Verwandtschaft - Freundschaft - Feindschaft: Politische Bindungen zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa in der Zeit Friedrich Barbarossas [1 ed.] 9783412501075, 9783412512071


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German Pages [353] Year 2019

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Verwandtschaft - Freundschaft - Feindschaft: Politische Bindungen zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa in der Zeit Friedrich Barbarossas [1 ed.]
 9783412501075, 9783412512071

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VERWANDTSCHAFT – FREUNDSCHAFT – FEINDSCHAFT POLITISCHE BINDUNGEN ZWISCHEN DEM REICH UND OSTMITTELEUROPA IN DER ZEIT FRIEDRICH BARBAROSSAS Herausgegeben von Knut Görich und Martin Wihoda





Knut Görich, Martin Wihoda (Hg.) unter Mitarbeit von Richard Engl und Stefan Frankl

Verwandtschaft – Freundschaft – Feindschaft Politische Bindungen zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa in der Zeit Friedrich Barbarossas

B ÖH L AU V E R L AG W I E N KÖL N W E I M A R



Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2019 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Lindenstraße 14, D-50674 Köln Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Cover: Korrektorat: Ulrike Weingärtner, Gründau Umschlaggestaltung: Satz + Layout Werkstatt Kluth, Erftstadt Satz und Layout: Bettina Waringer, Wien Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-50107-5

Inhalt

Knut Görich/Martin Wihoda Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Anna Kernbach Der Kaiser und sein Abglanz. Die Darstellung Friedrich Barbarossas und Vladislavs II. bei Vinzenz von Prag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Michał Tomaszek Die Wahrnehmung der Kaisers bei Vinzenz Kadlubek . . . . . . . . . . . 53 Jürgen Dendorfer Vasallen und Lehen unter Friedrich Barbarossa: Politische Bindungen durch das Lehnswesen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 Libor Jan Die Lehensbeziehungen der böhmischen Herzöge zu Friedrich Barbarossa . . . . . . . . . . . . . . . 97 Lukáš Reitinger imperator posuit in caput eius coronam Barbarossas Könige und Vladislav II. von Böhmen . . . . . . . . . . . . 111 Zbigniew Dalewski Polnische Herzöge und das Reich im 12. Jahrhundert . . . . . . . . . . . 149

Inhalt

Dániel Bagi Die Arpaden und Barbarossa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Knut Görich Verwandte Gegner: Friedrich Barbarossa und Erzbischof Adalbert III. von Salzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Martin Wihoda In zweierlei Diensten. Die Bischöfe von Prag zwischen Friedrich Barbarossa und den böhmischen Herzögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Eduard Mühle Der polnische Episkopat im Alexandrinischen Schisma (1159–1177) . . 247 André Thieme Wettiner, Přemysliden und Ludowinger Verwandtschaft zwischen Freundschaft und Feindschaft . . . . . . . . . 285 František Kubů Die Stadt Eger und die staufische Ministerialität als Gegner im staufischen und nachstaufischen Egerland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Anhang Genealogische Übersichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 Orts- und Personenregister (erstellt von Stefan Frankl) . . . . . . . . . . 342

Knut Görich/Martin Wihoda

Einleitung

Das Thema des hier vorgelegten Sammelbandes geriet bereits in den Blick, als im Oktober 2015 im Institut für Geschichte der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität in Brno Historiker aus Deutschland, Polen und Tschechien zusammenkamen und sich der Frage widmeten, wie Kaiser Friedrich I. Barbarossa (1152/55–1190) von der Nationalgeschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts in Mittel- und Osteuropa wahrgenommen wurde.1 Ausgangspunkt der damaligen Überlegungen war, dass bestimmte Probleme der mitteleuropäischen Geschichte bis weit in das 20. Jahrhundert hinein aus der Perspektive der jeweiligen Nationalgeschichte erzählt wurden und man in der Vergangenheit Beweise gesucht und auch gefunden hat, um jeweils aktuelle nationalpolitische Positionen und Interessenlagen zu verteidigen. Diese historisch bedingten Sichtweisen beeinflussten die historischen Metanarrative und verliehen der Geschichte Mittelosteuropas eine gleich dreifache Dimension, nämlich eine allgemeinere (reichs-) deutsche, eine engere polnische und eine engere tschechische. So fragwürdig diese Geschichtsbilder als ganze heute auch sein mögen und so berechtigt eine wissenschafts- und forschungsgeschichtliche Skepsis gegenüber den Großerzählungen der Nationalgeschichtsschreibung auch ist, so ist doch unverkennbar, dass ihr Schatten auf manchen Fragestellungen besonders tief liegt. Wenn es die Aufgabe der heutigen Historiker ist, die wissenschaftlichen Mythenbildungen der Nationalgeschichten nicht mehr fortzuschreiben – auch wenn sie politisch zuweilen noch immer erwünscht sind –, sondern die Geschichtsschreibung konsequent historisch-kritischen Standards zu unterwerfen, so tragen sie dazu bei, die Systemgrenzen zwischen Politik und Geschichtswissenschaft nicht zu Gunsten politischer Legitimationsbedürfnisse der Gegenwart durch1

Görich, Knut/Wihoda, Martin (Hg.): Friedrich Barbarossa in den Nationalgeschichten Deutschlands und Ostmitteleuropa (19.–20. Jh.), Köln/Weimar/Wien 2017.

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Knut Görich/Martin WihodaEinleitung

lässig zu machen und zu beschädigen. Gerade die während des Treffens 2015 intensiv geführte Diskussion um die instrumentalisierende Inanspruchnahme der nationalen Erinnerungskultur zur Schaffung nationaler Mythen seit dem 19. Jahrhundert schärfte den Blick dafür, dass die deutschen, polnischen oder tschechischen Narrative, so unterschiedlich sie im Einzelnen waren, natürlich auf derselben gemeinsamen Quellenbasis ruhten. Es waren die aktualisierenden Deutungen der modernen Historiker, die das Zeugnis der Quellen aus ihrem ursprünglichen Wahrnehmungshorizont herauslösten, ihren eigenen unterschiedlichen und keineswegs leidenschaftslos verfolgten Erkenntniszielen unterwarfen und in die jeweilige Nationalgeschichte als einer im Kern polemischen Geschichte integrierten, die stets einen Gegner benötigte.2 Vor dem Hintergrund dieser Einsichten lag die scheinbar banale Frage nahe, wie denn Friedrich I. Barbarossa von seinen Zeitgenossen wahrgenommen wurde, im Reich selbst, aber auch jenseits seiner Grenzen, vor allem aber, wie die Zeitgenossen die politischen Bindungen begründeten, die im Ostmitteleuropa des 12. Jahrhunderts entstanden und die weltlichen und geistlichen Machteliten miteinander verbanden. Ende September 2017 trafen sich erneut Historiker aus Deutschland, Polen und Tschechien sowie erstmals auch aus Ungarn, um nach den zeitgenössisch relevanten Kategorien zu fragen, die die politischen Bindungen zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa in der Zeit Friedrich Barbarossas begründeten. Abzusehen war, dass die Dominanz der von der älteren Forschung beschriebenen rechtlichen Bindungen im Lichte der neueren Forschungsdiskussion zum Lehnswesen nachdrücklich zu relativieren sein würde: Denn die Zweifel daran, dass das klassische lehnrechtliche Modell eine tatsächlich zutreffende Vorstellung der Verhältnisse vermitteln könne, waren schon stark gewachsen, als Jürgen Dendorfer 2015 seine wissenschaftsgeschichtlich fundierte, eindringliche Revision der traditionellen Sichtweise vortrug.3 Mittlerweile spricht noch mehr dagegen, das Lehnswesen als eine im 12. Jahrhundert relevante Kategorie zur 2

Vgl. dazu Weichlein, Siegfried: Europäische Nationalgeschichten im Wandel, in: Historische Zeitschrift 303 (2016), S. 760–789, S. 777. 3 Dazu Dendorfer, Jürgen: Der König von Böhmen als Vasall des Reiches? Narrative der deutschsprachigen Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts im Licht der Diskussion um das Lehnswesen, in: Friedrich Barbarossa in den Nationalgeschichten (wie Anm. 1), S. 229–284; vgl. außerdem die Literaturhinweise auf die Forschungsdiskussion bei Ders.: Vasallen und Lehen (in diesem Band), S. 69–95.

Einleitung

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Beschreibung politischer Bindungen zu verstehen. Auch jene Fälle, in denen in den Quellen Begriffe und Sachverhalte aufscheinen, die die Vorstellung einer lehnrechtlich begründeten Unterordnung Böhmens, Polens und Ungarns unter Kaiser und Reich auf den ersten Blick untermauern könnten, taugen nicht mehr für eine Fortschreibung des altvertrauten Modells: Denn die Annahme, dass das Reich selbst im 12. Jahrhundert lehnrechtlich geordnet sei, ist nicht mehr zu halten,4 so dass sich auch die Beziehungen zu den Nachbarn im Osten nicht in eine lehnrechtliche Ordnung eingefügt haben können. Die Erosion des altvertrauten Modells macht erst recht die Vielfalt der Bindungen erkennbar, in der die Unübersichtlichkeit spezifizierter und situationsbedingt ausgehandelter Treuebeziehungen und Leiheformen an die Stelle schablonenhaft angenommener herrschaftlich-lehnrechtlicher Bindungen tritt. Gleichzeitig hält dieser gegenwärtige Forschungsstand mehrere spezifische Schwierigkeiten bereit: Zum einen ist die Rezeption der Lehnrechtdebatte noch keineswegs überall gleichmäßig intensiv fortgeschritten, zum anderen ist noch keine allgemeinverbindliche neue Terminologie an die Stelle der altvertrauten getreten. Die uneinheitliche Terminologie im vorliegenden Band ist insoweit ein Ausdruck der aktuell noch nicht abgeschlossenen Suchbewegung. Vor dem Hintergrund schwindender Erklärungskraft des lehnrechtlichen Modells ziehen die Bindungen freundschaftlicher und verwandtschaftlicher Art, die das Reich mit seinen östlichen Nachbarn verband, verstärkt Aufmerksamkeit auf sich.5 Dass – zumal der moderne Begriff – „Verwandtschaft“ mit bestimmten Erwartungen hinsichtlich des gebotenen Verhaltens aufgeladen ist, liegt zwar auf der Hand; ungleich schwieriger ist auszuloten, inwieweit Verwandtschaft auch ein tatsächlich handlungsleitendes Konzept war und ein allgemeiner Grundkonsens hinsichtlich Solidarität und gegenseitiger Verpflichtung zu friedfertigem Umgang miteinander einfach vorausgesetzt werden darf. Was die lehnrechtliche Diskussion unter dem Begriff „negative Treue“ als Bestandteil einer Vasallenethik formulierte – dass nämlich Gewaltanwendung oder Schädigung im Verhältnis zwischen Herr und Mann ausgeschlossen sei –, taucht der Sache nach auch als eine Verpflichtung in freundschaftlichen oder verwandtschaftlichen Beziehungen auf. Freilich ist die Abwesenheit von Gewalt für eine amicitia eher charakteristisch als innerhalb einer Familie. 4 5

Dendorfer: Vasallen und Lehen (in diesem Band), S. 80–86. Zur einschlägigen Forschung vgl. die Hinweise bei Dendorfer: Vasallen und Lehen (in diesem Band), S. 69, Anm. 3.

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Knut Görich/Martin WihodaEinleitung

Die Bruderzwiste der Piasten, Přemysliden und Arpaden halten dafür jedenfalls eindrucksvolle Beispiele parat, und es erscheint geboten, einen positiven Verpflichtungscharakter, der mit verwandtschaftlichen Verhältnissen durchaus einhergehen mochte, nicht stets stillschweigend vorauszusetzen, sondern nach seinem konkreten Niederschlag in den erzählenden oder urkundlichen Quellen zu suchen. So zeigt sich das Verhältnis zwischen Barbarossa und seinem böhmischen Vetter Adalbert trotz der Belastungen, die das Schisma für dessen kirchliche Karriere zunächst darstellte, doch als eine Facette von „Verwandtenpolitik“.6 Solche Konstellationen sind grundsätzlich dazu geeignet, die vordergründigen „Wir-sie-Oppositionen“ mit ihrer semantischen Herstellung von Andersheit zu relativieren, die die Geschichtsbilder der Nationalhistoriographien den Quelleninterpretationen eingeschrieben haben.7 Eine ähnliche Beobachtung ließe sich an den Verpflichtungen Konrads III. und Friedrich Barbarossas gegenüber ihrem polnischen Verwandten Władysław II. machen:8 Im Binnenverhältnis des aus Polen vertriebenen Piasten zu seinen Brüdern ist erkennbar, dass für die Herzogsfamilie eine stets gemeinschaftliche Abgrenzung nach außen – etwa gegen Kaiser oder Reich – keineswegs verpflichtend war. Das gleiche Bild ergibt sich für die wechselnden Konstellationen, in denen die přemyslidischen Brüder um Unterstützung am Hof ihres kaiserlichen Verwandten nachgesucht haben.9 Auch die gescheiterte Heirat der ungarischen Königstochter Sophia mit dem ältesten Sohn Konrads III.10 lässt erkennen, dass macht- und interessenpolitische Gesichtspunkte dabei natürlich nicht ausgeblendet blieben. Soll die Rekonstruktion solcher spezifischen Interessenlagen die schematischen Zuschreibungen der Nationalgeschichten überwinden, so erscheint gerade auch die Untersuchung gescheiterter Eheprojekte, konkurrierender Bindungen, aber auch die Frage nach der Wahrung von Rang und Status besonders aufschlussreich. Die Spiegelungen solcher Ereignisse in der böhmischen, deutschen, polnischen und ungarischen Geschichtsschreibung des 12. Jahrhunderts erlauben aber nicht 6 Görich, Knut: Verwandte Gegner (in diesem Band), S. 195–220. 7 Vgl. Weichlein: Europäische Nationalgeschichten (wie Anm. 2), S. 777. 8 Vgl. dazu auch die Beiträge von Zbigniew Dalewski und Michał Tomaszek in diesem Band. 9 Vgl. dazu Wihoda, Martin: Vladislaus Henry. The Formation of Moravian Identity, Leiden/Boston 2015, S. 12–60. 10 Weller, Tobias: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert, Köln 2004, S. 6–52; Lyon, Jonathan R.: Princely brothers and sisters: the sibling bond in German politics, 1100–1250, Ithaca 2013, S. 236–238.

Einleitung

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nur Rückschlüsse auf die Wertvorstellungen der Zeitgenossen, sondern auch auf die engere autorenspezifische Sichtweise. Der vorliegende Band versammelt die – auch dieses Mal zur Veröffentlichung teilweise erheblich erweiterten – Beiträge des 2017 in Brno veranstalteten zweiten Workshops zum Thema „Verwandtschaft – Freundschaft – Feindschaft: Politische Bindungen zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa in der Zeit Friedrich Barbarossas“. Die zwölf Beiträge widmen sich dem Bild des Stauferkaisers in historiographischen Quellen Böhmens und Polens, der Problematik der lehnrechtlichen Bindungen, den Beziehungen der Herrscherdynastien in Böhmen, Polen und Ungarn zum Kaiserhof, der Rolle der Geistlichkeit vor dem Hintergrund des Alexandrinischen Schismas (1159–1177) und den regionalen Zusammenhängen verwandtschaftlicher und politischer Netzwerke. In ihrer eindringlichen Analyse der Darstellung Barbarossas und Vladislavs II. in den Annalen des Vinzenz von Prag erkennt Anna Kernbach in der Stilisierung des Kaisers zum vorbildlichen Herrscher das Muster, dem auch die Darstellung des böhmischen Herzogs und Königs verpflichtet war. Umgekehrt hat Magister Vinzenz Kadłubek, wie Michał Tomaszek aufzeigt, mit Kritik an dem Staufer, den er einen roten Drachen nannte, nicht gespart, die im Imperium repräsentierte Ordnung freilich als notwendig akzeptiert und die Beziehungen der Piasten zum Kaiser gleichzeitig als Zeichen ihrer Bedeutung interpretiert.11 Jürgen Dendorfer vertieft seine Revision des bislang gültigen lehnrechtlichen Ordnungsmodells insoweit, als er die Rezeption des entwickelten oberitalienischen Lehnrechts in Folge der Italienzüge Barbarossas für so gering einschätzt, dass sie nicht ursächlich für eine lehnrechtlich konzipierte Hierarchie im nordalpinen Reichsteil gewesen sein könne; für die Beziehungen zu den böhmischen und polnischen Herrschern folgert daraus, dass sie sich ihrerseits nicht in eine schon existente lehnrechtliche Ordnung des Reichs eingefügt haben können. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt auch Libor Jan in seiner Analyse der böhmischen Verhältnisse, indem er die in der tschechischen Literatur immer wieder 11 Hingewiesen sei an dieser Stelle noch auf die zwischenzeitlich publizierte Studie von Vercamer, Grischa: Imperiale Konzepte in der mittelalterlichen Historiographie Polens vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, in: Scholl, Christian/Gebhardt, Torben R./Clauss, Jan (Hg.): Transcultural Approaches to the Concept of Imperial Rule in the Middle Ages, Frankfurt am Main 2017, S. 322–366, mit Beispielen für die eher negative Zeichnung der Kaiser und ihre Unterlegenheit gegenüber den polnischen Herrschern, speziell zu Kadlubek S. 342–351.

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Knut Görich/Martin WihodaEinleitung

auftauchende Vorstellung von einem Lehnsverhältnis des böhmischen „Staates“ zum mittelalterlichen römisch-deutschen Reich verwirft und stattdessen die Bedeutung des auf Reliquien und Heilige Schrift abgelegten Treueids akzentuiert, der auch politische Bindungen innerhalb des Herzogtums strukturierte. Die Erhöhung des böhmischen Herzogs Vladislav II. zum König 1158 nimmt Lukáš Reitinger zum Ausgangspunkt eines breit angelegten Vergleichs mit den Rangerhöhungen, die der Kaiser anderen benachbarten Herrschern gewährte; sie scheinen Bestandteil einer konsequent verfolgten Diplomatie des Kaiserhofes gewesen zu sein.12 Friedrich I. Barbarossas kompliziertes Verhältnis zu den piastischen Herzögen analysiert Zbigniew Dalewski; entscheidend für die wiederholten Interventionen des Staufers waren die langwierigen Streitigkeiten zwischen den Söhnen und Erben des polnischen Herzogs Bolesław III. Schiefmund (1102–1138), in die der Kaiser zunächst über verwandtschaftliche Bindungen, dann über die Notwendigkeit zur Wahrung von Rang und Status hineingezogen wurde. Auch in Ungarn haben dynastische Streitigkeiten zu Aufnahme oder Intensivierung von Kontakten zum Reich geführt; Dániel Bagi betont, dass die Beziehungen zum Reich wesentlich eine Funktion der Thronstreitigkeiten der Arpaden und der Investiturproblematik waren und Barbarossa, anders als noch die salischen Herrscher, die Kontakte zu Ungarn gewissermaßen an die benachbarten Fürsten in Böhmen, Steiermark und Ungarn delegierte, woraus sich die spätmittelalterliche Bündniskonstellation im östlichen Mitteleuropa entwickelte. Als ein Beispiel für Verwandtenpolitik zeichnet Knut Görich die konfliktträchtigen Beziehungen zwischen Barbarossa und seinem Vetter Adalbert, dem Sohn König Vladislavs, der 1168 zum Erzbischof von Salzburg gewählt wurde. Dessen Parteinahme zu Gunsten des vom Kaiser bekämpften Papstes Alexander III. verdeutlicht, dass die Einforderung von Solidarität unter Verwandten an den Bindungen des Erzbischofs an seine Kirche und deren Interessen ihre Grenzen fand. Adalberts Karriere nach Beilegung des Schismas lässt aber auch erkennen, dass sich der Kaiser verpflichtet sah, den honor seines Vetters zu wahren. Wie und warum sich der böhmische Herrscher Friedrich Barbarossa annäherte, erläutert Martin Wihoda. Das Hauptverdienst schreibt er dabei dem Prager 12 Zwischenzeitlich erschienen ist auch Reitinger, Lukáš: König Vratislav II. von Böhmen († 1092) in der Erinnerung des Klosters Pegau, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 73 (2017), S. 481–526.

Einleitung

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Bischof Daniel I. (1148–1167) zu, der nicht nur als geschickter Diplomat, sondern auch als Pariser Kommilitone und, wie es scheint, auch als Freund einer Reihe von Barbarossas Ratgebern und Vertrauten am Kaiserhof willkommen war. Gleichzeitig illustriert Bischof Daniel in einzigartiger Art und Weise die Möglichkeiten und Grenzen der auf „Freundschaft“ beruhenden Politik – was gleichzeitig erklären könnte, warum der Prager Hof lange vergeblich nach einem geeigneten Nachfolger suchte. Eduard Mühle fragt nach der Haltung des polnischen Episkopats im alexandrinischen Schisma. Die wortkarge Überlieferung erlaubt ein klares Bild der Verhältnisse nur in Ansätzen; eindeutige Hinweise auf eine klare Parteinahme zu Gunsten der kaiserlichen Gegenpäpste, wie man sie vor dem Hintergrund von Barbarossas Interventionen in Polen und der Anwesenheit einzelner Piasten an seinem Hof erwarten könnte, fehlen. André Thieme thematisiert die weitreichenden Konsequenzen, die eine gescheiterte Ehe für die beteiligten Dynasten mit sich brachte: die im Jahr 1198 nach über 20 Jahren aufgelöste Ehe zwischen dem böhmischen König Přemysl Ottokar I. und Adela (Adelheid) von Meißen war die Ursache für langjährige K ­ onflikte zwischen den Wettinern und dem böhmischen König, die mit der für Ehrverletzungen typischen Dynamik eskalierten und dem meißnisch-böhmisch-thüringischen Verwandtschaftsgeflecht seine charakteristisch Bedeutung in der Phase des staufisch-welfischen Thronstreits verlieh. In gewisser Hinsicht vergleichbar mit der Funktion der Pfalz von Altenburg in Thüringen war die Pfalz von Eger nach 1179 ein Ort, an dem die staufischen Herrscher Hoftage abhielten, auf denen die Beziehungen zu den östlichen, hier böhmischen Nachbarn geregelt wurden. František Kubů beschreibt die Auflösung der staufischen Ministerialität infolge des Interregnums und des 1322 erfolgten Übergangs des Egerlandes in böhmische Herrschaft, aber auch als Folge ihrer Auseinandersetzung mit der Stadt Eger. Nicht zuletzt als Konsequenz der von der neueren Forschung angestoßenen Revision des lehnrechtlichen Ordnungsmodells erscheint die Frage nach den zeitgenössisch relevanten Kategorien, die Aufnahme, Stabilität und Scheitern politischer Beziehungen bestimmten, besonders drängend. Es mag genügen, ausblickhaft wenigstens auf den noch keineswegs hinreichend ausgeleuchteten Stellenwert der Treuebindungen hinzuweisen, die in den Quellen erwähnt werden, aber bislang nur in lehnrechtlicher Perspektive gedeutet wurden – und deren Reziprozität übrigens auch quer zu den Geschichtsbildern liegt, die sozusagen als versteinerte Sedimente zum Inventar der Nationalgeschichten der Tschechen, Ungarn, Deutschen und Polen gehören und vor allem Abgrenzung thematisieren.

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Knut Görich/Martin WihodaEinleitung

Außerdem sind die politischen Beziehungen in Ostmitteleuropa während des 12. Jahrhunderts noch in anderer Hinsicht ein schlagendes Beispiel für die Notwendigkeit einer transnationalen Geschichtsschreibung – mit anderen Worten: für eine Geschichte, die die Bedeutung der Nation als gewordene historische Tatsache natürlich nicht ignoriert, jedoch gerade jenen Bindungen ihre Aufmerksamkeit widmet, die über die Grenzen dieser territorialen Einheiten hinausreichten. Eine Folge der Überwindung des nationalen Paradigmas ist die Möglichkeit, Räume im Sinne einer Geschichte der Verflechtungen auch über die Beziehungen und Bindungen von Akteuren zu verstehen. In diese Richtung weisen nicht nur die beobachtete Aufnahme verwandtschaftlicher Beziehungen und die Bedeutung der über die einzelnen Herrschaftsbereiche hinausreichenden, reziproken Treuebindungen, sondern auch die unverkennbare Funktion von Pfalzstädten wie Eger und Altenburg/Thüringen – oder auch von Regensburg und Würzburg – als Knotenpunkte für die Aushandlung der Böhmen, Polen, Ungarn und das Reich betreffenden Angelegenheiten. Die Frage nach den zeitgenössisch relevanten Kategorien politischer Bindungen ist mit den im vorliegenden Band zusammengetragenen Befunden und Beobachtungen gewiss nicht erschöpfend beantwortet. Aber Autoren und Herausgeber hoffen, einige Denkanstöße für weiterführende Überlegungen vermitteln zu können. Der Czech Science Foundation danken wir herzlich für die Förderung unseres Projekts im Rahmen des Projekts GACR 14-36521G des Exzellenz-Zentrums (Centrum pro transdisciplinární výzkum kulturních fenoménů ve středoveropských dějinách: obraz, komunikace, jednání), außerdem der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität Brno und dem Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München für gewährte Unterstützung – sowie dem Böhlau Verlag, namentlich Frau Kirsti Döpner und Frau Bettina Waringer, für die reibungslose Zusammenarbeit. München/Brno, im Dezember 2018

Anna Kernbach

Der Kaiser und sein Abglanz. Die Darstellung Friedrich Barbarossas und Vladislavs II. bei Vinzenz von Prag

Wahrscheinlich am Ende des Jahres 1172 entschloss sich der böhmische König Vladislav zu Gunsten seines ältesten Sohnes Friedrich abzudanken. Der alte König ging wohl seinen Herrscherpflichten nicht mehr nach, wie Abt Gerlach von Mühlhausen berichtet.1 Die Reaktion des Kaisers ließ nicht lange auf sich warten. Im Spätsommer 1173 kehrte Friedrichs Cousin Soběslav vom Hoftag in Erbendorf bei Eger als Herzog von Böhmen nach Prag zurück. Vladislav ging nach Thüringen ins Exil, in dem er am 18. Januar 1174 verstarb.2 Vor allem die tschechische Historiographie sah im Eingreifen des Kaisers einen schweren Rechtsbruch. Vladislav wurde zwar als ein bedeutender Herrscher und berühmter Krieger gefeiert, der den böhmischen Ländern Prestige erworben hatte, allerdings mit dem Vorwurf, dass er all das nur um den Preis eines Verfalls der tschechischen Souveränität erreicht hatte.3 Kaiser Friedrich I. genießt in der tschechischen Forschung

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Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis a. 1167–1198, ed. Wilhelm Wattenbach (Monumenta Germaniae historica, Scriptores XVII) Hannover 1861, S. 683–710, hier S. 685 (fälschlicherweise zum Jahr 1173): … rex Wladizlaus, senex iam et infirmus, videns se non suffice­ re laboribus expeditionum et curis publicę rei invenit consilium … quod sibi maioris postea laboris seminarium fuit. Nam filium suum Fridericum sollempniter intronizatum prefecit dominio totius Boemię. Obwohl die Seitenangaben nach der oben erwähnten Edition zitiert werden, sind die direkt zitierten Textabschnitte von Vinzenz und Gerlach der neu vorbereiteten Edition beider Chroniken in der MGH-Reihe (vorauss. 2019) entnommen. Ebd., S. 686. Sichtlich entsetzt dazu vor allem Novotný, Václav: České dějiny I/2. Od Břetislava I. do Přemysla I. (1037–1197) Praha 1912, S. 999–1009; zusammenfassend Žemlička, Josef: Čechy v době knížecí (1034–1198) Praha 1997, S. 264.

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Anna Kernbach

und Öffentlichkeit also schon traditionell keinen guten Ruf, obwohl die zeitgenössischen Quellen böhmischer Provenienz eine andere Sprache sprechen. Was hat das mit Vinzenz von Prag und seiner Darstellung Friedrich Barbarossas zu tun? Erstens: Obwohl seine Chronik nur bis zum Jahr 1167 reicht und der Prager Kanoniker selbst zum letzten Mal 1169/1170 schriftlich belegt ist, dürfen die Ereignisse von 1172–1174 als ein Grund angesehen werden, warum Vinzenz’ Chronik nicht zu Ende gebracht worden ist.4 Zweitens: Gerade Vinzenz’ Wahrnehmung von Barbarossa unterscheidet sich diametral von jener der tschechischen Forschung des letzten Jahrhunderts. Warum das so ist und wie Kaiser Friedrich I. letzten Endes von Vinzenz dargestellt wird, ist die Hauptfrage dieses Aufsatzes, auch wenn der Kaiser in Vinzenz’ Chronik nur indirekt erscheint. Um das zu verstehen, ist es nötig zu zeigen, auf welche Weise Vinzenz den böhmischen König Vladislav charakterisiert und welche Funktion er ihm in seiner Chronik beigemessen hat. Seine direkte Absicht teilt Vinzenz mit Hilfe der üblichen Exordialtopik unmittelbar in den Prologen zu seiner Chronik mit. Er, von Gottes und des Königs Gnade Kanoniker von Prag, will die berühmten Taten des Königs – und im Fall des zweiten Prologes die der Königin– in Erinnerung bewahren.5 Deswegen beginnt er sein Werk mit dem Jahr 1140, in dem Vladislav seinem verstorbenen Onkel Soběslav I. (1125–1140) als Herzog von Böhmen folgte.6 Vinzenz’ Chronik ist im Folgenden als ein Herrscherlob konzipiert, und zwar nicht nur direkt durch die edlen Superlative, die er auf literarischer Ebene auf den König bezieht, sondern auch indirekt durch die aus seiner Vorlage ausgewählten Berichte, die seiner Absicht am besten entsprechen und die er für seinen Zweck umdeutet. Vielsagend ist in diesem Zusammenhang auch das, was von ihm verschwiegen wird.7 4

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Die einzige vollständige Abschrift der Chronik befindet sich in der Strahover Handschrift, Die Königliche Kanonie der Prämonstratenser von Strahov, Prag, Sign. DF III 1,ff. 77v–87v, an deren abruptes Ende der Autograph der Chronik von Gerlach von Mühlhausen angeschlossen worden ist. Der Abt von Mühlhausen sah sein Werk als eine direkte Fortsetzung von Vinzenz’ Chronik; die Urkunde, in der Vinzenz als Zeuge auftritt, vgl. Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae I (805–1197), ed. Gustav Friedrich, Praha 1904–1907, S. 223 f., N. 251. Vincencii Pragensis annales a. 1140–1167, ed. Wilhelm Wattenbach (Monumenta Germaniae historica, Scriptores XVII) Hannover 1861, S. 658–683, hier S. 658 f. Ebd., S. 659. Im Folgenden fasse ich meine ausführliche Textanalyse der Chronik zusammen, vgl.

Der Kaiser und sein Abglanz

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Vinzenz’ Chronik ist in zwei Teile gegliedert, in denen Vinzenz jeweils unterschiedliche Methoden zur Darstellung des böhmischen Königs wählt. Der Wendepunkt ist dabei das Jahr 1158, in dem Vladislav  II. König wurde. Es sei vorausgeschickt, dass der erste Teil aus dem Blickwinkel der Erzählung über den Aufstand böhmischer Hochadeliger im Jahre 1142 zu betrachten ist, den die mährischen Přemysliden unterstützten, der zweite Teil hingegen aus der Perspektive der Königswürde Vladislavs. Während die Hauptvorlage aller narrativen Quellen des 12. Jahrhunderts böhmischer Provenienz, die verlorenen Prager Annalen, zum Jahr 1142 nur allgemein über einen böhmisch-mährischen Krieg gesprochen haben dürfte, wurde das Ereignis von den Autoren, die sie zur Verfügung hatten, unterschiedlich ausführlich und mit jeweils einem anderen Schwerpunkt herausgearbeitet.8 Vinzenz’ Schilderung ist am längsten, am detailreichsten und inhaltlich sowie literarisch am spannendsten.9 Was ist damals passiert? Die rebellierenden Großen flüchteten zu den mährischen Fürsten Konrad von Znaim (Znojmo), Vratislav von Brünn (Brno) und Otto von Olmütz (Olomouc). Dazu kamen noch weitere Přemysliden wie die Söhne des Herzogs Bořivoj II. (1100–1107; 1117–1120) oder Vladislav, Sohn Soběslavs I., der als dessen Nachfolger vorgesehen, aber nach dem Tod des Vaters durch die Wahl der Adeligen zu Gunsten unseres Vladislavs übergangen wurde – als Söhne der Brüder von Vladislavs Vater Vladislav I. (1109–1117; 1120–1125)

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Kernbach, Anna: Vincenciova a Jarlochova kronika v kontextu svého vzniku. K dějepisectví přemyslovského období (Knižnice Matice moravské 28) Brno 2010, S. 94–155. Wie der Bericht in den verlorenen Prager Annalen wahrscheinlich ausgesehen hat, zeigen in diesem Fall am besten die in den Jahren 1193–1197 aus ihnen abgeschriebenen Annales Pragenses, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 376– 380, hier S. 378: Bellum actum est inter Boemos et Moravos; zur Rekonstruktion der verlorenen Annalen vgl. Třeštík, Dušan: Anfänge der böhmischen Geschichtsschreibung. Die ältesten Prager Annalen, in: Studia Żrodłoznawcze 23 (1978), S. 1–37; außer Vinzenz sind von den verlorenen Prager Annalen noch andere Geschichtswerke abhängig, wobei über den Aufstand berichten: Annales Gradicenses et Opatovicenses, Wilhelm Wattenbach (Monumenta Germaniae historica, Scriptores XVII) Hannover 1861, S. 644–653, hier S. 651; Canonici Wissegradensis continuatio a. 1126–1142, ed. Rudolf Köpke (Monumenta Germaniae historica, Scriptores IX) Hannover 1851, S. 132–148, S. 147 f.; Monachi Sazaviensis continuatio a. 932–1162, ed. Rudolf Köpke (Monumenta Germaniae historica, Scriptores IX), Hannover 1851, S. 148–163, hier S. 158 f. Vgl. zur ganzen Erzählung zum Jahr 1142, auf die ich im Folgenden zurückgreife, Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 659–661.

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Anna Kernbach

waren alle auch Cousins Vladislavs II. Zum neuen böhmischen Herzog wurde von den Rebellen Konrad von Znaim gewählt. Vladislav blieben vor allem der Bischof von Olmütz, Heinrich Zdik (1126– 1150), seine erste Frau Gertrud von Babenberg († 1150) und sein jüngerer Bruder Theobald I. († 1167) treu. Der Konflikt wurde in der Schlacht bei Vysoká blutig ausgetragen, in deren Folge Vladislav sich in die Prager Burg zurückziehen musste. Die Aufständischen verfolgten ihn und belagerten Prag. Vladislav machte sich mit Bischof von Olmütz auf den Weg zum deutschen König Konrad III., dem Halbbruder seiner Frau, um diesen um Hilfe zu bitten, während sein Bruder Theobald die Prager Burg verteidigen sollte. Die Hilfe kam letzten Endes in der Person Konrads III. Im Angesicht des königlichen Heeres flohen die Rebellen erschrocken nach Mähren. Hierzu sei kurz auf Vinzenz’ literarische Darstellung dieser Tatsachen eingegangen: Erstens: Von der ersten Zeile an werden die Aufständischen als Verbrecher gegen Gottes Ordnung geschildert, die ihre Machtstellung missbrauchen und ihren Pflichten nicht nachgehen. Das wird vor allem mit Hilfe biblischer Bezüge zum Ausdruck gebracht. Vladislavs Gegner werden von Vinzenz z.B. mit den zwei perversen Richtern aus dem 13. Kapitel des Buchs Daniel verglichen, die die tugendhafte Susanna fälschlich des Ehebruchs bezichtigten: A senioribus et nobilioribus Bohemiae plurimis, a quibus equitas oriri debuit, egressa est iniqui­ tas.10 Ihnen gegenüber steht der böhmische Herzog als ein von Gott gewollter, dem Recht und der Gerechtigkeit sich verpflichtender Herrscher. Zugleich zeigt ihn Vinzenz mit Hilfe des üblichen puer senex-Topos als einen Jungen, der sich allerdings reif und verantwortlich wie ein erfahrener alter Mann benimmt11 – ein Vorwurf gegenüber dem angeblich älteren und besseren Teil der böhmischen Großen, die sich hochmütig gegen Gottes Ordnung auflehnten.12 10 Vgl. Dan. 13, 5: egressa est iniquitas de Babylone a senibus iudicibus, qui videbantur rege­ re populum. 11 Curtius, Ernst Robert: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, Tübingen 11. Aufl. 1993, S. 108–112. 12 Vgl. z.B. die Einleitung zur Erzählung Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 659: Cum etenim dux Waladizlaůs secundum potestatem a deo sibi collatam, licet etate adhuc sit iuvenis, moribus tamen et sensibus, qui cani sunt hominis, valde maturus, secundum consilium sibi fidelium ducatus sui gubernacula disponeret, quidam nobiles in terra hac meliora beneficia obtinentes cuncta secundum voluntatem eorum disponere voluerunt.

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Zweitens: Der bösen Seite gegenüber stehen in der Erzählung die Treuen, die Gottesfürchtigen. Außer Vladislavs Brüdern und Bischof Heinrich Zdik sind auch andere Adelige namentlich genannt, die alle ihrem Herren Treue erwiesen – manche durch den Tod oder durch Blutvergießen im Kampf für die patria (fidem erga ducem dominum suum … alii morte, alii autem sanguinis effusione pugnando pro patria ostenderunt). Pro patria und sogar more Catonis kämpft auch Vladislavs Bruder Theobald, als er die Prager Burg verteidigt. Das pugn­ ando pro patria kommt zwar aus der klassischen Literatur, inhaltlich änderte sich aber seine Bedeutung und wurde bei Vinzenz und im 12. Jahrhundert allgemein auf Grund der Rezeption der antiken Literatur zu einem modischen Motiv, das eng mit der Treueerweisung gegenüber dem rechtmäßigen Herrscher verbunden war.13 Das ist im Fall Theobalds noch durch den Hinweis auf Cato den Jüngeren (95–12 v. Chr.) verstärkt, der schon in der spätrömischen und dann mittelalterlichen Literatur als ein typisiertes Beispiel für Standhaftigkeit, Zuverlässigkeit und Treue stand.14 Drittens: Als rechtmäßiger Herrscher versucht Vladislav zunächst den Konflikt zu vermeiden. Er sendet den Bischof von Olmütz, seinen zuverlässigsten Berater, zu Fürst Otto von Olmütz, der daran erinnert werden soll, dass er seine Provinz nur von Vladislavs Gnaden zurückerhalten hat, und der zur Treue gegenüber seinem Wohltäter ermahnt werden soll. Otto missachtet allerdings den Rat des Bischofs more Roboam und schließt sich den Verbrechern an. Schon im Bericht über das Jahr 1141 tritt Otto auf. Während andere Quellen über die Flucht Vladislavs, des Sohnes Sobělavs I., nach Ungarn bzw. über das Hochwasser in Prag oder über den Kreuzzug nach Preußen, an dem auch Heinrich Zdik teilnahm, berichten,15 ist in der Chronik von Vinzenz zu lesen, wie der neue Herzog Vladislav, von Heinrich Zdik beraten, den Fürsten Otto aus dem Exil zurückruft und ihm Olmütz überlässt. Ottos Vater hatte nämlich seine Provinz

13 Eichenberger, Thomas: Patria. Studien zur Bedeutung des Wortes im Mittelalter (6.– 12. Jahrhundert) Sigmaringen 1991, S. 246. 14 Cato Uticensis war im Mittelalter nicht nur als eine der Hauptpersonen des berühmten Epos Pharsalia von Lucanus bekannt, sondern z.B. auch aus der spätantiken Exempelsammlung Facta et dicta memorabilia von Valerius Maximus, vgl. Conte, Gian Biagio: Latin Literatury. A History, Baltimore/London 1999, S. 381 f. 15 Annales Gradicenses (wie Anm. 8), S. 651; Canonici Wyssegradensis continuatio (wie Anm. 8), S. 147 f.; Monachi Sazaviensis continuatio (wie Anm. 8), S. 158.

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sowie sein Leben im Kampf gegen Soběslav I. 1126 verloren.16 Es folgt eine Laudatio an Heinrich Zdik, indem diejenigen seiner Taten aufgezählt werden, die über seine Frömmigkeit und Weisheit Zeugnis ablegen. Das Jahr 1141 baut Vinzenz also als ein Vorspiel auf, das beide Seiten noch klarer charakterisieren soll. Indem Otto 1142 nicht auf den Rat Zdiks hörte, der zuvor als ein weiser Berater sowie Ottos Fürsprecher dargestellt worden war, wird Ottos Undankbarkeit und durch den biblischen Hinweis auf Rehabeam auch seine Dummheit vorgeführt.17 Viertens: Vinzenz’ Erzählung erreicht ihren Höhenpunkt in der Schlacht bei Vysoká, die er bellum plusquam civile nennt. Der Hinweis auf Isidors Etymolo­ giae hebt den verbrecherischen Charakter des Kampfes hervor, in dem sich nicht nur Bürger, sondern auch Verwandte gegenseitig bekämpfen.18 Da Vladislav ein von Gott auserwählter Herrscher ist, versucht Vinzenz mit Hilfe biblischer Bezüge zu erklären, warum Vladislav das Schlachtfeld verlassen musste und seine Treuen „wie Weizen durchsiebte“ (cribravit sibi fideles sicut triticum). Wie Jesus von allen verlassen, hat Vladislav nicht nur gegen die offensichtlichen Feinde und hochmütigen Verwandten, sondern auch gegen die Verräter aus den eigenen Reihen zu kämpfen.19 Vladislav ist also durch Verrat gezwungen, die Flucht zu ergreifen. Dabei verhält er sich zusammen mit dem Rest seiner Anhänger äußerst tapfer – wie Löwen sollen sie sich durch die Reihen des Feindes geschlagen haben und nach Prag zurückgekehrt sein. Alles in allem sind die Rollen in der ganzen Episode von Anfang an schwarzweiß verteilt. Vladislav verteidigt seine von Gottes Gnade festgelegte Stellung, während die Rebellen Verbrecher sind, die das Recht und Gottes Willen missachten. Die Angaben seiner Quellenvorlage deutet Vinzenz u.a. mit Hilfe biblischer Bezüge um und gibt dadurch seinem Leser auf eine feine Art und Weise 16 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 659. 17 Die Dummheit Rehabeams, der statt auf die alten Berater seines Vaters Salomo zu hören, den Rat junger und unerfahrener Männer bevorzugte, führte zum Erlöschen des Königtums Israel, vgl. 3. Reg. 12, 1–17. Die Dummheit Ottos (und Heinrich Zdik nimmt hier die Stelle der Berater von Salomo ein) verursachte den späteren Krieg. 18 ISID. Etym. 18, 1, 4: Plusquam civile bellum est, ubi non solum cives belli certant sed et cognati. 19 Es geht u.a. um die Anspielung auf die Worte Jesu aus Luc. 22, 31: ecce Satanas expetivit vos, ut cribraret sicut triticum, mit denen er den Verrat des Judas, die Verleugnung des Petrus und die Flucht seiner Jünger ankündigt, die Vinzenz auf die vermeintlichen Anhänger Vladislavs bezieht.

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vor, was er zu denken hat, noch bevor er erfahren kann, was geschehen ist. Mit den biblischen Anspielungen geht er sicher um und bewegt sich in einem Raum, der für sein Publikum verständlich und darüber hinaus autoritativ ist.20 Dass die Geschichte über den Aufstand eine gewisse Funktion im ersten Teil der Chronik hat, kommt durch die Analyse der anderen Berichte aus den 1140er Jahren sowie deren Vergleich mit anderen zeitgenössischen Quellen zum Ausdruck. Abgesehen vom Jahr 1140, dem Anfang der Chronik, der sich aus der Wahl Vladislavs zum böhmischen Herzog ergibt, und vom Jahr 1141, das schon oben erwähnt wurde, kommen noch Berichte über die Jahre 1143–1146 in Frage. Vinzenz wählt aus seiner Quelle, den verlorenen Prager Annalen, ausschließlich die mit dem Aufstand im Jahr 1142 zusammenhängenden Berichte aus – oder diejenigen, die er zu einem solchen Zusammenhang umdeuten kann.21 Zum Jahr 1143 erwähnt er im Gegensatz zu den anderen Quellen nur Vladislavs Feldzug nach Mähren, bei dem alle Provinzen nacheinander verwüstet wurden, und erinnert ausdrücklich daran, dass Vladislav dabei das ihm im Vorjahr zugefügte Unrecht im Sinne hatte.22 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Bericht der Annales Gradi­ censes zum Jahr 1145: Der vorher für seine Undankbarkeit von Vinzenz kritisierte Fürst Otto von Olmütz soll letztendlich zur Vernunft gekommen und rechtmäßig auf die Seite des böhmischen Herzogs übergelaufen sein.23 Ein ähnlicher Bericht ist nämlich auch bei Vinzenz zu finden, allerdings noch auf das 20 Es wurden nur ein paar Beispiele der intertextuellen Arbeit von Vinzenz gezeigt, in der ganzen Episode fand ich insgesamt acht Anspielungen auf biblische Zitate (Dan. 13,5; Ps. 15,4; Ps. 13,3 oder 35,2 oder Rom. 3,18; Soph. 1,14–15; Luc. 22,31; Ps. 74; Matth. 26,24; 1 Macc. 6,39; Ps. 75,6), zwei auf mittelalterliche Autoren (ISID. Etym. 18, 1, 4; HIER. Adv. Vigil. 1, 16) und eine aus der klassischen Literatur (Aen. 4, 174), wobei es sich bei Letzterer eher um ein im Mittelalter verbreitetes geflügeltes Sprichwort als um ein bewusstes Zitat handelt. 21 Zum detaillierten Vergleich von Vinzenz’ Chronik mit den Berichten anderer Quellen, aus dem sich die verlorenen Prager Annalen rekonstruieren lassen, vgl. Kernbach: Vincenciova a Jarlochova kronika (wie Anm. 7), S. 106–115; zu den zu vergleichenden Quellen vgl. Monachi Sazaviensis continuatio (wie Anm. 8), S. 159; Annales Gradicenses (wie Anm. 8), S. 651 f. 22 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 661: dux Waladizlaus, illate sibi iniurie non inmemor, collectis exercitibus provinciam Conradi Moraviensis eius respondens meritis ingreditur … 23 Annales Gradicenses (wie Anm. 8), S. 652: Otto … reliquens temereitatem fratrum suo­ rum, videlicet Conradi et Vratislai, iure Bohemico duci adesit.

