13, IX:11, XI:2, XIII:2, XIII:9), 6 Mal im Dat царѹ (VIII:1, XI:31, XI:42, XIV:2, XIV:19, XVIII:3) und 1 Mal im Instr съ царемь (III:28), dazu 6 Mal als Wortbasis im Nom von царство (Х:47, Х:51, Х:52, Х:53 [2 mal], X:54), 1 Mal in dessen Gen царства (X:53) und 1 Mal in dessen Dat царствѹ ( XI:44). Dazu sind weiters der Nom царствїе (XVI:19) und sein Dat царствїю (VI:6) zu stellen, das Verb царствують (X:55) und die Possessivbildungen царевь строител (III: 28) und цареву полатѹ (IV:6). An der, wie XIV:6 (царь) und XIV:2 (царѹ) zeigen, auch in unmittelbarer Nachbarschaft von Nom und obliquen Kasus inkonsequenten Schreibung ist auffällig, dass im Nominativ царь mit palatalem /r/ notiert wird, während in den obliquen Kasus nicht-palatal markiertes /r/ vorherrscht. Wenn man die sich morphologisch ergebende Folge ’r+vorderer Vokal’ (wie beim Possessivum царевь) abzieht und sogar wegen X:96 (siehe S. 39) schwankende Orthographie für /a/ und /’a/ annehmen will, bleibt doch eine klare Trennung zwischen dem Nom Sg mit und den obliquen Kasus ohne Palatalitätsmarkierung bestehen. Neben царь sind vereinzelt andere Worte von Palatalitätsverlust bei /r/ betroffen wie 35
Gegenüber dem üblichen aksl. цѣсарь, welches im Aruss. vorherrscht, wird die Form bulg. цар seit Simeon (917) offiziell gebraucht (Vasmer, 1986-1987, 4: 290). 36 Übergangen ist nicht aussagekräftiges царици (IV:15); dort auch in drei Hss (darunter Nr. 1, siehe 11) die palatale Schreibung къ царю als Lesart zu царици.
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3.4 Zur Graphie der Handschrift CH
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X:5 творахꙋ (< tvorjachǫ), VI:32 творѹ (< tvorju) oder XII:7 вечера (< večerję). Das Fehlen der Palatalitätsmarkierung bei palatalem /r/ ist im Slavischen von Saloniki des 9. Jhs. bekannt. Schon in der Glagolica fehlen Grapheme für die palatalen Varianten von /r/ und /l/, da der Erfinder der Glagolica diese Laute nicht gesprochen hat, weil ”in der Vorgeschichte des Salonikislawischen aus dem Urslawischen ererbtes j geschwunden war, und zwar zumeist dann, wenn es nicht nach Obstruent (t, d, s, z) stand” (Holzer, 2006, 194). Aber trotzdem dürfte ein Dokument des 17. Jhs. nicht für ”pannonische” Phonologie in VC zeugen, sondern wieder ist die serbische Redaktion des Textes für dieses Phänomen verantwortlich. Auch die Hs 45 (siehe S. 11), die sog. Zweite Abschrift vom Athos-Kloster Hilandar vom Ende des 17. Jhs., zeigt den DatSg царꙋ neben NomSg царь (XIV:6, Lesart), hat aber anders als CH, die Erste Abschrift vom Kloster Hilandar aus der Mitte des 17. Jhs., weniger oft die nicht-etymologische Schreibung von -ь am velaren Wortauslaut. Der Beleg für царꙋ in Hs 45 stammt dabei aus einer Lesart, die sich als späterer, und zwar nach 988 eingefügter ostslavischer Textzusatz zu erkennen gibt. Auch PS hat in der Wiener Hs als Besonderheit die nicht-palatale Form GenSg цара (Vodolazkin/Rudi, 2003, 252). Daher verbietet sich eine phonologische Erklärung, sondern wieder (siehe oben Digraph -ьь) ist auf die Besonderheit der serbischen Raška-Schreibschule zu verweisen (Knoll, 2019, 113).
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4 Zeittafel Die Zeittafel mischt klein- und großformatige Ereignisse, ist in der Nennung von Päpsten, Kaisern, Patriarchen, orientalischen Herrschern, politischen Ereignissen usw. weit davon entfernt, vollständig zu sein, sondern soll alleine die meiner Ansicht nach einer Kontextualisierung von VC dienenden Ereignisse stichwortartig aufrufen, indem nicht zuletzt auch hagiographische Überlieferung berücksichtigt wird. Die Personen sind mit ihren Titeln genannt, durch die sie allgemein identifizierbar sind, auch wenn sie diese Titel nicht zu allen genannten Zeitpunkten bereits getragen haben mögen. Die Slavenmission kann nur im Kontext der zeitgenössischen politischen, diplomatischen und kriegerischen Ereignisse verstanden werden, die keineswegs je nur lokal bekannt waren. Politisch geht es - bezogen auf das 9. Jh. - um die Frage der Legitimierung von Staatlichkeit mit den christlichen Möglichkeiten der institutionellen Trennung von Staat und Kirche in der Variante der Westkirche (Kaiser und Papst in gegenseitigem Abhängigkeitsverhältnis; siehe zum Jahr 824 Constitutio romana) oder der Variante der Ostkirche (Kaiser und untergeordneter Patriarch, was einen, freilich offiziell nie erklärten, Cäsaropapismus in der Praxis bedeutet, vgl. zum Jahr 840) gegenüber der Theokratie des islamischen Kalifates in der genealogischen Sukzession Mohammeds (Abbasiden in Samarra; vgl. zum Jahr 844). Daneben besteht noch die Möglichkeit der Übernahme des Judentums (Chasaren; vgl. VIII:2 und passim), was eine Trennung zwischen ethnischer und konfessioneller Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben voraussetzt (reflektiert mit den Begriffen ’hebräisch’ [VIII:2 = ethnisch] und ’jüdisch’ [VIII:10 = Sprache]) und politisch ein dem AT folgendes Wahlkönigtum bedeutet haben könnte.1 . Diese sich ausbildenden Staatsformen konkurrieren miteinander, wobei die innerchristlichen Spannungen zwischen West- und Ostkirche im 9. Jh. noch lange nicht unüberbrückbar sind. Zu den diplomatischen Mitteln, eine bestimmte Staatlichkeit zu übernehmen, gehört der von einem Volksrepräsentanten (Fürsten) offiziell geäußerte Wunsch nach Lehrern einer der beiden christlichen Konfessionen, indem durch die Übernahme des Christentums in der entweder westlichen oder östlichen konfessionellen Ausrichtung zugleich eine bestimmte Staatsform mitübernommen wird.2 . ”Christianisierung”, wie gerade das Beispiel der längst von den 1
Eine Option, welche noch Andrej Kurbskij in seinem Briefwechsel mit Ivan IV. als Alternative zu einer genalogisch legitimierten Monarchie betont (Daiber, 2016a, 238). 2 Schon Günther Stökl (in Stökl (1976, 78), vgl. nun auch Negreanu (2010)) spricht davon, dass die ma slavischen Staaten ”des Christentums als außenpolitischer Legitimierung” bedurften. Es geht
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4 Zeittafel
bairischen Bistümern missionierten westslavischen Gebiete zeigt, ist nicht überall als Bekehrung von einem wie immer gearteten Heidentum zum Christentum zu verstehen, sondern vollzieht sich als offizielle, entweder freiwillige oder (wie am Beispiel der Karantanen zu sehen) erzwungene Annahme einer bestimmten Staatsreligion inklusive der damit verbundenen politischen Konsequenzen. Das Verhältnis zum Islam ist immer militärisch geprägt und die Grenzen der fränkischen wie der byzantinischen Machtsphären sind ständig von Raubgemeinschaften wie Normannen und Sarazenen (in VC gelegentlich - VI:1 und VIII:2 - als Bezeichnung für muslimische Araber) bedroht, so dass Gewalterfahrungen und -erzählungen sicher ein wichtiger Teil der Alltagskommunikation bzw. der Rezeptionsvoraussetzungen des 9. Jhs. sind. Im Nachhinein läßt sich erkennen, dass die Summe konkreter Entscheidungen anläßlich konkreter Konflikte im 9. Jh. eine gesamteuropäische Weichenstellung bewirkte, beginnend mit der möglichen, aber nicht realisierten engen Verbindung des Frankenreichs und des byzantinischen Reichs im Jahre 800 bis hin zur Frage der Suffraganität der Bulgaren am Ende des 9. Jh. Eine Aufteilung Europas anhand der Linie zwischen Slavia latina und Slavia orthodoxa bahnt sich im 9. Jahrhundert an, die bis heute auf den Landkarten ebenso wie in den politischen Konstellationen sichtbar bleibt. Im 9. Jh. konnte sich aber noch niemand ausmalen, wohin der west-östliche Kirchenstreit führen würde, wie man sich auch nicht vorstellen konnte, dass dem als Arianismus angesehenen Islam tatsächlich einmal Ostrom erliegen würde. Die Frage nach einer legitimen Ordnungsmacht und die zeitgenössischen politischen Themen bzw. religiösen Konflikte sind alle mehr oder weniger explizit in VC enthalten aufgrund ihres ’diplomatischen’ Charakters, denn erzählt werden im Grunde die diplomatischen Missionen Kyrills. Daher enthält die nachfolgende Zeittafel nicht nur speziell mit VC verbundene Ereignisse, sondern auch Ereignisse, welche die Ubiquität der in VC berichteten Episoden (seien es der Konflikt mit dem Islam, der Konflikt mit Raubgemeinschaften oder die Debatten über Saatsreligion) als Assoziationsraum der Leser des 9. Jhs. andeuten. 710
Rupert, der erste Bischof von Salzburg, gründet bei Bischofshofen im Pongau eine Klosterzelle und plant die Missionierung der Slaven an den Ufern der Donau hinab bis nach Ungarn.
um Legitimierung staatspolitischer Macht, die natürlich mit dem individuellen Machtstreben der Akteure zusammen fällt, aber nicht darauf reduziert werden kann.
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4 Zeittafel
49
717
Am 25. März wird Leo III.’der Isaurier’ zum byzantinischen Kaiser erhoben und wehrt einen Ansturm der Araber ab, die 718 vor Konstantinopel ihre gesamte Flotte einbüßen. Leo übernahm das Reich mit der Aufgabe, seine Grenzen zu konsolidieren und seine innere Geschlossenheit herzustellen. Zu den innenpolitischen, sozusagen medienpolitischen Maßnahmen der Konsolidierung gehörte eine bilderkritische Einstellung, um religionsbedingte Gegensätze der Bevölkerungsgruppen im Reich zu mildern.
719
Papst Gregor II. sendet den Benediktinermönch Winfried (= Bonifatius) zur Konsolidierung der Ausbreitung des Christentums nach Bayern, Hessen, Thüringen und Friesland.
729
”Gesandtschaft von Leo III. zum Khan der Chazaren mit Geschenken: um ihn zur Annahme des Christentums zu bewegen. - Vermutlich ergebnislos” (Dölger, 1976, 36).
730
Am 17. Januar legt der byzantinische Patriarch Germanos I. sein Amt aus Protest gegen die ikonoklastische Politik von Kaiser Leo III. nieder.
731
Am 1. November 731 spricht sich eine unter Gregor III. einberufene Synode gegen die ikonoklastische Politik des byzantinischen Kaisers Leo III. aus. Inwiefern das Bilderargument tatsächlich den Konflikt mit Kaiser Leo III. begründete, ist umstritten, denn es mag auch als rhetorisch erfolgeiches Mittel gedient haben beim Streit zwischen West- und Ostkirche über Verwaltungsansprüche in Süditalien. Der byzantinische Kaiser reagierte: ”Er entzog dafür dem römischen Sprengel alles[,] was unter seiner Botmäßigkeit war, Calabrien, Sicilien, das ganze weite Illyricum; er nahm ihm die Patrimonien, welche dort gelegen waren” (Wattenbach, 1876, 32f.).
732
Leo III. schließt ein Bündnis mit den Chasaren, die mit Byzanz in den sich ausbreitenden islamischen Arabern einen gemeinsamen Gegner besitzen.
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4 Zeittafel
732
10. (?) Oktober: Karl Martell kann in der Schlacht von Poitiers die islamische Invasion der Ummajaden in Südfrankreich schwächen: ”Quo tempore gravissima Sarracenorum lues Gallias misera clade vastabat, et ipsi non multo post in eadem provincia dignas suae perfidiae poenas luebant”, kommentiert Beda (PL, 95: 282). Mit diesem, in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung nicht besonders betonten Gefecht, und mit einer Reihe weiterer Kampfhandlungen in Südfrankreich legt Martell die Grundlage für die Herrschaft seiner Nachfolger Pippins des Jüngere und Karls des Großen. Zur Einordnung des später symbolisch ausgedeuteten Kampfgeschehens siehe Mastnak (2002, 99102).
740
Leo III. besiegt in der Schlacht bei Akroinon eine große Abteilung eines einrückenden arabischen Heeres vollständig. Der wenig später erfolgende, auch innenpolitisch (Brubaker/Haldon, 2011, 76) begründete Zusammenbruch der Ummajadendynastie verschafft den byzantinischen Grenzen in Kleinasien für mehrere Jahrzehnte eine gewisse Stabilität.
752
Stephan (II.) wird am 22./ 23. 3. 752 zum Papst gewählt, stirbt aber nach 4 Tagen, ehe die Weihe vollzogen werden konnte. Durch geänderte Legalitätsanschauungen, welche Bischofsweihe nicht als Bedingung für das Pontifikat ansahen, wurde Stephan (II.) in der Renaissance unter die Päpste gezählt, was im Mittelalter und dann wieder ab 1961 nicht der Fall ist.
752
Stephan II. wird zum Papst gewählt († 26.4.757). Aufgrund des schnellen Todes seines noch ungeweihten Vorgängers wird er zählungsgleich mit diesem in der Succession geführt.
752
Modestus, zusammen mit Virgil um 750 in das Gebiet Salzburgs gekommen, wird als Chorbischof zu der römischen Stadt Virunum entsandt, wo sich die von Modestus erbaute Kirche, nach der die Stadt später den Namen ’Maria Saal’ erhielt, zum Zentrum der Mission von Karantanien entwickelt, welches Gebiet vom Patriarchat Aquileia abgetrennt und dem Bistum Salzburg zugeteilt wurde.
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4 Zeittafel
51
754
Konzil im Palast von Hiereia unter Kaiser Konstantin V., welches die theologischen Grundlagen zur Herstellung einer ”ikonoklastischen Nationalkirche” legt. Zusammen mit einer antimonastischen Kirchenpolitik erfolgen ”Reformen auf den Gebieten der Verwaltung, des Militärs, der Bevölkerungspolitik, der Finanz- und Wirtschaftspolitik, die allesamt eine Zentrierung der Reichsherrschaft bezweckten”. Durch Sicherung und Erweiterung der teilweise schon unter Leo III. dem Patriarchat von Konstantinopel unterstellten Gebiete auf dem Balkan und Süditalien vertieft sich die Spaltung zwischen Ost- und Westrom: ”Da die Päpste im byzantinischen Kaiser keinen Schutzherrn mehr besaßen, wandten sie sich, als der Druck der Langobarden zunahm, an die Franken. So nahm die Entfremdung zu, ohne daß die Lösung Roms aus dem (ost)römischen Reich bereits vollzogen worden wäre” (alle Zitate Ertl (2007, 26f.)).
756
Pippin III. steht Papst Stephan II. im Konflikt mit den Langobarden bei, indem er die Anerkennung der fränkischen Herrschaft in Oberitalien durchsetzt3 und die Stadt Rom unter seinen Schutz stellte. Die gegenseitige Bezugnahme des guerra-Diskurses und des ecclesiaDiskurses als ”zwei Register des Sprechens über Politik” (Föller, 2016, 25) beginnt sich herauszubilden.
763
Am 30.6. findet bei Anchialo eine große Schlacht zwischen dem Bulgarenherrscher Telec und Kaiser Konstantin V. statt, die mit einem verlustreichen, doch die bulgarische Expansion zunächst beendenden byzantinischen Sieg endet. Die byzantinischen Quellen späterer Zeit werden aus Abneigung gegen den wenig bilderfreundlichen Konstantin V. seinen militärischen Sieg negativ darstellen (Beševliev, 1971).
767
Virgil mit dem Beinamen ’Geometer’ wird Bischof von Salzburg. Intensivierung der Missionierung der Slaven in Kärnten, wovon die ”Conversio Bagoariorum et Carantanorum”4 berichtet. Die Mission Kärntens wird sich bis ins 11. Jh. hinziehen, siehe die Vita des ”Apostels Kärntens” Batho (dies natalis 30. Juli)
3
Die Probleme um die ”pippinische Schenkung” ebenso wie die Frage, zu welcher Würde (’Kaiser’?) Pippin vom Papst gesalbt worden sei, können hier nicht diskutiert werden. 4 Zu der neuesten dt. Ausgabe vgl. die Rezension Trunte (2013).
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52
4 Zeittafel
768
Inthronisiert gegen Proteste der römischen Bevölkerung, die aufgrund der Amtsführung von Papst Paul I. einen eigenen Kandidaten zum Papst machen wollte, dem aber die kanonischen Weihen fehlten, war Papst Stephan III. von vornherein auf fremde Unterstützung angewiesen. Um sich davon zu befreien, knüpfte er diplomatische Beziehungen zur langobardischen Partei an, doch nachdem Karl der Große die Tochter des Langobardenkönigs Desiderius, mit der er verheiratet war, verstoßen hatte (Diskussion des Berichtes von Paschasius Radbertus siehe in Jong (2019, 21f.)), befand sich Stephan III. ohne Unterstützung des Frankenkaisers in vollständiger Abhängigkeit vom Langobardenkönig und war in seiner Kirchenpolitik daher gelähmt (McBrien, 2006, 112).
772
Beginn der Sachsenkriege von Karl dem Großen mit Hilfe der slavischen (und heidnischen) Abodriten, die bis 804 dauern, in welchen die tributpflichtigen, aber an Stammesverfassung und Raubgemeinschaft festhaltenden Sachsen schließlich christianisiert werden. Ob Karls Vorgehen mit dem Vorgehen der islamischen Expansion im 9. Jh. zu vergleichen ist und wie sich ’violence, religious coercion’ und ’structural violence’ zueinander verhalten, siehe (König, 2016, 31), aber vergleiche auch Rembold (2018), welche im Gegenteil die politischen Maßnahmen und das Mitwirken der sächsischen Elite an der Christianisierung des Landes beschreibt.
774
Karl der Große unterwirft das Langobardenreich und bestätigt die Ländereien des Vatikanstaates.
775
Nachdem sein Vater, Konstantin V., bei der Rückkehr von einem Feldzug gegen die Bulgaren unerwartet gestorben war, trat sein Sohn Leo IV. die byzantinische Herrschaft an. Er vertritt wieder eine ausgleichende Position in Fragen der Bilderverehrung. Leos Herrschaft sieht den Beginn der zunächst vor allen Dingen innenpolitisch schädlichen Araberangriffe: ”the Abbasid Caliphate, at the zenith of its power, had begun from ca. 780 to campaign aggressively against Byzantium. The aim was not to conquer large stretches of territory, let alone destroy the whole of Byzantium, but to gain prestige for the caliphs by winning victories and taking tribute from the Caliphate’s premier rival” (Humphreys, 2021, 37). Das innenpolitische Prestige der byz. Kaiser hängt wieder stark an Erfolgen in Kriegshandlungen sowohl gegen Bulgarien, als auch gegen die islamischen Angriffe.
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4 Zeittafel
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780
Der erst neunjährige Sohn des am 8.9. gestorbenen Kaisers Leo IV., Konstantin VI., wird offiziell byzantinischer Kaiser. Die Amtsgeschäfte übernimmt seine Mutter Irene, die angesichts der äußeren Bedrohung Annäherungen an das Frankenreich sucht inklusive einer 781 angebahnten, später jedoch gescheiterten Verlobung ihres Sohnes Konstantin VI. mit einer Tochter von Karl dem Großen.
781
Abo von Tiflis, ein Moslem aus Bagdad, der sich bei längerem Aufenthalt in Georgien dem Christentum annäherte, kommt im Gefolge des vor politischer Verfolgung fliehenden früheren muslimischen Herrschers des Emirats von Tbilissi, Narse, zu den Chasaren, wo er zum Christentum konvertiert. 782 kehrt er nach Tiflis zurück und wirbt offen für das Christentum. Die Weigerung, sich wieder dem Islam zu unterwerfen, zahlt er am 6. Januar 786 mit dem Tod.
784
Auf Drängen der byzantinischen Kaiserin Irene nimmt Tarasios, eigentlich Jurist und Privatsekretär des Kaisers, den Rang des Patriarchen an. Tarasios ist führender Vertreter einer moderaten Partei, was die Frage der Ikonenverehrung betrifft, die unter ihm in Byzanz wieder eingeführt wurde (siehe Jahr 787).
786
Am 20. März stirbt Arc’il II. von Kaxet’i von der Hand der muslimischen Besatzer seines Landes,5 die ihn zur Annahme des Islams zwingen wollten.
787
Zweites Konzil von Nicäa, welches den Ikonoklasmus verurteilt, aber einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Parteien erzielt, indem die ’radikalen’ Ikonenverehrer,6 zu denen etwa Theodoros Studites zählt, nicht die Absetzung ihrer die Bilderverehrung ablehnenden Bischöfe erreichten, so dass ein innerer Friede auf diesem umstrittenen Feld erreicht wurde, wobei auch Papst Hadrian I. die Entschlüsse des Konzils begrüßte.
5
Englische Übersetzung der Vita in Thomson (1996). Die Ereignisse wurden bereits um das Jahr 800 notiert, doch als Autor der Vita Arc’ils wird Leonti Mroveli angenommen, dessen Lebenszeit ins 11. Jh. datiert wird (Rapp Jr, 2017, 331). 6 ”The Radicals demanded that that the backsliding bishops, at least the ringleaders, should lose their sees, while the Moderates adoptet a conciliatory policy, with which the Radicals finally agreed” (Stambolov, 2015, 140).
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54
4 Zeittafel
787
Ioann der Bekenner (Gedenktag 26. Juni) findet bei der Rückkehr vom Zweiten Nizänischen Konzil sein in Georgien gelegenes Bistum von den Chasaren besetzt vor. Erst im 10. Jh. wird das Fürstentum der Kiever Rus’ die im 7. Jh. aufsteigende chasarische Großmacht besiegen.
um 789
Nachdem er einige Jahre zuvor für Karl den Großen bei Papst Hadrian I. ein Gregorianisches Sakramentar erwirkt hatte, stellt Paulus Diaconus (Warnefriedus) nun ”auf Karls Wunsch (…) eine Mustersammlung von 244 Kirchenväter-Predigten (Homiliarius) zusammen, die Karl für sein Reich verbindlich machte” (Seibert, 2001, 132).
789
In seinem Kapitularschreiben ”Admonitio Generalis” fordert Karl der Große von den Klöstern in seinem Reich, dass sie Schulen für die Kinder der Umgebung bereitzustellen hätten und legt mit diesen und weiteren bildungsreformierenden Verordnungen die Grundlage zur sog. ”Karolingischen Renaissance”. Die Klosterschulen haben zwar mehr der Kleriker-, als der Laienbildung gedient, 7 , aber die Forderung der Schriftkundigkeit von Klerikern hat ein über die klerikalen Kreise hinausgehendes Bildungsideal entstehen lassen.
795
Vollständige Zerstörung des Kaganates der Avaren durch Karl den Großen, was den Aufstieg des Mährischen Reiches ermöglichte,8 weil die fränkischen Truppen die Kontrolle der entfernten Ostgebiete nicht aufrechterhielten und ein politisches Vakuum hinterließen.
7
Wendehorst (1986, 14): ”Das Schreibgeschäft war um so vollständiger in die Hände der Geistlichkeit übergegangen, als mit dem Absterben antiker Bildungseinrichtungen auch die öffentlich organisierte Wissensvermittlung allmählich ausfiel. Zu Unrecht hat man aus der Anwesenheit von Kindern in Klöstern den Schluß gezogen, dort habe es Schulen etwa im neueren Verständnis gegeben. Klosteraufenthalt zum Zwecke des Unterrichtes läßt sich zwar als Anspruch in der Kapitulariengesetzgebung, nicht aber in Wirklichkeit nachweisen.” 8 Curta (2006, 130): ”The rise of ninth-century Moravia followed the destruction of the Avar qaganate by the Frankish armies through a number of expeditions, only one of which was led by Charlemagne himself, between 791 and 795.”
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4 Zeittafel
55
795
Leo III. wird am 26. Dezember zum Papst gewählt und demonstriert sogleich, auch als Zeichen des Widerstandes gegen die römische Familie des Vorgängerpapstes, dass der Frankenkaiser als Schutzmacht des Papsttums fungiere. Damit wird ein asymmetrisches Verhältnis zwischen Ost- und Westhälfte der christlichen Welt zementiert, indem die auf zwei Zentren (Aachen und Rom) und Kompetenzen (politische und ideologische Deutungsmacht) verteilte westliche Gewaltenteilung nun der in einem Zentrum (Byzanz) und in einer hierarchischen Spitze (Kaiser) konzentrierten östlichen Gewaltenakkumulation gegenübersteht.
797
Kaiser Konstantin VI. wird abgesetzt und seine Mutter Irene ist de facto die Alleinherrscherin.
800
Kaiserkrönung von Karl dem Großen durch Papst Leo III. am 25. Dezember. Karl der Große hält damit einen Titel, den eigentlich die Kaiser Ostroms für sich beanspruchen.
801
Um die Jahrhundertwende, so berichten die ’Miracula Genesii’ (Wattenbach, 1872), wurden von dem Florenzer Grafen alemannischer Herkunft Scrot die Reliquien des Genesius Mimus (Passio in Ruinart (1859, 312-313), Weismann (1977), vgl. auch Berschin (1985, 10f.)) nach Schienen am Bodensee gebracht. Im Jahre 801 wird die Translation von König Pippin (Karlmann) und seinem obersten Kapellan, dem Bischof Ratold von Verona (Hlawitschka, 1997/ 1998), vor Ort überprüft (Zotz, 2003). Die Translatio ist in dem geopolitischen Zusammenhang des Frankenreiches zu sehen, welcher mit dem Tod Ludwigs des Frommen zerbrechen wird und 843 zur Reichsteilung führt (Zettler, 2001). Bei den Kontakten von Kyrill und Method mit dem fränkischen Klerus wird man sich wohl fragen dürfen, ob die dann erst 25 Jahre zurückliegende Aufteilung des Reiches unter den Gesprächspartnern nicht notwendig auch solche antreffen ließ, welche die verlorene Einheit bedauerten und also besonders empfindlich auf Neuerungen reagierten.
802
Nach Absetzung der Kaiserin Irene wird einer ihrer vormaligen Finanzbeamten als Nikephoros I. byzantinischer Kaiser. Er fällt am 26. 7. 811 auf einem Feldzug in Bulgarien.
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56
4 Zeittafel
805
Beginn der Eingliederung der Sorben in das Fränkische Reich (Vlasto, 1970, 144), abgeschlossen erst gegen Ende des 10. Jhs.
809
Konzil von Aachen, auf der die karolingischen Theologen Papst Leo III. die Annahme des Zusatzes ”filioque”9 im Glaubensbekenntnis vorschlagen, der Papst jedoch ablehnt, den unveränderten Text des Nicänischen Glaubensbekenntnisses propagiert und in der Peterskirche vielmehr Tafeln mit dem unveränderten Wortlaut des Glaubensbekenntnisses aufhängen ließ.
811-813
Regierungszeit des byzantinischen Kaisers Michael I. ’Rangabe’, der 812 den Kaisertitel Karls des Großen anerkennt (Kislinger, 2021). Erfolglose Kämpfe gegen die dualistische Sekte der Paulikianer.
812-814
Der Vetter Karls des Großen und fränkische Diplomat Wala († 31. 8. 836, später Abt von Corbie), verwaltet die Regierung in Italien für den damals noch unmündigen König Bernhard (um 797 - 17. 4. 818), einen Enkel Karls des Großen.
813
Auf dem im Mai abgehaltenen Konzil von Tour wird der Gebrauch der Volkssprache, hier des Deutschen, bei der Predigt (’Homilie’) im Reiche Karls des Großen den Priestern ausdrücklich vorgeschrieben: ”Et ut easdem omelias quisque aperte transferre studeat in rusticam Romanam linguam aut Thiotiscam, quo facilius cuncti possint intellegere quae dicuntur” (Werminghoff, 1906, 288).
9
Der Zusatz zum Glaubensbekenntnis, besagend, dass der Geist ’auch vom Sohne’ = filioque ausgehe, erscheint erstmals in den Akten des 3. Konzils von Toledo 589, welches den Übertritt der arianischen zur katholischen Geistlichkeit regelte und deshalb die Gottheit Christi besonders betonen wollte: ”Spiritus aeque Sanctus confitendus a nobis et praedicandus est a Patre et Filio procedere et cum Patre et Filio unius esse substantiae” (Vives, 1958, 109). Auf dem Aachener Konzil wird von Adalwin von Regensburg eine Sammlung von Zitaten aus theologischen Schriften vorgelegt, in welchen die Lehre vom Ausgang des Geistes auch aus dem Sohne bereits vorfomuliert zu finden ist; dabei nennt Adalwin auch die Formulierung des Toledaner Konzils: ”Quicumque spiritum sanctum non credit aut non crederit a patre et filio procedere, eumque non dixerit coaeternum esse patri et filio, et coessentialem, anathema sit”(Willjung, 1998, 412).
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813
10
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Auf der im Juni abgehaltenen Synode in Mainz wird im Zuge der fortschreitenden Unterstellung des mönchischen Lebens unter das jeweilige Episkopat auch über ”De locis monasteriorum vel aedificiis providendis” entschieden: Klosterbauten sollten für die bischöfliche Aufsicht gut zugänglich liegen (cap. 20), außerdem sollen ”sine consilio principis vel episcoporum sanctaeque synodi licentia” (’ohne Erlaubnis des Oberen oder der Bischöfe oder Beschluß einer hl. Synode’) die Körper der Heiligen nicht mehr ’von Ort zu Ort’ transferiert werden (cap. 51), was einer Regelung der Kanonisierung von Heiligen vorarbeitet (zit. in Werminghoff (1906, 266, 272)).10 In der Ostkirche scheint die offizielle Heiligsprechung per Dekret erst im 13. Jh. die Regel geworden zu sein (Schreiner, 1994, 366).
In der Merowingerzeit dominieren ”häufige Translationen mit der Wirkung von Kanonisationen auf Beschluß von Bischöfen und Synoden, ohne daß immer derartige Vorsichtsmaßnahmen unternommen wurden. … Schließlich wurde bei der Synode von Mainz 813 noch präziser festgelegt, daß die Übertragung von Heiligen nur mit Rat des ’Princeps’ und Erlaubnis von Bischöfen und Synoden geschehen dürfe. Diese Bestimmung und der karthagische Kanon von 401 gelangten in zahlreiche Sammlungen” (Krafft, 2005, 16f.) Der dem Isidor zugeschriebene Kanon (PL, 84: 212) spricht ’de altaribus quae passim per agros aut vias tanquam memoriae martyrum constituuntur” und verlangt von den der Gegend vorstehenden Bischöfen, dass sie diese Gedenkstätten aufheben oder - ’si autem hoc per tumultus populares non sinitur’ - zumindest einen nicht von ’corpus aut aliquae reliquiae’ beglaubigten Kult unterbinden. Zu dieser Tendenz der klerikal überwachbaren Heiligenverehrung passt, dass Hadrian I. um 820 die Gebeine des Tiburtius von der Praetestatus-Katakombe nach S. Cecilia in Trastevere überführen läßt: im Falle der Petronilla (siehe XVII:8) war dies schon etwas früher geschehen. - Die Vorschriften zur Heiligenverehrung und die im Mainzer Beschluss gleich anschließend getroffene Bestimmung zur Beseitigung heidnischer Bildnisse sind theologisch im Zuge der Ausbreitung des christlichen Glaubens gegen das Heidentum als Profilierung zu verstehen. Die heidnische Verehrung von Naturphänomenen (siehe zur Baumverehrung XII:10, XV:11) findet genau gegenteilig außerhalb von Sakralbauten, unabhängig von in Dogmen niedergelegter Selbstverständigung und ohne Überwachung der Einhaltung der gemeinschaftlich akzeptierten Glaubensinhalte statt. Das theologische Interesse, die Glaubwürdigkeit des Gegenstandes der Anbetung betreffend, zielt auf allgemein verbindliche Glaubensinhalte und trifft sich so mit dem politischen Interesse Interesse Karls d. Gr., der im Bestreben nach Anerkennung allgemeinverbindlicher Normen auch darauf bedacht war, ”den Kult von Opfern bzw. Gegnern der neuen Dynastie auszuschließen” (Krafft, 2005, 17, Anm. 72). Im Sinne des Politischen berichten die Viten des 9. Jhs. und später öfters von Eingriffen von Heiligen in das öffentliche Leben; etwa habe die Hl. Lüfthild (Liuthildis; 9. Jh., dies natalis 23. 1.) als adelige Einsiedlerin einen Grenzstreit geschlichtet, oder es habe die Hl. Kunissa († 6. 3. 1020) einen Grenzpfahl verrückt. Neben der Regelung dessen, wer oder was verehrt wird, musste auch geregelt werden, wo verehrt wird. Die karolingischen Bestimmungen implizieren, dass der Besitz beglaubigter Reliquien einem Kloster oder einer Kirche selbst die Beglaubigung ihrer Existenz liefert, weshalb - wenn man der späteren Überlieferung glauben mag - die Reliquie der hl. Fides (Fricke, 2007, 38) 855 sogar für ein Kloster gestohlen wurde. Im 9. Jh. wird die Frage der Reliquienverehrung dringend, nachdem das Nizänische Konzil von 787 bereits vorgeschrieben hatte, dass jeder Altar eine Reliquie zu bergen habe, denen allerdings auch ”the power of reproducing themselves” (Bonser, 1962, 236) zugestanden wurde. Kirchlicherseits wird die Regelung des Vereh-
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4 Zeittafel
813
Das byzantinische Heer erleidet am 22. Juni in der Schlacht von Adrianopel (’Schlacht von Versinikia’) eine erneute Niederlage gegen das Bulgarenheer unter Khan Krum. Der wachsende innenpolitische Druck auf Michael I., besonders auch der Unmut unter den Soldaten, bereitet den Staatsstreich des kommenden Kaisers Leo V. vor, der zu dieser Zeit als Stratege des Themas Anatolien Michael I. die Unterstützung verweigert und an der militärischen Niederlage mitverantwortlich ist.
813-820
Regierungszeit des byzantinischen Kaisers Leo V. (’der Armenier’), welcher die Macht von Michael I. in einem Staatsstreich übernimmt. Wiederaufnahme der ikonoklastischen Politik,11 die beispielsweise in der Vita des Georgios (’Confessor’, kath. 19. April, orthod. 2. Mai), Bischof von Antiochien (Pisidien), oder der Vita des Michael (’Confessor’, orth. 23. Mai12 ), Bischof von Synnada, welche beiden Bischöfe aufgrund bilderfreundlicher Ansichten der Ämter enthoben und in die Verbannung geschickt wurden, aber auch in der Amtsenthebung des Patriarchen Nikephoros I. (siehe unten 828/ 829) oder den Briefen von Theodoros Studites an Papst Paschalis I. von 817 (Grumel, 1960, 21) greifbar wird. Die drastische Durchsetzung der politischen Maßnahme beschreibt Ševčenko (1995).
rungswesens auch im Bereich der formalen Anerkennung vorangetrieben; aus dem Jahre 993 ist das erste Beispiel einer Papsturkunde über eine Kanonisierung belegt (Krafft, 2005, 19), nämlich des Bischof Ulrich von Augsburg (Berschin/Häse, 2020, 420-427), wobei die Papsturkunde allerdings nur in späteren Abschriften überliefert ist, aus der sich dann langsam die gängige Kanonisationspraxis der römischen Kirche herausbildet. Neben allen kirchenrechtlichen und kirchenpolitischen Motiven darf auch die theologische Motivation nicht vergessen werden: ”Die päpstliche Kanonisation, das heißt: die kirchenoffizielle Erklärung des Status der Heiligkeit, ist seit der Jahrtausendwende vor allem deswegen zustande gekommen, weil man die ethische Heiligkeit gegenüber der Wunder wirkenden sicherstellen wollte” (Angenendt, 2004, 33). 11 Hemmerdinger (1962) meint gar, dass die arabische Gesandtschaft, die um den 20. Mai 814 Konstantinopel besuchte, ursächlich für den ikonenfeindlichen Kurs des Kaisers gewesen wäre, welcher ’in Nachahmung seines Feindes’ (Hemmerdinger) dessen Eigenheiten übernommen habe. 12 Pétridès (1913) nennt 826 als Todesjahr.
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4 Zeittafel
59
813
Vor Juli 813 treffen Michael, der Synkellos (Stellvertreter) des Patriarchen von Jerusalem (Kolia-Dermitzaki, 2009), und die Mönche Theophanes und dessen Bruder Theodoros auf der Durchreise in diplomatischer Mission nach Rom in Konstantinopel ein. Im wieder aufkeimenden Ikonoklasmus werden alle drei wegen ihrer Unterstützung des ’filioque’ und des 2. Konzils von Nicäa (787) auf Befehl des Kaisers Leo V. gefangen genommen. Jahrzehnte von Haft und Demütigung folgen. Unter Kaiser Theophilos wird Theophanes und Theodoros schließlich ihr ’Verbrechen’ in die Stirnhaut geritzt, weshalb sie den Beinamen gr. ’graptoi’ (’die Beschriebenen’) tragen.
813
Am 11. September wird der 35-jährige Ludwig der Fromme von seinem Vater Karl dem Großen zum Mitkaiser gekrönt.
813-820
Johannes VII. ist Abt des Sergios- und Bakchosklosters in Konstantinopel
814
Am 28. Januar stirbt Kaiser Karl der Große und sein Sohn Ludwig der Fromme, seit 718 bereits König von Aquitanien, tritt die Herrschaft über das Fränkische Reich an.
815
Method, der wesentlich ältere Bruder Kyrills, wird um 815 geboren.
815/ 816
Gründung des Klosters Corvey (”Nova Corbeia”) als erstes Kloster im Land der Sachsen (bei ”Hethis”) durch Adalhard und seinen Halbbruder Wala.
816
Kaiser Leo V. schließt mit dem Bulgarenkhan Omurtag einen dreißigjährigen Friedensvertrag und sichert so auf längere Zeit die nördliche Grenze von Byzanz, obleich Omurtag für eine christenfeindliche Innenpolitik bekannt ist.
816
Stephan IV. wird am 22. Juni zum Papst gewählt. Ausgleich mit dem fränkischen Königsgeschlecht: Der Papst salbt Ludwig den Frommen zum Kaiser (823) und erhält ihm Gegenzug den Verzicht der weltlichen Macht auf Einflussnahme bei Papstwahlen.
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4 Zeittafel
816
Aachener Konzil im August als Teil der ”Renovatio Imperii Francorum” von Ludwig dem Frommen, die staatliche und kirchliche Belange zugleich umfasst. Das bis 819 dauernde Konzil bekräftigt und präzisiert die schon auf Vorgängersynoden (etwa Mainz 1813) erarbeiteten Beschlüsse zur verbindlichen Regelung des monastischen Leben.13 Diese umfassen die Ausrichtung des Klosterlebens nach der benediktinischen Regel14 und daraus abgeleitete weitere, im Geiste der ”una consuetudio” getroffene Einrichtungen zu Arbeit, Riten, Gebräuchen und Verwaltung des Klosterlebens,15 vor allem aber auch die zeitgenössisch als ”umstürzend” (Semmler, 1963, 24) empfundene Entfernung der römischen Ordnung des Officiums16 zugunsten der benediktinischen Ordo Officii (vgl. XV:2). Für den Vespergottesdienst entfiel etwa das Lucernar (das Entzünden des Lichtes, welches synonym mit der Versperfeier selbst geworden war) und die Lesung aus dem Prophetologion.
817
Paschalis I. wird am 25. Januar zum Papst gewählt. Seiner Initiative wird die verstärkte Christianisierung Nordeuropas zugeschrieben.
13
Zu den vorausgehenden grundlegenden Liturgiereformen Karls des Großen siehe zusammenfassend Klauser (1933), eine Spezialstudie zur Karfreitagsliturgie mit byz.-röm. Vergleichung bietet Volgger (1993). 14 Dem voraus ging die durch den hl. Chrodegang (um 700 - 6. 3. 766) durchgeführte Reformierung des Klosterlebens; es entstehen die in der Lebensführung teilweise ähnlich organisierten, aber durch unterschiedliche Gelübde gebundenen drei Arten von Geistlichen ’canonici, monachi’ und ’clerici’ und die Liturgie wird an den römischen Ritus angepasst, was beides für etwa 300 Jahre als vorbildlich empfunden wurde. Die erste koinobitische Lebensform für Mönche dürfte übrigens der hl. Pachomius († 14. 5. 346) in seinem 320 gegründeten Kloster in Tabenísi (Oberägypten) eingeführt haben, für die römische Sphäre wird dem hl. Eusebius von Vercelli († 1. 8. 371) zugeschrieben, dem Klerus in seinem Bistum eine gemeinsame Regel gegeben zu haben. 15 Arbeit als Tugendideal und das Kloster als Musterarbeitsstätte entstehen zusammen im 9. Jh.: ”Monasteries during the Carolingian period played an integral role in the political and economic structure of society, serving as local institutions, designed for property holding.” Die reichen Grundbesitzschenkungen von Adligen verblieben dem Schenker und seinen Nachfolgern zur Nutzung, doch musste dem Kloster eine Gebühr für die Kultivierung des Landes erstattet werden; vgl. Williams (2012, 29). In Ostrom dagegen pflegt der Kaiser Nikephoros I. einen weniger nachhaltigen Umgang mit den Klöstern, der die Staatsfinanzen nur kurzzeitig verbessert: ”The Emperor instructed his provincial officials to treat bishops and clergy ’like slaves’; to the monasteries he showed even more contempt … confiscating monastic properties without compensation and levying poll-tax on their tenants and employees” (Norwich, 1999, 123). 16 Die ’Kiever Blätter’ (ed. Mareš (1979, 49-60)) stehen dem lateinischen Sakramentartyp der ’Gelasiana mixta’ - Lukoviny (2014, 107) mit Bezug auf Gamber (1988, 100), der die Kiever Blätter nicht als Fragment, sondern als ”Mess-Libellus, dessen Vorderseite unbeschrieben ist” klassifiziert - nahe, der in Frankreich, Oberitalien, aber auch in süddeutschen Gegenden zu finden war.
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4 Zeittafel
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817
Im Juli erläßt Kaiser Ludwig der Fromme auf dem Reichstag in Aachen eine neue Thronfolgeordnung (”divisio imperii”, (Patzold, 2007, 59)), welche seinem Sohn Lothar I. (795-855) das ungeteilte fränkische Kaisertum sichern sollte, indem Lothar I. zum Mitkaiser erhoben wurde (s.a. unterm Jahr 823). Den durch diese Regelung benachteiligten und revoltierenden Bernhard, einen Enkel von Karl dem Großen und König in Norditalien, läßt Lothar 818 blenden, wobei Bernhard kurz darauf an den Folgen der Verletzung starb. Ludwig fühlt sich deshalb in der Folge zu mehrmaliger öffentlicher Buße gedrängt (’spontanea poenitentia’, vgl. Jong (2009, 122)).
820-829
Regierungszeit des byzantinischen Kaisers Michael II., der nach der Ermordung von Leo V. während des Weihnachtsgottesdienstes am 25. Dezember 820 an die Macht kam. Mäßigende Position im Bilderstreit, allerdings wird das Reich nachhaltig geschwächt, weil Michael in einen dreijährigen Bürgerkrieg mit Thomas (’dem Slaven’) verwickelt wird, welcher mit Hilfe der Araber die Macht usurpieren möchte.
821
Am 11. Februar stirbt Benedikt, der Abt des Kornelimünsters in Aachen, der von Kaiser Ludwig damit betraut war, die benediktinische Klosterregel im Karolingerreich allgemein durchzusetzen.
823
Am 5. April 823 wird Lothar I. von Papst Paschalis I. zum Mit-Kaiser gekrönt.
824
Papst Paschalis I. stirbt vermutlich (Duchesne (1892, LXVI) spricht von ’irrigen Daten’) am 11. Februar.
824
Eugen II. wird vor dem 6. Juni 824 zum Papst gewählt, gegen Widerstände im römischen Patriziat.
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62 824
4 Zeittafel
Am 11. November konsolidiert die ”Constitutio romana” (ed. Boretius (1883, 322-324)) das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Macht in der Westkirche.17 Der Papst erhält alle innerkirchliche Macht, der Kaiser garantiert das Bestehen des Kirchenstaates.18 Der Papst unterstützt die zentralisierende Politik des Kaisers in der Verwaltung der Bistümer und Klöster und bestätigt die allgemeine Gültigkeit der benediktinischen Regel mit der verbindlichen Vorschrift der Ehelosigkeit ab dem Range des Subdiakons.19 Für die (umstrittene) Lokalisierung des Großmährischen Reiches ist der Brief Eugens II. bedeutsam, gerichtet an die Bischöfe Rachtredus von Mautern an der Donau (Rachtredo Sanctae Favianensis ecclesiae), Methodius von einem Besitztum bei Salzburg (?, Methodio ecclesiae Speculi Jaliens. quae et Sorigaturensis nuncupatur), Alewinus von Nitrava (?, Alewino sanctae Nitraviensis ecclesiae) und Annonis S. Vetaarensis ecclesiae (ein slavischer Ortsname ’Wietar’?) und an die weltlichen Herrscher des hunnischen Volkes (Heuniae plebis), was auch Avarenland genannt wird (quae et Avaria dicitur) und von Mähren (et Maraviae).20
17
”Every age must be judged according to its own standards, and according to the positive contributions it makes to the progress of civilization. By the standards of the early Middle Ages, revivals of classical learning accompanied and were later encompassed by reform of the Church; in serving these standards, the age made distinctive and important contributions to European culture in the revival of law and theology, and in the development of political theory. Its greatest direct achievement was in ecclesiology” (Morrison, 1967, 149). 18 Nicht zu unrecht wird als Beginn der später als ”Zwei-Schwerter-Lehre” (zur Begriffsgeschichte siehe Levison (1952)) bekannten Gewaltenteilung in der Westkirche der Brief von Papst Gelasius I. an Kaiser Anastasius genannt, in dem es heißt: ”Duo quippe sunt, imperator Auguste, quibus principaliter mundus hic regitur: auctoritas sacra pontificum, et regalis potestas” (PL, 59: 47). 19 ”Praecipimus observari ut qui in ordine subdiaconus, aut supra, uxorem duxerint, aut concubinas habuerint, officio ecclesiastico et beneficio careant.” Decreta Eugenii Papae II. in PL, 105: 645). Zur Vorschrift der Ehelosigkeit der Priester siehe schon ”ad solos sacerdotes” in der ”Admonitio generalis” von Karl dem Großen (Boretius, 1883, 54). Der verbindliche Zölibat für Priester ist theologisch schon im 5. Jh. bei Leo d. Gr. begründet worden, besitzt aber auch kirchenpolitische (keine genealogische Vererbung kirchlicher Ämter im Unterschied zur adligen Genealogie) Dimensionen, die im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat erst zu Beginn des 11. Jhs. im Investiturstreit kulminieren. In der doppelten, nämlich theologischen und kirchenpolitischen Perspektive ist auch die Vorschrift der ’Constitutio romana’ zu verstehen. 20 Außer für Mautern bei Krems (= Favianis, eine Klostergründung des hl. Severin von Noricum [*um 410, möglicherweise in Nordafrika - † 482 in Favianis], wenig wahrscheinlich bezeichnet Favianis das heutige Wien-Heiligenstadt) ist die Entsprechung für die lateinischen Ortsnamen unsicher. Es handelt sich wohl um Bistümer im Zuge der fränkischen Ostmission, die entlang der Donau gegründet wurden. Vielleicht darf man für Jaliens das für Hallein bei Salzburg bezeugte ”Haellinum, Halliola” annehmen. Ob ”Nitrava” das heutige Nitra in der Slovakei bezeichnet, ist umstritten; zu Lokalisierungsfragen und zum Brief Eugens II. siehe Boba (1971), der liest: ”Speculi juliensis qua et
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4 Zeittafel
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826
Am 11. November stirbt Theodoros (*759) auf der Prinzeninsel Prinkipos. Der ehemalige (seit 794) Abt des Studion-Klosters in Konstantinopel hat in seinen Schriften zur Klostergesetzgebung das koinobitische (gemeinschaftliche) Klosterleben der Mönche im Gegensatz zu den asketischen Einsiedlern favorisiert und gilt auch aufgrund seiner Theologie, besonders hinsichtlich der Ikonenverehrung, als bedeutender Kirchenlehrer der Ostkirche. Theodoros wurde 795/ 796 nach Thessaloniki verbannt, weil er die zweite Ehe des Kaisers Konstantin VI. kirchenrechtlich als unzulässig ansah. 798 kehrte er in das Studion-Kloster zurück, geriet aber wegen seiner ikonenfreundlichen Schriften21 bald wieder in Konflikt mit Klerus und Kaiser. Nach dem Regierungsantritt von Michael II. wurde zwar die vom ikonenfeindlichen Leo V. auferlegte Verbannung aufgehoben, aber Theodoros kehrte nicht nach Konstantinopel zurück, da Michael II. prinzipiell die Gesetzgebung seines Vorgängers nicht änderte.
827
Papst Eugen II. stirbt am 27. August.
827
Valentin ist etwa einen Monat Papst und stirbt am 10. Oktober. Er wurde auf Drängen des römischen Patriziates, ohne dass er zuvor die Priesterweihe erhalten hätte, eingesetzt als nochmaliger Versuch der römischen Nobilität, ihre lokalen Interessen gegen die von Papst Eugen II. mit Lothar I. ausgehandelte gegenseitige Verpflichtung (Constitutio Romana, 824) durchzusetzen.
Suguturensis”, zur Einordnung der Theorie Bobas (Mähren hätte südlich der Donau gelegen) siehe aber Schaeken (1993) mit ausführlicher Bibliographie. 21 Theodoros versuchte von verschiedenen Verbannungsorten aus, die Mönche im Studion-Kloster mittels Briefen geistlich zu leiten, worin seine Theologie (Hatlie, 1996) im wesentlichen niedergelegt ist. Pizzone (2012) weist auf die besonders rezeptionsästhetische Ausrichtung in der Ikonentheologie Theodors mit ihrer Betonung der Rolle der Einbildungskraft (φαντασία).
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22
4 Zeittafel
Geburt Konstantin-Kyrills in Thessaloniki. Kyrills Muttersprache ist, da weder VC noch VM einen slavischen Familienhintergrund erwähnen, das Griechische, aber in Saloniki herrscht durchgehend Zweisprachigkeit in der Bevölkerung. Während der im 6. Jh. (die Datierung auf ein bestimmtes Jahrzehnt ist umstritten) stattgehabten Belagerung Salonikis durch slavische Verbände waren viele Belagerer auf die Seite der Stadtbevölkerung übergelaufen, bis schließlich - wahrscheinlich mit Hilfe eben dieser übergelaufenen Krieger - die Stadt ein eigenes Heer zu ihrer Verteidigung aufstellen und die verbliebenen Belagerer in die Flucht schlagen konnte. Der durch die Belagerung bewirkte starke Zustrom slavischer Sprecher machte die Bevölkerung Salonikis zweisprachig slavisch-griechisch, was in VM V:8 auch so festgestellt wird: ’die Bewohner Salonikis sprechen alle rein slavisch’ (vьsi čisto slověnьsky besědujutь).22 - Für Kyrills Geburtsdatum ist auszugehen von VC XVIII:13 ’und Kyrill entschlief im Herrn in seinem 42. Lebensjahr im Monat Februar am 14. Tag der 2. Indiktion im Jahre 6377.” Von den seit Erschaffung der Welt gezählten Jahren sind 5508 zu subtrahieren, um die Jahreszählung seit Christi Geburt, in dem Falle also das Jahr 869 A.D. zu erhalten, allerdings folgt die Zählung der Jahre dem zum 1. September beginnenden Kirchenjahr.23 Ein weiteres bestimmbares Datum ist die Gesandtschaft des 29-jährigen Kyrill zu den Sarazenen VI:4; vgl. S. 79. Der Gefangenenaustausch bei den Arabern fand im Februar 856 statt, spätestens dann muss Kyrill die angegebenen 29 Jahre alt gewesen sein. Aus VI:5 ist zu schließen, dass Kyrill nach der Ermordung des Theoktistos, d.h. nach dem 20.11.855 der Arabermission zugeteilt wurde, wobei der Autor wohl nicht sagen will, dass Kyrill während der Mission 29 Jahre alt wurde.
Die überregionale Verständlichkeit des solunischen Slavisch in gemeinslavischer bzw. späturslavischliterarischer Zeit ermöglicht die Mission der südslavischen Missionare in das westslavische Sprachgebiet und ist sprachhistorisch mit der noch nicht komplett vollzogenen Absonderung slavischer Einzelsprachen von der gemeinsamen urslavischen Herkunft zu erklären (Bartula, 2002, 144). Das schriftlich festgehaltene Idiom der Slavenapostel weist bei seiner Verbreitung im slavischen Sprachgebiet aber bereits Differenzen zur mündlichen Sprache der jeweiligen Benutzer auf, weshalb schon die ältesten überlieferten Hss dialektalen Überlieferungsräumen zugeordnet werden können. Der die Zweisprachigkeit von Saloniki überzeugend darlegende Holzer (2006, 30f.) meint, dass neben Griechisch und Slavisch in der Stadt ”sogar mehrheitlich Latein gesprochen worden” wäre; vgl. aber Kommentar bei III:12. Die ältere Erklärung für die Slavischkenntnisse Kyrills und Methods hält es für ”ganz natürlich, daß wohlhabende Griechen … Bedienung und Wärterinnen aus der umliegenden Landbevölkerung hatten. Von diesen erlernten Kyrill und Method ihre slavische Sprache, wie Puškin die russ. Volkssprache von seiner Amme” (Thomson, 1927, 354,Anm.). Dagegen zeigt Holzer (2006,
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4 Zeittafel
828
65
Am 31. Januar kommen die Reliquien des hl. Markus, in Alexandria unter nicht ganz klaren Umständen von venezianischen Kaufleuten in Besitz gebracht, in Venedig an. Im Jahre 830 schenkte Ratolt, der Bischof von Verona, dem Kloster Reichenau Reliquien des heiligen Markus, die er angeblich24 von einem Kaufmann aus Venedig erworben habe. Die Reliquien des Markus auf der Reichenau wurden, der Abmachung mit Ratold gemäß, zunächst inkognito als ”St. Valens” verehrt, offenbarten ihre Identität aber bald dem Konstanzer Bischof Gebhard I. (Maurer, 2003, 82f.). - Der Versuch des italischen ’Festlandsklerus’, den Reliquienbesitz Venedigs zu schmälern oder gar aufzuheben, richtet sich gegen die venezianische Sonderentwicklung beim Verhältnis zwischen Fürstenmacht und Kirche: ”Um zielstrebige Handelspolitik - gerade mit Blick auf heidnische Partner - betreiben zu können, mußte man von der anti-merkantilen Politik des Papstes und seiner Bischöfe unabhängig sein. Folglich brauchte Venedig venezianische Bischöfe, und auch der Patriarch sollte am Ende gezwungen werden, seine Residenz von Grado nach Rialto zu verlegen.” (Lebe, 2006, 40). Im Gegensatz zu Rom (824: Constitutio Romana) kann in Venedig das lokale Patriziat geistliche und weltliche Macht akkumulieren.
33), wie die ”Großstadtsprache” Salonikislavisch entstand, bespricht deren Lauteigentümlichkeiten und stellt den Unterschied zum Slavischen der Landbevölkerung dar. Die genaue dialektale Färbung des von Konstantin-Kyrill zum ersten Male verschriftlichten Altbulgarischen wird von Trunte (2013, 364) auf der Basis dialektaler Züge (pie. *tj > šč) von Ohrider Texten des 9. Jhs. spezifisch dem westbulgarischen Sprachgebiet bzw. seiner Ausdehnung in das byzantinische Thema Bithynien zugeordnet, wobei zugegeben wird, dass aksl. Texte normalerweise pie. *tj > aksl. št zeigen, was nicht gegen den slav. Dialekt von Saloniki spricht. Das Bithynien-Argument hat keinen Rückhalt in VC, und selbst wenn sich Kyrill nach Bithynien zur Erfindung der Glagolica zurückgezogen hätte, muss das noch lange nicht bedeuten, dass er den Dialekt der Umgebung und nicht den von ihm gesprochenen verschriftlicht. Hätte Kyrill in seinem Salonikidialekt wirklich /šč/ gesprochen, dann hätte er auch einen entsprechenden Buchstaben in der Glagolica dafür geschaffen. Zur Schreibung /šč/ siehe die Lesarten zu бесчьстны in VI: 29 und VI: 41, die beide auf ostbulgarischen Dialekt (der Abschreiber) deuten. 23 Der Beginn der Jahreszählung mit dem 1. März, deren theologische Gründe der Hl. Chromatius von Aquileia in seiner 2. Osterpredigt (= 17. Predigt) resümiert, ist in byzantinischen Quellen im 9. Jh. durchaus möglich (Kuzenkov, 2014, 234), aber, so weit ich sehe, für aksl. Datierungen nicht anzunehmen. 24 Der hl. Ulrich erwirbt das Haupt des Märtyrers Abundius auf den Schwur hin (’sacramento firmitatem fecit super reliquias’), dass es authentisch sei (Berschin/Häse, 2020, 216), was anzeigt, wie unüberschaubar die Fülle der begehrten Reliquien schon geworden war.
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66 828/ 829
25
4 Zeittafel
Am 2. Juni stirbt Nikephoros I., der von 806-815 Patriarch von Konstantinopel gewesen war und wegen bilderfreundlicher Einstellung von Kaiser Leo V. seines Amtes enthoben wurde. ”Historisch bedeutsam für das Verhältnis Konstantinopel-Rom ist sein … Brief an Papst Leo III.” (Dieten, 1979). Der Brief beginnt mit Formulierungen, die das historische Primat des römischen Papstes als ’Prokurator’ anerkennen ”in omnibus quorum procurator institutus est” wobei am Briefausgang auch der Papst in der Nachfolge des Apostelfürsten erscheint ”magnum illum principemque apostolum adeptus” (PG, 100: 170, 199). Nikephoros bekennt sich zur Bilderverehrung gemäß den Grundsätzen des 7. ökumenischen Konzils (= 2. Konzil von Nicäa 787): ”Recipio tandem septimam sacram 150 sanctorum Patrum synodum nostro hoc aevi in civitate Niceae denuo celebratam, quae … obsignavit, sacrarumque ac venerabilium imaginum cultum adorationemque jam inde ab initio Ecclesiis traditam sucepit definivitque non secus venerandas esse atque vivificae crucis effigiem” (Nicephorus Archiepiscopus Constantinopolitanus et al., 1863, 124). Die Klarstellung im Nachsatz (”und hat speziell beschlossen, dass die Bilder nicht an sich zu verehren seien, sondern als Abbild des lebensspendenden Kreuzes”) zeigt, worum es im Bilderstreit geht. Der Satz von Nikephoros I. ist nicht so zu verstehen, als ob alle Bilder die Form eines Kreuzes haben müssten, damit sie verehrt werden könnten, denn dann würden sie ja ’an sich’ verehrt werden, nämlich einer äußeren Gestaltung wegen. Vielmehr müssen alle Bilder einen Bezug auf - nach dem Vorbild Christi - inkarnierte Transzendenz besitzen (vgl. den Ikonendisput Kyrills VI:1 bzw. unterm Jahr 850, wo ebenfalls das Kreuzförmige als Ikonenmerkmal diskutiert wird). Daraus ergibt sich die politische Dimension des Streites als Spitze gegen die visuellen Symbole der Staatsmacht, deren Legitimation in ihrer Lesbarkeit als Verkörperung der transzendentalen Ordnung besteht. Die Frage dessen, was der Verehrung würdig ist und wie diese Verehrung Autorität legitimiert, wird in der Westkirche an der Reliquienverehrung, in der Ostkirche an der Bilderverehrung ausgehandelt.25
Betrachtet man das Problem etwas grundsätzlicher, ergibt sich die Frage, ob und wie das Transzendente körperlich (als Reliquie, als Bild) erscheinen könne, was ausgehend von der Theologie der Inkarnation mit der Formel ”unvermischt und ungetrennt” Fragen aufwirft, ob auch die Seele und andere Transzendentalia eine körperliche Form, mit der sie nicht identisch [’unvermischt], aber von der sie dennoch nicht ablösbar [’ungetrennt’] sind, haben können (eine einführende Abhandlung bietet Chapeaurouge (1973); vgl. das Thema etwa in XV:5.). Diese Fragen (eine Art platonische Phänomenologie) sind für das 9. Jh. zeitgenössisch, liegen den Disputen über Reliquien- und Bil-
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4 Zeittafel
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829-842
Regierungszeit des byzantinischen Kaisers Theophilos, der infolge der Erziehung durch den späteren Patriarchen Johannes VII. ein entschiedener Gegner der Bilderverehrung wird. In den griechischen Regionen von Byzanz beginnt gleichzeitig eine wirtschaftliche Erholung ”in relation to the increase in population, rural and urban settlement and production” mit einer entsprechenden Satbilisierung der Münzwährung (Laiou/Morrisson, 2007, 88).
830
Am 5. Juni heiratet Kaiser Theophilos die bei der höfischen Brautschau auftretende Theodora II., nachdem er die Mitbewerberin Kassia ob einer schlagfertig gereimten Antwort überging, welche später Nonne und eine berühmte Hymnendichterin26 wurde. Der ikonenfeindliche und offenbar, wenn die Anekdote stimmt, mit wenig Selbstvertrauen ausgestattete Kaiser nimmt sich solcherart eine Ikonenverehrerin zur Frau, die sofort nach seinem Tode 842 die Bilderpolitik ihres Mannes widerrufen wird.27 . Zu einer weiteren byzantinischen Brautschau siehe nochmals unterm Jahr 855; im Karolingerreich fanden diese ”Art Schönheitswettbewerb nach dem Vorbild des imperialen byzantinischen Zeremoniells” ebenfalls statt; so etwa kam Ludwig der Fromme zu seiner zweiten Ehefrau Judith (Tremp, 1995, 393).
831
Eroberung Palermos durch die Sarazenen.
derverehrung zugrunde und bilden den gemeinsamen Verständnisraum von Ost- und Westkirche. Erst mit Palamas wird im 12. Jh. der Bilderstreit durch die Frage der Rezipierbarkeit des transzendentalen Inhaltes (’energeia’) konfessionsspezifisch. 26 Zu den Kompositionen siehe Tillyard (1911), zum Inhalt Senina (= mon. Kassija) (2019). 27 Zu den Quellen der kaiserlichen Brautschauen siehe Petrinski (2015), der auch das Datum 829 für möglich hält. Ein in der Autorzuschreibung umstrittener Text (”Chronographia”, vgl. in Leo Grammaticus (1842, 213) den Bericht gr. und lat.) aus dem 10. Jh. erzählt: Die Kaiserinmutter, ”having sent out into all the themes, summoned beautiful girls so that her son [actually stepson] Theophilus might marry. Escorting them into the Palace, to the triclinium called the Pearl, she gave Theophilus a golden apple, and said, ’Give this to whichever one you like’. Among the girls of noble birth was an extremely beautiful girl named Cassia. Seeing her and admiring her greatly for her beauty Theophilus said, ’Yet through a woman evils came to man’. She, though modestly, replied, ’But through a woman better things began’. He, wounded in his heart by her reply, passed her by and gave the apple to Theodora, a Paphlagonian girl” (Treadgold, 1979, 403). Man beachte die ’Perle’ und den Bezug auf Maria (Eva - ’evil came to man’ vs. Maria - ’better things began’), letzteres wegen der in VC eigentlich fehlenden Mariologie, in Bezug auf III:3.
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4 Zeittafel
833
Geburt von Moses Bar-Kepha († 907), der sich in der Einleitung zu seinem Hexaemeron mit dem Islam auseinandersetzt.
833
Geburt des Froilan († 905), der zunächst Einsiedler war und später eine benediktinische Klosterreform im westlichen Spanien durchführte; ein Vorbild für die Eindämmung des Einsiedlerwesens in der Westkirche.
833
Beginn des Kalifates von al-Muʿtaṣim (achter Kalif der Abbasiden), der Samarra als neue Hauptstadt in unmittelbarer Nähe zu Bagdad gründet.
834
Der siebenjährige Konstantin-Kyrill erwählt sich im Traum die Sophia, also Christus, zur Braut (III:1-8) (Daiber, 2021e). Ansgar wird Erzbischof von Hamburg und Legat des Papstes für alle nördlichen zu christianisierenden Gebiete, darunter auch slavische (Vlasto, 1970, 143). Die Christianisierung der Slaven in Norddeutschland (die historischen Berichte siehe Helmoldus Bosoviensis (1937)) bzw. der sogenannten ”Ostseewenden” (Zeugnisse etwa in der Vita des Erzbischofs von Bremen-Hamburg Unwan [gest. 26./ 27. Januar 1029]) bzw. der ”Polaben” (siehe die Vita des Evermod, erster Bischof von Ratzeburg [dies natalis 17.2.1178]) wird bis zum Ende des 12. Jhs. dauern (Vlasto, 1970, 154). Die Christianisierung Skandinaviens (siehe etwa Vita des Gosbert [† 2.2.874]) verläuft bis ins 13. Jh.
834
836
Am auf den 28. Mai fallenden Pfingstfest (Vry, 1997, 218) treffen in Paderborn die von Bischof Aldric von Le Mans an Bischof Badurad geschickten Reliquien des hl. Liborius ein. Paderborn liegt im damaligen Sachsen, das sich am längsten gegen die Christianisierung unter Karl der Große gewehrt hatte. Bischof Badurad entstammte sächsischem Adel und erhielt seine theologische Ausbildung in Würzburg: ”Nach dem Zeugnis der Translatio sancti Viti war die geistliche Ausbildung sächsischer Kriegsgefangener im Frankenreich sogar ein üblicher Vorgang unter Karl dem Großen” (Käuper, 2001, 124).
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4 Zeittafel
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836
Byzantinischer Feldzug gegen die Bulgaren, vielleicht unter Teilnahme des Drungarios28 Leo, des Vaters von Kyrill.
837
Der die ikonoklastische Partei anführende Johannes VII. mit dem Beinamen ”Grammatikos” wird am 21. Januar Patriarch von Konstantinopel († um 863). Johannes stammte wohl aus ärmlichen Verhältnissen mit armenischem Familienhintergrund. ”Sein Selbstbewußtsein dokumentierte er in dem Zusatz ’neues Rom’ zu seinem Titel” (Tamcke, 2003).
838
Geburt29 des späteren byzantinischen Kaisers Michael III.
838
Gesandtschaft der Chasaren an den byzantinischen Hof mit der Bitte um Unterstützung gegen die vordringenden Araber. In der Folge entsendet Byzanz Baumeister zu den Chasaren, welche Sarkel am Don 840 neu befestigen (Čechová, 2014, 91).
838
Friedrich von Utrecht wird am 18. Juli am Altar, als er sich die Messe zu zelebrieren anschickt, ermordet, möglicherweise auf Befehl der Kaiserin Judith (Carnandet, 1868b, 468) (s.a. unterm Jahr 892).
28
”Je také velmi pravděpodobně, že se tento vojenský velitel Thessaloniky [i.e. strategos; ThD] spolu se svým drungariem Lvem zúčastnil vojenskeho tažení proti Bulharům, k němuž došlo asi roku 836.” Bei diesem Feldzug habe sich Leo eine Verwundung zugezogen, an der er schließlich 840 in Saloniki (II:5: nach der Geburt Konstantins leben seine Eltern noch vierzehn Jahre in keuscher Ehe) gestorben sei: ”Dochované údaje nás svádějí k závěru, že drungarios Lev zemřel následkem rány, kterou utržil v bitvě” (Dvorník, 1970, 72f.). Diese Vermutung Dvorníks, beispielhaft für seinen kenntnisreichen, aber manchmal zu spekulativen Kommentar ist im Kontext der Argumentationsabsicht zu verstehen: Der byz. Kaiser sorgte für die Familien der gefallenen hochgestellten Militärbeamten, und wenn Kyrills Vater im Kampf invalidisiert wurde, läßt sich die Berufung Kyrills als Prinzenerzieher nach Konstantinopel im Rahmen der kaiserlichen Versorgungspflicht erklären. Weniger voraussetzungsreich als Leos vierjähriges Leiden an einer ’Dienstwunde’ als Grund für die Berufung zum Prinzenerzieher ist der Hinweis auf Leo d. Mathematiker, s. S. 74 unterm Jahr 843. 29 Das Geburtsdatum Michaels III. ist angesetzt nach Brockhaus (1932, 503). MMFH, 2: 65) datieren ”um 839”, wissen aber auch von einer Datierung auf ”836”, welcher Schütz (1985b, 127) folgt. Unter der Annahme, dass Konstantin nach dem Tode des Kaisers Theophilos 842 nach Byzanz gerufen wird, ist bei allen Datierungen Michael III. jedenfalls zu jung, um für Kyrill anderes als ein Schüler oder Spielgefährte zu sein.
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70
4 Zeittafel
838/ 839
Erhebung der Gebeine des hl. Sualo (auch: Sola, † 3. 12. 794 [?]) und Abfassung seiner Vita durch Ermenrich, der 866 Bischof von Passau wurde und sich unter den bairischen Bischöfen ab 869 (Oswald, 1959) als Gegner der Slavenmission profilierte. Ermenrichs Credo, wie in seinem Schreiben über die Sualo-Vita an den Diakon Gundram, den Probst des später nach Sualo benannten Solnhofen, ausgedrückt30 , war ein kämpferisches ’Gott mit uns’ in einer ”hohe(n) Einstufung des Königtums” ohne ein ”Verfechter des römischen Primats im strengen Sinne” (Löwe, 1986, 223+224) zu sein.
840
Leo Magistros Choirosphaktes wird zu Beginn des Jahrzehntes geboren; sein theologisches Lehrgedicht ”Chiliostichos Theologia” entstand um 865 und enthält (Vers 945 = Leon Magistros Choirosphaktes (2002, 138)) die Gleichsetzung der ”dreifachleuchtenden Natur der Monarchie” mit der Trinität als einen deutlichen Ausdruck für den byzantinischen Cäsaropapismus31 .
840
Tod Kaiser Ludwigs des Frommen am 20. Juni. Die Nachfolgekämpfe unter seinen Söhnen hatten ihn zweimal zur Abdankung gezwungen. Die Einheit des Reiches war nicht mehr zu sichern; die Aufteilung wird im Vertrag von Verdun 843 besiegelt.
841
Nach dem wahrscheinlich im Jahre 840 erfolgten Tode des Vaters ist Konstantin neben seinen Geschwistern erbberechtigt, wie die Formulierung in III:25 (’nimm meinen Teil am Haus meines Vaters’ (Daiber, 2017b, 211f.) anzeigt. Wahrscheinlich hat die Episode mit dem Wandermönch (VC III:23) sich in diesem Jahr ereignet.
842
Der byzantinische Kaiser Theophilos bestimmt den Theoktistos zum Mitregenten seines minderjährigen Sohnes und zum ’Logothet des Dromos’32 .
30
”leve sit quod velle constat” … Sed tamen, ut catholica fides tenet, nostrum est velle, et Dei omne bonum coeptum perficere” usw.; Wattenbach (1887, 154). 31 Zur Zeremonie der byzantinischen Kaiserkrönung vgl. Brightman (1901, bes. 378-383); Szenen der Taufe eines Thronfolgers berichtet die Vita des Porphyrios von Gaza (dies natalis 2.2.). Zum grundlegenden Unterschied der römischen Vorstellung einer von Gott an den Herrscher ’delegierten’ Macht gegenüber dem byzantinischen Verständnis einer im Herrscher verkörperten Theokratie siehe Karpov (2011). 32 Schreiner (2011, 68) gibt als Äquivalent ’Außenminister’, was die spezifische Tätigkeit des Logothet ’tou dromou’ im Unterschied zu anderen Logotheten beschreibt, aber siehe Guilland (1971, 33f.) zu weiteren, auch innenpolitisch bedeutsamen Tätigkeiten.
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842
Kaiser Theophilos stirbt am 20. Januar. Es beginnt die bis 856 dauernde Regierungszeit der byzantinischen Kaiserin Theodora II. und des Theoktistos, die zusammen mit Theodoras ältester Tochter Thekla Mitregenten für Michael III. sind.
842
Konstantin-Kyrill wird in der Funktion eines jugendlicher Erziehers für Michael III. zur höheren Ausbildung nach Konstantinopel gerufen (III:28).
842
Geburt des Niketas von Byzanz († 867), der für seine Schrift zur Widerlegung des Islam bekannt ist, konzipiert wohl als Antwort auf die Aufforderung, zum Islam zu konvertieren, welche der Kalif alMutawakkil an Michael III. geschickt hatte.
842
Am 20. November stirbt Gregorios Dekapolites (geb. vor 797), der ”neue Wundertäter”. Die Viten erklären seine Existenz als Wandermönch entweder als Flucht des Jünglings vor einer arrangierten Heirat oder als Folge einer Eingebung des schon Mönch Gewordenen. Er weilte lange in dem der Kirche St. Menas angeschlossenen Kloster in (bzw. damals bei) Thessaloniki, wo er u.a. Joseph den Hymnographen zum Schüler hatte. Aus der Vita des Hymnographen, aber auch aus 830 wohl zu Zeiten des Gregorios durchgeführten Ausmalungen in der Kirche St. Menas (Brubaker/Haldon, 2011, 426, Anm. 231) ist zu schließen, dass die bilderfreundlichen Argumente in der Vita des Gregorios Dekapolites vor allen Dingen gegen die ikonoklastische Politik von Theophilos und Johannes VII. Stellung beziehen.
um 843
Georgios Choiroboskos (mit dem Beinamen ”Schweinehirt”) wirkt in Byzanz als Archivar des Patriarchen und als Lehrer33 . Sein herabwürdigender Beiname wurde ihm wahrscheinlich wegen ikonenfeindlicher Einstellung verliehen, seine grammatischen Traktate aber wurden durch die Jahrhunderte geschätzt und könnten zusammen mit der aus dem 2. Jh. v. Chr. stammenden Grammatik des Dionysios Thrax (vgl. Markopoulos (2008, 789)) zur Lektüre von Konstantin-Kyrill gehört haben.
33
Georgios war ”Diakon und Chartophylax wohl des Konstantinopler Patriarchats, also Patriarchatskleriker, später Grammatikos und Oikumenikos Didaskalos, also ein herausragender Gelehrter und Lehrer in Konstantinopel” (Winkelmann et al. (2000, 1,2 Nr. 2200)). Die Datierung der Lebenszeit
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843
Absetzung des Johannes VII. Grammatikos am 4. März und Einsetzung des Methodios I. zum Patriarchen von Konstantinopel. Auf der Synode von Konstantinopel wird die Wiedereinführung der Bilderverehrung beschlossen. Die wiedergewonnene kulturelle Harmonie in Byzanz ist Voraussetzung für die nun einsetzende neue Blüte der bildenden Künste (’Makedonische Renaissance’), deren Einfluss sowohl in den mit Byzanz unmittelbar verbundenen Vasallenstaaten, als auch in mit Byzanz in Handelsbeziehungen stehenden Regionen bis hinauf im den hohen Norden Europas zu sehen ist, siehe die vielfältigen Beispiele in Gannholm (2015).
843
Einrichtung einer mäzenatischen Bildungsanstalt durch Bardas, den Bruder der Kaiserin Theodora II. und mithin Onkel des späteren Kaisers Michael III. der damit sein öffentliches Ansehen steigern will. An dieser Schule wird auch Konstantin-Kyrill Unterricht erhalten. Obzwar die ’Magnaura’ sich ”keiner langen Lebensdauer erfreute” (Markopoulos, 2008, 790), förderte sie die Konzentration theologischdiplomatischer Expertise im Byzanz des 9. Jhs.34
34
des Choiroboskos hat sich durch Zitatfunde aus anderen Schriftstellern erheblich verändert. Die Gründung einer, wie oft gesagt wird, ’Universität’ durch Bardas kann nicht bewiesen werden. In den frühen 30er Jahren hatte der Kaiser Theophilos für Leo den Philosophen eine öffentliche Lehrmöglichkeit eingerichtet. Zu dieser, dem antiken Schulsystem noch ganz entsprechenden Einrichtung stellt Bardas eine zweite: ”Irgendwann nach 843 entschließt Bardas sich, aus privater Initiative die Wissenschaften zu fördern. Er richtet mit vier renommierten Lehrern eine Schule ein und unterstützt sie reichlich” (Speck, 1974, 7). Die Lehrer dieser Schule waren Leo der Philosoph als ihr Leiter, Theodoros als Geometer, Theodegios als Astronom und Kometas als Grammatiker. Die Lehranstalt des Patriarchen Photios I. dürfte ebenfalls eine Privatschule gewesen sein, welche mit der Bardas-Schule nicht organisatorisch verbunden gewesen sein muss. Insofern kann KonstantinKyrill bei beiden, Leo und Photios, studiert haben, jedoch nicht ”an derselben Anstalt” Speck (1974, 15) und es ist sehr wohl möglich, dass Konstantin-Kyrill, als er selbst Professor der Philosophie wurde, seine Lehrtätigkeit dann nicht an der Bardas-Schule ausübte, sondern in (s)einer Privatschule als von der Kaiserin gewünschtes ”propagandistisches Gegengewicht” (Speck, 1974, 20) gegen den Philosophie lehrenden Leo in der Bardas-Schule. ”Es konnte also … festgestellt werden, daß im 9. Jahrhundert keine Quelle Anlaß zu der Vermutung gibt, als habe es irgendeine staatliche Unterrichtsanstalt gegeben. Alles spielt sich in Formen ab, die wir als privat bezeichnen müssen und bei denen auch ein Mäzenat - mag es auch auftragsgebunden sein und sogar vom Kaiser ausgehen - nicht dazu verleiten darf, an staatliche Einrichtungen zu denken” (Speck, 1974, 20f.).
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843
Die zu Ehren des Apostels Andreas ”nach 843” (Dvorník, 1958, 231) verfasste Laudatio beschreibt Konstantinopel als ”’the great city, New Rome, Queen of cities’, henceforth to be protected by the apostles whose relics reposed in the midst” und ist ein für die Konflikte zwischen West- und Ostrom bezeichnender Schritt in der Entfaltung der bereits Ende des 7. Jhs. in Byzanz entstehenden Auffassung von der auf Byzanz übergegangenen apostolischen Sukzession (’zweites Rom’). Es ist wesentlich zu sehen, dass die Fragen der Vormachtstellung zwischen Rom und Konstantinopel zunehmend ideologisch schärfer werden, wenngleich im Verlauf des 9. Jhs. die Argumente noch in eher publizistischem Stile gesucht werden. Die Laudatio zeigt pars pro toto die gespannte diplomatische Atmosphäre zwischen West und Ost, ohne dass man schon von unüberbrückbaren Differenzen sprechen könnte.
843
Die Normannen erobern am 24. und 25. Juni Nantes und richten unter der christlichen Bevölkerung ein Blutbad an, wie die Acta Martyrii des Gohard (Gunhard) (Carnandet, 1867b, 681-684) berichten, welche die dauernde Gefahr in ihrem letzten Satz thematisieren (”usque in praesentem … terra marique externos hostes assidue patimur”; ibd. 682) und in ihrer Begrifflichkeit den Gegensatz zum NichtChristlichen als dem ’Äußeren’ anzeigen. Inwiefern diese Begrifflichkeit von der Realität immer gedeckt war, ist eine andere Sache. Dass die fränkischen Historiker aber ihre Bewertung der skandinavischen ”war bands”(Coupland, 2003, 200) in biblischer Begrifflichkeit (’teuflisch’) ausdrücken, gestattet nicht, von einer vom heutigen Standpunkt aus befremdlichen Beschreibung auf Übertreibung des Sachgehaltes zu schließen. Es handelt sich um das zeitgenössische framing.
843
Am 10. August Abschluss des Vertrages von Verdun, der die Aufteilung des Frankenreiches nach dem Tode Ludwigs des Frommen in einen West-, Mittel- und Ostteil vorsieht; über letzteren herrscht von 843-876 Ludwig II. ’der Deutsche’ als König von 843-876.
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843
Am 2. November stirbt Antonios ’der Bekenner’ in Thessaloniki, ”der als Bischof von Dyrrhachium unter Kaiser Leo dem Armenier (813820) wegen seiner Verteidigung der Bilder schwere Mißhandlungen erleidet und schließlich in die Verbannung geschickt wird. Von Kaiser Michael II. (820-829) zurückberufen, fährt er fort, für die Bilderverehrung zu wirken, und wird nach Wiederherstellung der Orthodoxie35 zum Erzbischof von Thessalonich ernannt, wo er jedoch bereits in demselben Jahre stirbt” (Kurtz, 1902, iif.). Antonios war ein Verwandter der hl. Theodora von Thessaloniki, in deren Vita der Bericht über ihn breiten Raum einnimmt. Während Konstantin-Kyrill von Theodora nichts gewusst haben kann, da diese erst durch postume Wunder († 892) bekannt wurde, ist kaum möglich, dass die Lebensgeschichte des Antonios nicht zum Stadtgespräch von Saloniki gehörte. Und eine Person wie Leo, ein Gelehrter, Dichter und Theologe, konnte für Kyrill ein Vorbild sein, dessen Nähe er suchte bzw. aufgrund seiner Familienstellung auch suchen konnte, weshalb es gut möglich ist, dass Leo für die Berufung Kyrills zum Prinzenerzieher (III:28) verantwortlich ist (Tachiaos (2005, 41), zustimmend Vereščagin (2010, 247)).
844
Papst Sergius II. wird inthronisiert. Lothar I. erfuhr von der Papstwahl nicht auf offiziellem Wege (”huius sacratissimae consecrationis cum ad aures invictissimi Augusti Lotharii rumor pervenisset imperatoris … ” (Duchesne, 1892, 87)) und schickte seinen Sohn Ludwig II. ’von Italien’ sowie Drogo, den Bischof von Metz, samt einem großen fränkischen Heer Richtung Rom. Sergius II. beschwichtigte den Konflikt, indem er Ludwig zum König der Langobarden und Drogo zum päpstlichen Gesandten ernannte.
844
Konstantin-Kyrill wird zum Lektor geweiht (IV:15).
844
Überführung der Gebeine des Theodoros in das Studion-Kloster in Konstantinopel.
35
Antonios ist der Nachfolger des 840 als Bischof von Thessaloniki eingesetzten Leo, dem Lehrer Kyrills (siehe zuvor unterm Jahr 843 S. 72). Leo gilt als herausragender Mathematiker, der sich auch auf praktische Anwendungen, etwa eine militärische Signalkette durch Feuerzeichen, verstand. Leo wird zuletzt erwähnt in Zusammenhang mit dem Erdbeben vom Januar 869, ”which Leo is said to have survived by locating the only safe place in a collapsing church” (Westerink, 1986, 194).
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4 Zeittafel
75
845
Am 6. März werden 42 byzantinische Adlige hingerichtet, welche nach der Eroberung Amorions 838 durch den Kalifen al-Muʿtaṣim als Geiseln nach Samarra verbracht wurden und sich weigerten, zum Islam zu konvertieren. Die 42 Heiligen von Amorion werden ”von den Byzantinern selbst als νεομάρτυρεϛ von den älteren unterschieden” (Ehrhard, 1907, 4).
845
Konstantin-Kyrill nimmt eine Professur für Kirchengeschichte an der Hochschule in Konstantinopel an (IV:19).
845
14 mährische Fürsten samt Gefolge werden in der Kirche St. Johannes in Regensburg im Beisein Ludwigs des Deutschen getauft (Einhardus, 1891, 35), was aber zu keiner allgemeinen Annahme des Christentums im mährischen Reich führt. Zudem scheint, wie aus der Vita Methodii hervorgeht, das mährische Gebiet zunächst von Salzburg, nicht von Regensburg aus missioniert worden zu sein.
846
Am 4. November stirbt Ioannikios der Große (Winkelmann et al., 2000, 3389, corr.), ein bekannter byzantinischer Wandermönch; die von Sabas verfasste zweite Version seiner Vita, die zwischen 847 und 860 (Mango, 1983, 394)) geschrieben wurde, berichtet, er hätte von Moslems gefangene Griechen auf wunderbare Weise aus Gefängnissen befreien können. Das Thema ’Befreiung’ ist ein wiederkehrendes Motiv in VC (Gefangenenbefreiung XI:45-46, XV:22, XVII:4 bzw. Befreiung von irdischen Zwängen III:16, IV:17, VII:1, XVIII:12, vgl. Daiber (2020, 44f.)), das in der Hagiographie öfters (Kazhdan, 1986, 153), auch als Wunder (Pratsch, 2012, 379, Anm. 42) erscheint und übertragen als Zeichen der Inspiriertheit (Jes 61:1f. bzw. Lk 4:18) verstanden werden kann. Wenn ’Gefangener’ auch im Sinne der ’Geisel’ verstanden werden darf, die als Pfand (Hicklin, 2019) entfernten Vertragspartnern in Handel und Diplomatie überlassen war (und dabei praktischerweise gleich die Fremdsprache erwerben konnte), dann erweitert sich der Kreis möglicher ”Gefangener” nochmals. Die Vita Amandi (PL, 121: 941), die von gefangenen Knaben (pueri) spricht, meint vielleicht eher die als Unterpfand in Verwahrung gehaltenen Heranwachsenden, nicht Gefangene im eigentlichen Sinne. Die Christianisierung Bulgariens hängt übrigens stark mit der Immigration ehemaliger Gefangener zusammen, dank welcher die christliche Minderheit um das Jahr 800 bereits 15% im bulgarischen Reich betrug (Sophoulis, 2015, 65).
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76
4 Zeittafel
847
Leo IV. wird am 10. April Papst.
847
Am 14. Juli stirbt Patriarch Methodios I.
847
Ignatios I. wird Patriarch von Konstantinopel und geht streng gegen ehemalige Ikonoklasten vor, die sich bei Papst Leo IV. Hilfe erbitten.
847
Wahrscheinlich erhält Joseph der Hymnograph in diesem Jahr den Rang des Skeuophylax (”keeper of the liturgical vessels”, Cunningham (2008, 532)) an der Hagia Sophia. Zu diesem Amt wurden meist Diakone gerufen, wobei die Macht des Amtes nicht am klerikalen Rang des Amtsinhabers lag. Der Skeuophylax wie auch die vergleichbaren Ämter beim Patriarchen (sygkellos, ikonomos) ”involved considerable financial authority as well as administrative competence” (Brubaker/Haldon, 2011, 590). Der Skeuophylax hatte direkte Einsicht in die Angelegenheiten des Patriarchen und die Möglichkeit politischer Einflußnahme. Joseph wird das Amt auch nach Amtsantritt des Photios I., des Nachfolgers des Ignatios I., behalten. Zu Ehren des Apostels Bartholomäus und zu Ehren seines Lehrer Gregorios Dekapolites (s. S. 71) gründete Joseph in Konstantinopel eine Klostergemeinschaft.
847
Nach dem Tode seines Bruders am 10. August wird al-Mutawakkil der zehnte Kalif der Abbasiden mit Residenz in Samarra. Er beendet, auch mit Gewalt, die Vorherrschaft des philosophisch ausgerichteten theologischen Denkens der Mutaziliten und unterstützt die traditionalistische Annahme der Widerspruchslosigkeit des Koran und die Diskreditierung rationalistischer Argumente (Akhtar, 2008, 72). Besonders folgenreich ist die sakrale Schriftauffassung von der Unerschaffenheit36 des Korans.
36
”Parallel mit der Schaffung eines kanonischen Textes ging eine Sakralisierung des Koran einher, die stärker ausfiel als in Judentum und Christentum, wo es im Mainstream beispielsweise keine Vorstellung eines himmlischen Urtextes gab. Diese sakralisierende Interpretation hatte sich an mehreren Problemen abzuarbeiten. Der Anspruch auf Universalität der Geltung einerseits und das Faktum der Regionalität der Sprache andererseits waren in Deckung zu bringen. Dies geschah durch die Sakralisierung des Arabischen, die die Muttersprache Mohammeds war und als himmlische Sprache galt, aber auch in der Konkurrenz zwischen persischem und arabischem Islam letzteren priviligierte” Zander (2016, 434), vgl. Newby (2002 (repr. 2004), 161), Bangert (2016, 479); zu theologischen Einzelfragen Adang/Schmidtke/Sklare (2016), zur Entstehung des Korans provokativ Luxenberg (2004) und die scharfe Erwiderung von Neuwirth (2013, 98-101).
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4 Zeittafel
77
zwischen 847 und 855
Laut einer Schrift des späteren Patriarchen Photios I. (”Mystagogie”), worin die Einstellung der lat. Kirche zum ”filioque” darstellt wird, habe Papst Leo (wahrscheinlich Leo IV.) ”im lateinischen (Westen) unter Androhung des Anathems die Rezitation des Symbolum in griechischer Sprache während der Messe (…)” (Herbers, 1999, 50) befohlen. Dies entbehrt nicht der geschichtlichen Möglichkeit, obgleich (ebd. 51) das Glaubensbekenntnis erst später Bestandteil der röm. Messfeier wurde. Das filioque-Problem als bis heute (Munteanu (2010), Haudel (2011)) theologisch brisante Frage wird schon 767 unter Pippin bei einer Aussprache mit byz. Theologen in Gentilly bei Paris angesprochen, wo es zwar ein Seitenthema zur Frage der Bilderverehrung darstellt, aber es war - um Siecienski (2010, 90) zu paraphrasieren - ’der erste Funke eines Feuers gelegt, das Ost und West nicht mehr würden löschen können’. Die fränkische Theologie neigte sich der filioque-Theologie zu (wenn der Geist von Vater und Sohn ausgeht, sind zwei weltliche Machtinstanzen - Kaiser und Papst - besser legitimierbar), das (cäsaropapistische) Byzanz lehnte den Zusatz natürlich ab: so könnte man die politische Instrumentalisierung holzschnittartig benennen, aber die Frage sollte in einem West-Ost-Narrativ nicht übersimplifiziert werden. Das filioque-Problem betrifft trinitätstheologisch zentral die Frage der Inkarnation und das damit verbundene Problem der Bilderverehrung: ”The evidence is strong that Photius was the first to depict the filioque as a significant theological issue - not just an unwarranted interpolation in the creed - in very specific circumstances, not because of any general opposition to Latin Christians” (Treadgold, 2011, 856). Es sei bemerkt, dass das filioqueProblem im 9. Jh. zum prominenten west-östlichen Zankapfel wird, der in der wohl etwa 20 Jahre später geschriebenen VM (Koev (1988), Daiber (2015c, 26ff.)) deutlich sichtbar, in VC aber noch nicht greifbar ist.
849
Die Armada der muslimischen Sarazenen, die seit 846 auch Rom bedrohten, wird in der Schlacht von Ostia vernichtet.
850
Zerstörung des Klosters St.-Saëns in der Normandie bei einem Normanneneinfall.
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78
4 Zeittafel
850
Konstantin-Kyrill führt ein Streitgespräch mit dem abgesetzten Patriarchen Johannes VII. über die Ikonenverehrung (VC V:1). Es ist übrigens nicht das einzige Streitgespräch, das der seiner ikonenkritischen Haltung wegen abgesetzte Patriarch in Konstantinopel führen darf, was zeigt (Dvorník, 1953, 72), dass die Fronten zwischen Ikonoklasmus und Ikonophilie im täglichen Umgang nicht so unerträglich scharf waren, als dass eine Koexistenz beider Parteien unmöglich gewesen wäre.
852
Am 27. Juli wird Natalie von Córdoba zusammen mit ihrem Mann Aurelius von den muslimischen Besatzern wegen ihres christlichen Glaubens hingerichtet.
853
Am 18. Februar stirbt in Córdoba der islamische Rechtsgelehrte ’Abd al-Malik ibn Habīb (geb. 790), der als bedeutender Autor der muslimischen Theologie geschätzt ist, aber auch die Kreuzigung eines der Blasphemie angeklagten Moslem bewirkte. Zu den rigorosen Praktiken während der muslimischen Herrschaft in Andalusien siehe Fierro Bello (1987).
855
Bardas, Bruder der Theodora II. und Mitregent für Michael III., tötet am 20. November 855 den weiteren Mitregenten Theoktistos.
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4 Zeittafel
79
855
Gesandtschaft mit führender Beteiligung Konstantin-Kyrills nach Bagdad (Samarra) zum Zwecke des Gefangenenaustausches (VI:157). Nach einer Zeit der Vorbereitung brach die byzantinische Gesandtschaft schließlich am 6.12.855 (Lamanskij, 1903, 550) auf.37 Der in einem ”rythme presque régulier” (Campagnolo-Pothitou, 1995, 32), nämlich etwa alle 10 Jahre getätigte Gefangenenaustausch fand in den letzten Februartagen (aber Campagnolo-Pothitou (1995, 17): März-April) 856 statt und betraf etwa 2000 Menschen auf jeder Seite. Es gilt als sicher, dass die Gefangenenüberführungen ”avaient été négociés et réalisés après accord commun entre les souverains” (Campagnolo-Pothitou, 1995, 32), so dass die Rolle Kyrills sich auf den ideologischen Teil, nämlich die Disputation mit den Arabern, beschränkte. Speziell zum Austausch von 855/ 85638 siehe auch Durak (2014, 172).
855
Michael III. wird von seiner Mutter Theodora II. nach vorangegangener Brautschau (Petrinski, 2015) mit Eudokia Dekapolitissa verheiratet, behält aber seine Beziehung zu Eudokia Ingerina, der Tochter aus einflussreicher ikonoklastischer Familie, bei, welche er allerdings an seinen Freund, den späteren Kaiser Basileios I. verheiratet. Die Vaterschaft des Basileios der von Eudokia geborenen Söhne (*866 Leo VI. ’der Weise’ und *867 Stephan I.) ist zweifelhaft (siehe zu beiden unterm Jahr 886).
37
Unerklärlicherweise glaubt Patoura (2012, 245) (siehe auch ebd. die Fußnote zu dem Namen ’Methodius’), dass vielmehr Kyrills Bruder die Mission geleitet habe: ”The best-known byzantine ambassadors included Methodius, Leo Choerosphactes and John Kourkouas”. 38 Die aus dem Lebensalter Kyrills erschlossenen Jahresangaben der Arabischen Mission (vgl. VC VI:4 = vierundzwanzigjährig = 850/ 851) waren oft Anlass für Zweifel, ob die in VC genannte Mission je stattgefunden habe. Erstens wäre Konstantin-Kyrill 850 sehr jung und unerfahren mit einer wichtigen diplomatischen Aufgabe betraut worden, was unwahrscheinlich scheint; zweitens kennen die arabischen Quellen keine Mission griechischer Gesandter von 850, wohl aber eine im Jahre 855. Dvorník (1933, 90) hält es für ”vraiment impossible”, das Zeugnis von VC über eine Mission im Jahre 850 zu akzeptieren. Die Zweifel an der historischen Glaubwürdigkeit von VC teilt noch Cleminson (2015), obgleich - wie Dvorník (1933, 86) auch weiß - die Glaubwürdigkeit von VC durchaus signalisiert wird durch die Erwähnung des Staatssekretärs Georg (VI: 9), welcher in den Quellen als byzantinischer Unterhändler der Mission von 855 belegt ist. Das Problem hat Diddi (2015, 89) gelöst: während der glagolitischen Abschreibetradition von VC dürfte eine Verwechslung zweier sehr ähnlicher glagolitischer Buchstaben ⰻⰸ ’29’ mit ⰻⱈ ’24’ aufgetreten sein, so dass auch in VC die Arabermission auf 855 zu datieren ist.
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80
4 Zeittafel
856
Bardas veranlasst Michael III., mit Absetzungsdatum vom 15. März seine Mutter Theodora II. von der Regierung auszuschließen; die ehemalige Kaiserin wird 858 zusammen mit ihren Töchtern in das Konstantinopler Gastriakloster verbannt.
856
Konstantin-Kyrill findet bei Rückkehr von der Arabermission seine Fürsprecherin Theodora II. entmachtet und zieht sich in ein Kloster auf dem Olymp zu seinem Bruder Method zurück, der dort bereits Mönch geworden war (VC VII:1-5). Im wenn auch nirgends zu belegenden Glauben, die spätere Slavenmission von Kyrill und Method wäre ein von langer Hand geplantes Unternehmen gewesen, behaupten manche, die Brüder hätten schon schon in diesem Kloster ”the circle of associates who subsequently accomplished the Slavonic mission”, um sich geschart (Tachiaos, 1971, 57-61, dort 59).
856
Elias von Córdoba erleidet am 17. April unter islamischer Herrrschaft den Märtyrertod.
856
Todesjahr von Hrabanus Maurus (* um 780), einem wesentlichen Propagator des karolinischen Bildungsauftrages im Ostfrankenreich und wichtigem Vermittler von antikem und christlichem Denken.
um 856
Der wohl aus Schottland stammende Missionar Jeron wird beim Einfall der Normannen in der Region des niederländischen Noordwijk ermordet. Der aus Irland stammende Fintan, der in seiner Jugend von den Normannen verschleppt worden war, aber aus der Gefangenschaft fliehen konnte, unternahm aus Dankbarkeit eine Wallfahrt nach Rom, trat 851 in das Benediktinerkloster in Rheinau ein, wo er seit diesem Jahr als Inkluse noch 22 Jahre verbringt. Die Lebensform des Inklusen (Reklusen) kann als Versöhnungsform von Einsiedelei und geregeltem benediktinischem Klosterleben angesehen werden.
857-867
Die selbstbestimmte Regierungszeit von Kaiser Michael III.
858-867
Erstes Patriarchat des Photios I. in Konstantinopel. Der Patriarch Ignatios I., der sich mit dem Vorwurf des Inzestes gegen Bardas gestellt hatte, muss am 23. November Konstantinopel verlassen. Statt seiner wird Photios, ein Laie, zum Patriarchen ernannt.
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4 Zeittafel
81
858
Nikolaus I. wird am 24. April zum Papst gewählt. Der Papst erhebt ”Anspruch auf die Jurisdiktion über das Vikariat Thessaloniki” (Wolfram, 1996 [Titelblatt 1995], 79), wodurch klar ist, dass mit Illyricum die Gesamtheit der östlichen Adriaküstengebiete bis eben hinab nach Thessaloniki gemeint ist.
859
Am 11. März wird Bischof Eulogius von Córdoba wegen Schmähung Mohameds enthauptet. Eulogius hatte eine zum Christentum konvertierte Muslima (Lukretia, die am 15. März getötet wurde) bei sich aufgenommen. Die Ermordung von Eulogius ist, was die Prominenz des Opfers betrifft, der Höhepunkt einer seit 850 anhaltenden Märtyrerwelle, in welcher die maurischen Herrscher die Todesstrafe zur Anwendung brachten.
860
Bischof Ansgar überträgt die Gebeine des hl. Willehad in den neuen Bremer Dom, zum Zeichen der Christianisierung der Friesen und Sachsen.
860
Papst Nikolaus I. spricht die Merowingerregentin Bathilde heilig, welche im 7. Jh. feudalistische Nachfolgestreitigkeiten durch Ausgleichspolitik ohne Kampf befriedete (Merceron, 2000, 140).
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82
4 Zeittafel
860
Am 18. Juni 860 (Vasil’ev, 1946, 149) tauchen Kriegsschiffe der Kiever Rus’ vor Konstantinopel auf (aruss. Bericht in PSRL, 1: 9)). Der einundzwanzigjährige Kaiser Michael III. befindet sich auf dem Weg zu einer militärischen Aktion in Kleinasien, die Stadtbevölkerung Konstantinopels kann sich nur verschanzen, die vorgelagerten Inseln und Ufergebiete den Slaven zur Plünderung überlassend, aber Michael wendet sein Heer und vernichtet die Angreifer vollkommen. Dvorník (1933, 176f.) hält dieses Ereignis für den Auslöser der Chasarenmission, indem der byzantinische Kaiser sich der Notwendigkeit bewusst geworden wäre, an der nördlichen Reichsgrenze nach Verbündeten zu suchen. Angesichts der schon länger bestehenden byzantinisch-chasarischen diplomatischen Verbindungen, die durch das Vordringen des Islam im Kaukasus begründet werden, ist aber durchaus glaubhaft, dass sich die Chasaren selbst, wie VC berichtet (VIII:1), aufgrund der über Derbent andringenden Muslime um Unterstützung an den byz. Kaiser gewandt hatten. Laut byz. Chonik des 10. Jhs. hatte außerdem der russische ’princeps cum senatoribus’ (Bekker, 1838, 342-344) selbst schon um christliche Missionierung gebeten und ”in the 860s Michael III sent a mission headed by a bishop, in response to a request from the Rus ruling élite” (Shepard (1995, 244), Shepard (2009)).
860
Am 25. September verweigert Papst Nikolaus I. brieflich an Kaiser Michael III. die Anerkennung des Photios I. als Patriarchen und verlangt u.a. auch die Wiederherstellung der ehemaligen Kirchenprovinz Illyricum orientale39 .
86040
Konstantin-Kyrill und Method begeben sich im Herbst 860 auf diplomatische Mission zu den Chasaren (VC VIII:6 und 10), und zwar wahrscheinlich im September oder Oktober, denn ”von November bis etwa zum 10. März ruhte die Schifffahrt witterungsbedingt weitgehend: mare clausum” (Kislinger, 2016, 172).
39 40
Prosopographie der mittelbyzantinischen Zeit Online (PMBZ Online). Artamonov (1962, 331): ”Ende 860 oder Anfang 861”, mit Tachiaos (2005, 39) aber richtig ”in the autumn of 860” zu datieren, denn das spätere Auffinden der Clemens-Reliquien muss im Januar 861 geschehen sein.
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4 Zeittafel
83
861
Der hl. Meinrad (Meginrad) wird am 21. Januar in seiner Klause beim heutigen Einsiedeln erschlagen. Unmittelbar nach Meinrads Tod wurden seine Gebeine von den ”sofort41 herbeigeeilten Mönchen des Klosters Reichenau ( … ) in ihr Kloster” (Ringholz, 1900, 88) übertragen, von wo sie 1039 nach Einsiedeln, das 934 zu einem Benediktinerkloster wurde, zurückgingen. Auch die Gebeine des 978 bei Frisun (Bludenz) verstorbenen Einsiedlers Gerold wurden zunächst nach Einsiedeln verbracht und erst 1663 nach dem heutigen St. Gerold überführt. Zunächst wird man die Ansammlung von Reliquien in Klöstern dadurch motivieren, dass Reliquien einen Zuwachs an spiritueller Bedeutung und sekundär auch an wirtschaftlicher Größe eines Ortes bedeuteten. Solchen auf Außendarstellung bedachten Motiven dienen wohl die translationes der Pusinna nach Herford oder des Willehad nach Bremen unter dem Jahre 860 in erster Linie. Darüber hinaus erkennt man in dem Bemühen, die Reliquien von Einsiedlern in die Obhut von Klöstern zu überführen, aber auch die innerkirchliche Absicht, die Verehrung des eremitischen Heiligenlebens unter die Kontrolle des benediktinischen Gemeinschaftslebens zu bringen.
861
Konstantin-Kyrill birgt am 30. Januar 861 die Gebeine des hl. Clemens auf einer Insel vor Cherson (VC VIII:17).
861
Einführung weltlicher Studien an der Hochschule in Konstantinopel durch Patriarch Photios I.
861
Im Spätsommer oder Herbst: Rückkehr Kyrills und Methods von der Chasarenmission (VC XII).
862
Unter diesem Jahr werden in der aruss. ’Nestrochronik’ einige Städte auf dem Gebiet der Alten Rus’, z. B. Poloc’k erwähnt, was zeigt, dass sich die noch nicht christianisierte Kiever Rus’ in ihrer feudalen Grundstruktur konsolidiert hatte.
41
Die Klosterchronik des Gallus Oheim (Gallus Oheim, 1866, 88) berichtet von Tod und Überführung der Gebeine unter dem Jahr 861.
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84
4 Zeittafel
863
Auf einer im Sommer abgehaltenen Synode folgt Papst Nikolaus I. der Argumentation der Anhänger des verbannten Patriarchen Ignatios I. und verweigert die Anerkennung des Photios I. als Patriarch aufgrund dessen nicht-klerikaler Stellung. Michael III. ignoriert die päpstliche Entscheidung. Die Erzählung vom Kelch Salomons (VC XIII:1-10)42 ist alles, was von Kyrills Leben zwischen Rückkehr von der Chasarenmission und Aufbruch zur Slavenmission berichtet wird.
863
In der am 3. September erfolgten Schlacht am Lalakaon (bei Poson) wird das arabische Heer von der byzantinischen Armee vollständig besiegt, was den vorläufigen Endpunkt der arabischen Westexpansion bedeutet.
863
Übernahme des Christentums durch die bulgarischen Eliten als Schritt zur vollständigen Christianisierung des bulgarischen Reiches, üblicherweise mit dem Namen des Fürsten Boris I. († 907, Gedenktag Bulgarien 2. Mai, kath. 7. Mai) verbunden. Der Taufname von Boris ist Michael, daher wird der Fürst gemeinhin Boris-Michael genannt.43
42
Die textuelle Stellung der Kelchepisode in VC ist wahrscheinlich eine Demonstration von Kyrills akademischem Wirken, denn als Professor für die ’Philosophie dieser Welt’ gehören Prophezeiungen über den Weltlauf zu seinem Arbeitsgebiet. Es gibt keinen Anhaltspunkt für die - so weit ich sehe: auch nirgends geäußerte - Vermutung, dass die Erzählung anspiele auf eine von Photios zwischen 870 und 877 gefälschte Prophezeihung bezüglich der byzantinischen Thronfolge (Jenkins, 1965, 98). 43 Eine Übersicht der wechselhaften Beziehungen zwischen Bulgarien und Byzanz, welche die anfängliche und schließlich offizielle Übernahme des Christentums nach byzantinischem Ritus bestimmten, gibt Polyvjannyj (2016).
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4 Zeittafel
863-866
44
85
Tätigkeit Kyrills und Methods im Großmährischen Reich (VC XIV:1).44 Der Zeitpunkt der Mission ist seitens der großmährischen Fürsten strategisch gewählt. Großmähren stellte für das ostfränkische Reich eine ernsthafte militärische Bedrohung dar. In der Krisenphase der Herrschaft des ostfränkischen Königs Ludwig des Deutschen, als nämlich sein eigener Sohn Karlmann gegen ihn rebellierte, suchte Großmähren durch strategische Bündnisse, das ostfränkische Reich weiter zu schwächen. Die Bitte um Missionare ist in dieser Perspektive zu sehen: ”Während Karlmanns Rebellion schlossen Rastislaw und Svatopluk eine Allianz mit dem byzantinischen Kaiser Michael Ill. (842-867). Ein Ergebnis dieser mährisch-byzantinischen Allianz war die Ankunft der griechischen Missionare Constantin (Kyrill) und Methodius in Mähren im Jahr 863, eine Entwicklung, die schließlich zur Ausbildung einer unabhängigen mährischen Kirche führte” (Goldberg, 2004, 87). Dabei muss man bedenken, dass Staaten sich nicht irgendwie, sondern nur gemäß zeitgenössisch akzeptierten Maßstäben legitimieren können (Stökl, 1976, 78): ”Der junge slavische Fürstenstaat des Mittelalters bedurfte des Christentums als außenpolitischer Legitimierung, um in die Familie christlicher Völker und Staaten als gleichberechtigtes Mitglied Eingang zu finden, und er bedurfte der christlichen Kirche als Element innerer Ordnung wie als Instrument zivilisatorischer Angleichung.” Es gab für Mähren nicht die Option einer religiös vom Christentum abweichenden staatlichen Legitimierung, es gab nur die Option ’Rom’ oder ’Byzanz’.
Die Datierung ist allgemein so akzeptiert, etwa Kuznecova (2013, 12). Die vierzigmonatige Dauer des Wirkens Kyrills in Großmähren ist bekannt (XV:18). - Es besteht ein Unterschied zwischen der Bekehrung zuvor heidnischer Völker wie etwa im Falle der Christianisierung der Sachsen, und der Einführung eines konfessionell bestimmten Christentums in einem schon christianisierten Gebiet als Staatsreligion. Letzteres ist der Fall bei der Slavenmission, denn die Christianisierung im Sinne der Einführung des christlichen Glaubens und der Abwendung vom Heidentum war im Großmährischen Reich bereits von fränkischer Seite begonnen worden, wie nicht nur die Konflikte zwischen dem Salzburger Klerus und den Slavenaposteln zeigen, sondern auch einige alte christlich-theologische Termini deutschen Ursprungs im Aksl (z.B. ne-prijatel’ < Un-hold; Stanislav (1971)). Der Umfang des von Kyrill, Method und ihren ersten Schülern (Jovčeva, 2002) hervorgebrachten Schrifttums ist enorm: es handelt sich um die vollständige Übersetzung des Neuen Testaments und die - zumindest in Form von Perikopen = Prophetologion/ Parimejnik - angefertigte Übersetzung des Alten Testamentes (mit Ausnahme des Buches der Makkabäer) (Alekseev (1988), Chaburgaev (1988), Logačev (1988), Slavova (1989), Temčin (2013)), weiters um liturgische Bücher (Stančev (2008), Stančev (2012)) und jurisdiktionelle (Maksimovič, 2007), homiletische und hagiographische Texte (Kalhous (2010a), Kalhous (2010b)), und zwar auch in gr. Sprache (Krys’ko, 2014). Die genannten Titel stellen nur eine Orientierungshilfe dar (Turilov, 2015).
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86 865
4 Zeittafel
Tod von Paschasius Radbertus in Corbie, der in seinem Buch ”De Corpore et Sanguine Domini” (geschrieben zwischen 831 und 833 und wohl 843 Karl dem Kahlen präsentiert45 ) die Transubstantationslehre theoretisch ausführte. Obwohl sogleich angefochten (etwa von Hrabanus Maurus) wurde die Transubstantationslehre noch zu Lebzeiten des Radbertus auf Veranlassung Kaiser Karls des Kahlen zur verbindlichen Auffassung vom Wesen der Eucharistie46 in der Westkirche.
45
Daten nach Chazelle (1992, 2), welche besonders auf den formalen, zeichentheoretischen [ebd. 18 ’caracter’ - Buchstaben] Aspekt der Argumente des Radbertus hinweist. 46 Die Frage nach der Realpräsenz Christi in den eucharistischen Gaben wird oft auf ein semiotisches Problem verkürzt (reale oder nur zeichenhafte Gegenwart, dies v.a. auch unter protestantischen Argumentationsinteressen), ist aber ontologisch und in der Konsequenz ekklesiologisch viel umfassender. Zuerst ist zu bemerken, dass die Frage nach der Realpräsenz Christi in den eucharistischen Gaben nur ein Sonderfall der Frage nach der Anwesenheit des Schöpfers in seiner Schöpfung ist. Wenn Radbertus eingangs seiner Schrift feststellt ”Propterea quisque recte sapit, non naturam causam dicit esse rerum, sed omnium naturam et ex natura sui generis nascentium voluntatem Dei esse confitetur” (PL, 120: 1267), bedeutet dies concludent, dass der Schöpfer nicht seine Schöpfung nach dem Akt der Schöpfung sich selbst überließ, sondern die ganze Zeit ihres Bestehens weiter in ihr wirkt. Diese Auffassung wird später von Thomas von Aquin ausgeführt, was den hier zu betrachtenden Zeitrahmen sprengt (siehe zur ’Präsenz in der Schöpfung’ als Grundlage der aquinatischen Transsubstantationslehre etwa Salkeld (2013, 229)), hat aber ersichtlich Beziehung zum Problemklomplex praedestinatio (siehe Gottschalk ’der Sachse’ († 869), dessen Lehre fränkischerseits nicht erwünscht war (Bosl, 1966, 26)), indem also die Frage nach der historischen Anwesenheit Gottes in der Welt als Frage nach einem vorbestimmten Weltlauf aufgeworfen ist. Hier liegt ein wichtiger Anschlußpunkt für den interreligiösen Dialog des 9. Jhs. bzw. für die Interpretation der theologischen Ausführungen in VC. Es ist kein Zufall, dass beim Disput mit Moslems und Juden und dann nochmals in der Kelchepisode immer Fragen der eschatologischen, d.h. von Gott bestimmten und prophetisch vorausgesagten Weltgeschichte behandelt werden, was zugleich als Theodizee dienen kann. Über die geschichtsphilosophische Konsequenz hinaus berührt die Frage nach der Anwesenheit Gottes in Gestalt der eucharistischen Gaben auch die Zwei-Naturen-Lehre Christi, indem die göttliche Natur Christi seiner menschlichen nicht zeichenhaft anhaftet (Jesus ist nach christlichem Verständnis nicht nur ein ’vorbildhafter’ Mensch, also ein Zeichen für das Ideale), sondern vielmehr gehört das Göttliche dem Menschlichen ’unvermischt und ungetrennt’ (Chalcedon 451) zu. Die Gleichzeitigkeit des Göttlichen und Menschlichen in der Natur Christi führt über die Frage der Exemplarität Christi für die christliche Existenz (’Nachfolge’) also zur anthropologischen Auffassung, in welchem Sinne das Göttliche auch in der individuellen menschlichen Existenz anwesend sei, nämlich nicht als ’unsterbliche’ Seele in einem sterblichen Körper wie im antiken Idealismus, sondern ebenfalls als untrennbare Anwesenheit (des Geistes), was sich im Glauben an die ’leibliche Auferstehung’ niederschlägt: ”nos in corpus Christi quotidie transferamur”, Radbertus ebd. coll.1312, über die ”sanitate corporalis ad immortalitatem” siehe ebd. coll. 1292; vgl. zum Bezug auf VC (Daiber, 2021c). Über das Menschenbild schließlich definiert sich aber auch das Verständnis der Kirche als des ’Leibes Christi’ , nämlich als eucharistische Kommunionsgemeinschaft (vgl. ebd. coll. 1343: ’zwei Substanzen’ und eine Kirche), und es war von daher ein politisch folgenreicher Schritt von Kaiser Karl dem Kahlen (823-877), über die nicht nur zeichenhafte Seinsart Christi auch die nicht nur zeichenhafte Zugehörigkeit des Christen zur Kirche zu installieren, was de facto
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4 Zeittafel
87
866
Anfang des Jahres wird Ermenrich (Hermanrich) von Ludwig dem Deutschen zum Bischof von Passau berufen47 .
866
Gesandtschaft des Bulgarenkönigs Boris-Michail48 an Ludwig den Deutschen und an den Papst Nikolaus I. (die Ankunft der Gesandten in Rom ist für den August bezeugt) mit der Bitte um Missionare der Westkirche.
866
Im April ermordet Basileios I., der Günstling von Michael III., den Bardas, und wird am 26. Mai dieses Jahres (Prinzing, 2008, 664) von Michael III. zum Mitregenten ernannt.
866
Am 13. November äußert sich Papst Nikolaus I. in einem Brief49 an die Bulgaren (”Ad consultra vestra’) über kirchenrechtliche Fragen und verbietet dabei gesamtkirchlich die Anwendung der Folter zur Erzwingung von Geständnissen (Denzinger, 2009).
schließlich Konsequenzen der ’Kirchenzucht’ u. ä. betrifft. ”Es steht wohl außer Zweifel, daß man diese Wahl im Hinblick auf die seit langem im slawischen Südosten missionierende und an den griechischen Jurisdiktionsbereich grenzende Diözese getroffen hatte. Noch im gleichen Jahr sollte sich zeigen, welche Möglichkeiten dem neuen Oberhirten die kirchenpolitischen Ereignisse in Bulgarien zuspielten. Im Zug der Einführung des Christentums als Staatsreligion wandte sich Boris I. an seinen Verbündeten Ludwig den Deutschen, ihm geeignete Prediger zu schicken, aber auch an den Papst Nikolaus I., seinem Land eine feste Kirchenordnung zu geben. Das diplomatische Angebot enthielt Perspektiven von geradezu welthistorischer Tragweite. Rom konnte das alte Illyricum wieder in seine Sphäre einbeziehen, die ostfränkische Reichskirche sich Bulgarien unterwerfen. Folgerichtig war Passau zum Zentrum und H. als Motor der erhofften Mission ausersehen” (Hahn, 1976, 156). Während Hahn eine Art konzertierte Aktion von Kaiser und Papst vermutet, war die bulgarische Initiative jedenfalls nicht auf beide Partner abgestimmt, denn nach der Ankunft Ermenrichs in Bulgarien zeigte sich, dass eine Tätigkeit seitens der kaiserlichen Delegation bereits sinnlos geworden war. Auch die Suspendierung Ermenrichs durch den Papst im Jahre 876 deutet nicht darauf, dass Papst und Kaiser vereint in einer gemeinsamen ’welthistorischen’ Perspektive gehandelt hätten. 48 Die Gesandtschaft kommt nicht unvorbereitet: Nach Akzeptanz des Christentums 863 durch Boris im Zuge einer Friedenslösung mit Byzanz, was im bulgarischen Adel zu Widerstand führte, wurde ”wie in den Jahrzehnten vorher Pannonien” nun ”Bulgarien zum Tummelplatz der Missionsaktivitäten zwischen Ostfrankenreich/ Regensburg/ Passau, Rom und Byzanz. … Die fränkischen Quellen berichten 864 von einem Kriegszug Ludwigs des Deutschen gegen den Bulgarenkhan, der den Übertritt versprochen habe.” (Bosl, 1966, 24). 49 Russische Übersetzung - mit eher polemischer Einleitung - Charlamova (2017). 47
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88
4 Zeittafel
867
Ludwig der Deutsche ”sendet den Bischof Ermenrich (von Passau) mit Priestern und Diakonen zur Verbreitung des katholischen Glaubens zu den Bulgaren; als die deutschen Missionäre anlangen, hatten die vom Papst abgeordneten Bischöfe (Paulus von Populonia und Formosus von Porta) schon auf das ganze Land ihre Wirksamkeit ausgedehnt; Ermenrich kehrt daher mit des Königs Erlaubnis zurück” (Mühlbacher/Lechner, 1908, 620). ”In the early part of that year a local synod was held at Constantinople to condemn the errors of the Latin missionaries in Bulgaria” (Photius Constantinopolitanus Patriarcha, 1958, 22), wobei die von Photios einberufene Synode wohl vor allem die filioque-Problematik adressierte.
867
Das bedeutende englische Kloster Streoneshalch (heute Withby) wird bei einem Normanneneinfall zerstört.
867
In Konstantinopel stirbt (Gedenktag am 7. September) die um 805 geborene Hymnographin Kassia.
867
Patriarch Photios I. hält im September eine Synode ab, auf der er Papst Nikolaus I. die Anerkennung verweigert. Somit beginnt ein erstes kurzes, ’photianisch’ genanntes Schisma zwischen Ost- und Westkirche50 . Es ist nicht auszuschließen, dass Papst Nikolaus I. (VC XVII:1, vgl. XV:18) sich daher motiviert sah zu überprüfen, ob die Klagen des bairischen Klerus über die byzantinischen Missionare in Großmähren aufgrund deren Zugehörigkeit zur photianischen Partei zustande kommen.
867
Ermordung des byzantinischen Kaisers Michael III. durch seinen Günstling Basileios I. in der Nacht vom 23. auf den 24. September im Palast von St. Mamas (Vasil’ev, 1946, 159), wodurch Basileios I. alleiniger Herrscher wird.
867
Am 25. September setzt Basileios I. den Patriarchen Photios I. ab und beruft wieder Ignatios I. auf den Patriarchenstuhl. Die Beschlüsse der Synode des Photios werden widerrufen.
50
RI I,3,1 n. 279, in: Regesta Imperii Online, http://www.regesta-imperii.de/id/ 0867-08-00_2_0_1_3_1_4495_279.
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867
Anfang November ruft Papst Nikolaus I. die Slavenapostel nach Rom, um sich über ihre Aktivitäten zu unterrichten (Herbers, 2012, 339).51 Da Missionstätigkeit in der römischen Kirche die Bischofswürde voraussetzt, gibt es Grund anzunehmen, die Slavenapostel wären gezwungen gewesen, um diese Legitimierung in Rom nachzusuchen.52 Die Forderung mag am wenigsten vom ’romfreien’ irisch begründeten Klerus in Salzburg erhoben worden sein, dessen 798 erfolgte Erhebung zum Metropolitansitz allerdings seine ausgedehnten Gebietsansprüche (und damit den Konflikt um das Bistum des Method) ausgelöst haben mögen (Levison, 1903, 301). Aber fehlende Bischofswürde und also Illegitimität der Mission kann genauso gut von frankischen oder mährischen Akteuren anklagend vorgebracht worden sein. Weil VC von dem Schreiben des Papstes erst berichtet (XVII:1), nachdem Kyrill und Method nach Venedig reisten, läßt sich nicht grundlos vermuten, die fehlende Ernennung zum Missionsbischof hätte zunächst vom Patriarchen des byzantinischen Dominiums Venedig erteilt werden sollen.
867
Papst Nikolaus I. stirbt am 13. November.
867
Hadrian II. wird am 14. Dezember als Papst inthronisiert.
51
Die Slavenapostel hatten laut MMFH, 2: 105) schon im Herbst Venedig erreicht, Havlík (1964, 32) nennt ”Oktober”. 52 Dass die Slavenapostel genötigt waren, ihr Missionsgebiet zu verlassen, scheint jedenfalls nicht auf Reaktionen seitens der Missionierten zu beruhen, wie sie etwa der in Schweden missionierende Bischof Gosbert (Gauzbertus) im Jahre 845 erlebte, welcher von der Bevölkerung, die bei der Gelegenheit seinen Neffen ermordet, gefesselt außer Landes gebracht wurde (Waitz, 1884, 38), und dies, obwohl die christliche Missionierung bereits seit Gosberts Vorgänger Ansgar mit Billigung von König Björn stattfand.
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867/ 868
Um den Jahreswechsel treffen Konstantin-Kyrill und Method mit den Reliquien des hl. Clemens in Rom ein. Die Bedeutung der Überbringung der Gebeine des hl. Clemens ist in Verbindung zu sehen mit den im 9. Jahrhundert - siehe 795 Papstwahl Leo III., 824 Papstwahl Eugen II. und 827 Inthronisation des Valentin - ausgefochtenen Kämpfen, ob der Papst genealogisch oder durch Wahl bestimmt werde. In der Vita des Clemens heißt es hierzu: ”Da nun Sanct Peter der Apostelfürst gestorben war, wollte Clemens, als ein fürsichtiger Mann, für alle Zukunft hindern, dass nach seinem Beispiel ein Papst in der Kirche sich künftig wähle einen Nachfolger, und das Heiligtum des Herrn durch Erbschaft besessen würde” (Voragine, 1979, 913). Die Slavenapostel bringen also eine Papstreliquie nach Rom, welche die apostolische Sukzession und die Legitimität der Papstwahl stützt - ein gewichtiges Geschenk für Papst Hadrian II.
868
Papst Hadrian approbiert die slavische Bibelübersetzung und läßt die Schüler der Slavenapostel zu Priestern weihen. In VM wird außerdem berichtet, dass Method zum Bischof geweiht wurde, also die geforderte Legitimierung für eine Fortsetzung der Mission erhielt, vgl. zum Missionsbischof auch S. 92. Man feierte unter anderem in der Kapelle der hl. Petronilla, deren Gedenktag der 31. Mai ist. Als Datum ante quem ist allerdings der 10. März 868 (vgl. XVII:9, Komm. zum Dt.) anzunehmen. Die von den römischen Päpsten Nikolaus I. und Hadrian II. der Mission Kyrills und Methods einmütig gewährte Unterstützung gegen den bairisch-fränkischen Klerus erklärt Alexander (1941, 291) plausibel damit, dass diese Unterstützung ”in the general line of a long drawn fight against a dangerous alliance between the Frankish territorial clergies and their princes” stehe, indem die Päpste ihre universale Jurisdiktion über entstehende lokale kirchlich-politische Einheiten, die zunehmend unabhängig agierten, verteidigen wollen. In dieser Linie lassen sich auch die Briefe von Johannes VIII. (873, siehe S. 96, aber siehe auch zu den Jahren 879, 880) sehen, welche einerseits den bairisch-fränkischen Klerus bei Androhung von Exkommunikation zum Gehorsam zwingen, andererseits Method aber den prominenten Gebrauch des Slavischen in der Liturgie verbieten. Die schwankende Stellung von Johannes VIII. gegenüber der slavischen Liturgie läßt vermuten, dass diese der große Zankapfel gewesen ist, aber weniger wegen theologischer, als vielmehr wegen lebenspraktischer Konsequenzen (Daiber, 2015c, 27f.).
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91
um 869
Gottschalk von Orbais ’der Sachse’ stirbt nach zwanzigjähriger Klosterhaft in Hautvillers. Gottschalks Lehre von einer ’gemina praedestinatio’53 , dass nämlich die zur Erlösung und die zur Verdammnis Berufenen schon seit Ewigkeit vorbestimmt seien, entfachte einen beträchtlichen Streit in der Westkirche. Hrabanus Maurus begründete das Häretische der Lehre Gottschalks mit dem Argument, sie sei mit dem freien Willen bzw. Verantwortlichkeit des Individuums und somit auch mit dem Passionsgeschehen nicht vereinbar.
869
Konstantin-Kyrill stirbt am 14. Februar in Rom. IL berichtet übereinstimmend mit VC XVIII:18-24, dass die römische und die anwesende griechische Geistlichkeit54 die Totenfeier Kyrills mit Ehrbezeugungen ’wie einem Papst’ ausrichtete (”non aliter ei [Cyrillo] quam ipsi quoque apostolico funeris honorem impenderent”, IL 131). Der Papst ließ Kyrill in einen Marmorsarkophag, den er für die eigene Beerdigung vorgesehen hatte, betten, jedoch bat Method, nachdem seine Bitte, den Bruder gemäß eines der Mutter gegebenen Versprechens in sein Kloster (”ad monasterium suum”, IL 131, vgl. IV:17) zurückzuführen, vom Papst abschlägig beschieden wurde, ihn dann in der Kirche des hl. Clemens beizusetzen, wo man Kyrill an der rechten Seite des Altars (”ad dexteram partem altaris”, IL 132) bestattete (Osborne, 1981). Die Angabe von VC XVIII:26, man habe über Kyrills Grab sein Bildnis gemalt, ist nicht nur bis heute sichtbar, sondern spricht für schnell einsetzende Verehrung. Nicht lange nach Kyrills Tod wurde eine Gedenkliturgie verfasst (Kuczyńska, 1994, 65), der Kanon zu Ehren Kyrills (Krys’ko, 2014) und auch VC sind ursprünglich gr. geschrieben, weshalb VC in Kreisen des römischen griechischsprachigen Klerus entstanden sein könnte; ein geeigneter Autor scheint Anastasius Bibliotheciarus zu sein.
53
Siehe einführend Karpov (2014) und ebendort im Anschluss an Karpovs Aufsatz auch dessen russische Übersetzung einiger Thesen Gottschalks und seiner Gegner. Vgl. beim Jahr 865. 54 In Rom wächst seit 815 eine zunehmende gr. Diaspora von Geistlichen, die aus den von Muslimen überrannten Gebieten oder vor den ikonoklastischen Kaisern fliehen, darunter auch - ehe er Patriarch wurde - Methodios I. (Ronconi, 2015, 36). Rom ist nicht per se bilderfeindlich eingestellt, wie etwa ein Brief von Paschalis I. an Theodoros von Studion zeigt, weil der sog. ’Zweite Ikonoklasmus’ weitgehend die pädagogische, wenn auch nicht die orthodoxerseits im ’Ersten Ikonoklasmus’ herausgearbeitete theologische Bedeutung der Bilder gelten läßt (Grumel, 1960, 29) und damit nicht allzu weit von der römischen Auffassung entfernt liegt. Deshalb können nach Amtsantritt des ikonophilen Patriarchen Ignatios I. auch die früheren Ikonoklasten vor anti-ikonoklastischen Verfolgungen in Rom Zuflucht suchen.
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92
4 Zeittafel
869
Brief von Hadrian II. an die mährisch-pannonischen Fürsten Svjatopluk, Rostislav und Kocel, in aksl. Übersetzung in VM VIII:4-16 (Grivec/Tomšič, 1960, 157f.) erhalten. Die auf Method bezogene Passage bezieht sich nicht auf die Übersetzung der Bibel in die slavische Sprache, wie man zuweilen meint;55 das in VM VIII:11 verwendete испъл’нь (”vollständig”) ist nicht als Adverb, sondern als Adjektiv zur Anzeige der bischöflichen Vollmacht (plenus potestatis; Daiber (2015c)) zu verstehen. Method kann nun mit der vollen Amtsgewalt eines Bischofs missionieren bzw. die klerikalen Strukturen verwalten.56 Man kann als Neuerung aus dem Briefe Hadrians herauslesen, dass er im Falle der Slavenmission neben der volkssprachlichen Predigt eine slavische Lesung innerhalb der lateinischen Liturgie erlaubte.57 - Die Datierung des Briefes Hadrians II. orientiert sich post quem nach dem Tode Kyrills, der nicht mehr erwähnt wird, und ante quem vor dem Aufstand der Böhmen und dem Regensburger Reichstag von 870.
869
Aufstand der Böhmen (Boemani), Sorben (Sorabi) und Suisli58 an den Grenzen Bayerns und Thüringens. Pippin (Karlmann) besiegt den Rostislav.
55
pars pro toto Randow (1972, 55): ”indem er die Bücher vollständig in eure Sprache vermittelt”. Auch der schottische Missionar der Franken Kilian († um 689) musste sich nach Rom begeben, wo er ”vom Oberhaupt der Kirche die Sendung als Glaubensprediger und die bischöfliche Weihe” empfing (Himmelstein, 1850, 2). - Der oft zitierte Satz von der Liturgie in slavischer Sprache sollte historisch eingeordnet werden. Der Brief sagt: Сь же едıнъ хранити ѡбычаи, - да на мьши пьрвоѥ чтꙋть Ап[осто]ль ı Еѵа[гге]лїе римьскы, таче словеньскы = ”Dieser eine Brauch ist zu beachten, dass man in der Messe den Apostolos und das Evangelium zuerst römisch, darauf lateinisch lese”. Die Sprachanweisung folgt genau dem römischen usus im karolingischen Reich. Eine Synode von 813 hält fest: ”Et ut easdem omelias quisque aperte transferre studeat in rusticam Romanam linguam aut Thiotiscam … ” = ”Und dass ein jeder [Bischof] diese Homilien [Predigten] sich zugänglich zu übermitteln bemühe in lateinischer Sprache und dann auch in deutscher, wodurch die übrigen [die Laien], wie man sagt, sie leichter verstehen könnten” (Werminghoff, 1906, 288); zur Bedeutung von ’thiotiscus’ vgl. Haubrichs (2004), dort 205 auch das Synodalzitat. Eine ma. Predigt ist eine Satz für Satz den Predigttext nachvollziehende Auslegung im Sinne des mehrfachen Schriftsinnes, kombiniert mit weiteren Schriftzitaten. Nur indem der Bibeltext satzweise in der Volkssprache (siehe S. 56) kommentiert wird, kann die Gemeinde die vorige lateinische Schriftlesung nachvollziehen. 57 Wattenbach (1857, 211) sieht im Gotenbischof Ulfila ”eine sehr merkwürdige Parallele” zu der römischen Erlaubnis einer slavischen Liturgie: ”Denn auch dieser [Ulfila] erfand für sein Volk ein Alphabet, übersetzte die heilige Schrift, und führte eine Liturgie in der Landessprache ein.” 58 Die Völkernamen nach den Angaben im Chronicon des Hermann von der Reichenau (Pertz, 1844, 106). 56
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869
Im Juli erscheint König Lothar II. vor Papst Hadrian II. und berichtet über seine Ehepläne (se apud Adrianum papam de illatis criminibus excusans)59 , stirbt aber, ehe der Papst eine Entscheidung treffen kann, auf dem Rückweg am 8. August (Schieffer, 1987) in Piacenza.
869
Viertes ”ignatianisches”60 Konzil in Konstantinopel unter Patriarch Ignatios I. von Oktober bis Februar 870 (Jenkins, 1965, 98). Photios I., der sich gegen die gewaltsame Thronbesteigung des Basileios I. positionierte, wird eine zwei-Seelen-Lehre Christi unterstellt und er wird exkommuniziert. Von päpstlicher Seite nehmen Anastasius Bibliothecarius, der die Konzilsakten ins Lateinische übersetzt, und (vermutlich) Gauderich von Velletri teil.
869
Der 20.11. gilt als Todestag von König Edmund von Ostanglien, der im Kampf mit den eingefallenen heidnischen Dänen von diesen gefangengenommen und durch Folter zum Widerruf seines christlichen Glaubens gezwungen wurde.
59
Es ist auffällig, dass sich Kyrills Gegenrede gegen die Vorwürfe des lateinischen Klerus (wahrscheinlich 866/ 867 = XV:12-17) ausschließlich mit dem Thema Ehebruch beschäftigt. Die Scheidungsabsichten Lothars II. und die damit zusammenhängende Problematik der genealogischen Dynastie im Frankenreich waren seit einer Synode in Aachen vom 29.4.862 öffentlich bekannt, wo Lothar - mit nur zwei Gegenstimmen - die Scheidung von seiner Frau erlaubt wurde, wobei Papst Nikolaus I. sich am 23. 11. 863 aber das letzte Urteil in der Sache vorbehielt (Mühlbacher, 1884, 244f.). Möglicherweise nimmt Kyrill auf dieses die Öffentlichkeit beschäftigende Thema Bezug, was allerdings dem Text von VC direkt nicht zu entnehmen ist. Das Thema Genealogie ist komplex und erfordert für die Frühzeit des Mittelalters die Unterscheidung zwischen (patrilinearer) Verwandtschaft, ’Abstammung’ und Familien- bzw. Sippenzugehörigkeit mit regional unterschiedlichen Traditionen (Pohl, 2016). Man kann aber zumindest sagen, dass im 9. Jh. die Frage der Legitimität der Eheschließung und den damit verbundenen Legitimitätsansprüchen ein aktuelles Thema ist. 60 Vgl. ”viertes” Konzil unter 879.
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4 Zeittafel
870
Als erste Amtshandlung vollzieht der neugewählte Kölner Bischof Willibert die Weihe des karolingischen Domneubaues, der sich durch ein ”ungewöhnlich langgestrecktes Mittelschiff” auszeichnet, welches die Tendenz der zeitgenössischen Kirchenbauten zu einem ”alles bestimmenden Mittelraum” (Binding, 1981, 207-208) fortsetzt. Während in Byzanz die Vermittlung zwischen Heiligem und Profanen in den auf ihre Symbolik durchsichtigen kreuzförmigen Grundrissen mit Überkuppelung (s.a. Onasch (1993), zu Bautypen bes. Nickel (1982, 25-28)) und in der Errichtung einer idealen Schranke (Ikonostase) zwischen den versammelten Gläubigen und dem Altarraum angestrebt wird, wird in der Westkirche der Versammlungsraum der Gemeinde und das Stehen der Vielen als ’Herde’ vor dem einen Priester zur Grundlage des Raumeindruckes gemacht. Das unterschiedliche Kirchenverständnis zwischen Ost und West bildet sich auch in der Architektur ab.
870
Svatopluk, der Neffe des großmährischen Fürsten Rostislav, ergibt sich Karlmann und liefert seinen Onkel Rostislav an die karolingische Herrschaft aus.
870
Am 1. November findet in Regensburg ein Reichstag im Beisein Methods statt, bei welchem Ludwig der Deutsche über den großmährischen Fürsten Rostislav Gericht hält. Um die angestammte Zuständigkeit des Salzburger Klerus auf die großmährischen Gebiete zu erweisen, wurde von einem anonymen Salzburger Autor die ”Conversio Bagoariorum et Carantanorum”, also die Christianisierungsgeschichte der Alpenslaven verfasst: ”Nach der Vita Methodii trug Ludwig der Deutsche die Hauptverantwortung für Methods Regensburger Verurteilung; wahrscheinlich war es das Verdienst der Salzburger Bekehrungsgeschichte, den König mit ihrem einfachen repetitiven Stil überzeugt zu haben” (Wolfram, 1996 [Titelblatt 1995], 193).
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870-872
Klosterhaft des Method und seiner Gefährten im Kloster auf der Reichenau.61 Dort sind Hatto II. (864–871), zusammen mit seinem Freund, dem Konstanzer Bischof Salomo, ein ”Vertrauter des Königs” (Maurer, 2003, 93), und Ruadho (871–888) die Äbte (Gallus Oheim, 1866, 58-65). Es liegt nahe zu vermuten, dass Method den Zwangsaufenthalt auf der Reichenau benutzt haben könnte, VC zu verfassen bzw. aufgrund der ihm bekannten Materialien und Informationen verfassen zu lassen (vgl. X:96, XVI:21ff.), um auf die beim Regensburger Reichstag vorgelegte Salzburger ”Conversio Bagoariorum” seinerseits mit einer Schrift zu antworten, welche die Legitimität der mährischen Mission in der grundsätzlichen theologischen Einheit von Ost- und Westkirche demonstriert. Wenn VC nicht in Kreisen des römischen griechischsprachigen Klerus unmittelbar nach Kyrills Tod entstand, dann ist die Reichenau die nächstbeste Vermutung von Entstehungsort, Zeit und - in diesem Falle auch - Autor von VC; aber siehe das zu den Protokollen als Vorlagen für VC Gesagte auf S. 105.
871
Am 14. Mai, wahrscheinlich in diesem Jahr, stirbt in MünsterGranfelden der Mönch Iso von St. Gallen (geboren nach 830), der Lehrer von exemplarischen Repräsentanten der karolingischen Renaissance wie Tuotilo (Urheber schriftstellerisch-künstlerischer Werke) oder Notker (wahrscheinlicher Verfasser der ’Gesta Caroli Magni’). Wie Kyrill wurde Iso kaum 40 Jahre alt.
872
Papst Hadrian II. stirbt am 14. Dezember.
61
Da in VM nur von einem Kloster in ’Schwaben’ gesprochen wird, hat die ältere Literatur Freising (Aufhauser, 1917, 8) oder Ellwangen (Ziegler, 1953) als Ort der Klosterhaft vermutet. Kaum aber wird die regionale Angabe in VM so schwer wiegen (’Schwaben’ und ’Alemannen’ sind im 9. Jh. Synonyme, siehe so auch Ziegler (1953, 379)) wie die inschriftlichen Erwähnungen eines ’Method’ und seiner Gefährten mit teils griechischen, teils slavischen Namen im Reichenauer Verbrüderungsbuch (Facsimile der Eintragung siehe Autenrieth/Geuenich/Schmid (1979, 53) bzw. Zettler (1991, 131)), weshalb man (mit Eggers (1996, 33), zur Diskussion vgl. Löwe (1982) [die ganze Namensgruppe deute auf den Patriarchen Methodios], Zettler (1983) [die Erwähnung Kyrills als eines Verstobenen zeige, dass ”zweifellos” der Slavenapostel Method gemeint sei], Ziegler (1985) [möglicherweise der Slavenapostel], Zettler (1988) [weist zusammenfassend auf die Datierung der Einträge ”in die frühen 870er Jahre” hin]) das Kloster Reichenau als Ort der Verbannung des Method und seiner Gefährten anzusehen hat.
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4 Zeittafel
872
Johannes VIII., bereits am 13. Dezember zum Papst gewählt, tritt seine Amtsgeschäfte an. Wahrscheinlich schreibt er gleich zu Beginn seines Pontifikats Briefe an den König Michael von Bulgarien und an den slavischen Fürsten Domagoi, welche Briefe beide betonen, dass das Gebiet Bulgariens der römischen Kirche zugehöre (Unger, 2013, Nrn. 50, 51).
873
(März bis Mai): Brief von Papst Johannes VIII. an Erzbischof Adalwin von Salzburg mit der Aufforderung, Method wieder als Bischof von Pannonien einzusetzen; ebenso Brief mit Suspendierung vom Bischofsamt und Androhung der Exkommunikation an Ermenrich (gest. Ende 874, Anf. 875), den Bischof von Passau und Gegner der Slavenmission, aufgrund dessen unangemessenen Verhaltens gegenüber Method; in derselben Angelegenheit scharfer Brief an Bischof Arno von Freising. Ebenso läßt Johannes VIII. aber auch Method das Verbot ausrichten, die Messe in slavischer Sprache zu feiern (Unger, 2013, Nr. 69, 70, 71, 73).