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Jahr 1144 bezogen. Laut diesem soll auch Vratislav von Brünn zusammen mit Otto die Versöhnung mit dem Herzog von Böhmen gesucht haben.24 Um zu verstehen, worum es Vinzenz hierbei geht, müssen noch andere Stellen aus der Chronik berücksichtigt werden. Die erste betrifft die Genugtuung, die die besiegten Mailänder 1158 dem Kaiser zu leisten hatten. Zwölf Konsuln der Stadt sollen barfuß in einer Prozession vor den thronenden Kaiser getreten sein. Dabei trugen sie ihre blanken Schwerter über ihren Nacken und einer von ihnen sprach: „Peccavimus, inique egimus, veniam petimus. Colla nostra, que ditioni et gladiis vestris subdimus …“ Danach nahm der Kaiser die Schwerter entgegen und nahm die Mailänder wieder in seine Huld auf.25 Bei der nächsten Unterwerfung der Stadt Mailand im Jahre 1162 (Vinzenz zufolge 1163) in Lodi soll u.a. wieder ein barfüßiger Vertreter der Stadt zum Kaiser gesprochen haben: „Peccavimus, iniuste egimus, inique fecimus, quod con­ tra Romanorum imperatorem, dominum nostrum naturalem, arma movimus, cul­ pam nostram recognoscimus, veniam petimus, colla nostra imperiali maiestati vestrę subdimus.“26 Und dazu kommt noch eine ähnliche Situation: Zum Jahr 1158 (richtig 1157) erzählt Vinzenz vom Feldzug Barbarossas gegen den polnischen Herzog Bolesław und seinen jüngeren Bruder Mieszko von Masovien, die ihren Halbbruder und Seniorherzog Władyslaw aus Polen vertrieben hatten. Als Vermittler tritt ihr Verwandter, der böhmische Herzog Vladislav II. hervor. Der Kaiser entscheidet: „Dux eorum discaltiatis pedibus nudum super se ferens gladi­ um, in conspectu domini imperatoris publice veniens se peccasse confiteatur.“ Der Herzog von Polen leistet dem Kaiser diese Genugtuung noch vor Ort: „Dux Polo­ nie cum suis discalciatus pedibus nudum supra se ferens gladium duce Boemie ei securitatem prebente coram progreditur. Inperiali maiestati presentatur, se contra imperialem dignitatem male fecisse confitetur.“27 24 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 661: princeps Otto una cum fratre suo Wra­ tizlao sese contra dominum suum ducem inique egisse recognoscentes, relicta temeritate Conradi, fratris sui, per interventum domini Henrici, Moraviensis episcopi, gratiam ducis Waladizlai colla sua eburnea gladio suo submittentes acquirunt et provincias suas, licet devastatas, habere permittuntur. Die ähnliche Formulierung relicta temeritati Conradi, fratris sui und reliquens temeritatem fratrum suorum der Annales Gradicenses entstammt der gemeinsamen Vorlage. 25 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 675. 26 Ebd., S. 680. 27 Ebd., S. 666 f.

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Vinzenz beschreibt in allen erwähnten Fällen ein öffentliches und nach vorangehenden Verhandlungen der Konfliktparteien inszeniertes Versöhnungsritual. Diejenigen, die sich durch den ungerechten Kampf gegen ihren natürlichen Herrn, dem sie Gehorsam schulden, empört haben, leisten eine Genugtuung, die dessen verletzte Ehre wiederherstellt. Durch die öffentliche Unterwerfung vor dem Herrscher erlangen sie seine Huld zurück. Die zuvor gestörte gottgewollte gesellschaftliche Ordnung wird damit wiederhergestellt und als von allen akzeptiert zur Schau gestellt.28 Vinzenz bedient sich jeweils einer ziemlich schematischen Beschreibung: Die Schuldigen erscheinen vor dem Kaiser, sind barfuß, haben einen Fürsprecher, müssen öffentlich bekennen, dass sie gegen ihren Herrn unbillig und gegen das Recht gehandelt haben und bitten um die Aufnahme in seine Huld. Eine besondere Rolle kommt noch den Schwertern zu, die sie zuerst über ihren Nacken tragen und danach vor den Kaiser bringen oder ihm überreichen. Da das Ritual der Genugtuung (satisfactio) aus Unterwerfung unter die Macht des beleidigten Herrn (deditio) besteht, symbolisiert das Schwert die Strafe, die sich der Schuldige sonst verdient hätte.29 Der versöhnte Herrscher fällt ein Urteil und nimmt die Schuldigen in seine Huld auf, genauer gesagt, ist der Herrscher dazu verpflichtet, die Bitte der Schuldigen positiv aufzunehmen, da die Spielregeln im Voraus vereinbart worden sind, wobei der Vermittler oder Fürsprecher (mediator) eine wichtige Rolle spielt.30 In Vinzenz’ Schilderung erfolgt die Bitte jeweils in der Form des Sündenbekenntnisses. Die Schuldigen müssen öffentlich bekennen, dass sie gesündigt, dass sie unbillig und frevelhaft oder ähnlich gehandelt haben. Die literarische Vorlage ist in diesem Fall das Alte Testament. Als König Salomo den Tempel in Jerusalem fertiggestellt hatte, betete er, Gott möge sein Volk erhören. Falls das Volk gegen Gott sündigen werde, werde ihm sein Gott verzeihen, wenn es mit folgenden Worten um Erbarmen bitte: peccavimus, inique egimus, impie gessi­

28 Dazu vgl. Görich, Knut: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001, S. 192 und 204. 29 Schreiner, Klaus: „Nudis pedibus“. Barfüßigkeit als religiöses und politisches Ritual, in: Althoff, Gerd (Hg.): Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 51), Stuttgart 2001, S. 53–124, hier S. 111–115. 30 Althoff, Gerd: Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997, S. 240 f.; auf den verpflichtenden Charakter der Bitte weist hin: Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas (wie Anm. 28), S. 44–48.

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mus.31 Das tat später auch der Prophet Daniel, als er fastend Gott um Erbarmen für viele Sünden des Volks Israel bat. In seinem langen Schuldbekenntnis finden sich auch folgende Worte: peccavimus, inique fecimus, impie egimus.32 Vielsagend ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass die Wörter inique fecimus aus dem Bericht zum Jahr 1163 in der Strahover Handschrift durch die Abkürzung i. f. wiedergegeben sind; der Schreiber muss sich also sicher gewesen sein, dass seine Leser die Abkürzung auch richtig würden deuten können – was gerade bei den biblischen Zitaten oft der Fall ist.33 Vinzenz’ Darstellung des Versöhnungsrituals hat auf diese Art und Weise ihre Parallele in der kirchlichen Praxis, d.h. im Sakrament der Versöhnung mit Gott und der Kirche für die begangene Sünde, das aus Sündenbekenntnis, Genugtuung und Buße besteht.34 Die Parallele, die dem Ritual eine transzendentale Dimension verleiht, liegt auf der Hand: Dem Herrn (Gott) schulden seine Untertanen (sein Volk) Gehorsam und Ehre. Die Gehorsams- und Ehrverletzung ist eine Sünde, der Strafe und das Bitten um Erbarmen folgen. Der Herr ist barmherzig und erhört die Bitten, falls sie aufrichtig sind. Damit sie als aufrichtig angesehen werden können, müssen das Sündenbekenntnis und die danach folgende Versöhnung eine bestimmte Form haben. Im gegenteiligen Fall ist der Herrscher sogar gezwungen einzugreifen, um die Dinge wieder in die richtige (gottgewollte) Ordnung zu bringen.35 Aus diesem Grund berichtet Vinzenz über Vladislavs Feldzug nach Mähren 1143, mit dem dieser sich für das im vorherigen Jahr erlittene Unrecht rächen und die Schuldigen zur Vernunft bringen will. Das tritt in Vinzenz’ Schilderung auch tatsächlich im Jahr 1144 ein: Die Fürsten von Olmütz und Brünn versöhnen sich mit dem böhmischen Herzog und gewinnen seine Huld wie ihre Provinzen zurück.

31 Vgl. 3. Reg. 8, die zitierte Stelle vgl. 3. Reg. 8, 47. 32 Vgl. Dan. 9, die zitierte Stelle Dan 9,5; in ähnlichem Zusammenhang befindet sich das Bekenntnis noch bei Bar. 2, 12 33 Vgl. Hs DF III 1 (wie Anm. 4), Fol. 85r. 34 Althoff, Gerd: Inszenierte Herrschaft. Geschichtsschreibung und politisches Handeln im Mittelalter, Darmstadt 2003, S. 281 f.; auf einen Zusammenhang des Versöhnungsrituals mit der kirchlichen Praxis machte auch aufmerksam: Becher, Matthias: „Cum lacrimis et gemitu“. Vom Weinen der Sieger und Besiegten im frühen und hohen Mittelalter, in: Althoff, Gerd (Hg.): Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 51), Stuttgart 2001, S. 25–52, hier 33 f. 35 Den gesellschaftlichen Zwang zur Rache nach der Ehrverletzung betont Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas (wie Anm. 28), S. 222–226.

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Ob es sich um eine tatsächliche (Selbst-)Repräsentation Vladislavs beim Versöhnungsritual 1144 mit seinen mährischen Cousins oder um ein literarisches Spiel des Prager Kanonikers aus der späteren Perspektive eines Augenzeugen der Versöhnungsrituale am Hofe Barbarossas handelt, sei dahingestellt. Gerade weil dieser Konflikt genau auf diese Art und Weise beendet werden musste, ist es offensichtlich, dass Vinzenz die Auseinandersetzung bzw. ihre Beendigung auf die gleiche Ebene stellt, wie die Konflikte zwischen Kaiser Friedrich I. und seinen Untertanen. Der Unterschied zwischen beiden besteht nur in der Narration. In Vladislavs Fall wird der Ungehorsam und die Unbilligkeit der Rebellen – die Erzählung über den Aufstand im Jahr 1142 im Vergleich zu den Berichten über den Feldzug nach Mähren im Jahr 1143 und das Versöhnungsritual im Jahr 1144 – in den Vordergrund gestellt, während sich Vinzenz im Fall Barbarossas auf die Bestrafung der Ungehorsamen konzentriert, wie die detailreiche Schilderung der italienischen Feldzüge des Staufers und der Konfliktlösung durch das Versöhnungsritual zeigt. Dass diese Erzählungslinie Vinzenz wichtig war, belegen darüber hinaus die weiteren Berichte zu den Jahren 1145 und 1146, die er ebenso in den Zusammenhang mit dem Aufstand des Jahres 1142 stellt. Es blieb noch ein – Vinzenz zufolge – nicht versöhnter Verbrecher übrig: Konrad von Znaim, dessen Übeltaten 1145 ihren Höhenpunkt durch den Angriff auf den Bischof von Olmütz erreicht haben sollen. Die mährischen Annales Gradicenses beschreiben das Ereignis folgendermaßen: Heinrich Zdik machte sich zusammen mit Fürst Otto von Olmütz auf den Weg nach Rom. An der Grenze wurden sie aber von den Kriegern Konrads von Znaim sowie Vratislavs von Brünn überfallen und beraubt. Den Annalisten zufolge wollten die Angreifer den Bischof ohne Zweifel töten. Es gelang ihnen aber nicht, sie wurden dafür sogar vom Papst exkommuniziert.36 Vinzenz arbeitet diese Tatsachen in eine spannende und auf den ersten Blick detailreiche Erzählung ein:37 Heinrich Zdik macht sich mit Fürst Otto von Olmütz auf den Weg zur Wallfahrt nach Rom. An der Landesgrenze treffen sie sich mit Konrad von Znaim, der sich beim Bischof über die Versöhnungsbedingungen mit dem böhmischen Herzog erkundigt haben soll. Vinzenz entlarvt allerdings Konrads wahre Absichten schon von Anfang an: Konrad soll den Frieden und 36 Annales Gradicenses (wie Anm. 8), S. 652. 37 Zur ganzen Episode vgl. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 661 f.

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die Freundschaft nur vorgetäuscht haben (simulata pace et amititia), um den Bischof zu überlisten (eum dulcissima allocutione circumveniens). Nach dem Sonnenuntergang bricht Konrad mit seinen Komplizen auf, um seinen Bischof zu töten oder gefangen zu nehmen. Vinzenz schildert danach sehr ausführlich, wie der Bischof mit Gottes Hilfe entkommt, wo er sich versteckt, wie er dabei gekleidet ist und wie er durch Zufall von einem seiner Bauern über die Landesgrenze nach Böhmen begleitet wird. Vinzenz konstruierte wieder eine Schwarz-Weiß-Erzählung: die Verbrecher, d.h. Konrad und seine Komplizen, begehen nur Übeltaten, der gute Hirt Zdik leidet Unrecht, entflieht aber geschützt durch einen Engel Gottes und findet beim guten Herzog von Böhmen Schutz und Trost. Auffällig ist einerseits die sehr detailreiche Erzählung und andererseits das Auslassen anderer wichtiger Tatsachen.38 Dem Leser ist beispielsweise nicht ganz klar, warum Zdik eigentlich überfallen wird und wohin Otto von Olmütz verschwunden ist. Darüber hinaus befand sich unter den nicht namentlich genannten Komplizen den Annales Gra­ dicenses zufolge zumindest noch Vratislav von Brünn. Und damit nicht genug. In einer Handschrift böhmischer Provenienz, die in Teilen aus dem späten 12. Jahrhundert stammt, sind sechs vom Papst an die Bischöfe von Prag und Olmütz sowie an den böhmischen Herzog entsandte Briefe abgeschrieben.39 In einem von ihnen sind alle aufgezählt, die des Überfalles schuldig waren. Unter ihnen befinden sich nicht nur Konrad von Znaim und Vratislav von Brünn, sondern u.a. auch der zweite Cato, Theobald, Vladislavs Bruder.40 In einem anderen Brief aus dem Jahr 1146 teilt Eugen III. dem Bischof von Olmütz mit, dass die Exkommunikation Theobalds aufgehoben worden sei, weil er persönlich nach Rom gekommen sei und sein Vergehen wiedergutgemacht habe. Außerdem 38 Zdik soll sich z.B. nur in Nachtwäsche und mit einem Pelz bekleidet durch einen Sprung über den Zaun in den Schnee gerettet und sich anschließend in einem Busch versteckt haben. Dabei sollen die Pferde der Angreifer auf seine Hände getreten und das heiße Harz aus deren Fackeln auf ihn getropft sein (equis brachia ejus calcantes et ardentes carbones super eum de facibus excutientes eum angelo domini bono caelitus protegente in dumetis videre non potuerunt), vgl. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 662. 39 Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod. 2178,ff. 174v–176r. 40 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae I (wie Anm. 4), S. 146 f., N. 143: Con­ radum, Wratizlaum, Depaldum, Micul, Jurata, Domazlaum, Slauebor, Vgonem, Cuno, Roduik, Bohdan … excommunicationis vinculo innodavimus et ab omnium fidelium con­ sorcio sequestravimus.

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erteilte der Papst dem Bischof von Olmütz die Vollmacht, Vratislavs Exkommunikation aufzuheben, da dieser wegen seiner Krankheit nicht imstande sei, nach Rom zu kommen.41 Auch Vinzenz berichtet zum Jahr 1146 über die nach der Straftat verhängte Exkommunikation, allerdings nur im Fall Konrads. Heinrich Zdik soll persönlich vor dem Papst Anklage erhoben und die Dokumente nach Böhmen mitgebracht haben, durch die die Exkommunikation Konrads und seiner Komplizen in Prag verkündet worden sei. Daraufhin bricht Vladislav von Böhmen mit seinen Truppen nach Znaim auf. Er verwüstet die ganze Provinz, belagert die Burg Znaim und lässt die um Gnade bittenden Burgbewohner an Leib und Besitz unverletzt abziehen. Konrad entflieht zum deutschen König Konrad III., auf dessen Bitten er seine Provinz von Vladislav zurückerhält.42 Damit findet der 1142 begonnene Konflikt in Vinzenz’ Schilderung sein Ende. Dessen Hintergrund muss allerdings breiter gewesen sein, als Vinzenz seine Leser mehr als 20 Jahre später glauben machen will. Zumindest der Überfall auf den Bischof von Olmütz 1145 hing wahrscheinlich eher mit seiner Unterstützung für das päpstliche Reformprogramm zusammen, das der päpstliche Legat Kardinal Guido 1143 in Böhmen durchzusetzen versuchte.43 Einen Zusammenhang verrät schon die Zusammenstellung der im erwähnten Wiener Kodex abgeschriebenen Papstbriefe nach Böhmen, die die Exkommunikation der Schuldigen am Überfall und die Tätigkeit des Kardinals Guido in Böhmen betreffen.44 Außerdem erfahren wir aus dem Brief Guidos an den Papst, dass er erst nach 41 Ebd., S. 147 f., N. 146: Theobaldum, fratrem … Boemorum ducis, qui personam tuam … invasit, cum quibusdam sociis suis recepimus et … absolvi fecimus … Vratislaum vero, pro hac eadem offensa excommunicatum, quoniam valida infirmitate detentus … venire non potest, discretioni tuę commitimus. 42 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 662. 43 Zur Tätigkeit des Legaten in Böhmen vgl. dessen Brief an den Papst im Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae I (wie Anm. 4), S. 136–138, N. 135; Vinzenz lässt den Bericht über die Visitation des Legaten in Böhmen im Jahr 1143 aus seiner Vorlage weg. 44 Zu den Zuständen in Böhmen nach Guidos Visitation vgl. Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae I (wie Anm. 4), S. 148 f., N. 146 und S. 149 f., N. 147; auf einen Zusammenhang machte schon aufmerksam Hilsch, Peter: Die Bischöfe von Prag in der frühen Stauferzeit. Ihre Stellung zwischen Reichs- und Landesgewalt von Daniel I. (1148– 1167 bis Heinrich 1182–1197) München 1969, S. 47 f.; unter den Exkommunizierten befanden sich wahrscheinlich auch die ehemaligen Pröpste von Prag und Vyšehrad, die der Kardinal Guido 1143 abgesetzt hatte.

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dem Aufstand 1142 nach Böhmen kam und die mährischen Fürsten persönlich mit Vladislav versöhnte, und zwar auch Konrad!45 Vinzenz verbindet offensichtlich zwei unterschiedliche Ereignisse miteinander, sei es absichtlich oder aus Versehen. Theobald ist in seiner Erzählungslinie immer noch ein treuer Cato, der für seinen Herzog kämpft, Konrad von Znaim bleibt als Einziger bis zum Jahr 1146 mit dem böhmischen Herzog unversöhnt, obwohl er mit Vladislav schon durch Kardinal Guido eine Rekonziliation erlangt hatte. Zweifelsohne bleibt er allerdings bis zum Feldzug Vladislavs nach Znaim 1146 für seine Beteiligung am Überfall auf Bischof Zdik exkommuniziert, denn er leistete im Gegensatz zu Theobald und Vratislav von Brünn – diesmal im rein kirchlichen Sinne – noch keine Genugtuung. Vinzenz’ Darstellungsabsicht führt den Leser in eine andere Richtung. Er stellt nicht das in seiner Zeit längst auch durch Zdiks Unterstützung reformierte Prager Kapitel und die damit verbundenen Änderungen in der böhmischen und mährischen Kirche in den Mittelpunkt, sondern den böhmischen Herzog Vladislav sowie dessen gerechten, mit Gottes Hilfe geführten Kampf gegen den bewaffneten Widerstand. Durch die Verbindung beider Ereignisse – des Aufstands 1142 und des Überfalls auf Bischof Zdik 1145 – sowie deren Konsequenzen wird Vladislavs Bild als gerechter Herrscher und Wächter über die gottgewollte politische und gesellschaftliche Ordnung hervorgehoben. Vinzenz verhilft seinem Text durch unterschiedliche Methoden zur Glaubwürdigkeit. Seine Erzählung kann zu dieser Zeit noch nicht auf seiner Augenzeugenschaft fußen, deswegen bedient er sich einer literarischen, von Literaturwissenschaftlern effet du réel genannten Methode, die den Leser mit möglichst reichen Details überflutet. Damit wird der Eindruck erweckt, dass sich die Ereignisse fast wie von selbst und unabhängig vom Erzähler vor den Augen des Lesers abspielen.46 Genau das tut auch Vinzenz: Er schreibt über das aus den Fackeln 45 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae I (wie Anm. 4), S. 137, N. 135: Pragam venimus et ibi Morauiensibus, videlicet Wratizlao et Cunrado et Ottoni graciam ducis adqui­ simus; zum Kardinallegaten in Böhmen vgl. Novotný, Václav: K pobytu kardinála Guida v českých zemích r. 1143, in: Český časopis historický 25 (1919), S. 198–212; Spätling, Luchesius: Kardinal Guido und seine Legation in Böhmen-Mähren (1142–1146), in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 66 (1958), S. 306–330. 46 Dazu ausführlich Thürlemann, Felix: Der historische Diskurs bei Gregor von Tours. Topoi und Wirklichkeit, Bern 1974, S. 26 f.; Auerbach, Erich: Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, Bern 8. Aufl. 1988, S. 87 f.

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hinabtropfende heiße Harz und lenkt so die Aufmerksamkeit von der Logik der Erzählung weg. Seine Darstellungsabsicht entscheidet außerdem darüber, welche Ereignisse er überhaupt in sein Werk aufnimmt, die er darüber hinaus reichlich mit Hilfe von Verweisen auf die Bibel sowie auf die anderen für das Mittelalter autoritativen Texte und die daraus resultierende Typologie umdeutet und dadurch mit entsprechendem Sinn erfüllt. Auf diese Weise pflegte Vinzenz alle wichtigen Ereignisse der Jahre 1140–1146, die er zu diesem Zweck aus seiner schriftlichen Vorlage auswählt, auf die Erzählung über den Aufstand im Jahr 1142 zu beziehen. In den von Vinzenz nacherzählten Geschichten dieser Jahre erscheint Vladislav als ein Herrscher, der seine Macht von Gottes Gnade und Auftrag ableitet. Die gegen ihn Rebellierenden handeln dagegen nicht nur gegen ihren Herrn, dem sie Gehorsam schulden, sondern indirekt auch gegen Gott, der über dieser gesellschaftlichen Pyramide steht. Solchen strafwürdigen Hochmut kann und darf ein pflichtbewusster Herrscher nicht hinnehmen; deswegen bekämpft und bestraft er die Unruhestifter, die einer nach dem anderen ihre Sünde bekennen und sich mit Vladislav versöhnen. Aus dem Streit geht ein einziger Sieger hervor – Vladislav. Tatsächlich erwartet der Leser auch nichts anderes, weil ihm das Ergebnis mit Hilfe der literarischen Mittel und der Auswahl der Berichtsinhalte von Anfang bis Ende suggeriert wird. Diese Linie wird von Vinzenz auch im zweiten Teil der Chronik fortgesetzt, zu dessen spannendsten Abschnitten zweifelsohne die Schilderung des Feldzugs Friedrich Barbarossas nach Italien 1158–1160 gehört. Der böhmische Herrscher, der im Jahre 1158 vom Kaiser zum König gekrönt wurde, wird in Vinzenz’ Augen zunächst zur Hauptfigur der Expedition gegen Mailand, verschwindet allerdings in dem Augenblick, als er mit Ruhm und Ehre aus Barbarossas Heer entlassen wird, um Vinzenz’ darauffolgenden Erlebnissen der kommenden zwei Jahre im Dienst Bischof Daniels von Prag auf italienischem Boden Platz machen zu können. Vinzenz lässt jedoch Vladislav immer wieder in königlichem Glanz erscheinen, und zwar hauptsächlich im Zusammenhang mit der Schilderung der Feldzüge des böhmischen Königs nach Italien 1158 und 1164 nach Ungarn. Deswegen sollen im Folgenden die Hauptlinien dieser Erzählstruktur vorgestellt werden.47 47 Hierzu beziehe ich mich auf meine frühere ausführliche Analyse des Textes, vgl. Kernbach: Vincenciova a Jarlochova kronika (wie Anm. 7), S. 118–155.

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Die Geschichte des böhmischen Königs lässt Vinzenz am 11. Januar 1158 auf einem Hoftag in Regensburg beginnen, auf dem angeblich eine frühere Vereinbarung zwischen Vladislav und dem Kaiser ans Licht kommt. Vladislav wird vom Kaiser für seinen treuen Dienst feierlich zum König gekrönt; dafür sieht er sich zu einer Gegenleistung verpflichtet, weswegen er dem Kaiser verspricht, persönlich gegen Mailand zu Hilfe zu kommen.48 Damit soll öffentlich gemacht worden sein, was Vinzenz zum Jahr 1157 (richtig 1156) über den Hoftag in Würzburg, auf dem der Kaiser seine Hochzeit mit Beatrix von Burgund feierte, im Voraus offenlegt. Hier sei dem böhmischen Herzog in einer geheimen Vereinbarung zwischen dem Kaiser, dem Bischof von Prag und Vladislavs Kanzler Gervasius die Königskrone für seine Hilfe gegen Mailand in Aussicht gestellt worden.49 Aus Regensburg nach Böhmen gekommen teilt Vladislav auf einer von ihm dazu in Prag einberufenen Versammlung seinen Großen den Entschluss mit, gegen Mailand ziehen zu wollen. Die Älteren der Großen missbilligen jedoch, dass er ohne ihre Zustimmung darüber entschieden hat, und beschuldigen zugleich Bischof Daniel der Intrige. Vladislav reagiert mit einer pathetischen Rede, in der er die Tapferkeit derjenigen bezweifelt, die die Teilnahme am Feldzug ablehnen, mit dem er seine Dankbarkeit für die Königskrone gegenüber dem Kaiser zum Ausdruck bringen will und mit dem er zugleich den dazu Bereitwilligen seine (finanzielle) Unterstützung in Aussicht stellt. Daraufhin wollen die Böhmen ihren Mut beweisen und rufen nach dem Kampf gegen Mailand.50 48 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 667 f.: Wladizlaus, dux Boemie, Radisponam ad curiam imperatoris … cum suis venit principibus, ubi quod clanculo agebatur, in publi­ cum producitur. Nam dominus imperator predictum ducem ob fidele eius servicium coram omnibus suis principibus III. Idus Ianuarii regio ornat diademate et de duce regem faciens tanto exornat decore … Rex itaque Wladizlaus tantis se decoratum videns honoribus, quo­ modo tantis eius respondeat honoribus, in propria persona cum suis principibus et forti militia ad obsidendum Mediolanum … se iturum et contra eos, qui colla sua eius imperio subdere nolunt, armis suis se pugnaturum promittit. 49 Ebd., S. 666. 50 Ebd., S. 668: … ad hoc propositum, videlicet versus Mediolanum iter movendum, Boemie baronibus generalis curia Prage celebranda indicitur, in qua dominus voluntatem suam in propria persona ad obsidendum Mediolanum se velle ire omnibus ostendit. Quod quidam nobiles de senioribus Boemie audientes, non bene hoc esse factum dicunt, quod sine eorum consilio tale quid actum est, et eum, cuius hoc actum est consilio, vera dignum cruce refer­ unt hec omnia domino Danieli, Pragensi episcopo, qui ex maxima parte huius rei fabricator extiterat, inponentes et in eum crudeliter sevientes. Rex hoc eos domino episcopo eorum

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Die Vorbereitungen zum italienischen Feldzug erinnern stark an eine andere Entscheidung König Vladislavs, über die Vinzenz zum Jahr 1164 berichtet. Die ungarische Königin bittet den böhmischen König um die Unterstützung ihres Sohnes Stephan III., des neuen Königs von Ungarn. Vladislav sagt ihr seine Hilfe zu und festigt die guten Beziehungen zwischen ihnen durch die Hochzeit seines Sohnes Svatopluk mit einer ungarischen Prinzessin, deren Schwester Elisabeth schon früher mit Vladislavs ältestem Sohn Friedrich verheiratet wurde. Die Gelegenheit, sein Versprechen einzulösen, bekommt Vladislav bald darauf, denn ein Onkel Stephans unternimmt mit Hilfe des byzantinischen Kaisers einen Kriegszug nach Ungarn. Die Königin bittet um Hilfe, die Vladislav ihr umgehend zusagt. Dazu beruft er wieder eine Versammlung nach Prag ein, auf der er seinen Großen diesen Entschluss mitteilt. Manche von ihnen wenden aber ein, sie hätten noch nicht gehört, dass der böhmische König den ungarischen einzusetzen hat – oder der ungarische den böhmischen. Vladislav erwidert mit einer Rede, in der er die Gründe für den Feldzug erhellt und zugleich mit fast denselben Worten wie vor dem Italienzug die Tapferkeit derjenigen bezweifelt, die zu Hause bleiben wollen. Die Böhmen reagieren mit der Beteuerung, sie würden mit ihrem König bis ans Ende der Welt ziehen.51 Mit diesem Motiv werden beide Feldzüge eingeleitet, an denen Vladislav als König persönlich teilnahm. Da auch Vinzenz am ersten Feldzug beteiligt war, hatte er genug Erzählstoff für einen ausführlichen Bericht. Die Erzählung, vor allem die Schilderung der konkreten Kampfsituationen vor Mailand, gliederte er in mehrere abgeschlossene Episoden, wobei in den meisten von ihnen die besonderen Kriegstaten des böhmischen Königs und dessen tapferer Krieger

obicere considerans: ‚Nullius,‘ inquid, ‚consilio hoc domino imperatori promisi, sed sic eius honoribus mihi ab eo inpensis propria voluntate respondeo. Qui me in hoc negotio iuvare intendit, hunc honore debito et pecunia ad hec necessaria, ut decet, exorno; qui vero negli­ git, mulierum ludis contentus et ocio, mea pace securus propria sedeat in domo.‘ Hec a rege suo Boemi audientes, contra Mediolanum seviunt in arma et maxime nobilium ad hoc stren­ nua fremit iuventus. 51 Ebd., S. 681: Quidam etenim nobiles dicebant a seculo se non audivisse, quod rex Boemie regem constituat in Ungaria, nec quod rex Ungarie regem constituat in Boemia. Quibus rex respondit: ‚Regem in Ungaria constituere non intendo, sed regem constitutum contra eius hostes iuvare volo. Qui me ad hoc iuvare intendunt, laudo, qui vero negligunt, mulierum ludis et ocio intendant feliciter.‘ Hec a rege suo Boemi audientes, quocunque voluerit, etiam ultra Sauromatas se cum eo esse paratos refferunt.

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behandelt werden. Zu den berühmtesten gehören zweifelsohne die folgenden: Der Übergang des böhmischen Heeres über den Fluss Adda mit Vladislav an der Spitze, als alle Brücken vom Hochwasser mitgerissen wurden, und die darauffolgende Niederlage der auf dem anderen Ufer befindlichen Mailänder;52 die Reparatur einer anderen Brücke, die sogar zweimal durchbricht, so dass viele Böhmen und Ungarn in den Wellen sterben, und die Tapferkeit des Bischofs von Prag, der sich allen Gefahren zum Trotz auf die gefährliche Brücke begibt, um den Bedürftigen Trost zu spenden;53 die durch den böhmischen König angeführte erfolgreiche Rettungsaktion der von den Mailändern bedrohten Truppe, die beim Stadttor des heiligen Dionysius ihr Lager hatte, unter der Führung des rheinischen Pfalzgrafen Konrad, Barbarossas Halbbruder (Vinzenz nennt ihn irrtümlich Ludwig).54 Die durch die Belagerung erschöpften Mailänder setzen sich letzten Endes mit dem böhmischen König in Verbindung, um mit dessen Hilfe die verlorene Huld des Kaisers zurückzuerlangen. Auf diese Art und Weise kommt es zu einer Vereinbarung, deren Inhalt Vinzenz ziemlich genau wiedergibt. Er soll nämlich als bischöflicher Notar die darüber ausgestellte Urkunde im Auftrag des Kaisers sowie des böhmischen Königs geschrieben haben.55 Vinzenz befasst sich aller52 Ebd.,S. 669: … quos mediis fluctibus sic rotari vidimus, quod nunc ipsi super equos, nunc equi super eos rotari videbantur, tandem deo eos adiuvante incolumes flumen transeunt. Hec dum regi referuntur, … abiciuntur tabule, tympanum bellicum percutitur, armantur milites; ipso rege Waldizlao, strennuo et illustri milite, eos precedente inter medios fluctus precipites suos impellunt dextrarios et sic divina pietate eos conservante tam duros, tam precipites superant fluctus nonnullis tamen militibus ibi naufragio perditis. Sic rex Boemie superatis fluctibus sua forti armata militia suos irruit in hostes. 53 Ebd., S. 670; Vinzenz selber wählte lieber zusammen mit den Pavesen einen Umweg, so dass er einen Tag später zum böhmischen Lager kam, vgl. S. 670 f.: Ego autem Vincentius hoc malum considerans, in tale periculum me praecipitare animum retraho. Quid facto opus sit, in tali negotio cogitans et potius saluti quam audaciae consulens cum Papiensibus … quibus viae et pontes noti erant, ad stationes ducis Karinthiae … me cum familia meorum contubernalium confero … Crastina autem die … cum supradicta familia salvis omnibus rebus nostris existentibus per pontem domini imperatoris secure flumen transivimus, et sic ad stationes domini nostri regis et domini episcopi venimus, ubi multos naufragio et Mla­ dorkam, scutarium episcopi nostri, de stationibus interiisse reperimus. 54 Ebd., S. 672 f.; Vladislav soll sein Heer persönlich gegen den Feind angeführt haben: rex Boemie in suis splendidus armis cum sua forti milia primam militiam Mediolanensem aggre­ ditur. 55 Die Vereinbarung in Vinzenz’ Version ebd., S. 674; zu Vinzenz’ Beteiligung ebd. S. 676:

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dings nicht mit Details der Vereinbarung, sondern mit der Schilderung des Versöhnungsrituals selbst, wie oben schon erwähnt.56 Vladislavs Teilnahme an der Wiederherstellung der kaiserlichen Ehre in Italien geht damit zu Ende. Der böhmische König kehrt in sein Land zurück und verschwindet aus dem Fokus der Chronik, der sich stattdessen auf das Schicksal der Böhmen aus dem Umfeld des Bischofs von Prag richtet. Daniel bleibt auf Barbarossas Wunsch weiter in dessen Dienst, und zwar bis zum Jahr 1160, als er aus Italien heimkehrt.57 Mit dem Italienfeldzug stellt Vinzenz freilich auch andere Berichte der 1150er Jahre in einen gewissen Zusammenhang. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die von Vinzenz getroffene Auswahl denkwürdiger Ereignisse dieser Zeit einen Annäherungsprozess zwischen dem Kaiser und Vladislav illustrieren sollte, an dessen Ende Letzterer als treuer Anhänger des Kaisers in Erscheinung tritt. Als nämlich 1152 (bei Vinzenz fälschlicherweise 1154) der junge Friedrich von Schwaben nach dem Tod seines Onkels Konrad III. zum deutschen König gewählt wird, ist Vladislav davon nicht gerade begeistert. Dem ersten von Barbarossa einberufenen Hoftag in Merseburg bleibt er fern, schickt jedoch zumindest den Bischof von Prag als seinen Vertreter. Daniel hindert Barbarossa im letzten Augenblick daran, das Herzogtum Böhmen für einen hohen Geldbetrag an Oldřich (Ulrich), einen der Söhne Soběslavs I., zu verleihen, und überzeugt diesen sogar zur Rückkehr nach Böhmen.58 Das Jahr 1155 widmet Vinzenz dem weiterem Schicksal der Söhne Soběslavs I.: Oldřich ergreift die Flucht nach Polen, und Vladislav (ein Namensvetter des böhmischen Herzogs) heiratet dank Barbarossas Gunst die Tochter des Markgrafen von Sachsen.59 Zum Jahr 1156 (richtig 1155) schildert Vinzenz ziemlich detailreich den Romzug Barbarossas, der in dessen Kaiserkrönung mündet und an dem auch die Böhmen teilnehmen.60

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… sicut in privilegio imperatoris habebant, quod ego Vincentius ex parte imperatoris et regis Boemiae scripseram, se per omnia facturos promittebant; die volle Fassung der Vereinbarung in Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, ed. Georg Waitz/Bernhard von Simson (Monumenta Germaniae historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum sepaartim editi 46) Hannover/Leipzig 1912, S. 199‒202. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 674 f. Ebd., S. 675‒679. Ebd., S. 666. Ebd., S. 665; zur Identifizierung dieses Vladislav mit dem Sohn Soběslavs I. vgl. Novotný: České dějiny I/2 (wie Anm. 3), S. 852 f., Anm. 2. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 665 f.

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In der darauffolgenden Erzählung über Barbarossas Kriegszug nach Polen 1157 (bei Vinzenz fälschlicherweise 1158) steht Vladislav schon fest auf der Seite des Staufers.61 Rahewin, Kanoniker von Freising und Fortsetzer der Gesta Fri­ derici seines Bischofs Otto von Freising, behauptet sogar, die Krone sei eine Belohnung Barbarossas für Vladislavs Tapferkeit und Treue gewesen, die er dem Kaiser vor allem kürzlich in Polen erwiesen habe.62 Paradoxerweise fand aber der böhmische Herzog in Rahewins Erzählung über den Kriegszug nach Polen selbst keine Erwähnung.63 Vinzenz stellt dagegen den böhmischen Herzog auf der polnischen Expedition in den Mittelpunkt. Die Gestaltung der Versöhnung des polnischen Herzogs mit dem Kaiser, bei dem sich Vladislav als Vermittler auszeichnete, wurde schon oben erwähnt; auffällig dabei ist, dass der Leser in der Geschichte über die Versöhnung des ungehorsamen Herzogs, der die Huld seines Herrn mit der unübersehbaren Hilfe Vladislavs wiedererringt, nicht in Erfahrung bringen kann, was aus dem ursprünglichen Grund zur Expedition, d.h. dem Unrecht, das der vertriebene Herzog erlitten hatte, wurde. Außerdem übergeht Vinzenz im Vergleich zu Rahewin, dass die ausgehandelten Bedingungen, deren Garant Vladislav war, nie in Erfüllung gingen, weil Bolesław angeblich alle Versprechungen brach.64 Auch diese Episode hat in der Chronik ein Vorspiel. Zum Jahr 1149 erwähnt Vinzenz scheinbar ohne Zusammenhang die erfolglosen Bestrebungen Władyslaws, seinen Bruder Bolesław, der durch dessen jüngeren Bruder Mieszko unterstützt wurde, kriegerisch zu bezwingen. Władyslaw sucht nach seiner Flucht aus Polen bei seinem böhmischen Schwager Vladislav und durch dessen Vermittlung beim deutschen König Konrad III. Hilfe – die Ehefrauen beider Herzöge waren Halbschwestern Konrads. Das Ergebnis blieb damals offen: Konrad gibt sich mit dem Versprechen zufrieden, dass Władyslaws Brüder zu einem Hoftag kommen werden, auf dem die Angelegenheit entschieden werden sollte.65 Władyslaw ver61 Ebd., S. 666 f. 62 Rahewin (wie Anm. 55), S. 183: dux Boemorum N., vir ingenio validus, viribus prepollens, consilio, manu audatiaque magnus, cuius antehac industrie, obsequii multa precesserant experimenta, maximeque nuper in expeditione Polunica maxima virtus claruerat, … ab imperatore ac imperii primis ex duce rex creatur. 63 Ebd., S. 168–179. 64 Ebd., S. 170: nec ad curiam venit nec sufficientes pro se procuratorem misit, Italicam quoque expeditionem violato sacramento mentitus est. 65 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 664.

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schwindet jedoch ebenso schnell wie im Jahre 1157 (1158) von der Bühne. Offensichtlich war er aber für Vinzenz’ Erzählungslinie auch zum Jahr 1149 von Bedeutung, was aus den anderen Quellen böhmischer Provenienz herauszulesen ist, denen dieselbe Vorlage wie Vinzenz zur Verfügung stand: Die Geschehnisse um Władyslaw waren für sie nämlich unwichtig. Stattdessen befindet sich in diesen Quellen zum Jahr 1149 der Bericht über die Ordination des neuen Bischofs von Prag, Daniel I. Vinzenz platziert dieses Ereignis schon im Bericht zum Jahr 1148, wodurch er zwei Informationen miteinander verbindet: den Tod von Daniels Vorgänger auf dem Prager Bischofsstuhl sowie die Nachfolge Daniels – die anderen Quellen verteilen beide Tatsachen auf zwei Jahre.66 Damit schafft sich Vinzenz Platz für ein Vorspiel des polnischen Feldzuges 1157, das er, der annalistischen Arbeitsweise verpflichtet, dem Jahr 1149 zuordnet. Anders gesagt: Solange Barbarossa nur ein deutscher König ist, herrscht zwischen ihm und dem böhmischen Herzog gegenseitiges Misstrauen. Das wird durch die Berichte über die Söhne Soběslavs I. unterstrichen, die die Gegner des böhmischen Herzogs im näheren Umfeld Barbarossas zeigen. Unter diesen Umständen tut Vladislav nicht gut daran, den Hoftag Barbarossas zu missachten (ad quam [curiam] ...dux tamquan novelle creature obaudire nolens ire rennuit),67 Friedrich I. lässt sich dagegen wie ein Anfänger (novellus rex) durch Oldřichs Geldzusage verführen und fördert die Stellung von dessen Bruder durch eine entsprechende Heiratspolitik. Die Lage ändert sich mit der Kaiserkrönung Barbarossas, denn bald darauf beginnen die geheimen Verhandlungen, in denen Vladislav für seine Unterstützung des geplanten Feldzugs nach Italien die Königskrone angeboten wird. Die Erzählung zum Jahr 1157, deren Wichtigkeit durch die Vorgeschichte im Jahre 1149 hervorgehoben ist, zeigt Vladislav letztendlich fest auf der Seite des Kaisers als einen der Reichsfürsten, dessen Prestige einen schnellen Aufschwung nimmt. Gänzlich kommt dies dann im Jahre 1158 in Italien zum Ausdruck. Vladislavs zweites Engagement außerhalb der Landesgrenzen, vor dessen Hintergrund Vinzenz die denkwürdigen Taten des böhmischen Königs schildert, ist sein Eingriff in Ungarn und seine Begegnung mit dem byzantinischen Kaiser 66 Ebd., S. 663 f.; Monachi Sazaviensis (wie Anm. 8), S. 159; Annales Pragenses (wie Anm. 8), S. 378. 67 Darauf, dass es sich um eine kaum hinnehmbare Unhöflichkeit handelte, macht aufmerksam Wihoda, Martin: Vladislav Jindřich, Brno 2007, S. 37 f.

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Manuel Komnenos 1164.68 Nachdem Vladislav seine Großen zur Expedition bewegt hat, macht sich das Heer auf den Weg nach Ungarn. Am Königshof wird Vladislav mit größter Freude aufgenommen. Kaiser Manuel, durch Macht und Entschlossenheit des böhmischen Königs verwirrt, schickt Boguta, einen ehemaligen Diener Konrads von Znaim, der seit Längerem in Byzanz lebte, zu Verhandlungen. Im Namen seines byzantinischen Herrn erinnert er Vladislav an die Freundschaft, die zwischen den beiden zur Zeit des (zweiten) Kreuzzuges geschlossen worden war. Der böhmische König lässt ausrichten, zu Hause weiche er nie dem Kampf, im Ausland kümmere er sich dann nur um den Sieg. Manuel ist angeblich so erschrocken, dass er sich hinter die Donau zurückzieht und Friedensverhandlungen aufnimmt. Vladislav schlüpft wieder in die Rolle eines Vermittlers zwischen beiden Seiten. Nachdem der Friede geschlossen worden ist, festigt Vladislav seine Freundschaft mit Manuel durch die Verlobung seiner Enkelin mit Manuels Neffen. Danach wird er reichlich beschenkt. Nachdem er das Verhandlungsergebnis der ungarischen Königin und ihrem Sohn mitgeteilt hatte, wird er wieder äußerst reich beschenkt und kehrt nach Böhmen zurück. Auch die Geschichte des ungarischen Feldzugs hat ein Vor- und Nachspiel, nämlich in den Erzählungen zu den Jahren 1147–1148 bzw. im Jahr 1165. Im ersten Fall geht es um den Kreuzzug ins Heilige Land, auf den sich Kaiser Manuel 1164 beruft.69 Aus der Erzählung wird deutlich, dass Vinzenz eigentlich nichts Genaueres über den Kreuzzug wusste. Mehr Informationen hatte er über eine parallele Expedition nach Preußen, an der Bischof Heinrich Zdik von Olmütz teilnahm.70 Als Nachspiel des ungarischen Feldzuges kommt der Bericht zum

68 Die ganze Erzählung, auf die ich das Folgende beziehe, bei Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 681 f. 69 Ebd., S. 662 f. 70 Ein kurzer Bericht befand sich offensichtlich in Vinzenz’ Vorlage, weil auch die Quellen, die mit den verlorenen Prager Annalen zusammenhängen, den Bericht ähnlich formulierten, vgl. Annales Pragenses (wie Anm. 8), S. 378, und Monachi Sazaviensis continuatio (wie Anm. 8), S. 159; allgemein war Vinzenz über die mit Heinrich Zdik zusammenhängenden Ereignisse gut informiert, was wahrscheinlich damit zu tun hat, dass der Bischof von Olmütz dem Prager Kapitel entstammte und mit ihm und den Prager Přemysliden auch sonst verbunden blieb, vgl. Fiala, Zdeněk: Jindřich Zdík a Kosmas. O původu Jindřicha Zdíka, in: Zápisky Katedry československých dějin a archivního studia 2 (1963), S. 7–19, hier S. 15–18.

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Jahr 1165 in Frage, in dem König Vladislav seine Enkelin, die Tochter seines ältesten Sohnes Friedrich und der ungarischen Prinzessin Elisabeth, nach Byzanz schickt, wie ein Jahr zuvor vereinbart .71 In die Erzählung über die beiden Auslandsexpeditionen von 1158 und 1164 bettete Vinzenz die Hauptauftritte Vladislavs als König und Krieger ein. Die Ereignisse, die mit Vladislavs (zukünftiger) königlicher Repräsentation dieser Jahre etwas zu tun hatten – polnische Angelegenheiten 1149 sowie 1157 und andere Ereignisse der 1150er Jahre als Vorspiel seiner Beziehung zum Kaiser sowie der zweite Kreuzzug 1147–1148 und die Botschaft nach Byzanz 1165 – ordnete er jedoch streng annalistisch den entsprechenden Jahren nacheinander zu. Zusammenfassend gesagt: Die von Vinzenz aus seiner Vorlage getroffene Auswahl denkwürdiger Ereignisse (der res gesta memorabilia aus seinem Prolog) ist von seiner Absicht beeinflusst, Vladislav als einen Idealherrscher darzustellen. Diese Tendenz ist, wie schon gesagt, auch in der Erzählstruktur der 1140er Jahre zu finden, Vinzenz änderte allerdings die Mittel, durch die er dies zum Ausdruck bringen will. Dazu gehören die folgenden, im Unterschied zum ersten Teil der Chronik wesentlichen Änderungen: Erstens: Vinzenz’ Umgang mit der direkten Rede: Dieses grammatische Element war in der mittelalterlichen Geschichtsschreibung allgemein keine bloße rhetorische Dekoration, sondern konnte dem Text einen Sinn verleihen, der nicht direkt zum Ausdruck gebracht wurde, sowie Handlungsmotive erklären, die mit der entsprechenden direkten Rede zusammenhingen.72 Während im ersten Teil der Chronik nur indirekte Reden vorkommen, finden wir im zweiten Teil zehn direkte Reden, die wieder nur die Ereignisse in Italien und Ungarn betreffen. An erster Stelle ist die schon erwähnte Ansprache Erzbischof Anselms von Ravenna zu nennen, die dieser vor dem Kaiser und den versammelten Fürsten gehalten haben soll, nachdem sich die Mailänder bemüht hatten, durch eine finanzielle Entschädigung den Zorn des beleidigten Kaisers abzuwenden. Dagegen stachelt der Erzbischof zum Krieg auf: Non est ... vobis nota astutia Medio­ lanensium? Dulcia quidem vobis verba et humilia offerunt, sed astutam vulpem sub pectore servant. Mensura, qua aliis mensi sunt, remetiatur eis. Ecclesias dei, civitates liberas imperatoris destruxerunt, destruantur et ipsi! Nullam in eis miseri­

71 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 682. 72 Thürlemann: Der historische Diskurs (wie Anm. 46), S. 74–80.