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873
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”In the year 873-4 Emperor Basil I. (867-886) decreed the persecution and mass conversion of all Jews within the Byzantine Empire, thus breaking with Constantinople’s long-lasting tolerance” (Domínguez, 2013, 283). Die Gründe für den überraschenden Bruch mit der byzantinischen Rechtstradition, die zwar für Juden Zulassungsbeschränkungen zu öffentlichen Ämtern und zum Militär oder das Verbot projüdischer Missionierung, aber nie Zwangskonvertierung vorsah, dürften mit Kaiser Basileios’ I.. Neuorientierung im west-östlichen Verhältnis zusammenhängen (siehe Domínguez (2013, 293): ”among the factors commonly mentioned is the failure of the dialogue with Rome”). Der einen Tag nach der Thronusurpation von Basileios I. vom Patriarchenstuhl abgesetzte Photios, der kurz vor seiner Entlassung im September 867 dem römischen Papst noch die Anerkennung verweigerte, kann 873 aus dem Exilkloster Skepe wieder nach Konstantinopel zurückkehren und wird nun in einigen Werken die Genealogie des Basileios I. bis zum Patriarchen Joseph zurück konstruieren und den Kaiser mit Konstantin dem Großen, David oder Salomon vergleichen. Diese ideologischen Werke bereiten nach dem Schema einer ”translatio imperii” den byzantinischen Anspruch auf theologisches und politisches Primat vor und sind die Reaktion auf die in Westrom erreichte funktionstrennende Vereinbarung zwischen Kirche und Kaiser. Durch diese Funktionstrennung verlor der byzantinische Kaiser de facto an außenpolitischem Gewicht, weil ein Kaiser der ganzen Christenheit nur noch der römisch Bestätigte sein kann, und ebenso verlor der byzantinische Patriarch an Gewicht, weil nicht er, sondern der römische Papst die Kaiserkrönung vollzieht. Während Basileios I. in der Rückberufung des antirömischen Photios I. vor allen Dingen Symbolpolitik gegenüber Rom betrieb, versuchte Photios, die Einheit der oströmischen Kirche öffentlich zu demonstrieren. Die zwangsweise Konvertierung der Juden dürfte wesentlich auf Initiative des Photios zustande gekommen sein.
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98
4 Zeittafel
877
Fulko von Reims, wird - ohne Mönch zu sein - Abt in St. Bertin. Seine Lebensgeschichte berichtet, dass er von Adligen ermordet wurde, als er ihren Ansprüchen gegenüber die Rechte der Kirche verteidigte. In Fulkos Briefwechsel werden die Probleme der Zeit (Normanneneinfälle, Durchsetzung des Kirchenrechtes) exemplarisch deutlich; Fulko wird gelegentlich die Autorschaft der Visio Caroli Tertii zugeschrieben, welche - als Teil der zeitgenössisch beliebten Textsorte ’Vision’ - sich mit der Zukunft des fränkischen Imperiums beschäftigt: ”Das Mittelalter sieht damals [zur Karolingerzeit, Th.D.] seine erste Publizistik entstehen … Und man ist auch nicht sonderlich wählerisch in den Mitteln, um wirkliche oder angebliche Rechte durchzufechten; ist doch das 9. Jahrhundert eine Zeit großer Fälschungen” (Levison, 1921, 89). Sowohl die Ostkirche, als auch die Westkirche kennen Schriften, welche den Fortbestand des jeweiligen Imperiums bedenken, und zwar unabhängig vcom Schicksal des anderen - die Spaltung zwischen Ost und West vollzieht sich unaufhaltsam.
877
Tod des Ignatios I., des von Basileios I. eingesetzten Patriarchen, am 23. Oktober. Schon drei Tage später wird Photios I. wieder in sein Amt eingesetzt.
879
Ende Juni, Anfang Juli: Johannes VIII. verbietet Method nochmals (vgl. oben 873), die Messe in slavischer Sprache zu lesen und spricht ihn darauf an, dass mehrere Aussagen über eine Irrlehre Methods vorlägen (Unger, 2013, Nr. 540).
879
Viertes ”photianisches”62 Konzil in Konstantinopel unter Patriarch Photios I.: Rehabilitation des Photios auch von Seiten der römischen Kirche, Zurücknahme des filioque-Zusatzes im Glaubensbekenntnis, Regelung jurisdiktioneller Streitigkeiten: die Ostkirche untersteht nicht der päpstlichen Rechtsprechung. Das zweite Patriarchat des Photios wird bis 886 dauern.
62
So genannt im Unterschied zu dem ebenfalls als ”viertem” gezählten ”ignatianischen” Konzil von 869/ 870. Wegen mangelnder Anerkennung dieses Konzils in der Westkirche seit Gregor dem Großen hat sich der Unterschied der Zählung eingebürgert. Das photianische Konziel heißt heute ”Konzil der Hagia Sophia”.
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4 Zeittafel
99
879
Oleg übernimmt die Regierungsgeschäfte für den noch unmündigen Igor in Novgorod, wodurch sich das Machtzentrum des nord-südlich ausgerichteten Reiches deutlich nach Kiev verschiebt und die Kiever Rus’ begründet.
880
Verlustreich verlorene ”Wikingerschlacht” der christlichen Sachsen gegen einfallende Normannen bei Ebstorf in der Gegend von Lüneburg am 2. Februar, unter anderen fiel Theoderich, Bischof von Minden. Die Namen der gefallenen Christen wurden weithin kommuniziert, sie finden sich auch im Verbrüderungsbuch der Reichenau (vgl. oben zum Eintrag 870-872).
880
23. März: Brief63 von Papst Johannes VIII. an Svatopluk bezüglich Methods als Erzbischof in Mähren, lateinisch bei Baronius (1868, 340f.). Im Mai-Juni weilt Method mit einem nicht näher bekannten Gefährten Semisisnus bei Johannes VIII. in Rom. Dabei ging es auch um die Frage, in welcher Sprache die Liturgie zu feiern sei. ”Offenbar kam es beim Rombesuch Methods zu einer Einigung, da der Papst dem Erzbischof und allen slawischen Klerikern, wie er im Schreiben an Sventopluk berichtet, Messe und Gebete in slawischer Sprache nicht nur erlaubte, sondern vielmehr gebot” (Unger, 2013, Nr. 624). und den Gebrauch der kirchenslavischen Übersetzungen auch in Liturgie und Evangelienlesung zuläßt (Unger, 2013, Nr. 630).
882
Im Januar beginnt der sog. ’Erste Normannensturm’, in welchem die Normannen das Kloster von Prüm mit seiner großen Bibliothek sowie Trier und Metz verwüsten.
882
Die Vita Constantini-Cyrilli liegt vor dem Tode von Papst Johannes VIII. ”avec certitude à la fin de 882” (Meyvaert/Devos, 1955, 435, 437) vor.
882
Papst Johannes VIII. stirbt am 16. Dezember.
882
Marinus I. wird Papst und erneuert noch im Jahre 882 die Exkommunikation von Photios I.
63
Der Brief wird nicht selten als Fäschung betrachtet, angefertigt in der Absicht der Diskreditierung des Briefes von Papst Stephan V. von 885, dessen Text umformuliert und seinem Vorgänger unterschoben wird (so schon Goetz (1897, 59)).
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100
4 Zeittafel
884
Papst Marinus I. stirbt am 15. Mai
884
Hadrian III. wird am 17. Mai zum Papst gewählt
884
Im Spätherbst werden in der Schlacht bei Norditi an der Hilgenrieder Bucht von einem Heer unter Führung von Erzbischof Rimbert (um 830 - 11.6.888) von Hamburg-Bremen die Normannen endgültig aus Ostfriesland vertrieben (Mühlbacher/Lechner, 1908, 701f.).
885
Method stirbt am 6. April. Laut dem die karge Angabe von VM XVII:11 erweiternden Prologgedenken für beide Brüder ”liegt [Method] in der großen Kirche Moravas an der linken Seite in der Wand hinter dem Altar der hl. Gottesgebärerin” (MMFH, 2: 166). Schütz (1982, 30f.) deutet das Adjektiv ’groß’ als Epitheton für ’Bischofskirche’ und (schwer identifizierbares) ’Morava’ als Städtenamen, Boba (1985) schlägt ’Sirmium’ als Bischofsitz vor (aber siehe Štěpánek (2014)), weitere Lokalisierungen vgl. bei Eggers (1996, 67-69). Der Kanon auf den hl. Demetrios geht vermutlich auf Method als Autor zurück. Dort heißt es (dt. Übersetzung bei Bauer (2013, 293)): ”Warum, o Allwissender, wurden wir arme[n] Diener deines strahlenden Glanzes beraubt und ziehen, o Gesegneter, aus Liebe zu unserem Schöpfer durch fremde Länder und Städte wie Krieger, die für die Erniedrigung der Dreisprachigen und Häretiker kämpfen?” Die Vita des hl. Method wurde schnell nach seinem Tode ”noch vor der Vertreibung seiner Schüler” aus Mähren aufgezeichnet, ihren Grundstock bildet möglicherweise eine Verteidigungsschrift für den Prozess vor Svatopluk, welcher nötig wurde, als der von Method als Nachfolger auf dem Bischofsstuhl vorgesehene Schüler vom fränkischen Klerus abgelehnt wurde (vgl. Steinke (1991, 44, 47)).
885
Stephan V. wird Papst im September des Jahres.
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4 Zeittafel
885
101
Papst Stephan V. verbietet in einem Brief an Gorazd, den Nachfolger von Method, den Gebrauch der slavischen Liturgie in der mährischen Kirche. Vlasto (1970, 81) meint, dass Method die Frage seiner Nachfolge mit Konstantinopel abgesprochen habe, aber jedenfalls hätte sich Gorazd in Rom erst als Bischof formell bestätigen lassen müssen (s.a. S. 92), wo allerdings schnell Wiching, der Bischof von Nitra, vorspricht, welcher Method der Häresie und fehlender Subordination unter den Papst bezichtigt. Stephan verfasst darauf einen katechetischen Brief an Svatopluk, in welchem ein weiteres Mal die slavische Liturgie verboten wird und der Gebrauch des Slavischen auf die Predigt eingeschränkt wird: quod ad simplicis populi et non intelligentis aedificationem attinet, si evangelii vel apostoli expositio ab eruditis eadem lingua annuntietur (MMFH, 3: 225). Der Brief betont das Primat der römischen Kirche als ’Mutter’ der Staaten (MMFH, 3: 219), was in der Betonung der apostolischen Sukzession als Argument gegen Byzanz zu verstehen ist und ermahnt zur Annahme des filioque (MMFH, 3: 220), dessen Ablehnung möglicherweise als Häresie-Vorwurf gegen Method verwendet wurde.64 Besonders der letzte Satz sicut Pater vitam habet in semet ipso, si dedit et Filio vitam habere in semet ipso (MMFH, 3: 221) ist aus dem Munde der ’Mutter Kirche’ schwer anders zu verstehen, als dass die Kirche ihren weltlichen (Fürsten-) Söhnen ebenfalls ihr Leben lasse.65 Nichts konnte Svatopluk gelegener kommen, als innenpolitisch in Fragen der kirchlichen Legislation mit dem Papst eine stabile Vereinbarung zu erzielen (Vlasto, 1970, 82), und so ließ er Wiching freie Hand, die Vertreibung der slavischen Missionare ins Werk zu setzen.
64
Vielleicht ist dies der Grund, dass VM prominent Methods Rechtgläubigkeit im Rahmen des filioqueStreites herausstellt (Daiber, 2015c, 39). 65 Nach diesen Ausführungen mit politischen Implikationen bezeichnet Stephan ausdrücklich Wiching als venerandum episcopum et carissimum confratrem und klärt so die Nachfolge im Bistum Mähren. Die folgende Einlassung zur Frage des samstäglichen Fastens ist gegen ”peculiar Byzantine practices as fasting on Saturdays” (Vlasto, 1970, 81) gerichtet und wird mit dem Thema der Buße verbunden (MMFH, 3: 224), welche Praxis in der Westkirche im 9. Jh. neu geregelt wurde. Drei Seiten seines Briefes verwendet Stephan zur Darstellung der Autorität Roms und kommt im letzten Abschnitt auf Häresie-Vorwürfe gegen Method zu sprechen, welche si ita est (MMFH, 3: 224) zu bekämpfen seien. Dazu gehört das Verbot der slavischen Liturgie und eine Fristsetzung, dass nach zweimaliger erfolgloser Mahnung slavische Liturgiezelebranten aus dem Schoß der Kirche auszustoßen seien, damit nicht ’ein krankes Schaf die ganze Herde anstecke’: nostro vigore seien die Häretiker zu unterdrücken und a vestris finibus auszuschließen (MMFH, 3: 225). Das terminologische Zusammenspiel von ’unserer’ Lehre und ’eurem’ Machtgebiet drückt das westliche Verhältnis von Kirche und Staat aus.
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102 886
66
4 Zeittafel
Am 3. April stirbt Joseph der Hymnograph; seine Vita wird von seinem Schüler nach 897 aufgezeichnet (Papadopoulos-Kerameus, 1901, iii), wobei Stiernon (1973, 247) eine genaue Datierbarkeit bezweifelt: ” … aucune précision n’est possible. Toutefois, il s’agit bien de l’oeuvre d’un contemporain.” Es lohnt sich darauf hinzuweisen, dass Joseph 841 von Gregorios von Dekapolis (s. S. 71) auf Einladung von Papst Leo III. ”zur Berichterstattung über den Bilderstreit” (Makris, 1997, 25) nach Rom gesandt wurde, aber auf Kreta in die Sklaverei der Sarazenen geriet, von dort nach etwas mehr als einem Jahr (wahrscheinlich nach Konstantinopel) zurückkehrte, dort eine koinobitische Klostergemeinschaft gründete und nach dem Tode von Gregorios von Dekapolis dessen Reliquien in das mittlerweile von ihm in der Nähe des Chrysostomos-Klosters gegründete konstantinopler Bartholomäus-Dekapolites-Kloster überführen ließ. Im Jahre 858 (siehe dort) mußte Joseph wie Ignatios I. ins Exil gehen, und zwar in den Militärbezirk (’Thema’) Cherson auf die Krim. Nach der Ermordung des Bardas (866) kehrte Joseph 867 zurück. Die Vita des mit Thessaloniki verbundenen Joseph (wobei Kyrill und er sich in Thessaloniki sogar hätten begegnen können) enthält zahlreiche Berührungspunkte mit VC (diplomatische Mission, Verlassen von Konstantinopel aufgrund der Politik des Bardas, Aufenthalt auf der Krim, Reliquientranslation, Ikonenverehrung, Dichtung, ein klerikaler Rang [Diakon, Lektor], Mönchstum), wobei beide Viten sicher dem ausgehenden neunten Jahrhundert angehören.66
Es wird unter Hinweis auf den angeblich (Trunte, 1997) gerne von Armeniern ergriffenen Beruf des Vaters (Drungarios; II:1) und auf die Erststellung des Armenischen in der ’Nationalkirchenliste’ (die rein historische Gründe hat, vgl. Kommentar XVI:8) und auf Kyrills Tätigkeit als Schrifterfinder immer wieder behauptet, jedoch nicht bewiesen, dass VC nach dem hagiographischen Muster der Vita von Mesrop-Mašt’oc’ gearbeitet sei, wozu noch Spekulationen über die graphische Abhängigkeit der Glagolica von der armenischen Schrift kommen. Weil die Suche nach hagiographischen Vergleichstexten für VC in der Slavistik das Kriterium der ’Schriftschöpfung’ als tertium comparationis hervorhob, wurden stilistische Vergleiche mit zeitgenössischen Viten der West- und Ostkirche bisher nicht angestellt. Für gr. Hagiographie siehe Pratsch (2012), für lat. Diesenberger (2006); der Unterschied von VC zur ’visionären’ byz. Hagiographie des 10. Jhs. (Kazhdan, 2006, 193-209) ist offensichtlich.
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4 Zeittafel
103
886
Am 29. 8. stirbt Basileios I.; der neue Kaiser Leo VI. ’der Weise’ zwingt den Patriarchen Photios I. am 29. September zum Rücktritt und ins Exil ”in Armenianorum monasterium Bordi67 dictum” (Carnandet, 1866, 36). Am 25. Dezember setzt Leo seinen jüngeren Bruder Stephan I. zum neuen Patriarchen ein. Unter Leos Herrschaft werden Modifikationen an der kirchlichen Gesetzgebung, insbesondere die Mönchsregeln betreffend, angebracht (Granić (1929/ 30), Granić (1931)): ”Leo … tried to reaffirm his power over the Church by issuing several novels in which he, as Emperor, legislated on ecclesiastical discipline and administration. Given that the conversion of the Jews was a Photian policy, Leo ceased this practice” (Domínguez, 2013, 302).
891
Am 6. Februar stirbt Photios I. im Exil in Armenien.
891
Tod von Papst Stephan V.. am 14. September
892
Am 13. Juli wird Bischof Arno von Würzburg, der an einem der zahlreichen Feldzüge gegen die Mährer teilnimmt, ”während der Messe unter einem Zelte” (Ruland, 1875, 577) erschlagen (vgl. VIII:22-25).
893
Volksversammlung in Preslav, einberufen von Fürst Boris-Michael, mit der Krönung von Simeon I. dem Großen, der Verlegung der Hauptstadt von Pliska nach Preslav und der Einführung des Altbulgarischen (der ”slavenobulgarischen Sprache”) anstelle des Griechischen als Liturgie- und Amtssprache68 .
894
Möglicherweise69 Tod des Borivoj (”primus dux sancte fidei catholicus”) und jedenfalls Tod des Svatopluk (”rex Moravie”).
67
Mir ist ein solches armenisches Kloster nicht bekannt, nur ein Dorf namens Bordi, das dem Kloster Tatev abgabenpflichtig war (Musaeva/Mamedov, 2003, 157), doch Tatev wurde erst 895 gegründet. 68 Inwiefern auf dieser ’Volkssynode’ auch die Ersetzung der Glagolica durch die Kyrillica offiziell beschlossen wurde, obliegt der ’Spekulation’ (Nikolov, 2014, 231). Die erhaltenen Manuskripte und epigraphischen Zeugnisse dokumentieren eine schrittweise Ablösung der Glagolica durch die Kyrillica in einer längeren Verlaufszeit. Die Glagolica war in Westbulgarien um das Zentrum Ohrid noch länger im Gebrauch als in Pliska bzw. Preslav, wo die Ersetzung durch die Kyrillica an der Wende vom 9. zum 10. Jh. begann (Totomanova, 2014, 94). 69 Unter diesem Jahr berichtet Bretholz (1923, 32) die Taufe des Borivoj, was falsch sein muss, ”wenn man an Methods Mitwirkung festhält” (Kommentar, ebd.), weshalb manche Autoren vermuten, dass bei Cosmas vielmehr des Borivoj Todesjahr berichtet wird.
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5 Inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill VC berichtet zu weiten Teilen keine Ereignisse, sondern referiert den Wechsel von Argumenten im interreligiösen Diskurs. Die sachgemäße bzw. logische Abfolge der Argumente ist bisher kaum Gegenstand der Abhandlungen geworden; es mag nützlich sein, stichwortartig den inhaltlichen Ablauf von VC vorzuführen.1 Sicher hat Tachiaos (2005, 46, 48, 280 Anm.) recht in der Annahme, dass der Autor bei der Niederschrift von VC auf schriftliche Materialien zurückgreifen konnte; beim Disput mit dem Ikonoklasten Johannes auf Notizen Kyrills (Dujčev (1971), siehe Anm. zu dt. V:9), beim Disput mit den Arabern auf ”Tagebücher” und ”Aufzeichnungen”, beim Disput mit den Juden auf ’griechisch geschriebene Zusammenfassungen’. Dem ist noch hinzufügen, dass auch das Referat des Disputes mit dem irischstämmigen Klerus im westslavischen Missionsgebiet (XV:10-11) sicher auf Notizen beruht, die allerdings nur im Rückgriff auf das Lateinische verständlich sind (Daiber, 2021f). Gerade diese unfreiwillige Spezifik (denn die gr. Missionare haben bei der auf Latein geführten Disputation einiges missverstanden) wäre nicht in den Text von VC geraten, wäre der Disput eine reine Erfindung bzw. ohne konkrete Aufzeichnungen aus dem Gedächtnis wiederholt worden. Übrigens deuten auch die in den Dialogen zuweilen auftauchenden Zitate aus nichtbiblischen Quellen - etwa der bisher als locus obscurus behandelte Halbsatz VI:54a - nicht auf literarische Stilisierung hin, sondern vielmehr zeigt das Fehlen jeder kontextuellen Hinführung auf diese Zitate, dass reales biographisches Erleben vorliegt, indem das den Kommunikanten beim Sprechen präsente globale Thema vorausgesetzt wird, welches eine literarische Fiktion zu versprachlichen sich gemüht hätte, während eine Gesprächsmitschrift, die nur das Gesagte notiert, tendenziell dazu neigt, situative Verständnisbedingungen zu unterschlagen. Das hauptsächliche Interesse, welches die Slavistik an VC nimmt, also die Slavenmission, betrifft kaum ein Drittel des Textes,2 wobei der Biograph keinesfalls anzeigt, 1
Zum argumentativen Inhalt der Diskussionen in VC liegt vergleichsweise wenig Literatur vor; erwähnt seien (Dvorník, 1971) oder Brodňanská (2014), wobei bezeichnenderweise in diesen Arbeiten selten Argumente Kyrills aus VC genannt werden, gerne aber von den Schriften seines erklärten Vorbildes Gregor von Nazianz auf Kyrill geschlossen wird. 2 Die Slavenmission umfasst, selbst wenn man Kapitel XVIII (Tod Kyrills in Rom) dazu nimmt, nur 27% der Zeichenmenge von VC, deutlich weniger als die Chasarenmission mit 32,2%.
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5 Die inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill
dass es sich bei dieser um die Krönung des Lebenswerkes Kyrills gehandelt habe. Wenn man VC unvoreingenommen liest, ist der Lebensbericht nicht auf die Schrifterfindung oder die Slavenmission (geschweige denn auf die sich aus dieser ergebenden Ost-West-Querelen) als inhaltlichen Höhepunkt ausgerichtet, sondern schildert den Lebensweg eines gegen seinen Willen (IV:15-18, VII:1-5) sich in stetig größerer Verantwortung (III: Prinzenerzieher, IV: Professor, V: Kaiserlicher Disputant, VI: Begleiter eines Staatssekretärs, VIII-XI: Stellvertretender kasiserlicher Unterhändler, XIV-XVII: Leitender Diplomat) pflichtschuldig wiederfindenden klerikalen Beamten, ausgestattet mit hoher Religiosität, Bildung und rhetorischem Geschick, der, ohnehin von anfälliger Gesundheit (XIV:7-9), mitten in den diplomatischen Bemühungen um die Slavenmission erkrankt und stirbt und dessen Lebensführung und Lebensleistung von seinen Zeitgenossen sogleich als heiligmäßig erkannt wurden. Einleitung I:1-4 = Vorrede des Erzählers Saloniki: Kindheit und Jugend (827-840) II:1-4 = Geburtsort, Geburtsjahr, Eltern II:5-8 = Irdischer und himmlischer Vater III:1-8 = Siebenjährig: Der Traum von der hl. Sophia: Hochzeit der Seele mit Christus (Firmung) III:9-16 = Grundschule: Die Falkenepisode und die Nichtigkeit des Irdischen Saloniki/ Konstantinopel: Studium und Berufswahl (840-850) III:17-20 = um 840: Selbststudium: Gregor von Nazianz III:21-32 = Vierzehnjährig: Gymnasium - Suche nach dem wahren Lehrer IV:1-5 = um 843: Hochschule in Konstantinopel IV:6-14 = Verzicht auf weltliche Laufbahn IV:15-18 = Flucht in ein Kloster IV:19-20 = Annahme einer Philosophieprofessur (= Professur für Kirchengeschichte) Diplomatische Aufträge 1: Ikonoklasmus (um 850) V:1-4 = Die Disputation mit dem Ikonoklasten Johannes VII. V:5-16 = Geistige vs. körperliche Statur
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5 Die inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill
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V:17-18 = Bild und Antlitz V:19-21 = Bild und Urbild V:22-24 = Das Abbildbare Diplomatische Aufträge 2: Islam (Dezember 855 - Februar 856) VI:1-9 = Die Gesandtschaft zu den arabischen Moslems VI:10-13 = Bilder der Christen - Bilder der Moslems VI:14-25 = Vorschrift vs. Nachfolge VI:26-32 = Monotheismus vs. Trinität VI:33-39 = Nächstenliebe vs. Feindesliebe VI:40-47 = Religion vs. Obrigkeit VI:48-53 = Religion vs. Philosophie VI:54a = Hermeneutik - Der überwucherte Weinberg (Hirt des Hermas) VI:55b- 56 = Theodizee VI:57-58 = Rückkehr Weltflucht (Februar 856 - Spätsommer 859) VII:1-4 = Rückzug von der Politik, das Gastmahl der Armen VII:5 = Hesychastischer Asket auf dem Olymp beim Bruder Method Diplomatische Aufträge 3: Judentum (859-861) VIII:1-5 = Anfrage der Chasaren nach einem christlichen Lehrer VIII:6-9 = Beauftragung Konstantins durch den Kaiser VIII:10-14 = Ankunft in Cherson (vor Oktober). Konstantin und der hebräische Pentateuch, Bekehrung des Samariters VIII:15 = Konstantin und die syrische Peshitta, Bekehrung einer Menge VIII:16-18 = Die Auffindung der Gebeine des hl. Clemens VIII:19-21 = Weiterreise auf der Krim: Besänftigung des chasarischen Kriegsherren durch ”lehrhafte Worte” VIII:22-25 = Weiterreise auf der Krim: Besänftigung der ungarischen Krieger durch ”lehrhafte Worte” IX:1-9 = Weiterreise auf dem Asovschen Meer: Der als Schiffsbekanntschaft getarnte Spion und das Problem der Geschichtsschreibung
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5 Die inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill
Ankunftstag IX:10-14 = Erste Begegnung mit dem chasarischen Kagan und den jüdischen Gelehrten: Abkömmlinge Adams IX:15-22 = Monotheismus und Dreifaltigkeit IX:23-35 = Inkarnation, Geist und Körper Erster Tag der Disputation: Die Fachgelehrten X:1-3 = Methode der Exegese: Wort und Geist (die Schrift und das Gemeinte) X:4-8 = Erstes Argument: Das mosaische Gesetz ist ursprünglicher als das christliche X:9-19 = Gegenargument: das mosaische Gesetz ist nicht der erste Bund Gottes mit den Menschen X:20-24 = Schlussfolgerung: ist das mosaische Gesetz als erster Bund eine Entwicklung vorgehender Gesetze, so ist auch der christliche ’neue Bund’ eine Entwicklung vorgehender Gesetze X:25-34 = Stützung der Schlussfolgerung über die Abfolge von Gesetzen mit Zitaten aus dem AT X:35-36 = Zweites Argument: Es ist unbeweisbar, dass das christliche Gesetz die Weiterentwicklung des mosaischen Gesetzes sei X:37-40 = Gegenargument: die im AT vorausgesagten geschichtlichen Ereignisse sind eingetroffen X:41-55 = Schlussfolgerung: weil die Vorhersagen des AT sich auf die Geburt des Messias beziehen, ist bewiesen, dass sich das christliche Gesetz auf das mosaische bezieht und die christliche Weltzeit angebrochen ist X:55-63 = Stützung der Schlussfolgerung über die Prophezeihung der Geburt Christi mit Zitaten aus dem AT X:64 = Drittes Argument: das AT segnet nicht die Christen, sondern nur die Juden X:65 = Gegenargument: Segnen heißt, die Richtigkeit einer Sache als ihre göttliche Verursachung zu erkennen X:66 = Schlussfolgerung: die historische Ausbreitung des Christentums spricht für seine Gesegnetheit X:67 = Stützung der Schlussfolgerung mit den im AT gemachten Vorhersagen geschichtlicher Ereignisse
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5 Die inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill
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X:68 = Viertes Argument: Das NT widerspricht sich methodisch in der Benutzung des AT X:69-70 = Gegenargument: jede Lektüre setzt einen Wahrheitswert voraus X:71 = Schlussfolgerung: wenn das NT in der Lektüre des AT dessen eigenen Wahrheitswert voraussetzt, kann seine Lektüre nicht methodisch verfehlt sein X:72-74 = Stützung der Schlussfolgerung mit dem Nachweis, dass der Wahrheitswert des AT in der Vorhersage Christi besteht X:75 = Drei polemische Fragen X:75-81 = Erste Polemik: Christen stammen von dem unbeschnittenen Esau ab X:82-88 = Zweite Polemik: Christen sind Götzendiener X:89-94 = Dritte Polemik: Christen halten sich nicht an die Speisevorschriften X:95-96 = Anmerkung des Autors von VC über den Charakter der Gesprächsprotokolle X:97-101 = Vorläufige Evaluierung des ersten Disputationstages Zweiter Tag der Disputation: Allgemeine Aussprache XI:1-9 = Gibt es eine vernunftgeleitete Einsicht, die nicht jeweiligen Interessen dient? XI:10-20 = Die Vernunft kann sich zu einem höheren Zweck ungangenehmer Mittel bedienen, die den irdischen Interessen zuwiderlaufen XI:21-27 = Wer dem Islam zustimmt, muss das AT verwerfen XI:28-41 = Allgemeine Übereinstimmung der Zuhörer und des Disputationsleiters: Zulässigkeit des Christentums neben dem Judentum, der Islam wird nicht in der Öffentlichkeit geduldet XI:42-44 = Diplomatische Vereinbarung zwischen dem chasarischen Kaganat und Byzanz XI:45-46 = Abreise der byzantinischen Delegation Rückreise nach Konstantinopel XII:1-6 = Die Geschichte vom bitteren Wasser und das Vertrauen auf den Heiligen Geist
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5 Die inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill
XII:7-9 = Die Vorhersage des Todes (?) des Chersoner Erzbischofs XII:10-24 = Die Bekehrung der Baumverehrer (Konstantin liest eine Messe). Konstantinopel: Die Schrift auf dem Kelch (Sommer 861 - Ende 862) XIII:1-2 = Konstantin übt seine Professur aus bei der Kirche der hl. Apostel in Byzanz XIII: 3-10 = Konstantin kann die Aufschrift auf dem Kelch des Salomo deuten Diplomatische Aufträge 4: Slavenmission (40 Monate von Spätsommer/ Herbst 863 - 867) XIV:1-5 = Anfrage des mährischen Fürsten Rastislav nach christlichen Missionaren in der slavischen Volkssprache XIV:6-12 = der byzantinische Kaiser beauftragt Konstantin und spricht mit ihm über Schriftlichkeit als Vorbedingung volkssprachlicher Missionierung XIV:13-14 = Konstantin entwirft das erste slavische Alphabet, die Glagolica XIV:15-19 = Brief des byzantinischen Kaisers an Rastislav XV:1 = Ankunft im großmährischen Reich XV:2-4 = Konstantin lehrt die Feier der Stundengebete und der Heiligen Messe XV:5-9 = Der lateinische (irische) Klerus widersetzt sich der slavischsprachigen Liturgie mit dem Argument der ’Drei heiligen Sprachen’ XV:10-11 = Referat des (auf Lateinisch geführten) Disputes mit dem irischen Klerus XV:12-17 = Konstantins Gegenrede, ganz auf Verurteilung des Ehebruches bezogen Reise nach Rom zur Rechtfertigung der mährischen Mission vor dem Papst (Frühjahr 867 - Jahreswechsel 867/ 868) XV:18-21 = Erste Reisestation Panonien: Konstantin lehrt und weiht Priester bei dem Fürsten Kocel
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5 Die inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill
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XVI:1-3 = Zweite Reisestation Venedig: Der italienische Klerus lehnt die slavischsprachige Liturgie ab mit dem (identitär gewendeten) Argument dreier heiliger Sprachen XVI:4-8 = Konstantins erstes Gegenargument: die von Byzanz unabhängig gewordenen orthodoxen Kirchen haben eigene Bibelübersetzungen und zelebrieren in ihrer jeweiligen Volkssprache XVI:9-20 = Konstantins zweites Gegenargument: Schriftbelege aus AT und NT für die Zulässigkeit der Volkssprachen XVI:21-57 = Drittes Gegenargument: Demonstration der aksl. Übersetzungstreue anhand von 1Kor 14:5-39 (im gr. Original von VC wahrscheinlich interlinear zum gr. Bibeltext)3 XVI:58-59 = Konstantin fertigt den italienischen Klerus mit einem Bibelzitat ab Rom: Die päpstliche Akkreditierung von Bibelübersetzung und Mission (Frühjahr 868) XVII:1-4 = Überbringung der Reliquien des Clemens I. XVII:5-9 = Dreitägige feierliche Approbation der slavischen Bibelübersetzung und Liturgie, Weihung slavischer Priester Rom: Krankheit, Tod und Bestattung Kyrills (14. 2. 869) XVII:10-13 = Konstantin als Gesprächspartner der Römer, Belehrung eines Juden (eine ”Beichtszene”?) XVIII:1-6 = Konstantin erkrankt, tritt in den Mönchsstand und nimmt den Mönchsnamen Kyrill an XVIII:7-13 = Kyrills Gebet auf dem Sterbebett, Abschied von Nahestehenden, Todesdatum XVIII:14-15 = Der Trauergottesdienst für Kyrill wird von griechischen und römischen Priestern zelebriert XVIII:16-17 = Method möchte gemäß mütterlichem Wunsch den Leichnam Kyrills in das Kloster auf dem Olymp überführen lassen; der Papst läßt Kyrills Sarkophag für eine siebentägige ’missa privata’ verschließen 3
Es ist wahrscheinlich, dass die Demonstration der aksl. Bibelübersetzung nicht Teil des Streitgespräches von Konstantin mit dem italienischen Klerus war, sondern vom Verfasser von VC hier passenderweise eingeschoben wurde.
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5 Die inhaltliche Gliederung der Vita des Konstantin-Kyrill
XVIII:18-21 = Der römische Klerus will Kyrills Gebeine in Rom behalten, Method findet den Kompromiß, dass die Beisetzung in der Kirche des hl. Clemens geschehe XVIII: 22-24a = Grablegung Kyrills, Frage der Unverweslichkeit, genaue Beschreibung der Grablage XVIII:24b-26 = Wunder am Grab, Anfertigung eines Fresko XVIII:27 = Schlußsatz des Erzählers
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
VC Titel 1
Паметь и житїе блаженаго ѹчителꙗ нашего Костан’тина философа, пръваго настав’ника словен’скꙋ ѥзыкꙋ. благослови .
1 Паметь ] Aksl. памѧть entspricht gr. μνήμη und lat. ”memoria” in der Bedeutung des (liturgisch markierten) Gedenktags. 1 житїе ] Krutova (2010, 32f.) zeigt, dass житïе die formale, zur Kanonisierung erforderliche Beschreibung des Lebenswandels, aber жизнь eine eher individuell gestaltete Biographie bezeichnet. 2 настав’ника ] Na-stavnikъ ist Lehnbildung nach gr. ἐπι-στάτηϛ (Bauer, 1988, 607) mit den Bedeutungen ’Meister’, ’Erzieher’, ’Lehrer’, so auch im aksl. Gebrauch (CVB, 355); beachte Lk 8: 45 наставьниче für gr Vokativ Ἐπιστάτα = ”Meister’ als in Lk geläufige Anrede an Jesus. Zum Epitheton ’Meister und Lehrer’ siehe nochmals II:2, zur Wortbedeutung siehe II:7. 2 ѥзыкꙋ ] Kaum wird ’Sprache’ gemeint sein, sondern eher ’Volk’; so wie gr. γλῶσσα (Bauer 1988: 324) oder lat. ’lingua’ sowohl Sprache, als auch Sprachgemeinschaft bezeichnen können. 2 благослови ] Formelhaft, ausführlich bis zu ”(Господи,) благослови, отче” anzutreffen. - Die Titel der einzelnen Abschriften von VC sind naturgemäß mehr oder weniger ausführlich und auch relativ zu der Sammelschrift, in welcher der Text erscheint, formuliert. In einer liturgischen Sammelhandschrift findet sich gewöhnlich auch der dies natalis angegeben wie in Φ, im Original in kinovar’ (zinnoberrot): мц͡(с)а фе͡(в) .д͡ı. дн͠͡ь. жи͡(т)е҄ бл͡женн͡а(г) ꙋчтл͡ѧ нш͡е(г) кӱрила ѳилософа. прьва͡(г) наставника слове͡(н).
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VC Titel
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VC Titel 1
Gedenken und Vita unseres seligen Lehrers Konstantin, des Philosophen, des ersten Meisters für das slavische Volk. Segne.
2 Meisters ] Vgl. Komm. zum Aksl. 2 Volk ] Der Anspruch des Titels, schon ein slav. Volk identifiziert zu haben, ist mit der vermuteten Entstehungszeit der Vita, nämlich kurz nach dem Tode Konstantin-Kyrills, nicht zu vereinen, da er eine allgemeine slavische Identität voraussetzt. In den Zeitaltern der handschriftlichen Tradierung von Texten gehören deren Titel ohnehin nicht zum zu bewahrenden Wortlaut, sondern können variiert werden, denn sie sind die quasi mündliche Ankündigung dessen, der nun gleich den Text eines anderen Autors verlesen wird. 2 Segne ] Ausführlich: ’Herr, segne, Vater’. Formelhafte Wendung, die auch in dieser Verkürzung nicht unüblich ist. Sie dient zur Anzeige, dass der Titel, also die Ankündigung des Vorhabens, abgeschlossen ist, und wendet sich in konzeptioneller Mündlichkeit ebenso an Gott, wie an einen mönchischen Zuhörer. Der Wortlaut des Titels schwankt je nach Art der Handschrift; der liturgische Formulartitel enthält in der Regel die Datierung, so etwa Φ: ”Im Monat Februar am 28. Tag [nach dem julianischen Kalender; Gedenktag gregorianisch: 14. Februar] die Vita unseres seligen Lehrers, des Philosophen Kyrill, des ersten Meisters der Slaven.”
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
VC I 1
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I 1. Богъ милостивь и щедрь, ѡжидаѥ покаанїе чловѣчьско, да быше въси съпасены были и въ разꙋмь истин’ныи пришли, не хощет’ бо съмр’ти грѣшникꙋ, нъ покаꙗнїю и животꙋ, аще и наипаче приложить на злобꙋ, нъ не ѡставлꙗѥть чловѣча рода ѡтпасти ѡслаблѥнїемь и вь сьблазнь неприꙗзнинꙋ прїити и погъıбнꙋти, нъ на каꙗжда лѣта и врѣмена не прѣстаѥть благодать творе намь мнѡго, ꙗко испрьва даже и до нъıнꙗ, патриарьхи же пръвѣе и ѡтьци и по тѣхь пророкы а по сихь апостоли и мꙋченикы праведными мѹжи
1 милостивь ] Ф: мл͡(с)ти͡(в) 1 щедрь ] Ф: щедръ. Der Satz stellt vor die Frage, ob не хощет’ бо ’denn er will nicht’ das Hauptverb des Satzes enthält, oder ob nicht vielmehr die adjektivische Prädikation милостивь и щедрь ’gnädig und großzügig’ als Hauptsatz mit elliptischer Kopula begriffen wird, wie dies emphatische gr. Ausdrucksweise regelmäßig erlaubt (Blass, 1896, 73); vgl. 1 Thess 5:24 Πιστὸς ὁ καλῶν ὑμᾶς ”Treu [ist] der euch Berufende”. Für diese Auffassung spricht die Kurzform der Adjektivе. 1 ѡжидаѥ ] Ф: желаѧ, 8: жадаа на покаанїе чловѣче 6: жадаа покаанїѧ чловѣчѧ 2: ожидаеи покаꙗнїе человѣческо 1: ожидаꙗ покаꙗнїꙗ человѣчьскаго 1: желаꙗ покаꙗниꙗ человѣча 1 покаанїе ] Ф: пока҄ѧнїа 1 чловѣчьско ] Ф: чл͡ча, 1 быше ] Ф: быша 1 въси ] Ф: вси 2 съпасены ] Ф: сп͡сени 2–3 грѣшникꙋ ] 10: грѣшникомъ 3 покаꙗнїю и животꙋ ] Ф: ѡбращенїа живота, 3: покаꙗнїе животѹ 1: покаꙗнїꙗ животѹ 1: покаꙗнїꙗ и животѹ 1: обращениѧ живота 3 приложить ] Ф: прилежи(т), 11: пролежить 2: прилежатъ 2: прележить 1: преложить 4 ѡтпасти ] Ф: ѡ(т)пасти, 4: отъ напасти 4 ѡслаблѥнїемь ] Ф: ѡслѣпленїемъ, 4: озлоблениемъ 1: ослеплениемъ 4–5 вь сьблазнь неприꙗзнинꙋ прїити и погъıбнꙋти ] Ф: въ съблазнѣ неприꙗзнѣ пр͡(с)но гыбнꙋти, 9: непрїꙗзненъ 5: непрїазнинъ 1: в соблазни неприꙗзни гибнѹти 5 благодать ] 5: благости 1: благодѣѧти 6 творе ] Ф: творѧ 6 мнѡго ] 7: многыѧ 1: многꙋ 6 испрьва ] Ф: ҄и спрьва = и unter rundem titlo, daher Worttrennung. 6 даже и до нъıнꙗ ] 6: таже и нынѣ 4: даждь и нынѣ 2: та и нынѣ 6 патриарьхи ] dieses und die folgenden Nomina sind als vom Part izbiraję abhängige AkkPl aufzufassen. 6 пръвѣе ] 8: пръвое 8: первїе 7 а ] Ф: и 7 праведными ] Ф: и праве(д)ными 7 мѹжи ] InstPl der u-Stämme
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VC I
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и ѹчители избираѥи ѡть многомльвнаго житїа сего. 2. знаеть бо господь своѥ, иже ѥго сѹть, ꙗкоже рече: ѡв’це моѥ гласа моѥго слышеть и азь знаю ѥ и именемь възываю ѥ и по мнѣ ходеть и даю имь животь вѣч’ныи. 3. ѥже сътворїи и въ нашь родь, въздвигь намь ѹчителꙗ сице, иже просвѣти езыкь нашь, слабостїю омрач’ше ѹмь свои, паче льстию дїаволѥю, не хотѣвше въ свѣтѣ божїихь заповѣдехь ходити. 4. житїе же ѥго ꙗвлꙗѥть, по малꙋ сказаѥмо, ꙗкьже бѣ, да иже хощеть, то се слыши подобить се ѥмѹ, бьдрость приѥмлѥ, а лѣность ѡтмѣтаѥ, ꙗкоже рече апостоль: подобни мнѣ
8 ѹчители ] der archaische InstrPl der Nomina agentis auf -tele (Aitzetmüller, 1991, 105). - Die syntaktische Konstruktion lautet ’auswählend wen [Propheten usw. = AkkPl] als was [Lehrer = InstrPl]’. Im Aksl. stehen archaische Formen des AkkPl; die bisherigen Übersetzungen sehen alles als NomPl an, weshalb sie zu ’auswählen’ dann das benötigte Akk-Objekt hinzufügen: Grivec/Tomšič (1960, 169): eos, KO, 3: 120): ги, MMFH, 60): je, Kantor/White (1976, 3): who (Akk > Nom, passivisch konstruiert). Weil das Adj ’wahrhaft’ aber eindeutig im InstrPl steht und mit einem Nomen kongruieren sollte, steht es der Auffassung ’nominativische Aufzählung + vergessenes Akk-Objekt’ entgegen. 8 избираѥи ] Ф: избираѧ; die Form in CH zeigt NomPl, der aus dem Mißverständnis der vorigen Nomina als Nominative resultiert, sie kann aber nicht ursprünglich sein: ”Erst relativ spät ist zu beobachten, wie namentlich in der bestimmten Flexion der Nasalvokal der obliquen Kasus auch in den Nominativ eindringt” Aitzetmüller (1991, 236). 8 многомльвнаго ] 2: многометежнаго; aksl. мльвити gibt wie in Mt 9:23 народъ млъвѧщъ (Codex Marianus) gr. θορυβέω wieder (CVB, 330), es geht um ’Aufruhr, Unruhe’ (Bauer, 1988, 737) aufgrund ungeordneter Bewegungen. Aksl мѧтежьнъ ’stürmisch, aufgewühlt’ (CVB, 341) meint eher den mutwilligen ’Aufruhr, Aufstand’ (vgl. мѧтежьникъ als äquivalent zu gr. στασιαστήϛ in Karamfilova (2016, 274)), wodurch das ’Leben’ selbst als metaphorischer Agent des Aufruhrs erscheinen würde. 8–9 знаеть бо господь своѥ ] Ф: знаеть(ж) гь͠ своѧ 9 ѡв’це моѥ ] Ф: ѡв҃ца моѧ 9 слышеть ] Ф: слꙋшають 9 азь ] Ф: om. 10 ѥ и ] 6: om 10 възываю ] 5: възовѹ 10 ѥ ] Ф: ꙗ 10 ходеть ] Ф: ходѧ(т) 11 ѥже ] Ф: и(ж) 11 сътворїи ] Ф: сътвори 11 и ] Ф: оm. 11 въ нашь родь ] Ф: нашь ро(д), 2: въ наше роди; die akk. Präpositionalkonstruktion ist temporal zu verstehen, die akk. Konstruktion von Ф ist bereits rationalisierend. 11 ѹчителꙗ ] 10: ѹчитель 11 сице ] Ф: сицевы, 4: сицего 3: сиць 2: сего 12 езыкь ] Ф: ꙗзы(к) 12 омрач’ше ] Ф: ѡмрачившїи, 7: омраченныи 4: омрачьсѧ 1: омрачившїи 1: омрачивше 12 свои ] 7: нашь 12 льстию ] Ф: лестїю 12 не ] Ф: и похотѣв҃шь - letzter Buchstabe von fremder Hand mit einem schwarzen † gestrichen 13 хотѣвше ] 6: хотѣвшимъ 1: хотѣвшїи 13 заповѣдехь ] Ф: заповѣдеи бо(ж)ихъ, 14: заповѣдеи, -ин 13 житїе ] Ф: житие(ж) 14 сказаѥмо ] Ф: сказаемое 14 ꙗкьже ] Ф: ꙗже, 10: ꙗкоже 4: ꙗже 2: ꙗков’же 1: како 14 иже хощеть ] 8: кто хощеть 5: om хощеть то 14 слыши ] Ф: слышаще(ж) = слыша аще же, 13: слыша 2: слыше 14 подобить се ] Ф: подобите͠(с), 3: подобитисѧ 14 ѥмѹ ] Ф: емꙋ 15 бьдрость ] Ф: бо(р)рзость 15 приѥмлѥ ] Ф: приемлѧ 15 а ] Ф: om. 15 ѡтмѣтаѥ ] Ф: ѡ(т)мѣтаѣ, 1: отлагаꙗ 15 подобни ] Ф: подобнии 15 мнѣ ] 7: ми 4: om.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
бываите, ꙗкоже и азь Христѹ.
16 ꙗкоже ] Ф: nach ꙗко om. den Rest des Satzes.
16 и азь ] 5: om
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I 1. Gnädig und großzügig ist Gott, die Buße des Menschen erwartend, auf dass alle gerettet würden und zu wahrhafter Einsicht kämen, denn er will nicht den Tod für den Sünder, sondern Buße und Leben. Auch wenn er [der Mensch] sich zumeist auf das Böse verlegt, so läßt er [Gott] doch das Menschengeschlecht nicht fallen in Schwachheit und in verderblichen Irrtum kommen und untergehen, sondern er hört nicht auf, zu allen Jahren und Zeiten uns viel Gnade zu erweisen, wie es anfänglich war, so wirklich bis heute, zuerst Patriarchen und Väter und nach diesen Propheten und nach diesen Apostel und Märtyrer als wahrhafte Männer und Lehrer auswählend aus diesem aufgewühlten Leben. 2. Es kennt nämlich der Herr die Seinen, wie er sprach: ”Die Schafe hören meine Stimme und ich kenne sie und rufe sie beim Namen und sie folgen mir nach und ich gebe ihnen das ewige Leben”. 3. Was er tat auch zur Zeit unserer Generation und uns so einen Lehrer aufrichtete, der unser Volk erleuchtete, welches durch Schwachheit seinen Verstand verdunkelt hatte, besser gesagt durch die List des Teufels, der nicht im Lichte der göttlichen Gebote gehen wollte. 4. Wie dies nun zuging, das höre jeder, der mag, damit es ihm gefalle, er an Standhaftigkeit zunehme und die Trägheit von sich werfe, wie der Apostel sagte: ”Werdet mir gleich, wie ich Christus.”
1 Gnädig ] Das Epitheton lautet nicht ’menschenfreundlich’ (ksl. человѣколюбчий), welches in späteren Texten zum Standard wird und wohl erst im 12. Jh. in Umlauf kommt (Schweigl, 1941). 2 Einsicht ] 1Tim 2:4, dieselbe Bibelstelle nochmals XIV:16; zu ’Einsicht’ vgl. IV:10. 5–6 hört nicht auf ] Derselbe Gedanke in der 19. Evangelienhomilie Gregors d. Gr. über Mt 20:1-16 (Gleichnis vom Weinberg): Ad erudiendam ergo Dominus plebem suam, quasi ad excolendam vineam suam, nullo tempore destitit operarios mittere, quia et prius per patres, et postmodum per legis doctores et prophetas, ad extremum vero per apostolos (PL, 76: 1154). Vgl. auch Caesarius von Arles, Hom. 7: ”Patria enim nostra paradisus est: parentes nostri sunt patriarchae et prophetae et apostoli et martyres; cives enim angeli, rex noster Christus est. Quando enim peccavit Adam, tum in ipso velut in exilium huius mundi proiecti sumus” (Caesarius von Arles, 1971, 340). - Es handelt sich um eine grundlegende ma. Vorstellung. Die geistige Genealogie wird IX:11, die der koiné-Vorstellung entspringende sakrale Geographie (Caesarius: ’in ipso’!) wird IV:19, X:43, XI:18 greifbar. 6 Jahren und Zeiten ] Gal 4:10 ’ἡμέρας [Tage] (…) καὶ μῆνας [Monate] καὶ καιροὺς [Jahreszeiten, passende Zeiten] καὶ ἐνιαυτούς [Jahre]: es sind ’Jahre’ und ’(zyklisch sich wiederholende) Zeiten’ gemeint. 8 als ] Siehe Komm. zum Aksl. 9 aufgewühlten ] siehe Komm. zum Aksl. 9–10 wie er sprach ] Joh 10:27f. 12 Lehrer ] Gemäß der patristischen Intertextualität im Satz zuvor ist der ’Philosoph’ Kyrill also ein ’doctor legis’. 16 wie der Apostel sagte ] 1Kor 11:1 16 gleich ] μιμηταί μου γίνεσθε, καθὼς κἀγὼ Χριστοῦ = ’Nachahmer mir seid, wie ich Christi [Nachahmer bin]’. Die Aufforderung erscheint gekürzt schon in 1Kor 4:16, welchen Vers Škoviera (2013, 13) für die Quelle des Zitates ansieht.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
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II 1. Въ солѹн’сцѣ градѣ бѣ мѹжь ѥтерь добророднь и богать, именемь львь; прѣдрьже сань драгар’скыи подь стратигом’. 2. бѣ же благовѣр’нь, съхранꙗѥ въсе заповѣди божїе испльнь, ꙗкоже иногда иѡвь; живъı же съ подрѹжїемь своимь и роди ·з͠· отрочетьь, ѡть них’же бѣше младѣишїи сед’мъı костан’тинь философь, наставникь и ѹчитель нашь. 3. егда же и роди мати, въдаꙗше ѥго доилици, да и бы доила; отроче же не рачи се ѥти тꙋждь съсьць никакоже, развѣ по матер’нїи, дон’деже ѡтьдоѥнь бъıсть. 4. се же бъıсть по
1 солѹн’сцѣ ] Ф: селꙋн҃стѣмъ 1 ѥтерь ] 3: нѣкыи 3: нѣкто 2 прѣдрьже ] Ф: придержа 2 драгар’скыи ] Ф. сотиничеськыи, 6: дрѹгарескъ 4: дрꙋгарьскыи 3: сотническыи 1: дрѹгаремъ in margine дрѹгарескыи 1: драгански 1: драгаскыи 2 подь стратигом’ ] Ф: ͡ипостратилатомъ 2 благовѣр’нь ] Ф: бл͡говѣренъ и праведе͡(н) и, 14: благовѣрьнъ и праведенъ 2–3 съхранꙗѥ ] Ф: съхранѧа 3 въсе ] Ф: всѧ 3 испльнь ] 2: истинно; das archaische i-stämmige Adverb ist sicher ursprünglicher. 3–4 живъı же съ подрѹжїемь своимь ] 2: om.; подрѹжие ’Gefährtin’ = ’Ehefrau’ siehe III:2. 4 ·з͠· ] Ф: седмь 4 отрочетьь ] Ф: ѡ(т)роча(т), Kollektivsubstantiv; nicht der wie im Slav. übliche vom Numerale abhängige GenPl отрочѧтъ der nt-Stämme für junge und nicht geschlechtsreife Lebenwesen, wozu отрочѧ ”Kindlein’ gehört (Aitzetmüller, 1991, 99), sondern in serb. Orthographie AkkPl отрочетьь < отрочетa, denn die Konstruktion folgt dem Gr., wo das Substantiv im Kasus dem Numerale folgt; vgl. Mt 14:17 ἔχομεν ... πέντε [Akk] ἄρτους [AkkPl] καὶ δύο [Akk] ἰχθύας [AkkPl] = ’wir haben ... fünf Brote und zwei Fische”. Der Gräzismus ist sicher ursprünglicher als der von einem Abschreiber eingesetzte geläufige GenPl отрочѧтъ, wie ihn MMFH, 2: 61) aufweist. 4 младѣишїи ] Ф: мѣзинець, 12: мѣзинець 2: мѣзинныи 1: мизѣныи; die letztlich auf *mězinъ zurückgehenden Lesarten (die Lesart mězinnyj scheint am besten) repräsentieren einen etymologisch nicht ganz sicher rekonstruierten ”Archaismus mit engem Anwendungsbereich” (ESSJa, 18: 229) in der möglichen Bedeutung ’Kleinster’. Einfluss des modernen Südslavischen (kroat.-serb. mězinec ’kleiner Finger’, übertragen ’Nesthäkchen’) für ursprüngliches mladěšij ’jüngster’ ist wenig wahrscheinlich, weil dann die Entstehung der auf *mězinъ zurückgehenden Lesarten nicht erklärt werden kann. - Die Reihung ’der Kleinste, siebte’ entspricht der im Gr. bekannten Konstruktion ’doppelter Nominativ’, die allerdings unter Berücksichtigung des Materials bei Pičchadze (2017) auch im Slav. ererbt sein dürfte. Die eindeutig als ksl. Stilmerkmal empfundene Konstruktion wurde erst Anfang des 20. Jhs. in der russ.-ksl. Liturgiesprache einer redaktionellen Umformulierung unterworfen (Kraveckij/Pletneva, 2001, 250). 4 сед’мъı ] Ф: om. 5 костан’тинь ] Ф: кӱрилъ 6 въдаꙗше ] Ф: и вдаша, 14: въдаша 2: въдаше 1: вда 6 ѥго ] Ф: и 6 доилици ] Ф: доилници 6 да и бы доила ] Ф: иom., 2: да и отдоить 1: да бы его воспитала 6 отроче ] Ф: отроча(ж) сѧ 6 рачи се ] 8: въсхотѣ 4: хотѧше 1: хотѣ; aksl. рачити (CVB, 580) wird nicht passivisch gebraucht, übersetzt hier aber mediopassives gr. βούλομαι ”wollen, wünschen mit flgd. Inf.” (Bauer, 1988, 291). 6 тꙋждь ] Ф: по чюж(д), 9: по чюжь 5: по чюждь 1: по тꙋждь 1: тꙋжда съсеца 1: чꙋжего сесца 7 развѣ по матер’нїи ] 1: развѣ матере своеꙗ
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божию смотренїю, да бъı добра корене добра лѣторасль. 5. по сем’же добра таа родителꙗ свѣщав’ша се не съходити се, говеща себѣ, нъ тако жиста ѡ господи лѣть ·д͠ ͠ı·͠, дон’деже ꙗ съмрьть разлꙋчи, никакоже прѣстѹпльша того съвѣта. 6. на сѹд’ же ѥмꙋ хотещꙋ ити, плака се мати отрочете сего, глаголющи: ”не брѣгꙋ ѡ въсемь развѣ ѡ младенци семь ѥдиномь, како имать
8 добра ] Ф: добра и 8 лѣторасль ] Ф: ѡ(т)расль несквѣрньны(м) млѣко(м) въз(д)оена была; 2: отрасль 15: add нескврьньномь млѣкомь въздоена (-но) была (-о) 1: да бы лѣтораль процвѣла 8 по сем’же ] Ф: пото(м) 9 таа ] Digraph vgl. S. 43. 9 свѣщав’ша се ] Ф: съвѣщав’ше(с) 9 съходити се ] Ф: не схо(ди)ста сѧ, 14: не сходистасѧ. Die gleich folgende Konjunktion нъ in der Satzmitte ist nicht, wie aksl üblich, adversativ aufzufassen und fordert daher nicht, dass auch der Vordersatz finite Verben enthalte, der tatsächlich nur Partizipien - und zwar zwei Mal gräzisierendes PartConj - zeigt. Aufgrund des unverstandenen Gräzismus bei der Konjunktion konstruieren die Lesarten finite Verben. 9 говеща ] Ф: говѣюще10: говѣюща 2: om. 9 нъ ] Gräzismus, der wie in X:77 die Verständlichkeit der Textstelle entscheidet. Hier in der Bedeutung ’indessen’ (Bauer, 1988, 73). 9–10 ѡ господи ] Ф: о г(с͡)дѣ ꙗко бра(т) и сестра, 5: о господи ꙗко (и) братъ сестра 1: о бозе ꙗко братъ и сестра; nicht auszuschließen, dass der Vergleich in den Lesarten original ist; zu яко и speziell Daiber (2021a). - Die häufige biblische Wendung wie Jh 3:21 ὅτι ἐν θεῷ ἐστιν εἰργασμένα [Codex Marianus] = ’dass sie [die Werke] *in* Gott getan sind’ wird in den slavischen Übersetzungen so gut wie immer bis heute mit der Präposition ’o boze’ = wrtl. ’über Gott’ konstruiert. Möglich wäre auch Übersetzung der instrumental-kausalen PP ὑπὸ Κυρίου (Mt 1:22), aber II:5 wird nicht an reale Verursachung gedacht, was theologisch (wo bleibt der freie Wille?) Unsinn wäre. Vgl. aber zum kausalen ὑπὸ XV:5. 10 лѣть ·д͠ ͠ı·͠ ] Ф: д͠ı лѣ(т), 6: за ·д͠ ͠ı·͠ лѣть 5: за четыренадесѧть лѣтъ 1: чотыри на десꙗте лѣта 1: лѣть дє͡ (= 15) 10 дон’деже ꙗ съмрьть разлꙋчи ] 2: даже до съмрьти разлѹченїа 11 плака се ] 15: плакашесѧ 11 отрочете сего ] Ф: о ѡтрочати се(м) 12 младенци ] Die in VC nirgends anzutreffende Schreibung mladěnъ würde auf spezielle kroatische Tradierung deuten (Reinhart, 1993, 15, Anm. 3). 12–13 имать бъıти ѹстроѥнь ] Ф: имае(т) быти ѹстроенъ, MMFH, 2: 26): хощеть быти ѹстроенъ; die (hier passive) Konstruktion iměti + Infinitiv erscheint einige Male in VC (etwa gleich VII:7 oder VI:22, X:22). ’haben + Inf’ wurde auf ”ἔχω-Konstruktionen der byzantinischen Volkssprache bzw. auch der habeo--Konstruktionen im ältesten Balkanromanisch” (Večerka, 1989-2003, 2: 177) zurückgeführt, die vom 6.-12. Jh. mit dem InfAor, nicht mit dem InfPraes (auch mit Nachstellung des Modalverbs wie II:7) verbunden sind (Gerö/Ruge, 2008, 122ff.). ’wollen + Inf’ hat eine Parallele in gr. μέλλειν, wobei die Verbindung mit dem InfPraes im NT eindeutig dominiert (Blass, 1896, 192). Deutlich trägt ’haben + Inf’ eine debitive Modalbedeutung, während ’wollen + Inf’ vergleichsweise eher reine Trempusbedeutung annimmt. Die slav. Sprachen haben Teil an der Umgestaltung des pie Tempussystems und greifen - gelegentlich parallel zu ihren Nachbarsprachen - zu naheliegenden Mitteln, die man auch in anderen Sprachen (dt. ’es will Abend werden’, engl. ’it will be’ etc.) findet.
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бъıти ѹстроѥнь.” 7. онь же рече: ”вѣрꙋ ми ими, жено, надѣю се бозѣ, ꙗко дати имать ѥмꙋ ѡтьца и строителꙗ такого, иже и строить и все христїанъı.” 8. ѥже се и събысть.
13 рече ] Ф: ре(ч) еи 13 ми ими ] Ф: ими ми 13 надѣю се ] Ф: надеѣю ... бозѣ om. 13 бозѣ ] 4: на бога 1: о бозѣ / Gräzismus: πιστεύω + Dat wie etwa Apg 16:34, vgl. Bauer (1988, 1330f.). 14 дати имать ] Ф: има(м) дати 14 такого ] Ф: таковаго 14 и ] Ф: om. 14 строить ] 1: ѹстроить 14 все ] 15: всѧ 14 христїанъı ] MMFH, 2: 62): строителѧ таковаго, иже ѹстроить всѧ христианы; die Formulierung zielt auf das Wortspiel stroitel’ = ’Erbauer’, welcher stroit = ’erbaut’. 15 се ] Ф: om.
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VC II
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VC II 1
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II 1. In der Stadt Solun lebte ein gewisser Mann, von edler Abstammung und reich, namens Leon, der den Rang eines Drungaren unter dem Strategen innehatte. 2. Er war aber fromm und beachtete vollständig die Gebote Gottes wie einst Hiob. Zusammen mit seiner Gattin lebend zeugte er auch eine siebenköpfige Kinderschar, von welchen der Kleinste, siebte, Konstantin der Philosoph war, unser Erzieher und Lehrer. 3. Als ihn die Mutter gebar, gab sie ihn der Amme, dass sie ihn stille; dem Knaben behagte auf keine Weise die fremde Brust zu nehmen, nur die mütterliche, bis er abgestillt war. 4. Dieses aber geschah aufgrund der Vorsehung Gottes, auf dass er guter Spross einer
1 Solun ] Saloniki, heute Thessaloniki; die nach Konstantinopel bedeutendste byzantinische Stadt, im 9. Jh. ein in Handwerk, Handel und sozialer Integration blühendes kulturelles Zentrum (Livšic, 1953). 2 Drungaren ] Drungarios ist der Titel des militärischen Befehlshabers einer Abteilung über etwa 1000 Berittene, zwei Dienstgrade unter dem Strategen. Für die erste Hälfte des 9. Jhs. in Saloniki bedeutet dies, dass Kyrill aus einer angesehenen und wohlhabenden, aber nicht aus einer der reichsten Familien der Stadt stammte (Ševčenko, 1971); obgleich sich Tachiaos (1971, 43-46) um Gegenargumente bemüht (Amme, Schulunterricht, Beziehung zum Kaiserhof), ist das Elternhaus Kyrills nicht auffallend reich zu nennen. 2 Strategen ] Strategos, militärischer Befehlshaber einer Provinz (Militärbezirk, ’Thema’); Saloniki wurde in den Jahren vor 832 als Thema reorganisiert (Dvorník, 1970, 72). 3 Hiob ] Es gibt viele biblische Vorbilder für Glaubensfestigkeit; wenn ausgerechnet der Dulder Hiob genannt wird, fragt sich, ob dies als Anspielung auf Tragik in Leons Leben verstanden werden soll. 4 Kinderschar ] Im Original Kollektivsubstantiv, vgl. Komm. zum Aksl. 5 siebte ] Ziffer (1990) deutet die Siebenzahl der Kinder auf Hiob, der 7 Söhne und 3 Töchter hatte. 5 Philosoph ] Außer im Titel von VC erscheint hier zum ersten Mal der stehende Beiname Konstantin-Kyrills. Konstantin verdient sich den Titel durch seine Gelehrsamkeit (IV:2) und wird auch speziell zu einer Definition der Philosophie aufgefordert (VI:7), welche in gewissem Sinne ’pneumatisch’ ausfällt. Kyrills Titel ’Philosoph’ steht vollkommen im Einklang mit einer ab dem 2. Jh. zu sehenden Tradition, den im Dialog siegenden Apologeten so zu bezeichnen (siehe XVII:13). 5 unser ] Lehr-Spławiński (1959) (seine Übersetzung von VC ist korrigiert wiederabgedruckt in Lehr-Spławiński (1991)) schließt in seinem Vorwort, dass ’unser’ die ethnisch-slavische Volkszugehörigkeit von Kyrill und Method (siehe VM II:1) bezeichne (nochmals breit diskutiert von Wasilewski (1991)), was dann auch die Annahme rechtfertigen soll, dass VC und VM aksl verfasst worden seien. Aber das PossPron der 1PsPl kann problemlos ’wir slavischsprachige Christen’ bedeuten, ohne dass sich hieraus Schlüsse auf die Ethnizität und Muttersprachlichkeit der Slavenapostel bzw. der Verfasser ihrer Viten ergäben. 5 Erzieher und Lehrer ] Vgl. die Epitheta im Titel von VC. 6 Mutter ] VC nennt die Mutter nicht beim Namen; ein jüngerer, frühestens im 11. Jh. entstandener bulgarischer Text ”Uspenie Kirilla” (MMFH, 2: 245) nennt sie ’Maria’. Vgl. IV:2: Zum Abfassungszeitpunkt noch lebende Personen werden in hagiographischen Texten ungern mit Namen genannt. 7 abgestillt ] Als hagiographischer topos sei an die Vita des Ulrich von Augsburg (10. Jh.) erinnert, der an der Muttermilch gar erkrankte (Berschin/Häse, 2020, 89). ’Milch’ in Zusammenhang mit ’fleischlich’ (II:5) läßt an 1Kor 3:1-2 denken. 8–9 guter Spross einer guten Wurzel ] Jes 11:1 ”Und es wird … ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen”; aufgenommen in Röm 11:16 ”und so die Wurzel heilig ist, so sind auch die Zweige heilig”.
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guten Wurzel sei. 5. Darauf hin lebten diese guten Eltern, sich besprochen habend sich nicht [mehr] zu vereinigen, sich [solcherart nicht mehr] fleischlich herabwürdigend, so [wie Bruder und Schwester] beide im Herrn vierzehn Jahre, ehe der Tod sie schied, ohne je diese Verabredung übertreten zu haben. 6. Als er sich anschickte, zum Gericht zu gehen, weinte die Mutter über diesen Knaben und sprach: ”Ich kümmere mich um nichts außer um diesen einen Knaben, wie er aufgezogen werden soll.” 7. Er aber sprach: ”Glaube mir, Frau, ich vertraue Gott, dass er ihm einen solchen Vater und
9 besprochen habend ] Im Aksl eine gr. Vorbild folgende folgende Partiziphäufung; weil das PrtConj im Griechischen nur die Umstandsinformation beiträgt zu der Hauptinfomation im Satzteil mit dem finiten Verb, sind die - hier in eckigen Klammern stehenden - deutschen Modalangaben sozusagen in der gr. Syntax schon enthalten. 10 fleischlich ] Das Verhältnis des Christentums zu Ehe und Sexualität ist in den ersten Jahrhunderten bestimmt von der Abgrenzung zu antiken Fruchtbarkeitskulten und zu einer vom römischen Imperium erwarteten ’staatserhaltenden’ Fortpflanzung. Nach Etablierung des Christentums als Staatsreligion wirft das an Theologemen (Kirche als Braut Christi, Vermählung der Seele mit Christus; siehe III:1-8) sich bildende Ideal einer keuschen Ehe die Frage seiner Übertragbarkeit auf reale menschliche Beziehungen auf. Die Sakramentalisierung der Ehe enthält das emanzipatorische Element, dass die Zustimmung beider Parteien zu der gemeinsamen Lebensführung nötig ist (”As many historians have noted, the development of marriage as a sacrament had the effect of making the consent of women at least theoretically essential to the validity of a marriage” (Wogan-Browne, 1991, 317)), welches in VC daher auch betont wird, denn die einseitige Entscheidung eines der Ehepartner zu Keuschheit oder die Diskriminierung nicht zölibatär lebender Priester war ein in Byzanz im 9. Jh. verhandeltes Thema (Meyendorff, 1990). Ehe, Sinnlichkeit und Keuschheit werden in VC frequent angesprochen, siehe bspw. III:28, VI:22a [antimuslimisch], X:80 [Beschneidung - Monogamie - Keuschheit], XI:41, XV:11. 11 [wie Bruder und Schwester] ] Der nicht von vornherein abweisbare Einschub stammt aus 6 Hss. 11 im Herrn ] Wrtl. ’über den Herrn’; ein vielleicht auf kyrillomethodianische Zeiten zurückgehender Phraseologismus, vgl. Komm. zum Aksl. 12 er ] der Vater Leon 12 Gericht ] Dieselbe Formulierung nochmals als berichtete Rede der Mutter in XVIII:16. - Gemeint ist das Partikulargericht unmittelbar nach dem Tode über die Taten des Einzelnen. Das Konzept des Partikulargerichtes wird gemeinhin mit Thomas von Aquin und der schrittweisen Dogmatisierung der Lehre im 13. bis 15. Jh. verbunden (Urbach, 2001, 19), doch ist die Vorstellung von einem nachtodlichen Aufenthaltsort, der bis zum abschließenden Jüngsten Gericht eingenommen wird und an welchem bereits ein Gericht über das Individuum stattfinden kann, älter. Die apokryphen und bes. im 5. und 6. Jh. oft gelesenen Thekla-Akten gaben Anlass zu solchen Vorstellungen, und obgleich schon die Kirchenväter diese Berichte nicht für authentisch hielten, konnten sie doch in ihren Schriften auf die volkstümlich bekannte Thekla anspielen, so auch Gregor von Nazianz (vgl. III:17) in seiner oratio 1 adv. Julian. (Hennecke, 1904a, 370). Als weitere Quelle über den Charakter der nachtodlichen Gerichte ist speziell ostkirchlich die Vita des Basilios des Jüngeren zu berücksichtigen. 14 soll ] Wegen der Modalität vgl. Komm. zum Aksl.
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VC II 16
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Erzieher geben wird, der ihn und alle Christen erzieht.” 8. Wie es auch geschah.
16 Erzieher ] Die Mutter fragt nach einem Erzieher (II:6 бъıти ѹстроѥнь), der im Sterben liegende Vater kündigt einen ”Vater und Erzieher” (отьць и строитѥль) an, welcher nicht nur seine Stelle einnehmen werde, sondern auch immer schon (das Verb ist im Kontext präsentisch zu verstehen) alle Christen erzieht (строить). Leons Voraussage ist nicht auf den byzantinischen Kaiser zu beziehen (MMFH, 2: 62, Anm. 6), sondern auf die ”Sophia”, worauf schon Grivec (1960, 30) mit nicht ganz passendem Anschluß an 1Kor 1: 24, 30 hinweist. Die ”Sophia” ist aber nicht irgendeine ’Weisheit’, sondern Christus selbst (Daiber, 2021e), und deshalb ist sie (= Christus) zugleich der Erzieher aller Christen. Würden sich die Worte Leons auf den byzantinischen Kaiser beziehen, läge eine prophetische Weissagung vor, was, wenn es tatsächlich Darstellungsabsicht des Autors von VC gewesen wäre, entsprechend betont worden wäre. Im übrigen ist die Behauptung, der byz. Kaiser sei der Erzieher aller Christen, selbst für cäsaropapistische Verhältnisse etwas übertrieben. Zur Bedeutung ’Erzieher’ siehe nochmals III:28, die gewöhnliche Anrede an Jesus als den ’Meister, Lehrer’ (gr. epistatēs, aksl. nastavnikъ) wie im Titel von VC siehe Lk 8:45 u.ö. 16 geschah ] Beachte die Kohärenz: Anschließend an die Voraussage Leons wählt sich Konstantin die Sophia, also Christus als Erzieher in III:1-8.
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VC III 1
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IIІ 1. Седми же лѣть съı отрокь, видѣ сънь и повѣдаѥ ѡтьцꙋ и матери рече: 2. ꙗко стратигь събра все дѣвице нашего града и рече къ мнѣ: ’избери себѣ ѡть нихь, юже хощеши подрꙋжїе и на помощь съврьсть себѣ.’ 3. ”аз’ же съгледавь и смотривь въсѣхь, видѣхь ѥдинꙋ краснѣишꙋ въсѣхь, лицемь свьтещꙋ се и ѹкрашенѹ вел’ми монисти златы и бисеромь и въсею красотою, ѥиже бѣ име софїа, сїи рѣчь мѹдрост. тѹ избрахь.” 4. слъıшавше словеса си родителꙗ ѥго рекоста к нѥмѹ: 5. ”сынѹ, храни законь ѡтьца твоѥго и не ѡтврьзи наказанїе матере твоѥ. 6. свѣтилник’ бо заповѣдь законѹ и свѣть. 7. рьци же прѣмѹдрости: сестра ми бѹди, а мѹдрость знаѥмѹ себѣ сътворїи. 8. сїаѥт’ бо прѣмѹдрость паче сльньца; и аще приведеши ю себѣ имѣе тѹ подрꙋжиѥ, то ѡть мнѡга зла избавиши се ѥю.” 9. ѥгда же и въдаста на ѹченïe, спѣꙗше паче в’сѣх’ ѹченикь въ книгахь
1 Седми ] Erwartet wird Akk. wie etwa in трехъдесятъ лѣтъ сы (Anisimova, 2018, 399), aber im Gr stehen Zahlen- und Altersangaben im Gen (Smyth, 1916, 89). 1 съı ] Ф: сꙋщю 1 отрокь ] Ф: отрокѫ, Das folgende Komma ist überflüssig; keine Angaben im Apparat von Grivec/ Tomšič. 1 повѣдаѥ ] Ф: повѣда, Gräzismus; siehe Anm. zur Übersetzung. 2 стратигь ] Ф: въевода, 2: воевода 2 нашего града ] Ф: града наше͡(г) 2 къ мнѣ ] Ф: om. 3 юже хощеши ] 3: еюже хощеши 3 подрꙋжїе ] Ф: по(д)рѹжию си, 11: подрѹжїю 1: во подрꙋжїе. Der in 11 Hss vorhandene Instr. des sekundären Prädikates scheint mir grammatischer als der bloße Akk. neutr. im Text und bestimmt zusammen mit der nächsten Lesart die Übersetzung. 3 и на помощь ] Ф = 28: на помощь и 3 съврьсть себѣ ] Ф: сверсть собѣ, 1: животꙋ своемꙋ; zur Bedeutung ’vermählt’ siehe Daiber (2021e, 37-41), vgl. das Nomen X:78. 3 съгледавь ] Ф: глѧдавъ, 15: глѧдавъ 4 смотривь ] Ф: смотрѣ(х) 4 свьтещꙋ се ] Ф: свѣтѧщюсѧ 5 монисти златы и бисеромь ] Ф: монисты златиı и бисеры; der Singular ”Perle” ist bedeutend, siehe Komm. zur Übersetzung. 5 красотою ] 2: ѹтварїю 6 сїи ] Ф: сиѧ 6 мѹдрост. тѹ ] Ф: м(д)рсть, и тꙋ, 2: прѣмѹдрость. сїю 6 слъıшавше ] Ф: слышавше же 7 рекоста ] Ф: рѣста 8 наказанїе ] Ф: наказанїѧ, 14: наказанїа 8 матере твоѥ ] Ф: м͡три твоеѧ 8 заповѣдь ] Ф: закон ж заповѣ(д) и свѣ(т), 7: заповѣди 8 рьци же ] Ф: цр͡ца 9 ми ] Ф: ти 9 мѹдрость знаѥмѹ ] Ф: мр(д)сти знаема 10 прѣмѹдрость ] Ф: мд͡рсть 10 себѣ ] Ф: собѣ 10 имѣе тѹ ] Ф: имѣти, 21: имѣти, speziell zu diesen Lesarten auch Grivec/Tomšič (1960, 85); siehe S. 11. 10 подрꙋжиѥ ] 5: подрꙋжию; 1: подражание 11 ѡть ] Ф: om. 12 и въдаста ] FФ: в҃даста и 12 на ѹченïe ] 4: въ ѹченїе книжное 1: в наѹченїе книжное (in margine: во ѹченїе) 5: на ѹченїе книжное 2: въ наѹчение 1: во ѹчение
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VC III 13
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паметїю скорою вел’ми, ꙗко и дивꙋ бъıти. 10. Ѥдиною же ѡть дьнеи ꙗкоже ѡбычаи ѥсть богатичищемь глꙋмлѥнїе творити ловитвою, изъıде с ними на полѥ, крагѹи свои възьмь; ꙗко пѹсти и,
13 паметїю скорою ] Ф: памѧтїю ꙗдрою, 5: паматью и хитростию 1: паматью и хитростию скорою 3: паматїю и хитростїю доброю 1: паматию ядрою 13 дивꙋ бъıти ] 4: дивитисѧ всѣмъ; die Konstruktion in CH kann als DcI mit Ellipse der Kopula ’dass es einem Wunder zu sein [ist]’ = ’dass es ein Wunder sein muss’ gelesen werden. Es gibt allerdings noch die Möglichkeit, dass die elliptische Konstruktion Bibelstil nachahmt. LXX übersetzt in 3Mos 22:33 den absoluten Infinitiv (eine häufige Erscheinung im AT bzw. ein Übersetzungsproblem in LXX, vgl. Harper (2016)) ”ich euer Gott zu sein … ” (= ’ich bin euer Gott’) mit ὥστε εἰμί (”dass zu sein’ = ’dass ich bin’ [wegen Zusatzes der Subjunktion daher in LXX: ” … to be your God”, Pietersma/Wright (2007, 101)]), was aksl. ꙗко быти entspräche und mit einem dativus modi von ’Wunder’ dann ’dass ein Wunder zu sein’ ergibt. Die Prädikation ist dieselbe wie bei Annahme eines DcI, welcher allerdings deontische Modalität trägt (’dass sich alle wundern mussten’), während der absolute Infinitiv eher der Emphase dient (’dass es wirklich zum Verwundern war’). - Die in 4 Hss verbreitete Lesart nähert den Text an die Formulierung Mk 2:12 ὥστε ἐξίστασθαι πάντας, was in der aksl. Bibelübersetzung (südslav. Redaktion) zwar ѣко дивлѣахѫ сѧ вьси (Jagić, 1960, 121) übersetzt ist, aber in der Ostroger Bibel wörtlich wie die Lesarten von VC erscheint ꙗко дивитися всѣмъ (Turkonjak, 2006, 1585). Auch diese Konstruktion ist deontisch gefärbt, reines ”že sa všetci čudovali” (Škoviera, 2013, 14) ist zu schwach. Da es unwahrscheinlich ist, dass aus der grammatisch wenig problematischen Formulierung wie im NT die das AT nachahmende elliptische Konstruktion in CH entstanden wäre, ist letztere wohl primär. 14 Ѥдиною ] Instrumentalis temporis 14 дьнеи ] Ф: дн͡ии 14 глꙋмлѥнїе ] Ф: глꙋмованїе 15 ними ] Hs 1 von 1469 (siehe S. 11): сьврьстникы своими 15 крагѹи ] Ф: ꙗстребъ, 10: ꙗстребъ 5: крагѹилъ; das Wort ist eine urslav Entlehnung wahrscheinlich persischen Ursprungs (ESSJa, 11: 69) und bedeutet zunächst nur einen ’Raubvogel’. Die Ersetzung durch spezifischeres ястреб ”Habicht” (der ’Falke’, welcher der Episode dеn in der Slavistik oft benutzten Namen ’Falkenerlebnis’ gibt, wäre genauer соколъ) vermeidet wahrscheinlich das ungewöhnliche Fremdwort und ist sekundär; eine Parallele zum соколъ in XVI:1 haben weder der Autor von VC noch die Kopisten gesucht. - Zur Abfassungszeit von VC wird man schon an die symbolische Bedeutung des Raubvogels als Emblem weltlicher Macht denken; der ”Greif” wird in der Romanik Teil der architektonischen Herrschaftssymbolik (Wörn, 1979, 16). Der heutige russische Doppeladler übrigens taucht erst in der 1. Hälfte des 14. Jhs. in Byzanz auf und scheint unter Vasilij III. in das russ. Staatswappen übernommen worden zu sein (Hellmann, 1969, 332, 335). 15 ꙗко пѹсти и ] Ф: и ꙗко и спѫсти и
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вѣтрь се ѡбрѣтъ по смотренїю божїю и възеть и занесе ѥго. 11. отрокь же ѡть того въ ѹнынїе и печаль въпадь, два дьни не ꙗсть. 12. чловѣкѡлюбїем’ бо своим’ милостивъıи богъ не велѣ ѥмѹ привъıкьнѹти житеискъıхь вещехь, ѹдобь и ѹлови. 13. ꙗкоже древлѥ ѹлови плакидꙋ въ ловѣ еленемь, тако и сего крагꙋемь. 14. въ себѣ же помъıсливь житїа сего сѹѥтѹ, ѡкааше глаголѥ: 15. ”таково ли ѥсть житїе се, да вь радости мѣсто печал прибъıваѥть? 16. ѡть сего дьне по ин’ се пѹть имѹ, иже ѥсть сего лѹчьши, а въ мльвѣ житїа сего своихь дьни не иждивѹ.” 17. и поѹчаѥ се симь, сѣдѣаше въ домꙋ своѥмь, ѹче се изь ѹстьь книгами светаго Григорїа Богослова и знаменїе крьстное сътвори на стѣнѣ и похвалѹ светомꙋ Григорию написавь сицевꙋ: 18. ”ѡ Григорїе, тѣломь чловѣче, а дѹ-
16 ѡбрѣтъ ] Ф: обрѣте 16 божїю ] Ф: б͡жїи 16 и възеть ] Ф: om. 16 ѥго ] Ф: om., letztes Wort f. 488b 16 отрокь ] Übersetzt wohl mit 1 Kor13:11 νήπιος ’Knabe, männl. Kind’ im Ggs. zu ἀνήρ ’erwachsener Mann’ und nicht παιδίον ’das Neugeborene, das Kleinkind’ (Bauer, 1988, 1222f.). 16–17 ѡть того ] Ф: ѡ(т)толѣ 17 и печаль въпадь ] Ф: въпаде и въ печаль 17 не ꙗсть ] Ф: не ꙗде, 5: не ѧдѧ хлѣба 4: не ꙗстъ хлѣба 2: не ꙗсть ничесоже 18 не велѣ ] 2: не хоте; велѣти ”befehlen” passt nicht recht; vielmehr ist die ganze negierte Wendung ”nicht befehlen” in der Bedeutung ”nicht gestatten” zu verstehen als Gräzismus aus den Bedeutungen von κελεύειν (Gemoll, 1985, 431). 18 житеискъıхь вещехь ] Ф: чл͡ч(с)кы(м) вѣще(м), 5: чловѣчьскыхъ вещихъ 1: человѣческимъ вещемъ 19 ѹдобь ] Ф: ѹдобь ...ѹлови = но да би ꙋловити 19 ѹлови ] 7: ѹловити 5: ѹловити и 19 еленемь ] Ф: ѡлене(м); es handelt sich nicht um ein wörtliches Zitat aus der Vita des Eustachius-Placidus, höchstens um eine Anspielung (Gladkova, 2013, 333). 20 крагꙋемь ] Ф: ꙗстребо(м), 10: ꙗстребомъ 5: крагѹиломъ 20 сѹѥтѹ ] Ф: ѹтѣхꙋ, 15: ѹтѣхѹ 20 ѡкааше ] Ф spätere Umformung: покааше сѧ 21 таково ] Ф: таково ... да = тако е͠(с) житїѧ се(г) 21 прибъıваѥть ] Ф: пребывае(т), пре- supralinear ergänzt, offensichtlich von der ersten Hand, 12: пребываеть 3: пребывають 22 дьне ] Ф: д͡ни 22 се ] Ф: сѧ 22 иже ] Ф: е(ж) 22 въ мльвѣ ] 4: въ малѣ 23 не иждивѹ ] Ф: ab exklusiv сего: не живꙋ свои(х) дн͡їи 24 поѹчаѥ се симь ] Ф: поѹченїещ сѧ емъ, 7: по ѹченїе сѧ имъ 5: поѹченїемсѧ имъ 1: поꙋченїа сѧ имъ 1: повченне се приемъ 24 сѣдѣаше ] Ф: сѣдѧше 24 ѹче се ] Ф: ѹче ... книгами = ꙋч͡а(с) изъ ѹсть книга(м) 24 изь ѹстьь ] изъѹсть in MMFH, 2: 64) sekundärer Anklang an das Adv. russ. наизусть = ” auswenig”, das es im Aksl. aber gar nicht gibt; vielmehr in serbischer Orthographie GenPl ѹстъ des schon aksl. als Pluralium tantum empfundenen ѹста (NomPlneutr) (CVB, 746). Es liegt als PP ’von den Lippen’ vor. 24 книгами ] In MMFH, 2: 64) gedeutet als pluralisches Dativobjekt книгамъ zu ’lernen’ wie III:23 наѹчи ме хꙋдожьствꙋ граматичьскомꙋ; der InstrPl von CH und anderen ist aber primär und gibt dem Satz erst seinen spezifischen Sinn, vgl. Komm. zum Dt. 25 Богослова ] Ф: ѳеѡлога 25 и ] In der Funktion eines gr. Participium coniunctum (”substitutes for subordinated clauses” (Aejmelaeus, 1982, 390)) wird ein PPA per Konjunktion mit dem Hauptsatz koordiniert; dasselbe etwa VI:19. 25 похвалѹ ] Ф: и бохвалꙋ [sic!: b-] сицевꙋ 26 светомꙋ ] Ф: om. 26 ѡ Григорїе ] Trubeckoj (1934) hat eine metrische Form sich abwechselnder siebzehnsilbiger und sechzehnsilbiger Verse im aksl. Text rekonstruiert, Dvorník (1970, 73) nennt die Verse beläufig ein byzantinisches (üblicherweise 12-silbiges) Enkomion (’Lobgedicht’), Mineva/Polemis (2015) rekonstruieren eine gr. Vorlage. Da VC, wie hier immer wieder gezeigt wird, von einem gr. Mutterspracher ursprünglich auf Gr. geschrieben worden ist, muss man in diesem Falle also von einer bewusst rhythmischen Übersetzung ursprünglich gr. Verse ausgehen.
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шею аггеле, / 19. тъı тѣломь чловѣкь съı, аггель ꙗви се, / ѹста бо твоꙗ ꙗко единь ѡть серафїимь / бога прославлꙗють и въселѥн’нꙋю просвѣщають / правъıѥ вѣры казанїемь. 20a. тѣм’ же и мене / припадающа к тебѣ любовию и вѣрою / прїими и бѹди ми ѹчитель и просвѣтитель.” 20b. таковаа завещавааше. 21. Въшьдь же въ многъıи бесѣдъı и ѹмь вели, не могъıи разѹмѣти гльбиньь, въ ѹнъıнїе велико въпаде. 22. стран’ же нѣкои бѣ тѹ, ꙋмѣе граматикїю и къ нѥмѹ шьдь молꙗше и, на ногꙋ ѥго падаѥ и въдаѥ се ѥмꙋ: 23. добрѣ: ”наѹчи ме хꙋдожьствꙋ граматичьскомꙋ.” 24. он’ же талан’ть свои погребь, рече къ нѥмꙋ: ”юноше, не трꙋждаи се, ѡтрекль се ѥсмь ѡтьнꙋдь никогоже не наѹчити семѹ въ моѥ дьнїи.” 25. пакъı же отрокь кланаѥ се ѥмѹ съ сльзами глаголаше: ”възми въсѹ мою честь ѡть домꙋ ѡтьца моего, ѥже ми достоить, а наѹчи ме.” 26. не хотѣвшꙋ же послѹшати ѥго, шьдь же въ домь свои въ молитвахь прѣбъıваше, да бъı ѡбрѣль желанїе срьдьца своего. 27 аггеле ] Die Syntax verlangt, dass hier ein Komma, aber kein Punkt folgt, weil III:18 alleine noch kein finites Verb aufweist. 27 тъı ] Die metrische Rekonstruktion erfordert die Ergänzung einer einsilbigen Partikel, etwa бо ”denn’. 28 серафїимь ] Bei Grivec/Tomšič (1960) 97 fehlt als drucktechnisches Versehen ein Buchstabe; ”ï” wird mit der digitalen Ausgabe Lindstedt (1986) eingefügt. 28 въселѥн’нꙋю ] Für die metrische Silbenfüllung ist sinnentsprechendes вьсь миръ ”die ganze Welt” zu substituieren. 29 казанїемь ] Ф: сказанїе(м), 5: ѹченїемъ 2: сказанїемь 1: наказанїемъ 29 припадающа ] Die metrische Füllung suggeriert den kürzeren Nom beim PPraesAkt припадаѭщь. Die dadurch aufgehobene Kasuskongruenz mit Akk мене erzwingt zusätzlich, den Satz als Einschub zu behandeln, daher Komma nach мене und вѣрою. 29 тебѣ ] Ф. тобѣ 29–30 любовию и вѣрою ] Ф: вѣрою и любовїю 30 ѹчитель и просвѣтитель ] Ф: просвѣтит͡е(л) и ѹч͡тель; auch Mineva/Polemis (2015) stellen die Nomina um. 30 таковаа ] Ф: и таковъ, 4 für таковаа завещавааше: и тако хвалѧше бога 30–31 завещавааше ] Ф: възвѣщаше, 10: възвѣщаше/ возвѣщаше 32 ѹмь ] ѹмь [nicht mit ъ] in allen Hss, Graezismus für διάνοια, eher ”Denkart” als nur ”Geist, Sinn”, vgl. auch IV:10. 32 вели ] Ф: велїи 32 гльбиньь ] Ф: глꙋбины словꙋ, MMFH, 2: 64): глѹбины; die Lesarten zeigen ein nominales Objekt wie das auch übertragen gebrauchte gr. βάθος ’Tiefe’ im AkkPl (’konnte die Tiefen nicht verstehen’), was in der serbischen Orthographie von CH als GenNeg in der verallgemeinerter Endung des GenPl auf /-ā/ < глѹбина erscheint. Störend ist das Fehlen der üblichen adnominalen Bestimmung - die jedoch Ф zeigt. Dann würde sg слово wohl gr. λόγοϛ übersetzen im Sinne des Redegegenstandes (Bauer, 1988, 969) als ’verstand nicht die Tiefen der Lehre’. 33 въ ѹнъıнїе велико въпаде ] Ф: въ ученїе [sic: у-], 9: въ ѹченїе велие впаде 1: въ ѹнынїе велико въниде 1: во ѹчение велико вшедъ 33 стран’ ] Ф: стране(н) 33 нѣкои ] 11: етеръ 3: нѣкто 1: нѣкыи 33 бѣ тѹ ] Ф: бѣ тꙋ етеръ 33 ꙋмѣе ] Ф: ѹмѣѧ, 4: имѣѧ 33 граматикїю ] Ф: философию 33 и ] Ф: om. 34 молꙗше ] Ф: молѧше(с) 34 и ] Ф: om. 34 падаѥ и въдаѥ се ѥмꙋ ] Ф: па(д) молѧ его гл͡ѧ 34 добрѣ ] Ф: добродѣтели, 9: добрѣ дѣи 1: добрѣ дѣѧ 1: добродетеле; es handelt sich um einen Vokativ bzw. Gräzismus, vgl. S. 43. 35 ме ] Kurzform des PersPron Akk.Sg.mask. мѧ; vgl. S. 38. 35 хꙋдожьствꙋ граматичьскомꙋ ] Ф: мд͡рсти и хитрости граматикѣискои, 6: хитрости грамотичьстїи 1: премꙋдрости и хитрости грамотическои 36 юноше ] 15: отроче 37 семѹ ] Ф: om. 37–38 кланаѥ се ѥмѹ съ сльзами ] F: съ сле зами кланѧше(с) емꙋ 39 ме ] Ф: мѧ 39 не хотѣвшꙋ же послѹшати ѥго ] Unvollständiger DatAbs. 39–40 въ домь свои ] 10: домовъ 1: домови 40 ѡбрѣль ] Gräzismus; vgl. Kommentar zu XIV:10.
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27. въскорѣ же богъ сътворїи волю боѥщихь се ѥго. 28 отъ красотѣ бо ѥго и мѹдрости и прилежнѣмь ѹченїи, ѥже бѣ растворено въ нѥмь, слышавь царевь строитель, иже нарицаеть се логофеть, посла по нь, да се бы съ царемь ѹчиль. 29. отрокь же ѹслышавь се радостию пѹти се ѥть и на пѹти поклон’ се молитвꙋ сътворїи, глаголѥ: 30. ”боже ѡтьць нашихь и господи милости, и ꙗже сътвориль еси въсакаа словомь и прѣмѹдростию своею, съзьдавь чловѣка, да владеть тобою сътвореными тварьми даждь ми сѹщꙋю въскраи твоихь прѣстоль прѣмѹдрости, да разꙋмѣю, что ѥсть ѹгодно тебѣ, и съпасꙋ се. 31. аз’ бо ѥсмь рабь твои и сынь рабы твоеѥ.” 32. и къ семꙋ прочеѥ соломоню молитвꙋ изьглаголавь и въставь рече ”аминь”.
41 въскорѣ ] 5: om 27 und den ersten Teil von 28 bis въ нѥмь. 41 отъ красотѣ ] 17 (alle Hss außer 2): о красотѣ 2: о разѹмѣ; weil die Präposition auch vor прилежнѣмь wiederholt werden muss, kann es ursprünglich nur ’o’ = ’über’ gewesen sein. 42 прилежнѣмь ] Aksl прилежьнъ als ursprüngliches PPP steht häufig für gr ἐκτενήϛ ”angespannt, anhaltend” (CVB, 505), aber an dieser Stelle ist eine Lehnübersetzung von zeitgenössisch bezeugtem ἐπί-κειμαι ”ob-liegen” (Bauer, 1988, 597) nicht auszuschließen. 42 растворено ] Gräzismus für κατα-ποιεῖν ’ein-gestalten’? Das Verb ist schwach bezeugt, aber nachweisbar, etwa in der apokryphen Narratio de Christi apprehensione et morte (Birch, 1804, 189). Zumindest wollen die aksl gesicherten Bedeutungen (CVB, 577) für растворити ’vermischen’ oder ’umgestalten’ (μετα-ποιεῖν) nicht recht passen. 43 царевь ] Zur Orthographie des Lexems siehe S. 44. 43 по нь ] 2: за нѥго 45 сътворїи ] Aksl. сътворити (SJS, 345-351), CVB, 670-672)) deckt ein semantisches Spektrum von ’neu erschaffen’ bis ’vollziehen, ausrichten’ ab, wie gr. ἐπιτελεῑν mit der Grundbedeutung ’ins Werk setzen’ (Bauer, 1988, 612). 46 милости ] 1: милостиве 46 ꙗже ] Wohl verdorben aus иже 46 прѣмѹдростию ] 17: прѣмѹдрость 48 твоихь прѣстоль ] Plural ohne Lesarten, wichtig zur Identifizierung der Stelle. 48 разꙋмѣю ] 14: разѹмѣвъ 48 ѹгодно ] 5: ѹдобно 2: волꙗ твоꙗ; Sap 9:10 καὶ γνω̄ τί εὐάρεστόν ἐστιν παρὰ σοί. Die Lesarte ’was dein Wille ist’ hat auch im biblischen Kontext bei 3Kön 3:9 keinen Rückhalt. 49 рабы ] 10: рабынѧ 1: рабьни 1: рабьны 49–50 прочеѥ ] 9: прочюю 1: прочию 50 молитвꙋ ] 5: прѣмѹдрость 1: мꙋдрость
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III 1. Im Alter von sieben Jahren sah der Junge einen Traum und erzählte ihn Vater und Mutter und sprach etwa so: 2. Der Stratege versammelte alle Mädchen unserer Stadt und sprach zu mir: ’Wähle Dir von ihnen welche immer Du willst, als Gefährtin zur Hilfe und als Dir Vermählte’. 3. ”Ich aber, nachdem ich alle angesehen und betrachtet hatte, sah eine, schöner als alle, von Antlitz glänzend und sehr geschmückt
1 sieben ] Nach der Lebensalterlehre, wie sie etwa Isidor vorträgt, dauert die Kindheit (infantia) bis zum siebten Lebensjahr; im Gegensatz zu dieser besitzt die Jugend (pueritia) bis zum 14. Lebensjahr Sprech- und Erinnerungsfähigkeit, als deren Verdoppelung bringt die bis zum achtundzwanzigsten Lebensjahre dauernde adolescentia noch die Zeugungsfähigkeit mit sich (Goetz, 2018, 253f.), vgl. (Atkinson, 2010, 40) bzw. Thorndike (1940). In der Westkirche hat sich so die ab dem siebten, am besten im siebten Lebensjahr zu tätigende Bekräftigung des Taufversprechens als eigene Institution der ”Firmung” herausgebildet. Die Wichtigkeit der Firmung bezeugt etwa die ’in den Jahrzehnten nach 900’ entstandene Vita der hl. Bilhildis (27.11.), wo der Heiligen noch auf dem Totenbett die Firmung (mysterium regenerandi) erteilt wurde (Weidemann, 1994, 73, 69). Aber auch in der Ostkirche ist das siebte Lebensjahr markiert: ’Today, dear God, I am seven years old, and must play no more. / Here is my top, my hoop, my ball: keep them all, my Lord’ sagt ein Gedicht der Anthologia graeca (zitiert nach Goldberg/ Riddy (2004, 23)). Kyrills Traum von der Taufmetapher ’Heirat mit Christus’ (Daiber, 2021e, 49f.) kann römischen Lesern die rechtmäßige Taufe Kyrills - nämlich inklusive Firmung - vorführen, was passen würde zu der These, dass der Verfasser von VC Method war, der die Vita seines Bruders während der Inhaftierung auf der Reichenau als Teil einer Apologie verfasste; vgl. S. 94. Die Taufmetapher muss aber nicht als ’Firmungsäquivalent’, sondern kann einfach als Entscheidung verstanden werden, sich am Ende der Kindheit zu einer geistlichen Laufbahn berufen zu fühlen. 1 Traum ] Rufinus (1910, 3f.), der lat. Übersetzer der Werke des hl. Gregor von Nazianz - siehe III:17 - berichtet von diesem, er habe im Traume sich lesend zwischen zwei geschmückten Damen sitzend gefunden, die, seine Schamhaftigkeit bemerkend, umso vertraulicher an ihn heranrückten und sich als seine Gefährtinnen, nämlich Weisheit und Keuschheit, zu erkennen gaben, die nun in seinem Herzen wohnen würden; die Bezüge zu Gregor betont Grivec (1935a), speziell zur Sophien-Vermählung Grivec (1935c). 2 und sprach etwa so ] wrtl. ’und Vater und Mutter erzählend sprach er’; die Verdoppelung zweier verba dicendi, wobei das erste als Partizip den Sprechakt (’erzählen’) bezeichnet, das zweite als finites Verb die berichtete Rede einleitet (’sprach’), ist aus dem Bibelgriechischen, etwa Apg 19: 15 ’antwortend … sprach er’, gut bekannt; siehe dazu schon Gildersleeve (1888, bes. 144 zum Unterschied Synoptiker vs. Johannes). Der Zusatz ’etwa so’ soll andeuten, dass hier eine Quotativkonstruktion [hoti/ jako recitaticum] vorliegt. 2 Stratege ] Die Vita des Philaretos, des ’Barmherzigen’ erzählt von einer Brautschau am byz. Hof, wodurch sich der Kaiser in einem überregionalen Konkurs eine Gemahlin wählte (Rydén, 2004, 50).
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mit goldenen Bändern und einer Perle und vollständiger Schönheit, welche den Name Sophia, d.h. Weisheit, trug. Die wählte ich.” 4. Diese Worte gehört habend sprachen seine Eltern zu ihm: 5. ”Sohn, bewahre das Gesetz Deines Vaters und verwirf die Ermahnungen Deiner Mutter nicht. 6. Eine Leuchte nämlich ist das Gebot des Gesetzes und ein Licht. 7. Sprich zur Weisheit: Sei mir eine Schwester, und mache Dir die Einsicht zur Vertrauten. 8. Denn die Weisheit leuchtet mehr als die Sonne, und wenn Du sie bei Dir führst, um diese als Gefährtin zu haben, so wirst Du durch sie von vielem Übel befreit werden.” 9. Als die beiden ihn zum Unterricht gaben, übertraf er schnell alle Schüler im Um-
6 Perle ] CH bewahrt die richtige, nämlich singularische Lesart, denn mit der ’Perle’ ist Christus gemeint, der als Inkarnation der ’Weisheit’ (Sophia) auf dem Schoß seiner Mutter gehalten wird. Zur Theologie von ’Christus als der Perle’ und zur Ikonographie der daraus resultierenden Mariendarstellungen siehe Daiber (2019b, 43-47). Übrigens passt die hier beschriebene Maria mit den ’goldenen Bändern’ (und nicht, wie üblich, mit Sternen auf dem Maphorion) gut zu der ’Sophia’ in der Sophienkathedrale von Saloniki. Die byzantinische Frauentracht unterscheidet sich von der fränkisch-westlichen durch den hohen Perlenbesatz (Schulze, 1976), was aber die pluralischen Lesarten nicht rechtfertigt. Sachlich, nämlich christologisch, kann es sich nur singularisch um eine einzige Perle handeln. Die historisch verbürgten byzantinischen Brautschauen (s. S. 67) fanden in einem ’Perle’ genannten Raum des Kaiserpalastes statt. Man kann an die kaiserliche Brautschau als Vorlage für die ’Sophienepisode’ von VC denken, man sollte aber auch beachten, dass wie schon bei Gregor von Nazianz überhaupt kein historisches Ereignis eine Rolle spielen muss, weil die ’Vermählung mit der Weisheit’ bereits das gesamte 8. Kapitel der Sapientia Salomonis (siehe gleich) thematisch leitet. Interessant ist, dass VC die Gottesmutter mit dem in ihr inkarnierten logos insgesamt als ’Weisheit’ anspricht, so dass also die im 9. Jh. noch klare theologische Differenz zwischen der Gottesmutter und der Perle in ihrem Schoß bereits in die Allegorie der ’Weisheit’ hinüberspielt (die ikonographisch später erscheinende Frauenfigur der ’Weisheit’ hat hier keine Bedeutung). Auch die beginnende Allegorisierung könnte aus der ’Weisheit Salomonis’ (gleich III:30-31) stammen, wo die Weisheit natürlich nicht christologisch, sondern allegorisch auftritt. III:3 ist jedenfalls der einzige Hinweis auf eine Mariologie in VC (siehe auch IX:16). 7 Sophia ] Die Sophia, d.h. die ”Weisheit Gottes” und d.h. wiederum Jesus Christus, nicht etwa der byz. Kaiser, ist der ”Vater und Erzieher”, den Leon II:7 voraussieht. 7–8 sprachen seine Eltern zu ihm ] Die folgenden Zitate III:5-8 gehören zum Großteil zur Perikope aus dem Prophetologion für die Vesper am Freitag der 2. Fastenwoche (Höeg/Zuntz, 1939-1970, 190 = L14c). Die Zitate aus dem in Antike und MA hochgeschätzten, nicht überall kanonisch erachteten und sprachlich schwierigen Buch Sapientia Salomonis folgen der Übersetzung von Niebuhr (2015); zum gr. Wortschatz der Sapientia siehe auch Hübner (1985). 8 Sohn ] Spr 6:20 9 Eine Leuchte ] Spr 6:23 10 Sprich zur Weisheit ] Spr 7:4 11 Sonne ] Sap 7:29 ”Sie ist ja schöner als die Sonne”. 12 führst ] Sap 8:9 ”Daher habe ich beschlossen, sie zu einem gemeinsamen Leben heimzuführen, im Wissen, dass sie mir sein wird eine Ratgeberin zu guten Dingen und eine Ermutigerin in Sorgen und Trauer”. 13 Übel ] Sap 10:9 ”Die Weisheit aber rettete die, die ihr dienten, aus ihren Nöten”.
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gang mit Büchern durch sein überaus schnelles Gedächtnis, dass es wirklich zum Verwundern war. 10. An einem der Tage, wie es für die reichen Kinder eine Gewohnheit war, sich durch die Jagd eine Vergnügung zu machen, ging er mit ihnen auf das Feld, seinen Falken mit sich führend; als er ihn loslies, nahm ihn ein Wind, sich eingefunden habend auf Veranlassung Gottes, und trug ihn fort. 11. Der Knabe fiel davon in Schwermut und Trauer, zwei Tage aß er nichts. 12. Der gnädige Gott nämlich aufgrund seiner Menschenliebe gestattete ihm nicht, sich an weltliche Dinge zu gewöhnen, und fing ihn
15 Gedächtnis ] Beachte, dass Schulunterricht im Mittelalter wesentlich in Auswendiglernen bestand, wofür alleine schon der Mangel an Büchern verantwortlich war. 15–16 wirklich zum Verwundern ] Siehe Komm. zum Aksl., die Übersetzung versucht, die Emphase des Satzbaues mit ’wirklich’ nachzuahmen. - Zum Konzept ’Wunder’ siehe christlich III:10 und islamisch VI:15. 18 Falken ] Mir sind nur Texte ab dem hohen Mittelalter bekannt, die den Falken platonisch-christlich (’Aufstieg einer geflügelten Seele’ usw.) ausdeuten (vgl. Mahan (2019)), während im Talmud (vgl. ”Eines Tags ging er auf die Falkenjagd, und der Satan erschien ihm in Gestalt eines Hirsches” usw., (Goldschmidt, 1903, 409)) diese Tiere offenbar nicht metaphorisch verstanden werden. - Falkenjagd wurde in Westeuropa von den Germanen ab dem 5. Jh. eingeführt, im Gegensatz zur Hundejagd war die Jagd mit Vögeln auch besonders bei Frauen beliebt (Smets/Abeele, 2007, 59-61). Lindner (1973, 110f.) zeigt, dass ”die Falkenjagd kein Element der griechisch-römischen Kultur war und in deren Bereich niemals geübt wurde”, sie fand bei den ”Mittelmeervölkern erst im Zuge des großen politischen Umbruchs im fünften nachchristlichen Jahrhundert Eingang”, allerdings haben diese ”von ihrer Existenz im Osten frühzeitig gewußt” (ebd. 117); der erste gr. literarische Beleg für die in Byzanz ausgeübte Beizjagd stammt aus der Schule von Gaza im 6. Jh. (ebd. 149). Die ”Gewohnheit” der Beizjagd ist deshalb eine der ”reichen Kinder”, weil im Gegensatz zum Vogelfang mit der Leimrute der Jagdvogel oft die Beute (ganz) behalten darf, so dass es sich tatsächlich um ”Vergnügen”, nicht um Nahrungsgewinnung handelt. 19 Wind ] Falkenjagd hatte immer zu rechnen mit ”the inclination of the bird to soar and not return” (Salisbury, 1994, 54), aber natürlich geht es nicht um Wind, sondern um den jugendlichen Kyrill und Eph 4:14, dass wir ’als Kinder … herumgetragen werden von jedem Wind des Unterrichts’ (νήπιοι … περιφερόμενοι παντὶ ἀνέμῳ τῆς διδασκαλίας), wodurch ’Wind’ (ἄνεμοϛ) sich mit Jh 3:8 (πνεῦμα) in ’Hl. Geist’ übersetzt. Die Episode berichtet also ein von Gott ausgehendes (s.a. III:12) Bekehrungserlebnis. Mit Ausnahme von XII: 23-24 werden in VC ansonsten spektakulärere Ereignisse in VC nicht als Eingriff Gottes berichtet, sondern ereignen sich jeweils nach vorgehendem Gebet Kyrills (VIII:12, VIII:15, XIV:13) um Beistand durch den Hl Geist (speziell in XII:4, vgl. so schon Daiber (2021d, 122f.)).
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[Konstantin] leichthin ein. 13. Wie er einst Plakidas auf der Jagd durch einen Hirsch einfing, so diesen durch einen Falken. 14. In sich die Oberflächlichkeit dieses Lebens bedacht habend, bereute er und sprach: 15. ”Ist so also dieses Leben beschaffen, dass an Stelle von Freude Trauer zu sein pflegt? 16. Von diesem Tage an schlage ich einen anderen Weg ein, denn in der Unbeständigkeit dieses Lebens werde ich meine Tage nicht vertun.” 17. Und sich das zu Herzen nehmend setzte er sich in seinem Hause nieder und lernte
23 Plakidas ] Plakidas bzw. lat. Placida bzw. nach seiner Bekehrung Eustachius ist ein Heiliger, dessen Lebensgeschichte ins beginnende 2. Jh. der Regierungszeit des Kaisers Trajan zu setzen ist. Die Vita des Placida wurde ab dem 8. Jh. wegen ihres romanhaft-abenteuerlichen Inhaltes sehr populär und diente als an den biblischen Hiob erinnerndes ”exemplum politico-moral” (Boureau, 1982, 686) in der Westkirche geradezu als karolingischer Gründungsmythos. Insofern kann Anspielung an die Vita des Placida in VC ein Rezeptionssignal für westliche Leser sein. In der sich zur Staatlichkeit formierenden Kiever Rus’ steht übrigens der Kult um die ersten nationalen Heiligen Boris und Gleb ebenfalls mit der Vita des Placida in Berührung (Gladkova (2015), Temčin (2016)). Placida wird durch die Erscheinung eines Hirschen mit einem Kreuz ihm Geweih vom Gnostiker, denen - vor allem auch in der Variante als balkanische Bogumilen (Bihalji-Merin/Benac (1964), Mužić (2009)) - der Hirsch anstelle des Kreuzes als Erkennungssymbol diente, zum Christentum bekehrt. Im 9. Jh. bezieht sich das Motiv des Hirschen auch auf Adel und Herrschaft. Die Vita des hl. Mainulfus (Honselmann, 1973), deren älteste Fassung von Sigeward aus dem 11. Jh. auf Materialien von 895 beruht (Käuper, 2001, 143), erzählt, wie der Heilige eine ”copiosam cervarum multitudinem” (Carnandet, 1868a, 211) gesehen habe, die ihm den Platz einer Klostergründung anzeigte. Die nachfolgenden Einlassungen zeigen, dass sich die, was besonders betont wird, weibliche Rehherde [Kirche/ Seele als Braut Christi] dem adligen Klostergründer als zu weidende Gläubige darbieten. Die Assoziation von Adel und ’hoher Jagd’ liegt auch in VC mit dem Bezug auf die ”reichen Kinder” nahe. 24 Oberflächlichkeit ] Zur Jagdmetapher (’Netz’) und zur Nichtigkeit des Lebens s. a. XVIII:12. 29 in seinem Hause ] Da der ältere Bruder Method bereits Dienst tut in einem vorzüglich von Slaven bewohnten byzantinischen Verwaltungsgebiet (Tachiaos, 1971, 46-57), ist Konstantin nach dem Tode des Vaters der reguläre männliche Hausverweser entsprechend den Erbverhältnissen der Zeit, vgl. Daiber (2017b, 211f.). Aufgrund der Erwähnung eines ”Leon” in Zusammenhang mit der Demetrios-Kirche in Saloniki bestimmt Bonis (1968) bzw. Bonis (1969) das konkrete Haus der Brüder in Saloniki.
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mit Hilfe der Bücher von den Lippen des heiligen Gregor des Theologen und befestigte das Zeichen des Kreuzes an der Wand und verfasste folgenden Lobvers auf den heiligen Gregor: 18. ”O Gregor, du Mensch dem Leibe, du Engel der Seele nach. 19. Du, dem Leibe nach ein Mensch seiend, erschienest ein Engel, deine Lippen nämlich rühmen Gott wie einer der Seraphime und erleuchten durch die ermahnende Belehrung des wahren Glaubens. 20. Darum nimm auch mich, der zu Deinen Füßen fällt, mit Liebe und Glauben an und werde mir Lehrer und Erleuchter.” Solches pflegte er zu versichern. 21. Nachdem er zu vielen Reden und einer großen Denkart gekommen war, nicht imstande, die Tiefen [der Lehre] einzusehen, fiel er in eine große Schwermut. 22. Ein Fremder nun war dort, Grammatiklehrer zu sein fähig, und, wie er zu ihm gegangen war, bat er ihn, indem er ihm zu Füßen fiel und sich ihm überantwortete: 23. ”Guter,
30 mit Hilfe der Bücher ] Alle Übersetzungen behaupten, Kyrill hätte die Werke des Gregor ’auswendig’ gelernt, was alleine schon an der sprachlichen Konstruktion des aksl. Text scheitert, die man sich aber inhaltlich nicht erklären konnte. - Es geht um die antike Auffassung, dass die Schrift die gespeicherte stumme Rede eines Autors ist, die der Leser, indem er der Schrift die eigene Stimme beim Vorlesen leiht, zum Leben erweckt, als ob der Autor der Schrift selbst sprechen würde. Daher lernt Kyrill ’von den Lippen’ Gregors, denen er seine Stimme beim Lesen ’der Bücher’ leiht; ausführlich siehe Daiber (2016b). Zum Verhältnis von (auswendig gelernter) Schrift und Anwesenheit ihres Autors vgl. auch in der Vita des Hilarion von Hieronymus (PL, 23: 33): ”Scripturas quoque sanctas memoriter tenens, post orationes et psalmos quasi Deo praesente recitabat.” = ”Die heiligen Schriften auch im Gedächtnis bewahrend, sagte er sie nach den Gebeten und Psalmen auf, als ob Gott selbst anwesend sei”, was nicht heißen soll, als ob Hilarion das Evangelium einem anwesenden Gott rezitiert, sondern umgekehrt: durch das Rezitieren wird die Stimme des hl. Geistes, welche im Speicher der Evangelienschrift bzw. des Gedächtnisses bewahrt ist, wieder hörbar - als ob sie selbst anwesend spräche. Das mediale Geflecht ’Schrift - Stimme - Anwesenheit des Autors’ geht zurück bis zu Platons Phaidros (St 228), wo der Besitz einer Schriftrolle die Anwesenheit ihres Autors bedeutet (Platon, 1988, 31). Vgl. XIV:14. 30 Gregor ] Über die geistige Verwandtschaft Kyrills mit Gregor vgl. Brodňanská (2014); die beständige Verehrung Gregors als geistiges Vorbild wird in XVIII:5 nochmals deutlich. 32 Engel ] Lukoviny (2008a) versammelt einige Väterzitate zum Verhältnis von Mensch und Engel, einem in der Hagiographie oft angesprochenen Thema. 39 der Lehre ] Die genetivische Bestimmung zu ’Tiefen’ ist (mir) nur aus Φ bekannt. 40 Fremder ] Es handelt sich wohl um einen Wandermönch, eine im 8. und 9. Jh. im Karolingerreich heftig gerügte Lebensweise von Mönchen, wobei Gillis (2021, 131f.) bemerkt, dass die Wanderlehrer in Saloniki der zeitgenössischen Exegese von 2Thess 3:10-11 bekannt sind. Kyrills Erfahrung ist sozusagen biblisch vorgebildet und, das ist der wichtige Punkt, deutet auf einen westlichen, d.h. lateinkundigen Mönch. Den Wandermönch mit Gregorios Dekapolites (s. S. 71) zu identifizieren ist aufgrund der negativen Darstellung dieser Lebensweise in VC nicht möglich. 40 Grammatiklehrer ] Die übliche Übersetzung lautet ”der die Grammatik beherrschte” (Bujnoch, 1972, 58), was linguistisch vertretbar ist; die hier angegebene Übersetzung begründet Daiber (2022).
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lehre mich die Kunst der Grammatik.” 24. Der aber, sein Talent begraben habend, sprach zu ihm: ”Jüngling, gib Dir keine Mühe. Ich habe ganz und gar entsagt, jemanden hierin in meinen Tagen zu unterrichten.” 25. Wiederum aber sich vor ihm verneigend sprach der Jüngling unter Tränen: ”Nimm meinen ganzen Teil am Haus meines Vaters, der mir zusteht, aber lehre mich.” 26. Als jener aber ihn nicht erhören wollte, ging er in sein Haus und verharrte in Gebeten, dass er den Wunsch seines Herzens erlange. 27. Schnell pflegt Gott den Willen der ihn Fürchtenden Gestalt werden zu lassen. 28. Als nämlich der kaiserliche Erzieher, der Logothet heißt, von seiner Schönheit und Klugheit und dem anhaltendem Studium, welches in ihm angelegt war, gehört hatte, schickte er nach ihm, damit er mit dem Kaiser lerne. 29. Der Jüngling aber machte sich, als er dies gehört hatte, mit Freude auf den Weg und verrichtete, nachdem er sich 42 Talent begraben ] Mt 25:18; der Bezug auf das nt Gleichnis taucht in den aruss. Grammatiktraktaten des 16. Jhs. häufig auf; ’Talent’ steht dabei für die vom Hl. Geist verliehene Gabe des (richtigen grammatischen) Verständnisses der hl. Schriften, welches derjenige, der es ’vergräbt’, egoistisch und falsch nur für sich besitzen will; vgl. Zitate in Zapol’skaja (2013, 26). - Dass Kyrill in einer bedeutenden Stadt wie Saloniki keinen höheren Unterricht finden kann, ist historisch nachvollziehbar: ”Die breite Palette der Ausbildungsmöglichkeiten in der Spätantike (etwa Alexandreia, Antiocheia, Gaza, Athen und Konstantinopel) verengte sich seit dem 7. Jh. auf die Hauptstadt allein, obwohl auch in der Provinz vereinzelt Stätten höherer Studien anzutreffen waren. Wer wirklich Karriere machen wollte, musste sich jedoch in die Hauptstadt begeben” (Schreiner, 2011, 113). - Es geht in VC aber vielleicht nicht um höheren Unterricht im Allgemeinen, sondern speziell um Unterricht im Lateinischen. Kyrill liest Gregor vielleicht gar nicht im gr. Original, sondern hat nur die Übersetzung von neun Reden Gregors durch Rufinus von Aquileja (um 400, Rufinus (1910)) zur Hand. Nun können sich zwar manchmal Armeeangehörige im Saloniki des 7. Jhs. noch lateinisch unterhalten (Oikonomidès, 1999, 12), aber zu Kyrills Zeiten ist Kenntnis des Lateinischen außergewöhnlich, ja war schon ”in Byzanz seit dem 6. Jh. sicher sehr rar” (Dostálová, 1985, 195). Zu Lateinproblemen siehe nochmals XV:10-11. 45 Teil ] Entspricht dem damaligen Erbrecht; vgl. Daiber (2017b). 48 erlange ] Die Übersetzungen wie ”aby sa mu vyplnilo želanie jeho srdca” (Škoviera, 2013, 15) reagieren darauf, dass die eigentliche Bedeutung des aksl. Verbes, nämlich ’finden’, hier nicht passt. Den Wunsch muß Kyrill nicht mehr suchen, sondern vielmehr dessen Erfüllung. Das entsprechende gr. Verb bedeutet aber sowohl ’suchen’, wie ’erlangen’; vgl. Komm. zum Aksl. 50 kaiserliche ] Der übliche Titel für den Herrscher von Byzanz, ins Slav. aus dem Gr. übernommen, weil ”das lateinische caesar (= tsesar) und das griechische καῖσαρ (= k’esar) im VI. Jh. n. Chr. sehr ähnlich gelautet haben mochten” (Moravcsik, 1963, 230). 50 Erzieher ] Dasselbe aksl. Wort строитель wie II:7 50 Logothet ] Logothet ist der Titel verschiedener ministerieller Bereiche in der byz. Verwaltung; hier handelt es sich um das Amt des Prinzenerziehers. Gemeint ist Theoktistos, der von Kaiser Theophilos 842 zum Logotheten und Erzieher seines Sohnes Michael III. erhoben worden war und unter Theodora II., welche die Regentschaft für ihren unmündigen Sohn Michael III. ausübte, zum Mitregenten und Patrikios (siehe V:4) ernannt wurde. Theoktistos war ein Eunuch, weshalb er auch nur eine ’geistige Tochter’ (IV:13), also eine Adoptivtocher Kyrill zur Ehe anbieten kann. 50 Schönheit ] Schönheit ist zu verstehen im platonischen Sinne als Teilhabe an der Vernunft. 51 gehört hatte ] Dem Logotheten konnte etwa Leo d. Mathematiker, der bis 843 Bischof von Thessaloniki war, von Konstantin-Kyrill erzählt haben (s. a. 74), wie denn auch Leo dann Konstantins Lehrer in Konstantinopel werden wird (IV:2).
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auf dem Wege niedergebeugt hatte, ein Gebet, indem er sprach: 30. ”Gott unserer Väter und Herr des Erbarmens, der Du alles durch Dein Wort und durch Deine Weisheit erschaffen hast, erschaffen auch den Menschen, daß er über die von Dir erschaffenen Geschöpfe herrsche, verleihe mir die um Deine Throne seiende Weisheit, damit ich einsehe, was Dir wohlgefällig ist, und gerettet werde. 31. Ich nämlich bin Dein Diener und Sohn Deiner Dienerin.” 32. Und als er zu diesem das übrige Salomonische Gebet ausgesprochen und sich aufgerichtet hatte, sprach er ”Amen”.
54–55 Väter und Herr des Erbarmens ] eindeutig Sap 9:1 55 Wort ] Wie Joh 1:1, aber ebenso auch Sap 9:1 55 Weisheit ] vgl. Jesus als Weisheit Gottes schon III:3; zum Bezug von Weisheit und Sohn siehe Augustinus PL, 40: 15), der Bezug von Sohn und Erschaffung der Welt ist über Genesis herzustellen, wie dann auch Sap 9:9 geschieht, der Bezug von Weisheit und Mensch, wie ihn VC betont, liegt ebenfalls in Genesis (’Ebenbild’). 57 Deine Throne ] Plural wie Sap 9:4 58–59 Dein Diener und Sohn Deiner Dienerin ] ego servus tuus sum et filius ancillae tuae: Ps 115: 7. Augustinus zitiert in seinen ’Bekenntnissen’ (Augustinus, 1982, 60) diese Worte als Mahnung, auf elterliche Anweisung zu achten; der Kontext der Augustinusstelle ist mit VC - Loslösung vom Elternhaus - vergleichbar. Vgl. zur ganzen Stelle die Auszüge aus Sap 9: 1-10 ”Gott der Väter und Herr des Erbarmens, der du das All durch dein Wort geschaffen hast (9:1) und mit deiner Weisheit den Menschen ausgestattet hast, damit er Herr sei über die durch dich entstandenen Geschöpfe (9:2), gib mir die neben dir auf deinen Thronen sitzende Weisheit (9:4), damit (…) ich erkenne, was wohlgefällig ist bei dir (9:10) Denn ich bin dein Knecht und der Sohn deiner Magd (9:5) (Niebuhr, 2015, 67). 59 übrige ] Angesichts der Tatsache, dass sich die Phraseme in III:30-31 eindeutig aus Sap 9:1-10 herleiten, fragt sich, was der Rest des Salomonischen Gebetes eigentlich noch sei. 59–60 Salomonische Gebet ] Üblicherweise wird als ’salomonisch’ das Gebet aus 3(1)Kön 3: 9 bezeichnet: ”dabis ergo servo tuo cor docile ut iudicare possit populum tuum et discernere inter malum et bonum”. Für VC stimmt dieser Quellennachweis nicht, es wird eindeutig Sap zitiert.
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IV 1. Егда же прїиде къ Цариградꙋ, въдаше ѥго ѹчителѥмь, да се ѹчить, и въ три мѣсеци навыкь граматикїю и прочаа се ѥть ѹченїа. 2. и наѹчи же се Ѡмирꙋ и геѡмитрїи ı ѹ Льва и ѹ Фотѣ диаѯицѣ и въсѣмь философиискымь ѹченїемь къ сим’ же и риторикїи и арифьмитикїи и астрономїи и мѹсикїи и въсѣмь прочїимь елин’скымь хѹдожьствомь. 3. тако же и навыче въса, ꙗкоже би ѥдино ѡть нихь навыкнꙋти. 4. скорость бо се съ прилежанїемь слѹчїи, дрѹга дрꙋгѹ прѣспѣющи, им’же се ѹченїа и хѹдожьствомь съврьшаю. 5. болѥ же ѹченїа тихь ѡбразь на себѣ ꙗвлꙗѥ съ тѣми, съ нимиже бѣаше пользнѣе, ѹкланꙗѥ се ѡть ѹкланꙗющїихь се въ стрьп’ты како би въ земл’ныхь небесьнаа прѣмѣниль, излетѣти ис телесе сего и съ богомь жити. 6. ѹзрѣв’ же ѥго такова сѹщаа логофеть дасть ѥмꙋ власть надь своимь домомь и въ царевꙋ полатѹ съ дрьзновенїемь въходити. 7. и въпроси ѥго ѥдиною глаголѥ: ”философе, хотѣхь ѹвѣдѣти, что ѥсть философиа?” 8. он’ же скоромь ѹмомь рече абїе: ”божїимь и чловѣчьскымь вещемь разꙋмь, елико можеть чловѣкь приближити се боѕѣ, ꙗко же дѣтелию ѹчить чловѣка по 2 граматикїю ] 1: грамоте; grammatikija ’Grammatik’ auch III:23 2 и прочаа се ѥть ѹченїа ] 11: по прочаа 5: и прочимъ сѧ ꙗтъ ѹчениемъ 1: и прочїихь ѥть се ѹченїи 1: и прочаꙗ ꙋченїꙗ 1: во прочаꙗ всꙗ ꙋчениꙗ 3 геѡмитрїи ] 1: землимир’; der Terminus geometrija bzw. seine nur in der vatikanischen Hs (siehe Seite 11) befindliche Lehnübersetzung ’Landvermessung’ auch VI:14. Siehe bei ’Geometrie’ die Notation itazistischer Aussprache. 3 диаѯицѣ ] 10: диалексице 5: и диалексице 2: дїачицѣ; KO, 3: 91): діалеѯіцѣ 4 риторикїи ] Wie vorgegangenes geometrija bzw. das von filosofija abgeleitete Adjektiv filosofi-ijskij sind auch die folgenden gr. Termini alle DatSg eines mit Suffix -ija gebildeten Nomens: ritorikija (SJS, 639), arifmetikija (SJS, 51) (hapax legomenon), astronomija (SJS, 59) nur hier und VI:14, musikija in der Bedeutung ”Musik” hapax legomenon SJS, 237), in der Bedeutung ’Musiker’ von musikij mit GenSg musikiję ebenfalls einmal belegt (ebd. 236). Wichtig für die Erklärung grammatika/ grammatikija in VIII:10). 5 хѹдожьствомь ] 6: ѹченїемь 5–6 ꙗкоже би ѥдино ѡть нихь навыкнꙋти ] 14: ꙗкоже бы моглъ кто едино навыкнѹти отъ нихъ 1: ꙗкоже ни единъ отъ нихъ навыче 6 слѹчїи ] 14: съключи 7 ѹченїа и хѹдожьствомь ] 9: ѹченїа и хѹдожьства 5: ѹченїа и хитрости 2: ѹченїа 2: ѹченїа хѹдожьствомь 7 съврьшаю ] Alle anderen Hss: съвръшають 8 болѥ ] 2: вещьше 8 съ тѣми ] 15: съ тѣми бесѣдоваше 9 въ стрьп’ты ] 1: въ злобꙋ она тьчїю едина съматрае и дѣѥ; zum aksl. strъptь siehe Nedeljković (1963, 195f.). 9 како би ] 10: како бы земными небеснаа премѣньшѹ, 6: помышлѧшє како бы, 1: како бы въ мѣсто земльныхь небеснаа приобрѣль, 1: како бы и въ мѣсто земльныхь небеснаа приобрѣль. 10 прѣмѣниль ] Gräzismus; vgl. S. 16. 10 излетѣти ис телесе ] 2: изити отъ тѣлесе 11 сѹщаа ] Erwartet wird mit ѥго kongruierender GenSgmask, zur Schreibung mit -aa siehe S. 43. 11–12 надь своимь домомь ] 14: на своемь домѹ, 1: на своемꙋ домꙋ 12–13 ѥдиною ] 10: единого, 2: единого по сихь 13 хотѣхь ] Aorist zum Ausdruck des Irrealen. 14 скоромь ѹмомь ] 6: хытрымъ ѹмомъ 14 божїимь ] Dativ zur Vermeidung eines adnominalen Genetivs. Die Syntax ist verwickelt, wörtlich übersetzt (siehe zum Inhalt im dt. Kommentar) heißt der Satz: ’Verständnis den [= für die] göttlichen und menschlichen Angelegenheiten, wieviel sich der Mensch Gott nähern kann, weil der durch eine wirkende Energie den Menschen lehrt gemäß dem Muster und der Ähnlichkeit zu sein dem ihn erschaffen Habenden.’ 15 ꙗко ] für kausales ὁτι, Bauer (1988, 1193) 15 дѣтелию ] übersetzt gr. ἐνέργεια ’wirkende Tätigkeit’, Schlüsselbegriff der byz. Orthodoxie; vgl. etwa VI:24
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ѡбразꙋ и по подобию быти сътвор’шомѹ и.” 9. сего же паче възлюбїи и въпраша и ѡ семь толикь мѹжь великь и чьстьнь. 10. онь же сътворїи ѥмꙋ ѹченїе философьско, въ малѣхь словесехь великь ѹмь сказавь. 11. въ чистотѣ же прѣбываѥ, вел’ми ѹгаждаѥ богѹ, тол’ми паче любьзнѣи въсѣмь бываше. 12. и логофеть въсакѹ чьсть творе ѥмꙋ говѣинѹ, злато много даꙗше ѥмꙋ, он’ же не прїимаше. 13. ѥдиною рече ѥмѹ: ”твоꙗ красота и мѹдрость ѡтънѹдь излиха нѹдить ме любити те; то дьщере имамь дѹхов’нѹю, юже ѡть крьстила изехь, краснѹ и богатѹ и рода добра и велика; аще хощеши, подрꙋжїю сїю ти дамь; ѡть цара же нынꙗ велїю чьсть и кнежїе прїимь и бол’шꙋю чаи, въскорѣ бо стратигь бѹдеши.” 14. ѡтьвѣщав’ же ѥмѹ философь: ”дарь ѹбо великь трѣбѹющїимь ѥсть, а мнѣ бол’шеѥ ѹченїа нѣсть ничтоже ино, им’же разꙋмь събравь прѣдѣд’нѥе чьсти и богатьства хощꙋ искати.” 15. слышав’ же логофеть ѡтвѣть ѥго, шьдь къ царици рече: ”съ философь юныи не любить житїа сего; то не ѡтьпѹстимь ѥго ѡб’щины, нъ постриг’-
16 сего ] Omnes praeter 4: отъ сего; Gräzismus für παρά. 16 и ] 14: присно (его, и) въпраша(а)ше/ вопрошаше 17 семь ] Omnes: всѣмъ; vielmehr Gräzismus ähnlich wie VI:17. 17 великь ] 7: велїи, 5: вел҃ми, 1: величествию 18 великь ] 15: велїи 18 ѹмь ] 2: разѹмь; zugrunde liegt für ѹмь entweder gr. διάνοια wie in III:21 oder als Lehnbedeutung das semantisch breitere gr. νοῦϛ ”Verständnisvermögen, Gesinnung”, aber auch ”Ratschluss“. Der einflussreiche Grammatiker Georgios Choiroboskos bespricht im 9. Jh. die für Philosophen übliche Bedeutungsüberlappung von νοῦϛ und ἀιτία ’Grund, Ursache’ (Choiroboskos, 1842, 252 = 135b) und spezifiziert das Verständnisvermögen als Fähigkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen. Der Begriff разѹмъ erscheint dagegen in CH als Begriff der vollzogenen Anwendung des Erkenntnisvermögens, also der ’Einsicht’, während das den Erkenntnisvollzug beschreibende Verb разѹмѣти (vgl. XVI:25) das erkennend-unterscheidende Identifizieren ausrückt (wie gr. γινώσκειν; Bauer (1988, 321ff.)). Auch Dagurova (2019, 32) sieht in разѹмъ den vollzogenen Erkenntnisgebrauch und verweist anhand des Wortgebrauches in den Evangelienübersetzungen auf gr. σύνεσις als bedeutungsbestimmende lexikalische Vorlage. In VC IV:10 ist also sicher ѹмъ die primäre Lesart, denn in den ’kleinen Worten’ verbirgt sich analog ’große Bedeutung’, während ’große Einsicht’ schon eine übertragene Bedeutung wäre. 19 вел’ми ] 5: ельма 21 твоꙗ красота ] 2: твои разѹмь 22 ѡтънѹдь излиха ] Ein schwieriger Ausdruck, in allen Übersetzungen verschieden wiedergegeben. 23 юже ѡть крьстила ] 1: юже есмь кръстилъ, 1: отъ кръста 23 изехь ] Mit Entnasalierung: iz-jęti = ”heraus-nehmen”. 23 велика ] 9: велїа 24 подрꙋжїю сїю ] 4: подрѹжїе сїю, 1: в подрѹжие сїю, 1: в подрѹжие, 1: подрѹгѹю сию 24–25 кнежїе ] Omnes praeter 3: кнѧжение 25 прїимь ] 4: прїими, 3: прїимеши 25 бол’шꙋю ] 11: больша, 3: болшаꙗ, 1: болшего 26 великь ] 15: велїи 26 трѣбѹющїимь ] 13: add. его, 1: хотѧщимъ его 26 ѥсть ] 3: да бѹдеть 26 бол’шеѥ ] 10: болѣ, 4: бол҃ши, 1: боле҃ 27 ино ] 18: om. 27 прѣдѣд’нѥе ] 15: прадѣднѧа, 1: преди днꙗ 27 чьсти ] Möglicherweise für gr. δόξα, das im Gegensatz zum klassischen Gebrauch als ’Ruhm’, aber auch ’auf Meinung gegründeter Schein’ durch die Verwendung im NT auch das ’Ansehen’ im Lichte der Heiligkeit bedeuten kann (Bauer, 1988, 409f.). Jedenfalls muss ein Gegensatz zu der im vorigen Satz angebotenen weltlichen ”Ehre” bestehen. 29 къ царици ] 3: къ царю 30 юныи ] 13: ѹныи 30 то ] 2: да 30 ѡб’щины ] Omnes: отъ общины, 1: отъ насъ
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ше и на попов’ство ѡтьдадимь и и слѹж’бꙋ, да бѹдеть вивлотикарь ѹ патрїар’ха въ светѣи Софїи; негли понѣ тако ѥго ѹдрьжимь.” 16. еже и сътворише ѥмѹ. 17. мало же съ нимь въ семь побывь, на ѹскоѥ море въшьдь съкри се въ монастыри. 18. искаше же ѥго ѕ͡ мѣсець, ѥдва и ѡбрѣтоше. 19. не мог’ше же ѥго принѹдити въ тѹ слѹж’бѹ, ѹмолише и ѹчителныи столь прѣѥти и ѹчити филосѡфїи тозем’це и стран’ныѥ, съ вьсакою слѹж’бою и помощию. 20. по то се прїеть.
31 на попов’ство ] 1: во презвитери 31 ѡтьдадимь и и слѹж’бꙋ ] 15: въдадимъ емѹ слѹжьбѹ, 1: дадимъ его на слꙋжбꙋ. Man erwartet statt и слѹжбѹ präpositionale Konstruktionen wie на/ въ (III:19) слѹжбѹ. 31 вивлотикарь ] 2: книгчїи, 1: сосѹдохранилникъ 32 негли ] 13: некли, 2: еда 32 понѣ ] Zur Bedeutung siehe VI: 41. 33 въ семь ] 1: въ томъ чинꙋ 33 побывь ] 6: бывъ, 3: добывъ, 2: прѣбывь 33 ѹскоѥ море ] hapax legomenon für ’Meerenge’ (Bosporus) (SJS, 1013). 35 принѹдити въ тѹ слѹж’бѹ ] 6: ѹнѹдити на тоже слѹженїе, 5: ѹнѹдити на тѹ слѹжбѹ, 2: ѹнѹдити на тою слѹжбѹ, 1: ѹнѹдити на тꙋжде слѹжбѹ 35 столь ] 1: санъ; καθέδρα ’Stuhl, Sitz’ (Bauer, 1988, 788) ist in Kombination mit einem spezifizierenden Nomen oder Adjektiv in der Bedeutung ’Lehrstuhl’ üblich. 36 филосѡфїи ] 5: философиѧ; bei Grivec/ Tomšič (1960, 100) nur филосѡфи, verbessert nach MMFH, 2: 67) und Kantor/White (1976, 10), KO, 3: 64) (Faksimilia). 36 тозем’це ] 4: того зем҃ца, 3: тоземныѧ, 1: тои земли; своѧ земцѧ (MMFH, 2: 67). Der aksl. Text ist sichtlich verdorben. Nimmt man тозем’це и стран’ныѥ als Koordination zweier Adjektive, bietet sich als Bezugsnomen nur ’Philosophie’ an, woraus sich die bisherigen Übersetzungen ergeben. - Es handelt sich um den Gräzismus, dass für ’lehren’ hier nicht gr. διδάσκω mit Akk der Sache (Bauer, 1988, 386), sondern παιδεύω mit Dativ der Sache (ebd. 1222) anzusetzen ist, womit sich die Majoritätslesart философии = DatSg zwanglos erklärt, während die Lesarten einen AkkSg философиѫ (< философиѧ beim Zusammenfall der Nasalvokale; als AkkPl kaum sinnvoll) nach aksl. Morphosyntax einsetzen (zum Verb siehe nochmals XV:2). Die Zusammenstellung der Lexeme ’strana’ und ’zemlja’ begegnet nochmals und ebenfalls mit Mißverständnissen der Abschreiber in IX:11 на странѹ землѥ, wo die Übersetzung sicher lautet ’auf die [irdische] Weltseite’. In vorliegendem Satz liegt die Wendung ’тои земныѩ страны’ = ’dieser irdischen Weltseite’ zugrunde, wie sie verschiedentlich erscheint, etwa 2Clemensbrief 5:5 ἡ ἐπιδημία ἡ ἐν τῷ χόσμῳ τούτῳ = peregrinatio ... in hoc mundo (Gebhardt/Harnack/Zahn, 1876, 118f.), vgl. Bauer (1988, 1270); ”ἐπιδημία ist hapax legomenon in der frühchristlichen Literatur” (Pratscher, 2007, 105) und bedeutet neutral ’Aufenthalt’, nicht unbedingt ’Pilgerschaft’. Vgl. I:1. 36 слѹж’бою ] Möglicherweise Gräzismus; ἔργον ist ’Dienst, Tat’ und speziell ’Amtstätigkeit’ (Bauer, 1988, 623f.). 37 помощию ] 5: мощїю; präferabel als Übersetzung von gr. δύναμιϛ die ’einer Sache innewohnende Kraft’ (Bauer, 1988, 418), also als ’Amtsvollmacht’ anzunehmen. 37 по то се прїеть. ] 14: и по то сѧ ꙗтъ, 2: и сїе прїеть
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IV 1. Als er aber in die Kaiserstadt gekommen war, übergab man ihn Lehrern, damit er lerne, und in drei Monaten wurde ihm die Grammatik geläufig und er eignete sich das Übrige der Gelehrsamkeit an. 2. Und er studierte den Homer und die Geome-
1 Kaiserstadt ] Die übliche slav. Bezeichnung für Konstantinopel. 1 Lehrern ] Zum Charakter der Schule in Konstantinopel, insbesondere der von Bardas nach 843 geförderten Einrichtung vgl. S. 72. Kyrills Ausbildung folgt dem Programm der Septem Artes Liberales, die ’im griechischen Bereich’ als ’enkyklios paideia’ = ’allgemeine Bildung’ (Schreiner, 2011, 113) bezeichnet wurden, wobei ”der Unterschied zwischen der hochsprachlichen Schriftlichkeit und den Formen der Umgangssprache” (ebd.) die sprachlichen Disziplinen Grammatik, Dialektik und Rethorik besonders wichtig machte. 2 in drei Monaten ] Die genaue Monatsangabe ist auffällig und läßt darauf schließen, dass Kyrills Grammatikkenntnisse - und zwar im Lateinischen - nachgeholt wurden: ”It is true that boys sometimes came to the university younger than they do today (…) they offered elementary courses to remedy the defects of students who came to them ill-prepared”, so Thorndike (1940, 403), allerdings bezüglich des 11. und 12. Jhs. Die Stelle von VC legt nahe zu glauben, dass Propaedeutika schon im 9. Jh. üblich waren. 2 geläufig ] Die Stelle ist sprachlich nicht besonders deutlich; unter Berücksichtigung der Realien (vorige Anm.) und der Lesarten ist zu erwägen: ’erwarb er den Rest mit Hilfe eines Grammatiklehrers’, den Rest nämlich, den Kyrill sich in Saloniki wegen Mangels an Lehrern (III:22) nicht aneignen konnte. 3 Homer ] Die Grammatik des Dionysios Thrax (2. Jh. v. Chr.) ist ”neben den Kanones des Theodosios von Alexandreia bis in die spätbyzantinische Zeit, insgesamt weit über ein Jahrtausend, d a s elementare Sprachlehrbuch für die Griechen in aller Welt gewesen” (Hunger, 1978b, 2: 10; gesp. i.O.). Die Lektüre des unverständlich gewordenen homerischen Griechisch bedeutete im antiken Schulunterricht, vom theoretischen Grammatikwissen zur praktischen Texterklärung voranzuschreiten; vgl. (Jungen/Lohnstein, 2007, 26 et passim). Daneben bildete die Sprache der attischen Dichter auch das Ausdrucksideal im Gegensatz zu ’Barbarismen’ (siehe den Hinweis auf griechische Identität VI:53). 3–4 Geometrie ] Über der platonischen Akademie soll die Inschrift gestanden haben: ”Kein Geometrieunkundiger hat hier Zutritt”. Es handelt sich um eine Legende, die allerdings (Henri-Dominique, 1968) bis in die Mitte des 4. Jhs. n. Chr. zurückgeht. Die Hochschätzung der Geometrie als Eingangswissenschaft zur Philosophie beruht auf ihrer Ursprungsbedeutung als Kunst des Messens einfacher und zusammengesetzter Größen; als Lehre vom Zusammengesetzten tritt die Metaphysik auf von Aristoteles über Spinoza bis Kant. Die neuplatonische Hochschätzung der Geometrie drückt sich in ihrer Erwähnung direkt nach der Grammatik aus.
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trie, und bei Leo und bei Photios die Dialektik und alle philosophischen Lehren, dazu
4 Leo ] Leo der Mathematiker, kam wohl nach dem Ende des Bilderstreites 843 an die von Bardas eingerichtete Schule als ihr Leiter. Vereščagin (2010) meint, dass die Formen der Glagolica darauf zurückzuführen seien, dass Kyrill, inspiriert von seinem mathematischen Lehrer, einfache geometrische Figuren durch mannigfaltige Spiegelungen veränderte und zusammensetzte. 4 Photios ] Photios I. - zur Biographie vgl. Codeso/Domínguez (2013) - seit 858 Patriarch, lehrte in Konstantinopel, wohl an der von Bardas eingerichteten Schule (vgl. S. 72); sehr kritisch zu Photios als Lehrer Kyrills siehe Lukoviny (2017b). - Die als Hauptwerk des Photios geltende ”Bibliothek”, nämlich eine Übersicht über vorwiegend theologische Literatur mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Darstellung der Häresien, hat Kyrill als Student wohl nicht gekannt. Zur Datierung des Werkes siehe Dvorník (1974, 573), noch später datiert Ronconi (2013, 392), während Stronk (2010, 132) die Entstehung der ”Bibliotheca” differenziert angibt: 830 sei das ”final year of compositon” des Werkes, welches allerdings keineswegs unmittelbar darauf vollständig vorlag, sondern (ebd. 141) wahrscheinlich ”later than 858”. Neben Notizen zur ”Bibliotheca” - Auszüge ed. Wilson (1971) - dürften die ”Amphilochia” (s.a. XVI:21), nämlich Erklärungen strittiger Bibelstellen und Philosopheme, das Material für den Universitätsunterricht von Photios gebildet haben. Die ablehnende Einstellung des Photios zu den Primatsansprüchen Roms und zum filioque war Kyrill sicher bekannt. - Garzaniti (2015, 58) bemerkt, dass Photios nur an dieser Stelle in VC namentlich auftaucht, und erklärt dies damit, dass ”VC was written in Moravia when Photius was still alive, but it could only remember him as a teacher and not as the patriarch in the context of the Filioque controversy with the Germanic clergy.” Diese Deutung (siehe dazu auch Fußnote S. 25) setzt voraus, dass Photios ’eigentlich’ erwähnt werden müsste - wenn man nämlich annimmt, der Autor von VC wisse sich oder seinen Protagonisten fest involviert in den großen Ost-West-Konfessionsstreit mit Photios als einem herausragendem Akteur oder zumindest in den kleinen innerbyzantinischen Parteienstreit um Photios und Ignatius (Dvorník, 1948). So offenkundig spricht VC aber nicht von politischem Interesse. Für Grivec (1922, 14) war im Gegenteil ausgemacht, dass Kyrill einer antiphotianischen ”tradice universální křest’anské církve prvých věků” angehöre. Makris (1997, 27) verweist auf ”das Stilgesetz der Hagiographie … , Personen, die zur Zeit der Abfassung der Vita noch am Leben waren, nicht mit Namen zu nennen”, dass. auch Hunger (1978a, 1: 70f.). 4 Dialektik ] VC spricht von ’Dialektik und philos. Lehren’, macht also einen Unterschied zwischen Denkmethode und Lehre. Die Methode, zurückgehend auf die Kategorien des Aristoteles, war in der ’Dialektik’ des Johannes von Damaskos (Hunger, 1978a, 1: 48) im Gegensatz zu paganen Gottesvorstellungen christlich rezipierbar. Kyrill lernt also begriffsgenau zu denken und nimmt auch die antike mythologische Weltanschauung zur Kenntnis.
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auch Rhetorik und Arithmetik, Astronomie und Musik und alle übrigen hellenischen Künste. 3. So aber wurde er in allem gewandt, wie sonst keiner auch nur in einer Wissenschaft gewandt wurde. 4. Denn Schnelligkeit floß mit Fleiß zusammen, die eine die andere übertreffend; durch diese nämlich und durch Geschicklichkeit vollenden sich die Kenntnisse. 5. Mehr noch als Gelehrsamkeit an sich ein ruhiges Wesen zei-
5 Rhetorik ] Die große Bedeutung der Rhetorik in Byzanz liegt darin, dass sie allmählich in Nachahmung (Hunger, 1978a, 1: 208ff.) der antiken attischen Literatur das geforderte Ausdrucksideal für ”alle literarischen Genera” (ebd. 68) und damit auch geforderter sozialer Bildungsausweis (ebd. 69f.) gerade auch für juristisch-diplomatische Tätigkeiten darstellt. 5 Arithmetik ] Neben dem praktischen Interesse an Rechenfähigkeiten nennt Hunger (1978b, 2: 222) auch sozioökonomische Gründe für die über die Zahlenmystik zusammengehörige Trias Arithmetik - Astronomie - Musik: ”Die nach allgemeiner Sicherheit und persönlichem Glück strebende Gesellschaft suchte aus dem enttäuschenden und oft höchst gefährlichen Alltag in andere Sphären zu flüchten, wobei sie je nach sozialem Stand und Bildungsniveau zu verschiedenen Mitteln greifen konnte, vom Traumbuch und seinen kuriosen Verwandten ( … ) bis zur neupythagoreischen Zahlenmystik.” Gelesen wurden wahrscheinlich Diophantos und seine Kommentatoren bzw. Iamblichos (Hunger, 1978b, 2: 225f.), s.a. Heath (1921, 540ff.). Zu ergänzen sind mathematisch ernsthafte und zugleich philosophisch anschlußfähige Schriften wie Theon von Smyrna (2021). 5 Astronomie ] Grundlegendes Lehrbuch der Astronomie dürfte die - nur in arabischer Übersetzung bewahrte (Sidoli/Berggren, 2007) - ”Planisphäre” des Ptolemäus gewesen sein, vgl. Eastwood (2007, 125), dort auch zu karolingisch-byzantinischen Kontakten. Die theologischen Aspekte der Astronomie liegen v.a. in der Berechnung der eschatologisch zu deutenden Epochen der Schöpfung (Kuzenkov, 2012). 5 Musik ] Musikkenntnisse waren für Kleriker bedeutsam, insofern die Stundengebete allesamt von Psalmgesang begleitet sind; zu byz. monastischen Hss des 9. Jhs. mit Bemerkungen zur Musik siehe (Dubowchik, 2002, 279); im 8. Jh. bereits gelangte die byzantinische Tonlehre (’Oktoechos’) in das Frankenreich und im 9. Jh. werden die Grundlagen der ’missa graeca’ gelegt (Atkinson (1989), Wanek (2018)). 6 Künste ] Im Unterschied zur ”Technik” des Handwerkers stellen die ”freien Künste” die zur höchsten Erkenntnis aufsteigenden Wissensbezirke dar für einen freien, nicht mit Beschäftigungen zum Lebensunterhalt (Sklave, Handwerker) beschwerten Mann. Systematisiert hat die Sieben Künste der Neuplatoniker Martianus Capella (vor 439) in seinen ”De nuptiis Philologiae et Mercurii libri IX”, wo sie in der Reihenfolge Grammatik - Dialektik - Rhetorik - Geometrie - Arithmetik - Astronomie und Harmonie (= Musik) erscheinen, von dessen Reihenfolge VC nur in der Vorrangstellung der Geometrie abweicht. Capellas Buch wurde im 9. Jh. zur Grundlage der Curricula. 6 sonst keiner ] Die Lesarten legen nahe, dass hier ein Zitat aus der Grabrede auf Gregor von Nazianz von Basilius dem Großen zugrunde liegt (KO, 3: 144). 7 Schnelligkeit ] Während (KO, 3: 144) auch hier auf die Rede des Basilius auf Gregor verweisen, sei bemerkt, dass ’Schnelligkeit - Fleiß - Geschicklichkeit ’ in antiken Tugendkatalogen übliche Begriffe sind; vgl. etwa aus Ciceros Rede ”Über den Oberbefehl des Pompeius”, wo zu den Eigenschaften eines guten Feldherren gehören labor in negotiis, fortitudo in periculis, industria in agendo, celeritas in conficiendo, consilium in providendo = ”angestrengte Tätigkeit im Dienst, Beherztheit in Gefahren, Rührigkeit im Handeln, Raschheit bei der Ausführung, Weitblick bei der Planung” (Cicero, 1993, 166f.).
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gend pflegte er mit solchen Gespräche, mit denen Gespräche nützlicher waren, sich abwendend von den sich in Verirrungen Abwendenden, als ob er in den irdischen Dingen den Sinn auf die himmlischen richte, um aus diesem Körper herauszufliegen und mit Gott zu leben. 6. Als nun der Logothet sah, wie beschaffen er war, verlieh er ihm Macht über sein ganzes Haus und [das Recht,] ohne Ankündigung den kaiserlichen Palast zu betreten. 7. Und er fragte ihn im Vertrauen, sprechend: ”Philosoph, ich würde gerne wissen, was Philosophie ist.” 8. Der aber sagte darauf geistesgegenwärtig: ”Einsicht in die göttlichen und menschlichen Angelegenheiten, wieviel sich der Mensch Gott nähern 10 pflegte er mit solchen Gespräche ] Dieser Satz fehlt in CH und ist hier aus anderen Hss. eingefügt. 10 Gespräche ] Die Stelle erinnert an Seneca (1999, 38): ”cum his versare qui te meliorem facturi sunt, illos admitte quos tu potes facere meliores”, ”mit denen verkehre, die dich besser zu machen fähig sind, jene lass zu dir, die du vermagst besser zu machen” (Briefe an Lucilius I, 7). Das vorgehende Adjektiv тихь = ’still, ruhig’, im übertragenen Sinne auch ’sanft’ ist eher ein stoisches Signalwort für die charakterliche tranquilitas animi des Philosophen, der sich nicht aus der Ruhe bringen läßt, als ein Hinweis auf psychische Sanftheit oder Ergebenheit. Die Stelle kann von den Zeitgenossen, die auch schon im 9. Jh. eifrig den Seneca lasen (vgl. Beispiel aus der dt. Geistlichkeit des 9. Jhs. bei von Albrecht (2004, 139f.)), als textueller Anklang an die Stoa verstanden worden sein und wäre dann wieder ein Strich am Charakterbild Kyrills, welcher seine Person auch Lesern des westlichen Kulturkreises angenehm macht. 11 in Verirrungen ] In der Formulierung ’sich abwenden von den sich Abwendenden’ hört man eine Stilprobe der byz. Rhetorik (Anapher); außerdem wird betont, dass Kyrill bei aller pagan-weltlichen Bildung sich nicht vom Christentum abwandte, ein Vorwurf, der gegen seinen Lehrer Leo in einem Gedicht des 9. Jhs. erhoben wurde, welcher die Trinität geleugnet habe und einem Polytheismus verfallen sei (so Hunger (1978a, 1: 43) unter Verweis auf Lemerle (2012, 253)). Als Vorlage des Wortspiels ist Gal 1:6 nicht ausgeschlossen: μετατίθημι … εἰς ἕτερον εὐαγγέλιον = ’sich abwenden … zu einem anderen Evangelium.’ 11–12 in den irdischen Dingen ] Die Gegenüberstellung von ’irdisch’ und ’himmlisch’ und die Vorstellung, im Irdischen sei das Himmlische (als generierende Idee) enthalten, klingt sehr neoplatonisch, vgl. die Bedeutung der Geometrie IV:2 und Kyrills plotinisches Argument X:82. 12 herauszufliegen ] Grivec/Tomšič (1960, 174): Anspielung auf ein Carmen von Gregor von Nazianz. Die Formulierung der Metapher kann Kyrill von Gregor erhalten haben, aber das Bild geht jedenfalls auf Platon zurück, den Kyrill auch selbst gelesen haben kann. Platon verbildlicht im Phaidros die Seele als unsterbliches, mit Flügeln versehenes Wesen: ”die natürliche Kraft der Schwinge hebt das Schwere empor zur Wohnung des Göttergeschlechtes” (St. 246), dt. nach Platon (1988), vgl. ausführlicher Barbarić (2017). Interessant ist, dass der platonische philosophische Eros, der in die Nähe der Götter führt, in IV:6 parallelisiert wird mit dem Begriff der Energie (vgl. dazu VI:24, VII:5), wobei die im Körperlichen erkennbare Idealität ikonentheoretisch als ’Musterbild’ und die Annäherung an das Göttliche als Lebensvollzug christlich gewendet wird. 16 im Vertrauen ] Zur Übersetzung vgl. Komm. zum Aksl. XVII:12. 17 Einsicht ] Zur Wortbedeutung vgl. IV:10. 18 göttlichen und menschlichen Angelegenheiten ] Die Stelle erinnert an die spezifisch sirmische Variante der Vita des hl. Demetrios, worin es anfangs heißt (Toth, 2010, 350): ”Der ehrenhafte Demetrius befasste sich dann mit den freien Wissenschaften, und da er sehr fromm war und Kenntnis sowohl von den menschlichen als auch göttlichen Schriften hatte, ging er nach Thessalonike, wo er ein ausgezeichneter Argumentierer und glänzender Redner wurde.” Im übrigen ist auffällig, dass in der Vita des aus Thessaloniki gebürtigen Kyrills der weit über die Stadt und auch weit über die gr. Welt hinaus verehrte hl. Demetrios keine Rolle spielt und jedenfalls nur indirekt auftaucht (vgl. V:9). Allerdings verbietet es sich, e nihilo Schlüsse zu ziehen.
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kann, weil er [Gott] denn durch die wirkende Energie den Menschen lehrt, gemäß dem Musterbild und der Wesensähnlichkeit seines Schöpfers zu sein”. 9. Dies liebte er noch mehr und darüber befragte ihn dieser so bedeutende und verehrungswürdige Mann. 10. Er aber entwickelte ihm die philosophische Lehre, indem er in wenigen Worten ein großes Verständnisvermögen aussprach. 11. In Reinheit verweilend war er, je mehr er Gott wohlgefällig lebte, desto liebenswerter allen. 12. Und der Logothet, ihm alle gottesfürchtige Ehre erzeigend, gab ihm viel Gold, jedoch er nahm es nicht an. 13. Vertraulich sprach er zu ihm: ”Deine Schönheit und Weisheit nötigen mich seit jeher über die Maßen, Dich zu lieben; da habe ich eine Adoptivtochter, die ich aus der Taufe hob, schön und reich und von guter und großer Herkunft. Wenn Du willst, gebe ich sie Dir zur Frau. Vom Kaiser nimm jetzt große Ehre und eine Präfektur und hoffe auf größere [Ehre], bald wirst Du Stratege sein.” 14. Der Philosoph ihm zur Antwort: ”Die Gabe ist groß für die darnach Verlangenden, aber für mich gibt es nichts Größeres als das Studium, durch das ich, wenn ich Einsicht angesammelt habe, das Ansehen der Vorväter und ihre Reichtümer suchen will.” 15. Nachdem der Logothet seine Antwort gehört hatte und zur Kaiserin gegangen war, sprach er: ”Dieser junge Philosoph liebt dieses Leben nicht; doch wir wollen ihn 19 Energie ] vgl. VI:6 (Dreieinigkeit) und X:84 (Energie) 20 Musterbild ] εἶδοϛ oder mit Kol 3:10 εἰκών (Bauer, 1988, 449) als der nach dem Vorbild veranlagte Mensch. 20 Wesensähnlichkeit ] ὁμοίωμα (Bauer, 1988, 1150), die aus der Gleichheit resultierende gleiche Lebensführung, Röm 6:5, Phil 2:7. 23 ein großes Verständnisvermögen ] Der aksl. Ausdruck zielt auf das Wesen des Philosophen, nicht das Akzidentielle der Dinge zu beschreiben, sondern ihre Ursachen auszusprechen; vgl. Aristoteles (1982, 13): Philosophie geht ”nach den ersten Prinzipien und Ursachen” (Metaph. I, 2 = 982b8f.). Kyrills philosophische Ausrichtung läßt sich weder global anhand von falsch verstandenen Leseeindrücken (Schischkoff, 1969), noch im einzelnen anhand von IV:6-10 herausstellen, wie im 9. Jahrhundert auch kein Unterschied zwischen Philosophie und Theologie besteht. So schon Lukoviny (2008b) (dessen Kritik an den bisherigen Interpretationen der Stelle ich mich völlig anschließe) bzw. Augustinus (1983, 18), Zitat bei XIV:17. Man kann aber festhalten, dass IV:8 eindeutig die christliche Heilswahrheit über die philosophische stellt und Kyrills Tendenz zum klösterlichen Rückzug nicht nur Teil des Berichteten ist (IV:17, VII:1, XVIII:5), sondern sich auch bei spezifischen Argumenten in monastischer Tradition (X:80 und Ambrosius) (Daiber, 2020, 55) zeigt. 24 lebte ] Im Aksl. PartPraesakt; die Konstruktion verlangt eigentlich ein finites Verb im Imperfekt, jedoch zeigt dies keine der Hss. 26 Vertraulich ] Vgl. Komm. zum Aksl. XVII:12. 28 Adoptivtochter ] Wörtlich ”geistige Tochter” 30 Präfektur ] gemeint ist eine Archontia, ein kleineres bzw. randständiges Verwaltungsgebiet (Grivec, 1960, 20, Anm. 5). 31 zur Antwort ] Im Aksl. PartPraetakt ohne finites Verb ”geantwortet habend”, was genau dem Gebrauch des gr. participium conjunctum entspricht. 33 Vorväter ] Die at Patriarchen oder gr Philosophen? Wahrscheinlich sind mit IX:12 die at Patriarchen, also die Propheten Christi gemeint, so auch Kantor/White (1976, 11, Anm. 14). Kyrill versteht sich offenbar als ’geistlicher Pilger’, der einerseits als Nachkomme Adams aus dem Paradies vertrieben ist, andererseits mit dem Patriarchen Abraham zu diesem wieder zurückpilgert (Estes, 1988, 65), siehe bes. auch ebd. 126f. den Bezug zu Philo als möglicher Grundlage des Pilger-Konzeptes. 35 Kaiserin ] Theodora II. führte nach dem Tode ihres Mannes zusammen mit Theoktistos ab 843 die Regierungsgeschäfte für den noch minderjährigen Michael III. Unter Berücksichtigung der nächsten Anmerkung zu ’geistliches Amt’ fand das Gespräch also 844 statt, im 18. Lebensjahre von Kyrill.
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nicht aus der Gesellschaft entlassen, sondern, nachdem wir ihn zum geistlichen Amt geschoren haben, geben wir ihm eine Anstellung. Möge er Bibliothekar beim Patriarchen in der Hagia Sofia sein. Werden wir ihn so nicht wenigstens [bei uns] halten?” 16. Das taten sie auch für ihn. 17. Nachdem er kurz bei ihnen in dieser [Anstellung]
37 geistlichen Amt ] Das kanonische Alter für die Bischofswürde war 30 Jahre (Dvorník (1933, 45), Cunningham (2008, 531), meist implizit festgelegt durch das kanonische Alter der Priester), für die Priesterwürde und für die rangähnlichen Presbyter 30, für die Diakonsweihe 25 (für Frauen 40 unter der Bedingung, nicht zum zweiten Mal verheiratet zu sein) und für die Lektoren 18 Jahre. Die in einer Hs bezeugte Angabe, Kyrill sei ’Presbyter’ geworden, kommt aus Altersgründen ebenso wenig in Frage wie die als Lesart zu ’Bibliothekar’ einmal bezeugte Angabe, er wäre ’Gefässbewahrer’ (Skeuophylax) statt ’Bibliothekar’ geworden, welcher hohe Rang ausschliesslich von Klerikern, und in diesem Falle bevorzugt Diakonen (Cunningham, 2008, 532) eingenommen wurde. Es steht auch nirgends, dass Kyrill zu dem einem ’Gefässbewahrer’ unterstellten Personal zählte (was Ziffer (1995, 144) annimmt; zu allen Zweifeln an der richtigen Lesart ’Bibliothekar’ siehe Ševčenko (1999)). Unter dem ’geistlichen Rang’ ist eine der ersten Amtsstufen im Dienst des Patriarchen gemeint, also eine erste Stufe in der klerikalen Rangordnung von Byzanz, welche parallel, aber nicht ohne Überschneidungen bei gewissen Ämtern und Gremien mit der weltlichen verlief, und es kommt hier nur der Lektor in Frage. Aufgrund von Kyrills Lebensalter (s. S. 64) hat er die von ihm schließlich akzeptierte Professur (inklusive der 6 Monate Klosterrückzug) etwa 845/ 846 angetreten. 38 geschoren ] Die Formulierung des ’in den Mönchsstand’ Scherens ist hier sicher nicht wörtlich gemeint, denn sonst hätte Kyrill - der zu diesem Zeitpunkt noch Konstantin heißt - nicht kurz vor seinem Tode noch Mönch werden können (XVIII:5). Der Einsegnungsakt für Lektoren war auch keineswegs der Aufnahme in den Priesterstand vergleichbar (vgl. Cunningham (2008, 532)). 38 Bibliothekar ] Wichtig ist die Bemerkung von Ševčenko (1999, 216), dass der aksl. vivlotikar’ (hapax legomenon im Aksl., SJS, 186)) = gr. bibliothēkários, lat. bibliothecarius, weder byzantinisch gebräuchlich, noch auch in der lat. geschriebenen Literatur frequent sei. Ševčenko findet 8 Textbelege für den gr. Begriff: ”All the evidence comes either from documents that mention people attached to the curia of the pope of Rome, or from a text written in Italy, which attaches its ”bibliothecary” to the curia of a local bishop. Moreover, all the presented evidence dates from, roughly speaking, the ninth century.” Auch die lat. Textbelege legen nur eine Beziehung auf die lateinische Kurie nahe, so dass Ševčenko schließt: ”In this perspective, the Vita’s use of вивлиотикарь is paralleled by the repeated occurence of the western апостоликъ for ’pope’ in its text. This use invites us to look to Rome and to some (Graeco-Slavic?) milieu there that produced, or offered information on, at least some parts of the Vita. The author of the first work of Slavic literature, or his informants, may have had something to do with ’all the Greeks who were in Rome’ and whom the Pope ’commanded … to gather with candles and to chant over’ Constantine’s ’body’ in 869.” Ševčenko denkt unter Bezug auf VC XVIII:14 an die gr. Diaspora in Rom als Milieu, in welchem VC entstehen konnte.
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war, verbarg er sich, nachdem er zur Meerenge gegangen war, in einem Kloster. 18. Sie suchten ihn sechs Monate und hätten ihn kaum gefunden. 19. Als sie ihn zu dieser Anstellung nicht nötigen konnten, baten sie ihn, einen Lehrstuhl anzunehmen und über Philosophie dieser [irdischen] Weltseite zu lehren mit aller Dienstverpflichtung und Amtsvollmacht. 20. Und das nahm er an.
41 Kloster ] Kyrill wird hier, in VII:5 (Kloster auf dem Olymp) und in XVIII:16 (Rückführung in ’sein’ Kloster) mit einem byzantinischen Kloster in Verbindung gebracht. Das hier erwähnte Kloster am Bosporus war offenbar in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt gelegen, das Kloster auf dem Olymp befindet sich im Thema (Verteidigungsbezirk) von Saloniki, so dass der zweite Rückzug eher als Rückzug in die Herkunftsregion und als bewußt gesuchte Distanz zum politischen Machtzentrum verstanden werden kann. 44 dieser [irdischen] Weltseite ] Die bisherigen Übersetzungen erkennen sprachlich irrig (siehe Komm. zum Aksl.) zwei Adjektive als Spezifikationen zu Philosophie und lassen Philosophie für Einheimische und Fremde (pars pro toto MMFH, 2: 67): ”učil filosofii lidi domácí i cizozemce”) lehren, während Schütz (1985a, 93) meint, Kyrill habe ”die irdische (existentielle) und die jenseitige (transzendentelle)” Philosophie gelehrt. Grivec/Tomšič (1960, 176, Anm. 24) hören die Unterscheidung von ’interna christiana’ und ’externa pagana’ philosophia und erinnern an paulinische Formulierungen wie 1Kor 5:12, wo ἔξω (außerhalb) und ἔσω (innerhalb) die Zugehörigkeit zum Christentum benennen (was sich auch bei Anastasius Bibliothecarius, finden würde vgl. XVII:9). Inhaltlich lehrt Kyrill nicht ’weltliche’ Philosophie, die es in Byzanz nicht gab (Nikolaou, 1977), sondern Kirchengeschichte, d.h. das Wissen von den Ereignissen auf der Weltseite. Kirchengeschichte erklärt auch, warum bei den Disputen Kyrills die Chronologie eine so prominente Rolle spielt und erklärt auch den narrativen Wert von VC XIII. - Kulturgeschichtlich für die Überlieferung von VC ist interessant, dass die slav. Abschreiber offenbar keine Vorstellung von zeitgenössischen Weltkarten hatten und deshalb zwei Mal mit der Formulierung ’von dieser Weltseite’ nichts anfangen konnten. Zum Konzept ’dieser’ Weltseite siehe auch Komm zu I:1. 44–45 Dienstverpflichtung und Amtsvollmacht ] Die deutsche Formel wäre: ’mit allen Rechten und Pflichten’.
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V 1. Бѣ же Аньнїи патрїархь ѥресь въздвигль глаголѥ не творите чьсть светымь иконамь. 2. събрав’ше сьньмь, ѡбличише и, ꙗко неправо глаголѥть, и изгнаше ѥго съ стола. 3. он’ же рече: ”насилїем’ ме изгнаше, а не прѣпрѣвше мене; не может’ бо се никтоже противити словесемь моимь.” 4. царь же съ патрикїи ѹстроивь философа, посла на нь, рекь тако: ”аще можеши юноше съ прѣпрѣти, то пакы столь свои прїимеши.” 5. Oнь же ѹзрѣвь философа юна тѣломь, и иже бѣхꙋ послани с нимь, рече къ нимь: ”въси подножїа моего нѣсте достоины, то како азь с вами се хощꙋ прѣти?” 6. философ’ же къ нѥмꙋ рече: ”не людьскаго обычаꙗ дрьжи, нъ божїи заповѣди зри. 7. ꙗкоже бо ѥси и тыи ѡть землѥ и дѹшѹ богомь съставлѥнь, тако и мы въси. 8. то на землю зре, чловѣче, не грьди се.” 9. пакы же Ан’нїи ѡтвѣща: ”не подобно ѥсть въ ѥсень цвѣтьць искати, ни стар’ца на воискꙋ гнати ꙗко юношꙋ нѣкоѥго нестора.” 10. философ’ же ѡтвѣща ѥмѹ: ”самь на се вины ѡбрѣтаеши. 11. р’ци въ кꙋю врьстꙋ дꙋша силнѣиши телесе?” 1 Аньнїи ] gr. Ἰαννῆϛ (auch wenn die slav. Form nicht mit Grivec (1960, 37) ”phonetisch genau” genannt werden kann), wie Johannes von seinen Gegnern in Rücksicht auf 2Tim 3:8 bzw. Ex 7:8-8:15 genannt wurde als Anspielung auf Zauberer und Häretiker: VC ”gebraucht den Namen Iannis für den Expatriarchen Joahnnes Grammatikos entsprechend anderen Dialogen und Quellen” (Gonis, 1991, 28). 1 патрїархь ѥресь ] 1: патрїархь Константинꙗ града ѥресь иконоборнѹю въ Цариградѣ 1 творите ] 15: творити; Imp wie in CH = direkte Rede, aber der Inf der Lesarten ist vorzuziehen; siehe Komm. zum Dt. 1 чьсть ] 16: чести 2 сьньмь ] 7: съборъ 3 изгнаше ] 16: съгнаша 3 стола ] 2: прѣстола 3 изгнаше ] 15: съгнаша 3 прѣпрѣвше ] препрѣнїемъ 4 царь ] 3: царевъ 4 съ ] 3: om. 5 патрикїи ] 2: патрикїемъ, 2: патрїархомъ, 1: патрикиомъ; übersetzt πατρίκιοϛ; siehe dt. Kommentarteil. 5 на нь ] 1: къ немѹ 5 юноше ] 10: юношѹ, 8: ѹношѹ; entnasalierter AkkSg des a-Stammes. 6 съ ] 12: сего, 1: сю, 1: онаго; съ ist alter AkkSg mask. 6 прѣпрѣти ] 4: сопрѣти 7 юна ] 11: ѹна 7 и ] 10: а, 5: om., 2: и, 15 add. не вѣдыи стара ѹма въ немъ 8–9 хощꙋ прѣти ] Nicht modal (”wollen”), sondern futurisch zu verstehen, vgl. Komm. aksl. II:6. 9 дрьжи ] 2: дрьжи се, wobei ein Verb ”sich halten an” noch eine Präposition verlangt, die nirgends bezeugt ist, weshalb die einfache Konstruktion ”halte nicht menschlichen Brauch” (im Aksl. mit Gen.neg.) ursprünglicher sein dürfte. Aber beachte, dass gr. ἔxεσθαι = Passiv + Akk im Sinne von ”sich halten an” (Rost (1868, 375), Bauer (1988, 674)) ganz gewöhnlich ist. Zum Verb ’halten’ siehe auch X:3-5 (Spiel mit den gr. Bedeutungen?) und XI:21. 10–11 дѹшѹ богомь съставлѥнь ] 9: дѹша богомъ съставлена, 6: дѹша богомъ наставлена, 2: дѹшею богомь сьставлѥнь, 1: дѹшꙋ богомь сьставлѥнь; die Konstruktion ist entweder ”Du … und als eine Seele [Nom oder Instr] von Gott geschaffen [mask bezogen auf ’Du’]” oder ”… und eine von Gott geschaffene [fem bezogen auf ’Seele’] Seele [Nom]”. Alle Formen sind in den Lesarten repräsentiert, 4 (inkl. CH) Hss plädieren für das erste, 15 Hss für das zweite Satzverständnis, welches der Konstruktion in LXX entspricht: Gen 2:7 καὶ ἐγένετο ὁ ἄνθρωπος εἰς ψυχὴν ζῶσαν, vgl. 1 Kor 15:45. 11 зре ] 3: зрѧ прею 11 грьди ] 2: възнашаи 12 въ ѥсень ] 14: въ осень,1: осени 13 воискꙋ ] 13: воинѹ, 2: въıнѹ. 1: брань 13 нѣкоѥго ] 11: етера 13 нестора ] 5: нестера, 3: om. 14 ѡбрѣтаеши ] 10: ищеши. 2: обращаеши, Ursprünglich ist ’suchen’ (= ищети), das hier allerdings in der gräzisierenden Lehnbedeutung ’sich bemühen um’ (Rost, 1868, 762) verwendet wird. 14 врьстꙋ ] 9: връстѹ есть; weitere 2 Hs ergänzen das verbum substantivum am Satzende: тѣлесе есть
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12. он’ же рече: ”на старость.” 13. философь рече: ”то на кꙋю те брань гонимь, на телеснѹ или на дѹховнѹ?” 14. он’ же рече: ”на дѹховнѹ.” 15. философ’ ѡтвѣща: ”то ты нынꙗ сил’нѣи хощеши быти. 16. да не глаголи нам’ тацѣхь притьчь, не без врѣмене бо цвѣтьцьь ищемь, ни на воискꙋ тебе гонимь.” 17. срамль же се стар’ць и инамо ѡбрати бесѣдꙋ и рече: ”р’ци ми, юноше, како крьстѹ разоренѹ сѹщѹ не кланꙗѥмь се ѥмѹ ни лоб’заемь ѥго, а вы, аще икона и до прьсїи сѹщи писана, чьсть ѥи твореще не стыдите се?” 18. философь же ѡтвѣща: ”четири бо чести крьсть имать, и аще ѥдина честь ѥго ѹбꙋдеть, то ѹже своѥго не ꙗвлꙗѥть ѡбраза; а икона тькмо ѡть лица ꙗвлꙗѥть ѡбраз’ подобию того, ѥгоже бѹде писано; не львова бо лица ни рысїа зрить, иже видить, нъ пръваго ѡбразь.” 19. пакы старьць рече: ”како се кланꙗѥмь крьстꙋ без написанїа, а быв’шемь и инѣмь крьстомь? 20. икона же, аще не имать написана имене, ѥгоже бѹдеть ѡбразь, то не творите ѥи чьсти?” 21. философ’ же ѡтвѣща: ”въсакы бо крьсть подобнь ѡбразь имат’ христовѹ крьстꙋ, а иконы въсе немають ѥдинь ѡбразь.” 22. стар’ць же рече: ”богѹ рекьшꙋ къ Мѡѵ̈сею: ’не сътвориши въсакого подобїа’, како вы твореще кланꙗѥте се?” 23. философ же противꙋ семꙋ ѡтвѣща: ”аще би рекль: ’не сътвориши никакогоже подобиꙗ’, то право прїиши; нъ есть рекль ’не въсакого, сирѣчь недостоиноѥ’.” 24. противꙋ же симь не могыи прѣ, стар’чь ѹмльча 15 то ] 2: да 15 гонимь, ] 3: гоним, отвѣщаи 17 да ] 5: то 18 ни ] 2: ниже 18 воискꙋ ] 14: воинѹ, 1: брань 19 срамль ] 6: посрамль, 5: ѹсрамль, 5: посрами, 1: посрамлень 19 инамо ] Außerdem im Cod. Supr. belegt in der Bedeutung ’woanders hin’ (SJS, 770). Adverbien auf -o sind sicher alt: ”Наречията с окончание -мо отговарят на въпрос накъде” (Mirčev, 2000, 127). Im Gr. entspräche ἀλλαχοῡ (Bauer, 1988, 76). 19 юноше ] 9: ѹноше, 1: ѹноша; vgl. V:4, hier aber Vokativ. 21 аще икона и до прьсїи сѹщи писана, чьсть ѥи твореще ] 12+1: аще лице до прьсїи токмо бѹдеть, икон꙽ нѹю честь емѹ творяще, 2: аще лице до прьсїи токмо и бѹдеть, икон꙽ нѹю честь емѹ творяще, 1: ... писана бѹдеть 23 ѹбꙋдеть ] 2: не бѹдеть; Lesarten wegen gräzisierendem ἄπειμι (Bauer, 1988, 165): у < ἁπό (CVB, 718) + быти/ εἰμί ’weg-sein’. 23– 24 не ꙗвлꙗѥть ѡбраза; а икона тькмо ѡть лица ꙗвлꙗѥть ѡбраз’ подобию того, ѥгоже бѹде писано ] 6: лица не ѧвлꙗеть и подобїе того, егоже ради писана, 4: образа на ꙗвлѧеть, а икона токмо отъ лица образъ ꙗвлѧеть и подобїе того, егоже ради бѹдеть написано, 3: образа не ꙗвлѧеть, а икона отъ лица токмо образъ ꙗвлѧеть и подобїе того, егоже ради бѹдеть писано, 1: образа на ꙗвлѧеть, а икона токмо отъ лица образъ ꙗвлѧеть и подобїе того, егоже ради писана, 1: образа не имѣеть и подобїе того, егоже ради писана, а икона оть лица образъ ꙗвлѧеть и подобаеть бо, егоже ради б̈̈ꙋдеть писано 25 нъ пръваго ѡбразь ] 11: om. 26 кланꙗѥмь ] 3: кланꙗете 26 и ] 15: om. 27 не имать написана имене ] 5: не имать писана имени, 5: не бѹдеть написана имене, 2: не бѹдеть написана именемь, 1: не бѹдеть написана имени, 1: не бѹдеть написано имени, 1: не имать надписаниꙗ имене 27 то ] 2: om. 28 ѡбразь ] Könnte gr. τύποϛ entsprechen (wie auch andernorts; CVB, 396)), denn das Argument über Kreuze als ’Ikonen’ klingt nach Theodor dem Studiten, der ’typos’ verwendet (Baranov, 2021, 9f.). 30 Мѡѵ̈сею ] Folgt der ursprünglich gr. Schreibung des Eigennamens (Bauer, 1988, 1076), bei Grivec/ Tomšič klein geschrieben. 30–31 твореще ] 2: твореще се 33 недостоиноѥ ] 16: достоиное 33 прѣ ] 14: отпрѣти, 3: отвѣщати, 2: прѣти сѧ 33–34 ѹмльча и посрами се ] 9: ѹмола посрамльсѧ, 5: посрамльсѧ и ѹмолче, 1: посрамлесѧ ѹмлъча
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V 1. Es hatte nun der Patriarch Johannes eine Häresie aufgebracht, indem er sprach, keinesfalls sollte den heiligen Ikonen Ehre erwiesen werden. 2. Und nachdem sie ei-
1 Johannes ] Über den Patriarchen Johannes VII., der zu Beginn des 860er Jahrzehntes noch gelebt hat, gibt es fast nur negative Äußerungen aus Sicht der Bilderverehrer, aber auch seine Gegner erkennen seine außerordentliche Geschicklichkeit im logischen Streitgespräch an. Seinen Beinamen ’Grammatikos’ und die enge Vertrautheit mit dem Kaiserhof verdankt Johannes seiner Gedankenschnelligkeit: ”il avait mérité la gloire par son éloquence” (Senina (= mon. Kassija), 2016, 326) heißt es in einer byz. Chronik. Der Ruf der besonderen Eloquenz, der Johannes VII. anhaftet, geht so auch auf Kyrill über, der ihn im Redestreit besiegt, was jedenfalls nach 843, dem Jahr der Absetzung des Johannes, erfolgt sein muss. Das einleitende Plusquamperfekt ”hatte … aufgebracht” deutet darauf hin, dass das Streitgespräch nicht unmittelbar der Absetzung des Johannes folgte, wogegen auch nicht nur das Alter Kyrills - er wäre erst 17 Jahre alt gewesen - spräche, sondern auch die Tatsache, dass die byzantinischen Akteure inzwischen wechselten. Ist in IV:15 noch von der Kaiserin Theodora II. und dem Logotheten die Rede, so berichtet V:2 von der Synode 843, die noch unter Theodora II. stattfand, bereits unpersönlich (’man jagte ihn fort’), und V:4 nennt nun einen Kaiser, der das Streitgespräch initiiert. Das Streitgespräch fand also zwischen 843 und 855 (Kyrills Mission zu den Arabern) statt und Michael III., der erst 856 durch Verbannung seiner Mutter Theodora II. den Weg zur eigenen Macht beschritt, kann nicht als der V:4 erwähnte ”Kaiser” gemeint sein. De facto fungierten als Mitregenten neben Theodora II. zwischen 843 und 855 ihr Bruder Bardas und Theoktistos (siehe unten V:4), der von Bardas am 20 November 855 ermordet wurde. Hochwahrscheinlich fand also Kyrills Streitgespräch mit Johannes VII. um 850 statt, d.h. auf dem Höhepunkt der Bardas-Theoktistos-Regentschaft, was übrigens auch den textuellen Anschluß ”nachdem” in VI:1, der auf eine nur kurze Zeitspanne zwischen dem Streitgespäch mit Johannes und der Mission zu den Arabern deutet, motiviert. Ebenso datiert Dvorník (1953, 81) kurz: ”about the year 850”. - Während Cleminson (2015, 89) meint, der Inhalt der Disputation sei ”not particularly remarkable”, hat Gonis (1991) durch einen Vergleich mit anderen Disputen, an denen Johannes teilnahm, eine formale Übereinstimmung mit diesen, aber auch eine inhaltliche Selbständigkeit des Textes in VC herausgehoben und ist von dessen historischer ”Echtheit” (ebd. 25) überzeugt. Zum zeitgenössischen Ikonendisput vgl. Senina (= mon. Kassija) (2020). 2 erwiesen werden ] Die Lesarten kommen durch Unterscheidung eines Buchstabens (tvoriti/ tvorite) zustande. In CH steht ein Imperativ, der zu übersetzen ist als: ” … indem er sprach: ”Erweist den heiligen Ikonen keine Ehre.” Syntaktisch ist die Konstruktion von CH einfacher, weil die Erststellung des Verbs im imperativischen Satz erwartet wird. Die hier nach den Lesarten von 15 anderen Hss eingesetzte Übersetzung eines Objektsatzes (’indirekte Rede’) ist syntaktisch schwieriger, indem sie einen DcI bildet, dessen dativische Komponente (’den Ikonen’) allerdings nicht wie erwartbar in Erststellung steht. Jedoch ist das in allen Hss bezeugte Adjektiv ”heilig” aus der Perspektive des Narrators und nicht des Patriarchen, der die Heiligkeit der Ikonen gerade bestreitet, angebracht, so dass der Satz inhaltlich ein von der Narratorperspektive des Matrixsatzes (’sprach’) abhängiger Nebensatz ist. Man kann daher einen DcI mit der ihm eigenen deontischen Modalität (’sollte’) und zusätzlich mit emphatischer Linksausrückung des Infinitivs (’zu erweisen’) annehmen, welche Emphase in der Übersetzung mit ’keinesfalls’ wiedergegeben wird.
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ne Synode einberufen hatten, bezichtigten sie ihn, dass er unwahr spreche und jagten ihn vom Patriarchenstuhl. 3. Er aber sagte: ”Mit Gewalt haben sie mich verjagt, aber sie haben mich nicht widerlegt, denn keiner konnte meinen Worten widerstehen.” 4. Nachdem der Kaiser mit dem Patrikios den Philosophen vorbereitet hatte, schickte er zu ihm [dem Johannes], so gesprochen habend: ”Wenn Du diesen Jüngling überwinden kannst, dann sollst Du Deinen Patriarchenstuhl wieder erhalten.” 5. Der aber, als er den Philosophen sah, der jung an Körper war [nichts wissend von dem alten Verstand in ihm], und auch, die mit ihm gesandt worden waren, sagte zu ihm: ”Ihr alle seid nicht meines Fußschemels würdig, wie denn werde ich mich mit Euch streiten?” 6. Der Philosoph aber sprach zu ihm: ”Halte Dich nicht an menschlichen Brauch, sondern betrachte die göttlichen Gebote. 7. Wie nämlich auch Du aus Erde und als Seele von Gott geschaffen bist, so auch wir alle. 8. Also, zur Erde blickend, Mensch, überhebe Dich nicht.” 9. Darauf antwortete aber Johannes: ”Weder ist angebracht, im Herbst Blumen zu suchen, noch einen Greis in den Krieg zu jagen, wie einst den Jüngling Nestor.” 10. Der Philosoph aber antwortete ihm: ”Du hast die Sache gegen Dich selbst gewendet. 11. Sag: In welchem Lebensabschnitt ist die Seele stärker als der Körper?” 12. Er aber sagte: ”Im Alter.” 13. Der Philosoph sagte: ”Also, in welchen Streit jagen wir Dich, in einen körperlichen oder einen geistigen?” 14. Er aber sagte: ”In einen geistigen.” 15. Der Philosoph antwortete: ”Folglich also solltest Du jetzt stärker sein.16. So erzähle uns nicht mehr solche Gleichnisse, denn weder suchen wir zur Unzeit Blumen, noch jagen wir Dich in einen Krieg.” 3 Synode ] 4. März 843 4 Gewalt ] Johannes wurde offenbar nach seiner Absetzung gefoltert, wobei ein Untersuchungsausschuss aber zur Ansicht kam, er habe sich die Verletzungen selbst zugefügt (Tamcke, 2003). Unter Kaiserin Theodora wurde Johannes sogar geblendet. 6 Kaiser ] Bardas, Bruder der Theodora II. und Mitregent für den minderjährigen Michael III. 6 Patrikios ] Theoktistos, der von 842 bis zu seiner Ermordung 855 neben Theodora II. offiziell Mitregent für den minderjährigen Michael III. war, trug den Titel eines ’Patrikios’, einen der höchsten Titel, wobei Eunuchen wie Theoktistos in der Hierarchie besonders hoch geschätzt waren. Theoktistos ist III:27 zum ersten Male erwähnt. 7 diesen ] Das Demonstrativpronomen ist rhematisch im Sinne: ’manche magst du besiegen, aber auch diesen?’ 9–10 nichts wissend von dem alten Verstand in ihm ] In einigen Hss wird dieser Partizipialsatz mit der reihenden Konjunktion ”und”, öfters noch mit der adversativen Konjunktion ”aber” eingeleitet. Aufgrund des Wortspieles ’junger Körper - alter Verstand’ wird man die adversative Konjunktion für motivierter halten. 10 die ] Der NomPl des anaphorischen Pronomens иже führt zu der elliptischen Konstruktion ’der jung an Körper war, wie auch die [jung an Körper waren], die mit ihm gesandt worden waren’. Vielleicht entfällt deshalb der adversative Einschub [’alter Verstand’] in einigen Hss, da er mit der elliptischen Konstruktion konkurriert. 14 Erde und als Seele ] Gen 2:7 14 Also ] Vielleicht ein Zitat aus der klassischen Literatur, welches Konstantin im Sinne der die Disputation vorbereitenden prolusion vorbringt. 17 Nestor ] Anspielung auf eine Episode aus der Vita des Demetrios von Saloniki, cf. Grivec/Tomšič (1960, 178), MMFH, 2: 68). Zu der großen Bedeutung des Demetrios für Saloniki (vgl. auch IV:8) siehe Bauer (2013). Dujčev (1971, 75) zeigt, dass der ganze Satz V:9 eine wörtliche Übersetzung ist aus einem Brief von Gregor von Nazianz (PG, 37: 108) und folgert: ”the presence of this quotation must be considered as one further piece of evidence for the probable existence of Constantine’s apology against the iconoclast”. 19 Also ] Das die Satzanfänge des Philosophen einleitende ”also” soll die rhetorische Gliederung der Argumente im Dreischritt (lat. ”id, ideo”) wiedergeben.
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17. Der so beschämte Greis wandte das Gespräch Anderem zu und sagte: ”Sag mir, Jüngling, weshalb wir uns vor einem Kreuz, das beschädigt ist, nicht verneigen, noch es küssen. Aber Ihr, mag die Ikone auch nur bis zur Brust gemalt sein, schämt Euch nicht, ihr Ehre zu erweisen.” 18. Der Philosoph aber antwortete: ”Wie nun ein Kreuz vier Teile hat, und wenn nur eines seiner Teile fehlt, es schon nicht mehr sein Urbild zeigt; ebenso zeigt auch die Ikone das Urbild einer Person als Ebenbild vom dem, welcher gemalt ist. Denn nicht das Gesicht eines Löwen oder Luchses sieht, wer sie [die Ikone] anschaut, sondern das Urbild des Ersteren [= des Gemalten]. 19. Darauf sagte der Alte: ”Weshalb aber verbeugen wir uns vor einem Kreuz ohne Aufschrift, und zwar auch vor fremden Kreuzen? 20. Die Ikone jedoch, wenn sie nicht den Namen aufgeschrieben hat, dessen Urbild sie ist - der erweist Ihr dann keine Ehre?” 21. Der Philosoph aber antwortete: ”Wie zwar jedes Kreuz ein dem Kreuz Christi ähnliches Urbild hat, so haben Ikonen doch nicht alle ein gemeinsames Urbild. 22. Der Alte sagte nun: ”Obgleich Gott zu Moses sprach: ’Du sollst dir kein Bildnis machen’, warum stellt ihr sie her und verehrt sie?” 23. Der Philosoph entgegnete aber auf dieses: ”Hätte er gesagt: ’Du sollst Dir kein Bildnis machen’, so hättest Du recht. Er hat aber gesagt: ’[Du sollst dir] nicht von allem [ein Bildnis machen], d. h. nicht von Unwürdigem’.” 24. Dagegen nun nichts mehr erwidern könnend schwieg der Alte und schämte sich.
28 Urbild ] Das entsprechende aksl. Wort für ’Urbild’ bedeutet auch ’Vorbild, Muster’. Siehe dazu auch X:84. 32 verbeugen wir uns ] Einige Hss haben 2PsPl ”verbeugt ihr euch”, aber siehe 1PsPl in V:17 ohne Lesarten. Der Patriarch Johannes verwendet parallele Argumente: Wir verneigen uns nicht vor beschädigten Kreuzen, weshalb dann verneigt ihr euch vor beschädigten Bildern (Satz 17)? Wir verneigen uns vor unbeschrifteten Kreuzen, weshalb dann verneigt ihr euch nicht vor unbeschrifteten Bildern (Satz 19)? Zum Begriff der Proskynese siehe dt. Kommentar zu XII:11. 33 fremden ] d.h. Kreuzen der lateinischen Kirche. Der Rekurs auf Kreuz und Kreuzverehrung steht normalerweise nicht im Zentrum der orthodoxen Bilderlehre, die vielmehr Probleme des Ähnlichkeitsbezuges behandelt. Das Kreuz bildet aber als visuelles und zugleich in seiner Bedeutung klares Zeichen (siehe die patristischen Äußerungen in Baranov (2015)) ein Sonderargument, das westliche Theologen im 9. Jh. aufgreifen konnten, die in Auseinandersetzung mit der östlichen Bilderverehrung eine Position zu dem Problem beziehen mussten, dabei aber weniger Bilder zum Gegenstand der Argumentation machten: ”Im Kern der Debatten steht jedoch zweifelsohne das Kruzifix und seine Verehrung. Zugleich wird erstmals ein Bewusstsein für die Differenzen der beiden Wege offenbar, welche die beiden Erben der Antike seit der Spätantike begangen haben” (Fricke, 2007, 27f.). Der Patriarch Johannes nimmt hier also einen Argumentationsgegenstand auf, der typisch für die karolingische Behandlung der Bilderfrage ist. 33–34 Namen ] Die Namensbeischrift der dargestellten Person(en) ist auf Ikonen seit Johannes von Damaskus verbindlich, war Gegenstand karolingischer Polemik und gehört zum Präsenzverständnis der orthodoxen Ikone, siehe die (mir heute etwas schematisch erscheinenden) Bemerkungen in Daiber (1997, 44, 49). 37 sprach ] Lev 26:1 40–41 Unwürdigem ] Die Bestimmung ”unwürdiger” Bilder folgt aus den enstsprechenden at Stellen, die ein Bilderverbot aussprechen.
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VI 1. По сих’ же Агарини, нарицаѥмїи Срацини, въздвигоше хѹлѹ на ѥдинобожьство светыѥ троице глаголюще: 2. ”како выи христїани ѥдинь богъ мѣнеще, размѣшаѥте и пакы на трїи, глаголюще, ꙗко ѡтьць и сынь и дѹхь ѥсть? 3. аще можете сказати ꙗвѣ, то послѥте мѹже, иже могѹть глаголати ѡ сем и прѣпрѣти ны.” 4. бѣ же тъгда философь к͡ и д͡ лѣтомь. 5. събор’ же сътворь царь, призвавь и рече ѥмѹ: ”слышиши ли, философе, что глаголють скврьн’нїи Агарини на нашꙋ вѣрѹ? 6. то ꙗко светыѥ троице сы слѹга и ѹченикь, шьдь противи се имь и богъ, съврьшитель сы въсакои вещи, славимыи въ троици ѡтьць и сынь и светы дѹхь, тъи да ти подасть благодать и силѹ въ словесехь, ꙗко дрꙋгаго Давида нова ꙗвит’ те на Голиада, съ трьми каменьми побѣждьша, възвратиь те къ намь сподобль и небесномꙋ царствїю.” 7. слышав’ же се ѡтвѣща: ”съ радостїю идѹ за христїан’скѹю вѣрѹ. 8. что бо ѥсть мнѣ слаждьше на семь свѣтѣ, нъ за светѹю троицꙋ живѹ быти и ѹмрѣти.” 9. приставише же къ нѥмѹ ассикрита и Геѡргїа полашꙋ.
1 Срацини ] 10: срачини; das Wort nochmals VIII: 2 2 ѥдинобожьство ] Wrtl. ’Ein-Göttlichkeit’ < gr. μονοθεϊσμός 2 христїани ] Gr. Χριστιανόϛ ist (Apg 11:26) ursprüngliche Fremdbezeichnung seitens der heidnischen Bevölkerung, welche den Titel ”Christus” als Eigennamen mißverstand (Harnack, 1906, 345f.). Im Tonfall der muslimischen Anrede in VC ist ein pejorativer Unterton nicht ausgeschlossen, der aus dem dem polemischen Briefwechsel zwischen Kalif und Kaiser bekannt ist. Wrtl. Wiederholung der Anrede in X:75, als ins Ironische gewendete Eigenbezeichnung X:87. 4 сказати ] Das Verb ’sagen’ ist immer mit der Konnotation ’aussagen, erklären’ verbunden, vgl. VIII:15 oder XIII:3. 5 к͡ и д͡ ] Lies vielmehr ’29’; vgl. S. 79. 9 славимыи ] 6: славословимы 11 каменьми ] 9: каменьми и 11 сподобль ] 12: сподобленъ 11 и ] 17: om. 12 съ радостїю ] 15: радъ 13 за светѹю троицꙋ ] 2: по светѣи троици 14 приставише же къ нѥмѹ ассикрита и Геѡргїа полашꙋ ] 5: приставльше же емѹ ассикрита Геѡргиѧ послаша; 5: послаша же с нимъ асꙋкрита Геѡргиѧ; 3: приставльше же емѹ асѹкрита Геѡргиѧ послаша; 2: припослаше же съ нимь асꙋг’крїта и Геѡргїа полашѹ; 1: приставиша же къ немѹ асикрита Геѡргїа и послаша ѧ; 1: пристави же емѹ сꙋнклита Геѡргиꙗ ити съ нимъ. Ausgehend von Röm 16:14, wo ein ”Asynkritus” als Eigenname erscheint, fügt eine Lesart eine Konjunktion zwischen den vermeintlichen zwei Eigennamen ’Asynkrit’ und ’Georgios’ ein. Andere Hss - aber nicht CH - verstehen nicht mehr den byzantinischen Titel ’Palatios’ und ändern ihn in ein Verb ’poslaša’, was syntaktische Probleme bringt. Die ganze Stelle ist leider - gar bis zu einer angeblichen Teilnahme des Photios an der Arabermission - in verschiedenen missverständlichen Fassungen in Nachschlagewerke wie Dölger (1976, 54) geraten.
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10. дошьдьшим же имь тамо, бѣхѹ ѡбразы демон’скыѥ написали вънѣюдꙋ на дврѣхь въсѣхь христїань, дивъı твореще и рѹгающе се. 11. въпросише же философа глаголюще: ”можеши ли, философе, разѹмѣти, что ѥсть знаменїе се?” 12. он’ же рече: ”демон’скыи ѡбразь виждꙋ и мню, ꙗко христїаны тѹ вънѹтрь живѹть; ѡни же не могѹще жити с ними, бѣжеть вънѣ ѡть нихь. 13. а идеже сего знаменїа нѣсть юдꙋ, то съ тѣми сѹть тѹ вънѹтрь.” 14. На ѡбѣдѣ же сѣдеще Агарини, мѹдраа чедьь, книгь наѹчена геѡмитрїи и астрономїи и прочїимь ѹченїемь, искѹшающе и въпрашахꙋ, глаголюще: 15. ”видиши ли, философе, див’ноѥ чюдо, како же пророкь Мах’меть принесе намь благꙋю вѣсть ѡть бога и ѡбратїи мнѡгы люди и въси дръжим’ се
15 дошьдьшим ] 1: шедшимъ 15 тамо ] add. 2: ѹзрѣше странные и гнѹсные вѣщи съдѣлавшеесе отъ нихь тамо, ѥже сътворили бѣхѹ на порꙋганье и посмианье сꙋщимь христианомь въсѣмь, иже в мѣстѣ ономь живѹщиимь, оскрьблꙗюще сихь немало; 1: видѣше странные и гнѹсные вещи, отъ богоборныихь Агарань съдѣавшеесе тѹ. ѥже бѣхѹ сътворили на порѹганїе и подсмѣхь въсѣмь, иже въ благочьстїи ѡ Христѣ живѹщїимь хрьстьанѡмь въ мѣстѣхь онѣхь, оскрьблꙗюще сихь немало. Die Lesarten haben in ihrem auf die personae agentis bezogenen Anfang ’sahen sie’ noch einen narrativen Sinn, zeigen aber eine polemische Abweichung vom sonstigen Stil von VC. Die auf die personae agentis konzentrierten Zusätze heilen offenbar den Wechsel von ursprünglich passivischem бѣхѹ ... написани zu aktivem Plusquamperfekt бѣхѹ ... написали, wodurch ein Satzsubjekt zu ergänzen nötig wurde. 15 демон’скыѥ ] 5: om.; 1: бѣсѡв’скые; vgl. die Adjektive X:87 mit der Bedeutung ’abergläubisch’. 15 написали ] 1: написани; 1: написано 16 дивъı ] 8: дивъ; 2: игри; 1: дыви; zu aksl. ’divy tvoriti’ vgl. Nedeljković (1963, 196-199); zu vergleichen ist die literarisch gestaltete Wiederaufnahme der Formulierung in VI:54a. Zu Beginn und zum Ende seiner Mission versuchen die Araber, Kyrill zu provozieren, indem sie sich über christliche Eigenheiten lustig machen. Die Araber wollen über das Ikonenverständnis scherzen [was bedeuten die Türbilder?], was gleichzeitig thematische Kohärenz zum vorigen Kapitel liefert. 18 демон’скыи ] бѣсовскы; 1: бесѡв’скые 18 ѡбразь ] 10: образы 18 мню ] 14: непщѹю; 1: пщѹю; Lesarten sicher älter als das sinngemäß richtige ’vermeinen’ in CH; ’annehmen’ hat im Slav. dieselbe übertragene Bedeutung ’vermuten, für möglich halten’ wie das gr. ἐνδέχομαι (Bauer, 1988, 530). 18 ꙗко ] Gräzismus; ꙗко als Subjunktion ’dass’ wie gr. ὅτι; vgl. auch VI:54 (Daiber, 2007). 19 вънѣ ] 15: вонъ 20 юдꙋ ] 11: бънѣѹдѹ; 6: вънѣюдѹ; 1: ꙋдꙋ; 1: вне на дворехъ 20 вънѹтрь ] 1: внꙋтрь во серцъı 21 мѹдраа ] 9: мѹдраꙗ; 6: мѹдраа,1: мѹдра, 1: ѹмнѧа 21 чедьь ] 7: чада; 4: чадь; 1: чедь; 14: add. и 21 книгь ] 15: книжна; 3: книжнаа; 1: книгъ; 1: книжнымь наказаньемь; 1: add. доволнѣ; GenPl, welcher hier noch die ursprüngliche ablativische (”im Slavischen funktional Genitiv-Ablativ”, Aitzetmüller (1991, 71)) Bedeutung ’von den Büchern her belehrt’ anzeigt. Da sich diese Bedeutung im Lauf der Sprachentwicklung verliert, kommen die Lesarten zustande. 21 наѹчена ] 14: ѹчена, 1: наказана 21 геѡмитрїи ] 1: землемирии 22 астрономїи ] 6: острономѣи 23 пророкь ] 15: бож и пророкь 23–24 принесе ] 9: принесыи, 3: пронесыи, 3: принесъ 24 намь ] 5: вамъ 24 ѡбратїи ] 5: обради; das Verb in CH erscheint wie verdorbener 3PsSg Aorist обрати ’bekehrte’ (so MMFH, 2: 71)), die Lesart обради = ’erfreute’ (zu радити, CVB, 565)) ist allerdings kohäsiv zur vorausgehenden ’frohen’ Nachricht und aus muslimischem Mund nicht ungeschickt, da sich so die Annahme der ’Frohbotschaft’ des Islams von selbst erklärt, während das Konzept des Bekehrens gerade nach VI: 10-13 unangenehme Assoziationen an Gewaltsamkeit mitbrächte.
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по законꙋ, ничесоже прѣстѹпающе. 16. а выи христовь законь дрьжеще овь сице, овь онако, ꙗкоже ѥсть годѣ комѹждо вась, тако дрьжите и творите.”
25 по законꙋ ] 13: по законь, 1: по законе, 1: подъ законъ 25 христовь ] Vokativ христовe, wie ihn auch Grivec/Tomšič (1960, 180) verstehen. Der auslautende Reduzierte христов-ь ist als graphematische Variante von /-e/ aufzufassen, die Anrede ist im Gegensatz zu üblichem християны also pejorativ ’ihr Christusgehörigen’. 25 дрьжеще ] 15: add. вашего пророка; der Zusatz ist sicher ursprünglich, denn er ist Teil der islamischen Standardauffassung und wäre von einem christlichen Kopisten kaum eingefügt worden. - Die vor den finiten Verben erscheinende Partizipialkonstruktion ist als gräzisierender modaler Nebensatz zu verstehen (Viti, 2015, 339, 341). 26 онако ] 16: инако, 1: инакѹ 26 дрьжите ] Dieses und das nächste Verb summieren - daher ohne Akk-Objekte - das Vorgehen der Christen. Übersetzt man wörtlich (’so haltet ihr [es = das Gesetz] und macht/ gebt vor [was?]’), vermisst man akk. Objekte. Für творити (siehe dort), bietet sich als generische Bedeutung ’handeln’ an, was nicht unbedingt ein akk. Objekt erfordert. Für aksl. дрьжати ist das Fehlen eines Objektes schwerer erträglich und außerdem ist die Doppelung ’so haltet ihr und macht (bzw. ’gebt vor’)’ auch semantisch redundant. Nun übersetzt дрьжати zwar (CVB, 197) gr. κατέχω mit der 2PsPlIndPraes κατέχετε ’ihr haltet’ (Bauer, 1988, 859), doch diese Form ist leicht verwechselbar mit 2PsPlIndPraes κατηχέετε < κατηχέω ’lehren’ (Bauer, 1988, 861). Im Kontext der Stelle und in generalisierender Bedeutung wird genau ein ’so lehrt ihr und handelt’ erwartet. Liegt ein Flüchtigkeitsfehler bei Übersetzung aus dem Griechischen vor? 26 творите ] Als verbum dicendi ’vorgeben’ wie VI:52 aufgrund fehlenden Akk.-Objektes hier nicht anzunehmen. Gesucht wird eine generische Bedeutung; gr. ποιέω heißt auch ’handeln, verfahren’ (Bauer, 1988, 1366), allerdings erwartet man noch eine adverbiale Qualifikation. Die Formulierung scheint etwas elliptisch (Gesprächsmitschrift?).
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17. къ сим’ же философь ѡтвѣща: ”богъ наш’ ꙗко и пѹчина ѥсть мор’ска, пророкь же глаголѥть о нѥмь: 18. ”родь ѥго кто исповѣсть, въземлѥт’ бо се ѡть землѥ животь ѥго.” 19. сего же ради исканїа мнѡзїи въ пѹчинѹ тѹ въходеть и силныи ѹмомь помощию ѥго богатьство разꙋмноѥ приѥмлюще прѣплавають и възвращають се, а слабїи ꙗко и в сьгнилѣхь кораблихь покѹшають се прѣити, ови истаплꙗють, а ѡви съ трꙋдомь ѥдва ѡтьдыхають, немощною лѣностию влающе се. 20. ваше же ѥсть ꙗсно и ѹдобно, ѥже можеть прѣскочити въсакь, маль и великь. 21. нѣсть бо кромѣ людьскаго обы-
27 къ сим’ ] Die Präposition ist ungewöhnlich, denn mit къ = ”zu, hin” wird auf das Ziel einer Bewegung, manchmal auch auf die Absicht einer Handlung (’zum Ruhme Gottes’ o.ä.) verwiesen, wobei im besonderen, wovon auch die dativische Rektion zeugt, die Annäherung an Personen (’zu ihr’, ’zu ihnen’) kodiert wird wie heute noch in den meisten slav. Sprachen (Ausnahme ist etwa der polnische Germanismus ’do’; Clancy (2006, 11).). Die in CH verwendete Präpositionalphrase ”zu diesen” kann sich als Bestimmung des Verbs ’antworten’ schwer auf die fragenden Araber beziehen, denn auch im Slav. ’antwortet’ man mit dem präpositionslosen Dativ ’ihnen’. Vielmehr dürfte ein Gräzismus vorliegen, denn къ übersetzt auch πρόϛ (CVB, 299) und im Kontext von ’antworten’ liegt die geläufige Wendung πρὸς ταῦτα ”gegen das alles” = ”darauf” vor (vgl. Bauer (1988, 145) zu ἀνταποχρίνομαι). Darum wird auch nicht das zu erwartende anaphorische Pronomen (имъ = ’ihnen’), sondern vielmehr das kontextuell wenig motivierte Demonstrativpronomen симь = ’diesen’ verwendet. Vgl. auch VI:29. 27 и ] 17: om. и 27 пѹчина ] 1: глѹбина; das Wort nochmals in Lesarten zu X:100. 29 мнѡзїи ] Langform des Adjektives (Hansen, 2004) als Markierung der Definitheit; ebenso gleich силныи und слабїи. Vgl. XVIII:14. 29 пѹчинѹ ] 1: глѹбинѹ 29–30 въходеть ] 1: съходѧть; Gräzismus aus dem Bereich der Nautik, siehe auch IX:2 und S. 20. 30 силныи ѹмомь ] 2: слабїи разѹмомь, offenbar als Allusion an Mt 5: 3. 31 и ] *om. MMFH, 2: 71); konstruiert ist ’jako’ + Partizip, zur Konjunktion ’i’ vor dem Partizip vgl. III:17 bzw. Aejmelaeus (1982); nicht gemeint ist ’jako i’ + finites Verb als irrealer Vergleich (zu diesem Daiber (2021a)). 31–32 покѹшають се ] 14: покѹшающесѧ 32 прѣити ] 8: преплыти, 7: преплѹти; siehe S. 22. 32 ови ] 10: ов и, 2: овы, 1: овии 32 истаплꙗють ] 14: истапають, 1: истопають, 1: истоплаютсꙗ, 1: потаплаютсе 32 а ] 2: om. 32 ѡви ] 18: дрꙋии, 2: add. же 33 влающе се ] 6: валѧющесѧ, 1: волнꙗющесꙗ 33 ваше же ѥсть ] 1: вашь ꙋбо; der Bezug ist problematisch 33 ꙗсно ] 8: ѹзко, 7: ѹско, 2: лъстно. Die Lesarten sind schwer zu rezensieren: aksl. ꙗсно bzw. gr. λαμπρόϛ bedeutet speziell auf Wasser bezogen immer ’hell, klar, durchsichtig’, etwa Offb 22:1 ποταμὸν ὕδατος ζωῆς λαμπρὸν ὡς κρύσταλλον = ’ein Strom des Wassers des Lebens, klar wie ein Kristall’ (Bauer, 1988, 946) und eignet sich nicht als hier erwartetes negatives Attribut für das ’muslimische Meer’. Ebenso ist das Konzept ’eng’ eigentlich invariant mit Mt 7:14 ότι στενή η πύλη = ’denn die Pforte ist eng’ verbunden, doch ѹзко = ’eng’ bzw. gr. στενόϛ (Bauer, 1988, 1530) kann, wie IV:17 (aber hapax im aksl. Kanon) zeigt, auch ’schmal’ bedeuten. Ein ursprüngliches лъстно [Adv] ѹдобно [Adj] = ’trügerisch bequem’ ist aber nur spekulativ anzunehmen. 33 ѹдобно ] 1: добро; sinnlos aus Sicht der Argumentation. 34 въсакь ] 6: всѧкъ, wobei auch das folgende editorische Komma zu streichen wäre.
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чаꙗ, нъ ѥже можеть дѣꙗти. А ничесоже ѥсть вамь заповѣдаль, 22. егда бо нѣсть въстегнѹль гнѣва и похоти, нъ попѹстиль то в кѹю ви имать въринѹ пропасть! 23. съмысльны да разꙋмѣваеть. 24. Христось же не тако, нъ ѡть низѹ теш’коѥ горѣ възводить вѣрою же и дѣтелїю божїею. 25. твор’ць бо сы в’сакымь, междꙋ аггели и скоты ѥсть чловѣка сътвориль, словесемь и съмысломь ѡтлꙋчивь ѡть скота, а гнѣвомь и похотию ѡть аггельь; и ѥиже се чести кто приближаеть, тъ паче тою се причещаеть, вышиїихь ли или нижиїихь.” 26. Въпросише же и пакы: ”како вы ѥдиномꙋ богѹ сѹщꙋ въ трїи славите и? скажи, аще вѣси. 27. ѡтьца бо нарицаете и сына и дѹха. 28. то аще тако глаголѥте, да и женѹ ѥмѹ дадите, да се ѡть того мнѡзїи бози расплодеть.”
35 можеть ] 9: вси могѹть, 5: могꙋть всѣ, 1: все могѹт; die Majoritätslesart ergänzt sinnvoll das Subjekt ’alle’. 35 ѥсть ] 9: om.3: въста, 1: воставъ 35 вамь ] 1: add. лишьше 35 заповѣдаль ] 5: повѣдалъ, 1: исповѣдалъ 36 нѣсть ] 16: add. вамь 36 нъ попѹстиль ] 5: и отпѹстилъ 36 то ] 2: вѣсте KO, 3: 112), s.a. Kantor/White (1976, 16). 36 кѹю ] 7: какѹ, 6: каковѹ, 2: какѹю, 1: по что 36 ви ] Klitische Kurzform des PersPron DatAkk 2PsPl (für aksl. вамъ/ вы bzw. васъ/ вы), Serbismus. Ви erscheint in CH noch in VI: 53, XVI: 29 und XVIII: 20, während das PersPronPl der ersten Person ни nur als ны erscheint (VI: 41, VIII: 2, IX: 33, X: 98, XI: 42, XVIII: 10, 12 [im selben Satz auch насъ], 16), wahrscheinlich wegen Verwechselbarkeit mit Konjunktion ни = ’und nicht’. Die Langform выи erscheint immer emphatisch in der direkten Anrede (VI:2, 16, X:4, 19, 24, XII:12, XIV:16, XVI: 5, 25, 29). 36–37 въринѹ ] 13: въринѹти, 5: воврещи, 1: вринꙋвши; aksl. ist въринѫти hapax legomenon (SJS, 319); die Lesarten stellen modale Futurperiphrase имать въринѫти = (wrtl.) ’er hat hineinzuwerfen’ her. 37 пропасть ] 9: въ пропасть; die Wiederholung der schon vor кѹю platzierten Präposition erscheint wegen der zwischen Interrogativpronomen und Nomen befindlichen Verbphrase fast zwingend. 37 съмысльны ] 1: om. VI: 23. 37 разꙋмѣваеть ] 12: разѹмѣеть, 3: разѹмѣють; die Pluralform ist wohl sekundär nach Ausgleich der Endungen von NomPl (съмысльн-и) und AkkPl (съмысльн-ы); zur Bedeutung siehe auch IX:24 38 божїею ] 6: add. ѹчить чловѣка; einigen Kopisten war der auf das Wirken Jesu als ’Lehrer’ einschränkbare Begriff der ’Energie’ nicht bekannt, und so wiederholen sie die schon IV:8 gebrauchten, hier aber überflüssigen Worte. 39 скоты ] 3: чловѣкы 40 съмысломь ] 5: помысломъ 40 ѡтлꙋчивь ] 9: отлѹчивыи = отлѹчивъ и, 4: отложилъ, 1: отложивъ 40 скота ] 4: сказа 40 гнѣвомь ] 4: гнѣва 40 и ] 1: add. расждеженнемъ 40 похотию ] 3: похоти, 1: похотии 41 тъ ] 15: om. 41 тою ] 2: тоѥ 41 или ] 10: om. 43 како ] Die Fragepartikel ’wie’ erscheint hier syntaktisch wie im NT in der Bedeutung ’wie ist es möglich, daß … ’ (Bauer, 1988, 1464). 43 ѥдиномꙋ богѹ сѹщꙋ ] Das am Ende des Satzes, mit богъ im Databs koreferente Personalpronomen zeigt an, dass der DatAbs als ’heteroagentivische Aussage mit zweitrangigem Prädikat’ (Večerka, 1989-2003, 3: 190) und weniger als attributive Adverbiale analysiert wird. 45 да ] 14: то; schwer zu entscheiden, ob der syntaktische Parallelismus то … то, oder die eher südslavische Optativeinleitung да primär ist. 45 расплодеть ] Die ostslav. Hss haben die entnasalierte Endung der 3.Ps.Pl. -ętь umgestaltet zu ꙗть; Lesarten fehlen in Grivec/ Tomšić, aber siehe MMFH, 2: 72).
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29. къ сим’ же философь ѡтвеща: ”не глаголите тако хѹлы бесчьстны. 30. мы ѹбо добрѣ ѥсмы навыкли ѡть пророкьь и ѡть ѡтьць и ѡть ѹчительь троицѹ славити, ѡтьць и слово и дѹхь, трїи ипостаси въ ѥдиномь сѹщьствѣ. 31. слово же то въпльти се въ дѣвѣ и роди се нашего ради съпасенїа, ꙗкоже и Mах’меть вашь пророкь свѣдѣтелствꙋѥть, написавь сице: ’послахѡмь дѹхь нашь къ дѣвѣи извол’ше, да родить.’ 32. ѡть сего азь вамь повѣщенїе творѹ о троици.” 33. сими же словесы поражени на дрꙋгаа възвратише се, глаголюще: ”ꙗко
46 къ сим’ ] siehe VI: 17 46 бесчьстны ] 6: бещинѹ, 5: мещющи (aber мещущи bei KO, 3: 93)), 3: без чинѹ, 1: безчинꙋюще [in margine бещинꙋ]. Die Lesarten lösen das Adjektiv adverbial (без чинѹ) oder partizipial (мещющи, безчинующе) vom Nomen und ändern die Semantik von безъ-чьстнъ ’ehr-los’ zu безь-чиньнъ ’un-ordentlich’ oder zu мещющи < метати ’(zusammen-) werfen’ im Sinne von ’vermischen’. Auch wenn für ’zusammenwerfen’ im Gr. das mit Präfix versehene διαῤῥίπθειν erwartet würde, kann aksl. метати bei dem Fehlen eines das konkrete Werfen begleitenden Zieles hier nur übertragen verstanden werden, weshalb die Lesarten - auch die Assimilation з+ч > щ in der alten Orthographie bewahrend (CVB, 83f.) - insgesamt das ’Unordentliche’ der muslimischen Argumentation betonen. Das präfixlose метати erweist sich aufgrund fehlender gr. präfixloser Verwendung von ’werfen’ als ’zusammenwerfen’ als sekundäre Lesart, ist aber an sich bedeutsam, weil es semantisch die adverbiale Lesart ’un-ordentlich’ und eine nicht auf das Nomen хула bezogene Konstruktion stützt. Eine ursprüngliche Adverbialphrase без чинѹ hätte keine Lesarten hervorgerufen, als Adjektiv wie das im Text auftauchende Adjektiv бес-чьстны hätte die entsprechende Form aber бес-чиньны (mit Doppel-n) lauten müssen. Die adjektivische Lesart stellt übrigens als AkkPl ’unordentliche Blasphemien’ vor die Frage, wieviele Argumente in der muslimischen Polemik verborgen seien, wobei der Plural durch das einleitende ’auf das alles’ zu rechtfertigen wäre. Ebenfalls ist GenNegSg möglich, der aber gerade in diesem Kontext nicht zwingend wirkt, denn bei Verboten (Večerka, 1989-2003, 2: 252) kann das Objekt, wenngleich selten, im Akk. stehen. - Das die Lesarten auslösende Problem könnte ein ursprüngliches bez-čin-y (Adverb, von čin unbelegt, vgl. Aitzetmüller (1991, 144)) gewesen sein, das die Abschreiber nicht als Adjektiv (fehlendes Doppel-n) verstehen konnten und daher entweder zur Präpositionalbildung bez-čin-u oder, unter Beibehaltung der Endung, zu bez-čьstn-y umgestalteten; die Partizipienlösungen versuchen, die ursprüngliche Semantik von ’Un-ordnung’ zu bewahren. Natürlich ist es eine Spekulation, ein Adverb bez-čin-y als Äquivalent für gr. ἀτάκτως im Dialekt des Autors von VC anzunehmen, aber gerade Lesarten bei den an sich harmlosesten Worten verlangen nach einer Erklärung, die eher im morphologischen, als im semantischen Bereich zu suchen ist. Ein Adjektiv ’un-ordentlich’ entspricht gegenüber dem wertenden ’ehr-los“ besser dem Stil der Passage, in welcher Kyrill kühl die muslimische Polemik kontert. Vgl. auch XI:41 (bezogen auf Polygamie) und XV:11 (illegitime Ehen). 49 въпльти се ] Übersetzt gr. σαρκοῡσθαι, auch in den Kiever Blättern (CVB, 148). 51 повѣщенїе ] 11: извѣщенїе, 4: извѣщанїе, 2: възвѣщаю pro повѣщенїе творѹ 52 творѹ ] 5: сътворю; zur in CH nicht bezeichneten Palatalität des /r/ siehe S. 44. 53 дрꙋгаа ] 1: дрꙋгꙋю 53 възвратише се ] 15: сѧ обратиша
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тако ѥсть, ꙗкоже глаголѥши, гости, да аще Христось богъ вашь ѥсть, почто не творите, ꙗкоже велить? 34. писано бо ѥсть въ еꙋаггельскыхь книгахь молити за врагы, и добро дѣꙗти ненавидещимь и гонещїимь и ланитꙋ ѡбращати биющїимь. 35. вы же не тако, нъ противна орѹжїа ѡстрите на творещеѥ вамь таковаа.” 36. философ’ же противѹ симь ѡтвѣща: ”двѣма заповѣдма сѹщема въ законѣ, кто законь съврьшаѥ ꙗвлꙗѥт’ се: иже ли ѥдинѹ съхранить, или иже ѡбѣ?” 37. ѡтвѣщаше же ѡны ꙗко иже ѡбѣ. 38a. философ же рече: ”богъ ѥсть рекль: ’молите за обыдещеѥ.’ 38b. тъ ѥсть рекль пакы: ’бол’ше сеѥ любьве не можеть никтоже ꙗвити на семь житїи, нъ да свою дѹшꙋ положить за дрꙋгы.’ 39. дрѹг’ же ради мы се дѣѥмь, да не съ телесными дѹша их’ плѣнѥна бѹдеть.” 40. пакы глаголаше: Христось ѥсть даль дань за се и за ины, вы же како не
54 гости ] 2: дрѹже 54 да ] Die Konstruktion ist ein mit аще ’wenn’ subjungierter Bedingungssatz, der zusätzlich modal mit der Partikel да optativisch gefärbt ist (dieselbe Konstruktion auch VI: 41). Daher die Übersetzung: ’wenn Christus euer Gott sein soll’ im hypothetischen Sinne ’nehmen wir einmal an, dass … ’. Die Übersetzung von Bujnoch (1972, 66) ’Dann verhält es sich also so, wie du … sagst’, unterschiebt den Moslems eine Zustimmung, die sie tatsächlich nicht äußern. Die da-Konstruktion erweist sich damit auch als primäre Lesart. 54 вашь ] 4: нашь; sinnlos 55 велить ] 2: повелѧваеть 55 писано ] Gräzismus: aksl. писати ist in der Bedeutung ’vorschreiben’ nur bibelsprachlich, vgl. Lk 20: 28 Μωϋσῆς ἔγραψεν ἡμῖν ’Moses schrieb uns’ = ’Moses schrieb uns vor’ (Bauer, 1988, 766). 55 еꙋаггельскыхь ] Die Adjektivbildung ist bei Bauer (1988) nicht belegt, wie überhaupt Derivationen von ’Evangelium’ der späteren Gräzität zuzurechnen sind, in CVB, 206) als Übersetzung von εὐαγγελικόϛ nur in den nach dem Assemanianus ältesten glagolitischen Denkmälern, dem Codices Clozianus (Anf. 11. Jh., bulg-mak) und Suprasliensis (10./ 11. Jh., ostbulg.) gefunden werden und aksl. also redaktional spezifisch für bulg-mak Gebrauch sind. Liegt hier die Vermeidung eines adnom Gen wegen dessen abl Bedeutung vor, was der bulg Exarch Johannes anspricht? Dies wäre ein Hinweis auf die Herkunft des Autors von VC und steht der Ansicht, es sei Method gewesen, nicht im Wege. Ganz im Gegenteil: Der Exarch Johann bezieht sich im Vorwort seiner Damaszener-Übersetzung auf die Vorrede Kyrills zur Evangelienübersetzung, wie sie im Makedonischen kyrillischen Blatt (in der editio princeps von Sreznevskij (1863) ins 11./ 12. Jh., bei Hansack (1986) ins 10. Jh. datiert) vorliegt, und dessen Verfasser nach Ansicht von F. V. Mareš (zit. in Avenarius (2000, 81)) auch gar nicht Kyrill, sondern vielmehr Method gewesen sei. 56 дѣꙗти ] 10: творити, 4: дѣите, 2: творите 60 ꙗко ] jako recitativum, daher keine direkte Rede. 61 за ] 2: се 62 семь житїи ] 5: семъ свѣтѣ 63 положить ] 2 add. кто 63 не съ телесными ] 14: не съ тѣлеснымъ плѣненїемъ, 10 add. и, 1: за не телеснымъ пленениемъ 65 пакы ] add. же MMFH, 2: 73). 65 глаголаше ] 1: же въпросише его и рекоше, 1: же въпросише его рекѹше 65 за ины ] 13: за ны (intra 1 in margine: ины), 2: за ны
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творите того дѣль? 41. и юже аще бранеще себе, како понѣ да ны не даѥте сицемѹ великꙋ и крѣпкѹ езыкꙋ измаитьскꙋ за братию вашꙋ и дрꙋгы. 42. мала
66 творите ] Das aksl. Verb творити ’machen’ besitzt hier die Bedeutung ’Gesetz und Willensäußerung gehorsam ausführen’ (Bauer, 1988, 1367), die es im Aksl. nur in bibelsprachlichen Stile annimmt, und selbst hier meist präpositional vermittelt (творити по ’machen gemäß’ (CVB, 692)). In der transitiven Verwendung von творити als ’ausführen’ liegt eine gräzisierende Lehnbedeutung vor. Daher die nichtwörtlichen Übersetzungen ’hierin folgen’ (Bujnoch, 1972, 67), ’non facitis eius opera [! Pl]’ (Grivec/Tomšič, 1960, 181), зашто не вършите ’erfüllen, vollziehen’ неговите дела [! Pl] (KO, 3: 125), ’neděláte jeho činy [! Pl]’ (MMFH, 2: 73), отчего же вы этого не делаете (Tachiaos, 2005, 269). Die Autoren, die mit ’machen’ übersetzen, ziehen den Satz mit dem Plural ’Werke’ ins Generische oder vermeiden die Nominalreferenz (’hierin’, ’dieses’), außerdem wird die Verbbedeutung verändert (’folgen’, ’erfüllen’). 66 того дѣль ] 1: тако его делꙗ; in MMFH, 3: 73) steht дѣлъ = GenPl; vgl. S. 39. 66 юже ] Südslav markierte Variante für ѹже, laut CVB, 731) zweistellige Vorkommenszahlen nur im Codex Marianus (serb. Redaktion des Aksl.), Assemanianus, Zographensis, Savvina kniga (alle bulg-mak).] 66 како ] Omnes praeter 3: то како 66 понѣ да ны не даѥте ] 3: ни дани даете, 1: паки дани емѹ не даете; offensichtlich ist der syntaktische Anschluss des bedingten Satzes an den vorausgegangenen Bedingungssatz юже аще = ’wenn schon’ für die Abschreiber ein Problem. Das erwartete ’dann’ fügen fast alle Hss mit то hinter како ein = ’wie dann’. Für понѣ bleibt keine syntaktische Funktion mehr übrig, denn für seinen üblichen Lexikoneintrag ’warum’ (CVB, 479) steht schon како ’wie, auf welche Weise, warum’ (zum modalen да siehe oben VI: 33). Erklärungsbedürftig bleibt понѣ, das, weil es keine subjungierende Funktion haben kann, also lexikalisch zu übersetzen ist. In äußerst eingeschränktem Rahmen kommt понѣ ohne das üblicherweise angehängte -же vor, nämlich nur im (ostbulg) Suprasliensis (Večerka, 1989-2003, 4: 298). Wiederum nur im Suprasliensis wird понѣ limitativ gebraucht (CVB, 479), wobei es wie im Gr ἐφ´ ὅσον ’bis wieviel’ noch als präpositionale Wendung aufzulösen ist. Versteht man also die präpositionale Bedeutung по нѣ ’bis zu dem’ (es handelt sich um ein Neutrum, siehe Večerka l.c.), so ergibt sich die sinngemäß zu erwartende Bedeutung ’wenigstens’; s. a. VII: 2 66–67 сицемѹ ] 3: сицевѹ 67 мала ] Entweder GenSgneutr oder AkkPlneutr. Es ist wohl wegen dem folgenden GenSg ѥдиного златика auch hier GenSgneutr zu lesen ist, aber dessen partitive Bedeutung wie auch die partitive Bedeutung von ѥдиного златика ist unklar. In einem offensichtlichen Genpart wie Lk 11:11 въспроситъ снъ твой хлѣба (Zogr.) ’dein Sohn bittet um Brot’ geht es um einen Teil einer vorausgesetzten Menge, die Araber bitten aber nicht um einen ’kleinen’ Teil der festgesetzten Steuermenge, sondern vielmehr ist die festgesetzte Steuermenge ’klein’, gebeten wird also um ’weniges’. Eigentlich ist im Aksl, wo der ”Schwund” (Večerka, 1989-2003, 2: 260) des Genpart beobachtet wird, vielmehr Akk zu erwarten. Nach Seržant (2012) kann der gr. Genpart das unbestimmt oft mögliche Vorkommen des Einzelfalles einer kontextuell bzw. aus dem Weltwissen erschließbaren Klasse ausdrücken, und diese Bedeutung ist hier auch sinnvoll: die Araber bitten ”je weniges”, nämlich ”je einen Dirham” pro Person. Es liegt also ein morphosyntaktischer Gräzismus vor. Vgl. auch X:96.
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же просимь, тькмо ѥдиного златика, и дондеже стоить вса землꙗ, хранимь мирь междꙋ собою ꙗкоже инь никтоже.” 43. философ же ѡтвѣща: ”аще кто въ слѣдь ѹчителꙗ ходе хощеть въ слѣдь ходи, въ н’же и онь, дрꙋгы же срѣть съвращаѥть и, дрѹг ли ѥмꙋ ѥсть или врагь?” 44. ѡтвѣщаше же ѡны: ”враг.” 45. философ’ же рече: ”егда Христось дань дасть, коѥ царьство бѣ, измаил’тьско или рим’ско?” 46. ѡтвѣщаше же ѡнїи: ”рим’ско.” 47. ѡнь же рече: ”тѣмь же не подобаеть намь зазирати, понѥже римлꙗномь въси даѥмь дань.” 48. По сих’ же и инаа мнѡга въпрашанїа въпросише, искѹшающе оть въсѣхь хѹдожьствїихь, ꙗже и сами ѹмѣхꙋ. 49. сказа же имь въса, ꙗкоже ѥ прѣпрѣ и о сихь. 50. рекоше къ нѥмѹ: ”како ты вса сїи ѹмѣѥши?” 51. философ’ же рече: ”чловѣкь нѣкои почрьпь въ мори водѹ, въ мѣш’ци ношаше ю и грьдѣше се, глаголѥ къ стран’никѡмь: ’видите ли водꙋ, юже никтоже не имать развѣ мене?’ 52. пришьдь же ѥдинь мѹжь помор’никь, рече къ нѥмѹ: ’не истов ли се дѣѥши, хвале се тъкмо ѡ смрьдѣшїимь мѣшки, а мы сего пꙋчинꙋ имамы.’ 53. тако и ви дѣѥте, а ѡть нась сѹть въса хѹдожьствїа изьшла.” 54a. и по сих’ же показаше ѥмѹ дивы твореще врьтоградь насаждень иногда
68 просимь ] 9: и просимъ, 5: испросимъ, 1: испросивъ 68 тькмо ] 3: толико 68 златика ] 11: златника, 4: золотника, 1: зълатника 68 дондеже ] 3: донелѣже, 1: донелиже 69 аще ] 2 omm. аще … же рече (VI: 45) 70 въ слѣдь ] 15: въ тоиже слѣдъ 70 ходи ] Omnes: ходити 71 съвращаѥть ] 6: возвращать, 4: съвратить, 4: въпрашати 71 ѡтвѣщаше же ѡны ] 4: они же рѣша 72 дасть ] 9: даꙗлъ, 6: даѧ 72 царьство ] 15: владычьство 73 или ] Omnes praeter 2: ли или 73 ѡтвѣщаше ] 1 om. VI: 46 73 ѡнїи ] 2: онїи ꙗвѣ 73 ѡнь же рече ] 14: omm. 74 подобаеть ] 4: достоить 74 намь ] 10: насъ; ganz sicher die richtige, weil allein sinngemäße Lesart. 74 зазирати ] 5: зазрѣти 75 въпрашанїа ] 9: въпрошенїа 75 въпросише ] 4: вопрошаша, 3: вопрошаше, 1: въпрашааше, 3 add. и, 2 add. его 75 оть въсѣхь ] 8: о всѣхъ 76 хѹдожьствїихь ] 4: хѹдожьствїи, 5: хитростїи 76 ꙗкоже ] MMFH, 2: 74) и ꙗко 76 прѣпрѣ ] 3PsPl Wurzelaorist 77 и ] MMFH, 2: 74) om. и 77 рекоше ] MMFH, 2: 74) и рѣша 78 нѣкои ] 9: нѣкыи, 5: етеръ, 3: нѣкто 78–79 грьдѣше се ] 2: хвалꙗашесе 79 юже ] 15: ѥꙗже 80 развѣ мене ] 2: кромѣ азь 80–81 не истов ли се дѣѥши ] 2: не стыдиши ли се сїа глаголѥ, 1: неистовъ ли еси деющи се. Die Lesarten kommen zustande, weil die Verneinung beim Erfragten stört. Die Lösung liegt darin, dass die Verneinungspartikel не hier nicht negierend aufzufassen ist, sondern wie die gr. Verneinungspartikel μή als Fragepartikel ’doch nicht, etwa’, ”wenn auf d. Frage e. verneinende Antwort erwartet wird” (Bauer, 1988, 1047); es handelt sich also um einen Gräzismus; zu дѣѥши се als Sprechaktverb vgl. S. 19, zur Bedeutung von неистовъ siehe auch IX:24. 81 мѣшки ] Grivec/Tomšič (1960, 105) haben, wohl versehentlich, мешки ohne Lesarten; siehe aber мешци wie MMFH, 2: 74). 81 сего ] 1: сеѥ; 1 Hs bewahrt die richtige Lesart GenSgfem, nämlich auf вода ’Wasser’ bezogen. 81 пꙋчинꙋ ] 3: глѹбинѹ 82 дѣѥте ] 2: творите; vgl. S. 19. 82 хѹдожьствїа ] 6: хитрости, 2: хѹдожьства 83 дивы ] ohne Angabe des Vorkommens: дивъ, 3: диво 83 твореще ] 15: творꙗще, 2: игри твореще; vgl. S. 19. 83 врьтоградь ] 5: виноградъ 83 насаждень ] ’Locus obscurus, quia non apparet, quid stupendum sit’ (Grivec/Tomšič (1960, 182), ebenso MMFH, 2: 74) mit Verweis auf dieselbe Literatur), weshalb üblicherweise die Lesart несаждень ’ungepflanzt’ empfohlen wird. Das Wunderbare steckt aber in исникнѹще.
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ѡть землѥ изникнѹще, ꙗко сказа имь, како се бываѥть. 54b. пакы показаше ѥмѹ въсе богатьство и храмины ѹтворены златомь и сребромь и каменїемь драгомь и бисромь, глаголюще: 55. ”виждь, философе, дивноѥ чюдо, сила велика и богатьство многь Амермнїино, владыкы срацин’ска.” 56. рече же к’ нимь: ”не дивно се ѥсть, богѹ же слава и хвала сътвор’шомѹ си въса и въдав’шꙋ на ѹтѣхꙋ чловѣкѡмь; того бо сѹть, а не иного.” 57 сѣтнѣѥ на свою се злобꙋ обращьше, даше ѥмꙋ ꙗдь пити. 58. нъ богъ ми-
84 ѡть ] Gräzismus: Im Slavischen wird entweder Kongruenz von Präfix на-саждень und Präposition на = ’gepflanzt auf … ’ oder Instrumental = ’gepflanzt mit’ erwartet. Die gr. Konjunktion zum kausalen Ausdruck des Mittels ist ἀπό + Gen = aksl. отъ + Gen (CVB, 425). 84 изникнѹще ] 14: изникнѹщь, 1: изникнѹща. Das Verb ist aksl. (SJS, 754) ’hervorwachsen, hervorkommen, existieren’ und russ. (Dal’, 1978-1980, 2: 29) belegt mit den Bedeutungen выникать, подниматься ’auftauchen, sich erheben’ und пропадать, исчесать ’verkaufen, vergehen’. Die verschiedenen Bedeutungen des nur präfigiert bekannten Verbes -никнуть verteilt Vasmer (1986-1987, 3: 74f.) auf zwei Stämme, wobei das Kompositum вы-никнуть die russ.-ksl. Bedeutung вырастать ’überwachsen, überwuchern’ tragen kann. Semantische Abtönungen zwischen den Präpositionen вы- ’hervor’ und из- ’heraus’ können vernachlässigt werden: ’heraus-wachsen, überwuchern’ ist hier gemeint, siehe den Kommentar zur Übersetzung. 84 ꙗко ] Gräzismus: ꙗко hier klar für subjungierendes ὁτι ohne rezitativen Sinn; s.a. VI:12. 85 храмины ] 2: храмы 85 ѹтворены ] 2: ѹкрашены, 2: ѹстроены (davon 1 in margine: ѹтворены), 1 сътворены, 1 ѹтварены 86 бисромь ] Singular, hier nicht als Gegenstand ’eine Perle’ wie in III: 3 zu verstehen, sondern als Material wie singularisches ’Gold’. 87 Амермнїино ] 7: амаврїино, 4: амермїино, 2: арменїино, 1: арменино, 1: амиры; Possessivbildung zur Vermeidung des adnominalen Gen, welcher im 9. Jh. noch ablativische Bedeutung tragen konnte. 88 дивно ] 8: диво, 4: дивѹюсѧ есть, 3: дивѹ 89 ѹтѣхꙋ ] 2: ѹтѣшенїе 91 сѣтнѣѥ ] 3: горше, 1: прочее же, 1: а поганїе, 1 usque ad даше: разгнѣваше же се сетнѣе на свою злобѹ обратишесе и, 1 pro totо VI: 57: и тако ѹбо оть нѥго сїа ѹслышаше, разгнѣвашесе и на свою обычнѣ злобѹ обратившесе ѹмыслише ѹморити его отравленїемь, и ѹбо растворивше ꙗдь съмрьтныи, въдаше емѹ испити. Siehe auch X:7. - Das Adverb сѣтьно < сетьно ’durchaus, zuletzt’ (SJS, 63) läßt sich zwanglos ansetzen, aber beachte, dass сѣтьнъ aruss. bezeugt ist als Übersetzung von gr. σκυθρωπόϛ ’finster, mürrisch, traurig aussehend’ (Bauer, 1988, 1514) in dem Ausdruck лицемѣри сѣтьни (Sreznevskij, 1989, 3,1 : Sp. 903), wo adjektivales сѣтьныи als Zusatz aus Mt 6:16 eingesetzt worden ist bei Mt 6:5 ὑποκριταὶ σκυθρωποί (dagegen Partizipkonstruktion лицемѣри сѣтꙋюще im Codex Assemanianus und der Ostroger Bibel; Turkonjak (2006, 1542), im Codex Marianus ist das Adjektiv unübersetzt). Der Komparativ wird im koiné-Griechischen längst für den Superlativ genommen (vgl. auch X:60, XI:6+7, XII:12, aber echter Komparativ in XI:16; elativischer Superlativ in XI:29), während letzterer, so er sich erhalten hat, elativische Bedeutung erhält: ’bei Hermas … sind die Superlative … im elativischen Sinne ganz üblich, während für den eigentl. Superl. auch bei ihm der Compar. steht’ (Blass, 1896, 33). Sollen wir also komparativisch-elativisch temporal ’noch später’ bzw. ’ganz am Schluß’, oder komparativisch-elativisch ’noch mürrischer’ bzw. ’sehr mürrisch’ übersetzen?
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лостивы, рекы: ’аще и съмр’тно что испиете, не имать вас врѣдити’, избавї и того и на свою землю здрава и възвратїи.
92 рекы ] 1: р[ѣ]кь въсѣмь, иже въ того искрьннѣ вѣровавшїимь 92 испиете ] 4: испїють 92 не имать вас врѣдити ] 9: ничтоже васъ не вредить; Grivec/Tomšič (1960, 108) zitieren Mk 16: 18 aus dem Codex Marianus: аще и съмрътъно что испиѭтъ, ничътоже ихъ не врѣдитъ 92– 93 избавї и того ] 1: избави и того отъ песѣихъ рꙋкъ, 1: избави и того тогда неврѣжденна, 1: съхрани того неврѣжденна отъ пагѹбнаго напоенїа
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VI 1. Nach diesem erhoben die Hagarener, auch Sarazenen genannt, eine Lästerung gegen den Monotheismus der heiligen Dreifaltigkeit, indem sie sprachen: 2. ”Weshalb teilt ihr Christlichen, die ihr doch einen Gott meint, ihn darauf in drei, und behauptet, dass [er] Vater und Sohn und Heiliger Geist sei? 3. Wenn ihr das klar darlegen könnt, dann schickt Männer, die davon sprechen und uns widerlegen können.” 4. Damals aber war der Philosoph 29 Jahre alt. 5. Nachdem er eine Versammlung angesetzt und ihn gerufen hatte, sprach der Kaiser zu ihm: ”Hörst du, Philosoph, was die verdorbenen Hagarener gegen unseren Glauben sagen? 6. Nun du, ein Diener und Schüler der Heiligen Dreifaltigkeit, wenn du hingereist bist, widerstehe ihnen; und Gott, der Vollender jeden Dinges, gerühmt in der Dreiheit als Vater, Sohn und Heiliger Geist - möge 1 Nach diesem ] Das Streitgespräch mit dem Patriarchen Johannes dürfte Anfang des 850er Jahrzehntes stattgefunden haben; siehe Anmerkung zu V:1. Mit der einleitenden Formulierung wörtl. ”nach diesen [Dingen]” = äquivalent der Temporalangabe ”danach” werden also nicht 12 Jahre übersprungen, sondern eine eher kurz darauf erfolgende Episode eingeleitet. Es ist daran zu erinnern, dass mit dem Beginn des Kalifates von Dscha’far al-Mutawakkil (822-861) im Jahre 847 die bis dahin herrschende theologische Schule der Mu’taziliten entmachtet und wieder eine philosophiefremde traditionalistische Theologie eingesetzt wurde. Ab 847 verschärften sich daher die theologischen Polemiken zwischen islamischen und orthodoxen Theologen. Wie alle islamischen Herrscher zuvor, in diesem Falle aber äußerst aggressiv, hatte Mutawakkil den byzantinischen Kaiser brieflich zur Unterwerfung unter den Islam aufgefordert (Versteegh, 1979, 243). Byzantinischerseits wurde Niketas mit der schriftlichen Beantwortung der insgesamt wohl zwei Schreiben beauftragt (vgl. PG, 105), s.a. de Lee (2013, 276-278)). 1 Sarazenen ] Die Doppelung der Namen schon bei Johannes von Damaskus (PG, 94: 763), wobei ”Sarakēnē” erstmals bei Ptolemäus (2. Jh.) als geographische Differenzierung auftritt und sich im Unterschied zu ”Arabia” als Bezeichnung für die Bewohner der Sinai-Halbinsel einbürgert (Millar, 1993, 388); ab dem 9. Jh. dann als Begriff für Moslems allgemein verwendet (Sypiański, 2016), vgl. etwa Theophanes Confessor (um 760-818), der die Visionen Mohammeds auf Epilepsie zurückführt und ihn den ’falschen Prophet der Sarazenen’ nennt (Goddard, 2000, 57). 2 Monotheismus ] Der Standardvorwurf des Islam an das Christentum lautet, letzteres sei nicht monotheistisch. Unten wird Kyrill (26-32) auch die Standardantwort geben, nämlich den Verweis auf den Koran, der ebenfalls von der Jungfrauengeburt Jesu berichtet. Eine tiefere Begründung der Trinität, die Begriffe wie gr. περιχώρησις o.ä. erfordern würde, ist nirgends in der Disputation zu spüren. 3 Christlichen ] Vgl. Anm. zum aksl. Text. 6 29 ] Die Mission fand im Jahre 855, der Gefangenenaustauch am 12. oder 23. Febr. 856 am Lamusfluss statt (Stronk, 2010, 134), also an der küstenseitigen Passage der sog. Taurusgrenze (Honigmann, 1935, 40f.), der Austausch selbst hatte im 9. Jh. bereits einen rituell-symbolischen Charakter (Sypiański, 2016, 292). Die irrtümliche Datumsangabe ’851’ in VC hat Diddi (2015) richtig gestellt; cf. S. 79. 7 Kaiser ] Im Gegensatz zu V:4 (Kaiser + Patrikios = Bardas und Theoktistos) wird hier nur noch ’Kaiser’ gesagt. Ist hierunter weiterhin Bardas, der den Theoktistos 855 ermorden ließ, zu verstehen, oder ist schon Michael III. gemeint? Sachlich macht dies keinen großen Unterschied, da Michael in dieser Zeit (855) noch sehr unter dem Einfluß des Bardas stand, aber für die Datierung ist offenbar ein Datum nach der Ermordung des Theoktistos anzunehmen. 8–9 Diener und Schüler der Heiligen Dreifaltigkeit ] Das Epitheton ”servus Dei” bzw. ”Christi” o.ä. ist üblich, ”servus Trinitatis” eher selten, siehe etwa ”De miraculis S. Caesidii” (Carnandet, 1868c, 661), ein Märtyrer des 2. Jhs., dies natalis 31.8.
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Der dir Segen und Kraft in Worten geben, möge dich gleichsam als zweiten neuen David gegen Goliath erweisen und möge dich, wenn du den mit drei Steinen besiegt hast, zu uns zurückführen als einen des Himmelreichs Würdigen.” 7. Als er dies gehört hatte, antwortete er [der Philosoph]: ”Mit Freuden ziehe ich für den christlichen Glauben. 8. Was denn ist mir süßer auf dieser Welt, als für die Heilige Dreifaltigkeit zu leben oder zu sterben?” 9. Sie stellten ihm als Kaiserlichen Sekretär Georg, den Palatin, an die Seite. 10. Als sie dorthin kamen, waren dämonische Bilder von außen an die Türen aller Christen gemalt, sie auffallend machend und sie verspottend. 11. Sie fragten den Philosophen, sprechend: ”Kannst du, Philosoph, einsehen, was für ein Zeichen dies ist?” 12. Er antwortete aber: ”Das dämonische Bild sehe ich und nehme an, dass innen Christen wohnen; weil sie [die Dämonen] nicht mit ihnen leben konnten, flohen sie
11 neuen ] Der Namenszusatz ”neu” besitzt als hagiographisches Epithet auch die Bedeutung ”der Jüngere”; etwa ’Basilius der Jüngere’ (10. Jh.) im Gegensatz zu Basilius (’der Große’, Kirchenvater, 4. Jh.). 11–12 David ] 1Sam 17:40: David wählte sich fünf Steine für seine Schleuder und tötete gleich mit dem ersten den Goliath. Der ’Sieg mit drei Steinen’ in der Rede des Kaisers ist der Sieg mit der Dreifaltigkeit. Für die Übersetzung ist wichtig, dass sich der in einen Partizipialsatz eingefügte ’Sieg mit drei Steinen’ also nicht auf den at David, sondern futurisch auf den Sieg Kyrills über die Araber bezieht. Vgl. XV:9. 12 Goliath ] Man beachte die Implikationen, die den bibelfesten Lesern von VC geläufig waren: Im AT fragt David ”wer ist der Philister, dieser Unbeschnittene, der das Heer des lebendigen Gottes höhnt?” (1Sam 17:26); in VC tritt der körperlich unbeschnittene Kyrill gegen die beschnittenen Moslems an, die Überlegenheit der geistigen Beschneidung (Gal 5:6) demonstrierend. 16 Georg, den Palatin ] Georg ist, so schon Dvorník (1933, 86), in den arab. Quellen als Unterhändler bezeugt. Palatinos ist eine Amtsbezeichnung für Angehörige der Militärverwaltung. Zu verstehen ist also: ’ … stellten ihm den Staatssekretär Georg aus dem Verteidigungsministerium zur Seite’, denn Zweck der Mission ist der Austausch von Kriegsgefangenen. Zu einigen Namensträgern - allerdings Logotheten - aus der Spitze der byz. Militärverwaltung siehe Mochov/Borovikov (2011). 18 dorthin ] Der Kalif residierte in Sāmarrā’ (bei Bagdad), die Byzantiner hatten sich am 6.12.854 auf den Weg gemacht, der Gefangenenaustausch fand am 23.2.855 statt (Lamanskij, 1903, 550). 18 kamen ] 3 Hss schieben einen leicht variierenden Zusatz ein: ”sahen sie seltsame und bedrückende Dinge, die dort von den gottablehnenden Hagarenern gemacht worden waren, welche sie zur Verhöhnung und zum Spott allen angetan hatten, nämlich allen in Ehrbarkeit um Christi willen an jenen Orten wohnenden Christen, diese nicht wenig beleidigend.” Der Ausdruck ’gottablehnend’ impliziert, dass es sich bei den Hagarenern aus der Sicht des Interpolators nicht um Heiden handelt, welche (die christliche Vorstellung von) Gott nicht kennen, sondern um unbekehrbar Verstockte, welche die christliche Vorstellung kennen, aber ablehnen. Diese Auffassung ist bereits in den ersten christlichen Kenntnisnahmen des aufkommenden Islam vorherrschend (Sahas, 1991). 19 auffallend machend ] Zur Übersetzung von дивы siehe Anm. zu VI: 15. Die Kennzeichnung Andersgläubiger mit der Türaufschrift ”N” (= Nazarenus) im Islamischen Staat hat eine gewisse Tradition.
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weg von ihnen. 13. Aber wo ein solches Zeichen nicht außen angebracht ist, da sind sie mit diesen Dämonen dort drinnen zusammen.” 14. Als sich die Hagarener zum Essen niedersetzen, kluge Scholaren und aus den Büchern belehrt der Geometrie und Astronomie und mit anderer Lehre, fragten sie, um ihn auf die Probe zu stellen, sprechend: 15. ”Siehst du, Philosoph, das staunenswer-
23 außen ] VI 10-13 schließt sich thematisch an die Diskussion mit dem ikonoklastischen Patriarchen (V) an. Der Leser wird zwar mit der arabischen Mission, wie Dvorník (1933, 85) bemerkt, ”dans un tout autre monde” im Vergleich zum innerbyzantinischen Ikonoklasmus gebracht, aber die thematische Überleitung wird von VC hergestellt im Beibehalten des Themas ”Bild”. Den historischen Sachgehalt der Episode hat schon Dvorník (1933, 91) bemerkt, indem die unter dem Kalifat des Mutawakkil einsetzende restaurativ-repressive Religionspolitik ab etwa 845 zu diskriminierenden Maßnahmen gegenüber der nichtmuslimischen Bevölkerung führte. Christen und Juden mussten an ihre Haustüren ”un diable de bois” bzw. ”Dämonenbilder” (Versteegh (1979, 241), bei letzterem auch Verweis auf hist. Literatur) anbringen. Die Antwort Kyrills besitzt neben ihrer Schlagfertigkeit (’wir außen, aber ihr innen’) einen historischen Hintergrund. Die Innenausstattung des Kalifenpalastes in Samarra ist unter anderem mit menschlichen Darstellungen geschmückt gewesen (siehe bspw. Northedge (1993), Northedge (2006)), und dass Kyrill hier ein Urteil über das figural geschmückte ”Innere” der muslimischen Häuser äußert, könnte von Autopsie zeugen (theoretisch ist natürlich möglich, dass dem Autor von VC entsprechende Berichte über die auch in Byzanz einflussreiche arabische Architektur bekannt geworden waren). Kaum aber hätte ein Autor, der sich die ganze Episode ausdenkt, gegen das Stereotyp von einem bilderfeindlichen Islam (vgl. Sahner (2017); das erste muslimische Dekret zur Bildervernichtung stammt von 723) gerade ein solches Argument ersonnen. Man bemerke, dass das rhetorische Motiv ’außen/ innen’ hier in der ersten Passage des muslimisch-christlichen Streitgespräches und dann wieder in seiner letzten VI:57-58 vorkommt, was kaum zufällig ist, sondern ein Zeichen literarischer Stilisierung des Eingangs in und Ausgangs aus der muslimischen Welt. 25 Scholaren ] Das aksl. Wort bedeutet ’Kind’, dann aber auch als Anrede an Erwachsene oft ’(geistliche) Schüler’ (CVB, 788) und dient im späteren ksl. Schrifttum als Anrede eines eventuell auch höhergestellten Geistlichen an die Mitbrüder bzw. die geringere Geistlichkeit. Die letztere Verwendung wird in VC noch nicht gesehen; wie sich in einem Gespräch mit Moslems der Begriff des ’Mitbruders’ ausschließt, so verwenden auch die Juden den Begriff für sich in bescheidener, vielleicht auch leicht ironischer Selbstbezeichnung X:99, und wiederum verwendet ihn Kyrill in seiner Ansprache XI:37, die unter verschiedenen Statusgruppen differenziert. Da in VI:14 und X:99 der Begriff mit Gelehrsamkeit identifiziert wird, so sind damit also die philosophisch-theologischen Fachgelehrten, mit denen Kyrill disputiert, gemeint. Daher wird der Begriff mit ’Scholar’ übersetzt, was einerseits noch den ’Schüler’, andererseits aber auch schon den ’Gelehrten’ umfasst. 25 und ] ergänzt mit Lesarten anderer Hss 27–28 staunenswerte ] Die Hss haben keine Lesarten zu dem Adjektiv und zeigen so an, dass kein einziger Abschreiber hier eine Tautologie ’wunderbares Wunder’ verstanden hat, womit für дивно also vielmehr die Bedeutung ”auffällig, staunenswert” gesichert scheint; vgl. VI: 10 und VI: 55; die Etymologie von чудо ’Wunder’ (im transzendentalen Sinne) betont Iliev (2016).
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te Wunder, dass der Prophet Mahomed uns die gute Nachricht von Gott brachte und viele Menschen erfreute und wir halten alles gemäß dem Gesetz, nichts übergehend. 16. Aber ihr Christusanhänger, indem die einen das Gesetz eures Propheten so, die andern anders halten, wie es einem jeden von euch genehm ist, so lehrt ihr und handelt ihr”. 17. Auf das alles antwortete der Philosoph:”Unser Gott ist wie die Tiefe
28 gute Nachricht ] Sicher eine ironische Anspielung auf den Terminus ”Evangelium”. 29 erfreute ] übersetzt nach обради; viele Hss haben ”bekehrte” = обрати. 30 Christusanhänger ] Siehe zu dem ganzen Satz die Anm. zum Aksl. 30 Gesetz ] Unter ’dem’ Gesetz wäre das AT zu verstehen, wobei der muslimische Vorwurf an die Christen, den Wortlaut in der Überlieferung entstellt zu haben (weil sich keine Vorhersage Mohammeds findet), üblich ist. Aber unter dem Gesetz des ’Propheten’ wird man vielmehr das NT verstehen. 30 eures Propheten ] Die Apposition findet sich nicht in allen Hss; sie passt zur vorgehenden Rhetorik von ’Frohbotschaft (’Evangelium’). Aus christlicher Sicht ist Jesus der Sohn Gottes; nur aus islamischer Sicht kann er als ”Prophet” bezeichnet werden (’quia propheta et Dei servus fuit’ referiert Johannes von Damaskus (PG, 94: 766) die muslimische Ansicht). Der Autor von VC gibt die Rede der Moslems aus deren Perspektive wieder, wozu auch die abwertende Anrede ”Christusanhänger” passt. Es haben also nicht spätere Bearbeiter in 15 Hss mittels der Bezeichnung Jesu als ”Prophet” eine islamische Sicht in den Text gebracht (was auch unwahrscheinlich wäre), sondern vielmehr haben spätere Bearbeiter den Satz syntaktisch mißverstanden und zusammen mit der Apposition die islamische Polemik getilgt. 31 lehrt ] Übersetzungsvorschlag für dieses und das nächste Verb, siehe Kommentar zum Aksl. 32 Auf das alles ] Zur Übersetzung vgl. Kommentar zum Aksl. 32–33 Tiefe des Meeres ] Es scheint, dass Kyrill auf den Vorwurf laxer christlicher Lebensführung mit einer Metapher reagiert und also nicht direkt auf die Frage der Muslime eingeht. Kyrill antwortet aber ’auf das alles’, d.h. zu einem ganzen Fragenkomplex. Hier wie auch im folgenden dienen die Äußerungen der Muslime wie exemplarische Argumente für Themenkomplexe, welche Kyrill jeweils ausführlich abhandelt, was an den Stil von Gesprächsprotokollen erinnert, bei denen Fragen stichwortartig, Antworten aber ausführlich notiert werden. - Die (unermessliche) ’Tiefe’ (für gr. βάθοϛ wie Lk 5:4 bzw. LXX 68/ 69:3) ist ein oft verwendetes Prädikat Gottes; vgl. Johannes von Damascus ’veluti quoddam pelagus substantiae infinitum’ (Joannes Damascenus, 1995, 66) oder ’altitudo divitiarum sapientiae et scientiae Dei’ (Röm 11:33). Kyrills Antwort auf die Frage nach der Lebensführung beginnt also mit einem Prädikat Gottes und, wie das nächste Zitat zeigt, spezieller mit einem Prädikat der Hypostase des Sohnes. Zu ”Meer’ siehe nochmals VI:53.
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des Meeres, der Prophet nämlich sagt von ihm: 18. ’Wer wird seine Herkunft aussprechen? Sein Leben nämlich wird von der Erde genommen.’ 19. Um dieser Suche
33 Prophet ] Jes 53:8: την γενεάν αυτού τις διηγήσεται ότι αίρεται από της γης η ζωή αυτο = generationem eius quis enarrabit quia abscisus est de terra viventium; aus der Parömienlesung des Prophetologions am Mittag (”Sechste Stunde”) des Karfreitags, bezogen auf die Kreuzigung des Gottesknechtes Christus. VC reproduziert die alte aksl. Übersetzung ohne hoti recitativum; vgl. dagegen Turkonjak (2006, 1163): род же его кто исповѣстъ, ꙗко въземлется от земля живот его; anders die Russische Synodalübersetzung: ибо Он отторгнут от земли живых. Dass ausgerechnet Jes 53:8 zitiert wird, ist nicht beliebig. In der Kirchengeschichte des Theodoret († 466; dt. nach Rößler (1780, 18f.)) wird in der gegen die arianische Lehre erläuternd-paraphrasierenden Formulierung des Glaubensbekenntnisses genau dieser Vers eingefügt: Wir glauben ”an Einen Jesum Christum, den eingebornen Sohn Gottes, der nicht aus nichts worden, sondern aus dem wahrhaften Vater geboren ist, nicht in irgend einer leiblichen Art, durch Abreissung oder abgesonderte Ausflüsse, wie Sabellius und Valentinus meinen, sondern auf eine unaussprechliche und unerklärbare Weise nach dem Propheten: ’wer wird sein Geschlecht aussprechen.’ Die vernünftige Natur fasset die Erkenntnis der väterlichen Gotteszeugung nicht.” Die antiarianische Stelle bei Theodoret ist in VC quasi reproduziert und ist bezeichnend für eine Auffassung des Islam, der in der Tradition des Damaszeners (’De haeresibus’, PG, 94: 766) für eine arianische Abspaltung vom Christentum gehalten wird, wobei der Vorwurf des Arianismus (wegen der Bilderfeindlichkeit) im 9. Jh., etwa von Photios, auch an Ikonoklasten gerichtet werden konnte (Brubaker, 1999, 262). Auch in der Kirchengeschichte des Eusebius (Eusebius von Caesarea, 1989, 84) wird Jes 53:8 eingangs zitiert als Beleg für die doppelte Natur Christi (einerseits menschlich sterblich das ”Lamm”, andererseits göttlich der Schöpfer ohne ’Herkunft’), welche den Streitpunkt mit den Arianern bildet. - Jes 53:8 erscheint in Apg 8:33 als entscheidender Vers, dessen Verständnis zur Bekehrung des äthiopischen Ministers führt. Kontextuell liegt in VC die antiarianische Motivierung bei Theodoret bzw. Eusebius näher. 34 Suche ] Nämlich das Ergründen der doppelten Natur Christi.
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willen schiffen sich die Vielen ein auf die hohe See und die Starken im Geiste, indem sie mit seiner Hilfe Reichtum an Einsicht erwerben, schwimmen hinüber und kehren zurück, aber die Schwachen mühen sich gleichsam in morschen Schiffen zu kreuzen,
35 hohe See ] Die Stelle wird besprochen s. 20. - Temčin (2010, 14) vermutet eine in der slavischen Literatur zumindest seit dem 15. Jh. bezeugte Homilie des Pseudo-Chrysostomos als Quelle, welche die sichere Überfahrt der Gläubigen und den schiffbrüchigen Versuch der Ungläubigen thematisiert. Allerdings ist slav. Überlieferung für VC, also den Beginn der slav. Überlieferung, kein Argument; auch Theodor Studites thematisiert mit Ps 69:1 (Vulg.) Meer und Schiffbruch des Ungläubigen in seiner 4. Katechese (PG, 99: 514). ’Meer’ und ’Schiff’ haben einen sehr weiten biblischen (Ps 107: 23-29, Hiob 9:26, Prov 30:9, Offb 17:15) Resonanzraum, siehe zum Bild in VC bes. Ps 69:3 veni in altitudines maris et tempestas demersit me = Vulgata nach dem Hebr. (Clementina anders), ebenso LXX ἦλθον εἰς τὰ βάθη τῆς θαλάσσης καὶ καταιγὶς κατεπόντισέν με Rahlfs/Hanhart (2006, 70) bzw. Pietersma/Wright (2007, 580). Die Anfälligkeit der Existenz gegenüber den Versuchungen des Bösen ist dem ”Schiffbruch” gleich (Climacus, 1987, 64). Auch ekklesiologische Bedeutung ist im 9. Jh. möglich: ”Ob man einen ekklesiologischen Sinn des Schiffes vor Tertullian und Hippolyt von Rom annehmen kann ( … ) erscheint mir zweifelhaft, zumindest nicht sicher” (Goldammer (1950, 233), s.a. Goldammer (1941)), aber ab dem 4. Jh. bezeichnet Schiff in exegetischer Tradition von Mt 8:23-27 regelmäßig die Kirche: ’Ergo non turbatur haec navis in qua prudentia navigat, abest perfidia, fides spirat. Quemadmodum enim turbari poterat, cui praeerat is, in quo Ecclesiae firmamentum est? Illic ergo turbatio, ubi modica fides: hic securitas, ubi perfecta dilectio’; Ambrosius, Ad Lucam IV:70 (PL, 15: 1633), s.a. Dassmann (2004, 416)), ebenso Ambrosius in ’De Virginitate’ PL, 16: 297): ’navis Ecclesia est’. Die ekklesiologische Seefahrtsmetapher ist auch in der byz.-slav. Liturgie oft zu hören (Christians, 2012). - Für VC ist anzumerken, dass ’Frau’ (XV:13, in Referenz an Offb 2:4) als ekklesiologische Allegorie auftaucht. Es ist klar, dass die Kirche als Schiff nie Schiffbruch erleiden kann, weshalb ekklesiologische Bedeutung für ’Schiff’ bei vorliegender Metapher auszuschließen ist. 35 Starken im Geiste ] Kein Wortspiel, welches auch sachlich falsch wäre, mit den ”geistig Armen” (Mt 5:3), sondern der Plural ”Starke” nimmt Bezug auf Röm 15:1 мы силнїи (Turkonjak, 2006, 1798) = ῆμεῖϛ οἰ δυνατοὶ (Aland et al., 2012, 511) = wir ’Glaubensstarken’ (Bauer, 1988, 420). Zum Vergleich von Glaubensstärke und Seefahrt siehe auch Jak 1:6.
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die einen erleiden Schiffbruch, andere wiederum holen mit Mühe kaum noch Atem, von unvermögender Trägheit herumgeschaukelt werdend. 20. Eures ist schmal und bequem, welches jeder überspringen kann, klein und groß. 21. Es ist nämlich nichts außer menschlicher Gewohnheit, sondern was [ein jeder] tun kann. Überhaupt nichts hat er euch befohlen, 22. als er nämlich euch nicht Zorn und sinnliche Begierde einhegte, sondern gestattete, in welchen Abgrund er euch da werfen wird! 23. [Das] mag ein Nachdenklicher einsehen. 24. Christus [handelte] nicht so, sondern hat aus der
38 Schiffbruch ] Die Meeresmetapher erscheint bei Gregor von Nazianz, worauf Grivec/Tomšič (1960, 180) verweisen (wiederholt in KO, 3: 148)) und im abg. Text sogar eine rhythmische Struktur erkennen: ’Sed vivida atque acuta imago profundis maris in hac forma (quin etiam rhythmica) Cyrillo propria videtur’, was angesichts der Tatsache, dass bei Gregor das ’Meer’ in seiner Lyrik erscheint, nicht als Eigenleistung Kyrills bzw. des Autors von VC überzeugen kann. Die Schiffbruchmetapher ist biblisch (1Tim 1:19: περί την πίστιν εναυάγησαν = ’bezüglich des Glaubens Schiffbruch erleiden’), was etwa in der Ostroger Bibel nur undeutlich wiedergegeben wird als от вѣры отпадоша (Turkonjak, 2006, 1870), hat aber im Bildschatz der östlichen Väter (vgl. Lorenz (1979)) keinen Bezug zum Konzept ”Kirche als Schiff”, sondern verbleibt in der schon bei Johannes Klimakos zu beobachtenden Bezogenheit auf die (monastische) Einzelexistenz. Bei Johannes kann das Meer eine Metapher für geistige Erfahrung sein (”das geistige Meer beschiffen”) (Climacus, 1987, 43), obgleich er ansonsten das ”Meer” mit der unbeständigen Welt und den ”Hafen”, ähnlich wie später Gregor, mit Mönchstum bzw. Glaubensgewissheit assoziiert (siehe ebd. 63f.). Ebenso ganz in Bezug auf das Schicksal der Einzelseele mahnt der die Metapher öfters aufgreifende Chrysostomos, nicht ”an deiner Seele Schiffbruch zu leiden” (In Matthaeum homiliae VII, cap. 6). Die Metapher ’sich Gott anvertrauen = sich dem Meer anvertrauen’ ist so geläufig, dass sie Augustinus (PL, 35: 1747) ohne jeglichen seemännischen Kontext als Aufforderung zum Glauben benutzen kann: ”Cui dictum est, Naviga ne moriaris; et distulit?” Aber auch bei ein und demselben Autor ist die Metaphernsprache kontextsensitiv. So spricht Augustinus in der Schrift ’Contra Academicos’ vielfach vom Hafen des Wissens bzw. der Philosophie: ”the harbor of wisdom never gives entry to our divine spirit while it is united to our mortal bodies” (Augustinus, 1995, 1), was dann wiederum nicht zum Bild der Gotteserkenntnis als ’mutiger Ausfahrt’ passt, welches in VC gemeint ist. 39 Eures ] Kontextuell zu verstehen ist ’Euer Meer’. - Zum Gegensatz zwischen Meer und Pfütze (in Schleiermachers Übersetzung) siehe Platons Staat V: 454 (Apelt, 1988, 5: 182): ”mag einer in einen kleinen Schwimmteich (κολυμβήθρα) oder in das größte Meer fallen, schwimmen muß er in dem einen wie in dem anderen Fall.” Die Polemik, die Temčin (2010, 14) als den ”prinzipiellen Unterschied” zwischen seinem Quellennachweis und den Ausführungen von VC benennt, hat der Autor von VC vielleicht aus Platon genommen. Zu Platons Staat siehe auch XI:37. 39 schmal ] Übersetzt nach der Majoritätslesart. 42 euch ] Das Pronomen ist nach 16 Hss. zu ergänzen. 42 Begierde ] Anspielung auf die islamisch erlaubte Polygamie. 43 Abgrund ] siehe Komm. zum Aksl. 44 einsehen ] Der Satz kann alleinstehen (KO, 3: 124), MMFH, 2: 72)) kann aber auch zum Vordersatz gezogen werden ’in welchen Abgrund … werfen wird, mag ein Nachdenklicher einsehen’ oder, wie Kantor/White (1976, 17), oder als Einleitung des nächsten dienen: ”Let the sensible understand, that Christ …”. VI:22-23 erscheinen von Syntax her pragmatisch markiert.
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Tiefe das Schwere durch den Glauben und göttliche Energie heraufgeführt. 25. Der der Schöpfer von allem ist, hat den Menschen [vom Wesen in der Mitte] zwischen Engeln und Tieren geschaffen, durch Wort und Verstand vom Tier unterschieden, durch Zorn und Gier von den Engeln. Und welchem Teil sich einer nähert, an diesem dann nimmt er auch Teil, an den höheren [Wesen] oder an den niederen.” 26. Sie fragten ihn nun darauf: ”Wie ist es möglich, daß ihr, wenn Gott ein einziger ist, ihn in drei [Personen] verehrt? Sag, wenn du es weißt. 27. Vater nennt ihr [ihn] und Sohn und Geist. 28. Wenn ihr schon so redet, dann gebt ihm auch eine Frau, damit davon viele Götter erzeugt werden.” 29. Auf das alles nun antwortete der Philosoph: ”Sprecht nicht auf diese Weise eine Lästerung ungeordnet aus. 30. Wir sind nämlich gut belehrt von den Propheten und von den Patriarchen und von den Aposteln, die
45 Energie ] vgl. IV:8 45 heraufgeführt ] Die Metapher erinnert an das 16. Kapitel im 3. Buch des ’Hirt des Hermas’, wo die einzelnen Bausteine (vgl. 1Petr 2:5) zum Turm des Glaubens, der auf Wasser gegründet ist, aus der Tiefe hervorgehoben werden, wobei der Vorgang des Hebens aus dem Wasser die Taufe symbolisiert: ”Warum, Herr, kamen diese Steine aus der Tiefe und wurden in den Bau (des Turmes) gelegt, wenn sie doch Träger dieses Geistes waren? Sie mussten notwendig durch das Wasser emporsteigen, damit sie das Leben erlangten; denn sie konnten nicht anders in das Reich Gottes eingehen, als wenn sie die Sterblichkeit des [früheren] Lebens ablegten.” Speziell zur Steinmetapher vgl. Dostálová (2010). Die Allusion an den Hirt des Hermas gibt der Stelle einen konkreten Sinn; den Nachweis, dass der Hirt in dem Gespräch mit den Moslems einen konkreten Verständnishintergrund bildet, liefert VI: 54a. 46 zwischen ] Augustinus, De Civitate Dei, lib. 8, cap. 13: ”sicut homo medium quiddam est, sed inter pecora et Angelos; ut, quia pecus est animal irrationale atque mortale, angelus autem rationale et immortale, medius homo esset, inferior Angelis, superior pecoribus … ” (PL, 41: 267). Die in VC genannten Spezifika der Unterscheidung zum Tier, nämlich ’Wort’ und ’Verstand’, lassen sich der Passage aus Augustinus unmittelbar entnehmen, aber ’Zorn’ und ’Gier’ stehen nicht bei Augustinus, könnten sich aber in Predigten über die zugrunde liegenden biblischen Stellen (Ps 49: 20 und Hebr 2: 7) finden und erscheinen jedenfalls prominent im Hirt des Hermas (Hennecke, 1904b, 247 ’Zorn’ und 250 ’Habsucht’). 49 nimmt er auch Teil ] Beachte das sicher intendierte Wortspiel (sich einem der ’Teile’ [čęst’] einer Alternation zuneigen und daran ’teilhaben’ [pri-čęsti sę]); eigentlich wendet man sich nicht einem ’Teil’, sondern einer der ’Seiten’ bei einer Wahl zu. Auch im Gr. hört man eine (nicht etymologische) Alliteration von μέροϛ ’Teil’ und μετέχω (< μετα-έχω) ’teilhaben’, so dass das slav. Wortspiel nicht die Vorstellung, VC sei ursprünglich gr. geschrieben, hindert. 54 ungeordnet ] Zur Übersetzung siehe Kommentar zum Aksl. 55 Aposteln ] Es geht nicht allgemein um ’unsere Lehrer’ (MMFH, 2: 72), auf welche Kyrill in einem Disput mit Andersgläubigen rekurriert, denn daraus ergäbe sich der Zirkelschluß ’weil wir so lehren, lehren wir so’. Gemeint sind die Apostel und deren Mitarbeiter (Röm 12:7) und in deren Fortsetzung die Kirchenväter, denn Kyrills Argument umfasst das AT (Prophet, Patriarch) und das NT (Apostel), indem der Schriftbeweis der Dreifaltigkeit im AT (David, Abraham) topologisch präfiguriert und im NT (Jünger, Apostel) ausgesprochen wird, was genau das Argument gegen den ebenfalls das AT anerkennenden Islam darstellt; zur Anwendung siehe gleich VI: 31.
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Dreifaltigkeit zu verehren, den Vater und den Logos und den Geist, drei Hypostasen in einer Wesenheit. 31. Das Wort aber inkorporierte sich in der Jungfrau und wurde geboren um unserer Erlösung willen, wie auch Mohammed, euer Prophet, bezeugt, der so geschrieben hat: ’Wir sandten unseren Geist zu einer Jungfrau in der Absicht, dass sie gebäre’. 32. Aus diesem Grund mache ich euch Nachricht von der Dreifaltigkeit.” 33. Von diesen Worten getroffen wandten sie sich auf anderes, sprechend: ”Wie kommt es, wie du sagst, Gast, wenn Christus euer Gott sein soll, warum ihr nicht tut, was er gebietet? 34. Es ist nämlich in den Büchern des Evangeliums vorgeschrieben, für die Feinde zu beten, und den Hassenden und Verfolgenden Gutes zu tun und die Wange den Schlagenden hinzuwenden. 35. Ihr seid nicht so, sondern schärft die Gegenwehr gegen diejenigen, die euch solches tun.” 36. Gegen dies alles erwiderte der Philosoph: ”Wenn es zwei Gebote im Gesetz gibt, wer scheint dann das Gesetz zu erfüllen: welcher nur eines, oder wer beide bewahrt?” 37. Jene aber antworteten, dass der welcher beide. 38a. Der Philosoph aber sprach: ”Gott hat gesagt: ’Betet für die Beleidigenden.’ 56 Logos ] Dass Kyrill hier den ’Sohn’ mit dem ’Logos’ paraphrasiert, gibt den geistesgeschichtlichen Ort des Argumentes an, denn die in Sāmarrā wenige Jahre vor Kyrills Missionsreise verbotene islamische Theologenschule wäre genau darin mit der christlichen Auffassung vermittelbar gewesen, dass ’Logos’ wie ’Geist’ als Seinsweisen Gottes verstanden werden können. Vgl. aber auch IX:16. 56 Hypostasen ] Der gr. theologische Terminus auch im Aksl. 57 Wesenheit ] Der aksl. Terminus entspricht gr. ούσια bzw. lat. ’essentia’; der philosophische Terminus ist gegenüber dem geläufigeren ’tres personae - una natura’ gewählt. 59 geschrieben ] Konstantin spielt auf die mit Lk 1:26-38 zu vergleichende, im Koran Sure 19:17-22 beschriebene Verkündigung an Maria und die resultierende jungfräuliche Empfängnis an: ”Da sandten wir unseren Geist zu ihr. Er stellte sich ihr als wohlgestaltetes menschliches Wesen dar. (…) Sie sagte: ’Wie soll mir ein Junge gegeben werden, wo mich doch kein menschliches Wesen berührt hat und ich keine Hure bin.’ Er sagte: ’So wird es sein. Dein Herr sagt: ’Das ist mir ein leichtes, und damit wir ihn zu einem Zeichen für die Menschen und zu einer Barmherzigkeit von uns machen’. Und es ist eine beschlossene Angelegenheit.’ So empfing sie ihn und zog sich mit ihm an einen fernen Ort zurück.” Siehe auch Sure 3:38f und 45 mit der vermischenden Rekapitulation der Geburt des Johannes und Jesu. Vgl. auch X:21. 63 Gast ] Kyrill hat aus dem Koran zitiert, die Anrede wird freundlich. 63 soll ] Zur modalen Übersetzung siehe im aksl. Kommentar 64 Evangeliums ] wrtl. ’evangelische Bücher’, siehe Kommentar zum Aksl. 65 Feinde ] Mt 5: 44 ’Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und betet für die, die euch beleidigen und verfolgen’ (vgl. Lk 6: 27, 35). Die Folge ’Feinde - Hasser - Verfolger’ erinnert auch an Deut 30: 7: ”Und Jehova, dein Gott, wird alle diese Flüche auf deine Feinde und auf deine Hasser legen, die dich verfolgt haben.” 65 Hassenden ] Der Autor von VC hält sich bei Verwendung der Partizipien genau an den Bibeltext, wo ebenfalls Partizipien μισοῦσιν ’Hassenden’, καταρωμένους ’Verfluchenden’ und περὶ τῶν ἐπηρεαζόντων ’für die Misshandelnden’ verwendet werden. 65 Wange ] Mt 5: 39, Lk 6: 29 66 Gegenwehr ] wrtl. ’die Abwehrwaffe’; die dem Disputationsgegner in den Mund gelegte Wortwahl zeigt, dass der Autor von VC die folgenden Gegenargumente Kyrills nur für den Verteidigungsfall gewertet wissen will - was sie zumindest theologisch nicht besser macht. 70 gesagt ] Lk 6: 28; sachlich wird ein at Zitat als Beleg für das ’erste Gesetz’ erwartet, wo sich in Fragen der Feindesliebe mit Mühe anbietet Num 23: 11 bzw. 24: 10 ”Meine Feinde zu verwünschen, habe ich dich gerufen, und siehe, du hast sie sogar gesegnet, nun dreimal”.
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38b. Und dieser hat wiederum gesagt: ’Mehr von dieser Liebe kann keiner erweisen in diesem Leben, als wer seine Seele hingäbe für die Anderen.’ 39. Um der Anderen willen handeln wir so, dass nicht mit der körperlichen Gefangenschaft ihre Seele gefangen wird.” 40. Wiederum sprachen sie: ”Christus hat für sich und für andere eine Steuer bezahlt, wie aber führt ihr dann nicht dessen Werke aus? 41. Und wenn schon euch wehrend, wie dann solltet ihr nicht uns, diesem großen und wehrhaften ismailitischen Volk, wenigstens für eure Glaubensgenossen und Freunde zahlen?’ 42. Weniges erbitten wir, nur je ein Goldstück (pro Person), und solange die ganze Welt steht, bewahren wir Frieden untereinander wie denn kein anderer.” 43. Der Philosoph aber antwortete: ”Wenn einer in der Spur des Lehrers gehen will, gehe er in der Spur, in der auch jener (ging). Wenn nun ein Anderer, den er getroffen hat, ihn abbringt, ist der ihm ein Freund oder ein Feind?” 44. Es antworteten nun diese: ”Ein Feind.” 45. Der Philosoph 71 dieser ] Sachlich ist mit dem mask Pron ”dieser” die Sohneshypostase gemeint, man erwartet nun ein Zitat aus dem NT, dem ’zweiten Gesetz’. 71 gesagt ] Joh 15:13 ’ Größere Liebe hat niemand, als diese, daß jemand sein Leben läßt für seine Freunde.’ 73 Gefangenschaft ] In CH fehlt das Nomen irrtümlich, aus 15 Hss zu ergänzen. - Das Argument, das als Antwort auf die muslimische Frage die Anwendung von Gewalt zumindest zur Verteidigung rechtfertigt, ist problematisch. Das (Ab-)töten böser Körper, die solcherart am Sündigen gehindert werden, sodass ihre Seele erlösungsfähig bleibt, mag die Behandlung des eigenen Körpers in der mönchischen Askese legitimieren, wird aber auch die Kreuzzugrhetorik des Bernhard von Clairvaux noch bestimmen. - Bemerkenswert ist, dass der Autor von VC in diesem Abschnitt an der Aufgabe versagt, die Aussagen der zwei Gesetze AT und NT zu parallelisieren; nach der Ankündigung (VI: 36) dieser die christliche Exegese des AT und auch die Islamdebatten prägenden schematischen Figur (Erstes Zitat AT [38a], zweites Zitat NT [38b], Synthese [39]) wird de facto nur das NT zitiert. 75 bezahlt ] Mt 22:21. Auf die Frage der Juden, ob man der römischen Besatzungsmacht Steuern zahlen solle (positive Antwort = Kollaborateur, negative Antwort = politisch denunzierbar) antwortet Jesus: ”Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.” Der Kontext der Fangfrage aus dem NT ist zwischen den Disputanten vorausgesetzt, es geht nicht darum, ob Steuern zu bezahlen sind, sondern wem man sie zahlen soll, und Kyrill formuliert diplomatisch, dass man Feinden keine Steuern bezahlt. 76 euch ] Gemeint ist: die ihr im byz. Reich lebt 77 ismailitischen ] Die Rückführung auf Ismail, den Sohn Abrahams und der Hagar, wird in der nachkoranischen Tradition vor allem in Genealogien Nordarabiens betrieben; es handelt sich um eine muslimische Eigenbezeichnung; (Bearman et al., 1960-2005, 4: 185). 77–78 wenigstens ] Zur lexikalischen Begründung für ’wenigstens’ vgl. den Kommentar zum Aksl. 79 Goldstück ] Verlangt wird eine Goldmünze, und zwar ein Dīnār (Bearman et al., 1960-2005, 2: 297ff.). Die Berechnung in Dinaren kommt bei offiziellen Geschenken zwischen Byzanz und der muslimischen Welt vor (Laiou/Morrisson, 2007, 53), während die Kopfsteuer für Nicht-Muslime in arabischen Quellen mit Dirhams angegeben ist (Glei/Khoury, 1995, 14); im Falle der Unterwerfung Georgiens wird ”a tax on Christians of one denarius annually per household” ausgemacht (Rayfield, 2012, 55). - Die auch von den christlichen Staaten teilweise kopierte, erfolgreich im Umlauf befindliche arabische Währung ist die Silbermünze Dirham (Bearman et al., 1960-2005, 2: 320) und die nach ihrem Vorbild geprägte byz. Silbermünze Miliaresion (Laiou/Morrisson, 2007, 85) hat im Lauf des 8. Jhs. die früheren byz. Goldmünzen im Umlauf verdrängt. Die Einführung von Silberwährung war für Byzanz auch aufgrund des Verlustes von Goldminen in Anatolien und Bulgarien nötig geworden. Wäre hier die byzantinische Goldmünze, das Nomisma, gemeint, entspräche ein Goldstück im Jahre 709 etwa dem halben Monatslohn eines Schiffszimmermanns; (Ostrogorskij (1932, 295, s. a. Anm. 2)).