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cordiam fecerunt, nec eam consequantur!73 Die Redewendung über den im Herzen verborgenen listigen Fuchs stammt aus den Satiren von Persius.74 Der zweite Redeabschnitt ist eine Anspielung auf einen Spruch Jesu aus dem Matthäus-Evangelium, durch den die Berechtigung oder sogar die Notwendigkeit eines Krieges gegen die Mailänder augenfällig gemacht wird, und zwar nach der Regel: Jedem, was er verdient.75 Dasselbe Motiv ist noch in zwei anderen von Vinzenz konstruierten direkten Reden zu finden. Im ersten Fall geht es um die Ansprache der deutschen Bischöfe auf der von Barbarossa zur Klärung der doppelten Papstwahl einberufenen Versammlung in Pavia 1160. Während der von der kaiserlichen Seite bevorzugte Kandidat Viktor IV. im Voraus ankündigt, sich der Entscheidung der Kardinäle und Bischöfe zu unterwerfen, weigert sich Alexander III., überhaupt in Pavia zu erscheinen. Die Ansprache der deutschen Bischöfe bestärkt die Teilnehmer endgültig, trotz Alexanders Abwesenheit zu Gunsten Viktors zu entscheiden: Qui ad hoc venire neglexit, negligatur et ipse, qui hoc sprevit, spernatur et ipse.76 Im zweiten Fall sollen die Vertreter einiger italienischer Städte dem Kaiser auf die Frage, wie er die 1163 erneut besiegten Mailänder bestrafen solle, geantwortet haben: Qualia pocula aliis propinaverunt civitatibus, talia gustent et ipsi! Laudam, Cumas, imperiales destruxerunt civitates et eorum destruatur Mediolanum!77 Gleich darauf erteilt Barbarossa den Befehl, die Stadt zu vernichten. Alle drei Ansprachen sollen dem Leser nahebringen, dass Barbarossa nicht willkürlich, sondern mit Recht und auf den Rat kompetenter Personen handelt bzw. dass er auf diese Weise handeln muss – denn gerecht zu strafen war seine Pflicht. Des Weiteren müssen die beim oben erwähnten Versöhnungsritual gehaltenen Ansprachen in Betracht gezogen werden. Sie bestätigen, dass der Prager Kanoniker die narrative Strategie ab dem Augenblick veränderte, als Vladislav König wurde. Vinzenz verwendete bei der Schilderung des Rituals in allen Fällen, wie gesagt, ähnliche Redewendungen, der Unterschied besteht allerdings in der Form. Während die Formeln bei beiden Versöhnungszeremonien, sowohl 73 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 671. 74 PERS. 5, 117: astutam vapido servas sub pectore vulpem. 75 Matth. 7, 2: in quo enim iudicio iudicaveritis iudicabimi et in qua mensura mensi fueritis metietur vobis. 76 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 679. 77 Ebd., S. 680.

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zwischen Vladislav und seinen gegen ihn rebellierenden mährischen Verwandten als auch zwischen dem Kaiser und dem polnischen Herzog im Jahre 1157 die Form einer indirekten Rede haben (inique egisse recognoscentes sowie se con­ tra imperialem dignitatem male fecisse confitetur), unterwerfen sich die Mailänder dem Kaiser 1158 sowie 1163 in direkter Rede (peccavimus, iniuste egimus). Zuletzt sei noch an die oben genannten Ansprachen Vladislavs an seine Großen von 1158 und 1164 erinnert. In beiden taucht dasselbe Motiv auf: Vladislav muss sich mit den Gegenstimmen abfinden, die sich gegen einen ausländischen Feldzug erheben. Vor allem der Schluss seiner Reden ist in beiden Fällen ähnlich formuliert: Vladislav lobt diejenigen, die ihn unterstützen möchten, und verspricht denjenigen seine Milde, die sich den Unbequemlichkeiten des Krieges nicht aussetzen mögen.78 Nicht ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Vladislav selbst in Vinzenz’ narrativer Strategie erst als König direkt redet. Zweitens: Er verwendet im zweiten Teil der Chronik nicht mehr die außertextuelle, Glaubwürdigkeit erweckende Methode effet du réel; er hat es nicht mehr nötig. Um Glaubwürdigkeit für seinen Text zu beanspruchen, kann er sich im Fall für die Ereignisse ab 1156 auf Augenzeugen berufen, sei es auf sich selbst oder andere umfassend informierte Personen.79 Schon bei der ausführlichen Erzählung über Barbarossas Romzug 1156 (richtig 1155) schickt Vinzenz voraus, dass er selber später den Ort der siegreichen Auseinandersetzung des Staufers gegen die Römer gesehen hat, als er im Dienst des Bischofs von Prag in den Jahren 1158–1160 fast ganz Italien durchreiste. Außerdem sollen ihm die unmittelbaren Teilnehmer Informationen aus erster Hand gegeben haben.80 Weitere

78 Vgl. oben Anm. 50 und 51; die drei letzten direkten Reden befinden sich ebenfalls im zweiten Teil der Chronik, sind aber für die Analyse nicht von Relevanz, vgl. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 676 (die gegen die kaiserlichen Legaten versammelte Menschenmenge in Mailand); S. 677 (der Kaiser über die gefangengenommenen Mailänder); S. 683 (die Römer über Rainald von Dassel). 79 Diese Möglichkeit ist für die mittelalterliche Geschichtsschreibung als Gattung, die über die res gesta, d.h. über das wirklich Geschehene erzählen will, natürlich von größerer Bedeutung, vgl. Goetz, Hans-Werner: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im hohen Mittelalter, Berlin 1999, 146–159. 80 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 666: et sic imperator in tam planissimis cam­ pis, quos nos ipsi nobis hec referentibus, qui huic victorie aderant, vidimus, deo auxiliante optata potitus est victoria.

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Hinweise auf seine Augenzeugenschaft führt Vinzenz 1158–1160 sowie 1167 an.81 Drittens: Um Vladislav als einen rechtmäßigen, von Gottes Gnade regierenden Herrscher darzustellen, sind nicht mehr die auf biblische Verweise gegründeten Assoziationen sinngebend. Stattdessen findet sich im Text eine Anhäufung kurzer Zitate aus den berühmten epischen Werken der Antike. Diese erfüllen hier allerdings eine andere Funktion als die zitierten biblischen Textstellen, die meist typologisch verwendet worden sind. Es handelt sich jeweils um Teile eines Hexameters, der den Text rhetorisch verziert. Es sind Redewendungen aus Satiren von Iuvenal sowie Persius, die in Ansprachen (in direkter wie indirekter Rede) bei den Versammlungen der böhmischen Großen oder des Heeres vor Mailand vorkommen.82 In der Schilderung einer Schlacht zwischen den Mailändern und den Böhmen ist eine Anspielung an das Epos Punica von Silius Italicus erkennbar.83 Auf die Aufzählung reicher Geschenke an Vladislav in Ungarn 81 Kurze Hinweise, dass Vinzenz etwas persönlich gesehen bzw. erlebt habe, ebd. S. 668, 669, 675, 676; prominent tritt Vinzenz zu folgenden Gelegenheiten in der Erzählung in Erscheinung: seine Angst vor dem Übergang über Adda ebd. S. 670 f. (vgl. oben Anm. 53); das Begräbnis der vor Mailand gefallenen Böhmen ebd. S. 673; Aufzählung der Städte Italiens, die Vinzenz im Dienst des Bischofs von Prag besuchte, ebd. S. 673; Abschied von denjenigen, die nach der Kapitulation Mailands zusammen mit Vladislav nach Böhmen zurückkehrten, ebd. S. 675: Quantos et quales dolores et gemitus in remanendo cum episcopo et caros nostros in terram suam dimittendo habuerimus, deus novit; Aufzählung der Städte, von denen er im Namen des Bischofs von Prag den Eid, Geiseln oder finanzielle Entschädigungen entgegennahm, ebd. S. 675; Vinzenz’ Beteiligung an der Verschriftlichung der Vereinbarung zwischen dem Kaiser und den Mailändern, ebd. S. 676 (vgl. oben Anm. 55); Vinzenz’ Reise nach Bologna, um Bücher für seinen Bischof zu kaufen, ebd. S. 676; Rückkehr nach Böhmen 1160, wofür er sich bei Gott und den böhmischen Märtyrern bedankt, ebd. S. 679; seine nächste Reise nach Italien in der Begleitung des Bischofs von Prag 1167, ebd. S. 683: Quod scimus, loquimur, et quod vidimus, scriptis mandamus (mit den Worten von Ioh. 3, 11 gesagt). 82 Aus den Satiren wurde dreimal zitiert: 1) dignus vera cruce (im übertragenen Sinn „sich den Tod verdienen“), vgl. IUV. 8, 188 – den Tod verdient nach Meinung böhmischer Großer Bischof Daniel für seine Intrigen, die zu dem Versprechen Vladislavs führten, den Kaiser im Kampf gegen Mailand zu unterstützen (vgl. Anm. 50); 2) ultra Sauromatas (im übertragenen Sinn „bis auf das Ende der Welt“), vgl. IUV. 2, 1 – bis zu den Sarmaten wollten die böhmischen Großen angeblich mit Vladislav ziehen, nachdem er ihre Tapferkeit bezweifelt hatte (vgl. Anm. 51); 3) die direkte Rede des Erzbischofs von Ravenna über die listigen Mailänder nach PERS. 5, 117, vgl. oben Anm. 74. 83 SIL. 9, 323–327: … clipeus fatiscit / impulsu clipei atque ensis contunditur ense; / pes pede

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im Jahr 1164 verzichtet Vinzenz unter Anführung eines Verses aus Ovids Metamorphosen.84 Viermal steht im Text außerdem in demselben Zusammenhang eine Variation eines Aeneis-Verses, die Vinzenz bei der Schilderung derselben Situation während des Kriegszuges gegen Mailand 1158 jeweils verwendet: Die Jugend im versammelten Heer oder die böhmischen Großen verlangen rabiat nach Waffen.85 In den konkreten Kampfszenen bedient sich Vinzenz des unter dem Pseudonym Dares Phrygius im Mittelalter sehr populären Romans Acta diurna belli Troiani über den trojanischen Krieg.86 In der Episode, die sich vor dem Stadttor des heiligen Dionysius ereignete, beschreibt Vinzenz zuerst die Schlacht zwischen den Mailändern und dem Pfalzgrafen Konrad sowie ein paar Zeilen weiter zwischen den Mailändern und dem böhmischen König, der dem Pfalzgrafen zu Hilfe kommt, mit den Worten fit pugna, ex utraque parte fortissimi ceduntur milites bzw. Ex utraque parte fortissimi ceduntur milites; später schreibt er in der Erzählung über die Kämpfe vor der belagerten Stadt Crema Folgendes: ex utraque virque viro teritur, was Vinzenz in die Prosa überträgt, vgl. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 672: Umbo umboni alliditur, pes pede teritur, fortium virorum fortissimi resonant ictus. 84 Ebd. S. 682: Quot et quales palefridi ei dati fuerint, scribere superfluum duximus. Etenim pauperis est numerare pecus; dazu vgl. OVID. Met. 13, 824: pauperis est numerare pecus! de laudibus harum / nil mihi credideris. 85 1) Vgl. VERG. Aen. 11, 453: Arma manu trepidi poscunt; fremit arma iuventus; 1) Vladislav bedankt sich beim Kaiser für seine Krönung in Regensburg durch Versprechen seiner Hilfe gegen Mailand. Die böhmische Jugend eilt dem König aufgebracht zu Hilfe, vgl. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 668 Regi autem novo Boemie in adiutorium tota Boemie fremit iuventus; 2). Nachdem Vladislav seine Großen für den Kriegszug gegen Mailand gewonnen hat, verlangen die Großen sowie die jugendlichen Adeligen rabiat nach Waffen, vgl. oben Anm. 50; 3) Nachdem unter dem Einfluss der Ansprache des Erzbischofs von Ravenna über den Kampf gegen Mailand entschieden worden ist, verlangt die fröhliche Jugend rabiat nach Waffen, vgl. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 671: Haec considerans laeta juventus fremit in arma. 86 Der Roman ist eine lateinische Übersetzung eines griechischen Originals aus dem 6. Jahrhundert und gibt sich als Augenzeugenbericht aus trojanischer Perspektive. Im Mittelalter und besonders seit dem 12. Jahrhundert gehörte er zu den Schulautoren. Dank seines Titels, seiner einfachen Prosa-Form und des im griechischen Roman üblichen Topos der Beteuerung absoluter Glaubwürdigkeit wurde er allerdings im Mittelalter für ein historiographisches Werk gehalten, vgl. Curtius: Europäische Literatur (wie Anm. 11), S. 60 mit der Anm. 4 und S. 183 f.

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parte pugnatur acriter, plurimi hinc et inde vulnerantur, capiuntur, occiduntur.87 Der Kampf wird jeweils durch die Nacht unterbrochen (nox proelium oder pug­ nam dirimit), wie es bei Dares selbst häufig vorkommt.88 Für alle erwähnten Redewendungen ist anzunehmen, dass Vinzenz mit ihnen nicht bewusst wie mit Zitaten aus der antiken Literatur, d.h. intertextuell oder typologisch arbeitete, sondern wie mit Sprichwörtern, die sich aus dem Schulunterricht der Grammatik und Rhetorik in sein Gedächtnis eingeprägt hatten (zwei von ihnen gehören mit Sicherheit zu den im Mittelalter verbreiteten, von ihrem Autor längst unabhängigen geflügelten Worten).89 In der gesamten Chronik finden sich noch drei Reminiszenzen an ein antikes Werk, jedoch nie in der Erzählung über die Jahre 1142–1146, in der immerhin die biblischen Zitate eine Hauptrolle spielen, sondern in dem zwischen den beiden Teilen stehenden Verbindungstext (1148–1157). Alle drei sind allerdings höchstwahrscheinlich wieder nur Redewendungen, die zu üblichen mittelalterlichen Sentenzen avanciert waren.90 Keine von ihnen erfüllt im Text die gleiche Funktion wie die in der 87 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 672 bzw. 677; dazu vgl. Daretis Phrygii De exidio Troiae historia, ed. Ferdinand Meister, Lipsiae 1873, S. 25, 25–26, XX: fit mag­ na caedes, ex utraque parte fortissimi cadunt; und S. 27, 7–8, XXII: fit magna caedes, acri­ ter ex utraque parte pugnatur, multa militia hinc et inde cadunt. 88 Dares, S. 24, 14, XIX; S. 26, 14–15, XXI; S. 30, 14, XXIV; 35, 4, XXVIII; S. 37, 6, XXXI; S. 40, 5–6, XXXIII. 89 Sicher geht es um den Spruch aus Iuvenals Satiren (Rede Anselms von Ravenna), vgl. Walther, Hans: Proverbia sententiaeque Latinitatis medii aevi. Lateinische Sprichwörter und Sentenzen des Mittelalters in alphabetischer Anordnung. 1. A–E, Göttingen 1963, N. 1629; und um den Vers aus Ovids Metamorphosen vgl. ebd. 3. N–P, Göttingen 1965, N. 20985a. 90 Gleich zwei Sprichwörter sind in der Erzählung über den Misserfolg des Kreuzzuges ins Heilige Land 1148 zu finden, vgl. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 663: nec mirum, etenim frangit deus omne superbum … Non autem bene conveniunt nec in una sede morantur arma bellica et contubernia muliercularum; der Anfang des Abschnittes erinnert an PRUD. Psych. V. 285: Desine grande loqui: frangit deus omne superbum, ist aber auch als ein Sprichwort frangit deus omne superbum belegt, vgl. Walther: Proverbia (wie Anm. 89) 2. F–M, Göttingen 1964, N. 9919; am Ende des Abschnittes steht eine Anspielung auf OVID. Met. 2, 846: non bene conveniunt nec in una sede morantur / maiestas et amor; der Vers kommt jedoch mit verschiedenen Subjekten, die nicht gut zueinander passen (z.B. meror et risus oder thartarus et paradisus), in der mittelalterlichen Literatur sehr oft vor, vgl. Walther: Proverbia 3. N–P (wie Anm. 89), N. 17277–17279; das dritte Zitat finden wir in der Erzählung über den Feldzugs Konrads III. nach Polen 1149, vgl.

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Erzählung zu den Jahren 1158–1164 stehenden Redewendungen, die Vinzenz ebenso schematisch verwendet wie die direkte Rede – meist auch in Verbindung mit ihr, und zwar an Wendepunkten mit hoher Bedeutung für die weitere Dramaturgie. Die Verse funktionieren im Text nicht nur als eine rhetorische Verzierung, sondern verleihen ihm zugleich ein episches Gepräge – obwohl Vinzenz nicht unbedingt gewusst haben muss, dass es sich um Verse aus antiken epischen Gedichten handelte, verriet ihm das Versmetrum die Gattung.91 Das alles wird noch durch dramatische kurze Sätze in der Gegenwartsform und mit einem gewissen Rhythmus unterstrichen, der ab der Schilderung des Kriegszuges nach Polen 1157 in Vinzenz’ Werk durchklingt. Alles in allem erscheint die Erzählung durch den Wechsel rhetorischer Mittel lebendiger. Das bewirken die direkt redenden Personen sowie die andere Perspektive des Autors, der durch den Hinweis auf eigene Erlebnisse zu einer der Personen der Erzählung wird. Die epischen Elemente im Text erinnern außerdem an literarische Mittel der Heldenepik. Damit sind nicht nur die Zitate aus den antiken Gedichten gemeint, sondern auch die Erzählstruktur, die aus einzelnen Episoden zusammengestellt wurde, die ihrerseits stark an die aventiuren der Helden aus den Heldenepen oder Ritterromanen erinnern. Mit ihrer Hilfe werden konkrete Kampfszenen der böhmischen Truppen in Italien oder die herausragende Rolle des böhmischen Königs geschildert. Die Motive wiederholen sich und mit ihnen auch die immer wiederkehrenden, für die entsprechende Situation typischen Redewendungen und pathetischen Reden – wie in der Heldenepik üblich.92 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 664: Nam quid promittere ledit, mit dem Vinzenz das Versprechen des polnischen Herzogs, zu einem Hoftag zu kommen, kommentiert; der Vers kommt ursprünglich aus OVID. Ars. am. 1, 443, gehört aber auch zu den verbreiteten Sentenzen, vgl. Kocher, Henrik: Dicionário de expressões e frase Latinas. Q 7, N. 1253, http://www.padrefelix.com.br/fr_lat_q7.htm, letzter Zugriff: 11.04.2018. 91 Zur Funktion der Aeneis-Zitate in der Historiographie des Mittelalters vgl. Thürlemann: Der historische Diskurs (wie Anm. 46), S. 97. 92 Zu den Mitteln, mit denen schon Vergil, ein Vorbild für alle späteren Heldenepen, Pathos in seinen Versen erzeugt, vgl. Conte, Gian Biagio: The Poetry of Pathos. Studies in Virgilian Epic, Oxford 2007, S. 30; die Art der literarischen Darstellung eines Helden steht im Mittelalter allgemein unter dem Einfluss Vergils, allerdings nicht immer unmittelbar: Noch mehr wurde der Diskurs u.a. vom späteren Roman von Dares Phrygius beeinflusst, dazu Curtius: Europäische Literatur (wie Anm. 11), S. 183; es gibt noch einige Redewendungen, die Vinzenz analog zur Schilderung gewisser Situationen verwendete, ihr Autor ist aber wahrscheinlich Vinzenz selbst: z.B. non fit mora, armatur militia, wenn sich

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Eine ähnliche Arbeitsweise liegt auch den Erzählungen Rahewins, des im Auftrag des staufischen Hofes schreibenden Historiographen, zugrunde. Auch er entwickelt die Geschichte des Krieges gegen Mailand in einzelnen Episoden und verleiht seinem Text durch die Wiedergabe ganzer, zu seiner Narration passender Abschnitte aus den Werken antiker Autoren epischen Pomp.93 Darüber hinaus beziehen Rahewin wie Vinzenz mit Hilfe der oben erwähnten Mittel ein dem Text Sinn verleihendes und zugleich außertextuell wirksames Element in die Charakterisierung ihrer Helden ein: Hinter dem Auftreten sowohl Vladislavs im zweiten Teil der Chronik von Vinzenz als auch der von Rahewin in Szene gesetzten Personen steht das Paradigma des tapferen und edlen ritterlichen Helden, der im Namen seiner Ehre, seines Ansehens und Ruhms handelt. Das Ritterethos erlebte gerade im 12. Jahrhundert im lateinischen Europa seine Blütezeit. Die noch im 11. Jahrhundert betonten Elemente der christlichen Ethik (wie Schutz der Kirche, der Armen, Witwen und Waisen) überschnitten sich mit dem Ideal eines weltlichen, adeligen Kriegers, zu dessen Hauptmerkmalen Tapferkeit, Treue im Dienst und dadurch erlangte Ehre und Ruhm gehörten. Dieser Wandel, der in der Epoche der Kreuzzüge und des Investiturstreits durch die Aufwertung der kriegerischen Tugenden seitens der Kirche ermöglicht wurde, machte das ritterlich-höfische Ideal zu einem Leitmotiv der (Selbst-)Repräsentation der adeligen Waffenträger jeden Ranges.94 die Krieger unmittelbar auf den Kampf vorbereiten, vgl. Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 670 und 672; oder ad cęlum clamores levantur, wenn eine plötzliche Freude im Heer ausbricht, vgl. ebd. S. 669 und 670; die Wiederholung derselben Redewendungen bei der Beschreibung analoger Situationen stieß hingegen bei den modernen Historikern nicht immer auf Verständnis, z.B. Novotný, Václav: České dějiny. I/3. Čechy královské za Přemysla I. a Václava I. (1197–1253), Praha 1928, S. 208, der diese Tatsache tadelte und für ein Zeichen dafür hielt, dass Vinzenz’ „historisches“ Werk unvollendet bzw. ohne Schlusskorrektur geblieben war. 93 Rahewin verwendete häufig die Imitatio-Methode, d.h. aus einem klassischen Text entnahm er ganze Passagen, die er anschließend wieder zu einem Text mit neuer Bedeutung zusammensetzte, vgl. Deutinger, Roman: Rahewin von Freising. Ein Gelehrter des 12. Jahrhundert, Hannover 1999, S. 96–123; Reisner, Sonja: Form und Funktion der Imitatio bei Rahewin. Die Verwendung antiker Vorbilder in seinem Anteil an den „Gesta Friderici I. imperatoris“, in: Mitteilungen des Instituts der Österreichischen Geschichtsforschung 104 (1996), S. 266–285; dass die einzelnen Episoden bei Rahewin an die aventiuren der Heldenepik erinnern, betont Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas (wie Anm. 28), S. 227. 94 Krieg, Heinz: Friedrich Barbarossa und das Rittertum, in: Friedrich Barbarossa und sein

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Der Unterschied zwischen Rahewin und Vinzenz liegt jedoch in ihrer konkreten Darstellungsabsicht. Rahewin hebt Vladislavs Rolle beim Feldzug nach Polen 1157 nicht besonders hervor, und dessen Königskrönung erwähnt er nur beiläufig unter allen anderen auf dem Hoftag in Regensburg besprochenen Angelegenheiten. In der Erzählung über den Krieg gegen Mailand beschreibt Rahewin Vladislav zwar als tapferen Ritter und guten König (u.a. nach SALL. Catil. 60, 2–5), allerdings nur in einer vor dem Stadttor des heiligen Dionysius sich abspielenden Episode. Anders gesagt, er lässt Vladislav genauso im Sinne der entsprechenden Ritterethik handeln wie die anderen Fürsten, die dem Kaiser, der selber als ein Ritter und darüber hinaus als ein Idealherrscher dargestellt wird, treu zur Seite stehen und sich im Dienst für ihn und den honor imperii bemühen, mit tapferen Taten Ehre und Ruhm zu erlangen.95 In Vinzenz’ Episoden dagegen verhält sich Vladislav zwar paradigmatisch wie ein Ritter, er ist aber der Idealherrscher, in dessen Diensten sich die tapferen Böhmen einen Namen machen. Vladislav nimmt damit dieselben typisierenden Eigenschaften wie Rahewins Barbarossa an. Die Typisierung zeigt, wie das ritterliche Paradigma den Diskurs des Idealherrschers erweiterte. Diesen Diskurs gab es immer, sein Inhalt durchlief freilich trotz der bis zu einem gewissen Maß festen Herrschertopik manche Änderungen. Schon im Fränkischen Reich entstand ein Ideal des christlichen Herrschers (princeps christianus), zu dessen Haupttugenden Frömmigkeit (pietas), GerechHof (Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 28), Göppingen 2009, S. 127–154, hier S. 127–131. 95 Krieg, Heinz: Herrscherdarstellung in der Stauferzeit. Friedrich Barbarossa im Spiegel seiner Urkunden und der staufischen Geschichtsschreibung, Ostfildern 2003, S. 354–356; zur Ehre (honor) als einem Zeichen der sozialen Anerkennung und als Grundbestand der adeligen Existenz vgl. Görich, Knut: Die Ehre des Reiches (honor imperii). Überlegungen zu einem Forschungsproblem, in: Laudage, Johannes/Leiverkus, Yvonne (Hg.): Rittertum und höfische Kultur der Stauferzeit, Köln/Weimar/Wien 2006, S. 36–74, hier S. 61; Ders.: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 267. Auch die memoria, mit der der Wunsch verbunden war, von den Zeitgenossen ebenso wie von späteren Generationen gelobt und gerühmt zu werden, gehörte zu den wichtigen Elementen der adligen Mentalität, vgl. dazu Ders.: Miles strennuus, imperator incautus. Friedrich Barbarossa als kämpfender Herrscher, in: Clauss, Martin/Stieldorf, Andrea/Weller, Tobias (Hg.): Der König als Krieger. Zum Verhältnis von Königtum und Krieg im Mittelalter. Beiträge der Tagung des Zentrums für Mittelalterstudien der Otto-FriedrichUniversität Bamberg (13.–15. März 2013), Bamberg 2015, S. 333–369, hier S. 358–360.

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tigkeit (iustitia), Demut (humilitas) und Gottesfurcht (timor dei) gehörten. Der ideale Herrscher betrachtete seine ihm von Gottes Gnade aufgetragene Herrschaft als Dienst, zu dem er von Gott auserwählt wurde.96 Als ein treuer Diener Gottes – als Gesalbter (christus dei) wurde er oft typologisch als David stilisiert. Da die typologische Denkform stark christozentrisch war, entsprach dem DavidTypus – als dem Gesalbten Gottes und demütigen Knecht – der Christus-Antitypus.97 Sodann nahm der Idealherrscher in der ottonischen Zeit christologische Merkmale an. Er wurde zum Herrscher über die Welt und zum gerechten Richter, was sich mit seiner Milde und Barmherzigkeit überschnitt. Sein Dienst bestand in der Wahrung des Friedens und des Rechts, im Schutz der Kirche und in der Hilfe für die Bedürftigen.98 In der Zeit des Investiturstreits nahmen allmählich die Motive der Strenge sowie des gerechten Bestrafens zu, und letzten Endes überwogen die heroischen Elemente: Unter dem Einfluss der Kreuzzugsbewegung und der damit einhergehenden höheren Bewertung des Waffendienstes wurde auch der Herrscher zum Ritter und Helden. In der Stauferzeit zeichnete sich der Herrscher schon durch heroische laienadlige Tugenden aus. Er wurde sowohl zu einem gerecht strafenden Richter, der die von Gott festgelegte Weltordnung verteidigte und zu verteidigen hatte, als auch zu einem unbesiegbaren Krieger, der tapfer, tüchtig und in vorderster Reihe im Namen seiner Ehre und Würde kämpfte.99 Die wird allerdings als ein Synonym für die Ehre des Reiches (honor imperii) verstanden, die zu einem äußerst wichtigen Handlungsmotiv Barbarossas geworden ist, beson-

96 Hen, Yitzhak: The Uses of the Bible and Perception of Kingship in Merovingian Gaul, Early Medieval Europe 7 (1998), S. 277–289, hier S. 283–285; Ewig, Eugen: Zu christlichen Königsgedanken im Frühmittelalter, in: Hartmut, Atsma (Hg.): Spätantikes und Fränkisches in Gallien. Gesammelte Schriften (1952–1973) Zürich/München 1976, S. 3–71, hier S. 10; Staubach, Nicolaus: Rex christianus. Hofkultur und Herrschaftspropaganda im Reich Karls des Kahlen, Köln/Weimar/Wien 1993, S. 149. 97 Ewig: Zu christlichen Königsgedanken (wie Anm. 96), S. 7 f. und 49; Ohly, Friedrich: Typologie als Denkform der Geschichtsbetrachtung, in: Ruberg, Uwe/Peil, Dietmar (Hg.): Ausgewählte und gesammelte Schriften zur Literaturgeschichte und zur Bedeutungsforschung, Stuttgart/Leipzig 1995, S. 445–472, hier S. 449. 98 Krieg: Herrscherdarstellung (wie Anm. 95), S. 355; Hen: The Uses of the Bible (wie Anm. 96), S. 284; und Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas (wie Anm. 28), S. 29. 99 Zum Diskurs des tüchtigen Kriegers, der in der Stauferzeit an Bedeutung gewinnt, vgl. Görich: Miles strennuus (wie Anm. 95), S. 338–369.

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ders was dessen italienische Politik bis zum Jahr 1167 betrifft.100 Der Begriff honor imperii wurde als eine universale Größe verstanden, in der auch alle treuen Fürsten miteinbezogen waren. Sie bilden zusammen mit dem Kaiser das Reich. Ein solcher Kaiser kann nie willkürlich, sondern nur in gegenseitiger Interaktion mit seinen Fürsten, d.h. „konsensual“, regieren.101 Falls die Großen treu im Sinne des honor imperii handeln, erwerben sie an diesem einen Anteil (partici­ patio honoris) und erhöhen zugleich den Glanz seiner Personifikation, also des Kaisers. Sie sind gleichermaßen verpflichtet, die kaiserliche Ehre in Schutz zu nehmen, indem sie gegen die Feinde des honor imperii kämpfen.102 Vladislav soll sich laut Rahewin genau für seinen Einsatz um den honor impe­ rii sowie durch seinen Kriegsruhm die Königskrone verdient haben.103 Vinzenz sagt eigentlich indirekt das Gleiche, obwohl er Vladislavs Königswürde eher als eine Belohnung für Vladislavs zukünftige Dienste präsentiert. Sie ist in Vinzenz’ Narration offensichtlich von großer Relevanz, was u.a. durch den Wechsel rhetorischer Mittel unterstrichen wird. Sie bringt nämlich die Entwicklung Vladislavs von einem skeptischen Herzog in der Nachbarschaft zu einem der ehrwürdigsten Reichsfürsten, dessen Ansehen und Einfluss im Reich durch die Königswürde sichtbar gemacht wurde. Solch eine öffentlich manifestierte Rangordnung hatte in einer auf Symbolik und Repräsentation orientierten Gesellschaft auch eine politische Bedeutung.104 Vielleicht deswegen tat sich die moder100 Krieg: Herrscherdarstellung (wie Anm. 95), S. 11 f., 354 f., 358, der auf Basis sowohl der prostaufischen narrativen Quellen als auch der kaiserlichen Urkunden und Briefe eine detailreiche Analyse der zur (Selbst-)Darstellung Barbarossas verwendeten Begriffe vorlegte; zum honor imperii als Synonym der Ehre Friedrich Barbarossas und ihrer Rolle für dessen Herrschaft vgl. Görich: Die Ehre des Reiches (wie Anm. 95), S. 55, Ders.: Die Ehre Friedrich Barbarossas (wie Anm. 28); oder Ders.: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 95), S. 180. 101 Zur sogenannten „konsensualen Herrschaftspraxis“, vgl. Schneidmüller, Bernd: Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter, in: Heinig, Paul-Joachim (Hg.): Reich, Regionen und Europa im Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, Berlin 2000, S. 53–87; Görich: Die Ehre Friedrich Barbarossas (wie Anm. 28), S. 20; Ders.: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 95), S. 162. 102 Görich: Die Ehre des Reiches (wie Anm. 95), S. 67; Ders.: Die Ehre Friedrich Barbarossas (wie Anm. 28), S. 213; Ders.: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 95), S. 267; Krieg: Herrscherdarstellung (wie Anm. 95), S. 127 f., 228–231. 103 Vgl. Anm. 62. 104 Darauf macht in einem anderen Zusammenhang aufmerksam Görich: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 95), S. 657 f.

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ne Forschung mit der Interpretation von Vladislavs Königswürde häufig schwer. Das dürfte mehrere Gründe haben: Die Historiker sowohl auf tschechischer wie auf deutscher Seite gingen das Thema überwiegend aus dem Blickwinkel der (Un-)Abhängigkeit der böhmischen Länder vom mittelalterlichen Reich an. Mit der Königswürde wurden automatisch die Hoheitsrechte eines modernen Staates vorausgesetzt, sonst wurde sie nicht als vollwertig verstanden. Da sie aber zugleich vom römisch-deutschen Kaiser abzuleiten sei (wobei der Kaiser vor allem von der tschechischen Forschung als private Person angesehen wurde, die entweder aus imperialistischem oder aus kirchlich-religiösem Interesse die Rechte souveräner Staaten bedrohte), war es kaum möglich, sie mit dem traditionellen böhmischen Herrscherrecht zu vereinbaren.105 105 Die Lehnsabhängigkeit des böhmischen Herrschers vom Reich bzw. eine Eingliederung der böhmischen Länder in die deutsche Staatshoheit (zumindest wurde seine Forschung auf der tschechischen Seite so wahrgenommen) behauptete Wegener, Wilhelm: Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter. Untersuchungen zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens und Mährens im Deutschen Reich des Hochmittelalters 919–1253, Köln/Weimar 1959. Das wies entschieden zurück Fiala, Zdeněk: Revanšistická kniha o poměru českého státu ke středověké říši, in: Československý časopis historický 8 (1960), S. 176–185, der auf der strengen Unterscheidung der Begriffe des deutschen Königtums und des Hl. Römischen Reichs beharrte. Die letzte Institution sei Fiala zufolge aus der Perspektive der Souveränität böhmischer Herrscher ganz formal; später kam er zum Schluss, es habe sich ursprünglich nicht um den Königstitel gehandelt, da Barbarossa Vladislav weiter als seinen Vasallen betrachtete, Vladislavs Königswürde habe sich jedoch trotzdem durchgesetzt, allerdings um den Preis der Abhängigkeit Vladislavs vom Kaiser, vgl. Ders.: Die Urkunde Kaiser Friedrichs I. für den böhmischen Herzog Vladislav II. vom 18.11.1158 und das „Privilegium minus“ für Österreich, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 78 (1969), S. 167–192, hier S. 179–183; Ders.: Přemyslovské Čechy. Český stát a společnost v letech 995–1310, Praha 1975, S. 152 f.; ähnlich Adamová, Karolína: K otázce královské hodnosti a panovnické ideologie českého krále Vladislava II., Právně historickè studie 24 (1981), S. 5–18. Aus juristischer Sicht vgl. Kejř, Jiří: Korunovace krále Vladislava II., in: Český časopis historický 88 (1999), S. 641– 660; weiter Appelt, Heinrich: Böhmische Königswürde und staufisches Kaisertum, in: Otmar Hageneder/Herwig Weigl (Hg.): Kaisertum, Königtum, Landesherrschaft. Gesammelte Studien zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Wien/Köln/Graz 1988, S. 40–60, hier S. 44 f., der darauf aufmerksam macht, dass die Überlegungen zur Souveränität des böhmischen Königs anachronistisch seien, und in Vladislavs Königswürde eine Auszeichnung sieht, durch die Vladislavs Stellung unter anderen Fürsten aus der Macht des Kaisers, des universalen christlichen Herrschers, besonders hervorgehoben wurde. Um eine neutrale Interpretation bemüht sich Žemlička: Čechy v době knížecí

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Ein anschauliches Beispiel bietet der Abschnitt aus Vinzenz’ Chronik, in dem Vladislav die Einwände seiner Großen gegen den Feldzug nach Italien und später nach Ungarn ausräumen muss. Aus ihnen wollte man häufig herauslesen, dass Vladislavs Königswürde in Böhmen auf Unverständnis stieß, weil sie das Recht der böhmischen Großen bedroht habe, den Herzog zu wählen sowie über wichtige Angelegenheiten auf den regelmäßigen Versammlungen mit zu entscheiden. Deswegen sei Vladislav dazu gezwungen worden, seinen neuen Titel als eine persönliche Würdigung darzustellen, die mit der böhmischen Innenpolitik nichts zu tun hatte.106 Die gleichen Einwände sollen die böhmischen Großen erneut im Jahre 1164 gemacht haben. Beide Situationen sind tatsächlich inhaltlich analog. Vladislav verspricht etwas für seine Person, was sich in letzter Konsequenz auf den Bereich bezieht, in dem er nicht nur privat handeln darf. Er hat sein königliches Wort, das er im ersten Fall dem Kaiser, im zweiten der ungarischen Königin gab, zu erfüllen und zugleich die Rechte und Pflichten des böhmischen Herzogs zu respektieren. Und genau das tut er auch. Er will diejenigen bekämpfen, die sich gegen ihren natürlichen Herrn empört haben – bzw. einem rechtmäßig regierenden König helfen, seine ihm von Gott anvertraute Stellung zu bewahren. Die Einwände der Großen gelten in beiden Fällen nicht der Königswürde an sich, sondern dem ohne ihren Rat gefassten Entschluss zur Kriegführung jenseits der böhmischen Grenze, zu der sie jedoch nicht verpflichtet waren. Vladislav aber zwingt auch niemanden zu einem solchen Einsatz, er kann nur an die Ritterehre seiner Großen – d.h. an die allgemein akzeptierten laienadligen Werte – appellieren und eine Belohnung bzw. Kostenübernahme für diejenigen in Aussicht stellen, die ihn unterstützen

(wie Anm. 3), S. 258, der eine unterschiedliche Sicht auf Vladislavs Königswürde in Böhmen und im Reich feststellte. Während Vladislav die von Barbarossa verliehene Würdigung als Königswürde betrachtet habe (d.h. als souverän), sei Barbarossa gewohnt gewesen, sie als höchste persönliche Würdigung anzusehen. Dadurch sei Vladislav gezwungen gewesen, sich dem Kaiser und dessen Politik in der Hoffnung auf Durchsetzung seiner Auslegung zu verschreiben; die unterschiedliche Sicht auf Vladislavs Königswürde in Prag und am Hof Barbarossas betont auch Wihoda, Martin: Zlatá bula sicilská. Podivuhodný příběh ve vrstvách paměti, Praha 2005, S. 101 und 127, Anm. 127; Ders.: Vladislav Jinřich (wie Anm. 67), S. 42–46. 106 Dazu z.B. Novotný: České dějiny I/2 (wie Anm. 3), S. 882 f. und 939; Vaníček, Vratislav: Šlechta a český stát za vlády Přemyslovců. (K formování ideologie české šlechty od 11. do počátku 14. století), in: Folia historica Bohemica 12 (1988), S. 65–107.

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möchten. Vladislav selbst wurde übrigens nicht nur auf der rein symbolischen Ebene mit der Königswürde ausgezeichnet, sondern u.a. mit einer ehrenvollen Summe von eintausend Mark nach der Unterwerfung Mailands belohnt; ebenso wurde er in Ungarn reichlich beschenkt.107 In beiden Geschichten ist also nicht gesagt, Vladislav versuche etwas gegen die alte Herrschertradition durchzusetzen, vielmehr sollen sie das Gegenteil beweisen: dass Vladislav ein Recht und Gerechtigkeit wahrender Herrscher ist, als den ihn Vinzenz ja auch von Anfang an darstellt. Die Krone war eine von der böhmischen Herrschertradition unabhängige Ehre.108 Das war auch kaum anders möglich, denn sie musste dem böhmischen Herzog von einer höheren Autorität verliehen werden. Sie war aber nicht mit einer Staatssouveränität im modernen Sinne verbunden, und keinesfalls ging sie mit einer Art absoluter Herrschaft einher, was von den Zeitgenossen auch nicht erwartet wurde: Ein Herzog durfte ebenso wie König nicht beliebig ohne seine Großen regieren. Die Verpflichtung zur konsensualen Herrschaft galt für Vladislav wie für Friedrich Barbarossa selbst. Auch der deutsche König wurde von den Reichfürsten gewählt, und noch als Kaiser war er auf Rat und Tat seiner Fürsten angewiesen.109 Vinzenz stellt Vladislav offensichtlich als einen der Reichfürsten dar, der durch die Königskrone eine würdigere Teilhabe am honor imperii genießt. Damit ist er auch verpflichtet, sich mehr für die „Ehre des Reichs“ einzusetzen – und zwar in Form von Diensten für den Kaiser, dessen Ehre von der Ehre des Reiches nicht zu trennen war. Später in Ungarn handelt Vladislav selbständig als König, der seiner Würde und Ehre entsprechend auf Bitte der Königin die Gerechtigkeit verteidigt. Und offensichtlich hat Vinzenz – wie später Gerlach, der seine Chronik fortsetzte – damit kein Problem. Durch die literarischen wie außertextuell wirkenden Elemente zieht er schon beim Versöhnungsritual zwischen dem böhmischen Herzog und den 1142 gegen ihn rebellierenden mährischen Fürsten eine Parallele zwischen Vladislav und Barbarossa. In dem Augenblick, in dem 107 Vincencii Pragensis annales (wie Anm. 5), S. 442 und S. 457 f. 108 So Wihoda, Martin: Macht und Struktur der Herrschaft im Herzogtum Böhmen: Grundlagen, Legitimierung und zeitgenössische Vorstellungen, in: Kersken, Norbert/Vercamer, Grischa (Hg.): Macht und Spiegel der Macht: Herrschaft in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Chronistik, Wiesbaden 2013, S. 341–358, hier S. 341 f. 109 Zur „konsensualen“ Herrschaftspraxis vgl. Anm. 101.

Der Kaiser und sein Abglanz

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Vladislav als König – also als Reichsfürst mit der höchsten möglichen Würde nach dem Kaiser – erscheint, verwendet Vinzenz zu dessen Darstellung überwiegend ein paradigmatisches Ritterverhalten. Er bedient sich dabei epischer Erzählelemente, die gerade im adeligen Umfeld in Mode waren und durch die die kaiserliche (Selbst-)Darstellung in Ritterromanen, prostaufischer Historiographie und kaiserlichen Urkunden Verbreitung fand. Diese spiegelten allerdings eine mit dieser literarischen Ebene in gegenseitiger Interaktion stehende Erwartung des Publikums. Die typisierenden Züge, durch die ein Idealherrscher wie ein Held charakterisiert wurde, mussten für das Publikum nachvollziehbar sein und den Vorstellungen von Rolle und Möglichkeiten eines Herrschers entsprechen. Damit standen sie gleichzeitig in einer engen Beziehung zum tatsächlichen Verhalten eines Herrschers.110 Barbarossa steht zwar nicht im Zentrum von Vinzenz’ Geschichtswerk, aber seine Darstellung vermittelt der Charakterisierung des böhmischen Königs ihren eigentlichen Sinn und ihr Vorbild. Man kann sogar eine transzendentale Dimension aufspüren. Ein Haupt und dessen Glieder, die trotz ihrer unterschiedlichen und festgelegten Rollen eine Einheit bilden; die Glieder, die durch ein gewisses festgelegtes Verhalten einen Anteil am Glanz des Hauptes erwerben; das Streben derjenigen, die ihren Rollenpflichten nicht nachgehen, nach Rückkehr in die gegebene Ordnung zum Wohl aller – das erinnert stark an die Kirche, deren Haupt Christus ist, mit dem alle getauften Glieder einen Leib bilden. In diesem Leib haben sie Anteil an seiner Herrlichkeit, und jeder hat seine nach dem Maß der Gnade Gottes festgelegte Aufgabe – einen Dienst zum Wohl aller, damit das Ganze den richtigen Platz in der Heilsökonomie einnehmen kann, bis der echte ewige König in Herrlichkeit zurückkommt. Ebenso wie die Kirche hierarchisch ist, aber als Leib Christi aus vielen kleinen Einheiten besteht – den Ortskirchen, derer Haupt die einzelnen Bischöfe sind –, sind auch die einzelnen Reichsfürsten die Häupter einzelner Teileinheiten. Aus dieser Perspektive erfüllt Vladislav als Herrscher in den böhmischen Ländern dieselbe Funktion wie Barbarossa auf der Ebene des ganzen Reiches. Deswegen hat er dieselben Züge des Idealherrschers, eine eigene Ehre und Würde, die diejenigen verletzen können, die gegen ihn oder gegen die gegebene Ordnung handeln. Sie können seine Huld durch zur Schau gestellte Reue, Sündenbekenntnis und Genugtuung zurückerlangen 110 Das betont im Zusammenhang mit der Darstellung Friedrich Barbarossas Görich: Miles strennuus (wie Anm. 95), S. 369.

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– ebenso wie ein Sünder durch die Reue, Beichte, Buße und Genugtuung in die eucharistische Gemeinschaft der Kirche wieder aufgenommen wird. Auf diese Art und Weise liest allerdings bereits Abt Gerlach ein paar Jahrzehnte später Vinzenz’ Chronik nicht mehr, denn deren narrative Strategie verlor ihren Sinn, nachdem Vladislav aus eigenem Willen abgedankt und seinen Sohn ohne jegliche Beratung mit dem Kaiser und den böhmischen Großen als seinen Nachfolger installiert hatte. In der Welt, die Vinzenz für seinen Idealherrscher aufbaute, wurde Vladislav seiner ihm zukommenden Rolle nicht gerecht, verletzte die Ehre des Reiches bzw. des Kaisers und verstieß eigentlich auch gegen die Rechte seines eigenen Landes. Damit berechtigte er Barbarossa zu einem Eingriff. Dass dieser sich eigentlich gegen Vladislavs Nachfolger, den Herzog Friedrich, richtete, und Vladislav ein freiwilliges Exil wählte, hätte für Vinzenz’ narrative Strategie, falls er sein Werk hätte fortsetzen wollen, nur ein bitterer Trost sein können.