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aber sprach: ”Als Christus Steuer bezahlte, wessen Herrschaft war da, die ismailitische etwa oder die römische?” 46. Es antworteten nun diese: ”Die römische.” 47. Er aber sagte: ”Daher ist kein Anlass uns zu tadeln, denn alle Abgaben zahlen wir den Römern.” 48. Nach diesem nun fragten sie ihn viele andere Fragen, indem sie [ihn] aus allen Wissensgebieten versuchten, welche sie auch selbst beherrschten. 49. Er aber sagte ihnen alles, welches sie auch in diesen [Dingen] überzeugte. 50. Sie sprachen zu ihm: ”Warum bist du in allen diesen Dingen kundig?” 51. Der Philosoph aber sprach: ”Ein Mensch schöpfte Wasser im Meer, trug es in einem Schlauch und brüstete sich, sprechend zu den Fremden: ’Seht ihr das Wasser, was keiner außer mir besitzt?’ 52. Ein Mann, der von der Küste hinzukam, sprach zu ihm: ’Behauptest du das etwa tatsächlich, dich nur wegen des stinkenden Schlauches rühmend, aber wir haben davon ein tiefes Meer?’ 53. So aber sprecht auch ihr, denn von uns sind alle Künste ausgegangen.” 54a. Und nach diesem zeigten sie ihm, während sie Wunderbares vorgaben, einen
84 Herrschaft ] Folgt den 15 Hss mit ’Herrschaft’ statt in CH ’Kaisertum’. 85 etwa ] Folgt der großen Majorität der Hss mit der eingefügten Fragepartikel ли; gibt Konstantins Rede eine ironische Färbung. 86 uns ] Der korrekte Kasus des PersPron in 10 Hss bezeugt; mit Dativ wie in CH ergäbe sich die sinnlose Lesart: ’Daher gehört es sich nicht für uns zu tadeln … ”. 87 Römern ] Wobei in diplomatischer Form inkludiert ist, dass die Araber, welche die Abgabenzahlung von den Römern auf sich umlenken wollen, also Feinde sind. 91 kundig ] Wörtlich: ’Wie vermagst du dieses alles?’ 92 Schlauch ] Ps 33:7: συνάγων ωσεί ασκόν ύδατα θαλάσσης τιθείς εν θησαυροίς αβύσσους ’bringend wie in einem (ledernen) Schlauch zusammen die Wasser des Meeres, einlegend in (Schatz-) Kisten [die Wasser] der Tiefen’. 94 etwa ] Zur Übersetzung vgl. Kommentar. zum Aksl. 96 uns ] Ševčenko (1964, 230) versteht das Personalpronomen ”uns” als ’wir Griechen’, während die Erwähnung von ”Meer” im Satz zuvor, verglichen mit VI:17, auch die Deutung ”wir Christen” zuläßt. Die Deutung des PersPron als Ausdruck christlicher Identität muß nicht unbedingt mit den gleich erwähnten ”Künsten” kollidieren, welche zwar von den griechischen ’Weisen’ erfunden wurden, die aber von Christus nichts wissen konnten und als ’Christen vor Christus’ in einer Grauzone als ”nicht approbiert, nicht verworfen” (Kahl (2011, xxviii), vgl. auch Marenbon (2012)) rezipiert werden, später sogar (Kazakova, 1961) auf Ikonen erscheinen. Jeder ma Autor erklärt, dass das heidnische Wissen erst im Lichte der Bibel zu seiner vollen Wahrheit fähig werde.
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Weinberg, der einst gepflanzt worden war in überwucherter Erde, dass er ihnen sage, wie dies zu geschehen pflege. 54b. Danach zeigten sie ihm den ganzen Reichtum und die mit Gold und Silber und
99 sage ] Die ganze Stelle hat viele Spekulationen hervorgerufen, da man nicht sah, was das Wunderbare an dem Weinberg sei. Kyrill wird hier aber nicht mit einem ’ungepflanzten’ (so wollte man sich retten, indem man eine Verschreibung im aksl. Text annahm) und dennoch wunderbarerweise blühenden Weinberg konfrontiert. Es geht vielmehr um ’Das Gleichnis von dem fleißigen Arbeiter im Weinberge’, und zwar nicht nach dem NT (Mt 20: 1-16), sondern nach der Version im ’Hirt des Hermas’ aus dem 2. Jh., der im 2. Kapitel des 3. Buches ein an das NT angelehntes Weinberg-Gleichnis erzählt und es im 5. Kapitel erläutert. Die Pointe bei der Fassung des Hermas liegt darin, dass der Herr einem Sklaven das Umzäunen eines Weinbergs aufträgt und ihm dafür über ein Jahr die Freilassung verspricht. Der Sklave zäunt den Weinberg wie befohlen ein, sieht dann aber, dass dieser von Unkraut völlig überwuchert ist (βοτανῶν πλήρη ὄντα) und jätet ihn noch zusätzlich aus. Wie der Herr nun nach dem Jahr zurückkehrt, wird der Sklave nicht nur freigelassen, sondern zum Lohn auch am Erbe des Sohnes beteiligt. Erklärung: ’ Der Acker ist diese Welt; der Herr des Ackers ist der Schöpfer aller Dinge, der sie vollendet und befestigt hat; [der Sohn ist der Heilige Geist;] der Knecht ist der Sohn Gottes; die Weinstöcke sind dieses Volk, das er selbst gepflanzt hat; die Umzäunungen sind die Engel des Herrn, die sein Volk beherrschen; das Unkraut aber, das aus dem Weinberg herausgerissen wurde, das sind die Sünden der Diener Gottes.’ (Hermas, 1918), siehe auch Hennecke (1904b, 261-263). Das Lexem ’überwuchern’ (siehe Kommentar zum Aksl.) ist der Nachweis darauf, dass der ’Hirt des Hermas’ für diese Passage das Hintergrundwissen darstellt. Die Moslems provozieren Kyrill ironisch im Sinne ’Als Christ kennst du dich mit überwuchterten Weinbergen aus, also mach dich an die Arbeit ...’ - Der ’Hirt’ wurde eine Zeit lang für kanonisch erachtet und ist jedenfalls ein populäres Werk, das schon VI:24 den Verständnishintergrund bilden dürfte. Der ’Hirt’ wird mit dem 3. Jh. ”no longer considered authoritative so as to be placed with the accepted books, but it is still popular and used for catechesis in some churches” (Baker, 2006, 20), so dass die Lektüre des Werks im 9. Jh. erwähnenswert ist. - Satz 54a hat keine narrative Funktion (es sei denn als Charakterisierung eines spöttisch-aggressiven Tons der Moslems) und berichtet ein sehr spezielles Argument, das aber weder kontextualisiert, noch dialogisch dargestellt wird. Es ist wie ’der Vollständigkeit halber’ angeführt. Dies läßt vermuten, dass sich auch der Bericht über die Arabermission auf Gesprächsprotokolle für den späteren Bericht vor dem Kaiser stützt, wie dies für die Chasaren- (X: 95) und die Slavenmission (XV:10 - die verstümmelte Wiedergabe lateinischer Argumente) für gesichert gelten kann. 101 Reichtum ] Dvorník (1933, 99f.): ’On comprend que les Arabes aient présenté aux Grecs le rapide développement de Sâmarrâ avec ses jardins et ses palais magnifiques comme un miracle qui les aurait presque fait sortir de terre. C’est dans ce sens qu’on doit interpréter les mots énigmatiques de la Légende.’ Dvorník hat recht, auf die historische Tatsache des wirtschaftlichen Aufblühens Samarras hinzuweisen, doch als theologisches Argument verbirgt sich dahinter die muslimische Selbstrechtfertigung, dass der Islam offensichtlich den anderen Religionen überlegen sein müsse, da sich sein Machtbereich ja ausbreite.
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Edelstein und Perlenschmuck versehenen Tempelchen, sprechend: 55. ”Siehst du, Philosoph, das staunenswerte Wunder, die große Macht und den vielen Reichtum des Amerumnes, des sarazenischen Herrschers.” 56. Er aber sprach zu ihnen: ”Das ist nicht staunenswert, Gott sei Ehre und Preis, der dies alles geschaffen und es den Menschen zur Erbauung übergeben hat; dessen sind diese Dinge, nicht eines andern.” 57. Zuletzt zu ihrer Bosheit zurückgekehrt seiend, gaben sie ihm Gift zu trinken. 58. Doch der barmherzige Gott, der da sagt ’Wenn ihr auch etwas Tödliches trinkt, soll es euch nicht schaden’, rettete auch diesen und führte ihn in seine Heimat gesund zurück. 102 Tempelchen ] Im aksl. Diminutiv, nämlich aus Sicht des Byzantiners, der in der Hagia Sophia den größten Kuppelbau der Welt besitzt. 103 staunenswerte ] Zur Wortbedeutung siehe im dt. Kommentar zu VI:14 104 Amerumnes ] Gr. ’ἀμερμουμνῆς’ bedeutet ’Kalif’ (MMFH, 2: 74); gemeint ist wahrscheinlich al-Ma’mūn (Kalif von 813-833), der sich aktiv am Aufstand des Thomas beteiligte (s. S. 61) und zu dem der Patriarch Johannes Grammatikos (VC V) mehrere Gesandtschaften schickte (Lilie et al., 2013). Die Araber loben gegenüber dem kaiserlichen Gesandten Konstantin ausgerechnet einen Kalifen, der die kaiserliche Macht usurpieren wollte, Kyrills Antwort fällt wegen dieser Provokation eher schroff aus. - Ein Wortspiel des Eigennamens mit gr. μαμωνᾱϛ ’Besitz’ ergibt sich nur im Deutschen (’Mammon’) und lag dem gr. Autor von VC sicher fern. 107 Zuletzt ] Siehe Komm. zum Aksl. Zu erwägen ist die Übersetzung: ’sehr mürrisch’, was angesichts der Antwort Kyrills im vorigen Satz motiviert wäre. 107 Bosheit ] Wohl für gr. πονηρία wie Lk 11:39; im Zusammenhang mit dem Verb ’zurückkehren’ darf auf die Vita des Protomärtyrers Stephanus hingewiesen werden, wo am Ende des Disputes die jüdischen Gegner, weil sie den Heiligen nicht argumentativ überwinden konnten, zu ihrer ’Bosheit zurückkehrten’ (Voragine, 1979, 61) und ihn steinigten. Die Parallele zu VC, was die Platzierung der Formulierung am Ende des Disputes betrifft, ist offensichtlich. - Das Epitheton ”Bosheit” im Zusammenhang mit Moslems nochmals XI:21. 108 sagt ] Mk 16:18 109 diesen ] Das Demonstrativpronomen ist stilistisch auffällig und präsupponiert einen Vergleich mit anderen, die ebenfalls Gift zu trinken hatten. Möglicherweise (ich kenne keine Angaben zur Abfassungszeit) liegt eine Referenz vor auf die Vita des orthodox am 23.5. gefeierten Mönches Michail aus dem Kloster des hl. Savva, der sich der Konvertierung zum Islam widersetzte, darauf Gift trinken musste, dieses aber unbeschadet überstand und im 9. Jh. durch Enthauptung den Märtyrertod fand. Ebenso wird in der Vita des hl. Johannes ein Disput mit dem Götzendiener Aristodemus berichtet, der schließlich sagt: ”Ich will dir Gift zu trinken geben, bringt dir das keinen Schaden, so will ich glauben, dass dein Gott der wahre Gott ist” (Voragine, 1979, 70). Das Motiv des Gifttrinkens kann als hagiographischer topos gelten, nämlich als Realisierung von Mk 7:15 (’Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen … ’), solcherart im Kontext von Konversionsaufforderungen die innere Überlegenheit des Christen demonstrierend. Neben theologischer Bedeutung muß leider Tötung im Kontext von Konversionszwang als Realität des 9. Jhs. gesehen werden, denn es war dem Autor von VC bekannt, dass Kriegsgefangene, die sich der Konvertierung zum Islam widersetzten, mit ihrer Ermordung zu rechnen hatten: ”Il existe un certain nombre de textes relatant ce martyre, dont quatre datent du IXe siècle” (Sypiański, 2016, 290). Neben konkreten Gewalterfahrungen war in Byzanz übrigens der Koran in gr. Übersetzung mit den bekannten Tötungssuren in Bezug auf Nicht-Muslime bekannt. Warum sollte der Autor von VC zeitgenössische Erfahrungen und das Gewaltpotential des Islam nicht ansprechen? Eher unwahrscheinlich rationalisiert Tachiaos (2005, 50) die ”seltsame Geschichte”, da ihm ein Anschlag seitens der Araber auf einen byzantinischen Repräsentanten im Kontext einer offiziellen Mission unglaubhaft erscheint und daher eher an eine Lebensmittelvergiftung zu denken sei, welche Außenstehenden wie die Folge einer versuchten Vergiftung erschienen sein könnte. In jedem Falle ist aber die literarische Formung, dass die Reise zu den Arabern mit Gewalt gegen Andersgläubige beginnt (VI:10-13) und endet, nicht zu übersehen.
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VII 1. И пакы не по мнѡзѣ врѣмени ѡтрек’ се въсего житїа сего, сѣде на ѥдиномь мѣстѣ без мльвы и себѣ самомꙋ тъкмо вънемлѥ и на ѹтрѣш’ни дьнь ничесоже не ѡставлꙗѥ, нъ нищїимь раздаваѥ все и на бога печаль възмѣтаѥ, иже се на въсакь дьнь ѡ всѣхь печеть. 2. единою же на светыи дьнь слѹзѣ ѥмѹ тѹжещꙋ, ꙗко ’ничесоже не имамыи на сици дьнь чъстьнь’, он’ же рече ѥмѹ: ”прѣпитѣвыи иногда Израильтѣни въ пꙋстыни, тъ имать и намь зде дати пищꙋ; нъ шьдь призови понѣ петь нищїихь мѹжь, чаѥ божїе
1 житїа ] 4: живота 2 ѥдиномь ] Die Verwendung des Adjektives ”einzig” in der Bedeutung ”einsam, verlassen” entspricht der gr. Verwendung von μόνοϛ (Bauer, 1988, 1068); Gräzismus gegenüber den auf die Zahlbedeutung ’eins, einig, einzig’ beschränkten ѥдинъ/ ѥдьнъ (CVB, 799, 801). 2 без мльвы ] 3: безмлъвнѣ 2 вънемлѥ ] Übersetzt gr. προσέχειν (CVB, 146), hier aber gräzisierend (Bauer, 1988, 1430) mit dem Dat konstruiert. 2 ѹтрѣш’ни ] 15: ѹтрїи 3 не ѡставлꙗѥ ] 1 add.: оть ихьже томꙋ на пищꙋ тѣлеснꙋю обрѣсти, когда ѹлꙋчааше что 3–4 печаль възмѣтаѥ ] надеждꙋ възлагаѥ, 1: печал возлагаше 4 се ] 15 add.: всѧми 4 на въсакь дьнь ] Der Akk. in temporalem Sinne mit der Präposition на zeigt gewöhnlich auf einen Zeitraum (на лѣта многа = ’auf viele Jahre’, CVB, 344)); hier ist die gr. Konstruktion κατὰ πᾶσαν ἡμέραν = ’an jedem Tag’ (Apg 17:17) nachgeahmt. 4–5 единою же на светыи дьнь ] 1: на светыи нѣкоторы же день, 1: на светы день нѣкоторыи; archaischer absoluter Instr zur Bildung eines Temporaladverbs. 5 слѹзѣ ] Gräzismus; gr. παῖϛ ”Knabe, Jüngling’ hat kontextuell oft, ”wobei eine sichere Entscheidung kaum möglich” (Bauer, 1988, 1224) ist wie in Apg 4:25 ὁ διὰ στόματος Δαυὶδ παιδός σου εἰπών ’durch den Mund Davids, Deines Knechtes sprechend’, die Bedeutung ’Knecht’. Zugrunde liegt hier das Konzept, dass der erfahrene Mönch Kyrill in seiner Klause (Skite) mit einem jüngeren Mönch in einem Lehrer-Schüler-Verhältnis lebt. Als (nicht-biblischer) Gräzismus kommt vielleicht noch ἀκόλουθος (’Helfer’ als unterster kirchlicher Rang) als Vorlage für aksl. слуга in Betracht, was aber wie gr. διάκονοϛ, das speziell im Kontext von Mahlzubereitungen erwartbar ist (Bauer, 1988, 369), als bekannte kirchliche Dienstbezeichnung wohl nicht übersetzt worden wäre und der Akolyth wie der Diakon hätten beide auch eher zu помощникъ ’Helfer’ o.ä. geführt. 5 ѥмѹ ] 16: его 5 ꙗко ] Das sog. ’jako recitativum’, welches wie im Gr. (Daiber, 2013b) auch im Ksl. direkte Rede einführt, aber nicht als wörtliche Wiedergabe einer Äußerung, sondern vielmehr als das, was typischerweise in einer gegebenen Situation gesagt wird (Daiber, 2013a). 5 имамыи ] Slav. Neuerung (wie etwa im Polnischen) der Endung der 1PsPlPraes (Aitzetmüller, 1991, 178)? Sehr viel wahrscheinlicher: beim Kopieren nach Diktat entstandene Synkope für ’imamъ my’. 5 сици ] съи (KO, 3: 95); сицевъ (MMFH, 2: 75); nimmt man die Schreibung von CH ernst, liegt bestimmte Deklination des i-stämmigen Adjektives vor: *сиц-ь-и, was zu der Schreibung von CH führen kann. Die Deklinationsklasse ist sicher zeitgenössisch noch in Gebrauch. 6 Израильтѣни ] 10: ıисраильты; die Lautung von CH ist ursprünglich, nämlich Suffix -ěn- für Völkernamen im Gegensatz zu Suffix -jan- für Einwohnernamen bewahrend (Aitzetmüller, 1991, 105). 7 понѣ ] zur Bedeutung siehe VI: 41
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помощи”. 3. ꙗко бысть обѣднїи часъ, абїе присе мѹжь врѣме въсакоѥ ꙗды и ı҃ златикь. 4. и богѹ хвалѹ въздасть о в’сѣхь сихь. 5. въ Олимьб’ же шьдь къ Мефодїю братꙋ своѥмѹ начеть жити и молитвꙋ творити бес прѣстанїа къ богꙋ, тъкмо книгами бесѣдꙋѥ.
8 обѣднїи часъ ] 15: обѣднѧꙗ година (davon 1 add. in margine: времѧ); der Gebrauch von aksl. часъ ’Zeit’ in der Bedeutung ’Stunde’ motiviert die Lesarten mit година ’(Essens-) Stunde’ oder времѧ ’(Essens-) Zeit’; siehe aber den Bedeutungsumfang von gr. ’Stunde’ (ὥρα) als auch ’Tageszeit’ und ’festgesetzte Zeit’ (Bauer, 1988, 1787-1789) bzw. von ’(passende) Zeit’ (καιρόϛ) (ebd. 800-803), welch letzteres oft von aksl. часъ übersetzt wird (CVB, 776). Die von der aksl. Polysemie von часъ irritierten Lesarten stellen sich als sekundär dar. Vgl. XV:2. 8 присе ] Omnes praeter CH: принесе 8 мѹжь ] 3: нѣкто мѹжь, 2: мѹжь нѣкыи 8 врѣме въсакоѥ ꙗды ] 8 pro въсакоѥ: всеа, 5: времѧ полно ꙗди всеѧ. Die Bedeutung von въсакъ im Sinne der Beschaffenheit ’vielerlei’ (Aitzetmüller, 1991, 125) ist ursprünglich und im Gegensatz zu quantifizierendem ’alles’ der Lesarten auch sinnvoll. 9 златикь ] 17: златникъ 9 богѹ хвалѹ въздасть ] Entspricht wrtl. dem gr. δόξαν δίδωμι θεῷ ’Ehre geben dem Gott’ = ’preisen’ (Bauer, 1988, 387). 10 Олимьб’ ] 6: елимъ, 2: олимпъ, 2: олигъ 10–11 начеть жити и молитвꙋ творити ] 2: тамо живѣше и молитвѹ творе 11 бес прѣстанїа ] 15: беспрестани 11 къ ] Es ergibt sich die Konstruktion творити къ ’machen zu jemandem’, die bei Auffassung des Verbs als verbum dicendi völlig problemlos ist. 11 книгами ] Komitativ? 11 бесѣдꙋѥ ] 4 add. VII:6: богꙋ нашемꙋ слава, 1 add. VII: 6: богꙋ нашемꙋ слава всегда и нынѣ, 1 add. VII: 6: и всꙗ жытеискаꙗ отвергъ славꙗше отца и съıна и свꙗтаго дꙋха, 1 add. VII: 6: нощь ѹбо и дьнь вынѹ съ братомь своимь въ сихь ꙋпражнꙗаше се [zur Bedeutung des Verbs vgl. L’vov (1971, 81)], и сице свое житїе чъстнѣ ѹправлꙗе и въсхожденїа же въ сръдци своемь полагае и къ трѹдомь же трѹды прилагае, велми еже по боѕѣ въ добродѣтѣлѥхь прѣдѹпѣвааше, нъ о сихь ꙋбо нынꙗ въселико.
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VII 1. Und wenige Zeit darauf entsagte er dieser ganzen Welt, an einem einsamen Ort ohne Unruhe sitzend und nur auf sich selbst den Sinn richtend, nichts für den morgigen Tag zurückhaltend, sondern alles den Armen verteilend und auf Gott die Sorgen werfend, der sich an jedem Tag um alle kümmert. 2. Als ihm an einem Feiertag sein Schüler im Vertrauen klagte ’wir haben nichts für einen solchen Ehrentag’, sagte er ihm: ”Der einst die Israeliten in der Wüste reichlich nährte, der wird auch uns hier Nahrung geben. Doch geh und lade mindestens fünf arme Männer ein, Gottes Hilfe erbittend.” 3. Als die Essenzeit herankam, brachte plötzlich ein Mann eine Ladung allerlei Essens und acht Goldstücke. 4. Und er [Kyrill] pries Gott über diesem allem. 5. Nachdem er auf den Olymp zu seinem Bruder Method gegangen war, begann er 2 Unruhe ] Dvorník (1933, 133) bringt den erneuten (vgl. IV:17) Rückzug Kyrills mit den Unruhen von 855/ 856 in Verbindung. Am 20. November 855 ließ Bardas den Mitregenten Theoktistos ermorden und bedrängte den noch jungen Kaiser Michael III., seine Mutter Theodora II. und ihre Töchter wohl Anfang 856 in Klosterhaft zu verwahren (Mathews (1876, 297) hat irrig ”857”). VI:5 legt nahe, dass Kyrill nach Ermordung des Theoktistos aufgebrochen ist und bei seiner Rückkehr mit der Entmachtung der Theodora konfrontiert war. Theoktistos hatte Kyrill zur Gesellschaft des Prinzen (III:27) bestellt, was sicher nicht ohne Zustimmung der Theodora geschehen war. Kyrill verlor also neben seinem Gönner Theoktistos auch seine Mentorin Theodora am Kaiserhof, was seinen Rückzug aus der Öffentlichkeit erklären kann. 3 morgigen Tag ] Mt 6:34 3–4 die Sorgen werfend ] 1Petr 5:7, Ps 55:23 4 an jedem Tag ] vgl. Mt 28:20 (’alle Tage bis an der Welt Ende’), eine genaue biblische Entsprechung ist nicht zu finden, der Verweis bei Grivec/Tomšič (1960, 182) ist den Textstellen nicht genau zugeordnet. Im ’Hirt des Hermas’ (Hennecke, 1904b, 242) (vgl. VI: 54a) wird 1Petr 5:7 zweimal zitiert im futurischen Kontext, wenn ’ihr die künftigen Tage eures Lebens dem Herrn untadelhaft dient’. 5 Schüler ] Auch wenn alle Übersetzungen hier in wörtlicher Übersetzung des Aksl. von ’Knecht, Diener’ sprechen, ist es eher unwahrscheinlich, dass Kyrill einen Bediensteten im Sinne eines Angestellten gehabt hätte. Vielmehr liegt ein Gräzismus vor, bei welchem sich der Schüler als ’Knecht’ des Meisters begreift; vgl. Komm. zum Aksl. - Zur Geschichte selbst vgl. in der Vita Jodoci (um 800) den Bericht, dass der Heilige gegen die Bedenken seines Schülers (discipulus) ihrer beider ohnehin schon zur Neige gehende Nahrung an vier Bettler hintereinander aufteilt, worauf, als den zwei Mönchen nichts mehr übrig blieb, vier Schiffchen (quattuor naviculae, zweite Bedeutung ”Weihrauchschiffchen”) mit Speise beladen erscheinen (Trier, 1924, 24f.). Der auch für VC als Verständnisintention anzunehmende topos zielt darauf, dass der Mensch nicht von Brot alleine lebt (5Mos 8:3, Mt 4:4) und der Gläubige (δοῦλοϛ!, pars pro toto Lk 2:29) sich darüber keine Sorgen (Mt 6:25) machen muss. 5 im Vertrauen ] Vgl. Komm. zum Aksl. XVII:12. 6 Israeliten ] vgl. Exodus 16: 1-36 7 geh und ] Wrtl.: ’Gegangen seiend lade … ’: Nachahmung der gr. Bibelsyntax. 7 mindestens ] Es gibt natürlich keinen Grund, genau ’fünf’ Arme einzuladen, weshalb auch Grivec/Tomšič (1960, 182) ”saltem” = ’wenigstens’ einsetzen. Die Bedeutung ’wenigstens, mindestens’ ist überall in VC anzunehmen; siehe Kommentar zum Aksl. 9 Goldstücke ] Siehe Anm. zu VI: 42. 10 Olymp ] Method befand sich laut L’vov (1971) seit etwa 840 als Mönch und schnell auch als Abt in dem Olymp genannten Kloster auf dem asiatischen Ufer des Marmarameeres; wahrscheinlicher ist aber wohl, dass auch Methods Rückzug aus der Politik in ein Kloster etwas mit den Ereignissen des Jahres 856 zu tun hat. Beachte, dass Kyrill zuerst offenbar privat wohnt und Schüler empfängt, ehe er in das Kloster auf dem Olymp geht, als ob dies mit der Ankunft Methods zu eben dieser Zeit zusammenhinge.
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[dort] zu leben und ohne Unterbrechung ein Gebet zu Gott zu sprechen, sich nur mit den Büchern unterhaltend.
11 ohne Unterbrechung ] Das ab dem 5. Jh. nachweisbare unablässige Gebet der östlichen hesychastischen Mönche ist u.a. in der ’Leiter’ des Johannes Climacus (Sprosse 15) als μονολόγιστοϛ Ἰησοῡ εὐχὴ (PG, 88: 889) dokumentiert und wird in der zehnten der ’Collationes patrum’ des Cassian auch in die Westkirche transportiert, wo es als Psalmvers 69(70):2 bestimmt ist (PG, 49: 832). 12 unterhaltend ] Vgl. III:17; Lesen heißt in der Antike, die eigene Stimme den Buchstaben des Anderen zu leihen, um sich so mit dem abwesenden Autor, als wäre es ein mündliches Gespräch, zu unterhalten. - Interessanterweise haben viele Hss hier das Bedürfnis, durch eine formelhafte Wendung (’Gott sei Ruhm und Ehre’) eine starke Zäsur im Textaufbau zu setzen. Eine Hs (V, siehe S. 11) hat einen Zusatz, der möglicherweise antilateinisch den filioque-Streit thematisiert, indem die drei Personen der Hypostase explizit aufgezählt werden (”Und alles Weltliche abgeworfen habend lobte er den Vater und den Sohn und den hl. Geist”); man denke daran, dass auch VM mit einem deutlich die filioque-Problematik thematisierenden späteren Vorwort versehen wurde. Eine weitere Hs (Sigle G bei Grivec/Tomšič) hat einen noch längeren Zusatz mit auktorialer Erzählinstanz, die sehr von mönchisch-hesychastischer Empathie (wohl der des Kopisten) getragen ist: ”Die Nacht aber und den ganzen Tag oblag er zusammen mit seinem Bruder dem Studium in diesen [Büchern.], und solcherart sein Leben würdig führend und also Erbauung in sein Herz legend und zu [mönchischen] Mühsalen Mühsale legend, gründete er sehr fest seine Hoffnung, was die von Gott gewirkten Wohltaten betrifft. Aber von diesen Dingen denn nun ausführlich.” - L’vov (1971) meint, dass aufgrund der Mehrdeutigkeit des aksl. Wortes für ’Buch’, welches auch ’Buchstaben’ bedeuten konnte, hier davon berichtet werde, wie Kyrill und Method ’sich mit Schriftlichkeit beschäftigten’ und es läge in dieser Episode die biographisch richtige Stelle für die Erfindung der slav. Buchstaben. Aufgrund des stilistisch abweichenden Charakters der Stelle und der sekundären Bezeugung halte ich diese Interpretation für etwas weit hergeholt.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
VC VIII 1
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VIII 1. Прїидоше же сьли къ царѹ ѡть Козарь, глаголюще ꙗко ”испрьва ѥдиного бога знаѥмь, иже ѥсть надь въсѣми, и томѹ се кланꙗѥмь на въстокь”, да ѡбычаѥ стѹдныѥ ины дрьжеще. 2. Ѥвреи же ѹсте ны вѣрꙋ ихь и дѣтель прїети, а Срацины ѡть дрꙋгѹю странꙋ мирь дающе и дары мнѡ-
1 сьли ] 11: посли, 2: посланници 1 царѹ ] 1: царѹ грьчьскомꙋ 1 Козарь ] GenPl., ”die i̭o-Flexion des Suffixes ist … primär” (Aitzetmüller, 1991, 106). 1 ꙗко ] Jako recitativum, daher nicht Teil der referierten Rede, gegen die Interpunktion von Grivec/Tomšič (1960). 1 испрьва ] Ein Temporaladverb ohne Adverbialendung; offenbar wird die gr. Präpositionalphrase ἐξ ἀρχ̄ηϛ in der Bedeutung ’von Anfang an’ (Bauer, 1988, 153) übersetzt; siehe nochmals zu VIII:3. 2–3 въстокь ] 12: въстокы 3 да ] 15: а; die Änderung der reihenden Konjunktion ’und’ zum adversativen ’aber’ ist motiviert, siehe gleich Kommentar zu стѹдныѥ. 3 ѡбычаѥ ] 15: обычаѧ своа, 1: обычае свое 3 стѹдныѥ ] Das Wort wird in allen Hss so geschrieben, als ob es sich um den AkkPl des Adj стѹдьнъ ”schamvoll, beschämend” handele und entsprechend übersetzt (pars pro toto:”Wir halten aber auch noch an unseren schimpflichen Bräuchen fest” [Bujnoch (1972, 69)].). Nun ist es unverständlich, dass die Chasaren sich selbst der ’schändlichen Gebräuche’ bezichtigen sollten, weshalb (vgl. Literatur in Grivec/Tomšič (1960, 183, Anm.), ebenso MMFH, 2: 76)) die einen das Adjektiv zu streichen vorschlagen, die anderen die Formulierung irgendwie abschwächen wollen (’aber leider halten wir noch an einigen schändlichen Gebräuchen fest’). Schon die alten Abschreiber hatten bemerkt, dass das Bekenntnis zum Monotheismus und die anschließende Selbstbezichtigung nicht gut zusammenpassen, weshalb sie die einleitende Konjunktion ’und’ änderten zu widersprechendem ’aber’. Es wäre übrigens aufgrund der syntaktischen Möglichkeiten von jako recitativum in diesem Satz theoretisch möglich, zwischen Wiedergabe der Chasarenrede und der Autorenrede zu trennen (”sie sagten: ’wir bekennen den einen Gott ( … ) und verneigen uns nach Osten’, wobei sie andere schändliche Gebräuche beachten”), aber auch bei Sprecherwechsel bleibt unverständlich, weshalb der Autor von VC das monotheistische Bekenntnis als Teil ’anderer’ schändlicher Gebräuche bezeichnen sollte (aus diesem Grunde hat auch eine Hs das Adj ’andere’ weggelassen). Ich schlage vor, студные als ursprüngliches съ-тѹд-ные zu lesen, also als Zusammensetzung von slav. Präfix s- ”zusammen-” + ie. *tend- ”dehnen, spannen” (Pokorny, 1959, 3: 1066) (erhalten auch in der o-Stufe [neben тенето] als тоното im Aksl.) + Suffix -no der thematischen Verben zur Bildung des PartPraetpass (Aitzetmüller, 1991, 245), was ’zusammengespannt, zusammenhängend’ ergibt, welche Bedeutung hier passend ist. - In VC erscheint allerdings auch стѹдьнъ ’schamvoll’ als Teil eines Kompositums in XI:29. 3 ины ] 1: om. 3 Ѥвреи ] 5: жидове; vgl. dt. Kommentar zu VIII:10. 3 ѹсте ] 7: ѹстѧще, 3: ѹстѧт, 2: нѹдеть, 1: ꙋстет, 1: ѹстьѧище, 1: ѹстоѧище, 1: наꙋсчают 4 дѣтель ] 5: дѣтель держаще, 4: дѣла 4 Срацины ] 7: срачини; zum Wort siehe VI: 1. 4 ѡть дрꙋгѹю странꙋ ] 15: на дрѹгѹю странѹ, 2: от дрѹгьи страны, 1: от дрѹгои страны; richtig ist der Text von CH: Dual, siehe Komm. zur Übers.
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гы стежꙋт ны на свою, глаголюще ꙗко ”наша вѣра ѥсть добрѣиши въсѣхь езыкьь”. 3. то сего ради с’лѥмь къ вамь, старꙋю дрꙋжьбꙋ и любовь дрьжеще. 4. езык’ бо велїи сѹщи и царьство ѡть бога дрьжите. 5. и вашего съвѣта въпрашающе просимь мꙋжа книжна ѡть вась, да аще прѣприть Ѥвреѥ и Срацины, то по вашꙋ се вѣрꙋ имемь. 6. тъгда възыскавь царь философа и изьобрѣть сказа ѥмꙋ козар’скѹ рѣчь, глаголѥ: 7. ”иди, философе, къ людемь симь и сътвори слово и ѡтвѣть о светѣи троици съ помощию ѥе; инь бо никтоже не можеть достоино сего твори-
5 стежꙋт ] 6: тѧжꙋть, 2: нѹдѧть, 2: стѹжають, 1: тѧжать (in marg. нѹдѧть), 1: понѹждають 5 свою ] 11 add.: вѣрѹ 5 ꙗко ] Jako recitativum, s. vorgehender Satz. 6 с’лѥмь ] 2: послахомь, 1: ꙗвлꙗемъ 6 старꙋю ] 3: add. поминающи, 2: прьвѹю; wie die Lesart ’alt’/ ’erst’ anzeigt, stand hier offenbar gr. ἀρχαῑος, was als Adjektiv ’anfänglich, ursprünglich, alt’ im Sinne des ’seit alters’ Bestehenden bedeutet; ἀρχή bedeutet zudem ’Urgrund, erstes Prinzip’, wodurch sich auch im Bibelgriechischen Unsicherheiten ergeben, ob etwa in Apk 3:14 das ’erste Prinzip’ oder ’das Erstlingswerk’ zu verstehen sei (Bauer, 1988, 223, 225). Die Lesart ’erste Freundschaft’ ist Bibelstil und offenbar sekundär durch das eindeutige ’alte Freundschaft’ ersetzt worden sein. Die in 3 Hss erfolgende Einsetzung eines Partizips (mit bereits adjektivaler, statt pronominaler Endung) hinter ’alt’ und nicht, wie auch das zweite Partizip дрьжеще, hinter das nominale Bezugswort, ist schon syntaktisch auffällig. Wenn wir fragen, warum der Zusatz nötig wurde, dann doch offenbar nicht wegen ’alt’, welches semantisch den Zeitbezug mit sich führt, sondern wegen ’erst’, dem ein Abschreiber die Bedeutung des Prinzipiellen nehmen wollte, indem er es durch den Zusatz des Erinnerns zum zeitlichen Begriff machen wollte. Allerdings sind die Partizipzusätze nur aus Hss bekannt, welche (bereits) ’alt’ im Text haben. - Dasselbe semantische Problem siehe schon oben VIII:1 испрьва. 7 вашего съвѣта ] 5: вашемѹ съвѣтѹ 8 ѡть ] 4: ѹ 8 Ѥвреѥ ] 5: жиды 9 Срацины ] 6: срачины 9 вашꙋ се вѣрꙋ имемь ] 5: нашѹ се вѣрꙋ имемь; 2: вашѹ вѣрꙋ прїимѣмь 11 иди, философе ] 1: молю тꙗ, философе, иди 11 сътвори ] 10: сътвори имъ, 15: сътворити (bei Grivec/Tomšič (1960) werden beide Lesarten teilweise denselben Hss zugeschrieben ohne Angabe, wie dies sein kann. Daher sind die Zahlenangaben hier mit Vorsicht zu behandeln). - Ursprünglich ist сътвори ти ’schaffe dir”, was in der scriptura continua von dem Infinitiv сътворити nicht zu unterscheiden ist. Da ein fälschlich als solcher aufgefasster Infinitiv sinnlos ist, wurde er von den Abschreibern zum Imperativ gekürzt und von anderen Abschreibern sekundär mit einem neuen Benefizienten (имъ) versehen. Unwahrscheinlich ist, dass ein Abschreiber einen ursprünglichen Imperativ сътвори zu einem unverständlichen Infinitiv сътворити gemacht hätte (außer als Flüchtigkeitsfehler, der dann aber kaum die große Zahl der Hss beträfe), und der Infinitiv kann auch nicht als Verschreibung aus сътвори имъ entstanden sein. 11 слово ] Aksl. слово ist zu verstehen im Gegensatz zu речь ’Rede’ im nächsten Satz. Während reč’ immer die (mündliche) Rede bezeichnet, ist von slovo über die Bedeutung ’Wort’ besonders die schriftliche Rede gemeint, und слово (dazu Loma (2008)) selbst bezeichnet auch die Textgattung ’Abhandlung, Traktat, Predigt, die hier gemeint ist. 12–13 творити ] 15: сътворити
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ти”. 8. онь же рече: ”аще велиши, владыкѡ, на сиковѹю рѣчь съ радостию идѹ пѣшь и бось безь всего, ѥгоже не велѣаше господь ѹчеником си носи-
13 онь ] Das Pronomen wird hier noch im demonstrativen Sinne ”dieser” verwendet und kann so den Sprecherwechsel anzeigen, während es als Nominativ des anaphorischen Pronomens diese Funktion nicht ausführen könnte. 13 съ радостию ] 15: радъ 14 пѣшь ] 6: пѣшь сыи 14 и бось ] 5 om. и босъ; wie Grivec/Tomšič (1960, 183) ”non calceatus” erkennen die slav. (Lavrov in Tachiaos (2005, 271) ’босой’; MMFH, 2: 76) ’bosy’; KO, 3: 126) ’бос’) und die dt. Übersetzungen (Schütz (1985b, 41) ’unbeschuht’; Bujnoch (1972, 70) ’ohne Schuhe’) ein Zitat aus Mt 10:10: ’keine Tasche auf den Weg, noch zwei Leibröcke, noch Sandalen, noch einen Stab’ (Elberfeld). Allerdings könnten in Mt 10:10 die Sandalen ebenfalls von dem Zahlwort zwei abhängig sein (also: ’kein zweites Paar Sandalen’), was mit Mk 6:9 zusammenpasst, wo ein Paar, nämlich ”Sandalen untergebunden” vielmehr gefordert werden. Ohne in bibelexegetische Details der Aussendungsberichte (z. B. Spitta (1914)) zu gehen, ist, wenn man ein Zitat annimmt, vom NT her die Lesart ’barfuß’ in VC keineswegs obligatorisch und stilistisch ist die Redundanz ’zu Fuß und barfuß’ auch nicht besonders attraktiv. Vielleicht sollte man босъ nicht aus der heutigen, auf Barfüßigkeit eingeschränkten Bedeutung verstehen. In ESSJa, 2: 223) wird bemerkt, dass aksl. бось und dt. ’bar’ urverwandt sind und sich in alten Redewendungen бось in der Bedeutung ’bar, bloß, nackt (im Sinne des Unbedeckten)’ auch erhalten habe. Deshalb muß man auch босъ (wie KO konsequenterweise tut) nicht interpunktorisch alleinstellen, sondern es bildet mit dem folgenden ’ohne alles’ die Wendung ’bar ohne alles’ bzw. ’bar außer allem’. 14 безь всего ] 4: развѣ сего; wer die Konstruktion босъ безь всего ’bar ohne alles’ verpasst, weil босъ für ’barfuß’ genommen wurde, kann die exklusive Adversation durch развѣ ’außer’ betonen. 14 велѣаше ] 2: повелѣвааше 14 господь ] 15: богъ; spezifischer ist aber CH ’Herr’, denn gemeint ist Jesus in Mt 10:10. 14 си ] 15: своимъ; da sich NomSgfem, NomPlmaskneutr, AkkPlneutr, NomAkkDualfemneutr für си ”dieser, diese, dieses’ auschließen, weil sowohl das akk. Objekt des Tragens/ Nehmens (егоже) bereits genannt ist, als auch ein Nominativ für die Träger in der dativischen Konstruktionen ’befahl ihnen zu tragen’ nicht vorgesehen ist, kann си nur Dativ des Reflexivpronomens sein und so läßt sich die Wendung auch wörtl. übersetzen: ’bar ohne alles, was der Herr den Jüngern nicht befahl sich zu nehmen’. Der Satzbau dürfte die mündliche aksl. Sprache des 9. Jhs. reflektieren (’sich nehmen’ = ’mitnehmen’, siehe die ähnliche Konstruktion mit dativischer Kurzform des Personalpronomens in VIII:7 ’verfasse dir’) und setzt bei носити im Gegensatz zu нѣсти eine inchoative Bedeutung voraus (ähnlich wie ѩти - имѣти).
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ти.” 9. ѡтвѣща же царь: ”аще се ты бы хотѣль о семь сътворити, то добрѣ глаголѥши, нъ царьскꙋю дрьжавꙋ вѣды и чьсть, чьстьно иди съ царьскою помощию.” 10. абиѥ же пѹти се ѥть и Херсона дошьдь наѹчи се тѹ жидовскыи бесѣдѣ и книгамь, осемь чести прѣложи граматикїю и ѡть того разꙋмь въсприѥмь.
15 бы хотѣль ] Die modale Färbung der Konstruktion ’chotěti + Infinitiv’ (Večerka, 1989-2003, 2: 82f.) muss berücksichtigt werden; es handelt sich nicht um eine periphrastische Futurumschreibung, denn eine solche würde im Rahmen eines konjunktivischen Konditionals Futur II verlangen. Da die indikativischen Infinitivkonstruktionen mit chotěti ”sollen” oder ”mögen” ausdrücken, ist entsprechend modal zu übersetzen. 15 семь ] 10: себѣ, 6: собѣ, 3: om.; die Lesarten mit Reflexivpronomen gaben Anlass, die Konstruktion so zu deuten, als ob der Kaiser sage: ’wenn Du das persönlich meinst … aber beachte auch die unpersönliche kaiserliche Macht’. Diese Deutung ist grammatisch schwierig, siehe zum Sinn der Stelle den Kommentar zur Übers. 18 пѹти ] Kaum als Gen.part. erklärbar; eine mögliche Geltung des verbalen Präfixes als Präposition im Sinne ’do-idti (do) puti i (do) Chersona’ ist aufgrund der Abfolge Nomen+Verb wohl auszuschließen; wahrscheinlich wird konstruiert wie klassisches (nicht bibelgriechisches) ὀρμάω + Gen. ”eilen zu” (Liddell/Scott, 1850, 1049). - Aksl. путь ist hier sicher nicht ’Weg’, sondern metonymisch ’Reise’ wie gr. ὁδόϛ (Bauer, 1988, 1123), weshalb der leicht inkohärente Sprung zwischen inchoativem ’macht sich auf den Weg’ und resultativem ’erreichte Cherson’ abgemildert ist zu faktischem ’unternahm die Reise’ und ’erreichte Cherson’. 18 Херсона дошьдь ] 1: дошедъ до корсѹнѧ, 1: херсона достигъ; siehe vorige Anm. 18 жидовскыи ] 7: жидовьстѣи, 3: жидовьскои 18 бесѣдѣ ] Sprache ist normalerweise ѩзыкъ, mündliche Sprache auch речь; mit бесѣда zielt der Autor von VC auf ’Gespräch’ oder ’zum Vortrag bestimmte Rede’ mit Betonung der Mündlichkeit; vgl. die Wiederaufnahme des Begriffes in VIII:15. 19 граматикїю ] 8: грамотикїа, 5: грамотикїи, 3: граматикїе, 1: грамотикы, 1: грамматикїю, 1: грамоти; ein orthographisch-phonetischer Gräzismus aus gr. grammati-st-es ’Sprachlehrer’ > gr. grammati-ts-is (Zitakismus, Itazismus), aber auch im Gr. mit [k] geschrieben als grammati-k-is, und mit gr. Orthographie als Lehnwort ins Slavische; analog zu muzika/ muzikija, siehe Anm. zum Aksl. bei IV:2, siehe auch XVI:19; vgl. Daiber (2022). 19 разꙋмь ] 6: разѹмъ болїи, 6: разѹмъ весь, 3: разѹмъ болшїа; die Lesarten sind allesamt sekundär, denn sie reagieren mit dem Komparativ ’mehr’ bzw. dem als Superlativ zu verstehenden ’ganz, vollständig’ auf die irrige Meinung, dass Kyrill die Elementargrammatik selbst übersetzt habe und man sich dann tatsächlich fragen darf, wie er dieses vermochte ohne Kenntnis der Sprache. Wenn Kyrill die Grammatik übersetzt hätte, hätte er also die Sprache der Chasaren schon relativ gut beherrscht und durch das Übersetzen der Grammatik nur ’noch mehr’ oder ein ’vollständiges’ Verständnis gewonnen. Ursprüngliche Lesart ist aber nicht das ’mehr’ an Verständnis, sondern zu begreifen, dass ein Grammatiklehrer tätig wurde. 19 въсприѥмь ] 11: прїимъ, 1: прїемъ; hier participium coniunctum, als appositioniertes Partizip приѧти разѹмъ dagegen konstruiert in VIII:12. Nochmals taucht das Verb VIII:13 auf als thematisches Leitmotiv der literarischen Gestaltung, wobei in der Rolle des Objekts des Empfangens Einsicht (разѹмъ) und Hl. Geist (духъ свѧтъ) synonym werden.
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11. Самьрѣнин’ же нѣкои тѹ живѣаше и приходе къ нѥмѹ стезаше се съ нимь и принесе книгы самарѣн’скыѥ и показа ѥ емѹ. 12. испрошь ѥ ѹ нѥго философь, затвори се въ храминѣ и на молитвꙋ се наложїи и ѡть бога разꙋмь приѥмь, ч’тати начеть книгы бес порока. 13. ѹзрѣв’ же Самаранинь възꙋпїи велїемь гласомь и рече: ”въ истинѹ, иже в Христа вѣрѹють, въскорѣ дѹх’ светыи приѥмлють и благодать.” 14. сынѹ же ѥго абиѥ крьщьшꙋ и сам’ се крьсти по нимь. 15. и обрѣт’ же тѹ еꙋаггелїе и ѱалтирь, росьскы писмень писано, и чловѣка
20 Самьрѣнин’ ] 16: самарѧнинъ, 2: самаранинъ 20 нѣкои ] 6: нѣкто, 6: етеръ, 2: нѣкы, 2: нїкто 20 приходе ] Aorist beim präfigierten, aber dennoch imperfektiven choditi zum Ausdruck abgeschlossener, aber wiederholter Ereignisse. 21 ѥ ] Omnes cod.: om.; weil keine Hs außer CH die für die Bedeutung ’zeigen’ notwendige akk. Ergänzung, in dem Falle ein Personalpronomen, aufweist, liegt sicher ein Gräzismus vor: Da казати für gr. δεικνύναι steht und по für gr. ἐπί (CVB, 280, 453), steht nichts entgegen, eine Lehnübersetzung von ἐπιδείκνυμι ’dartun, beweisen’ (Bauer, 1988, 591) anzunehmen, was auch im Sinne von ’to make a speech for display’ (Liddell/Scott, 1850, 503) gebraucht werden kann. 22 храминѣ ] 4: храмѣ 22 наложїи ] 2: прѣложи; im Druck von Grivec/Tomšič (1960, 109) ist der Buchstabe [ï] ausgefallen. Die Bedeutung von ’na-ložiti sję’ = ’sich legen auf’ im übertragenen Sinne ’sich befleißigen’ wie gr. ἐπι-τίθημι. 23 бес порока ] Wie gr. ἄ-μεμπτοϛ/ ἀ-μέμπτωϛ ’tadel-los’ (Bauer, 1988, 88). 23 ѹзрѣв’ ] 2: видѣвь 25 крьщьшꙋ ] Omnes cod.: крыщьшѹ сѧ 26 по нимь ] Omnes cod.: по немь 27 росьскы писмень ] 9: рѹсьскыми писмены, 1: рꙋским’ писмены, 1: росаскы писмены, 1: росъскы писменъ, 1: рѹш’кымь писменемь 1: рѹш’кими писмены 1: рꙋками писмены. Zu dieser heftig diskutierten Stelle in VC siehe Daiber (2021b), wo - auch mit Hinblick auf die theologische Relevanz der rätselhaften Sprache - argumentiert wird, dass es sich bei der mit den ’ruskie pismena’ verschriftlichten Sprache um das Syrische handeln muss (wie schon Vaillant (1935) richtig sagte), dass aber ’rus-’ keine Verschreibung aus ’syr-’ ist (wie Vaillant mit Blick auf XVI:8 dachte), sondern auf die Bezeichnung der Syrer zurückgeht, die zu dieser Zeit ’rumi’ gelautet hat. - Irrig sind Beziehungen auf ’rimski’: Vintr (2005) bezieht den Wortstamm ’rum-’ auf das italische Rom, was Vavřínek (2005) kritisiert, worauf Vintr (2006) seine These zurückzieht, die Šaur (2007) aber wiederholt (rumskij sei rimskij), worauf Vavřínek (2007) nochmals, nun mit Frontalangriff auf die Historizität von Heiligengeschichten überhaupt, eine Beziehung zum lateinischen Rom verwirft (was an sich richtig ist), dann aber seinerseits die ”normannischen Rhos” (ebd. 702) ins Spiel bringt, womit der Diskussionsstand des 19. Jhs. mutatis mutandis (Gothen auf der Krim) wiederhergestellt ist (Hinweis von Andriy Danylenko). Es fand sich auch ein Interpret des Zusatzes ’syr-’ in XVI:8, der meint, das čuvašische ”sar” könnte ’irgendwie’ in den Chersoner Dialekten ’sur“ ausgesprochen worden sein und es sei vielmehr das georgische Kriegeralphabet Mchedruli gemeint (Garun-Rašid, 2019, 186). Wenn man kontextlos die Wurzel *rus- irgendwie etymologisiert, mag noch manches Alphabet drohen.
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ѡбрѣть глаголюща тою бесѣдою и бесѣдовавь съ нимь и силѹ рѣчи приѥмь, своѥи бесѣдѣ прикладаѥ, различїи писмень, глааснаа и съгласнаꙗ и къ богꙋ молитвꙋ дръже и въскорѣ начеть чисти и сказати, и мнѡзи се ѥмѹ дивлꙗ се бога хвалеще. 16. Слышав’ше, ꙗко светыи Клименьть еще въ мори лежить, помолив’ се рече: вѣрѹю въ бога светѣмь клименьтѣ надѣю се, ꙗко ѡбрѣсти ѥго имамь и изнести из мора. 17. ѹбѣждь архїепискѹпа и съ клиросомь въсѣмь и говѣины мѹжи и въсѣдше въ кораблѥ идоще на мѣсто, ѹтиш’шꙋ се морꙋ вел’ми, и дошьдьше начеше копати поюще. 18. абиѥ бысть хризма мнѡга, ꙗко и кадило мнѡго и по семь ꙗвише се светыѥ мощи, ѥже възьмше съ великою чьстїю и съ славою в’сѣхь граждань вънесоше въ градь, ꙗкоже пишеть въ ѡбрѣтенїи ѥго. 19. Козар’скы же воѥвода съ вои шьдь ѡбьстѹпїи христїан’скы градь и ѡпле28 силѹ ] ’Kraft’ ist ein ein grammatisch-rhetorischer Begriff, der sowohl die ’vis orationis’ = ’Kraft der Rede’ = ’Wirkung der Rede’ (wie bei Cicero, De off. l. 2 c. 14), als auch die ’vis litterae’ = ’Kraft des Buchstabens’ = ’Klangeigentümlichkeit’ bzw. ’Fähigkeit der Bedeutungsunterscheidung’ (wie bei Quintilian, Inst orat. l. 1, c. 7) bedeuten kann. - Als gr. Entsprechung kommt nicht ἐνέργεια (Diathese ’aktiv’; Wolanin (2009)), sondern δύναμιϛ in Betracht, welches auch im Bibelgriechischen- 1Kor 14:11 = XVI:28 - im Sinne von ’Bedeutung (eines akustischen Sprachzeichens)’ verwendet werden kann (Bauer, 1988, 418). Vgl. auch XV:2, Lesart Hs 45. 28 рѣчи ] Die Passage unterscheider genau zwischen речь = ’Rede’ = gr. ῥῆμα ’Wort, Gesagtes’, also das physikalische Sprachphänomen, und бесѣда = ’Rede’, also den Inhalt des Sprechens betreffend. 29 различїи писмень ] 6: различнаа писмена, 6: разлѹчи писмена, 3: различна писмена, 1: различїе писмень 29 глааснаа и съгласнаꙗ ] Übersetzt die gr. grammatischen Termini φωνήεντα und σύνφωνα, wie sie schon bei Dionysios Thrax auftauchen. 30 дръже ] 9: творѧ 30 сказати ] 8: сказовати, 1: глаголати; сказати ist überall in VC von глаголати unterschieden als ’(inhaltlich) vortragen, erklären’ gegenüber ’Worte äußern, sprechen’; ebenso XIII:3. 30 дивлꙗ ] Omnes cod.: дивлꙗахѹ 30 се ] Offenbar ohne Lesarten in allen Hss zu finden; da zuvor schon ein се als Reflexivpronomen bei ’sich wundern’ fungiert, ist dieses zweite се zum nächsten Verb zu stellen, wo es nur eine Passivform anzeigen kann. хвалити се ist also gräzisierende Imitation des mediopassiven ἐξομολογούμενοι ’bekennen’ wie in Mt 3:6. 31 бога хвалеще ] 1: глаголюще слава богѹ 32 Слышав’ше ] Omnes cod.: слышавъ же 33 въ бога ] 2: богови 33 светѣмь ] Omnes cod.: в светѣмь; Die Lesart mit Präposition + Lokativ ist ursprünglich und ein Gräzismus ’in etwas/ jemanden hoffen’ wie 1Kor 15:19 ἐν τῇ ζωῇ ταύτῃ ἠλπικότες. 33 имамь ] Die Konstruktion von Infinitiv und postponiertem имати ist sicher futurisch zu lesen. 35 въсѣдше ] 5: всѣдъ, 5: всѣдши, 1: вшедши 35 кораблѥ ] 7: корабль; die Form korablje (< AkkSgfem korablję) muss auf NomSg *korablija zurückgehen, zu vergleichen mit gr.-byz. κοράβιον ’kleines Schiff’; allewrdings wird der etymologische Bezug bestritten (ESSJa, 11: 46-48). 36 абиѥ ] 4: тогда же 36 хризма мнѡга ] 15: вонѧ велїа, 3: благѹханїе много 36 ꙗко и ] hypothetischer Vergleich (Daiber, 2021a) 37 кадило мнѡго ] 6: кадилъ многъ, 5: кадилъ много, 3: кандилъ многъ, 1: кандило много, 1 in margine: фимїанъ 38 и съ славою в’сѣхь граждань вънесоше въ градь ] 2: и вси свѧщенници и гражане внесоша и въ градъ, 1: и вси свѧщенници и гражане внесоша ихъ въ градъ, 1: и вси гражане вънесоша ѧ въ градъ 40 шьдь ] 10: пришедъ, add. 1: от иже тамо сѹщїихь 40 ѡбьстѹпїи ] PPraesakt 40–41 ѡплете ] In CVB) nur плести, nicht о-плести; letzteres ist gebildet wie gr. περι-βάλλω ”[Schanzen] herumlegen” um eine umzingelte Stadt, so Lk 19:43, vgl. Bauer (1988, 1301).
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
те се ѡ нѥмь. 20. ѹвѣдѣв’ же философь не лѣне се иде к’ нѥмꙋ, бесѣдовав’ же съ нимь и ѹчителнаа словеса прѣдложи и ѹкроти ѥго. 21. и обѣщавь се ѥмѹ на крьщенїе. 22. възврати же се философь въ свои пѹть. 23. и въ прьвыи чась молитвꙋ творещꙋ ѥмꙋ, нападоше на нь Ѹгрї, ꙗко вльч’скыи выюще, хотеще ѹбити его. 24. он’ же не ѹжасе се ни ѡставїи своѥ молитвы, кѵрїе леисо тъкмо зовыи,
41 лѣне се ] 9: лѣньсѧ, 5: лѣнисѧ, 1: лѣньсе, 1: лѣнꙗсꙗ; die Lesart von CH (serbisch entnasaliert) ’lenę sę’ = PPraesakt ist am passendsten. 42–43 обѣщавь се ѥмѹ ] 1: обѣщасе томѹ, 1: обѣщасꙗ крещенїе прїати 43 крьщенїе ] 8 add. отиде, никоеꙗже пакости сътворь людемъ тѣмъ, 4 add. отиде, никоеи пакости сътворь людемъ тѣмъ, 2 add. отиде, никоеꙗже пакости сътвори людемъ тѣмъ, 1 add. отиде, никоеꙗже пакости сътворилъ людемъ тѣмъ 44 възврати ] Wrtl.: ’kehrte auf seinen Weg zurück’; nahm Kyrill einen Umweg, um zu dem chasarischen Heerführer zu gelangen, oder steht gr. παραγίνεσθα ἐξ ὁδοῦ ’vom Weg weg gelangen zu’ = ’die Reise unterbrechen’ (Bauer, 1988, 472) (vgl. Lk 11:6) im Hintergrund, dem dann ein ’zum Weg zurückkehren’ = ’die Reise wiederaufnehmen’ entspräche? 45 выюще ] 5: вопиюще 46 ни ѡставїи своѥ молитвы ] 1: и не преста от молитвы глаголꙗ 46 кѵрїе леисо ] 12: господи помилѹи, 4: курелѣисонъ, 2: кѵрїе елеисонъ, 1: курилѣисънъ; der gr. Gebetsruf war im Mittelalter unübersetzt auch in lat. Liturgien gebräuchlich und erscheint auch unübersetzt in den frühesten ačech. und apoln. Texten, die Form ’Kyrie lejson’ findet sich noch in den ”Godzinki Wacława”, einer poln. Abschrift eines Stundenbuches aus dem 15. Jh. (Wydra/Rzepka, 1995, 37). Es ist unwahrscheinlich, dass die 12 Hss von VC, welche den slav. Wortlaut der Formel bringen, die ursprüngliche Lesart bewahren, denn welchen Grund hätten Redakteure gehabt, die gr. Version einzufügen, die zudem nur in 2 Hss auch in korrekter kyrill. Umschrift wiedergegeben ist? Eher ist davon auszugehen, dass schon die Urschrift von VC den gr. Gebetsruf in der mündlich verschliffenen Form aufwies, mit Elision des anlautenden ’e-’ beim Verb bzw. noch zusätzlicher Elision des auslautenden ’-e’ beim Nomen als Zusammenziehung ’Kyri[e]lejson’. Unentscheidbar ist, ob der Autor von VC die aus dem Hörverstehen resultierende Formel ’Kyri[e]lejson’ aus seinem eigenen Wortschatz, vielleicht gar aus dem Slavischen von Saloniki mitbrachte, oder aber kennengelernt hat bei den schon von der bair. Kirche christianisierten Westslaven, wo etwa beim feierlichen Einzug des Prager Bischofs 973 das Volk (’idiote’) statt ’Kyrie eleison’ nur ’Krlessu’ sang (Clifton-Everest, 1996, 269). Es ist jedenfalls klar, dass der als fremdsprachlich markierte gr. Gebetsausruf in der westkirchlichen Liturgie klanglich verfremdet wird, denn in der gr. Liturgie ist der Gebetsruf kein fremdsprachlicher Ausdruck. 46 зовыи ] 4: възываꙗ; die Lesarten ziehen die Bedeutung des (An-)rufens während der Liturgie in die Bedeutung des Ausrufens zum Ausdruck der Bestürzung angesichts der Gefahr, dem widerspricht aber das graduell abschwächende ’nur’.
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бѣ бо окон’чаль юже слꙋж’бꙋ. 25. ѡни же ѹзрѣв’ше и, по божию повелѣнїѹ ѹкротѣеше и начеше кланꙗти се ѥмꙋ и слышав’ше ѹчителнаа словеса ѡть ѹсть ѥго, ѡтпѹстише и съ всею дрѹжиною.
47 бѣ бо окон’чаль ] Ein seltenes Plusquamperfekt. 47 слꙋж’бꙋ ] 1: молитвѹ; wenn man es genau nimmt, erfolgt das dreifache ’Kyrie eleison’ nach dem letzten Gebet der Tagzeit und vor dem Segen und der Entlassung. Weil der Segen noch nicht gesprochen ist, ist das Tagzeitgebet noch nicht zu Ende, was einer der Abschreiber in seiner Lesart zum Ausdruck bringt. 47 повелѣнїѹ ] 1: съмотренїю 48 ѹкротѣеше ] Aorist eines sekundär durativierten Verbs. 49 всею дрѹжиною ] 1: миромь тако и; = ’und entließen mit allem Frieden auch ihn’, die Handlung wird auf Kyrill zugeschnitten, vgl. Anm. zu зовыи im vorigen Vers, sicher sekundäre Lesart.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
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VIII 1. Es kamen nun Gesandte zum Kaiser von den Chasaren, die etwa so sagten: ”Von Anfang an kennen wir den einen Gott, welcher über allen [anderen] ist, und vor diesem verbeugen wir uns nach Osten und beachten dabei andere damit zusammenhängende Bräuche. 2. Die Hebräer nötigen uns, ihren Glauben und Kultus anzunehmen, aber von den beiden anderen Seiten, indem sie Frieden anbieten, drängen uns die Sarazenen mit vielen Geschenken zu dem ihren, indem sie immer wieder sagen ’Unser Glaube ist besser als [der] aller [heidnischen] Völker’. 3. Deshalb schicken wir nun zu Euch, seit alters bestehende Freundschaft und Liebe bewahrend, 4. die ihr nämlich ein großes Volk seid und das Kaisertum von Gott bewahrt, 5. und um Euren Rat fragend erbitten wir einen in Büchern kundigen Mann von Euch, damit, wenn er die Hebräer und Sarazenen im Wortkampf besiegt, wir uns dann an Euren Glauben halten.” 6. Darauf, nachdem der Kaiser den Philosophen gesucht und gefunden hatte, berichtete er ihm die Rede der Chasaren, indem er sprach: 7. ”Geh, Philosoph, zu diesen Menschen und bereite dir eine Bekehrungsrede und eine Antwort über die Heilige Dreifaltigkeit mit ihrer Hilfe. Kein Anderer nämlich kann dies würdig vollbringen.” 1 Kaiser ] Vgl. Anm. zu VII:1; es gibt keinen Grund, unter dem ’Kaiser’ einen anderen als Michael III. zu verstehen, wie abhängig er auch immer zu dieser Zeit von der Bevormundung durch Bardas war. Die Vermutung von Dvorník (1933, 181), ein ’Kaiser’ sei als Parallele zu bezeugten Vorgängen von 740 (!) hier erwähnt, weil der Hagiograph ”se permet ici une petite opération destinée à accroître aux yeux du lecteur le prestige de son héros”, ist von dem Vorurteil angeblich dominanter fiktionaler Gestaltungsabsichten von Heiligenviten geleitet. Die Gesandtschaft der Chasaren dürfte Ende 859 in Byzanz eingetroffen sein. 1 Chasaren ] Zu den Chasaren als einem für die frühe Zeit der Alten Rus’ wichtigem Nachbarvolk vgl. die Spezialbibliographie in Orlov (2011, 304-310). 3 Osten ] Vgl. XI:39 3–4 zusammenhängende ] Zur Übersetzung siehe Komm. zum Aksl. 4 Bräuche ] Bräuche: nämlich Proskynese nach Westen, Polygamie und ’Heidnisches’, vgl. XI:39f. 5 beiden ] Trunte (1998, 8-10) bemerkt richtig, dass die sicher primäre Lesart mit dem Dual ’von beiden Seiten’ einen geographischen Hinweis auf die Herkunft der chasarischen Gesandten enthält; vgl. dazu Anm. zu IX:1 bzw. XI:30. 6 Sarazenen ] zum Wort vgl. Kommentar zu VI:1. 7 Völker ] Ein Vergleich von ’Glaube’ und abwertend gegenübergestellten ’Völkern’ ist nicht gemeint, sondern езыкь besitzt hier die Bedeutung von gr. τα ἔθνη (etwa Jes 42:17, Gal 1:16) ’heidnische Völker’ im Gegensatz λαοὶ (etwa Offb 21:3) ’Gottes Völker’ (Bauer, 1988, 440, 948). 8 seit alters bestehende ] Vgl. Kommentar zu Aksl. 9 von Gott ] Das Verständnis einer dynastischen, gottgegebenen Thronfolge wird schon bei Leo III. († 18.6.741) greifbar, der für seinen Sohn Konstantin ”the legitimating title of ’porphyrogennetos’, or ’purple-born”’ (Featherstone, 2008, 505) einführte. Beachte, dass die Chasaren, die sich zwischen Judentum, Christentum und Islam entscheiden müssen, mit dieser Qualifizierung des byzantinischen Kaisers die Intention ihrer Anfrage mitteilen, nämlich die Frage, wie staatliche Macht theologisch (das kann im MA nicht anders gedacht werden) zu begründen sei. Die Chasarenmission, wie später die Slavenmission, hat nicht eine Heidenmission zum Ziel, sondern Christianisierung ist zu verstehen als die mit Übernahme entweder der westlichen oder der östlichen christlichen Konfession verbundene Eingliederung einer Region unter eine kirchliche und staatliche Jurisdiktion. 15 Menschen ] Vgl. Komm. zu VIII:2; gr. λαοὶ = ’Gottes Völker’ heißt in der Grundbedeutung ’die Volksmenge, die versammelten Menschen’. 15 bereite dir ] siehe Kommentar zum Aksl. 15 Bekehrungsrede ] siehe Kommentar zum Aksl.
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8. Dieser aber sprach: ”Wenn Du befiehlst, Gebieter, mache ich mich auf eine solche Rede hin mit Freuden auf zu Fuß und mittelos ohne alles, was nicht der Herr den Jüngern mitzunehmen befahl.” 9. Antwortete nun der Kaiser: ”Wenn Du darüber etwas verfassen wolltest, so sprichst du gut; aber im Bewußtsein der kaiserlichen Macht und Ehre gehe ehrenvoll mit kaiserlicher Hilfe.” 10. Unverzüglich unternahm er die Reise und, nachdem er Cherson erreicht hatte, eig-
18 mittelos ] vgl. Kommentar zum Aksl. 18 Herr ] Vgl. Aussendungsworte Mt 10:10: keine Tasche, keine zweite Tunika, kein zweites Paar Sandalen, keinen Wanderstock; zum Sinn der Stelle vgl. Kommentar zum Aksl. 19 Wenn ] Bei Tachiaos (2005, 271) wird die adversative Konstruktion (’wenn … aber’) in der Antwort des Kaisers so aufgefaßt, als ob sich der Kaiser über den Gegensatz einer Privatmission (wo man ärmlich, nämlich zu Fuß und mittellos auftreten kann) und einer Staatsmission (die mit äußeren Ehrenzeichen durchzuführen sei) äußere; aus Platzgründen zitiere ich nur Bujnoch (1972, 70): ”Wenn du dies von dir aus tun wolltest, dann sprichst du, wie es mir recht ist. Da du aber die kaiserliche Macht und ihr Ansehen kennst, so geh in offiziellem Auftrag und mit kaiserlicher Unterstützung.” Dies ist eher eine Umschreibung als eine Übersetzung und dem Inhalt nicht angemessen. Es geht nicht um eine Kritik an Kyrills Auftreten, sondern letztlich um das Verhältnis von Kirche und Staat im byzantinischen Sinne, dass nämlich der Kaiser nicht nur einen Glaubenslehrer schicken will, der in der theologischen Disputation obsiegt, sondern dass er diesen auch als seinen diplomatischen Vertreter (vgl. XI:42-44) bevollmächtigt. Die Stelle unterstreicht also die politische Verantwortung Kyrills, der nun im Gegensatz zur Arabermission - keinen Beamten mehr an seiner Seite hat. 19 darüber ] nämlich über die materielle Armut der Nachfolger Christi. 20 sprichst ] nämlich beim Verlesen des Textes vor den Chasaren. 21 gehe ] Beachte die literarische Formung des Abschnittes: Einleitend und ausleitend wiederholt sich der Imperativ иди ”gehe”, dazwischen wird drei Male das Verb сътворити ”vollbringen, schaffen” variiert. Geschaffen wird ein слово ’Abhandlung’, das beim Verlesen wieder zur mündlichen Sprache wird (глаголеши), wie am Anfang schon der Kaiser sprach (глаголѥ) und schon die ’Rede (рѣчь) der Chasaren’ und die ’Rede des Kaisers’ erklang. Diese Wortwiederholungen charakterisieren den Autor von VC als literarisch bewußt und führen den Leser auf das Thema des Abschnittes: Kyrill vermag, eine mündliche ’Rede’ in schriftlicher Form als ’Abhandlung’ zu fixieren. 22 Unverzüglich ] Kyrill muß ’unverzüglich’ seine Mission aufnehmen, wenn er vor Beginn der Herbststürme, also vor der Winterpause der Seefahrt, eine erste Reiseetappe überwinden will. Dies erklärt auch, warum sich Kyrill in Cherson so lange aufhält, obgleich er zu den Chasaren will, denn nach seiner herbstlichen Ankunft in Cherson ruht dann winters die Schifffahrt. Dazu passt auch das winterliche Datum der Auffindung der Reliquien des hl. Clemens, vgl. VIII:17. 22 Cherson ] Die Stadt kurz oberhalb der Mündung des Dnjepr in das Schwarze Meer ist die letzte Station der Flussschiffahrt des in der aruss. Chronik beschriebenen ’Wegs der Waräger zu den Griechen’ (Müller, 2001, 7), von wo die Kaufleute dann weiter mit dem Schiff nach Konstantinopel fuhren. Die Stadt war bereits im Imperium Romanum ein klassischer Verbannungsort (siehe die Clemens-Episode VIII:16-18) und bildete für Byzanz einen wichtigen Handelsstützpunkt, in den sich während der ikonoklastischen Unruhen auch orthodoxe Bilderfreunde zurückziehen konnten (Vasil’ev, 1936, 88). Unter dem byz. Kaiser Theophilos wurde Cherson zu einem militärischen Stützpunkt auf der Krim ausgebaut (Holmes, 2008, 265), sehr detailliert Čechová (2014). Es ist einsichtig, dass Kyrill bei der Hinreise zu den Chasaren zunächst die bekannte Route in den Kaukasus über Cherson wählt.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
nete er sich jüdische Predigtform und Buchformen an, die ’Acht Redeteile’ übersetzte er mit Hilfe eines Grammatiklehrers und von diesem nahm er Einsicht an.
23 jüdische ] VIII: 2 wird ’Hebräer’ als Bezeichnung für einen Träger der jüdischen Religion gebraucht, offenbar ist ’jüdisch’ als Bezeichnung für die Sprache der Chasaren zu verstehen. 23 Predigtform ] wörtlich ’Rede’; vgl. Komm. zum Aksl. 23 Buchformen ] wörtl. ’Bücher’; weil aber ’Rede’ = ’Predigt’ im vorgehenden wohl auf die spezielle jüdische Redekunst des talmudischen Argumentierens verweist, ist bei ’Büchern’ ebenfalls eine abstraktere Bedeutung anzusetzen. Im Kontext des Judentums ist an Thora und Talmud zu denken als die Bücher, aus denen die theologischen Lehrsätze abzuleiten sind. 23 Acht Redeteile ] ’Über die acht Redeteile’ ist die Bezeichnung der Lateingrammatik des Aelius Donatus (4. Jh.), welche zur generischen Bezeichnung für den grammatischen Elementarunterricht der Grundschule wurde. Der anonym im Serbien des 12. Jhs. verfasste, nur fragmentarisch überlieferte Traktat ’Über die acht Redeteile’ (ed. Weiher (1977)) wurde im Mittelalter oft für ein Werk Kyrills gehalten. 24 Grammatiklehrers ] Stark abweichend von den bisherigen Übersetzungen; siehe Komm. zum Aksl. 24 diesem ] Im Kontext der hier vorgeschlagenen Übersetzung hindert nichts, unter ’diesem’ den Grammatiklehrer zu verstehen. 24 Einsicht ] ’Einsicht annehmen’ im Sinne von ’eine Erklärung empfangen und nun wissen’ ist konstruiert wir gr. ἀναλαμβάνω bzw. ἀπολαμβάνω ’Kraft, Züchtigung usw. annehmen’, vgl. Bauer (1988, 111, 188). Zur Übersetzung von разѹмъ vgl. IV:10.
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VC VIII 25
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11. Ein gewisser Samaritaner lebte dort und kam öfter zu ihm, disputierte mit ihm und brachte samaritanische Bücher und dozierte vor ihm. 12. Nachdem er sie sich von ihm erbeten hatte, sperrte sich der Philosoph in ein Kämmerchen ein und er verlegte sich
25 Samaritaner ] Es handelt sich um die bis heute bestehende jüdische Glaubensgemeinschaft im Gegensatz zu Samaritern als Bewohner einer bestimmten Region, wobei der begriffliche Unterschied im Mittelalter nicht immer gemacht wurde (Novaković, 2013, 208). Zu den Charakteristika gehören die Berufung auf den Pentateuch allein in einer eigenen Redaktion, dessen Unterschiede (Schorch, 2012, 9, 12) vom masoretischen Text semantisch teilweise erheblich und jedenfalls nicht alleine als sprachliche Abweichungen zu betrachten sind. Die fünf Bücher Mose werden in der Regel als ’samaritanische’ verstanden, daneben existiert aber eine reichhaltige chronistische Literatur mit häufiger Erwähnung von Jesus (Schattner-Rieser, 2012). Die von Josephus (1985, 16) (s.a. Feldman (1992)) abwertend ’Kuthäer’ genannten Samaritaner zogen die Antipathie auch von Byzanz auf sich, wo - so Dvorník (1933, 185) ”le caractère violent des Samaritains donnait souvent au gouvernement byzantin l’occasion de montrer une plus grande sévérité à leur égard qu’à l’égard des Juifs”. Juden und Samaritaner waren unter byzantinischen Herrschaft gleichermaßen betroffen von Sprachgesetzgebungen wie der justinianischen Novelle 146 aus dem Jahre 553 (vgl. Krauss (1914, 57-62)), welche den Gebrauch der hebräischen Thoralesung in der Liturgie beschränkt, um durch den Wechsel zur LXX ”dem christlichen Geiste Eingang” (ebd. 62) zu verschaffen. Kyrills Disput mit dem Samaritaner könnte allgemein die christologischen Lesarten des AT betreffen (dazu siehe allgemein Kannengiesser (2006) mit reichen Beispielen zur differenten Interpretation hebräischer Begriffe), als auch das notorische und mit Esau (vgl. XV:77; Epiphanius PG, 43: 263) bzw. Chalmers (2019, 190)) verbundene Thema der Beschneidung, als schließlich auch die (abwertenden) Bemerkungen zu Jesus in den samaritanischen Chroniken behandelt haben. Speziell samaritanisch und im Gegensatz zum Judentum wurden Bibelstellen wie Gen1:26 und 3:22 anders gedeutet, wo die pluralische Wendung ”lass uns machen … ” jüdischerseits oft als Anrede an bei der Schöpfung behilfliche Engel, christlicherseits als innertrinitarische Rede (Oseka, 2018, 38) verstanden wurde, wobei sich die samaritanische Position zu diesen Versen (Fossum, 1985, 221) von der orthodox-jüdischen durch eine gnostische Variante unterscheidet, als hätte ein Engel den Körper, Gott aber die Seele geschaffen. Es ist wahrscheinlich, dass Kyrill, informiert von patristischen Kommentaren auch zu dieser Stelle, mit der samaritanischen Exegese stritt und also Pluralformen oder allgemeine sprachliche Probleme diskutierte, was keinesfalls bedeuten muss, Kyrill habe auf wunderbare Weise in kürzester Zeit Hebräisch gelernt. Vgl. dazu den Kommentar zu X:11. Zur samaritanischen Schrift siehe nochmals XIII:2. 25 öfter ] Zur Übersetzung siehe Komm. zum Aksl. 26 dozierte ] vgl. Komm. zum Aksl.; im übrigen ist es redundant, wenn die Übersetzungen den Samariter Bücher bringen und diese dann zusätzlich zeigen lassen, was auf dasselbe hinausläuft.
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auf das Gebet und von Gott Einsicht empfangen habend, begann er die Bücher tadellos zu lesen. 13. Als der Samariter das sah, schrie er mit lauter Stimme auf und sagte: ”Wahrhaftig, die an Christus glauben, empfangen rasch den Heiligen Geist und die Gnade.” 14. Wie sich sein Sohn nun unverzüglich taufen ließ, ließ auch er sich nach ihm taufen. 15. Und er fand dort ein Evangelium und einen Psalter, geschrieben in syrischen Buch-
28 von Gott Einsicht ] Hier ist die Wortbedeutung von разѹмъ ’Einsicht’ wichtig, siehe IV:10. Es geht bei der erbetenen Einsicht nicht um Grammatik-, sondern um Auslegungskompetenz, wie in Joh 7:15 ’Wie kann dieser die Schrift, so er sie doch nicht gelernt hat?’ 28–29 tadellos ] Kyrill liest nicht ”fehlerlos” (wie man üblicherweise übersetzt, pars pro toto Bujnoch (1972, 70)), denn es geht nicht um das Verständnis der Sprache, sondern um Verständnis ihres Inhaltes. Allein schon die aksl. Qualifizierung ’tadellos’ (vgl. Komm. zum Aksl.) steht der Ansicht im Wege, hier würde über Kyrills Sprachlernfähigkeit geurteilt. Vielmehr bezeichnet das Adjektiv im Wortsinne eine ’anstandslose, beanstandungsfreie’ Lektüre Kyrills. Ebensowenig, wie Kyrill das Wunder vollbringt, eine Grammatik zu schreiben, ohne deren Objektsprache zu kennen (VIII:10), vollbringt er hier nicht das Wunder, sich mit Büchern einzusperren, deren Sprache er nicht kennt, um sie mit Hilfe Gottes dennoch fehlerfrei zu lesen. Es handelt sich nicht um eine wunderbare linguistische (”То, что нам сообщает Житие как чудо, можно вообразить как великое научное достижение” (Beyer, 2001, 76)), sondern um eine philologisch-theologische Leistung. Die gr. Übersetzung des samaritanischen Pentateuch, die schon seit Origines bestanden haben mag (Anderson/Giles, 2012), bzw. die LXX ist nicht frei von Übersetzungsfehlern. Speziell für die LXX gilt: ”Mishaps may occur at every level of analysis, from the reading of the Hebrew consonants, through the vocalization and identication of grammatical forms, to the interpretation of words and constructions” (Joosten, 2012, 57), und falls Kyrill von dem Samaritaner auf die Übersetzungsmängel aufmerksam gemacht wurde, bedurfte er einiger Zeit, um mit dem neuentstandenen Wortsinn umzugehen und im Sinne des Prophetologions das AT mit dem NT wieder zu verbinden, was das wichtigste christliche Auslegungsziel beim AT war. Aufgrund der trotz Mt 10:5 (”gehet nicht in eine Stadt der Samariter”) Samaritanern und Christen gemeinsamen Messiaserwartung dürfte Kyrill im Gespräch mit dem Samaritaner eben die prophetologische Benutzung des AT angestrebt haben. Die Samaritanergeschichte führt Bekehrung auf persönlicher Ebene vor, während die folgende Episode dann eine kollektive Bekehrung erzählt. Natürlich wird der mittelalterliche Leser Parallelen zwischen Kyrills Bekehrungserfolg und Joh 4:1-44 gezogen haben. Als zweiter Assoziationsraum kann Lk 11:5-13 gelten wegen der Antwort des Samaritaners in VIII:13. 29 lesen ] Vgl. III:17, VII:5: Der Vorgang des Lesens bedeutet, die eigene Stimme dem Autor des Schriftwerks zu leihen; Kyrill liest also nicht wie im Schulunterricht vor und der Samaritaner prüft, ob es ’samaritanisch’ klingt, sondern Kyrill vermag, den ursprünglichen Autor so sprechen zu lassen, wie dieser es selbst gewollt hat. Dies ist das mediale Konzept, welches von dem Samaritaner im nächsten Vers evaluiert wird. Daiber (2021b). - Die ebenso alt bezeugten”rumiri/ rumili” sind vielleicht (Turilov, 2011, 15) von ”Rom” (aber slav. ’Rim’!) abgeleitet, das -l- jedenfalls läßt an türkische Pluralaffixe (-lar, -ler) denken; dieser Wortstamm kommt ebenfalls nicht als Kandidat für die ’ruski’ Buchstaben in Betracht.
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staben, und er fand einen Menschen, der in dieser Mundart redete, und unterhielt sich mit ihm und, die Bedeutung des Gesagten erfasst habend, wandte er sie auf seine Bekehrungsrede an, die verschiedenen Laute, die Vokale und Konsonanten, und zu Gott ein Gebet richtend begann er in Kürze zu lesen und darzulegen, und viele erstaunten sich über ihn, Gott bekennend. 16. Nachdem er gehört hatte, dass der heilige Clemens noch im Meer liege, sagte er nach einem Gebet: ”Ich glaube an Gott und vertraue auf den heiligen Clemens, dass ich ihn finden und aus dem Meer heraustragen werde.” 17. Als er den Erzbischof überzeugt hatte, setzte er sich mit dem ganzen Klerus und gottesfürchtigen Männern in ein Schiff und sie fuhren zu der Stelle, als sich das Meer sehr beruhigt hatte, und angekommen seiend begannen sie singend zu graben. 18. Plötzlich war da viel Salbölgeruch wie auch viel Weihrauchduft und danach erschienen die heiligen Gebeine, welche, nachdem sie mit großer Ehrerbietung und mit Lobpreis aller Bürger aufgenommen worden waren, sie zur Stadt brachten, wie er [Kyrill] auch in seiner [des 34 Mundart ] Wortl. ”Sprache”, aber als mündliches Phänomen. 35 Bedeutung ] wrtl. ’Kraft’; terminus technicus der Grammatographie, vgl. Anm. zum Aksl. 35 Gesagten ] Das aksl. Wort bezeichnet das physikalische Redephänomen. 35–36 Bekehrungsrede ] Nämlich die Rede, die Kyrill VIII:7 schon vorbereitet hat. 36 Vokale ] Beyer (2001, 76) wiederholt richtig, dass die explizite Bemerkung über die Schwierigkeiten, Vokale und Konsonanten zu unterscheiden, ein weiterer Hinweis auf das Syrische ist, welches wie das Hebräische eine Konsonantenschrift ist und die Vokale nur fakultativ markiert. 37 darzulegen ] Das aksl. Wort bezeichnet nicht das physikalische Phänomen des Sprechenkönnens, sondern das inhaltliche Vorbringen eines Redegegenstandes, im konkreten Falle auch ’predigen’. Aus der ganzen Passage muss nicht geschlossen werden, als habe Kyrill in kürzester Zeit Syrisch zu sprechen gelernt, sondern es wurde ihm von einem syrischen Muttersprachler die syrische Orthographie erklärt, so dass Kyrill, der sich schon mit dem verwandten Hebräischen beschäftigte, auch die syrische Bibelübersetzung beurteilen konnte. - Wenn man bedenkt, dass die altsyrische Übersetzung des NT öfters vom gr. NT abweicht, etwa in der Behandlung der Zitate aus dem AT (Brock (1988, 28), s.a. Schnelle (2005, 409)) könnte dies also der Gegenstand der Erörterungen mit dem Syrer gewesen sein. - Allgemein sollte man beachten, dass Kyrill und sein syrischer Gesprächspartner Verständnisfragen der Bibel nicht mittels gedruckter, sondern handschriftlicher Texte besprechen, so dass neben den ’großen’ Fragen des historischen Wortlautes die heute schwer nachvollziehbaren ’kleinen’ Fragen der Textdifferenz aufgrund von Verschreibung stehen können. Siehe Gelston (2002) zum Unterschied zwischen LXX und hebr. Vorlage beim alttestamentlichen Buch Amos, die durch Lese- bzw. Schreibversehen entstanden. 38 bekennend ] Zur Übersetzung siehe den Komm. zum Aksl.; die ganze Passage erzählt von einer kollektiven Bekehrung und ist das Gegenstück zur persönlichen Konvertierungsgeschichte von VIII:11-14 39 noch im Meer liege ] Nämlich auf einer Insel in der heutigen ’Kosaken-Bucht’ vor Cherson; Hofmann (1992, 62). 41 Erzbischof ] Auch der die Bischöfe von Cherson und die Erhebung der Clemens-Gebeine beschreibende Albrecht (2016, 380-382) nennt den Bischof nicht beim Namen 43 hatte ] Es handelt sich um eine Insel, die nur bei größerer Ebbe in den Wintermonaten über den Wasserspiegel steigt. Dies geschah auch ”in der Nacht des 30. Januar 861”, welches Datum als Tag der Auffindung der Gebeine von verschiedenen Quellen angegeben wird und ’unser volles Vertrauen verdient’ (Hofmann, 1992, 60). So auch Soročan (2017), der den Auffindungsbericht reich kommentiert und (ebd. Fußnote 7) die Auffindung auf ”Donnerstag, 3. Februar 861” datiert. 45 Weihrauchduft ] Zum Geruch siehe 2Kor 2:15, Eph 5:2; zu Viten und patristischer Literatur siehe Weinel (1899, 197f.), Nachträge Nestle (1903), Nestle (1906). Über ’Weihrauch’ ist Liturgie und Altardienst bzw. der Märtyrer Clemens als unschuldiges Opfer aufgerufen.
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Clemens] Auffindung schreibt. 19. Ein chasarischer Heerführer, eine christliche Stadt belagernd, kam mit seinen Truppen heran und lagerte sich um sie. 20. Als der Philosoph dies erfahren hatte, ging er, sich keine Rast gönnend, zu ihm. Nachdem er sich mit ihm unterhalten hatte, legte er lehrhafte Worte vor und besänftigte ihn. 21. Und nachdem er sich ihm zur Taufe verpflichtet hatte, ging er fort, keinen Schaden diesen Menschen zugefügt habend.
48 Auffindung ] vgl. IL, Voragine (1979, 915f.). Die Auffindung und Überführung der Gebeine des hl. Clemens nach Rom wurde in der Westkirche als die wichtigste Tat des ’Philosophus’ erachtet. Eine Vorstellung von dem hochformalen Akt einer Reliquientranslation im 9. Jh. inkl. der in VC berichteten olfaktorischen Phänomene bei der Auffindung und der Beteiligung der gesamten Bürgerschaft bei der Aufnahme der Reliquien in die Gemeinschaft gibt Röckelein (2002), siehe bes. 327-331. Der Bericht in VC von der Auffindung der Gebeine des hl. Clemens und ihrer feierlichen Translation erfüllt auch für westliche Leser den Anspruch an glaubwürdiges zeremonielles Verhalten, was einmal mehr auf den Rezipientenkreis von VC deuten kann. Der ”größte Teil” der Clemens-Reliquien wurde von den Slavenaposteln auf ihrer weiteren Reise mitgeführte und schließlich nach Rom gebracht. ”Das Haupt des hl. Clemens überführte dagegen wohl der hl. Wladimir im Jahre 988 von Cherson nach Kiew und legte es hier wiederum 989 in der Zehntkirche nieder. Während die römischen Klemensreliquien aber anscheinend erhalten geblieben sind, dürfte das in Kiew gehütete Klemenshaupt dem Tatarensturm des Jahres 1240 zum Opfer gefallen sein” (Hofmann, 1992, 69). Zur Wanderung des Clemens-Kultes nach Russland siehe auch Garipzanov (2013). 48 schreibt ] Der Bericht von der Auffindung der Clemens-Reliquien dürfte nicht von Kyrill, sondern von einem Augenzeugen und Bürger Chersons verfasst worden sein (siehe am Ende des Textes den Ausdruck ”unsere Stadt”). Zu einem vielleicht von Kyrill verfassten liturgischen Text bez. der Clemens-Auffindung siehe Vereščagin (2006), zu der historisch sekundären Kiever Translationslegende siehe Albrecht (2010). 49 Ein ] Die ein Mal bezeugte aksl. Lesart ”von denen, die es dort gab” scheint anzudeuten, dass es sich nicht um einen bestimmten, sondern um einen unbestimmten Heerführer handele. Die Lesart, ungeschickt eingefügt, dürfte sekundär sein; jedenfalls ist das genaue historische Ereignis nicht zu bestimmen. Es mag gut sein, dass hier lediglich von einem lokalen Heerführer berichtet wird. Richtig ist der Hinweis von Dvorník (1933, 188f.) auf die christlichen Krimgoten, die sich der Eroberung durch die Chasaren sicher bis ins 8. Jh., möglicherweise vereinzelt auch noch im 9. Jh. widersetzt haben. Eines ihrer hauptsächlichen Siedlungsgebiete lag in der südöstlichen Berggegend unweit von Cherson. 52 lehrhafte Worte ] Man ist an 1Tim 5:17 erinnert, wo von den Gemeindeältesten (Presbytern) die Rede ist, welche in ’Wort und Lehre’ glänzen. Siehe die Formulierung nochmals VIII:25. 53 Taufe ] Auch hier ist bei Taufe der politische Effekt der Christianisierung zu bedenken und fränkische Leser konnten sich hier an den Umgang mit den Awaren erinnert fühlen: ”Taufe und Unterwerfung unter den Kaiser blieben Endziel byzantinischer (spater auch fränkischer) Politik” (Pohl, 1988, 6). 53 ging ] Der hier beginnende Hauptsatz fehlt in CH und ist mit den Lesarten ergänzt.
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22. Der Philosoph nahm seine Reise wieder auf. 23. Und während er zur ersten Stunde ein Gebet verrichtete, fielen Ungarn über ihn her, wie Wölfische heulend, ihn töten wollend. 24. Er fürchtete sich nicht, noch ließ er ab von seinem Gebet, Kyrie eleison nur rufend, denn er hatte schon das Officium beendet. 25. Als sie seiner ansichtig wurden, wurden sie auf Gottes Geheiß allmählich milde gestimmt und begannen, sich vor ihm zu verneigen und, nachdem sie lehrhafte Worte von seinen Lippen gehört hatten, ließen sie von ihm und der ganzen Gefährtenschar ab.
55 nahm ] Zur Übersetzung siehe Kommentar zum Aksl. 55–56 zur ersten Stunde ] Gräzismus: Πρώτη Ὥρα; in der byzantinischen Ordnung des Tagzeitengebetes morgens gegen 6 Uhr; zu Stundengebeten vgl. XV:2, XVII:9. 56 Ungarn ] In den 30er Jahren des 9. Jhs. wurde von den feudalen Eliten der Chasaren ein Bürgerkrieg um die Macht geführt, welcher in dem Bau der Festung Sarkel 834 am Don, die mit byzantinischer Hilfe erbaut wurde, ein formales Ende fand, obgleich der Krieg immer wieder aufflackern konnte, weshalb die beiden Kampfepisoden VIII:19-21 und 22-25 durchaus glaubhaft sind (auch Überfälle während einer Messe - vgl. unterm Jahr 892 - sind zeitgenössisch). Resultat des Krieges war die Annektierung der Krim und Einrichtung des ’Chersoner Themas’ durch Byzanz. Die verdrängten chasarischen Gruppen schlossen sich den auch auf dem Gebiet der Krim nomadisierenden Ungarn an. Genauer Artamonov (1962, 328), zustimmend referiert von Petruchin (2001, 73), zu den Festungen siehe Flërov (2002). Nikolov (1997, 86) hält die Erzählung für ”typical of the hagiographic tradition”, wenngleich er die historische Möglichkeit einer Begegnung mit Ungarn nicht bestreitet. 57 Kyrie eleison ] Κύριε ἐλέησον; auch im aksl. Text griechisch, als dreimaliger Anruf zum Ende des Stundengebetes. 58 Officium ] So übersetzt auch Bujnoch (1972, 72), denn der Autor von VC bezieht sich auf das liturgische Formular. 59 allmählich milde ] Vgl. Anm. zum Aksl. 60 lehrhafte Worte ] vgl. VIII:20, siehe auch XII:20. 60 Lippen ] Vgl. III:17; die ’lehrhaften Worte’ müssen nicht unbedingt Kyrills Worte sein, sondern können auch Predigten der Kirchenväter sein, die ’von Kyrills Lippen’ wieder lebendig, nämlich wieder hörbare Stimme werden.
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IX 1. Въсѣд’ же въ корабль пѹти се ѥть козар’скаго на меѡтскоѥ ѥзеро и
1 пѹти ] GenPart als Objekt zu inchoativem jęti. острова
1 меѡтскоѥ ] 8: ометское, 1: ꙋ метскаго
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капїискаа врата къав’каискыихь горь. 2. послаше же Козариѥ противꙋ ѥмѹ
2 капїискаа ] 7: каспїискаа; weil die Mehrzahl der Hss das ”s” ausläßt, erwog schon (Šafařík, 1873, 31) und nach ihm Andere (Grivec/Tomšič (1960, 185) oder Tachiaos (2005, 73)) Verschreibung aus gr. Pantikapeion = gr. ’Bosporos’ = antike Stadt beim heutigen Kerč’. Der im aksl. Text bewahrte Plural als Übersetzung für gr. ἁι Κάσπιαι πύλαι legt aber keine Verschreibung aus einem Singular nahe. Berichtet wird jedenfalls eine Seefahrt von Cherson ins mäotische = Asowsche Meer. Dabei wird wahrscheinlich Kertsch passiert, aber VC enthält nicht den Ortsnamen. - Unter ’Kaspische Pforte’ ist wörtlich (Vacca, 2017, 96, Anm. 79) Derbent zu verstehen, welches am Westufer des Kaspischen Meeres dort liegt, wo der Kaukasus am nächsten zum Ufer herantritt, weshalb eine hier gelegene Festung den Handelsweg wirkungsvoll abriegeln konnte. ”Derbent, heutiges Dagestan” (Beyer, 2001, 76) als ’Sommerresidenz’ des chasarischen Khans (Tachiaos, 2001, 47) wird oft (Artamonov, 1962, 332) als Reiseziel Kyrills genannt, stand auch immer wieder unter chasarischer Herrschaft, gehörte aber seit 772 (Abbas-Kuli-Aga-Bakichanov, 1991, 51) fest zum armenischen Emirat (al-Armeniya I) (Hewsen, 2001, 106) und entwickelte sich im Zuge des Abfalls lokaler islamischer Machthaber im Kaukasus 869 zu einem selbständigen Emirat. Trotzdem wird ’Derbent’ öfters als Reiseziel Kyrills genannt, weil es mit der Route über das Gebiet der Chasaren (Хазарский путь), welche den Handel zwischen den arabischen Ländern mit Russland, dem Baltikum und (Dyba, 2015) gar mit Süddeutschland ermöglicht habe, verbunden wird. - Derbent scheidet m.M. wegen der arabischen Herrschaft mit Sicherheit als Reiseziel Kyrills aus. Die Chasaren hatten unter dem Druck der arabischen Landnahme zu Kyrills Zeiten ihre Hauptstadt weiter in den Norden verlegt, möglicherweise nach der heute Tarki genannten Stadt nahe Machačkala, das alte Semender an der Handelsroute aus dem Iran nach Norden (Dvorník, 1933, 183). Semender hätte wörtlich nicht die Richtungsangabe ”Kaspische Pforte” verdient, aber unter ’Kaspischer Pforte’ muss nicht zwingend Derbent verstanden werden, weil es ”a usual mistake among Byzantine authors” (Alemany, 2006, 43, Anm. 1) ist, die ”Kaspische Pforte” mit der ”Kaukasischen Pforte” zu verwechseln. Darunter ist seit den antiken Geographen die Darialschlucht (heutiges Georgien) zu verstehen ist. Aus dieser Schlucht fließt der Terek nach Norden, biegt etwa in Höhe der heutigen Stadt Majskij (Tschetschenien) von der Süd-Nord-Richtung nach Osten ab und nimmt seinen Lauf weiter zum Kaspischen Meer. Die Reiseroute vom Asowschen Meer nach Tarki beträgt etwa 1000km, welche bei einer Durchnittsleistung von 30 km/ Tag zu Fuß in etwa 35 Tagen zu bewältigen sind. Dabei können beim Hin- und Rückweg die je dem Asowschen bzw. Kaspischen Meer zufließenden Gewässer beschifft werden; in Richtung Machačkala bietet sich der Terek an, in Gegenrichtung der Kuban. Der Landweg zwischen beiden Flüssen führt durch ein versalztes Steppengebiet, wie es VC XII:1-6 beschreibt. Schließlich ist es wahrscheinlich, dass Kyrill nicht bis Machačkala, sondern nur zu einer der Grenzstädte am Terek reisen musste (Komm. zum Dt.). Wesentlich kürzere Reisezeiten (was für weitgehende Benutzung von Flussverbindungen spricht) veranschlagen arabische Quellen für die Verbindungen zwischen Asowschem und Kaspischem Meer (Kalinina, 2014, 13), wobei aber auch hier Toponyme nicht ganz klar sind.
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мѹжа лѹкава заскопивь, иже бесѣдою сниде се рече ѥмꙋ: ”3. како вы зль ѡбычаи имате и ставите царь инь въ иного мѣсто ѡть иного рода? мы же по родꙋ се дѣѥмь.” 4. философь же къ нѥмꙋ рече: ”богъ бо въ Саѹла мѣсто, ничесоже ѹгодна дѣюща, избра Давида, ѹгаждающа ѥмѹ, и родь ѥго.” 5. онь же рече пакы: ”вы ѹбо книгы дрьжеще въ рꙋкꙋ, ѡть нихь въсе прит’че глаголѥте; мы же не тако, нъ ѡть пръсїи все мѹдрости ꙗко погльщьше износимь ѥ, не гръдеще се ѡ писанїи ꙗкоже и вы.” 6. рече же философь к’ нѥмꙋ: ”ѡтвѣщаю ти къ семѹ: аще срѣщеши мꙋжа нага и глаголѥть, ꙗко ’мнѡгы ризы и злато имамь’, имаши ли ѥ вѣрꙋ, виде ѥго наго?” 7. и глаголѥть: ”нїи”. 8. рече же ѥмꙋ: ”тако и азь тебѣ глаголю: аще ли ѥси погльтиль въсакѹ мѹдрость, то скажи ны, колико род’ ѥсть до Мѡӱсеа и колико лѣть ѥсть коториждо родь дрьжаль?” 9. не могы же къ семꙋ ѡтвѣщати, ѹмльча. 2 къав’каискыихь ] 10: кавкас(с)кихъ (-ыхъ), 3: кавкасижьскыхь, 1: кавъкажьскыхь, 1: коавхаистихъ 2 горь ] GenPl; vgl. S. 39. 3 мѹжа лѹкава заскопивь ] 1: мѹжъ л’стивъ и неправдивъ; Gräzismus, schon (Šafařík, 1873, 31) weist angesichts des aksl. hapax legomenon auf gr. σκοπόϛ = ’Beobachter, Späher’. Im übrigen ist der κατάσκοποϛ (Spion, Späher, LXX Sir 11:30, Bauer (1988, 851)) auch das byzantinischerseits eingesetzte Mittel der außenpolitischen Aufklärung (Kaldellis, 2013, 21). 3 иже бесѣдою сниде се рече ѥмꙋ ] 15: иже бесѣдѹа с нимъ рече емѹ, 1: иже бесѣдою съниде се съ нимь и рече, 1: лꙋкава сниде стрѣгъ его; die Lesarten mühen sich mit dem Verb сънити ”herabsteigen, -kommen” CVB, 661), es entweder weglassend oder ihm einen lokalen Richtungssinn gebend, solcherart aber anzeigend, dass im Protograph das Verb tatsächlich stand, denn kein Slave hätte das unpassende Verb redigierend eingefügt. Dessen Sinn ergibt sich aus der Nebenbedeutung des frequenten gr. κατέρχομαι ’herabkommen’, welches auch ’anlaufen, mit dem Schiff anlanden’ (Bauer, 1988, 858) bedeutet (vgl. Apg 27:5 u.ö.). - Der absolute Instrumental бесѣдою, eindeutig сънити zugeordnet, kann nur sinngemäßes ’angeblich’ bedeuten, wie im Gr. der absolute DatSg προφάσει (Bauer (1988, 1447), vgl. Apg. 27:30; vgl. IX:11 und XVII:12) in der Funktion eines verbum dicendi mit anschließendem Objektsatz. Damit ist zu übersetzen ’der unter dem Vorwand, er sei angelandet, zu ihm sprach’, wobei die eher adverbiale Auffassung des absoluten Kasus wie in der einmal bezeugten Lesart ”der angeblich mit ihm angelandet war und sagte” ebenfalls gr. möglich ist; vgl. die byzantinische Majoritätslesart von Mt 23:13 καὶ προφάσει μακρὰ προσευχόμενοι ’und angeblich Großes Betende’. Schon VI:19 enthielt übrigens einen Gräzismus aus dem Bereich der Seefahrt, XII:9 hat nochmals einen adverbialen Dat.abs. 5 се дѣѥмь ] Wie dějati sę für PraesIndAkt ἐνεργοῦσιν (Mt 14:2) in Zographensis und Marianus (CVB, 205). 7 вы ѹбо ] 6: како ѹбо вы, 5: om. ѹбо, 3: како вы ѹбо; die Lesarten mit Fragepartikel wie im Satz zuvor sind, weil ein neues Thema angeschlagen wird, wohl besser als CH. 7–8 въсе прит’че ] 1: всꙗ преднаꙗ и бывшаꙗ 8 все мѹдрости ] 14: всю мѹдрость 9 ѥ ] 15: ю 10 къ семѹ ] zur Konstruktion vgl. VI:17, VI:29 10 срѣщеши ] 3: обрѧщеши 11 имаши ] ’Glauben haben’ für einfaches ’glauben’ auch bibelgriechisch, etwa Lk 17:6 Εἰ ἔχετε πίστιν ’Wenn ihr Glauben hättet’. 11 ѥ ] Omnes cod.:емѹ 11 наго ] Reliqui cod.: нага, 1: наготѹ; CH ist in diesem ganzen Absatz gegen die anderen Hss bemerkenswert defekt. 12 рече же ѥмꙋ ] Omnes cod. om. 13 мѹдрость ] 1 add.: ꙗкоже хвалиши се; der Zusatz stellt nicht unbegründet die von dem ’nackten-Mann-Vergleich’ unterbrochene Verbindung zum ’Weisheit-Verschlucken’ wieder her. 13 ны ] 9: ми 13 до Мѡӱсеа ] 2: от Адама; vgl. dt. Kommentar; primär ist sicher ’Moses’, weil seine Stellung im Zeitlauf seit Erschaffung der Welt bis Christus zwischen Juden und Christen strittig ist.
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10. дошьдьшꙋ же ѥмꙋ тамо, ѥгда хотѣхѹ на ѡбѣдь сѣсти ѹ кагаана, въпросише же ѥго, глаголюще: ”каꙗ ѥсть твоꙗ честь, да те посадимь на своѥмь чинѹ?” 11. он’ же рече: ”дѣда имах’ велика и славна ѕѣлѡ, иже близъ цара стоꙗше и дан’нꙋю ѥмѹ славꙋ волѥю ѡтврьгь, изгнань бысть и на странѹ землѥ шьдь ѡбнища и тѹ ме роди. 12. аз’ же дѣд’нюю чьсть древ’нюю ищꙋ, не достигохь иноѥ приѥти, Адамов’ бо ѥсмь вънѹкь.” 13. и ѡтвѣщаше же ѡни: ”достоино и право глаголѥши, гости.” 14. ѡть сего же начеше на нѥмь чьсть творити.
15 кагаана ] Über die Machtfülle und die politische und religiöse ’Doppelherrschaft’ des Kagan siehe Petruchin (2001); übrigens wendeten auch die ersten Fürsten der Kiever Rus’ den Titel auf sich an. 16 честь ] Im Kontext der Platzordnung beim Mahl bildet gr. ἔντιμος (etwa Lk 14:8) den semantischen Hintergrund (Bauer, 1988, 543). 16 на ] Die Lokativkonstruktion befremdet, wohl Gräzismus ὑπέρ ”zur Bez. der bewegenden Ursache od. des Grundes” (Bauer, 1988, 1671f.), s.a. IX:14. 16 своѥмь ] Reflexivpronomen, also kaum ”abychom tě posadili podle tvého [!] postavení” (MMFH, 2: 80). 17 имах’ велика и славна ѕѣлѡ ] 1: имехъ ѕѣло честьна, сильна и славна; Grivec/Tomšič (1960, 186): slavьnъ entspreche ἔνδοξοϛ ”gloriosus”, was koiné-gr. möglich ist Bauer (1988, 531f.). 18 стоꙗше ] 3: сѣдѧше; es handelt sich, wie gleich ausgeführt wird, um den Ahnvater Adam, der anders als Christus eher stehend vor Gott gedacht wird. 18 славꙋ ] 2: честь; Grivec/Tomšič (1960, 186) bemerken, dass bedeutungsbeeinflussendes gr. δόξα ’Majestät, Glanz, Pracht, Ruhm, Ansehen, Ehre’ (Bauer, 1988, 409f.) hier gleichsam synonym mit ”Vornehmheit” (εὐγένια) mitzuverstehen sei unter Hinweis auf eine Formulierung aus Gregor von Nazianz (die gr. eugénia im übrigen nicht enthält). - Was die von Grivec/ Tomšič ebd. bemerkte Parallele zu den Freisinger Denkmälern betrifft, siehe Komm. zum Dt. Es handelt sich um ein Theologem. 18 волѥю ] 10: велию, 1: велею; die Lesarten sind vielleicht nicht nur graphisch naheliegend; möglicherweise Nachahmung des gr. absoluten Dativs wie Apg 13:36 τῇ τοῦ Θεοῦ βουλῇ; vgl. IX:2 und XVII:12. 18–19 странѹ землѥ ] 6: страннѹю землю, 5: страннѹ землю, 3: инѹ странѹ и земли, 1: странѹ землѧ, 1: страннꙋ земнꙋю; die Lesarten versuchen, das Nomen страна in ein Adjektiv странна zu überführen, wenngleich die Semantik (странный = randständig, seltsam, fremd) darunter leidet. Im 15. Jh., woraus die ersten Kopien von VC stammen, ist die ma Vorstellung, dass das Paradies auf der Erde lokalisiert sei, nämlich am Rande, ’auf der anderen Seite’ des bewohnten Erdkreises, bereits nicht mehr nachvollziehbar. Zu entsprechendem Kartenmaterial siehe Reudenbach (2010), speziell zum irdischen Paradies auf ma Landkarten Koschorke (1990, 15-18). Die bis zum 12. Jh. reich illustrierten Beatus-Apokalypsen (Williams, 2017) konnten entsprechende Weltkarten enthalten. Vgl. auch IV:19, X:43, XI:18. 19 шьдь ] 9: дошедь, 1: отшедь 19 тѹ ] 2: тамо 21 на нѥмь ] siehe oben IX:10.
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15. Каган’ же възьмь чашꙋ рече: ”пиꙗмь въ име бога ѥдиного, сътвор’шаго всꙋ тварь.” 16. философ’ же рече, възьмь чашꙋ: ”пїю въ име бога ѥдиного и словесе ѥго, сътвор’шаго словомь всѹ тварь, им’же небеса ѹтврьдише се, и животворещаго дѹха, им’же въса сила ихь стоить.” 17. ѡтвѣща къ нѥмѹ кагань: ”в’се равно глаголюще, ѡ семь тъкмо различь дрьжимь: вы бо троицꙋ славите, а мы бога ѥдиного, ѹлꙋч’ше книгы.” 18. философ’ же рече: ”слово и дѹхь книгы проповѣдають. 19. аще кто тебѣ чьсть творить, твоѥго же
23 пиꙗмь ] 8: пїю, 6: пиемъ, 2: om. 1PsPl ist пиемъ wie in 6 Hss, aber angesichts der Wiederholung der Trinkformel im nächsten Vers ist 1PsSg (wie in 8 weiteren ostslav. Hss) zu erwarten. Möglicherweise wurde die Endung der 1PsSg -ę im Auslaut diphtongisch -em gesprochen, was in den südslav. Hss eingetreten sein könnte. Sollte die diphtongische Aussprache schon zum Protograph des 9. Jhs. gehören, widerstreitet sie dem allgemein verbreiteten Gesetz der offenen Silben in den slav. Sprachen, was allerdings von den slav. Ortsnamen in Griechenland (keine Liquidmetathese, Malingoudis (1981, 147)) bekannt ist, und könnte so ein Hinweis auf die dialektale Herkunft des Übersetzers von VC sein. 23 бога ѥдиного ] 5: господа единого; sicher hat der Kagan nicht bei dem ”Herrn”, nämlich Christus, seinen Trinkspruch ausgebracht. Vielmehr knüpft die ursprüngliche Formulierung an VIII:1 an. 25 сътвор’шаго словомь всѹ тварь ] 15: om.; rationalisierender Zusatz, der das vorerwähnte ’Wort’ in seiner Funktion erklären will. Das ’Wort’ ist natürlich Christus selbst, der inkorporierte logos, wie das Nizänische Konzil so die Wesenseinheit mit dem Vater terminologisch festlegte (vgl. Joh 1:1). Kyrill antwortet also auf das monotheistische Bekenntnis des Kagan mit der christlichen monotheistischen, aber trinitarischen Gottesanschauung. 26 животворещаго ] Im nizänisch-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis: τὸ ζωοποιόν 26 сила ] Für ἡ δύναμις wie 1Kor 2:4 u.ö. 26 стоить ] 4: състоить, 1: состоꙗть; vgl. στήκειν ’fest stehen’ im NT (Phil 4:1 u.ö.). 27 в’се ] 4: въси 27 глаголюще ] 8: глаголемъ, 5: глаголеши 27 различь ] 11: различно, 6: различїе; i-stämmiges Adverb, daher paralleler gräzisierender Satzbau: ravno glagoljušče = ὁμο-λογειν - različ’ dr’žim’ o (= gr. ἐν, vgl. CVB, 388)) sem’. 28 ѹлꙋч’ше ] PPraesAkt mit der Bedeutung διδάσκειν ”lehren”, die auch CVB, 735) als auffällige Sonderbedeutung des aksl. Verbes anführen; syntaktisch ein seltener Nominativus absolutus (Večerka, 1989-2003, 3: 169). 29 книгы ] Möglicherweise eine wichtige Stelle für die historische Pragmatik. Der Kagan sagt ’wir halten uns an die Bücher’ und Kyrill entgegnet, dass die Bücher ’auch’ die Dreieinigkeit aussprechen. Da nun das Adverb ’auch’ im Ksl. nicht erscheint, wird die adversative Bedeutung von Kyrills Entgegnung nur klar, wenn ’die Bücher verkünden’ mit Betonung auf dem Verb rhematisch betont ist, was offenbar nur durch die Stellung der Satzglieder erreicht wird. 29 чьсть ] Angezielt ist die Bedeutung von gr. φιλοτιμία (CVB, 786), was im Zusammenhang mit aksl. tvoriti auf ’Ehre erweisen, erbieten’ hinausläuft. Diese und besonders auch die folgenden Konstruktionen mit ’Ehre’ haben den unbeholfenen Charakter gräzisierender Kontamination mit gr. ’Ehre haben’ (τιμὴν ἔχειν) = ’in der Ehre sein’ (ἐν θιμῆ εἶνει), woraus die vielen Lesarten der Stelle resultieren. Aksl. чьстити ’ehren’ ist nur (CVB, 785) in den Kiever Blättern bezeugt, чисти ’dass.’ aber im ganzen Schrifttum. Weicht der Übersetzer von VC bewußt in deutliche Lehnübersetzung aus, weil er eine aspektuell unvollendete Formulierung sucht?
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словесе и дѹха ѹсть не въ чьсти имать, дрꙋгы же пакы все троѥ въ чьсти имать, которыи ѹбо ѡть обою ѥсть чьстивѣи?” 20. он’ же рече: ”иже все троѥ въ чьсти имать.” 21. философ’ же ѡтвѣща: ”тѣмь же мы бол’шеѥ творимь вещ’ми сказающе и пророкьь слꙋшающе. 22. рече бо Исаıа: ’слѹшаите мене, Іакѡве, Ізраилю, ѥгоже азь зовѹ, азь ѥсмь пръвыи, азь ѥсмь въ вѣкы; нынꙗ господь посла ме и дѹхь ѥго.”’ 23. Иѹдеи же стоѥще окрьсть ѥго рекоше ѥмꙋ: ”рьци ѹбо, како можеть жен’скы поль бога въмѣсти въ чрѣво, на н’же не можеть ни възрѣти, а не мен’ ли родить и?” 24. философ’ же показавь пръстомь на кагана и на пръваго свѣт’ника ѥго рече: ”аще кто рече, ꙗко пръвы съвѣт’никь не можеть чрѣдити кагана, пакы же речеть, послѣднїи рабь сего можеть кагана и чрѣдити и чьсть ѥмꙋ сътворити, что имамь нарещи и, скажите ми, неистова ли или съмысльна?” 25. ѡни же рекоше: ”и ѕѣло неистовь.” 26. философ’ же къ нимь рече: ”что ѥсть ѡть видимыѥ твары чъстнѣиши въсѣхь?” 27. ”ѡтвѣщаше ѥмꙋ: чловѣкь, по ѡбразꙋ бо божїю сътворень ѥсть.” 28. пакы же къ нимь рече фило30 ѹсть ] 4: om.; Grivec/Tomšič (1960, 187) nennen ”spiritum oris tuae” eine ”valde dubia paraphrasis”, weshalb das Lexem ust’ und damit die ganze Konstruktion in ihrer und anderen Übersetzungen (KO, 3:128), MMFH, 80)) einfach ausfällt. Es heißt aksl. aber nicht ’den Geist deines Mundes’, sondern vielmehr ’den Mund deines Geistes’. Das aksl. Lexem ust’ = (serbische Orthographie) usta muss hier verstanden werden als ’Ausgang, Quelle, origo’, wie diese Bedeutung in ’Mündung eines Flusses’ später für (nach Verfall des Duals zum Kollektivnomen gewordenes) ust’e’ auch bezeugt ist. Die ganze Argumentation hängt genau an diesem Konzept des Rückschlusses vom Manifesten auf die hervorbringende Ursache: Man kann nicht den Schöpfer verehren, wenn man die Schöpfung nicht als seine Selbstäußerungsform (Wort), die aufgrund einer bestimmten Intention (Geist) getätigt wurde, versteht. 30 не въ чьсти ] 9: не въ честь, 5: ни во чтоже 30 имать ] 1: творить 30 дрꙋгы ] дрѹгы ... имать 8: om. 30 въ чьсти ] 6: въ честь 31 чьстивѣи ] 2: чъстнѣи 32 въ чьсти ] 14: въ честь 32 бол’шеѥ ] 6: волею; 3: болѣ волею 33 сказающе ] Zur Bedeutung von сказати siehe VIII:11, VIII:15 und XIII:3; Parallelformulierung siehe XI:42. 33 слꙋшающе ] 2: послѹшающе 33 слѹшаите ] 15: слѹшаи; aufgrund des Bibelzitates ist der Singular vorzuziehen. 34 азь ѥсмь пръвыи, азь ѥсмь въ вѣкы ] 3: азъ есмь богъ, азъ же по сихъ и въ вѣкы 35 нынꙗ ] 9: азъ есмь и нынѣ; die Lesartenangabe von Grivec/ Tomšič ist bei dieser Passage schwer nachvollziehbar. 37 поль ] 15: родъ 37 въмѣсти ] omnes cod.: въмѣстити 37 ни ] 12: om., 3: никтоже 37 възрѣти ] 11: зрѣти 37–38 не мен’ ли ] 6: а нежели, 5: аггели, 3: а не ли, 2: а неме ли, 1: а не толико; Gräzismus, konstruiert wie in 2Kor 12:15 satzgliedeinleitendes ἥσσων ”(umso) weniger” (Bauer, 1988, 707). 38 родить и ] omnes praeter 1: родити 39 свѣт’ника ] 5: свѣтильника 39 чрѣдити ] hapax legomenon (SJS, 893); öfters ist belegt чрѣждениѥ ’Bewirtung, Gastmahl’, s.a. (CVB, 784). 40 речеть ] Wohl kaum Wechsel von vorgehendem Aorist zu Präsens, sondern vielmehr gräzisierend gebrauchter Infinitiv statt Supinum wie aksl. bezeugt (vgl. Večerka (1989-2003, 2: 256)), wobei in den Abschriften tъ > tь eingetreten sein mag. 41 нарещи и ] 5: е, 3: его, 1: ѧ; Lesarten allesamt sekundär, da entweder neu (Gen = Akk) oder sinnloserweise Plural. 41 неистова ] 4: неистовьство 41–42 съмысльна ] Omnes praeter 3: несмысленна; zur Bedeutung vgl. VI:23 und VI:25, wo das Nachdenken als elementare menschliche Fähigkeit bezeichnet wird. Die alte Orthographie in CH und die Bedeutung lassen die Lesarten sekundär erscheinen: es geht bei ’unaufrichtig’ nicht um eine kognitive Fehlleistung, sondern eine absichtliche Lüge. 42 неистовь ] Omnes praeter 1: неистова; zur serbischen Orthographie = /a/ siehe S. 39. 43 чъстнѣиши ] 10: честнѣе, 3: чловѣчьские, 1: чъстнѣишее, 1: чловѣчьское, 1: чловѣчьскїѧ
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софь: ”то како нѣсꙋть трѣсновени, иже глаголють, не может’ се въмѣстити въ чловѣка богъ; а ѡнь и въ кꙋпинꙋ се въмѣсти и въ ѡблакь бѹрею и дымь ꙗвль се Мѡӱсеови и Ïовꙋ. 29. како можеши иного болеща исцѣлити. 30. чловѣчьскꙋ ѹбо родꙋ на истлѣнїе пришьдьшꙋ, ѡть кого би пакы ѡбновлѥнїе приѥль, аще не ѡть самого творца. 31. ѡтвѣщаите ми, аще врачь хоте приложити пластирь болещїмь, приложит’ ли дрѣвѣ или камени или нїи? 32. и ꙗвит ли ѡть сего чловѣка исцѣлѣв’ша? 33. и како Мѡӱси дѹхомь светымь 45 то ] 2: да 45 нѣсꙋть трѣсновени ] 6: сѹть неистовїи, 3: не сѹть безѹмни, 3: не сѹть древнїи, 1: не се право. Die nach dem Apparat von Grivec/Tomšič (1960, 112) noch von einer weiteren Hs gestützte Lesart von CH wird in den Ausgaben bzw. Übersetzungen für verdorben gehalten und statt dessen die Lesart ’bezumnyj’ = ’stupidi’ vorgezogen. Es ist aber nicht ersichtlich, weshalb ein Abschreiber ”bezumyj”, falls dies im Original gestanden hätte, entweder durch unbelegtes ’trěsnoveni’ ersetzt haben oder zu völlig verständlichem ”bezumnyj” eine Lesart wie ”drevni” = ”alte” erfunden haben sollte. Als lectio difficilior liegt vor aksl. trěsnъ ”das Ausgefranste, die Troddel” (CVB, 707) kombiniert mit Suffix -ovьnъ, also präteritales Passivpartizip eines Verbes *trěsьnovati ”Troddeln tragen” = ”die Betroddelten”. Diese sind nach Mt 23:5 als jüdische Gelehrte zu identifizieren. Die pejorative Bezeichnung resultiert daraus, dass ausgerechnet die jüd. Schriftgelehrten nun mit Zitaten aus dem AT widerlegt werden. 45 иже ] 3: же 45 глаголють ] 1: галголете 46 бѹрею ] 9: и въ бѹрю, 5: и въ бѹрѣ, 1: и бѹрю; die Lesarten entstehen, weil aksl. vъměstiti nicht lok. auf den Ort des Einwohnens (’einwohnen worin’ = vъ + Lok), sondern akk. auf die Richtung des Wohnungsnehmens (’sich zusammenfassen wohin’ = vъ + Akk) bezogen wird - eine Konstruktionsmöglichkeit von gr. χωρεῖν (Bauer, 1988, 1773f.); in XI:5 erscheint das Verb nochmals akkusativisch konstruiert in der Bedeutung ’sich begeben wohin’. - Alle Objekte des Einwohnens in dieser Passage (vъ > črevo, člověka, kupinu, oblakъ) sind akk. konstruiert, was in der deutschen Übersetzung wiederzugeben versucht wird. Alle Lesarten, die lok. ein Einwohnen ’im Sturm’ konstruieren, sind sekundär, vielmehr ist bureju absoluter Lokativ ”in der Funktion der Adverbialbestimmung der Zeit” (Večerka, 1989-2003, 1: 136). 46 дымь ] 5: въ дымѹ, 3: дымомь; Lesarten sind sekundär, es handelt sich um das Prädikatsnomen 47 ꙗвль се ] Kann als Perfekt gelesen werden, aber das Hilfsverb ist im Laufe der süd- bzw. ostslavischen Abschriftgeschichte untergegangen. 47 можеши ] 4: можаше, 2: можааше 47 иного болеща ] 10: иномѹ болѧщѹ иного, 5: иномѹ болѧщѹ а иного, 2: инако болещїи 47 исцѣлити ] 15: цѣлити, 2: исцєлити се 48 ѡть кого би ] 15: отъ кого бо иного; der Zusatz inogo ist überflüssig. 49 хоте ] PartPraesAkt + südslavische Entnasalierung < chotę, konstruiert als participium coniunctum. 50 приложит’ ли ] 11: приложить ли и, 2: приложить ли сего; die Ergänzung einer akkusativischen anaphorischen Objektanzeige ist zwingend, daher aus den Lesarten ergänzt. 50 или нїи ] 4: om.; DatPl des PersPron., zur Argumentgliederung der Passage siehe Kommentar zur Übersetzung. 51 чловѣка исцѣлѣв’ша ] 6: что; die sekundäre Lesart souffliert dem Satz ein Subjekt im Sinne ”und erreicht er etwas auf solche Weise” (Bujnoch, 1972, 75). Es liegt offenbar transitive Verwendung von javiti vor wie gr. φανεροῦν ’sichtbar machen, zeigen, offenbaren’ (CVB, 64), Bauer (1988, 1700)), wie übrigens auch in XI:20. Entweder ist Gen-Akk. beim belebten Maskulinum eingetreten, oder die Konstruktion ist als Gräzismus, nämlich als GenAbs (Blass, 1896, 245f.) zu lesen, welcher als Objektsatz zu ꙗвити fungiert, was die wahrscheinlichste Lösung ist. - Syntaktisch besteht ein Bedingungsgefüge mit participium coniunctum als bedingendem Satz (аще хоте, IX:31) und zwei bedingten Sätzen (mit Verbkern приложит, IX:31 und ꙗвит, IX:32), die beide parallel mit der aksl. Fragepartikel ли modifiziert sind, welche allerdings hier als Gräzismus im Sinne von gr. ἆρα (CVB, 305) = ’also, folglich’ zur Anzeige der Folge in Bedingungssätzen (Bauer, 1988, 209) eingesetzt sind.
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въ своѥи молитвѣ рече, рѹцѣ простьрь: ’въ громѣ каменїи и гласѣ трꙋб’нѣмь не ꙗвлꙗи ны се к томѹ, господи щедрыи, нъ въсели се въ наше ѹтробы, ѡтѥмь наше грѣхы.’ 34. Акила бо тако глаголѥть.” 35. и тако разидоше се съ ѡбѣда, нарек’ше дьнь, въ н’же бесѣдѹють ѡ всѣхь сихь.
52 громѣ ] 6: гробѣ, 3: горѣ, 1: гробе; richtig ist die Lesart von CH wegen 2Mos 19:16. 52 каменїи ] 7: каменнѣ, 3: каменнѣи, 1: камене 53 к томѹ ] Die Übersetzung mit ’amplius” = ’mehr, zudem’ (Grivec/Tomšič, 1960, 188) erscheint mir zu modern. Zu erwägen ist, ob die Präpositionalphrase ursprünglich hinter рѹцѣ простьрь stand und bei der Korrektur einer Abschrift die Zeile verwechselt wurde. 53 въсели се ] 8: вселивсѧ 53 наше ѹтробы ] 15: нашѹ ѹтробѹ 55 бесѣдѹють ѡ всѣхь сихь ] 3: бѧхѹ/ бы сѹдити о всѣхъ сихъ, 1: бесѣдѹ о всѣхъ сихъ сътворѧть
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IX 1. Sich in ein Schiff gesetzt habend nahm er den Weg zu den Chasaren hin zur Mäotischen See und zur Kaspischen Pforte der kaukasischen Berge. 2. Die Chasaren schickten ihm einen listigen Mann als Späher entgegen, der unter dem Vorwand, er sei mit demselben Schiff angekommen, zu ihm sprach: 3. ”Weshalb habt ihr den schlimmen Brauch und setzt den einen Kaiser an die Stelle eines andern aus einem
1 Schiff ] Kyrill nahm offenbar den südlichen Landweg auf der Krim von Cherson nach Kertsch (das antike Pantikapaion). 1 Chasaren ] Siehe Anm. zum Aksl. 2 Mäotischen See ] Palus bzw. pars pro toto Lacus Maeoti(cu)s, der antike Name für das Asowsche Meer. 2 Kaspischen Pforte ] Gemeint ist vielmehr die ’kaukasische’ Pforte, nämlich die Darialschlucht, siehe Kommentar zum Aksl. Die Lage des chasarischen Kaganates verändert sich unter dem Druck der arabischen Expansion, welche ab dem 8. Jh. eine Verlegung nach Nordwesten erzwang. Wie Ivik/Ključnikov (2013, 135) lokalisiert auch Afanas’ev (2015, 106) das spätere zentrale Siedlungsgebiet nördlich (земли нижнего дона - от таганрогского залива до волго-донской переволоки), während Pletneva (1976, 24) auf das ursprünglich südlichere, näher am Kaukasus gelegene Siedlungsgebiet weist, dessen befestigte Ortschaften sich entlang der Gebirgsflüsse entwickelten (В первую очередь, естественно, стали осваиваться труднодоступные для врагов мысы и плодородные долины горных рек: Судака, Акташа, Терека и др.). Mudrak (2010, 377) vermerkt, dass die nur namentlich bekannte Hauptstadt der Chasaren ”Itil” im Chasarischen gleichnamig ist mit dem Fluß Terek, an dem sie ursprünglich gelegen war, ehe nach der Verlegung der Hauptstadt an die Wolga letztere dann ebenfalls ’Itil’ genannt wurde. Der Fluß Terek verläuft in der Darialschlucht und weist laut Pletneva (l.c., ebenso Ivik/Ključnikov (2013, 71)) in seinem weiteren Lauf bei der Stanica Šel’kovskaja (heutiges Tschetschenien) eine Festung aus dem 8. Jh. auf, die allerdings nicht lange benutzt wurde. Wenn Kyrills Weg zur Hauptstadt der Chasaren am nördlichen Rand des Kaukasus Richtung Darialschlucht führt und ab dort, wo der Terek sich aus dem südöstlichen Lauf nach Osten wendet, dann weiter am Terek entlang führte, dann wurde er wohl in einer der alten Festungstädte des älteren südlichen Siedlungsgebietes vom Kagan empfangen. Dass das Geschehen an einem Grenzfluss stattfand, sagt XI:30 (die Araber befinden sich ’auf der anderen Seite des Flusses’), dass es am nördlichen Rand des Kaukasus war, ist durch die Episode mit der Salzwüste (VC XII) belegt. Wer dennoch denkt, Kyrill wäre zu der viel weiter nördlich gelegenen neuen Hauptstadt der Chasaren im Wolgadelta gereist (so noch Tachiaos (2005, 73)), muss erklären, welchen Grenzfluss die Chasaren meinen und warum sich Kyrill bei der Rückreise am Nordkaukasus befindet; siehe auch Komm. zu IX:1. 3 Mann ] Butler (1995) - den Gräzismus in IX:1 in seiner Übersetzung einfach auslassend - schließt aus der Charakterisierung des ’Mannes’, dass es sich tatsächlich um einen Chasaren handele, hält die ganze Szene aber für erfunden (’ … I differ from Vaillant … in that I regard it as unlikely (though possible), that Constantine’s interlocutor ever really existed”, ebd. 368). Wenn Literarkritik zur Ontologie wird, d.h. wenn ein intentionales Kommunikat (und welches wäre intentionslos?) aufgrund seiner Intentionalität bereits das Kriterium der Fiktionalität erfüllt, existiert wahrscheinlich überhaupt nichts.
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anderen Geschlecht? Wir nämlich verfahren gemäß dem Geschlecht..” 4. Der Philosoph aber sprach zu ihm: ”Gott hat an Sauls Stelle, als der nichts Wohlgefälliges tat, David erwählt, als der Ihm Wohlgefälliges tat, und dessen Geschlecht.” 5. Er nun sagte darauf: ”Wie sprecht ihr denn, auf Bücher in der Hand achtend, von diesen her alle Gleichnisse? Wir dagegen, ganz anders, holen alle Weisheiten aus der Brust, als ob wir sie verschluckt hätten, nicht von Schriften ausgehend wie ihr.” 6. Es sprach der Philosoph zu ihm: ”Ich antworte dir darauf: Wenn Du einen nackten Mann triffst und er sagt so wie ’Ich habe viele Kleider und Gold’, glaubst du ihm, ihn nackt sehend?” 7. Und er sagte: ”Nein.” 8. Er sprach zu ihm: ”So sage auch ich dir: Wenn du die ganze Weisheit verschluckt hast, so sage uns, wieviele Geschlechter es sind bis zu Moses
6 gemäß dem Geschlecht. ] Der Spion ist also von Machthabern, die sich genealogisch legitimieren, geschickt worden, um Kyrills politische Absichten auszuhorchen. Von der speziellen genealogischen Machtfolge bei den Chasaren weiß auch, worauf Tachiaos (2005, 274) hinweist, der Exarch Johann (9. Jh.). Da die Krim und die dort befindlichen Christen unter chasarischer Herrschaft (siehe aber auch Soročan (2013, 279ff.)) standen (was zur Revolte von 787 mit Teilnahme von Bischof Johannes von Gothia führte; Huxley (1978)), ist es verständlich, dass der Kagan sich über die politischen Absichten Kyrills ein Bild machen will. Daneben ist zu bemerken, dass die Intrige als außenpolitisches Mittel der byzantinischen Administration offenbar nicht fremd war (”The Byzantine Empire always strove to sort out its foreign policy issues more through diplomacy (or intrigues) than by military forces”, (Čechová, 2014, 82)), so dass sich der Kagan vielleicht durch Anwendung ebensolcher ’inoffizieller’ Mittel dagegen vorsehen wollte. - Zum Thema Genealogie siehe auch XIV:10. 8 erwählt ] 1Sam 13:14 10 Gleichnisse ] Mit ’Gleichnissen’ sind offenbar diejenigen Jesu aus dem NT gemeint und die ’Bücher in der Hand’ beziehen sich dann auf das liturgische Verlesen. 11 verschluckt ] In der gr. Mythologie verschluckt Zeus seine erste Geliebte Metis, welche bereits mit Athene, der Verkörperung der Weisheit schwanger ist. Das Mythologem ist verbreitet (Wolf, 2022), allgemeint bekannt durch Hesiods ”Theogonie”, wo die poetisierende Formulierung lautet ἑὴν ἐσκάτθετο νηδὺν (Vers 890), etwa ’nahm sie in sein Inneres [Bauch, Eingeweide, zuweilen Gebärmutter]’, was in den Übersetzungen verschieden erscheint, etwa als ’in sich hinüberziehen’ (Moritz, 1966, 24) oder ’nahm in den eigenen Leib das Kind’ (Hesiod, 2012, 73), Classen (2010, 6) resümiert, ’Zeus habe Metis verschlungen’. Der chasarische Späher äußert ein hellenistisches Bildungszitat; beim Thema Verinnerlichung der Wahrheit und Ablehnung der Schrift wäre zwar allgemein auch an Platons Phaidros zu denken, der aber nicht Quelle des Zitates sein kann. 14 Er sprach zu ihm ] Fehlt in allen anderen Hss; inhaltlich eigentlich überflüssig, denn Kyrills Antwort beginnt mit adversativem ’so’, welches den Sprecherwechsel bereits markiert, aber andererseits weist VC nur explizite Sprecherwechsel mit verbum dicendi auf.
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und wieviele Jahre hat ein jedes Geschlecht umfaßt?” 9. Auf dieses nicht antworten könnend, verstummte er [der Späher]. 10. Nachdem er dorthin gekommen war, als sie sich zum Essen setzen wollten beim Kagan, fragten sie ihn, sprechend: ”Was ist Deine Würdenstellung, damit wir dich gemäß unserer Rangordnung platzieren?” 11. Er nun sprach: ”Einen großen und sehr berühmten Stammvater habe ich, der beim Kaiser zu stehen pflegte und, als er die ihm verliehene Ehre willentlich verworfen hatte, wurde er verjagt, und auf die Erdseite gegangen seiend verarmte er und hier zeugte er mich. 12. Ich suche die alte Würde des Stammvaters, eine andere anzunehmen gelang mir nicht, denn ich bin ein Enkel , ist aber ein übliches Theologem.Adams.” 13. Und sie antworteten ihm: ”Angemessen und wahr sprichst du, Gastfreund.” 14. Seit diesem begannen sie ihm Ehrerbietung zu erweisen. 16 Jahre ] Die Frage nach der Geschlechterfolge und der dadurch gesetzten Summe an Jahren bezeichnet eine theologisch wichtige Differenz zwischen der jüdisch-hellenistischen und der christlichen Geschichtsschreibung. Ein entscheidendes Eckdatum bildet die Frage der Geschlechterfolge seit Moses. Während jüdischerseits, etwa bei Josephus Flavius, rund 2000 Jahre seit dem Auszug Moses aus Ägypten angesetzt werden können (Kuzenkov, 2014, 37), versucht die christliche Geschichtsschreibung, den Zeitverlauf mit der Zahl der Schöpfungstage zu harmonisieren. Wie der Mensch laut Genesis am 6. Schöpfungstage erschaffen wurde, so soll auch Christus, der ’neue Adam’, im 6. Jahrtausend (denn 1000 Jahre sind vor Gott wie ein Tag, Ps 90:4) erscheinen, also beispielsweise im Jahre 6000 seit Erschaffung der Welt (vgl. ebd. 283), was eine von den jüdischen Chronisten deutlich abweichende Rückdatierung zu Moses zu Folge hat. Die jüdische Jahresberechnung beruht auf der Annahme einer durchschnittlichen Lebensdauer (deshalb fragt Kyrill, wieviele Jahre ein Geschlecht dauern würde), wobei die Lebensalter der at. Patriarchen als Schriftargument gegen eine realistische Ansetzung verwendet werden können. Sobald der jüdische Gesprächspartner die durchschnittliche Dauer einer Generation numerisch benennt, kann auf das biblische Alter von Methusalem (1Mos 5:27: 969 Jahre) und anderer Patriarchen verwiesen werden, wodurch das Gegenüber in den Zwiespalt gebracht wird, entweder die Angaben des AT für irrig erklären zu müssen, oder aber seine eigene Berechnung. In jedem Falle ist der performative Selbstwiderspruch, man wolle nicht mit Schriften argumentieren (IX:5), bereits offenbar, denn nun muss der jüdische Gesprächspartner sich - wie auch immer - zur schriftlichen Überlieferung verhalten. - Im übrigen benennt der Streit um die richtige Geschichtsschreibung nicht nur eine jüdisch-christliche Differenz, sondern charakterisiert auch die Auftraggeber des Kyrill entgegengesandten Spähers, die ihre Position genealogisch legitimieren (IX:3), und dies offenbar weit in die Geschichte zurück. Beachte das Aufkommen dieser Problematik nochmals in XVII:12. 22 willentlich ] Wrtl.: ’aufgrund des Willens’; die Stelle ist theologisch gewichtig: Sündigten Adam und Eva aufgrund eigenen Willens oder waren sie zur Sünde prädestiniert? Letzteres passt nicht zur christlichen Theologie und nicht zu IV:8 und auch nicht zu der mutmasslichen Vorlage dieser Stelle, nämlich Philo, der ausdrücklich von Adams Adel und seinem Willen zur Sünde spricht (Cohn, 1910, 371). Die jüdischen Gastgeber versagen dem einen jüdischen Autor zitierenden Kyrill - eine echte captatio benevolentiae - nicht ihre Zustimmung. Vgl. auch IV:14 und X:84. 22 die Erdseite ] Wrtl. ’auf diese Seite’; gemeint ist die irdisch bewohnte Fläche des Erdkreises im Gegensatz zur Seite des Paradieses; vgl. Kommentar zum Aksl. 23 suche ] Vgl. IV:14. 25 Adams ] Die Entgegensetzung von Urvater Adam samt Sündenfall und dem ”neuen Adam” Christus erscheint auch in der Homilie 39 ’Zum Fest der Lichter” des von Kyrill geschätzten Gregor von Nazianz (PG, 36: 349)
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15. Der Kagan, den Becher genommen habend, sprach: ”Ich trinke im Namen des einen Gottes, der die ganze Schöpfung gemacht hat.” 16. Der Philosoph nun sprach, den Becher genommen habend: ”Ich trinke im Namen des einen Gottes und seines Logos, durch welchen die Himmel gegründet sind, und des lebensspendenden Geistes, durch den ihrer beider Kraft fest steht.” 17. Zu ihm sprach antwortend der Kagan: ”Während wir alles gleich bekennen, halten wir das verschieden fest: Ihr nämlich rühmt die Dreifaltigkeit, wir aber den einen Gott, wie die Bücher gelehrt haben.” 18. Der Philosoph aber sprach: ”Die Bücher verkünden den Logos und den Geist). 19. Wenn einer dir [= deiner äußeren Erscheinung] Ehrerbietung erweist, die Quelle deines Wortes und Geistes aber nicht in die Ehrerbietung einschließt, ein anderer aber alle drei [Aspekte] in die Ehrerbietung einschließt, welcher nun von den beiden ist ehrerbietiger?” 20. Er nun sagte: ”Welcher alle drei [Aspekte] in die Ehrerbietung einschließt.” 21. Der Philosoph nun antwortete: ”So erweisen wir mehr [Ehrerbietung], mit Taten darlegend und die Propheten hörend. 22. Es spricht nämlich Jesaja: ’Höre mich, Jakob, Israel, welchen ich rufe, ich bin der erste, ich bin in Ewigkeit; nun schickt der Herr mich 28 Kagan ] Theologische Dispute zwischen Juden und Christen vor einem Herrscher haben eine gewisse Tradition im hagiographischen Schrifttum; vgl. Moiseeva (2010). 30 Logos ] Zur Übersetzung siehe Kommentar zum Aksl. Grivec/Tomšič (1960, 187) oder KO, 3: 128) sehen Allusion an Ps 33/ 32:6 ”Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes” (Luther); vgl. wegen der argumentativen Spezifik auch Basilius, Homiliae IX in Hexaemeron, Hom 3:2 = Basilius Magnus (2007, 246) = (in der Übersetzung Anton Stegmans in der BKV): ”Ist es nicht gottesfürchtiger zu sagen, der göttliche Wille und die erste Regung der geistigen Tätigkeit sei Gottes Logos (Wort)? Auf ihn weist die Schrift durchgängig hin, um zu zeigen, daß Gott die Schöpfung nicht nur (schlechthin) entstehen, sondern sie durch einen Mitwisser ins Dasein treten lassen wollte.” Beachte, dass wie zuvor beim Disput mit den Arabern (VI:30) Kyrill die Hypostase des Sohnes sofort ’logos’ nennt und damit die philosophische Grundlage für ein Verständnis der Trinität anbietet. Sicher ist dies nicht nur ein diplomatischer Akt, sondern wie das Fehlen von Mariologie auch ein Grundzug von Kyrills theologischem Denken. 31 Himmel ] Vgl. Basilius, Homiliae IX in Hexaemeron, Hom 1:3 gegen die Behauptung, der Himmel - nämlich ideal-abstrakte Formen und Gesetze, wie sie etwa die Geometrie beschreibt - sei keine Schöpfung Gottes, sondern gleich ewig wie dieser. Offenbar wegen dieses anti-platonischen (siehe den ’gebildeten’ Spion IX:5) bzw. anti-gnostischen Argumentes fällt die übliche liturgische Formel ”Himmel und Erde geschaffen” aus; siehe Basilius Magnus (2007, 225f). 35 Logos ] also Christus, das inkarnierte Wort 35 Geist ] also den Heiligen Geist. - Der Disput zwischen den jüdischen Chasaren und Kyrill beginnt mit der Frage nach der biblischen Begründung der Trinität. Vavřínek (1963, 73) verweist auf eine anonyme antijüdische Schrift, welcher der Themenablauf im Disput Kyrills mit den Chasaren gleiche. VC würde sich bezüglich der Themenwahl in nichts ”od ostatních byzantských antijudaik” (ebd. 74) unterscheiden. Wenn man die Ausdrucksweise betrachtet, die VC im Umgang mit Moslems wählt, kann man kontrastierend dazu im Falle des Chasarengesprächs aber kaum von ’antijüdisch’ reden, denn die Disputanten bleiben stets sachlich und respektvoll. 36 Quelle ] Siehe auch Komm. zum Aksl.: man kann nicht der äußeren Erscheinung einer Person Ehre erweisen, wenn man nicht damit die innere Persönlichkeit, nämlich den Hervorbringungsgrund der äußeren Erscheinung, ehrt. 41 Jesaja ] Grivec/Tomšič (1960, 187): Kombination von Jes 48:12 ”Höre mir zu, Jakob, und du, Israel, den ich berufen habe: Ich bin’s, ich bin der Erste und auch der Letzte.” und dann wörtlich Vers 16: ” Und nun sendet mich Gott der Herr und sein Geist.” (Luther), vgl. Russ. Synodalübersetzung ”и ныне послал Меня Господь Бог и Дух Его.”
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und sein Geist.’ ” 23. Die um ihn stehenden Juden sprachen zu ihm: ”Sage denn, wie kann das weibliche Geschlecht Gott in seinen Leib fassen, auf den man nicht schauen kann und desto weniger ihn gebären?” 24. Der Philosoph, mit dem Finger auf den Kagan und seinen ersten Ratgeber gezeigt habend, sprach: ”Wenn einer spräche, dass der erste Ratgeber nicht den Kagan bewirten könne, um darauf zu sagen, dessen letzter Knecht könne den Kagan sowohl bewirten, als auch ihm Ehre erweisen, was sollen wir den nennen, sagt mir, einen Unaufrichtigen oder einen Nachdenklichen?” 25. Sie sprachen denn: ”Und zwar einen sehr Unaufrichtigen”. 26. Der Philosoph aber sprach zu ihnen: ”Was ist am ehrwürdigsten von allem aus der sichtbaren Schöpfung?” 27. Sie antworteten ihm: ”Der Mensch, nach dem Bilde Gottes nämlich ist er erschaffen.” 28. Wiederum nun sprach zu ihnen der Philosoph: ”Wie sollten es nicht [ausgerechnet] die Schriftgelehrten sein, die sagen, dass sich Gott nicht in einen Menschen fasst? Aber er fasst sich in einen Dornbusch, in eine Wolke während des Sturms und als Windhauch ist
45 in seinen Leib fassen ] Zur akk. Rektion von dt. ’fassen’ vgl. Kommentar zu aksl. IX: 29. - Nachdem Kyrill die christliche Anschauung der Trinität epistemologisch (3 Aspekte des Einen) rechtfertigte, kommt das ontologische Argument, wie denn das Transzendente im Immanenten erscheinen könne. In IX:5 wird der Anspruch, die Weisheit im eigenen Leibe (verschluckt) zu haben, von Kyrill abgelehnt, hier kommt das Konzept ’Gott im Leibe’ wieder auf. Die Ähnlichkeit der auf engem Raum sich begegnenden Konzepte mag literarische Formulierung des Autors von VC sein, mag aber auch darauf hindeuten, dass die jüdischen Gesprächspartner hier sozusagen die ’Retourkutsche’ für IX:5 fahren. 47 erste Ratgeber ] Vgl. XI:30; ein realer politischer Posten 51 sehr Unaufrichtigen ] Die Pointe liegt darin, dass jeder bei geringstem Nachdenken einsehen muss, dass der geringe Knecht den Kagan nicht bewirten könne, weshalb der, so dies dennoch behauptet, nicht durch einen Denkfehler, sondern durch moralische Verstocktheit seine Falschaussage vertritt. 52 sichtbaren ] ’Sichtbarkeit’ ist stehendes Prädikat für die erschaffene Welt (kosmos), weshalb die vor der Schöpfung noch ungeformt vorliegende Materie auch ’unsichtbar’ genannt werden kann (Arnoldi, 2011, 131). Sichtbarkeit ist christlich auch Gegenbegriff zur unsichtbaren Welt der Transzendenz: Der unsichtbare Gott wird sichtbar in seinem Sohn Jesus Christus; pars pro toto Hilarius PL, 10: 59). Zur unsichtbaren Welt gehören dagegen auch die teuflischen Mächte, vgl. XVIII:12. 53 Bilde Gottes ] Gen 1:27 54–55 Schriftgelehrten ] Vgl. Kommentar zum Aksl.; m.E. ein ironisch gebrauchter Neologismus 56 Dornbusch ] Ex 3:2 56 Wolke während des Sturms ] Ex 19:9, 19:18 56 Windhauch ] Hiob 4:15; streng genommen erschien der Windhauch Hiobs Freund Teman.
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er Moses und Hiob erschienen. 29. Wie kannst du einen anderen Kranken heilen? 30. Nachdem nämlich das Menschengeschlecht zum Verderben gekommen war, von wem nun könnte es Erneuerung annehmen, wenn nicht von seinem Schöpfer selbst? 31. Antwortet mir, wenn ein Arzt den Kranken ein Pflaster anlegen will, legt er es also einem Holz oder einem Stein oder uns [Menschen] an? 32. Und zeigt er also, dass davon der Mensch gesund geworden ist? 33. Und wie Moses durch den Heiligen Geist in seinem Gebet sprach, mit ausgebreiteten Händen zu diesem: ’Im Donnern des Gesteins und im Schall der Trompete erscheine uns nicht, barmherziger Herr, sondern ziehe ein in unser Innerstes, nachdem du unsere Sünden abgetan hast.’ 34. So nämlich
57 du ] Nach den Schriftbeweisen, dass Gott im Menschen Wohnung nehmen kann, folgt nun die Begründung, warum er dies tun sollte, nämlich zur Rettung des Menschengeschlechtes. Das galenische Prinzip contraria contrariis curantur dient als Basis der Ausführungen (vgl. ’du … einen anderen’, was die Krankheit des Heilenden impliziert, der eben deshalb im geistlichen Sinne nicht heilen kann). Wie ein kranker Mensch nur von einem gesunden Menschen geheilt werden kann, so kann die gefallene Menschheit nur von der Mensch gewordenen Gottheit geheilt werden. Siehe auch XI:13, wo der Bezug zu Galen noch offensichtlicher ist. - Die Überlieferung der Werke des Hippokrates und Galen ”constituted a significant portion of Byzantine medical writing” (Durak, 2015, 156) und Galens pharmakologische Ausführungen wurden systematisch überliefert (Bouras-Vallianatos, 2019). Für Balalykin/ Shok (2016) bildet Galen die höchste Stufe der antiken gr. Medizin, die unter seiner Methode zu einer Wissenschaft wird. - Die Dichtothomie Hippokrates/ Galen ist von postmodernen Debatten über Homöopathie verdunkelt und sollte für Kyrill nicht ideologisch angesetzt werden. Auch für Hippokrates muss das Heilmittel der Krankheit entgegengesetzt sein (’Die Heilung aber hat man der Ursache der Krankheit entgegengesetzt zu bewerkstelligen’, zit. in Preiser (1976, 58)), es handelt sich vielmehr um die Frage, ob Krankheitsursache und Heilmittel aus derselben Wahrnehmungsklasse stammen müssen, was bei dem abstrakter vorgehenden Galen nicht immer unmittelbar nachvollziehbar ist. 59 Erneuerung ] Nicht etwa wird von ’Heilung’ gesprochen, wie das medizinische Bild erwarten läßt, sondern von ’Erneuerung’, was auf den ’neuen Adam’ Christus verweist; vgl. Röm 5:14 und 2Kor 5:17. 60 es ] Das Pronomen ist aus den Lesarten zu ergänzen. 61–62 davon ] Wenn ein Arzt einem Menschen ein Pflaster auflegt, zeigt er den zu heilenden Menschen an. Wenn sich Christus als Heilpflaster mit einem Menschen verbindet, zeigt er den heilungsbedürftigen Menschen an. Zur Verbindung Christus und Arzt siehe Mt 9:12 und Synoptiker sowie Dörnemann (2013). - Man ist versucht, den syntaktisch schwierigen (siehe Komm. zum Aksl.) Satz unter Zugabe einer Negation als rhetorische Frage zu lesen (”Et reddetne hoc modo hominem sanum?” (Grivec/Tomšič, 1960, 188)) oder mehr (и ще направи ли по тоя начин болния човек здрав?; KO, 3: 728)) oder weniger (Et guérira-t-il un homme de cette façon?; Dvorník (1933, 361)) zu paraphrasieren. 63 zu diesem ] Der Satzteil wurde vorgezogen, vgl. Kommentar zum Aksl. 64 Trompete ] Ex 19:16 65 Innerstes ] Vielleicht eine sich in der topologischen Exegese ergebende Verbindung zu Ex 9:33, wo Moses mit zu dem Herrn ausgebreiteten Armen um ein Ende von Sturm und Regen betet, aber das Herz des Pharao kann sich trotz der offenbaren Gebetserhörung der Gotteserkenntnis nicht öffnen.
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spricht Aquilas.” 35. Und so gingen sie auseinander vom Mahle, den Tag bestimmt habend, an welchem sie über all dies urteilen würden.
66 Aquilas ] Der zum Judentum konvertierte Aquilas hat im 1. oder 2. Jh. die hebr. Bibel nochmals ins Gr. übersetzt. Fragmente seiner Übersetzung sind in der Hexapla des Origines erhalten. Die Übersetzung des Aquilas ist vom Bemühen um große Wörtlichkeit bis hin zu etymologischer Parallelisierung getragen, wobei die Mißachtung pragmatischer Äquivalenz zuweilen die Verständlichkeit erschwert. Übersetzer wie Hieronymus haben Aquilas geschätzt, des Hieronymus Psalmenübertragung ist von ihm beeinflusst (Field, 1875a, xxiv). Auf Aquilas geht übrigens die anläßlich Ex 34:29 entstandene Fehlinformation zurück, der Prophet habe Hörner getragen (Field, 1875a, 145). Grivec/Tomšič (1960, 188: Anm. 13) halten den Ausdruck ”Innerstes” in VC IX:33 für eine typisch aquilenische, ”serviliter verbis et etymologiae”, Übersetzung, wobei sie in IX:33 nicht eine Kombination von Ex 19:16 mit Ex 9:33, sondern vielmehr eine Verbindung mit Ex 34:9 sehen. Der Hinweis auf Ex 34:9 ist nur nachvollziehbar, wenn man Grivec (1935b, 113-116) (der Abschnitt ”Akvilov fragment v žitju Konstantina-Cirila” wird zuweilen so zitiert, als ob es sich um den eigentlichen Aufsatztitel handele) heranzieht. Dort meint Grivec, dass Aquila fälschlich das hebr. ’kereb’ = ”Mitte, Innen” so übersetzt hätte, das sich aksl. ’v utrobu’ = ”im Mutterleib” ergäbe, was nun die Juden Kyrill als den sozusagen wörtlich-realen Sitz Gottes vorwerfen würden. Die Erklärung von Grivec ist deplaziert: Erstens braucht niemand eine Fehlübersetzung des Aquilas aus dem AT, um Christen vorzuwerfen, sie würden im NT lehren, Gott hätte sich in in einem Uterus inkarniert, denn das ist Teil des Glaubensbekenntnisses: natus ex Maria virgine. Zweitens ist ein Hinweis auf Ex 34:9 nirgends vom Text nahegelegt, dagegen aber auf Ex 19 und 9. Drittens werfen nicht die Juden dem Kyrill die Benutzung der Aquilaübersetzung vor, sondern umgekehrt bietet Kyrill den Juden die Aquilaübersetzung als Verständnisgrundlage an. Dies tut er deshalb, und hier ist Grivec/ Tomšič (die sich dadurch auch selbst widersprechen) zuzustimmen, weil die Übersetzung des Aquila jüdischerseits geschätzt wurde, da ihre etymologische Übersetzungstechnik den christlicherseits betonten messianischen Sinn des AT verdeckt. (Nebenbei ist zu bemerken, dass der Name ’Aquilas’ synonym für jede gr. Übersetzung in jüdischem Gebrauch werden konnte (de Lange, 2010, 44f.).) Viertens schließlich führt der Fehlhinweis von Grivec auf Ex 34:9 zu dem sinnlosen Kommentar bei IX:33, Moses würde in Ex 34:9 nicht seine Hände ausstrecken - richtig, weil es eben nicht um Ex 34:9, sondern um Ex 9:33 geht.- Kyrill benutzt also bei Schriftbeweisen eine auch bei Juden anerkannte gr. Übersetzung; nebenbei erfahren wir, was zu vermuten war, dass man griechisch disputierte, wobei man in Sachargumenten auf das Hebräisch zurückgriff, vgl. X:10.
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X 1. Сѣд’ше же пакы съ каганомь, рече философь: ”азь ѹбо ѥсм’ чловѣкь ѥдинь въ вась без рода и дрꙋгь, ѡ боѕѣ же се стезаемь, ѥмꙋже сѹть въ рꙋкѹ всакаа, и срьдьца наша. 2. ѡть вась же, иже сѹть сил’їи въ словесехь, бесѣдꙋющїимь намь, ꙗже разꙋмѣють, да глаголють, ꙗко тако ѥсть, а их’же не разꙋмѣвають, да въпросеть, сказаѥмыи.” 3. ѡтвѣщаше же ıѹдеи и рекоше: ”и мы дрьжимь въ книгахь и слово и дѹхь. 4. скажи же нам, которыи законь дасть богъ чловѣкѡмь пръвѣѥ, Мѡÿсеов’ ли или иже выи дрьжите?”
1 Сѣд’ше же ] 16: сѣдъ же, 1: и достигшꙋ дню сѣд же. Ursprüngliches PPA ist сѣдъ, die Endung -ше verbreitet sich analogisch zu den obliquen Kasus. 2 рода ] Gräzismus für γένοϛ ’Geschlecht, Nachkommenschaft, Nation’ mit dem kulturellen Nebensinn ’(jüdisches bzw. christliches) Volk’ (Bauer, 1988, 313). Vgl. dagegen ’(heidnischer) Stamm’ in XVI:5. 2 ѥмꙋже сѹть ] Dativopossessive Konstruktion. 3 сил’їи ] 9: силнїи, 3: силни, 3: силнѣи, 2: силныи, 1: силны; zur Wendung vgl. Lk 24:19 δυνατὸς ἐν ἔργῳ καὶ λόγῳ ”stark in Tat und Wort”. Die drei mal bezeugte komparative Lesart wäre im koiné-Gr in superlativischer Bedeutung möglich (vgl. VI:57), ist hier aber wegen der Parallelstelle zum NT unwahrscheinlich. 4 бесѣдꙋющїимь намь ] Seltener präsentischer aksl. DatAbs, der gr. GenAbs ist dagegen präsentisch frequent (z.B. Mk 13:1). 4 ꙗко тако ѥсть ] Offenbar für formelhaftes gr. ότι τούτο έχει 5 сказаѥмыи ] 6: и скажемъ имъ, 4: и сказаемъ, 4: и сказа имъ, 2: сказаеми, 1: и сказꙋемъ, 1: сказаемы’, 1: сказаемыхь. Möglich ist ’skazaemъ’ bzw. beim Diktat phonetisch kontrahiertes ’skazaemy’ < ’skazaemъ my’, allerdings ist dies ein imperfektives Verbum. Der Wechsel zum perfektiven Stamm (skažemъ) läßt schon fragen, wer ein passendes perfektives Verb mit einem weniger passenden imperfektiven ersetzt haben sollte? Offenbar abseitig ist skaza imъ (3PsSg Aorist) und das eher ’erzählen’ (CVB, 651) bedeutende skazuemъ. Diejenigen Lesarten, die kein finites Verb rekonstruieren, besitzen keine Konjunktion und unterscheiden sich in der Frage des Kasus des PPP: NomPlm (skazaemi), AkkPlmaskfem (skazaem-y) oder GenPlmfn (skazaem-ychъ). Gr. ἐρωτᾶν ’fragen’ wird mit Akk. des Erfragten konstruiert (z.B. Mk 4:10), erfordert ist Referenz auf ein pluralisches Neutrum kongruent zu jaže (AkkPln) und ich’že (GenPl negationis), außerdem ist ein partitiver Genetiv für unbekannte Objekte (denn was genau aus der Menge des Gesagten unverständlich sein könnte, ist nicht vorherzusehen) kontextuell sinnvoll, womit sich die Konstruktion ergibt: ’was wir sagen (jaže) … was (davon) sie nicht einsehen (ich’že = GenNeg) … das (davon) Gesagte/ Dargelegte (skazaemychъ = GenPart) mögen sie befragen’. Die Konstruktion rechtfertigt das impf. Verb (unbestimmte Gegenstände) und die einzelnen Kasus. - Offenbar waren die von ἐρωτᾶν gesetzten morphosyntaktischen Bezüge in der aksl. Lehnübersetzung unverständlich und haben zu Rationalisierungen geführt. nota bene: die dem Protographen vermutlich am nächsten kommende Lesart (сказаемыхь) ist in genau 1 Hs erhalten. Zur Bedeutung von сказати vgl. VIII:15. 6 дрьжимь ] Gräzismus ’sich halten an’, vgl. V:6.
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5. философ’ же рече: ”сего ли ради въпрашаѥте, да прьвы законь дрьжите?” 6. ѡтвещаше они: ”еи, пръвы бо подобаѥть.” 7. философь рече: ”аще хощете пръвы законь дрьжати, то ѡть обрѣзанїа ѹклоните се сетно.” 8. рекоше же они: ”чесо ради сице глаголѥши?” 9. философ’ же рече: ”скажите ми не потающе, въ обрѣзани ли ѥсть пръвы закон’ дань или въ необрѣзанїи?” 10. ѡтвещаше они: ”мнимь, въ обрѣзанїи.” 11. философь рече: ”не Ноѥви ли богъ законь дасть пръвѣ по заповѣданїи и ѡтпаданїи Адамовѣ, за-
8 сего ] 1 [?]: да сего 8 ради ] 10: ради на се, 5: ради насъ, 1 [?]: ради пер’выи. Die Quantität der Lesart да сего ради пер’выи kann mit (Grivec/Tomšič, 1960, 119) nicht bestimmt werden, die weder in (KO, 3: 119), noch in (MMFH, 2: 82) erscheint und hier unkoordiniert lemmatisiert wird. Im Aksl. wird die Präposition ради invariant mit Genetiv verbunden, so dass die Lesart ради пер’выи [Akk] ungrammatisch ist; als Übersetzung aus akkusativischem gr. ἐπί + Akk in der Bedeutung ’um willen, bezüglich’ dürfte diese Lesart aber vielmehr ursprünglich sein und passt am besten zu dem mündlichen Schlagabtausch, der ganz auf Wortspiele mit den Bedeutungen von ’erster’ und ’halten’ abgestellt ist. Die blasseren Varianten mit Demonstrativpronomen und - wenn man die gr. Akk-Konstruktion annimmt einer überflüssigen, aber in allen Hss bezeugten Fragepartikel ли sind dann sekundär. 8 да ] да im Sinne von ’nur damit’, wie es öfters gr. εἰ μὴ übersetzt (CVB, 181). 8 дрьжите ] Das Verb aus X:3 und 4 erscheint ein drittes Mal, nun mit der leicht veränderten Bedeutung des ’Festhaltens’ im Sinne des ’Besitzens’ oder ’Nicht-Hergebens’, wie dies von gr. κρατέω (Bauer, 1988, 911) bekannt ist. 9 подобаѥть ] 4: достоить; phraseologisch vielleicht gr. φαίνεται ’es ist offensichtlich’ (Bauer, 1988, 1699). 9 аще ] 14: то аще 10 сетно ] 9: отинѹд, 4: отнюдъ, 1: отинѫдь, 1: отнѹдъ, 1: сꙋетна; siehe schon VI:57; anstelle des passenden Adverbs сетьно ’gänzlich’ (SJS, 63) bietet die Lesart ’сꙋетна’ (CVB, 635) ein grammatisch kongruierendes (GenSgneut) Argument, während die anderen Lesarten das offenbar unverständliche gewordene Adverb durch Synonyme ersetzen. Die Satzendstellung spricht für Auffassung als Adverb, KO, 3: 114) und MMFH, 2: 82) nennen die Lesart сꙋетна nicht, vgl. aber Komm. zur dt. Übersetzung. 11 чесо ] 15: что ради; vgl. die wrtl. Wiederholung in XI:7. 12 не потающе ] 14: не потаꙗще, 2: истинно, 1: не пытающе; < потаити CVB, 488). 14 заповѣданїи и ѡтпаданїи ] 11: заповѣданїи и отпаденїи, 4: заповѣданїи и паденїи, 1: по заповѣдании, 1: по заповѣдании отпадениѧ; ursprünglich ist sicher nicht die Reihung ”Gebot ’und’ Abfall”, wie sie die Lesarten beherrscht, denn es geht um ein erstes ’Gesetz’ und also soll eine Reihenfolge ausgedrückt werden: Gott hat einen Bund mit Noah errichtet, nachdem er zuvor schon ’um Adams Sündenfall willen’ Gebote gegeben hat. Damit ergibt sich eine ursprüngliche Konstruktion *zapovědanii o padenii, welche in keiner Lesart mehr bewahrt ist, weil schon die ersten Abschreiber die Präposition vielmehr als Präfix zu padenie zogen und dann sekundär eine Konjunktion ergänzen mussten. Der aksl. Gebrauch der Präposition mit Lok in der Bedeutung ’um willen von’ (о ıмени твоемь ’um deines Namens willen’ Mk 9:38) ist gut bezeugt (CVB, 389). 14 Адамовѣ ] 1: адамова 14–15 завѣтомь ] 15: завѣтъ; siehe X:19, wo das Prädikatsnomen nicht im Instrumental steht. Bei inverser Wortfolge und der Homophonie von Nom und Akk bei beiden Nomina ist der Instr zur Markierung des Prädikates nötig (nicht Bund wird Gesetz, sondern Gesetz wird Bund genannt).
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вѣтомь нарицаѥ законь? 12. рече бо к нѥмѹ: ’се азь въздвижꙋ законь мои с тобою и съ сѣменемь твоимь и въсеѥ землѥ’, трьми заповѣд’ми дрьжимьи: 13. ’вса ꙗдите, ꙗко и зелиѥ трав’ноѥ, елико на небеси и ѥлико на земли и елико въ водахъ, развѣ меса въ крьви дѹша ѥго не ꙗдите.’ 14. и: ’иже пролѣѥть крьвь чловѣка, да пролѣеть се своꙗ ѥго въ нѥѥ мѣсто’. 15. что глаголѥте противꙋ семѹ, прьвы законь дрьжати?” 16.Иѹдеи къ нѥмѹ ѡтвещаше: ”прьвыи законь Мѡӱсевь дрьжимь, сего же нѣсть богъ нарекль закона, нъ завѣть, ꙗко и прьвѣи заповѣдь къ чловѣкѹ въ раи и къ Авраамꙋ инако, ѡбрѣзанїе, а не законь; ино бо ѥсть законь, ино же завѣть, различно бо ѥсть твор’ць нарекль ѡбоѥ.” 17. философ’ же ѡтвѣща къ нимь: ”азь бо о семь скажꙋ сице, ꙗко закон’ се наричеть завѣть, богъ бо глагола къ Авраамѹ: ’даю законь мои въ пльти вашеи’, ѥже и знаменïe нарече, ’ꙗко бѹдеть
15 въздвижꙋ ] 4: въздвигнѹ; Grivec/Tomšič (1960, 119) verweisen darauf, dass im Parimejnik des Grigorovič въздвижѫ завѣтъ steht, so auch im ZP, die beide auf die aksl. Übersetzungstätigkeit Kyrills und Methods zurückgehen (spätere Lesarten bei Brandt (1900, 249)). 15 законь ] 10: завѣтъ; die Ersetzungen sind richtig in Vergleich mit dem gr. oder aksl. Bibeltext, aber kontraproduktiv zu Kyrills Argumenten, daher sicher sekundär. Kyrill ist nicht bibelunsicher, sondern der Autor von VC steht vor dem Problem, in nur einer Sprache - Aksl. - eine Rede Kyrills wiederzugeben, wo gewisse Begriffe vielmehr hebräisch zu verstehen sind, vgl. Komm. zur Übersetzung X:11. 16 въсеѥ землѥ ] 10: всею землею, 5: съ всею землею; vъseje zemlje geht zurück auf weiterhin von der Präposition regierten InstrSgfem vьsejǫ zemlejǫ, die richtige Lesart in ostslav. Lautung bewahren 5 Hss. Siehe zu Nasalvokalen S. 39. 16 трьми заповѣд’ми дрьжимьи ] Grivec/Tomšič (1960, 114) lesen дрьжимь. и, nehmen also /и/ als Konjunktion und erstes Wort von Satz 13, während es mir eher Bestandteil der langen Adjektivendung NomMaskSg zu sein scheint. 17 ꙗко и ] wrtl. zu übersetzen ’wie auch’; speziell kann an gr. ἀλλά gedacht werden in der Bedeutung ’zusätzlich’ [zum Fleischgenuss], vgl. Parallelformulierung in X:90. 19 чловѣка ] 14: чловѣчю 19 своꙗ ѥго ] 13: кровь своѧ емѹ, 1: кровь его 19 нѥѥ ] 6: него, 5: тоѧ, 4: того 20 глаголѥте ] In der Edition von Grivec/ Tomšič Komma hinter dem Verb, was eher hinter das Demonstrativpronomen gehört, weil die Juden nicht schon immer gegen Kyrills Argumente etwas sagten, sondern aktuell nur diesem gegenüber aufgefordert werden, etwas zu sagen. 20 семѹ ] 5: om. 20 законь ] 15: add. рекше = NomPlMask PartPraetAkt; das Partizip rechtfertigt den folgenden Infinitiv дрьжати als sein Verbalobjekt (’behauptet habende zu sagen’); die Stelle ist aber auch ohne Partizip grammatisch, vgl. reine Infinitivkonstruktion in X:39. 20 Иѹдеи ] 5: жидове 21 прьвыи ] 8: пръвое, 6: исперва, 2: прьвѣе 22 прьвѣи ] Komparativ - Adverb ’früher’. 22 заповѣдь ] 5: заповѣдавъ, 3: заповѣда, 2: om. 23 ино ] 6: инако 24 ѥсть ] Das Komma bei Grivec/Tomšič (1960, 115) ist überflüssig. 25 скажꙋ ] 9 add.: вамъ 26 пльти ] 4: плоть 26 вашеи ] 4: вашѹ, 2: ваше
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междꙋ мною и тобою.’ 18. ты же пакы къ Еремїи въпиѥть: ’послѹшаите завѣта сего и възглаголѥши’, бо рече, ’къ мѹжемь Іѹдовомь и живѹщїимь въ Іеросолимѣ и речеши къ ним’: тако глаголѥть господь богъ Іизраилѥвь: проклеть чловѣкь, иже не послѹшаеть слово завѣта сего, иже заповѣдахь ѡтьцемь вашимь въ дьни, въ нѥже изведохь ѥ изь землѥ егӱп’тьскыѥ.’ ” 19. ѡтвѣщаше Іѹдеи къ нѥмꙋ: ”тако и мы дрьжимь, ꙗко тако законь нарицаеть’
27 ты ] Lies: тъи; ’dieser’ im Sinne von ’derselbe’. 27 къ ] die Präp verlangt Dativ, das folgende Nomen (man erwartet *Eremiju < *Eremij/ *Eremej) setzt älteres Иеремиꙗ voraus (wie gr. Ἑρμείαϛ > aksl. Ермиꙗ (CVB, 210); in ZP 187b daher auch ”иерем” mit abbreviatura sacra). Unter Annahme einer Verwechslung der im poluustav ähnlichen kyr. Buchstaben в/ к ist aber lok *въ Еремїи ebenfalls möglich und inhaltlich sinnvoller, da Gott nicht Jeremias anruft (”ad Jeremiam clamat’ scheint mir semantisch zweifelhaft (Grivec/Tomšič, 1960, 189)), sondern vielmehr durch diesen das israelitische Volk; eine solche Wendung ist aksl. bezeugt (дѹхомъ въ стоѧштиихъ слѹхы вьпиѥтъ; CVB, 148)). Zur instrumentalen Bedeutung des Propheten vgl. auch X:24. 27 въпиѥть ] Aksl. eigentlich ’aufschreien, (aus)rufen’; entweder Übersetzung von gr. κράζειν ’rufen, ausrufen’ wie in Röm 9:27 von der ”eindringlichen Rede des Propheten” (Bauer, 1988, 909) oder ein Gräzismus als Lehnbildung nach ἐπι-φωνεῖν ”ausrufen, laut rufen” mit anschließender direkter Rede (Bauer, 1988, 617): beide gr. Verben sind als Vorlagen für въпити verzeichnet (CVB, 148). In X:18, aber auch in X:25 und X:37 oder X:41 ist aber nicht die Bedeutung des ’lauten’ Rufens, sondern des ’öffentlichen’ Verlautens angezielt, was zu vergleichen ist mit βοάω ’rufen, brüllen’, was ebenfalls im Sinne der ’feierlichen Verkündigung’ (Bauer, 1988, 287) zu gebrauchen ist. 27 послѹшаите ] 15: послѹшаи; sinngemäß wird als Anrede an die Einzelperson Jeremia Sg erwartet, korreliert mit dem Sg von anschließendem възглаголѥши, jedoch herrscht in der hebr. Bibel hier ein Textproblem, da ein Pl bezeugt ist, welchen Bertholet (1922, 1923, 1: 756) inhaltlich bemängelt und den ganzen Satz für ’schwerlich ursprünglich’ hält. Der pluralische Imperativ muss daher nicht sekundär sein; der Autor von VC hält sich möglicherweise eng an einen hebr. Text oder, sehr viel wahrscheinlicher, an die enge wörtliche Übersetzung des Aquilas. 27–28 завѣта ] Die Wendung ist in allen Hss bereits korrupt; ausgefallen ist nominaler Bezug ”Worte” (Jer 11:1), siehe auch gleich die Wiederholung der Wendung ’Worte des Bundes’. Es ist davon auszugehen, dass in der Urschrift das Bezugswort stand. 28 сего ] 6: моего; Jer 11:1 hat ”dieses”. 29 речеши ] Beachte, dass *rek-ti hier temporal analog zu vorangehendem vъz-glagolati sein muss, d.h. dessen perfektiver Aspektpartner. 30 слово ] 15: словесъ; Pl mit Jer 11:3 LXX ὃς οὐκ ἀκούσεται τῶν λόγων τῆς διαθήκης ταύτης (Rahlfs/Hanhart, 2006, 674). 30 заповѣдахь ] 7: заповѣда 31 нѥже ] 15: иже 31 изведохь ] 5: изведе 31 изь ] 3: отъ 32 Іѹдеи ] 5: жидове 32 тако ] Wohl nicht Demonstrativum ’solches’, sondern eher Vorderglied der Konstruktion mit anschließendem ꙗко тако = ’so … so wie’. 32 дрьжимь ] Auch aksl. als ’bewahren, bekennen’, oft mit nominalen Objekte wie слово дрьжѧтъ/ хранѧтъ (Lk 8:15, vgl. CVB, 198)); absolute Verwendung (1 Kor 15:2 εἰ κατέχετε = ’wenn ihr euch [an das Wort] haltet’) nur kontextsensitiv. Aksl. дрьжати in VC schöpft alle gr. Bedeutungsmöglichkeiten aus.
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се завѣть, и елико се ихь дръжа по законь Мѡӱсеовь, вси къ богѹ ꙋгодише; и мы дръжеще се по нѥмь, неп’щꙋемь тако быти, а выи въздвиг’ше инь законь и попираете божїи законь.” 20. философь рече къ нимь: ”добрѣ дѣѥм; аще бо бы Аврамь не ѥл’ се по ѡбрѣзанїе, нъ дрьжаль Ноѥвь завѣть, не бы се божїи дрꙋгь нарекль и Мѡӱси же, послѣди пакы написавь законь, прьваго не дрьжа. 21. такожде и мыи по сихь ѡбразꙋ ходимь и ѡть бога законь приѥмше дрьжимь, да божїа заповѣдь тврьда прѣбываѥт’. 22. дав’ бо Ноѥви законь, не сказа ѥмꙋ, ꙗко и дрѹгы имамь дати, нъ въ вѣкы прѣбывающїи въ дѹшꙋ живꙋ. 23. ни пакы, Авраамѹ ѡбѣтованїа давь, не възвѣсти ѥмꙋ, ꙗко и дрꙋгы имам’ дати Мѡӱсеови. 24. тако выи дрьжите законь? 25. а богъ Езекїиѥмь въпиѥть: ’ꙗко прѣставлю и, а инь вамь дамь’. 26. и Еремїа бо рече ꙗвѣ: ’се дньниѥ гредꙋть, глаголѥть господь, и завѣщаю домꙋ Іѹдовѹ и домꙋ Іизраилѥвꙋ завѣть новь, не по завѣтѹ, ѥже завѣщахь къ ѡтьцемь вашимь въ дьни приѥм’шомꙋ рѹкꙋ ихъ, извести ѥ изь землѥ егӱптьскыѥ, ꙗко тїи не прѣбыше въ завѣтѣ моемь и азь възненавидѣхь ѥ. 27. ꙗко се завѣть мои, иже завѣщаю домѹ Іизраилѥвѹ по дьнїихь ѡнѣхъ, рече господь: даю законь мои въ помышлѥнїа ихь и на срьдьцихь ихь напишѹ ѥ и бѹдѹ имь въ богъ и тїи бѹдꙋть мнѣ въ люди’. 28. и пакы тьжде Іеремїа: ’тако глаголѥть господь: ѡстанѣте на пѹтѣхь и видите и въпросите на стьзе господнѥ вѣчныѥ и видите, кы ѥсть пѹть истовыи, и ходите по нѥмѹ; и ѡбрѣщете ѡчищенїе дѹшамь вашимь. 29. и рѣше: не идѣмь. 30. поставиихь въ вась блюстелѥ, послѹшаите гласа трѹбы. 31. и рѣше: не послѹшаѥмь. 32. сего ради ѹслышите езыци и 33 се ] 14 add.: и 33 ꙋгодише ] 17: ѹгодишѧ 34 нѥмь ] 15: нь 34 неп’щꙋемь ] 4: надѣемсѧ 34 тако ] тако als Pronomen im Akk + Infinitiv быти kann als AcI angesehen werden: ’nehmen [für wahr] an, dass es so ist.’ 34 въздвиг’ше ] 6: въздвигоша 35 и ] 16 om.: и 35 дѣѥм ] 3: творимъ; vgl. S. 19. 37 и ] 9: ни, 1: не 37 законь, ] 6 add.: но онъ 38 такожде ] 14: тако же 40 имамь ] 7: иматъ, 1: маетъ, 1: бꙋдеть; die Lesarten wechseln 1PsSg in 3PsSg und zeigen sich so als sekundär, die besondere Pragmatik von jako recitativum (Daiber, 2013a) nicht mehr verstehend. Seltsamerweise ist dieselbe Konstruktion im nächsten Satz ohne Lesarten geblieben. 40 дѹшꙋ ] 3: дѹши 40 живꙋ ] 3: живѣ 41 не ] ни … не: doppelte Verneinung. 42 тако ] 9: то како 42 Езекїиѥмь ] 9: ꙗзыкы, 5: ꙗзыкомъ, 3: Іезекїилѥмь, 1: церкви; der Instr. mit dem Eigennamen ist alleine schon deshalb vorzuziehen, weil die zitierte Bibelstelle bekannt ist. Vgl. zur Konstruktion X:18. 43 дамь ] 4 add.: законъ 43 дньниѥ ] Omnes cod.: дьние 45 ѥже ] 14: иже 45 въ дьни ] 11: въ день, 3: въ день въ ньже, 1: om. 45 приѥм’шомꙋ ] 16 add.: ми, 15: прїимшѹ, 1: прїем’шꙋ 46 изь землѥ ] 2: отъ землѥ 48 законь мои ] 14: законы моа 49 ѥ ] PersPron AkkSgneutr, müsste als Bezug auf завѣтъ mask. sein; daher als AkkPlmask (je < ję) aufzufassen, entsprechend ist die vorgehende pluralische Lesart des Bezugswortes ’meine Gesetze’ vorzuziehen. 50 въ люди ] 3: людїе 50 господь ] 4: господь въседръжитель 50 ѡстанѣте ] 8: станете, 7: станите 51 и въпросите ] 2 om.: и въпросите на стьзе господнѥ вѣчные 51 господнѥ ] 3 add.: правыа и 52 истовыи ] 11: истиньныи 52 ѡчищенїе ] 4: оцѣщенїе, 4: оцищенїе 53 идѣмь ] 16: идемъ 53 блюстелѥ ] 15: блюстителѧ, 1: блюстители 53 послѹшаите ] 15: ѹслышать, 1: ꙋслышеть; die supinale Infinitivkonstruktion gibt den Sinn besser wieder: ’Wächter aufstellen, um den Klang von deren Hörnern zu hören’. Im Hebr. allerdings IndPraes = Imperativ.
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пасѹщїи стада въ нихь.’ 33. и абиѥ: ’слыши, землѥ: се азь навождꙋ на люди сїе зло и плодь ѡтвращенїа ихь, занѥ словесь моихь не вънеше и законь мои, иже пророци проповѣдаше, ѡтринѹше.’ 34. не тькмо же симь ѥдинѣмь скажꙋ, ꙗко законь прѣстаѥть, нъ и инѣми винами ѡть пророкьь ꙗвѣ.” 35. ѡтвѣщаше къ нѥмѹ Иѹдеи: ”въсакь Жидовинь се вѣсть въ истинꙋ, ꙗко быти имать тако, нъ не ѹвѣсть врѣме пришло о помазан’нѣмь.” 36. философ’ же рече къ нимь: ”что си прѣдлагаете, видеще, ꙗко Іеросолимь съкрꙋшень ѥсть и жрьтвы прѣстали сѹть и въсе се се ѥсть събыло, ѥже сѹть пророци
56 и ] 15 om. 56 словесь ] 15: пророкъ 56 моихь ] 6: не послѹшашѧ и 57 симь ] 15: сими единѣми 58 прѣстаѥть ] 3: престанеть, 2: прѣстанеть; das Futurische ist nicht sachgemäß, weil Kyrill schon das Vergehen des at Gesetzes zeigte, aber kaum behaupten wird, dass auch das nt Gesetz vergehen werde. Vgl. zur literarischen Formung den wohl nicht zufälligen Gegensatz der Formen auf prě-byvat’ ’dauern’ (Х:21 прѣбываѥт’, Х:22 прѣбывающїи, X:26 прѣбыше) bezogen auf das ewig bestehende Gesetz in den Menschen mit den Formen von prě-stat’ ’aufhören’ (X:25 прѣставлю bzw. hier прѣстаѥть) bezogen auf den zeitlich je angepassten Bund mit den Menschen. 58 инѣми ] 11 add.: многыми, 4 add.: многами 58 винами ] Angezielt ist die Bedeutung ’Grund, Ursache’, die im gr. αἰτία vorliegt, jedoch zugleich mit der Bedeutung ’Schuld’ (Bauer, 1988, 50); aksl. вина nimmt in der Übersetzungsliteratur auch die Bedeutung ’Ursache’ (CVB, 115) an, aber nur als Lehnbedeutung gegenüber primärer Bedeutung ’Schuld’ (siehe die Beispiele in Vasmer (1986-1987, 1: 316).) 58 ѡть пророкьь ] 2 om.; siehe S. 42. 59 въ истинꙋ ] Die formelhafte Wendung verlangt, den Objektsatz vor jako beginnen zu lassen. 60 ѹвѣсть ] 5: ѹ не есть, 4: ѹже, 2: ѹ есть, 1: вѣлми 60 врѣме ] 1 add.: еще 60 пришло ] 4 add.: есть, 1 add.: бо. Ist ѹвѣсть verschrieben aus ѹже не bzw. ѹже не есть (”но времето за Помазания още не е дошло” übersetzt KO, 3: 130), in diesem Sinne auch Grivec/Tomšič (1960, 190) und MMFH, 2: 85))? Oder liegt der Parallelismus ’jeder weiß/ вѣсть … weiß nicht sicher/ не ѹвѣсть’ vor? Wenn ѹвѣсть der faktitive Partner zu вѣсть ist, kann пришло kein Verb sein, sondern ist adjektivale oder partizipiale Bestimmung des Objekts des Wissens, also der ’Zeit’. Die Zusammensetzung врѣме пришло kongruiert vom genus her und trägt den lexikalischen Kern der erwarteten Bedeutung ’kommende Zeit’. Irritierend an der aksl. Konstruktion ist die passivische Bedeutung des l-Partizips, doch beachte Eph 2:7 ἐν τοῖς αἰῶσιν τοῖς ἐπερχομένοις, also die mit dem PartPraesPass gebildete idiomatische Wendung ’zukünftige, kommende Weltzeit’ (Bauer, 1988, 53). Es bleibt zu spekulieren, ob die Urschrift nicht einen Gräzismus im Bibelstile versuchte. Eine Stütze für diese Behauptung gibt auch der folgende Text, in welchem nicht evaluiert wird, ob Christus schon gekommen sei, was auf die Antwort ”die Zeit ist noch nicht gekommen” reagieren würde, sondern vielmehr wird erörtert, ob die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen seien, was zu der Antwort ”kenne nicht die künftige Zeit” passt. 61 прѣдлагаете ] Gräzismus: prěd-lagati übersetzt παρα-τίθημι, aber nicht nur wrtl. ’vor-legen’, sondern auch ’(lehrend) vorlegen, vortragen’ Bauer (1988, 1258). Die Übersetzung mit uvádět ’anführen, einwenden’ (MMFH, 2: 85) ist am nächsten, aber eigentlich ist der Gegensatz angezielt: ’Ihr seht die Wirklichkeit und trotzdem lehrt ihr anders’.
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прорекли ѡ вась. 37. Малахїа бо ꙗвѣ въпиѥть: ’нѣсть моѥ волѥ въ вась, глаголѥть господь вседрьжитель, жрътвь ѡть рꙋкь вашихь не приѥмлю, занѥ ѡть въстокь сльнца до западьь име моѥ славит’ се въ езыцѣхь и на въсакомь мѣстѣ тьмїань приносить се имени моѥмꙋ и жрьтва чиста, занѥ велїе име моѥ въ ѥзыцѣхь, глаголѥт’, господь вседрьжитель.’ ” 38. они же глаголаше: ”сїи, ꙗже глаголѥши, в’си езыци хотеть благословени быти и ѡбрѣзани въ градѣ Иеросолим’сцѣ.” 39. рече философь: ”то како Мѡѵси глаголѥть: ’аще послѹшающе послѹшаѥте, по всемѹ храни законь и бѹдꙋть прѣдѣли ваши ѡть мора чрьмьнаго до мора филистим’ска и ѡть пꙋстынѥ до рѣкы Ефрата.’ 40. а мыи езыци о нѥм’же, сѣме Авраамлѥ, благословимь се, ѡть Иѥсеѡва корене ишьдьшимь, чаꙗнїе езыкь нареченѣ и свѣть въсеѥ землѥ и въсѣхь отокь, славою божїѥю просвѣщени, не по томѹ законѹ ни мѣстѹ. 41. пророци вел’ми въпиють. 42. рече бо Захарїа: ’радѹи се ѕѣло, дьщи Сїѡнꙗ, се царь
63 прорекли ] Vgl. aksl. pro-reč’ und gr. προ-εῑπον (Bauer, 1988, 1411). 63 вась ] 5 add.: ꙗвѣ, wohl vorgezogen aus dem nächsten Satz. 65 западьь ] GenPl, Gräzismus, siehe S. 42. 66 тьмїань ] 1: кадїло; mögliches фимианъ/ фемиꙗнъ/ темиꙗнъ < gr. θυμίαμα (aruss. bei Sreznevskij (1989, 3,2: 946, 1355)) kennt keine der Hss mehr. 67 глаголаше ] 15: отвѣщаша, 1: глаголютъ 68 быти ] add.: 7: отъ насъ, 4: о насъ, 3: ѹ насъ 68 и ] 7: о, 3: отъ 68 ѡбрѣзани ] 10: обрѣзанїи 69 Иеросолим’сцѣ ] (Šafařík, 1873, 31) vergleicht die Schreibung ’jero-’ mit Formen aus dem Psalter von Cetinje aus dem Jahre 1495; s.a. Х:43 69–70 послѹшающе ] 9 add.: мене; Lesart sicher sekundär, denn LXX Deut 11:22 ahmt hier eine hebr. Intensivbildung [šā-mōr tiš-mə-rūn ’sorgsam sein bewahrend’] nach [ακοή ακούσητε ’hörend hören’], welche aksl. genau übersetzt wird. Den Produzenten der Lesarten ist die Bibelstelle nicht vor Augen. 70 послѹшаѥте ] 10: послѹшаите 70 храни ] 15: хранити, 2: храните; der Infinitiv entspricht der gr. Konstruktion in LXX: ’wenn ihr aufmerksam hört diese Gebote , um sie zu tun …”, vgl. Pietersma/Wright (2007, 155). 70 и ] Wrtl. ’und’, hier in der Bedeutung ’dann’. Gräzismus: gr. καί ”zur Einleitung des Nachsatzes ist wesentlich durch das Hebräische bedingt” (Bauer, 1988, 796), und so wie LXX in Deut 11:22 das Bedingungsgefüge ’wenn dann’ als έσται - καί realisiert, so steht im Aksl. аще - и. 71 филистим’ска ] 5: филимъскаго 71 Ефрата ] 10: ефран’та 72 о ] 1: отъ 72 нѥм’же ] 1 om., 1: add.: о 72 сѣме ] 15: сѣмени; nur die Lesarten mit Präpositionswiederholung ist sinnvoll und die Interpunktion muß entsprechend angepaßt werden: мы ... о нѥм [Lok], о сѣме Авраамлѥ [Akk], благословимь се. Die Präposition ’o’ wird hier - klarer Gräzismus - wie gr. ὑπέρ (Bauer, 1988, 1671f.) mit zwei Kasus konstruiert, einmal mit dem erwarteten Lokativ in der Bedeutung ”um willen”, der in ишьдьшимь und нареченѣ wiederaufgenommen wird, und ein zweites Mal wie im Gr. mit dem Akk in der Bedeutung ”mehr als”. 73 езыкь ] GenPl, vgl. neben der bibl. Formulierung auch X:44; zur Orthographie siehe S. 39. 73 отокь ] 5: островъ, 1: острововъ 74 по ] Gräzisierend für κατά in der Bedeutung ’wegen’ wie Mt 19:3; vgl. CVB, 453). 74 пророци ] Grivec/Tomšič (1960, 116) lassen den Satz bei vorausgehendem не по томѹ beginnen, jedoch bezieht sich das мѣстѹ in dem vorgängigen Satzteil sicher auf das in X:38 erwähnte Jerusalem, weshalb dieser vorgängige Satzteil noch zu Kyrills Antwort, also zu Satz 40 zu ziehen ist. So schon Bujnoch (1972, 80), der allerdings nicht den in 3 Hss bezeugten Zusatz о христѣ bemerkt, welcher den Gegenstand der prophetischen Verkündigung bewahrt. Mit diesem Zusatz wird Satz 41 kommunikativ vollständig. 75 вел’ми ] in der kontextuell evozierten Bedeutung ’laut’ (CVB, 112). 75 въпиють ] 3 add.: о христѣ
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твои гредеть к тебѣ кротькь, въсѣдь на жрѣбьць ѡслїи, сынь ꙗрьмничь.’ 43. и пакы: ’потрѣбить ѡрѹжїе ѡть Ѥфрема и коны ѡть Іеросолима и възьглаголѥть мирь езыкѡмь и власти ѥго ѡть краи землѥ до кон’ць въселѥн’ныѥ”. 44. Іаков’ же рече: ’не ѡскѹдѣѥть кнеѕь ѡть Іѹды ни вождь ѡть стегнѹ его, дондеже прїидеть, ѥмꙋже се щедить, и тъ чаꙗнїе езыкьь.’ 45. сїи вса видеще скон’чана и съврьшена, коѥго иного жидете? 46. Данїил’ бо рече ѡть аггела наѹчень: ’седмь десеть недѣль до Христа игѹмена, ѥже ѥсть четыри ста и ч҇ лѣть, запечатлѣти видѣнїе пророчьства.’ 47. коѥ же ли вы се мнить желѣз-
76 к тебѣ ] 15: om. Im hebr. Text Zach 9:9 steht tatsächlich kein PersPron, welches aber in der Vulgata (”tibi”) und LXX (σοι) vorkommt, ebenso bei der Zitatwiederholung in Mt 21:5. Unwahrscheinlich, dass der Autor von VC die hebr. Bibel benutzt; vielmehr enthielt das Zitat ursprünglich wie LXX einen präpositionslosen Dat (ти, wie im ZP 169b4), welcher als Richtungsangabe den Abschreibern unverständlich war, weshalb sie ihn entweder wegließen oder zur Präpositionalphrase erweiterten (к тебѣ). 76 ѡслїи ] 7: оселъ, 5: осль, 3: осли 77 коны ] 16: конь; in LXX Sg. 77 Іеросолима ] Bis hierher entweder ZP fol.169a (signifikant ist оружие) и потрѣбитъ ѡрѹжиꙗ ѿ ѥфрѣма и [in ZP irrtümlich ꙗ, wahrscheinlich hat bei einem Abschreiber anschließendes -ko die Fehllesung ’jako’ verursacht; vgl. Facsimile und Internetausgabe von Kuzovenkova/Žolobov/Baranov (2017)] конъ ѿ ерслима (...) и рече миръ ꙗзыкомъ, oder LXX ἅρματα ἐξ Εφραιμ καὶ ἵππον ἐξ ιερουσαλημ (Rahlfs/ Hanhart, 2006, 554), dagegen Vulgata: quadrigam ex Ephraim (Weber/Gryson, 1994, 1424). 78 власти ] 17: власть 79 кнеѕь ] 15: игѹменъ 79 ѡть Іѹды ] Folgt wrtl. LXX in der gräzisierenden Syntax: εξ Ιούδα ... εκ των μηρών αυτού, weicht anschließend aber im Stil des Prophetologions vom wrtl. Zitat ab, um den Bezug auf Christus herauszustellen. 80 се ] Als Bezugswort für das Demonstrativpron. AkkSgneutr ist offenbar царьство, nämlich das ’Königreich Juda’ kontextuell induziert. 80 езыкьь ] 10: ꙗзыкомъ; die Lesarten sind sekundär, siehe X:40 82 ѥсть ] 7: сѹть 82–83 четыри ста и ч҇ ] 1: четыриста и седм’десѧтъ двѣ, 1: пꙗтъ сотъ и деветъ; üblich sind ’490’ wie in CH aufgrund von Dan 9:24 (’sieben mal siebzig Jahre’), vgl. Cole (2014). 83 лѣть ] 1: лѣтѣ 83 запечатлѣти ] 5: om. 83 видѣнїе ] 9 add.: и, 2: видѣти е запечатлѣти, 2: вѣдѣти е запечатлѣти 1: видѣти есть запечатлѣти; Grivec/Tomšič (1960, 120) verweisen auf Dan 9:24: σφραγίσαι ὅρασιν καὶ προφητην = ’versiegeln Vision und Prophezeiung’, wie Pietersma/Wright (2007, 1017), übrigens eine spezifische Lesart, vgl. Rahlfs/Hanhart (2006, 924); dasselbe Zitat nochmals XI:25. - CH und seine Lesarten, außer den 9 Hss mit korrektem Wortlaut, bezeugen, dass das AT außer durch das Prophetologion - ZP sieht zur Lesung nur Daniel 2:31-36, 44-45 vor, das Grigorović-Prophetologion darüber hinaus noch Dan 7 (Brandt, 1894, 56ff.) - in der slavischen Orthodoxie wenig bekannt war, so dass die Abschreiber Zitate schwer überprüfen konnten. Nicht exakte at Zitate kommen übrigens auch in Byz. vor (Popović, 2007). 83 пророчьства ] 10: пророчьство 83 вы ] Das Pronomen im DatPl ist als Aktant zu verstehen. In direkte Rede umgewandelt in der tschech. (”myslíte”, MMFH, 2: 86)) und bulg. (мислите вие KO, 3: 131)), konstruktionserhaltend unter Vertauschung des Verbs in der lat. (vobis videtur, Grivec/Tomšič (1960, 191)) Übersetzung liegt wohl umgangssprachliches Register vor: ’welches Königreich ist Euch (= Eurer Meinung) denn gemeint, welches …”.
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ноѥ царство, еже Данїиль мѣнить въ иконѣ?” 48. ѡтвещаше: ”рим’ско.” 49. философ’ же въпроси ѥ: ”камень, ѹтрьг’ се съ горы без рѹкы чловѣчьскыи, кто ѥсть?” 50. ѡтвѣщаше же: ”помазан’ны.” 51. пакы же рекоше: ”то аще сего сказаѥмь пророкы и инѣми вещ’ми ѹже пришьдьша, ꙗкоже глаголѥши, како рим’скоѥ царство доселѣ дрьжит’ владычство?” 52. ѡтвеща философь: ”не дрьжить се, мимошло бо ѥсть ꙗко и прочаа по ѡбразꙋ икон’номꙋ; наше бо царство нѣсть рим’ско, нъ Христосово, ꙗкоже рече пророкь: 53. ’въздвигнеть богь небесноѥ царство, ѥже въ вѣкы не истлѣѥть, и царство ѥго людемь инѣмь не ѡставит’ се; и истинить и извѣѥть въса царства и то станеть въ вѣкы.’ 54. не христїан’скоѥ ли царство, нынꙗ Христовѣмь именемь нарицаѥмо? 55. а римлꙗне идолѣхь прилежахꙋ. 56. сїи же овь ѡть
84 въ иконѣ ] Die Konstruktion wie Mk 4:30: ἐν τίνι/ ποίᾳ = ’in was/ welchem sollen wir vergleichen …’ 85 съ ] 16: отъ 85 без ] 1: не рꙋками человѣческими cum substitutione 2 verborum sequentium. 85 рѹкы ] 15: рѹкъ 85–86 чловѣчьскыи ] 14: чловѣческъ; 1: человѣческихъ; vgl. ZP 5g:13-16 видѧше донъдеже ѹтържесѧ камень ѿ горы не рѹками oder in derselben Lesung 6b:9-12 ꙗкоже видѣ ꙗко ѹтържесѧ камень не рѹками. - Die Varianz der Präposition wechselt zwischen rein lokaler (съ = ’von herab’) und lokal-kausaler (отъ = ’von her’) Bedeutung, je nachdem, ob гора als ’Berg’ oder übertragen als ’Höhe’ verstanden wird. Die übertragene Bedeutung scheint passender. Das Schwanken zwischen Instr руками und PP без рѹкы/ рѹкъ mit entsprechend sg oder pl kongruierendem Adj erklärt sich vielleicht dadurch, dass im Protographen die PP weder im Sg, noch im Pl, sondern im Dual (2 Hände) *безъ рѫкѹ человѣческъ stand, woraus manche Abschreiber Sg herstellen mit zweifelhaftem Adjektiv *рѹкы человѣческы-и (statt -ы-ѧ), andere aber den Dual in Pl veränderten, was beim Adj *рукъ человѣческъ nichts ändert. Die Langform человѣческихъ ist nicht sinnvoll, da die PP die Existenz von ’Händen’ verneint, die deshalb auch keine bestimmten sein können. (Allerdings muß die Frage, inwiefern Determiniertheit im Aksl. regelmäßig mit Langund Kurzformen der Adjektive markiert wird, von der Forschung noch genauer untersucht werden.). In einem letzten Schritt gleicht eine Redaktion die Stelle dem Wortlaut des Prophetologions an. 86 то ] 2: да 88 владычство ] 3: царство, 1: величество 89 се ] Nicht Reflexivpronomen, sondern als Demonstrativpronomen auf vorgehende Neutra владычство bzw. die Lesart царство bezogen. 91 небесноѥ ] 8: небесныи 91 истлѣѥть ] 1: оскѹдеетъ 92 истинить ] 15: истнить, 2: истьнить, 1: истънить 93 ли ] 11 add. есть 94 идолѣхь ] Das Verb pri-ležati in der Bedeutung ’ob-liegen’ (CVB, 505) fordert Dat entweder beim Objekt (’einer Beschäftigung obliegen’) oder beim Träger der Handlung (’mir obliegt…’) oder schließt diese im Slav. mit der Präp. o + Lok. an. Diese Konstruktion scheint nicht vorzuliegen. Das Nomen идолѣхь zeigt LokPl, der nicht als übliche Kasusrolle bei gegebenem Verb, sondern nur durch das als Präposition zu wiederholende Präfix pri- des Verbs motiviert wird (Präfix als Präposition ist nochmals X:60 zu erwägen). Die Wendung pri-ležati pri idolěchъ ist aber räumlich zu verstehen sein wie gr. προσκαρτερεῖν (einer der gr. Ausgangspunkte für pri-ležati) ἐν = ’sich immer aufhalten in’ (Bauer, 1988, 1433); zu übersetzen ist also ’die Römer hielten sich immer bei ihren Götzen auf’, nämlich im Gegensatz zu den Christen, die sich nicht regional-ethnisch binden. Der Gegensatz erinnert an die Gegenüberstellung von dem alle Völker ergreifenden lebendigen Reich Gottes im Gegensatz zu den toten Götzen in 2Kor 6:16.
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сего, овь ѡть иного езыка и племене въ Христово име царствꙋють, ꙗкоже и пророкь Исаıа ꙗвлꙗѥт’, глаголѥ къ вамь: 57. ’остависте име ваше въ сытость избран’нымь моимь, вас’ же избиѥть господь, а работающїимь ѥмꙋ наречеть име ново, ѥже благословен’но бѹдеть по въсеи земли; благословет’ бо бога истин’наго и кльнѹщеи се на земли, кльнꙋт’ се богомь небеснымь.’ 58. не съврьшила ли се сѹть въсѣхь пророкьь прореченїа ѹже, ꙗвѣ речен’на о Хри-
95 овь ] 2: и инъ 95 царствꙋють ] 5: царьствѹеть 95 и ] 14 om. и 96 остависте ] Bujnoch (1972, 201) bemerkt, dass der slav. Aorist für gr. Fut καταλεὶφετε stehe, ”aber sonst eine genaue Übersetzung nach LXX (Vulgata abweichend)” vorliege. 96 сытость ] LXX: ”for fullness” (Pietersma/Wright, 2007, 874) = ειϛ πλησμονήν = wrtl. ’zur Sättigung’ (Bauer, 1988, 1352), gemeint ist aber vielmehr ’zur Erfüllung’ = ”zum Fluch’ (Bertholet, 1922, 1923, 1: 716). Die Fehlübersetzung von LXX dürfte den von Bauer ’locum obscurum’ genannten Vers Kol 2:23 erklären helfen. 97 избиѥть ] 5: избиете, 1: избиваете 97 наречеть ] 14: наречетсѧ, so auch gr. κληθήσεται = Ind Praes 3Ps Sg pass. 98 благословет’ ] Gr. ευλογήσουσι = Ind Fut 3Ps Pl, daher liegt Entnasalierung für благословѧть vor; s.a. S. 38. 100 съврьшила ли се сѹть ] 4: свершило ли сѧ 100 въсѣхь пророкьь прореченїа ] 5: пророческаѧ всѧ пророкъ проречениа, 5: пророческаѧ проречениа, 3: все пророчьское прореченїе, 1: пророческаѧ всѣхъ пророкъ проречениа, 1: все прореченїе; Die Lesarten zeigen Tendenzen: Erstens Übergang von pl zu sg Perfekt mit korreliertem pl oder sg Subjekt [soveršila sut’ prorečenija vs. soveršilo prorečenie] und zweitens Schwanken, ob der prophetische Ursprung des Vorhergesagten ursprünglich adjektivisch (proročesk-) oder adnominal (prorok-) ausgedrückt war. Bei adjektivischem Ausdruck kann sich das Indefinitpronomen ’alle’ nur auf ’Vorhersagen’ beziehen, bei adnominalem Ausdruck auch auf ’Propheten’. Ausgangspunkt der Rekonstruktion ist wie immer die Tatsache, dass niemand das Verständliche und grammatisch Unproblematische in grammatisch Problematisches und Mißverständliches ändert. Folglich ist der Übergang in Sg sekundär; problematisch ist vielmehr die pl Konstruktion, und beachte: es heißt nicht *soveršili sut’; das bezeugte soveršila sut’ ist Dual. Es geht (siehe den nächsten Vers) um genau zwei Vorhersagen, die logischerweise nicht von ’allen’ Propheten gemacht werden, weshalb die adnominale Konstruktion ebenfalls sekundär ist; bei der adjektivischen Konstruktion kann eine alte Dualendung des NomNeutr (*proročesc-ě-ji) nicht mehr erwartet werden, vielmehr ist Ausgleich, nachdem /ě/ ohnehin wie /’a/ ausgesprochen wurde, zur Dualendung der Maskulina (-aja) eingetreten. Nun klingt der Ausdruck ’es haben sich erfüllt alle zwei prophetischen Vorhersagen’ etwas schief, und genau dies - neben der ungewöhnlichen Dualendung - ist der Entstehungsgrund der Lesarten, denn es liegt ein Gräzismus vor: gr. πᾶϛ ’alle, jeder’ hat auch die Gradbedeutung ’mit höchster Genauigkeit, Vollkommenheit’ (Bauer, 1988, 1275). 100 ѹже ] 12: ꙗже; das in CH bezeugte Temporaladverb ist am Satzende deplatziert; ursprünglich ist sicher Relativpronomen, wie in den Lesarten bezeugt. 100 речен’на ] 11: реченьнаа; 5: сотворена; da ein verbum dicendi mit tvoriti die Nebenbedeutung des ’Vorgeblichen’ mit sich tragen kann (vgl. S. 19), wäre es widersinnig, den Hinweis auf die Genauigkeit einer Vorhersage mit der Möglichkeit ihrer Irrealität zu verbinden, diese Lesart ist sicher sekundär; vielmehr bemerke, dass rečen’n-a-a, die lange (’bestimmte’) Endung, zwar ursprünglich ist, hier aber Schwierigkeiten machen musste, weil das nominale Bezugswort (prorečenija), wie die Lesarten zeigen, bereits nicht als determierter Dual (’die beiden Vorhersagen’) erkannt wurde. Die echte Dualendung NomNeutr *rečen’n-ě̵ji ist bei den späten Abschriften natürlich nicht mehr zu erwarten, auch hier Ausgleich zur mask Endung.
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стѣ? 59. Исаиꙗ бо сказаѥть родьство ѥго ѡть дѣвы, глаголѥ сице: ’се дѣваа въ чрѣвѣ прїиметь и родить сына и нарекꙋть име ѥмѹ Ем’манѹиль, ѥже ѥсть сказаѥмо: съ нами богъ.’ 60. а Михеа рече: ’и ты Вифлеемь, землѥ Иѹдова, никакоже мьн’шїи бываи въ владыкахь Іѹдовахь; ис тебе бо изыдеть игѹмень, иже ѹпасеть люди моѥ Іизраилꙗ и исходи ѥго исконы ѡть дьнїи вѣка. 61. сего ради дасть ю до врѣмене раждающою и родить.’ 62. Ѥремїа же: ’въпросите и видите, аще родїи мѹжьскь поль, ꙗко велеи дьнь тъ, ꙗкоже не бысть инь, и лѣто тѣсно бꙋдеть Іаковѹ и ѡть сего спасет’ се.’ 63. и Ісаиꙗ рече: ’прѣжде даже болещїа не роди, прѣжде даже не прїиде рождьство, болѣзнь избѣжа и родїи мѹжьскыи поль.’ ” 64. пакы же Іѹдеи рекоше: ”мы ѥсмы ѡть Сима благословеное сѣме, благословени ѡтьцемь нашимь Ноѥмь, вы же нѣсте.” 65. сказавь же имь о сихь рече: ”благословенїе ѡтьца вашего ино ничтоже нѣсть, тькмо хвала богѹ,
101 родьство ] 13: рождьство, Jesaja redet nicht von Geburt, sondern von Ursprung, daher ist die Lesart von CH vorzuziehen; siehe nochmals X:63. 101 дѣваа ] = дѣваꙗ = дѣва ’Jungfrau’ (CVB, 203), so auch ZP 8a:8 104 мьн’шїи ] Gräzismus, Komparativ als Superlativ, vgl. VI:57; im gr. NT allerdings steht tatsächlich Superlativ. 104 бываи ] 9 add. еси, 5: бываѧ; das ganze Zitat, wie u.a. der Zusatz des Hilfsverbs zeigt, folgt Mt 2:6 (Grivec/Tomšič, 1960, 121). 104–105 игѹмень ] 3: вождь/ вождъ, 2: владыка; die Lesart вождь nach Mt 2:6 105 ѹпасеть ] 5: пасетъ; ѹпасетъ nach Mt 2:6, (Grivec/Tomšič, 1960, 121) verweisen noch auf ähnliche Lesarten zum Verb in VM 1:25. 106 ю ] 8: сѧ, 5: ѧ; сѧ steht schon in ZP 3g3, aber nur AkkPlmask passt zum Bibeltext. Schwer zu entscheiden, ob der Protograph von VC ebenfalls den Übersetzungs- bzw. Schreibfehler aus ZP enthielt oder vielmehr das mit LXX anzusetzende pluralische AkkPron. 106 раждающою ] 7: ражающиꙗ, 5: ражающаѧ, 3: раждающаѧ, 2: раждающꙋю, 1: раждающью, 1: рождающиꙗ; nur GenSgFem passt zum Bibeltext 106 же ] 5: вопиетъ; die fakultative Elision des verbum dicendi gehört auch zum Stil von VC, vgl. X:28. 107 родїи ] 7: родить; siehe den nächsten Satz - der Aorist in CH ist irrtümlich vorgezogen, logisch richtig ist das präsentische finite Verb. 109 болещїа ] 5: болѧщаѧ; die Form von CH ist archaisch, zeigt aber sinnvoll die bestimmte Deklination beim Part (Aitzetmüller, 1991, 236). 109 роди ] Gräzismus: Es handelt sich um eine hypothetische und also keine vergangene Handlung, die Konstruktion folgt gr. πρίν ’ehe, bevor’ + Konj oder Inf Aor (Bauer, 1988, 1404), wobei der slav. Konjunktiv als echter Irrealis nicht zum Ausdruck des Potentialis dienen kann, weshalb sich slav. die idiomatische negierte Wendung ’прѣжде даже не’ einbürgert, die durch die Verneinungspartikel das Ungeschehene der Handlung ausdrücken will. Vgl. Ps 118/119:67 ”ehe ich gedemütigt wurde, irrte ich” mit der negierten Übersetzung прѣжде даже не съмѣрихъ сѩ азъ прѣгрѣшихъ (CVB, 183). Unnegiertes prěžde daže ist aksl. seltener als negiertes prěžde daže ne (Večerka, 1989-2003, IV: 248). 109 рождьство ] 5: родьство, 1: рождьства ѥе родь, im Unterschied zu X:59 ist hier der reale Geburtsvorgang gemeint. 109–110 болѣзнь ] 12: болѣзни; der Gen ist sowohl semantisch (partitiv, denn die genaue Menge des Schmerzes, welche vermieden wird, ist nicht bekannt) als auch morphosyntaktisch (das Präfix wird als Präposition wiederholt, vgl. dass. in X:55) sinnvoller. 110 родїи ] PartPraesakt, Konjunktion überflüssig 110 мѹжьскыи ] 16: мѹжескъ 112 о сихь ] 15: о семъ; Plural sinnvoll als Gräzismus πρὸς ταῦτα wie Lk 14:6 (Bauer, 1988, 145). 113 вашего ] 4: нашего
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оного же ничтоже не доидеть. 66. сице бо ѥсть благословень господь богъ Симовь, а къ Иафетѹ глагола, ѡть нѥгоже мы ѥсмь, да пространить господь Иафета и да вьселить се въ села Симова.” 67. и ѡть пророкь же и ѡть иныхь книгь сказаѥ не ѡстави ихь, дон’деже рекоше сами ꙗко ”тако ѥсть, ꙗкоже ты глаголѥши.” 68. рекоше пакы: ”како вы ѹпванїе имѹще на чловѣка и творите се благословени быти, а книгы проклинают’ таковаго?” 69. ѡтвѣща философь: ”то проклет’ ли ѥсть Давидь или благословень?” 70. рекоше же они: ѕѣло благословень.” 71. философ’ же рече: ”то и мы на того ѹп’ваѥмь, на н’же и онь. 72. рече бо въ фал’мѣхь: ’ибо чловѣкь мира моего, на н’же ѹп’вахь.’ 73. чловѣкь же ть Христь ѥсть и богъ. 74. а иже ѹп’ваѥть на проста чловѣка, то и мы того проклета творимь.” 75. пакы же инѹ прит’чю прѣдложише, глаголюште: ”како вы христїани
114 оного ] Gen wegen Präfix als Präposition, vgl. VIII:10, X:55 und X:60. 114 доидеть ] 8: идеть, 7: бѹдеть; Gräzismus до-ити für ἁπ-έρχομαι ’sich verbreiten’ (von Gerüchten) (Bauer, 1988, 169), daher sind die Lesarten sicher sekundär. Auch andere Verben der Bewegung, z. B. διέρχομαι, werden oft in übertragenem Sinne für das Ausbreiten von Gerüchten verwendet. 114 сице ] 10: се, 4: съ, 1: сьи; Gräzismus: es handelt sich um satzeinleitendes DemPron се ohne nominale Referenz, wie oftmals in diesem Kapitel [X:12, X:26, X: 42, X:59], weshalb der Doppelpunkt hinter ѥсть in ed. Grivec/ Tomšič zu streichen ist. Dadurch entsteht die adversative Konstruktion to/ се + μέν/ бо ’obgleich, obzwar’ - ’aber’ (z. B. Mt 20:23; vgl. Bauer (1988, 1018)), 115 пространить ] 9: распространить 115 господь ] 14: богъ, 1: господь богъ 116 села ] 1: жилища 117 ꙗко ] jako recitativum; vgl. VII:2. 119 и ] 11 om. 119 творите ] als verbum dicendi, vgl. S. 19. 119–120 се благословени быти ] Akk des Reflexivpronomens + kongruierendes Attribut (beide zusammen bilden das logische Subjekt der Phrase) + Infinitiv = AcI. 123 фал’мѣхь ] reliqui cod.: ѱалмѣхъ, 1: ѱалмѣ; weil ein bestimmter Psalm zitiert wird, ist der Sg nicht unberechtigt. 124 а иже ] Die konzessive Konstruktion wrtl. ’aber einer … da auch’ im Sinne von ’aber wenn einer … dann auch’ bewahrt offenbar mündlichen Stil. 125 творимь ] vgl. S. 19. 126 прит’чю ] Die gr. Entsprechung ist παραβολή ’Gleichnis’ (CVB, 514), was in 4Mos 24:3 (Bileams ’Spruch’) LXX (Pietersma/Wright, 2007, 130) für hebr. māshāl benutzt und in ZP 2g:7 als притьча übersetzt wird. - Die Formulierung, in einem Disput etwas ’vorzulegen’ läßt gr. eher προβάλλειν πρόβλημα, προτείνειν πρότασιν (Güthling, 1910, 177) oder ζήτημα bzw. ζητούμενον ”Streitfrage, Problem” erwarten. Hier liegt vielmehr hebr. Begriffsgebrauch analog zur LXX vor: ”Ein māshāl [i.O. hebr., Th.D.] entsteht durch einen Vergleichsvorgang. Der Vergleich kann zunächst sowohl in einem Analogie- als auch in einem Kontrastverhältnis zweier Größen bestehen” (Schöpflin, 2002, 22f.), zustimmend zitiert Zimmermann (2008, 113) die Übersetzung von māshāl als ”Gleichwort/ Vergleichswort”. Es geht nicht um ein ”anderes Thema” (Bujnoch, 1972, 83), sondern um einen anderen Streitfall. - Man kann nicht übersehen, dass X:100 und XI:1 den Begriff притча im Widerspruch zu X:75 aber tatsächlich für gleichnishafte, allegorisch-bildliche Äußerungen verwenden; zusammen mit der inkongruenten Terminologie in X:84 (образъ) und X:90 (заветъ) bekommt man den Eindruck, als ob etwa mit dem Ende des vorliegenden Absatzes die Schreiberhände wechseln. N.B.: Es handelt sich beim Disput mit den Juden in VC um die Wiedergabe eines Gesprächsprotokolls (vgl. X:96). 126 прѣдложише ] 2: приложише 126 вы христїани ] Die Anrede wie VI:2.
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обрѣзанїе ѡтмещете, а Христꙋ не ѡтврьг’шꙋ ѥго, нъ по законꙋ скончав’шꙋ?” 76. ѡтвеща философь: ”иже бо рече къ Авраамѹ пръвѣѥ ’се бѹди знаменїе междꙋ тобою и мною’, ть и ѥ съврьши пришьдь, ѡть того дрьжав’ше до сего, а прочеѥ не дасть ѥ мимоити, крьщенїе намь въдасть.” 77. рекоше же они: ”то чесо ради инїи пръвѣѥ ѹгодише богѹ, того знаменїа не приѥм’ше, нъ Авраамлыи?” 78. ѡтвѣща философь: ”никоторы бо ѡть тѣх’ ꙗвлꙗѥть се двою женѹ имѣвь, нъ тъкмо Авраамь и сего ради ѹда того ѹрѣзаѥть, прѣдѣль даѥ, не прѣстѹпати ѥго далѥ, нъ прьвомѹ съврьстию Ада-
127 ѡтврьг’шꙋ ] Der adversative Satz enthält kein finites Verb; dass eine absolute Konstruktion einen finiten Verbkern vertritt, ist dem Griechischen nicht fremd (Aejmelaeus, 1982). 127 скончав’шꙋ ] 6: кончав’шѹ 128 бѹди ] 5: бѹдетъ 129 съврьши ] 4: свершить, 3: съвършити; eigentlich ist der Satz problemlos, denn ѥ kann AkkSgneutr sein. Warum entstanden Lesarten? Möglicherweise lag ursprünglich Perfekt je[stь] svrьši[lъ] vor, wobei in einer Abschrift das auslautende -l, das in dieser Position oft supralinear geschrieben wird, ausfiel, wodurch das Verb wie ein Aorist erscheint und das ursprüngliche Hilfsverb jest in ein Pron AkkSgneutr verwandelt wurde. 130 до ] 1: даже до 130 ѥ ] 9: емѹ, 6: имъ, 1: есть, 1: om.; die Veränderungen in den Dat versuchen, einen AcI zum DcI zu machen. Ein AcI wurde bereits X:19 (möglich) und X:68 (sicher) beobachtet. 130 мимоити ] Hier nicht als ’vorübergehen = vergehen’ gemeint, sondern Gräzismus ’fortgehen, weiterschreiten’ wie προ-χωρέω (Bauer, 1988, 1450); Grivec/Tomšič (1960, 192) nehmen statt dessen Textverderbnis an. 130 въдасть ] 4: подасть 131 то ] 2: да 131 чесо ] 10: что, 5: по что 131 инїи ] 5: они; sicher sekundär, es geht um ’andere’ Unbeschnittene aus den Nachkommen Abrahams. 131 пръвѣѥ ] 13: первїи, 1: первѣи; die Lesarten sind kontextuell besser, es geht um ’erste andere’ bzw. ’andere erste’ (= Stammväter; vgl. den Gebrauch von ἀρχαῖοϛ bzw. πρῶτοϛ Bauer (1988, 223, 1452f.)) aus dem Geschlecht Abrahams. 131 ѹгодише ] 1: не ѹгодише; eine Hs hat die Schwierigkeit des Argumentes bemerkt, siehe Kommentar zum Dt., der Verbesserungsversuch ist aber sinnlos. 132 нъ ] Gräzismus: die aksl. Adversativpartikel ’aber’ wird hier wie gr. ἀλλά vielmehr konzessiv gebraucht, was besonders im johanneischen Sprachgebrauch (Bauer, 1988, 74) zu beobachten ist. Vgl. auch II:5. 132 Авраамлыи ] 5: авраамле, 5: авраамѹ, 3: авраамль, 3: авраамли, 2: авраамъ; die Lesarten sind sekundär außer jener, die mit CH den NomPl ’avraamli’ bezeugt. Die Possessivbildung ist nicht auf ’Zeichen’ zu beziehen (siehe den Versuch, die Kongruenz zum Neutrum ’znamenie - Avraamle’ herzustellen), sondern bezeichnet die ’Abrahamiten; siehe Kommentar zur Übersetzung. 132 никоторы ] 8 add.: инїи первїи, 3 add. post никоторы: же 133 двою женѹ ] 4: двѣ женѣ 133 имѣвь ] 6: имѣѧ 133–134 ѹрѣзаѥть ] 3: ѹрѣза емѹ; nimmt wie X:80 wegen nicht-reflexivem PersPron als Subjekt Gott an; hier gegen den Bibeltext (Abraham volllzieht die Beschneidung), dort mit dem Bibeltext (Gott vergibt den Namen). Eine Schwierigkeit der folgenden Sätze ist, zu bestimmen, wer als Subjekt gemeint ist. 134 прѣдѣль ] 1 add.: ради 134 даѥ ] 4: длѧ 134 ѥго ] 5: емѹ, 5: того ради 134 нъ ] 16: по; wegen folgendem Dat ist die Präposition sicher besser 134 съврьстию ] 1: свѣрьстью; siehe das Adjektiv III:2.
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мовѹ ѡбразь даѥ прочїимь, въ ть ходити. 79. Іаков ѹбо такожде сътвори, ѹтраплы жилꙋ стегна ѥго, занѥ д͡ жены поѥть. 80. разꙋмѣв’ же винꙋ, ѥюже то сътвори, нарече име ѥмѹ Іизраиль, сирѣчь ’ѹмь зре бога’, к томѹ бо не ꙗвлꙗѥт’ се примѣшь къ женѣ. 81. Aвраам’ же того не разꙋмѣ.” 82. пакы же въпросише Іѹдеи: ”како вы идолѡмь се кланꙗюще творите се богѹ ꙋгаждають?” 83. ѡтвѣща философь: ”пръвѣѥ се наꙋчите раздѣлити имена, что ѥсть икона и что ѥсть идоль, и тако съмотреще не постꙋпаите на христїаны; десет’ бо именьь въ вашемь ѥзыцѣ о семь ѡбразѣ лежить. 84. въ-
135 ходити ] 5: входити; die Formulierung ist ein Gräzismus: въ/ κατά ходити/ βαδίζω = ’danach zu wandeln, sich daran zu halten’ (Bauer, 1988, 261). 135 Іаков ] 5: Іаковѹ 136 ѹтраплы ] 5: ѹтрапль, 5: ѹтрапле, 4: ѹтерпль, 2: ꙋтрапли, 2: ѹтрапливь, 1: ꙋтраплꙗ. Sreznevskij (1989, 6: 1313) hat ꙋтрапъ für ἔκστασιϛ im Sinne von ’Lähmung’, mit derselben Bedeutung angesetzt als ѹтръпити, ѹтръпати in SJS, 716), hapax legomenon im Aksl., siehe aber eher utrьnǫti (CVB, 753) < utrь(p)nǫti, vgl. lit. tir̄pti ’erstarren’ (Aitzetmüller, 1991, 208). Die Formen utrapli/ utraplivъ/ utraplję sind entweder finites Verb oder PartPraetAct II, als utraplь aber präsentisch aufzufassendes Partizip, denn ѹтрап-ль erfüllt genau die Bedingung zur Bildung des periphrastischen Perfekts aus ”Kopula … und einem Nomen, das mit einem l-Suffix zum Zwecke der Partizipialbildung von der nichtdurativen Verbalwurzel abgeleitet wird” (Aitzetmüller, 1991, 195). Da Jakob sich nicht selbst seine Hüfte lähmte, sondern der mit ihm ringende Engel, ist Gott als gramm. Subjekt des Satzes einzusetzen und die Lesart Ӏаковѹ [Dat] zu bevorzugen. Vgl. XVIII:19 zu престѹпль in den Lesarten. 136 д͡ ] Jakob hatte zwei Ehefrauen und zwei Sklavinnen, welche gewöhnlich als seine Nebenfrauen gelten (Plautz, 1963, 10ff.). Bis Abraham ist Monogamie im AT die Regel und Gesetzgebungen im AT scheinen ebenfalls monogame Ehe vorauszusetzen. 136 разꙋмѣв’ же ] 9: разѹмѣвше, 1: разꙋмеваꙗ же; Gräzismus: participium conjunctum, das einen finiten Nebensatz vertritt und nicht prädikativ zum Subjekt des finiten Verbes aufgefasst werden muss. 136 ѥюже ] 15: еꙗже ради 137 име ] 15 add.: то 137 ѹмь ] 1: ѹмомъ 138 примѣшь ] 4: примѣшьсѧ, 2: примѣшьсе; tatsächlich muss der Satz wegen примѣстити сѧ къ ’sich vereinigen zu + Dat’ (CVB, 507) eine zweite Reflexivpartikel besitzen. Die Konstruktion aksl. ’sich zu jemand bei-räumen’ bewahrt ein Richtungskonzept wie gr. syn-oikein + Dat ’jemandem mit-wohnen’ (1Petr 3:7). 139 Іѹдеи ] 5: жидове 139 творите ] Vgl. S. 19. 140 ꙋгаждають ] 11: ѹгажати, 3: ꙋгожати, 2: ꙋгождати, 2: ꙋгаждающе, 1: ꙋгаждати; ursprünglich wohl AcI, vgl. X:19. X:68, X:76. 140 раздѣлити ] 15: раздѣлѧти; auffälligerweise drehen sich die Lesarten dieses und der beiden nächsten Verben alle um Aspektpaare: -děliti/ -děljati, sъmotriti/ sъmatrjati, -stǫpiti/ -stǫpati. 141 съмотреще ] 3: съматрающе 141 постꙋпаите ] 5: постꙋпати, 1: постꙋпите, 1: напастꙋите 142 именьь ] vgl. S. 42. 142 о ] Gräzismus: die aksl. Präposition als Äquivalent für gr. διά (CVB, 388) in kausaler Bedeutung (Bauer, 1988, 360f.). 142 ѡбразѣ ] Möglicherweise hier gebraucht als aksl. Äquivalent für hebr. pesel, das sowohl ’Idol’ (Jes 42:17), als auch ’Abbild’ im Sinne von similitudo (Deut 4:16) heißen kann. 142 лежить ] 2: лежеть, 1: живеть; Gräzismus für χεῑμαι ”liegen” in der Bedeutung ”auftreten, vorkommen’ (Bauer, 1988, 867).
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прошѹ же вы азь: образ’ ли, юже въ горѣ скинїю Моиси низнесе, или ѡбразь ѡбраза, и хѹдожьствиѥмь съдѣла прикладно ѡбразь, кльныи и ѹмыи и орьст’ми и херѹвıмь изредны? 85. и понѥже то тако сътвори, нарече моли-
143 азь ] 15: и азъ 143 ли ] 14 add.: скинїа, 1 add.: скинью, omnes qui addunt idem verbum omm. posterior; 14 Hs ziehen den vom alten i-stämmigen Nom скинии gebildeten GenSg nach vorne, was zur Alternation ’Brachte Moses ein Bild des Zeltes oder das Bild eines Bildes herunter’ führt, während die einmalige Vorziehung als InstrSg ein ’Brachte Moses das Bild als Zelt …’ ergibt. Die Annahme, das Nomen würde als ja-Stamm ’skinija’ aufgefasst (so belegt im AkkSg скинıѭ селомьскѫ im Psalterium Sinaiticum (CVB, 606)), macht die erste Lesart dre 14 Hss скинїа unmöglich, denn ein NomSg kann nicht appositiv zu einem AkkSg образъ sein, würde dagegen die zweite Lesart der 1 Hs als Akk ermöglichen ’Brachte Moses das Bild, das Zelt …’. Wie nun der anschließende AkkSgfem des anaphorischen Pron zeigt, ist wohl mit Nom скиниꙗ zu rechnen. Sachgemäß - siehe auch den Kommentar zum Dt. - ist die Alternative ’Brachte Moses ein [ähnliches] Bild oder ein [generisches] Modell herunter’ mit anschließender constructio ad sensum im Nebensatz. 143 юже ] 15 add.: видѣ; aufgrund der Lokalbestimmung ’auf dem Berg’ ergänzen die Hs die dort stattgefundene Tätigkeit und grenzen sie vom anschließenden Herunterbringen ab. Aber eine konzeptuell mündliche constructio ad sensum scheint möglich: ’War es ein Bild, welches Zelt Moses oben herabbrachte, oder …’ 143 Моиси низнесе ] 10: Моисии и изнесе, 5: и низнесе 144 хѹдожьствиѥмь ] 6: хитростию, 4: хѹдожьствомъ 144 прикладно ] 10: прикладомъ, 5: прикладаѧ, 1: прикладьнь; am ehesten Attribut zu ’Bild’ von (als Medium begriffenem) прикладати ’ähnlich sein’ (CVB, 504). 144 кльныи ] MMFH, 2: 89): клины; < urslav. *kъlinь/ *klinь ’Verbindungsstück, Nagel, Keil’ (ESSJa, 13: 44), (Boryś, 2008, 235). Die Lesart von MMFH zeigt keine schwer erklärbare Adjektivendung, sondern erwartbaren InstPl. Ebenso nächstes Lemma. 144 ѹмыи ] 12: ѹсмы, 5: ѹсъми, 1: шолкомъ, MMFH, 2: 89): ѹсмы; ѹсмъ ist hapax legomenon (Miklosich (1886, 372), SJS, 681)), dazu gehört das im Cod. Zogr. belegte Adj. ѹсмѣнъ ’ledern, aus Tierhaut’ (Mk 1:6), hier Nomen im InstPl. 145 орьст’ми ] 5: срестьми, 5: сверьстьми, 3: шерьстьми, 3: орьстими, 1: серестими; vgl. das aksl. seltene сръсть ’Tierhaare, Schur’ (SJS, 153), Vasmer (1986-1987, 4: 431)); die Lesarten kyr. орь- lassen sich wohl als Verschreibung von /о/ aus /с/ erklären. 145 херѹвıмь ] Entweder serb. Endung des InstPl -ma. (vgl. S. 39), oder NomSg als Prädikatsnomen. Da es sich um ein ’Zelt’ handelt, welches mit allerlei Materialien, darunter auch goldenen Cherubimfiguren, angefertigt war, liegt InstPl näher, sonst hieße es ja von dem ’Zelt’, es sei gefertigt mit Spange, Fell und Haaren (Instr) als Cherubim (Nominativ), was dem bibl. Sinn nicht entspricht. 145–146 нарече молитвы ] Reliqui cod.: наречемъ ли вы, 1: наречемо ли вы, 1: наречемъ ли мы
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твы того ради дрѣвѹ и ѹсмомь и ѡрьстемь чьсть творите и кланꙗѥте се, а не богѹ давшомѹ въ то врѣме такь ѡбразь? 86. такожде и о Соломоны црькви, понѥже иконы херѹвıм’скыи и аггельскы и инѣхь мнѡгь ѡбразь имѣаше. 87. такожде ѹбо и мыи христїаны ѹгождьшїихь богѹ ѡбразь и чьсть творимь, ѡтдѣлꙗюще доброѥ ѡть демꙋньскыихь ѡбразьь. 88. хѹлет’ бо книгы жрꙋще сыны своѥ и дьщери.” 89. рѣше же Іꙋдеи: ”како вы свининꙋ и заѥчинѹ ꙗдꙋще не противите се богѹ?” 90. ѡтвѣща къ нимь: ”прьвомѹ завѣтѹ заповѣдающꙋ, въса сънѣсте, ꙗко и зели трѣвно, вса бо чиста чистимь сѹть, а скврьн’нымь съвѣсть се ѥсть оскврьнила. 91. и богъ бо въ твари глаголѥть: ’се в’са добра зѣло’. 92. вашего же ради лакомїа мало нѣкоѥ ѡть нихь ѡтѥть. 93. ’сънѣст’, бо рече, ’Іаковь и насыти се и ѡтврьже се възлюблѥн’ныи’. 94. и пакы: ’сѣдоше людїе ꙗсти и пити и въсташе играти.’ ” 95. ѡть многа же се мы ѹкращьше въ малѣ положихѡмь селико памети ради. 96. а иже хощеть съврьшен’ныихь сихь бесѣдьь искати и светыхь, въ 146 ѡрьстемь ] 5: серестемъ, 5: сърстемъ, 3: шерестемъ, 2: серьстемъ 146 творите и кланꙗѥте се ] 15: творити и кланѧтисѧ 147 о ] Wie X:83 gebraucht gemäß gr. διά, hier im Sonne von ’bezüglich’. 148 мнѡгь ѡбразь ] 9: многыхъ образы, 6: многы образы, 1: много образовъ 149 имѣаше ] 5: имѣахѹ 149 мыи христїаны ] Zur Anrede vgl. VI:2, X:83. 149 ѹгождьшїихь ] 2: ѹгожшемъ, 1: ѹгожшимъ1: ꙋгождъше, 1: не ѹгожьшихъ 149 богѹ ] 14 add.: творѧще 149 ѡбразь ] 10: образы, 1: образомъ; vgl. S. 39 und siehe gleich anschließende Digraphschreibung ѡбраз-ьь. 150 творимь ] 15: дѣемъ, 5 add.: и 150 демꙋньскыихь ] Mult. cod.: демоньскыихъ, 5: бѣсовскихъ, 1: бесов’скыихъ; vgl. zu den Adjektiven VI:10. 151 жрꙋще ] 2: жрꙋщее бѣсомь 151 дьщери ] 5 add.: и гнѣвъ божии проповѣдають, такоже дрѹгыѧ хвалѧть жрѹщаѧ сыны своа и дъщерѧ, 4 add.: … дъщери. - Die Zusätze zu X:88 sind rationalisierend, weil sie die inhaltliche Bezogenheit von Götzendienst und Selbstzerfleischung nicht verstehen. Es ist nicht zwingend, wie Grivec/ Tomšič, diesen Zusatz für Teil des Protographen zu halten. 152 же ] Multi cod. add.: пакы 152 Іꙋдеи ] 5: жидове 153 заповѣдающꙋ ] 6: заповѣдающе; Auflösung des DatAbs durch ein PartPraesAkt, was aber wegen Dat des Objektes nicht besonders heilt; vielmehr liegt in der syntaktisch selbständigen Gestalt des DatAbs eine Analogie zu den vielfältigen Möglichkeiten des gr. GenAbs vor (Fuller, 2006), aber es ist festzuhalten, dass die Interpunktion bei Grivec/ Tomšič, die einen Doppelpunkt hinter den Part einsetzen, nicht zwingend ist, denn der DatAbs muss nicht unbedingt als alleinstehende Redeeinleitung aufgefasst werden, sondern kann auch ein kausaler Nebensatz zu dem mit сѹть gebildeten Hauptsatz sein. 154 зели ] Omnes relinqui cod.: зелїе 154 трѣвно ] 11: травное, 7: травно; der aksl. öfters belegte Stamm geht auf -ě- (CVB, 706); vgl. Parallele in X:13. 154 сѹть ] 5: заповѣда 154 скврьн’нымь ] 9 add.: и, 3: оскврьнѥнныимь 154–155 се ѥсть оскврьнила ] 2: ѥсть оскврьнѥнна; die passivische Bedeutung ist näher am Medium des gr. Verbs in Titus 1:15. 155 твари ] Übersetzt gr. ’Genesis’ als Bezeichnung des 1. Buches Mose (SJS, 433), aber schon ZP hat dafür Бытие. 156 лакомїа ] 8: лакомъства 156 нѣкоѥ ] 11: етеро, 3: нѣчто 156 ѡтѥть ] 5: отѧто; 5 Hs verstehen nicht den Wurzelaorist; hier ’weg-nehmen’ im Sinne von ’aus-nehmen’ wie gr. ἐξαιρέω (Bauer, 1988, 549). 159 ѹкращьше ] 5: ѹкрадше, 4: избравше, 3: събравше, 1: ѹкрачьше; 5 Hs neigen orthographisch zu ’berauben’, wohl Hörfehler beim Kopieren nach Diktat, der sich nicht nur wegen Sinnlosigkeit, sondern auch sprachlich (belegt ist крадьнѫти, aber nicht *kraditi; ESSJa, 12: 84)) ausschließt. 160 и светыхь ] 8: истыхъ, 1: истинныхъ; zum Gen.part vgl. VI:42: es geht um ’ein jedes Gespräch’ als Teil der Summe aller Gespräche.
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книгахь ѥго ѡбрѣщеть ѥ, елико прѣдложїи ѹчитель нашь архїепискѹпь Мефодїе, раздѣль ѥ на ѡсмь словесъ; и тѹ ꙋзрить словеснѹю силѹ, ѡть божїе благодати ꙗко и пламень горещїи на противныѥ. 97. начелными мѹжи слад’каа и подобна ѥго словеса слышав’ше, рекоше къ нѥмѹ: 98. ”богомь ѥси семо послань на създанїе наше и в’се книгы ѡть нѥго навыкы, в’се ѥси по чинѹ глаголал’, до сыти наслаждь въсѣх’ ны медьвными словесы светыхь книгь. 99. нъ мы ѥсмы некнижна чедь, семѹ же вѣрꙋ имемь, ꙗко ты ѥси ѡть бога. 100. паче же аще хощеши покои ѡбрѣсти дѹшамь на-
161 елико ] 15: еже 161 прѣдложїи ] 13: преложи, 2: приложи, 1: прѣдложить; Gräzismus für παρα-τίθημι ’vor-legen, präsentieren’ wie in Mt 13:24: ’eine Parabel [siehe oben X:75] vorlegen’ (Bauer, 1988, 122), zumeist jedoch als Metapher für ’übersetzen’ (Grivec/Tomšič (1960, 194), MMFH, 2: 90) u.a.) aufgefasst. Die Disputationen fanden sicher auf gr. statt und entsprechende Gesprächsprotokolle für den byz. Kaiser wurden ebenfalls gr. ausgeführt, wobei sie der Lesbarkeit halber auch in Abschnitte unterteilt worden sein mögen. Es ist kein Grund ersichtlich, für welches Publikum diese Protokolle noch ins Aksl. hätten übersetzt werden müssen. 162 Мефодїе ] MMFH, 2: 90) add.: братъ константина философа 162 раздѣль ] 14: раздѣли, 1: раздѣлилъ; die Abschriften haben Schwierigkeiten, ein hier passendes PartPraesAkt zu erkennen (was die serbische Orthographie noch bewahrt, siehe S. 39), ein finites Verb würde aber einen sehr hart angefügten Nebensatz bedeuten. 162 словесъ ] 5: частїи; чѧсть ist neutral, aber idiomatisch von Grammatiktiteln bekannt (’Acht Redeteile’), слово als Textsortenbegriff eher unglücklich, man erwartet περιοχή ’Abschnitt (einer Schrift)’ (Bauer, 1988, 1308); zur Bedeutung von слово als ’Formulierung einer Frage’ und so als ’Abschnitt’ einer Abhandlung siehe auch VIII:7. 163 горещїи ] 10: палѧющь, 4: палѧщь, 1: попалꙗющъ; irrtümliche Zuordnung dieser Lesarten bei Grivec/ Tomšič zu vorgehendem словесъ. 164 начелными ] Den in CH offenbar fehlenden Satzanfang haben 14 Hss, die mit der Präp zum in CH ersten überlieferten Wort im Instr grammatisch passend überleiten, wobei eine Komitativkonstruktion ’er mit ihnen’ pluralisch aufgefasst wird: 14: Си/ Сїи же въсѧ каганъ казарескъ/ козарескъ/ козарскыи/ къзар’скы съ, 1: Сиꙗ же всꙗ кнꙗзь с.; 1 Hs ersetzt den InstrPl начельными мѹжи mit NomPl начельныи же мѹжїе. 164 слад’каа ] 3: добраа 165 семо ] 2: само 165 създанїе ] gr. οἰκοδομή ’Bauen, Erbauung’, vgl. Bauer (1988, 1133), ebenso CVB, 650). 166 навыкы ] 14: навыкъ, 4: ѹмѣеши; will man nicht mit 4 Lesarten ein neues finites Verb setzen, ist nochmals das verbum substantivum als ’bist geschickt und bist gelehrt’ zu wiederholen. 166–167 медьвными словесы ] 3: медовныа сладости, 1: медвеныа сладости, 1: медоточныхь словесь оть 167 нъ ] Die Partikel ist weniger adversativ als konzessiv gemeint; vgl. den Bedeutungsumfang von gr. ἀλλά (Bauer, 1988, 73ff.). 167 вѣрꙋ имемь ] 2: вѣрꙋемь 168 ты ѥси ] 10: се тако есть, 5: се тако еси 168–169 покои ѡбрѣсти дѹшамь нашимь ] 1: покоити дѹша нашѧ
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шимь, в’сако исправи прит’чами скажи намь по чинꙋ, егоже те въпрашаѥмь.” 101. тако же се разыдоше почити.
169 в’сако исправи ] 7: всѧко исправленїе, 7: всѧко исправль, 1: всꙗ исправль; lag ein испръв-а zugrunde, das unter südslavischer Vokalisierung zu isprav-a wurde? Während die Partizipien auf -l grammatisch und das (’alle Verbesserung’?) auch semantisch nicht recht passen, ist die Konstruktion испръва ... по чинѹ = ’von Anfang an ... in der Ordnung’ eine spezifische und kontextuell passende Lesart. 169 по чинꙋ ] 4: пꙋчинꙋ; wrtl. ’Abgrund’, vielleicht in Erinnerung an VI:17 eingesetzt, doch jedenfalls unpassend.
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X 1. Nachdem er sich wiederum mit dem Kagan zusammengesetzt hatte, sprach der Philosoph: ”Ich bin nun ein einzelner Mensch unter euch ohne Verwandtschaft und Freunde, über Gott aber streiten wir, der alles in der Hand hat, auch unsere Herzen. 2. Von euch denn mögen diejenigen, die stark sind in Worten, sagen, wie sich verhält, was sie einsehen, während wir sprechen, und mögen sie das Gesagte befragen, was
2 einzelner ] Man kann die Stelle emphatisch lesen als ’Einer gegen Alle’, man kann aber auch daran erinnern, dass im 9. Jh. in Bagdad jüdische Akademien aufblühten, in welchen in einer festgelegten Ordnung über theologische Fragen disputiert wurde. Das neben dem weltlichen Oberhaupt sitzende geistige Oberhaupt der Versammlung konnte dabei einer festgelegten Menge von Gelehrten, die in festgelegter Rangreihenfolge vor ihm saßen, Fragen vorlegen. Warum sollte die bei den Chasaren sich vollziehende Disputation nicht auch einen formal geregelten äußeren Rahmen besitzen? Auch XI:1 (siehe Kommentar) deutet auf einen formalen Ablauf. - Der folgende Disput beruht zweifellos auf Mitschriften, die vielleicht in XI:42 mitverstanden werden können, dann wären sie von den zu einer jüdischen Disputation gehörigen Protokollanten aufgezeichnet worden. Jedenfalls wurde auch von Kyrills Mitarbeitern bzw. Method selbst ein Gesprächsprotokoll für den Kaiser angefertigt; vgl. X:95 und VM 4:3, wo es heißt, Methode begleitete Kyrill zu den Chasaren wie ein ’Knecht für den jüngeren Bruder’. - Nikolov (1997, 88) glaubt, dass sich Kyrill bei seiner ’politischen’ Mission zur Stärkung des Chersoner Themas (ebd. 87) dort auch gelegentlich mit Juden unterhalten habe ”and probably had some disputes with them”. Die Aufzeichnungen der Gespräche wären dann aber nur deshalb in VC aufgenommen worden, um vielmehr für Method in seinen eigenen Auseinandersetzungen mit Juden in Mähren nützlich zu sein (”aimed at attacking Methodius’ Jewish opponents in Moravia”). Soll man es für wahrscheinlich halten, dass die bei weitem längste Episode in VC nur eine Interpolation sei? Nikolov - und das ist typisch für eine bestimmte Art von Kritik an VC - misstraut der historischen Glaubwürdigkeit der Vita, weil sie seinem Wissen von damaligen historischen Gepflogenheiten nicht entspricht. Das führt aber zu einem Zirkelschluss. Besser wäre es doch, die historische Glaubwürdigkeit eines Textes bis zum Beweis der faktischen Unmöglichkeit des Berichteten anzunehmen, ansonsten unterwirft man die Geschichte seinem eigenen Kenntnisstand. 2 Verwandtschaft ] Vgl. Kommentar zum Aksl.: ’ohne zur Geschlechterfolge zu gehören’. 3 Herzen ] ’Gottes Hand’ ist zwar allgemein bibelsprachlich, aber Hiob 12:10 liegt nahe: εἰ μὴ ἐν χειρὶ αὐτοῦ ψυχὴ πάντων ζώντων καὶ πνεῦμα παντὸς ἀνθρώπου [’Seele alles Lebendigen und Geist aller Menschen’], und die jüdischen Gesprächspartner werden im nächsten Satz auch auf ’Geist’ rekurrieren. 5 Gesagte ] Die hier stark von den bisherigen Vorschlägen abweichende Übersetzung wird im Kommentar zum Aksl. gerechtfertigt.
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sie nicht einsehen.” 3. Die Juden antworteten und sprachen: ”Auch wir halten uns in den Büchern sowohl an das Wort, als auch an den Geist. 4. Sage uns denn, welches Gesetz nun Gott den Menschen eher gab, das mosaische etwa oder was ihr festhaltet?” 5. Der Philosoph aber sprach: ”Fragt ihr nach dem ersten, damit das erste Gesetz ihr behalten könnt?” 6. Sie antworteten: Nun ja, ”ein erstes gibt es offensichtlich..” 7. Der Philosoph sprach: ”Wenn ihr das erste Gesetz beachten wollt, so wendet euch
6 antworteten und sprachen ] Wie ’stark in Worten’ (siehe Kommentar zum Aksl.) ist auch die Verdoppelung zweier Sprechaktverben bibelgriechisch (Mt 4:4, 17:17, 19:4, 21:21 usw.), siehe Kommentar zu III:1. Bemerkenswert ist das Verb ’antworten’, denn streng genommen wurde noch gar nichts gefragt und das Thema ’Geist’, welches die jüdischen Gesprächspartner berühren (’auch wir’), war noch nicht angesprochen. Man kann daraus den Schluß ziehen, dass der Disput Kyrills mit den Chasaren lückenhaft mitnotiert wurde, man kann aber auch annehmen, dass der Autor von VC den Disput teilweise rekonstruiert und hier einen etwas unvermittelten Beginn setzt. Jedenfalls ist Grund anzumerken, dass die folgenden Argumente im Groben nachvollzogen werden können ab Kap. 2 der Schrift ’Gegen die Juden’ des Tertullian, zu vergleichen ist auch Kap. 10ff. seiner Schrift gegen Marcion. Inwiefern eine direkte Quellenabhängigkeit vorliegt, sei dahingestellt. Nur ein Zitat aus Tertullian mit Verweisen auf VC: ”In short, before the Law of Moses [X:4], written in stone-tables, I contend that there was a law unwritten, which was habitually understood naturally, and by the fathers was habitually kept. For whence was Noah [X:11] ’found righteous,’ if in his case the righteousness of a natural law had not preceded? Whence was Abraham accounted ’a friend of God’ [X:20], if not on the ground of equity and righteousness, (in the observance) of a natural law? Whence was Melchizedek named ’priest of the most high God’, if, before the priesthood of the Levitical law, there were not levites who were wont to offer sacrifices to God? For thus, after the above-mentioned patriarchs, was the Law given to Moses, at that (well-known) time after their exode from Egypt, after the interval and spaces of four hundred years. In fact, it was after Abraham’s ’four hundred and thirty years’ [X:46] (Cleveland Coxe, 1885, 152f.). 6 halten uns ] 2Kor 3:6 τὸ γὰρ γράμμα ἀποκτείνει, τὸ δὲ πνεῦμα ζωοποιεῖ (’der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig’), bezogen auf den jüdischen ἡ διακονία τοῦ θανάτου (’Dienst des Todes’). 9 ersten ] Übersetzung folgt einer wahrscheinlichen Rekonstruktion; siehe Komm. zum Aksl. 10 behalten könnt ] Siehe X:3-5: ’halten’ als beachten, aber auch als ’festhalten’ und ’nicht hergeben’, wohl ein Wortspiel, vgl. Komm. zum Aksl. 10 ein erstes gibt es offensichtlich. ] ’Erstes’ und ’zweites’ Gesetz werden in juristischem Sinn in Byzanz auffällig behandelt, denn das ’Erste’ mag das ’Frühere’, kann aber auch das ’Prinzipielle’ sein: ”In this sacralized world, not surprisingly, standard legal abrogation principles such as lex posterior derogat legi priori – although known and understood – have disturbingly little meaning, and little consistent use (how do you abrogate a divine law?)” (Wagschal, 2010, 12). Wird das ’erste’ Gesetz im zeitlichen Sinne aufgefasst, hat Kyrill nun die Möglichkeit zum historischen Einwand, dass das AT von einer Zeit vor Moses berichtet - welches Gesetz herrschte da? Aber auch wenn ’erstes Gesetz’ im philosophischen Sinne als ’ursprünglich, prinzipiell’ verstanden wird, wie auch gr. ἀρχή (Bauer, 1988, 225) oder lat. principium neben dem zeitlichen einen kategorialen Sinn tragen, würde dies Kyrill ermöglichen, eine rationale Kritik an der prinzipiellen Gültigkeit des mosaischen Gesetzes vorzubringen, so dass die von den jüdischen Gesprächspartnern angezielte temporale Priorität ebenfalls nicht als Sachgrund gelten kann. Möglicherweise soll die in diesem Satz auf Offensichtlichkeit zielende Äußerung der Chasaren auch schon Verlegenheit ausdrücken. Jedenfalls wird Kyrill, wie X:11-34 zeigt, das Argument im Sinne des Historischen aufgreifen.
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von der Beschneidung gänzlich ab.” 8. Darauf sprachen sie: ”Weshalb sagst du das?” 9. Der Philosoph sprach: ”Sagt mir ohne Ausflüchte: Ist in der Beschneidung das erste Gesetz gegeben oder in der Nichtbeschneidung?” 10. Antworteten sie: ”Wir meinen, in der Beschneidung.” 11. Der Philosoph sprach: ”Hat Gott nicht Noah ein Gesetz gegeben, das erste Mal nach den
12 gänzlich ] Vgl. Kommentar zum Aksl. Das aksl. Adverb ’gänzlich’ ist nicht ganz unproblematisch und eine Lesart hat an seiner Stelle das fast gleichlautende Adjektiv ’nichtig, vergeblich’, welches inhaltlich spezifisch ist im Kontext von Beschneidungsdebatten, wie nämlich Röm 2:29 von Chrysostomus kommentiert wird: ”Er [Paulus] sagt nicht: Die Beschneidung ist überflüssig, unvernünftig, nutzlos, sondern: Die Beschneidung hat zwar [= jedoch, in dem Falle, Th.D.] ihren Nutzen, wenn du das Gesetz beobachtest” (Johannes Chrysostomos, 1831, 74 = 5. Homilie). Das Adjektiv aus der Lesart ist kontextspezifisch, aber aufgrund syntaktischer Erwägungen wird hier mit Temporaladverb übersetzt. In jedem Falle zeigt sich, dass Kyrill argumentativ die Verschränkung der Thematik ’Gesetz’ und ’Beschneidung’ analog zu Röm 2:17-29 aufstellt; vgl. auch X:22. Im Allgemeinen kann man die im folgenden in VC angerissenen Themenbereiche ’Beschneidung’, ’Nachkommenschaft Abrahams’, ’Jungfrauengeburt’ usw. auch in Justins ’Dialog mit dem Juden Tryphon’ (PG, 6: 471-800) finden. 16 Gesetz ] Im folgenden ist genau die Wortwahl Kyrills zu beachten, der die drei Begriffe Gesetz/ Ordnung (законъ) - Gebot/ Befehl (заповѣданїе) - Bund/ Verabredung (завѣтъ) im gemeinsamen Konzept der ’Direktiven Gottes’ für synonym erklärt, um eine Reihenfolge herzustellen: Gott redete zu Adam (ohne Zählung, aber vgl. X:90!), Noah (erstes Gesetz), Abraham (zweites Gesetz) und Moses (drittes Gesetz). Damit bestreitet Kyrill, dass die Juden, die sich auf Moses berufen, das ’erste’ Gesetz einhalten. Kyrills Argument ist (wohl indirekt) auf hebr. bərîṯ ”Verabredung, Bund” gestützt, welches das AT zwar nicht bei Adam (daher ungezählt), aber bei Noah (Gen 9:13), Abraham (Gen 15:18) und Moses (Ex 34:27) zur Bezeichnung der Vereinbarung Gottes mit den Menschen benutzt; Kyrill muß also nur ’Gesetz - Befehl - Bund’ für Synonyme von hebr. bərîṯ erklären, um die Tertiarität des Moses herzustellen, während die Juden umgekehrt auf der Differenz der Begriffe bestehen, die in ihren Augen jeweils unterschiedliche Vereinbarungshandlungen Gottes bezeichnen. Vgl. theologisch zur Entstehung der Bundestheologie Koch (2008). - Kyrills Argument ist in einem Disput mit Juden zwingend auf den hebr. Text des AT bezogen, was aber nicht unbedingt auf Hebräisch-Kenntnisse schließen läßt. Vielleicht hat Kyrill das Argument bei den Unterredungen mit dem Samaritaner kennen gelernt (siehe VII:10ff), wahrscheinlich aber hält er sich an LXX oder Aquilas, wo ’Gesetz=Bund’ mit gr. διαθήκη (LXX) bzw. συνθήκη (Aquilas; Rüterswörden (2017, 2), Reider/Turner (1966, 229)) übersetzt werden. Es ist jedenfalls unwahrscheinlich, dass für die Juden begriffliche Argumente über das AT akzeptabel gewesen wären, die nicht den tatsächlichen sprachlichen Ausdruck berücksichtigt hätten. In X:16 werden die jüdischen Gesprächspartner auf die unterschiedlichen hebr. Termini hinweisen.
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Geboten wegen Adams Fall ein Gesetz einen Bund nennend? 12. Er sprach nämlich zu ihm: ’Siehe, ich errichte mein Gesetz mit dir und mit deinem Samen und der ganzen Welt, das durch drei Gebote befolgte: 13. ’Alles eßt, wie auch grünes Getreide, was immer im Himmel, was immer auf der Erde und was immer in den Wassern ist, jedoch Fleisch im Blute seiner Seele eßt nicht.’ 14. ’Wenn einer Menschenblut vergießt, da möge sein Blut ihm an Stelle dessen vergossen werden.’ 15. Was sagt ihr dem gegenüber, ein erstes Gesetz zu bewahren?” 16. Die Juden antworteten ihm: ”Wir halten das erste, mosaische Gesetz; jenes hat Gott nicht Gesetz genannt, sondern
17 wegen Adams Fall ] siehe Kommentar zum Aksl.; es heißt nicht ’prius post praeceptum et lapsum Adami’ Grivec/Tomšič (1960, 188). 17 nennend ] Dasselbe Argument ’Gesetz = Bund’ auch X:17. 18 ihm ] ”ihm” = Noah, vgl. Gen 9:9; der Autor von VC zitiert hier und im folgenden die Bibel im Stile des slav. Parimejnik, gr. (aber erst seit dem 19. Jh.; Engberg (2003)) Prophetologion genannten at Lektionars; dazu vgl. auch XII:17 18–19 der ganzen Welt ] Sprachlich siehe Kommentar zum Aksl., inhaltlich ist die Wendung ’mit der ganzen Welt’ typisch für den Stil des Parimejnik, um willen von Kürze und Hörverstehbarkeit längere Umschreibungen des Bibeltextes (zum Gr siehe Höeg/Zuntz (1952, 243)) paraphrasierend zusammenzufassen. Daher sind hier und im folgenden Abschnitt die Bibelzitate nur mit relativer Wörtlichkeit zitiert bzw. nachweisbar. 19 drei ] Wir erwarten nun drei at Zitate als die ’3 Gebote’ an Noah, aber faktisch werden nur zwei Zitate an Noah gerichtete Gebote - Gen 9:3 und Gen 9:6 - angeführt. 19 grünes Getreide ] Vgl. Gen 9:3; χλωρὸς χόρτος ’grüne Pflanze/ Gras’, welches den hebr. Urtext am wörtlichsten wiedergäbe, erscheint als ’grüner Rasen’ in Mk 6:39, in Mt 13:26 findet sich unbegleitetes χόρτος als ’Getreidehalm’ (Bauer, 1988, 1763); aksl. трѣва/ трава (CVB, 706) besitzt, vielleicht aufgrund der schwankenden Bedeutung in den Bibeltexten, ebenso zwei Bedeutungen (Kraut vs. Kulturpflanze). - Die erste rein vegetarische Nahrungszuweisung an den Menschen erfolgt Gen 1:28, dort steht nur χόρτος; bei der zweiten, hier in VC zitierten Nahrungszuweisung Gen 9:3 steht in LXX λάχανα χόρτου ’essbares Grün’ (Brooke/McLean (1906, 20) = ’pasture land herbs’ in Pietersma/ Wright (2007, 11).). Die Formulierung Kyrills setzt also die anderweitig bekannte Zusammenstellung ”grünes Gras” in das Zitat aus Gen 9:3. Dies ist ein Beispiel für den topologischen, Begriffe übereinanderblendenden Stil des Prophetologions bzw. für die Exegetik der alten Kirche. ZP sieht Gen 9:3 nicht zur Lesung vor. 21 Seele ] wie LXX Gen 9:4: κρέας ἐν αἵματι ψυχῆς = ’Fleisch mit dem Blut seiner Seele’, die semantisch äußerst entgrenzte gr. Präposition ἐν bezeichnet das Konzept ’in der Sphäre sein von’, was gegebenenfalles ’mit’ (Bauer (1988, 522): ’in den Menschen’ = ’unter den Menschen’ = ’mit den Menschen’), aber durchgehend auch ’in’ bedeutet. Während Aksl zwischen ’mit’ (съ) und ’in’ (въ) genauer unterscheidet, dürfte bei der semantisch schwankenden Verwendung der Präposition ein Gräzismus vorliegen. 22 sein Blut ihm ] Gen 9:6, LXX hat ’The one who sheds human blood, at the price of his blood will it/ he be shed’, der Yli-Karjanmaa (2015, 82, Anm. 263) ein ’rather confused rendering’ des hebräischen Textes attestiert und die Übersetzung Philos zitiert: ’As for the one who sheds a human’s blood, in return for this blood shall he be shed.’ Die Formulierung in VC ’an Stelle dessen’ passt besser zu Philo, als zu LXX. 24 jenes ] ”jenes”: nämlich die mit Noah getroffene Verabredung.
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Bund, wie auch vorher [er es nannte ein] Gebot an den Menschen im Paradies und zu Abraham wieder anders, nämlich Beschneidung, aber nicht Gesetz. Das eine nämlich ist ein Gesetz, das andere ein Bund, verschieden nämlich hat der Schöpfer die beiden benannt.” 17. Der Philosoph antwortete zu ihnen: ”Ich jedoch spreche davon solcherart, dass Gesetz Bund genannt wird, denn Gott sprach zu Abraham: ’Ich gebe mein Gesetz in euer Fleisch’, was er auch Zeichen nannte, ’wie es sein wird zwischen mir und dir’. 18. Dieser ruft wiederum durch Jeremias: ’Höre [die Worte] dieses Bundes und verkündige sie, denn er spricht so, zu den Männern von Juda und den in Jerusalem Wohnenden und du sollst ihnen sagen: So spricht der Herr, der Gott Israels. Verflucht sei ein Mensch, der nicht das Wort dieses Bundes hört, welches ich euren Vätern gebot an dem Tag, an dem ich sie aus dem Ägypterland führte.’ ” 19. Die Juden antworteten ihm: ”So bekennen auch wir, dass so das Gesetz Bund genannt wird, und wieviele von ihnen sich an das Gesetz Mose hielten, waren sie alle Gott angenehm; auch wir, indem wir uns an es halten, nehmen an, dass es so ist, aber ihr, indem ihr ein anderes Gesetz aufgebracht habt, tretet Gottes Gesetz mit Füßen.” 20. Der Philosoph sprach zu ihnen: ”Gut sprechen wir. Wenn nun Abraham sich nicht gemäß der Beschneidung verhalten hätte, sondern hätte den Bund von Noah gehalten, würde er nicht Freund Gottes genannt und [auch] Moses, der zuletzt das Gesetz Gottes aufschrieb, hielt sich nicht an das frühere. 21. So nun gehen auch wir nach dem Beispiele dieser und halten das Gesetz, das wir von Gott empfangen haben, auf dass das 25 Bund ] Gen 9:12; ZP 97g: завѣтъ, hebr. bərîṯ. 25 Gebot ] Gen 2:16; ZP 41g: и заповѣда господь богъ адаму, hebr. tsavah. 26 Beschneidung ] Gen 17:9,10,11; ZP 124gf.: и положѹ завѣтъ мои межꙋ мною и межꙋ тобою, hebr. bərîṯ, aber Ex 4:26, Jos 5:2 hebr. mulah ’Beschneidung’. Erst nach dem Exil wurde die Beschneidung das ”äußere Zeichen der inneren Zugehörigkeit zum Bundesvolk” (Schiele, 1909, 1072), weshalb sich die jüdische Terminologie auf die späteren Bibelstellen bezieht. 29 genannt wird ] Das Argument bereits X:11, nun aber bringt Kyrill weitere Bibelstellen für den Gebrauch von hebr. bərîṯ. Die Methode ist linguistisch zu nennen, nämlich auf Wortbedeutung aus dem Wortgebrauch zu schließen. 30 Fleisch ] Angezielt ist im Kontext des Abkommens Gottes mit Abraham Gen 17:2-14, zu der speziellen Formulierung in VC ist aber am nächsten Jer 31:33 bzw. LXX 38:31 ’Giving I will give my laws in their mind, and I will write them on their hearts’ (Pietersma/Wright, 2007, 915). 30 Zeichen ] Gen 17:11, hebr. lə·’ō·wṯ ’Zeichen’. In ZP знамение nur im Zusammenhang mit dem Regenbogen (Noah) Spalte 98g. 30 wie es sein wird ] Gen 17:11 31 ruft ] Vgl. Komm. zum Aksl. 31 durch ] Vgl. Komm zum Aksl. 31 Jeremias ] Jer 11:2-4 31 Höre ] Vgl. Komm. zum Aksl. 31 die Worte ] Vgl. Komm. zum Aksl. 31 Bundes ] Jer 11:2 hebr. bə·rîṯ, LXX διαθήκη 32 verkündige sie ] Wrtl. ’du verkündest sie’ bzw. perfektiv ’wirst sie verkünden’, aber hier gemäß bibl.-hebr. Stil als Aufforderung zu lesen; vgl. X:26. 40 sprechen ] Vgl. Komm zum Aksl. - ’gut’: Kyrill hat sein Argument schon gewonnen, indem die Juden die Synonymität von Bund und Gesetz zugeben. 42 Freund Gottes ] Vgl. Jes 41:8, hier eher die Formulierung von Jak 2: 23. 43 aufschrieb ] Ex 34:28 43 frühere ] Siehe Komm. zum Aksl. Es ist falsch, hier mit ’erstes Gesetz’ (Grivec/Tomšič, 1960, 189), richtig, mit ’vorausgehendes’ (KO, 3: 129) zu übersetzen, denn das ’erste’ Gesetz (in Kyrills Verständnis) wäre der Bund mit Noah, Moses hielt sich aber vielmehr nicht an das ihm vorausgehende ’zweite’ Gesetz des Abraham. Deshalb - so die conclusio - müssen sich Christen nach Eintreten des Neuen Bundes nun ihrerseits nicht mehr an das vorausgehende mosaische Gesetz halten. 44 dieser ] = Abraham und Moses
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Gebot Gottes unerschüttert weiterbesteht. 22. Nachdem er Noah ein Gesetz gegeben hatte, erklärte er ihm nicht etwa: ’ich werde noch ein anderes [Gesetz] geben’, sondern ’ein in einer lebendigen Seele in Ewigkeiten bestehendes”. 23. Und auch nicht hat er, als er Abraham die Verheißungen gab, ihm irgendwie verkündet: ’andere werde ich Moses geben’. 24. So also haltet [ausgerechnet] ihr das Gesetz? 25.Vielmehr ruft Gott durch Hesekiel: ’ich werde es wegnehmen und euch ein anderes geben.’ 26. Und Jeremias sagt nämlich klar: ’Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, und ich werde dem Hause Judas und dem Hause Israels einen neuen Bund verkünden, nicht nach Art des Bundes, den ich euren Vätern verkündete zu den Tagen, als ich sie an der Hand nahm, um sie aus dem Ägypterland zu führen, weil diese nicht in meinem Bund blieben und ich sie verachtet habe. 27. Sondern dies ist mein Bund, den ich dem Hause Israels verkünden werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Ich werde meine Gesetze zu ihrer Betrachtung geben und ich schreibe sie in ihre Herzen und ich werde für sie Gott sein und sie werden für mich ein Volk sein.’ 28. Und ebenso wiederum Jeremias: ’So spricht der Herr: Tretet an die Wege und seht und fragt in der Herde der ewigen Gottheit und ihr werdet sehen, welches der wahrhafte Weg ist, und ihr werdet ihm folgen; und ihr werdet Reinigung für eure Seelen finden. 29. Und sie sagten: Wir gehen nicht. 30. Ich stellte Wächter unter euch auf, hört die Stimme der Posaune. 31. Und sie sprachen: Wir hören nicht. 32. Um dessen willen hört ihr Heiden und die, welche unter ihnen die Herden weiden.’ 33. Und sogleich: ’Höre, Erde, so führe ich nun herbei auf die Menschen dieses Böse und die Frucht ihrer Perversion, dass sie meine Worte nicht annahmen und mein Gesetz, welches die Propheten verkündeten, verwarfen.’ 34. Nicht nur mit diesem einen erweise ich, dass das Gesetz vergeht, sondern auch klar mittels anderer Gründe aus den Propheten.” 47 lebendigen Seele ] Zu ’ewig bestehen, lebendige Seele’ siehe Gen 9:16. Das Argument des ’eingeschriebenen Gesetzes’ (Ps 40:8 (bzw. 9) und natürlich Röm 2:15; vgl. X:7) ist letztlich gegen alle spezifischen Kulthandlungen aufzubieten. Mit dem Argument, das göttliche Gesetz, so es vernunftgemäß ist, sei ”dem menschlichen Geiste angeboren und gleichsam eingeschrieben”, hatte noch de Spinoza (1870, 75ff.) die mangelnde Universalität ethnospezifischer Kulthandlungen kritisiert und wurde dafür aus der jüd. Gemeinde ausgeschlossen. 48 Verheißungen ] Gen 15:1-18 49 Vielmehr ] Wrtl. ’aber’. 50 Hesekiel ] Hes 11:19 bzw. 36:26; auch Hes 37:26 spricht von hebr.bərîṯ; vgl. Anm. zu X:11. 50 anderes ] Bei Hesekiel auf ’Herz’, nicht auf ’Gesetz’ bezogen, doch weil das Gesetz ins Herz geschrieben sei (X:22), sind in der topologischen Exegese die Bibelstellen kombinierbar. 51 Jeremias ] Jer 31:31-33 52 werde ] wrtl. Präsens; vgl. X:18. 52 Bund ] hebr. bərîṯ 56–57 meine Gesetze ] Vgl. Komm. zum Aksl. 57 Betrachtung ] Der Begriff ist aus Jer 31:35 in das Zitat eingesetzt. 58 Volk ] wrtl. ”zu den Menschen (gezählt) sein’; vgl. Anm. zu VIII:2 und VIII:7; zumeist [Titel, I:3, VI:41, VIII:2, VIII:4, X:43, X:44, X:56] wird ’Volk’ mit языкъ wiedergegeben, welches allerdings das durch eine andere Sprache gekennzeichnete ’heidnische’ Volk sein kann, daher auch meist pl verwendet. Neben einem Abstammungsbegriff (X:1) wird [VIII:7, X:53, X:60] ’Volk’ auch als ’die Leute, Menschen’ konzeptualisiert und verweist mithin, wie in vorliegendem Satz, auf das Gottesvolk. 59 Jeremias ] Jer 6:16-18, aber stark im Stile des Prophetologion paraphrasiert. 64 sogleich ] Jer 6:19 67 dass das Gesetz vergeht ] Weil mit der Ankunft Christi das mosaische Gesetz durch die Gnade überboten wird. Der Zeitpunkt, siehe X:46, bestimmt sich aus dem Propheten Daniel.
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35. Es antworteten ihm die Juden: ”Jeder Jude weiß das in Wahrheit, dass es so sein wird, doch er kennt nicht die zukünftige Zeit bezüglich des Gesalbten.” 36. Der Philosoph aber sprach zu ihnen: ”Was lehrt ihr da, sehend, dass Jerusalem zerstört ist und die Opfer aufgehört haben, und all das, was geschehen ist, was die Propheten von euch vorhergesagt haben? 37. Denn Malachia ruft klar: ”Mein Wille ist nicht unter euch, spricht der Herr, der Allmächtige, Opfergaben von euren Händen werde ich nicht annehmen, weil vom Aufgang der Sonne bis zum Niedergang mein Name gerühmt wird unter den Heiden und an jedem Ort ein Rauchopfer meinem Namen dargebracht wird und reine Opfer, weil groß mein Name ist unter den Heiden, sprich der Herr, der Allmächtige.” 38. Sie sagten nun: ”Diese alle, wie du sagst, Heiden werden gesegnet werden und beschnitten in der Stadt Jerusalem.” 39. Sprach der Philosoph: ”So wie Moses sagt: ’Wenn ihr aufmerksam hört, um in allem das Gesetz zu bewahren, dann werden eure Grenzen vom Roten Meer bis zum Meer der Philister und von der Wüste bis zum Fluß Euphrat sein.’ 40. Aber wir Heiden werden gesegnet wegen ihm, über den Samen Abrahams hinaus, der aus der Wurzel Jesse hervorgegangen ist, der die Hoffnung der Heiden genannt wird und das Licht der ganzen Erde und aller Gestade, erleuchtet von der Gnade Gottes, nicht wegen diesem Gesetz oder einer Stadt. 41. Die Propheten verkünden laut von Christus. 42. Es sagt nämlich Zacharias: ’Freue dich sehr, Tochter Zion, siehe, dein König steigt zu dir hinan sanftmütig, sich gesetzt habend auf ein Eselsfüllen, auf den Sohn eines Zugtieres.’ 43. Und wiederum: ’Er vernichtet die Waffe von Ephraim und das Pferd von Jerusalem. Und er verkündet 70 zukünftige Zeit ] Die Übersetzung beruht auf spekulativem Wortlaut, vgl. Komm. zum Aksl. Andere übersetzen: ”doch ist die Zeit bezüglich des Gesalbten noch nicht gekommen.” 72 Opfer ] Hos 3:4 73 Malachia ] Mal 1:10-11, der Text folgt genau LXX. 78 Heiden ] Vgl. Apg 15:5: Unter den christlich bekehrten Pharisäern herrschte die Meinung, dass auch Christen zu beschneiden seien. Die Ironie in der Antwort der Juden an Kyrill muss gehört werden: ’Du, Kyrill, sagst ja selbst, dass auch die Heiden den Namen Gottes rühmen, und nun, wie es in eurem Neuen Testament steht, sollten die Heiden - und deshalb auch ihr - beschnitten werden.’ 80 Moses ] Deut 11:22,24, aber in der Gebietsangabe des verheißenen Landes vom Bibeltext leicht abweichend. 80 aufmerksam hört ] Wrtl.: hörend hört, vgl. Komm. zum Aksl. 80–81 bewahren ] Infinitiv aus einer Lesart eingesetzt, vgl. Komm. zum Aksl. 83 ihm ] nämlich wegen Jesus Christus, der ’über den Samen Abrahams’ hinaus ist. Kyrills Argument ist überbietend: Ihr Juden seid Nachkommen von Abraham, wir Christen aber sind Nachkommen des Ursprungs von Abraham. Die Juden antworten auf diese Überbietungrhetorik in X:64. Zur Übersetzung siehe Kommentar zum Aksl. 83 Samen Abrahams ] Gal 3:16 83 der ] im Aksl. durch den Kasus eindeutig auf Christus zu beziehen 83 Wurzel Jesse ] Jes 11:1 84 genannt ] Jes 42:4 bzw. Mt 12:21 84 Licht ] Joh 8:12 85 Gestade ] Jes 42:4; folgt der hebr. Bibel (Bertholet, 1922, 1923, 1: 663) bzw. der Vulgata (Weber/Gryson, 1994), denn LXX (Pietersma/Wright, 2007, 856) hat nicht ”Inseln/ Gestade”, sondern ”until he has established judgment on the earth, and nations will hope in his name”. 85 erleuchtet ] Die Apposition ist im Aksl. durch Kasus eindeutig auf ’wir Heiden’ vom Satzanfang, und nicht etwa auf Christus zu beziehen. 86 Stadt ] Bezieht sich auf ’Jerusalem’ in X:38. Zur Satzeinteilung vgl. Kommentar zum Aksl. 86 verkünden laut ] Wrtl: ’rufen laut’, siehe Kommentar zum Aksl. X:18. 86 von Christus ] Lesart aus 3 Hss eingesetzt. 86 Zacharias ] Zach 9:9, bzw. Mt 21:5 88 wiederum ] Zach 9:10
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Friede den Völkern und seine Macht (reicht) vom Rande der Erde bis zum Ende des bewohnten Erdkreises.’ 44. Jakob aber sagt: ’Nie wird es (dem Königreich) Juda an einem Fürsten mangeln, noch an einem Führer an seiner Hüfte, bis kommen wird, der es weiden soll, und das ist die Hoffnung der Völker.’ 45. Wenn ihr nun das alles vollendet und vollbracht sehet, welchen Anderen erwartet ihr? 46. Daniel nämlich sagt, vom Engel belehrt: ’Siebzig Wochen sind es bis zum Hohenpriester Christus, das sind vierhundertneunzig Jahre zu versiegeln Vision und Prophezeihung.’ 47. Welches eiserne Königreich ist Eurer Meinung nach gemeint, welches Daniel im Bilde erwähnt?” 48. Antworteten sie: ”Das römische.” 49. Der Philosoph nun fragte sie: ”Wer ist der Stein, der sich ohne Menschenhände von der Höhe her herabriss?” 50. Sie antworteten: ”Der Gesalbte.” 51. Darauf sagten sie: ”Wie, wenn wir dieses mit den Propheten und anderen Dingen als schon Geschehenes deuten, wie du sagst, warum nun hält das römische Königreich bis zum heutigen Tage die Herrschaft?” 52. Antwortete der Philosoph: ”Es (das römische Reich) hält sie nicht, denn es ging vorbei wie auch die übrigen (Kaiserreiche) nach dem bildli90 Völkern ] Das Aksl. gebraucht hier dasselbe Wort, welches auch ’Heiden’ bedeutet; vgl. die Bedeutungsreihe ’Sprache’ > ’Volk (mit einer anderen Sprache)’ > ’Heiden (nicht unsere Sprache sprechendes Volk = nichtjüdisches = nichtchristliches Volk)’ auch bei gr. γλῶσσα (Bauer, 1988, 324) und lat. lingua. 90 Macht ] In CH Pl, der Sg aus 17 anderen Hss. 90 reicht ] Der aksl. Text bietet wie hebr. Urtext oder Vulgata (potestas) nur ein Nomen, aber kein Verb, LXX hat κατάρξει 3PsSgIndFutakt < κατάρχω ’regieren’ (nicht NT), so auch Pietersma/Wright (2007, 817) ”and he shall reign”. Die textuelle Situation von LXX ist an dieser Stelle unübersichtlich. 90 Rande ] Das heißt: vom himmlischen Wohnort Paradies bis zum Ende der bewohnten Erdfläche; vgl. Komm. zu IX:16. Auch wenn die ”Zeugnisse der griechisch-byzantinischen Geographie und der Kartographie im Mittelalter wenig originell” (Brincken, 1992, 36) sind, war der Autor von VC nicht nur auf Kosmas Indikopleustes und seine Vorstellung einer planen (nicht kugelförmigen) Erde verwiesen, sondern konnte auch die ”Standardschulbücher” (Brincken ebd.) der lateinischen Welt, nämlich Macrobius und Martianus Capella bzw. danach auch die Kompilation von Isidor kennen. Im großen ganzen handelt es sich immer um Zonenkarten, die bewohnte, unbewohnte und metaphysische Weltzonen, durchaus auch auf einer kugelförmigen Erde, unterscheiden konnten. 91 Jakob ] Paraphrase von Gen 49:10 94 Anderen ] wen außer Jesus Christus? 94 Daniel ] Dan 9:24-27; in Tertullians Schrift ”Adversos Iudaeos” (PL, 2: 612-615) wird im achten Kapitel die Berechnung der historischen Ankunft des Messias unter Berufung auf die zitierte Danielstelle unternommen (”Unde a primo anno Darii debemus computare, quando hanc visionem vidit Daniel”), was von einer weltgeschichtlichen Berechnung mit den Stationen Adam, Sintflut, Abraham und Tempelbau Salomons abweicht. Sinn des Argumentes ist zu beweisen, dass die at Propheten auch in ihren genealogischen Voraussagen die Ankunft Christi prophezeit hätten, wobei das historische Erscheinen Jesu mit den Jahresvoraussagen genau zusammentreffe. Vgl. XI:25, XIII:9 und XVII:13. 96 vierhundertneunzig ] Siehe Komm. zum Aksl. 99 Stein ] Dan 2:45; zur Textkritik siehe Segal (2016). 102–103 bis zum heutigen Tage ] Die jüdische Gegenfrage bezweifelt nicht, dass der Stein aus der Vision Daniels als der erwartete Messias zu deuten ist, sie bezweifelt nur, dass das von dem Stein zerschlagene römische (X:48) Weltreich bereits untergegangen sei. Für die Juden ist das römische Reich eben noch nicht untergegangen, sondern das christliche Rom sei die Fortsetzung des antiken Imperiums. Das wird nochmals wichtig in X:77. - Das Argument taucht etwa auf in der ”Disputatio adversus Iudaeos” des Anastasius Sinaitica (”Christus enim interpretatus est Daniel lapidem”, PG, 89: 1214)), siehe zu deren Text Uthemann (2015, 800-804) und zur Deutung der Danielvision ebd. 601f., zur Bedeutung des Anastasius für das byz. Denken vgl. Haldon (1992).
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chen Gleichnis; unser Königreich nämlich ist nicht das römische, sondern das Christi, wie denn der Prophet sagt: 53. ’Gott errichtet ein himmlisches Königreich, das in Ewigkeit nicht vergeht, und sein Königreich wird anderen Völkern nicht überlassen; und es mindert und löscht alle anderen Königreiche aus und dieses besteht in alle Ewigkeit.’ 54. Ist ein Königreich nicht christlich, das heute mit dem Namen Christi genannt wird? 55. Die Römer pflegten sich um ihre Standbilder zu versammeln. 56. Diese (christlichen Reiche) jedoch, jenes von diesem, jenes von anderem Volk und Stamm, herrschen im Namen Christi, wie auch der Prophet Jesaja offenbart, zu Euch sprechend: 57. ’Ihr ließet Euren Namen zum Fluch für meine Auserwählten *Euch tötet der Herr*, aber den für Ihn Arbeitenden wird ein neuer Name genannt, welcher gesegnet sein wird über die ganze Erde; denn sie werden den wahren Gott segnen, und die Schwörenden auf der Erde schwören bei Gott im Himmel.’ 58. Haben sich nicht die beiden genauen prophetischen Vorhersagen erfüllt, welche beide klar von Christus ausgesagt sind? 59. Jesaja nämlich bezeugt seine Herkunft von einer Jungfrau, also sprechend: ’Siehe, eine Jungfrau wird in ihrem Leibe empfangen und sie wird einen Sohn gebären und man wird ihm den Namen Immanuel nennen, das ist erklärt: Gott ist mit uns.’ 60. Und Micha sagt: ’Und du Bethlehem, das Land Judas, auf keine Weise bist du der kleinste unter den Führern Judas; aus dir nämlich geht hervor der Leiter, der mein Volk Israel errettet und seine Ausgänge (sind) seit anfangs, seit den (ersten) Tagen des Jahrhunderts. 61. Um des willen gibt er sie auf bis zu der Zeit der Gebärenden, ihn zu gebären.’ 62. Jeremias aber: ’Fragt und seht, ob das männliche
105 Gleichnis ] Nach dem Gleichnis in Daniel. 106 Prophet ] Dan 2:44; der aksl. Text folgt dem Wortlaut in ZP 6a18-6b9. 107 Völkern ] wrtl. ’Menschen’, es geht also um andere ’Gottesvölker’. 110 versammeln ] Vgl. Komm. zum Aksl. 112 Jesaja ] Jes 65:15f.; vgl. ZP 155v6-155g1, jedoch am Ende leicht abweichend, daher in VC offenbar aus LXX übersetzt. 113–114 Euch tötet der Herr ] D.h.: die Auserwählten werden andere verfluchen mit dem Fluch ’es töte Euch der Herr’ nach eurem Beispiel, welche der Herr bereits tötet. 114 genannt ] Passivische Übersetzung siehe Lesarten zum Aksl. 116 im Himmel ] LXX: beim ’wahren Gott’. Der Autor von VC sucht den Gegensatz ’Erde Himmel’. 117 beiden ] Zur Übersetzung siehe Komm. zum Aksl. 117 welche ] Siehe Komm. zum Aksl. 118 Jesaja ] Jes 7:14 121 Micha ] Micha 5:2f wie LXX (bzw. alexandrinisch 5:1f.); der bibl. Text wie auch Vergleich mit ZP 3v11-3g2 zeigen, dass X:60 anfangs Mt 2:6, bei der deutlich vom at Stil geprägten Ewigkeitsformel am Schluß aber Micha folgt. X:61 steht nur bei Micha bzw. in ZP 3g2-5. 123 Leiter ] So schon ZP; das aksl. verwendete Wort ist das normalerweise für ’Abt, Klostervorsteher’ gebrauchte. 123 mein Volk ] wrtl.: ”meine Leute Israels” = das Gottesvolk. 125 Gebärenden ] Die Übersetzung folgt den Lesarten, welche beim Personalpronomen den AkkPlMask ѧ und beim Partizip den GenSgFem рождающиѧ bezeugen, womit der Text an den at Wortlaut bzw. ZP anschließt. 125 Jeremias ] Jer 30:6f 125 männliche ] Den Vorwurf mißlungener Formulierung (Grivec/Tomšič, 1960, 192) kann ich nicht nachvollziehen. Es steht im Aksl genau das Erwartete: ’si peperit masculus’ = ’ob ein Mann gebäre.
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Geschlecht gebäre, denn groß ist dieser Tag, wie kein anderer war, und der Sommer wird Jakob beschwerlich und davon wird er errettet werden.’ 63. Und Jesaja sagte: ’Bevor gar die in Schmerzen Seiende gebar, bevor gar die Geburt herankam, floh sie den Schmerz, ein männliches Geschlecht gebärend.”’ 64. Darauf nun sagten die Juden: ”Wir sind der gesegnete Same von Sem, gesegnet von unserem Vater Noah, ihr seid (es) nicht.” 65. Indem er ihnen davon deutend sprach, sagte er (der Philosoph): ”Der Segen eures Vaters ist nichts anderes als nur ein Lobpreis zu Gott, auf jenen (Sem) aber bezieht er sich nicht. 66. Mag der Herr, der Gott Sems auch gesegnet sein, so sprach er [Noah] doch jedenfalls zu Japhet, von dem wir abstammen, dass Gott der Herr Japhet ausbreiten werde und dieser in die Siedlungen Sems einziehen werde.” 67. Und aus den Propheten und aus anderen Büchern darlegend lies er sie nicht (in Ruhe), bis sie selbst etwas wie ”es ist so, wie du sprichst” sagten. 68. Sprachen sie wiederum: ”Wie könnt ihr im Vertrauen auf einen Menschen behaup126 Sommer ] Hebr. (Bertholet, 1922, 1923, 1: 807) und gr. (Pietersma/Wright, 2007, 913) steht ein Wort für Zeit bzw. Zeitsegment (χρόνοϛ ’Zeitraum, Frist’; Bauer (1988, 1769ff.)). Das aksl. lěto ist Bezeichnung für die warme Jahreszeit und auch für das sich als Zeitabschnitt wiederholende ’Jahr’. Dem hebr./gr. angezielten, nicht mit Jahreszeiten konnotierten Zeitbegriff entsprechen andere aksl. Lexeme (godъ, časъ, vremę) besser, so dass man fragen kann, ob der Autor von VC nicht tatsächlich ’Sommer’ sagen wollte? Liegt in der Assonanz lěto těsno = ”beschwerlicher Sommer/ beschwerliches Jahr” ein idiomatisches Fragment mündlicher Redeweise vor? Sicher ist jedenfalls, dass ’Sommer’ (θέροϛ, Bauer (1988, 730)) als die Zeit der Reife aus dem Gleichnis vom Feigenbaum bekannt ist (Mt 24:32 und Synoptiker), wobei v.a. die Fassung bei Lk (21:29-30) als bildliche Zusammenfassung der zuvor ausgebreiteten endzeitlichen Vision u.a. vom Ende des Tempels (Lk 21:5-11) und Ende Jerusalems (Lk 21:20-24) im Kontext von VC:X besonders erwähnenswert ist. Ambrosius hat in seinem Lukas-Kommentar (lib. X =PL, 15: 1812)) zunächst den ’Winter’ (mit Mt 24:20) dem ’Sommer’ gegenübergestellt und dann (ebd. 1814) das Feigenbaumgleichnis dahin gedeutet, dass die vorzeitig abfallenden Frühfeigen die Juden seien, welche den ’Sommer’ des Christentums nicht abwarten können. Die Wortwahl ’Sommer’ in VC passt also zu der Argumentation Kyrills, dass die Juden noch warten müssten, ehe Christus sozusagen im Herbst des Christentums wiederkehrt. Generell werden in VC aus christlicher Sicht Judentum und Christentum als verschiedene Entwicklungsstufen gedeutet. 127 Jesaja ] Jes 66:7 131 Noah ] Gen 9:26; die Juden zitieren nur den Vordersatz; vgl. X:66. 131–132 deutend sprach ] Vgl. Anm. zu VIII:15: das Verb сказати wird in VC immer mit der Konnotation des ’erklärenden, auslegenden Redens’ verwendet. Um keine sinnlose und auch mit bibl. Stil schwer zu rechtfertigende Tautologie (’indem er ihnen über diese Dinge sprach, sprach er’), in der Übersetzung herzustellen, wurde die Differenz zwischen den beiden verba dicendi deutlich gemacht. 133 Lobpreis ] Segnen als Sprechakt ist nicht das magische Zusprechen von Wünschen, wie es auch sinnlos wäre, Gott zu segnen, der bereits alles Wünschenswerte besitzt, weshalb etwa Luther in vielen Fällen ’gesegnet’ mit ’gelobt’ übersetzt. Vielmehr ist die Quelle der hebr.-christl. Frömmigkeit, ”Gott zu segnen, d. h. ihn als die Quelle des Segens anzuerkennen und in Anspruch zu nehmen” (Frettlöh, 2002, 28). So argumentiert Kyrill vollkommen am bibl. Wortlaut, wenn er bei Gen 9:26 darauf hinweist, dass es heißt ”Gesegnet (= bene-dictus, gelobt oder gesegnet) sei der Herr, der Gott Sems”, aber es heißt nicht ’gesegnet sei Sem’. Dies ist wichtig auch für das Verständnis des Nachsatzes: Der Segen bezieht sich also nicht auf Sem. 134 sprach ] Gen 9:27 137 lies er sie nicht ] Vgl. X:98, Kyrill habe ’bis zum Überfluß’ theologisch doziert. Ob man dies auch ironisch hören darf?