Michał Tomaszek

Die Wahrnehmung der Kaisers bei Vinzenz Kadlubek

Vincenz Kadlubek, der in seiner Chronik über die Geschichte der Polen von sagenhafter Vorzeit bis zum Ende des 12. Jahrhunderts (also bis zu seiner eigenen Gegenwart) berichtet, bezeichnet Kaiser Friedrich Barbarossa als „Roten Drachen“.1 Spuren eines langen politischen Konflikts und negativer politischer Emotionen sind hier sicherlich enthalten. Man könnte hinzufügen: Auch ein Echo des Respekts, den dieser äußerst einflussreiche Herrscher weckte, ist präsent. Zugleich aber benutzte der Chronist in seinem Werk im Kontext des Imperiums der Ottonen, Salier und Staufer die wichtige Phrase „kaiserliche Majestät“: manchmal ironisch, manchmal aber völlig ernst. Im Kern scheint es also, dass sein Verhältnis zu den Kaisern und zum Imperium sowohl Hochachtung vor dem Recht (d.h. dem römischen Recht) und seiner besonderen Verkörperung, die das Imperium bilden sollte, als auch gewissen, von der Hitze eines politischen Konflikts geprägten Spott enthält. Die Existenz solchen Spotts erinnert übrigens daran, dass schon damals scheinbar rein politische Konflikte auch in theologischen, juristischen und historiographischen Texten geführt oder fortgesetzt wurden. Magister Vincenz brachte vor allem die Einstellung der hochadligen Elite aus Kleinpolen zum Ausdruck. Und ausgerechnet ihre politischen Interessen treten 1

Mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem Kronika polska/Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum, ed. Marian Plezia (Monumenta Poloniae Historica, Nova series 11) Kraków 1994. Ältere kritische Ausgabe: Magistri Vincentii Chronicon Polonorum, ed. August Bielowski (Monumenta Poloniae Historica II) Lwów 1872, Neuausgabe Warszawa 1961. Es gibt auch eine zweisprachige, lateinisch-deutsche Ausgabe: Die Chronik der Polen des Magisters Vincentius, ed. Eduard Mühle (Ausgewählte Quellen zur Geschichte des Mittelalters. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe 48) Darmstadt 2014. Hier III/30, S. 124: der Chronist erzählt, dass der vertriebene Władysław des Kaisers Zorn erregt hatte: Rufi flammas draconis contra Boleslaum sollicitat.

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in Vincenz’ „Chronica Polonorum“ dort besonders deutlich hervor, wo von den Beziehungen Polens zu seinen westlichen Nachbarn berichtet wird. Dies ist so, weil das Kaisertum noch zur Zeit der Jugend des Historikers die einzige äußere Macht blieb, die über die nötigen Mittel zur Beeinflussung der polnischen Politik verfügte.2 Diese Zusammenhänge sollen im Rahmen dieses Beitrags vor allem auf der Grundlage der Fragmente aus der „Chronica Polonorum“, die die Geschichte der Kontakte der Herzöge der Piastendynastie mit König Konrad III. und Kaiser Friedrich Barbarossa schildern, aufgezeigt werden. Es ging in diesen Fällen um Geschehnisse, die der Chronist entweder selbst gut in Erinnerung hatte behalten könnnen oder über die er von glaubwürdigen Augenzeugen informiert worden war.3 Besonders wichtig für unser Thema ist ein Fragment der „Chronica Polonorum“, das von der Wahl des Fürsten Lestek (Leszek) auf den Krakauer fürstlichen Thron nach dem Tod Kasimirs des Gerechten im Jahre 1194 erzählt. Vincenz berichtet dort von einer Rede, die der Krakauer Bischof Pełka (Fulko) damals gehalten haben soll. Diese Rede hat angeblich die Versammlung des „politischen Volkes“ von der Kandidatur des sehr jungen Lestek überzeugt. Der Bischof lehnte nämlich Regel und Idee des sogenannten Prinzipats ab – d.h. jener Ordnung der Nachfolge, die für die Krakauer Provinz (den damals wichtigsten Teil Polens) die Thronfolge des zum Zeitpunkt der Wahl jeweils ältesten Mitglieds der Piastendynastie vorsah. In der Situation von 1194 wäre das für Herzog Mieszko günstig gewesen. Als Hauptargument wies Pełka auf juristische Entscheidungen Papst Alexanders III. und Kaiser Friedrichs hin: Seiner Meinung nach hatten beide dieses Prinzip für ungültig erklärt, als sie die Ansprüche Mieszkos noch in seinem Streit mit Kasimir abgelehnt hatten. Wie Pełka (oder Vincenz, der übrigens die Politik von Pełka in dieser Zeit unterstützte und selbst ein Anhän2

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Der politische Kontext der Zeit, in der Vincenz schrieb, wird dargestellt von Samsonowicz, Henryk: Sytuacja polityczna Polski w czasach Wincentego, in: Dąbrówka, Andrzej/ Wojtowicz, Witold (Hg.): Onus Athlanteum. Studia nad kroniką biskupa Wincentego, Warszawa 2009, S. 35–38. Andere Aspekte bei Gawlas, Sławomir: Das Problem der Fürstenmacht zur Zeit von Vincentius Kadłubek, in: Kersken, Norbert/Vercamer, Grischa (Hg.): Macht und Spiegel der Macht. Herrschaft in Europa im 12. und 13. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Chronistik, Wiesbaden 2013, S. 273–308. Eingehend dargestellt wird Vincenz’ Biographie in der Einleitung zur polnischen Übersetzung: Kürbisówna, Brygida (Hg.): Mistrz Wincenty zw. Kadłubek, Kronika polska, Wrocław/Warszawa/Kraków 1996, S. IV–LVII.

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ger Lesteks war) gleich hinzufügt, besaßen diese beiden Universalmächte die Befugnis, Gesetze zu verordnen oder aufzuheben.4 Interessant ist jedoch, dass sich in Vincenz’ Text keinerlei Information über diese Entscheidungen findet. Abgesehen davon, ob der Papst und der Kaiser solche Urteile tatsächlich verkündet haben, ist hier wichtig, dass der Chronist so weitgehende Befugnisse des Kaisers im Allgemeinen akzeptierte. Vincenz erkannte offenbar tatsächlich an, dass der Kaiser sich in einer so heiklen Angelegenheit wie der Thronfolge in einem Land, das sicherlich nicht zum Imperium gehörte, einmischen konnte, und hielt dies geradezu für ein natürliches kaiserliches Prärogativ, das sich, wie wir unterstellen dürfen, auf alle christlichen Länder bezog. Die von Pełka erwähnte angebliche Entscheidung Kaiser Friedrichs bezog sich zwar auf eine sehr konkrete Angelegenheit, d.h. auf den Streit zwischen den Brüdern Mieszko und Kasimir. Aber nach Vincenz’ Ansicht blieb sie auch für die Zukunft bindend. Deswegen könnte man dies vielleicht sogar als Präzedenzurteil bezeichnen. Daraus konnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass der Kaiser eine der beiden Stützen der weltlichen Rechtsordnung war. Dies steht aber in offensichtlichem Widerspruch zu anderen Äußerungen über den Kaiser in der „Chronica Polonorum“. Sie finden sich in früheren Teilen von Vincenz’ Werk. Am wichtigsten ist diesbezüglich der Bericht über den Streit zwischen Konrad III. und Friedrich Barbarossa auf der einen Seite und den Fürsten von Polen, Bolesław IV. und Mieszko III., auf der anderen. Die Ursache dieses Konflikts war ebenfalls der Machtkampf in der Krakauer Provinz und damit eine Frage der Oberherrschaft in Polen. Konrad unterstützte die Ansprüche des älteren Bruders der beiden Piasten, Władysław. Dieser war der älteste Sohn von Herzog Bolesław III. und nach seinem Willen der erste Senior. Aber nach dem Bürgerkrieg wurde Władysław 1146 mit seiner Familie aus Polen vertrieben. Władysław war übrigens mit König Konrads Halbschwester, Agnes von Babenberg, verheiratet. Das erklärte, warum sich Konrad und nach seinem Tod auch sein Neffe und Nachfolger Friedrich im polnischen Machtkampf auf Seiten Władysławs engagierten. Aber in diesem Fall sprach Vincenz den deutschen Herrschern jede Befugnis zum Eingreifen eindeutig ab. Sie hätten gegen die Juni4

Chronica Polonorum, IV/21 (wie Anm. 1), S. 177: Nec impedit avita constitutio qua cau­ tum errat, ut penes maiorem natu semper sit principandi auctoritas, quia per papam Ale­ xandrum et Fredericum Imperatorem, qui ius habent et condendi et abrogandi iura, prorsus est abrogata …

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oren Schritte unternommen, obwohl sie, wie der polnische Chronist suggeriert, eigentlich nicht davon überzeugt waren. Und sie konnten keinen Erfolg erzielen, eben weil sie hier im Unrecht waren. Als „roter Drache“ wurde Kaiser Friedrich in dem Bericht über einen weiteren Versuch Władysławs bezeichnet, mit Hilfe des deutschen Herrschers den Krakauer Thron oder zumindest die Macht in Schlesien zurückzuerhalten, wo sich nach dem letzten Willen des Vaters sein Erbe befand. Kaiser Friedrich gab seinen Bitten nach. Zuerst schickte er Gesandte nach Polen und verlangte die Restitution Władysławs auf diplomatischem Wege. Bolesław lehnte das aber immer wieder ab. Wie Vincenz berichtet, wuchs infolgedessen die Hartnäckigkeit des Kaisers. Endlich versammelte Friedrich ein Heer und unternahm einen Kriegszug nach Polen. Durch weitere Gesandte verlangte er damals von Bolesław entweder die Kapitulation oder eine Schlacht auf offenem Felde. Der kluge Fürst tat keines von beidem, sondern versuchte, die feindlichen Truppen ohne Schlacht auszuhungern. Seine Taktik war erfolgreich: Das kaiserliche Heer musste sich mit einigen Verlusten, ohne Sieg und ohne Ehre zurückziehen.5 Als der vertriebene Władysław starb, setzte sich Friedrich wiederholt für dessen Söhne ein. Es ging jetzt nur noch um ihr schlesisches Erbe. Im Bericht von Vincenz tauchen hier juristische Themen auf. Vor allem aber erlaubt ihm diese Geschichte, zwei Tugenden nebeneinanderzustellen: Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Der positiv dargestellte Protagonist ist Herzog Bolesław, der sowohl aus Gerechtigkeit als auch aus Barmherzigkeit seinen Neffen erlaubt, in die Heimat zurückzukehren und ihr Erbe anzutreten. Vincenz betont, dass Bolesław dies völlig freiwillig tat. Angeblich stand er bei dieser Entscheidung unter keinerlei Druck.6 Aus Vincenz’ Bericht kann man die eine Version entnehmen, eine andere dagegen vermitteln zeitgenössische deutsche und böhmische Quellen. Ihre Version sieht ganz anders aus: Diesen Berichten zufolge war der Kriegszug Friedrich Barbarossas im Jahre 1157 nach Polen erfolgreich.7 Bolesław stellte sich dem 5 Chronica Polonorum III/30 (wie Anm. 1). 6 Ebd. 7 Zu den Ereignissen von 1157 vgl. Dalewski, Zbigniew: Między Krzyszkowem a Mediolanem, in: Bylina, Stanisław (Hg.): Kościół, kultura, społeczeństwo. Studia z dziejów średniowiecza i nowożytnych, hg. Stanisław Bylina, Warszawa 2000, S. 131 f.; BiniaśSzkopek, Magdalena: Bolesław Kędzierzawy, Poznań 2014, S. 120–123 (dort die Bemerkung, dass Vincenz in seinem Bericht die Niederlage in einen Sieg verwandelte). Zur

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Kaiser in Krzyszkowo bei Poznań, demütigte sich8 und akzeptierte die finanziell und politisch eher drückenden Bedingungen der Versöhnung. Obwohl er später vermied, diese auch zu erfüllen, blieb seine Huldigung, die er in Krzyszkowo geleistet haben soll, nach Meinung der Historiker eine politische Tatsache, die die Verhältnisse zwischen dem Kaiser und den polnischen Herzögen wesentlich geprägt hat. Aber davon ist bei Vincenz keine Rede.9 Der Chronist erwähnt auch nicht den zweiten Kriegszug Friedrichs nach Polen, der laut den deutschen Annalen im Jahr 1172 stattgefunden haben soll. Barbarossas Ziel war diesmal die Unterstützung der Söhne Władysławs des Vertriebenen, die zwar schon ihre Herzogtümer in Schlesien erhalten hatten, aber weiterhin mit ihren Onkeln im Konflikt lagen.10 Bei Vincenz kehrt das Motiv des Hilfeersuchens beim Kaiser im polnischen Machtkampf noch einmal wieder, und zwar im viertem Buch der „Chronica Polonorum“11: Diesmal trat der schon oben erwähnte Mieszko III. (der Alte) als besiegter Herrscher auf, der seine Macht zurückzugewinnen versuchte. Er befand Analyse der rechtlichen Folgen des Vertrags von 1157 vgl. Labuda, Gerard: O stosunkach prawnopolitycznych między Polską a Niemcami w połowie XII wieku, in: Czasopismo Prawno-Historyczne 25 (1973), S. 25–60, hier S. 48 f.; Hauziński, Jerzy: Polska a Królestwo Niemieckie w II połowie XII wieku, in: Strzelczyk, Jerzy (Hg.): Polska – Niemcy w średniowieczu, Poznań 1986, S. 137–156, hier S. 142–145. 8 Beispielsweise: Ottonis episcopi Frisingensis et Rahewini Gesta Frederici seu rectius Cronica III/1–5, ed. Franz-Josef Schmale (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 17) Darmstadt 1965, S. 398– 404. Der von einem anderen zeitgenössischen Chronisten, von Vincenz von Prag, erzählte Akt der Demütigung Bolesławs vor Kaiser Friedrich (Vincentii canonici Pragensis Annales, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1875, S. 424 f.) könnte als eine für die Politik dieses Herrschers typische Inszenierung kaiserlicher Macht interpretiert werden. Vgl. Dalewski: Między (wie Anm. 7), S. 136. Interessant ist, dass ausgerechnet dieser Feldzug Barbarossas in neuen Monographien kaum sichtbar wird. Vgl. Görich, Knut: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001, S. 358. 9 Sehr ähnlich hat ein zeitgenössischer Biograph Friedrichs, Rahewin, den früheren Misserfolg der Polenpolitik Konrads III. ganz verschwiegen – Rahewin, Gesta Frederici, III/2 (wie Anm. 8), S. 398, 400. Zu Rahewins Bericht vgl. Pleszczyński, Andrzej: Przekazy niemieckie o Polsce i jej mieszkańcach w okresie panowania Piastów, Lublin 2016, S. 143– 147, 172. 10 Biniaś-Szkopek: Bolesław (wie Anm. 7), S. 132. 11 Chronica Polonorum IV/12 (wie Anm. 1), S. 152 f.

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sich in derselben Rolle wie früher Władysław. Sein erfolgreicher Gegner war sein jüngerer Bruder Kasimir. Mieszko bemühte sich im um Unterstützung von außen: bei deutschen Fürsten oder Markgrafen, von denen einige übrigens mit Mieszko verschwägert waren, und bei Kaiser Friedrich selbst. Mieszkos Initiative hatte anscheinend Erfolg. Es wurde nämlich entschieden, dass in seinem Interesse ein weiterer Kriegszug nach Polen geführt werden sollte. Aber in der Zeit der letzten Vorbereitungen ereignete sich eine schlimme Katastrophe: In der kaiserlichen Burg stürzte während eines Gastmahls das Dach ein, und viele Ritter kamen ums Leben. Auf den Kriegszug wurde deshalb verzichtet. Übrigens berichten die Annalen aus dem Reich tatsächlich von einem solchen Unglück in Halle an der Saale im Jahr 1184. Es wundert nicht, dass Vincenz diese Katastrophe als eindeutiges, von Gott selbst gegebenes Zeichen interpretiert. Dennoch endeten der politische Streit und die Teilnahme des Kaisers daran damals nicht tatsächlich. Es kam nämlich danach noch zu politischen Vereinbarungen, die zur Anerkennung Kasimirs als legaler Herrscher in Krakau durch Friedrich führten. Aber dieser zu Gunsten Kasimirs panegyrische Bericht aus der Feder des Vincenz erzählt nichts weiter vom Verlauf der Geschehnisse. Darüber erfahren wir erst aus der angeblichen Rede Bischof Pełkas, von der, wie schon oben erwähnt, an anderer Stelle berichtet wurde.12 Wenn man Vincenz’ Zeugnis mit anderen zeitgenössischen historiographischen Texten konfrontiert, kann man leicht zu dem Schluss kommen, der Chronist habe mit Hilfe von Verschweigen und Manipulation sowohl auf der Ebene des Faktenberichts als auch der Interpretationen eine rein propagandistische Version im Interesse seiner Helden Bolesław und Kasimir geschaffen. Beide Herzöge treten in seinem Werk als unbeugsame und unbesiegbare Verfechter polnischer Unabhängigkeit vom Kaiserreich auf. Jedesmal, wenn der Kaiser sich in polnische Angelegenheiten einmischte, tat er Unrecht und wurde dann auch tatsächlich dafür bestraft. Solche eher schlichten Interpretationen der „Chronica Polonorum“ genügen aber nicht. Es wäre nützlich zu fragen, ob und eventuell warum die Empfänger ein solch beschönigtes Bild akzeptiert haben. Und ein zweiter Punkt: Wie sah eigentlich Vincenz die Rolle der Kaiser als Garanten der universalen juristischen Ordnung? Einerseits erkennt der Chronist an, dass der Kaiser genauso wie der 12 Hauziński: Polska (wie Anm. 7), S. 149-152.

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Papst Gesetze erlassen und aufheben kann. Andererseits aber lobt er die polnischen Herrscher, die bestimmte kaiserliche Entscheidungen ganz offensichtlich ablehnten oder zumindest ignorierten. Zwar ist dieser Historiker für typisch juristische Angelegenheiten stets sensibel, doch verzichtet er in konkreten, sehr wichtigen Fällen auf eine rechtlich begründete Verteidigung der Haltung seiner Helden: in den Streitfällen zwischen Władysław und Bolesław oder zwischen Mieszko und Kasimir. Er ficht dabei nicht das kaiserliche Vorrecht an, in Streitfällen um die Thronfolge in Polen das Wort zu ergreifen. Eine wirklich polemische Haltung gegenüber den Ansprüchen des Kaisertums als universale Macht wäre im Falle dieses Autors durchaus vorstellbar. Es genügt hier, an eine andere Erzählung aus seiner Feder zu erinnern: Im ersten Buch der Chronik berichtet er von den angeblichen Erfolgen der Polen in der Antike. Vincenz erzählt z.B., wie Alexander der Große von Polen einen Tribut gefordert habe. Die Lechiten hätten das abgelehnt. Vielmehr hätten sie die Gesandten ermordet, ihnen die Haut abgezogen, sie mit Gras und Algen ausgestopft und als rein spöttischen, beleidigenden Tribut an Alexander zurückgeschickt. Natürlich gelang es dem großen Eroberer nicht, Rache an ihnen zu üben und echten Tribut zu erhalten.13 Diese Erzählung gehört zu einem Teil der Chronik, der als „legendenhafte Geschichte“ bezeichnet wird.14 Aber ihr Inhalt, und besonders ihre Konsequenzen, sollten nicht missachtet werden. Alexander und Julius Cäsar, die andere historische Person, die angeblich erfolglos mit den Polen kämpfte, repräsentierten in gelehrten Werken der Epoche eine universale Herrschaft, die von allen Völkern Anerkennung verlangte. Diesem Denken zufolge waren die römischen (d.h. die deutschen) Kaiser des 12. Jahrhunderts die Nachfolger und Erben solcher Ansprüche. Diese Erzählung könnte dann ein Muster bilden, das nachgeahmt werden sollte – vielleicht mit Ausnahme einiger drastischer Handlungen der Vorfahren wie beispielsweise gegenüber den Gesandten. Die Polen, die in der Antike lebten, erhoben bei Vincenz keinen Anspruch, das Zentrum der universalen Geschichte zu sein. Sie waren ein Volk an der Peri13 Chronica Polonorum I/9 (wie Anm. 1), S. 14–16. 14 Zu diesem Teil der Chronik vgl. Banaszkiewicz, Jacek: Polskie dzieje bajeczne Mistrza Wincentego Kadłubka, Wrocław 2002. Zu Alexander dem Großen bei Vincenz: Cetwiński, Marek: Aleksander Macedoński i Śląsk w ,Kronice‘ Wincentego Kadłubka, in: Rostropowicz, Joanna (Hg.): Tradycje kultury antycznej na Śląsku. Praca zbiorowa, Opole 1997, S. 195–203.

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pherie. Aber sie waren auch immer bereit, ihre Freiheit zu verteidigen.15 Der Chronist nimmt diese Perspektive als in der historiographischen Tradition schon seit Langem gegeben an: einen Gegensatz zwischen einem Imperium und einem Eroberer, der Weltruhm begehrt, einerseits und einem kleineren, aber freiheitsliebenden und kriegerischen Volk andererseits.16 Dieses Volk kann ein bisschen barbarisch sein – und ist es oft auch –, es vertritt mit Sicherheit eine niedrigere Stufe der Zivilisation als die ihm gegenüber feindliche Weltmacht, doch dieser Zustand ist vorübergehend. Der Wildheit kann man entwachsen. Die Liebe zur Freiheit dauert fort und wird sublimiert. Gegen Alexander kämpften die Polen in der Antike angeblich erfolgreich. Mit Cäsar erreichten sie eine Vereinbarung als gleichberechtigte Partner.17 Diese zwei Situationen und die Lösungen der Konflikte bestimmen in Vincenz’ Chronik den Rahmen, in welchem die Verhältnisse Polens zu den römisch-deutschen Kaisern situiert werden sollen. Der Kaiser darf nicht zuviel verlangen – wie Alexander. Er soll sich nicht in polnische Angelegenheiten einmischen. Frieden ist ein erwünschter Zustand, aber die Freiheit der Polen muss respektiert bleiben. Vincenz war kein Theoretiker des Begriffs Souveränität. Er hatte zwar feste Ansichten über den Staat. Zum Beispiel betrachtete der Chronist Polen als Einheit und sah Kraków als dessen natürliches „Haupt“ – d.h. als Hauptstadt.18 Die für uns interessante rechtliche Dimension und der oben suggerierte Widerspruch 15 Vgl. dazu Kürbisówna, Brygida: Jak Mistrz Wincenty pojmował historię Polski, in: Studia Źródłoznawcze 20 (1976), S. 66: Tapferkeit und Liebe zur Freiheit als wichtigste Zeichen der Polen bei den Chronisten. 16 Wir kennen das beispielsweise aus dem Bericht Widukinds von Corvey über die Kriege Heinrichs I. und Ottos I. gegen die Slaven an Elbe und Havel: Widukindi monachi Corbeiensis reurum gestarum Saxonicarum libri tres II/20, ed. Paul Hirsch (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usu scholarum separatism editi 60) Hannover 1935, S. 84: Illi [sc. Obodriten bzw. Slaven] vero nichilominus bellum quam pacem elegerunt, omnem miseriam carae libertati postponentes. Est namque huius­ cemodi genus hominum durum et laboris patiens, victu levissimo assuetum, et quod nostris gravis oneris esse solet, Sclavi pro quadam voluptate ducunt. Transeunt sane dies plurimi, his [sc. Theutonis] pro gloria et pro magno latoque imperio, illis [sc. Sclavis] pro libertate ac ultima servitute varie certantibus. Das letzte ist übrigens eine dem römischen Historiker Sallust nachempfundene Phrase. 17 Chronica Polonorum I/17 (wie Anm. 1), S. 22 f. 18 Bieniak, Janusz: Jak Wincenty rozumiał i przedstawiał ustrój państwa polskiego, in: Dąbrówka, Andrzej/Wojtowicz, Witold (Hg.): Onus Athlanteum. Studia nad kroniką biskupa Wincentego, Warszawa 2009, S. 39–43, hier S. 44; Kürbisówna: Einleitung (wie Anm. 3), S. LXXI–LXXII.

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in seinem Text verlangen dennoch, dass wir versuchen, Vincenz’ Denken über die Souveränität zu analysieren. Was war eigentlich der größte Fehler, den Konrad und Friedrich begangen haben? Sie respektierten nicht die Entscheidungen, die von den Polen selbst getroffen wurden. Zweifellos meinte der Chronist hiermit die Entscheidungen der adligen Elite, nicht die der Gesellschaft als Gesamtheit. Vinzenz sieht diese Elite als politische wirkende Kraft in seiner Zeit und schließt daraus auf deren Macht auch in früheren Jahrzehnten. Wenn der Hochadel beschlossen hat, wer in der Krakauer Hauptprovinz Herzog werden soll, dann darf der Kaiser damit nur einverstanden sein. Er soll sich nicht einmischen. Raum für eine kaiserliche Intervention gab es nur, wenn diese Elite ein Schiedsverfahren gestattete. Vincenz erwähnt für die Zeit um 1180 keinen Gesandten von Kasimir – des damaligen Lieblings des Krakauer Hochadels – an den kaiserlichen Hof. Aber nur eine solche Gesandtschaft konnte erreichen, dass der Kaiser die Herrschaft Kasimirs anerkannte. Und es ist schwer vorstellbar, dass Kasimir, als er sich um Anerkennung durch Friedrich Barbarossa bemühte, gegen die politische Linie seiner hochadligen Anhänger vorging. So sah also die Situation aus, wie sie aus den Formulierungen in der Rede von Bischof Pełka abgeleitet werden kann. Dieselbe Rede verleiht auch der kaiserlichen Entscheidung, die auf diese Art und Weise erreicht werden sollte, ihre besondere Bedeutung als Präzedenzfall: Offenbar wurde das universale Prärogativ des Kaisers nur bedingt anerkannt. Die polnische Elite soll zuerst um Entscheidung durch ein kaiserliches Schiedsgericht bitten oder sie als eine politische Lösung zumindest akzeptieren. In der Tat aber enthüllt der Text von Vincenz vielleicht eine einfachere „Philosophie“: wenn der Kaiser unsere Sache unterstützt, dann erkennen wir seine Prärogative an. Andernfalls ist die kaiserliche Intervention eine Art von Exzess, der in Form einer Niederlage oder sogar Katastrophe bestraft wird. Und der Kaiser darf seine eigenen Urteile in Polen nicht einfach selbst vollstrecken. Das Problem, das bei Vincenz offenbleibt, ist die Frage, wer wann in einem inneren politischen Streit beim Kaiser um Hilfe nachsuchen darf: Soll jemand, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt, beim Kaiser Klage erheben können oder nicht? Die Unterschiedlichkeit der in der Chronik erzählten Fälle erklärt, warum ihr Autor in seinen Antworten nicht eindeutig zu sein scheint. Erinnern wir uns nur an ein Beispiel: In seiner Beschreibung der Bemühungen Władysławs des Vertriebenen am kaiserlichen Hof entwirft Vincenz ein Bild, das zwar sicher rhetorisch übertrieben ist und teilweise ironische Züge hat, aber dennoch von

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einer bestimmten Denkweise zeugt. Zumindest aus der Perspektive Władysławs wäre der deutsche Herrscher also „ein Zufluchtsort in der Zuflucht, ein Hafen für Schiffbrüchige, ein Trost in der Einöde, das einzige Heilmittel in der Verzweiflung, überhaupt die Rettung im ganzen Unglück“19. Hier und auch im Kapitel, in dem sich Friedrich Barbarossa für Władysławs Söhne einsetzt, nimmt der Kaiser die Rolle dessen ein, der jene unterstützt, die sich in ihrem Recht verletzt sahen. Die suggestiven Formulierungen geben zu erkennen, dass Vincenz die Position der kaiserlichen universalen weltlichen Macht nicht in Frage stellt. Aber so eindeutig ist seine Antwort auf die oben formulierte Frage dann doch nicht. Es geht nämlich um das sogenannte würdige Benehmen. Dass Vincenz die mutmaßliche Huldigung und Demütigung Bolesławs IV. vor Kaiser Friedrich bei Poznań im Jahre 1157 vollkommen verschwieg, ist nicht nur eine Sache der Ehre des Landes. Es war also nicht nur wichtig, alles, was Polens Ansprüchen auf eigene Souveränität schaden könnte, gänzlich auszulöschen. Der Chronist schildert das Geschehen, in dem sich der Held persönlich zu demütigen scheint, auch deshalb nicht, weil sonst eine Inkohärenz im Bild des Herzogs entstehen würde. Die Zeitgenossen wussten, dass Bolesław die politischen und finanziellen Verpflichtungen, die ihm der Vertrag mit Friedrich auferlegte, tatsächlich nicht erfüllt hatte. Das erleichterte die Vorstellung, dass er auch im symbolischen Bereich alles richtig und mit angemessener Würde getan hatte. Auf der anderen Seite betont Vincenz in seinen Berichten über die Bemühungen Władysławs und Mieszkos um kaiserliche Hilfe, wie zudringlich sie sich dabei verhielten. Sie waren nicht nur die Verlierer in ihrem Vaterland. Sie benahmen sich auch nicht würdig, als sie den Kaiser und die deutschen Fürsten so hartnäckig um Unterstützung baten. Also waren beide vertriebene Herzöge aus der Piastendynastie nicht imstande, Respekt zu wecken: weder in Polen noch außerhalb. Vincenz wagt es manchmal in seiner Chronik, die Kaiser zu verspotten. Die meisten Beispiele dafür können in den Kapiteln gefunden werden, in denen von ihren Auseinandersetzungen und nachgerade militärischen Konflikten mit den Piasten die Rede ist. Der Bericht vom erfolglosen Feldzug Heinrichs V. nach Polen im Jahre 1109 illustriert das am besten. Aber ein bisschen spöttisch klingt auch die Formulierung vom „Roten Drachen“ in Bezug auf einen so starken 19 Chronica Polonorum I/30 (wie Anm. 1), S. 124: … asilum refugii, portus naufragantium, desolationis solatium, unicum desperationis remedium, totius denique calamitatis subsidi­ um. Die deutsche Übersetzung dieses Satzes nach der Ausgabe von E. Mühle.

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Herrscher wie Friedrich Barbarossa. Friedrichs Legionen, wie sie im Text bezeichnet werden, die angeblich Herzog Bolesław und seiner hinterhältigen Taktik unterlagen – das ist nicht nur rhetorische Übertreibung, sondern ätzende, auf den Mythos der kaiserlichen Unbesiegbarkeit zielende Ironie. Es ist durchaus möglich, dass Vincenz auch König Konrad III. verspottet, wenn er ihn als Kaiser tituliert – genauer gesagt, als Kaiserliche Majestät. Schließlich wurde dieser Herrscher nie in Rom gekrönt. Jedoch könnte der Chronist diesen Sachverhalt auch ganz einfach nicht gekannt haben. Doch die allgemeine Aussage der Chronik ist bemerkenswert. Eine seltene und eher heuchlerische Achtung vor der kaiserlichen Würde und dem Imperium verbindet sich mit einer Haltung, die mit folgenden Worten resümiert werden könnte: „Haltet euch von uns fern!“ Und das ist natürlich strikt mit der politischen Realität der Zeit von Vincenz verbunden. Wie ist das zu erklären? Als Vincenz seine Chronik schrieb, waren Kaiser Friedrich und sein mächtiger Sohn Heinrich VI. wahrscheinlich schon gestorben. Der Thronstreit tobte in deutschen Ländern. Kein Herrscher aus dem Reich konnte mehr über Kronen, Tiaren oder Herrschaftsansprüche entscheiden. Im Gegenteil: Die Rivalen um die Kaiserwürde bemühten sich um Unterstützung bei verschiedenen kleineren Herrschern. Einige von ihnen nutzten diese Gelegenheit zu ihrem Vorteil – wie z.B. Přemysl Ottokar I., der für seine Dynastie schließlich den erblichen Königstitel gewann. Gleichzeitig aber suchte wahrscheinlich niemand Hilfe in Kraków. Das Reich verlor für längere Zeit, wie später deutlich wurde, völlig das Interesse an den polnischen Angelegenheiten. Und gerade damals, vor dem Hintergrund der schwindenden Gefahr einer kaiserlichen Intervention, konnte bei der Krakauer Elite das Gefühl einer Marginalisierung entstehen. Dies wiederum bewirkte bei den Individuen, die dieses Gefühl teilten, starke Frustrationen. Vincenz’ Frustration ist vielleicht in seiner Ironie zum Ausdruck gekommen. Auf diese Weise wurde die Randlage Polens in der europäischen Politik zu einer Art Tugend verklärt. Aber warum sollte der angebliche Verlust des Interesses, das eine äußere, ganz oft im Streit mit Fürsten aus Piastendynastie bleibende Macht zeigte, eine Ursache für die Frustration in der Krakauer Elite sein, besonders im Fall des Geschichtsschreibers und seines engeren Kreises? Es gibt wahrscheinlich zwei Gründe dafür. Der erste ist verbunden mit den Vorstellungen von Geschichte, die Vincenz teilte. Für diesen Chronisten (wie für viele andere natürlich auch) gelten als Maßstab für den Wert der Geschichte eines Landes die Heldentaten. Und eine Frage entsteht: Kann man wirklich heldenhafte Taten vollbringen, wenn

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man mit keiner tatsächlich größeren Macht mehr konfrontiert wird? Wie sollte sich also jemand beispielsweise mit Bolesław dem Tapferen oder Bolesław III. im Heldentum messen können, in Liedern, Chroniken, Erzählungen und in der historischen Tradition überhaupt, wenn Polen schon lange nicht mehr von kaiserlichen Legionen angegriffen wurde? Nur zu einem gewissen Grade sind die Kriege mit den heidnischen Jatwingern oder den „Schismatikern“ aus der Rus’ zur Zeit des Herzogs Kasimir ein Ersatz dafür. Außerdem: Kann man ein bedeutender Teilnehmer der internationalen Politik sein, wenn man von niemandem für wichtig gehalten wird? Ein zweiter Aspekt ergibt sich aus der bei Vincenz erkennbaren Vorliebe für das Rechtswesen und die Jurisprudenz. Das sieht manchmal wie eine juristische Gelehrsamkeit auf der Ebene leerer, rhetorischer Vorführung aus, noch dazu in einer Wirklichkeit, wo das römische Recht kaum Anwendung fand – wie in Polen im 12. oder 13. Jahrhundert. Aber dasselbe römische Recht gilt dem Chronisten als eines der wichtigsten Elemente des universalen (heute könnte man vielleicht hinzufügen: des europäischen) Erbes.20 Durch Vermittlung des Papstes und des Kaisers bewahrten die polnischen Eliten nach Vincenz’ Ansicht eine dauerhafte Verbindung mit diesem Erbe. Das war nicht zu überschätzen. Die Vorstellung von der kaiserlichen Würde gehörte an sich auch dazu. Sobald der Kaiser aber nicht mehr anwesend war in Form seiner Interventionen und Urteile, sobald er ein Phantom aus der Vergangenheit und gleichzeitig nur ein leerer Begriff in der Gegenwart wurde, könnte sich jemand, der durch dieses Erbe tief geprägt war, von etwas Wichtigem abgeschnitten fühlen. Wenn Vincenz im viertem Buch seiner Chronik zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen Mieszkos III. des Alten aufzählt, dann ist das nicht ohne Bedeutung.21 Diese Beziehungen waren weit über Ost- und Mitteleuropa ausgedehnt. Zwar reichten sie nicht unmittelbar bis zur kaiserlichen Familie, aber der 20 Vetulani, Adam: Prawo kanoniczne i rzymskie w Kronice Mistrza Wincentego, in: Studia Źródłoznawcze 20 (1976), S. 44, betonte dennoch, dass aus der Sicht des Chronisten das römische (d.h. kaiserliche) Recht viel wichtiger war als die ganze lokale rechtliche Tradition. Überhaupt nur deswegen akzeptierte Vincenz, nach Meinung von Vetulani, das kaiserliche Engagement in den polnischen Angelegenheiten. Vgl. auch Nowacki, Bronisław: Poglądy prawno-polityczne w Kronice Mistrza Wincentego, in: Chłopecka, Helena (Hg.): Mente et litteris. O kulturze i społeczeństwie wieków średnich, Poznań 1984, S. 127–134, hier besonders S. 132–134. 21 Chronica Polonorum IV/2 (wie Anm. 1), S. 130 f.

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in seinem Land immer weniger beliebte Herzog wird vor seinen Untertanen wahrscheinlich mit seinen weitreichenden Verbindungen geprahlt haben. Sie haben ihn tatsächlich in einer politischen Ordnung verankert, in der das Imperium zweifellos den Vorrang bewahrte, obwohl sie ihm, wie der Chronist suggeriert, in der Not vielleicht nicht halfen. Bei Vincenz treten hier zwei Tendenzen auf. Einerseits machten ihn Mieszkos III. Beziehungen stolz. Das ist auch so, weil dieser Herzog im Gegensatz zu Władysław keine eindeutig negative Figur in der Chronik ist. Und der Verfasser scheint zu sagen: Seht nur, wie geehrt dieser polnische Herrscher zu seiner Zeit bei Fremden war, fast alle haben gern mit ihm Beziehungen aufgenommen. Auf der anderen Seite aber stellt sich implizit die Frage, wie das im Vergleich mit den früheren Piasten ausgesehen hat? Mieszkos Vorfahren verheirateten sich mit kaiserlichen Schwestern oder Nichten. Nach Władysław dem Vertriebenen war das allerdings vorbei, und Vincenz machte sich dies wahrscheinlich auch bewusst. Es mag vielleicht nur eine Spekulation sein, aber es ist gut möglich, dass der Chronist in dieser Wendung in der Heiratspolitik ein Zeichen für den Niedergang der Bedeutung der Piasten sah. Die tatsächlich engen Beziehungen mit den Kaisern wurden abgebrochen. Freilich stand das nicht in Widerspruch zu Vincenz’ echter Begeisterung für den zeitgenössischen Herzog Kasimir. Resümierend kann festgestellt werden, dass Vincenz und sein Kreis, die adlige Elite aus Kleinpolen zu Beginn des 13. Jahrhunderts, die Einmischung eines Kaisers in die lokale polnische Politik ablehnten; genauso wenig aber schätzten sie es, wenn er sich dort gar nicht mehr engagierte. Das nämlich bedeutete für Polen eine Marginalisierung. Das Bestehen des Imperiums begründete eine universale Ordnung, die von Vincenz akzeptiert wurde, und gab der Geschichte überhaupt erst einen Sinn. Die konkreten Kaiser mögen zwar manchmal Spott verdienen, aber die Idee und die Institution müssen geachtet werden. Eine Frage, die sicherlich auch im Fall der Wahrnehmung des Kaisers gestellt werden könnte, betrifft das Problem des vermeintlich repräsentativen Charakters der Haltung Kadłubeks. Es ist klar, dass dieser Chronist die Art und Weise der Wahrnehmung der eigenen Geschichte der polnischen Eliten für lange Zeit gewissermaßen monopolisiert hat.22 Er war selbst vom früheren Geschichtsschreiber 22 Ein Indiz für die Popularität und den Einfluss der Chronik ist die Zahl der erhaltenen Handschriften vgl. Plezia, Marian: Einleitung zur Chronica Polonorum (wie Anm. 1), S. XI–XVI, über die indirekte Tradierung des Werkes ebd., S. XVI–XVII; außerdem Edu-

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Gallus Anonymus abhängig, soweit es um die weiter zurückliegenden Zeiten ging. Aber dann wurde er selbst eine große historiographische Autorität für spätere Generationen – wie zahlreiche Handschriften und Kommentare zu seinem Werk beweisen. Das ergab sich vielleicht auch daraus, dass die Konkurrenz auf seinem Arbeitsfeld tatsächlich fehlte. Das heißt, dass keine alternative Version der jüngeren Vergangenheit am Ende des 12. Jahrhunderts entstand, oder, um es vorsichtiger zu formulieren, wir kennen kein schriftliches Werk, das eine alternative Sicht vertreten würde. Eine solche Version hätte zweifellos entstehen können. Es gab nämlich, besonders in Großpolen, einen Kreis einflussreicher Anhänger von Herzog Mieszko III. dem Alten, dem im Machtkampf um den Krakauer Thron unterlegenen Rivalen des idealisierten Helden der „Chronica Polonorum“, Kasimirs des Gerechten.23 Die Historiker wollen sogar Spuren seiner Einstellung in der bekannten Gnesener Bronzetür gefunden haben.24 Aber selbst wenn ein zweiter Kadłubek zur Feder gegriffen hätte, um Mieszkos Sache zu verteidigen, ist nichts aus seinem Werk erhalten geblieben, und nichts davon hat einen ersichtlichen Einfluss auf das historische Wissen und Denken der nächsten Generationen ausgeübt. ard Mühle in der Einleitung zu seiner Ausgabe, hier S. 68–72. Vgl. auch Plezia, Marian: Tradycja rękopiśmienna Kroniki Kadłubka, in: Ders.: Scripta minora. Łacina średniowieczna i Wincenty Kadłubek, Kraków 2001, S. 278–280. Kleinere Beiträge über den Einfluss des Werkes: Zwiercan, Marian: Komentarze i przeróbki Kroniki Mistrza Wincentego, in: Studia Źródłoznawcze 20 (1976), S. 106–114; Szymański, Józef: O recepcji Kroniki Wincentego w środowisku krakowskim w XV wieku, in: Studia Źródłoznawcze 20 (1976), S. 115–122. 23 Die Ansicht, dass Vincenz gegenüber Mieszko eindeutig kritisch eingestellt war, wurde angefochten von Bieniak, Janusz: Mistrz Wincenty o współczesnych mu Piastach, in: Zielińska-Melkowska, Krystyna (Hg.): Europa Środkowa i Wschodnia w polityce Piastów, Toruń 1997, S. 33–52. Diese Argumentation wurde später ausgebaut in: Bieniak: Jak Wincenty rozumiał (wie Anm. 18). Nach Bieniak war Kasimir der Gerechte, der siegreiche Rivale Mieszkos, weder ein Ideengeber noch von Anfang an der beabsichtigte Held des Werkes; die Chronik wurde eher vom Krakauer Bischof Matthäus inspiriert. Polemisch dazu: Skibiński, Edward: Mieszko czy Kazimierz? W sprawie sporu o inspiratora Mistrza Wincentego, in: Strzelczyk, Jerzy/Dobosz, Józef (Hg.): Nihil superfluum esse, Poznań 2000, S. 167–174. 24 Zu Mieszko  III. als Stifter und Inspirator der Bronzetür aus Gniezno vgl. Skwierczyński, Krzysztof: Książę czy arcybiskup fundatorem Drzwi Gnieźnieńskich? Próba nowej interpretacji pewnego motywu ikonograficznego, in: Dalewski, Zbigniew (Hg.): Granica wschodnia cywilizacji zachodniej w średniowieczu, Warszawa 2014, S. 279– 296.

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Es lohnt sich, zumindest eine solche Möglichkeit zu erwähnen, weil sich die Haltungen der damaligen polnischen Eliten gerade im Verhältnis zu Kaiser und Papst unterscheiden konnten. Die Meinungen, Interpretationen und sogar Auslassungen im Werk von Vincenz Kadłubek ergaben sich auch aus der Polemik gegen die Anhänger dieser abweichenden Einstellungen, die wahrscheinlich schnell und vielleicht ganz einfach auf Grund des historischen Zufalls vollkommen verschwunden sind.

Jürgen Dendorfer

Vasallen und Lehen unter Friedrich Barbarossa: Politische Bindungen durch das Lehnswesen?

Dem vorliegenden Band liegt die Frage zugrunde, „welche zeitgenössisch relevanten Kategorien“ die Beziehungen zwischen Friedrich Barbarossa und den weltlichen und geistlichen Eliten Mitteleuropas bestimmten“.1 Neben der zu Recht als Position der älteren Forschung markierten „rechtlichen Bindung“, dem Lehnswesen oder Lehnrecht, das die Literatur zu unserem Thema bis an die Schwelle der Gegenwart als Deutungsmuster durchzieht, nannte das der Tagung vorausgehende Exposé „Verwandtschaft“ und „Freundschaft“ als belastbare politische Bindungen. Scheiternde Bindungen, Konflikte, insbesondere Rangkonflikte seien aussagekräftig, weil sie Ursachen für eskalierende Gegensätze offenlegen und damit „Rückschlüsse auf die Wertvorstellungen der Zeitgenossen“ bzw. der Autoren der Quellen zulassen.2 Mit einem solchen Zugriff auf „personale Bindungen“ versuchen Früh- und Hochmittelalterhistoriker seit geraumer Zeit, das Handeln politischer Akteure zu erklären.3 Das Verhältnis Friedrich Barbarossas zu den 1 2 3

Knut Görich/Martin Wihoda: Einleitung (in diesem Band), S. 8. Ebd., S. 11. Aus der umfangreichen Literatur zum Thema für das Früh- und Hochmittelalter: Althoff, Gerd: Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990; van Eickels, Klaus: Tradierte Konzepte in neuen Ordnungen: personale Bindungen im 12. und 13. Jahrhundert, in: Schneidmüller, Bernd/Weinfurter, Stefan (Hg.): Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter (Vorträge und Forschungen 64) Ostfildern 2006, S. 93–125; Lubich, Gerhard: Verwandtsein: Lesarten einer politisch-sozialen Beziehung im Frühmittelalter: 6.–11. Jahrhundert (Europäische Geschichtsdarstellungen 16) Köln 2008; Goetz, Hans-Werner: Verwandtschaft im früheren Mittelalter (I). Terminologie und Funktionen, in: Krieger, Gerhard (Hg.): Verwandtschaft, Freundschaft, Bruderschaft. Soziale Lebens- und Kommunikationsformen im Mittelalter (Akten des Symposiums des Mediävistenverbandes 12) Berlin 2009, S. 15–36; Ders.: Verwandtschaft im früheren Mittel-

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böhmischen, polnischen und ungarischen Großen aus dieser Sicht zu betrachten, verspricht deshalb ertragreich zu sein. Allerdings bringt mich der angedeutete Forschungsstand im Hinblick auf das Lehnswesen als personale Bindung etwas in Verlegenheit. Denn die Spannung zwischen der Bedeutung, die dem „Lehnswesen“ einst zugeschrieben wurde, und dem, was sich angesichts der im Fluss befindlichen Forschung sicher festhalten lässt, ist erheblich. Diese Spannung verstärkt sich zunehmend. Noch vor einigen Jahren war ich zuversichtlicher, dass in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, in der Zeit Friedrich Barbarossas auch in seinem Herrschaftsbereich nördlich der Alpen eine Art Lehnswesen greifbar sein könnte.4 Aus dieser Sicht hätte es durchaus Sinn machen können unter dem Stauferkönig von einer hierarchischen personalen Bindung auszugehen, dem Lehnswesen, das Beziehungen der Großen zum König und untereinander ordnete. Mittlerweile haben sich allerdings die Zweifel verstärkt, ob es die Verbindung zwischen dinglicher und personaler Komponente, zwischen der Vergabe eines Lehens und dem Eintreten in die Vasallität, in der Zeit Friedrich Barbarossas in einem signifikanten Umfang gab. Erst eine weitverbreitete und allgemein geteilte Vorstellung davon würde es jedoch erlauben, mit dem Lehnswesen eine belastbare politische Bindung zu beschreiben. Deshalb also die zaghafte Formulierung des Titels dieses Beitrags „Vasallen“ und „Lehen“ – und eben nicht das Lehnswesen – unter Friedrich Barbarossa, sowie das große Fragezeichen nach den „politischen Bindungen durch das Lehnswesen“, das man auch hinter eine alternative, zurückhaltendere Formulierung

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alter (II). Terminologie und Funktionen, in: Ludwig, Uwe (Hg.): Nomen et fraternitas. Festschrift für Dieter Geuenich zum 65. Geburtstag (Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde 62) Berlin 2008, S. 547–574; Patzold, Steffen/Ubl, Karl (Hg.): Verwandtschaft, Name und soziale Ordnung (300–1000) (Ergänzungsbände zum Reallexikon der germanischen Altertumskunde 90) Berlin 2014. Vgl. die Projektskizze Albertoni, Giuseppe/Dendorfer, Jürgen: Das Lehnswesen im Alpenraum – zur Einleitung/Vasalli e feudi nelle Alpe – Introduzione, in: Dies.: Das Lehnswesen im Alpenraum/Vassalli e feudi nelle Alpe (Geschichte und Region/Storia e regione 22, 2013) Innsbruck 2014, S. 5–24, hier S. 14 f.; vorsichtiger im Beitrag zur letzten Tagung in Brünn: Dendorfer, Jürgen: Der König von Böhmen als Vasall des Reiches? Narrative der deutschsprachigen Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts im Licht der Diskussion um das Lehnswesen, in: Görich, Knut/Wihoda, Martin (Hg.): Friedrich Barbarossa in den Nationalgeschichten Deutschlands und Ostmitteleuropas (19.–20. Jh.), Köln/Weimar/Wien 2017, S. 229–284, hier S. 240.