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ten, dass ihr gesegnet seid, während die Bücher einen solchen Menschen verfluchen?” 69. Es antwortete der Philosoph: ”Wie nun, ist David verflucht oder gesegnet?” 70. Sie nun sagten: ”Überaus gesegnet.” 71. Der Philosoph aber sagte: ”So vertrauen auch wir auf den, auf den auch er (David) vertraute. 72. Er (David) sagt nämlich in
140 Bücher ] Der jüdische Einwand wird nur verständlich, wenn für ’Mensch, auf dessen Segen man vertraut, und der gleichzeitig von den Büchern verflucht wird’, der passende Referent eingesetzt wird. Im vorigen Kontext X:66 wird zwar Noah erwähnt, der Japhet (also den Christen) den Segen Gottes zuspricht, aber Noah ist erstens textlinguistisch nicht mehr als Referent in X:68 verfügbar, weil er durch den evaluierenden Satz X:67 bereits zu einem abgeschlossenen Gedanken gehört, und Noah ist auch nicht semantisch verfügbar, da er nirgends in den Büchern (ob AT oder NT) verflucht wird. Mit X:68 beginnt ein neues, methodisch ausgerichtetes Argument. Der jüdische Einwand bezieht sich auf Gal 1:19, wo jeder verflucht sei (ἀνάθεμα ἔστω), der eine neue Lehre aufbringe, die der althergebrachten widerstreitet. Nun reflektiert Paulus an eben dieser Stelle, dass er selbst ”für die Satzungen der Väter” (Gal 1:14), also der Juden, geeifert habe, ehe er christlich zu schreiben begann (Gal 1:20). Weshalb also, so der jüdische Einwand, einem Menschen - Paulus - vertrauen, der genau das tut, was er anderen verbieten will?
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den Psalmen: ’Denn der Mensch meines Friedens, auf den ich vertraute … ’ 73. Dieser Mensch nun ist Christus und Gott. 74. Aber wer auf einen einfachen Menschen vertraut, da halten auch wir diesen für verflucht.” 144 Psalmen ] Ps 40/41:10 in der Fassung der LXX: ”Indeed, the person at peace with me, in whom I hoped, he who would eat of my bread, magnified trickery against me” (Pietersma/Wright, 2007, 567). VC bringt nur das Incipit, gegen sonstige Zitiergewohnheit. Die theologische Erklärung (siehe gleich) benötigt den ganzen Wortlaut ”etenim homo pacis meae in quo speravi qui edebat panes meos [magnificavit super me subplantationem]” (Weber/Gryson, 1994, 820) und einen Verweis auf einen lat. Kirchenvater. Ohne diesen Verweis wird der Übergang von X:72 zu X:73 von heutigen Lesern nicht verstanden, die ma Abschreiber aber produzieren keine Lesarten oder Kommentare. 144–145 Dieser Mensch ] Grivec/Tomšič (1960, 192) merken an (Anm. 9): ”Explicatio falsa: homo ille est simulator.” Ebenso: не е вярно (KO, 3: 152), ”etliche Irrtümer und falsche Deutungen” (Schütz, 1985b, 131), ”Diese Stelle ist völlig mißverstanden und ganz willkürlich auf Christus bezogen” (Bujnoch, 1972, 201). Am akzeptabelsten ist der Hinweis auf komprimierte Argumentmitteilung: сокращение полных бесед Кирилла, писанных на греческом языке, повело к некоторым неястностям изложения в этой главе жития (Tachiaos, 2005, 280). Die Kritik an Kyrills Argument bezieht ’Mensch = Christus’ in X:73 auf ’Mensch meines Friedens = Betrüger’ in X:72. Ist dem theologisch versierten Autor von VC ein so plumper Fehler zuzutrauen? - Die Kritik vernachlässigt ahistorisch das Prinzip der christlichen Exegese und trifft deshalb nicht das theologische Argument bzw. die Textgattung (vgl. X: 75). ’Mensch’ in X:73 kann auch auf den Psalmisten David bezogen werden, denn der Psalmbeter ist in christlicher Auslegung einerseits der historische David, andererseits aber der als Präfiguration Christi inspirierte Prophet. In seiner Auslegung zum Galaterbrief schreibt Augustinus: ”Omnis enim homo mendax (Psal. CXV:11): quia quidquid veritatis invenitur in homine, non est ab homine, sed a Deo per hominem” (PL, 35: 2109). Woraus für die christliche Exegese folgt, dass auch in den Psalmen, sofern sie als wahr akzeptiert werden können, nicht David als Mensch spricht, sondern vielmehr Gott durch David spricht. In den ’Ennarationes in psalmos’ bezieht Augustinus daher das betende Ich des Psalms auf Christus (= Gott spricht durch David) und der ’Mensch meines Friedens’, der Christus betrogen hat, ist Judas, der beim letzten Mahl noch das Brot mit Christus teilte: ”Quis est iste homo pacis ipsius? Judas. Et in illum Christus speravit … Quomodo ipsum ostendit in passione, de istis verbis prophetiae? Per bucellam illum designavit, ut appareret de illo dictum, Qui edebat panes meos” (PL, PL: 461). - Ob Kyrill die ’Ennarationes’ kannte, kann nicht bewiesen werden, aber er argumentiert in dieser Tradition: ’Ihr Juden fragt, weshalb der Mensch Paulus einerseits neue Schriften den alten hinzufügen kann und gleichzeitig denjenigen verflucht, der dies tut? Weil keine neuen Schriften hinzugefügt werden, sondern die ewige Wahrheit von immer neuen Menschen verkündet wird. So wie David, denn ihr selbst für einen Propheten haltet, nichts anderes verkündet, als was Paulus verkündet, nämlich den leidenden Gottessohn. Wer aber nicht im Einklang mit der christlichen Wahrheit neue Schriften hinzufügt, der sei verflucht.’ Das Argument Kyrills verläuft parallel zur vorgehenden Erörterung, dass in der Geschichte immer wieder ein ’neuer’ Bund Gottes mit den Menschen festzustellen sei, aber ’Anciennität’ nicht Rationalität begründe (X:9-34). Methodisch grundlegend für das christliche Argument ist die Betonung des ’Geistes’ (in Auswahl: VI:19, VI:29, VIII:13, IX:16, IX:33, X:3), der die christliche Wahrheit des leidenden Gottessohnes in immer neuen Äußerungen vernimmt. Die Geistthematik ist - es sei vorbeugend gesagt - also nicht etwa der Persönlichkeit Kyrills oder seines Biographen zuzurechnen und auch nicht spezieller ostkirchlicher ’Spiritualität’, sondern gehört der kulturellen Dynamik einer Theologie, die Existentialexegese und nicht Religion sein will, oder wie es Tertullian sagt: ”Christus hat sich die Wahrheit genannt, nicht die Gewohnheit” (Ratzinger, 1971, 93). Praktische Theologen erkennen in dem, was die slavistische Textkritik für ’Irrtum’ hält, Anwendungswissen (Voulgarakis (1985), Smither (2017)).
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75. Darauf legten sie einen anderen Beispielfall vor, sprechend: ”Warum verwerft ihr Christen die Beschneidung, aber Christus tat sie nicht ab, sondern hat sie nach dem Gesetz vollzogen?” 76. Es antwortete der Philosoph: ”Der da sagte zuerst zu Abraham ’das sei das Zeichen zwischen mir und dir’, der hat sie, nachdem er [in die Welt] gekommen war, vollzogen, die seit jenem bis zu diesem geherrscht hat, aber er lies
147 anderen ] Schon X:68-74 war eine methodische Frage; X:75-81 behandelt als ’andere’ methodische Frage wiederum das ’Gesegnetsein’. 147 Beispielfall ] Zur Übersetzung siehe Komm. zum aksl. Text; vgl. auch X:84. In den folgenden zwei Abschnitten fehlen dem aksl. Autor differenziertere aksl. Äquivalente für die gr. philosophischen Termini. 148 Beschneidung ] Die einschlägigen Stellen zur Beschneidung nennen den Bund mit Abraham (Gen 17:11) als Beginn des jüdischen Brauches (s.a. X:7) und verweisen dann unter Bezug auf Deut 10:16 (’beschneidet eure Herzen’) auf die christliche Einstellung in Röm 2:25 und Gal 5:6 (’geistliche Beschneidung’). So parallelisiert die patristische Exegese Beschneidung und Taufe und betont, dass Christus, um das gesamte jüdische Gesetz schuldlos zu erfüllen, als letzter sich beschneiden ließ, dann aber die Taufe vorschrieb (vgl. Kap 25 ’Über die Beschneidung’ in Joannes Damascenus (1973)). Der Bezug von Beschneidung zu Sexualmoral (dazu schon Philo, Cohn (1910, 15), der die Deutung aber ’nicht erfunden’ (l.c. 14, Anm. 4) hat) und die Auffassung von Jakobs Hüfte (Gen 32: 26) als Euphemismus für das männliche Sexualorgan (Shanzer (2006, 191) nennt Hieronymus) sind verbreitete Muster. Der (mögliche, christlicherseits geäußerte) Einwand, dass die Beschneidung ein unvollständiges Sakrament sei, da sie nicht wie die Taufe auch für Frauen vollziehbar ist, scheint erst später (Geyer (1909, 111)) aufgekommen zu sein. Spezifisch für die Passage X:75-81 ist, dass sie nicht Argumente enthält, die erst nach dem Auftreten des Islam (Ismail, vgl. VI:41) auftauchen (dazu siehe Uthemann (2015, 680-684)), anklingen aber mag der von Ambrosius (PL, 14: 626) hergestellte Bezug von Jakobs Kampf auf nachfolgende (mönchische) Enthaltsamkeit, wie sie auch Kyrill vorträgt. Beschneidung war schon X:7 Thema; hier wird die Standardfrage jüdischerseits gestellt (X:75) und mit der Standardantwort christlicherseits beschieden (X:76), worauf dann in X:77 die Implikation der Standardantwort kasuistisch bezweifelt wird. 149 Der ] ’Der da sagte’ … ’der gekommen war’ bezeichnet beide Male Gott, der als Vaterhypostase zu Abraham spricht und als Sohnhypostase sich inkarnierte. 149 sagte ] Gen 17:11
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nicht zu, dass sie weiterbestehe, sondern gab uns die Taufe.” 77. Sie aber sprachen:
152 sprachen ] Die Frage der Juden wird sinnwidrig mit der Unterstellung, unter ’Zeichen’ sei Taufe zu verstehen, übersetzt (partes pro toto ”Cur igitur alii contemplacuerunt Deo, qui hoc signum non acceperunt, sed Abrahami?” (Grivec/Tomšič, 1960, 193) oder ”Warum aber fanden vorher andere bei Gott ein Wohlgefallen, die nicht dieses Zeichen angenommen hatten, sondern das des Abraham?” (Bujnoch, 1972, 83)). Dagegen ist die Logik der Argumente zu berücksichtigen: beidseitig wird unstrittig festgestellt, dass die Beschneidung das Zeichen für den Bund mit Gott sei, und strittig ist zwischen Juden und Christen nur, ob die Beschneidung durch Jesus Christus aufgehoben und durch die Taufe ersetzt wurde. Insofern gibt es logischerweise zwei Fragemöglichkeiten, entweder erstens, wie jene Früheren, die vor der Taufe nicht das Zeichen der Beschneidung annahmen, oder aber zweitens, wie jene Früheren, die nach Einsetzung der Taufe sich dennoch nicht taufen ließen, Gott wohlgefällig sein konnten. Da Kyrills Antwort mit Bezug auf das AT ausfällt, ist klar, dass es um ”andere” geht, die zu Zeiten Abrahams das Zeichen der Beschneidung nicht annahmen und dennoch gottwohlgefällig seien. Die Bewertung ’gottwohlgefällig’ für unbeschnittene Juden kann aus jüdischer Sicht überhaupt nicht geäußert werden, weshalb ’gottwohlgefällig’ hier als christliche Sicht auf diese ”anderen” unbeschnittenen Juden unterstellt wird - der Satz ist also ironisch zu verstehen! Die Verständnisschwierigkeit liegt sprachlich darin, dass die Konjunktion mit ’obwohl’ zu übersetzen und aksl. ’abrahamisch’ nicht auf ’Zeichen’ zu beziehen ist; siehe Kommentar zum aksl. Text. Die Juden fragen nach den Unbeschnittenen, die (angeblich) gottwohlgefällig sind, ’obwohl sie abrahamisch sind’ = ’obwohl sie Abrahamiten sind’. Die jüdische Frage geht auf Erörterungen im Talmud (Goldschmidt, 1907, 253) zurück (”die Beschneidung wurde auch von vornherein nur Abraham anbefohlen” = Synhedrin VII:5), die Esau nicht vom Beschneidungsgebot betroffen sein läßt. Esau ist in der späten jüdischen Apokalypse mit dem vierten Reich des Bösen identifiziert, das untergehen muß, ehe der Messias erscheint, also mit dem römischen Reiche und nach dessen Christianisierung mit den Christen selbst (Oberhänsli-Widmer, 2008, 280, 289). Außerdem gilt Esau als moralisch verdorben, weil er bis zu seinem 40. Lebensjahr mit mehreren Frauen verkehrte, aber keine geheiratet hatte. Man muß den Bezug auf Christen unter Anspielung auf deren angeblichen unbeschnittenen und amoralischen Stammvater Esau verstehen, um die jüdische Frage und Kyrills Antwort zu begreifen: ’Weshalb nun sollten einige Stammväter (nämlich eure!) gottwohlgefällig sein, wenn sie gar nicht dieses Zeichen (nämlich die Beschneidung) annahmen, obwohl sie Abrahamiten waren?” Die Frage der Juden ist polemisch, indem sie die christliche Abstammung von Esau voraussetzt, die christlich nie gemacht wurde (siehe Mt 1:1-17). Insofern ist Kyrills Antwort eine rhetorische Meisterleistung, indem er einerseits die Beschneidung nicht als mechanische Vorbedingung für Gottwohlgefälligkeit herausstellt und also sachlich auf das Argument reagiert, und andererseits die Unterstellung der Amoralität an die Gesprächspartner vorsichtig zurückgibt und so die polemische Spitze pariert.
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”Nun, warum haben andere Stammväter Gott gefallen, die dieses Zeichen nicht annahmen, obgleich sie Abrahamiten waren?” 78. Es antwortete der Philosoph: ”Es scheint keiner nun von diesen [Stammvätern] zwei Frauen gehabt zu haben, nur Abraham, und deshalb beschneidet er [Gott] dieses Glied, eine Grenze gebend, sie weiter nicht zu überschreiten, nach der ersten Ehe Adams den übrigen ein Beispiel gebend, sich daran zu halten. 79. An Jakob nämlich tat er dasselbe, die Sehne seiner Hüfte betäubend, weil der vier Frauen nahm. 80. Als Jakob den Grund eingesehen hatte, warum er [Gott] dies tat, gab er [Gott] ihm den Namen Israel, das heißt ’Der Verstand sah Gott’, und außerdem nämlich scheint er [Jakob=Israel] nicht weiters einer Frau beigelegen zu haben. 81. Abraham hat das nicht eingesehen.” 82. Darauf nun fragten ihn die Juden: ”Warum behauptet ihr, euch vor Götzenbildern verneigend, dass sie Gott wohlgefällig seien?” 83. Es antwortete der Philosoph: ”Zuerst lernt die Namen zu unterscheiden, was ein Bild ist und was ein Götzenbild ist, und das betrachtend tretet nicht gegen Christen auf, denn zehn Namen kommen in eurer Sprache wegen diesem Urbild vor. 84. Ich frage nämlich euch: War es ein Ur-
153 Stammväter ] Zur Übersetzung vgl. Kommentar zum Aksl. 153 Zeichen ] nämlich die Beschneidung 154 obgleich sie Abrahamiten ] Hier ist die Fehlübersetzung in allen bisherigen Deutungen; vgl. Daiber (2020, 49-51). 155 gehabt ] wrtl.: erscheint als zwei Frauen Habender 157 Ehe Adams ] Adam und Eva: monogame Ehe 158 halten ] Siehe Kommentar zum Aksl. 158 Jakob ] Inhaltlich siehe Gen 32:23–33 162 nicht eingesehen ] ’nicht einsehen’ = ’den Grund nicht verstehen’; vgl. zur Wortbedeutung IV:10. - Die Pointe im Argument Kyrills: Die beschnittenen Nachfahren Abrahams hatten nicht selten mehrere Frauen (den Rekord hält lt. 1Kön 11:3 Salomon mit der üppigen Zahl von 700 Ehefrauen und 300 Nebenfrauen), denn, so Kyrill, im Gegensatz zu Jakob-Israel hätten die Abrahamiten den Grund des Beschneidungsgebotes (körperliche Beschneidung als moralische Beschneidung) nicht eingesehen. Weil Kyrill mit Hinweis auf Salomon oder David (Bathseba) jede weitere Anspielung auf die unterstellte christliche Abstammung vom amoralischen Esau (das ”Schwein”, wie er im Talmud genannt wird) kontern könnte, verzichten beide Seiten auf eine Fortsetzung der implikationsreichen Polemik. - Die von Grivec/Tomšič (1960, 192f.) et alii geäußerten schweren Bedenken gegen diese Passage (”textus … corruptus”, ”explicatio … falsa est”, ”erronee explicat”) sind unbegründet. 166 zehn ] Die Formulierung ’zehn Namen in eurer Sprache’ ist hier aufgrund der Doppelbedeutung von aksl. jazyk als ’Sprache’ und ’Volk’ auf die Namen der zehn aufgrund ihres Götzendienstes verloren gegangenen Stämme Israels - Jer 3:11 - zu beziehen, die man sich im Mittelalter als am Rande des bewohnten Erdkreises siedelnd dachte (Wichelhaus, 1851). Kyrill gibt also den Vorwurf der Götzenverehrung ziemlich scharf an die jüdische Gemeinschaft zurück. Dies passt auch zum abschließenden Bibelzitat in X:88.
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bild eines Zeltes, welches auf dem Berg Moses hinunterbrachte, oder das Bild eines Bildes, und fertigte er mit (Hilfe der) Kunst ein ähnlich seiendes Bild, ein mit Nägeln und Fellen und Tierhaaren und Cherubimen ausgestattetes? 85. Und weil er dies so verfertigte, sprach er deshalb Gebete zum Holz und erweist ihr Ehre mit Tierhaut und Tierhaar und verbeugt euch, aber nicht vor Gott, der zu jener Zeit ein solches Bild gegeben hat? 86. Dasselbe auch bezüglich des Tempels Salomons, weil er Urbilder von Cherubimen und Engeln und Abbilder vieler Anderer hatte. 87. So stellen nun nämlich auch wir Christen gottwohlgefällige Bilder her und erweisen ihnen Ehre,
168 Moses ] Ex 25:8; die Übersetzung hält sich gegen CH an die Majoritätslesart; siehe Komm. zum Aksl. 168–169 Bild eines Bildes ] Im hebr. steht ta̵̵ḇnîṯ ”Modell” (Bertholet, 1922, 1923, 1: 134), in LXX ”pattern of the tent” (Pietersma/Wright, 2007, 68) = το παράδειγμα (zu dem Begriff siehe auch X:75) της σκηνής. In V:18 verwendet der Autor von VC bereits das askl. Wort ’obraz’ in der Bedeutung ’Urbild’, welche Bedeutung auch hier anzusetzen ist. Kyrill stellt die Alternative zwischen christlich-platonischer Bilderlehre (’Urbild eines Zeltes’) und gnostisch-plotinischer Bilderlehre (’Bild eines Bildes’) auf. Bei letzterem geht es nicht um die Kopie eines Bildes, sondern um einen Passus aus Plotins Enneade 1,2, wo es heisst: ”Denn unsere Ähnlichkeit muß zu den Göttern, nicht zum Guten aufschauen. Uns nach guten Menschen zu modellieren ist, ein Bild eines Bildes zu produzieren: wir haben unseren Blick über das Bild zu erheben und Ähnlichkeit zum höchsten Exemplar zu erlangen” (dt. und gr. [εἰκὼν εἰκόνι] bei Lütge (2010, 57)), wobei Schmidt (1901, 41) besonders die gnostische Verwertbarkeit dieser Anschauung hervorhebt, indem nämlich die physikalische Welt also nie das Abbild des Urbildes sein kann, sondern nur das Bild von anderen (vielleicht besseren) Bildern, die ihrerseits aber alle vom bösen Weltenschöpfer, dem Demiurg, verunstaltet sind. Allein das intelligible Reich der Ideen, das nur dem Eingeweihten zugänglich ist, stammt von dem guten Weltenschöpfer. Man muss den Bezug zur dualistischen Gnosis hören, um erstens zu verstehen, warum Kyrill diese Position natürlich ablehnt (vgl. zur Selbstvergottungsthematik auch IV:7) und warum seine Antwort anschließend die physikalische Einkleidung (die hylē im Sinne der Gnostik) des ’körperlichen Ähnlichkeitsbildes’ im Gegensatz zum ’geistigen Abbild eines Urbildes’ so sehr betont. Die Identifikation des jüdischen Standpunktes mit gnostisch-plotinischen Lehren deutet darauf hin, dass Kyrill mit Vertretern des hellenistischen Judentums disputiert, dessen Hauptrepräsentant Philo ist (siehe auch IX:11). Dass Kyrill in einem Bilderdisput weder die orthodoxe Lehre wie gegen die Ikonoklasten (X:IV), noch die theologische Gemeinsamkeit mit den Juden über Gen 1:27 (Erschaffung des Menschen zum Bilde Gottes) sucht und auch nicht gelegentliche Bildherstellung im AT (Num 21:9) anzielt, spricht für eine kontextsensible, nämlich an judaistische Adressaten gerichtete Argumentation und damit für die historische Echtheit des Diskurses. - Plotin erscheint nochmals in XI:1. 170 Cherubimen ] Die Materialien der Aufzählung sind zu vergleichen mit Ex 25:3-21. 175 erweisen ihnen ] Das aksl. Wort für ’machen’ nimmt als erstes Objekt ’Urbild’ und als zweites Objekt ’Ehre’ an in der idiomatischen Wendung ’Ehre erweisen’, im Dt. aber werden zwei Verben benötigt.
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das Gute abscheidend von den dämonischen Bildern. 88. Auch die Bücher nämlich schmähen jene, die ihre Söhne und Töchter fressen.” 89. Sagten nun die Juden: ”Weshalb widersetzt ihr Euch nicht Gott, wenn ihr Schwein und Hasen eßt?” 90. Antwortete er ihnen: ”Weil im ersten Bund verkündet wurde ’alles eßt, wie auch das grüne Kraut’, ’sind freilich alle Dinge dem Reinen rein, aber den Unreinen ist das Gewissen unrein geworden.’ 91. Und Gott spricht nämlich in der Genesis: ’siehe, alle [Dinge] sind sehr gut.’ 92. Um eurer Gier willen hat er ein weniges von diesen [Dingen] ausgenommen. 93. ’Es schlang’, so sprach er, ’Jakob und sättigte sich und der Geliebte wandte sich ab.’ 94. Und wiederum: ’Es setzten sich die Menschen um zu essen und zu trinken, und sie standen auf um zu spielen.”’ 95. Nachdem wir nun das aus vielem gekürzt haben, legten wir dieses in wenigem nieder um der Erinnerung willen. 96. Aber wer jeden vollständigen dieser tatsächlich geführten Dispute suchen will, findet sie in seinen Büchern, welche unser Lehrer, der
176 abscheidend ] Vgl. das Wortspiel ab-scheiden = ot-děliti zu X:82 unter-scheiden = raz-děliti. 176 dämonischen ] Den Unterschied christlicher zu ’dämonischer’ Bilderverehrung thematisiert Tertullian (PL, 1: 669). 176 Bücher ] Lev 26:29, wenn ’Bücher’ auf ’Thora’ zu beschränken sind, besser Jer 5:17 und ausführlich mit Bezug auf Idolatrie 19:4-9: ”darum daß sie mich verlassen und diese Stätte einem fremden Gott gegeben haben … Ich will sie lassen ihrer Söhne und Töchter Fleisch fressen”. Sachfremd der den aksl. Text wesentlich erweiternde Bezug zu Opferhandlungen bei Bujnoch (1972, 85), vielmehr ist an Tertullian (PL, 1: 663) zu denken, der Götzenverehrung zum ”prinicipale crimen generis humani” (so die ersten Worte seines Traktates) erklärt und anschließend fortfährt ”idololatres, idem homicida est” - ein Götzenverehrer ist dasselbe wie ein Mörder. 178–179 Schwein und Hasen ] Siehe das Verbot in Lev 11:5. 179 ersten ] Beachte, dass hier von einem ’Bund’ mit Adam als ’erstem’ in der Reihe der Bundesschlüsse Gottes (aksl. завѣтъ) mit den Menschen die Rede ist, der in X:11 aber noch Gottes Gebot (aksl. заповѣдание) an Adam genannt und noch nicht in der Reihe der Bundesschlüsse gezählt wurde. Nicht nur aufgrund der plötzlich stark elliptischen Berichterstattung seit X:75, die nach umfangreicher Kontextualisierung aus der patristischen Literatur verlangt, sondern auch aufgrund einer Häufung sprachlicher Schwierigkeiten im Aksl. scheint hier eine zweite Autorenhand aufzutauchen. 179 Bund ] Gen 9:3 180 sind freilich alle Dinge dem Reinen rein ] Inklusive der Partikel, die für die byzantinische Textüberlieferung typisch ist, eine wrtl. Übersetzung von Tit 1:15 Πάντα μὲν καθαρὰ τοῖς καθαροῖς, danach geht der Satz eng an dem Bibelvers weiter. 182 Genesis ] Gen 1:31 183 sprach ] Deut 32:15 184 wiederum ] Ex 32:6; das Argument lautet: Weil Gottes Volk ihm in Zeiten des Überflusses immer wieder untreu geworden sei, habe Gott zur Erinnerung an die Zeiten der Not, da er seinem Volk half, Speisegesetze erlassen. In eben diesem Sinne, dass nämlich das Schicksal der Juden mit ihren von Gott auferlegten Züchtigungen und Gesetzen ein warnendes Beispiel für den Christen sein solle, verwendet auch Paulus Ex 32:6 in 1Kor 10:7. 187–188 tatsächlich geführten ] Folgt den Lesarten, CH hat ’heilige’; zur Übersetzung des Gen.part. vgl. Kommentar zum Aksl.
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Erzbischof Method vorlegte, sie in acht Abschnitte unterteilend; und dort ersieht er die Kraft des Wortes, die von der Gnade Gottes [ist] wie eine brennende Flamme gegen die Widersacher. 97. So nun, nachdem der chasarische Kagan und die führenden Männer seine süßen und angenehmen Worte gehört hatten, sprachen sie zu ihm 98. ’Du bist von Gott hierher geschickt zu unserer Erbauung und bist alle Bücher von ihm gelehrt, alles hast Du nach der Ordnung gesprochen, bis zum Überfluss hast du uns alle ergötzt durch die Honigworte der heiligen Bücher. 99. Wenn wir auch ungelehrte Scholaren sind, glauben wir doch dies, dass Du von Gott bist. 100. Wenn du darüber hinaus unseren Seelen Ruhe bereiten willst, erzähle uns alles von Anfang an in Gleichnissen gemäß der Ordnung, was wir dich fragen.” 101. So also gingen sie auseinander, um zu ruhen.
189 Erzbischof ] Eine Lesart nennt klar den ’Bruder Konstantin des Philosophen’. Die Titulierung Methods als ’Erzbischof’ ist möglich, dessen Bischofswürde ein Brief von Papst Hadrian II. aus dem Jahre 869 (vgl. auch S. 92), also vor der Abfassungszeit von VC bestätigt. Zum Zeitpunkt des Berichteten allerdings war Method noch kein Bischof. Seine Titulierung als Bischof setzt eine Autorperspektive voraus, die nicht streng in der Perspektive des Berichteten bleibt (siehe XIV:10, aber auch XII:24) und in VC kaum anzutreffen ist. ’Erzbischof’ mag deshalb ein sekundärer, aber in alle überlieferten Hss eingedrungener Zusatz sein. - Bischöfe besitzen (Wal, 1998, 3) das ”ius actorum conficiendorum”, können also öffentliche Urkunden - um die es hier im Kontakt zwischen zwei Regierungen geht - beglaubigen, während privatrechtlich Aufzeichnungen, die nicht bei einem Notar niedergelegt sind, auch von Zeugen beglaubigt werden müssen. 189 acht ] Exklusiv einer eher methodischen Einleitung zähle ich sieben angesprochene Themenbereiche am ersten Disputationstag (vgl. S. 107). Unbeschadet subjektiv-interpretatorischer Entscheidungen entspricht die Mengenangabe ”acht Kapitel” jedenfalls nachvollziehbar dem Umfang der Themenbereiche, die in VC am ersten Disputationstag behandelt werden und die Zahl ”acht” muß also nicht mit Symbolgehalt belastet werden. 190 brennende Flamme ] Hebr 10:27 192 So ] Der Satzanfang bis zu inkl. ’und die’ fehlt in CH und muss aus anderen Hss ergänzt werden. 195 Überfluss ] siehe X:67 196 Honigworte ] Spr 16:24; Berger (2011, 71-76) bringt Beispiele für den christlichen, auf die Eucharistie bezogenen Assoziationsraum von ’Honig’, den zwar die jüdischen Sprecher kaum anzielen, es sei denn ironisch, aber der christlichen Lesern der Zeit geläufig gewesen sein könnte. 196 ungelehrte Scholaren ] ’ungelehrt’ = wrtl. ’buchunkundig’; vgl. zu ’Scholar’ VI:14, hier als - sicher mehr oder weniger ironische - Bescheidenheitsfloskel verwendet. 198 von Anfang an ] hypothetische Lesart, vgl. Kommentar zum Aksl. 199 ruhen ] Vgl. IX:35: der für eine erste Disputation bestimmte Tag ist verstrichen, Kapitel X enthält das Referat der gewechselten Argumente.
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XI 1. Сьбрав’ше же се въ дрѹгы дьнь рекоше ѥмѹ, глаголюще: ”скажи намь, чьстныи мѹжꙋ прит’чами и ѹмомь вѣрꙋ, ꙗже ѥсть лѹчь въсѣхь.” 2.
1 ѥмѹ ] 5: емѹ пакы 1 скажи ] 1: покажи. Das Verb скажити in der Bedeutung ’etwas erklären’ wie gr. διασαφεῖν (CVB, 651), Bauer (1988, 377)) wird mit direktem Akk-Objekt konstruiert (etwa Mt 13:36), während die Bedeutung ’sagen’ eher nach einem Objektsatz verlangt. Weil der Satz später mit вѣрѹ ein Akk.-Objekt aufweist, hat wahrscheinlich deshalb ein Abschreiber das besser mit einem Akk. verträgliche Verb ’zeigen’ eingesetzt. 2 мѹжꙋ ] Vokativ der u-Stämme. 2 вѣрꙋ ] 5: и вѣрою, 1: вѣрꙋꙗ 2 ꙗже ] 7: ꙗкоже, 2: ꙗкаже; die Lesart ꙗкоже ist sicher sekundär, benötigt wird Kongruenz mit fem. вѣра, die üblicherweise vom anaphorischen Pron, hier ꙗже, übernommen wird, Fragepronomen ꙗка ist auch akzeptabel. 2 ѥсть ] 2: om. 2 лѹчь ] Reliqui: лѹчьши, лѹчьшїи, лѹчьша. Weil лучьше sicher zu den Adverbia auf -e (Aitzetmüller, 1991, 144) gehört, liegt in allen Lesarten Komparativ des Adjektivs vor. Für лѹчьши (NomSgfem der Komparation) kann Genuskongruenz mit вѣра behauptet werden, so dass es heißt (1) ’Zeige uns den Glauben, der ein besserer ist als andere Glauben’. Die Formen лѹчьшїи (wenn nicht Verschreibung aus NomSgfem, dann bestimmte Form) und лѹчьша sind als NomPlneutr erklärbar, allerdings dann darauf angewiesen, vorangehendes ꙗже als AkkPlneutr zu lesen: (2) ’Zeige uns (im Glauben, glaubend), was (ꙗже) ist (ѥсть) die besseren als alle.’ Die Auffassung von ꙗже als AkkPlneutr mag die Umformung des nun nicht mehr kongruierenden AkkSgfem вѣрꙋ in seine Lesarten (Instrumental bzw. Partizip) motiviert haben, aber weder (1) noch (2) können ganz befriedigen. Bei Lesart (2) stört klar die singularische Kopula, und bei (1) und (2) stört das zu ergänzende pluralische Bezugswort, so dass (2) zu einem inhaltsleeren ’welche Sachen die bessern sind [ist!] als alle (anderen) Sachen’ gerät, während bei (1) der Plural von ’Glaube’ irritiert, welcher die Bedeutung des Nomens vom Akt zum formalen Objekt verschiebt. Nimmt man ’Glaube’ im Sinne von ’Glaubenslehre’ (Bauer (1988, 1335): ”Objektivierung des πίστιϛ-Begriffs”, im NT ungewöhnlich) erhält man aber akzeptables ’zeige uns die Glaubenslehre, die eine bessere ist als alle [anderen]’. So wird gewöhnlich übersetzt: какая вера лучше всех других (Tachiaos (2005, 281) mit Aufnahme des Fragepronomens) und ”víru, která ze všech nejlepší” (MMFH, 2: 91) mit Berücksichtigung der adjektivalen Bildung). Nimmt man diese Übersetzungen an, muß die in CH bezeugte Lesart als verdorben gelten. - Wenn man sich fragt, warum die Lesarten zustandekommen, lohnt dennoch ein Blick auf das in CH dokumentierte лѹчь. Geht es in der Frage der Juden um ’Licht’? In SJS, 139) und CVB, 311) wird das ja-stämmige Nomen луча parallel zu gr. ἀκτίϛ ’Strahl (der Sonne)’ verzeichnet, unter Akzeptanz der überall in CH herrschenden serbischen Orthographie (siehe S. 39) könnte лѹчь ohnehin als луча gelesen werden. Zusätzlich belegt sind aber auch in vielen slav. Sprachen луч (Vasmer, 1986-1987, 537) sowie aruss. und russ.-ksl. луч mit Rekonstruktion ursprünglichen i-Stammes urslav. *lučь (ESSJa, 16: 163f.). Liest man einen Satz mit Prädikatsnomen (3) ’Glaube, der der Lichtstrahl aller ist’, besteht erstens kein Problem mehr mit zu ergänzenden pluralischen Bezugsworten und zweitens liefert das ungewöhnliche Nomen луч auch einen Grund für die hier in XI:1 und in XI:8 entstandenen Lesarten. Zur inhaltlichen Möglichkeit von ”Lichtstrahl” siehe Komm. zur dt. Übersetzung.
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ѡтвѣща къ нимь философь: ”мальжена два бѣста ѹ цара нѣкоѥго въ чьсти велицѣ любима ѕѣло. 3. съгрѣшьшема же има изгнавь ꙗ ѡть землѥ ѡтсла. 4. жив’шема же мнѡга лѣта тамо, дѣти сътвориста въ нищетѣ. 5. събирающе же дѣти къ себѣ съвѣть творахꙋ, кымь се бы пѹтемь пакы въмѣстили въ пръвыи чинь. 6. ѡв’ же ихь сице, а дрꙋгы инако, а дрѹгы дрѹго ꙗко съвѣть
3 нѣкоѥго ] 6: етера, 5: единаго, 1: никоего 4 ѡть землѥ ] 4: изъ землѧ, 1: по земли 4 ѡтсла ] 13: посла; verfolgt entweder über vorangehendes ”sündigen” das Konzept der Vertreibung aus dem Paradies mit den Lesarten ’von (ѡть, изъ) der Erde … wegschicken’ (wobei Erde dann als ’ideale’ Erde = Paradies’ metaphorisch genommen werden muß), oder es liegt der nach der Vertreibung erfolgte Vermehrungsauftrag zugrunde (etwa Gen 9:1) mit der Lesart ”über (по) die Erde … schickte”. Den beim Präfix (ot-/ po-) schwankenden Lesarten des Verbs steht ein Mal Kongruenz mit der Präpositional (po zemli … po-sla) gegenüber. 5 жив’шема ] 14: живѹщима/ живѹщема 5 же ] 9 add.: има, 1 add.: имъ; in CH ein eingliedriger tautoagentivischer DatAbs. 5 сътвориста ] Gräzismus: die übertragene Bedeutung von gr. γεννάω ’zeugen, gebären’ ist ’hervorbringen’ Bauer (1988, 311); nach gr. Vorbild nimmt aksl. ’hervorbringen’ daher zuweilen die Bedeutung ’gebären’ an CVB, 670), vgl. XI:19. 5–6 събирающе ] 5: собирающа; der Dual, welcher ’versammeln’ auf die beiden Frauen als Subjekt bezieht, tritt nur bei jenen Hss auf, bei welchen - siehe nächste Lesart - das Reflexivpronomen ausfällt. Im Gr. könnte hier das Verb ἐκκλησιάζω ’zusammenrufen, versammeln’ (Bauer, 1988, 486) stehen und es geht inhaltlich auch um die Allegorien von Glaubensgemeinschaften. 6 же ] 12 add.: сѧ; die Reflexivpartikel macht aus ’die beiden Frauen versammeln die Kinder zu sich’ den Satz ’die Kinder versammeln sich unter sich’ wie ”děti se navzájem scházeli” (MMFH, 2: 91). 6 къ себѣ ] Sind ’Kinder’ das Subjekt eines reflexiven ’sich versammeln’, ist die lokativische Angabe hier eigentlich redundant. 6 творахꙋ ] 1: дѣюще; zur Phonetik von творахꙋ siehe S. 44, zum Schwanken творити/ дѣꙗти hier und im nächsten Satz siehe S. 19. 6 бы пѹтемь ] 5: въ пꙋтъ; die Lesart mißversteht das Fragepronomen кымь als DatPl, als ob (inhaltlich sinnloser) DcI vorläge: ’welchen (erg. Kindern) sich zu begeben (ist) auf den Weg zum früheren Status’; alle Hss mit въ пꙋтъ haben aber auch - siehe nächste Lesart - Infinitiv statt l-Partizip. Die Konstruktion mit Infinitiv бы въмѣстити се ’(wie) sich zu begeben sei’ ist vielleicht ursprünglicher als бы въмѣстили се ’(wie) sie sich begeben würden’, denn eine personale Konstruktion sollte entsprechend (бѫ, бишѧ) konjugiert werden (Aitzetmüller, 1991, 197). 6 въмѣстили ] 15: въмѣстити; zur Konstruktion vgl. Komm. zu aksl. IX:28. 7 сице ] add.: глагола (MMFH, 2: 91); die Ergänzung eines Verbs ist überflüssig, wenn man am Satzende съвѣтъ дѣти/ дѣꙗти liest (s.u.). 7 инако ] 4: онако 7 дрѹго ꙗко ] Grivec/Tomšič (1960, 122): дрѹгрꙗко (?), MMFH, 2: 91) дрѹгоꙗко cum annotatione ”sic reliqui cod.; 1: дрѹгъ ꙗко.” Der Сатз дрѹго ꙗко съвѣть дѣти/ дѣꙗти mit dem darin gegebenen finiten Verb ’anderes als einen (zu einem) Rat machen’ entspricht gr. συμβουλίαν ποιεῖσθαι (Bauer, 1988, 1552).
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дѣюще; которомꙋ ѹбо достоить съвѣтꙋ стоꙗти? не добрѣишомꙋ ли?” 7. рекоше же они: ”чесо ради сице глаголѥши? свои бо съвѣть къждо добрѣишїи творить. 8. Срацины такожде и инїи инь. 9. скажи же, кои разѹмь имь добрѣи ѡть сихь.” 10. рече же философь: ”ѡгнь искѹшаѥть злать и сребро, а чловѣкь ѹмомь ѡтсѣкаѥть льжꙋ ѡть истины. 11. рьцѣте же ми: ѡть чесого бысть пръвоѥ ѡтпаденїе? не ѡть видѣнїа ли и плода слад’каго и похотѣнїа на божьство?” 12. они же реше: ”тако ѥсть.” 13. философ’ же рече: ”то аще бѹдеть комꙋ пакость медь ꙗдѹ ѹ или стѹденѹ водꙋ пив’шꙋ, пришьдь врачь глаголѥть ѥмꙋ: ’ѥще мнѡгь медь ꙗдь исцѣлѣи.’ 14. а иже бѹдеть водꙋ пиль: ’стѹдени се воды напивь нагь на мражѣ ставь исцѣлѣѥши.’ 15. дрѹгы же врачь не тако глаголѥть, нъ противно врачев’ство заповѣдаѥть, въ меда мѣсто гор’коѥ пиюще постисе, а въ стѹденаго мѣсто топлоѥ и гореще. 16. которыи 8 дѣюще ] 8: дѣꙗше, 4: дѣꙗхѹ, 3: даѧше, 2: твореще 8 достоить ] 5: подобаеть 8 стоꙗти ] 4: быти; Gräzismus, vgl. Apg 27:12 οἱ πλείους ἔθεντο βουλὴν = wrtl. ’die meisten setzten/ stellten einen Willen” = ”die meisten kamen zur Entscheidung”. Daher: ’einen Rat stellen’ = ’einen Rat annehmen’. Gr. τίθημι (Bauer, 1988, 1627) ist in CVB, 626) nicht unter den gr. Entsprechungen für стоꙗти geführt. 8 добрѣишомꙋ ] Gräzismus: Komparativ als Superlativ, vgl. Komm. zu aksl. VI:57. 9 чесо ] 14: что; der ganze Fragesatz wie schon X:8. 9 добрѣишїи ] 6: добрѣи, 5: доброе, 4: добрѣе 10 творить ] 15 add.: иного 10 Срацины такожде ] Am Satzanfang 5: Іѹдеи же свои добрѣи творѧть иного, 5: Жидове бо свои добрѣи творѧть, 4: Іѹдеи бо свои добрѣи творѧть, 12 om. срацини такожде, 4 add. и вы такожде 10 кои ] 10: кимъ, 4: которыи 10 разѹмь ] 11: разѹмѣемь, 3: да разѹмѣемь, 2: разꙋмь ѥст, 1: разѹмѣимь 10–11 добрѣи ] 3: добрѣе, 1: добрѣишїи, 1: добрѣиши 11 ѡть сихь ] 5: всѣхъ 12 злать ] Omnes cod.: злато 13 чесого ] 15: чего 14 ѡтпаденїе ] 3: паденїе, 1: надѣꙗние 14 видѣнїа ] 6: вѣдѣнїѧ; 6 Hss denken abstrakt an den ’Baum der Erkenntnis’ (Gen 2:17), während seine Frucht vielmehr als ”Lust für die Augen” (Gen 3:6) verlockte, was für ’Anschauen’ (виденїа) als ursprüngliche Lesart spricht. 14 и ] Konjunktion ist überflüssig 14 похотѣнїа ] 15: похоти 16 пакость ] KO, 3: 115): 2 om. 16 ꙗдѹ ] Reliqui cod.: ꙗдъшѹ, 1: ꙗсти 16 ѹ ] In den anderen Editionen nicht bezeugt; vielleicht Druckfehler in ed. Grivec/ Tomšič. 16 водꙋ пив’шꙋ ] 2: въ дѹши, 1: вдꙋвши, 1: вдꙋти; die Lesarten sind verdorben, siehe die Quelle im dt. Kommentar. 17 ѥще ] 6: аще 17 ꙗдь ] KO, 3: 101) add.: и 17 исцѣлѣи ] 5: ицѣлѣеши oder исцѣлѣеши, 1: исцѣлѣ; die Majoritätslesart ist vorzuziehen, siehe das letzte Wort im nächsten Satz. 17 пиль ] 15 add.: томѹ глаголеть; Futur II im Bedingungsgefüge, wie noch Aruss. (Andersen, 2006). 18 мражѣ ] ’Frost’, auch ’Eis’, SJS, 232), (CVB, 333), wegen der Präposition ist eher an konkretes Stehen auf dem Eis gedacht. 18 исцѣлѣѥши ] 5: истлѣеша, 1: ѹмри 19 врачев’ство ] 9: врачьство, 5: бальство, 1: балства; Die Lesarten mit /b-/ (s.a. XI:17) lassen ursprüngliches противнѫ врачьбѫ (CVB, 123) vermuten. 20 постисе ] 9: поститисѧ, 5: противитисѧ, 1: простити сѧ; Imperativ пости сѧ ’faste’ passt syntaktisch, als ob nach заповѣдаѥть direkte Rede begönne, ist aber stilistisch ungewöhnlich, denn in VC, wenn ich recht sehe, setzt nirgends direkte Rede unvermittelt ohne verbum dicendi ein. Die Lesart mit Infinitiven, die keines Einleitungssatzes bedürfen, ist vorzuziehen, umso mehr, als dies auch dem elliptischen Satzbau gerecht wird und die Rekonstruktion des fehlenden Verbs in der zweiten Satzhälfe erlaubt. 20 топлоѥ ] 15: теплое, 1: теплымъ 20 гореще ] 11: грѣющесѧ, 3: грѣющисѧ, 2: горещее; alle Lesarten einschl. CH sind Partizipien und lassen die zweite Satzhälfte ohne Verb. Offenbar gehen alle Bildungen auf грѣть сѧ ’sich erwärmen’ zurück, belegt im Infinitiv ist nur грѣꙗти сѧ (SJS, 444), vgl. aber Partizip грѣѧ, und nicht грѣꙗѧ (CVB, 180).
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ѹбо ѡть обою хытрѣѥ врачюѥть?” 17. ѡтвещаше в’си: ”иже противнаа врачьствꙋ заповѣдаѥть. 18. горестїю бо житїа сего похотноѥ сласти достоить ѹмрьтвити и смѣренїемь грьдость, против’ными противнаа врачюще. 19. а мы бо глаголѥмь, ꙗко дрѣво, иже прьвѣѥ трьнь сътворить, то послѣди слад’кь плод’ приплодить.” 20. Христовь бо законь остротою ꙗвлꙗѥть божїа житїа, по том’ же въ вѣчныхь жилищахь стократицею плодь приносить.”
21 хытрѣѥ ] Zum Gebrauch des Komparativs siehe VI:57, der hier aber tatsächlich komparativisch verwendet wird, denn eine elativische Bedeutung wäre doch sehr gesucht. 21 врачюѥть ] 5: ѹврачѹетъ 21–22 врачьствꙋ ] 6: бальства, 5: врачьвьства, 4: врачества, 3: врачевьствꙋ; vgl. XI:15; die Lesarten schwanken in Kongruenz mit dem Adjektiv zwischen AkkPl ’gegensätzliche Heilmittel’ und DatSg ’Gegensätzliches zu dem Heilmittel’. Wieder scheint eine Schwierigkeit mit врачьба wie zwei Sätze zuvor vorzuliegen. Keine Lesart deutet auf ein im galenischen Sinne mögliches ’Gegensätzliches zu der Krankheit’. 22 заповѣдаѥть ] 1: заповѣда 22 похотноѥ ] 15: похотнѹю 22 сласти ] 11: сладость, 4: сласть 23 смѣренїемь ] 16: смирениемъ 23 грьдость ] 4: горести, 1: горесть 23 врачюще ] Reliqui cod.: врачююще 24 сътворить ] vgl. XI:4 24 послѣди ] 5: послѣдь, 2: напослѣдькь 25 приплодить ] 6: приносить 25 Христовь ] Add. in initio 16: Пакы же отвѣща философъ: ”Добрѣ, 10 add.: рекосте, 6 add.: рѣсте; wie oben XI:15 bemerkt, wird in VC Sprecherwechsel mit einem Redeeinleitungssatz markiert, der in CH wohl versehentlich fehlt. 25 остротою ] 10: остротѹ; Liest man mit den Lesarten Akk., sind alle Kasusrollen besetzt und die Übersetzung ergibt ’Gesetz[Nom] offenbart Schärfe[Akk] gottgefälligen Lebens[Gen]’. Nimmt man Instr an wie in CH, muss ’Gnade’ (siehe nächste Lesart) als neuer Akk. angenommen werden. 25 ꙗвлꙗѥть ] 1: ꙗвлꙗетсꙗ благодать; die Lesart mit reflexivem Verb vermeidet den Gräzismus eines transitiven ꙗвити, vgl. IX:32 26 же ] 5: животъ
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21. Единь же ѡть нихь сраꙋ̈н’скѹ злобꙋ добрѣ вѣдыи, въпросїи философа:
27 нихь ] 15: совѣтникъ, endungsloser GenPl der o-Stämme. 27 сраꙋ̈н’скѹ ] 3: срациньскыи; die Lesart geht darauf zurück, dass einige Abschreiber das Adj nicht auf злоба, sondern auf совѣтникъ beziehen. Weil ’sarazenische Bosheit’ eine idiomatische Wendung (vgl. dt. Komm. zu VI:57) ist, dürfte der Akk срациньскѹ злобꙋ ursprünglich sein. - (1) Eine erste Erklärung der Entstehung der Lesarten kann annehmen, dass zuerst das Nomen ’Ratgeber’ совѣтникъ als Ersatz für das Pronomen нихь in den Text geriet, worauf dann die Umdeutung des Adjs erfolgte (’einer der Ratgeber, die sarazenische Bosheit kennend’ > einer der sarazenischen Ratgeber, die Bosheit kennend’). Die Erklärung setzt allerdings Fortfall eines supalinearen /х/ beim Adjektiv voraus, denn nur ein ursprünglicher adjektivischer GenPl würde mit dem als GenPl analysierbaren Nomen совѣтникъ kongruieren. Keine der Lesarten hat ein GenPl anzeigendes supralineares /x/ bewahrt. - (2) Eine andere Möglichkeit wäre, dass ’Ratgeber’ zunächst appositiv eingefügt wurde (’einer von ihnen, ein Ratgeber, die sarazenische Bosheit kennend…’), und drei Hss das Adjektiv dann im Nominativ zum Nomen zogen (’einer von ihnen, ein sarazenischer Ratgeber, die Bosheit kennend’). Immerhin haben die 12 Hss mit совѣтникъ den bei der Appositionserklärung anzunehmenden Zwischenschritt (’Ratgeber, die sarazenische Bosheit kennend’ = совѣтникъ срацинськѹ злобꙋ вѣдыи) bewahrt. - (3) Eine Erklärung, die im Gegenteil annimmt, dass vielmehr die Lesart mit Nomen ursprünglich dastand ’einer der Ratgeber, die sarazenische Bosheit kennend’ und das Pronomen нихь sekundär als Ersatz für das Nomen eingetreten sei (wie in CH), steht vor der Schwierigkeit, dass die Ersetzung des Pronomens (’einer aus der Menge’) durch ein Nomen (’einer von den Ratgebern’) inhaltlich schwer zu rechtfertigen ist, denn der mit der Wendung eingeführte Sprecher ist ganz sicher Moslem, der später (XI:30) vom ’ersten Ratgeber’ (also dem Diskussionsleiter) als einer der ’muslimischen Freunde’ angeredet wird. Es ist schwer glaubhaft, dass der Kagan neben jüdischen auch muslimische Ratgeber gehabt hätte, denn erstens wären diese wohl am ersten Disputationstag gleichberechtigt mit ihren jüdischen Kollegen aufgetreten oder hätten am zweiten Disputationstag mehr Sprecherzeit bekommen, aber das ist nicht der Fall. Der Vertreter des Islam wird vielmehr niedergebrüllt (XI:28) und seine Lehre wird auf die andere Seite des Grenzflusses verwiesen (XI:30). Die chasarische Bitte um diplomatischen Kontakt (VIII:1) ist auch nur vor dem Hintergrund des sich militärisch ausbreitenden Islam verständlich. Da der Fortgang der Diskussion zeigen wird, dass religiöse Toleranz an der Frage endet, welche Religion zur öffentlichen Symbolik gehören darf, ist war nicht ausgeschlossen, dass es dennoch Moslems in chasarischem Dienst gab, die ihre Religion eben nur privat ausüben durften, aber die Wahrscheinlichkeit spricht gegen die Lesart, als ob der Vertreter des Islam ein совѣтникъ gewesen wäre. Diese Überlegung betrifft aber nicht nur im speziellen die These eines ursprünglichen совѣтникъ (= 3), sondern genauso die Appositionserklärung (= 2). Letztere ist zwar an den Hss belegbar (siehe etwa: ’jeden z ních, rádce, který dobře znal…’; MMFH, 2: 92)), aber erscheint aufgrund inhaltlicher als sekundär. - Betrachtet man im folgenden die Sprechermarkierung mittels adjektivischen Ethnonymen wie die sich klar widersprechenden Lesarten zu XI:30 oder das ohne Lesarten berichtete, aber widersinnige Ethnonym in XI:39, müssen wir offenbar damit rechnen, dass Ressentiments der Abschreiber, die sowohl antiislamisch, also auch antisemitisch sein können, die Sprechermarkierungen leiten können. Die Entscheidung lautet hier wie überall, dass wir nicht ein Dokument, sondern einen Text lesen und mögliche Überlieferungszufälle zumindest nicht unkommentiert in die Übersetzung geraten dürfen.
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”р’ци ми, гости, како вы и Махмета не дрьжите? 22. тъ бо ѥсть вел’ми Христа похвалиль въ своихь книгахь, глаголѥ, ꙗко ѡть дѣвы се ѥсть родиль, сестры Моӱсеови, пророкь великь и мрьтвыѥ въскрѣшаль и въсакыѥ ѥзы исцѣлиль силою велїею.” 23 отвеща же философь къ нѥмꙋ: ”да сѹдит на кагань. 24. глаголи же, аще ѥсть пророкь Махметь, како имемь Данїилѹ вѣрꙋ? 25. он’ бо рече: ’До Христа въсако видѣнїе пророчьства прѣстанеть.’ 26. ть же по Христѣ ꙗвль се, како можеть пророкь быти? 27. аще бо того пророка наречемь, то Данїила ѡтврьжемь.” 28. рекоше же мнѡзїи ѡть нихь: ”Данїил’ же ѥсть глаголаль, = ’durch den Hl. Geist sprechen’, hier also die gr. Konstruktion echt aksl. gewendet.божїимь дѹхомь ѥсть глаголаль. 29. Махмет’ же в’си вѣмы, ꙗко льжь ѥсть и пагꙋб’никь спасенїѹ въсѣхь, иже ѥсть добрѣишеѥ бледи своѥ на злобꙋ и стꙋдодѣꙗнїе изблель.” 30. рече же пръвыи съвѣт’никъ ѡть нихь къ прӥꙗтелѥмь срацинь-
27 добрѣ ] 10: всю 28 вы и ] MMFH, 2: 92) und KO, 3: 102) haben: вы, ed. Grivec/ Tomšič schreiben быи; m. E. ist getrennt вы и ”ihr auch” zu lesen. 28 дрьжите ] Gräzismus ’sich halten an’, vgl. V:6. 30 великь ] 15: велїи 30 и ] 2: иже и 30 въсакыѥ ѥзы ] 15: всѧкѹ ꙗзю 31 на ] 14: насъ, 2: ны, 1: наю, 1: намъ 31 кагань ] 1: кнѧзь 32 имемь ] Aksl. unterscheidet zwischen inchoativem verǫ jęti, imperfektiv-durativem verǫ imati, perfektiv-durativem = resultativem verǫ iměti und dem Simplex věrovati. 33 До ] ’Bis’ zu Christus ist unsinnig und widerspricht übrigens dem Augenschein, denn das AT ist voller prophetischer Bücher (aber ’usque ad Christum” bei Grivec/Tomšič (1960, 195)); gemeint ist vielmehr ’ab’ Christus wird es keine Prophetie mehr geben, da in Christus Gott selbst gesprochen hat. Da das aksl. до auf keine Weise ”ab” im zeitlichen Sinne heißt, liegt sicher ein Gräzismus vor: gr. ἐπί kann von aksl. до übersetzt werden (CVB, 190), hat darüber hinaus auch kausale Bedeutung ”auf Grund von” (Bauer, 1988, 580). Vgl. auch die Verwendung des Zitates in X:46. 33 въсако видѣнїе ] 4: всѧ видѣнїѧ 33 пророчьства ] 15: и пророчество; die Lesart ist wegen Dan 9:24 sicher vorzuziehen. Die gereihten Substantive verlangen grammatikalisch Pl beim Verb, dessen Endung aber nach serb. Entnasalierung - vgl. S. 38 - bei ostslav. Schreibern als Sg gelesen wurde, worauf mit dem adnominalen Gen ’Vision der Prophezeiung’ der Satz ein singularisches Subjekt erhielt. 33 же ] 8: еже, 1: иже; bei Grivec/Tomšič (1960, 125) sind die Lesarten irrtümlich XI:28 zugeordnet, wo sie aber keinen Sinn ergeben. - Was die acht Hs mit еже (= NomSgNeut) betrifft, geben sie vielleicht umgangssprachliche Rede wieder ’der, was’ = ’der, wer’ wie apoln. ”ty, cso widzieliby” (Wydra/Rzepka, 1995, 169). 37–38 божїимь дѹхомь ] vgl. 2Petr 1:12 ὑπὸ Πνεύματος ἁγίου 38 льжь ] лъжь ’lügnerisch’ (CVB, 312), zu den Reduzierten vgl. S. 39; in der Parallele zu пагꙋб’никь substantiviert verwendet. 39 добрѣишеѥ ] Vgl. zum Superlativ VI:57; bei dem Adjektiv ’gut’, das hier offensichtlich ironisch gemeint ist, denkt man an die auch im NT belegte ironische Verwendung von καλῶϛ (Bauer, 1988, 815); zur Entnasalierung der bestimmten Flexion des AkkPl fem/ mask е], aber keine ostslav Lesart [ѧ > я] vorhanden. 31 рибытвы ] 4: om., 3: рыбарѧ 32 изловет ] Vgl. Kommentar zu възвѣстеть im vorigen Satz. 32 бога сътворшаго ] Kann als gr. Genetivus absolutus (Thimme, 1900, 78) aufgelöst werden. 33 глад’кыми ] 15: сладкыми, 2: сладкими, 1: сладкыими 34 ѹглаголавь ] 3: ѹвѣщавъ 34 ихь ] 14: om. 34 съжещи ] 15 add.: е 35 старѣишина ] wrtl. ’Ältester’; SJS, 161f), CVB, 623), nicht als Kollektivsubstantiv auffassbar. Mutmaßliches gr. ἄρχων (< ἀρχαῖοϛ ’alt’) (Bauer, 1988, 227) steht in der Vita des Clemens für ”Fürst”, für welches VC aber кнѧзь (XIV:2) verwendet (Anastasiou, 1971, 4). Das Wort ’Ältester’ führt zum Konzept einer ’Gemeinde’, ’Fürst’ dagegen zum Konzept eines gesellschaftlichen Kollektives. 35 лоб’за ] 5: лобыза, 1: целова, 2 add.: светое 37 искоренити ] 4: ис коренїа, 4: ис корени 37 съжещи ] 8 add.: е, 1 add.: его 38 абиѥ ѡть бога дьждь бысть ] 4: сниде отъ бога дождь, MMFH, 2: 96): дождь бысть отъ бога, 2 add.: и опои землю 39 семь ] 7: всемъ
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XII 1. Nachdem sie an öde wasserlose Orte gelangt waren, konnten sie den Durst nicht ertragen. 2. In der Salzsteppe Wasser gefunden habend, konnten sie davon nicht trinken, es war nämlich wie Galle. 3. Nachdem sich alle zerstreut hatten, um Wasser zu suchen, sagte er zu Method, seinem Bruder: ”Ich ertrage den Durst schon nicht mehr, also koste dieses Wasser bis zur Neige aus. 4. Welcher nämlich früher den Israeliten das bittere Wasser in süßes verwandelte, der wird sicher auch uns einen Tröster verschaffen.” 5. Geschöpft habend fanden sie es süß wie Honigwein und kühl. 6. Und getrunken habend lobten beide Gott, der so an seinen Knechten handelt.
1 öde wasserlose Orte ] Es könnte sich um die früher so genannte ”tereksche Steppe” handeln, ”ein flacher Abhang des Kaukasus vom Terek bis zur Kuma, mit dürrem, salzigem Boden und Salzkräutern” (Brockhaus, 1847, 656). Allerdings finden sich am Nordrand des Kaukasusgebirges des öfteren Salzböden (Radde, 1899, 24); eine neuere Übersicht geben Kostianoy/Zonn/Kostianaia (2016). 4 schon ] Folgt den meisten Lesarten. 5 koste ] Alle anderen Übersetzungen haben ’schöpfe dieses Wasser’ und können also nur eine ’Episode mit Zügen des Wunderbaren’ (Dvorník, 1933, 205) (’Wunder’ auch bei Tachiaos (2005, 75)) erkennen, als würde das geschöpfte Wasser auf wundersame Weise trinkbar. Aber der Autor von VC bemerkt mit keinem Wort, dass es sich um ein Wunder gehandelt habe. Der Episode könnte ein Wortspiel zugrunde liegen (vgl. Komm. zum Aksl., siehe ein gr oder slav. Wortspiel in VI:25, ein gr in XVI:27 und XVIII:5) mit der Doppelbedeutung ’schöpfen’ und ’erdulden’ des gr. Verbs, das hier mit der idiomatischen Wendung ’bis zur Neige auskosten’ wiederzugeben versucht wurde. Dieses Wortspiel setzt Bekanntheit mit der gr. Dichtersprache voraus. Der Gegensatz ”süß - bitter” ist nicht ohne theologischen Resonanzraum (vgl. schon XI:15ff), demzufolge das weltliche Begehren (irrig) nach Bitterem verlangt, da die Süße der himmlischen Erkenntnis nicht bekannt ist. Oft scheint die Formulierung bei den Kirchenvätern von Jes 5:20 auszugehen (ponentes amarum in dulce, et dulce in amarum), kann aber auch mit Bezug auf Poesie (Liebeslyrik) auftauchen wie bei Paulinus II. von Aquileia († 802; PL, 99: 221)). Ein gr. Wortspiel, das sich bei der Übersetzung ins Aksl. verliert, wirft die Frage auf, in welcher Sprache VC ursprünglich geschrieben worden war. Die Episode ist - falls man die Interpretation als Wortspiel annimmt - ein Beweis dafür, dass VC ursprünglich gr. geschrieben war. Zu der ganzen Stelle siehe ausführlich Daiber (2021d). 5 früher ] Ex 15:23 (der Ort ’Bitterwasser’), thematisch aber auch Ex 17:6 (Moses schlägt Wasser aus dem Felsen am Horeb) und Num 20:10 (Ein Wasserwunder des Moses). 6 Tröster ] Das gr. Wort für ’Trost, Zuspruch’ ist Basis für den Beinamen des Hl. Geistes als ’Paraklet’ (Joh 14:16) = ”der als Beistand Zugezogene” , der in der theologischen Literatur überall die Bedeutung des ’Helfers, Fürsprechers’ annimmt (Bauer, 1988, 1249). Kyrill vollbringt kein Wasserwandlungswunder, sondern vielmehr ein Wunder an Selbstbeherrschung in Berufung auf innere Stärkung durch den Heiligen Geist. 7 fanden ] Vgl. die reale Bedeutung von ”finden” in XII:2, auch das Spiel mit realer und übertragener Bedeutung von ’finden’ deutet auf souveräne literarische Gestaltung des Textes. 7 Honigwein ] Zu ’Honig’ theologisch X:98, medizinisch (mit Bezug zu Körpertemperatur) XI:12.
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7. In Cherson nun, mit dem Erzbischof abendessend, sprach er zu ihm: ”Verfasse für mich ein Gebet, Vater, wie es mein Vater für mich verfasst hätte.” 8. Nachdem einige bei sich fragten, warum er das verfassen solle, antwortete der Philosoph: ”Wahrhaftig, am nächsten Morgen geht er fort von uns zum Herrn und verläßt uns.” 9. Was auch geschah, nachdem sich das Wort ereignet hatte. 10. Es war nun im Volk von Phoullai eine große Eiche, die zusammengewachsen war
9 Erzbischof ] Dvorník (1933, 205) identifiziert den Chersoner Bischof Georg,, was zu den zeitlichen Rahmenbedingungen der Chasarenmission passt. - Die Legende von der Auffindung der Gebeine des Clemens schreibt diese nicht Kyrill (VIII:16-18), sondern der in Byzanz um Hilfe nachfragenden Initiative Georgs zu (Archeografičeskaja kommissija, 1917, fol. 1143b). 9 er ] Ch und andere Hss nennen als Sprecher ”der Philosoph”, aber die Stelle wird weit weniger mystisch, wenn man annimmt, hier spräche der Erzbischof Georg; vgl. Komm. zum Aksl. 11 verfassen solle ] Übersetzungsvorschlag, andere übersetzen: ’warum er das gemacht habe’; vgl. Komm. zum Aksl. 12 Herrn ] Georg ist 861 gestorben (MMFH, 2: 95), ”через 7-8 месяцев после возвращения в Херсон миссии к хазарам в конце лета или ранней осенью 861 г.” (Soročan, 2017, 214, Anm. 20). - Sicher ist jedoch auch, dass Kyrill mit den Reliquien des Bischof Clemens zum gr. κύριοϛ ’Gebieter’, also zum byz. Kaiser reist. Immerhin 6 Hss überliefern nicht die erste direkte Rede (XII:7) (MMFH, 2: 95) und ohne die Aufforderung zur Gebetsverfassung ist die Doppeldeutigkeit ’zum Herrn gehen’ wie eine Summierung der Verabredung mit dem Erzbischof, dass Kyrill einen Teil der Gebeine des hl. Clemens zum byz. ’Herrn’ mit sich nehmen darf. Dies wäre auch der erwartbare Erzählinhalt in Bezug auf die Clemens-Reliquien. 13 ereignet ] Das im Gr. mutmaßlich verwendete Verb für ’ereignen’ kann die Bedeutung ’sich zusammen einschiffen’ haben, siehe Komm. zum Aksl. 14 Phoullai ] Der Eigenname Φουλλαι erscheint auch in der Vita (vgl. die Synaxarversion in Mogaričеv/Šapošnikov (2014)) des Gotenbischofs Johannes (Juročkin, 2017), dürfte indoarisch auf ’Festung, befestigte Stadt’ zurückgehen (Trubačev, 1999, 264) und wird populär oft mit der bei Bachčissaraj auf der Krim liegenden Stadt Čufut-Kale (= ”Judensiedlung”) identifiziert, einer Ansiedlung muslimischer und jüdisch-karamäischer Bevölkerung. Die Lokalisierung ist keinesfalls gesichert. Soročan (2002) zählt einige Vorschläge auf und spricht sich für Inkerman bei Sevastopol aus, während angesichts der Datenlage Mogaričеv/Majko (2015a) bzw. Mogaričеv/Majko (2015b) Lokalisierungen generell ablehnen, jedoch meinen, dass die Stadt jedenfalls nicht mit dem chasarischen Kaganat in Verbindung gebracht werden könne. Für eine Übersicht zur ’chasarischen Krim’ siehe nun Mogaričеv/Sazanov/Soročan (2017). Die (wohl irrige) Identifizierung von Phoullai mit Sudak (vgl. XVI:8) sei erwähnt. 14 Eiche ] Dvorník (1933, 206): ”Le culte des arbres sacrés était très répandu parmi les peuples du Caucase”, ist aber zur Lokalisierung des ’Volkes von Phoullai” nicht spezifisch genug, wobei Dvorník betont, dass der Brauch jedenfalls nicht auf die Chasaren deute. Auch Karl der Große (Boretius, 1883, 59) mußte ein Dekret gegen Baumverehrung erlassen (vgl. XV:11). Trotzdem ist es eine verbreitete Annahme, für die ich allerdings keinen historischen Grund kenne, dass sich Baumverehrung besonders im Kaukasus antreffen lasse. So hält noch Radde (1899, 50) angesichts einer trotz Kriegshandlungen stehen gebliebenen letzten Eiche bei Mosdok (Tschetschenien) eine ”Art religiöser Pietät” für ihren Erhalt verantwortlich. Grivec/Tomšič (1960, 198) glauben, ”cultores huius arboris christianos iam fuisse”, was möglich (VIII:19, XII:21), aber nicht zwingend ist. Für Mogaričеv (2017) zeigt VC:10-24 nur ’literarische Aktivität’, sei also eine Fiktion, enthalte aber im Ortsnamen Φουλλαι und in der Erwähnung des das ganze Mittelalter auf der Krim präsenten Heidentums historisch glaubhafte Elemente.
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mit einem Kirschbaum und unter welcher sie Opferhandlungen auszuführen pflegten, sie mit Namen Alexander nennend, das weibliche Geschlecht nicht zu ihr noch zu den Opferhandlungen für sie hinzutreten lassend. 11. Nachdem nun der Philosoph das gehört hatte, säumte er nicht, sich zu ihnen zu bemühen, und sich in ihre Mitte gestellt habend sprach er zu ihnen: ”Die Griechen sind in die ewige Strafe gegangen, die sich vor Himmel und Erde wie vor Gott verneigten wie auch vor der ganzen Schöpfung. 12. Wie werdet da ihr, die ihr einen Baum anbetet, die armseligste Sache, die zum Feuer bereitet ist, dem ewigen Feuer entrinnen?” 13. Sie antworteten nun: ”Wir haben damit nicht seit dieser Zeit angefangen, sondern haben von den Vätern [diesen Brauch] übernommen und von diesem [Baum] erlangen wir alle unsere Bitten, Regen und dazu vieles anderes mehr. 14. Und sollten wir etwa das tun, was keiner gewagt hat zu tun wegen uns? 15. Wenn nämlich einer das zu tun wagt, dann wird er den Tod erblicken und zusätzlich sollen wir keinen Regen mehr sehen bis zum Lebensende.” 16. Es antwortete ihnen der Philosoph: ”Gott spricht über euch in den Büchern, aber ausgerechnet ihr verwerft ihn. 17. Jesaja nämlich ruft laut namens des Herrn, sprechend: ’Ich schreite heran zu sammeln alle Sippen und Völker und sie kommen und sehen meine Herrlichkeit und ich lasse auf ihnen ein Zeichen und ich
15 Kirschbaum ] Die Kirsche gehört zu den vorzüglichsten Obstsorten der südlichen Krim; vgl. Lucas (1879). 16 Alexander ] Siehe Kommentar zum Aksl.; setzt man ein gr. Adjektiv an, ist zu übersetzen ’sie männerbeschützend nennend’. - Dujčev (1951) nimmt an, dass hier ein gr. Wort vorliegt, welches nur einem Alphabet-, aber keinem Sprachwechsel unterzogen wurde, und hält dies für einen Beweis dafür, dass VC ursprünglich gr. geschrieben wäre und von Method ins Aksl. übersetzt worden sei. 19 Strafe ] Die Aussage paraphrasiert Röm 1:22f.. - Natürlich geht es hier nicht um die mit Spruchsammlungen einsetzende (4. Jh.; Brock (1983, 203)) und spätestens seit dem 12. Jh. verbreitete christliche Verehrung der gr. Philosophen (oft auf Ikonen, siehe Kazakova (1961)), denn Kyrill argumentiert hier nicht gegen die gr. Philosophie, sondern gegen die auch von der griechischsprachigen Umwelt des Apostel Paulus (daher der Anklang an Röm) beibehaltene Vergottung von Naturphänomenen. 20 verneigten ] Die Loyalitätsgeste der Verneigung mit Hand- oder Fußkuss ist in der christlichen Literatur mit Ausnahme der Proskynese vor Ikonen (vgl. V:19) negativ als heidnische Geste konnotiert: ”Als Wort für das Anbeten wird proskynein verwandt, was im Sinne von ’als Gott verehren’, aber auch religiös neutral als ’wertschätzen’ gebraucht werden kann” (Sehlmeyer, 2011, 27). 20 ganzen ] In CH ’vor der großen guten Schöpfung’ mit sprachlich zweifelhafter Form bei ’gut’, aber entscheidend ist, dass offenbar gesagt werden soll ’verbeugen vor Himmel und Erde und der ganzen (anderen, belebten) Schöpfung’. 21 Baum ] Die bibl. Zitate bezüglich Götzendienst vor Idolen aus Holz und deren Verwendung als Brennstoff sind zahlreich, aber eine direkte bibl. Vorlage für Kyrills Formulierung kann ich nicht finden. 25 das ] Das Pronomen setzt voraus, dass Kyrill zuvor das Abholzen des Baumes verlangt hatte. 26 wegen ] Zur Übersetzung siehe Komm. zum Aksl. 28 Lebensende ] Vgl. Komm. zum Aksl. 28 euch ] Gemeint ist das Toponym ”Phoul”, wie es gleich im Jesaja-Zitat erscheint, was in LXX ”Phoud” lautet, aber im Hebr. ”Pul”. 29 ausgerechnet ] Siehe Komm. zum Aksl. 29 namens ] Vgl. Komm. um Aksl. 30 schreite ] Bis auf Ein- und Ausleitung nach Jes 66:18+19 gemäß LXX, siehe Komm. zum Aksl. 30 Völker ] bzw. ’Heiden’, vgl. Komm. zum Aksl. 31 Herrlichkeit ] wrtl. ’Ruhm’
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schicke die Geretteten von ihnen zu den Völkern, nach Tarsis und Phoud und Loud und Mosoch und Thobel und nach Griechenland und auf die fernen Inseln, die meinen Namen nicht gehört haben, und sie werden meine Herrlichkeit unter den Heiden verkünden’, ’spricht der Herr’, der Allmächtige. 18. Und wiederum: ’Siehe, ich sende aus viele Fischer und Jäger und von den Hügel und Felsstürzen fangen sie euch.’19. Erkennt, Brüder, dass Gott Euch erschaffen hat. Das ist das Evangelium des Neuen Bundes Gottes, und ihr seid darauf getauft worden.” 20. So sie mit gewandten Worten beredet habend befahl er ihnen, den Baum zu fällen und zu verbrennen. 21. Und ihr Ältester, hinzutretend, küßte das Evangelium, wie dann auch alle anderen. 22. Weiße Kerzen vom Philosophen empfangen habend und singend gingen sie zu dem Baum und er, nach dem er eine Axt genommen und dreiunddreißig Mal zugeschlagen hatte, befahl er allen zu fällen und die Wurzeln zu roden und ihn zu verbrennen. 23. Und in dieser Nacht sogleich ward von Gott Regen (gesandt). 24. Und mit großer Freude 32 Tarsis ] Das Problem mit den folgenden Städtenamen ist zweifach: Einmal ihre historische (zu Tarshish siehe etwa Burke (2006)), zum andern ihre zu Kyrills Zeiten vermutete Lokalisierung. Im Jesajazitat wird ’Tarsis’ mit den anderen Städten erwähnt als im jüdischen (Seligson, 1906) bzw. christlichen Sinne heidnische Orte, deren Lage aber nicht immer bekannt ist. Weil Tarsis etwa mit Karthago identifiziert wurde, hat die Vulgata im Jesaja-Zitat nicht Städtenamen,sondern Regionen, hier also ”Afrika”. Josephus (1899, 33ff.) hat die meisten der hier erwähnten Städte einer Region zugeordnet werden, nämlich Tarsis/ Tarsus = Kilikien, Phoud/ Phute = Libyen, Mosoch = Kappadozien, Tobel = Iberien. 32 Phoud ] Grivec/Tomšič (1960, 198) bemerken, dass aufgrund der Differenz zu LXX im Ortsnamen Phoul/ Phoud manche meinen, Kyrill habe direkt die hebr. Bibel benutzt, was dann als Argument bei VIII:10 (Kyrill übersetzt eine hebräische Grammatik, obwohl er die Sprache nicht beherrscht, also muss er schon Vorwissen im Hebräischen gehabt haben) verwendet werden kann. Zwangloser ist aber, an die Übersetzung des Aquilas zu denken (vgl. IX:34). 32 Loud ] Bei Origines (Field, 1875b, 365): ’Loud’ = ’Lydos’. 35 spricht der Herr ] Jes 66:20; das Epitheton ”Allmächtige” ist im Umkreis des Zitates nicht nachweisbar, während ”spricht der Herr” im Umkreis mehrmals erscheint. 35 wiederum ] Jer 16:16, gekürzt und als direkte Anrede (’euch’ statt ’sie’) formuliert. 37 dass ] Kann als Partizipialattribut gelesen werden (’Erkennt den Euch erschaffen habenden Gott’, kann aber auch ein Nebensatz sein als Nachahmung eines gr. Gen. abs.) 37–38 des Neuen Bundes ] Vgl. Mt 26:28 und Synoptiker; die sog. Einsetzungsworte, Teil der eucharistischen Liturgie. 38 gewandten Worten ] Vgl. die ähnlichen Formulierungen ’lehrhafte Worte’ in VIII:20 und 25. 40 Ältester ] Der Terminus deutet auf eine religiöse Gemeinschaft. 42 dreiunddreißig ] Die Zahl Drei als Zehndrittel (10/3: ”’Thirty’ (triginta) is so called because it arises (gignere) from three (ternarius) tens” (Barney et al., 2006, 89)) ist nur als Näherungswert berechenbar und gilt daher als Symbol der Vollkommenheit, so mehrmals im AT (2Sam 5:5 u.ö.: Davids Regierungszeit in Jerusalem; 3Mos 12:4: die Frist der Reinigung nach einer Geburt), sodann im Talmud als vollkommene Ersatzleistung (Bezug auf Baumfällen (Goldschmidt, 1907, 216), Bezug auf die Wiederherstellung Jerusalems (Goldschmidt, 1907, 1144)). Christlich bezeichnet die Zahl das Lebensalter Jesu bei seiner Kreuzigung (ausgehend von Lk 3:23 schon Josephus bzw. nach ihm Eusebius von Caesarea (1989, 107f.) bzw. Patriarch Timotheus (8. Jh.): ”Jesus Christ walked in the flesh thirty-three years on the earth” (Mingana, 1928, 29)). Die symbolische Bedeutung der Zahl Dreiunddreißig legt die Deutung nahe, dass Kyrill den Baum des Heidentums durch den ’Baum des Lebens’ (siehe Abb. 14 in Baranov (2015)), nämlich Christi Kreuz, fällt. Der liturgische Bezug wird schon in XII:19 offensichtlich.
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lobten alle Gott und Gott freute sich darüber sehr.
45 und Gott freute sich darüber sehr ] Der Erzähler verläßt in VC nirgends so klar die Perspektive eines aktual beobachtenden menschlichen Kommentators, auch nicht in den als Zusatz erkennbaren Lesarten zu VII:5 und im metatextuellen Kommentar X:95. Einen ebensolchen Zusatz am Ende (also nicht innerhalb der Erzählstruktur) hat auch XV:4, dort aber ist die biblische Allusion erkennbar. - Nach den Lehrepisoden VIII:19-21 und VIII:22-25 wird hier berichtet, dass Kyrill nicht nur argumentativ, sondern auch liturgisch eine Bekehrung mit der dazugehörigen Messe (vgl. Kerzen, Gesang, Einsetzungsworte, Küssen des Evangeliums) vollzieht.
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XIII1. Философь же иде въ Цариградь. 2. и видѣв’ цара живѣше въ црькви светыхь апостольь бога моле. 3. ѥсть въ светѣи Софїи потирь ѡть драгаго
1 Цариградь ] 11: Царьградъ, 4: Коньстѧнтинъградъ, Hs 45 (= 16 bei Grivec/ Tomšič, siehe S. 11) add.: и дошедъ и приꙗтъ его царь радостїю велїею, такожде и патрїархъ и весъ свꙗщенны’ чинъ. Der nur in Hs 45 überlieferte Satz unterscheidet sich syntaktisch (и дошедъ = Nebensatz = participium coniunctum) nicht vom sonstigen Stil der Vita. Ab Kapitel XIII bietet Hs 45 größere, aber sicher sekundäre Abweichungen: XIV:2, 4, 6, 12-13, 15, XV:1-3,18-22, XVII:1, XVIII:13. 1 живѣше ] KO, 3: 116): живѣаше; 3PsSg Imperfekt, in CH kontrahiert (mit ě für ja; vgl. S. 43). 1–2 въ црькви светыхь апостольь бога моле ] 14: безъ млъвы бога молѧ въ црькви светыхь апостолъ сѣдѧ, 1: во безмолвии бога молꙗ въ црькви светыхь апостолъ сѣдѧ. 15 Hss haben nicht ’in der Apostelkirche Gott lobend’, sondern ’Gott lobend, in der Apostelkirche sitzend’. Es gibt keinen Hinweis, dass die Fügung апостолъ сѣдѧ ’als Apostel thronend’ (gr. κάθημαι βασίλισσα = Vulgata ’sedeo regina’, Offb 18:7, Bauer (1988, 790)) hier hineinspielt. Dass Kyrill ’ohne Rede/ bzw. im Schweigen’ Gott gelobt habe, ist eine Abschreiberinterpretation. 2 потирь ] Hier beginnt bis zum Ende von VC XIII die sog. ”Erzählung vom Kelche Salomons”, die vor bislang ungelöste Probleme der Textkritik stellt. Die Kelchinschrift ist einzeln überliefert in einigen gr. und lat. Hss (Ševčenko (1967), Capaldo (1990) bzw. Capaldo (1994), Lourié (2017)) und erscheint im aruss. Schrifttum (außer den Genannten vgl. Evseev (1907), Vodolazkin (2001), Vodolazkin/Rudi (2003)). Wie die nichtslav. Überlieferung zeigt, ist die Inschrift älter als ihre erste slav. Bezeugung in VC. Angesichts der ungelösten Probleme, was ursprünglichen Wortlaut und Textgeschichte der nichtslavischen Textzeugen betrifft, kann sich der Kommentar nur auf Hinweise beschränken, wobei als außerslav. Parallele KS angeführt wird, das in der Literatur bisher nicht vollständig vorkam.
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278
6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
камене, Соломѡнꙗ дѣла, на нѥм же сѹть писмена жидов’скы и самарѣи’-
3 дѣла ] Der Kelch ist in VC kein - in KO, 3: 135) unübersetzt gelassenes - ”Salomonis opus” oder ”dílo Šalomounovo” (Grivec/Tomšič (1960, 199) bzw. MMFH, 2: 97)), sondern ein Kelch ’aus Salomons Werkstätte’ (beachte auch die Possessivbildung bei Salomon). Gräzismus: ἔργον kann auch ’Werkstatt’ heißen, vgl. Bauer (1988, 624). In PS ist der Kelch tatsächlich von Salomon selbst hergestellt: учини же и потиръ на службу Богу (Vodolazkin/Rudi, 2003, 255). Wichtig ist die Überschrift in KS (Prophetia Salomonis in calice Constantinopoli scripta), die anzeigt, dass VC die Verbindung von Kelchaufschrift und Konstantinopel nicht selbst herstellt. 3 писмена ] 5: писмены; wechselt in den InstrPl, der aber nicht in den Hss vorkommt, welche auch die Sprachadjektive im InstrPl haben. 3–4 жидов’скы и самарѣи’скы ] Grivec/Tomšič (1960, 128) wohl irrtümlich: самарѣн’скы; 4: жидовъска и самарѣиска, 2: жидовьскыими и самараньскыими. - Weil Hebräisch und Samaritanisch mit demselben Alphabet geschrieben werden, meinen Grivec/Tomšič (1960, 199) und MMFH, 2: 97), die Wendung ”mit hebräischen und samaritanischen” Buchstaben zeige an, dass es sich um ältere Buchstabenformen des Hebräischen handele. Aber die samaritanische Schrift hat eine Besonderheit gegenüber der hebräischen, indem sie ”den alten ( … ) zur Worttrennung gebrauchten Punkt nicht aufgegeben hat” (Macuch, 1969, 11): die dadurch graphisch bei Zeilenumbrüchen erreichte ”freie Teilung des Wortes nach dem Geschmack des Schreibers ermöglicht den Samaritanern die sogenannte stichische und manchmal auch kryptographische Schreibung des Textes” (ebd.). Kyrill musste bei seiner Bekanntschaft mit dem Samaritanischen (VII:11) genau diese in allen samaritanischen Hss vorfindliche und auch dem Sprachunkundigen auffällige Eigenheit bemerken; Faksimilebeispiele siehe in Crown (1978). Kaum anzunehmen, dass Kyrill auch den linguistischen Unterschied hat bemerken können: ”Die Sprache der Samaritaner ist zwar das klassische Hebräisch des Pentateuch, unterscheidet sich jedoch in der Aussprache sowohl von der aschkenasischen als auch von der sephardischen Aussprachetradition. … Der augenfälligste Unterschied besteht in der Nichtbezeichnung der Gutturale” (Powels-Niami, 2005, 8). Möglich ist also, dass hebräische oder griechische Buchstaben auf samaritanische Weise (Punkte zwischen den Worten) zur Verschriftlichung einer griechischsprachigen Inschrift verwendet wurden. Alphabet und Sprache müssen übrigens nicht zusammenfallen. Toth (2015, 218) nennt eine lateinische Inschrift, mit griechischen Buchstaben geschrieben, aus dem Jahre 1070. Ähnliches, nämlich die (historisierende und verrätselnde) Benutzung eines für die gewählte Sprache ungebräuchlichen Alphabetes (= Allographie, Den Heijer/Schmidt/Pataridze (2014)), ist auch bei Kyrills Kelchinschrift möglich.
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VC XIII 4
7
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скы граны написаны, их’же не можаше никтоже ни прочисти ни сказати. 4. въз’м же философь прочте и сказа ѥ. 5. ѥсть же сице: ”прорицаи, дон’деже сице ѕвѣзда; въ пиво бѹди господи, пръвѣн’ць бдещꙋ нощию.” 6a. по сем’же дрꙋгы граны: ”на въкѹшенїе господнѥ сътворена дрѣва иного. 6b. пїи и ѹпїи се веселиѥмь и възѹпїи аллилѹїа.” 7. и по семь третїи грань: ”се кнезь и ѹзрить въсь сън’мь славѹ ѥго и Давидь по срѣдѣ ихь.” 8. и по семь число
4 граны ] 15: грани, 2: словеси; ’Vers’, später gut belegt (грано bei Starčevskij (1899, 150), грано und гранъ bei Sreznevskij (1989, 1: 585)), im Aksl bei SJS, 433) noch hapax legomenon, außerhalb von VC aber als гран(н)ъ belegt (mit supralinearem ’n’, welches oft als Zahlzeichen ’70’ gedeutet wird) in Nahtigal (1941, 2: 171) = Euch. Sin. 65a3; ohne gr. Vorlage (vgl. Filkova (1986, 1: 334); CVB, 177)). Die als Liturgieanweisung zu verstehende Formulierung im Euchologium Sinaiticum ”рекѫтъ гранъ” dürfte gr. στιχολογίσμαι ’(Psalm-)Vers lesen’ wiedergeben; das Nomen ist mit Pokorny (1959, 2: 478) und ESSJa, 7: 49) unter Verwendung der Laryngalnotation bei Derksen (2008, 179f.) ein Derivat von pie. *gᵂorH-no- ’loben, preisen’; граны in VC kann AkkPl oder InstrPl sein. Siehe bei 6a: Andere Hss deklinieren nach dem s-Stamm. 4 написаны ] 2: написана, 1: написани 4 прочисти ] 10: прочести 5 въз’м ] Einfach ’nehmen’ (CVB, 143) oder Gräzismus ’geistig-seelisch erfassen’ (Bauer, 1988, 944)? Nimmt Kyrill den Kelch in die Hand und fängt gleich an zu lesen oder beschäftigt er sich mit der Kelchinschrift, bis er ’begriffen’ hat? Ohne Pronominalobjekt scheint übertragene Verbbedeutung wahrscheinlich. Vgl. auch XV:2. 5 прочте ] 9: почте, 1: почетъ 5 ѥ ] Omnes cod. praeter 1: omm., 1: имъ 5 сице ] 8 add.: пръваа грань: чаша моꙗ, чаша моꙗ, 6 add.: чаша моꙗ. Die Zusätze entsprechen der Textüberlieferung; PS: Чаша моа, прорицаи, дондеже звѣзда въ пиво буди Господеви, первенцю бдящу нощь; KS: Crater meus, crater meus, propheta usque ad stellam, in poculum fis Domini. Primogenito vigilantis in nocte ... 6 сице ] Omnes cod. praeter 4 omm. 6 господи ] 1 add.: створена древа иного; offenbar Fehlstellung, siehe XIII:6a 6 пръвѣн’ць ] 15: пръвенцѹ 6 бдещꙋ ] aus бдешꙋ (Grivec/Tomšič, 1960, 128) verbessert mit KO, 3: 104) und MMFH, 2: 98). 7 дрꙋгы граны ] 2: дрѹгаа словеса; im Bericht von der Auffindung der Clemensgebeine ist der Plural von гранъ vielmehr гранеса (Soročan, 2017, 213), was möglicherweise mit der Lesartentstehung zu tun hat. Soll der Plural anzeigen, dass der ’andere’ Vers aus mehreren Teilen besteht (daher hier: 6a und 6b)? PS: На вкушение створена от древа иного; KS: ... ad gustandum ordinaris Domino. De ligno alterius ... 7 сътворена ] 2: сътворенаго 7 пїи ] PS: пивъ, въспѣ ’Аллилуиа’, и упися съ веселием; KS: ... bibe et inebriare et pascere sonantes Alleluia. 8 третїи грань ] 2: третїе число; PS: Се кьнязь зрить, и весь сборъ видит славу его, и Давыдъ царь посреди ихъ; KS: Iste judex et videbit omnem congregationem glorie sue et David rex in medio eorum. 8 кнезь ] 3 add.: ихъ 9 сън’мь ] ’Synagoge, (Gebets-)Versammlung’ (CVB, 662); der Vers erscheint im Prophetologion (19v14-16: и людьѥ мои ѹзрѧть славѹ гснѻ), ist bei der Kelchinschrift aber direkt von gr. άρχων in Hes 34:24 bzw. Offb 1:5 übersetzt. 9 Давидь ] 15 add.: царь
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280 10
6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
написано ѳ͡ съть и ѳ͡ ро. 9a. расчьт’ же по тьн’кꙋ философ и ѡбрѣте 9b. ѡть втораго на десете лѣта цара Соломѡна до рождьства Христова ѳ͡ съть и ѳ лѣть. 10. се ѥсть пророчьство о Христѣ.
10 ѳ͡ съть и ѳ͡ ро ] 1: девꙗть сотъ и девꙗть сто сѣмъдесꙗтого 10–11 ѡть втораго ] Satz 9b begegnet so auch wörtlich in PS. 11 десете лѣта ] 1: дванадесѧте лѣтъ 11 цара Соломѡна ] 14: царьства Соломонѧ; wie in Vodolazkin/Rudi (2003, 258); es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Überlieferung der Inschrift in PS auf ihre Textform in VC einwirkte (et vice versa). 11 рождьства ] 14: царьства 12 пророчьство ] 2: число
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VC XIII
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VC XIII 1
4
XIII 1. Der Philosoph nun ging zur Kaiserstadt. 2. Und nachdem er den Kaiser gesehen hatte, lebte er in der Kirche der Heiligen Apostel, Gott lobend. 3. Es ist in der Heiligen Sophia ein Kelch aus wertvollem Stein, aus Salomos Werkstatt, auf dem hebräische Buchstaben und samaritanische Verse geschrieben waren, die niemand weder durchlesen noch erklären konnte. 4. Nachdem er begriffen hatte, las der Philosoph durch und erklärte. 5. Dieses ist nun der erste Vers: ”Mein Kelch, mein Kelch,
1 Kaiserstadt ] Hs Nr. 45 fährt fort: ”und er kam an und der Kaiser [Michael III.] empfing ihn mit großer Freude wie auch der Patriarch [Photios I.] und der ganze Klerus.” - Tatsächlich darf der Leser erwarten, nach der kaiserlichen Beauftragung in VIII:7 auch von der kaiserlichen Bewertung der Mission zu hören. Hs 45 zeigt sich aber in ihren Zusätzen immer als sekundär. 2 lebte er ] Dvorník (1933, 209): Kyrill hat nach der Rückkehr von den Chasaren seine Professur an der Hochschule (IV:19, vgl. S. 72), die der Apostelkirche angegliedert gewesen sei, wieder aufgenommen. Die Lokalisierung der Hochschule ist allerdings nur wegen XIII:2 anzunehmen (siehe die Karte von Byzanz in MMFH, 2: 97)). - Die in manchen Hss. eingefügte Bemerkung, Kyrill habe ’schweigend Gott gelobt’, kann nicht e nihilo als Argument verwendet werden dafür, dass der Autor von VC jegliche Verbindung Kyrills mit Photios herunterspielen will; es handelt sich vielmehr um Zusätze mönchischer Abschreiber, die Kyrill hesychastisch charakterisieren wollen. 2 Kirche der Heiligen Apostel ] Bei dieser Kirche hatte auch Joseph der Hymnendichter seine Klostergemeinschaft. 3 Stein ] Bujnoch (1972, 203f.) weist auf die Möglichkeit hin, dass ”Im Reliquienschatz der Hagia Sophia ein Kelch vorhanden war, in dem man den Abendsmahlskelch zu besitzen glaubte” (daher die Angabe ’aus Salomons Werkstatt’). Weiters führt er aus, dass die byzantinischen Abendmahlskelche sich von den lateinischen durch Größe und auch Materialien, nämlich Halbedelsteine, unterscheiden. Auch sind an den byz. Abendmahlskelchen Bezüge zu einschlägigen NT-Zitaten angebracht, etwa Mt 26:28 (siehe unten bei ’Getränk’). Toth (2016, 20) weist darauf hin, dass ab dem 7. Jh. eine ”prolific donation culture” die Kirchen in Schatzhäuser verwandelt habe; ein beschrifteter liturgischer Gegenstand ist also zeitgenössisch vollkommen erwartbar. 3 Werkstatt ] Vgl. Komm. zum Aksl. - Temčin (2019/ 2020, 231) macht darauf aufmerksam, dass Geheimschriften gerne ’salomonisch’ genannt wurden, da man nur der Weisheit Salomos ihre Entschlüsselung zutraute, und verweist anschließend auf graphische Ähnlichkeiten gr. Geheimschriften mit der Glagolica. 4 samaritanische Verse ] So CH; üblicherweise übersetzt ’in hebräischen und samaritanischen Buchstaben Verse’, was nicht ganz sinnvoll ist, da beide Alphabete prinzipiell identisch sind; vgl. Komm. zum Aksl. - Lourié (2017) hält die Inschrift für hebräisch und kommentiert den Text analog zu jüdischen Quellen; ich finde dies nicht überzeugend und vermerke nur die christlichen Assoziationen. 5 begriffen ] Gewöhnlich wird, was nicht unmöglich ist, übersetzt: ”Nachdem er [ihn = den Kelch] genommen hatte, las … ”, Capaldo (1994, 7) übersetzt sogar ’computed’, aber siehe XIII:9 разчьт’. 6 erklärte ] In CH: ’erklärte sie’, das Pronomen ist wohl sekundär. 6 der erste Vers: ”Mein Kelch, mein Kelch ] Zusatz aus den Hss.; siehe Komm. zum Aksl.
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10
6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
prophezeie bis zum Stern, werde zum Getränk des Herrn, der als Erstgeborener nachts wacht.” 6a. Darauf andere Verse: ”Zum Verkosten des Herrn geschaffen [aus] anderem Holz. 6b. Trinke und betrinke dich durch die Freude und rufe laut aus: ’Halleluja’.” 7. Und danach der dritte Vers: ”Siehe der Fürst, und die ganze Versammlung sieht seinen Ruhm und David mitten unter ihnen.” 8. Und danach war geschrieben die Zahl 9 Hundert und 9 Jahre. 9. Der Philosoph rechnete genau durch und fand: vom zwölften 7 Stern ] Offb. 22:16 ”Ich, Jesus … bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern” (stella matutina). Die Prophezeiung ’bis zum Stern’ dauert also ’bis zur Wiederkunft Christi’, denn bis dahin wird der irdische Gottesdienst bestehen. Vgl. X:46. 7 Getränk ] Mt 26:27: ”nahm er den Kelch … das ist mein Blut”, die Einsetzungsworte des Abendmahls. 7 Erstgeborener ] Kol 1:15: Christus ist ’der Erstgeborene der ganzen Schöpfung’; vgl. auch wegen XIII:7 ’Fürst’ mit Offb 1:5: ’der Erstgeborene von den Toten und Fürst über die Könige der Erde’. 7–8 nachts wacht ] Jesus bleibt, nachdem er mit seinen Jüngern das Abendmahl begangen hat, wach in der Nacht vor seiner Verhaftung und Kreuzigung (Mt 26:38). 8 andere ] Vgl. Komm. zum Aksl. 8 Verkosten ] Mt 26:42: ”Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille”. 8 anderem ] Mit ”anderes” wird vielleicht auf Jes 51:17 Bezug genommen: ”Wache auf, wache auf, stehe auf, Jerusalem, die du von der Hand des Herrn den Kelch seines Grimmes getrunken hast! (Luther)”. Der eine Kelch wäre in polemischer Gegenüberstellung der jüdische, Gottes Zorn bedeutend, der andere der christliche, Gottes Sühnopfer bedeutend. 9 Holz ] 1 Petr 2:24: Christus trug unsere Sünden ”auf das Holz” (nämlich des Kreuzes). 10 Fürst ] Vgl. Offb 1:5: Jesus Christus ist der ”primogenitus mortuorum, et princeps regum terrae”. 10–11 die ganze Versammlung sieht seinen Ruhm ] Jes 35: 2 καὶ ὁ λαός μου ὄψεται τὴν δόξαν Κυρίου - ’und mein [aus der Sicht Jesajas gesprochen] Volk wird den Ruhm des Herrn sehen’. 11 David mitten unter ihnen ] Hes 34:24: και εγώ κύριος έσομαι αυτοίς εις θεόν και ο δούλός μου ο Δαυίδ εν μέσω αυτών άρχων. - Die Jesaja- und Hesekiel-Zitate hat Picchio (1985) identifiziert, Taube (1987, 163) will ”Siehe, der Fürst” zum Hesekielzitat als Äquivalent zu άρχων ziehen. Es handelt sich aber nicht um ein durchgehendes Zitat, sondern um eine topologische Zusammenstellung von Bibelstellen, die daher auch leicht verändert sind. 12–13 zwölften Jahr ] LXX 3Kön6:38 = 7:1a ”And Salomon built his house in thirteen years” (Pietersma/Wright (2007, 304), aber nicht in Rahlfs/Hanhart (2006, 641)) und Vulgata ”tredecim annis” (Weber/Gryson, 1994, 467) berichten von 13 Jahren Bauzeit, wohingegen Josephus die Vollendung des Tempelbaues in das zwölfte Regierungsjahr Salomons (siehe Josephus (2008a, 122) und Anm. Josephus (2008b, 79)) legt, welcher Datierungskonflikt ”jedenfalls jüdischen Ursprungs ist”. Die Kelchinschrift an Salomos Tempelbau mittels der ’12’ anzuschließen ist also spezifisches Wissen, das Kyrill ’rechnend’ in den Text bringt, wodurch die christologische Interpretation von Altem (jüdischem) Tempel gegenüber Neuen (christlichen) Tempel angebahnt wird. In Buch 2 seiner Chronik (Eusebius von Caesarea, 1857, 421) (siehe auch VI:17, XII:22) berechnet Eusebius, dass von den seit Abraham bis Christus veranschlagten 2215 Jahren bei Salomons Regierungsantritt 981 vorbei sind = 9 und (8 + 1). Ob Kyrill in der 909 die 891 von Eusebius verrätselt entdeckt hat, ist natürlich nicht zu beweisen, aber mit der 909 am Ende konnte er interpretierend spielen: Die 909 enthält die von ihm inferierte 12 als ’ästhetisch’ bedeutenden Teiler, der aus der symmetrischen 909 die nächste symmetrische Zahl 75,75 entläßt. Die Zahlenfolge von 9 und 0 selbst kommt durch eine Elferdivision zustande 10000 : 11 = 909,090909090909091, elf mal 909 wird zu 9999. Zehntausend (zu ’10 100 9’ siehe auch nächste Anm.) ist in der Zahlenmystik das Symbol der höchsten Quantität, die Elf dagegen das Symbol des (häretischen) Übermutes, welcher über die vollkommene Dekade (’Zehn’ Gebote) eigenmächtig hinausgeht. Die Differenz der von Eusebius angegebenen 2215 - 909 ergibt die bis zu Christus ausstehende lineare Folge 1234 usw. Das sind, wohlgemerkt, alles nur Zahlenspiele, die aber mit dem Willen zur Interpretation bedeutsam werden.
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VC XIII 13
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Jahr des Königs Salomo bis zur Geburt Christi 9 Hundert und 9 Jahre. 10. Das ist eine Prophezeiung über Christus.
13 9 Hundert und 9 Jahre ] Nimmt man die Zahl als Jahresangabe, ist sie nicht unmittelbar mit einer gr. Chronologie abgleichbar. - Capaldo (1994, 64) hält die Lesart anderer slav. Textzeugen (’10 100 9’; Capaldo (1994, 68)) anstelle ’909’ für den richtigen Ausgangspunkt. Es sei ’10x100 + 10+9’ zu lesen, das Resultat 1019 bezeichne nach der Zählung von Maximus dem Confessor das 12. Jahr der Regierungszeit des Salomon. - Lourié (2017, 197) verweist auf den gr. Brauch des 4. Jhs., das Wort ’Amen’ mit den Zahlen 99 am Textende auszudrücken. Würde man die Zahl mit hebräischen Buchstaben schreiben (hebr. tet hat wie gr. theta den Zahlwert 9) könne man sowohl 99 wie 909 lesen. Wahrscheinlich hat Lourié hinsichtlich der Textologie der Inschrift das Richtige getroffen, was man jedenfalls unterscheiden muß von dem, was sich Kyrill mutmaßlich bei der 909 gedacht hat. 14 Christus ] Wie immer man die Überlieferungsgeschichte der in VC zitierten Kelchinschrift Salomos noch bewerten und wie immer man vom Text der Inschrift zur resümierenden Zahl oder Bekräftigungsformel 909 oder 1019 kommen wird, so ist jedenfalls festzuhalten, dass kein Grund zur Annahme besteht, Kyrill hätte nicht tatsächlich in Konstantinopel einen Kelch mit einer solchen Inschrift zur Entzifferung vorgelegt bekommen können. Denn Kyrills Beruf (vgl. IV:19) als Professor für Kirchengeschichte beruht auf der Kompetenz, Weltgeschichte in christologisch bedeutsamen Ereignisse zu kategorisieren. Genau das tut er hier und Kapitel XIII zeigt uns Kyrill in seiner beruflichen Tätigkeit. Einen anderen Grund, warum die Kelchepisode in VC zu finden ist, kann ich nicht sehen.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
VC XIV
1
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XIV 1. Веселещꙋ же се ѡ боѕѣ философꙋ, пакы дрꙋга рѣчь приспѣ и трꙋдь не мьни пръвыихь. 2. Растислав’ бо морав’скы кнеѕь богомь ѹстимь съвѣть сътвори съ кнеѕы своими моравлꙗни и посла къ царѹ Михаилꙋ глаголѥ: 3. ”людемь нашимь поган’ства се ѡтврьг’шимъ и по христїан’скы се законь дрь-
1 рѣчь ] Gräzismus für λόγοϛ, welches ’Rede’, ’verschriftlichte Rede’ und verallgemeinert wie hier und XIV:8 ’Sache (als Redegegenstand)’ bedeuten kann. Logos bezeichnet schließlich auch den inneren, inspirierten Beweggrund (Bauer, 1988, 968-972). Vergleiche die Steigerungen, wie die Gesandschaftsaufträge Kyrill erreichen: eine Anweisung zur philosophischen Disputation (V:4), eine Aufforderung zum Kampf wie ein neuer David (VI:6), eine Aussendung zur Mission im Dienste der Dreieinigkeit (VIII:7) und - jetzt fehlt auch die Formulierung ’der Kaiser schickte’ - eine Bitte um Übernahme des nur von Kyrill allein ausführbaren Werkes. 1 приспѣ ] 6: приде 1 трꙋдь ] 4: трꙋднѣе; vgl. XIV:7, wo das Adjektiv sich offenbar auf körperliche Belastung bezieht, weshalb wohl gr. μόχθος (wie 2Kor 11:27) zugrunde liegt. 2 пръвыихь ] Gräzismus, πρῶτοϛ = ’erster’, aber auch ’früherer’ (Bauer, 1988, 1452); s.a. XIV:13, XV:11, XVI:2. 2 Растислав’ ] XIV:2 lautet in Hs 45: ростиславъ бо и свꙗтополкъ, кнꙗзѣ моравскїи и тꙋровскїи и всеи россїи, богомъ наꙋстими быша, совѣтъ сотвориша со кнꙗзи своими моравскими, такожде и кнꙗзь панонски’ коцлꙗкъ, велїею радостїю совѣтꙋ ихъ помощникъ имъ быстъ. и послаша къ царю михаилꙋ до цариграда кнꙗзеи своихъ, глаголюще сице, благочестивыи царю и велики кнꙗже. 2 ѹстимь ] 2: наѹчаемь 3 моравлꙗни ] InstrPlur des Einwohnernames ist moravljany, normalerweise verwechselt CH nicht /i/ und /y/. Ein i-stämmiges Adjektiv wäre seltsam und ist wegen vorgehendem морав’скы ausgeschlossen. Die Lesartenangabe bei (Grivec/Tomšič, 1960, 130) lautet 1: с боꙗрми, was sich laut (MMFH, 2: 98) hierher bezieht. Aus den dortigen Angaben läßt sich schließen: 4 Hs haben den Text wie CH, 1 Hs hat mit Konjunktion: с кнези своими и муравлѧне, 1 Hs hat: с кнези своими и с боꙗрми, MMFH selbst hat im edierten Text: с кнези своими и с моравлѧны. 4 людемь ] aksl. plurale tantum
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VC XIV
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жещемь, ѹчителꙗ не имамы такого, иже ни бы въ свои ѥзыкь истѹю вѣрꙋ христїан’скꙋю сказаль, да се быше и ины страны зреще подобили намь. 4. то посли ны, владыко, епископа и ѹчителꙗ такого. 5. ѡть вась бо на в’се страны добрь законь исходить.”
5 иже ни бы ] Wörtlich ’welcher nicht würde [verkünden]’. Die klitische Verneinungspartikel wird üblicherweise als im Aksl mögliche doppelte Negation gelesen (’nicht einen solchen … der nicht’; vgl. Mk2:22 gr. und aksl. in (Klein, 2011, 135)), aber zugrunde liegt die (modal negierte) Satzeinleitung gr. ὃς ἂν μὴ = ’welcher nicht’ mit anschließendem Subjunktiv Aorist wie Mt 10:14 ’wer auch immer nicht [würde aufnehmen]’. Dabei steht ни in Verbindung zur Negationspartikel не im vorgehenden Hauptsatz. Das konjungierende Schema не … ни (CVB, 379) ist aufzulösen als ’nicht einen solchen … der nicht auch’. 5 въ свои ѥзыкь ] Vgl. die auf das gleiche Verb (сказати) bezogene Parallelformulierung in VM aus dem im Original lateinisch geschriebenen Brief von Papst Hadrian II.: съказаꙗ кънигы въ ꙗзыкъ вашь по вьсемѹ цьркъвьномѹ чинѹ испъл’нь = ’die Bücher verkündend zu euerem Volk in bischöflicher Vollmacht gemäß der kirchlichen Ordnung’ (zum Adjektiv испъл’нь als Ausdruck des lateinischen ’plenus potestatis’ siehe Daiber (2015c, 38-41)). - Die Präposition въ übersetzt gr. ἐν, εἰϛ (CVB, 126) wie in Off 9:11 ἐν τῇ[Dat] Ἑλληνικῇ[Dat, ergänze γλώσσῃ] = ’in griechischer Sprache’ (Bauer, 1988, 508) oder wie in Mk 13:10 εἰς πάντα[Akk] τὰ ἔθνη[Akk] = ’zu allen Völkern’. Wie im Gr. (Dat vs. Akk) unterscheidet auch die slav. Präposition zwischen Anzeige des Ortes (Lok) und Anzeige der Richtung (Akk). Für VM ist ’ad populum’ als Ausgang der slav. Übersetzung wahrscheinlich; in VC ist aufgrund des Akkusatives ebenfalls ’Volk’ anstelle von ’Sprache’ anzunehmen. Siehe aber die Wiederholung des Ausdruckes in XIV:9 und XIV:16, wo es mit anderer gr. Präposition eher heißt ’für eure Sprache’. XIV:16 und XVI:5 lassen über die Doppelbedeutung von ѧзыкъ ’Volk, Sprache’ keinen Zweifel. Auch gr. γλω̄σσα kann ”z. Synonymum v. φυλή, λαόϛ, ἔθνοϛ werden” (Bauer, 1988, 324), wie auch das lat. ’lingua’. 5 истѹю ] 4: истиннꙋю, 3: и св͠тѹю 6 быше ] 2: om. 6 ины ] 1: иные 6 зреще ] 15: того зрѧщи; die Endung auf -e ist ursprünglich. 6 подобили ] 2: въ нась подобетсе 6 то ] 2: да; XIV:4 lautet in Hs 45 (bis einschl. владыко im edierten Text): молимъ тꙗ, владыко, благоволи о насъ и посли намъ 7–8 страны ] 15 add.: въсегда; deutlich antifränkischer Zusatz 8 законь ] νόμοϛ heißt zwar ’Gesetz’, doch in vielen Fällen ’Norm, Ordnung’ bzw. Handlungsregel, und diese Bedeutung ist hier gemeint (Bauer, 1988, 1097).
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6. събрав’ же съборь царь и призва Костан’тина философа и сътвори слышати рѣчь сию и рече: 7. ”вѣм’ те трѹд’на сѹща, философе, нъ потрѣба ѥсть тебѣ тамо ити. 8. сїю бо рѣч’ не можеть инь никто исправити ꙗкоже ты.” 9. ѡтвеща же философь: ”и трꙋд’нь сы и бол’нь тѣломь съ радостию идѹ тамо, аще имають бꙋк’вы въ ѥзыкь свои.” 10. глагола же царь къ нѥмѹ: ”дѣдь мои и ѡтьць мои и инїи мнѡзїи искав’ше того нѣсѹть ѡбрѣли, то како азь могꙋ то ѡбрѣсти.” 11. философ’ же рече: ”то кто можеть на водꙋ бесѣдꙋ писати и
9 събрав’ ] XIV:6 lautet in Hs 45: и доидоша ко цариградꙋ божїим поспѣшенїемъ и возвѣстиша царꙋ (siehe S. 45) михаилꙋ, о какови вещи доидоша моравлꙗне. собравъ [wie ein finites Verb behandeltes Partizip = participium coniunctum] же царь соборъ со патрїархи и з болꙗри [alte Endungen des InstrPl] своими, такожде и со константиномъ философомъ и совѣщаша благо, царь же и патриархъ сътвори слышати речъ сїю всѣмъ и нача [abrupter Numeruswechsel] вѣщати ко философꙋ. 9 и ] wie oben bei събрав’ - participium coniunctum. 9 сътвори ] Die Bedeutung ’ermöglichte zu hören’ (Mk 7:37 τους κωφους ποιει ακουειν = wrtl. ’die Tauben macht er hören’) liegt zugrunde: Der Kaiser gibt Kyrill sozusagen Akteneinsicht; siehe auch eine ähnliche Konstruktion bei XV:1. 9–10 слышати ] 3 add.: его, 2 add.: и. 10 трѹд’на ] 1: трꙋдолюбива. Die Lesart ’arbeitsliebend’ ist sicher sekundär; im Lichte von XIV:1 und der folgenden Antwort geht es eher um Kyrills angegriffene Gesundheit als um seine Arbeitsbelastung. In hagiographischem Kontext kann man den topos der sich im Dienste der Wahrheit aufopfernden Lebensführung erkennen, aber der, verglichen mit seinem Bruder, relativ frühe Tod Kyrills mit 42 Jahren macht die Bemerkung auch historisch glaubhaft. 10 потрѣба ѥсть ] 4: достоитъ; ursprünglich ist wohl der Gräzismus, vgl. CVB, 489). 11 рѣч’ ] Gräzismus ’Sache, Angelegenheit’, vgl. XIV:1. 11 никто ] Reliqui cod. praeter 2: никтоже, 4 om. 11 исправити ] 1: сотворити 12 и трꙋд’нь сы и бол’нь ] 1: нѣсть трꙋда, но болень есмъ 12 съ радостию ] 15: радъ 13 бꙋк’вы ] 1: книги 13 въ ѥзыкь свои ] Gräzismus, im Unterschied zu XIV:3 übersetzt въ hier die gr. Präposition εἰϛ in der Bedeutung ’für’ wie in Mk 9:19 εἰς τοὺς πεντακισχιλίους = ’für die Fünftausend’ = Codex Marianus вь пѧть тысѫшть (CVB, 126). Ebenfalls im Unterschied zu XIV:3 ist hier ’Sprache’ eher statt ’Volk’ anzunehmen. 14 искав’ше ] 6: изыскавше 14 ѡбрѣли ] Das Verb обрѣсти (CVB, 398) wird invariant mit ’Schriftdokument’ verbunden, zwei Mal in diesem Satz, aber auch XVI:2 und steht wohl für gr. εὑρίσκω, was sowohl ’geistiges Finden aufgrund einer Erwägung … ausfindig machen, erkennen … entdecken’, als auch ’für sich finden, sich verschaffen, erlangen’ bedeuten kann (Bauer (1988, 658f.); gegenüber der 5. Aufl. von 1971 erscheint das Lemma in Bauer (1988) stark bearbeitet). Die Bedeutung ’erlangen’ für aksl. обрѣсти tritt auch klar in III:26 hervor. 15 водꙋ ] 5: водѣ 15 писати ] 8: написати, 7: исписати 15 и ] или (MMFH, 2: 100); Grivec/Tomšič (1960, 200, Anm. 8) diskutieren die hier entscheidende Lesart, ohne sie im Apparat aufzuführen, daher keine Häufigkeitsangabe.
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ѥретичьско име себе ѡбрѣсти.” 12. ѡтвеща ѥмѹ пакы царь и съ Вар’дою и ѹмомь своимь: ”аще ты хощеши, то можеть то тебѣ богъ дати, иже и даѥть въсѣмь просещимь бесѹмнѣнїа и ѡтврьзаѥть тлькѹщимь.”
16 ѥретичьско ] Im Aksl. ist das Adj. nur als Ersatzform für gr. adnominalen Genetiv τῶν αἰρέσεων (CVB, 210) bekannt und gr. αἰρετικόϛ erscheint nur ein Mal im NT (Tit 3:10). Eine Wendung wie ’προσωνυμία/ ὄνομα τῶν αἰρέσεων’ kann ich nicht finden. Die Wendung ’häretischer Name’ ist einschlägig im Sinne ”Bezeichnung für einen Häretiker”, der locus classicus steht bei Bischof Pacianus aus dem 4. Jh.: ”Christianus mihi nomen est, Catholicus vero cognomen. … Quare ab haeretico nomine noster populus hac appellatione dividitur, cum Catholicus nuncupatur” (PL, 13: 1055). 16 ѡбрѣсти ] 6: изобрѣсти; hier wie zuvor gr. εὐρίσκω ’finden, erfinden, erkennen, verstehen’. Anschließendes Fragezeichen bei Grivec/Tomšič (1960, 129) ist falsch, es handelt sich um die Feststellung einer Alternation. 16–17 и съ Вар’дою и ѹмомь своимь ] 7: съ правдою и ѹмомъ своимъ, 4: с правдою ѹмомъ, 2: и с вардою с дѧдею своимъ, 1: и с вардою дѧдею своимъ, 1: с працдою с ꙋемъ своимъ, 1 add.: и мꙋдростїю аггелскою, лꙋчше божїею. - Die Lesart ”mit Bardas” († 866) ist historisch realistisch; der wahrscheinlich originale Wortlaut ’vuj’ = ’Onkel’, welcher der Verschreibung zu ѹмъ zugrunde liegen dürfte, ist in genau einer Hs bewahrt, welche ansonsten eher zweifelhafte Lesarten bietet (52 = V, siehe VII:5 und S. 11). Die Lesarten mit дѧдъ = ’Onkel’ schließen sich sinngemäß an, können aber nicht der Auslöser der Verschreibung gewesen sein und sind sekundär. Hält man mit der Majorität an ’mit seinem Verstand [ѹмъ]’ fest, so bleibt nichts anderes übrig, als auch den Eigennamen Bardas als Verschreibung aus ursprünglichem правда = ’Wahrheit’ zu erklären, denn ansonsten ergäbe sich eine inkohärente Aufzählung. Bei ’Wahrheit’ ist die Präposition ’in’ üblich wie ἐν ἀληθείᾳ (2Kor 7:14); bei ѹмъ, welches gr. συνειδόϛ (CVB, 738) übersetzen kann, ist μετὰ τοῡ συνειδότοϛ = ’mit Bewusstsein, Gewissen’ (ich finde μετὰ συνειδήσεωϛ = wrtl. ’mit Bewußtsein’ = ’gewissenhaft’ (Bauer, 1988, 1569)) allerdings nicht ausgeschlossen. Insgesamt ist die einfache und historisch nachvollziehbare Lesart der Majorität allen anderen vorzuziehen. Der frei formulierende Zusatz einer Hs 45 ”mit der engelsgleichen Weisheit, besser mit der göttlichen” ist unter Berücksichtigung der Qualität der Lesarten der Hs in XIV:2, XIV:6 und gleich noch in diesem Satz einzuschätzen. 17 аще ] von аще bis ausschl. иже hat Hs Nr 45: аще толико схощеши, то бога милостива сотворишъ и дасть тебѣ, что требовати имешъ 17 богъ дати ] AcI 17 и ] 16: om. 18 просещимь ] 15: иже просять 18 бесѹмнѣнїа ] 14: несѹмнѣнїемъ, 2: без съмнѣнїа, 1: несьмениемъ; сѫмьнѣниѥ = ’Zweifel’ ist wegen Bibelzitat ursprünglich. Codex Marianus: аще … не ѹсѫмьните сѧ. In CH sind Präposition und Anlaut des Nomens assonierend verschmolzen (lies ’bezъ sumněnija’), ein sich bei Kopie nach Diktat gerne einstellendes Phänomen. 18 тлькѹщимь ] Codex Marianus: тлъкѫщюмѹ отвръзаатъ сѧ
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13. шьдь же философь по прьвомꙋ ѡбычаю на молитвꙋ се наложи, и съ инѣми поспѣш’никы. 14. въскорѣ же ѥ ѥмѹ богъ ꙗви, послѹшаѥ молитвь своихь рабь и абиѥ сложи писмена и начеть бесѣдꙋ писати еѵаггел’скꙋ ”испрьва бѣ слово и слово бѣ ѹ бога и богъ бѣ слово” и прочеѥ. 15. възвесели же се царь и бога прослави съ своими съвѣт’никы и посла ѥго съ дары мнѡгы, писавь къ Растиславꙋ епистолїю сице: 16. ”богъ же велить въсакомѹ да бы въ разѹмь истин’ныи пришьль и на бол’ши се чинь стежаль. 19 шьдь ] XIV:13 lautet in der Hs 45: ”по томꙋ же обычаю во полꙋнощи молитвꙋ дѣꙗше, и абїе воскорѣ послꙋшавъ молитвꙋ своего раба, отверзъ емꙋ ꙋмъ и вшедъ во храминꙋ и отверзъ кънигы и сложи бꙋквы славенскы и начатъ бесѣдꙋ писати еуаггелскꙋ”, danach noch das Zitat Joh 1:1. - Die Konstruktion šedъ (satzeinleitendes Partizip) + finites Verb ähneln dem Bibelstil wie Mt 27:42 ἀπελθὼν [PartAorist] προσπύξαθο = ’hingegangen betete er’. 19 прьвомꙋ ] Gräzismus, vgl. XIV:1. 19 се наложи ] 5: om., 3: сѧ вда, 2: се вдасть, 1 add.: во цръкви свꙗтыхъ апостолъ петра и павла. - Fehlt in 5 Hss ein finites Verb, weil diese das satzeinleitende шьдь bereits als finites Verb verstehen? Oder ist ein finites Verb (se naloži) einmal ausgefallen und wurde in nachfolgenden Hss (se vda bzw. vdast’) rekonstruiert? 19 и ] Nach Hs 1 steht vor и ein Komma, das hier ebenfalls eingefügt wird. Da bei der Konjunktion keine Lesarten auftreten, haben offenbar alle Kopisten ihre Bedeutung als ergänzend-nebenordnend ’und auch’ aufgefasst. 20 поспѣш’никы ] 1: съпоспѣшникы 20 ѥ ] 7: сѧ, 7: всѧ, 2 : om., 1: се; ’javiti sę’ = ’erscheinen’ = ’sich offenbaren’ oder ’javiti se’ = ’dieses offenbaren’? Kontextuell spezifisch wäre ꙗ (neutrum) = ”sie (die Buchstaben)” wie in CH, kontextuell unspezifisch ist всѧ (für вьсѣ), spezifisch ist auch се (als DemPron), welches wohl als Reflexivpronomen mißverstanden wurde und die reflexive Verbauffassung auslöste. - Dasselbe Problem XIV:17, nicht-reflexive Paralellkonstruktion siehe XIV:16 ’offenbarte die[Akk] Buchstaben’. 21 абиѥ ] 4: тогда 21 сложи ] 4: положь, 1: положи; ursprünglich wohl съложить < συντιθέναι ’zusammenstellen’. 21 писмена ] 2: писменѧѣ словеса (MMFH, 2: 100) 21 и начеть бесѣдꙋ писати ] 5: писаше бесѣдѹ, 1: писаша бесѣдѹ. Ein pisašę > pisaše wäre 3PsPl Aorist, vorgehende položi und načęt’ sind aber 3PsSg Aorist; pis[a]aše ist also kontrahierte 3PsSg Impf. 21 испрьва ] 7: искони, 1: исконѣ 22 ѹ ] 12: отъ; siehe im Codex Zographensis: Искони бѣаше слово и слово бѣаше оть б͠а. 23 възвесели ] Hs 45 stellt voran: возвѣсти же и патриархꙋ о сложенїи бꙋкъвъ 24 мнѡгы ] 1 (45): многими и съ царскою честїю. Die Lesart offenbar in Anlehnung an VIII:9. 24 писавь ] 4: написавъ 24 Растиславꙋ ] 6: царю 24 епистолїю ] Lehnwort, gr. ἐπιστολή ’Brief’ statt unspezifischerem γραμματίκια ’Brief’ bzw. ’Schriftstück’. Das Bedürfnis nach einem Lehnwort zeigt den Mangel einer beginnenden Schriftkultur in Termini für Textsorten. 24 сице ] 3: сицевѹ 24 же велить ] Reliqui cod. praeter Nr. 45: иже велить, 6: велить, 2: хотеи; wenn man Fokuspartikel statt anaphorischem Pronomen annimmt, bekommt der Satz zwei Teile, wie auch hier interpunktorisch durchgeführt. 25 въсакомѹ ] 3 add.: чловѣкѹ 25 истин’ныи ] 1: истовыи 25 пришьль ] 6 statt бы пришьль: прити, 4: пришли, 1: стежаль 25 на бол’ши ] 4: не облѣниши 25 стежаль ] 4: подвигъ, 3: нѹдилъ, 2: въздвигль, 1: стꙗжали, 1: стѧжати, 1: подвизалъ - сътѧжати сѧ (CVB, 673) für Inf mediopassiv κτᾱσθαι von gr. κτάομαι (Bauer, 1988, 923) ’erlangen, erwerben’ ist konstruiert mit Präpositionalphrase als Objekt на бол’ши чинь = на (CVB, 344) = ἐν (zur Angabe des Preises, Bauer (1988, 22)) + бол’ши (Komparativ als Superlativ, vgl. VI:57) + чинъ = τάξιϛ (CVB, 779), Bedeutung wie Kol 2:5) = ”erwerben um die größtmögliche Ordnung” (?). Nimmt man сътѧѕати сѧ ’sich besprechen, streiten, disputieren’ an, ergibt sich der Anschluß: на (CVB, 344) = περί (zur Angabe des Redeobjektes) = ’sich bezüglich der besten Ordnung besprechen’. Zu ’Ordnung’ siehe auch den Brief des Photios an Bulgarenkhan Boris (PG, 102: 666), auf den Grivec/Tomšič (1960, 201) im Umkreis dieser Stelle aufmerksam machen.
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видѣвь вѣрꙋ твою и подвигь сътвори нынꙗ въ наша лѣта, ꙗвль бꙋк’вы въ вашь ѥзыкь, ѥгоже не бѣ испрьва было, нъ тъкмо въ прьва лѣта, да и выи прич’тете се великыхь ѥзыцѣх’, иже славеть бога своимь ѥзыкомь. 17. и тѹ ти послахѡмь и того, ѥмꙋже ѥ богъ ꙗви, мѹжа чьстива и благовѣрна, книжна ѕѣло философа. 18. и съ прїими дарь бол’шїи и чьстнѣи паче въсако злата и сребра и каменїа драгаго и богатьства прѣходещаго. 19. подвигни се с нимь спѣшно и ѹтврьди рѣчь всѣмь срьдцемь възыскати бога ѡб’щаго спасенїа не ѡтрини, нъ въсе подвигни не лѣнити се, нъ ѥти се по истин’ны пѹт’, да и ты приведь ѥ подвигомь твоимь въ божїи разꙋмь прїимеши свою мъздѹ въ того мѣсто, и въ сь вѣкь и въ бꙋдꙋщи, за в’се дѹше хотещеѥ вѣровати въ Христа бога нашего ѡть нынꙗ и до кон’чины и паметь свою ѡставлꙗѥ прочимь родомь, подобно великомѹ царꙋ Кон’стан’тинꙋ.”
26 и ] Überflüssige Konjunktion beim Part.conjunct. 26 подвигь ] 4: съвѣтъ, 1: сподвигь 26 сътвори ] 8 add.: и 26 нынꙗ ] 2 add.: испльнитисе твоемꙋ прошенїю 26–27 въ вашь ѥзыкь ] siehe XIV:3 27 ѥгоже ] Das anaphorische Pronomen kann sich nur auf ѧзыкъ beziehen, womit dieses hier nur ’Sprache’ heißen kann. Annahme syntaktischer ad-hoc Formulierung (’quod’ statt ’quam [linguam]’; Grivec/Tomšič (1960, 201) oder ’to’; MMFH, 2: 100)) verpasst das Argument der Stelle. Ersetzung von Pl ’Buchstaben’ durch Sg ’script’, worauf dann mit ’which’ referiert werden kann (Kantor/White, 1976, 45), entspricht auch nicht der urspr. Syntax. 27 испрьва ] 3: давно, 1: дано 27 было ] бѣ было = Plusquamperfekt 28 великыхь ѥзыцѣх’ ] Gräzismus: Im Gr. kann der GenPart als direktes Objekt von ”teilnehmen, teilhaben lassen” (Thimme, 1900, 22) auftreten, elliptisch für ’teilnehmend an der Zahl der großen Völker’. 28 славеть бога ] 4: имѧ славѧть и, 2: имъ славѧть и 29 послахѡмь ] och-Aorist, vgl. Unterschied zum westslav. ech-Aorist bei Aitzetmüller (1991, 188). 29 ѥмꙋже ] 2 bis einschl. ꙗви: ѥмꙋже ѥсть богь ꙗвиль се 29 ѥ ] 11: om., 2: сѧ, 1: се, 1: всѧ; vgl. XIV:14 29 чьстива ] 14: честна 29 благовѣрна ] 6: боговѣрна 29 книжна ] Das Adjektiv - zur Wortbedeutung vgl. XV:3 - entspricht dem adnominalen Genetiv ’des (heiligen) Buches’ bzw. ’der (heiligen) Schrift’ (CVB, 301) und vermeidet die ablativische Bedeutung des aksl. Genetivs. Siehe dagegen die ablativische Bedeutung des Gen. bei бога in XIV:19. 30 ѕѣло философа ] 6: ѕѣло и философа, 3: и философа зѣло 30 прїими ] 14: приимъ 30 бол’шїи ] Komparativ = Superlativ, vgl. VI:57 und oben XIV:16. Hier ist auch gar kein Vergleichsobjekt zu sehen. 30 въсако ] Reliqui cod.: всѣкого, 4: всего 31 подвигни ] 7: поиди 31 се ] 5: om. 32 спѣшно ] 4: присно, 1: поспѣшно 32 ѹтврьди ] 14: ѹтвердити, 1: ꙋтвердите; übersetzt gr. βεβαιοῡν (CVB, 751) wie Mk 16:20 τὸν λόγον βεβαιοῦντος 32 рѣчь ] hier für ’logos’; vgl. XIV:1. 32 бога ] 1: и MMFH, 2: 101); Mit Konjunktion läß sich konstruieren възыскати бога и об’щаго спасенїа = ’suchen Gott und allgemeine Rettung’; ohne Konjunktion ist ’Gott’ als ablativischer Genetiv zu lesen: es geht nicht um ’Gottes Rettung’, sondern die Rettung geht ’von Gott aus’ bzw. ’durch ihn’. 33 не лѣнити се ] 6: не лѣнисѧ, 1: нелѣностно 34 твоимь ] 16: своимь 34 прїимеши ] 1: приимете 35 в’се дѹше ] 5: всѧ ты дѹша, 3: всѧ тѣ дѹша, 1: всѣхъ дꙋшъ 35 хотещеѥ ] Das Partizip chotę + Infinitiv zum Ausdruck der ”Ziel- bzw. Finalorientierung” mit futurischem Sinn; vgl. Večerka (1989-2003, 3: 177f.). 37 подобно ] 1: подобнѣ, 1: подобитесꙗ, 1: подобꙗ сѧ 37 царꙋ ] Siehe S. 44, vgl. mit царю in der Lesart zu XIV:15. 37 Кон’стан’тинꙋ ] Nr. 45 hat den Zusatz: абїе ꙗтсꙗ пꙋти философъ
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
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XIV 1. Während sich der Philosoph in Gott erfreute, traf schon wieder eilends eine andere Nachricht ein und eine Beschwernis, nicht geringer als die früheren. 2. Denn der mährische Fürst Rastislav hatte, von Gott aufgefordert, einen Rat abgehalten mit seinen Fürsten und den Mährern und schickte zum Kaiser Michael, sprechend: 3. ”Nachdem unser Volk sich vom Heidentum losgesagt hat und sich an das christliche Gesetz hält, haben wir keinen solchen Lehrer, der nicht auch zu seinem Volk den wahrhaften christlichen Glauben verkünden würde, auf dass auch andere Länder, 1 in Gott erfreute ] Bibelstil, etwa Ps 63:1 oder 1Thess 2:2. 2 früheren ] Der Bericht von der Entstehung des slavischen Schrifttums hat eine bemerkenswerte, unterm Jahr 898 in der russ. Chronik eingereihte Parallele (Lichačev/Romanov (1950, 217ff.), Verešová (2011)), welche bez. Namen, Regionen, Schrifterfindung und dem Gegenargument der ’Drei hl. Sprachen’ (XV:7) zu vergleichen ist. 3 Rastislav ] Stankov (2019) argumentiert, der ursprüngliche Name sei Растиць, auch wenn unklar sei, wie die sekundäre Form Растиславъ entstand. - Als späterer Zusatz lautet XIV:2 in Hs. 45: ”Rostislav nämlich und Svjatopolk, die beiden Fürsten von Mähren und Turau und der ganzen Rus’, waren von Gott aufgefordert, hielten einen Rat ab mit ihren mährischen Fürsten, desgleichen war auch der pannonische Fürst Kocljak mit größer Freude ihnen ein Helfer (bei) ihrem Rat. Und sie schickten zum Kaiser Michail zur Kaiserstadt ihre Fürsten, solcherart sprechend: ’Ehrwürdiger Kaiser und Großfürst”’, danach geht der Text mit XIV:3 weiter. - Das im Bereich der Kiever Rus’ liegende Fürstentum Turau hat im 9. Jh. schon bestanden, doch dessen Fürst war kaum Herrscher ’der ganzen Kiever Rus’ (zur Hauptstadtfrage siehe Kotysev (2011).). Desgleichen sind die Fürsten weder persönlich zum Kaiser gereist, noch haben sie diesen mit ’Großfürst’ angeredet. Die Titulatur will vielmehr eine Ranggleichheit des byzantinischen und ostslavischen Herrschersystems suggerieren. 4 und den Mährern ] Unwahrscheinlich, dass mit dem Zusatz ’und den Mährern’ im Gegensatz zu den Fürsten nun das einfache Volk gemeint sei und Rastislav eine Art ’Volksbegehren’ eingeholt habe. Die Lesarten machen die Authentizität der Stelle verdächtig, scheinen aber sekundär. Möglicherweise entsteht die Redundanz ’der mährische Fürst … mit den Mährern’ dadurch, dass es im 9. Jh. zwei mährische Fürstentümer gibt, das des Rastislav und das des Svatopluk (Senga, 1982), und der Autor von VC sagen will, dass die Repräsentanten beider mährischen Völker versammelt wurden; vgl. den in diese Richtung deutenden Zusatz der Hs. 45. 5–6 christliche Gesetz ] Kyrill und Method müssen im Großmährischen Reich nicht zum Christentum bekehren, was schon die bairisch-salzburgische Mission geleistet hat. 6 zu seinem Volk ] Vgl. Komm. zum Aksl.; ’in seiner Sprache’ steht nicht da. Gesucht wird ein Lehrer, der mit dem Volk die Sprache teilt. Die Formulierung ist bedeutend als Zeichen des sich über die Sprache ergebenden Bewusstseins der Zusammengehörigkeit der Slaven, so schon Grivec/Tomšič (1960, 199f.); die Stelle würde auch ausreichen zur Widerlegung der steilen These von (Curta, 2008). Nota bene ist die im 9. Jh. noch gegebene slavische Interkomprehension Voraussetzung dafür, dass ein aus dem südslavisch sprechenden Saloniki entsandter Missionar im westslavischen Gebiet als Sprecher ’seines Volkes’ gelten bzw. Bibelübersetzungen für westslavische Rezipienten auf seiner südslavischen Sprachbasis anfertigen kann. 7 andere Länder ] Anspielung auf die kurz zuvor stattgefundene Bekehrung der Slaven im Alpenraum durch die salzburgische Mission wie in der ’Conversio Bagoariorum et Carantanorum’ berichtet, welcher Text (Wolfram, 1996 [Titelblatt 1995]) auf dem Reichstag von Regensburg 870 (s. S. 94) die Anschuldigungen des fränkischen Klerus gegen Method untermauerte (Nótári, 2014). Rastislav eröffnet dem byzantinischen Kaiser prinzipiell die Aussicht, dass die weströmische Einflusssphäre durch orthodoxe Re-Christianisierung in den jeweiligen slavischen Landessprachen weiträumig rückgängig gemacht werden könne.
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dieses sehend, uns gleich würden. 4. Schicke uns, Herr, einen Bischof und solchen Lehrer. 5. Von euch geht nämlich in alle Länder eine gute Handlungsnorm aus.” 6. Nachdem er eine Versammlung abgehalten hatte, rief der Kaiser den Philosophen Konstantin, lies die Nachricht hören und sagte: 7. ”Ich weiß, dass du beschwert bist, Philosoph, aber es besteht die Notwendigkeit, dass du dorthin gehen musst. 8. Denn diese Sache kann kein anderer ausrichten als du.” 9. Der Philosoph antwortete: ”Obgleich beschwert und körperlich krank seiend, gehe ich mit Freude dorthin, wenn sie Buchstaben für ihre Sprache haben.” 10. Der Kaiser nun redete zu ihm: ”Mein Großvater und mein Vater und viele Andere, gesucht habend, haben das nicht gefunden, wie also kann ich das finden?” 11. Der Philosoph nun sagte: ”Der [kann es finden],
8 Schicke ] Hs 16 (vgl. XIV:2) hat bis einschließlich ’Herr’: ’Wir bitten Dich, Herr, sei uns gnädig und schicke uns’. 8 Bischof ] Einerseits deutbar als Anzeige der Absicht Rastislavs, sich unter byzantinische Jurisdiktion stellen zu wollen. Andererseits deutbar als Wissen, dass im römischen Gebiet Missionstätigkeit nur von einem Missionsbischof durchgeführt werden darf; vgl. S. 92. 9 Handlungsnorm ] законъ/ νόμοϛ können das ’christliche Gesetz’ (und metonymisch dann hl. Schrift) meinen wie in XIV:3, aber hier ist offenbar ’gesellschaftlich-politisches Gesetz’ gemeint. Vgl. mit ’Ordnung’ in XIV: 16. 10 Nachdem ] XIV:6 lautet in Hs. 45: ”Und sie kamen zur Kaiserstadt mit der Mitwirkung Gottes und verkündetem dem Kaiser Michael, um welcher Sache willen die Mährer gekommen seien. Der Kaiser hielt eine Versammlung ab mit den Patriarchen und seinen Bojaren und auch mit Konstantin, dem Philosophen, und sie beschlossen Heilsames. Der Kaiser nämlich und der Patriarch gestatteten allen diese Nachricht zu hören und (der Kaiser) begann dem Philosophen zu verkünden”, danach geht der Text weiter mit XIV:7. 11 hören ] Genauer gesagt: Der Kaiser ließ Kyrill die Nachricht lesen, aber lesen ist wie die Stimme des fremden Autors hören. 15–16 Großvater ] Michael III. beruft sich genealogisch auf seinen Vater Theophilos (reg. 829-842) und auf seinen Großvater Michael II. (820-829). Der Großvater kam durch Usurpation der Thronfolge zur Macht und begründete die amorische Dynastie, er und besonders sein Sohn Theophilos sind für Sympathie mit dem Ikonoklasmus bekannt. Das Bild der harmonischen Thronfolge unterschlägt zum Zeitpunkt der berichteten Rede des Kaisers (862/ 863), dass (V:1) nach dem Tode des Theophilos seine Frau Theodora II. mit ihrem Bruder Bardas und dem Theoktistos bis zu dessen Ermordung 855 und ihrer anschließenden Verbannung in ein Kloster (856; VII:1) die Regierungsgeschäfte führte. Der Autor von VC (nach 869) erwähnt auch nicht, dass Bardas 866 von Michaels Günstling Basileios getötet wird und eben dieser Günstling durch Ermordung von Michael III. 867 selbst zum byzantinischen Kaiser wird. Der Autor von VC, garantiert ikonenfreundlich und in Kenntnis der Geschichte, enthält sich hier wie überall in VC aller Kommentare - außer im Falle der Moslems. - Zum Thema Genealogie siehe auch IX:3.