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„politische Bindungen durch Vasallitäten bzw. Lehen“ setzen könnte. Die Aufgabe meines Beitrags im Rahmen dieses Bandes kann es deshalb nur sein, Einblick in die aktuelle Diskussion zum Komplex des vormaligen Lehnswesens, in den gerade entstehenden und zum Teil noch unpublizierten Forschungsstand zu geben. Auf diese Weise ist für die Untiefen der in der älteren Literatur angebotenen Annahmen über vorhandene oder nicht vorhandene lehnrechtliche – und das bedeutet meist „staatsrechtliche“ – Bindungen Böhmens, Ungarns oder Polens an das Reich zu sensibilisieren.5 Der derzeitige Forschungsstand bringt mich aber im Rahmen dieses Bandes noch in eine weitere Verlegenheit. Denn mit leichter Hand wäre ein weiterer Beitrag zu schreiben, warum bestimmte Schlüsselszenen in der Zeit Friedrich Barbarossa nicht wie im bisherigen Sinne lehnrechtlich zu deuten sind.6 Solche Studien liegen schon vor: für die Begegnung zwischen Friedrich Barbarossa und Papst Hadrian IV. in Sutri 1155,7 für die Erhebung Österreichs zum Herzogtum im Jahr 1156,8 für den Hoftag von Besançon 11579 oder den Prozess gegen Hein5 6 7

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Für Böhmen vgl. historiographiegeschichtlich Dendorfer: König von Böhmen (wie Anm. 4), zu einer aktuellen Sicht vgl. den Beitrag von Libor Jan in diesem Band. Zur Einordnung und zum Kontext: Görich, Knut: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011. Hack, Achim Thomas: Das Empfangszeremoniell bei mittelalterlichen Papst-KaiserTreffen (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 18) Köln 1999, S. 516–540; Görich, Knut: Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne) Darmstadt 2001, S. 93–106; Deutinger, Roman: Sutri 1155: Mißverständnisse um ein Mißverständnis, in: Deutsches Archiv für die Erforschung des Mittelalters 60 (2004), S. 97–134. Zur neuartigen Wahrnehmung der Vergabe von Herzogtümern als Lehen in diesem Zusammenhang: Deutinger, Roman: Das Privilegium minus, Otto von Freising und der Verfassungswandel des 12. Jahrhunderts, in: Schmid, Peter/Wanderwitz, Heinrich (Hg.): Die Geburt Österreichs. 850 Jahre Privilegium minus, Regensburg 2007, S. 179–199; zur Einordnung des „Privilegium minus“ als Lehnsurkunde im europäischen Vergleich: Maleczek, Werner: Das Privilegium minus. Diplomatische Gesichtspunkte, in: ebd., S. 103–141; erweiterte Überlegungen zur Vergabe von Herzogtümern als Lehen Deutinger, Roman: Vom Amt zum Lehen. Das Beispiel der deutschen Herzogtümer, in: Spiess, Karl-Heinz (Hg.): Ausbildung und Verbreitung des Lehnswesens im Reich und in Italien im 12. und 13. Jahrhundert (Vorträge und Forschungen 76) Ostfildern 2013, S. 133– 157, hier zur Erhebung Österreichs zum Herzogtum S. 137 f. Aus der Fülle der Literatur zu Besançon nur die jüngsten Titel, Görich: Ehre (wie Anm. 7),

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rich den Löwen 1180.10 Abstrakter ließe sich erörtern, weshalb es unsinnig ist, eine große Bandbreite von Bezeichnungen in den Quellen deutend in die Konzepte von Vasallen, Lehen oder gar des Lehnswesens zu pressen.11 Nicht zuletzt wäre es sicher erhellend vorzuführen, zu welcher Zeit die Geschichtsschreibung diese Befunde als lehnrechtliche Verhältnisse deutete und welches Geschichtsbild damit verbunden war.12 Solche dekonstruierenden Zugriffe können zwar aufdecken, wo – durch die Brille des Lehnswesen gesehen – verzerrte und anachronistische Interpretationen bestehen. Allerdings ermöglichen sie keine Annäherung an „zeitgenössisch relevante Kategorien“, denn in der Negation bleiben sie dem Lehnswesen als Deutungsrahmen verbunden. Ob der Verbindung zwischen Vasallität und Lehen, dem Kerngedanken des Lehnswesens, jedoch die bisher angenommene Bedeutung zukam, daran kann man zweifeln. Solche gleichsam mit erhobenem Zeigefinger geschriebene Beiträge können deshalb nur ein erster Schritt sein, dem künftig weitere folgen müssen. Allein beim derzeitigen Forschungsstand kann zu viel Mut auch rasch auf Abwege fühS. 106–116; Deutinger, Roman: Kaiser und Papst: Friedrich I. und Hadrian IV., in: Dendorfer, Jürgen/Deutinger Roman (Hg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz (Mittelalter-Forschungen 34) Ostfildern 2010, S. 329–345, hier S. 338–342; Weinfurter, Stefan: Die Päpste als „Lehnsherren“ von Königen und Kaisern im 11. und 12. Jahrhundert, in: Spiess: Ausbildung und Verbreitung (wie Anm. 8), S. 17–40; Görich: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 6), S. 268– 282; Lubich, Gerhard: Der Tag von Besançon (1157) im Kontext. Europäische Politik, hochmittelalterliche Versammlungen, Netzwerke und Karrieren im Zusammenspiel, in: Gabriele, Anna/Nowak, Jessika (Hg.): Et l’homme dans tout cela? Von Menschen, Mächten und Motiven. Festschrift für Heribert Müller zum 70. Geburtstag (Frankfurter historische Abhandlungen 48) Stuttgart 2017, S. 301–320; Hehl, Ernst-Dieter: beneficium – wohlwollend interpretiert. Der Hoftag von Besançon 1157, in: Gudian, Janus u.a. (Hg.): Erinnerungswege. Kolloquium zu Ehren von Johannes Fried, Stuttgart 2018, S. 135–156. 10 Dendorfer, Jürgen: Das Lehnrecht und die Ordnung des Reiches. „Politische Prozesse“ am Ende des 12. Jahrhunderts, in: Spiess: Ausbildung und Verbreitung (wie Anm. 8), S. 187–220. 11 Dazu demnächst der Versuch, „Leiheformen“ an Stelle einer verengenden „lehnrechtlichen Interpretation“ für ein breites Panorama urkundlicher und historiographischer Quellen zu untersuchen: Dendorfer, Jürgen/Patzold, Steffen (Hg.): Tenere et habere. Leihen als soziale Praxis im Früh- und Hochmittelalter, voraussichtlich Ostfildern 2019. 12 Dazu die Fallstudie für die lehnrechtliche Deutung der Beziehungen Böhmens zum Reich: Dendorfer: König von Böhmen (wie Anm. ).

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ren. Im ersten Teil des Beitrags werde ich deshalb den aktuellsten Forschungsstand und damit die Gründe für den Zweifel darlegen, um dann in einem weiteren Schritt die historiographischen Prägungen des Themas und offene Fragen, die sich in letzter Zeit noch verstärkten, aufzuzeigen. Damit soll deutlich werden, warum es derzeit schwierig ist, das Lehnswesen als „zeitgenössisch relevante Kategorie“ zur Beschreibung „politischer Beziehungen“ zu verstehen. Am Ende versuche ich dann erste Beobachtungen und zaghafte Überlegungen festzuhalten, welche politische Funktionen Lehen und Vasallität unter Barbarossa gehabt haben könnten.

I. Welches Lehnswesen? Grundzüge der Debatte und aktuelle Fragen Nach einer verzögerten Rezeption der Erkenntnis des 1994 erschienenen Buches von Susan Reynolds13 diskutiert die deutschsprachige Forschung bekanntlich seit einer Münchner Tagung im Jahr 2008 über das Lehnswesen.14 Im Zentrum steht die Frage, ob und, wenn ja, seit wann es das Lehnswesen im klassischen Sinne der Verfassungsgeschichte im deutschsprachigen Raum gab. „Klassischer Sinn“ meint dabei die kausal notwendige Verbindung eines personalen – der Vasallität – und eines dinglichen Elements – des Lehens – im Ritual des Handgangs (des Legens der Hände des Manns in die Hände des Herrn), mit dem die Unterordnung eines Freien unter einen anderen Freien sichtbar gemacht wird. Die Lehnsbindung habe Herrn und Mann zu gegenseitiger Unterstützung verpflichtet: den Mann zu consilium und auxilium, zu Rat und Hilfe, den Herrn zur 13 Reynolds, Susan: Fiefs and vassals. The medieval evidence reinterpreted, Oxford 1994; mit Ergänzungen: Dies. (Hg.): The Middle Ages without feudalism. Essays in criticism and comparison on the medieval West, Farnham u.a. 2012, sowie jüngst, mit einem Blick auf die jüngere deutschsprachige Diskussion: Dies.: The History of the Idea of Lehnswesen, in: German Historical Institute London Bulletin 39/2 (2017), S. 3–20. 14 Zusammenfassend Patzold, Steffen: Das Lehnswesen (Beck’sche Reihe 2745) München 2012; Auge, Oliver: Art. „Lehnrecht, Lehnswesen“, in: Cordes, Albrecht u.a. (Hg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 1, 19. Lieferung, 2. völlig überarb. und erweiterte Aufl., Berlin 2014, Sp. 717–736, aus deutsch-italienischer Perspektive: Albertoni/Dendorfer: Lehnswesen im Alpenraum (wie Anm. 4), S. 5–24; für die italienische Forschung, die internationale, auch deutschsprachige Diskussion in den Blick nehmend: Albertoni, Giuseppe: Vassalli, feudi, feudalesimo (Studi superiori 983) Roma 2015.

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Schutz und auch zur materiellen Ausstattung seines Lehnsmannes. Dadurch, dass nicht nur der König Lehen vergab, sondern auch Fürsten und anderen Herren, sei eine Lehnspyramide vom König über die geistlichen und weltlichen Fürsten bis hinab zu einfachen Freien entstanden.15 Der Vorstellung einer solchen Bindung eines Mannes an seinen Herrn liegt im Kern auch der Diskussion um die lehnrechtliche Bindung von Königen und Herzögen außerhalb des Reiches an den Kaiser bzw. König des deutschen Reiches zugrunde. Eine Diskussion, in der dem Lehnswesen die Funktion zugewiesen wird, in Form eines Staatsrechts avant la lettre, die Stellung auswärtiger Herzöge und Könige zum Kaiser des Reiches zu klären.16 Dieses grob skizzierte Bild des Lehnswesens, das zum gesicherten Wissen in Einführungskursen und Handbüchern gehörte, bekam im deutschsprachigen Raum nach 2008 deutliche Risse. Heute kann man sagen, dass es in dieser Form nicht mehr vorhanden ist. Für die Karolingerzeit wurde das Bild, um in der Metapher zu bleiben, von der Wand genommen.17 Im Hochmittelalter bleibt zu dis15 Vgl. dazu das wirkungsvolle Studienbüchlein von Ganshof, François Louis: Was ist das Lehnswesen?, Darmstadt 6. Aufl. 1983; die ausgearbeitetste Studie zum Sujet: Mitteis, Heinrich: Lehnrecht und Staatsgewalt. Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte, Weimar 1933, Nachdruck Darmstadt 1974. 16 Diesen Punkt behandelte Mitteis nicht, ein gewissen Ersatz sollte dafür bieten: Scheiding-Wulkopf, Ilse: Lehnsherrliche Beziehungen der fränkisch-deutschen Könige zu anderen Staaten vom 9. bis zum Ende des 12. Jahrhunderts (Marburger Studien zur älteren deutschen Geschichte II/9) Marburg 1948. Daneben wenden sich der Frage zahlreich staatsrechtliche Arbeiten des 19. und 20. Jahrhunderts zu. 17 Zusammenfassend: Patzold: Lehnswesen (wie Anm. 14), S. 14–43; wichtig für den Fortgang der Diskussion: Becher, Matthias: Die subiectio principum. Zum Charakter der Huldigung im Franken – und Ostfrankenreich bis zum Beginn des 11. Jahrhunderts, in: Airlie, Stuart/Pohl, Walter/Reimitz, Helmut (Hg.): Staat im frühen Mittelalter, Wien 2006, S. 163–178; Kasten, Brigitte: Beneficium zwischen Landleihe und Lehen – eine alte Frage neu gestellt, in: Bauer, Dieter R./Hiestand, Rudolf/Kasten, Brigitte/ Lorenz, Sönke (Hg.): Mönchtum – Kirche – Herrschaft 750–1000. Josef Semmler zum 65. Geburtstag, Sigmaringen 1998, S. 243–260; Dies.: Das Lehnswesen – Fakt oder Fiktion?, in: Pohl, Walter/Wieser, Veronika: Der frühmittelalterliche Staat – europäische Perspektiven (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 16) Wien 2009, S. 331–356; Deutinger, Roman: Beobachtungen zum Lehnswesen im frühmittelalterlichen Bayern, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 70 (2007), S. 57–83; Salten, Oliver: Vasallität und Benefizialwesen im 9. Jahrhundert. Studien zur Entwicklung personaler und dinglicher Beziehungen im frühen Mittelalter, Hildesheim 2013.

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kutieren, ob zumindest der Rahmen noch brauchbar ist. Doch die Angaben dafür, ab welchem Jahrhundert er noch an der Wand hängen sollte, schwanken unter denjenigen, die sich mit dem Thema beschäftigen, von der Mitte des 11. bis zum 13. Jahrhundert.18 Einigkeit aber dürfte darin zu erzielen sein, dass das großformatige im 19. und 20. Jahrhundert entstandene Gemälde des Lehnswesens heute durch ein kleineres Format ersetzt werden sollte. Es bietet nicht mehr die zentrale Erklärung für Verfassung und Gesellschaft, sondern allenfalls eine Deutung für Teilbereiche, und sollte neben andere Bilder gehängt werden, die sich etwa mit der Vielfalt der Besitzformen, mit der Leihe von Gütern und Rechten oder Ritualen der Unterordnung beschäftigen. Wie komme ich zu dieser Einschätzung? Auf Grund der Forschungsdebatte, die sich seit 2008 entwickelte. Seitdem ist eine Reihe von Beiträgen zum Thema entstanden bzw. sie sind gerade im Entstehen begriffen. Schon die erwähnte Tagung in München, deren Diskussionen auf der Reichenau zwei Jahre später fortgesetzt wurden, konnte als Ergebnis festhalten, dass es nördlich der Alpen vor der Mitte des 12. Jahrhunderts so gut wie nie die für das klassische Lehnwesen essentielle Verbindung von Lehen und Vasallität gab.19 Darüber hinaus war zu beobachten, dass Bezeichnungen für Phänomene, die zuvor fast ausschließlich lehnrechtlich gedeutet wurden, vielfach alternative Interpretationen zuließen. Der Handgang etwa, das Legen der gefalteten Hände des Mannes in die des Herrn, ist eine Symbolhandlung, die nicht exklusiv lehnrechtlich zu deuten ist. Kontextabhängig hat sie eine unterschiedliche Bedeutung: als huldigende Geste gegenüber einem neuen Herrscher beim Regierungsantritt, als Zeichen einer Unterordnung nach einem Friedensschluss oder als Sühnegeste nach anerkanntem Vergehen.20 Nur schwer aber ist der Handgang als Teil einer Handlungsse18 In Süd- und westeuropäischer Perspektive sieht Patzold: Lehnswesen (wie Anm. 14), S. 43–71, Anfänge im 11. Jahrhundert; für den nordalpinen Bereich hat die Münchner Tagung des Jahres 2008 die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts als gewissen Einschnitt erkannt: Dendorfer/Deutinger: Lehnswesen (wie Anm. 9); die Reichenau-Tagung von 2010 (Spiess: Ausbildung und Verbreitung [wie Anm. 8]) lenkte den Blick auf das 13. Jahrhundert, vgl. dazu Auge, Oliver: Ausbildung und Verbreitung des Lehnswesens – Eine Zusammenfassung, in: ebd., S. 337–355. 19 Dendorfer/Deutinger: Lehnswesen (wie Anm. 9); Spiess (Hg.): Ausbildung und Verbreitung (wie Anm. 8). 20 Dazu mit älterer Literatur: Depreux, Philippe: Lehnsrechtliche Symbolhandlungen. Handgang und Investitur im Bericht Galberts von Brügge zur Anerkennung Wilhelm

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quenz nachzuweisen, mit der ein Vasall belehnt wird und in dem die Zuordnung von Herrn und Mann ausgedrückt werden soll. Bezeichnungen wie beneficium (landläufig Lehen)21 oder miles, homo, fidelis (für Vasall) sind ebenfalls schillernd.22 Es berechtigt wenig dazu, sie einhellig im Sinne des Konzepts des Lehnswesens zu deuten. Einen methodischen Impuls von Susan Reynolds aufgreifend unterscheidet die Forschung deshalb gegenwärtig deutlich zwischen „Words, Concepts and Phenomena“.23 Sie versucht erstens die Vielfalt von Bezeichnungen für verliehene Besitzungen und für „Lehnsmänner“ zu erfassen – Words. Sie ist zweitens dafür sensibilisiert, dass deren Deutung im Rahmen eines „Lehnswesens“ einseitig ist und nur ein, nicht besonders erhellendes Konzept unter anderen darstellt – Concepts. Nicht zuletzt beschreibt sie andere, den in den Quellen dargestellten Sachverhalten angemessenere Szenarien und Abläufe, in denen verliehene Herrschafts- und Besitzrechte oder die Unterordnung von Freien unter andere Freie eine Rolle spielten – Phenomena. An den möglichen neuen Fragehorizonten, die sich daraus ergeben, wenn man die Vielfalt der Bedeutungen der Worte ernst nimmt, nicht sofort das Lehnswesen als einziges deutendes Konzept verwendet und alternative Handlungsabläufe beschreibt, arbeitet die Forschung gerade.24 Clitos als Graf von Flandern, in: Dendorfer/Deutinger: Lehnswesen (wie Anm. 9), S. 387–399; Dendorfer, Jürgen: Das Wormser Konkordat – ein Schritt auf dem Weg zur Feudalisierung der Reichsverfassung?, in: ebd., S. 299–328, hier S. 313–326. 21 Zur Vieldeutigkeit von beneficium gab es bereits vor der Engführung der Forschung zum Lehnswesen auf den feudo-vasallitischen Nexus – in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts – eine später nicht mehr wahrgenommene Diskussion, exemplarisch: Pöschl, Arnold: Die Entstehung des geistlichen Benefiziums, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 106 (1926), S. 3–121, 363–471; Dopsch, Alfons: Beneficialwesen und Feudalität, in: Mitteilungen des österreichischen Instituts für Geschichtsforschung 46 (1932), S. 1–36. 22 Vgl. Reynolds: Fiefs and Vasalls (wie Anm. 13), S. 17–34; jüngst: Salten: Vasallität und Benefizialwesen (wie Anm. 17), S. 379–381. 23 Reynolds: Fiefs and Vassals (wie Anm. 13), S. 1–14, und in weiteren Teilen des Buches. 24 Derartige Überlegungen liegen einem in Zusammenarbeit von Freiburg und Tübingen erarbeiteten Sammelband zu Leiheformen im frühen und hohen Mittelalter zugrunde: Dendorfer/Patzold: Tenere et habere (wie Anm. 11). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die abgeschlossene, modellhafte Studie für das Hochstift Bamberg und seinen Urkundenbestand: Kalla, Sebastian: Ein Bistum ohne Lehnswesen und Vasallen. Leiheformen und personale Bindungen im Hochstift Bamberg des 12. und 13. Jahrhunderts, Diss. Freiburg 2019.

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Für das Thema dieses Bandes „Politische Bindungen zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa in der Zeit Friedrich Barbarossas“ ist dabei ein Bündel von Beobachtungen wichtig. Unstrittig nehmen in der Zeit Friedrich Barbarossas in den Quellen die Begriffe zu, die man im Sinne des klassischen Lehnswesens deuten könnte. Sicher ist auch, dass die durch die Italienzüge vermittelte, anhaltende Begegnung Friedrich Barbarossas und seines Hofes mit der Welt der italienischen Kommunen und ihrer Rechtsgelehrten dazu führte, dass Konzepte des entwickelten oberitalienischen Lehnrechts, beginnend mit der Sprache, aber auch mit einzelnen Regelungsinhalten, nach und nach im Reich nördlich der Alpen auftreten und eine Rolle zu spielen beginnen, verstärkt wohl seit den 1180er Jahren.25 Das ist Teil der Rezeption des neuen gelehrten Rechts, vor allem des kanonischen Rechts des 12. und 13. Jahrhunderts im Reich. Die Libri oder Consuetudines feudorum, die Texte des gelehrten italienischen Lehnrechts, spielen bei diesem Rezeptionsvorgang eine Rolle, als Angebot für die Verschriftlichung und damit als gelehrt rechtliche Deutung von älteren, schon vorhandenen Leihebeziehungen.26 In Teilen transportieren die Libri feudorum in der Tat ein Lehnswesen, wie es der klassischen Lehre entspricht, allerdings nur in bestimmten Teilen, in wesentlichen anderen nicht, so die Ergebnisse aktueller Studien zum Thema in Freiburg.27 Man kann deshalb nicht mehr mit Sicherheit sagen, 25 Ausgangsüberlegungen dazu in: Dendorfer, Jürgen: Roncaglia: Der Beginn eines lehnrechtlichen Umbaus des Reiches?, in: Burkhardt, Stefan/Metz, Thomas/Schneidmüller, Bernd/Weinfurter, Stefan (Hg.): Staufisches Kaisertum im 12. Jahrhundert. Konzepte – Netzwerke – Politische Praxis, Regensburg 2010, S. 111–132; die Veränderung von Leiheformen bzw. des Lehnswesens im Jahrhundert von 1150 bis 1250 wird in dem DFG-geförderten Projekt „Die Formierung des Lehnswesens im 12. und 13. Jahrhundert? – Worte – Konzepte – Phänomene im gelehrten Lehnrecht und in Königs- und Privaturkunden“ untersucht. Im Zusammenhang mit diesem Projekt stehen die in Anm. 24 und 27 genannten Arbeiten. Wichtig für die Frage des Umgang Friedrich Barbarossas, seines Hofes und seiner Kanzlei mit den dort auftretenden Leiheformen wird die im Entstehen begriffene Arbeit von Rebekka de Vries sein: Leihen und leiherechtliche Vorstellungen im Regnum Italiae und am Hof Friedrich Barbarossas (Dissertation Freiburg). 26 Dazu mit älterer Literatur: Dilcher, Gerhard: Das lombardische Lehnrecht der Libri Feudorum im europäischen Kontext. Entstehung – zentrale Probleme – Wirkungen, in: Spiess: Ausbildung und Verbreitung (wie Anm. 8), S. 41–91. 27 Dazu künftig Lorenz, Rüdiger: Libri feudorum – Entstehung, Entwicklung und Gebrauchsgeschichte anhand der handschriftlichen Überlieferung (bis ins 13. Jahrhundert). Mit einer Neuedition der Fassungen des 12. Jahrhunderts, voraussichtlich 2019.

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dass nach 1150 durch die Begegnung mit dem oberitalienischen Lehnrecht das Lehnswesen im klassischen Sinne entstand bzw. „Konzepte“ zu erkennen sind, „die dem ,Lehnswesen‘ im Sinne der klassischen Lehre sehr nahekommen“.28 Es entstand allerdings Neues. In der Begegnung mit dem oberitalienischen Lehnrecht wurden Vorstellungen entwickelt, welche Formen eingehalten werden mussten, damit ein Mann ein Lehen rechtmäßig in Besitz hatte, sowie welches Verhalten des Mannes gegenüber dem Herrn angemessen war und viceversa, damit ein Mann im Besitz der Lehen geschützt war. Eingebettet war das in Reflexionen über verschiedene Formen der Leihe bzw. der Ableitung von Rechten vom Herrn. In der Zeit Friedrich Barbarossas gibt es eine Veränderungsdrift, die zumindest in den Königsurkunden zu fassen ist,29 wobei sich die Frage nach der Bedeutung der Verschriftlichung in den Urkunden auf der einen und der Praxis auf der anderen Seite kaum beantworten lässt. Erkennbar wird, dass es in der Kanzlei des Staufers zunehmend für notwendig gehalten wurde, ein bestimmtes Vokabular für die Verschriftlichung der Verleihung von Gütern zu verwenden.30 Allerdings spricht wenig dafür, hinter diesen Formulierungen das klassische Lehnswesens zu sehen, d.h. ein Lehnswesen, das auf einer zwangsläufigen Verbindung von Lehen und Vasallität beruhte und Herrn und Mann gleichermaßen band; ein Lehnswesen, das eine vertragsähnliche Bindung zwischen Freien darstellte, die durch die Ritualhandlung des Handgangs begründet wurde und bei der Rechte und Pflichten des Herrn und des Vasallen eindeutig definiert waren. Einem solchen Lehnswesen schrieb die ältere Forschung weitreichende Funktionen zu: etwa das Zustandekommen von Heeresaufgeboten31 oder, und das ist 28 Vgl. dazu meine ältere Formulierung in Albertoni/Dendorfer: Lehnswesen (wie Anm. 4), S. 14 f. 29 Beobachtungen dazu bei Schieffer, Rudolf: Das Lehnswesen in den deutschen Königsurkunden von Lothar III. bis Friedrich I., in: Dendorfer/Deutinger: Lehnswesen (wie Anm. 9), S. 79–90, künftig: Lorenz, Rüdiger: Königs- und Kaiserurkunden (1125–1250), in: Dendorfer/Patzold: Tenere et habere (wie Anm. 11). 30 Dazu künftig Lorenz: Königs- und Kaiserurkunden (wie Anm. 29). 31 Die klassische Sicht zusammenfassend: Krieger, Karl Friedrich: Obligatory Military Service and the Use of Mercennaries in Imperial Military Campaigns under the Hohenstaufen Emperors, in: Haverkamp, Alfred/Vollrath, Hanna (Hg.): England and Germany in the High Middle Ages – in honour of Karl J. Leyser, Oxford 1996, S. 151–168; aktuell: Fischer, Carsten: Schildgeld und Heersteuer. Eine vergleichende Studie zur Entwicklung lehnrechtlicher Strukturen durch die Umwandlung vasallitischer Kriegsdienste in Geldabgaben im normannisch-frühangevinischen England und im staufischen

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für die Fragestellung dieses Bandes relevanter, eine Ordnungsvorstellung des Reiches, das in Lehnsbeziehungen, die auf den König zuliefen, geordnet gewesen sei. Der König steht danach an der Spitze eines Lehnsverbandes, geistliche und weltliche Fürsten, Erzbischöfe und Bischöfe sowie Herzöge, Markgrafen und Grafen sind ihm als Lehnsherrn untergeordnet.32 In bestimmten Konfliktsituation können zwar Züge einer solchen Auffassung sichtbar werden, dass Amtsgewalt und Rechte vom König abgeleitet seien. Eine umfassende Vorstellung davon, dass das Reich als Lehnsverband auf den König ausgerichtet sei, gibt es allerdings bis ans Ende des 12. Jahrhunderts nicht, und noch im 13. Jahrhundert bleiben Belege dafür spärlicher als anzunehmen wäre.33 Das Lehnswesen kann also nicht dazu dienen, gleichsam im Sinne einer Ersatzverfassung Amtsträger im Reich auf den König auszurichten. In Bezug auf die Herzogtümer hat Roman Deutinger gezeigt, dass die Vorstellung, sie gingen vom König zu Lehen, bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts nur „sporadisch“, aber nie exklusiv zu greifen ist.34 Das ändere sich erst im weiteren Verlauf des Jahrhunderts. Das heißt nun aber für die Frage einer lehnrechtlichen Zuordnung Böhmens, Polens und Ungarn zum Reich oder zu Friedrich Barbarossa, dass selbst dann, wenn in den Quellen Begriffe aufscheinen und Szenen beschrieben werden, welche die begründete Vermutung nahelegen, es könnte sich um eine lehnrechtliche Unterordnung handeln, diese nicht bedeuten können, dass sich etwa der Herzog von Böhmen in eine existente lehnrechtliche Ordnung des Reiches einfügte. Vielmehr wäre im Lichte der gegenwärtigen Forschung danach zu fragen, womit in der entsprechenden Situation eine lehnrechtliche Interpretation begründet wird, und wie diese im Kontext der derzeitigen Forschung zu lesen ist. Über die Qualität und

Reich (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 279) Frankfurt am Main 2013. 32 Grundlage für diese Annahme ist die Heerschildordnung des 13. Jahrhunderts, wie sie im Sachsenspiegel entgegen tritt; diese Sicht ab 1200 zusammenfassend: Spiess, KarlHeinz (Hg.) unter Mitarbeit von Willich, Thomas: Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter, 2. Aufl., Stuttgart 2009, S. 29 f., S. 41–49; für die Zeit nach 1200: Krieger, Karl-Friedrich: Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter (ca. 1200–1437) (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte N.F. 23) Aalen 1979. 33 Dazu die differenzierenden Ausführungen von Krieger: Lehnshoheit (wie Anm. 32), S. 117–155, der für das 13. Jahrhundert schon die Frage der Auflösung der Lehnshierarchie bzw. Heerschildordnung diskutiert. 34 Deutinger: Vom Amt zum Lehen (wie Anm. 8).

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die Dauerhaftigkeit einer solchen Lehnsbindung sowie das erwartete Verhalten der beiden Vertragspartner lässt sich von solchen Stellen ausgehend wenig sagen, da der bisherige Rahmen, die Annahme eines lehnrechtlich geordneten Reiches für das 12. Jahrhundert nicht mehr vorhanden ist. Das klingt kompliziert, und es ist auch kompliziert, doch der Sehnsucht nach zu einfachen Erklärungen sollten wir nicht nachgeben, denn die hochmittelalterliche Wirklichkeit war nicht weniger vielschichtig als unsere heutige. Das sogenannte klassische Lehnswesen ist eine viel zu simple Erklärung für die Wirklichkeiten des frühen und hohen Mittelalters: sowohl für das große Ganze, für die politische Ordnung, für gesellschaftliche und soziale Zusammenhänge, als auch für das Kleine, die alltägliche politische und soziale Praxis. Wenn aber, wie die derzeitige Forschung nahelegt, die feudo-vasallitische Bindung, das Lehnswesen keine oder allenfalls eine zeitgenössische Kategorie des 12. Jahrhunderts unter anderen ist, wirft das die Frage auf, wieso dieses Deutungskonzept eine solche Karriere machen konnte, und eng damit verbunden, wann es überhaupt entstand?

II. Der Blick zurück: das „Lehnswesen“ als Narrativ der Feudistik Mehr und mehr zeigt sich das sogenannte klassische Lehnswesen als eine historiographische Fiktion. Zu dieser Einschätzung haben mich in den letzten Jahren Beobachtungen gebracht, die durch den Blick auf die Geschichtsschreibung zur lehnrechtlichen Bindung Böhmens ans Reich stimuliert wurden, mittlerweile aber darüber hinausgreifen. Im Beitrag zur letzten Brünner Tagung war unabhängig von der Quellenlage zum 11. und 12. Jahrhundert danach zu fragen, wie die deutschsprachige Forschung das Verhältnis des böhmischen Herzogs zum Reich seit dem 19. Jahrhundert, im Wesentlichen seit František Palacký, deutete.35 Dabei zeigten sich vier, auch für die allgemeine Diskussion um das Lehnswesen des hohen Mittelalters, wichtige Befunde. Nur mit einer Ausnahme sind die in den Quellen greifbaren Szenen einer Unterordnung des böhmischen Herzogs unter den König des deutschen Reiches bzw. den Kaiser so detailliert in ihrer Darstellung und so eindeutig formuliert,

35 Zum folgenden: Dendorfer: König von Böhmen (wie Anm. 4).

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dass das klassische Lehnswesen die plausibelste Deutung bieten würde.36 An der Historiographie zu Böhmen seit dem 19. Jahrhundert lässt sich dann zeigen, dass der Interpretationsspielraum, den die Quellen bieten, politisch mit eindeutigen Intentionen genutzt wurde, entweder um die bestehende lehnrechtliche Bindung anzunehmen, gefolgert aus einigen wenigen Schlagworten, oder sie zu bestreiten, da die Aussagen der Quellen zu widersprüchlich oder nicht präzise genug seien. Die national aufgeladene historiographische Debatte um die lehnrechtliche Bindung Böhmens an das Reich offenbarte damit gleichsam als Nebenfrucht den schwankenden Quellengrund, auf dem diese Deutung beruhte. Abhängig war die Plausibilität der Annahme einer Lehnsbindung von der Voraussetzung, dass das Lehnswesen gleichsam präexistent war. Die genauen Bestandteile des lehnrechtlichen Bildes wurden jedoch nicht eindeutig benannt. Im Spiegel der Diskussion um Böhmen zeigte sich somit, dass die Vorstellungen von der lehnrechtlichen Bindung des böhmischen Herzogs ans Reich vage waren und sich autorspezifisch erheblich unterscheiden konnten, ohne dass dafür sich verändernde verfassungsgeschichtliche Annahmen als Grundlage zu benennen gewesen wären. Das Lehnswesen als Interpretament für die Nähe oder Ferne Böhmens zum Reich entpuppte sich als unterkomplexe, vereinfachende Rezeption verfassungsgeschichtlicher Erörterungen der Zeit, die in den Händen der Geschichtsschreiber, die sich mit der Zuordnung Böhmens ans Reich beschäftigten, elastisch gebraucht werden konnte. Im Kern bestand sie eigentlich nur aus der Annahme, dass Vasall des Königs sein eine Form der Unterordnung war und der böhmische Herzog als Vasall das Herzogtum vom König zu Lehen erhielt. Alle weitergehenden Fragen waren offen und ließen sich nach Bedarf variierend beantworten: Wie eng war diese Bindung? Welche Verpflichtungen brachte sie mit sich? Wie stand der böhmische Herzog zu anderen Herzögen des Reiches? Fast jeder der von mir befragten Autoren hätte zwischen 1840 und 1930 darauf unterschiedliche Antworten gegeben.37 Mit am Erstaunlichsten aber war, dass die Diskussion um die lehnrechtliche Zuordnung Böhmens zum Reich kein Kind der kritischen Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhunderts war, sondern tiefer zurückreichte.38 Als nach 1800 die kritisch-editorische Beschäftigung mit den Quellen der hochmittelalterli36 Ebd., S. 240–245. 37 Ebd., S. 246–283. 38 Ebd., S. 246–251.

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chen Geschichte einsetzte und zugleich die nationalen Geschichtserzählungen entstanden, war das „Lehnswesen“ als Deutungselement der Beziehungen der böhmischen Herzöge zum Reich schon vorhanden. Bereits in der frühneuzeitlichen Lehnrechtswissenschaft, der Feudistik, wurde erörtert, inwiefern der böhmische Herzog Vasall des Kaisers oder des deutschen Königs war, als Teil umfassender, geradezu unvorstellbar detaillierter Erörterungen der Juristen des 16. bis 18. Jahrhunderts, wie sich im Reich Haupt und Glieder zueinander verhielten.39 Das Reich im Sinn eines lehnrechtlich geordneten Ganzen zu verstehen, scheint somit mehr eine Denkfigur des frühneuzeitlichen Reichsrechts zu sein, in dem die Feudistik eine nicht unwesentliche Rolle spielte, als eine mittelalterliche Auffassung. Wie weit Vorläufer dieses Gedankens ins Mittelalter zurückreichten, wäre zu erörtern. Nie aber hatte der Gedanke, die Herzöge des Reiches seien vom König belehnt worden, eine solche Bedeutung wie im frühneuzeitlichen Lehnrecht. Die Geschichtswissenschaft des 19. Jahrhundert gelangte somit nicht durch einen eigenen Zugriff auf die Quellen zu ihrer Auffassung vom Stellenwert des Lehnswesen, sondern sie stand in der Pfadabhängigkeit der frühneuzeitlichen Erörterung der Frage in der Feudistik wie sich am böhmischen Beispiel offenbart. Das Lehnswesen war als Deutungsangebot schon vorhanden, bevor die ersten Quelleneditionen und die prägenden Darstellungen nationaler Geschichte entstanden. Es ist anzunehmen, dass das auch für das Deutsche Reich gilt, auch wenn diese Zusammenhänge noch weiterer Erörterung bedürften.40 39 Begert, Alexander: Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens (Historische Studien 475) Husum 2003, hier S. 564–573, Exkurs VI.: „Die staatsrechtliche Stellung Böhmens in der Beurteilung der Historiographie und Staatsrechtliteratur der Frühen Neuzeit“; Brückner, Thomas: Herrschaftsverbindende Funktionen des Lehnrechts, in: Willoweit, Dietmar/Lemberg, Hans (Hg.): Reiche und Territorien in Ostmitteleuropa. Historische Beziehungen und politische Herrschaftslegitimation (Völker, Staaten und Kulturen in Ostmitteleuropa 2) München 2006, S. 247–273. 40 Mit wichtigen Hinweisen: Willoweit, Dietmar: Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt. Landesobrigkeit, Herrschaftsrechte und Territorium in der Rechtswissenschaft der Neuzeit (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 11) Köln/Wien 1975; als exemplarische Studie, welche die frühneuzeitliche rechtswissenschaftliche Literatur miteinbezieht: Brückner, Thomas: Lehnsauftragung (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 258) Frankfurt am Main 2011; vgl. jüngst auch einige Hinweise auf die frühneuzeitliche Feudistik im deutschsprachigen Raum bei Reynolds: History (wie Anm. 13), S. 9–13.

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Nie aber, das ist an der Historiographiegeschichte der lehnrechtlichen Bindung des böhmischen Herzogs an das Reich ebenso zu erkennen wie an der des Lehnswesens im Reich, nie gab es bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhundert ein Verständnis vom Lehnswesen, das allgemein geteilt wurde. Bis in diese Zeit waren im deutschsprachigen Raum die Vorstellungen vom Zusammenhang zwischen Lehen und Vasallität äußerst divergent. Entscheidende Fragen blieben offen, wie der Zeitpunkt der zwingenden Verbindung von Vasallität und Lehen oder die Funktion der Belehnung, besonders im Hinblick auf seine militärische Bedeutung.41 Seit den 30er Jahren setzt sich dann eine engere feudo-vasallitische Deutung durch.42 1933 erschien als wissenschaftliche Leistung auf diesem Feld Heinrich Mitteis’ „Lehnrecht und Staatsgewalt“.43 Für die vereinfachende Rezeption dieser Sicht war Ganshofs Büchlein „Was ist das Lehnswesen“ entscheidend, das zuerst 1944 auf Französisch und dann in der Folge fast in jeder denkbaren Wissenschaftssprache erschien.44 In der von Ganshof aufbereiteten Form wurde das Lehnswesen zum Traditionsbestand der deutschsprachigen Nachkriegsmediävistik; in einer simplifizierenden Form, die die vielschichtigeren Diskussionen 41 Vgl. dazu die in Anm. 21 genannten Titel von Pöschl: Die Entstehung des geistlichen Benefiziums und Dopsch: Beneficialwesen und Feudalität. Zur wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung der Forschung um Feudalismus und Lehnswesen im Kaiserreich: Oexle, Otto Gerhard: Feudalismus, Verfassung und Politik im deutschen Kaiserreich (1860–1920), in: Fryde, Natalie/Monnet, Pierre/Oexle, Otto Gerhard: Die Gegenwart des Feudalismus/Présence du féodalisme et présent de la féodalité/The Presence of Feudalism (Veröffentlichungen des MPI für Geschichte 173) Göttingen 2002, S. 211–247. 42 Dies hat schon konstatiert: Ebel, Wilhelm: Über den Leihegedanken in der deutschen Rechtsgeschichte, in: Studien zum mittelalterlichen Lehenswesen (Vorträge und Forschungen 5) Sigmaringen 1960, S. 11–36, hier S. 14; Kasten: Lehnswesen (wie Anm. 17), S. 334 f. 43 Mitteis: Lehnrecht (wie Anm. 15); zur Einordnung Landau, Peter/Nehlsen, Hermann/Willoweit, Dietmar (Hg.): Heinrich Mitteis nach hundert Jahren (1889–1989). Symposium anläßlich des hundertsten Geburtstages in München am 2. und 3. November 1989 (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Abhandlungen N.F. Bd. 106) München 1991; Kortüm, Hans-Henning: Mittelalterliche Verfassungsgeschichte im Bann der Rechtsgeschichte zwischen den Kriegen – Heinrich Mitteis und Otto Brunner, in: Dendorfer/Deutinger: Lehnswesen (wie Anm. 9), S. 57–77. 44 Ganshof: Lehnswesen (wie Anm. 15); zu ihm: Heirbaut, Dirk/Masferrer, Domingo, Aniceto: Francois Louis Ganshof, in: Aurell Cardona, Jaume/Crosas, Francisco (Hg.): Rewriting the Middle Ages in the twentieth century, Turnhout 2005, S. 223–241, hier 227 ff., mit Hinweisen auf die Übersetzungen, zur Einordnung S. 235 f.

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vor 1930 ausblendete und vor allem das feudo-vasallitische Leiheverhältnis mit seinen vorgeblichen militärischen Implikationen in den Mittelpunkt rückte. Zur Erklärung der erstaunlichen Karriere des Lehnswesens als Deutungsmuster für gesellschaftliche und soziale Verhältnisse seit den 30er Jahren gehört dann auch, dass das Lehnswesen der älteren Verfassungsgeschichte mit den neuen Auffassungen von mittelalterlicher Staatlichkeit, wie sie seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts Theodor Mayer und Otto Brunner entwickelten, kompatibel war.45 Eine Sichtweise, die bekanntlich mehr als nur oberflächlich von einer bedingungslosen Zeitgenossenschaft geprägt war.46 Im Mayer’schen „Personenverbandsstaat“ gab das Lehnswesen schon vorhandenen hierarchischen Bindungen an den König eine Form, es habe sich trotz eines „zentralistischen“ Zuges an die „partikulare“ Struktur des Reiches angepasst.47 Bei Epigonen dieser „neuen“ Verfassungsge45 Eine kritische Auseinandersetzung mit dieser von den Protagonisten als „Neue Deutsche Verfassungsgeschichte“ bezeichneten Sichtweise auf früh- und hochmittelalterliche Staatlichkeit, die bis in die Gegenwart nachwirkt, steht noch aus. Das gilt trotz der frühen Diskussionsanstöße von František Graus. Vgl. Ders.: Über die sogenannte germanische Treue, oder Ders.: Verfassungsgeschichte des Mittelalters, in: Ders.: Ausgewählte Aufsätze (1959–1989), hg. v. Gilomen, Hans-Jörg/Moraw, Peter/Schwinges, Rainer C. (Vorträge und Forschungen 55) Stuttgart 2002, S. 133–179, 213–258. 46 Im Gegensatz zur ideologischen Kritik der verfassungsgeschichtlichen Ansätze von Mayer und Brunner treten deren biographische Verstrickungen mittlerweile klar entgegen: Nagel, Anne Christin: Im Schatten des Dritten Reichs. Mittelalterforschung in der Bundesrepublik Deutschland 1945–1970 (Formen der Erinnerung 24) Göttingen 2005, S. 156–187 (Theodor Mayer); Heinzel, Reto: Theodor Mayer. Ein Mittelalterhistoriker im Banne des „Volkstums“ 1920–1960, Luzern 2016; Kortüm, Hans-Henning: Otto Brunner über Otto den Großen. Aus den letzten Tagen der reichsdeutschen Mediävistik, in: Historische Zeitung 299 (2014), S. 297–333; Ders.: „Gut durch die Zeiten gekommen“. Otto Brunner und der Nationalsozialismus, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 66 (2018), S. 117–160. 47 An den Aufsätzen Theodor Mayers aus den 30er Jahren lässt sich die zunehmend positivere Bewertung des Lehnswesens als Teil des „Personenverbandsstaates“ nachvollziehen. Vgl. Mayer, Theodor: Geschichtliche Grundlagen der deutschen Verfassung (1933), in: Ders.: Mittelalterliche Studien. Gesammelte Aufsätze, Lindau/Konstanz 1959, S. 77–97, mit einer noch verhaltenen Sicht auf das Lehnswesen in seiner Bedeutung für das Reich (S. 83–87) gerade im Vergleich mit Frankreich. Ganz anders dann wenig später die Sicht in der bekannten Freiburger Rede zum Staat der Herzoge von Zähringen (1935), in: ebd., S. 350–364, hier etwa S. 351: „Der germanische Staat ist noch durch die Tatsache charakterisiert, daß er eine Gemeinschaft von Personen ist, die durch persönliche Bande, besonders die Treue zusammengehalten werden. Dem Personenverbandsstaat entspricht eine

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schichte wie Walter Schlesinger wurde es zum Bestandteil einer Lehre von „Herrschaft“ und „Gefolgschaft“, gedacht in langen germanischen Kontinuitäten.48 Otto Brunners Forderung nach quellensprachlichen Begrifflichkeiten zur Beschreibung des Handelns mittelalterlicher Menschen führte dazu, dass spätmittelalterliche Formeln wie der „Schutz und Schirm“ des Herrn gegenüber seinem Mann oder „Rat und Hilfe“ des Mannes für seinen Lehnsherrn zur Beschreibung der Beziehungen von Herrn und Mann für das hochmittelalterliche Lehnswesen herangezogen wurde, auch wenn sie sich in den Quellen allenfalls gelegentlich finden. Zusammengenommen führte diese zu einer weiteren Bestätigung der mehr geglaubten als nachgewiesenen Bedeutung des Lehnswesens, ohne dass in erkennbarem Umfang eigentliche Forschungen dazu entstanden. Das Sprechen vom Lehnswesen hatte sich nach 1945 gelöst von wirklicher Forschung zum Thema und wurde zum Narrativ, das zur Erklärung der Verfassung der Gesellschaft gebraucht wurde, und das unhinterfragt und in einem durchaus vereinfachenden Sinn. Auch wenn diese Überlegungen weit wegführen von „zeitgenössischen Kategorien“ politischer Beziehungen im staufischen 12. Jahrhundert, soll dieser Umweg offenlegen, wieso es gegenwärtig in vielfacher Hinsicht schwierig ist, über das Lehnswesen in der Zeit Friedrich Barbarossas zu schreiben. Allein schon Gliederung und Aufteilung der staatlichen Rechte und Funktionen im Sinne der Gefolgschaft und des Lehenswesens.“ Ähnlich S. 360: „Der Personenverbandsstaat war auf eine Gliederung des Volkes aufgebaut, die in der Vasallität und in persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen wie der Leibherrlichkeit in Erscheinung trat.“ Einen Schritt weiter geht dann Ders.: Die Ausbildung der Grundlagen des modernen deutschen Staates im hohen Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 159 (1939), S. 457–487, mit dem Versuch das Buch von Mitteis, Lehnrecht und Staatsgewalt, in die Entwicklungslinie vom Personenverbandsstaat zum Flächenstaat zu integrieren. Mitteis beschreibe das „Recht einer bestimmten Form des Personenverbandsstaates, des Lehnsstaates“ (S. 462). Dieses Lehnrecht sei in Deutschland dann an die spezifischen Voraussetzungen angepasst worden – „es wurde zum Staatsrecht eines Reiches mit dualistischer und partikularistischer Struktur“ – habe sich nur „in den äußeren Formen“ und nicht „dem Wesen nach“ durchgesetzt (S. 484). Es gab also dem schon vorhandenen Personenverbandsstaat eine Form. 48 Schlesinger, Walter: Herrschaft und Gefolgschaft in der germanisch-deutschen Verfassungsgeschichte, in: Historische Zeitschrift 176 (1953), S. 225–275, hier 235–248 zur germanischen Gefolgschaft. „An die Stelle älterer Gefolgsherrschaft“ sei dann die „Lehnsherrschaft“ getreten (S. 258 ff.).