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welcher vermag in Wasser eine Rede zu schreiben oder sich einen häretischen Namen zu erfinden.” 12. Darauf antwortete ihm der Kaiser zusammen mit Bardas, seinem 18 Wasser ] Die bis zu Sophokles zurückzuverfolgende, um 800 durch mündliche Verbreitung in die arabische Literatur gedrungene und in Byzanz später auch mit magischen Praktiken kombinierte Redensart bedeutet typischerweise ’Vergeblichkeit’ (Ullmann, 1989, 5, 7, 28) und Sinnlosigkeit (vgl. Catull Carm. 70: was eine Frau einem verliebten Mann sagt, in vento et rapida scribere oportet aqua - weil es nämlich sinnlos ist, Liebesgeplauder auf die Goldwaage zu legen bzw. bleibender schriftlicher Fixierung zu überantworten). In engerem Sinne kann an Jh 8:4 gedacht werden, wo Jesus ”auf die Erde schreibt” (τῷ δακτύλῳ ἔγραφεν εἰς τὴν γῆν), um dem so symbolisierten schriftlichen Gesetz das Gesetz des Herzens gegenüberzustellen, wie dann 2Kor 2:6 resümiert ”der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig”. In der medienkritischen Kontrastierung von Schrift und mündlicher Rede begegnet die fragliche Wendung ἐν ὕδατι γράφειν schon in Platons Phaidros (276c). Bedenkt man die christliche Interpretationsmöglichkeit der platonischen Auffassung (die zusammenpasst mit dem Schriftbegriff in III:17) kommt man zu einer positiven Lesart, denn die Formulierung von VC ’eine mündliche Rede (besěda) in Wasser fixieren’ muss nicht unbedingt die Sinnlosigkeit des Versuches anzeigen, sondern enthält eine übersetzungstheoretische Reflexion. Kyrill drückt sich nicht negativ aus (’Schrifterfindung als Übersetzungsermöglichung ist vergeblich oder sinnlos wie Schreiben ins Wasser’), sondern problematisierend im Sinne Platons: eine Übersetzung gelingt dem, der den Sinn des Gesprochenen in der Schrift ’als sei es im Fluß’ (nämlich wie in einem mündlichen Gespräch) festzuhalten vermag. Vgl. zur Schrift III:17 oder gleich oben XIV:6, zu бесѣда als mündlicher Rede VIII:15, und Kyrill übersetzt dann folgerichtig in XIV:14 eine бесѣдꙋ. - Der Autor von VC bemüht sich, Kyrill mittels der rhetorischen Figur des Adynaton (Ueding, 1992, 139-141) als Gelehrten auftreten zu lassen; vgl. dazu auch XII:1-6, 7-9. 18 oder ] CH hat koordinierend ’und’; die alternierende Konjunktion ist hier nach Lesarten eingesetzt. - Versteht man die beiden Teile von Kyrills Rede ’ins Wasser schreiben’ und ’sich einen häretischen Namen finden’ als Alternation zwischen gelingender und mißlingender Erfüllung der Aufgabe, ist ’oder’ erfordert. 18 häretischen Namen ] Ševčenko (1964, 230) erklärt die Antwort Kyrills damit, dass für einen Byzantiner des 9. Jhs. die Überlegenheit der gr. Sprache und Kultur gegenüber barbarischen Kulturen fraglos gegeben gewesen sei (vgl. auch VI:53), weshalb es bemerkenswert sei, dass sich ein Grieche - Kyrill zur Verschriftlichung eines barbarischen Idioms herablasse. Kyrills Verteidigung der slavischen Liturgiesprache könne verstanden werden as ”a plea for equality of all men, whether they were barbarians or speakers of the three ’God-made’ languages, Hebrew, Latin, and Greek”. Voraussehend habe Kyrill verstanden, dass eine Missionierung ohne Schrift vergeblich sei und eine Missionierung in ’barbarischer’ Sprache dem Missionar den Vorwurf des Häretikers einbringen werde. Wenn man die Sprachfrage differenziert betrachtet, läßt sich Ševčenkos Ansicht nicht halten. Verschriftlichung allein trägt niemandem den Vorwurf der Häresie ein, sondern nur falsche Wiedergabe des theologischen Sinnes. Auch Wulfilas (siehe XVI:8, Komm. zur Übers.) in Byzanz gut bekannte Bibelübersetzung ins Gotische wurde niemals wegen ihrer Schriftlichkeit ’häretisch’ genannt. - Wegen des Ausdrucks ”häretischer Name” fassen einige Übersetzer den ganzen Satz als rhetorische Frage auf (was er nicht sein muss) mit einer versehentlich in den Abschriften untergegangenen Verneinungspartikel (was allerdings nicht unmöglich ist): ”otherwise who can write on water and not acquire name of a heretic” (Ilievski, 2002/ 2003, 154, Anm. 2). - Die genannten Erklärungen übersehen die Idiomatik der Wendung: ”sich einen Namen (er)finden” heißt, ’als erster mit diesem Namen genannt werden’ bzw. sich ’als erster’ mit diesem Namen nennen. Konzeptuell steht nicht allgemein biblisches ”και ποιησωμεν εαυτοις ονομα” = ’wir wollen uns einen Namen machen’ (Gen 11:4) dahinter, sondern spezielles ”invento nomine (…) ’mit einem zuerst empfangenen namen’ ” (Laistner, 1888, 335) genannt werden. In VC ist also gemeint: ’Entweder gelingt die Übersetzung und kann den Sinn der lebendigen Rede festhalten, oder sie mißlingt und ich wäre der erste, dessen Bibelübersetzung häretisch genannt wird.’
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Onkel: ”Wenn du willst, dann mag sein, dass Gott es dir gibt, der allen ohne Zweifel Bittenden gibt und den Anklopfenden öffnet. 13. Der Philosoph ging hin und verlegte sich gemäß seiner früheren Gewohnheit auf das Gebet, auch zusammen mit anderen Mitstreitern. 14. Schnell offenbarte ihm Gott dieses, der das Gebet seiner Knechte erhört, und unverzüglich stellte er die Buchstaben zusammen und begann, die evangelische Rede zu schreiben ”anfänglich war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort” und so weiter.
20 Onkel ] Übersetzung nach einer Lesart, vgl. Komm. zum Aksl. 20 ohne Zweifel ] Mt 21:21 ἐὰν … μὴ διακριθῆτε ’wenn ihr (beim Beten) nicht zweifeln würdet’. 21 Anklopfenden ] Mt 7:7 κρούετε, καὶ ἀνοιγήσεται = ’klopfet, und es wird geöffnet’. 22 Der ] XIV:13 lautet in Hs 45: ”Gemäß diesem Brauch verrichtete er zur Mitternacht ein Gebet, und unverzüglich schnell erhört habend das Gebet seines Knechtes, öffnete [Gott] ihm den Verstand und er [Kyrill] ging in seine Kammer und öffnete die Bücher und stellte die slavischen Buchstaben zusammen und begann die evangelische Rede zu schreiben”, danach das Joh-Zitat. - Der Autor des Zusatzes stellt Kyrill als strengen Mönch vor, der auch die nächtlichen Stundengebete beachtet. Dies ist zu vergleichen mit den sekundär eingesetzten Stundengebeten in XV:2. 22 früheren Gewohnheit ] Siehe VIII:12 und VIII:15, wo Konstantin nach vorgehendem Gebet linguistische Probleme löst. Unter ’Gebet’ sind nicht unbedingt Bitt- oder Dankgebete verstehen (wie das Hs 45 meint), sondern Beten ist in der Antike und besonders in philosophischen Kreisen eher eine ontologische Meditation; siehe die Beiträge in Dillon/Timotin (2016) und Hoffmann/Timotin (2020). 23 auch ] Vgl. Komm. zum Aksl. 23 anderen ] Aus der Bemerkung, dass Kyrill Mitarbeiter hatte, folgern einige (Grivec/Tomšič, 1960, 201), die politisch brisante, weil in Konkurrenz zum westfränkischen Reich stehende Mission bei den Westslaven wäre schon länger in Byzanz vorbereitet gewesen; vgl. auch die Formulierungen in XIV:3 und XIV:6. Warum aber sollte ein Professor und hoher, in Vertretung des Kaisers reisender Diplomat nicht Mitarbeiter haben, ohne dass deshalb auf einen lange geplanten Arbeitskreis geschlossen werden muss? 24 dieses ] Komm. zum Aksl., es ist stilistisch nicht passend, die Konstruktion reflexiv aufzufassen und Gott persönlich vor Kyrill erscheinen zu lassen (Kantor/White, 1976, 45); MMFH, 2: 100) übersetzt ebenfalls die reflexive Konstruktion und weicht in die Formulierung aus ’dal mu zjevení Bůh’. 24–25 Buchstaben ] Kyrill entwirft eine phonologische Schrift, die glagolitische. Die Buchstabenform wird in der Regel symbolisch (bestehend aus Kreuz, Kreis und Dreieck), vereinzelt geometrisch (Vereščagin, 2010), oft aber in Abhängigkeit von anderen Alphabeten (bes. armenisch, Jung (2013)) erklärt; vgl. Ėduardovna Granstrem (1955), Eckhardt (1963), Tkadlčík (2000), Ilievski (2002/ 2003), Marti (2005). 25 Rede ] Mit Joh 1:1 beginnt das byzantinische Evangelistar / Aprakosevangelium (Grivec/Tomšič, 1960, 201), aber das Zitat passt auch symbolisch zum Kontext. Die Lesarten lassen fragen, ob es ursprünglich nicht kürzer hieß: ’stellte mit Hilfe von/ mittels Buchstaben die evangelische Rede zusammen’, was besser zum antiken Sprachdenken passt, welches Schriftlichkeit und Mündlichkeit nicht trennt, sondern nur die beim Lesen wieder zum Laut werdende Rede kennt (siehe schon III:17). Daher steht in VC ’evangelische Rede’, nämlich mündlich erklingendes Sprechen, und nicht ”text evangelia” (MMFH, 2: 100) oder ”language of the Gospel” (Kantor/White, 1976, 45). Siehe auch das Bedürfnis des Zusatzes zu XIV:15, die Erfindung der Schriftlichkeit als mediales Ereignis, nicht nur als Erfindung eines Hilfsmittels zur mündlichen Mission zu betonen.
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15. Der Kaiser nun freute sich und rühmte Gott mit seinen Räten und entsandte ihn mit vielen Geschenken, geschrieben habend an Rastislav einen Sendbrief wie folgt: 16. ”Gott befiehlt jedem, dass er zu wahrer Einsicht komme und sich über die größtmögliche Ordnung bespreche. Euren Glauben gesehen habend, vollbrachte er nun zu unserer Zeit einen geistlichen Sieg, offenbarte Buchstaben für eure Sprache, welche es früher nicht gegeben hatte, sondern nur zu den ersten Zeiten, damit auch ihr zugezählt werdet den großen Völkern, die Gott in ihrer (eigenen) Sprache rühmen. 17. Und hier haben wir dir auch den geschickt, dem Gott alles offenbarte, einen ehrbaren und rechtgläubigen Mann, einen großen Philosophen der Heiligen Schrift. 18. Und dies nimm als größtes Geschenk und ehrwürdiger als alles Gold und Silber und Edelstein und vergänglichen Reichtum. 19. Mache dich eilends auf mit ihm und befestige das Wort mit ganzem Herzen, die von Gott ausgehende allgemeine Rettung zu suchen verwirf nicht, sondern bewege alle, nicht müßig zu sein, sondern sich auf den wahrhaften Weg zu machen, damit auch du, sie durch deine Anstrengung zur göttlichen 27 Kaiser ] Hs 45 stellt XIV:15 noch den Zusatz voran: ”Er [wohl der Kaiser] berichtete auch dem Patriarchen von der Erfindung der Buchstaben [und] 28 Sendbrief ] Im aksl. ein Lehnwort, wohl um im Unterschied zu allgemeinem ’Brief’ ein offiziell-diplomatisches Schreiben zu bezeichnen. 29 wahrer Einsicht ] 1Tim 2:4: ὃς πάντας ἀνθρώπους θέλει … εἰς ἐπίγνωσιν ἀληθείας ἐλθεῖν = (Gott), ’der alle Menschen will … zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen’ (AcI), bereits zitiert in VC 1:1. 29–30 die größtmögliche Ordnung bespreche ] Vgl. Komm. zum Aksl., die Übersetzungen schwanken; hier wird als Gräzismus übersetzt, damit der Doppelsinn erhalten bleibt, dass unter ”größter Ordnung” sowohl das christliche Heilsgeschehen, wie auch die politische Verfassung von Byzanz gesehen werden kann (vgl. XIV:3). 31 für eure Sprache ] Syntaktisch nicht anders wie XIV:3 oder XIV:9, eine Übersetzung ”für euer Volk” wäre nicht unmöglich, aber das folgende Relativpronomen ’welche’ läßt sich sinnvollerweise nur auf Sprache beziehen: ’Sprache’ ist im Unterschied’ zum ’Dialekt’ das grammatikfähige, regelgeleitet zu verschriftlichende linguale Ausdrucksmittel; vgl. zum Unterschied ’Sprache’ und ’Dialekt’ und seine grammatographischen Konsequenzen Daiber (2014) und Daiber (2015b). 31 welche ] Im Aksl. Sg., also auf ’Sprache’ zu beziehen! - Die befremdliche Bemerkung, es habe diese ’Sprache’ früher nicht gegeben, ist in der Sprachtheorie des MA zu verstehen, dass nämlich durch die Verschriftlichung das Slavische nun ’Sprache’ wird; der früher nicht verschriftlichte ‘Dialekt’ tritt nun in den Kreis der bereits ’zu den ersten Zeiten’ (s.u.) verschriftlichten Dialekte = Sprachen. Das Argument formuliert die Bedeutung der Schriftlichkeit, wie sie auch XV:7 zugrunde liegt, dort jedoch nicht integrierend, sondern exklusiv verwendet wird. 32 zu den ersten Zeiten ] Zu bedenken ist das grundsätzlich ahistorische Sprachverständnis der Antike, welche sich Sprachveränderung als allmähliche Aussprache- und Nachlässigkeitsverderbnis uranfänglicher Menschheitssprachen vorstellt. Die ’ersten Zeiten’ sind die in den Bibelsprachen ’rein’ repräsentierten Idiome, deren (klanglich begründete) Etymologie - die zentrale linguistische Methode des Mittelalters (Copeland/Sluiter (2009), aruss. Keipert (1988)) - direkt auf das Bedeutungskonzept verweist. 34 haben ] Im Aksl. Faktizität anzeigender Aorist. 35 Philosophen ] Philosophie ist Theologie: Sic enim creditur et docetur quod est humanae salutis caput, non aliam esse philosophiam, id est sapietiae studium, et aliam religionem (Augustinus, 1983, 18); vgl. IV:10. 35 Heiligen Schrift ] Vgl. Komm. zum Aksl. 37 Mache dich eilends auf ] Vgl. Deut 9:12 37–38 befestige das Wort ] Mk 16:20; ein Anklang an den Missionsauftrag im NT. 38 mit ganzem Herzen ] Mk 12:13 ἐξ ὅλης τῆς καρδίας σου = wrtl. ’aus deinem ganzen Herzen’. 38 von Gott ausgehende ] Vgl. Komm. zum Aksl.
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Einsicht gebracht habend, deinen Lohn empfangest an Stelle ihrer sowohl in dieser Zeit als auch in der künftigen, für alle Seelen, die an Christus unseren Gott glauben werden jetzt und bis zum Ende [der Welt] und so dein Andenken lassend allen übrigen Geschlechtern, vergleichbar dem großen Kaiser Konstantin.”
41 Lohn empfangest ] Biblisch, etwa Kol 3:24. 41 ihrer ] nämlich der Anstrengung; Kantor/White (1976, 45) lassen die seltsam im Satz platzierte Wendung aus, MMFH, 2: 101) vorgerückt ’za to’, KO, 3: 136) vorgerückt срещу това. 43 werden ] Vgl. Komm. zum Aksl. 44 Konstantin ] Grivec/Tomšič (1960, 201) weisen auf eine Parallelformulierung in einem Photios-Brief an den bulgarischen Khan Boris hin: ”quo ad Constantini illius Magni actiones subveharis” = ’dass du dadurch zu den Handlungen des bekannten Konstantin d. Gr. hingeführt werden mögest’ (PG, 102: 659). Hs 45 hat den Zusatz: ”Unverzüglich machte sich der Philosoph auf den Weg.”
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XV 1. Дошьдьшꙋ же ѥмѹ Моравы, съ великою чьстию приѥть ѥго Растиславь и ѹченикы събравь и въдасть и ѹчити. 2. въскорѣ же въсь црьковныи
1 Моравы ] Das Präfix von до-шеьдшꙋ gilt zugleich als Präposition. 1 съ ] Hs 45 hat für den Rest von XV:1: прїꙗли его кнꙗзїе ростиславъ и свꙗтополкъ во свои палати его воведоша и великꙋю честъ [sic] емꙋ даша. онъ же совѣщалъсꙗ со кнѩзи да быша емꙋ ꙋченикь собрали да врꙋчитъ имъ бꙋквы в наꙋченїе. 2 събравь ] Manche Hss trennen hier interpunktorisch, siehe etwa Nr. 1 in Kantor/White (1976, 44). 2 въдасть ] Vgl. bei XIV:6; offenbar auch hier ’lassen, gestatten’, nun aber von gr. δίδωμι (Bauer, 1988, 387ff.). Weil der Gräzismus den slav. Abschreibern nicht verständlich war, ergänzen sie in den Lesarten die dat. Erweiterung zu ’geben’ und die akk. Erweiterung zu ’unterrichten’: ’gab [ihm] [sie] zu unterrichten’, obwohl das Akk.-Objekt zu ’lassen’ (= и) bereits vorhanden war. 2 и ѹчити ] 6: ѧ ѹчити, 2: емѹ ѹчити ѥ, 1: ихь ѹчити 2 въскорѣ ] Hs 45 hat bis einschließlich наѹчи ѥ: оны же воскорѣ повѣленное имъ сотвориша и совокꙋпиша младцовъ патдесꙗтъ [sic], онъ же благослови ихъ и дасть имъ бꙋквы. овыи младци божїею благодатїю преспѣвахꙋ в наꙋченїи едины въ славенскомъ, дрꙋзии же в греческомъ да бы разꙋмѣли силꙋ книгы. и ихъ изꙋчи … . Zu grammatischen Bedeutung von сила vgl. VIII:15.
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чинь прїимь наѹчи ѥ ѹтрьници и часовѡмь и вечер’нїи и павечер’ници и 3 прїимь ] 8: преложь, 4: приложь, 1: прѣдложии, 1: преложыи; zur Konstruktion siehe auch XIII:4. Die Lesarten sind wichtig: hat Kyrill die vorgefundene lateinische Ordnung der Stundengebete ’angenommen’ oder vielmehr eine Stundendienstordnung (und dann wohl aus dem Griechischen) ’übersetzt’? Es ist wenig wahrscheinlich, dass ein späterer Abschreiber ein ursprüngliches ’übersetzen’ durch ’annehmen’ ausgetauscht hätte, und sachlich liegt jedenfalls keine Alternation vor, denn auch eine ’angenommene’ lateinische Liturgie musste übersetzt werden. Da es immer um Übersetzen geht, ist es umso verwunderlicher, dass ’übersetzen’ nicht in allen Hss steht, und daher sollte man sich fragen, was pri-imъ ’angenommen habend’ bedeuten soll. Als Gräzismus wäre es die wörtliche Übersetzung von προσ-δέχομαι ’bereitwillig annehmen, sich nicht entziehen’ (Bauer, 1988, 1426), was bedeutet, dass Kyrill sich der vom Salzburger Klerus bereits eingeführten Liturgie nicht entgegenstellte. Diese Lesart passt allerdings nicht zur Anschauung, Kyrill sei ein Gefolgsmann des katholikenkritischen Photios bzw. zum Gegensatzschema Ost-West bzw. orthodox-katholisch. 3 наѹчи ] Beachte die teils in CH, teils in den Lesarten bei часовѡмь, годинамъ/ годинѣ usw. auftretende dativische Endung. Die Dative sind kein Zufall, sondern folgen der originalen gr. Rektion. Syntaktisch liegt nicht gr. διδάσκω ”lehren” mit Akk der Person und Akk der Sache zugrunde (Bauer, 1988, 386), sondern wohl gr. παιδεύω ”erziehen, lehren, ausbilden” mit Akk der Person und Dat der Sache (zum Verb s.a. IV:19). Der Gräzismus gestattet, zwischen späteren Zusätzen (die im Akk stehen, weil sie in der aksl. Übersetzung, учити folgend, nachgetragen wurden) und primären Formulierungen (im Dat, weil dem originalen gr. παιδεύω folgend) auszusondern. Dadurch ergibt sich folgende, von den Adjektiven gestützte Formulierung: Kyrill unterrichtete die Schüler im ѹтренѣ годинѣ = morgendlichen Stundendienst, im обѣднѣи = mittäglichen und вечернѣи = abendlichen Stundendienst und in der таинѣи слѹж’бѣ = im mystagogischen Dienst (Eucharistie). 3 ѹтрьници ] 7: ѹтренїи, 3: ѹтренѣ; gr. ὄρθροϛ ’Morgendämmerung’, lat. matutinalis (hora) ’Morgenstunde’; beachte unter den Lesarten den DatSg ѹтренѣ. 3 и ] Die Konjunktion ist überflüssig; beachte, dass in den Lesarten vorausgehendes ѹтренѣ mit dem и zu genau der bestimmten Dativendung -ѣи kommt wie die folgenden Adjektive. Erklärung: Ein wohl ostslavischer Abschrieber analysierte statt Adjektiv ѹтренѣи ”morgendlich” vielmehr Nomen утреня ”Morgengottesdienst” + Konjunktion и, woraus sich dann auch das Numerusschwanken beim folgenden Nomen ergibt, denn versteht man nicht die singularische Konstruktion ’morgendliche Stunde’ wird daraus ’Morgengottesdienst und die (übrigen, Plural) Stunden’. 3 часовѡмь ] 6: om., 5: годинамъ, 4 add.: и обѣднѣи, 3: годинѣ, 2: часовъ; beachte, dass weder CH noch eine der Lesarten einen Akk aufweist. - Die Übersetzung von gr. ὥρα ”Stunde” als messbarer Zeitspanne (Bauer, 1988, 1771) ist година (CVB, 173), nicht часъ, das den (passenden) Augenblick bezeichnet (CVB, 776); s.a. VII:3. ’Hodina’ ist auch in den westslavischen Sprachen in der Bedeutung ’Stunde’ erhalten geblieben, kann als Moravismus gelten, ist jedenfalls das ursprüngliche Wort. - nota bene: Zu lesen ist nicht das Nomen обѣдня als metonymische Bezeichnung ’Mahlfeier’ für ’Liturgie’ (wie aruss. обѣдънꙗ = обѣдънꙗꙗ литургия Sreznevskij (1989, 4: 586)), sondern die adjektivische Bedeutung обѣдняя година ’Essens-stunde’ wie schon VII:3. Ein aksl. Nomen обѣдьнꙗꙗ = slavná mše belegt SJS, 502) nur mit dieser einen Stelle aus VC und gibt zur Stützung - unter Verweis auf das ähnliche, aber ebenfalls irrige Argument in Grivec/Tomšič (1960, 202 FN 4) - an, dass eine Abschrift der (fraglos alten) Wenzelsvita aus Novgorod des 16. Jhs. ein обѣднѧа verwendet, was eine andere aruss. Abschrift des 16. Jhs. dann in литургиѧ verändert habe (siehe zu den Siglen ebd. LXIX). Dass im aruss. Sprachgebiet die metonymische Verschiebung ’Messe > Mahl (-feier)’ schließlich zur dominanten Bedeutung des Wortes wird, kann kein Kriterium für das Aksl. sein. Der spätere Sprachgebrauch lizenziert nicht, eine adjektivische Reihung in einem der frühesten Texte durch Annahme eines Nomens zu verdunkeln, damit man ’Kyrill hat die Liturgie übersetzt’ zwei Mal lesen kann, denn nachher kommt es im Klartext. Vielmehr geht es hier um das ’mittägliche Stundengebet’ und der Eintrag in SJS ist m.E. zu korrigieren.
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таинѣи слѹж’бѣ. 3. и ѡтвръзоше се пророчьскомꙋ словесе ѹшеса глѹхыихь и ѹслышаше книж’наа словеса и ѥзыкь ꙗсьнь бысть гѹгнивыихь. 4. богъ же възвесели ѡ семь, а дїаволь постыдѣ. 5. растещꙋ же божїю ѹченїю, злы завистивыи испрьва трыклеты дїаволь, не трьпе сего добра, нъ въшьдь въ своѥ съсѹды и начеть мнѡгыи въздвизати, глаголѥ имь: ”не славит се богъ ѡ семь. 6. аще бо би ѥмѹ сице годѣ было, то не бы ли могль сътворити, да быше и сїи испрьва писмены пишꙋще бесѣды своѥ славили бога? 7. нъ трїи ѥзыкы ѥсть тъкмо избраль: ѥѵвреискыи и грьч’скы и латин’скыи, имиже достоить богѹ славꙋ въздати.” 8. бѣхꙋ же се глаголюще латин’сцїи съпричестници, арїереи и ѥреи и ѹченици. 9. и брав’ же се съ ними ꙗко Давидь съ иноплемен’никы, книж’ними словеси побѣждь
3 вечер’нїи ] 3: вечернѣи, 2: повечерници; möglich von gr. ἑσπέρα wie von lat. vespera ’Abend’; beachte den DatSg вечернѣи. 3 павечер’ници ] Übersetzt eher gr. ἀπόδειπνον (’nach dem Abendessen’) als lat. completorium (Dvorník, 1970, 123); keine Lesarten außer eben Akk., also von учити regierter und daher späterer Zusatz. 4 слѹж’бѣ ] Dativ. - Hs 45 fügt hinzu: и тамо остави и инии ꙋченїꙗ грамматикїю и мꙋсикїю. пребысть тамо во моравѣ мѣсꙗцеи четиридесꙗть и абїе по пророческ’мъ словꙋ исполнилсꙗ. 4 се ] Omnes add.: по 4 ѹшеса ] 4: ѹши 5 и ] 10: om. 5 ѹслышаше ] 8: ѹслышатъ, 1: ѹслышати, 1: ѹслꙋшатъ 5 книж’наа ] Das Adjektivs auch XIV:17, hier eindeutig auf die (Heilige) Schrift zu beziehen. 5 гѹгнивыихь ] Für gr. μογιλάλοϛ (CVB, 181), wörtl. ’mit Mühe redend’, aber LXX: αἱ γλῶσσαι αἱ ψελλίζουσαι = ”the stammering tongues” (Pietersma/Wright, 2007, 848), nicht in ZachPar. 6 възвесели ] 9: сѧ възвесели, 3: възвеселисе 6 семь ] 9 add.: вельми 6 постыдѣ ] 10 add.: сѧ, 2 add.: се; ursprünglich ohne Reflexivpronomen, Gräzismus: αἰσχύνω hier wie in LXX ’beschämt werden’ (Bauer, 1988, 48). 7 завистивыи ] 4: завистникъ, 2: завистливыи 7 трыклеты ] 15: om., 2: трьклетїи 8 съсѹды ] Für gr. ἀγγεῖον; ”seit Hippokrates übertragen für Leib” (Bauer, 1988, 11). 8 въздвизати ] 6: взимати 9 ѡ семь ] Zugrunde liegt gr. ὑπο bzw. ὑπέρ zur Bezeichnung des ursächlichen Grundes, jedoch ist die Kasusrektion nicht wie im Gr. der Genetiv. Vgl. auch II:5. 9 годѣ ] 2: ѹгодно 10 то ] 15: om. 10 и сїи ] 15: om. - Die Auslassung scheint ursprünglich, vgl. Kommentar zum dt. Text. 10 писмены ] 6: писаниѧ, 3: писали, 2: писмена 12 грьч’скы и латин’скыи ] 11: om. 12 имиже ] 11: имже 12 богѹ славꙋ въздати ] 2: славѹ богѹ подобно въздаати ѥсть. Die Lesarten nehmen vorgehendes достоить als Ende eines elliptischen Satzes und bilden einen Satz zusätzlich. 13 съпричестници ] 15 om. - Übersetzt gr. συγκληρονόμοϛ (Bauer (1988, 1544), CVB, 666)) wie in Eph 3:6 εἶναι τὰ ἔθνη συνκληρονόμα = ’es sind die Völker Miterbende’, nämlich der Verheißung des Evangeliums. Das gr. Wort ist morphologisch ein Adj., das normalerweise substantiviert gebraucht wird. 13 ѹченици ] 4 add.: ихъ. 6 add.: латиньсцїи и фражестии, 1 add.: и прѹчьстїи, 1 add.: и съ прочими ѹчители, 1 add.: и прочыи 13–14 брав’ же се ] 8: собравшесѧ, 1: бравьшесе, 1: браше же сꙗ, 1: собраша сѧ; wohl Gräzismus für λαμβάνω (Bauer, 1988, 942) wie dt. ’es mit jdm. aufnehmen’. 14 книж’ними ] zur Morphologie vgl. XIV:17. 14 побѣждь ] 7: побѣжаꙗ, 1: побеждаꙗ; archaischer Wurzelaorist, aber PPraesakt ist gut möglich, da noch ein finites Verb folgt.
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ѥ, нарече ѥ триѥзычникы, ꙗко ”Пилатѹ тако написавшꙋ на титлѣ господи”. 10. не тькмо же се ѥдино глаголахꙋ, нъ и иномѹ бесчьстию ѹчахꙋ глаголюще, ꙗко под землѥю живꙋть чловѣци вельглавы и въсь гадь дїаволꙗ тварь ѥсть, и аще кто ѹбиѥть змїю, ѳ͠ грѣхь избѹдеть тоѥ ради. аще чловѣка
15 триѥзычникы ] 3: на четыре ꙗзычники, 1: на четыре ѧзыки; die absurden (denn wo war jemals von ’vier’ Sprachen die Rede?) Lesarten zeigen, dass VC ursprünglich gr. geschrieben war. Die Zahl ”3” ist im gr. Alphabet dem dritten Buchstaben (Alpha-Beta) Gamma zugeordnet, der im glag. Alphabet (az-buki-vede) als Glagol aber an vierter Stelle die ”4” bedeutet, im kyrillischen Alphabet bezeichnet /g/ wieder die Drei. Die Lesarten können also nicht beim Übergang Glagolica > Kyrillica zustandekommen, sonder nur beim Übergang vom Griechischen ins Glagolitische durch mechanische Buchstabentranslation. Ursprünglich stand gr. offenbar eine spielerische Assonanz wie ’γ γλῶσσαι’, wobei das gr. Subst auch synonym für ’Ethnos’ bzw. (heidnisches) ’Volk’ wie auch für (mystische) ’Rede’ stehen kann (Bauer, 1988, 324). Kyrill hat offenbar eine ironische Bezeichnung gebildet. 15 ꙗко ] ’jako recitaticum’ leitet ein Redereferat ein, welches das typischerweise von jemandem Gesagte formelhaft zusammenfasst; vgl. Daiber (2009), Daiber (2013a). 15 Пилатѹ тако написавшꙋ ] DatAbs, Gräzismus: der gr. GenAbs erscheint zuweilen als vollwertiger eigener Satz (vgl. Hebr 8:9 oder 1Petr 4:1), der nicht mit einem Element eines anderen Satzes korreliert. Zum Problem des frequenten, aber dennoch ”irregulär” genannten gr. GenAbs siehe Fuller (2006). Man hat bei der Konstruktion in VC das Gefühl, als würde nur der Vordersatz des offenbar immer wiederholten Argumentes der Dreisprachler zitiert. 16 ѥдино ] Gräzismus: Das Neutr. μόνον wird gr. auch als Adv ’nur, allein’ gebraucht (Bauer, 1988, 1068). 16 глаголахꙋ ] Imperfekt; sie ’pflegten zu sagen’, was an jako recitativum in XV:9 anknüpft. 16 бесчьстию ] 6: бещиниюще, 4: вещию, 2: бещинью, 2: бесчинїю, 1: безчынꙋ; der Dat der Sache beim Verb ’lehren’ ist gräzisierend; vgl. XV:2 und Anagnostopoulou/Sevdali (2015). 17 под ] Möglicherweise ein Latinismus: die Antipoden wohnen ὕπω γίῶ bzw. ”infra terram” (Achillis Tatii Isagoge in Arati Phaenomena, zit. in Petavius (1630, 155)) = ’unter’ (unterirdisch) bzw. ’unterhalb’ (auf der Gegenseite), letzteres ist hier gemeint. 17 вельглавы ] 3: велеглаголиви 17 въсь гадь ] 4: всегда, 2: въсакь гадь 18 тоѥ ради ] 8: того ради 18 чловѣка ] KO 3: 105: чл͡ка; Die geringe Sühne kann sich nicht auf Totschlag eines Menschen beziehen; Mareš (1966) schlägt vor, vielmehr (das aber nur in einem apoln. Dialekt bezeugte) члькъ ’Reptil’ zu lesen, welches durch mechanisches Zusetzen eines Abkürzungszeichens leicht in die Bedeutung ’Mensch’ übergehen kann. Diddi (2015, 92) fragt, ob es einen kohärenten Textsinn habe, zwischen zwei Typen von Reptilien (гадь und члькъ) zu unterscheiden und hält die zuvor von Hamm (1962) vorgeschlagene Konjektur щрькъ < *urslav. štrьkъ ”Storch” für wahrscheinlicher. Der Kontext macht aber klar, dass das Wort verballhornt ist aus gr./ lat. scyphus = ”Kelch” mit palatalisierender Aussprache des anlautenden /c/, wie solche sowohl für mittelalterliches Latein, wie auch für dt. Dialekte bezeugt ist, Musterwort ist aksl. crьky ’Kirche’ (ESSJa, 3: 198f.).
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ѹбиѥть кто, три месеци да пиѥть въ дрѣвѣнѣ чаши, а стыклѣне се не прикасаѥ. 11. и не бранꙗхꙋ жрьтвь творити по прьвомꙋ ѡбычаю ни женитвѣ бесчьстныихь. 12. в’се же сїе ꙗко и трьнїе посѣкь, словеснымь ѡгнѥмь попали, глаголѥ: пожри богѹ жрьтвѹ хвал’нѹю и въздаждь вышнѥмꙋ молитвы твоѥ. 13. жены же юности твоѥ не ѡтпꙋсти; аще бо ю възненавидѣв’ ѡтпѹстиши, не покрїеть нечесть похоти твоѥ, глаголѥть господь вседрьжитель. 14. и съхраните се дѹхомь вашимь, да не ѡставить къждо вась жены юности своѥ, и си, их’же ненавидѣхь, творесте, ꙗко свѣдѣтел’ствова междꙋ тобою и междꙋ
19 стыклѣне ] 3: стислѧнѣ, 2: стъклѧныѩ 2: стьклнѣне, 1: стѣклѧныѩ, 1: стьклѣнѣ, 1: стькла, стъклꙗницы, 1: стеклѧнѣ; DatSgfem, siehe nächste Anm. 19–20 се не прикасаѥ ] 7: се не прикасаеть, KO 3: 105: да не прикасает се; es handelt sich um den Gräzismus συνχρῆσθαι + Dat der Sache = benützen, gebrauchen (Bauer, 1988, 1547) oder um Latinismus, nämlich ungewöhnliches couti ’gebrauchen’ + Abl (Daiber, 2021f, 45). 20 прьвомꙋ ] vgl. XIV:1, XIV:13 20 женитвѣ ] Reliqui cod.: женитвъ; im edierten Text liegt entweder eine in der Kyrillica leicht entstehende Verwechslung von ъ und ѣ vor, oder eine irrtümliche Perseveration des ungewöhnlichen Lokativs bei пиѥть въ … чаши. Tatsächlich ist der Kasus der Schlüssel zum Verständnis, siehe dt. Kommentar. 21 бесчьстныихь ] 4: безчисленыхъ, 4: бесчисленыхъ, 1: бещисленыхъ 22 ꙗко и ] hypothetischer Vergleich 22 глаголѥ ] 10: пророкѹ глаголющѹ о семъ 23 хвал’нѹю ] 4: хвалѣ, 2: хваленїа, 1: хвалы 23 молитвы ] 6: обѣты; diese Lesart könnte ursprünglich sein; Grivec/ Tomšič weisen in ihrem Apparat auf Psalterium Sinaiticum Ps 50:14: ї въздаждъ вышьнюмѹ обѣты твоѩ (Severjanov, 1922, 63) = ”Offer to God a sacrifice of praise, and pay your vows to the Most High” (Pietersma/Wright, 2007, 572). 24 ѡтпꙋсти ] 3: пѹстиши, 1: отъпѹстишы 25 покрїеть ] 5: покрыеть сѧ; die Reflexivpartikel ist nur in den ostslav. Hss vorhanden; sie wendet den Satz ins Passiv (wie in Röm 4:7 ἐπεκαλύφθησαν αἱ ἁμαρτίαι = ’die Sünden wurden bedeckt’) und versucht sekundär, den Anakoluth zwischen 2. Ps. im vorigen Satz (’wenn du verstößt … ’) und 3. Ps. im Folgesatz (’er/ sie/ es bedeckt nicht … ’) dadurch zu lösen, dass der Folgesatz vielmehr impersonal-passivisch zu verstehen sei (’er/ sie/ es wird nicht bedeckt’).Der Anakoluth, also der unvermittelte Personenwechsel zwischen Vordersatz und Nachsatz, besteht schon in LXX: ”and do not forsake the wife of your youth. But if, since you hate her, you [2. Ps] should send her away, says the Lord, the God of Israel, then impiety will cover over his [3. Ps] garments, says the Lord Almighty” (Pietersma/Wright, 2007, 821). VC zitiert aber nicht wörtlich LXX, sondern paraphrasiert im Stile des Prophetologion. Während in LXX ’Unehre die Kleider bedeckt = beschmutzt’, ist hier vielmehr zu lesen: ’Unehre bedeckt nicht die fleischlichen Lüste’. 25 нечесть ] 4: непочесть, 1: честь; die Vermeidung der Verneinung ist sekundär, um den Anakoluth aufzulösen. 25 похоти твоѥ ] AkkPl, daher richtig ’cupiditates tuas’ (Grivec/Tomšič, 1960, 203), zweifelhaft dagegen, obgleich von LXX nahegelegt, GenSg (’dass du sie verstößt, verdeckt nicht die Schande deiner Begierde, MMFH, 2: 103)). 26 да ] 15: и да 27 си ] 10: сихъ 27 творесте ] 12: творѧсте, 2: творѧще, 2: творасте, 1: твористе; kontextuell passt nur Aorist творѧсте/ творесте. 27 ꙗко ] 14 add.: богъ; hier ist ꙗко keine Subjunktion, sondern klar jako rezitativum. Der Zusatz ”Gott’ glättet den Personenwechsel zwischen 1Ps (’die ich hasse’) und 3Ps ’er bezeugt’, indem die 3Ps (’Gott bezeugt’) als Selbstbezeichnung aus der direkten Rede Gottes im Bibelstil bekannt ist (z.B. Jos 1:9), so dass der Eindruck des Personenwechsels schwindet.
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женою юности твоѥ, юже ѥси ѡставиль; и та ѡбьщница твоꙗ и жена завѣта твоѥго. 15. и въ еѵаггелїи господь: слышасте, ꙗко речено бысть дрѣвными: не сътвориши прѣлюбы; аз же глаголю вам’, ꙗко въсакь, иже възрить на женѹ похотѣти ѥи, юже прѣлюбы ѥсть сътворил’ с нѥю срьдьцемь своимь.
28 ѡбьщница ] 9: обѣщница; die Lesarten ziehen das Nomen in Richtung ’oběščat” = ’versprechen, verloben’, aber tatsächlich handelt es sich um eine gräzisierende Lehnübersetzung für και αυτή κοινωνός (< κοινός ’gemeinsam’) σου = ’und sie ist dein Genosse’ im Sinne des Teilhabers (Bauer, 1988, 893). 29 господь ] 4: господа; Grivec/Tomšič (1960, 133) vermuten, dass in den Lesarten dokumentierter GenSg ’des Herrn’ fälschlich die Abkürzung га͠ = глагола ”er sprach” auflöst; das ist möglich, aber zwischen dem allmächtigen Schöpfer-Gott im AT und seiner inkarnierten Hypostase als Christus, dem ’Herrn’ im NT, ist zu unterscheiden und der Zusatz ’Herr’, mit dem nun die NT-Zitate beginnen, ist sachlich vollkommen gerechtfertigt. Letztlich ist sowohl nominativische (’im Evangelium der Herr’) wie genetivische Konstruktion (’im Evangelium des Herrn’) möglich, wobei die nominativische Konstruktion stark als Ellipse des verbum dicendi erscheint, die genetivische Konstruktion wirkt als eine Art Überschrift natürlicher. 29 речено бысть ] 9: речено есть, 5: реченое; die letzte Lesart geht wohl auf речено е zurück mit der üblichen Abkürzung für е(сть). 29 дрѣвными ] Alle außer 4 Hss: древнимъ, древнїимь, was dem Bibeltext entspricht. Die Lesart in CH kann nur als lapsus erklärt werden. 30 възрить ] 4: възрѣвы; das Partizip macht das einleitende anaphorische Pronomen überflüssig, entspricht aber - und zwar mit Pronomen - besser dem gr. Bibeltext, dem Konstruktionen ’Pronomen + Partizip statt finites Verb’ zu eigen sind. Im gr. Text (siehe im dt. Kommentar) heißt es wrtl.: ’jeder der sehend eine Frau’. Es ist durchaus möglich, dass die Partizipialkonstruktion der Hss den ursprünglichen Wortlaut bewahrt. Im Troickij sbornik (Aruss. 13. Jh., Kazaner Universitätsbibliothek) findet sich ein vergleichbarer Gräzismus вси иже въ недузѣ сущии (fol. 61.1). 31 похотѣти ] 4: с похотїю; Lesart folgt der aksl. Bibelübersetzung 31 ѥсть сътворил ] Perfekt, im Gr. aber Aorist wie auch im Codex Marianus (Jagić, 1960, 12) сътвори. 31 срьдьцемь своимь ] 3: вь срьдьци своемь; schon Grivec/Tomšič (1960, 133) merken an, dass die Lesart der Übersetzung im Codex Zographensis (Jagić, 1879, 1954, 4) folgt. Der Instrumental ’vermittels seines Herzens’ weicht auffällig vom gr. Text ab, auch lat. in corde suo gibt keinen Hinweis.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
16. и пакы: глаголю вамь, ꙗко же пѹстить женѹ свою, развѣ словесе любодѣинаго, творить ю прѣлюбы дѣꙗти, и иже ѡтпѹщенѹю ѡть мѹжа поѥмлѥть, прѣлюбы дѣѥть. 17. апостоль рече: ѥже ѥсть богъ съчеталь, чловѣкь да не разлѹчи.
32 вамь, ꙗко ] Wie Mt 19:9 ὑμῖν ὅτι, beides nicht in Mt 5:31. 32 же ] Omnes cod.: иже, was sicher richtig ist; der Fehler entspringt vielleicht aus einer Kontamination von ursprünglichem иже аще (so auch CodMarianus in Mt 19:9 (Jagić, 1960, 66)), denn im gr. Text ist noch eine Partikel zu übersetzen. - Es liegt jako recitativum, aber nicht eine Subjunktion vor und иже steht als Relativpronomen (Aitzetmüller, 1991, 121) unauffällig am Satzanfang. Es wird offenbar nicht (vgl. aber Grivec/Tomšič (1960, 204)) im Vordersatz das ähnliche Mt 5:31 übersetzt mit satzeinleitendem Pronomen ὃς = ’wer’ (gegenüber Mt 5:32 mit satzeinleitendem Pronomen πᾶς = ’jeder’), sondern der Vordersatz stammt aus Mt 19:9. Erst ab развѣ словесе folgt der Text Mt 5:32. 32 развѣ словесе ] Gräzisierende Lehnübersetzung entsprechend παρεκτὸς λόγου = ’wegen des Grundes’ = aufgrund in Mt 5:32, während Mt 19:9 hier μὴ ἐπὶ πορνείᾳ hat. 32–33 любодѣинаго ] 4: прелюбодѣинаго 33 прѣлюбы дѣꙗти ] 6: прѣлюбодѣꙗти 33 ѡтпѹщенѹю ] 2: пѹщеннꙋю; die Partizipkonstruktion folgt dem gr. PartPerfMedium ἀπολελυμένην wie Mt 5:32 oder Lk 16:18, Mt 9:19 hier abweichend. 33 ѡть мѹжа ] nur Lk 16:18 33–34 поѥмлѥть ] 11: поиметь 34 дѣѥть ] Die Übersetzungen haben hier immer творити. 34 ѥсть ] Wegen der Übersetzung mit Perfekt eher nach Mk 10:9 (съчеталъ естъ), während der Marianus in Mt 19:6 den Aorist (съчета) ansetzt (vgl. Jagić (1960, 154, 66)). 34–35 съчеталь, чловѣкь ] 6: съчетаетъ чловѣкомъ, 4: съчеталъ чловѣка 35 разлѹчи ] 6: разлѹчаетъ чловѣекъ, 4: разлѹчаетсѧ, 2: разлѹчаеть, 1; разлѹчить; im Gr. eigentlich Imperativ.
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18. м͡ же месець створи въ Моравѣ и иде свести ѹченикы своѥ. 19. прѣѥт’ же ѥго идѹща Коц’лы, кнезь панон’скы, и възлюбль вел’ми словен’скыи книгы
36 м͡ же месець ] Hs 45 hat für XV:18-22: и тако наꙋчивъ ихъ страхꙋ и законꙋ божїю и паки ꙗтсꙗ пꙋти ко царствꙋющемꙋ градꙋ. кнꙗзи же его со великою честїю опровождахꙋ и даваша емꙋ много злата и сребра, онь же не хотꙗше не токмо злата и сребра, ни инныꙗ вещи, положивъ еуаггелское слово и без пища, но токмо испросивъ грековъ плѣненныхъ отъ обо[и]хъ девꙗть сотъ и отпꙋсти ихъ, самъ же иде пꙋтемъ, радꙋꙗсꙗ со ꙋченики своими, да ꙗвить цареви и патриархꙋ отъ плода трꙋда своего. но идꙋщꙋ емꙋ пꙋтемъ, кнꙗзь панонскии коцьлꙗкъ со своими болꙗры честь емꙋ велїю сотворъ и возлюбль велми книги словенскїа и наꙋчисꙗ отъ него и вда до тридесꙗтъ ꙋчениковъ, и мимо провождъ его и даꙗше емꙋ много богатства, онъ же не хотꙗше. егда же приходꙗше ко цариградꙋ, тамо же емꙋ во срѣтенїе патриархъ со причтомъ своимъ и со болꙗры сотвориша. дошедъ до царꙗ, велїю честь прїꙗтъ и сѣде на своемъ сѣдалищꙋ малое времꙗ, и паки на благовѣстїе ꙋтверждаетсꙗ на славенскїе страны. дошедъ же во свои градъ, аможе родивсꙗ, оттꙋдꙋ во далныꙗ страны, даже до рыма. 36 иде ] Gräzismus: ἔρχομαι ’kommen’ bzw. ’gehen’ (Bauer, 1988, 631) + Infinitiv, der den Zweck angibt = ’sich aufmachen, um etwas zu tun’. Die Semantik des unpräfigierten imperfektiven Verbs ist zu schwach, um ohne Interpretation herauszuhören, Kyrill habe sich nach Rom aufgemacht. Im aksl. Text ist weder das Ziel der Reise benannt, noch ein passendes Verb der Bewegung (’er verließ … ’, ’brach auf nach … ’ usw.) gewählt. Aksl. ’gehen’ hat hier gräzisierend eher die aktionsartliche Bedeutung des Inchoativen, was auch die unbestimmte Durativität erklärt im Gegensatz zu vorstehendem resultativem створи. 36 свести ] 11: свѧтитъ, 2: свести, 2: светити, 2: om., 1: свѧтити; wer sollte von ursprünglichem svjętiti ’heiligen’, sei es auch abgekürzt als svtiti erschienen, zu sъvesti ’weg-, hinabführen’, aber auch ’zusammenführen’ (CVB, 639) verändern? 36 ѹченикы своѥ ] 14: ѹченикъ своихъ; sekundär, der Gen.-Akk. ist für belebte Maskulina im Aksl. nicht generalisiert; s.a. плѣн’никы in XV:22. 36 прѣѥт’ ] 12: приꙗть, 3: прїа, 1: пр’еть 37 идѹща ] 10: идѹщь, 5: om. 37 Коц’лы ] 7: Коцелъ, 6: om., 2: Коцли, 1: Кочелъ, 1: Костелъ, 1: Коцлы, 1: Коцьлꙗкъ 37 панон’скы ] 4: блатеньскыи, 3: поганескъ, 2: паганескъ, 1: либрескъ 37 възлюбль ] 15: възлюби 37 книгы ] 14: бѹкви. Folgt man den Lesarten, dass Kocel ”took great liking to the Slavic letters” (Kantor/White, 1976, 49), könnte man heraushören, dass sich Kocel dafür interessiert, die Schrifterfindung auch administrativ anzuwenden.
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наѹчити се имь и въда до н͡ ѹченикьь ѹчити се имь. 20. велию чьсть ѥмꙋ сътворь, мимо проводи и. 21. не възет’ же ни ѡть Растислава ни ѡть Коц’лꙗ ни злата ни сребра ни иноѥ вещи, положивь еѵаггел’скоѥ слово и бес пище. 22. тъкмо плѣн’никь испрошь ѡть обѡю ѳ͡ съть и ѡтпѹсти ихь.
38 наѹчити ] Omnes cod. praeter 4: и наѹчисѧ 38 въда ] Gräzismus wie XV:1: gr. δίδωμι ’geben’ aber auch allgemeiner ’veranlassen’ (+ κατά!) (Bauer, 1988, 387ff.)). Daher auch kein Dat des PersPron zu ergänzen wie etwa ’tradidit (ei)’ bei Grivec/Tomšič (1960, 204). Siehe auch die Parallelformulierung (на)ѹчити се имъ in diesem Satz, wo sich das PersPron beidesmal nicht auf Kyrill (als ob es InstSg wäre), sondern auf die ’Bücher’ (DatPl) bezieht. 38 до ] Nicht limitativ ’bis zu fünfzig Schüler’ (na padesát učenniků, MMFH, 2: 105)) oder unbestimmt ’about fifty students (Kantor/White, 1976, 49), ebenso KO, 3: 137), sondern vielmehr Gräzismus: aksl. до übersetzt u.a. gr. κατά (CVB, 189), welches vor Zahlangaben distributiv (Definition bei Cable (2014, 563)) fungiert (Bauer, 1988, 826): ’zu je fünfzig’ bzw. ’fünfzig einzelne’ bzw. ’alle fünfzig einzeln’. 38 н͡ ] 5: к͡, 1: и͡ 38 ѹченикьь ] Vgl. S. 42. 39 ни ѡть Растислава ни ѡть Коц’лꙗ ] 6: отъ обою, 1: ни ѡть Растислава ни ѡть Кочела. Die Distanz zur Erwähnung von Rastislav in XV:1 macht unwahrscheinlich, dass seine Referierung mit dem Personalpronomen ’beide’ hier ursprünglich ist, eher ist Kontamination mit dem folgenden Satz anzunehmen. 40 пище ] Am ehesten für gr. ἀπόλαυσις ’Genuß der Annehmlichkeit’ (Bauer (1988, 189), CVB, 447)). 41 тъкмо ] 1: тьчїю 41 плѣн’никь ] 8: плѣньникы = alter AkkPlmask, vgl. ѹченикы in XV:18; in CH steht endungsloser GenPl wegen des folgenden Zahlwortes. 41 ѡть обѡю ] 4: ѹ обою, 1: om. 41 ѳ͡ съть ] 7: десѧть сотъ, 6: девѧть сотъ, 1: девѧти сотъ, 1: пꙋсти тысꙗча дꙋшъ; das nachgestellte Zahlwort ’900’ ist nicht Teil einer - im Aksl. dazu noch elliptischen - Apposition ’und zwar 900’ = ”(a to) devět set” (MMFH, 2: 105), sondern Gräzismus; die Nachstellung des Zahlwortes bedeutet (in der Regel, d.h. nur kontextsensitiv beurteilbar, s. Bakker (2009, 38)) Indeterminierung der Nominalphrase: ’ungefähr’.
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XV 1. Nachdem er nach Mähren gekommen war, empfing ihn Rastislav mit großer Ehre und, als er Schüler gesammelt hatte, ließ er ihn unterrichten. 2. Schnell die ganze
1 Mähren ] Die kontroversen Lokalisierungen des ’Großmährischen Reiches’ resümiert Lunt (1998), vgl. aus archäologischer Sicht Boháčová/Profantová (2014). Für den kirchlich-administrativen Zustand Großmährens bei Ankunft von Kyrill und Method siehe Jáger (2019). 1 empfing ] Hs 45 hat für den Rest des Satzes: ”empfingen ihn die Fürsten; Rostislav und Svjatopolk führten ihn in ihre Paläste und gaben ihm große Ehre. Er beriet sich mit den Fürsten, dass sie ihm Schüler sammelten, damit er diesen die Buchstaben zur Lehre übereigne.” 1 Rastislav ] Zu Großmähren und der Slavenmission siehe Bosl (1966); Rastislav († nach 870) residierte wahrscheinlich in einer stark ausgebauten Wehranlage in Staré Město bei Velehrad (ebd. 22f.). 2 er ] Syntaktisch auf Rastislav zu beziehen. 2 Schnell ] Hs 45 hat bis ”lehrte er sie” folgenden Satz: ”Sie aber vollführten schnell das ihnen Befohlene und versammelten fünfzig Jünglinge, er aber segnete sie und gab ihnen die Buchstaben. Die einen Jünglinge taten sich durch Gottes Gnade schnell hervor im Studium eines jeden im Slavischen, die anderen jedoch im Griechischen, auf dass sie die Bedeutung [siehe Komm. zum Aksl. bzw. VIII:15] des Buches verstünden. Und er lehrte sie …”.
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kirchliche Ordnung angenommen habend belehrte er sie über die morgendliche Stun-
3 angenommen ] Eine wichtige Lesart mit kontroversen Konsequenzen: Hat Kyrill die von der bairischen Mission eingeführte Stundenliturgie ’angenommen’ oder hat er vielmehr das ganze Officium ’übersetzt’, und wenn ja, welches - das römische oder das byzantinische? Dabei fragt sich, wie Kyrill einen zentralen Text der auch für Laien gedachten täglichen religiösen Praxis in Konstantinopel zu übersetzen vergessen habe und das bei Ankunft ’schnell’ nachgeholt habe. Ein pragmatisches Vorgehen, dass Kyrill die vorfindlichen lat. Strukturen mit entsprechenden Texten aus seiner gr. Tradition (dem Euchologium) abdeckt, ist durchaus möglich und impliziert nicht, dass Kyrill den lateinischen Ritus in Gänze annahm (Dvorník, 1970, 123); zu verschiedenen Positionen siehe Afanas’eva (2014, 55). Um die Kirchenordnung handelt es sich - wie auch der Kontext hier in VC klar macht - jedenfalls nicht, deren Übersetzung auf Method und seine Schüler zurückgeht (Maksimovič, 2009).- Dostál (1963, 94) beschreibt den Umfang der zu Lebzeiten Kyrills entstandenen Übersetzungen: ”Le texte de l’Evangéliarie, du Tétraévangile, le premier texte liturgique (cf. les Feuillets de Kiew), le Psautier (cf. le Psautier du Sinaï), le Proglasъ au texte de l’Evangile (témoin du texte poétique et progammatique), quelques prières non-liturgiques, peut-être le texte de l’Apôtre, et, il se peut, quelques textes juridiques furen rédigés et écrits en vieux-slave avant l’an 869 (l’année de la mort de Constantine le Philosophe - St Cyrille), ou plutôt avant l’an 867 ou antériement, tenant compte de la durée du voyage que St Cyrille et St Méthode entreprirent à Rome”, zum Umfang siehe auch - ähnlich zurückhaltend - Lukoviny (2017a), zur Übersetzungstechnik MacRobert (1991). Die einzige, sich in den folgenden liturgischen Bezeichnungen findende Lehnübersetzung aus dem Gr. - gr. ἀπόδειπνον (’nach dem Abendessen’) - ist syntaktisch als sekundär auszuschießen und taugt nicht als Argument dafür, dass Kyrill das Stundenoffizium nach der byz. Fassung übersetzt hätte, Lukoviny (2017a, 362) gibt auch zu bedenken, dass im lat. Kulturraum vielmehr das Antiphonar im Gebrauch ist ”na slávenie denno-nočného bohoslužobného cyklu”. Kyrill hat aber sicher nicht ’schnell’ das lat. Antiphonarium übersetzt, sondern höchstens noch einige Gebete, die in Kombination mit den mitgebrachten Texten - etwa Psalmen - zum Stundengottesdienst gebraucht werden konnten. 3 morgendliche ] Kyrill lehrt drei Stundenoffizien, morgens (siehe auch VIII:22), mittags und abends (Tertia, Sexta, Nona nach der ausführlichen Zählung oder Laudes, Sexta, Vesper), also die hergebrachten und ”kanonischen” (Weitzman (1999, 213), s.d. Quellennachweise) Tagzeitengebete, wie sie auch zu westlichen Mönchen, etwa Benediktinern, passen, die im Gegensatz zu asketischen Mönchsorden nicht zur Mitternacht beten und dann am Tage arbeiten können. Im 9. Jh. wurde beim Stundendienst mit seinen sieben Tag- und drei Nachtzeiten (Stadlhuber, 1950, 283f.) die Matutin ’mit den anderen nächtlichen Stunden’, nämlich den Laudes und Nocturnes zusammengenommen. In der Fassung des Breviers, wie sie von Isidor zu Cassianus und dann zu Hrabanus Maurus gelangt, werden ”die beiden wichtigsten Nachtstunden, die Nokturn (Mette) und Laudes” (Feiler, 1901, 30), wohl in Rücksicht auf Säkularkleriker und Laien, zwar genannt, aber können ”ohne Gebetspensum” bleiben. Die summarische Formulierung ’morgendliche Stunde’ dürfte den Vorgang reflektieren. Kyrill übernimmt offenbar ein pragmatisch verkürztes Stundengebet, wie es sich in der Westkirche ab dem 8. Jh. einbürgert. Grammatische Argumente für vorliegende Übersetzung siehe im Komm. zum Aksl, vgl. auch die Anm. zu XIV:13.
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de und über die mittägliche und über die abendliche und über die mystische Liturgie. 3. Und gemäß dem prophetischen Wort wurden die Ohren der Tauben geöffnet, die Worte der Schrift wurden gehört und die Sprache der Stammelnden ward klar. 4. Gott freute sich darüber, aber der Teufel wurde beschämt. 5. Während nun die göttliche Lehre wuchs, sprach der böse Neider, der uranfänglich dreimal verfluchte Teufel, welcher dieses Gute nicht ertrug, sondern in seine Gefäße fuhr und viele aufzuwiegeln begann, zu ihnen sprechend: ”Gott wird davon nicht 4 abendliche ] Der im aksl. Text erfolgende Zusatz ’und die Komplet’ ist sekundär und entfällt hier gegen CH. Er ist wohl eingesetzt von Mönchen östlicher Provenienz, die Kyrill auch in dem klar sekundären Zusatz von XIV:13 ’um Mitternacht’ beten lassen. 4 mystische Liturgie ] Das im Aksl. verwendete Adj kann ’geheim’ bedeuten, wird aber seit Beginn der Überlieferung auch für gr. ’mystikos’ verwendet (s.u.). - Trotz seines Aufsatztitels erklärt (Jakobson, 1963) nicht den Begriff, sondern sagt einfach, dass Euchologium Sinaiticum (edd. Frček (1933), Nahtigal (1941)) sei das älteste slav. liturgische Zeugnis der ’mystischen Liturgie’ (zu den slav. Texten vom Sinai siehe nun Glibetić (2013)). - Die Bezeichnung ’mystische = geheime Liturgie’ kann mit der Parallele aus VM 15:3 свѧтоѥ взношениѥ таиноѥ allgemein als ’Liturgie’ verstanden werden (Grivec/Tomšič, 1960, 202, Anm. 4), kann aber auch im besonderen deren dritten Teil, nämlich die Feier der Hl. Eucharistie, bezeichnen, welche im NT zwar nur als ”Herrenmahl” erscheint (Bauer, 1988, 346), aber in Byzanz μυστικόν δεῖπνον ”Mystisches Mahl” genannt wurde (vgl. Prolog 2 zum Kontakion auf den verlorenen Sohn in Romanos Melodos (1995, 101)). Erwähnenswert ist, dass der Cherubim-Hymnus, der die nur den Getauften erlaubte eucharistische Liturgie einleitet, in gr. (Höeg/Zuntz, 1962, 494) und lat. Texten (Gerbert, 1774, 465f.) ’hymnus mysticus (cherubicus)’ genannt werden kann, welcher Hymnus griechisch in lateinischer Transkription in den karolingischen Hss der ’liturgiae/ missae graecae’ des 9. Jhs. (Wanek, 2018, 116f.) erscheint und quasi das Kennzeichen der gr. Liturgie geworden ist. Mit dem Begriff des ’Mystischen’ verbindet sich also entweder der Gottesdienst an sich, oder, speziell, das Sakrament der Eucharistie oder, pars pro toto, der die eucharistische Liturgie einleitende Hymnus. Sicher bezieht sich der Begriff nicht auf die im liturgischen Ablauf an vielen Stellen vorgesehenen ”mystike”, als nicht laut zur Gemeinde gesprochenen Gebete von Diakon und Priester. - Der Terminus служба ist ”für die slavische Messe nach östlichem Ritus” (Birnbaum/Schaeken, 1997, 150) üblich geworden, trägt aber zur Frage, ob Kyrill ein gr. oder ein lat. Meßformular übersetzte, nichts bei, denn genausogut könnte er lat. officium wiedergeben. Der Zusatz тайнаꙗ bei den Superoblationsgebeten (secreta oratoria bzw. oratio super oblata) ist alt (ebd.). - Hs. 45 setzt hinzu: ”und dort hinterließ er auch andere Lehren, die Grammatik und die Musik. Er verweilte dort in Mähren vierzehn Monate [siehe aber vielmehr XV:18] und alles wurde nach dem Prophetenwort erfüllt.” 5 prophetischen ] Jes 35:5 und 32:4 6 Gott ] Die Welt quasi als Zweikampf zwischen Gott und dem Teufel erinnert an Eph 6:11ff.; siehe zur Formulierung auch Komm. zu XII:24. 9–10 seine Gefäße ] Gemeint sind ”Leiber”; vgl. Komm. zum Aksl.; Grivec/Tomšič (1960, 202) verweisen auf Joh 13:27 (introivit in illum Satans). - Ausgehend von der Erscheinung des Verführers in Gestalt einer Schlange (Gen 3:1) konnte die Auffassung, dass Teufel oder Dämonen (Mk 5:12f) in Menschenoder Tierleiber eingehen und in dieser Gestalt sichtbar werden, sich vielfältig in Volks- und Aberglauben verbreiten. In den ”Gesta Karoli” des Notker Balbulus, eines Zeitgenossen von Kyrill und Method, erscheint der Teufel regelmäßig in menschlicher Gestalt. Bei dem am Ende des 8. Jhs. gestorbenen Beatus von Liébana wird allerdings ausgeführt, dass nur bei bösen Menschen der böse Engel ihren Körper annehme, weil ”der böse Engel und der böse Mensch denselben schlechten Körper haben” (Goetz, 2011, 233). Dies erklärt nicht nur die possessive Formulierung ”der Teufel fuhr ... in seine Gefäße”, sondern darin liegt auch die Spitze gegen den bairischen Klerus, der vom Teufel nicht hätte besessen werden können, wäre er nicht ohnehin böse gewesen. - Grundsätzlich ist Volek (2003) zuzustimmen, dass der Autor von VC Kyrill eine rationale Theologie vortragen läßt, die aber im Begriffsrahmen des 9. Jhs. verbleibt. Zu ’Körper’ siehe auch S. 66.
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gerühmt. 6. Wenn nämlich solches ihm genehm wäre, hätte er nicht schaffen können, dass sie von Anfang an, ihre Mundart mit Buchstaben schreibend, Gott gerühmt
12 sie ] CH hat statt ”sie” betont ”auch diese”, aber der Zusatz ist zweifelhaft. Denn wenn ”auch diese” ihre Mundart von Anfang an verschriftlicht hätten, wäre umgekehrt das von Anfang an verschriftlichte Hebräische, Griechische oder Lateinische auch eine Mundart, aber genau hierin liegt das ma Argument, dass Mundarten nie verschriftlicht werden können, weshalb die einen Idiome immer schon (schriftfähige) Sprachen waren, die anderen immer (nicht schriftfähige) Mundarten bleiben. Die Logik des Argumentes liegt darin, dass die Verschriftlichung einer Mundart nicht schöpfungsgemäß ist, denn wäre sie das, wäre die Mundart keine Mundart, sondern eine Sprache und schon längst verschriftlicht worden. 12 Mundart ] Wrtl. ’(gesprochene) Sprache’, übersetzt wie bei VIII:15
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hätten? 7. Aber drei Sprachen nur hat er auserwählt: hebräisch und griechisch und lateinisch, mit diesen gehört es sich, Gott Ehre zu erweisen.” 8. Die solches Spre-
13 drei ] Die sog. ’Drei heiligen Sprachen’ sind im Bezug auf die kyrillo-methodianische Mission ein vieldiskutiertes Thema. Dabei muss aber das spezifische ma Sprachdenken (d.h. ahistorisches Denken über Sprachvarietät vor dem Beginn der historischen Sprachwissenschaft) berücksichtigt werden. Wenn keine historische Entwicklung und nur minimale (auf Aussprache beruhende) Veränderbarkeit der Sprachen angenommen wird, ergeben sich ganz andere Antworten auf die Frage, was als Sprache, was als Dialekt bzw. Mundart anzusehen sei (siehe in Bezug auf Grammatikschreibung Daiber (2014)). Außerdem wird oft angenommen, als ob die Drei-Sprachen-Doktrin eine verbreitete westkirchliche Eigenart gewesen sei, obgleich sie ”sich nicht zu einem festen Topos entwickelte” (Hille-Coates, 2000, 210). Die schon im 4. Jh. Major (2018, 108) gelegentlich aufgekommende Doktrin geht auf einen Passus in den ’Etymologien’ (lib.9, cap. 1) des Isidor von Sevilla zurück, wo es heißt: ”There are three sacred languages – Hebrew, Greek, and Latin – which are preeminent throughout the world. On the cross of the Lord the charge laid against him was written at Pilate’s command in these three languages (John 19:20). Hence – and because of the obscurity of the Sacred Scriptures – a knowledge of these three languages is necessary, so that, whenever the wording of one of the languages presents any doubt about a name or an interpretation, recourse may be had to another language. Greek is considered more illustrious than the other nations’ languages, for it is more sonorous than Latin or any other language” (Barney et al., 2006, 191). Das Argument von Isidor kann man als Argument über ’Heiligkeit’ auffassen, aber man hört auch die methodische Forderung der Exegese, ”whenever the wording of one of the languages” der Bibel Probleme aufwirft, die Formulierung in zeitgenössischen Übersetzungen zu vergleichen. Das Drei-Sprachen-Argument wird dann von Schriften, die Isidor benutzen, verbreitet, u.a. im karolingischen Umfeld bei Hrabanus Maurus (um 780–856) in seiner Abhandlung ’De universo’ (lib. XVI, cap. 1; vgl. schon Kunstmann (1841, 163, Anm. 1)) und taucht auch auf in der ”Ars grammatica des Clemens Scotus, der am Hof Karls des Großen dozierte … Ansonsten sind im außeririschen Bereich die Belege rar” (Hille-Coates, 2000, 211, Anm. 9). Dies erklärt, warum der irische Klerus von Salzburg die Doktrin vorträgt, die aber vom Papst keineswegs mitgetragen wird. - Außer expliziten Bibelstellen (etwa Mt 28:19) steht der Doktrin entgegen, dass die Mission nicht anders als in Volkssprachen erfolgen kann, was im karolingischen Reich auch reflektiert wurde. Die ”Homilia de vocatione gentium” (Ende 8., Anf. 9. Jh.) begleitet die fränkische Missionspraxis und wertet den Gebrauch der Volkssprache bei der Mission auf (vgl. auch S. 56), wobei die Homilie ”jeder Volkssprache ihr unmittelbar von Gott kommendes Recht zugesteht” Gantert (1998, 49). Die Homilie nennt die Volkssprachen die ’barbarischen’, die aber nötig sind, weil nur so ’der Wille’ des Anderen bekannt wird (”Quia homo mentis aliene nescit voluntatem, nisi ei uerbo aut aliquo ille sua indicet signo secreta”, Hench (1890, 40)) und vollzieht also die augustinische Unterscheidung zwischen dem geäußerten lingualen Zeichen und dem kognitiven verbum mentis, wodurch die tatsächlich gebrauchte Sprache relativ zu dem gemeinten geistigen Konzept sekundär wird, was als Argument nicht nur gegen vergangene Mystiker, sondern auch Ethnolinguisten einzuwenden wäre. Durch die von Johannes Scotus Eriugena angefertigte lat. Übersetzung der gr. Kirchenväter kommt übrigens im 9. Jh. die apophatische Theologie in die Westkirche (Rorem, 1993, 215). Im apophatischen Kontext, der aber kaum die fränkischen Theologen beeinflusste, kann ’heilige’ Sprache nochmals ein eigenes Argument werden. Dass aber Theologen nicht die zu Predigtzwecken angefertigte volkssprachliche Übertragung, sondern nur die originalsprachlichen Bibeltexte als Medium für theologische Argumente anerkennen, war damals wie heute selbstverständlich, wie auch Kyrills Praxis im Disput mit den Chasaren bezeugt. Das Drei-Sprachen-Argument hatte schon bei Kyrill nur philologische Relevanz hinsichtlich der exegetisch-dogmatischen Verwendbarkeit von Übersetzungen, aber keine homiletische. - Das Argument taucht in verwandelter Form nochmals auf in XVI:3.
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chenden aber waren die lateinischen Miterben, Erzpriester und Priester und Schüler. 9. Und als er es mit ihnen aufgenommen hatte wie David mit den Fremden, besiegte er sie mit Worten der Schrift, nannte sie die ’Drei-Zungenredner’ mit ihrem ”Nachdem Pilatus auf den Kreuztitel des Herrn so geschrieben hat … ”. 10. Nicht nur aber pflegten sie das zu sagen, sondern sie lehrten auch eine andere
15 lateinischen ] Im Sinne von ’… waren ausgerechnet die lateinischen Mitbrüder’: Das ist ironisch gemeint, denn die Iren sind keinesfalls ’lateinische’ Mitbrüder, sondern Latein ist ebenfalls eine Fremdsprache für sie (im Gegensatz zu den Venetianern, siehe XVI:3). 15 Miterben ] nämlich ’Miterben des Evangeliums’ (Eph 3:6). Die Tatsache, dass der Widerstand gegen die slavische Wortverkündigung aus den eigenen christlichen Reihen erfolgt, gegen die Kyrill nun wie gegen ’Fremde’ (siehe XV:9) kämpfen muss, wird mit der Bibelanspielung ironisiert. 16 David ] 1Sam 17:32ff., vgl. VI:6. 16 Fremden ] David kämpft mit den Philistern, also mit (aus jüdischer Sicht) Ungläubigen, was hier als Qualifizierung des lateinischen Klerus dem Leser zu inferieren bleibt. 17 Schrift ] Wrtl. ’mit Buchworten’, siehe schon XV:3; vgl. dagegen die ’lehrhaften Worte’ (= Kirchenväterstellen) in VIII:20 und 25. 17 Drei-Zungenredner ] Gemeinhin wrtl. übersetzt als ’Dreisprachler’, vgl. aber den Komm. zum Aksl. 17–18 Nachdem ] Im Aksl. ist die Konstruktion ein Gräzismus und zugleich eine Art elliptischer Satz, daher die der Mündlichkeit angenäherte Übersetzung. Kyrill ahmt die Rede seiner Gegner ironisch nach. 18 so ] Vgl. Joh 19:20: Die den Grund der Verurteilung angebende Tafel, die zu Häupten des Gekreuzigten angebracht war, war in Jesu Fall gr., hebr. und lat. abgefasst. Auf die Bibelstelle beziehen sich Isidor (XV:7) und seine Nachfolger.
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Unordnung, sprechend, dass unter der Erde großköpfige Menschen lebten und dass 20 Unordnung ] Übersetzung folgt den Lesarten. Die arg mißverstandenen Sätze XV:10-11 erklärt Daiber (2021f), hier können nur Hinweise gegeben werden. - Generell ist zu sagen, dass die folgenden Äußerungen dem lateinischen Klerus nicht in der von VC berichteten Form unterstellt werden können, denn nähme man sie wörtlich, wäre eine jede nicht nur anstößig, sondern häretisch. Kyrill sprach wahrscheinlich nicht gut Lateinisch (vgl. III:24, Komm.), wie das Lateinische im 9. Jh. außerhalb des römischen Klerus keinesfalls unangefochten als lingua franca herrschte (Richter, 1976). Man muss damit rechnen, dass VC XV:10-11 aus sprachlichen Gründen den lateinisch geführten Disput mit den irischen Klerikern nicht genau wiedergibt. Das klar zu sehende lat. Substrat der Stelle entspringt nicht, das sei betont, einer Übersetzungsproblematik Lat-Aksl, denn VC war nicht multilingual geschrieben, sondern das gr. Original von VC hat bereits die Äußerungen des lat Klerus nicht exakt wiedergegeben. Vielmehr verweist das unklare Referat des lat. Klerus seitens ihrer slav. Gesprächspartner auf deren defizitäres Lateinverständnis, was dann auch bedenkenswert ist bei der Frage, wer die ’Kiever Blätter’ übersetzte. Entstanden sie während der Klosterhaft Methods auf der Reichenau 870-872 mit Hilfe des lat Klerus? 20 unter der Erde ] Grivec (1960, 67 Anm. 35): ”die alte Antipodentheorie … vertrat unter anderem der gelehrte irische Glaubensbote Virgilius, Bischof von Salzburg 745-784.”, wobei auf Dujčev (1968) und Repp (1957) verwiesen wird. Die Frage, ob eine kugelförmige Erde möglich sei bzw. ob auf deren Unterseite Menschen leben, deren Füße dann einem Betrachter auf der gegenüberliegenden Kugelhälfte zugewandt wären (anti-poden), wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten bis in die Frühe Neuzeit diskutiert (Vogel, 1995). Virgilius, obgleich dessen diesbezügliche Schriften nicht überliefert sind (siehe aber zur irischen Spezifik Smyth (1985)), gilt als beredter Anhänger der Theorie (Kleinsorg, 1797, 5f). Der Missionsbischof Bonifatius versuchte, seinen Einfluss beim Papst durch zweimalige Denuntiation von Virgils Antipodenlehre zu festigen (Löwe (1951), Schmidinger (1985)). Insofern kann in VC die polemische Verknüpfung des Salzburger Klerus mit einem Häresievorwurf des vorigen 8. Jhs. und der implizite Hinweis auf den kaisernahen Bonifatius rezeptionsästhetisch gemeint sein für fränkische Leser, die in VC einen kaisernahen Gegentext zu der ’Conversio’ (Wolfram (1996 [Titelblatt 1995]), Nótári (2014)) erblicken sollten, denn die ’Conversio’ hebt auf Kosten fränkischer Ostmissionierungen die Tätigkeit der salzburgischen Mission des Vergilius sehr parteiisch hervor (Koller, 1991, 67). 20 großköpfige ] Zu den an den Rändern oder außerhalb der Ökumene vermuteten Fabelwesen gehören auch Menschenrassen mit überproportionierten Körperteilen. Bei Isidor (Simek, 2015, 42, siehe auch 164f.) und auch sonst prominent tauchen ’Hundsköpfige’ (kynokephaloi) und Blemmyae (ohne Kopf, das Gesicht auf der Brust tragend) auf. Einzig unter den ’Wildmenschen’ gibt es Exemplare mit zu großen Köpfen (ebd. 103). Die Entstehung der Wundervölker wird zuweilen mit der ”Adamstöchter-Theorie” erklärt, bekannt aus der frühmhd. gereimten Wiener Genesis ”aus der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts aus dem bayerisch-österreichischen Raum”, wo die Töchter Adams sein Verbot, während der Schwangerschaft gewisse Kräuter zu essen, missachten und so missgebildete Kinder gebären (ebd. 143). Während die Adamstöchter-Theorie die Entstehung physiognomisch-psychisch missgestalteter Menschen als Folge eines zweiten Sündenfalles (Essen von verbotener Frucht) rationalisiert, wird in der ma Literatur oft eine Verbindung zum AT (Wundervölker als Nachkommen der Söhne Noahs) hergestellt, wobei der Alexanderroman (im 9. Jh. neu redigiert), der die Begegnung mit diesen Völkern vorwiegend in Indien - seit Strabo die klassische Gegend der Antipoden (Ukert, 1816, 252) - ansiedelt, eine entscheidende und im 8. Jh. schon reflektierte (Wuttke, 1854, 28f.) Vermittlerrolle einnimmt (Simek, 2015, 133). Neben ’Kosmologien’ sind auch Hexaemera Texte, wo ggf. von Antipoden berichtet wird (Robbins, 1912, 61), aber auch hier finde ich keine speziell großköpfigen Menschenrassen. Entscheidend für VC ist, dass der Vorwurf, die Salzburger Kleriker würden mit der Existenz von Antipoden argumentieren, gewichtige theologische und kirchenpolitische Konsequenzen hat. Die Annahme von Menschenrassen in unbewohnten Gebieten wirft die Frage auf, inwiefern die Erlösungstat Christi und (eine die Iren besonders umtreibende Problematik) die Regierung des Papstes universal sein könne.
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jedes Reptil ein Geschöpf des Teufels sei und dass, wenn einer eine Kröte erschlüge, er deshalb von neun Sünden frei würde. Wenn jemand einen Abendmahlskelch zerbreche, solle er drei Monate mit einem hölzernen Becher die Messe feiern, aber einen gläsernen nicht benützen. 11. Und sie hinderten nicht, Opfer zu verrichten nach dem
21 Reptil ] Wegen der unrühmlichen Rolle der Schlange beim Sündenfall gehören im MA potentiell alle Reptilien zu den in die Unterwelt vertriebenen Geschöpfen; vgl. Wuttke (1854, 3) oder Formulierungen bei der Wasserweihe des kurzlebigen Papstes Stefan VI. († 897) (Evans, 1906, 65). 21 Geschöpf ] Das Häretische der Ansicht liegt darin, dass der Teufel ebenfalls schöpferisch sei, was letztlich zum Dualismus führt. Dieses häretische Argument geht sicher nicht auf den irischen Klerus zurück, sondern entstammt dem Volksaberglauben. 21 Kröte ] Offb 16:13 πνεύματα ἀκάθαρτα τρία ὡς βάτραχοι = ”drei unreine Geister wie Kröten” kommen aus dem Munde des endzeitlichen Drachen und symbolisieren seine Absichten, und wie sie in Offb aus dem Munde des Bösen kriechen, so auch in vielen Heiligenlegenden. In der Vita des irischen Einsiedlers Fiacrius († 670, dies natalis ), die im 9. Jh. zum ersten Male aufgezeichnet wurde, wird eine Kranke durch Erbrechen (”enormem … exposuit bufonem”) einer riesigen Kröte gesund (Carnandet, 1868c, 609). Das Froschsymbol ist christlich, seine platte Umsetzung als sündenerlassender Totschlag konnte ich in den irischen Bußbüchern nicht finden, nur in der estnischen Folklore ”If you kill a toad, you will be forgiven nine sins”. 22 Sünden ] Als Besonderheit der irischen Mission in Germanien gilt die Einführung von Poenitentialen, die eine tariflich genau bestimmte Bußleistung pro Sünde vorsahen. Diese Poenitentiale waren im 9. Jh. schon veraltet, aber die Formulierung ’9 Sünden - 1 Kröte’ ahmt quasi deren Stil nach. Auch hier ist kaum glaublich, der irische Klerus habe wirklich solche klar dem Volksaberglauben entstammenden Anschauungen vertreten. Vielmehr scheinen die byzantinischen Protokollanten nicht genau zwischen dem lateinisch vorgetragenen Bericht vom sicher noch vorhandenen Volksglauben in der Gegend und den vom Klerus tatsächlich vertretenen Theologemen unterscheiden zu können. 22 Abendmahlskelch ] In allen Hss.: ’Mensch’, vgl. Kommentar zum Aksl. - Ursprünglich ist das auch im Lat gebräuchliche Wort scyphus = Kelch, insbesondere Abendmahlskelch: ”Scyphus heißt vielmals der Kelch, der bei Ausspendung des Heil. Abendmahls gebrauchet wird. Doch soll dieser Scyphus von dem Kelche unterschieden sein. Der Kelch soll größer, dieser Scyphus kleiner sein. Jenen behielten die Priester, diesen gaben sie in die Hände der Communicanten” Zedler (1743, 36: 786), vgl. Bieritz (2004, 429f.): der Skyphos wird vom Priester gebraucht, d.h. nur der Zelebrant kann ihn aus Versehen zerbrechen. 23 die Messe feiern ] Alle Editionen glauben, es hieße ’aus einem Becher trinken’, obgleich aksl. klar ’in einem Becher’ steht. Es geht aber nicht um ’trinken’ (piti), sondern um ’singen’ (pěti) und der präpositionale Kasus folgt der lat. Formulierung ’in calice missam cantare’. 24 benützen ] Siehe Komm. zum Aksl. 24 Opfer ] Es dürfte sich neben allen Formen von Wahrsagerei v.a. um den im Volk verbreiteten Baum- (vgl. XII:10) und Quellkult handeln, vor dem eine fränkische Enzyclica des 9. Jhs. warnt ”ad arbores vel ad fontes … auxilia quaerere” (Thomas, 1865, 139), s.a. Grohmann (1864, 86).
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anfänglichen Brauch noch auch ungeordnete Ehen. 12. Dieses alles nun hieb er wie ein Gestrüpp um und verbrannte es mit dem Feuer des Wortes, sprechend: ” ’Opfere Gott ein Dankopfer und übergib dem Höchsten deine Gelübde.’ 13. ’Verlasse nicht die Frau deiner Jugend; wenn du nämlich, sie verachtet habend, verläßt, wird die Unehre deine Begierden nicht bedecken, spricht Gott der Allmächtige.’ 14. ’Und bewahrt dies in eurem Geiste, dass niemand von euch die Frau seiner Jugend verlasse’, und ’tatet ihr diese Dinge, welche ich hasse’, dann nämlich ’ist Gott Zeuge zwischen dir und der Frau deiner Jugend, die du verlassen hast’
25 ungeordnete ] Im Aksl. stehen als Lesart ’zahlreiche’ Ehen zur Wahl; zum Begriff vgl. VI:29 und XI:41. Hier wird die Verletzung kirchenrechtlicher Vorschriften angesprochen, wie entsprechende Abschnitte De legitimis coniugiis etwa in Regino von Prüms († 915) De synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis (Regino von Prüm, 1840, 254f.) zeigen. 26 hieb ] Vgl. XII:22; Alvarez-Pedrosa Núñez (2014) verweist auf die Metapher des ’Ausjätens’ in Jer 1:10. 26–27 Feuer ] Vgl. XI:10; siehe die Metapher ’Verbrennen des Unkrautes’ in Mt 13:30. 27 sprechend ] Ps 49[50]:14. 28 Frau deiner Jugend ] Spr 5:18, vgl. Offb 2:4 (τὴν ἀγάπην σου τὴν πρώτην = ’deine erste Liebe’). Theologisch ist ’Frau’ zu verstehen als Allegorie der rechten Lehre und ihrer Bewahrerin, der Kirche. Außerdem wird in der Bibel regelmäßig - so auch im Kontext der Passage unten aus Malachi - der Abfall vom Glauben bzw. der Rückfall in das Heidentum als Ehebruch, nämlich als Bruch des Bundes mit Gott metaphorisiert. Kyrills Rhetorik bewertet nicht nur im speziellen den Vorwurf unkanonischer Ehen in XV:11, sondern auch im allgemeinen die gegen den Salzburger Klerus gerichteten Vorwürfe als Abfall von der Kirche, als Häresie. Indem ’Frau’ hier ekklesiologische Bedeutung trägt, betrifft dies die Möglichkeit, ob auch ’Schiff’ in VI:19 diese ekklesiologische Bedeutung trage. - Historisch verweist Nowotny (2012, 510) darauf, dass sich in den vom baierischen Klerus christianisierten Gebieten heidnische Begräbnisriten relativ lange, auffälligerweise besonders bei der Bestattung junger Frauen nachweisen lassen. Es ist durchaus mit Resten von Naturreligion und Fruchtbarkeitsriten im mährischen Gebiet zu rechnen. Ein politischer Nebensinn der Rede Kyrills besteht darin, dass sich 860 der fränkische König Lothar II von seiner kinderlos gebliebenen Ehefrau getrennt und 862 seine Konkubine geheiratet hatte. Die Synoden von Aachen 860 und 862 (’melius est nubere quam uri’, (Hartmann, 1998, 74)) genehmigten die Wiederverheiratung, aber der öffentliche Disput zwang Lothar, in der Sache schließlich vor Papst Nikolaus I. in Rom zu erscheinen. Lothar verstarb noch im selben Jahre 869 in Italien, eher der Papst eine Entscheidung gefällt hatte. Kyrills Rede über eheliche Treue wird also auf dem Höhepunkt einer Debatte über die eheliche Treue eines fränkischen Königs gehalten. 30 Allmächtige ] Mal 2:15-16 mit paraphrasierenden Elementen; vgl. Kommentar zum Aksl. - Zu verstehen ist: Die allgemeinen menschlichen Triebe werden von der Ehe taktvoll verhüllt, im Konkubinat aber bloßgestellt. 30 Geiste ] Mal 2:16, aber paraphrasierend im Stile des Prophetologion. 31 hasse ] Mal 2:13 nach LXX: ”And these things, which I hated, you kept doing” (Pietersma/Wright, 2007, 821). 31–32 nämlich ] Nach der paraphrasierenden Überleitung wird mit einer Quotativpartikel nochmals ein Zitat Mal 2:14 eingeleitet. 32 Gott ] Vgl. Kommentar zum Aksl.
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und ’diese ist deine Teilhaberin und die Frau deines Bundes.’ 15. Und im Evangelium des Herrn: ’Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden war: Du sollst nicht Ehebruch begehen. Ich aber sage euch, dass jeder, welcher zu einer Frau hinsieht, um sie zu begehren, schon mit ihr Ehebruch vollzogen hat vermittels seines Herzens.’ 16. Und weiter: ’Ich sage euch’ nämlich, ’wer seine Frau entläßt’, ’außer aufgrund von Ehebruch, macht, dass sie Ehebruch begeht, und wer eine von einem anderen Mann
33 Teilhaberin ] Vgl. Kommentar zum Aksl. 33 Bundes ] Vgl. VC X:8-34 über das Gewicht des Ausdruckes ’Bund’ Gottes. - VC bringt die Verse aus Malachi in der Reihenfolge 15-16a-16b-13-14. Die paraphrasierende Wiedergabe entspricht dem Prophetologion, wo auch die Änderung der Versfolge vorkommt. Dies geschieht jedoch eher selten: Beispielsweise wird in Lectio 42a des unbeweglichen Kalenders aus Micha 5 nach Micha 6 (Höeg/Zuntz, 1970, 603) zitiert, was eine Vertauschung der Kapitelreihenfolge bedeutet; ein weiteres Beispiel stammt tatsächlich aus Malachi, von dem Verse aus dem dritten Kapitel zum Gedenken der Enthauptung des Vorläufers Johannes (29.8.) vorgesehen sind (Engberg, 1980-1981, 151, 169), wobei wie in VC unmittelbar benachbarte Verse in veränderter Reihenfolge erscheinen. Die in VC verwendeten Verse aus Mal 2 tauchen im gr. Prophetologion nicht auf. Unangemessen ist das Urteil von Grivec/Tomšič (1960, 204), ”textus utriusque citati e Malachia corruptus est, verba et sententia perturbata sunt”, was dem paraphrasierenden Umgang mit dem AT nicht gerecht wird (außerdem sind es mehr als zwei Zitate) und übersieht, dass ein grammatisch und kontextuell motivierter Text vorliegt. 33 Evangelium ] Mt 5:27 34 zu den Alten ] Die Lesart ’zu den Alten’ - gemeint ist Ex 20:14 - steht nicht im byz. Majoritätstext, findet sich aber in byz. und alexandrinischen Redaktionen: Ἠκούσατε ὅτι ἐρρέθη τοῖς ἀρχαίοις, Οὐ μοιχεύσεις. 35 sage ] Mt 5:28: ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν, ὅτι πᾶς ὁ βλέπων [PartPraesAkt] γυναῖκα πρὸς τὸ ἐπιθυμῆσαι [Infinitiv Aorist] αὐτὴν [fehlt in einigen Redaktionen] ἤδη ἐμοίχευσεν [Aorist] αὐτὴν ἐν τῇ καρδίᾳ [Präpositionalphrase] = азъ же глѭ вамъ. ѣко вьсѣкъ иже вьзьритъ на женѫ съ похотиѭ юже любы сътвори съ неѭ въ срдци своемь (Jagić, 1960, 12). Bemerke, dass die aksl. Bibelübersetzung des Codex Marianus näher am Gr. steht als VC, was den Aorist ([Ehebruch] beging) und die Präpositionalphrase (’in seinem Herzen’) betrifft, dagegen aber bei der Übersetzung des finalen (”its fundamental function”, Dimitrova (2005/ 2006, 257)) Infinitivs (’um sie zu begehren’) sinngemäß (’mit Begierde’ = eine Frau aus keinem anderen Grund denn sexuellem Interesse anschauen) von der gr. Syntax abweicht, während VC hier der gr. Syntax folgt. Im Gegensatz zu den paraphrasierenden Zitaten aus dem at Malachi kann bei dem nt Zitat nur von einer Übersetzung gesprochen werden, wobei der Vergleich mit dem ’kanonischen’ aksl. NT nahelegt, dass VC eine Übersetzungsvorstufe (wie in XVI:21-58) bewahrt. 37 weiter ] Mt 19:9 λέγω δὲ ὑμῖν ὅτι ὃς ἂν ἀπολύσῃ τὴν γυναῖκα αὐτοῦ = глѫ же вамъ. ѣко иже аще пѹститъ женѫ своѭ (Jagić, 1960, 66). 37 außer ] Mt 5:32; VC kombiniert die gleichlautende Wendung ’wer seine Frau entläßt’ nach dem speziellen Wortlaut in Mt 19:9 (Pronomen, jako recitativum, finites Verb), setzt aber die Formulierung dann mit Mt 5:32 fort. 38 von einem anderen Mann ] Der Zusatz ἀπὸ ἀνδρὸς stammt aus Lk 16:18. - Man beachte, dass Kyrills Argument aus synoptischen (Mt 5:31 und Lk 16:18) und parallelen Formulierungen (Mt 5:32 und Mt 19:9) zu einer Art Ideal-Zitat zusammensetzt ist. Anstatt die Argumente Kyrills wie vorgehend bei dem Disput mit den Chasaren zu dokumentieren, bietet der Autor von VC hier ein für Theologen bestimmtes Zitatpuzzle, welches ästhetisch-performativ verstanden werden will.
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Entlassene nimmt, begeht Ehebruch.’ 17. Der Apostel sagt: ’Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht trennen.”’ 18. Vierzig Monate nun wirkte er in Mähren und machte sich auf, seine Schüler wegzuführen. 19. Es nahm ihn, als er da ging, nun Kocel, der pannonische Fürst auf und
39 Apostel ] Paulus; Mk 10:9 bzw. Mt 19:6 klingen beim Apostel aber nur sinngemäß, ohne wörtlichen Bezug an in Röm 7:2 (Ehe endet mit dem Tod eines Ehepartners) bzw. 1Kor 7:10 (Scheidung ist nicht gestattet). 41 Vierzig Monate nun ] Hs 45 ersetzt XV:18-22 durch: ”Und so lehrte er sie die Furcht und das Gesetz Gottes und begab sich wieder zur Stadt des herrschenden Kaisers. Dessen Fürsten aber begleiteten ihn mit großer Ehre und gaben ihm viel Gold und Silber, er aber wollte nicht nur kein Gold und Silber noch andere Sachen, als er das evangelische Wort auch ohne Speise [zu erhalten] ausgelegt hatte, sondern bat sich nur griechische Gefangene aus, von beiden 900, und lies sie frei, selbst aber ging er seines Weges, sich freuend zusammen mit seinen Schülern, damit er dem Kaiser und dem Patriarchen von der Frucht seiner Mühe verkünde. Doch wie er seines Weges ging, erwies ihm der pannonische Fürst Kocljak mit seinen Bojaren große Ehre und liebte sehr die slavischen Bücher und belehrte sich von ihm und gab bis zu dreißig Schüler, und begleitete ihn längs des Weges und gab ihm viel Reichtum, er aber wollte nicht. Als sie in die Kaiserstadt kamen, hatten sich dort zum Treffen mit ihm der Patriarch mit seinem Klerus und die Bojaren vorbereitet. Gekommen seiend zum Kaiser empfing er große Ehre und er saß auf seinem Lehrstuhl eine kurze Zeit, und wurde wieder bestärkt zur Verkündigung in die slavischen Länder. Gekommen seiend zu seiner Stadt, wo er geboren ward, [ging er] von dorthin in ferne Länder, sogar bis Rom.” - Der Zusatz ist historisch verwirrt und auch legendär, aber aufschlußreich für die Rezeption von VC: den aruss. Lesern war die Wirkung Kyrills in Byzanz - also die Hochschätzung des Slavenmissionars durch das kulturautoritative Vorbild - offenbar wichtiger als die Wirkung Kyrills im tatsächlichen Missionsgebiet, und auch Kyrills Bekanntschaft mit dem Papst erscheint aus dieser Perspektive (’sogar’) ein wenig exotisch. 41 machte sich auf ] Das im askl. Text vorliegende Verb ’gehen’ ist sprachlich sehr blass. Akzeptiert man es trotz der Gegengründe als Vollverb, bleibt unentschieden, ob dies Gehen bedeuten soll, er ’ging weg aus Mähren’ (Tachiaos (2005, 291): Константин отправился в Рим), oder ’ging herum in Mähren, um … ’ (Grivec/Tomšič (1960, 204): ’profectus est, ut consecraret’). Deshalb wird das Verb hier als gräzisierender Ausdruck des Beginns einer Handlung übersetzt. - Kyrill gelangt aus dem nördlich der Donau liegenden Fürstentum des Rastislav in das südlich der Donau wohl beim Plattensee (siehe Lesarten zu XV:19.) - liegende Fürstentum des Kocel, was gleichzeitig ein Teil des Weges Richtung Rom bedeutet. 41–42 wegzuführen ] Eine problematische Stelle: der Text bietet zwei im Aksl. leicht zu verwechselnde Verben ’heiligen’ und ’wegführen’. Aufgrund linguistischer Erwägungen ist ’wegführen’ zu präferieren (siehe Komm. zum Aksl.), aber ’heiligen’ bzw. ’weihen’ ist sachlich nicht falsch, denn der Grund für Kyrills Reise nach Rom liegt letztlich darin, dass er erst nach Erhalt der vom Papst zu verleihenden Bischofswürde selbst seine Schüler in Mähren auf Pfarrstellen einsetzen bzw. zu Priestern weihen kann; vgl. S. 92. Im Original dürfte ’wegführen’ gestanden haben, denn vermutlich wurden Kyrill und seine Schüler, die in Rastislavs Reich noch ohne päpstliche Vollmacht agieren, angefeindet. Die Slavenmissionare werden von dem zwischen Ostfranken und Byzanz lavierenden Rastislav als Mittel für politische, nicht etwa für theologisch-aufklärerische Ziele benutzt. Der Fürst des südlicher gelegenen Panonnien, Kocel, führt dagegen die schon in seinem Land betriebene Christianisierung ohne eine auffällige politische Agenda durch, weder unmittelbar dem ostfränkischen, noch dem byzantinischen Einfluss ausgesetzt und eher nach Rom orientiert.
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er mochte sehr die slavischen Heiligen Schriften, um sich mit ihnen zu belehren, und veranlasste ausgesuchte 50 Schüler, sie sich anzueignen. 20. Große Ehre ihm erwiesen habend geleitete er ihn weiter. 21. Und er nahm weder von Rastislav noch von Kocel weder Gold, noch Silber, noch eine andere Sache, das Wort des Evangeliums auch ohne Genuß von Annehmlichkeit darlegend. 22. Nur um die 900 Gefangene erbat er sich von beiden und ließ sie frei.
43 Heiligen Schriften ] Die schillernde, mit gr. Wortbedeutung vermischte Verwendung des aksl. Lexems für ’Bücher’ ist zumeist mit Hl. Schrift (Bibel) zu übersetzen (XVI:9). Siehe aksl. Lesart. 44 veranlasste ausgesuchte 50 Schüler ] Vgl. Komm. zum Aksl. 44 anzueignen ] Im Aksl. Wiederholung des Verbs ’lehren’, aber nun präfixlos. 45 weiter ] Ohne Erlaubnis des Erzbischofs durften sich die Slavenapostel nur drei Monate in einem der Salzburger Diözese unterstellten Gebiet aufhalten (MMFH, 2: 105). Nótári (2014) erachtet die Störung der labilen Position Pannoniens - zwischen Ost und West durch die Slavenapostel als eine der gravierendsten diplomatischen Konsequenzen der Slavenmission. 47 Genuß von Annehmlichkeit ] So die wrtl. Auflösung des Gräzismus; dahinter steht, wie KO, 3: 137) anmerkt, Mt 10:8. 47 um die 900 ] Vgl. Komm. zum Aksl. 48 ließ sie frei ] Im Vergleich mit der Arabermission (VI:4) und mit der Chasarenmission XI:45, wo je aufgrund bekannter Kriegshandlungen die Existenz griechischer Kriegsgefangener bezeugt bzw. anzunehmen ist, kann man an dieser Stelle nur an verurteilte Strafgefangene denken, deren Begnadigung Kyrill erwirkt. Die Stelle kann man als hagiographischen topos (MMFH, 2: 105) werten, quasi als Standardergebnis jeder Mission Kyrills, welches die Beglaubigung von Kyrills Handeln anzeigt (Ps 146:7; vgl. dazu Ambrosius PL, 15: 1663): ”Ergo nun humanae ista, sed divinae virtutis insignia sunt”), aber man darf auch fragen, welchen Grund es gibt, eine biblische Handlungsweise Kyrills (Jes 42:7, Jes 61:1, Lk 4:18) für unwahrscheinlich zu halten.
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XVI 1. Въ Венетии же быв’шꙋ ѥмꙋ, събраше се на нь епископи и попове и
1 Въ Венетии ] 3: в нѧтцихъ, 3: въ нѧть, 2: въ нѧтехъ, 2: и на тѣхъ, 1: въ нѧтцѣхъ, 1: въ нѧтыхъ, 1: въ нꙗтꙋ 1: и нѧтѣхъ, 1: мнѧтехъ. Die Lesarten zeigen den Name Venedig, teilweise verstümmelt, teilweise mit Vermischung von Präposition въ und anlautendem В-; die Lesarten sind so aufgeführt wie in Grivec/Tomšič (1960, 136), aber in scriptura continua kann natürlich auch внѧтцихъ, вънѧтцѣхъ usw. als ganzes Wort mit der Annahme, dass die Präposition ausgefallen ist, gelesen werden. Der Stadtname ’Benátky’ ist schon ačech. gut bezeugt, (Gebauer, 1970, 38) nimmt Einfluß des Dt. an. Venelin (2011, 247) erklärt, dass die slovenischen ’Veneti’ beim Einfall Attilas auf die Inselgruppe flohen und dort die Stadt gründeten. Dies ist eine Variante der unseligen Veneti-Kelten-Slaven-Hysterie (die irgendwie immer alle zusammengehören sollen) und unterschlägt erstens, dass es ein historisch und inschriftlich bezeugtes idg. Volk der Veneter gibt, die genau die Region bewohnten, wo heute Venedig liegt, und dass zweitens auch nicht alle in den historischen Texten mit dem Ethnonym ’Veneter’ benannten Kollektive auch Slaven waren, denn neben den in Italien bezeugten ’Veneti’ trug auch ein Ethnos im Baltikum und eine tatsächlich keltische Gruppe in Frankreich diesen Namen (der nur im dt. ’Wenden’ immer die slavischen Nachbarn zu meinen scheint). Die Etymologie des Stadtnamens aus ’Veneti’, gegründet von den dort lebenden (nichtslavischen, aber idg.) Veneti, und die daraus folgende slav. Namensvariante darf als gesichert gelten. - Wegen Bezeugung in der Vita des Naum ist anzunehmen, dass die zur heutigen regulären čech. Form ’Benátky’ führenden Lesarten eine alte westslav. Bezeichnung ’Venedigs’ bewahren, so dass ein sog. Moravismus vorliegt, also ein Wort, das auf die älteste lexikalische Schicht der Übersetzungstätigkeit von Kyrill und Method anläßlich der mährischen Mission verweist. Bedeutet dies, dass die Lesarten zu CH also eine ältere Lautung bewahren, welche ein gr. Autor von VC sicher nicht gewählt hätte? Und wäre dies ein Gegenbeweis gegen die These, dass VC ursprünglich gr. geschrieben wurde? Der Moravismus zeigt nur, dass VC sehr früh ins Slavische übersetzt wurde, was der von Diddi (2015) (siehe Anm. zum Jahr 855 auf S. 79) erkannte Alphabetwechsel von Glagolica zu Kyrillica bereits beweist, dem übrigens das Lesartschwanken in XVI:49 an die Seite zu stellen ist. Aber eine glagolitisch geschriebene VC spricht noch nicht gegen ein gr. Original. Es gibt auch Spuren eines Alphabetwechsels, der am einfachsten als Übergang vom griechischen Alphabet ins Glagolitische (XV:9) erklärbar ist. Die Alphabetwechsel zeigen nur, dass die unter Benutzung von Quellen (Gesprächsprotokolle für den Kaiser), die mutmaßlich in Konstantinopel aufbewahrt wurden, ursprünglich gr. geschriebene VC (woher sonst die ganzen Gräzismen?) in der Zeit der Benutzung der Glagolica ins Slav. übersetzt wurde. Angesichts der Masse der ab 1469 bezeugten Abschriften und angesichts des Inhaltes von VC (Kap. XVIII: einsetzende Heiligenverehrung) ist zu vermuten, dass die Abschriften des Protographs der slav. Übersetzung sehr schnell und zahlreich angefertigt wurden, wobei problemlos möglich ist, dass auch älteste slavische Lexik (z.B. das Wort für ’Papst’, nächster Satz, oder XVI:14 ѡбласть) in den Text dringt. Wer mit alter slav. Lexik über die Ursprungsfrage von VC urteilen will, muss auch XVI:4 (gr. aer, obgleich ’větrъ’ (Derksen, 2008, 520) ursprachlich ist) oder XVI:19 (gr. hypokritēs) erklären.
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чрънориз’ци ꙗко и враны на сокола и въздвигоше триѥзычнꙋю ѥресь, глаголюще: 2. чловѣче, скажи намь како си ты сътвориль нынꙗ Словѣнемь книгы и ѹчиши, их’же нѣсть никтоже инь пръвѣѥ ѡбрѣль, ни апостоль ни рим’скыи папа ни богословь Григорїе ни Ѥронимь ни Авгѹстинь. 3. мы же трїи тькмо езыкы вѣм’, имиже дѡстоить въ книгахь славити бога, Евреи, Елины, Латины. 4. ѡтвеща же философь к нимь: ”не идет ли дьждь ѡть бога на в’се равно?
1 събраше се на нь ] 7 add.: латиньстїи; wohl eher antikatholischer Zusatz; auch sonst in VC wird das ’Griechische’ Kyrills nicht besonders betont bzw. dem Katholisch-Lateinischen gegenübergestellt. - Die Formulierung ist parallel zu Mt 27:27 συνήγαγον ἐπ’ αὐτὸν ὅλην τὴν σπεῖραν = събърашѧ на нь вьсѫ спирѫ (Cod. Marianus; Jagić (1960, 107)). 2 чрънориз’ци ] 6: черньци 2 ꙗко и ] hypothetischer Vergleich 3 чловѣче ] Die Anrede ist unfreundlich ”mit dem Nebensinn des Scheltens” (Bauer, 1988, 135) wie in Lk 12:14 ”Ἄνθρωπε!” 3 како си ] Entweder Kurzform des Reflexivpronomens und damit Nachahmung mündlicher Rede (’wie hast du dir da gemacht’), oder (theoretisch mögliche) Verschreibung aus dem Hilfsverb еси bei der Bildung des Perfekts. Letzteres ist weniger wahrscheinlich, weil die 2PsSg bereits durch das Pronomen denotiert wird. 3 Словѣнемь ] 6: словеньскы 3 книгы ] Vgl. mit XVI:7; hier also für gr. γράμματα ’Buchstaben, Schrift’. 4 ѹчиши ] 14 add.: ѧ; wahrscheinlich gr. κατηχέω im speziellen Sinne des Katechumenenunterrichtes (Bauer, 1988, 862), daher ist das PersPron nicht unbedingt erforderlich. Außerdem klingt die Formulierung ”die Bücher lehren’ leicht anachronistisch, weil im damaligen Medienverständnis nur metonymisch verständlich (vgl. III:17). 4 пръвѣѥ ] Gräzismus, vgl. bei XIV:1. 4 апостоль ] 15: апостоли; vgl. Komm. zum Dt. 5 папа ] 9: папежь; das gr. πάπαϛ ergibt lautgesetzlich aksl. папа, jedoch ist папежь (wie apoln. und ačech.) bereits in den Kiever Blättern bezeugt. In CH erscheint папа außer hier (XVI:2) noch XVII:1, 2, 5, 6 und XVIII:14, 17, also insgesamt 7 Mal. Alternativ taucht апостоликъ ’Apostolikos’ 6 Mal auf: XVII:2 (als апостолыкъ), XVIII: 14, 16, 18, 19, 21. Die Lesarten verändern den Papsttitel immer zu папежь, nie zu папа oder апостоликъ. - Zur Bedeutung siehe Komm. zum Dt. bei XVII:2. 5 богословь ] 5: феологъ, 4: дїалогъ; Gregorius ’theologus’ ist Gregor von Nazianz, Gregorius ’dialogus’ ist Gregor der Große. Unter Verweis auf die Prologvita von Kyrill und Method, wo Gr. Dialogus wähnt wird, plädieren Grivec/Tomšič (1960, 205 FN2), hier Gregor den Großen zu verstehen, was auch kontextuell angezeigt ist. Zusammen mit dem lat. Bibelübersetzer Hieronymus (348-420), dem Kirchenvater Augustinus (354-430) und dem hier nicht erwähnten Ambrosius von Mailand (339-397) zählt Gregorius Magnus (540-604) zu den großen vier Kirchenlehrern des frühen lateinischen Christentums. Der im Gr. geläufige Beiname ὁ Διάλογος ist auch lateinisch im 9. Jh. bezeugt (Mommsen, 1894, 401), so dass es keinen Grund gab weder für den lateinisch sprechenden Klerus von Venedig, noch für den Autor der gr. geschriebenen VC, auf den Beinamen ’Theologe’ auszuweichen, der wohl eher von einem Abschreiber in Anlehnung an III:17 in den Text gerät. 6 дѡстоить ] 6: есть, 1: достоино 6 въ книгахь ] 11 om. 6–7 Евреи, Елины, Латины ] 3: еврѣискы, еллиньскы, латиньскы, 2: еврѣескъ, еллинескъ, латинескъ, 1: еврѣески, еллинескъ, латинескъ. - Die Völkernamen in CH anstelle der Sprachadjektive in den Lesarten sind nur motiviert, wenn statt InstrPl имиже in dem Satz ursprünglich DatPl имъже gestanden hat: ’drei Völker, denen es gebührt …: Hebräer, Griechen, Lateiner’. Vielleicht sind die Lesarten bei достоить auch genau durch Verlust der urspr. Konstruktion entstanden (Völker: ’denen es zusteht, Gott zu loben…’; Sprachen: ’in denen es ist würdig, Gott zu loben…’). Das ursprüngliche Sprachadjektive durch nominale Völkernamen ersetzt worden wären, ist dagegen äußerst unwahrscheinlich.
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или сльнце тожде не сїаѥт ли на в’се? ни ли дыхаѥмь на аиерь равно в’си? 5. то како выи се не стыдите трїи езыкы мѣнеще тьчїю, а прочимь въсѣмь езыкомь и племеномь слѣпомь велеще и глѹхѡмь? 6. скажите ми, бога твореща не мощна, ꙗко и не могꙋща сего дати или завистива, ꙗко не хотѣща? 7. мы же роды знаѥмь книгы ѹмѣюще и богѹ славꙋ въздающе своимь езыкомь
9 тожде ] 11: такоже, 4: такожде 9 в’се ] 4: васъ 9 ни ] Die Deutung als serbisierte Kurzform des PersPron 1PsPl ни ist ausgeschlossen, weil ein Klitikum nicht am Satzanfang erscheinen kann; vgl. Komm zum aksl. VI: 22b 9 дыхаѥмь ] 3: въдѹхъ 9 аиерь ] Lehnwort аеръ < gr. ἀήρ ’Luft’. Die Morphologie in VC ist problematisch, на аерѣ (CVB, 67) und по аерѹ (Geitler, 1882, 130) sind belegt, die Präposition на in VC stört, man erwartet ein Äquivalent für gr. έν άέρι. Kaum ist aksl. aier’ umgestellt aus gehörtem *aire (Itazismus). Wahrscheinlicher ist, dass die Präposition vom gr. Verb ἐμπνέω ’atmen, schnauben’ (Bauer, 1988, 517) ausgelöst wurde, welches durch seine Präposition bereits den Richtungssinn ’hinein-hauchen’ mit sich bringt (reines πνέω ist nur vom Wind als ’wehen, blasen, duften’ gebräuchlich), und so hat der Übersetzer, wie oft im aksl. Schrifttum, das Präfix als Präposition на+Akk vor dem Objekt wiederholt. Das Lexem begegnet nochmals XVI:26. 10 мѣнеще ] Für gr. δοκεῖν (CVB, 340) ’meinen’ im elliptischen Gebrauch (Bauer, 1988, 406). 10 тьчїю ] 9: токмо 10– 11 езыкомь ] Zur Doppelbedeutung ’Volk’ und ’Sprache’ siehe XIV:3. 11 племеномь ] ’Stamm’ im Sinne von (auch heidnischer) Verwandtschaftsgruppe für gr. φυλή Bauer (1988, 1732) wie in Mt 24:30. Eine weitere Dichothomie stellt Ps 116:1 (s. XVI:13) bereit in der Unterscheidung von ’Nationen’ (sich selbst regierende Gemeinschaften, gr. ἔθνη) und ’Völker’ (ohne Bezug zu Selbstverwaltung, gr. λαοί). Bei der aksl. Wortwahl ’Stamm’ ist wohl eher an Mt 24:30 zu denken. 11 велеще и глѹхѡмь ] 9: велѧще быти и глѹхѡмь, 2: велѧще и глѹхѡмь быти. Gräzismus: participium coniunctum. Die sekundären Prädikate erscheinen im InstrSg und kongruieren also nicht mit DatPl езыкомь und DatPl племеномь, abgesehen davon, dass die Aufzählung an sich kognitiv Pl indiziert. Auch dies dürfte Gräzismus, nämlich emphatisch-distributiver Numerusgebrauch, sein (vgl. Katsouris (1977), dessen Beispiele allerdings nicht genau zu den hier vorliegenden sekundären Prädikationen passen). 11 твореща ] 4: творѧще, 1: твореще, 1: иже ... творите; letztere Lesartenangabe bei Grivec/Tomšič (1960) ist unklar. Klarer Gräzismus: GenAbs, mit dem aber das Prädikat im Kasus kongruiert 12 не могꙋща ] Gräzismus: participium conjunctum. Zwischen Negationspartikel und Partizip wurde Worttrennung eingeführt, denn es handelt sich nicht um ein partizipiales Attribut. 12 дати ] gr. δίδωμι im Sinne von ’verleihen, zuteil werden lassen’ (Bauer, 1988, 388). 12 завистива ] 7: завистлива 12 ꙗко не хотѣща ] 8: не хотѣща дати; im Lichte der vorgehenden parallelen Konstruktion wohl sekundäre Lesart, denn einerseits elliptisch Auslassung der Subjunktion, andererseits redundante Wiederholung des Objektinfinitivs. Siehe zum Gerüst des Arguments den Komm. zum Dt. 13 роды знаѥмь ] 13: многы роды знаѥмь, 2: роды знаемь доволны 13 ѹмѣюще ] 2: имѣюще; die Lesart ist semantisch blass und sekundär; mit Joh 7:15 (γράμματα οἶδεν) ist ѹмѣюще кънигы CVB, 301) idiomatisch für ’schriftkundig’.
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къждо. 8. ꙗвѣ же сѹть сїи: Армени, Пер’си, Аваз’гы, Ивери, Сѹг’ди, Гоѳи, Ѡбри, Тꙋр’си, Козари, Аравлꙗне, Егӱп’ти и инїи мнѡзы. 9. аще ли не хощете ѡть сихь разꙋмѣти, понѣ ѡть книгь познаите сѹдїю. 10. Давидь бо въпиѥть глаголѥ: ’поите господа, в’са землꙗ, поите господѹ
14 къждо ] 6: комѹждо; die Lesart mit DatSg ist Unsinn, denn sie ergibt ’und in ihrer Sprache welchem Gott auch immer Ehre erweisend’. 14 ꙗвѣ ] Für gr. φανερῶς (Adv.) wie Mk 1:45 ’klar’ (Marianus: ѣвѣ) für ’offenbar, öffentlich’ (Bauer, 1988, 1701); weniger wahrscheinlich ist gr. παρρησίᾳ ”klar” wie in Jh 11:14 (Marianus: не обинѹѩ сѧ), was eher ’offen, unverhüllt, freimütig’ (Bauer, 1988, 1273) bedeutet. 15 Тꙋр’си ] Komatina (2014, 195) meint immer noch ohne weitere Begründung ”највероватније грешка уместо Руси”. Ursprünglich hatten Bodjanskij (1855, 99) und (Šafařík, 1873, 31) vermutet, dass die drei Völkernamen Готѳи, Ѡбри, Турьси statt ursprünglichem Готфи ти Ръси stehen, womit die Gothen und die am Azowschen Meerbusen siedelnden Varäger-Russen gemeint seien. Seit klar ist, dass die ”Obri” die Awaren sind, läßt sich die Stelle nicht mehr als verdorben ansehen. 15 Егӱп’ти ] 7 add.: сѹри, 2 add.: сꙋрїи, 2 add.: сꙋри, 2 add.: рꙋси. - Die Lesarten ’Rusi’ statt ’Syri’ dienen Vaillant (1935) zur Aufstellung der ’klassischen’ These, dass eine ebensolche Verwechslung auch den ’russischen Buchstaben’ in VIII:15 (siehe ebd.) zugrunde liege, die vielmehr ’syrische’ seien. Die Lesarten sind aber sekundär und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sie miteinander verbunden auftreten. Vielmehr ergänzten die einen Abschreiber ’Syrer’, weil sie nicht verstanden, dass die ’persische’ Kirche die syrische Kirche ist, und die anderen Abschreiber ergänzten ’Russen’ aus identifikatorischen Motiven. Siehe Daiber (2021b) bzw. Komm. zum dt. Text. 16 ли не хощете ѡть сихь разꙋмѣти, понѣ ѡть книгь ] 5: не хощете разѹмѣти книгъ, познаите; zu понѣ siehe VI:41, offenbar hat die verblasste archaische Bedeutung die Lesarten ausgelöst. Die Wendung разѹмъ - ѡть сихь begegnet schon XI:9 16 сѹдїю ] Ps 74:8 ѣко бъ͡ сѫдꙇ естъ (Severjanov, 1922, 95). 17 Давидь ] Ps 95:1 Въспоꙇте гю͡ пѣснь новѫ / въспоꙇте гю͡ вьсѧ зем(л)ѧ (Severjanov, 1922, 125). Beachte, dass in VC die Reihenfolge der Sätze verändert ist, daher auch möglich eine Kombination mit Ps 97:1 (’neues Lied’). Beachte ferner, dass LXX (ᾂσατε [ImperativPl] τῷ κυρίῳ, πᾶσα ἡ γῆ Rahlfs/Hanhart (2006, 104), ’sing to the Lord, all the earth’ Pietersma/Wright (2007, 595)), Vulgata (in beiden Versionen der Psalmenübersetzung; Weber/Gryson (1994, 890)) und auch VC (pluralisch aufgefassten) NomSg haben, Psalterium Sinaiticum aber GenSg übersetzt (’singet dem Herrn der ganzen Welt’); ebenso beim nächsten Zitat, und dort egal, ob Ps 65:1 oder 99:1 angenommen wird. 17 господа ] 9: господеви; in CH offenbar Verschreibung. Bei diesem und den folgenden Dat versuchen die Hss, ursprünglich i-stämmigen DatSg господи in die u- (-еви) oder o-Deklination (-ѹ) zu überführen (Aitzetmüller, 1991, 69, Anm. 94). 17 господѹ ] 11: господеви, 5: богѹ, 1: господѣвѣ; Lesart богѹ stammt aus Ps 99:1, siehe nächstes Zitat.
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пѣснь новꙋ’. 11. и пакы: ’въскликнѣте господѹ в’са землꙗ, поите и възвеселите се и въспоите.’ 12. и дрѹго: ’въса землꙗ да поклонит’ ти се и поѥть тебѣ и да поѥт’ же имени твоѥмꙋ, вышнїи.’ 13. и пакы: ’хвалите господа въси езыци и похвалите ѥго въси людїе и всакѡ дыханїе да хвалить господа.’ 14. въ еѵаггелїи глаголѥть: ’ѥликоже ѥсть приѥль ихь, дасть имь ѡбласть, да чеда богꙋ бꙋдꙋть.’ 15. и пакы тьжде: ’не ѡ сихь прошꙋ тькмо нъ и вѣрѹющимь словесемь въ ме, да въси ѥдино бꙋдѹ, ꙗкоже и ты, оче, въ мнѣ и азь
18 пакы ] Ps 65:1 Въскликнѣте гвꙇ͡ вьсѩ землѩ (Severjanov (1922, 78), aber manche Hss denken an Ps 99:1 Въскликнѣте бѹ͡ вьсѩ землѧ Severjanov (1922, 128)) kombiniert mit Ps 97:4 въспоꙇте ӏ радѹꙇте сѩ и поꙇте (Severjanov, 1922, 127). 18 господѹ ] 4: господеви, 4: богѹ 19 дрѹго ] 6: паки, 5: дрѹгоици; es wird zwar Ps 65:4 zitiert (Въсѣ землѣ да поклонит (т)и сѩ и поетъ тебѣ: Да поѭтъ же їменꙇ твоемѹ вышьнеꙇ; Severjanov (1922, 121)), aber LXX und Vulgata haben in Ps 65:4 keine Entsprechung für вышьнеꙇ = ”O Most High” (Pietersma/Wright, 2007, 593) haben, was Psalterium Sinaiticum und offenbar VC wohl aus Ps 91:2 (καὶ ψάλλειν τῷ ὀνόματί σου, ὕψιστε, Rahlfs/ Hanhart (2006, 101)) ergänzen. 20 тебѣ ] 8 om.; die Auslassung ist von der Bibelvorlage nicht zu begründen. 20 поѥт’ ] 9: поють, 4 om.; vgl. S. 39. 20 пакы ] Ps 116:1 Хвалꙇте гѣ͡ вьси ѩзц͡и [für gr. ἔθνη]/ похвалите ї вьси людие [für gr. λαοί] (Severjanov, 1922, 152) kombiniert mit wrtl. übersetztem Ps 150:6 πᾶσα πνοὴ αἰνεσάτω τὸν κύριον (Rahlfs/Hanhart, 2006, 163). 22 еѵаггелїи ] 1 add.: иже отъ Іоанна 22 ѥсть приѥль ] 10: приꙗло, 4: прїали есть, 1: приатъ. Joh 1:12; zum ganzen Zitat siehe S. 34. 22 ѡбласть ] ѡбласть (CVB, 393) als Äquivalent für gr ἐξουσία (Bauer, 1988, 564) mit der Bedeutung ’Macht’ gehört zur ältesten Schicht des aksl. Wortschatzes. 22–23 да чеда богꙋ бꙋдꙋть ] 5: чѧдомъ божїимъ быти; die Lesarten setzen die bekannte aksl. Übersetzung ein. Zur Entnasalierung siehe S. 38. 23 тьжде ] 1: въ томьже 23 прошꙋ ] 5: молю, 4: въпрашаю, 1: въпрашаꙗ 23–24 и вѣрѹющимь ] 7: о вѣрѹющихъ, 2: о вѣрѹщїихь, 1: о вѣровавшихъ; die Konjunktion и und GenPl des PartPraesakt sind wohl primär wie im Cod. Marianus Joh 17:20: не о сихъ же [δὲ] молѭ тькмо, нъ ı вѣрѹѭштихъ словомь ихъ [αὐτῶν] вь мѧ (Jagić, 1960, 386); in CH fehlen die Entsprechungen für die gr. Partikel und das PersPron, letzteres ist sinnverschiebend: nt ’die durch ihr Wort [= ihr Zeugnis] an mich glauben [= mich bekennen]’ wurde zu ’die durch das Wort [= aufgrund meines Wortes bzw. aufgrund der Verkündigung] an mich glauben’. Die Sinnverschiebung könnte kontextuell beabsichtigt sein. 24 словесемь ] 8: словомъ, 2: словесе ихь ради; archaischer InstSg in CH kann primär sein. 24 бꙋдѹ ] Omnes praeter 2: бѹдѹть, 2: бѫдѫть; Cod. Marianus Joh 17:21 erster Teil: да вьси едино сѫтъ. ѣкоже ты от͠че вь мьнѣ и азъ въ тебѣ (Jagić, 1960, 386). CH hat statt 3PsPl SubjPraes ὦσιν vielmehr Futur und verstärkt jakože mit ”auch”.
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въ тебѣ.’ 16. Матьѳеи же рече: ’дана бысть в’сака власть на небеси и на земли; шьдьше ѹбо наѹчите в’се езыкы, крьстеще ѥ въ име ѡтьца и сына и светаго дѹха, ѹчеще и хранити в’са, ѥлико заповѣдахь вамь; се азь с вами ѥсмь въ в’се дьни до скон’чанїа вѣка аминь.’ 17. а Мар’ко пакы: ’шъдьше въ мирь въсь и проповѣдите еѵаггелїе въсеи твари; вѣровав, иже и крьстит’ се,
25 дана ] 10 add.: ми wie Mt 28:18 μοι; die Auslassung des valenzgeforderten Dativs ist auch angesichts der Bekanntheit der Stelle (’Missionsbefehl’) schwer erklärbar. Cod. Marianus: дана ми естъ вьсѣка власть. на неб͡се и на земи. Шьдъше ѹбо наѹчите вьсѧ ѩз͠кы, крьстѧште ѩ въ ıмѧ от͠ца и сн͠а и ста͠аго дх͠а. ѹчѧще ѩ блюсти. вьсѣ елико заповѣдахъ вамъ. ἱ се азъ съ вами есмъ вьсѧ дьни до съконьчаниѣ вѣка аминь (Jagić, 1960, 113). 25 бысть ] 8: есть; gr. Mt 28:18 Aorist ἐδόθη. 25 в’сака ] 6: всѧ 26 шьдьше ] 2: шъдь же; in CH Schreibfehler aus Hörversehen nach Diktat? 27 ѹчеще ] 2 add.: ихь блюсти für Mt 28:20 αὐτοὺς τηρεῖν, der Fehler liegt aber darin, dass folgendes и wohl ихъ war und τηρεῖν ’beachten’ vielmehr mit хранити ’bewahren’ übersetzt wird. 27 заповѣдахь ] 3: исповѣдалъ есмь, 1: исповѣдалъ есть; gr. Mt 28:20 Aorist ἐνετειλάμην ’beauftragen, befehlen’ (Bauer, 1988, 541). 28 въ в’се дьни до скон’чанїа вѣка ] 4: по всѧ днии, въ вѣкы. Gr. Mt 28:20 wie in CH: ἕως τῆς συντελείας τοῦ αἰῶνος. 28 пакы ] 4 add.: глаголеть 29 вѣровав, иже и крьстит’ се ] 2: вѣровавыи и кръщесѩ, 4: вѣровавъ и кръстивъсѩ, 2: иже вѣрꙋеть и крьститсе, 1: вѣровавыи и кръщьсѧ, 1: вѣровавъ и кръщьсѧ, 1: иже вѣрꙋ иметь и креститсꙗ. Cod. Marianus Mk 16:16: шедъше въ весь миръ проповѣдите еванћл͠ие вьсеи твари. Ꙇ иже вѣрѫ иметъ и кръститъ сѧ съпасенъ бѫдетъ. а иже не иметъ вѣры осѫжденъ бѫдетъ. Знамениѣ же вѣрѹѭштиимъ си послѣдъствѹѭтъ. ꙇменемъ моимъ бѣсы ижденѫтъ. ѩз͠кы възглаг͠лѭтъ новы (Jagić, 1960, 184f.). - Die Lesarten schwanken zwischen einer präteritalen Partizipienreihung wie im Gr (’geglaubt habend und sich getauft habend’ = ὁ πιστεύσας [PartAorakt] καὶ βαπτισθεὶς [PartAorpass]) oder einer Relativkonstruktion mit anaphorischem Pronomen, die entweder nur das zweite Verb (’geglaubt habend, der auch getauft wird’) oder beide Verben (’der glaubt und getauft wird’) erfaßt, wobei letztere dann dem aksl. Gebrauch von ’glauben’ gemäß (Daiber, 2019c) noch aktionsartlich ausbuchstabiert wird (’der Glauben angenommen hat und getauft wird’). Es ist offensichtlich, dass die Relativkonstruktionen alle jünger sind und durch ein Missverständnis der langen Endung des erstens Partizips ausgelöst wurden (věrovav-yj > verovav iže), was erst zu einer nur das zweite Verb betreffenden und leicht ungrammatischen bzw. elliptischen Konstruktion führt, die von weiteren Abschreibern dann auf beide Verben ausgedehnt wird. Daher stand im Urtext also die lange Partizipform вѣровавыи (’Glauben angenommen habend’ = präsentisch ’glaubend’) und daher als Übersetzung des gr. passiven Aoristpartizips wahrscheinlich das präsentische *krščejšsję.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
спасень бѹдеть, а не вѣровави осѹдит’ се. 18. знаменїа же повѣровавшихь поидꙋть: именемь моимь бѣси ижденꙋть и ѥзыкы възглаголють новы.’ 19.
30 спасень бѹдеть ] 6: спасетьсѧ, 3: спасень бѹдеть, 2: съпасаетьсѧ; gr. σωθήσεται [Futpass]. Eine wrtl. Übersetzung verlangt ein futurisches Verb, die im Urtext vorgehende Reihung von Partizipien mit präsentischer Bedeutung macht wahrscheinlich, dass aspektuell perfektives (daher futurische Bedeutung, zumindest aktionsartlich faktitives) Präsens *spasetsję ursprünglich ist. Siehe auch gleich die Parallele zum Präsens ’wird gerichtet’. 30 вѣровави ] Majoritas: вѣровавыи, 3: вѣрѹѧи, 1: вѣрѹѧѧ, 1: веровавъ; die Majoritätslesart, zu der CH als orthographische Variante gehört, ist sicher richtig, siehe die Parallele zum ersten věrovavyj. 30 осѹдит’ се ] 2: осѹждень бѹдеть. Bedenkt man die ganzen Lesarten von XVI:17, dann sieht man Abschreiber, die den Text an ihre ksl. Bibelübersetzung anpassen (κατακριθήσεται [Futpass]: spasen’ budet’/ osužden’ budet’), wobei aber die ursprüngliche Übersetzung wohl eher inhaltlich ausgerichtet war (’wer Glauben angenommen hat und sich taufen läßt ist damit auch gerettet’ bzw. ’ … ist damit auch gerichtet’). Es stellt sich die Frage, inwiefern die ältesten aksl. Evangelien unverfälscht die NT-Übersetzung Kyrills wiedergeben. 30 повѣровавшихь ] 2: вѣровавшїимь, 1: вѣровавшымъ, 1: вѣровавъшихъ; vgl. gr Mt 16:17 τοῖς [DatPl] πιστεύσασιν [DatPlmask] … παρακολουθήσει [3PsSg!, konstruiert mit Dativ der Person] ”für die, welche zum Glauben gekommen sind, werden sich diese Wunder ergeben” in der Paraphrase von (Bauer, 1988, 1250). Die Zeichen geschehen nicht ”für” (dativus commodi) die Gläubigen (denn aus diesen müssen keine Dämonen ausgetrieben werden), sondern begleiten die Gläubigen. Cod. Marianus hat wie Gr den Dat, setzt aber das Verb in Pl. In CH steht GenPl ’Zeichen der Gläubigen’, wobei der Gen im Aksl. noch ablativische Bedeutung haben kann als ’Zeichen, die von den Gläubigen ausgehen’. Im Gr. ist ’den Glaubenden’ allerdings syntaktisch eingeschoben zwischen ’Zeichen … diese’, so dass auch die Apposition ’die den Gläubigen eigene, für Gläubige charakteristische Zeichen’ verstehbar ist. Wie im vorigen Satz gibt die Stelle jedenfalls über den Unterschied der von Kyrill hergestellten Übersetzung des NT gegenüber den überlieferten aksl. Übersetzungen zu denken. 31 поидꙋть ] 2: сїа послѣдꙋють; übersetzt in größerer Wörtlichkeit gr. παρακολουθήσει [Futakt] und führt auch noch ταῦτα [NomPl] ’diese (Zeichen)’ an der dem gr. entsprechenden Satzposition mit. Wieder also ist die Tendenz der Lesarten sichtbar, den Text an das überlieferte aksl. NT anzugleichen, was darauf hindeutet, dass im Urtext von VC poidut’ gestanden hat (wobei vielleicht въ слѣдъ (CVB, 467) verloren ging), was auch den vorigen präsentischen Satzschlüssen spaset sę, osudit sę entspricht. 31 ѥзыкы ] Gr. γλῶσσα ’Zunge, Sprache’ (Bauer, 1988, 324), meint also jedenfalls das mündliche Sprechen. 31 възглаголють ] Vgl. CVB, 133); hebt die Bedeutung ’vorbringen, verkündigen’ von gr λαλέω ’reden’ (Bauer, 1988, 941) in den Vordergrund.
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глаголѥт’ же и къ вамь: ’горе вамь, книгочиѥ и фарисеи, ипокрити, ꙗко затвараете царствїе небесное прѣдь чловѣкы; вы бо не въходите и хотещихь вънити не ѡставлꙗѥте.’ 20. и пакы: ’горе вамь, книгочиѥ, ꙗко възесте ключе разꙋмѣныи и сами не вънидосте.’
32 глаголѥт’ же ] 4: глаголемъ тоже; die Lesart ist sekundär, denn sie versteht nicht das Subjekt des Sprechens; vgl. Komm. zur dt. Übersetzung XVI:14. 32 вамь ] 1 add.: пакы законоꙋчителемь, 1 add.: законоꙋчителемь, 1 add.: книгочыꙗмъ и хитрецемъ 32 горе ] Danach gr. δὲ, hier ebenso unübersetzt wie im Cod. Marianus, fehlt auch in einer (alexandrinischen) Redaktion des NT. 32 книгочиѥ ] 4: книжници, 1: книгочиꙗмъ; Mt 23:13 γραμματεῖς [VokPl], im Aksl. Lehnübersetzung und beachte wieder (qwie auch imn ächsten Satz) das nomen agentis auf -ija wie musikija ’Musiker’ aus ’musika’ und grammatikija ’Grammatiklehrer’ aus ’grammatika’ (vgl. IV:2, VIII:10). 32 ипокрити ] 10: лицемѣри, 4 om., 1: лицемѣрїи. Offenbar hatte die erste Übersetzung von VC aus dem Gr ins Aksl das gr. ὑποκριτήϛ ’Heuchler, Scheinheiliger’ (Bauer, 1988, 1684) als Fremdwort stehen gelassen, was die Abschriften dann slavisieren. Umgekehrt ist die Ersetzung sehr unwahrscheinlich. Vor ’Heuchler’ steht auch im Gr keine Konjunktion, so dass das Wort als zusammenfassende Kategorisierung der vorgehenden Substantive zu lesen ist (weshalb wir ein Komma ergänzen). 33 бо ] gr γὰρ 33 хотещихь ] 7: хотѧщимъ; bei Mt 23:13 unterscheiden sich die Redaktionen erheblich (Aland et al., 2012, 76); VC folgt nochmals (siehe schon obiger Satz) der alexandrinischen Redaktion und übersetzt das präsentische gr. τοὺς εἰσερχομένους ’alle die Eintretende’ [PartPraesmediopassiv AkkPl] als präsentisches ’Wollende einzutreten’, was sinngemäß ist, denn würden die Eintretenden schon auf der Schwelle stehen, könnten sie am Eintreten nicht mehr gehindert werden. Auch syntaktisch ist der Gen=Akk statt der dativischen Lesart sinnvoll. Das alles paßt gut zu den ebenfalls vom Gr abweichenden präsentischen Übersetzungen im Vorgehenden. 34 вънити не ѡставлꙗѥте ] 2: вънити въ нѥ не ѡставлꙗѥте, 6: не оставите вънити; gr. οὐδὲ … ἀφίετε εἰσελθεῖν ’und nicht … erlaubt ihr hineinzugehen’. 34– 35 ключе ] 11: ключь; Sg wie im Gr., aber auch folgendes Wort hat Numerusschwankung. 35 разꙋмѣныи ] 6: разѹмѣнїа, 6: разѹмныи 35 вънидосте ] 1: не въходите, 8 add.: и хотѧщимъ вънити възбранисте, 2 add.: и вънити хотещїимь възбранꙗете, 1 add.: и дрꙋгимъ возбранꙗете. Die Zusätze der Hss ergänzen Lk 11:52 Οὐαὶ ὑμῖν τοῖς νομικοῖς [’Gesetzgelehrte’, aber aksl. ’Schreiber’ wie oben in Mt 23:13], ὅτι ἤρατε [’ihr nahmt’ Aor] τὴν κλεῖδα [’den Schlüssel’ AkkSg] τῆς γνώσεως [’des Wissens’ GenSg]. αὐτοὶ οὐκ εἰσήλθετε [Aor], καὶ τοὺς εἰσερχομένους ἐκωλύσατε. Im Cod. Marianus: … законьникомъ … ключь разѹмѣнию … вьнидете. и въходѧштеимъ възбранисте (Jagić, 1960, 251f.). Aor in CH entspricht dem Gr, widerspricht aber den zuvor gesehenen präsentischen Übersetzungslösungen. Pluralische ”Schlüssel” siehe Komm. zur dt. Übers.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
21. Корен’тиѡмь же Павль рече: ’велю же въсѣмь вамь глаголати ѥзыкомь, паче же да прорицаѥте; болы бо прорицаѥи или глаголѥи ѥзыкы, развѣ аще не сказаѥть, да и црькви създанїе прїиметь. 22. нынꙗ же, братїе, аще прїидѹ
36 велю же ] 10: хощѹ, 4: хощѹ же; Die folgenden Sätze XVI:21-57 bieten eine komplette Übersetzung von 1Kor 14:5-39., die sich durch sehr genaue Bewahrung der gr Syntax auszeichnet, jedoch öfters, offenbar durch sprachliche Mißverständnisse der Abschreiber verursacht, vom Bibeltext abweicht, ohne dass sich ein Abschreiber gefunden hätte, der die Stelle gemäß der Bibelübersetzung redigiert hätte, vgl. Daiber (2023). - 1Kor 14:5 θέλω δὲ = ’ich wünsche denn’. An dieser Stelle ohne ersichtliche gr. Varianten, aber siehe XVI:51. 36 въсѣмь вамь глаголати ѥзыкомь ] 8: да вси ꙗзыкы глаголете, 6: ꙗзыкы глаголете; syntaktisch unterscheiden sich die Lesarten zwischen (speziell südslav.) da-Nebensatz (wobei 6 Hss wohl irrtümlich die Subjunktion fortlassen) und DcI, lexikalisch aber, ob wie im Gr pl ’in Zungen/ Stimmen’ oder sg ’in einer Zunge’ geredet wird. Eine Vertauschung von gr Sg γλώσσῃ (1Kor 14:2,4) zu slav. Pl ѧзыкы vermerkt schon Voskresenskij (1879, 258), hier liegt umgekehrt gr Pl γλώσσαιϛ als slav Sg vor. Nimmt der Übersetzer an, Paulus wünsche, dass jeder in einer (bestimmten) Sprache prophezeie? Oder geht die Lesart von CH auf ein ursprüngliches языками mit Hörfehler nach Diktat zurück? Aber siehe gleich unten den erwartbaren alten InstrPl języki statt językami. - Südslav. CH hat DcI, der gr. AcI vertritt und 1Kor 14:5 bis in die Wortstellung hinein wiederholt: πάντας[Akk] ὑμᾶς[Akk] λαλεῖν[Inf] γλώσσαιϛ[DatPl]. 37 паче ] stellungsgenau μᾶλλον δὲ ἵνα προφητεύητε. 37 да ] weil gr. Subjunktiv προφητεύητε ’ihr möget prophezeien’. 37 болы ] Reliqui cod.: болїи 37 или ] 10: нежели, 6: неже; Gräzismus: gr. ἤ heißt ’oder’, aber auch ’als’, vgl. Bauer (1988, 694) mit Bezug auf 1Kor 14:5. 37 глаголѥи ] 15: глаголѧ; PartPraesakt wie gr. λαλῶν. 38 не ] Gräzismus; die im Slavischen nicht benötigte Negation bildet die nachklassische gr Wendung ἐκτὸϛ εἰ μή ’außer wenn’ nach (Bauer, 1988, 496). 38 сказаѥть ] 4: сказаете, 2: сказꙋеть; für gr. διερμηνεύω ’übersetzen, auslegen, erklären’ (Bauer, 1988, 390), ebenso XVI:30 (aber siehe XVI:45) und XVI:43 сказанїе für ἑρμηνεία ’Übersetzung, Auslegung’. Im Aksl. tritt сказати zumeist neutral als verbum dicendi auf; man sieht, dass ein noch nicht zum Fachgebrauch spezifizierter Wortschatz die gr. Termini zu übersetzen sucht, wobei die Übersetzungslösungen in diesem Abschnitt konsequent durchgehalten sind. 38 и ] 15: om.; im Gr. steht hier Artikel ἡ, mit Itazismus wie /i/ gesprochen. Ist die irrtümliche Konjunktion daher ein phonetischer Gräzismus? 38 црькви ] Sicher nicht urspr. NomSg der ū-Stämme (*cьrky) mit -v- aus den obliquen Kasus kontaminiert, sondern Missverständnis des Numerus beim Verb, was dann rückwirkend Plural bei ’Kirche’ auslöst. 38 прїиметь ] gr. SubjAorakt λάβῃ; die Endung wird von Abschreibern für Plural gehalten, siehe XVI:40.
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VC XVI 40
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къ вамь и въ ѥзыкы глаголю, что вамь пол’зьствꙋю, аще вамь не глаголю въ ꙗвлѥнїе и въ разꙋмѣнїе или въ пророчьствїи или въ наѹченїи? 23. обаче без’гласна и бездꙋшна глась дающи, аще ли пищали, аще ли гѹсли, аще разь-
39 и ] sicher sekundär, siehe nächste Anm. 39 въ ѥзыкы глаголю ] 14: ꙗзыкы глаголѧ; konjunktionslos und präpositionslos angeschlossener InstPl und Part entsprechen 1Kor 14:6 γλώσσαις[DatPl] λαλῶν[PartPraesakt] 39 что вамь пол’зьствꙋю ] 11: кѹю вамъ пользѹ сътворю, 5: кѹю вы пользѹ сътворю; CH fast genau wie 1Kor 14:6 τί ὑμᾶς[AkkPl] ὠφελήσω[1PsIndFut], das gr Verb ist auch mit Dat als ’nützen wem’ konstruierbar (Bauer, 1988, 1796), aksl. польѕевати (CVB, 474). 39 вамь ] 6: вы, 4: къ вамъ 39 глаголю ] 14: възглаголю 39–40 въ ꙗвлѥнїе ] 14: или откровенїемъ; Lesart sekundär, vgl. XVI: 43 und 47: ꙗвленїе ist das etwas blasse (’Erscheinung’), aber konsequent durchgehaltene Äquivalent für gr.ἀποκάλυψιϛ ’Offenbarung, Enthüllung’. Beachte hier und im Folgenden die enge Bindung an die gr. Syntax; XVI:22 folgt genau 1Kor 14:6 ἐν ἀποκαλύψει, ἢ ἐν γνώσει, ἢ ἐν προφητείᾳ ἢ ἐν διδαχῇ. 40 и въ разꙋмѣнїе ] 10: или разѹмомъ, 4: ли разѹмомъ 40 или въ пророчьствїи ] 10: или пророчьствомъ, 4: ли пророчьствомъ 40 или въ наѹченїи ] 10: или ѹченїемъ, 4: ли ѹченїемъ 40–41 без’гласна и бездꙋшна ] 13: безъдѹшнаꙗ, 1: бездѹшенъ; 1Kor 14:7 ὅμως τὰ ἄψυχα φωνὴν διδόντα; CH без’гласна и nicht im Bibeltext und, da tautologisch, auch sinnlos, die 13 Lesarten geben richtig das substantivierte Adjektiv ’die Seelenlosen/ Leblosen’ wieder. 41 глась ] Gräzismus: gr. φωνή ist ’Stimme’, aber v.a. ’Laut, Ton’ (Bauer, 1988, 1736); für letzteres, was hier gemeint ist, wäre aksl. *zvukъ erwartbar, auch wenn гласъ eben unter gr. Einfluß vereinzelt ’Laut, Ton’ bedeuten mag (CVB, 170). 41 дающи ] 9: дающа, 7: дающе; die Endung auf -a [NeutrPl] ist aksl. richtig, die Endung auf -e verallgemeinert schon fem und mask.Pl, die Endung auf -i wie in CH zeigt bereits Ausgleich zum Adjektiv. Gräzismus: participium coniunctum. 41 аще ли ] für gr. εἴτε. 41 пищали ] NomSg пищаль, gr. 1Kor 14:7 ebenfalls Sg αὐλὸς, vielleicht automatische Analogie zu folgendem гѹсли, was aber pluralium tantum ist (CVB, 181). 41 аще ] für gr. ἐὰν 41–42 разьн’стиѥ ] 14: разньствїа, 2: разьньствїе
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н’стиѥ пискомь подасть се, како разꙋмѣѥт се писканїе или гѹденїе? 24. ибо аще безгласнь глась трꙋба дасть, кто ѹготова се на брань? 25. тако и выи езыкомь аще не разꙋмна словеса дасте, како разꙋмѣѥт се глаголѥмоѥ? 26. бѹдете бо въ аирь глаголюще. 27. толїко ѹбо аще слѹчит се родь съглас-
42 пискомь ] 4: гласомъ; пискъ ist außer in VC nur in ZP bezeugt (SJS, 39), CVB, 446) verzeichnet nur das Verb пискати ’auf der Flöte spielen’, vgl. slovak., poln. pisk ’der Pfiff’ (Vasmer (1986-1987, 3: 271), Boryś (2008, 438)), aruss. пискъ ’Ton eines Musikinstrumentes’ (Sreznevskij, 1989, 4 (2,2): 938). 42 подасть се ] 7: не дасте, 7: не дастъ, 2: не подастсе; Aor wie gr. 3PsSg δῷ (byz. διδῷ); in CH fehlt sinnloserweise die Negationspartikel. Die unpersönlichen Konstruktionen weichen alle vom 1Kor 14:7 ab: ἐὰν διαστολὴν τοῖς φθόγγοις μὴ δῷ ’wenn sie [Flöte oder Harfe] dem Klang nicht einen Unterschied gibt’; möglicherweise, weil das Slav. bei komitativen Subjekten pl beim Verb erwartet, hat sich der Übersetzer für eine nur auf die Flöte bezogene Wendung entschieden, die, wie 7 Lesarten zeigen, nicht unpersönlich gewesen sein muss: ’wenn er [der Flötenspieler; wohl nicht ’sie = die Flöte’, denn siehe vorgehenden Plural ’Flöten’] den Pfeiftönen keinen Unterschied gibt’. 42 разꙋмѣѥт се ] 1Kor 14:7 Futur passiv γνωσθήσεται ’wird verstanden werden’. 42 писканїе ] 10: пищемое, 4: сопомое; im Gr. zwei Mal PartPraespass τὸ αὐλούμενον/ τὸ κιθαριζόμενον, daher dürften die 11 Lesarten пищемое ursprünglicher sein. 42 гѹденїе ] 11: гѹдомое, 3: гѹденое; Lesarten mit Partizip wohl ursprünglicher, siehe vorige Anm. 43 безгласнь ] 14: безвѣстенъ, richtige Lesart für 1Kor 14:8 ἄδηλον ’unentscheidbar, unerkennbar’. 43 глась ] 1Kor 14:8 φωνὴν σάλπιγξ δῷ; in einigen nicht-byz. Redaktionen fehlt φωνὴν (Aland et al., 2012, 545); vgl. zur Bibelredaktion auch XVI:35. 43 ѹготова се ] 7: ѹготоваетьсѧ, 2: ѹготовит се, 6: готовъ, 1: ѹготовлѧетсѧ; 1Kor 14:8 Futmed παρασκευάσεται. 44 езыкомь ] für Präpositionalphrase διὰ τῆς γλώσσης 44 аще ] Die Stellung der aksl. Konjunktion (für ἐὰν) entspricht exakt der gr. 44 не разꙋмна ] Negationspartikel muss gegen Grivec/Tomšič (1960) getrennt geschrieben werden, die Negation bezieht sich auf das Verb. 44 словеса ] im Gr. Singular: εὔσημον λόγον 44 разꙋмѣѥт се ] 14: разѹмно бѹдеть; im Gr. γνωσθήσεται Futpass 45 бѹдете ] 9: бѹдеть; gr. 2PsPl ἔσεσθε 45 аирь ] 14: аеръ, 2: въздꙋхь; vgl. XVI:4. Die Schreibung mit itazistischem ’air’ kann man für durchaus ursprünglich halten. 45 слѹчит се ] 9: сѧ ключить, 5: ключить; als Übersetzung von gr. OptativAorakt 3PsSg τύχοι ’es mag sein’. 45 родь ] Wird am sinnvollsten als GenPl aufgefasst (cf. S. 39). 45–46 съгласныихь ] 14: гласныхъ; das aksl. Adjektiv übersetzt gr. φωνή, eigentlich ’Laut, Geräusch, Stimme’, übertragen ’Sprache’ (Bauer, 1988, 1737). Seltsamerweise ist das entsprechende Nomen гласъ in den Hss von VC nicht bezeugt, obgleich morphologisch und semantisch die bessere Übersetzung; cf. Ostroger Bibel: толико (ѹбо) аще ся ключи[т] роды гласовъ сꙋть въ мирѣ (Turkonjak, 2006, 1816). - Zu übersetzen war 1Kor 14:10 γένη [NomPl] φωνῶν [GenPl] ’Arten von (Laut-)Sprachen’, ein paralleler Ausdruck wie auch 1Kor 12:10, 28: γένη γλωσσῶν ’Arten von Sprachen’. Es ist möglich, dass zur Vermeidung der Doppelbedeutung von gr. γένος (’Gattung, Art’, aber auch ’Geschlecht, Volk’) (Bauer, 1988, 313) nicht das erwarte Nomen гласъ erscheint (’Geschlechter/ Arten von/ der Stimmen’?), sondern die adjektivische Konstruktion ’klingende Geschlechter/ Arten’.
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VC XVI 46
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ныихь въ мирѣ и ни ѥдини же ихь безгласнь. 28. аще не вѣмь силы гласꙋ, бꙋдꙋ глаголющомꙋ мнѣ вар’вар и глаголѥи мнѣ вар’варь. 29. тако и выи, понѥже ѥсте ревнители дѹховнымь, къ създанїю црькви просите, да ви избиваѥть.
46 въ мирѣ ] 14: въ всемъ мирѣ; gegen den Bibeltext vielleicht unter Einfluss von Phraseologie. 46 ѥдини ] Reliqui cod.: единъ 46 безгласнь ] 6: без гласа. In der Gegenüberstellung съгласнъ/ безгласнъ klingt grammatische Terminologie con-sonans/ sine vocalium an, vielleicht daher die Lesart in CH? 46 не ] 8: ѹбо 46 силы ] Gen negationis; gr. AkkSgfem δύναμιν; zur Bedeutung siehe VIII:15. 46 гласꙋ ] 14 add.: то; bei Akzeptierung des Zusatzes setze entsprechend das Komma vielmehr vor das Demonstrativum. 47 глаголющомꙋ мнѣ ] 5: глаголемыи, 4: глаголющѹ ми ѹми, 3: глаголющемѹ ми, 2: подобьнь глаголющомѹ мнѣ, 1: глаголющѹ ми, 1: глаголюще ꙋмы. Die gr. Konstruktion ist: ἔσομαι [1PsSgFut ’ich werde sein’] τῷ [DtSgmask ’für den, zu dem’] λαλοῦντι [PartPraesakt DatSgmask ’Sprechenden’] βάρβαρος καὶ ὁ λαλῶν [PartPraesakt NomSgmask ’der Sprechende’] ἐν ἐμοὶ [’zu mir’] βάρβαρος. Im Gr bedarf die Wendung τῷ λαλοῦντι ’dem (mit mir) Sprechenden’ nicht notwendig eines dativischen Pronomens: ὅτι τῷ λαλοῦντι πεπίστευκε Θεῷ ’dass er [Abraham] dem (mit ihm) sprechenden Gott geglaubt hat’, vgl. Athanasius in Penkova (2016, 190)) Die teils unerklärlich entglittenen Lesarten haben vielleicht einen DatAbs vermutet. 47 вар’вар ] Gräzismus, einige Male im aksl. Schrifttum als Lehnwort belegt (CVB, 109). 48 дѹховнымь ] Gr. genetivisch konstruiert ζηλωταί … πνευμάτων ’Verteidiger der geistigen Dinge’, im Aksl. aber zieht рьвьновати usw. den Dativ nach sich (’streben nach’) (CVB, 587). 48 къ ] Wie im NT gr. Präposition πρὸς, obgleich aksl. просити keine Präpositionalkonstruktion fordert, приносити (s.u.) allerdings schon. 48 създанїю ] gr. οἰκοδομὴν ’geistliche Förderung, Erbauung’ (Bauer, 1988, 1133); als зданїе nochmals XVI:43, als Verb XVI:34, dann (wie auch sonst CVB, 242)) mit зьдати übersetzt, bei dem die im Gr. übliche übertragene Bedeutung ’fördern, stärken’ noch weniger hörbar ist. 48 просите ] 1: приносите, 1: соприносите вы вѣрою; gr. ζητεῖτε Imperativ 2PsPl ’suchen’, aber auch ’anstreben, begehren, wünschen’ (Bauer, 1988, 685). Ursprünglich wurde offenbar die Bedeutung ’wünschen’ = просити къ unter interlinearer Beibehaltung der gr. Präpositionalkonstruktion übersetzt, was im Aksl. aber als Gräzismus nicht verstanden wurde und von den Abschreibern sinngemäß richtig als ’beitragen’ zu = приносити къ rationalisiert wurde. 48 да ви избиваѥть ] 6: да ви избываете, 1: да дасть вамъ богъ; gr. ἵνα περισσεύητε = ’auf dass ihr (die geistlichen Gaben) reichlich erhaltet’ (Bauer, 1988, 1312). Das Pronomen ви ist serb. enklitisch für akl. вамъ/ вы (vgl. bei VI: 22); 6 Hss nehmen NomPl an, richtig ist DatPl, 3PsSg beim Verb wie in CH ist ursprünglich.
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
30. тѣмьже глаголѥ езыкомь молите се, да сказаѥть. 31. аще бо молитвꙋ дѣю ѥзыкомь, дѹхь мои молит’се, а ѹмь мои бес плода ѥсть. 32. что ѹбо ѥсть? помолю се дѹхомь, помолю се ѹмомь; спою дѹхомь, спою же и ѹмомь. 33. аще благословиши дѹхомь, испльнꙗѥи мѣсто неразꙋмнаго, како речеть аминь по твоѥи похвалѣ, понѥже не вѣдеть, что глаголѥши? 34. ты ѹбо
49 глаголѥ ] 10: глаголѧи, 2: глаголѥи; das bestimmt deklinierte PartPraes erscheint auch XVI:21, 28; jedes Mal ist das Nomen definit, ebenso испльнꙗѥи in XVI:33. 49 езыкомь ] gr. γλώσσῃ; die lexikalische Unentschiedenheit von γλῶσσα/ ѧзыкъ ’Sprache’ (als definiertes Idiom) oder ’Zunge’ (als Körperteil oder als Fachausdruck für [prophetische] Zungenrede) ist hier im Sinne von XVI:21 als ’Zungenrede’ aufzufassen. Wollte man mit ’Sprache’ übersetzen, wäre dies ohne Zusatz wie ’fremde/ prophetische’ Sprache sinnlos. 49 молите се ] 7: молитсѧ, 2: молитисѧ, 2: да молитсе; 3PsSg Passiv ist ursprünglich wie gr. 3PsSg Imperativ Praespass προσευχέσθω. Noch genauer wäre in den Lesarten nirgends bezeugter (optativischer) Imperativ der 3PsSg (да) моли сѧ. 49 сказаѥть ] 7: скажѹть ти, 2: скажеть ти, 2: сказѹеть, 1: скажетсѧ; zur Bedeutung XVI:21. 49 дѣю ] 4: дѣѧти, 3: дѣѧ, 2: творꙋ; gr. προσεύχωμαι 1PsSg SubjPraesMedium. Ein Grund für die Lesarten des korrekten IndPraes 1PsSg дѣю ist schwer zu sehen. Wahrscheinlich wurde auf serb. Boden ursprüngliches дѣѫ mit дѣѧ verwechselt, welches ostslav. als Partizip (дѣѧ) oder als verstümmelter und zu ergänzender Infinitiv (дѣѧти) empfunden wurde. 2 Hs entkommen dem Problem durch lexikalischen Wechsel (творꙋ). Eine supinale Konstruktion mit slav. Infinitiv ’um nämlich ein Gebet zu verrichten’ ist wenig wahrscheinlich. 50 бес плода ] Wrtl. für gr. ἄκαρπός 50 что ѹбо ѥсть? ] τί οὖν ἐστίν = phraseologisch ’wie stehts also?’, ’was ist zu tun?’ (Bauer, 1988, 1200). 51 помолю ] 9: молюсѧ, 6 add.: господеви (gegen das Gr.). 1Kor14:15 hat προσεύξομαι = IndFutmed 1PsSg, daher dürfte помолити ursprünglich sein, siehe auch die folgenden präfigierten Verben, wo offenbar aspektuelle Perfektivität hergestellt ist. 51 помолю ] Die Auslassung hier, nach dem zweiten помолю, von δὲ καὶ ’jedoch auch’ ist gr. unbezeugt, aber nach dem zweiten спою bekannt als Charakteristikum für die lateinische Tradition des gr. Textes in Hss vom 4.-9. Jh (Aland et al., 2012, 545). 51 спою ] gr. ψαλῶ IndFutakt 1PsSg 52 аще ] Blass für gr. ἐπεὶ ’überdies’ (obgleich öfter so belegt, CVB, 75-77)), in XVI:29 mit der üblichen kausalen Bedeutung (Bauer, 1988, 575) понѥже übersetzt. Hier als ’wie denn sonst’ aufzufassen. 52 испльнꙗѥи ] Bestimmt dekliniertes PartPraesakt als Subjekt des folgenden Verbs, syntaktisch wie im Gr. vorgezogen. 52 неразꙋмнаго ] gr. ἰδιώτηϛ ’Laie, Nichtstudierter’, als ’Proselyt’ (Bauer, 1988, 753) aufzufassen. 53 твоѥи похвалѣ ] 14: твоеи хвалѣ, 2: твоемѹ прошенїю; gr. ἐπὶ τῇ σῇ εὐχαριστίᾳ ’zu deinem Dankgebet’, das Nomen kann aber auch ’Herrenmahl’ bedeuten (Bauer, 1988, 664). 53 вѣдеть ] Omnes cod. praeter 3: вѣстъ; die Lesarten konjugieren richtig.
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VC XVI 55
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добрѣ хвалиши, нъ дрѹгы не зиждет’ се. 35. хвалю бога моѥго, ѡ вась паче же ѥзыкы глаголю. 36. нъ въ црькви е͡ словесь хощꙋ ѹмомь своимь глаголати, да и ини наѹчю, неже ли т’ми словесьь ѥзыкомь. 37. братїе, не дѣти бываите ѹмьмь, нъ злобою младенствꙋите, ѹми же съврьшени бѹдѣте. 38. въ законѣ ѥсть писано ꙗко иноезычникы ѹстнами инѣми възглаголю къ лю-
54 хвалиши ] gr. IndPraesakt 2PsSg εὐχαριστεῖς 54 зиждет’ се ] gr. οἰκοδομεῖται IndPraespass 3PsSg, zur Bedeutung XVI:29. 54 моѥго ] Das PossPron ist charakteristisch für eine bestimmte Hs-Gruppe (Aland et al., 2012, 546), dieselbe, die auch Partizip statt finites Verb im Objektsatz hat. 54 ѡ вась ] 10: въ всѣхъ васъ, 4: о всѣхъ васъ; die Präposition nicht im Gr.; auch aksl. würde bloßer Gen nach der Vergleichspartikel (allerdings normalerweise umgestellt) паче васъ ausreichen. 55 глаголю ] 1: глаголѧ; gr. in bestimmten Hss PartPraesakt λαλῶν statt üblichem IndPraes 1PsSg λαλῶ. Die Korrelation mit dem PossPron zu Beginn des Satzes zeigt, dass der aksl. Text genau einer bestimmten Hss-Gruppe (Siglen K L) folgt und dass also das Part глаголѧ, obgleich nur in einer Hs überliefert, ursprünglich ist. 55 ѹмомь своимь ] Im Gr. liegen Lesarten mit Präpositionalphrase vor (ἐν, διὰ, letzteres byz. Majorität) statt reinem instrumentalem Dat τῷ νοΐ μου. 56 да и ини ] 16: да ини; CH besser, weil gr. ἵνα καὶ. 56 т’ми ] 14: тмѹ; CH wie gr. AkkPlmask μυρίους. Wenn nicht als unbestimmt große Zahl verwendet, bezeichnet eine Myriade 10.000 Einheiten (Bauer, 1988, 1072). 56 ѥзыкомь ] gr. alle Hss präpositional ἐν γλώσσῃ. 56 дѣти ] Gr. NomPlneutr παιδία 57 бываите ] Wie Gr. in Verbindung mit Nom der Imperativ Praesmed 2PsPl von γίωομαι ’sein, sich zeigen als’ (Bauer, 1988, 320), am Satzende aber als ’werden’/ бѹдѣте übersetzt. 57 ѹмьмь ] 7: ѹмы; auch gr. Plural ταῖς φρεσίν, daher die 7 Lesarten mit InstrPl besser, auch wenn sie einen Gräzismus darstellen, denn φρήν kommt biblisch nur 1Kor 14:20 (2 Male) vor, und zwar als pluralium tantum in der Bedeutung ’Verstand, Einsicht’ (Bauer, 1988, 1726). 57 злобою ] Im Gr. reiner Dat τῇ κακίᾳ ’ein Kind sein [in] der Bosheit’ (Bauer, 1988, 1087), aksl. etwas unglücklich instrumental wiedergegeben, was natürlich nicht gemeint ist. 57 младенствꙋите ] 1: младствѹите; Imperativ 2PsPl wie gr. νηπιάζετε. Gr. und Aksl. wechseln zwischen ’Kind’ дѣти/ παιδία im Sinne des noch nicht Herangewachsenen und dem unmündigen Kind младенищь/ νήπιοϛ (CVB, 329) im Sinne des natürlich Unschuldigen (Bauer, 1988, 1088). 57 ѹми ] 5: ѹмомъ; wie oben Pl besser, vgl. gr. ταῖς δὲ φρεσὶν. 58 ѥсть писано ] Gr. IndPerfpass 3PsSg γέγραπται. Das Komma bei Grivec/Tomšič (1960, 135) nach dem Partizip wurde gestrichen, denn jako recitativum gehört nicht zum Zitat, sondern zur Redeeinleitung. 58 иноезычникы ] Omnes cod. add.: и, 3: иноꙗзычными, 2: иноезычныими; gr. ἐν ἑτερογλώσσοις = Adjektiv, daher sind die Lesarten besser) καὶ (fehlt in CH) ἐν χείλεσιν ἑτέρων/ byz. ἑτέροις. 58 възглаголю ] 7: възглаголють; gr. λαλήσω IndFutakt 1PsSg. 58 къ ] 15 om.; gr. präpositionslos τῷ λαῷ τούτῳ 58–59 людемь ] Gr. DatSg von λαός ’Volk’ bzw. im speziellen ’Volk Gottes’ (Bauer, 1988, 948).
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
демь симь и тако не послѹшають мене, глаголѥть господь. 39. тѣм’же езыци въ знаменїе несѹть невѣрнымь, нъ вѣрѹющимь, а пророчьство невѣр’нымь. 40. аще ѹбо снидеть се црькви в’са въкѹпѣ и въси глаголють ѥзыкы и въ-
59 и ] Gr. οὐδ’ οὕτως = ’auch nicht einmal so’ (Bauer, 1988, 1197) wird nicht übersetzt, statt dessen im Aksl. reine Verneinung ’so nicht’. 59 послѹшають ] Gr. IndFutmed 3PsPl εἰσακούσονταί ’hören’ bzw. ’gehorchen’ (Bauer, 1988, 468); die aksl. Übersetzung ist in der Wahl von послѹшати ’hören, gehorchen statt слышати ’hören, wahrnehmen’ (CVB, 482f, 615) eindeutiger als das Gr. 59 господь ] 4 add.: вседръжитель, aber gr. nur κύριοϛ 59 езыци ] 11: ꙗзыци; Gr. Lesarten für 1Kor 14:22 liegen nicht vor. Nimmt man die in den aksl. Hss verfügbaren Lexeme und ordnet sie anhand des gr. Textes, ergeben sich folgende Entsprechungen: ὥστε [těmъ že] αἱ γλῶσσαι [języki] εἰς σημεῖόν [vъ znamenïe] εἰσιν [sutь] οὐ [ne] τοῖς πιστεύουσιν [PartPraesakt, daher věrǫjǫštimь], ἀλλὰ [no] τοῖς ἀπίστοις [Adj, daher věrnymъ], ἡ [a] δὲ προφητεία [proročьstvo] οὐ [ne] τοῖς ἀπίστοις [věrnymь], ἀλλὰ [no] τοῖς πιστεύουσιν [věrǫjǫštimь]. Die sich teils widersprechenden aksl. Lesarten werden wohl von der slavischen doppelten Negation (nesǫt’ ne) in Zusammenspiel mit der scriptura continua hervorgerufen; bei den Emendationsversuchen in verschiedenen Hss ging die morphologische Äquivalenz, ein gr. Partizip mit aksl. Partizip, ein gr. Adjektiv aber mit aksl. Adjektiv zu übersetzen, zumeist verloren. Immerhin bewahren 4 Hss (Lesarten gekennzeichnet mit !, in der Zählung von Mirčeva 2014 sind es Hss 2, 13, 27, 42) den Vordersatz sachlich richtig, wenngleich ohne morphologische Äquivalenz mit dem Gr., und 15 Hss (die genannten Nrn 2, 13, 27, 42 und zusätzlich 5, 6, 10, 11, 12, 25, 32, 34, 38, 46 und 48) bewahren den adversativen Nachsatz sachlich (!), 14 davon sogar morphologisch (!!) äquivalent. 60 въ знаменїе несѹть невѣрнымь, нъ вѣрѹющимь ] 11: въ знаменїе невѣрнымъ сѹть, 3: въ знаменїе сѹть не вѣрнымъ но невѣрнымъ (!), 1: нѣсѹть въ знаменїе невѣрнымь, нъ вѣрнымь, 1: нѣсѹть въ знаменїе вѣрнымь, нъ невѣрнымь (!) 60 а пророчьство ] 5 om. 60 невѣр’нымь ] 14: не невѣрнымъ но вѣрѹющимъ (!!), 1: не невѣрнымь нъ вѣрныимь (!), 1: вѣрѹющимъ, 1: невѣрнымь 61 снидеть се ] gr. SubjAor 3PsSg συνέλθῃ; im Aksl. eingebürgerte Lehnbildung (CVB, 661) nach gr. συν-έρχομαι (Bauer, 1988, 1571) = ’zusammen-kommen’ = съ ’zusammen’ + н (intervokalische Prothese) + ити ’gehen’ + се (Reflexivpartikel) = ’sich versammen’. 61 въкѹпѣ ] gr. ἐπὶ τὸ αὐτὸ 61–62 вънидеть ] gr. SubjAorakt 3PsPl εἰσ-έλθωσιν wie въ-н-ити (CVB, 146), der betretene Raum ist aus dem Zusammenhang zu erschießen. Das aksl. Verb ist 3PsSg, welcher nach serb. Verwechslung der Nasalen (Pl vnidǫtь/ vnidętь; Beispiele dafür XVI:48, 51 und 52, allg. S. 39) und anschließender Entnasalierung als vnidetь aber wie 3PsSg erscheint. Die Lesarten sind diesem Numerusmissverständnis geschuldet, denn nun wurde bei den Agenten und beim nächsten Verb Pl in Sg verändert. Weil bei einem Partizip noch Pl vorhanden ist und beim Verb noch eine Majorität der Hss Pl zeigt, kann man annehmen, dass im Original die Stelle dem gr. Text genau folgte. Allerdings muss man zugeben, dass an dieser Stelle sich durch das zusammengesetzte Satzsubjekt auch Numerusschwankung ohne gr. Vorlage einstellen konnte. Siehe aber bspw. auch XVI:21, wo Sg vielmehr als Pl missverstanden wurde.
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нидеть ѥтерь неразѹмьнь или невѣрьнь, не рекѹт ли, ꙗко зли се дѣѥте? 41. аще ли въси пророчьствꙋють и вънидет’ же ѥтерь неразꙋмьнь или невѣр’нь, ѡбличають се въсѣми, въстезаеть се ѡт въсѣхь. 42. и тако таина срьдьца ѥго
62 ѥтерь ] Omnes cod. om. praeter 2: нѣкто; nicht im Gr. Das Indefinitpronomen ist aus dem folgenden Vers 1Kor 14:24 auch in 14:23 geraten, nachdem sich der Wechsel in den Sg vollzog. Daher ist es auch nur in 2 Hss zu finden. 62 неразѹмьнь ] 9: неразѹмивъ, 4: неразѹмѣвъ, 1: неразѹмыи; im Gr. NomPlmask ἰδιῶται, das bestimmt deklinierte неразѹмыи ist aber wohl nicht definit zu verstehen. 62 рекѹт ] 14: речеть; gr. IndFut 3PsPl ἐροῦσιν. 62 зли се дѣѥте ] gr. IndPraesmed 2PsPl μαίνεσθε ’ihr seid von Sinnen’ (Bauer, 1988, 986f.); im Aksl. ist eine archaische Bedeutung des normalerweise moralisch bewerteten зълъ ’Böses’ (CVB, 241) greifbar, wie sie in зълодѥꙗти сѧ ’mondsüchtig sein, von Sinnen sein’ (ebd. 240) vorliegt. 63 и ] Nicht im Gr.; in VC wird die irreale Konstruktion des Gr. ’käme dann einer herein’ nur indikativisch übersetzt wird und durch Zusatz der Konjunktion so eine harte Fügung vermieden. 63 ѥтерь ] 5: нѣкто, 4: инъ, 1: нѣкыи; gr. τις. 63 неразꙋмьнь ] 8: неразѹмивъ, 6: неразѹмѣвъ 63 невѣр’нь ] Omnes cod. praeter 2: невѣренъ и (ли, или) неразѹмивъ (-ѣвъ). Die Lesart in Grivec/Tomšič (1960, 138) wird so geboten und man kann nicht anders als annehmen, dass die Majorität der Hss gegen das Gr. eine dreiteilige Aufzählung ’Unverständiger oder Ungläubiger oder Unverständiger’ einführt. 64 ѡбличають се ] 14: обличаетсѧ, 2: обличаетсе; gr. IndPraespass ἐλέγχεται, hier in der Bedeutung ’(einer Sache) überführt werden’ (Bauer, 1988, 503), was neben der üblichen Bedeutung ’beschuldigen’ von обличати auch in dessen aksl. Verwendung (CVB, 393) sichtbar ist. 64 въстезаеть се ] gr. IndPraespass 3PsSg ἀνακρίνεται in der Bedeutung ’befragen, untersuchen’, obgleich aus theol. Perspektive für 1Kor 14:24 die Bedeutung ’beurteilen, prüfen’ (Bauer, 1988, 110) näher liegt. 64 ѡт ] wie gr. ὑπὸ, dieselbe Wendung ist aber zuvor mit reinem Instr übersetzt.
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ꙗвѣ бывають; и тако падь ниць поклонит’ се богови и повѣдаѥ, ꙗко въ истинѹ богъ въ вась ѥсть. 43. что ѹбо ѥсть, братїе? ѥгда сходите се, къждо вась псаломь имать, да дрьжить, и, ѹченїе имать, ꙗвлѥнїе имать, ѥзыкь имать, сказанїе имать, в’се же къ зданїю да бываѥть. 44. аще ли кто ѥзыкомь глаголѥть, по двѣма ѹбо или по тремь и по чести, ѥдинь да сказаѥть. 45. аще
65 бывають ] 8: бываеть, 6: сѹть; Numerusinkongruenz (s.a. XVI:49, 57) schon in der gr. Konstruktion: τὰ κρυπτὰ [NomPlneutr] τῆς καρδίας αὐτοῦ φανερὰ [NomPlneutr] γίνεται [IndPraesmed 3PsSg], also etwa ’es ereignet sich, (dass) die Geheimnisse seines Herzens offenbare (sind)’. Die Konstruktion ist im Aksl. vermieden, indem statt Adjektiv vielmehr Adverb ꙗвѣ prädikativ verwendet wird, dem ”ein anderes Satzglied (als bloßes Rhema)” (Večerka (1989-2003, 3: 118), allerdings mit anderen Beispielen) folgen kann. Im Gr. wie im Aksl. ist die Syntax also ad sensum gebildet, wahrscheinlich war der in den Lesarten bezeugte Singular бывает ursprünglich. 65 падь ] gr. PartAorakt πεσὼν 65 ниць ] Aksl. bekannte Entsprechung (CVB, 382) für gr. ἐπὶ πρόσωπον ’auf sein Angesicht’ 65 и ] nicht im Gr. 65 повѣдаѥ ] 2: исповѣдꙋе, gr. PartPraesakt ἀπαγγέλλων; stand ursprünglich повѣдаѧ, was nach Entnasalierung als 3PsSg (richtig: povědaetъ, zu Varianten *-tь/тъ/ø vgl. Aitzetmüller (1991, 177), aber auch Žolobov (2016b)) empfunden wurde und so die Einfügung der Konjunktion veranlasste? 65–66 ꙗко въ истинѹ ] gr. ὅτι ὄντως, nicht in allen gr. Hss. 66 сходите се ] gr. SubjPraesmed συνέρχησθε. 66 вась ] gr. ὑμῶν, nicht in allen Hss. (Aland et al., 2012, 546). 67 имать ] 1: имате (MMFH, 2: 109). 67 да дрьжить, и ] 16 om.; in keiner gr. Hs nachweisbarer Zusatz (Nestle/Nestle (1942), Aland et al. (2012)). Grivec/Tomšič (1960, 135) lesen да дрьжить, и und behandeln и als Konjunktion ”und”. Nicht ausgeschlossen ist PersPron AkkSgmask ’auf dass er ihn behalte’. - Der Einschub sieht aus wie die Ermahnung eines Mönchsschreibers. 67 ꙗвлѥнїе ] gr. ἀποκάλυψιν ’Offenbarung’; vgl. XVI:22. 68 сказанїе ] Zur Bedeutung siehe XVI:21. Laut KO, 3: 118) fehlt ѹченїе имать in der ältesten Hs (Nr. 1, siehe S. 11). 68 къ зданїю ] gr. πρὸς οἰκοδομὴν, vgl. XVI:29. 68 бываѥть ] 8: бывають; gr. Imperativ Praesmed 3PsSg γινέσθω; bis in die Endstellung des Verbs wird die gr. Wortfolge wiederholt. 69 по тремь ] 10: зло по тремь, 4: зло тремь; gr. κατὰ δύο [po dvěma] ἢ [ili; ergänze nochmals κατὰ/ po] τὸ πλεῖστον [Superlativ von πολύϛ ’viel’] τρεῖς [tremь] = ’von zwei oder höchstens drei’. Das in den Lesarten auftauchende зло ist ѕѣло ’sehr, äußerst’ wie MMFH, 2: 109). 69 и по чести ] gr. καὶ ἀνὰ μέρος ’und einer nach dem andern’ = ’und gemäß dem Anteil in der Reihe’ (Bauer, 1988, 1025). Aksl. ’Teil’ für μέρος begegnet schon VI:25, die Wendung ist gräzisierend. 69 сказаѥть ] 2: сказꙋеть; gr. Imperativ PraesAkt 3PsSg διερμηνευέτω.
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ли не бѹдеть глагольника, да мльчить въ црькви, себѣ же да глаголѥть и богови. 46. пророци же два или трьѥ да глаголють, а дрѹзїи да сказають. 47. аще ли иномѹ ꙗвить се вѣдꙋщомѹ, прьви же да мльчить. 48. можете бо по ѥдиномѹ пророчьствовати въси, да в’си ѹтѣшеть се. 49. и дꙋси пророчь-
70 ли не бѹдеть ] 6: нѣсть; gr ᾖ SubjPraesakt ’ist’. Aufgrund der im Aksl. oft zu sehenden Entsprechung zwischen gr. Subjunktiv und aksl. Futur (Potentielles als noch nicht Eingetretenes konzeptualisierend) kann бѹдеть, obgleich weniger wörtlich wie die Lesarten, durchaus im Original gestanden haben. 70 глагольника ] 2: сказателꙗ; gr. διερμηνευτής. Es ist kein Grund zu sehen, warum VC von der streng eingehaltenen Wortentsprechung zwischen Gr. und Aksl. - zu сказати XVI:21 - abweichen sollte und die 2 сказатель bewahrenden Hss sind auch die ältesten (Nr. 1 +2, s. S. 11). Das Nomen сказатель ist in der Bedeutung ’Übersetzer, Interpret’ aksl. belegt (CVB, 651), глагольникъ nur in SJS, 399). Beide Lexeme sind auch aruss. vorhanden (Sreznevskij, 1989, 1: 515; 5: 713). 70 себѣ ] 3: о собѣ, 1: въ себѣ, gr. präpositionsloser Dativ ἑαυτῷ. 71 пророци ] 1: прочии 71 глаголють ] Imperativ Praesakt 3PsPl λαλείτωσαν. 71 сказають ] 15: сказѹють; gr. Imperativ Praesakt 3PsPl διακρινέτωσαν ’unterscheiden, beurteilen, erwägen’ (Bauer, 1988, 370). Hat das Aksl. noch nicht genug fachsprachliche Termini für Erkenntnisprozesse? 72 ли ] Offenbar für gr. δὲ 72 ꙗвить се ] 2: открыетсе, Lesart sekundär, vgl. XVI:22. Morphologisch wie gr. SubjAorpass 3PsSg ἀποκαλυφθῇ 72 вѣдꙋщомѹ ] 14: сѣдѣщѹ; Lesart richtig wie gr. PartPraesmed DatSg 3Ps καθημένῳ. 72 да мльчить ] Wie in der ganzen Passage entspricht die aksl. da-Konstruktion dem gr. Imperativ, hier σιγάτω. 72 можете ] 8: могѹть; Lesarten sekundär, gr. IndPraesmed 2PsPl δύνασθε. 73 по ѥдиномѹ ] gr. καθ’ ἕνα πάντες = ’nach einem [als Zahlwort] alle’ = ’nacheinander alle’; die Distributivität der gr. Phraseologie (wie auch ihrer aksl. Entsprechung) ist kontextabhängig zu verstehen (Bauer, 1988, 467). 73 в’си ѹтѣшеть се ] 14: ѹчатсѧ вси и ѹтѣшаютсѧ; gr. ἵνα [da] πάντες [vъsi] μανθάνωσι(ν) [SubjPraesakt ’lernen mögen’] καὶ [i] πάντες [vъsi; fehlt in allen Lesarten von VC] παρακαλῶνται [SubjPraesmed ’ermahnt werden’]. Gräzismus: aksl. utěšatь ’trösten’ übersetzt die kontextsensitive Bedeutung ’ermuntern, zusprechen, trösten’ (Bauer, 1988, 1247f.). - Das in VC ausgelassene въси vor ѹтѣшаютсѧ ist in allen gr. Hss. offenbar vorhanden; in wenigen gr. Hss ist das πάντες vor προφητεύειν (= въси nach пророчьствовати) entweder mit ’jeder’ bezeugt oder ausgelassen (Aland et al., 2012, 547). 73 дꙋси ] 4: въси, 9: вси; gr. NomPl πνεύματα wie aksl. Sg duchъ > Pl dusi. Glagolitisch ⰴⱆ- [du-] und ⰲⱐ [vъ] bergen Verwechslungsgefahr. Beachte, dass schon im vorgehenden Satz das въси bei mechanischem Kopieren Probleme ergab. 73–74 пророчьсцїи ] 4: пророци, 6: пророчьстїи, 3: пророчествїи
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сцїи пророкѡмь повинꙋють се. 50. нѣсть нестроѥнїю богъ, нъ мирꙋ. 51. ꙗко въ всѣхь црьквахь светыхь, жены ваше въ црьквахь да мльчеть, не велит’ бо се имь глаголати, нъ да повинѹют’ се, ꙗкоже и законь глаголѥть. 52. аще ли чесомѹ наѹчити се хотеть, въ домѹ же своѥмь мѹжа да вьпрашають; срам’ бо ѥсть въ црькви женѣ глаголати. 53. или ѡть вась слово божиѥ изыде? или въ вась ѥдинѣхь обрѣте се? 54. и аще кто мнит’ се пророкь быти или дѹховьнь, да разꙋмѣѥть, ѥже пишꙋ вамь, ꙗко господнѥ заповѣди сѹть. 55.
74 повинꙋють се ] 3PsSg IndPraesmed ὑποτάσσεται; zu Numeruskongruenz a.a. XVI:42. 74 нѣсть ] Gr. Οὐ γάρ ἐστιν, man erwartet noch aksl. бо. 74 нестроѥнїю ] gr. GenSg ἀκαταστασίας; im Aksl. ist die Endung DatSg. Offenbar wird der (ablativisch empfundene) adnominale Gen vermieden, denn eine possessiv-ablativische Lesart ist natürlich nicht gemeint 74 мирꙋ ] GenSg -u, alt im Slovenischen bezeugt (Derksen, 2008, 318). 74–75 ꙗко въ всѣхь црьквахь светыхь ] 14 om. bis einschließlich вамь in XVI:54. Zu Satzeinteilung und textuellen Erwägungen siehe Komm. zum Dt. 75 ваше ] gr. ὑμῶν, nur in der byz. Redaktion (Aland et al., 2012, 547). 75 да мльчеть ] gr. Imperativ Praesakt 3PsPl σιγάτωσαν. 75–76 велит’ бо се ] gr. nur byz. Redaktion: ἐπιτέτραπται von έπιτάσσω ’befehlen’, andere haben IndPraespass 3PsSg ἐπιτρέπεται von έπιτρέπω ’gewähren, gestatten’, allerdings ebenfalls mit der Nebenbedeutung ’beauftragen, anbefehlen’ (Bauer, 1988, 614). 76 да повинѹют’ се ] Einige Hss, auch byz. in lat. Tradierung, haben InfPraespass ὑποτάσσεσθαι (subdatas esse (Weber/Gryson, 1994, 1785)), andere Imperativ PraesPass 3PsPl ὑποτασσέσθωσαν; VC behält mit der Konstruktion ’da + finites Verb’ für gr. Imperativ seine Übersetzungsstrategie bei. 77 наѹчити се ] gr. InfAorAkt μαθεῖν oder als Lesart InfPraesAkt μανθάνειν; das präfigierte aksl. Verb deutet auf Übersetzung des Aoristes. 77 хотеть ] gr. IndPraesAkt 3PsPl θέλουσιν, die fehlende Palatalisierung zeigt, dass es sich um Pl handelt. 77 въ домѹ же своѥмь ] gr. ἐν οἴκῳ τοὺς [AkkPlmask] ἰδίους [AkkPlmask] ἄνδρας [AkkPlmask]: das Aksl. übersetzt ohne gr. Lesarten: ’in ihrem Haus die Männer’ statt gr. ’im Haus ihre Männer’, im Gr. distributive Lesart. 77 мѹжа ] мѹже KO, 3: 107), Kantor/White (1976, 52) = AkkPl; der Wechsel ję > ja: mǫž’ę > muž’a eines jo-stämmigen AkkPl ist in VC nirgends belegt, wahrscheinlich ist in CH serb. GenPl als Akk (siehe S. 39). 77 да вьпрашають ] gr. Imperativ Praesakt 3PsPl ἐπερωτάτωσαν 78 срам’ ] 2: срамно; gr. Adj NomNeutr αἰσχρὸν; die Form in CH möglicherweise ein alter i-Stamm (Aitzetmüller, 1991, 130); konstruiert dativisch wie gr. αίσχρόν έστί τινι + Inf. = ’es ist Schande’ (Bauer, 1988, 47). 79 въ вась ѥдинѣхь ] gr. εἰς ὑμᾶς [PersPron 2PsPl Akk] μόνους [AkklP]; die aksl. Übersetzung ändert das gr. Spiel mit den Richtungungen ’von euch - zu euch’ in die Lokalangabe ’inmitten von euch’. 79 обрѣте се ] gr. IndAorakt 3PsSg κατήντησεν ’gelangte das Wort Gottes nur zu euch?’ 80 дѹховьнь ] gr. AdjNomSgmask πνευματικός ’vom Geist [Gottes] erfüllt’ (Bauer, 1988, 1361). 80 да ] 1 add.: не, irrtümlich vorgezogen aus dem nächsten Satz. 80 разꙋмѣѥть ] gr. Imperativ Praesakt 3PsSg ἐπιγινωσκέτω. 80 господнѥ заповѣди сѹть ] 14: господнѧ заповѣдь есть; die Lesart steht in denjenigen 14 Hss, welche in XVI:50 den Text abbrechen und hier wiederaufnehmen. Sie ist die [Sg!] verbreitete Lesart, aber in den gr. Hss stehen mehrere Lesarten zur Auswahl und CH folgt ὅτι κυρίου εἰσὶν [3PsPl] ἐντολαί [NomPl].
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аще ли кто не разѹмѣѥть, да разꙋмѣваѥть. 56. тѣмьже, братїе, разꙋмѣите прорицанїю и не браните глаголати въ ѥзыкы. 57. въса благоѡбразно и по чинꙋ да бывають.’ 58. и пакы глаголѥть: ’и въсакь ѥзыкь исповѣсть и, ꙗко господь Ӏсѹсь Христь въ славѹ богѹ и ѡтьцѹ.’ аминь.” 59. сими же словеси и инѣми бол’шими посрамивь ѥ, отиде ѡставль ѥ.
81 аще ли кто ] 15: аще кто; die Lesarten lassen gr. δέ aus. 81 разѹмѣѥть ] gr. ἀγνοεῖ IndPraesakt 3PsSg 81 да разꙋмѣваѥть ] 11: om. [unklar bei Grivec/ Tomšič], 3: до [sic! bei Grivec/ Tomšič] ѹчитсѧ и разѹмѣеть, 1 да не разꙋмѣваѥть, 1: да не разѹмѣеть; gr. IndPraesmed 3PsSg ἀγνοεῖται; CH fehlt die Negation. 81 разꙋмѣите ] 14: ревнѹите, 2: разѹмѣваите; gr. Imperativ Praesakt 2PsPl ζηλοῦτε. In XVI:29 werden ζηλωταί mit ревнители übersetzt, sicher ist die Lesart mit ревнѹите primär, siehe auch nächstes Lemma. 82 прорицанїю ] gr. Infinitiv προφητεύειν, im slav. DatSg, wie er von ревновати gefordert wird, während er mit разумѣти nicht kongruiert. 82 браните ] gr. τὸ λαλεῖν μὴ κωλύετε γλώσσαις; die Nachstellung von glossais ist ein Unterscheidungsmerkmal der gr. Hss. 82 въ ] 14 om.; es gibt die Lesart εν γλώσσαις (Aland et al., 2012, 547), die aber aufgrund des falschen Kasus im Slav. (dann wäre erfordert: językachъ) nicht in Frage kommt. 82 благоѡбразно ] 8: благовѣрно, 5: бго͠вѣрно, 1: вѣрно; gr. Adv εὐσχημόνως < abgeleitet von ’eu-schema’ = ’gutes Ansehen’, weshalb die Lehnübersetzung ’blago-obrazno’ von CH die richtige Lesart bietet. 83 бывають ] Im Gr. Numerusinkongruenz wie XVI:42: πάντα [NomPlneutr] … γινέσθω [Imperativ Praesmed 3PsSg]. 84 пакы ] Phil 2:11 84 въсакь ] 6: весь; gr. πᾶσα ’jede’. 84 исповѣсть ] gr. SubjAormed 3PsSg ἐξομολογήσηται, aber mehrere Hss auch IndFutmed 3PsSg ἐξομολογήσεται. 84 и ] 14 om., 1: его 85 и ] 17: om., nicht gr. 86 инѣми бол’шими ] 7: om. Von einer anzunehmenden Auslassung der nun überflüssigen Konjunktion schreiben Grivec/ Tomšič nichts. 86 посрамивь ] 15: посрамль, 2: посрами 86 отиде ] 15: om.; die Hss der vorigen Lesart посрамль. 86 ѡставль ] 11: остави 86 ѥ ] 15: om. (die Hss der vorigen Lesart посрамль), 2: ихь
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XVI 1. Als er in Venedig war, versammelten sich gegen ihn die Bischöfe, Popen
1 Venedig ] Der Weg von Salzburg über Venedig nach Rom war üblich (Stejskal, 2014); die Beziehungen der Franken zu Venedig waren in dieser Zeit gut, die fränkischen Kaiser verpflichteten sich zur Anerkennung der venezianischen Territorien und Gesetzgebung (Boretius/Krause, 1897, 129). Venedig war Teil des byzantinischen Besitztums in Italien, agierte allerdings aufgrund der Schwäche von Byzanz, dem es oft Flottenhilfe leistete, immer mehr als selbstbewusster Partner. Zu den Beziehungen zwischen Mähren und Venedig siehe Charvát (2014). Ziffer (2014, 261) urteilt, Venedig ”in the 860s was not an important political or religious centre”, und schlägt vor, vielmehr die Region Venedig unter dem Stadtnamen zu verstehen. Diese breite Namensdeutung geht zusammen mit Vermutungen über mögliche Gründe für die Venedigreise. 1 versammelten sich ] Verkholantsev (2012, 231) unterstützt die These, dass Kyrill und Method nach Venedig gingen, um vom Patriarchen von Grado auf einer speziell einberufenen Synode die Approbation ihrer Mission zu erhalten, was eine weitgehende kirchliche Selbständigkeit Venedigs von Rom impliziert, die auf der Synode von Mantua 824 auch zum Ausdruck kommt. Die Patriarchate von Aquileia und Grado waren in Italien im 9. Jh. qua byzantinischer Dominion anerkannt als zweite kirchliche Instanz nach Rom und ein Patriarch hätte auch das Recht, Missionsbischöfe einzusetzen, aber Aquitanien besaß keine jurisdiktionelle Gewalt in den großmährischen Missionsgebieten. Es bleibt aber die Möglichkeit, dass der weiter östlich gelegene Kocel hoffte, über eine Approbation der Slavenmission qua venezianischem byzantinischem Patriarchat in eine diplomatisch tragfähige Ausgangsposition gegenüber der Expansion des ostfränkischen Reiches zu gelangen, indem das Frankenreich bzw. Rom bei weiterer Ostexpansion vor dem Dilemma gestanden wären, mit einer Ausdehnung ihres Einflusses auf das Fürstentum Kocels zugleich venezianische Interessen zu berühren. Aber beachte, dass der Klerus des Patriarchen (ob Grado, ob Aquileia) offenbar von dem Plan nichts weiß. - Weil erst in XVII:1 das Gesuch des Papstes, die Slavenapostel mögen nach Rom kommen, berichtet wird, ist jedenfalls Raum für Vermutungen, aus welchem Grunde sonst Kyrill und Method nach Venedig reisten.
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und Mönche wie Krähen gegen einen Falken und brachten die Dreisprachentheorie vor, sprechend: 2. ”Mensch, sage uns, warum hast du da einfach den Slaven Bücher gemacht und gibst Taufunterricht, welche zuvor kein anderer erfunden hat, weder der Apostel noch ein römischer Papst noch Gregor Dialogus noch Hieronymus oder Au-
2 Falken ] Eine Parallele zur sog. Falkenepisode von III:10 lag nicht in der Intention des Autors, sonst hätte er wörtliche Anklänge gesucht. Man kann der Metapher eine Anspielung auf ’Schwarzkittel’ entnehmen, möglicherweise waren besonders Mönche über die slavische Übersetzung aufgebracht. - Es ist darauf hinzuweisen, dass die Slavenapostel Venedig in einer Periode schwerer Auseinandersetzungen mit slavischen Piraten (’Narentanern’, vgl. Ančić (2011)) besuchen, was sicher nicht zu einer günstigen Voreinstellung gegenüber dem Slavischen führte. - Falls wirklich der Plan bestanden haben sollte, über die byzantinischen Diasporapatriarchen eine diplomatisch verwertbare Missionslegitimierung gegenüber den ostfränkischen Herrschern zu erlangen, so hat man jedenfalls versäumt, den venezianischen Klerus entsprechend zu instruieren, der mit seiner Drei-Sprachen-Völker-Doktrin nun alle etwaigen diplomatischen Intentionen zerstört. 2 Dreisprachentheorie ] Vgl. XV:7: Die Dreisprachenhäresie war eigentlich besonders in irischen Kreisen verbreitet (McNally, 1958), bekommt in Venedig aber eine ’ethnische’ Nuance, siehe gleich. 3 hast du da einfach ] Gibt den mündlichen Stil der Stelle wieder; wrtl: ’wie hast du dir nun den Slaven … ”. 3 Bücher ] Verkholantsev (2012, 232): ”The Latin clergy themselves recorded texts in Slavic using the Latin letters. But these were sermons, prayers and confessional formulae, utilized for catechetical purposes, not for canonical books.” Natürlich erregen den Widerstand weder Sprachen, noch Alphabete, noch beliebige Schriftwerke, sondern die Verlesung von zur Exegese bestimmten Bibeltexten und die Feier der Messe in einer bisher nicht in dieser Funktion zugelassenen Sprache. Zu beobachten ist dies mutatis mutandis auch heute, etwa in den Diskussionen über Sakralsprache und zulässige Liturgieform anhand des motu proprio ”Traditionis custodes” (2021) des zur Zeit amtierenden Papstes. Die Argumente sind bei weitem nicht nur linguistisch. 4 gibst Taufunterricht ] Vgl. Komm. zum Aksl. 4–5 der Apostel ] Im Aksl., einer artikellosen Sprache, kann ’ein’ oder ’der’ Apostel verstanden werden, wobei 15 Hss in den Pl wechseln und alle Apostel meinen. Wenn ’Apostel’ im Sg erscheint, ist in der Regel genau ’der’ Apostel Paulus gemeint. 5 Gregor Dialogus ] Komm. zum Aksl.
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gustinus. 3. Wir nämlich kennen nur drei Völker, denen zusteht in den Büchern Gott zu loben, Hebräer, Griechen, Lateiner.”
6 Völker ] Anstelle von ’Sprachen’, wie man üblicherweise das doppeldeutige aksl. ѩзыкъ (zum ebenso doppeldeutigen gr. Begriff siehe Komm. zu aksl. XIV:3) übersetzt, erfolgt hier ein Übersetzungsvorschlag anhand der Lesart von CH, welche vielmehr ’Volk’ nahelegt. Will man traditionell übersetzen, lautet XVI:3: ’Wir nämlich kennen nur drei Sprachen, mit denen es sich gehört, Gott in den Büchern zu loben, hebräisch, griechisch, lateinisch.’ Es ist unerfindlich, warum ein Abschreiber die Sprachadjektive gegen Volksbezeichnungen ausgetauscht haben sollte, daher erscheint mir die hier gebotene Übersetzung, die auch historisch kontextualisiert werden kann, primär. 6 denen ] Der DatPl des Pronomens ist in den Hss unbezeugt, muss aber für die hier vorgeschlagene Lesart eingesetzt werden. 6 zusteht ] Komm. zum Aksl. 6 in den Büchern ] Der Satz ist wichtig: Allen Völkern steht es zu, Gott zu loben, und dabei können alle möglichen Bücher benutzt werden, aber nur den Hebräern, Griechen und Lateinern steht es zu, Gott in ihren Büchern zu loben, denn es sind im Wortsinne ihre, nämlich hebräische, griechische und lateinische Bücher. Man muss die grammatographischen Konzepte beachten, welche bis zum Beginn der historischen Sprachwissenschaft zwischen ’Sprachen’ und ’Dialekten’ auch medial unterscheiden, indem unter ’Sprache’ ein grammatikfähiges und daher schriftfähiges (’in den Büchern Gott loben’) Idiom verstanden wird, während ’Dialekt’ die nicht grammatikfähige, nur zur mündlichen Unterhaltung (oder zur Predigt) taugende Volkssprache ist (die Vorstellung ist mindestens bis ins 17. Jh. nachweisbar, Daiber (2015b, 17-24)). 7 Hebräer, Griechen, Lateiner ] Die Lesarten haben hier überall Sprachadjektive, aber in CH stehen Völkernamen. Diese ’ethnische’ Wendung der Drei-Sprachen-Häresie in Kap XVI ist der Unterschied zu ihrem ersten Aufkommen in XV:6-7, wo der nicht in seiner Muttersprache zelebrierende irische Klerus sich über die zulässigen Liturgiesprachen äußert, wobei der Autor von VC in XV:8 kommentiert, dass das Lateinargument ausgerechnet von jenen Mitbrüdern vorgebracht werde, die tatsächlich gar keine ’lateinischen’ Mitbrüder sind. Hier in Kap XVI nun äußern die venezianischen Kleriker das Drei-Sprachen-Argument, also tatsächliche ’lateinische’ Mitbrüder, nämlich jene, die Nationalstolz aufgrund des Lateinischen pflegen. Außerdem hatte das in verschiedenen (nicht nur romanischen) Teilen Europas unterschiedliche Verhältnis der Volkssprachen zum Lateinischen die ’Epistola de litteris colendis’ (um 785) von Karl d. Gr. motiviert, wodurch sich graduell das Lateinische als lingua franca der Eliten etablierte (Watson, 2022), weshalb nationale und standesbewußte Motive gleichermaßen beim venezianischen Klerus vermutet werden dürfen. Das ganze, sowohl national wie sprachlich basierende Sonderbewußtsein des italienischen Klerus ruht auf der Empfindung von Rom als gottbestimmtem Zentrum der Christenheit und sicher hatten auch die Angehörigen des byzantinischen Diasporapatriarchates kein schlechtes Gewissen gegenüber Byzanz, sich diesem Stolz hinzugeben. Über der alten Petersbasilika in Rom las man ”auf dem Triumphbogen die Stifterinschrift: quod duce te mundus surrexit in astra triumphans/ hanc Constantinus victor tibi condidit aulam. Angeredet wird Christus, der Kausalsatz ist dem Hauptsatz vorgelagert und dadurch betont. Er gibt den Grund an, warum Konstantin die Basilika stiftete - und damit auch den Grund, warum Christus ihr auctor heißen darf. Christus hat die Welt zum Christentum geführt und Konstantin zum Sieg (…)” (Gnilka, 2019, 341). Mit anderen Worten: Rom wurde von Christus erwählt und damit eben auch die römische Sakralsprache.
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4. Der Philosoph antwortet ihnen: ”Kommt der Regen von Gott nicht auf alle gleich? Oder scheint nicht dieselbe Sonne auf alle? Atmen wir die Luft nicht alle gleich? 5. Wie schämt ihr euch also nicht, drei Sprachen nur anzunehmen, aber allen übrigen Völkern und Stämmen befehlt ihr jedem, blind und taub zu sein? 6. Sagt mir, war Gott, als er schuf, machtlos, als ob er dieses nicht verleihen konnte, oder mißgünstig, als ob er es nicht wollte? 7. Wir nun kennen Nationen, die schreiben können und Gott
8 Regen ] Mt 5:45 ’Er läßt die Sonne aufgehen über Böse und Gute und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte’; in VC ist die Reihenfolge der Teilsätze umgestellt. 9 die Luft ] Wrtl. ’Atmen wir nicht alle gleich in die Luft aus.’; vgl. Komm. zum Aksl. 11 Stämmen ] Siehe Komm. zum Aksl. 11 jedem ] Übersetzt die Emphase der aksl. Morphosyntax, vgl. dort Komm. 11 war ] Im Aksl. liegen nur absolute Konstruktionen mit Präsenspartizipien vor, aber natürlich alludiert Kyrill an die Genesis, daher ist sinngemäß Präteritum zu wählen. 12 schuf ] Man erwartet ein Objekt wie ’die Welt’ oder ’den Menschen’, aber auch im folgenden ist der Satz elliptisch; Kyrill benutzt das abstrakte Gerüst eines bekannten Sophismus, der gewöhnlich mit dem globalen Thema des ’Übels’ in Erörterungen zur Theodizee erscheint. Er wird Epikur zugeschrieben (Glei, 1988) und so auch im ’Liber de ira Dei’ (Kap. 13) des Laktanz (PL, 7: 121) zitiert: ”Deus, inquit [Epicurus], aut vult tollere mala et non potest, aut potest et non vult. … Si vult et non potest, imbecillis est … si potest et non vult, invidus”. Das abstrakte Argumentschema wendet Kyrill gegen die Dreisprachler ein, indem es entweder unzulässig die Allmacht Gottes einschränkt, wenn dieser bei der Erschaffung des Menschen nicht alle mit einer vernunftfähigen Sprache hätte begaben können, oder aber - ebenso unzulässig - Böswilligkeit impliziert, wenn er dies nicht gewollt hätte. Kyrill stellt die Dreisprachler im Wortsinne vor ein Dilemma, was bemerkenswert ist, als er nicht von bibl. Zitaten wie Gen 11:1 (Turmbau zu Babel: ”Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache”, vgl. Augustinus (PL, 34: 552) im ’Liber quaestionum in Pentateuchum’ 1) oder Zeph 3:9 (”Dann werde ich die Sprache der Völker in eine reine Sprache umwandeln, damit sie alle den Namen Jehovas anrufen.”) Gebrauch macht, mit welchen Bibelstellen Multilingualität als irdische Bedingung pragmatisch behandelt werden könnte. Kyrills Argument zielt vielmehr darauf ab, eine sprachliche Beschränkung der liturgischen (’in Büchern’) Verkündigung Gottes für unvereinbar mit dem Begriff Gottes zu erklären, was an das Argument bezüglich der Antipodenlehre in XV:10 erinnert, welche letztlich auch wegen der unzulässigen Beschränkung der Universalität der Verkündigung häretisch ist. 12 dieses ] Im Aksl. elliptisch: dieses = Sprachfähigkeit, weiters zu ergänzen: ihnen = den Völkern und Stämmen 13 kennen ] Einige Hss. ergänzen ’viele’; die Emphase des Satzes liegt aber auf dem Gegensatz ’wir jedoch (im Gegensatz zu Euch) kennen …’, als ob den Venezianern eine beschränkte Sprachkenntnis unterstellt wird, was (siehe Komm. zu XVI:3) die Beobachtung stützt, dass diese sich offenbar über die enge Verbindung ihrer Volkssprache zum Lateinischen eine Sonderstellung einbildeten. 13 schreiben können ] wrtl. ’Buchstaben verstehen’, vgl. Komm. zum Aksl.
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Ehre erweisen jede in ihrer Sprache. 8. Bekanntermaßen sind es diese: die Armenier,
14 diese ] Völkeraufzählungen übernehmen im theologischen Disput gerne die Beweisführung des Faktischen in dem Sinne, dass die Ausbreitung einer Anschauung auch ihre Wahrheit bedeute. So zählt Tertullian (Adversus Judaeos VI = PL, 2: 610)) christianisierte Völker auf, mit VC überschneiden sich lexikalisch, d.h. ohne Interpretation der Völkernamen, Armenier, Ägypter und Goten. Bei Bischof Theodoret (PG, 83: 948) finden sich ’Römer, Ägypter, Perser, Inder, Armenier, Scythen, Sauromaten’ (Hinweis bei Dostálová (1985, 196 Anm. 34)). Den argumentativen Sinn der Aufzählung bestimmt Kujev (1981, 93): споменатите племена са имали свободата да използуват в църковния си живот един или друг език според своите предпочитания. Indem Juden in der Aufzählung nicht vorkommen, die bei interreligiöser Sicht nicht fehlen würden, handelt es sich um eine Aufzählung aller christlichen, genauer aller byz.-orthodoxen Kirchen mit volkssprachlicher, verschriftlicher Liturgiesprache. 14 Armenier ] Armenien wurde 314 (Thomson, 1996, xxi) christianisiert, Mesrop Maštoc’ schuf um 405 das armenische Alphabet (Ol’derogge (1975), von Lilienfeld (1988)) als Grundlage der Übersetzungsliteratur aus dem Griechischen und Syrischen.
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Perser, Abasger, Iberer, Sogdier, Goten, Obrer, Tursier, Chasaren, Araber, Ägypter 15 Perser ] Gemeint ist die im sassanidischen (= zoroastrischen) bzw. nach 636 muslimischen Perserreich bestehende so (aufgrund der Sprache) genannte ’assyrische’, (aufgrund der theologischen Ausrichtung) ’nestorianische’ bzw. (aufgrund der regionalen Zuordnung) ’persische’ Kirche mit dem Zusatz (aufgrund ihres Selbstverständnisses) ’des Ostens’, die sich 424 unabhängig vom byzantinischen Patriarchat erklärte. (Die ”chaldäische” Kirche des Ostens ist deren ab dem 16. Jh. existierende unierte Abspaltung von der oströmischen Kirche.) Die Kirche des Ostens stand dem Nestorianismus (der die zwei Naturen Christi für teilbar hielt) nahe, welcher auf dem 2. Konzil von Konstantinopel 533 für häretisch erklärt wurde. Das Aufkommen von Mariendarstellungen des Typs ’Sophia’ (vgl. III:3) ist als Reaktion auf den Nestorianismus zu betrachten, der Maria nur als Mutter Jesu, aber nicht als Gottesgebärerin anerkannte (Jameson, 1909, 56ff.). Der von 540-552 als Oberhaupt der Kirche des Ostens (”Katholikos”) fungierende Mar Aba (Aba I.) soll das NT ins Syrische übersetzt haben (Fiey, 1970, 195f.), wahrscheinlich waren es jedoch die beiden Bischöfe Theodorit und Rabbulla (Seleznev, 2001, 14f.), in jedem Falle stammt - abgesehen von der Evangelienharmonie Tatians von 170 und Fragmenten des 2. Jhs. (Wassermann, 2012, 7) - das syrische NT aus dem 5. Jh. ”Das Griechische … kam ab dem 7. Jahrhundert außer Gebrauch, so dass das Syrische von da an die einzige liturgische Sprache blieb” (Bärsch/Kranemann, 2018, 164), wobei es sich um ”the Aramaic dialect” von Edessa handelt, der ”the definitive biblical and liturgical language of this branch of Christianity” wurde. ”Beginning in the early ninth century, the move among East Syrians away from Syriac toward the Arabic language became more noticeable” Baum/Winkler (2003, 63). Erwähnenswert ist, dass in jüdischen Kreisen der Pentateuch ins Chaldäische übersetzt wurde (als ’Überlieferung’ erwähnt bei Seleznev (2001, 14)), welche Übersetzung dann die samaritanische Version (VC VIII:11) beeinflusst haben soll (Frankel, 1841, 36). Es ist wegen der vorliegenden Literatur klar zu betonen: Die ’persische’ Kirche ist die ’syrische’ Kirche! 15 Abasger ] = Abchasier; Abchasien und Georgien bilden in Spätantike und frühem Mittelalter eine vom persischen Sassanidenreich und Byzanz umkämpfte Region, wobei die aufgrund der Wegführung strategisch wichtige Region der Abchasier 529 (Yildiz, 2014, 31) christianisiert und 628 unter byzantinische Oberhoheit fällt: По всей вероятности, абазги имели своего епископа к началу 40-х гг. VI в. (Chruškova, 2017, 146). Schon vor dem 6. Jh. war das Christentum in Abchasien verbreitet (im Gegensatz zu den benachbarten Alanen: начало массовой христианизации аланов относят к первой четверти X в.(Abbas-Kuli-Aga-Bakichanov, 1991, 200, Anm. 23)), vgl. Prokopios von Caesarea († 562), der gleichzeitig die Völkernamen angibt: ” … where the territory of the Iberians (Ἰβηροί) lies on the right, and the end of the Caucasus lies directly opposite. In that place many nations have their homes, and among them the Alani (Ἀλανοί) and Abasgi (Ἀβασγοί), who are Christians and friends of the Romans from old, also the Zechi (Ζ̄ῆχοί), and after them the Huns (Οὗννοι) who bear the name Sabeiri (Σάβειροι) Procopius von Caesarea (1914, 532f. = II:29:15) = Wirth (1962, 291f.). Die abchasische Sprache wurde erst im 19. Jh. zur Schriftsprache, als Amts- und Kirchensprache diente den Abchasiern das Georgische (Turilov, 2011, 17). Die aufgrund der vorliegenden Stelle geäußerte Vermutung (Turilov ebd., Chruškova (2017, 151)), das Abchasische wäre als (verschriftlichte) Liturgiesprache verwendet worden, mißversteht den Sinn der Aufzählung: Es geht nicht um eine Entsprechung von Volksname und zugehöriger Volkssprache, sondern um die Nennung von Volkskirchen, die nicht eine der drei sog. heiligen Sprachen liturgisch benutzen (s.o. Kujev (1981)). Im Zuge von Autonomiebestrebungen löste sich die abchasische Kirche im 9./ 10. Jh. von der byzantinischen hin zur georgischen Oberhohheit: ”The Church too shifted eastwards: early in the tenth century the bishoprics of Lazica, Abkhazia and Jiketi (the Old Georgian name of Circassia) changed allegiance from Constantinople to the Iberian patriarch in Mtskheta (who already controlled the bishopric of Argveti)” (Rayfield, 2012, 62). Zur Abfassungszeit von VC stellen sich die Abchasier gegenüber den Georgiern als die ältere von Byzanz anerkannte orthodoxe Gemeinschaft dar, wenn auch kirchenrechtlich die Autokephalität erst unter dem Zaren Georgios II. (922-957) (Koridze/Abašidze, 2007) erfolgt.
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15 Iberer ] = Georgier; die Bekehrung Georgiens im Jahre 337 (Thomson, 1996, xxi) wird im 9. Jh. allgemein nicht der hl. Nino, sondern dem ’Apostel Armeniens’ und dessen erstem Katholikos Gregor dem Erleuchter († 331) zugeschrieben, ”weil Nino eine Frau, eine Kriegsgefangene, folglich eine Sklavin war und das nationale Gefühl der damaligen Georgier nicht stark genug war, um über diesen sozialen Mangel hinwegzusehen” (Tarchnišvili, 1940, 58). Die Vita der Nino (Wardrop/Wardrop, 1896) wird erst im 8./ 9. Jh. ausgearbeitet, wie sich auch die volle Autokephalie der georg. Kirche erst im 8. Jh. entwickelt (Tarchnišvili, 1940, 70), während sich die georgische Kirche bis zum Ende des 6. Jhs. als ”Anhängsel” (ebd.) der armenischen betrachtete. Die Ablösung von Armenien und Hinwendung zu Byzanz ist im Zusammenhang mit der späten Akzeptanz der christologischen Formulierungen von 451 zu sehen (Thomson, 1996, xxv). Erste biblische Übersetzungen ins Georgische gibt es (in Abhängigkeit vom Armenischen) seit dem 4. Jh., im 10. Jh. wird eine am gr. Text orientierte und wirkungsmächtige Übersetzung des NT erstellt (Arošidze, 2017, 11f.). Aus byzantinischer Sicht erfolgt Georgiens politisch-religiöse Wendung hin zu Byzanz später als die schon lange bestehende Bindung Abchasiens an Byzanz. 15 Sogdier ] Das Sogdische ist eine mitteliranische Sprache, die etwa ab dem 2. Jh. eine vom aramäischen Alphabet abgeleitete eigene Schrift besaß, in welcher buddhistische und christliche (Klimkeit, 1981, 209) bzw. biblische (Barbati, 2014) Texte (oft Übersetzungen aus dem Syrischen) überliefert sind (Sims-Williams (1989, 175f.), s.a. Étienne de la Vaissière (2005, 18), Yoshida (2009, 279); Dobrodomov/Krivko (2005, 196) sprechen vom syrischen (= westaramäischen) Alphabet als Ausgangspunkt.) Indem das Sogdische sich an der Seidenstraße bis nach China (Müller, 2008) verbreitete, war es die lingua franca der Händler bis etwa zum 8. Jh. und es ist glaubhaft, dass im 9. Jh. ein byzantinischer Autor die bedeutende Handelssprache kennt. - Mir scheint wenig wahrscheinlich, die sich durch eigene Schrift und Bibelübersetzung klar für die Völkerliste von VC qualifizierenden Sogdier abzulehnen und den Namen vielmehr mit den Bewohnern der auf der Krim befindlichen Stadt Sudak - eine möglicherweise alanische Gründung - zu identifizieren wie Trubačev (2005, 179) und zuvor Marquart (1903, 190f.), der jedoch anfügt ”von einer eigenen Schrift und einem Gottesdienst in nationaler Sprache bei Ap’chazen, Sugdern und Krimgoten ist uns freilich sonst nichts bekannt”. Auch der Baum-Kult [a.a.O. 15] ist zu unspezifisch, als dass er mit den ’Krim-Sugdiern’ verbunden werden dürfte (s.o. zu XII:10), und würde außerdem voraussetzen, dass ”Phoullai” mit Sudak zu identifizieren sei, was zweifelhaft ist, denn Sudak ist byzantinisch als Σουγδιαία gut bekannt. Außerdem herrschten in Sudak zur Zeit von VC längst die Chasaren und der Autor von VC dürfte den vermuteten alanischen Ursprung der Stadt kaum gekannt haben. Schließlich kann auch nicht ausschlaggebend für ’Krim-Sugdier’ sein, dass Kyrill die Krim bzw. die Chasaren besuchte, denn VC weiß auch etwa von Armeniern und Kopten, wo Kyrill sicher nicht war.
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15 Goten ] Schon beim Konzil von Nicäa 325 hat ”ein gothischer Geistlicher Theophilos … als ’episcopus Gothiae’ … oder ’Gothiae metropolis’ oder ’De Gothis Theophilus Bosphoritanus”’ unterschrieben (Massmann, 1857, XI), was, abgesehen von Wulfilas († 383 in Konstantinopel) Bibelübersetzung und seiner eigens dafür entwickelten gotischen Schrift, für die mit der Entstehung Ostroms (395) zusammenfallende Anerkennung der gotischen Christen als eigenständiger (arianischer) Nationalkirche zeugt. Auch hier - wie vorhin bei den Sugdiern - besteht kein Grund, speziell an die Krim zu denken (so auch Kantor/White (1976, 49, Anm. 101)), wobei die regionale Beschränkung im übrigen keinen sachlichen Unterschied macht, denn Vinogradov/Korobov (2015) haben anhand epigraphischen Materials - den ersten überhaupt bekannt gewordenen Schriftzeugnissen des Krimgotischen - gezeigt, dass sich die Krimgoten des Bibelgotischen Wulfilas bedienten. 15 Obrer ] < gr. Ἀβαροι = Awaren; von dem Reitervolk sind praktisch keine Sprachdokumente überliefert, es war bis zur Eingliederung in das Frankenreich und die damit verbundene Christianisierung heidnisch, aber auch danach auftretende ”christliche Syrnbole (oder gar das Fehlen von Grabbeigaben) in awarischen Gräbern können kein awarisches Christentum belegen” (Pohl, 1988, 204). Da das den Awaren zugewiesene Siedlungsgebiet, die ”Awarenmark”, in Pannonien liegt, erscheinen die Awaren hier vielleicht aufgrund einer mündlich im Zuge der Mährenmission zugegangenen Nachricht, dass die Awaren nun (angeblich, nämlich immerhin offiziell) Christen seien und in ihrer eigenen Sprache zelebrieren. 15 Tursier ] = Ujguren? Von Marquart (1903, 191ff.) als Τύρσοι rekonstruiert, mit entfernt ähnlicher Lautung (Ṭuriškīn < aus Sg. Turc-inъ) in einer arabischen Quelle verglichen und auch aus geographischen Gründen mit den am Dnjestr siedelnden Tivercy der russ. Chronik, ”die als Dolmetscher bekannt waren”, unterm Jahre 907 (Lichačev/Romanov, 1950, 220) identifiziert. Marquart hält die Tivercy für Nachfahren der Anten, die ganz unter der Herrschaft der (turksprachigen) Pečenegen standen. Marquarts These lehnt Trubačev (2005, 191) ab, der vielmehr den Stamm *taur- ansetzt und eine (nördliche) Bezeichnung der Ostslaven vermutet, die sich gegen die südliche Bezeichnung ’rus” nicht durchgesetzt habe. Allerdings kennt kein aruss. Geschichtsschreiber die Bedeutung *taur- = ’slavisch/ russisch’ und der Kiever Chronist selbst müßte das Wort am Anfang des 12. Jh. (zur Datierung Micheev (2011, 158)) schon wieder vergessen haben, obwohl er Ereignisse und Namen aus vorigen Jahrhunderten ansonsten gut berichtet. Koroljuk/Florja (1981, 136f.), zustimmend Tachiaos (2001, 83f.), meinen, dass es sich um zentralasiatische Turkvölker handele, die sich eines Runenalphabetes bedienten, welches auch auf dem Gebiete der Chasaren nachweisbar ist. Von diesen Völkern und ihrer Schrift habe Kyrill bei der Chasarenmission erfahren. Er muss aber auch, damit sich die ’Türken’ zur Aufnahme in die Liste qualifizieren, von ihrem christlichen Glauben erfahren haben, was historisch nicht nachvollziehbar ist. Vgl. Kantor/White (1976, 49): ”It is unclear which Turks Constantine had in mind. If it were the Turks who lived in the Crimea, his reference would again [like the reference to the Avars; Th.D.] be inaccurate, since no written tradition was known among these people. Constantine could not have been aware of the so called Ujgur script developed by the Turks of Central Asia, since the earliest manuscripts in this script date from the tenth century”. Das Alter der uns erhaltenen Hss spricht allerdings nicht dagegen, dass der Autor von VC schon im 9. Jh. von der (seit dem 5. Jh. bestehenden) Schriftsprache aus (nicht mehr erhaltenen) Hss weiß. Die Oberschicht der Ujguren nahm nach 762 den Manichäismus an (Petruchin, 2014, 161, Anm. 1), wobei es sich um einen выбор веры или образцов государственного устройства handelt, denn mit der Annahme einer Staatsreligion ist immer eine bestimmte Legitimierung der Staatsmacht verbunden. Wie bei den Chasaren - siehe gleich - kann es auch unter den Ujguren eine Minderheit von Christen gegeben haben.
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und viele andere. 9. Wenn ihr aus diesem nicht Einsicht nehmen wollt, dann versteht wenigstens aus den Schriften den Richter. 10. David nämlich ruft aus, sprechend: ’Singet dem Herrn, die ganze Erde, singet dem Herrn ein neues Lied.’ 11. Und wiederum: ’Jauchzet dem Herrn, die ganze Welt, singet und seid fröhlich und singt Psalmen.’ 12. Und zum andern: ’Möge sich dir die ganze Erde beugen und dir singen und möge sie deinem Namen singen, Höchster.’ 13. Und wiederum: ’Preiset den Herrn alle Nationen und lobet ihn alle Völker und möge aller Atem den Herrn preisen.’ 14. Im Evangelium sagt er: ’Welcher nun ihn angenommen hat, gab er ihnen Macht, damit sie Kinder Gottes werden.’ 15. Und nochmals dort: ’Nicht nur für diese bitte ich, sondern auch für die durch das Wort an mich Glaubenden, damit alle eins werden, wie auch Du, Vater, in mir (bist), und ich in Dir (bin).’ 16. Matthäus sagt denn: ’Gegeben ward mir alle Macht im Himmel und auf der Erde. Wenn ihr nun [zu den Völkern] hingegangen seid, lehrt alle Völker, sie taufend im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, sie lehrend zu bewahren alles, was ich euch aufgetragen habe. Siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters. Amen.’ 17. Aber Mar15 Chasaren ] Wenn die Chasaren unter den christlichen Völkern erscheinen, die mit eigener Schriftsprache christliche Gottesdienste abhalten, obgleich VC vom Judaismus als Staatsreligion der Chasaren weiß, dann qualifizieren sich auch christliche Minderheiten für die Liste (vgl. XI:41). 15 Araber ] Bibelzitate, übersetzt aus dem Gr. ins Arabische, sind seit dem 8. Jh. nachweisbar, die erste vollständige arab. Bibelübersetzung stammt etwa aus dem 9. Jh. (Morozov, 2014, 386f.). 15 Ägypter ] Die koptische Bibelübersetzung geht mindestens ins 2. Jh. zurück (Schmidt, 1908), die koptische Kirche versteht sich als Gründung des Evangelisten Markus, der erster Bischof von Alexandria gewesen sein soll (Eusebius von Caesarea, 1989, 145). 16 andere ] 11 Hss. setzen an den Schluss der Aufzählung ”Syrer”, 2 weitere ”Russen”, woraus in der Frage der ’ruskie bukvy’ VIII:15 Vaillants Verwechslungsthese von rus/syr entstand. Aber (s.o.) die vermissten Syrer müssen nicht am Ende dieser Völkeraufzählung als syr- nachgetragen und dann in rus- verwechselt werden, denn sie sind schon - allerdings als ’persische Kirche’ - an zweiter Stelle der Aufzählung präsent. Man kann auch nicht annehmen (was übrigens auch keinen Bezug mehr zum Text von VC hätte), dass irgendein Kopist, der ’Syrer’ nachträgt, zwischen ’Persern’ als einer nestorianischen syrischen Kirche und ’orthodoxen’ Syrern ausserhalb des sassanidischen bzw. arabischen Persiens (etwa Ephraim d. Syrer) unterscheiden will, denn die Unterscheidung würde die nestorianische Brandmarkung der ’Perser’ implizieren, was das Argument (’rechtgläubige [!] Christen loben Gott in eigener Sprache’) anfechtbar macht. 18 Schriften ] Vgl. etwa XV:9; im Aksl. pl ’von den Büchern’, nämlich den biblischen. 18 Richter ] Ps 74:8: ’Gott ist der Richter’. 18 sprechend ] Ps 95:1 mit veränderter Reihenfolge der Einzelsätze. 19 wiederum ] Ps 65:1 + Ps 97:4 20–21 andern ] Ps 65:4 22 Höchster ] Stammt aus Ps 91:2 22 wiederum ] Ps 116:1 + Ps 150:6; die Zusammenstellung ist programmatisch, indem Nationen und Völker zusammengenommen werden und dann mit dem letzten Vers des Psalters geschlossen wird. Zufall, dass auch XVI:16 und XVI:17f jeweils einen Textschluss zitieren? 23 Evangelium ] Joh 1:12 24 sagt er ] Als Subjekt ist ’Richter’ bzw. Gott aus XVI:9 zu ergänzen; dasselbe XVI:19. 24 Welcher ] Aber biblisch: ’wieviele ihn annahmen … ’, siehe S. 34. 25 dort ] Joh 17:20f 26 das Wort ] Vgl. Komm. zum Aksl. 27 Matthäus ] Mt 28:18-20 27 mir ] ergänzt nach Lesarten. 30 sie ] rekonstruiert, siehe Komm. zum Aksl. 31 Amen ] Ende Mt-Evangelium, die Bekräftigungsformel gehört dem Zitat, contra Grivec/Tomšič (1960, 206): ’Amen ab auctore VC adiectum est’. Siehe vielmehr die Lesarten in Aland et al. (2012, 101). 31–32 Markus ] Mk 16:16f. - Die Übersetzung reagiert auf die Tempusänderungen von VC gegenüber dem gr NT, siehe Komm. zum Aksl.
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kus wiederum: ’In alle Welt gegangen seiend verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung, der den Glauben angenommen Habende und getauft Seiende wird gerettet, aber der nicht den Glauben angenommen Habende wird verurteilt. 18. Die von den Gläubigen ausgehenden Zeichen kommen nach: In meinem Namen vertreiben sie Dämonen und verkünden in neuen Sprachen.’ 19. Er spricht auch zu euch: ’Wehe euch, ihr Schreiber und Pharisäer, ihr Heuchler, dass ihr das Himmelreich vor den Menschen verschließt; ihr nämlich geht nicht hinein und denen, die hineingehen wollen, gestattet ihr es nicht.’ 20. Und wiederum: ’Wehe euch, ihr Schreiber, dass ihr die Schlüssel der Einsichten nahmet, aber nicht hinein ginget.’
34–35 von den Gläubigen ausgehenden ] Vgl. Komm. zum Aksl. 35 kommen nach ] Vgl. Komm. zum Aksl. 36 verkünden ] Vgl. Komm. zum Aksl. 36 Er ] Vgl. Komm. zu XVI:14. 36 spricht ] Mt 23:13 36 euch ] Rhetorisch geschickt wird die direkte Rede Jesus aus dem Evangelium den aktualen Gesrpächspartnern direkt entgegengehalten. 39 wiederum ] Lk 11:52 39 Schreiber ] Statt wie im NT ’Gesetzgelehrte”. 40 Schlüssel der Einsichten ] Im NT ’den Schlüssel der/ zur Einsicht’. Das Zitat ist unvollständig, vielleicht handelt es sich beim Plural um eine kontextuelle Paraphrase, indem alle bisher angebrachten Zitate als ’Schlüssel zur Einsicht’ gemeint sind.
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21. Den Korinthern nun sagt Paulus: ’Ich befehle, dass ihr alle in einer Zunge sprächet, eher als dass ihr prophezeien würdet. Größer ist zwar der Prophezeiende als der in Zungen Sprechende, außer wenn er [interpretierend] erklärt, so dass auch die Kirche Aufbauung empfängt. 22. Nun jedoch, Brüder, wenn ich zu euch komme in Zungen sprechend, was nütze ich euch, wenn ich euch nicht spreche zur Offenbarung oder zur Einsicht oder zur Prophezeiung oder zur Belehrung? 23. Gleichermaßen geben auch unbeseelte Dinge einen Ton, seien es Flöten, sei es eine Harfe; wenn nun den Pfeiftönen kein Unterschied gegeben wird, wie wird dann das Pfeifen oder das Saitenspiel verstanden? 24. Wenn nun die Trompete einen unkenntlichen Ton gibt, wer wird sich zum Kampf bereiten? 25. So auch ihr, wenn ihr mit der Stimme nicht verständliche Worte gebt, wie wird das Gesprochene verstanden werden? [26.] Ihr werdet nämlich
41 Korinthern ] VC XVI:21-57 geben komplett 1Kor 14:5-39 wieder. - Grivec/Tomšič (1960, 206, Anm. 5) meinen, dass ein Abschreiber statt ausgewählter Zitate, die Kyrill disputierend vorbrachte, den vollständigen Bibelabschnitt vielmehr selbständig aus dem schon allgemein vorliegenden aksl. NT einfügte. Wenn man VC als Gegenschrift zu der vom fränkischen Klerus vorgebrachten ”Conversio” (vgl. S. 94) auffasst, ist nicht ausgeschlossen, dass VC bereits im ursprünglich gr. geschriebenen Text eine aksl. Übersetzungsprobe der Hl. Schrift enthielt, was wohl so gemacht wurde, dass der gr. Text des NT satzweise von seiner aksl. Übersetzung begleitet wurde. Auf eine solche, vielleicht gar interlineare Zweisprachigkeit der Stelle deutet die vorherrschende (aber Ausnahmen XVI:23, 27) enge syntaktische und morphologische Äquivalenz der aksl. Übersetzung zum gr. Bibeltext. Bei der Übersetzung der ursprünglich gr. geschriebenen Vita ins Aksl. entfiel dann natürlich die ursprüngliche Zweisprachigkeit der Stelle, die dem langen Zitat einst seinen demonstrierenden Sinn gab. Vgl. auch Goldblatt (2008), Scarpa (2018) (Einfluss eines patristischen Kommentars?) und Dostálová (1985, 197), die darauf hinweist, dass Photios (IV:2) in seinen ”Amphilochia” anhand des ersten Korintherbriefes ”seine Lehre über die erziehende und didaktische Kraft des ’richtigen’ Wortes und des ’richtigen’ Zusammenfügens der Wörter, d.h. des guten Stils ausgearbeitet hat.” - Wie immer sucht die Übersetzung den Text von VC und nicht den Wortlaut der biblischen Quelle wiederzugeben, vgl. auch Komm. zu XVI:27. - Bemerkenswerterweise scheint kein Abschreiber die Notwendigkeit gesehen zu haben, die teilweise erheblichen Entstellungen des Bibeltextes anhand des NT zu redigieren, weshalb die exakte Übersetzung des gr. NT im folgenden aus den Lesarten quasi zusammengesetzt werden muss; s.a. Daiber (2023). 41 befehle ] Viele Hss folgen lieber dem Bibeltext und schreiben ’wünschen’. Die Abweichung in CH ist weder linguistisch, noch als Verschreibung zu erklären. Liegt eine interpretatorische Entscheidung des Autors von VC vor, als ob bei geistlichen Autoritäten die Sprechakte Wunsch und Befehl zusammenfallen wie etwa in der Wendung τοῦ Θεοῦ θέλοντοϛ ’so Gott will’? Siehe aber auch XVI:51, wo das Schwanken zwischen ’befehlen’ und ’wünschen’ auf einem Schwanken der gr. Hss-Tradition des NT beruht: orientiert sich XVI:21 sozusagen im Vorgriff daran? 41 einer ] vgl. Komm. zum Aksl. 41 Zunge ] Paulus spricht von dem Phänomen der ’Zungenrede’ (Glosssolalie); siehe Moos (2009) mit Bezug auf VC. 43 er ] der mystisch verzückt Sprechende 47 unbeseelte ] Übersetzt nach den Lesarten; CH hat irrig ’die stimmlosen und seelenlosen’. 47 Flöten ] Gegen den Bibeltext in allen Hss Pl., vgl. Komm. zum Aksl. 48 gegeben wird ] siehe Komm. zum Aksl. 49 unkenntlichen ] Nach den Lesarten übersetzt, CH hat ’tonlosen’. 51 werden ] Futur nach dem Gr und einigen Lesarten. 51 26 ] Im NT kein eigener Vers, sondern Teil von 1Kor 14:9.
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in die Luft Sprechende sein. 27. Soviele nun aber es geben mag klingende (sprechende) Geschlechter in der Welt, ist nun nicht eines von diesen unklingend. 28. Wenn ich nicht die Kraft des Lautes kenne, werde ich dem mit mir Sprechenden wie ein Barbar erscheinen und der zu mir Sprechende [wird] wie ein Barbar [erscheinen]. 29. So auch ihr, weil ihr Strebende seid nach geistlichen Dingen, verlanget nach der Aufbauung der Kirche, auf dass sie euch im Überfluss vorhanden ist. 30. Deshalb werde der in einer Zunge Redende gebeten, dass er erkläre. 31. Wenn ich nämlich ein Gebet verrichte in Zungensprache, betet mein Geist, aber mein Verstand ist ohne Frucht. 32. Was ist zu tun? Ich werde mit dem Geist beten, ich werde mit dem Verstand beten, ich werde mit dem Geist [Psalmen] singen, ich werde aber auch mit dem Verstand [Psalmen] singen. 33. Wenn du mit dem Geist segnest, wie soll der, der den Platz des Unverständigen ausfüllt, Amen sagen zu deinem Dankgebet, denn er weiß nicht, was du sagst. 34. Du zwar verrichtest gut ein Dankgebet, doch der andere wird nicht erbaut. 35. Ich danke meinem Gott, mehr als ihr in Zungen sprechend. 36. Aber in der Kirche will ich mit meinem Verstand fünf Worte sprechen, damit ich auch andere belehre, als eine unzählbare Menge Worte in Zungenrede. 37. Brüder, zeigt euch nicht als Kinder im Verstand, sondern seid Kindlein im Bösen, im Verstand aber werdet Vollkommene. 38. Im Gesetz ist geschrieben etwa: In fremdsprachigen (und) in fremden Lippen werde ich sprechen zu diesen Menschen und (auch) so werden sie mir 52 Soviele ] Im Gr. liegt ein Wortspiel vor mit der Nebenbedeutung von gr. phonē als ’bedeutender Laut = Lautzeichen = Sprache’, dass es nämlich unter den Lautsprachen (GenPl φωνῶν) keine gebe, die ἄφωνον ’stumm, ohne Sprache’ (= unverständlich) sei (Bauer, 1988, 257, 1737). Das Wortspiel wird im aksl. Text mit ’klingend’ - ’nichtklingend’ zwar nachgebildet, jedoch fehlt den slav. Lexemen die Nebenbedeutung ’Sprache/ sprachlich’. Wieder (vgl. XII:3 und XII:8) finden wir ein Wortspiel, dass nur im gr Text funktioniert, aber bei Zitaten ist die Frage der Ausgangssprache unstrittig. 52–53 klingende (sprechende) Geschlechter ] Das gr. Wort ’Volk, Geschlecht’ kann auch ’Art’ bedeuten; offenbar wird es hier als ’Geschlecht’ aufgefasst, siehe Komm. zum Aksl. 54 Kraft ] Grammatischer Terminus ’die phonologische Qualität’; vgl. Komm. zum Aksl. Die elliptische Konstruktion (fehlendes Verb im Nachsatz) gehört dem NT. 55 Barbar ] Gräzismus: Barbar ist der unverständlich Redende, der Nicht-Grieche, der Ausländer (Bauer, 1988, 267). Eine negative Konnotation ist nicht nötig anzunehmen, die Betonung liegt auf ’in einer unverständlichen Sprache redend’. 57 sie ] Vgl. Komm. zum Aksl. Im Gr. persönlich konstruiert ’auf dass ihr reichlich/ im Überfluss habt’ mit zu ergänzendem Objekt ’die geistlichen Dinge’, im Aksl. singularisch konstruiert, so dass entweder unpersönlich, aber sehr elliptisch zu verstehen ist ’dass es euch im Überfluss vorhanden ist (an geistlichen Dingen)’, oder dass grammatisch zwangloser ’Kirche’ als Subjekt zu ergänzen ist, wie hier übersetzt wird. 58 Zunge ] Vgl. XVI:21. 63 Unverständigen ] Der in der Gemeinde auf dem Platz der Katechumenen steht, die noch im Glauben unterwiesen werden. 65 sprechend ] Das Partizip tritt zusammen mit dem PossPron ’mein’ am Satzanfang nur in einer kleinen Gruppe gr. NT-Hss auf. Siehe Komm. zum Aksl.- Dostálová (1985, 197) verweist auf die ’Amphilochia’ des Photios, der diesen paulinischen Satz kommentiert (PG, 101: 581) und nicht von ’barbarischen’, sondern von ’fremden Sprachen’ redet. 67 unzählbare Menge ] Im Aksl. steht das Äquivalent für gr. ’Myriaden’. 68 Verstand ] Gr. und aksl. in CH ein Pluralwort; vgl. Komm. zum Aksl. 68 werdet ] Der aksl. Übersetzer weicht hier von der gr. Vorlage ab. 69 Gesetz ] Jes 28:11-12,; der Rest von XVI:38 ist ein Zitat im Zitat, d.h. schon in 1Kor 14:21 leicht zusammengezogen. 69 und ] Konjunktion nach den Lesarten
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nicht gehorchen, spricht der Herr. 39. So sind Zungenreden zum Zeichen für die Ungläubigen, nicht für die Glaubenden, jedoch ist Prophetie nicht [zum Zeichen] für die Ungläubigen, sondern für die Glaubenden. 40. Wenn nämlich sich die ganze Kirche gemeinsam versammelt und alle reden in Zungen und es kommt irgendein Uneinsichtiger oder Ungläubiger hinzu, sagen sie da nicht, dass ihr euch wie von Sinnen Seiende benehmt? 41. Wenn alle prophezeien und es kommt irgendein Uneinsichtiger oder Ungläubiger hinzu, (dann) wird er von allen (des Irrtums) überführt und verhört, 42. und so pflegen die Geheimnisse seines Herzens offenbar zu sein, und so, zu Boden gefallen seiend, verbeugt er sich vor Gott und bekennt, dass in Wahrheit Gott unter euch ist. 43. Wie ist es nun, Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, hat jeder von euch einen Psalm, damit er ihn halte, hat eine Lehre, hat eine Offenbarung, hat eine Zungenrede, hat eine Erklärung. Alles nun möge zur Erbauung sein. 44. Wenn einer in Zungenrede spricht, von zweien oder höchstens von dreien, der Reihe nach, soll ein jeder (auslegend) erklären. 45. Sollte kein Erklärer da sein, schweige er in der Kirche; möge er denn zu sich und zu Gott sprechen. 46. Zwei oder drei Propheten mögen sprechen, und die anderen mögen erklären. 47. Wenn nun einem (dabei) Sitzenden eine Offenbarung widerfährt, soll der erste schweigen. 48. Ihr könnt nämlich nacheinander alle prophezeihen, auf dass alle belehrt und getröstet werden. 49.
71 nicht gehorchen ] vgl. Komm. zum Aksl. 71 sind ] CH hat irrig ”sind nicht”; beachtet man die aksl. Lesarten, so war 1Kor 14:22 im Original von VC offenbar morphologisch genau nach dem Gr. übersetzt, liegt aber in keiner überlieferten Hs mehr korrekt vor. Nur die in CH zu sehende Umstellung im Vordersatz (NT: ’nicht für die Glaubenden, sondern für die Ungläubigen’) könnte schon die Originalübersetzung vom NT unterschieden haben. 72 nicht ] CH hat für den gesamten Nachsatz nur: ’jedoch ist Prophetie für die Ungläubigen’. Übersetzt ist nach den Lesarten. 74 gemeinsam ] Das Aksl. hat ein etwas redundantes Adverb, während im NT gemeint ist: ’sich an einem Ort versammelt’. 74 kommt ] Wegen Numerusunterschied zum gr. Text siehe Komm. zum Aksl. 74 irgendein ] Wegen Indefinitpronomen im Unterschied zum Gr. siehe Komm. zum Aksl. 75–76 von Sinnen Seiende ] Der aksl. Text hat für das gr. Verb eine periphrastische Übersetzung. 76 und ] Konjunktion nicht im Gr., siehe Komm. zum Aksl. 78 pflegen ] Vgl. Komm. zum Aksl. 79 dass ] Im Gr. bzw. Aksl. eine Konstruktion mit Quotativum, daher ist das Verständnis als mündliche Rede - es handelt sich um eine wiederholte Glaubensformel - problemlos möglich. 81 von euch ] Siehe Aland et al. (2012, 546) die entsprechenden gr. Hss mit diesem Zusatz. 81 damit er ihn halte ] ’sich an ihn halte’, Einschub gegen den Bibeltext, wohl sekundär, vgl. Komm. zum Aksl. 85 er ] der in Zungen Redende 86 erklären ] Im NT steht ’beurteilen’. Die aksl. Übersetzung hält den oben vom Text eingeführten Unterschied, dass (im Herzen entstehende) Zungenrede übersetzt, (im Verstand entstehende) Prophetie aber erklärt werden muß, terminologisch nicht fest. 87 Sitzenden ] Nach den Lesarten übersetzt; der Satz ist Wort für Wort dem Gr. nachgebildet, aber aufgrund der blassen Lexik allein aus dem Slavischen schwer nachzuvollziehen. 88 belehrt und ] Verb und Konjunktion fehlen in CH, nach den Lesarten ergänzt. Ein zweites ”alle” wie 1Kor 14:31 vor ’getröstet’ ist in keiner aksl. Lesart bewahrt. 88 getröstet ] Eigentlich ’ermahnt’, siehe Komm. zum Aksl. Der aksl. Übersetzer wählt eine Nebenbedeutung des gr. Wortes.
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Und die prophetischen Geister ordnen sich den Propheten unter. 50. Er ist nicht der Unordnung ein Gott, sondern des Friedens. 51. Wie in allen Kirchen der Heiligen, mögen eure Frauen in den Kirchen schweigen, es wird ihnen nämlich nicht befohlen zu sprechen, sondern sie mögen sich unterordnen, wie es auch das Gesetz sagt. 52. Wenn sie etwas lernen wollen, mögen sie denn in ihrem Haus die Männer befragen; es ist nämlich eine Schande für die Frau, in der Kirche zu sprechen. 53. Oder ging von euch das Wort Gottes aus? Oder findet es sich nur in euch allein? 54. Und wenn einer meint, Prophet zu sein oder vom Geist erfüllt, möge er verstehen, was ich euch schreibe, weil es des Herrn Gebote sind. 55. Wenn nun einer nicht versteht, versteht er (eben) nicht. 56. Darum, Brüder, strebt nach der Prophetie und hindert nicht zu sprechen in Zungenreden. 57. Alles möge in gutem Ansehen und nach der Ordnung geschehen.’ 58. Und wiederum spricht er: ’Und jede Zunge wird ihn verkünden, dass Jesus Christus der Herr ist zum Ruhme Gottes und des Vaters.’ Amen.” 59. Sie mit diesen und mehreren anderen Worten beschämt habend, ging er, sie stehen lassend, fort.
89 prophetischen ] 1Kor 14:32 ”die Geister der Propheten”; im Aksl. werden adnominale Genetive zur Besitzanzeige vermieden, weil die (im Singular nachweisbare) Herkunft der Genetivendung vom Ablativ noch empfunden wird. Die Possessivbildung macht klar, dass es um die den Propheten zugehörigen Geister geht, die dem Urteil anderer Propheten unterworfen werden sollen. 90 Wie in allen Kirchen der Heiligen ] Inklusive dieses Vergleichssatzes lassen 14 Hss bis zum ”euch” in XVI:54 alles weitere fort, also XVI:51, 52, 53 und den Beginn von XVI:54. In den gr. NT-Hss hat die Stelle ebenfalls ein Problem, indem komplett 1Kor14: 34 (= XVI:51) und 35 (= 52) nach 1Kor14:40 (= 57) angehängt werden (Aland et al., 2012, 547). Es ist allerdings nicht zu sehen, wie die Auslassung im aksl. Text mit der gr. Hss-Tradition verbunden wäre. - Der Satz ’wie in allen Kirchen der Heiligen’ ist als Vordersatz von 1Kor14:34 zu betrachten (Aland et al., 2012), daher wurde die Satzeinteilung von Grivec/Tomšič (1960, 136) angepasst. Leider läßt die Editionslage von VC keine Aussagen zu, ob in der Frage der Zugehörigkeit des Satzes (Nachsatz zu 1Kor14: 33 oder Vordersatz zu 1Kor14:34) die einzelnen Hss eventuell interpunktorische Entscheidungen zeigen. 91 befohlen ] siehe Komm. zum Aksl., vgl. XVI:21. 93 die Männer ] Signifikante Übersetzung für gr. 1Kor 14:35 ’im Haus ihre Männer’, nämlich die zum Haushalt gehörigen Familienmitglieder; In VC offenbar umgestellt, um den Eindruck der Polygamie zu vermeiden. Luther hat ’daheim ihre Männer’, die Übersetzung von KJV ’their husbands at home’ ist angreifbar. Möglich ist allerdings mit dem Gr eine distributive Lesung: ’möge jede zu Hause je ihren eigenen Mann fragen’. 97 sind ] Wieder eine prägnante byzantinische NT-Lesart. 98 nicht ] Die Verneinungspartikel fehlt in CH; aus den Lesarten ergänzt. 99 gutem Ansehen ] Im Aksl. eine Lehnübersetzung des gr. Adverbs. 101 er ] Paulus in Phil 2:11. 101 ihn ] so CH, aber nicht im Gr. 102 und ] Nicht im gr. NT. 102 Amen ] Die Bekräftigungsformel gehört dem Erzähltext von VC.
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XVII 1. И ѹвѣдѣвь и римскыи папа посла по нь. 2. и дошьд’шꙋ ѥмꙋ въ Римь, изыде самь апостолыкь Андрѣꙗнь съ въсѣми граждани свѣще носеще, ꙗко и светаго Климен’та мощи носеще, мѹченика и папѹ рим’скаа. 3. и абиѥ богъ наче чюдеса творити. 4. ѡслаблень чловѣкь тѹ исцѣлѣ и ини мнѡзїи
1 И ] 15: om., 2: о нѣмь; Hs 45 (siehe XIII:1 und S. 11) bietet für XVII:1 eine in der Erwähnung Hadrians II. anstelle von Nikolaus I. klar anachronistische Version, in welcher Kyrill in übertrieben achtungsvoller Weise um einen Besuch in Rom gebeten wird: и ꙋвидѣвъ андриꙗнъ, римскии папа, моленїе посла честными мꙋжи и философи [die Adjektivendung erzwingt, die Endungen der Nomina als InstrPl (-y) anzusetzen. Bei muži muß sich aruss. die Homophonie von muži [NomPl]/ mužy [InstPl] wegen Verhärtung von ursprünglich palatalem /ž’/ von selbst einstellen (unstrittig ab dem 14. Jh.; Kiparsky (1963-1975, 1: 120), Borkovskij/Kuznecov (2006, 152f.)).], дабы дошелъ в римъ. и егда доидоша посланныи папою молиша его, онъ же преклонисꙗ ко моленїю. = ’Und davon erfahren habend sandte Hadrian, der römische Papst, ein Bittschreiben mittels ehrbarer Männer und Philosophen, dass er nach Rom kommen möge. Und als die vom Papst Gesandten hingelangten, baten sie ihn, er aber beugte sich der Bitte.” 1 папа ] 9: папежь 1 по нь ] 2: за нѥго 1 Римь ] 15: рима, 1 (= Hs 45): егда приближисꙗ во римъ 2 апостолыкь ] 1: (= Hs 45) add.: и папа; primär sicher апостоликъ, siehe zu XVI:2. 2 Андрѣꙗнь ] 9: андриꙗнъ, 4 add.: противѹ емѹ 2–3 ꙗко и ] hier kein hypothetischer Vergleich, sondern additive Bedeutung ’wie auch’ 3 папѹ ] 8: папежа, 8: папы; 16 Hss lesen eine zweite gen. Erweiterung ’des Märtyrers und römischen Papstes’, in CH steht папѹ [AkkSg], was eine Lesart als Apposition ergibt: ’…die Gebeine [Akk] tragend, den Märtyrer und römischen Papst [Akk]’. Da die Position des adnominalen Genetivs schon zuvor durch den Eigennamen Clemens besetzt wurde, ist appositionale Fügung ad sensum zu rechtfertigen. 3 абиѥ ] 4: тогда 4 наче чюдеса творити ] 5: творѧще чюдеса, 1: творѧи чюдеса, 1: чюдеса прѣславнаа сътвори тѹ, 1: чюдеса прѣславнаа его ради сътвори тѹ; den Abschreibern erscheint der archaische Wurzelaorist načę (hier schon ohne Sekundärendung -tъ, vgl. Aitzetmüller (1991, 185)) wie ein serbisch entnasaliertes (nače) PartPraesaktiv (načę), daher die partizipialen und gelegentlich noch ausgeschmückten Lesarten. 4 ѡслаблень ] 5: разслабленъ; die Lesart ist im Aksl. nicht als Äquivalent für ein gr. Lexem bekannt (CVB, 575), dagegen entspricht ослабити regelmäßig παραλύειν, so dass sein PartPerfpass wohl das gr. Adjektiv παραλυτικός ’entkräftet, gelähmt’ (Bauer, 1988, 1253) übersetzt, wie es im NT vielfältig in Heilungsszenen vorkommt. 4 мнѡзїи ] 2 add.: отъ; избыти zieht alleine wegen des Präfixes (iz-) auch ohne Präp einen nominalen Gen nach sich. Die präpositionslose Konstruktion ist ursprünglich, ihr Missverständnis führt zu den schlecht erklärbaren Instr bei den Lesarten des folgenden Nomens.
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различныхь недꙋгь избыше, да ꙗко же плѣн’ници плѣн’шїи Христа нарек’ше и светаго Климен’та избыше. 5. приѥм’ же папа книгы словен’скыѥ, светы ѥ и положе ѥ въ црькви све-
5 различныхь недꙋгь ] 6: различными недѹгы 5 да ] 1 om. 5 же ] 2: и. Die ganze Wendung ist ein Gräzismus und kommt inklusive der Lesart auf die Folge der Subjunktionen bzw. Partikel да (καί) ꙗко (ὡϛ) же (δὴ) и (καί): Nimmt man an, ꙗко wäre sekundär in die Reihe geraten (aber es gibt keine Lesarten), dann ist καί δὴ καί ’ja sogar’ möglich, wobei allerdings unklar bleibt, weshalb καί mit zwei verschiedenen slav. Lexemen wiedergegeben wird. Nimmt man да als Konjunktion ’und’ (καί) und läßt das nur zwei Male bezeugte и fort bzw. übersetzt es in seiner aksl. Bedeutung ’auch’, bleibt idiomatisch ὡϛ (+ δὴ als Verstärkungspartikel), was speziell mit Part ”den Grund für eine Handlungsweise” (Bauer, 1988, 1791) angibt: ’und die Gefangenen als nämlich gefangen Seiende auch …’ = ’und die Gefangenen, weil sie nämlich (auch) als Gefangene …’. 5 плѣн’шїи ] 2: om.; die beiden Hss, die das Part hier auslassen, produzieren den Rest der folgenden Lesarten. Es handelt sich ursprünglich um einen mit PartPraetakt (= NomPl плѣншьшe) ’gefangengenommen seiend’ appositionierten Nebensatz, der als weiteren Verbalkern nochmals ein Partizip на-рекьше an sich bindet, welches als Gräzismus ἐπ-αγγέλλομαι + Akk. ’sich zu etwas bekennen’ (Bauer, 1988, 568) zu verstehen ist. 5–6 нарек’ше ] 1: нарекоше; das Part im edierten Text ist wegen der Konstruktion mit ὡϛ vorzuziehen. 6 избыше ] 1: плѣншїихь избавишесе, 1: плѣнившїихь рѹкь абїе избавишесе; Grivec/Tomšič (1960, 208), KO, 3: 139), MMFH, 2: 110), Bujnoch (1972, 102) und Kantor/White (1976, 53) übersetzen die rationalisierende Lesart ’wurden von den sie gefangen genommen habenden Händen befreit’. 7 папа ] 9: папежь 7 светы ] 4: освѧти, 3: om., 1: посвети; das Fehlen des finiten Verbs in 3 Hss und das häufige Fehlen des dann von einem finiten Verb erforderten pronominalen Objekts zeigen an, dass die ursprüngliche Konstruktion den Kopisten nicht recht einsichtig war. Klar ist, dass ein gr. satzwertiges Participium coniunctum (’genommen habend’) den Vordersatz regiert, dem mit Konjunktion ein koordinierten Folgesatz ’und legte sie’ zugeordnet war - ein in VC häufiger Gräzismus. Hält man светы für ursprünglich, kann es nur PartPraetakt sein, wodurch sich die Reihung zweier Participia ergibt ’die slavischen Bücher genommen habend, geheiligt habend, legte er sie …’. Weil zwei konjunktionslos gereihte Partizipien ungewöhnlich sind, wurde das zweite als finites Verb aufgefasst und sekundär nach dem nun als Aorist gedeuteten свети ein pronominales Objekt eingeführt. 7 ѥ ] 16: om. 7 положе ] 8: положи, 4: положивше, 4: положьше, 1: положьша, 1: положиша
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
тыѥ Марїе, ꙗже се нарицаѥть Фотида, и пѣше надь ними литѹргию. 6. по семь повелѣ папа двѣма епископома, Фир’мосꙋ и Гоидрꙋхѹ, светыти словесїемь словен’скъѥ ѹченикы. 7. и ꙗко се светыше, абиѥ спѣше литѹр’гїю въ црькви светаго апостола Петра словен’скымь ѥзыкомь. 8. и въ дрѹгыи дьнь пѣше въ црькви светы Петронили. 9. и въ дрѹгы дьнь въ црькви светаго Анд’рѣѥ и ѡть тꙋдѹ пакы ѹ великаго ѹчителꙗ въселѥн’скаго Павла апостола въ црькви; и въсꙋ нощь пѣше словен’скы и литѹр’гию надь светымь гробомь, имѹще на помощь Арсенїа, епископа ѥдиного сѹща ѡть з͡ епископь, и Анастаса вивлотикара. 10. и философ’ же не прѣстаꙗше достоинꙋ хвалѹ богѹ въздаѥ съ своими
8 Фотида ] 6: фатнь, 5: фантъ, 3: фатанъ, 1: фатни; gr. φάτνη ’Krippe’, richtig bewahrt mit Itazismus (nicht etwa als GenSg aufzufassen) von 1 Hs. Ein phonetischer Hinweis darauf, dass VC ursprünglich griechisch geschrieben war; s.a. XII:3 und XII:10. 8 надь ними ] 5: с ними, 2 add.: светѹю; wie lat. ’celebrare super’. 8 литѹргию ] 4: слѹжбѹ 9 папа ] 8: папежь 9 двѣма ] Das Zahlwort vor dem folgenden Dativ Dual des Nomens ist überflüssig. 9 Фир’мосꙋ ] 8: фѹрмосѹ, 4: формосꙋ, 3: фѹрмѹсѹ, 1: фармꙋсꙋ 9 Гоидрꙋхѹ ] 5: гоиръдихѹ, 4: гордихꙋ, 3: гондрихѹ, 2: годрихѹ, 1: гондрѹхьмѹ, 1: гоидрѹхьмо 9 светыти ] wie ἁγιάζω nicht nur ’heiligen’, sondern auch ’weihen’ (Bauer, 1988, 15) + Dat. des Instruments wie οὐ τῳ ιδίῳ λόγῳ ἀγιάζει PG, 13: 913) = non ex se … sanctificat = ’(die Hostie) weiht nicht aufgrund eigener Bedeutung’ (Origines). 9–10 словесїемь ] 15 om.; die Form gibt es nicht, wahrscheinlich zum InstrSg [slovesemь] umgedeuteter ursprünglicher DatSg slovesi, wie er vom Verb ’heiligen’ im Gr. erwartet wird. Verunstalteter DatPl slovesemъ ist weniger wahrscheinlich. Bei слово für gr. λόγοϛ ist nicht unbestimmt an ’Wort’, sondern bestimmt an ’Evangelium’ (Bauer, 1988, 971) zu denken. 10 словен’скъѥ ] 6: рѹскыꙗ 10 се ] 8: ѧ, 7: om. 10 светыше ] 4: освѧтиша, 1: осветиша 10 абиѥ ] 4: тогда 10 спѣше ] 16: пѣша, 2: пѣше 10 литѹр’гїю ] 4: слѹжбѹ 11 апостола ] 11 om. 11 словен’скымь ] 6: рѹскы, 1: словеснымъ 12 Петронили ] 3: петрѹниды, 1: петрониди, 1: петрониды 12 дрѹгы ] 3: третїи; kein Zählfehler in CH, wie 3 Hss meinen, die akkurat ’drei’ zählen, sondern Gräzismus: aksl. другъ ’zweiter, anderer’ ist wie gr. ἄλλοϛ ’anderer, weiterer’ bei Aufzählungen (Bauer, 1988, 77) im Sinne von ’und noch ein’ gebraucht. 12 дьнь ] 5 add.: пѣша 13 въселѥн’скаго ] 8: ꙗзычьскаго, 7: om. 13 Павла ] 1 add. = Hs. 45 (siehe S. 11), die zu denen gehört, die das vorgehende Adj fortlassen: свꙗтаго апостола бдѣн’е и литꙋргїю надъ свꙗтымъ гробомъ. 14 въсꙋ нощь пѣше словен’скы и литѹр’гию ] 6: пѣвше литꙋргию, 4: въ нощи пѣша свѧнтѹю литѹргїю словѣньскы, 4: обнощь пѣвше словеньски и слѹжбѹ пѣша, 1: въсѹ нощь пѣше славословеще словеньскы и наꙋтрѣи пакы лїтꙋргїю, 1: въсѹ нощь пѣше славословеще словеньскы и на ѹтрѣе пакы лїтꙋргїю; въсѹ нощь übersetzt gr. παν-νυχίς ’das Fest durch die ganze Nacht’ (russ. всенощное бдение), dsie zusätrzliche Temporalangabe на ѹтрѣе ’und morgens’ ist sachgemäß; vgl. die Übersetzung von Tachiaos (2005, 295). 15 помощь ] 10 add.: свѧтаго; der hier gemeinte Bischof Arsenius war nie kanonisiert. 15 з͡ ] 14: седми, 2: седмь; die Lesarten entsprechen dem Zahlwert von kyrillisch з = 7. 17 прѣстаꙗше ] 3PsSg Impf, vgl. die (nicht realisierte) Möglichkeit einer Komitativkonstruktion.
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ѹченикы о семь. 11. Римлꙗне же не прѣстаꙗ идѹще къ нѥмꙋ и ѹпрашающе ѥго и сказанїе сѹгѹбо и трьгѹбо приѥмахѹ оть нѥго. 12. Жидовинь
18 о семь ] Gräzismus, idiomatisch bei ’danken’ = gr. ἐπὶ τᾧ εὐχαριστεῑν (Bauer, 1988, 582). 18 не прѣстаꙗ идѹще ] 6: не престаахѹ идѹще, 6: беспрестани идѣахѹ, 4: не престаша ходѧще, 1: непрестанно идѹще, 1: по всꙗ дни прихождахꙋ; im Gegensatz zu vorigem affirmiertem Impf prěstajaše ist am wahrscheinlichsten hier negiertes Impf не престаахѹ; ходити statt ити könnte aus missverstandener Impf-Endung entstanden sein. Im nächsten Satz erscheinendes приходити läßt allerdings nicht ausschließen, dass nochmals eine syntaktisch-rethorische Parallele gebildet wurde. 18 и ] 15: om. 19 ѥго ] 11: на все, 2: о всемъ,1: о семъ, 1: о ихже аще хотѣаше кто, 1: о ихже аще имѣаше кто 19 сказанїе ] Entsprechend der Bedeutung des Verbs überall generisch übersetzt mit ”explicatio” (Grivec/Tomšič, 1960, 210), ”vysvětlení” (MMFH, 2: 111), ”explanations” (Kantor/ White, 1976, 55) bzw. объяснения (Tachiaos, 2005, 295). Die Bedeutung des Nomens inkludiert aber auch die narrativen Textsorten ἱστορία bzw. ἀπόδειξιϛ (CVB, 650), was hier genauso gut gemeint sein könnte. - Wenn nur ’Erklärungen’ als Bedeutung angenommen wird, wird es notwendig, auch den Gegenstand, der ’erklärt’ wurde, zu benennen, woraus offenbar aber Lesarten entstehen: ’ … Erklärung für ihre Fragen empfangen habend von ihm kehrten sie mit Freude in ihre Häuser zurück’. 19 приѥмахѹ оть нѥго ] 1: о въпрошенїихь своихь прїемлюще отъ нѥго, радостни въ свое възвращаахѹсе домы 19 Жидовинь ] vgl. XI:30
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
же ѥтерь такожде приходе, стезаѥ се с нимь рече ѥмѹ единою: нѣсть не ѹ
20 ѥтерь ] 9: нѣкыи, 1: нѣки; das aksl. Pronomen ist ein Lehnwort aus gr. ἕτεροϛ ’der eine [von zweien oder mehreren], ein anderer’ (Bauer, 1988, 637f.) und erscheint im Aksl. bei unbestimmter, aber identifizierbarer Referenz ’ein gewisser’ sowohl als Äquivalent für gr. Demonstrativpronomen τιϛ, ὁ δεῑνα als auch unabhängig als Indefinitpronomen ’irgendein’ (CVB, 211). 20 стезаѥ се с ] Nach CVB, 673) steht ’сътѧзати сѧ с + Instr.’ in der Bedeutung ’streiten mit jdm.’ für gr. συζητεῖν (Mk 11:8) und in der Bedeutung ’abrechnen mit jdm.’ = ’Rechenschaft ablegen vor jdm.’ für gr. συναίρειν μετά (Mt 25:19). Beachte, dass im Gr. die Bedeutung ’streiten’ ohne Präposition konstruiert wird wie συζητοῦντες τῷ Στεφάνῳ ’sie stritten mit Stephanus’ (Apg 6:9). Für die gr. geschriebene VC, die mittels einer Simultanübersetzung nach Diktat ins Aksl. übertragen wurde (die dazu befähigten Personen nannte man ’Schnellschreiber’), ist aufgrund der Präpositionalkonstruktion die Bedeutung ’Rechenschaft ablegen’ möglich. 20 единою ] ѥдин(о)ѭ/ ѥдьн(о)ѭ ist gut bezeugt für gr. ἅπαξ, ἐφάπαξ, ἅμα, καταμόναϛ ’einmal, einst, zugleich’ (SJS, 974f., 982), CVB, 799, 801)). Das leichte orthographische Schwanken kann nicht hindern, beide möglichen Bedeutungen von ѥд/ь-и/ноѭ (’einmal’, ’zugleich’) hier oder in IV:7, 13, VII:2, XVIII:2 einzusetzen. - Die Bedeutung ’einmal’ fokussiert den Kontrast zwischen dauernder Zeitfolie und einmaligem Ereignis, und für sie spricht, dass InstrSgfem zur Adverbbildung serieller Temporalität (einmal, zweimal usw.) statt Genmask (wie in тогда, Aitzetmüller (1991, 149)) gut bezeugt (Vondrák, 1928, 332f.) ist. - Als weitere Entsprechungen für aksl. единъ kommt gr. μονωτί ’alleine’ Pape (1843, 194) gelegentlich in Frage, vor allem aber adverbiales gr. ἰδίᾳ ’besonders, für sich’ (Bauer, 1988, 752), das ἡ ιδίᾳ ὁμιλία ’vertraulich’ (Schenkl, 1878, 972) bzw. mit εἰπεῑν ’im Vertrauen sagen’ (Güthling, 1910, 562) bedeutet. Dem gr. Dativ zur Anzeige von Adverbialität entspricht in VC InstrSgfem (IX:2, IX:11), so dass единоѭ als morphologisch genaue Lehnübersetzung von ἰδίᾳ gedeutet werden kann. Im NT (Bauer, 1988, 753) ist nur idiomatisch κατ’ ἰδίαν bezeugt, das aksl. dann mit единъ übersetzt wird, vgl. Codex Marianus отиде …въ пѹсто мѣсто единъ (ἀνεχώρησεν …εἰς ἔρημον τόπον κατ’ ἰδίαν), dass. Mk 4:34 единъ же съказаше (κατ’ ἰδίαν …ἐπέλυεν), s.a. CVB, 800). Aufgrund der lexikalischen Entsprechung und der gräzisierenden Morphologie des in VC öfters begegnenden adverbialen Instrumentals kann deshalb die gräzisierende Bedeutung ’besonders, für sich, beiseite’ angenommen werden, als Alternative zu ”saying to him once” (Kantor/White, 1976, 55), веднаж (KO, 3: 140) oder ’jednou’ (MMFH, 2: 112). 20–21 нѣсть не ѹ пришьль ] 10: нѣсть ѹже пришелъ, 3: нѣсть нѹжи пришел, 2: нѣсть ѹже еще пришьль, 1: нѣсть нѹжди пришел; es liegt (wie im Gr auch) eine doppelte Verneinung ne est’ ne uže prišel vor. Verlockend ist, das isolierte und aksl. unerklärbare ѹ als unter Diktat versehentlich unübersetzt gebliebene gr. Negationspartikel οὐ bzw. phonetischen Gräzismus zu lesen.
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пришьль Христь по числѹ лѣтномꙋ, о нѥм’же глаголють пророци, ꙗко ѡть дѣвы имать родити се. 13. почьт’ же ѥмꙋ философь въса лѣта ѡть Адама по родомь, сказа ѥмѹ по тьн’кѹ, ꙗко пришьль ѥсть и селико лѣть ѥсть ѡть толѣ до нынꙗ. и наꙋчив и ѡтпѹсти.
21 глаголють пророци ] 6: и пророкъ глаголетъ, 4: глаголють книгы и пророци 22 почьт’ ] 11: почте 23 родомь ] 4: родѹ, 2: рѧдѹ 23 по тьн’кѹ ] 4: по толкѹ, 1: известъно; dem gr. κατά + Akk. entspricht aksl. по + Dat. (CVB, 453), hier distributiv zu lesen wie Apg 14: 23 κατ’ ἐκκλησίαν ’in jeder Gemeinde’ (Bauer, 1988, 485). 24 до нынꙗ ] 4: доселѣ
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6 Altkirchenslavischer Text und Übersetzung
VC XVII 1
XVII 1. Und nachdem auch der römische Papst davon erfahren hatte, schickte er nach ihm. 2. Und nachdem er (Kyrill) nach Rom gekommen war, ging der Aposto-
1 Und ] Siehe Komm. zum Aksl: Hs 45 hat eine eigene, sprachlich kommentierungsbedürftige Version von XVII:1. 1 Papst ] Gemeint ist Papst Nikolaus I., der aber am 13.11.867, also vor Ankunft der Slavenapostel stirbt. 2 Rom ] Gewöhnlich wird behauptet, die Slavenapostel hätten im Kloster der hl. Praxedis gewohnt, unweit von S. Maria Maggiore (Grivec, 1960, 81), ohne dass ein weiterer Grund zu sehen wäre, als dass S. Maria Maggiore in VC mit ihrem gr. Namen bezeichnet wird (vgl. XVII:5), was ”bezeugt, daß sich die slavischen Schüler zu Rom in Gesellschaft von Griechen bewegten” (Grivec ebd.). Anhand solch weitreichender Schlüsse zeigt sich, dass die Orientierung über die Sprache, in der VC ursprünglich geschrieben war, für das Verständnis des Inhaltes wichtig ist. Wenn man erkennt, dass VC im Original gr. geschrieben war, kann man die gr. Bezeichnung von S. Maria Maggiore nicht mehr umstandslos als auktoriale Intention werten. 2–3 Apostolikos ] In Röm 1:1 nennt sich Paulus den berufenen ἀπόστολος, das dazugehörige Adj άποστολικός ”apostolisch” ist im koiné-Griechischen auf die biblischen Apostel bezogen (Bauer, 1988, 199f.), hat aber in Verbindung mit dem Bischof Roms auf der ’apostolica sedes’ die Bedeutung des ’Successor Principis Apostolorum’, worin der universale Anspruch der römischen Kirche als alleinige Nachfolgerin der apostolischen Kirche und der Anspruch des Papstes als Nachfolger des Apostelfürsten Petrus hervortritt. Der römische Anspruch ist zur Zeit Kyrills völlig geläufig, vgl. etwa den Brief des Papstes Bonifatius IV. an den angelsächsischen König Ethelbert von 610: ”Quae nostra decreta … irrita facere tentaverit, a principe Apostolorum Petro et a cunctis successoribus suis anathematis vinculo subjaceat” (West Haddan/Stubbs, 1871, 65) = ’Wer diese unsere Anordnungen … ungültig zu machen versuchen wird, zieht sich vom Fürsten der Apostel Petrus und allen seinen übrigen Nachfolgern durch Verfluchungen den Kirchenbann zu’. Das Adjektiv erscheint in Verbindung mit dem Papsttitel (apostolicus papa), bedeutet substantiviert ’Papst’ (a nostre apostolico, Werminghoff (1906, 22, 86)) und bezieht sich auch sonst nur auf den Papst (apostolicus sermo = ’päpstliche Rede/ Anweisung’; Werminghoff (1908, 617)). In Byzanz bildet sich zwar auch der Anspruch auf Apostolizität heraus; da aber der historische Primat Roms nicht geleugnet werden kann, wird statt dessen die Idee des Pentarchiates, die Vorstellung von fünf gleichberechtigten apostolischen Nachfolgekirchen (Rom, Alexandria, Antiochien, Konstantinopel, Jerusalem) favorisiert (Dvorník, 1958, 266), wobei (in diesem Falle die orthodoxe Abbildlehre fallen gelassen wird und) angegeben wurde, dass die Kirche keinen menschlichen Führer habe, sondern Christus ihr Haupt sei, so dass die universale Herrschaft eines einzelnen Bischofs ausgeschlossen wäre (Grivec, 1922, 72). Die Qualifikation ’apostolikos’ ist nicht exklusiv römisch, sondern auch in der byz. Kirche üblich, wie Dvorník (1933, 295-300) herausstellt, und man muß kein ”sincerum devotumque animum erga pontificem Romanum” (Grivec, 1922, 47) hören. So bemüht sich auch nur die eine, auch sonst durch Zusätze auffallende Hs Nr. 45, mit der Formulierung ’Apostolikos und Papst’ die Titel auseinanderzuhalten. - Zum sprachlichen Schwanken in CH zwischen ’Apostolikos’ und ’Papst’ vgl. Komm. zum Aksl. XVI:2, s.a. Komm. zur dt. Übers. III:15.
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likos Hadrian selbst hinaus (aus der Stadt) mit allen Bürgern Kerzen tragend, wie auch die Gebeine des heiligen Clemens tragend, den Märtyrer und römischen Papst. 3. Und gleich darauf begann Gott Wunder zu wirken. 4. Einen gelähmten Menschen heilte er dort und viele andere kamen von verschiedenen Beschwerden los, und die Gefangenen, weil sie in der Gefangenschaft Christus bekannt hatten und auch den heiligen Clemens, kamen los. 5. Der Papst, die slavischen Bücher genommen habend, gesegnet habend, legte sie nieder [auf den Altar] in der Kirche der heiligen Maria, die ’[Maria an der] Krippe’
3 Hadrian ] Hadrian II. wurde am 14. 12. 867 inthronisiert. 4 den ] Zum Kasus siehe Komm. zum Aksl. 5 gelähmten ] Die Heilung von Lahmen wird im NT mehrmals von Christus (etwa Mk 2:4) und auch von den Aposteln (Apg 3:1-10) berichtet. Man kann hierin einen hagiographischen topos erkennen. 6 und ] Zu der den Satz einleitenden Partikelhäufung und zur kausalen Übersetzung ’weil’ siehe Komm. zum Aksl. 7 Gefangenen ] Grivec/Tomšič (1960, 208) scheinen darauf aufmerksam zu machen, dass das Motiv der ’Befreiung’ mehrmals in VC, nämlich XV:22 (die zwei anderen Verweise sind nicht nachvollziehbar bzw. lies zumindest XI:15 als XI:45) und XVIII:12 auftauche. Clemens hat nicht ein spezielles Patronat für Gefangene; eher ist an die Bemühungen Kyrills, sich von der Welt zu befreien (III:16, IV:17, VII:1), zu denken. ’Befreiung’ ist ein die Persönlichkeit Kyrills charakterisierendes, vom Autor von VC bewusst eingesetztes Motiv. Entsprechend ist auch die metaphorische Bedeutung, also ’geistige Befreiung’ zu hören, die besonders deutlich wird, wenn man die kausale Übersetzung der Partikelreihung - wie hier vorgeschlagen - akzeptiert. 7 in der Gefangenschaft ] wrtl.: ’(weil sie) als gefangen genommen Seiende Christus bekannt Habende waren und auch den heiligen Clemens’; zur Konstruktion der zwei Partizipien siehe Komm. zum Aksl. Der Sinn der Stelle ist, dass diejenigen frei kamen, die in der Gefangenschaft auf Christus und die Fürbitte des Clemens vertraut hatten. Zur Parallele mit dem vorgehenden Satz und zur Interpretation ’Krankheit = Gefangenschaft im Leibe - Gesundheit = Befreiung im Glauben’ siehe auch vorige Anm. 7 bekannt hatten ] Die Vorzeitigkeit des Partizips verhindert die gleichzeitige Konzeptualisierung ”captives were at once liberated …when they invoked” (Kantor/White, 1976, 53), dass. ”když vzývali” (MMFH, 2: 110), които прозоваха (KO, 3: 139). 9 gesegnet habend ] vgl. Komm. zum Aksl. 10 Krippe ] ’Basilica sanctae Dei genitricis ad praesepe’, weil sich dort Reliquien der Geburtskrippe Jesu befinden, die Papst Zacharias um 750 nach Rom brachte (s. u. a. Liverani (1854)) und wo Hadrian II. am 14. 12. 867- also kurz vor den berichteten Ereignissen - zum Papst gewählt worden war (Jaffé, 2017, 141). Kaum ist wegen der Weihnachtszeit (’Krippe’, vgl. Grivec (1960, 77), kritisch schon Trunte (2004, 256)) die heute S. Maria Maggiore genannte Kirche als Segnungskirche für die slav. Bibelübersetzung gewählt worden. Die liturgischen Stationen in VC sind (mit den heutigen Namen): 1. S. Maria Maggiore (Hadrians Wahlkirche) - 2. Petersdom (Kirche der päpstlichen Sukzession) - 3. Kapelle der hl. Petronilla (Patronin der Franken) - 4. SS. Andrea e Gregorio al Monte Celio (der Apostel Andreas gilt als erster Bischof Konstantinopels und damit als Haupt der byzantinischen Kirche) - 5. S. Paolo fuori le mura (der ’Heidenapostel’). Die Liste erscheint mir nicht unbedingt ”curieux” (Dvorník, 1933, 290), sondern deutbar in diplomatisch-ökumenischer Absicht: zwei Papstkirchen (1, 2) und die Patronin des fränkischen Reiches (3) (Becker, 2009, 835) auf der einen Seite, auf der anderen Seite zwei Apostel (4, 5), der eine der Gründungsbischof von Byzanz, der andere der Missionsapostel der Heiden (d.h. Nicht-Griechen) und so direkt auf die byzantinischen Missionare bezogen. Übrigens ist chronologisch unmöglich, dass die Feier in der Petronilla-Kapelle aus Anlass des Gedenktages der Heiligen, nämlich am 31.5. statt fand, weil der als Mitzelebrant bezeugte (s. u.) Bischof Arsenius schon im März zu Tode kam.
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genannt wird, und sie feierten über ihnen die Liturgie. 6. Danach befahl der Papst zweien Bischöfen, Formosus und Gondrichus, die slavischen Schüler (mit dem Evangelium) zu weihen. 7. Und wie sie geweiht worden waren, sangen sie gleich darauf die Liturgie in der Kirche des heiligen Apostels Petrus in slavischer Sprache. 8. Und am andern Tage sangen sie in der Kirche der heiligen Petronilla. 9. Und an einem weiteren Tag in der Kirche des heiligen Andreas und von da an wiederum beim großen Lehrer des Erdkreises, dem heiligen Apostel Paulus in der Kirche und die ganze
11 feierten ] wrtl. ’Liturgie singen’, vgl. XV:10. 12 Formosus ] Geboren um 816 - 4. 4. 896, Bischof von Porto (891-896 Papst) und damit einer der ’sieben Bischöfe’ (vgl. im Anschluss ’Gauderich’ und XVII:8), diente Nikolaus I. und Hadrian II. als Legat. Formosus war als Stellvertreter des Papstes in Bulgarien (vgl. S. 84, 87, 88). 12 Gondrichus ] Gauderich von Velletri, † um 897, Bischof von Velletri und damit einer der ’sieben’ Bischöfe. Gauderich hat dem als Verfasser einiger Viten bekannten Johannes Hymmonides den Auftrag erteilt, eine Vita des Clemens anzufertigen und sah sich nach dem Tode des Hymmonides genötigt, das Werk selbst zu verfassen (Unger (2013, 352), Forrai (2008a, 322)), was er zwischen 880 und 882 dann dem Papst Johannes VIII widmete. In einem Brief des Anastasius an ihn wird zwei Male eine von dem ’Philosophen Kyrill’ verfertigte kurze Beschreibung der Auffindung der Clemens-Reliquien erwähnt (Kehr, 1928, 435f.) und Gauderich selbst gilt als Verfasser der sog. Italischen Legende über die Translation der Clemenseliquien (Friedrich (1892), Meyvaert/Devos (1955, 383), Kølln (2003, 41)). 12 Schüler ] ”Die Neugeweihten waren: Methodios (Methodiosvita 6), Gorazd, Klemens und Naum (Klemensvita II, 7), die zu Priestern, und Angelarios und Savvas, die wahrscheinlich zu Anagnosten (Diakonen?) geweiht wurden” (Bujnoch, 1972, 212, Anm. 181). 12– 13 Evangelium ] Das nicht in allen Hss. bezeugte Lexem ist nur als Gräzismus zu rechtfertigen und wrtl. als ’mit dem Wort’ bzw. metonymisch ’mit dem Evangelium’ zu übersetzen (siehe Komm. zum Aksl). Gemeint ist sicher, dass die slavischen Schüler unter Benutzung des slavischen Evangelientextes geweiht wurden. 14 Petrus ] Basilica Sancti Petri; der Vorläufer des heutigen Petersdomes, unter dem heutigen Bau schwer zu rekonstruieren, vgl. das entsprechende Kapitel in Holloway (2004). 15 Petronilla ] Ein an die (alte) Peterskirche angebautes Mausoleum (MMFH, 2: 111 Anm. 9) aus dem 4. Jh. wird nach Überführung der Gebeine der hl. Petronilla unter Paul I. 757 als ihre Gedenkkapelle genutzt; zuvor stand der Sarg der hl. Petronilla in einer eigenen Basilika, die heute nach den Domitilla-Katakomben benannt ist (Kaufmann, 1922, 206, 395). Die Überführung geschah, nachdem Pippin die Heilige als ’auxiliatrix’ des fränkischen Reiches erwählt hatte, weshalb ihre Kapelle als ”Capella regum Francorum” galt (Balzer, 2010, 30). 16 Andreas ] Heute: Sanctorum Andreae et Gregorii ad Clivum Scauri. Im 9. Jh. ein dem Apostel Andreas geweihtes Benediktinerkloster, welches Gregor d. Gr. auf seinem Familiensitz hatte errichten lassen, zugleich eine Titelkirche, d.h. eine Kardinälen vorbehaltene Kirche. 17 Paulus ] Basilica Sancti Pauli extra muros, wo 2006 ein mit dem Namen des Apostels bezeichneter Sarkophag wiedergefunden wurde. 17–18 die ganze Nacht ] gr. pan-nychis = ’ganze Nacht’, entspricht den lateinischen Vigilia, also den nächtlichen Stundengebeten.. Die Vigilien werden gewöhnlich in der Nacht vor Sonn- und Feiertagen gesungen, wozu die folgende Angabe passt, dass ihnen ein Gottesdienst folgte.
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Nacht sangen sie slavisch und morgens die Liturgie über dem heiligen Grab, zu Hilfe habend den Bischof Arsenios, einen der sieben Bischöfe, und den Bibliothekar Anastasius. 10. Und der Philosoph hielt nicht inne, dafür gebührenden Dank Gott gebend zusammen mit seinen Schülern. 11. Die Römer jedoch hielten nicht inne, zu ihm gehend und ihn befragend, und sie empfingen den Bericht zweifach und dreifach von ihm. 12. Ein gewisser Jude pflegte auch zu kommen, und vor ihm Rechenschaft ablegend
18 morgens ] Sinnvoll zu ergänzen mit einer der Lesarten und mit Tachiaos (2005, 295). 19 Arsenios ] Bischof Arsenius von Orte, † März 868 in Benevent am Hofe Ludwigs. Arsenius diente Papst Nikolaus I. seit 865 als Gesandter und Stellvertreter (Apocrisiar; siehe Löwe (1972, 211)) in Angelegenheiten mit den fränkischen Königen und war in den Ehestreit Lothars II. (vgl. XV:13) einbezogen (Herbers, 2012, 225, 254, 262), wobei er der Seite Lothars sich zuneigte (Nr. 2589 in Zielinski (2013)). 19 sieben Bischöfe ] Die Bischöfe der ältesten, an Rom als Suffraganbistümer gebundenen Kirchenprovinzen (episcopi suburbicarii), sind traditionell als Kardinalbischöfe für den Papst tätig. 19–20 Anastasius ] Anastasius Bibliothecarius, vielleicht der bedeutendste Übersetzer gr. Literatur ins Lat. im 9. Jh., war ein Neffe des oben genannten Bischof Arsenius und diente in ranghohen Stellungen beim Papst, u.a. als Bibliothekar. Er nimmt zusammen mit Bischof Gauderich (siehe oben) am Konzil 869 in Byzanz teil, auf dem Photios exkommuniziert wird, wodurch das bereits de facto durch den Amtsantritt von Ignatios I. 867 beendete ”photianische” Schisma zwischen Ost- und Westrom auch de jure zum Abschluss kommt. Als der Sohn Eleutherius des vor seinem Episkopat verheirateten Arsenius die Tochter des vor seinem papalen Episkopat verheirateten Hadrian entführt und sie wie auch ihre Mutter tötet, wird Anastasius der Mitschuld verdächtigt und fällt zeitweise in Ungnade. Siehe zu dem Vorgang etwa Hirschfeld (1912, 426), der allerdings irrig Anastasius einen’Bruder des Eleutherius’ nennt. Die Mordtat geschah am 10.3.868: ”Demnach mußte die Priesterweihe der Schüler Konstantins um den 10. März 868 stattgefunden haben” (Grivec, 1960, 82), also jedenfalls vorher. 22 hielten nicht inne ] Vgl. in den aksl. Lesarten: präfigiertes Impf als Parallelbildung. 23 Bericht ] Zur Übersetzung vgl. Komm. zum Aksl. Gemeint ist der Bericht von der Auffindung der Gebeine des Clemens, der die Römer mehr interessierte als slavische Schrift oder Bibelübersetzung. Dieser Bericht ist tatsächlich zumindest in zwei Varianten erhalten: der auf Kyrill zurückgehende Bericht und die (Gauderich zugeschriebene, vgl. XVII:6) ’Italische Legende’. - Grivec (1960, 81) behandelt die Stelle so, als wäre von einer Lehrtätigkeit Konstantins die Rede. Das ist aus dem aksl. Text nicht herauszulesen. 24 gewisser ] Vgl. Komm. zum Aksl. - Das dazugehörige Nomen ’Jude’ ist im Aksl. mit jenem Wort ausgedrückt, das auch zur Selbstbezeichnung (X:35) der Juden dient, vgl. zum Wortgebrauch XI:30. 24 pflegte ] Vgl. Komm. zum Aksl.
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sprach er im Vertrauen: ”Christus ist noch nicht gekommen nach der Zahl der Jahre, von dem auch die Propheten sagen, dass er von einer Jungfrau geboren werden soll.” 13. Es berechnete ihm nun der Philosoph alle Jahre seit Adam gemäß der Geschlechter, erklärte ihm in jedem Einzelnen, dass er gekommen ist und wieviele Jahre es sind seit damals bis heute. Und belehrt habend entließ er ihn.
25 im Vertrauen ] Übersetzungsvorschlag: Das hier verwendete aksl. Wort ist temporal übersetzbar als ’einmal’, jedoch scheint in spezifischerem Sinne der Gräzismus ’alleine, im Vertrauen’ vorzuliegen. Das Wort erscheint in IV:7, IV:13 (der Logothet fragt Kyrill nach dem Wesen der Philosophie bzw. ob Kyrill heiraten wolle), VII:2 (der Diener Kyrills teilt mit, dass das Geld zu Ende ist) und XVIII:2 (Kyrill sieht eine transzendente Erscheinung). - Fragt man sich, was die hier berichtete Anekdote narrativ leistet, dann fallen ’Rechenschaft ablegen’, ’im Vertrauen’ und ’entlassen’ auf, als ob es sich um eine private Beichte gehandelt habe. Die Absonderung zu einem vertrauten Gespräch enthält auch Justins ”Dialog mit dem Juden Tryphon (”Nos autem secedamus aliquo”; PG, 6: 495)). 25 Zahl der Jahre ] Vgl. X:46, wo Kyrill diese Problematik schon behandelt. 26 Propheten ] Einige Hss haben Sg (’von dem auch der Prophet sagt’), denn zentral ist die eine Prophetenstelle Jes 7:14, wo das hebr. Wort Alma eine ’junge’, aber auch eine ’unberührte’ Frau bezeichnen kann, speziell behandelt in Justins ’Dialog mit Tryphon’ (Justinus Philosophus et Martyrus, 1857, 629). Neben Jesaja können aber zur prophetologischen Vordeutung Christi noch andere Propheten aufgerufen werden, so dass der Plural ’Propheten’ durchaus ursprünglich sein kann. 28 Einzelnen ] vgl. Komm. zum Aksl. 29 entließ ] Fragt man sich, warum in VC das Gespräch Kyrills mit einem anonymen Juden Roms berichtet wird, obgleich Kyrill oft mit anonymen Disputanten gesprochen haben mag, dann bleiben grundsätzlich zwei Argumentationsstränge, nämlich literarische Stilisierung oder historische Relevanz. Was die literarische Stilisierung betrifft, ist auf Justins Dialog mit Tryphon (2. Hälfte 2. Jh., Bobichon (2003)) zu verweisen; wo der Beiname ’Philosoph’ (siehe II:2) - natürlich in Verwandtschaft des Genres mit Platons Dialogen (Heyden, 2009, 205-207) - für den im christlichen Dialog Obsiegenden sich einbürgert. - Was die historische Relevanz betrifft, so ist darauf zu verweisen, dass trotz der den Juden von der weltlichen Macht oft eingeräumten eigenen Gerichtsbarkeit die Päpste gerade im 9. Jh. größte Distanz zu den Juden bewahrten: ”Papst Nicolaus I. habe sogar den ehemaligen Bischof Arsenius von Horta, der zuerst Pelze von jüdischen Händlern einführen wollte, von den päpstlichen Feierlichkeiten ausschließen wollen, wenn er nicht auf die Gewänder der Juden verzichte und mit der gewohnten kirchlichen Kleidung sich einfinde (Berliner, 1893, 7). Wenn man den Dialog mit dem anonymen Juden in VC nicht als Beichtszene oder als literarisch schwer zu motivierende Wiederaufnahme des Genealogiemotives, etwa aus Kap XIII (’Salomons Kelch’), betrachten will, dann ist zumindest historisch darauf hinzuweisen, dass Kyrills Umgang mit Juden ihn liberaler als seine römische Umgebung erscheinen läßt.
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