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dann, wenn man das Wort „Lehnswesen“ verwendet, suggeriert man einen Zusammenhang von Leihen von Besitzungen und Rechten und der personalen Unterordnung in der Form der Vasallität, bei dem implizite Vorannahmen mitschwingen, denen kaum mehr zu entkommen ist. Dennoch wäre es schade, wenn wir ob der Verminung des Geländes ganz darauf verzichten würden, das Feld der Lehen und der personalen Unterordnung in der Zeit Friedrich Barbarossas zu betreten, denn in der Tat: beneficia und feu­ da kommen allerorten in den Quellen der Zeit vor, Treueide und Handgänge werden geleistet, und nicht zuletzt finden sich auch Hinweise auf ein Belehnungsoder Leihrecht ius feodale, ius beneficiale sowie zunehmend schriftlich festgehaltene Regeln, wann jemand ein „Lehen“ sicher behalten oder wann es ihm abgesprochen werden kann. Es finden sich sogar dem klassischen Lehnswesen ähnelnde Formen, selten, zuerst in Italien und Burgund, aber doch, wenn auch nur ein Phänomen unter anderen und nicht das entscheidende, die Ordnung des Reiches prägende Lehnswesen. Einige wenige, aperçuhafte Ausblicke auf das Thema für die Zeit Friedrich Barbarossas will ich am Ende deshalb noch wagen.

III. Vasallen und Lehen in der Zeit Friedrich Barbarossas – Annäherungen Die lange, fast 40-jährige Regierungszeit Friedrich Barbarossa beginnt für unser Thema mit einem Paukenschlag. Schon auf seinem ersten Italienzug 1154 erließ Friedrich Barbarossa ein Lehnsgesetz, das Fragen der zu erbringenden militärischen Leistung von Lehen in Oberitalien regelte.49 Dieses stand in Abhängigkeit von einer ähnlichen Verfügung Lothars III. aus dem Jahr 1136,50 ging aber deutlich über diese hinaus.51 Vor allem aber wurde es begleitet von einer auch in 49 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica Diplomata X/1) Hannover 1975, S. 151–163, Nr. 91; zum Kontext: Dendorfer: Roncaglia (wie Anm. 25), bes. S. 118–122. 50 Lotharii III. Diplomata nec non Richenzae imperatricis Placita, ed. Emil von Ottenthal/ Hans Hirsch (Monumenta Germaniae Historica Diplomata VIII) Berlin 1927, Nr. 105, S. 168–170. 51 Zum Vergleich der Gesetze von 1136 und 1154: Karg, Andreas: Die kaiserliche „Lehnsgesetzgebung“ für Italien bis Roncaglia (1158), in: Dilcher, Gerhard/Quaglioni, Diego: Gli inizi del diritto pubblico. L’età di Federico Barbarossa: legislazione e scienza del

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anderen Quellen erkennbaren Forderung an Große aus dem Reich nördlich der Alpen, für ihre vom König erhaltenen Lehen auf der Romfahrt Kriegsdienst zu leisten.52 Nach dem ersten und vor dem zweiten Italienzug wird mit einer Vehemenz der Heeresdienst der Großen des Reiches eingefordert, die den Gedanken nahelegt, dass es sich hier um einen durchaus ambitionierten Versuch handelt, zuvor gewohnheitsrechtlich vorhandene Vorstellungen zu präzisieren und mit neuer Durchschlagskraft zu versehen.53 Gestützt auf die Autorität einer kaiserlichen Verfügung, die in Roncaglia mit dem Konsens einer großen Versammlung erlassen wurde und die von der Differenzierungs- und Formulierungskraft italienischer Rechtsgelehrter profitierte. Das erste Lehnsgesetz von Roncaglia 1154 wurde dann 1158 durch ein zweites erneuert, das noch deutlicher den Geist der neuen Gelehrsamkeit aus Bologna atmete.54 Die Forschung hat diese Lehnsgesetze als ephemere Phänomene, als für das seit langer Zeit im Reich gültige Lehnrecht fremde Verfügungen betrachtet. Sie übersah dabei, dass zum einen schon im Text der Gesetze selbst formuliert wird, diese Bestimmung sollte tam in Ita­ lia quam in Alemannia gelten, dass das Lehnsgesetz von anderen Akten der Durchsetzung einer solchen von beneficia oder feuda abgeleiteten Heeresfolge auch im Reich nördlich der Alpen begleitet war und nicht zuletzt, dass der Text

diritto/Die Anfänge des öffentlichen Rechts. Gesetzgebung im Zeitalter Friedrich Barbarossas und das Gelehrte Recht (Annali dell’Istituto storico italo-germanico in Trento/ Jahrbuch des italienisch-deutschen historischen Instituts in Trient Contributi/Beiträge 19) Bologna/Berlin 2007, S. 199–230, hier S. 209–220. 52 Friderici I. Diplomata (wie Anm. 49) Nr. 91, S. 153: Firmiter etiam statuimus tam in Ita­ lia quam in Alamania, ut, quicumque indicta publice expeditione Romana ad suscipiendam imperii coronam vocatus a domino suo in eadem expeditione spatio competenti temere ser­ vire supersederit, feudum, quod ab episcopo vel ab alio domino habuerit, amittat et domi­ nus feudi in usos suos illud redigendi omnimodis liberam habeat facultatem. Die Forderung an die Großen findet sich in der Darstellung Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris II/12, ed. Georg Waitz/Bernhard von Simson (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi [46.]) Hannover 1912, S. 113 f. 53 Dendorfer: Roncaglia (wie Anm. 25), S. 125–131. 54 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLVIII. usque ad annum MCLXVIII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica Diplomata X/2), Hannover 1979, S. 34–36, Nr. 242; dazu: Rahewini Gesta Friderici Imperatoris (wie Anm. 52) IV/10, S. 241–245. Zu Roncaglia 1158 die Beiträge in: Dilcher/Quaglioni: Gli inizi del diritto pubblico/Die Anfänge des öffentlichen Rechts (wie Anm. 51).

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selbst im Reich Aufmerksamkeit erregte.55 Er war auch Ausgangspunkt und Bestandteil der frühen Überlieferungen der Consuetudines feudorum, des gelehrten oberitalienischen Lehnrechts, und stimmt in Teilen mit ihnen überein. Es gab also, so lässt sich festhalten, die Vorstellung, dass Vasallen für bestimmte Lehen militärische Leistungen zu erbringen hatten, und – auch dies steht in diesen Lehnsgesetzen – es wurden Regeln aufgestellt, wann ein Mann sein Lehen vom Herrn gesichert behalten oder wann es ihm abgesprochen werden konnte. Davon sind zwei hervorzuheben: zum einen die Mutung, d.h. die Regelung, dass ein Mann auf Jahr und Tag nach dem Tod seines Herrn, oder bei der Nachfolge im Lehen, seinen Herrn um die Belehnung bitten musste,56 zum anderen die notwendige Zustimmung des Herren zur Weitervergabe von Lehen an andere Vasallen bzw. zu deren Veräußerung oder Teilung.57 Hier tritt also das Lehnswesen in annähernd klassischer Form entgegen, zuerst formuliert für italienische Verhältnisse, dann aber auch mit dem Anspruch, im Reich nördlich der Alpen zu gelten. Es gibt, so dürfen wir festhalten, also einen feudo-vasallitischen Kern, die Vorstellung, dass gegen Lehen von Vasallen Kriegsdienst zu leisten ist und dass Herr und Vasallen gegenseitig bestimmte Regeln einhalten müssen, damit ihnen die Lehen erhalten bleiben. Wichtig ist aber: Es handelt sich um einen Regelungsbedarf, der bei der Begegnung Barbarossas mit der Welt der italienischen Lehen und Vasallen auftrat. Ziel war es nicht, eine Ordnungsvorstellung für das gesamte Reich zu entwerfen, sondern ein konkretes Problem zu lösen. Nämlich zu klären, wer zur Leistung der Heeresfolge auf dem Romzug verpflichtet war. Nicht zuletzt aber war der Kontakt mit den oberitalienischen Rechtsgewohnheiten so faszinierend für den Kaiser und seinen Hof, dass sich danach Spuren einer Rezeption in Urkunden des Reiches finden. So tritt nun das Signalwort feudum für Lehen im Reich geradezu schlagartig auf, an Stelle des älteren, und viel umfassenderen beneficium.58 Die Forderung nach 55 Deutliches Zeichen dafür ist, dass Rahewin das Lehnsgesetz, im Gegensatz zu anderen Roncaglischen Gesetzen, ganz abschreibt: Rahewini Gesta Friderici Imperatoris (wie Anm. 52). 56 Friderici I. Diplomata (wie Anm. 49) Nr. 91, S. 153; Friderici I. Diplomata (wie Anm. 54) Nr. 242, S. 35. 57 Friderici I. Diplomata (wie Anm. 49) Nr. 91, S. 152 f.; Friderici I. Diplomata (wie Anm. 54) Nr. 242, S. 35. 58 Die Belege für die Urkundenjahrgänge während und nach den ersten Italienzügen Friedrich Barbarossas sind überdeutlich, auch wenn es noch fast ein Jahrhundert dauern wird,

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Heeresfolge von Großen und Bischöfen wird nun mit Nachdruck erhoben und auch in einer avancierten Terminologie formuliert. Am wichtigsten sind aber nicht die inhaltlichen Bestimmungen der Roncaglischen Gesetze, denn das Einfordern lehnrechtlicher Heeresfolge kam bei den anhaltenden Italienzügen Friedrich Barbarossas rasch an seine Grenzen. Auf Dauer waren die formalen Implikationen am wirkmächtigsten. Hier wurde eine Sprache geboten und Regeln aufgestellt, mit denen ebenso wie in den Consuetudines feudorum ältere, vorhandene Leihebeziehungen präziser gefasst werden konnten und im Konfliktfall Regeln angeboten wurden, auf die man sich berufen konnte. Von Roncaglia und den mit den Lehnsgesetzen verwobenen Libri feudorum geht eine Veränderungsdrift aus, die nach 1154 in Formulierungen der Urkunden Friedrich Barbarossas und seiner Nachfolger mal hier, mal dort aufscheint und sich gegen Ende des 12. Jahrhunderts zu verstärken scheint.59 Immer geht es dabei um Leihen von Besitz, und die Regeln, die einzuhalten sind, um den geliehenen Besitz zu behalten, nur sehr selten aber um Vasallen und ihre Verpflichtungen gegenüber dem Herrn. Lehnrechtlich heißt also nördlich der Alpen in erster Linie leiherechtlich, für eine unspezifische Form der Leihe von Besitz und Herrschaftsrechten, bei der am wichtigsten die Betonung der Ableitung von Besitz- und Herrschaftsrechten vom Leihegeber war. Dieser abgeleitete Status des Leiheguts sollte in Ritualhandlungen bei Zäsuren wie dem Tod des Leihegebers oder Leihenehmers in Erinnerung gerufen werden, ansonsten aber war die Erblichkeit ebenso unstrittig, wie Gegenleistungen in der Regel nicht definiert waren. Bei der schriftlichen Fixierung von Besitztransaktionen bleibt also über beneficia und feuda hinaus die konkrete Verpflichtung eines Leihenehmers unscharf. Nur selten aber ist zu vermuten, dass es sich um eine feudo-vasallitische Beziehung im engeren Sinn, mit einer militärischen Komponente handelt. Vielmehr findet eine sukzessive Übertragung leiherechtlicher Bestimmung auf das allgegenwärtige Feld der Leihepraktiken von Besitz und Herrschaftsrechten statt. Das ist eine Entwicklung, die in der Zeit Friedrich Barbarossas beginnt und sich bis ans Ende des 12. Jahrhunderts beschleunigt, um dann spätestens um die Mitte des 13. Jahrhundert allgemein zu werden. Sie schlägt sich in einer erkennbaren Präzisierung der Urkundensprache unter dem Einfluss gelehrtbis feudum zum alleinigen Begriff für Lehen wird. Vgl. die Beobachtungen bei Schieffer: Lehnswesen (wie Anm. 29), S. 80. 59 Dazu demnächst: Lorenz: Königs- und Kaiserurkunden (wie Anm. 29).

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rechtlicher Vorstellungen nieder. Immer aber geht es um die dingliche Komponente des vormaligen Lehnswesens, um das Leihegut, und nicht um die personale Unterordnung. Präzisierungen dieser leiherechtlichen Vorstellungen lassen sich aber schon in der Zeit Friedrich Barbarossas erkennen. Zunehmend werden Abhängigkeiten von verliehenen Gütern genauer benannt und auf den Leihegeber zurückgeführt. Sollte ein Lehen an ein Kloster übertragen werden, wird nun häufiger und gerade dann, wenn es sich um angefochtene Schenkungen handelt, die ganze Kette der betroffenen Herren genannt.60 Unter den zahlreichen Beispielen für solche Lehns- oder Leiheketten ist eines aus der Frühzeit Friedrich Barbarossas besonders gut belegt. Dem Stift Polling in Oberbayern war seit Langem das Gut Forstenried, heute ein Stadtteil von München, entfremdet worden.61 Mit Hilfe seines Vogtes Heinrichs des Löwen bemühte es sich um Restitution. Nach mehreren Anläufen wurde dies im Jahr 1169 in einer Königsurkunde festgehalten, deren Ziel es sicher war, die Übertragung an das Kloster hieb- und stichfest zu begründen.62 Der unrechtmäßige Besitzer des Lehens, Heinrich von Aubing, ließ dieses – wie wir aus der Urkunde erfahren – seinem Herrn Ulrich von Stein auf, dieser übergab es an Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, dieser wiederum an Herzog Heinrich den Löwen, Letzterer legte es in die Hände Friedrich Barbarossas, der das Gut dann an das Stift schenkte. Geradezu lehrbuchartig zeichnet sich hier eine hierarchische gestufte Lehnsfolge vom König, über den Herzog, den Pfalzgrafen, einen Freien bis hin zum Ministerialen Heinrich von Aubing ab. Wichtig ist nun aber, dass es sich hier sicher nicht um den gleichsam zufällig verschriftlichten Regelfall handelte, sondern um das Ergebnis einer auch

60 Vgl. dazu künftig Lorenz: Königs- und Kaiserurkunden (wie Anm. 29); im Urkundenbestand des Hochstifts Bamberg treten solche Leiheketten vermehrt am Beginn des 13. Jahrhunderts auf. 61 Zum Vorgang: Helmer, Friedrich: Stift Polling und das Gut Forstenried im 12. Jahrhundert, in: Thoma, Gertrud (Hg.): Forstenried. Acht Jahrhunderte Siedlung und kirchliches Leben im Süden von München, St. Ottilien 1994, S. 15–32; vgl. auch Seibert, Hubertus: Non predium, sed beneficium esset … Das Lehnswesen im Spiegel der bayerischen Privaturkunden (mit Ausblicken auf Tirol), in: Dendorfer/Deutinger (Hg.): Lehnswesen (wie Anm. 9), S. 143–162. 62 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLXVIII. usque ad annum MCXXX, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata X/3) Hannover 1985, S. 10–11, Nr. 549.

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am Königshof geführten jahrzehntelangen Auseinandersetzung.63 Solche Staffelungen von Leihen werden erst ab der Mitte des 12. Jahrhunderts in stärkerem Maße verschriftlicht, sie deuten deshalb eher auf die Durchsetzung neuer Sichtweisen hin. Zum einen derjenigen, dass bestimmte Güter hierarchisch in letzter Folge auf den König zu beziehen seien, zum anderen, dass für eine rechtmäßige Verfügung über ein Leihegut die Zustimmung aller potentiell zuständigen Herren einzuholen ist. Ein anderer Gedanke, der sich immer wieder findet und der in seiner präzisen, schriftlichen Form ebenfalls auf die gelehrtrechtlichen Einflüsse zurückgehen dürfte, ist die Forderung, dass für die gültige Belehnung binnen Jahr und Tag nach dem Tod des Herrn oder des Mannes, des Leihegebers oder des Leihenehmers, die neuerliche Investitur mit dem Leihegut einzuholen ist.64 Weit im Norden des Stauferreiches, in Magdeburg, lässt sich im Jahr 1179 ein Fall greifen, in dem Erzbischof Wichmann einem miles des Stiftes Unser Lieben Frau ein Lehnsgut absprach, weil er es versäumt habe, um die Belehnung damit zu bitten.65 In summa kann man die Auswirkungen dieser Regeln so sehen, dass sie den Gedanken wach halten und immer wieder in Erinnerung rufen, dass Rechte und Besitzungen abgeleiteten Charakter haben und nicht kraft eigenen Rechts gehalten werden. Es verwundert nicht, dass in Königsurkunden dabei der König an der Spitze solcher abgeleiteten Rechte steht. Auch über den Königshof hinaus aber dürfte hierin eine wichtige Funktion der zunehmenden leiherechtlichen Durchdringung liegen: in der Betonung des Gedankens der Ableitung von Gütern, Rechten, Einkünften und der Suggestion einer gewissen Sicherheit, dass diese Ableitung, die Leihe, nicht vergessen wird. Darin ist auch eine politische Funktion zu fassen, wenn jemand vom König ein Herzogtum oder eine Grafschaft zu beneficium oder feudum erhält, dann heißt das zuerst, dass damit gültig ausgedrückt wird, er besitzt sie nicht kraft eigenen Rechts, sondern vom König. Ob damit allerdings impliziert wird, dass er Vasall des Königs wird und bestimmten Verpflichtungen etwa militärischer Art nachkommen muss, bleibt meist Speku63 Zu den weiteren urkundlichen Quellen dafür und den Etappen des Rechtsstreits vgl. Helmer: Polling (wie Anm. 61). 64 Zur Forderung nach der Mutung vgl. die Belege in den Roncaglischen Gesetzen, oben Anm. 56. 65 Zu diesem Fall, ausführlich mit Literatur und Quellen: Dendorfer: Lehnrecht (wie Anm. 10), S. 187–193.

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lation. In der Zeit Friedrich Barbarossa sind also sicher Veränderungen in der Form der Verschriftlichung von Leihebeziehungen, auf dem Feld der dinglichen Komponente des vormaligen Lehnswesens greifbar, weitaus schwieriger ist es allerdings, danach zu fragen, was ein Vasall ist. Schon der Begriff vassus oder vasallus kommt im Reich nördlich der Alpen so gut wie gar nicht vor, mehrdeutige Begriffe an seine Stelle zu setzen, ist nicht legitim. Miles ist bekanntlich auch mit Ritter oder Ministeriale zu übersetzen,66 eine andere Alternative homo der Mann respektive Lehnsmann ist ebenfalls vieldeutig. Es ist deshalb schwierig, anhand der Quellenlage darüber zu sprechen, was ein Vasall ist, in welchem Umfang das Vasallsein mit der Vergabe von Lehen verbunden ist, und nicht zuletzt, wie er sich gegenüber seinem Herrn verhalten soll. Das Lehnrecht, auch das oberitalienische, kennt bekanntlich die Vorstellung, dass ein Vasall seinen Herrn nicht schädigen soll.67 Eine solche Vorstellung findet sich auch in Quellen im Reich nördlich der Alpen, hier bezogen auf milites, am Beginn des 12. Jahrhunderts. Besonders eindrücklich ist eine Szene aus den Anfängen der Regierungszeit Heinrichs V., in der die Gesandtschaft der Großen, die er im Streit mit dem Vater nach Rom sandte, im Tal von Trient von

66 Zur vieldiskutierten, aber für das hohe Mittelalter immer noch Erkenntnispotential bietenden Begriffsgeschichte von miles, vgl. Duby, Georges: Die Ursprünge des Rittertums, in: Borst, Arno: Das Rittertum im Mittelalter (Wege der Forschung 349), 2. Aufl., Darmstadt 1989, S. 349–369 [erstveröffentlicht 1968]; Johrendt, Johannes: Milites und Militia im 11. Jahrhundert. Untersuchung zur Frühgeschichte des Rittertums in Frankreich und Deutschland, Diss. Phil. Uni Erlangen, Nürnberg 1971; Ders.: „Milites“ und „Militia“ im 11. Jahrhundert in Deutschland, in: Borst (Hg.): Das Rittertum im Mittelalter (wie Anm. 66), S. 419–436; Keller, Hagen: Militia, Vasallität und frühes Rittertum im Spiegel oberitalienischer Miles-Belege des 10. und 11. Jahrhunderts, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 62 (1982), S. 59–97; Fleckenstein, Josef: Über den engeren und weiteren Begriff von Ritter und Rittertum (miles und militia), in: Althoff, Gerd/Geuenich, Dieter/Oexle, Otto Gerhard (Hg.): Person und Gemeinschaft im Mittelalter. Karl Schmid zum fünfundsechzigsten Geburtstag, Sigmaringen 1988, S. 379–392; Erkens, Franz-Reiner: Militia und Ritterschaft. Reflexionen über die Entstehung des Rittertums, in: Historische Zeitschrift 258 (1994), S. 623–659, für das frühste Mittelalter künftig: Sarti, Laury: Der fränkische miles weder Soldat noch Ritter, in: Frühmittelalterliche Studien 52 (2018), S. 99–117. 67 Vgl. dazu Dilcher: Lehnrecht (wie Anm. 26), S. 68–70 u. 74 f.; Fischer, Carsten: Lehnsrechtliche fidelitas im Spiegel der ,Libri feudorum‘, in: Das Mittelalter. Perspektiven mediävistischer Forschung 20 (2015), S. 279–293.

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einem Grafen Adalbert festgehalten und schmachvoll behandelt wird.68 Nur Bischof Otto von Bamberg, Teilnehmer dieser Gesandtschaft, war Adalbert „gezwungen zu schonen“ (parcere cogebatur), weil er dessen miles war.69 Ist das ein früher und selten deutlicher Beleg für das erwartete Wohlverhalten eines Vasallen gegenüber seinem Herrn?70 Die Forschung zum Lehnswesens hat dieses Phänomen als sogenannte negative Treue bewertet, als Teil einer Vasallenethik.71 Sie ist auch dann für viele Leihebeziehungen anzunehmen, wenn sie nicht explizit formuliert wird. Die Vorstellung, dass jemand, der von einem anderen Güter geliehen bekommt, diesen nicht schädigen soll, bedarf keiner zu großen gedanklichen Anstrengung. Bis hin zu Felonieprozessen, der Aberkennung von Lehen, wegen Verrats des Herren ist es davon allerdings noch ein weiter Weg. Inwieweit es im 12. Jahrhundert eine eigene Vasallenethik im Reich nördlich der Alpen gab, lässt sich beim derzeitigen Forschungsstand nicht entscheiden; nicht zuletzt deshalb, weil diese Frage, eng mit anderen Diskussionsfeldern wie der Entstehung des Rittertums und dessen Ethik verbunden ist.72 Auffällig ist zumindest, dass es im Reich nördlich der Alpen keine lateinische Bezeichnung für den Vasallen als Halter eines Lehens, für das er zur Gegenleistung verpflichtet war, gab. Zu unterstreichen ist auch, dass in Urkunden so gut wie nie die personale Komponente, eine vasallitische Unterordnung, behandelt wird. Die zeitgenössische Historiographie harrt noch einer systematischen Unter68 Ekkehardi chronica, Recensio III, in: Frutolfi et Ekkehardi chronica necnon Anonymi chronica imperatorum, ed. Franz-Josef Schmale/Irene Schmale-Ott (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte – Freiherr-vom Stein-Gedächtnisausgabe 15) Darmstadt 1972, S. 268–333, hier ad 1106, S. 276; zum Kontext: Dendorfer, Jürgen: Heinrich V. Könige und Große am Ende der Salierzeit, in: Struve, Tilman (Hg.): Die Salier, das Reich und der Niederrhein, Weimar/Wien 2008, S. 115–170. 69 Ekkehardi chronica, Recensio III (wie Anm. 68), ad 1106, S. 276. 70 Mit dem Versuch einer Deutung: Dendorfer, Jürgen: Die Rechte und Pflichten des Herrn und des Vasallen und die Bedeutung der Lehnsbindung im hohen Mittelalter. Ein Versuch, in: van Eickels, Klaus (Hg.): Gebote und Verbote und ihr sozialer Sinn im Mittelalter, voraussichtlich Bamberg 2019. 71 Ganshof: Lehnswesen (wie Anm. 15), S. 86–90; Mitteis: Lehnrecht und Staatsgewalt (wie Anm. 15), S. 531–534; Spiess: Lehnswesen in Deutschland (wie Anm. 32), S. 30–33. 72 Vgl. etwa die letzte, umfassende Darstellung zu diesem Problemfeld im deutschsprachigen Raum von Fleckenstein, Josef: Rittertum und ritterliche Welt. Unter Mitwirkung von Thomas Zotz, Berlin 2002, hier Kapitel 1, S. 25–60, in dem die Entstehung des Rittertums aus dem Lehnswesen erklärt wird.

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suchung, die Überschneidungsmenge zum Verhalten der milites dürfte hier aber ebenfalls ein gewichtiges Problem darstellen. Mehr positives Potential für die Deutung politischer Bindungen als bei der „Vasallität“ sehe ich allerdings auf einem anderen Feld, dem der Ritualsprache, mit der die Ableitung von Rechten und Besitzungen und die Unterordnung sichtbar gemacht wird. Der Handgang, die Investitur, und damit verbundene Gesten sowie nicht zuletzt auch der Treueid bieten erhebliches Potential, um politisches Handeln zu deuten. Hervorzuheben ist auch hier, dass eine zwingende Verbindung im Sinn eines Lehnsrituals nicht zu erkennen ist. Die Bausteine des Rituals lassen sich aber gesondert deuten und sprechen eine eindeutige Sprache. In bestimmten Situationen können wir in der zeitgenössischen Historiographie erkennen, dass die Handelnden Beziehungen verdeutlichten und Erwartungssicherheit in Bezug auf künftiges Handeln herstellen wollten73 – die Handelnden oder der jeweilige Autor der Quelle, aber auch dann wären die Quellen nicht weniger aussagekräftig, weil wir ein zeitgenössisches Handlungsmuster erfassen würden. Was bleibt also letztlich für „politischen Bindungen“ durch Lehen und Vasallen in der Zeit Friedrich Barbarossas? Leider vor allem Fragenzeichen, und die gehen auch über das Feld des Lehnswesens hinaus. Die Annahme, das Handeln mittelalterlicher Menschen auf Grund einer Art Grammatik personaler Bindungen zu erschließen und damit dauerhaft stabile Gruppenbildungen und -orientierungen zu beschreiben, bedarf durchaus neuer Diskussion. Letztlich ist sie ein Kind der „neuen“ Verfassungsgeschichte der 30er Jahre.74 Das diskreditiert das vielfach unter Beweis gestellte Erkenntnispotential des Ansatzes nicht grundsätzlich, erlaubt aber doch die Frage nach seinen Grenzen. Zwar bieten Ver73 Vgl. dazu etwa die Unterwerfung des böhmischen Herzogs Sobeslav I. unter König Lothar III. im Jahr 1126, die rituell überdeterminiert ist und aus dieser Absicht zu deuten ist, vgl. dazu Dendorfer: König von Böhmen (wie Anm. 4), S. 240–246. 74 Diese Zusammenhänge bedürften ungeachtet des innovativen Potentials des Ansatzes doch der kritischen Einordnung. Ein Versuch aus landesgeschichtlicher Perspektive: Dendorfer, Jürgen: Land und Herrschaft. Die „Neue Deutsche Verfassungsgeschichte“ und ihre Wirkungen auf die Landesgeschichte, in: Zehetmayer, Roman/Mochty-Weltin, Christina: Adel und Verfassung im Süden des hoch- und spätmittelalterlichen Reich. Die Vorträge der Tagung im Gedenken an Maximilian Weltin am 23. und 24. Februar 2017 in Wien (NÖLA. Mitteilungen aus dem Niederösterreichischen Landesarchiv 18), St. Pölten 2018, S. 33–55.

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wandtschaft, Freundschaft und durch Leihebeziehungen erkennbare Naheverhältnisse von Akteuren Rahmungen für das individuelle Handeln. Das Handeln selbst aber kann unerwartete Wendungen nehmen. Diese Offenheit der Situationen sollten wir nicht auflösen. Positiv gewendet können wir aber dann, wenn wir die Ritualsprache und die Grundgedanken der Leihe erfassen, näher an das Handeln der Menschen herankommen und uns sowohl dem Handlungsrahmen als auch der Darstellungsabsicht der Quellenautoren annähern. Dadurch werden adäquatere Interpretationen für das Handeln von Menschen möglich; das ist nicht wenig.

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Die Lehensbeziehungen der böhmischen Herzöge zu Friedrich Barbarossa

Der Mönch von Sázava, einer der zwei unmittelbaren Fortsetzer des Chronisten Cosmas, dessen Text aber auf keinen Fall mit den literarischen Qualitäten des Werkes des Prager Domdechants gemessen werden kann, hinterließ dennoch gleich am Anfang seiner Fortsetzung ein durchaus interessantes Zeugnis. Der Mönch begann seine Darstellung mit dem Konflikt des neuen böhmischen Herzogs Soběslav I. mit dem neuen römischen König Lothar III. im Jahre 1126. Lothar unternahm einen Heereszug nach Böhmen, da der Bruder des vorangehenden Herzogs Vladislav I. Soběslav den Herzogsstuhl unter Zustimmung der böhmischen Magnaten besetzt hatte, auch wenn gemäß der älteren Satzung des Herzogs Břetislav (das sogenannte Senioratsgesetz, Anciennitätsprinzip) die Herzogswürde dem ältesten Mitglied des Herrschergeschlechtes übertragen werden sollte – und das war zu jenem Zeitpunkt der Olmützer Teilfürst Otto der Schwarze.1 Dieser beklagte sich auch bei König Lothar, der beschloss, mit seiner Heeresmacht einzugreifen. Lothar sprach Otto an seinem Hof angeblich mit folgenden Worten an: „Das Herzogtum Böhmen, wie wir von unseren Vorgängern erfuhren, stand von Anfang an unter der Macht des römischen Kaisers (in potes­ tate Romani imperatoris) und es war niemals erlaubt die Herzogswahl oder -erhebung (electionem aut promotionem cuiusquam ducis) in diesem Lande zu vollziehen, außer auf Veranlassung, unter Mitwirkung und mit Bestätigung der kaiserlichen Majestät.“2 1

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Die Ereignisse sind in den Standardwerken dargestellt: Novotný, Václav: České dějiny I/2. Od Břetislava I. do Přemysla I. Praha 1913, S. 567–583; Žemlička, Josef: Čechy v době knížecí (1034–1198). Praha 1997, S. 221–223; Vaníček, Vratislav: Soběslav I. Přemyslovci v kontextu evropských dějin v letech 1092–1140, Praha/Litomyšl 2007, S. 180–194. Monachi Sazawiensis continuatio Cosmae, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 254–256.

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Als Lothar mit seinem Heer nach Böhmen zog und bei Kulm sein Lager aufschlug, sandte Soběslav zu ihm Boten, welche aus den führenden Magnaten gewählt wurden3 und dem König die Meinung des Herzogs übermitteln sollten: „Deine Weisheit, guter Kaiser, möge wissen, dass die Wahl des Herzogs von Böhmen (electio ducis Boemie), wie wir von unseren Vorgängern gehört haben, niemals vom Schiedsspruch des Kaisers, sondern vom Gutdünken der Magnaten von Böhmen abhängig war (in Boemie principum constitit arbitrio),4 in deiner Gewalt ist lediglich die Bestätigung der Wahl (sola confirmatio). Ohne Grund versuchst du uns mit dem Joch eines neuen Gesetzes zu fesseln.“5 Die Entscheidung überließ der Herzog von Böhmen in der Folge Gott. Wenn wir von der Tatsache absehen, dass es sich um fiktive Reden handelt, drücken die angeführten Worte getreulich den Standpunkt der böhmischen Partei aus. Der Text des Mönches ist am Anfang der 70er Jahre des 12. Jahrhunderts niedergeschrieben worden,6 daher scheint die Meinung von Vratislav Vaníček gerechtfertigt zu sein, dass er eigentlich auf das Vorgehen reagierte, das der damalige Herrscher des Reiches, also Friedrich I. Barbarossa, in Bezug auf das Herzogtum Böhmen gegenüber Vladislav II. zur Geltung bringen wollte.7 Nach der äußerst blutigen Auseinandersetzung, in der Otto von Olmütz und viele Magnaten des Reiches fielen und viele andere, wie z.B. der Markgraf Albrecht der Bär, gefangengenommen wurden, suchte der Herzog von Böhmen König Lothar auf, welcher mit ein paar ihm treu Gebliebenen auf einer Anhöhe ohne Rückzug- oder Fluchtmöglichkeit verweilte, und bot ihm die Versöhnung an. Laut dem Chronisten von Sazau berief sich Soběslav auf den Schlachtausgang als Gottesentscheid und schloss die Angelegenheit folgendermaßen ab: „Wir werden bereitwillig alle Rechtsverpflichtungen (iustitiae debitum), welche unsere Vorgänger gegenüber der Königsmajestät anerkannt haben, mit 3

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Die Historiker stimmen darin überein, dass die böhmische Botschaft zu Lothar III. bereits einige Zeit, bevor er Böhmen betrat, gelangt war. Vgl. Novotný: České dějiny I.2 (wie Anm. 1), S. 571, Anm. 2; Vaníček: Soběslav I. (wie Anm. 1), S. 183 u. 186. Zur Wahl der Böhmenherzöge siehe Schmidt, Roderich: Die Einsetzung der böhmischen Herzöge auf den Thron in Prag, in: Beumann, Helmut/Schröder, Werner (Hg.): Aspekte der Nationenbildung im Mittelalter. Ergebnisse der Marburger Rundgespräche 1972–1975 (Nationes 1) Sigmaringen 1978, S. 439–463, hier vor allem S. 451–454. Monachi Sazawiensis continuatio Cosmae (wie Anm. 2), S. 255. Nechutová, Jana: Die lateinische Literatur des Mittelalters in Böhmen, Köln/Weimar/ Wien 2007, S. 85. Vaníček: Soběslav I. (wie Anm. 1), S. 182.

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unseren Gütern und auch persönlich je nach dem Ort und der Zeit erfüllen.“ Lothar war damit einverstanden, dass Soběslav weiterhin den Herzogsstuhl behielt, übergab ihm eigenhändig die Fahne als Symbol des Herzogtums (tra­ didit ei per manum insigne ducatus vexillum) und tauschte mit ihm den Friedenskuss.8 Ähnlich berichtet auch der Annalista Saxo und ergänzt darüber hinaus noch, dass sich der Herzog, nachdem er Boten zum König Lothar entsandt hatte, sich in eigener Person einfand und vor ihm niederkniete, worauf er die Zusage seiner Gnade erhielt, zu seinem Vasallen wurde (homo regis effici­ tur), sich ihm unterstellte, ihm öffentlich den Treueid leistete (ammodo se regi subditum et fidelem fore iuramento confirmat) und von ihm sein Land als Lehen empfing (provinciam in beneficium accipit).9 Der römische König konnte schließlich trotz der Niederlage seine Ehre wahren, Soběslav dagegen hatte sich als Herzog durchgesetzt und konnte in seinem Land nach Belieben verfahren. Die gesamte Inszenierung, welche mit der Vermittlung von Heinrich von Groitzsch einherging, bedeutete dann die dauerhafte Bestätigung der Beziehung des Königs zum Herzog. Der Annalista Saxo nennt hier allerdings drei Elemente: persönliche Vasallität, den Treueid und die eigentliche Belehnung, die er aber nicht unmittelbar miteinander verbindet, wie Jürgen Dendorfer betont, welcher daraus schließt, dass es um eine rituelle Lösung einer konkreten Situation ginge, welche die unmittelbare Unterordnung des böhmischen Herzogs mit einem Sinn erfüllt; es handele sich daher um einen Sonderfall, nicht um eine allgemein akzeptierte und tief verwurzelte Regel.10 8

Monachi Sazawiensis continuatio Cosmae (wie Anm. 2), S. 257. Auf die Problematik des Verhätnisses zwischen Böhmen und seinen Herzögen und Königen zum Reich und dessen Herrschern ging auf dem Workshop „Friedrich Barbarossa in den Nationalgeschichten Deutschlands und Ostmitteleuropas (19.–20. Jh.)“, der 2015 in Brünn stattfand, ein: Jürgen Dendorfer, in seinem umfangreichen Beitrag Der König von Böhmen als Vasall des Reiches? Narrative der deutssprachigen Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts im Licht der Diskussion um das Lehnswesen, in: Görich, Knut/Wihoda, Martin (Hg.): Friedrich Barbarossa in den Nationalgeschichten Deutschlands und Ostmitteleuropas (19.–20. Jh.), Köln/Weimar/Wien 2017, S. 229–284. Auch wenn ein großer Teil der Studie die Entwicklung dieses Forschungsthemas behandelt, bringt er in der Einleitung seine eigenen bereits früher publizierten Beobachtungen, die die faktische Nichtexistenz einer engen Bindung des Lehens und Vasallentums zeigen (S. 232–236). 9 Annalista Saxo, ed. Klaus Nass (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXXVII) Hannover 2006, S. 586. 10 Dendorfer, Jürgen: Der König (wie Anm. 8), S. 241–246; dort auch weiterführende

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Wenn wir aber das Verhältnis des Herzogtums Böhmen zum Reich nicht nur in der Zeit Barbarossas verstehen wollen, müssen wir tiefer in die Vergangenheit zurückblicken. Während für das 10. Jahrhundert die Möglichkeit erwogen wird, dass die Herzöge von Böhmen die Oberhoheit des Reiches anerkannt haben und dieses Verhältnis durch regelmäßige Tributzahlungen zum Ausdruck brachten,11 wird für die Zeit ab 1002 ein Lehnsverhältnis erwogen, welches im Laufe des 11. Jahrhunderts parallel neben der Tributabhängigkeit bestand. Von den Handlungen des genannten Jahres berichtet aus seiner Sicht Thietmar von Merseburg: Als die Böhmen Boleslav III. stürzten, riefen sie heimlich Vladivoj aus Polen zurück, der mit den Přemysliden verwandt war (consanguinitatis linea) – vielleicht ging es in der Tat um einen Přemysliden aus einer Nebenlinie – und wählten ihn einstimmig zum Herzog (et pietatis affectu unanimiter electum). Vladivoj besuchte dann König Heinrich II. in Regensburg, wo er ihn sich in ehrfürchtiger Unterwürfigkeit und mittels des Treuegelöbnisses als seinen Herren erwählte (cum humili subiectione et fideli promissione hunc in domnum elegit) und das, worum er ansuchte, als Benefizium erwarb (que postulavit ab eo, in beneficium acquisivit).12 Die meisten älteren Autoren, sowohl die tschechischen als auch die deutschen betrachten die angeführte Stelle als Nachweis der ersten Verleihung des Herzogtums Böhmens als Reichslehen.13 Dennoch mag es ratsam sein, Überlegungen und die Klärung von Fragen, welche sich der Verfasser selbst stellt. – Die Vermittlung des Heinrichs von Groitzsch erwähnt Otto von Freising in Ottonis et Rahewini gesta Friderici I. imperatoris, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores Rerum germanicarum in usum scholarum 46) Hannover/Leipzig 1912, S. 35, wo Heinrich für diese Zeit fälschlich als Saxoniae marchio bezeichnet wird. 11 Fiala, Zdeněk: Vztah českého státu k německé říši do počátku 13. století. (Podle kritiky pramenů), in: Sborník historický 6 (1959), S. 45–56; Wegener, Wilhelm: Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter. Untersuchungen zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens und Mährens im Deutschen Reich des Mittelalters 919–1253, Köln/Graz,1959, S. 49–59; Prinz, Friedrich: Die Stellung Böhmens im mittelalterlichen Deutschen Reich, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 28 (1965), S. 102; Žemlička: Čechy (wie Anm. 1), S. 114 f. 12 Thietmari Merseburgensis episcopi Chronicon, ed. Robert Holtzmann (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova series 9) Berlin 1935, S. 247– 249. 13 Novotný, Václav: České dějiny I/1, Od nejstarších dob do smrti knížete Oldřicha, Praha 1912, wo der Verfasser auf S. 674 die Verleihung von Böhmen als althergebrachte Gewohnheit betrachtet. Ferner Žemlička: Čechy (wie Anm. 1), S. 115; Fiala: Vztah českého stá-

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diese Stelle mit äußerster Behutsamkeit zu lesen. Thietmar verwendet den Begriff beneficium relativ häufig, aber auf vielen Bedeutungsebenen, nämlich als ‚Kirchenpfründe‘, ferner lediglich als „Wohltat“, als „Bezeigung des Wohlwollens“ oder als „Vergabe von Gütern mit Dienstpflicht“. In den Fällen, wo die Übersetzung als ‚Lehen‘ gerechtfertigt ist, geht es meistens um die Güter niedrig gestellter Adeliger, von Herzögen und auch Markgrafen, häufig im Gegensatz zum Eigenbesitz (proprietas) oder zum freien Erbgut (hereditas). An anderer Stelle sagt Thietmar, dass Boleslav III. der Rote zum Ritter Markgraf Ekkehards von Meißen geworden ist (Boemiorum ducem Bolizlavum, qui cognominatur Rufus, ad militem sibi … adipiscitur).14 Im gleichen Absatz gibt er an, dass der König Ekkehard einen großen Teil seines beneficium als Eigentum übergab (apud domi­ num suimet beneficii maximam partem acquisivit in proprietatem); die Historiker weisen dennoch die Ansicht zurück, dass es sich um einen Teil der Meißener Mark handelte, sondern setzten voraus, dass es um ein anderes Eigentum ging, also um irgendein kleineres Lehen.15 Für das Herzogtum oder die Mark verwendet der genannte Chronist den Begriff beneficium einfach nicht.16 Interessant ist auch die Terminologie des Aktes der Benefiziumsübergabe bei Thietmar. Im Falle der Verleihung der Grafschaft durch den gewählten Heinrich an Luitger, den Lehnsmann des Bischofs Arnulf (Luidgero, Arnulfi presulis militi), berichtet er zum Jahre 1002, dass der Eid bislang nicht vollzogen wurde (sacramentum manus);17 ähnlich haben im selben Jahr die Leute, welche dem früheren Kaiser

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tu (wie Anm. 11 ), S. 59; Wegener: Böhmen/Mähren (wie Anm. 11), S. 65. Dazu vgl. präzise Dendorfer: Der König (wie Anm. 8), S. 238 f., welcher bemerkt, dass die Erwägung einer Lehensverleihung zwar möglich ist, doch nur falls in der gegebenen Zeit „ein etabliertes, klassisches Lehenswesen im Sinne der Synthese von Heinrich Mitteis und Francois Louis Ganshof “ auch tatsächlich bestanden hat. Thietmari Merseburgensis episcopi Chronicon (wie Anm. 12), S. 228. Ebd., S. 228 f., Anm. 4. Thietmar erwähnt ein interessantes Beispiel, wie Graf Gerhard von Elsass vom König eine Grafschaft empfing, die früher Herzog Hermann (II.) von Schwaben hielt. Danach belagerte Gerhard eine Burg; die Lanze mit der Fahne, die ihm der König als Symbol für die Übertragung einer zuvor dem Herzog von Schwaben gehörigen Grafschaft als Benefizium übergeben hatte (accessit signiferamque lanceam, qua beneficium ducis comes isdem acceperat a rege), stieß er vor seinem Zelt in die Erde. Dort wurde sie aber während der Nacht von einem seiner Gegner entwendet und in die Burg gebracht, vgl. Thietmari Merseburgensis episcopi Chronicon (wie Anm. 12), S. 245. Ebd., S. 223.

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gedient hatten, Heinrich gehuldigt und ihm eidlich treue Hilfe versprochen (regi manus complicant, fidele auxilium per sacramenta confirmant), nur der genannte Luitger blieb abseits.18 Hier geht es offenkundig um direkte Lehnsleute des Königs bis zum Grafenrang. Nach dem Tode von Vladivoj bemächtigte sich 1003 der Herzog von Polen Boleslaw Chrobry Böhmens und der König gab ihm mittels eines Boten bekannt, dass er mit seiner Herrschaft einverstanden sein werde, „wenn er das Land, das er unlängst besetzte, gemäß alten Rechts aus seiner Gnade empfangen wird und falls er ihm verspricht, dass er ihm immer getreulich dienen wird“. Andernfalls werde er Gewalt einsetzen.19 Gleichwohl erhörte Boleslaw die Aufforderung; den polnischen Herzog haben schließlich die Böhmen selbst vertrieben. 1004 begab sich König Heinrich selbst nach Böhmen und belohnte den Přemysliden Jaromír, einen der Söhne von Boleslav II., welcher zuvor von den Böhmen selbst zum Herzog gewählt und proklamiert worden war, „mit allen Ehren ..., die auch seinem Vater zuteil geworden sind“.20 Einige Jahre später wurde Jaromír von seinem Bruder Ulrich verdrängt, der sich, vom König gerufen, in Merseburg einfand, wo er aus dessen Hand das Land empfing, das er bereits widerrechtlich hielt.21 Obwohl wir in der älteren Literatur der Meinung begegnen, dass Břetislav im Jahre 1035 in Bamberg belehnt wurde,22 kann dies anhand der Quellenaussagen nicht verifiziert werden. Viel deutlicher und eindeutiger ist die Aussage der größeren Annalen von Niederaltaich zum Jahre 1041, wo sich Břetislav I. in Regensburg König Heinrich unterwarf (Cosmas datiert dieses Ereignis um ein Jahr später). Břetislav versprach hier angeblich unter Eid, nach Regensburg zu kommen, sich dem König völlig zu unterwerfen, ihm 8000 Goldmünzen zu bezahlen, fünf 18 Ebd., S. 241. 19 Ebd., S. 255, 257: … mandant ei, si terram nuper a se occupatam de sua gracia, ut ius anti­ quum poscit, retinere sibique omnibus fideliter servire, se eius voluntati in hiis assentire, sin alias, se armis illi velle contraire. 20 Ebd., S. 290: Cunctis mox dignitatibus a rege honoratur Iaremirus paternis convocatis indi­ genis coram omnibus. 21 Ebd., S. 375: Post hec Odalricus fratre eius Merseburg venit a rege vocatus et regnum, quod sibi antea iniuste usurpaverat, gratuito munere suscepit. 22 Zu den Ereignissen in Bamberg siehe Annales Altahenses maiores, ed. Edmund von Oefele (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 4) Hannover 1891, S. 19 f.; so meinte Novotný: České dějiny (wie Anm. 1), S. 8; Wegener: Böhmen/Mähren (wie. Anm. 11), S. 67, dazu kritisch Fiala: Vztah českého státu (wie Anm. 11), S. 62.

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Geiseln zu stellen – außer seinem Sohn noch vier führende Adelige –, die Baumsperren aufzuheben und die Wege freizumachen. Das geschah auch, Břetislav demütigte sich zum gegebenen Termin vor Heinrich und legte den Treueid ab, welcher der Lehnsmann seinem senior schuldig ist (iusiiurandum regi fecit, ut tam fidelis illi maneret, quam miles seniori esse deberet).23 Für die nachfolgenden Herrscher von Böhmen fehlen jedwede Berichte über die Bestätigungen seitens der Herrscher des Reiches, daher kommen die Erwägungen in diese Richtung reinen Spekulationen gleich. Die Situation ändert sich an der Wende des 11. zum 12. Jahrhundert grundlegend. Der bereits genannte Chronist Cosmas gibt an, dass Kaiser Heinrich IV. 1099 auf Wunsch des Böhmenherzogs Břetislav II. dessen Bruder Bořivoj, den der Herzog (und ein Teil der Elite) als Nachfolger erkoren hatte, eine Fahne (vexillum) gab. Die Übergabe der Fahne ist hier zum Zeichen und Mittel der Designation geworden.24 Bořivoj II. wurde zwar zum Herzog, er vermochte aber nicht, seine Herrschaft aufrechtzuerhalten und rang viele Jahre ohne Erfolg um sie (Herzog 1001–1007, 1009–1010, 1017–1020). Im Jahr 1001 beklagte sich Ulrich von Brünn bei Kaiser Heinrich IV., dass ihm sein jüngerer Cousin Bořivoj das Herzogtum widerrechtlich entfremdet habe. Der Kaiser übergab ihm, nachdem der Herzog die Zahlung geleistet hatte, die Zeichen des Herzogtums und die Fahne, jedoch mit dem Zusatz, dass die Böhmen durch ihre Wahl zu entscheiden hätten, ob sie ihn als Herzog wollten (dat sibi ducatus insignia et vexillum; sed in ducem eligendi obtentum ponit in arbitrio Boemorum).25 Ulrich wurde daher nicht zum Herzog. Ging es also in der Tat um die Belehnung oder um einen Handel? Von der Übergabe der Fahne an Soběslav I. war bereits die Rede, es mag aber in diesem Zusammenhang erwähnenswert sein, dass der Herzog von Böhmen im Jahr 1132 Lothar 300 bewaffnete Reiter für seine Romreise zur Verfügung stellte.26 Diese Zahl ist aus der Goldenen Bulle gut bekannt. 23 Annales Altahenses maiores (wie Anm. 22), S. 27. Vgl. Dendorfer: Der König (wie Anm. 8), S. 239 f., welcher richtig anmerkt, dass hier nicht gesagt wird, dass Břetislav miles, also Vasall des Kaisers Heinrich, geworden ist, sondern, dass er ihm gegenüber Treue zu bezeigen hat, wie bei Vassallen üblich, was er als deutlichen Unterschied ansieht. 24 Cosmae Pragenis Chronica Bohemorum, ed. Bertold Bretholz/Wilhelm Weinberger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova series 2) Berlin 1923, S. 169. 25 Ebd., S. 176. 26 Canonici Wissegradensis continuatio Cosmae, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 215: CCC milites in auxilium misit.

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Auch der Chorherr von Vyšehrad bietet einen interessanten Bericht: Im Jahr 1138 kurz nach der Wahl Konrads III. kamen zu Pfingsten alle, „die seinem Königreich angehörten“ (omnes ad regnum suum spectantes), nach Bamberg, um seine Wahl einstimmig zu bestätigen. Hier suchte auch Herzog Soběslav I. von Böhmen den König auf, damit sein Sohn als sein Nachfolger auf dem Herzogsstuhl bestätigt werde. Obwohl noch ein Kind, erhielt dieser in der Tat aus der Hand des Königs die Fahne, und alle anwesenden böhmischen Magnaten legten ihren Eid auf die heiligen Reliquien ab und versprachen dem Herzog auf der Versammlung in Sadská ähnlich, seinem Sohn Treue entgegenzubringen.27 Soběslavs Sohn Vladislav wurde allerdings nicht Herzog: Auf den Stuhl wurde der Sohn von Vladislav I. namens Vladislav II. gesetzt, der von seinem Schwager Konrad II. 1140 in Bamberg die Fahne erhielt (et ibi accepto vexillo a rege).28 Was kann man zu den angeführten Fällen sagen? Die Herzöge von Böhmen aus dem Geschlecht der Přemysliden konnten die Oberhoheit der Herrscher des Reiches würdigen; wenn sie von einer einheimischen Versammlung gewählt wurden, bewarben sie sich um die Bestätigung ihrer Würde, was in der Tat durch die Übergabe der Fahne (vexillum) vollzogen wurde, wobei sie zugleich den Treueid ablegten.29 Das vexillum konnten aber auch die designierten Nachfolger vom Herrscher des Reiches erhalten, wenn auch im Kindesalter; sie mussten allerdings nicht unbedingt „daheim“ anerkannt werden. Angesichts des eben Gesagten stellt aber die Interpretation des Herzogtums von Böhmen als „Fahnlehen des deutschen Königs“ – so W. Wegener und in der Tat auch F. Prinz30 – meines Erachtens ein Missverständnis des Verhältnisses schlechthin und der eigentlichen Stellung Böhmens (auch unter Einschluss Mährens) dar. Denn die Belehnung des Nachfolgers noch zu Lebzeiten des Lehnsinhabers ist ja kaum vorstellbar. Damit sind weitere Fragen verbunden: Wie war also die Stellung von Böhmen im Rahmen des Reiches? Wurde der Herzog von Böhmen als Reichsfürst betrachtet? Wegener hat (äußerst plausibel) nachzuweisen versucht, dass 27 Ebd., S. 228 f.: Gratia quoque regis sibi favente id obtinuit, ut filius suus Wladizlaus in regi­ men ducatus ei succederet. Cui licet puero vexillum praesente patre a rege traditum est, ad quod confirmandum omnes Bohemi proceres super reliquias sanctorum coram rege sacra­ menta fecerunt. 28 Ebd., S. 233. 29 Fiala: Vztah českého státu (wie Anm. 11), S. 64. 30 Wegener: Böhmen/Mähren (wie Anm. 11), S. 69; Prinz: Die Stellung Böhmens (wie Anm. 11), S. 104.

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das Herzogtum Böhmen die Unterordnung unter das deutsche Königreich (reg­ num Teutonie bzw. Alemannie) anerkannte und daher an das Kaisertum und an die Person des Kaisers bzw. an das universale Imperium (imperium Romanum) gebunden war.31 Andererseits betrachtete man aber das Herzogtum Böhmen nicht als pars Teutonie, sondern als Bestandteil der geographischen Germania.32 Wegener war zudem der Meinung, dass die Herzöge von Böhmen spätestens seit 1099, möglicherweise aber bereits seit 1076 oder 1081, zu den principes regni, den Reichsfürsten zählten.33 Damit stimmte Hartmut Hoffmann nicht überein, welcher sie für das 11. und frühe 12. Jahrhundert nicht zu diesem Stand zählte.34 Es begann die Zeit Friedrich Barbarossas, dessen Verhältnis zum Herzogtum Böhmen und seinen Herrschern Jiří Kejř wohl am besten darlegte.35 Barbarossa griff laut dem Chronisten Vincentius kurz nach seiner Wahl im Jahre 1152 in die böhmischen Verhältnisse ein, als er das Herzogtum Böhmen dem Sohn Herzog Soběslavs I., Ulrich, gegen hohe finanzielle Kompensation versprach, da es der herrschende Herzog Vladislav II. abgelehnt hatte, sich auf dem Hoftag in Merseburg einzufinden, und nur eine Gesandtschaft mit Bischof Daniel an der Spitze dorthin sandte. Übrigens war es eben Daniel, der bei Barbarossa intervenierte und laut Chronist die Versöhnung Vladislavs II. mit Ulrich zustande brachte; Letzterer habe dann castrum Gradek ultra Albim (Königgrätz) cum suis appenditiis in beneficium erhalten.36 Gebrauchte in diesem Fall der Herzog von Böhmen gegenüber seinem Verwandten das Lehnsinstitut? Sicher nicht; die Benefizien in Böhmen stellten etwas anderes dar, obwohl sie Gemeinsamkeiten mit den Benefizien im Reich aufwiesen. Darüber wird übrigens in der gegen31 Wegener: Böhmen/Mähren (wie Anm. 11), S. 231–234; nach ihm Prinz: Die Stellung Böhmens (wie Anm. 11), S. 102; vgl. auch Begert, Alexander: Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens (Historische Studien 475) Husum 2003, S. 40 f. 32 Begert: Böhmen, die böhmische Kur (wie Anm. 31), S. 39. 33 Wegener: Böhmen/Mähren (wie Anm. 11), S. 233. 34 Hoffmann, Hartmut: Böhmen und das Deutsche Reich im hohen Mittelalter, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 18 (1969), S. 32–37. 35 Kejř, Jiří: Böhmen und das Reich unter Friedrich I., in: Haverkamp, Alfred (Hg.): Friedrich Barbarossa. Handlungsspieräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers (Vorträge und Forschungen 40) Sigmaringen 1992, S. 241–289. 36 Vincentii canonici Pragensis Annales, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 421.

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wärtigen tschechischen Historiographie in einigen Fällen unnötigerweise eine hitzige Diskussion geführt.37 Im Jahr 1172 hat König Vladislav II. vermutlich ohne jede Beratung mit Barbarossa „feierlich seinen Sohn Friedrich eingesetzt und ihm die Herrschaft über ganz Böhmen anvertraut“ (filium suum Fridericum solempniter introzatum pre­ fecit dominio totius Boemie).38 Wegen seiner Rechte meldete sich auch der Sohn Soběslavs I., Ulrich, der am Hof des Kaisers lebte; er tat dies auch im Namen seines Bruders Soběslav, der in Böhmen gefangen gehalten wurde. Barbarossa gebot deswegen, Soběslav freizulassen, und forderte die Böhmen auf, eine Gesandtschaft zum Hoftag in Nürnberg zu schicken. Weder König noch Herzog gehörten ihr an, und sie war in Nürnberg auch nicht erfolgreich. Soběslav wur37 Am Anfang Jan, Libor: Václav II. a struktury panovnické moci, Brno 2006; dazu polemisch Třeštík, Dušan/Žemlička, Josef: O modelech vývoje přemyslovského státu, in: Český časopis historický 105 (2007), S. 122–164. Dazu weiter Jan, Libor: Skrytý půvab „středoevropského modelu“, in: Český časopis historický 105 (2007), S. 873–903, und wieder Žemlička, Josef: Kasteláni, vilikové a beneficia v netransformované transformaci in: Český časopis historický 106 (2008), S. 109–136. Vgl. auch Jan, Libor: K počátkům české šlechty. Družina, beneficium, pozemkové vlastnictví, in: Nodl Martin/Wihoda, Martin (Hg.): Šlechta, moc a reprezentace ve středověku (Colloquia mediaevalia Pragensia 9) Praha 2007, S. 45–52; Ders.: Hereditates a soudy statut Konráda Oty, in: Jan, Libor/Janiš, Dalibor (Hg.): Ad iustitiam et bonum commune. Proměny zemského práva v českých zemích ve středověku a raném novověku, Brno 2010, S. 10–22; Žemlička, Josef: O „svobodné soukromosti“ pozemkového vlastnictví. (K rozsahu a kvalitě velmožské držby v přemyslovských Čechách), in: Český časopis historický 107 (2009), S. 269–308; Jan, Libor: Hereditas, výsluha, kastelánie. Několik poznámek k terminologii a metodologii současné historiografie přemyslovského období, in: Časopis Matice moravské 128 (2009), S. 461–472; Ders.: Budování monarchie českých Přemyslovců. Postřehy a úvahy, in: Wihoda, Martin/Reitinger, Lukáš (Hg.): Proměna středovýchodní Evropy raného a vrcholného středověku. Mocenské souvislosti a paralely (Země a kultura ve střední Evropě 14) Brno 2010, S. 117–136; Ders.: Česká a moravská šlechta ve 13. a 14. století – otázky zrodu a kontinuity, in: Knoz, Tomáš/Dvořák, Jan (Hg.): Šlechta v proměnách věků (Země a kultura ve střední Evropě 17) Brno 2011, S. 38–62; Žemlička, Josef: K pozemkové výbavě české nobility ve starším středověku, in: Český časopis historický 110 (2012), S.  189–233; Jan, Libor: Statuta Konráda Oty a problémy jejich historické a právněhistorické interpretace, in: Časopis Matice moravské 136, 2017, S. 3–34. Den theoretischen Grund des Streites zeigte Antonín, Robert: Model středoevropského typu středověkého státu jako interpretační problém české a polské medievistiky, in: Historia Slavorum Occidentis. Półrocznik Historyczny/Historická půlročenka 1 (2011), S. 65–76. 38 Annales Gerlaci, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 464.

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de schließlich entlassen, floh aber lieber, da ihm die Blendung drohte, und kam mit seinen Parteigängern auf den Hoftag nach Erbendorf (ad curiam imperato­ ris, que in Erndorff celebranda fuit), an dem auch Herzog Friedrich und anscheinend auch sein Vater Vladislav teilnahmen.39 Dort ließ Barbarossa durch einen Hoftagsbeschluss Friedrich das Herzogtum aberkennen, „denn er bekam es nicht rechtmäßig, … sondern nur durch die Übergabe vom Vater ohne die Zustimmung der Böhmen und nicht aus der Hand des Kaisers“ (Friderico ducatus Bohe­ miae per sententiam abiudicatur, quem non legitime … sed tantum tradente patre sine consensu Boemorum et non de manu imeratoris percepisset), und verlieh es mittels fünf Fahnen (in vexillis quinque) an Ulrich, welcher es unmittelbar darauf seinem Bruder Soběslav II. überließ. Beide haben dann dem Kaiser den Treueid geleistet und ihm militärische Hilfe in der Lombardei versprochen.40 Auch hier wiederholte sich, dass das Herzogtum Böhmen mit Zustimmung der böhmischen Eliten besetzt und danach aus der Hand des Kaisers empfangen werden sollte. Das war im Grunde kein Novum, die Entscheidung des Hoftages war aber eine Klärung insoweit, als die bloße Verleihung des Herzogtums durch König Vladislav als nicht rechtens betrachtet wurde. Es gibt hier aber noch einen weiteren, kaum verständlichen Aspekt: Hätte Barbarossa das Herzogtum Böhmen mittels der Fahnen als Lehen übergeben, konnte dann der Belehnte sein Lehen vor den Augen seines Lehensherren seinem Bruder übergeben? Entweder spielten sich die Ereignisse anders ab, als es uns Gerlach berichtet, oder die Übergabe der Fahnen bedeutete nicht die Belehnung, sondern nur die Bestätigung der Herzogswürde.41 Und warum fünf Fah39 Rösener, Werner: Die Hoftage Kaiser Friedrichs I. Barbarossa im Regnum Teutonicum, in: Moraw, Peter (Hg.): Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter (Vorträge und Forschungen 48) Stuttgart 2002, S. 368, 381, identifiziert den Abhaltungsort des Hoftages als Erbendorf in der Oberpfalz, was in der Tat dem Itinerar Barbarossas entspricht, der am 3. Dezember 1173 in Worms und am 21. Februar in Merseburg war (Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLXVIII. usque ad annum MCLXXX, ed. Henrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata X/3) Hannover 1985, Nr. 609, 610. Wihoda, Martin: První česká království, Praha 2015, S. 193–194, lehnt ab, dass es ein Hoftag war; ohne nähere Argumentation sieht er dieses Ereignis lediglich als Zusammentreffen von Friedrich I. und König Vladislav. 40 Ebd., S. 465 f. 41 Dazu inspirierend Zelenka, Jan: Kosmas, Mnich sázavský, Jarloch a sedmdesátá léta 12. století, in: Mašek, Michal/Sommer, Petr/Žemlička, Josef (Hg.): Vladislav II., druhý král z Přemyslova rodu. K 850. výročí jeho korunovace, Praha 2009, S. 58 f.

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nen? Die Lösung, dass es außer Böhmen um die drei mährischen Teilfürstentümer ging und um ein weiteres, das nicht Bestandteil von Böhmen war, scheint kaum zu überzeugen. Die Zahl der Fahnen könnte die Qualität des bestätigten Territoriums zum Ausdruck bringen, es wäre aber nötig, eine solche Deutung durch weiteres Vergleichsmaterial zu erhärten. Allerdings bemächtigte sich Vladislavs Sohn Friedrich im Jahr 1178, nachdem Soběslav die Gunst des Kaisers verloren hatte,42 wieder der Herrschaft in Böhmen und fand sich dann auf Barbarossas Einladung zu Weihnachten auf dem Hoftag in Würzburg ein. Mehr berichtet der Chronist Gerlach davon nicht, es kann aber angenommen werden, dass Friedrich vom Kaiser hier die Bestätigung seiner Herrschaft erhielt. Über die Krise des Jahres 1182, als der Kaiser Friedrich in Regensburg Böhmen zurückgab, aber Konrad Otto gebot, sich mit Mähren zu bescheiden,43 wurde viel geschrieben; hier genügt zu betonen, dass die neue Lösung J Kejřs, der die 200 Jahre lang gültige Interpretation der Errichtung einer Reichsmarkgrafschaft in Mähren durch Barbarossa ablehnte, immer noch als tragfähig und seine Argumente als eingehend und überzeugend betrachtet werden können.44 Etwas anderes ist die Instrumentalisierung des Markgrafentitels seitens der Přemysliden selbst, so trat z.B. Markgraf Vladislav Heinrich in der Tat als Reichsfürst auf. Das stellt aber eine andere und relativ komplexe Problematik dar. Nach dem Tod Herzog Friedrichs bestätigte Kaiser Barbarossa auf seinem letzten Hoftag im Jahr 1189 durch Übergabe der Fahnen Konrad Otto als böhmischen Herzog (de manu imperatoris in ultima eius curia … vexilla percepit).45 Die Vorstellung eines althergebrachten und unveränderlichen Lehensverhältnis des Herzogtums Böhmen gegenüber dem Reich seit den Zeiten des heiligen Herzogs Wenzel46 ist heute kaum mehr akzeptabel; anders verhält es sich natürlich mit der Diskussion um die Form und den Inhalt des Begriffes der Vasallität im Verhältnis zwischen den Herrschern des Reichs und den böhmischen Herzögen. Hier kann man etwa die treffenden Worte von Friedrich Prinz zitieren: „Man wird der tschechischen Forschung hier recht geben, wenn sie das Fehlen 42 Kejř: Böhmen (wie Anm. 35), S. 263 f. 43 Annales Gerlaci (wie Anm. 37), S. 481: … et isti quidem Boemiam reddidit, illum uero Moravia contentum esse precepit. 44 Kejř, Böhmen (wie Anm. 35), S. 264–273. 45 Annales Gerlaci (wie Anm. 37), S. 508. 46 So insbesondere Wegener: Böhmen/Mähren wie Anm. 11), S. 56–69.

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von Reichsgut, Königsumritt und Hoftagen deutscher Könige als Beweis dafür anführt, das Böhmen tatsächlich eine Sonderstellung im Gefüge des Reiches einnahm und eher zum Reich gehörte, als das es im Reich war.“47 Es ist Fakt, dass Barbarossa unter dem Einfluss gelehrter Juristen und in Folge der Kenntnis der norditalienischen Verhältnisse die Vasallitätsverhältnisse und das Lehenswesen immer mehr als Mittel zur Lösung der Verhältnisse im Reich gebrauchte.48 Das bekannte Privilegium minus vom 17. September 1156 stellt ein gutes Beispiel dafür dar. Hier wurden nämlich Bayern und auch das neu errichtete Herzogtum Österreich zum ersten Mal als beneficium bezeichnet (in beneficium concessimus),49 während Barbarossa die neu errichtete Markgrafschaft von Namur, welche aus einem Komplex allodialer Güter und Reichslehen bestand, im Mai 1184 an Balduin von Hennegau als feudum verlieh (in feudo concedet).50 Eine ähnliche Urkunde für das Herzogtum Böhmen existiert nicht und kann auch nicht existieren, da sich das Verhältnis Böhmens zum Reich über Jahrhunderte hinweg entfaltete, ohne aber in den Rahmen der von der älteren Forschung entwickelten Auffassung des Lehenswesens im Reich zu passen, das bereits in der Karolingerzeit entstanden sein soll. Für die in Rede stehende Periode ist ferner nicht einmal der Vollzug des hominiums oder homagiums bezeugt, die laut Jürgen Dendorfer noch in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts keinesfalls eindeutig auf Lehensbeziehungen hinwiesen.51 Dagegen war das Treuegelöbnis, 47 Prinz: Die Stellung Böhmens (wie Anm. 11), S. 106. 48 Patzold, Steffen: Das Lehnswesen, München 2012, S. 74–83. 49 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata X/1) Hannover 1975, Nr. 151, S. 259: … ducatum Bawarie, quem statim in beneficium concessimus duci Saxonie … mar­ chiam Austrie in ducatum commutavimus et eundem ducatum cum omn iure … in bene­ ficium concessimus. 50 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLXXXI. usque ad annum MCXC, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata X/4) Hannover 1990, Nr. 857. Zur Terminologie siehe Schieffer, Rudolf: Das Lehnswesen in der deutschen Königsurkunden von Lothar III. bis Friedrich I., in: Dendorfer, Jügen/Deutinger, Roman (Hg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz (Mittelalter-Forschungen 34) Ostfildern 2010, S. 79–90. 51 Dendorfer: Der König (wie Anm. 8), S. 235; dazu auch Deutinger, Roman: Das hochmittelalterliche Lehnswesen: Ergebnisse und Perspektiven, in: Dendorfer, Jügen/Deutinger, Roman (Hg.): Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz (Mittelalter-Forschungen  34) Ostfildern 2010,

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zweifelsohne auf die Reliquien oder auf die Heilige Schrift, zu dieser Zeit üblich; dieses wurde zudem innerhalb des Herzogtums Böhmen alltäglich im Verhältnis von Herrscher und mächtigen Böhmen praktiziert. Falls Barbarossa häufiger in die böhmischen Verhältnisse eingriff, war das am ehesten der Tatsache geschuldet, dass hier mehrere Kandidaten um die Herrschaft konkurrierten und diese die Unterstützung des mächtigen Kaisers suchten, für den stabile Verhältnisse in diesem Herzogtum wichtig waren – wie auch das böhmische Geld und die böhmischen Krieger. Man könnte die Angelegenheit mit den Worten von W. Fritze beschließen: „Das staatsrechtliche Verhältnis Böhmens zum regnum Theutonicum im 12. Jahrhundert ist schlechterdings nicht auf eine präzise Formel zu bringen.“52

S. 463–473. 52 Fritze, Wolfgang: Corona regni Bohemiae. Die Entstehung des böhmischen Königtums im 12. Jahrhundert im Widerspiel von Kaiser, Fürst und Adel, in: Kuchenbuch, Ludolf/Schich, Winfried (Hg.): Wolfgang Fritze, Frühzeit zwischen Ostsee und Donau. Ausgewählte Beiträge zum geschichtlichen Werden im östlichen Mitteleuropa vom 6. bis zum 13. Jahrhundert (Berliner Historische Studien 6; Germania Slavica III) Berlin 1982, S. 227.

Lukáš Reitinger

imperator posuit in caput eius coronam Barbarossas Könige und Vladislav II. von Böhmen

Vierzehn Jahre lang „vervollständigte“ der Barbarossa untergeordnete Herrscher von Böhmen, König Vladislav II., die Repräsentation der Majestät des Kaisers. Vladislavs Krone glänzte neben dem Diadem des Kaisers während der festlichen Prozessionen auf den Hoftagen oder bei bedeutenden Ereignissen im Militärlager in Zeiten des Krieges. Der Přemyslide Vladislav II. war aber weder der erste noch der letzte Herrscher am Hof Barbarossas oder seiner unmittelbaren Vorgänger bzw. Nachfolger im Rang eines Königs. Schließlich gab es nicht nur jene Herrscher, die die römisch-deutschen Könige und Kaiser zu Königen erhoben haben, sondern auch Könige benachbarter oder fernerliegender Länder, die entweder die Oberhoheit des Kaisers anerkannt hatten oder eventuell nur an seinem Hof verweilten, wo sie ihre untergeordnete Stellung gegenüber dem Herrscher des Reiches öffentlich zur Schau stellten. Meistens waren solche Konstellationen entweder zeitlich begrenzt oder nur nominal. Manche von den Vasallen- oder Unterkönigen waren lediglich Verbannte oder Thronprätendenten, die in ihrem Land keine reale Macht besaßen und lediglich bemüht waren, die demonstrativ zur Schau gestellte Unterordnung gegen die Unterstützung des Kaisers einzutauschen. Die Frage nach der Stellung dieser Könige, die sich kurz- oder langfristig im Reich der Ottonen, Salier oder Staufer etablierten, wurde im Rahmen der Geschichte einzelner Länder oder ihres Verhältnisses zum römisch-deutschen Reich oder gegebenenfalls innerhalb der allgemeinen Fragestellung des kaiserlichen und päpstlichen Rechts der Königserhebung untersucht. Wie waren aber Praxis und Tradition der rituellen Akte beschaffen, vor allem hinsichtlich der Verwendung von Insignien der Königsherrschaft? Welche Gestalt hatte die Einordnung dieser Könige in die Hierarchie des Hofes und in die Herrschaftsrepräsentation der römischen Könige und Kaiser, vor allem im 12. Jahrhundert? Entsprach die Erhebung Vladislavs II. im Jahr 1158 dieser Praxis,

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oder wich sie im Gegenteil davon ab? Da die Aussagen der Quellen zu eben diesem Ereignis nicht eindeutig sind und der Vorgang dieser königlichen Erhebung in vielerlei Hinsicht unklar bleibt, können die angedeuteten Fragen oder ein Vergleich schärferes Licht auf die Problematik werfen. Bereits das Karolingerreich kannte Könige, die die Oberhoheit des Kaisers anerkannten und gegebenenfalls von ihm die Krone empfingen, und zwar auch im Sinne der Königserhebung. Diese Unterkönige rekrutierten sich meistens aus den Reihen der Söhne, Brüder oder weiteren Verwandten des Kaisers, wobei sich die Frage stellt, ob in manchen Fällen auch die untergeordneten Herrscher der Nachbarländer unter diese Könige gerechnet werden können, vor allem dann, wenn ihre Herrschertitulatur nicht präzise abgegrenzt wurde.1 Die enge Verbindung von Königswürde und Krönungsakt, Insignienübergabe und Königssalbung ist jedoch erst seit dem 10. Jahrhunderts überliefert. Denn in dieser wie auch in der Folgezeit waren Könige, die in öffentlichen Akten die Oberhoheit des Kaisers anerkannten oder von ihm ihre Königswürde empfingen, keine so häufige Erscheinung wie in der Karolingerzeit. Auf Akte der Unterordnung vor den römisch-deutschen Herrschern ließ sich im ersten Drittel des 11. Jahrhunderts wiederholt der burgundische König Rudolf III. ein.2 Eine andere Situation herrschte an der östlichen Peripherie des Reiches: Die Bemühungen Ottos III. um die Verankerung der neuen Monarchien Ostmitteleuropas in seinem impe­ rium, die damals mit der neuerrungenen königlichen Würde verbunden wurden (oder sein sollten), endeten aus Sicht des Reiches mit einem Misserfolg. Die Könige von Ungarn und Polen emanzipierten sich völlig, und falls die dortigen Könige wieder den römischen Königen und Kaisern zuneigten, ging entweder ihre Königswürde verloren (wie im Fall Polens) oder ihre Bereitschaft zur Unter-

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Eiten, Gustav: Das Unterkönigtum im Reiche der Merowinger und Karolinger (Seidelberger Abhandlungen 18) Seidelberg 1907; Kalhous, David: Reges gentium or Carolingian comites? The Status of a Prince in the Periphery of the Carolingian Empire (Moravian and Breton Princes in Comparason), in: Early Medieval Europe, im Druck. Hirsch, Hans: Das Recht der Königserhebung durch Kaiser und Papst im hohen Mittelalter, in: Festschrift Ernst Heymann, Weimar 1940, S. 209–249, reflektiert auch das antike Vorbild für die untergeordneten Könige und die königlichen Erhebungen. Kahl, Hans-Dietrich: Die Angliederung Burgunds an das mittelalterliche Imperium. Zum geschichtlichen Hintergrund des Schatzfundes in Corcelles-près-Payerne, in: Schweizerische numismatische Rundschau 48 (1969), S. 13‒105.

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ordnung war nur von kurzer Dauer (wie im Fall Ungarns).3 Unter der Herrschaft der Salier kennen wir außer den erfolglosen Bemühungen um die direkte Unterstellung der ungarischen Könige in den 40er Jahren des 11. Jahrhunderts eine einzige Ausnahme: die Erhebung Herzog Vratislavs II. von Böhmen, der von 1086 bis zu seinem Ableben 1092 als König herrschte.4 Die Situation änderte sich erst mit der Regierung Lothars III.5 Ende April 1134 besuchte Magnus, der Sohn des dänischen Königs Niels, der bereits 1131 Mitkönig seines Vaters geworden war, den Hoftag in Halberstadt. Der Kaiser nahm ihn als einen seiner Oberhoheit unterstellten König an. Durch den „Handgang“ (manibus applicatis miles imperatoris efficitur) wurde Magnus zum kaiserlichen Vasallen, zudem empfing er von Lothar III. das Königreich Dänemark als Lehen, wobei der Kaiser die Krone auf sein Haupt setzte (regem Danorum esse decernit, et inposito super caput eius diademate). An jenem Festtag schritt Magnus nach Ablegen eidlicher Versprechen mit der Krone auf seinem Haupt in der Prozession vor dem Kaiser in die Kirche und trug dessen Schwert.6 3

Pleszczyński, Andrzej: The Birth of a Stereotype. Polish Rulers and their Country in German Writing c. 1000 A. D. (East Central and Eastern Europe in the Middle Ages 15) Boston/Leiden 2011, S. 223‒322; Varga, Gábor: Ungarn und das Reich vom 10. bis zum 13. Jahrhundert. Das Herrscherhaus der Árpáden zwischen Anlehnung und Emanzipation, München 2003, S. 82‒118. 4 Zuletzt Wihoda, Martin: První česká království, Praha 2015, S. 17‒29, 119‒169; Reitinger, Lukáš: Vratislav. První král Čechů, Praha 2017. 5 Auf diese Bedeutung Lothars III. machte Hans-Dietrich Kahl aufmerksam, der zugleich die Problematik der den römisch-deutschen Herrschern unterstellten Könige resümierte, vgl. Kahl, Hans-Dietrich: Slawen und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des zwölften Jahrhunderts. Die letzten Jahrzehnte des Landes Stodor, Bd. 1, Köln/Graz 1964, S. 39‒45; Bd. 2, S. 618‒625. 6 Annales Magdenburgenses, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVI) Hannover 1859, S. 105‒196, hier S. 184: Imperator celebrat pascha Halverstat. Ubi quidem de primoribus Danorum Magnus nomine advenit, in die sancto manibus appli­ catis miles imperatoris efficitur, et regnum ipsius patrie ab ipso percepit, et post sacramenta cesari ad ecclesiam procedenti, circulo illius decoratus ensem imperatoris honorifice porta­ vit.; Chronicon Montis Sereni, ed. Ernest Ehrenfeuchter (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXIII) Hannover 1874, S. 138‒226, hier S. 144: Imperator celebrat pascha Halverstad, ubi quidam de principibus Danorum, Magnus nomine, hominium impe­ ratori faciens regnum Dacie ab ipso suscepit et post prestitum iuramentum imperatori ad ecclesiam procedenti, circulo decoratus aureo, gladium preportavit.; S. Petri Erphesfurtensis auctarium et continuatio Chronici Ekkehardi, ed. Oswald Holder-Egger (Monumenta

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Das Amt des Schwertträgers war zwar ein Ehren- und wohl auch geehrtes Amt, seine symbolische Bedeutung war aber durchaus zweischneidig: Der Ausgezeichnete, der die Waffe des Herrschers trug, trat als Mundschenk auf oder übte öffentlich ein anderes Amt aus, so dass er zwar geehrt, aber gleichzeitig auch unter diejenigen eingeordnet wurde, die in einem Dienstverhältnis standen und die Oberhoheit des bedienten Herrschers akzeptierten. Auch einer späteren Anmerkung von Otto von Freising zufolge übte Magnus mit der Krone auf dem Haupt das Hofamt des kaiserlichen Schwertträgers in signum subiectionis aus.7 Die meisten Chroniken und Jahrbücher, in denen dieses Ereignis erwähnt wird, stimmen zudem in dem Detail überein, dass Magnus bestimmte Eide leistete. Deren konkreten Inhalt erwähnt nur die Kompilation der Kölner Königschronik, welche auf älteren annalistischen Aufzeichnungen beruht, die früher mit Paderborn verbunden wurden, während man gegenwärtig eher dem Kloster Corvey als Herkunftsort dieser Aufzeichnung zuneigt. Diesen Aufzeichnungen zufolge verpflichtete der neu designierte dänische König sich selbst und seine Nachfolger, in ihrem Land nicht ohne Zustimmung des römischen Kaisers oder Königs als Könige zu herrschen (se successoresque suos nonnisi permissu imperatoris successorumque

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Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 42), Hannover/Leipzig, S. 39 f.: imperator benigne suscipiens regem Danorum esse decer­ nit, et inposito super caput eius diademate, cum die sancto pentecostes regio cultu vestitus imperator ipse procederet, eum sibi spatarium fecit.; Gesta episcoporum Halberstadensium, ed. Ludwig Weiland (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXIII) Hannover 1874, S. 78‒123, hier S. 106: Aderat eciam inclitus rex Danorum, imperatoris homo legius, ab eodem imperatore corona regia et vestimentis regalibus insignitus, ensem imperialem baiolans coram ipso.; Chronica regia Coloniensis, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 18), Hannover 1880, S. 71: Pascha Halverstat peragit. Ibi rex Dacorum veniens, sese in potesta­ tem imperatoris tradit, obsides dat, iuramentum facit, se successoresque suos nonnisi per­ missu imperatoris successorumque suorum regum adepturus; et pulchro spectaculo, nusquam retro prioribus temporibus audito, ipso sancto die pasche idem rex Dacorum, regio more coronatus, coram coronato de more imperatore gladium ipsius portat. Ottonis episcopi Frisingensis Chronica sive Historia de duabus civitatibus, ed. Adolf Hofmeister (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 45), Hannoverae/Lipsiae 1912, VII/19, S. 336: Regem quoque Datiae in signum subiectionis ad decorem imperialis reverentiae glaudium, sibi sub corona deferre fecit; vgl. Althoff, Gerd/Witthöft, Christine: Les services symboliques entre dignité et contrainte, in: Annales, Histoire, Science sociales 58 (2003), S. 1293–1318.

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suorum regum adepturus).8 Obwohl dieser Plan damals nicht in die Tat umgesetzt wurde,9 schlug die Auffassung von der kaiserlichen Oberhoheit über die unterstellten Könige, die solcherart in die Strukturen und Hierarchie des Reiches integriert werden sollten, bleibende und tiefe Wurzeln. Zugleich stellte aber dieser Plan für den Kaiser kein Hindernis dar, die Krone auf das Haupt des dänischen Herrschers zu setzen, obwohl sich die dortigen Könige damals und noch lange Zeit danach nicht dem Akt der Königssalbung unterzogen. Wenn wir uns aber im zeitgenössischen Europa umsehen, stellen wir fest, dass es sich natürlich um keine Sondererscheinung handelte: Einer bereits etablierten Tradition gekrönter und gesalbter Könige begegnen wir in Frankreich, im römisch-deutschen Reich, in England und Ungarn, im Königreich Jerusalem und seit 1130 auch im regnum Siciliae. Abgesehen von den vereinzelten und durchaus kurzfristigen Fällen der vier gesalbten und gekrönten Könige in Polen und Böhmen im 11. Jahrhundert kannte Europa bis zum Anfang der Regierungszeit Friedrich Barbarossas in Dänemark, Norwegen, Schweden, Schottland, zudem in Portugal und Aragon ungesalbte Könige, und, woran noch zu erinnern sein wird, bei den Elbslawen sowie bei vielen anderen Herrschern, die der Ostkirche angehörten und denen in den westlichen Ländern die Königswürde zuerkannt wurde.10 Es darf daher kaum verwundern, dass im 12. Jahrhundert im Umfeld der römisch-deutschen Herrscher die Praxis der Krönung von Königen, die sich weder davor noch danach der kirchlichen Salbung unterzogen, als unproblematisch betrachtet wurde. Als der Verfasser der Kölner Königschronik anhand älterer annalistischer Vorlagen beschrieb, wie der dänische König mit der Krone auf seinem Haupt in der Prozession vor dem Kaiser Lothar III. als Zeichen seiner Unterordnung das 8

Chronica regia Coloniensis (wie Anm. 6), S. 71; vgl. Scheffer-Boichorst, Paul: Annales Patherbrunnenses. Eine verlorene Quellenschrift, Innsbruck 1870, S. 160; Schmale, Franz-Josef: Die grösseren Annalen von Corvey (Annales Corbeiensis maiores), Münster 1996, S. 65 f. 9 Hoffmann, Erich: Königserhebung und Thronfolgeordnung in Dänemark bis zum Ausgang des Mittelalters (Beiträge zur Geschichte und Quellenkunde des Mittelalters 5) Berlin/New York 1976, S. 77‒80. 10 Die Verbreitung der Königssalbung fasste zuletzt Schieffer, Rudolf: Die Ausbreitung der Königssalbung im hochmittelaltelrichen Europa, in: Becher, Matthias (Hg.): Die mittelalterliche Thronfolge im europäischen Vergleich (Vorträge und Forschungen 84) Ostfildern 2017, S. 43‒80, zusammen.

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kaiserliche Schwert trug, unterließ er nicht zu betonen, dass es sich um ein nie dagewesenes und unerhörtes Schauspiel handelte.11 Und in der Tat stellten bis 1134 untergeordnete Könige als Schwertträger der römischen Kaiser eher eine Ausnahme dar. Dem unbekannten Annalisten entging aber der Umstand, dass Magnus Nielsson in Wirklichkeit nicht der erste Herrscher war, auf dessen Haupt Lothar III. das königliche Diadem setzte. Bereits um 1129 trat er dem dänischen Prinzen Knut Laward für einen gewissen Betrag das Gebiet der Obodriten ab, setzte ihm die Krone auf sein Haupt und machte ihn zum König des dortigen Stammes und zu seinem Vasallen.12 Obwohl Knut Laward seine königliche Majestät und Krone mit Selbstbewusstsein trug, was in der Folge vermutlich auch Ursache seines Märtyrertodes war,13 gesalbt wurde er offensichtlich nicht. Auf den nächsten gekrönten König mussten die Elbslawen nicht lange warten, denn auch Pribislav Heinrich (1127–1150), der Herrscher der Stodoraner auf dem Brandenburger Gebiet, nannte sich König und trug königliche Insignien, von denen er einige, gemeinsam mit seiner Gattin Petrissa, dem Kloster Leitzkau darbrachte.14 Mit Blick auf seine nahen Bindungen zum Reich nehmen die Historiker wohl mit Recht an, dass seine Königswürde eine gewisse Anerkennung seitens der römisch-deutschen Herrscher erfuhr. Vorherrschend ist sogar die Auffassung, dass Lothar die Königswürde 1129/1134 auch Pribyslav Heinrich verlieh, ähnlich der Königserhebung Knut Lawards.15 11 Vgl. Anm. 6. 12 Helmoldi presbyteri Bozoviensis Cronica Slavorum, ed. Johann M. Lappenberg/Bernhard Schmeidler (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 32) Hannover 1937, I/49, S. 97: Adiit igitur Lotharium imperatorem emitque multa pecunia regnum Obotritorum […]. Et posuit imperator coro­ nam in caput eius, ut eset rex Obotritorum, recepitque eum in hominem. 13 Kahl: Slawen (wie Anm. 5), Bd. 1, S. 41 f.; Hoffmann: Königserhebung (wie Anm. 9), S. 74‒77. 14 Heinrici de Antwerpe Tractatus de captione urbis Brandenburg, ed. Oswald HolderEgger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXV) Hannover 1880, S. 482 f. Allgemein zum verbreiteten Ritual des Kronenopfers, das aber außer der Resignation auch weitere symbolische Bedeutungen haben konnte, siehe Reitinger, Lukáš: Die königlichen Insignien aus dem Kloster Pegau und die ‚Kronenopfer‘, in: Frühmittelalterliche Studien, im Druck. 15 Kahl: Slawen (wie Anm. 5), Bd.1, S. 30 f., 37‒50, 69, 74 f.; Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/1. Die Regesten des Kaiserreiches unter Lothar III. und Konrad III. 1125 (1075) – 1137, bearb. von Wolfgang Petke, Köln/Weimar/Wien 1994, S. 125,

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An diese Praxis Kaisers Lothars III. knüpfte Friedrich I. Barbarossa an, und zwar gleich in den ersten Jahren seiner Herrschaft. Als der Kaiser in seinem Schreiben an Bischof Otto von Freising im Frühjahr 1157 seine bisher ruhmreichsten Taten aufzählt, erinnert er zunächst daran, wie ihm der dänische König Sven III. (Petr) Grate zu Pfingsten am 18. Mai 1152 den Lehenseid leistete und „aus unserer Hand die Krone des Königreiches empfing“.16 Mit diesem Akt griff Friedrich in die dynastischen Auseinandersetzungen der Dänen ein und ahmte die oben genannten Akte aus der Zeit Kaiser Lothars auch darin nach, dass ihm in der festlichen Prozession, in der er seiner Majestät entsprechend prächtig gekleidet einherschritt, der dänische König Sven mit der Krone auf seinem Haupt als Schwertträger vorausging.17 Wir sehen also einen analogen Vorgang wie zur Nr.  197; Boroń, Piotr: Kniaziowie, królowie, carowie  … Tytuły i nazwy władców słowiańskich we wczesnym średniowieczu, Katowice 2010, S. 154‒158. Eine abweichende, allerdings nicht ganz überzeugende Deutung bietet Gaethke, Hans-Otto: Königtum im Slawenland östlich der mittleren und unteren Elbe im 12. Jahrhundert. Eine Untersuchung zur Frage nach der Herkunft des Königtums Pribislaw Heinrichs von Brandenburg, in: Jahrbuch für Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 46 (2000), S. 1–111, vor allem S. 70–111. 16 Das Schreiben Kaiser Friedrichs ist zitiert in: Ottonis et Rahewini gesta Friderici imperatoris, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 46) Hannover/Leipzig 1912, I, S. 1: genera­ lem curiam Merseburch in pentecosten celebravimus; ubi rex Danorum Petrus ad curiam nostram vocatus venit et hominio ac fidelitate nobis facta coronam regni de manu nostra suscepit. Zu diesem Brief und seiner Datierung vgl. Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122)–1190. 1. Lieferung 1152 (1122) –1158, bearb. von Ferdinand Opll unter Mitwirkung Hubert Mayer, Wien/Köln 1980, S. 141, Nr. 451. 17 Ottonis et Rahewini gesta Friderici imperatoris (wie Anm. 16), II/5, S. 106: Petrus vero, accepto a manu ipsius (Friderici) regno, fidelitate et hominio ei obligaretur. Ita corona reg­ ni sibi per manum principis (Friderici) imposita, in die sancto pentecostes ipse coronatus gladium regis sub corona incedentis portavit.; Helmoldi presbyteri Bozoviensis Cronica Slavorum (wie Anm. 12), I/73, S. 139: Et habuit est curia illa celebris apud Marcipolim, ubi principes Danorum confederati sunt. Suein coronato in regem, ceteris eidem (imperatoris) hominio subactis.; Chronicon Montis Sereni (wie Anm. 6), S. 149: Fridericus proximum Pentecoste Merseburg celebrant Sueno regi Daniae circulum regium concessit.; E Radulfi Nigri Chronica universali, ed. Reinhold Pauli (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXVII) Hannover 1885, S. 327‒358, hier S. 334: Suein, qui converus ad imperatorem, suscepit ab eo coronam; weiter vgl. Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. 1 (wie Anm. 16), S. 21 f., Nr. 88; Hoffmann: Königserhebung (wie Anm. 9), S. 88 f.; Engels,

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Zeit Lothars, nämlich dass der römisch-deutsche Herrscher die Krone auf das Haupt eines untergeordneten Königs setzte, der sich weder vorher noch nachher dem Akt der Königssalbung unterzog. Zu einer Änderung kam es erst, nachdem sich in Dänemark Waldemar I. als Alleinherrscher behaupten konnte, der als Neuerung u.a. die Königssalbung seines Sohnes Knut VI. 1170 durchsetzte. Der Fortsetzung der Roskilde-Chronik zufolge wurde im Jahre 1157 schon Waldemar selbst zum König gesalbt. Dieser Quellenbericht wird aber nicht als besonders zuverlässig gewertet.18 Auf jeden Fall griff Waldemar bereits zu Anfang seiner Regierung die Tradition mancher seiner Vorgänger auf. Der erste Kontakt mit dem staufischen Hof wurde bereits 1158 geknüpft. Zum persönlichen Treffen kam es jedoch erst Anfang September des Jahres 1162 an der Westgrenze des Reiches, wo Friedrich Barbarossa den Dänen in St. Jean-de-Losne oder in Besançon zu seinem Lehensmann machte und ihm eigenhändig die Königskrone aufs Haupt setzte.19 Es ist kaum daran zu zweifeln, dass es auch im Fall „eines der russischen Könige“ eine Krönung von der Hand des Kaisers gab, die ebenfalls das Verhältnis einer Unterordnung vor Augen stellte – wobei sich hinter dieser unklaren Bezeichnung anscheinend der Fürst von Halitsch, Jaroslaw Osmomysl, verbirgt, der im lateinischen Europa als König wahrgenommen wurde. Der Rurikide hatte sich Barbarossa im Sommer 1165 in Wien unter Vermittlung König Vladislavs von Böhmen unterworfen.20 Odilo: Friedrich Barbarossa und Dänemark, in: Haverkamp, Alfred (Hg.): Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen (Vorträge und Forchungen 40) Sigmaringen 1992, S. 353‒385, vor allem S. 355 f., 379 f. 18 Chronicon Roskildense, ed. M. Cl. Gertz (Scriptores minores historiae Danicae medii aevi 1) København 1917‒1918, S. 14‒33, hier S. 33. Mit gewissen Unsicherheiten schenkte diesem Bericht Vertrauen Gelting, Michael H.: The Kingdom of Denmark, in: Berend, Nora (Hg.): Christianization and the Rise of Christin Monarchy. Scandinavia, Central Europe and Rus’ c. 900‒1200, Cambridge 2007, S. 73‒120, hier S. 88. Die erste Salbung des dänischen Herrschers verbindet erst mit dem Jahr 1170 auch Hoffmann: Königserhebung (wie Anm. 9), S. 95‒111. 19 Chronica regia Coloniensis (wie Anm. 6), S. 113: Affuit huic curiae rex Danorum nomine Waldimarus, qui ibidem coronam de manibus imperatoris suscipiens, homo eius factus est.; vgl. Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122)–1190. 2. Lieferung 1158–1168, bearb. von Ferdinand Opll, Wien/Köln 1991, S. 150, Nr. 1149; Hoffmann: Königserhebung (wie Anm. 9), S. 93 f. 20 Apendix ad Rahewinum, in: Ottonis et Rahewini gesta (wie Anm. 16), S. 348: Ubi rex

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Auch Sardinien wurde Friedrich Barbarossa mittels eines analogen Aktes unterstellt. Konkret empfing der dortige Richter Bareso I. von Arborea am 3. August 1164 in S. Siro in Pavia die Herrschaft auf der Insel von Friedrich; der Kaiser setzte ihm die – in Genua auf Geheiß der dortigen Konsuln hergestellte – Krone aufs Haupt, wodurch er Bareso zugleich zum König erhob.21 Der Erhebungsakt erinnert nicht nur in Form der Krönung durch die Hand des Kaisers (rex […] ab imperatore Frederico coronatus)22 der Königserhebung Herzog Vladislavs II. von Böhmen im Jahr 1158, sondern auch darin, dass der Kaiser auf Ansuchen Baresos dessen mit seiner neuen Würde verbundene Vorrechte urkundlich bestätigte (privilegium regni).23 Wir werden noch darauf eingehen, dass V ­ ladislav seine Boemorum quendam de regulis Ruthenorum suae presentiae obtulit eiusque (imperatori) illum ditioni subdidit.; Lindner, Michael: Das Wiener Dreikönigetreffen des Jahres 1165 und die Ostpolitik des Staufers, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 50 (2001), S. 337‒369. 21 Oberti cancelarii Annales, ed. Luigi Tommaso Belgrano (Fonti per la storia d’Italia 11) Roma 1890, S. 160 f.: cum fuerunt Papie, imperator honeste suscepit eos, […] post paucos dies consules fecerunt coronam, que facta fuerat Ianue, imponere capiti regis, et hoc in eccle­ sia sancti Syri Papiensis, et hoc fuit prima die menis augusti. et imperator, honore prefati iudicis, eo die coronam accepit. et cum coronati fuerint […] consul Pisanorum cum ceteris Pisanis […] dicentes imperatori: […] datis […] coronam, et regnum.; Acerbi Morenae historia, ed. Ferdinand Gügerbock (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 8), Berlin 1930, S. 176: Eo vero tempestate quidam iudex de Sardinia de civitate Herborea maxime opulentus ad maiorem dignitatem provehi desiderans, ut regio solio decoraretur, ab imperatore cepit implorare. Tandem principum ac non modice pecunie interventu die Lune, quo fuit tercia dies mensis Augusti, in ecclesia sancti Syri de Papia ipsum imperator instituit regem Sardinie; ibique etiam imperatori fidelitatem iuravit.; Gli Annales Pisani di Bernardo Maragone, ed. Michele Lupo Gentile (Rerum Italicarum Scriptores, Nova editio 6/2) Bologna 1930‒1936, S. 33: Imperator Fredericus cum mag­ no honore Papie coronavit Parasonem iudicem Arboree de Sardinea; vgl. Guiseppe Seche: L’incoronazione di Barisone a „re di Sardegna“ in due fonti contemporanee: gli Annales genovesi e gli Annales pisani, in: Rivista dell´Instituto di Storia dell’Europa Mediterranea 4 (2010), S. 73‒93; Johannes Bernwieser: Honor civitatis. Kommunikation, Interaktion und Konfliktbeilegung im hochmittelalterlichen Oberitalien, München 2012, S. 86‒128. 22 Oberti cancelarii Annales (wie Anm. 21), S. 165; Gli Annales Pisani di Bernardo Maragone (wie Anm. 21), S. 34: Parasonem regem Sardinee ab eo (imperatore) in Lombardie partibus coronatum. 23 Oberti cancelarii Annales (wie Anm. 21), S. 162: rex respondit: domine imperator […] legati uestri michi promiserunt, excepto priuilegio regni. statim imperator mandauit nota­ rio, et iussit continuo priuilegium scribi et sigillari.

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Königsinsignien bis auf bestimmte Ausnahmen zu denselben Festtagen trug, an denen die Erzbischöfe das Diadem üblicherweise aufs Haupt des Kaisers selbst setzten. Dieser Praxis entsprach auch Baresos Erhebung in Pavia. Bevor der Kaiser ihn krönte, war ihm die Krone auf sein eigenes Haupt gesetzt worden (eo die coronam accepit).24 Ferner begegnen wir hier einer Ähnlichkeit mit der bereits erwähnten Königserhebung Knut Lawards um das Jahr 1129, der für seine Krone einen hohen Preis bezahlen musste. König Bareso versprach, Friedrich die Summe von 4000 Pfund Silber zu bezahlen, über die er aber nicht in bar verfügte, so dass die Einlösung der Geldsumme den Krönungstag mit zugespitzten und wohl auch unwürdigen Verhandlungen beeinträchtigte.25 Als sonderbar darf der Umstand betrachtet werden, dass die zeitgenössischen Beobachter, die diese Königserhebung durchaus ausführlich beschrieben haben, nur von der Krönung Baresos von der Hand des Kaisers einstimmig sprechen, nicht aber von der kirchlichen Salbung des Königs, obwohl der Staufer das Diadem in der Kathedrale S. Siro in Pavia auf dessen Haupt setzte. Ferdinand Opll26 hat aber eine Erwähnung in der nicht immer zuverlässigen Kompilation des Aegidius von Orval bemerkt, wonach Bareso vom Lütticher Bischof Heinrich II. zum König gesalbt wurde. Einem Satz beinahe gleichen Wortlauts begegnen wir in der Chronik des Alberich von Troisfontaines in der Champagne, welche mit dem Werk des Aegidius von Orval aufs Engste verknüpft ist. Es muss aber erwähnt werden, dass beide Quellen mit nicht unbedeutendem Zeitabstand zwischen den 30er und 50er Jahren des 13. Jahrhunderts niedergeschrieben wurden.27 Bareso war nicht der letzte König von Sardinien, der die Krone aus den Händen Friedrichs empfing. Während des berühmten Mainzer Hoftags im Mai 24 Siehe Anm. 21. 25 Oberti cancelarii Annales (wie Anm. 21), S. 158 f., S. 162‒166; Gli Annales Pisani di Bernardo Maragone (wie Anm. 21), S. 32. Die Quellen erwähnen aber nicht die gleiche Höhe dieser Summe. 26 Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. 1 (wie Anm. 16), S. 206, Nr. 1388. 27 Aegidii Aureaevallensis Gesta episcoporum Leodiensium, ed. Johann Heller (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXV) Hannover 1880, III/30, S. 14‒129, hier S. 104: Regem Sardinie nomine Burazan ab imperatore coronatum ipse consecravit; Chronica Albrici monachi Trium fontium, ed. Paul Scheffer-Boichorst (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXIII) Hannover 1874, S. 641‒950, hier S. 848: regem Sar­ dinie Barrasonam ab imperatore coronatum idem Leodiensis episcopus in regem benedixit.

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1184 krönte Barbarossa auch seinen Sohn Peter I. von Arborea († 1214) zum sardinischen König.28 Dänemark, Halitsch, Böhmen und Sardinien waren zudem nicht die einzigen Länder, in denen nach der Vorstellung Barbarossas und seines Hofes ihm untergeordnete Könige herrschen sollten. Ähnliche Bestrebungen legte Barbarossa auch gegenüber den ungarischen Königen an den Tag. Er griff in dortige dynastische Auseinandersetzungen ein, sicherte sich Bündnisse mittels Heiratsverträgen,29 und vielleicht verpflichteten sich ihm die Arpaden durch Zusage von Hilfstruppen für seine Kriegszüge nach Italien.30 Vom verbannten Prätendenten des Arpadenthrones, Stephan (IV.), erzwang der Kaiser 1164 die Zusage, dass ihm die ungarischen Könige einen Jahrestribut in Höhe von 3000 Pfund Silber zahlen würden.31 In einer analogen Lage war der um ein Jahrzehnt später durch König Bela III. verbannte Herzog Géza, der während seiner Verbannung in Österreich und seit 1177 in Böhmen bemüht war, den ungarischen Thron für sich zu gewinnen, und dafür um Barbarossas Unterstützung warb. Dazu bemerkte der Mühlhausener Abt Gerlach mit gewissem Zeitabstand in seiner Chronik, eines der konkreten Ziele Gézas sei gewesen, vom Kaiser die Krone zu empfangen und – sich oder Friedrich – Ungarn zu unterwerfen (adire imperatorem, suscepturus ab eo coronam, et subi­ cere sibi Ungariam).32 Aus verschiedenen Gründen hat sich zwar keiner der genannten Pläne erfüllt, doch wenn wir den Worten von Gerlach Vertrauen schenken, beabsichtigte der Arpade Géza, ebenso das Diadem aus der Hand Barbarossas zu empfangen, wie es die anderen schon oben genannten Könige getan hatten. Dieser Akt wurde auch zum Thema der deutsch-dänischen Beziehungen, als nach dem Ableben Waldemars I. 1182 sein Nachfolger Knut VI. es 28 Annales Aquenses, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXIV) Hannover 1879, S. 34‒39, S. 39: Imperator Petrum Arboree iudicem in regem Sardinie coronavit. 29 Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. 1 (wie Anm. 16), S. 24, Nr. 95; Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. 2 (wie Anm. 19), S. 184‒185, Nr. 1296, S. 192, Nr. 1327; Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122)–1190. 3. Lieferung 1168–1180, bearb. von Ferdinand Opll, Wien/Köln/Weimar 2001, S. 265, Nr. 2573; Varga: Ungarn (wie Anm. 3), S. 186‒217, bzw. der Artikel von Dániel Bagi in diesem Buch. 30 Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. 1 (wie Anm. 16), S. 147, Nr. 471; S. 163, Nr. 517; S. 178, Nr. 556. 31 Chronica regia Coloniensis (wie Anm. 6), S. 104. 32 Annales Gerlaci, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 461‒516, hier S. 472.

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ablehnte, sich Friedrich Barbarossa zu unterstellen, und verweigerte, „sich vom Kaiser krönen zu lassen“.33 Das Phänomen der untergeordneten Könige, die die Krone aus Barbarossas Hand empfingen, verschwand nicht und war auch in der Zeit des für den Kaiser schicksalhaften dritten Kreuzzugs von Belang. Im Jahre 1189 ersuchte der Herrscher der Bulgaren, Petrus Asên, genannt Kalopetrus, Friedrich Barbarossa darum, „auf sein Haupt durch die Hand des Kaisers das Diadem des griechischen Königreiches zu setzen“.34 Kurz darauf versprach der Kaiser Leo (Lewon) II. aus dem Geschlecht der Rupeniden, dem armenischen Herrscher in Kilikien, in einem 1190 in der Nähe des Flusses Saleph ausgestellten und mit Goldbulle besiegelten Schreiben, ihn zum König zu erheben.35 Damals brachte Bischof Hermann von Münster einen lateinischen Krönungsordo mit sich nach Kleinarmenien, möglicherweise, damit der neue König gesalbt werden konnte.36 Solche Pläne sind aber zusammen mit Friedrich Barbarossa für mehrere Jahre in den Gewässern des Saleph untergegangen. Erst 1195 ersuchten Leos Boten seinen Nachfolger Heinrich VI., ihren Herrscher zum König zu erheben, der sich in der Folge zugleich dem Staufer unterordnen werde.37 Kaiser Heinrich setzte 33 Arnoldi Chronica Slavorum, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 14) Hannoverae 1868, III/7, S. 83: Hec autem non sine indignatione imperatoris facta sunt, qui se dicebat dupliciter a Kanuto rege iniuriatum, et quod ab eo coronari noluerit. 34 Historia de expeditione Friderici imperatoris, ed. Anton Chroust (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series 5) Berlin 1928, S. 1‒115, hier S. 58: Kalopetrus, Blacorum et maxime partis Bulgarorum in hortis Tracię domnus, qui se imperatorem … coronam imperialem regni Grecię ab eo sibi imponi efflagitabat.; Historia Peregrinorum, ebd., S. 116‒172, S. 149: Kalopetrus […] diadema regni Grecie de manu imperatoris capiti suo rogans inponi.; Opll, Ferdinand: Der dritte Kreuzzug (1189‒1190) und die Bulgaren, in: Mitteilungen des Bulgarischen Forschungsinstitutes in Österreich 8 (1986), S. 83‒88. 35 Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122)–1190. 4. Lieferung 1181–1190, bearb. von Ferdinand Opll, Wien/Köln/Weimar 2011, S. 332 f., Nr. 3467. 36 Halfter, Peter: Die Staufer und Armenien, in: Sönke, Lorenz u.a. (Hg.): Von Schwaben bis Jerusalem. Facetten staufischer Geschichte, Sigmaringen 1995, S. 187‒208, vor allem 190‒196. 37 Annales Marbacenses, ed. Hermann Bloch (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 9), Hannover 1907, S. 64: nuncii Leonis de Montania, qui petebat ab eo exaltari in regnum in terra sua, disponens se semper esse subiectum imperio Romano.

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zwar Leo nicht persönlich die Krone aufs Haupt, wie es üblich war, entsandte aber in Zusammenarbeit mit Papst Coelestin III. den Mainzer Erzbischof Konrad I. mit dem Diadem nach Kilikien, der den armenischen König dann in Anwesenheit weiterer geistlicher Würdenträger am 6. Januar 1198 in der Kathedrale von Tarsus salbte, also zu einer Zeit, als Kaiser Heinrich VI. nicht mehr am Leben war.38 Leo II. war seit der kirchlichen Krönung Vratislavs II. 1086 der erste Herrscher gewesen, der von einem römisch-deutschen Kaiser zum König erhoben wurde und von dem wir zugleich wissen, dass er von einem Metropoliten gesalbt wurde. In den Jahren 1197 und 1198 war aber Leo nicht der einzige Herrscher, den der römisch-deutsche Herrscher zum König erhob. Denn Heinrich VI. entsandte seinen Kanzler, den Hildesheimer Bischof Konrad, nach Zypern, wo dieser im September 1197 mit der übersandten Krone auf kaiserlichen Wunsch den dortigen Herrscher Amalrich von Lusignan krönte, der vorher dem Kaiser den Treueid geleistet hatte und von ihm das Zepter erhielt.39 Drittens erhob ein paar 38 Die Register Innozenz’ III. 2. Pontifikatsjahr, 1199/1200, ed. Othmar Hageneder u.a., Rom/Wien 1979, S. 405, Nr. 208: archiepiscopus Maguntinus, qui nobis (Armenibus) attu­ lit ex parte Dei et ex parte sumblimitatis ecclesie Romane et ex parte magni imperatoris Romanorum, sublimem coronam et coronavit regem nostrum Leonem; Arnoldi Chronica Slavorum (wie Anm. 33), V/29, S. 212: Moguntinus tamen aberat tunc, in Armenia cons­ titutus pro coronando rege eiusdem terre […] ipsum regem diademate imposito ad titulum Romani imperii coronaret.; Gesta episcoporum Halberstadensium (wie Anm. 6), S. 112: Sed et domnus Conradus Moguntinus archiepiscopus domnum Leonem regem Armenie ex parte imperatoris Henrici […] coronavit.; Jacques de Vitry, Historia orientalis, ed. Jean Donnadieu, Turnhout 2008, 79, S. 322: rex eorum (Armeniorum) ab imperatore romano Henrico terram suam recepit et coronam regiam ab archiepiscopo Maguntino suscepit; Wilbrands von Oldenburg Reise nach Palestina und Kleinasien, ed. J. C. M. Laurent, Hamburg 1859, I/16, S. 15: Henricus gloriosus Romanorum imperator […] unde postmo­ dum rex Hormenie est appellatus et deineps terram suam a romano imperio accipere con­ sueuit.; ebd., I, c. 18, S. 17: postquam a romano imperio coronam suuscepit. Weitere Quellen versammeln Böhmer, Johann Friedrich: Regesta archiepiscoporum Maguntinensium 2, ed. Cornelius Will, Innsbruck 1886, S. 109, Nr. 378; Hauser, Sigrid: Staufische Lehnspolitik am Ende des 12. Jahrhunderts 1180‒1197 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 3, Bd. 770) Frankfurt am Main u.a. 1998, S. 214‒219, 256‒263. 39 Gesta episcoporum Halberstadensium (wie Anm. 6), S. 112: Cancellarius autem eodem voto austrictus ad insulam Cyprum divertit, et regem Cypri Henrico imperatori legium hominium facientem ex parte ipsius honorafice coronavit, ut et ipse et successores sui in fidelitate Romanorum imperatorum iugiter perseverent.; Wilbrands von Oldenburg Reise (wie Anm. 38), I, c. 28, S. 22: imperator Henricus dominum huius terre primum regem con­

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Monate später, im Herbst 1198, Heinrichs Nachfolger Philipp von Schwaben den böhmischen Herzog Přemysl Ottokar I. zum König. Aus den lakonischen und manchmal widersprüchlichen Quellenaussagen kann der Schluss gezogen werden, dass der böhmische Herrscher in Mainz oder in Boppard, vielleicht sowohl in Mainz als auch in Boppard, die Krone von Philipp erhielt und zugleich konsekriert wurde.40 Bei diesem Vorgang wird manche Inspiration durch die oben genannten Akte erkennbar. Dem Lübecker Abt Arnold zufolge habe Přemysl Ottokar mit der Krone auf dem Haupt Philipp von Schwaben das Schwert des römisch-deutschen Herrschers vorausgetragen, was uns an die dänischen Schwertträger von 1134 und 1152 erinnert, die zuvor ihre Kronen von Lothar III. bzw. Friedrich Barbarossa empfangen hatten.41 stituit et per manus Conradi cancellarii coronauit. Hinc est, quod re huius terre romano imperatori domino suo tenetur ex fidelitate.; Annales Marbacenses (wie Anm. 37), S. 67. Vgl. Hauser: Staufische Lehnspolitik (wie Anm. 38), S. 214, 216 f., 263 f. 40 Chronica regia Coloniensis (wie Anm. 6), S. 164: Ducem quoque Bohemie, sibi allicit eique […] nomen regium indulget, quem et in presentia sua consecratum Bobardiae coronari con­ sentit; Gerlaci abbatis Milovicensis Annales (wien Anm. 32), S. 516: ducem nostrum con­ secratum creat regem Bo …; Continuatio Lambacensis, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores IX) Hannover 1851, S. 556‒561, hier S. 556: Phylippus rex ducem Boemie consilio principum coronavit.; Annales Marbacenses (wie Anm. 37), S. 74: Ad eandam curiam Phylippus rex Othacorum ducem Boemie regem fecit, datis sibi et uxori sue coronis.; Chronica Albrici monachi Trium fontium (wie Anm. 27), S. 875: Philippus Moguntie coronavit Odoacrum in regem Boemie.; Braunschweigische Reimchronik, ed. Ludwig Weiland (Monumenta Germaniae Historica, Deutsche Chroniken 2) Hannover 1877, S. 522: dha kronete ouch dher koninc balt / dhen herzogen uz Behemerlant, / dhar Odacker was genant; Hermanni Altahenses annales, ed. Philipp Jaffé (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVII) Hannover 1861, S. 381‒420, hier S. 386: Qui consensu principum imposuit ei dyadema, faciens eum et successores suos reges. Auch die Schreiben Papst Innozenz’ III. erinnern daran, dass Philipp von Schwaben Ottokar die Krone aufs Haupt setzte. Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae 2, ed. Gustav Friedrich, Praha 1912, S. 37 f., Nr. 41: quod a nobili viro Philippo duce Sueuie te faceras coronari; ebd. S. 12, Nr. 16: quod ab eo imponi tibi petisti regium diadema. 41 Arnoldi Chronica Slavorum (wie Anm. 33), VI/2, S. 219: tytulo regio a Philippo sublima­ tus ibi et ipse procederet coronatus et gladii regis baiulus. Dazu und zu weiteren Akten, welche mit der königlichen Erhebung von Přemysl Ottokar I. verbunden waren siehe Wihoda, Martin: Die sizilischen goldenen Bullen von 1212. Kaiser Friedrichs II. Privilegien für Přemysliden im Erinnerungsdiskurs (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta imperii 33) Wien/Köln/Weimar 2012, vor allem S. 14‒42.

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In den 90er Jahren des 12. Jahrhunderts fehlte es nicht an Bestrebungen, auch den gefangengenommenen König von England, Richard Löwenherz, diesen untergeordneten Königen gleichzustellen; er hatte bei seiner Freilassung Kaiser Heinrich VI. 1195 den Lehenseid geleistet, wobei sich dem Bericht aus Halberstadt entnehmen lässt, dass Richard eine Krone von der Hand des Kaisers empfing und dass dieser ihm ein weiteres Diadem nach seiner Freilassung zusandte.42 Zugleich erinnern die Quellen zum Jahr 1193 an das ursprüngliche Vorhaben des Kaisers, im Südwesten des Reiches ein untergeordnetes regnum Provinciae zu errichten, zu dessen König dann Heinrich VI. den gefangengenommenen Richard persönlich krönen würde.43 Das Aufsetzen oder die Sendung der Krone einem untergeordneten König wurde auch nicht am Hof Kaisers Otto IV. von Braunschweig vergessen. Im Jahre 1211 entließ Otto die kleinarmenische Gesandschaft mit einer von dem dortigen König Leon II. erbetenen Krone für seinen Nachfolger Raimund-Roupen, und Leon selbst setzte Raimund die übersandte Krone aufs Haupt44. Auf jeden Fall wurde der Akt, im Zuge dessen der römisch-deutsche Herrscher persönlich oder mittels eines Dritten einem anderen Herrscher die Krone aufs Haupt setzte – sei es in der Bedeutung der rituellen Unterordnung des besagten Herrschers unter die Oberhoheit des Reiches oder lediglich als Königserhebung – in der Regierungszeit Friedrich Barbarossas in neun Fällen entweder vollzogen oder zumindest verabredet. Weitere zwei oder drei Könige, die den römisch-deutschen Herrschern durch diesen Akt untergeordnet waren, sind mit der Zeit vor Barbarossas Regierung verbunden; sie wurden unter Lothar III. oder Konrad III. gekrönt. Nach Barbarossas Tod haben die Staufer zwischen 1190 und 1198 die Königserhebung von drei Herrschern initiiert und einen vierten den ‚Untergeordneten‘ hinzugefügt. Die Bestrebung, unter ihre Lehnsleute und Abgabepflichtigen auch Könige einzureihen oder manche ihnen untergeordnete Herrscher zu Königen zu erheben, ist kaum zu übersehen. Auch der Mönch Otto aus dem Kloster St. Blasien im Schwarzwald, der sein Werk zwischen 1201–1209 verfasste, unterließ es nicht, an diese Intention zu erinnern. Im Rahmen der Beschreibung der Eheschließung

Gesta episcoporum Halberstadensium (wie Anm. 6), S. 110: ipsi (Ricardus) faciens homi­ nium, coronam regni sui ab ipso (imperatore) recepit; weiter vgl. Hauser: Staufische Lehnspolitik (wie Anm. 38), S. 210, 229‒246. 43 Ebd., S. 211‒214. 44 Halfter: Die Staufer (wie Anm. 36), S. 201. 42

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zwischen den Staufern und dem König von Sizilien, Wilhelm II., 1186 gibt er an, dass der Zustand des Reiches durch die Verbindung mit dem Kreis der Könige mittels Verwandtschaft (affinitate), Vertrag (federe) und Unterordnung unter den Kaiser (subiectione Friderico imperatori) gehoben wird. Nach der Erwähnung des Bündnisses oder der Verwandtschaft mit den Königen von Frankreich, Sizilien, Ungarn und der spanischen Länder erinnert er an den dänischen König Waldemar I. und den böhmischen Herrscher Vladislav II., bei denen er über die doppelte Bedeutung der Krönung von der Hand des Kaisers nicht hinweggeht. Während der Erstgenannte gekrönt wurde, damit er sein Königreich vom Kaiser sub hominio empfange, setzte Friedrich dem Zweitgenannten die Krone auf, um ihm „den königlichen Namen und Recht“ zuzuerkennen.45 Zugespitzt könnte man sogar sagen, dass weitere Könige, die anscheinend am Hof Barbarossas dem Kaiser gegenüber in untergeordneter Stellung auftraten, die Herrscher von Babylon, Griechenland, Frankreich und Jerusalem waren. Denn diesem Motiv begegnen wir an mehreren Stellen des Theaterspiels Ludus de Antichristo, das während der Regierung Barbarossas entstand, wobei anscheinend direkte Bindungen an den Hof der Staufer bestanden.46 In der Darstellung des Spiels verkündet der Weltkaiser der Endzeit vor der Ankunft des Antichrist dem französischen König, dass die ganze Welt Rom zinspflichtig sein und auch die Könige dem Römischen Reich Tribut zahlen, Militärdienst leisten und Vasal-

45 Ottonis de Sancto Blasio Chronica, ed. Adolf Hofmeister (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 47) Hannover/Leipzig 1912, 28, S. 40 f.: Igitur, sicut de Theodorico Gottorum rege legitur, universis per circuitum regibus affinitate seu federe seu subiectione Friderico imperatori consociatis imperii status multis modis eo imperante exaltatur. Nam regi Francorum confederatus regisque Sicilie filia filio suo coniuncta regem Ungarorum prono obsequio devotissimum semper habuit regisque Hyspaniarum filiam alteri filio suo Conrado, licet inefficax reman­ serit, desponsavit. Preterea ante hec omnia in curia Tholensi iuxta Bisuntium regi Danorum, corona imposita regnum sub hominio concessit ac ducem Boemie in dignitatem regiam extol­ lens ius nomenque regium corona imposita ei contulit. 46 Die Akte der Herrschaftsausübung in diesem Spiel hat Kahl, Hans-Dietrich: Der sogenannte „Ludus de Antichristo“ (De Finibus Saeculorum) als Zeugnis frühstauferzeitlicher Gegenwartskritik. Ein Beitrag zur Geschichte der Humanität im abendländischen Mittelalter, in: Mediaevistik 4 (1991), S. 53‒148, zum ersten Mal beurteilt. Weiter vgl. Möhring, Hannes: Der Weltkaiser der Endzeit. Entstehung, Wandel und Wirkung einer tausendjährigen Weissagung (Mittelalter-Forschung 3) Stuttgart 2000, S. 176–184.

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leneide ablegen sollten.47 Der französische König antwortete zunächst ablehnend auf die Ansprüche des Kaisers, wurde dann aber besiegt, leistete dem Kaiser den Treueid und empfing von ihm sein Königreich.48 Der gleiche Verlauf wiederholt sich auch bei den griechischen und Jerusalemer Königen, die zudem aufgefordert werden, dem Kaiser den bislang nicht abgeführten Tribut rückwirkend zu bezahlen. Die beiden genannten Könige stimmten im Unterschied zum französischen König allen Forderungen mit dem Ausruf zu: Romani nominis honorem veneramur,/ Tributum Cesari reddere gloriamur.49 Als sich dann der Antichrist des kaiserlichen Throns und der Kaiserwürde bemächtigt, erniedrigen sich die Könige von Griechenland, Frankreich, Deutschland und Babylon vor ihm, indem sie sich einem Krönungsakt unterwerfen. Der die kaiserliche Stellung usurpierende Antichrist setzt ihnen die Krone mit folgenden Worten aufs Haupt: „Lebe durch die Gnade und empfange die Ehre.“50 Das Theaterspiel Ludus de Antichristo spiegelt aber nicht nur die Bedeutung und mögliche Details des Krönungsaktes, sondern bringt zugleich seine Verflechtung mit dem Kaisergedanken der Barbarossazeit zum Ausdruck. Das in den Jahren 1129–1198 etwa 16 Mal wiederholte oder nur geplante Auftreten des römischen Kaisers, vor dem die Könige niederknien und der ihnen die Krone aufs Haupt setzt, diente vor allem als Beleg seines Weltherrschaftsanspruchs und der untergeordneten Stellung der übrigen europäischen Könige.51 Michael Lindner erinnerte erst kürzlich daran, dass solche Vorstellungen durchaus auf Kritik 47 Ludus de Antichristo, in: Langosch, Karl (Hg.): Geistliche Spiele. Lateinische Dramen des Mittelalters mit deutschen Versen, Darmstadt 1961, I, c. 1, S. 196: Totus mundus fue­ rat fiscus Romanorum./ […] Reges ergo singuli prius instituta,/ nunc Romano solvant impe­ rio tributa./ Sed quod in milicia valet gens Francorum / armis imperio rex serviat eorum./ Huic, ut hominium cum fidelitate / nobis in proximo faciat, imperate! 48 Ebd., I/1, S. 196 f. 49 Ebd., I/2‒3, S. 198‒204. 50 Ebd., II/3‒6, S. 220, 222, 228, 230: coronam ei in capite reponens cantat: Vive per graciam et suscipe honorem. Zur damaligen Bedeutung dieses Begriffes honor imperii am staufischen Hof Görich, Knut: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert. Darmstadt 2001. 51 Z.B. erinnern wir, unter vielen, an Kirfel, Hans J.: Weltherrschafsidee und Bündnispolitik. Untersuchungen zur auswärtigen Politik der Staufer (Bonner Historische Forschungen 12), Bonn 1959 (zu den erwähnten Vassallenkönigen vor allem S. 53, 65 f.); Töpfer, Bernhard: Reges provinciales. Ein Beitrag zur staufischen Reichsideologie unter Kaiser Friedrich I., in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 22 (1974), S. 1348‒1358.

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stießen, und wies auf den bekannten Vorwurf des Johannes von Salisbury hin, dass der „deutsche Tyrann“ die Absicht hegte, „seine Nachbarkönigreiche zu unterwerfen“.52 Wenn wir alles Gesagte zusammenfassen, ist festzustellen, dass der Přemyslide Vladislav II. nur einer von vielen Königen war, auf deren Haupt Friedrich Barbarossa damals die Krone setzte. Es ergibt sich aber die Frage, welcher von den genannten untergeordneten Königen in seiner Stellung dem Herrscher von Böhmen am meisten ähnelte. Im Unterschied zu den dänischen Königen oder zu den von den Staufern erhobenen Königen von Sardinien und des Mittleren Osten war Vladislav eng mit dem Reichsmilieu verknüpft. Es ist somit möglich, dass der Kaiser bei der Verleihung dieses Vorrechtes dem Přemysliden Hand nicht so offenhielt. Es stellt sich zudem eine zweite Frage, nämlich wie sich die Königserhebung von 1158 eigentlich gestaltete. Erhielt Vladislav II. die Krone aus den Händen des Kaisers, und wurde er so wie die Könige von Armenien und Zypern 1197–1198 gesalbt, oder (möglicherweise) wie der König von Sardinien Bareso im Jahre 1164? Oder wurde die Königssalbung beiseite gelassen wie im Falle der Erhebung des Dänen Knut Laward zum Obodritenkönig um 1129, so dass auch der böhmische Herrscher den ungesalbten ersten dänischen Königen an die Seite zu stellen ist, die bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts von Friedrich Barbarossa und seinen Vorgängern die Königskrone empfingen? Die Erhebung von Vladislav II. zum König fesselt die Aufmerksamkeit der Historiker vor allem auf Grund bestimmter Unregelmäßigkeiten. Die Chronisten und Annalisten verbinden die Erhebung von Vladislav mit Regensburg und dem 11. Januar 1158, wo ihm der Kaiser Friedrich Barbarossa die Krone angeblich aufs Haupt setzte und dadurch den Herzog zum König erhob.53 In der kaiserlichen Urkunde, welche in Regensburg am 18. Januar 1158 ‒ also eine Woche später ‒ ausgestellt wurde, wird Vladislav aber nicht als König, sondern lediglich als Herzog (dux) bezeichnet; der Kaiser erlaubt zudem dem Přemysliden nur, dass ihm der Prager oder Olmützer Bischof an den vorgegebenen Festtagen weder die corona noch das diadema, sondern lediglich den circulus aufsetzen dürfe.54 52 The letters of John of Salisbury, Bd. 2. The later letters 1163‒1180, ed. W. J . Millor u.a., Oxford 1979, S. 102, Nr. 168: Nonne Teutonicus tirannus nominis sui fama nuper orbem percularet et fere subegerat regna vicina; vgl. Lindner: Das Wiener Dreikönigetreffen (wie Anm. 20), S. 349. 53 Die einzelnen Quellen sind unten zitiert. 54 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII, ed. Heinrich

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Laut älterer Interpretationen wurde Vladislav in Regensburg im Jahre 1158 die Königswürde lediglich versprochen, zum König wurde er aber erst nach der Bezwingung von Mailand am 8. September 1158 erhoben, wo ihm der Kaiser wieder die Krone aufsetzen sollte.55 Dieser Deutung widerspricht aber die Tatsache, dass Vladislav in den Urkunden spätestens seit dem 30. Mai 1158 als König bezeichnet wird, und zwar auch in den Urkunden Barbarossas selbst.56 Diese Deutung kann also schwerlich Bestand haben, und in dem Mailänder Akt verbirgt sich wahrscheinlich nur Vladislavs Festkrönung durch Kaiser Friedrich.57 Wolfgang Fritze gelangte in Bezug auf diese Unstimmigkeiten der Urkunde und der narrativen Quellen zu der Lösung, dass das Privileg selbst mit der Königserhebung überhaupt nicht zusammenhängt und den böhmischen Herzögen lediglich das Recht zuerkennt, den Reif zu tragen, was das zweite Vorrecht war, das dem Herrscher von Böhmen neben der Erhebung zum König zuerkannt wurde. Deswegen wird Vladislav im Regensburger Privileg nur als Herzog bezeich-

Appelt (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata X/1) Hannover 1975, S. 335‒337, Nr. 201. 55 Wegener, Wilhelm: Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter. Untersuchungen zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens und Mährens im Deutschen Reich des Mittelalters. 919–1253, Köln/Graz 1959, S. 109; Schramm, Percy E.: Böhmen und das Regnum. Die Verleihung der Königswürde an die Herzöge von Böhmen (1085/6, 1158, 1198/1203), in: ders.: Kaiser, Könige und Päpste. Gesammelte Aufsätze zur Geschichte des Mittelalters, Bd. IV, 2, Stuttgart 1971, S. 517–539, hier S. 534; Adamová, Karolína: K otázce královské hodnosti a panovnické ideologie českého krále Vladislava I., in: Právněhistorické studie 24 (1981), S. 5‒17, hier S. 14‒16. 56 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae 1, ed. Gustav Friedrich, Praha 1905– 1912, S. 179, Nr. 182; Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLVIII. usque ad annum MCLXVII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata X/2) Hannover 1979, S. 3, Nr. 221; Fiala, Zdeněk: Die Urkunde Kaiser Friedrichs I. für den böhmischen Fürsten Vladislav II. vom 18.I.1158 und das „Privilegium minus“ für Österreich, in: Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 78 (1970), S. 167–192, hier S. 182 f. 57 Kejř, Jiří: Böhmen und das Reich unter Friedrich I., in: Haverkamp, Alfred (Hg.): Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen (Vorträge und Forchungen 40) Sigmaringen 1992, S. 241‒289, hier S. 252‒255; Wihoda, Martin: Das ‚Krönungsrelief ‘ am Turm der ehemaligen Judithbrücke in Prag, in: Görich, Knut/SchmitzEsser, Romedio (Hg.): Barbarossabilder. Entstehungskontexte, Erwartungshorizonte, Verwendungszusammenhänge, Regensburg 2014, S. 260‒267, hier S. 265.

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net, und anstatt von der Krone ist nur vom Reif – circulus – die Rede.58 Als analog sind in gewisser Hinsicht solche Deutungen zu betrachten, deren Vertreter trotz einiger Abweichungen darin übereinstimmen, dass sich Vladislav eigentlich viel mehr aneignete, als ihm das kaiserliche Privileg zuerkannte. Während die Urkunde dem böhmischen Herzog angeblich nur das Tragen des circulus bewilligte, habe Vladislav dieses Abzeichen in die traditionelle Königskrone umgewandelt, mit welcher er nicht nur an den vorgeschriebenen Festtagen auftrat, sondern sich darüber hinaus mit dem Diadem auf Münzen abbilden und Denare prägen ließ, die seine Königswürde in aller Welt verkündeten. Eine solche Auslegung habe Vladislav angeblich auch den Skriptorien in Böhmen und Mähren geschickt aufgedrängt. Der Prager Domherr Vinzenz, der Mönch von Sazawa, der Opatowitzer Annalist und weitere böhmische Geschichtsschreiber berichten davon, dass in Regensburg die Erhebung zum König vollzogen wurde und der Kaiser dem Přemysliden die Krone aufs Haupt setzte, wodurch er die böhmische Provinz zum Königtum umwandelte.59 Man könnte in diesen Nachrichten eine bloße Übertreibung seitens der böhmischen und mährischen Chronisten vermuten, doch das Problem liegt darin, dass wir derselben Darlegung auch in Annalen und Chroniken aus verschiedenen Reichsgegenden begegnen, wobei viele davon die Aufzeichnungen gut unterrichteter Zeitgenossen sind.60 58 Fritze, Wolfgang H.: Corona regni Bohemiae. Die Entstehung des böhmischen Königtum im 12. Jahrhundert im Widerspiel von Kaiser, Fürst und Adel, in: Ludolf Kuchenbuch, Ludolf/Schich, Winfried/Fritze, Wolfgang H. (Hg.): Frühzeit zwischen Ostsee und Donau. Ausgewählte Beiträge zum geschichtlichen Werden im östlichen Mitteleuropa vom 6. bis 13. Jahrhundert, Berlin 1982, S. 209–296, vor allem S. 234‒249. 59 Teilweise Fritze: Corona (wie Anm. 58), S. 251‒258; zuletzt Wihoda: První česká království (wie Anm. 4), S. 186‒191. 60 Ottonis et Rahewini gesta Friderici imperatoris (wie Anm. 16), III/14, S. 183: In eadem curia (Ratispone) dux Boemorum N. ,[…] ab imperatore ac imperii primis ex duce rex crea­ tur, anno incaratione MCLVIII. Suscepto itaque privilegio de usu diadematis aliisque regni insignibus; Chronicon Montis Sereni (wie Anm. 6), S. 151: Anno 1158 […]. Dux Bohemie, concesso sibi ab imperatore circulo, rex nominatus est. Die in der tschechischen Forschung vielfach übersehene Erwähnung eines italienischen Zeitgenossen im Carmen de Gestis Frederici I. imperatoris in Lombardia, ed. Irene Schmale-Ott (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 62), Hannover 1965, Vers. 1789‒1791, S. 59: Boemi […] / Quorum rex dominum Fridericus ferre coronam / Iussit, et in regni meritum provexit honorem; Guntheri Poetae Ligurinus, ed. Erwin Assmann (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum

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Außerdem wird der Böhme in einer Barbarossa-Urkunde vom 10. Juni 1158 als König (Ladizaus rex Boemorum) und nicht als Herzog bezeichnet wie noch in der Urkunde vom Anfang desselben Jahres.61 Darüber hinaus setzte der Kaiser Vladislav bei der Festkrönung vor Mailand im September 1158 eine Krone aufs Haupt – und nicht nur den circulus, den er ihm in der Anfang 1158 ausgestellten Urkunde zugestanden hatte.62 Die These, dass sich Vladislav in einer Art Komplott die Königskrone gegen Barbarossas Zustimmung angemaßt habe, ist also gänzlich unbefriedigend.63 Dazu kommt noch die Frage, warum der Kaiser zu Anfang des Jahres 1158 eigentlich ein grundlegendes Problem mit der Zuerkennung der Königswürde Vladislavs gehabt haben soll, wenn doch er persönlich und seine unmittelbaren Vorgänger und Nachfolger weitere sechs oder sieben Herrscher zu Königen erho-

in usum scholarum separatim editi 63) Hannover 1987, VI, Vers. 446 f., 449 f., S. 352 f.: dux ille Boemus / Fama Labeslaum quem nominat, […] / Ex duce rex fieri meruit, gessitque potenti / Sceptra manu, cinxitque novo dyademate crines; Hermanni Altahenses annales (wie Anm. 40), S. 383: Ladizlaus dux Boemie, mutato ab imperatore dignitatis nomine, in regem Boemorum preficitur.; Burchardi praepositi Urspergensis Chronicon, ed. Oswald Holder-Egger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 16) Hannover 1916, S. 26: Eodem etiam tempore ducem Boemorum regio decoravit nomine et dignitate, regium sibi conferens diadema; Annales Herbipolenses, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVI), Hannover 1859, S. 1‒12, hier S. 99: ducem Boemorum imperator coronavit in regem; Annales Mellicenses, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores IX) Hannover 1851, S. 484‒536, hier S. 504: Lazlau dux mutato ab imperatore dignitatis nomi­ ne, Boemie in regem preficitur; und andere. Die zwei lezten zitierten Quellen datieren Vladislavs Erhebung auf 1156. 61 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLVIII. usque ad annum MCLXVII (wie Anm. 56), S. 3, Nr. 221. 62 Vincentii canonici Pragensis Annales, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 401–460, hier, S. 442: imperator imperiali diademate exornatus […] domum Wl[adizlaum], regem Boemie […] exorntat diademate.; Burchardi praepositi Urspergensis Chronicon (wie Anm. 60), S. 30: (imperator) diademate imperiali processit insignitus et cum eo rex Boemorum corona regia decoratus. 63 Als Zeugnis etwaiger Usurpierung der Königswürde seitens Vladislavs können keinesfalls die Annales Palidenses, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVI) Hannover 1859, S. 48‒96, hier S. 90, betrachtet werden, wo er in der Folgezeit nur einmal als Herzog bezeichnet wird. Die Berichte über die diskutierten Ereignisse des Jahres 1158 sind am wahrscheinlichsten nur nicht zum Verfasser gelangt.

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ben und viele andere Könige – mittels des gleichen Krönungsaktes – unter ihre Vasallenkönige aufgenommen hatten, worauf wir hingewiesen haben. Man kann aber die erwähnten Gegensätze in den Quellenaussagen auch nicht ganz einfach umgehen. Fangen wir zunächst mit der semantischen Frage an, was eigentlich der Kanzler Rainald von Dassel mit dem Begriff circulus in der Regensburger Urkunde meinte, mit dem Vladislav an den genannten Festtagen von den Prager und Olmützer Bischöfen gekrönt werden sollte. Handelte es sich um eine spezifische Bezeichnung der Königskrone oder etwa um eine „nichtkönigliche“ Insignie?64 In der Urkunde selbst wird zwar Vladislav nur als Herzog und nicht als König bezeichnet, und es kommt nicht die explizite Begrifflichkeit regalis oder rex vor, aber die Bindung an die verliehenen Vorrechte der Königswürde klingt hier ausdrücklich an, denn in der Urkunde wird angegeben, dass Vladislav „das Abzeichen der Würde, durch das sein Großvater“ – also der erste böhmische König Vratislav II. – glänzte, erhielt, nämlich den circulum videlicet gestandum.65 Dem Begriff circulus in der Bedeutung einer Herrscherinsignie begegnen wir in keiner anderen überlieferten Urkunde Friedrich Barbarossas oder anderer damaliger römisch-deutscher Könige und Kaiser. Es handelt sich daher um keine gebräuchliche Wendung der kaiserlichen Kanzlei. Dagegen finden wir diesen

64 Die Zeugnisse der schriftlichen und ikonographischen Quellen über die Herzogskronen des Mittelalters sammelte Tellenbach, Gerd: Über Herzogskronen und Herzogshüte im Mittelalter, in: Deutsches Archiv 5 (1942), S. 55–71, aber ohne klaren Beleg, dass solche Kleinodien zur zeremoniellen Ausstattung der Herzöge des Barbarossareiches zählten. Zu den nichtköniglichen Reifen der Herzöge von Aquitanien und der Normandie siehe Schramm, Percy E.: Geschichte des englischen Königstums im Lichte der Krönung, Darmstadt, 2. Aufl. 1970, S. 49; Ders.: Der König von Frankreich. Das Wesen der Monarchie vom 9. zum 16. Jahrhundert. Ein Kapitel aus der Geschichte des abendländischen Staates Bd. 1, 2. Aufl. Darmstadt 1960, S. 128 f. 65 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII (wie Anm. 54), S. 337, Nr. 201: nos Wladizlao […] honoris insigne, quo avus et ceteri progenitores eius duces Boemię beneficio imperialis excellentię ceteris ducibus preminebat, circulum videlicet gestandum concessimus. Neben König Vratislav wurden „auch andere seiner Vorfahren, die Herzöge von Böhmen“, in diesen Satz eingeschlossen. Appelt, Heinrich: Böhmische Königswürde und staufisches Kaisertum, in: Fuhrmann, Horst (Hg.): Aus Reichsgeschichte und Nordischer Geschichte, Stuttgart 1972, S. 161–181, hier S. 166, aber zeigte, dass diese nachträglich eingeschlossen wurden, weil der Satz ursprünglich im Singular mit Verbindung nur zu König Vratislav (avus […] preminebat) und nicht zu den anderen Herzögen von Böhmen konzipiert ist.

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Begriff in vielen anderen narrativen und normativen Quellen aus dem Milieu der Herrscherhöfe, welche auf seine zeitgenössische Bedeutung im Kontext der Machtabzeichen und ihres Gebrauchs hinweisen. Der Terminus circulus wird seit der Kaiserkrönung Heinrichs III. 1046 mit der Patrizierwürde verbunden.66 Laut der Krönungsordnungen und der Beschreibungen der Kaiserkrönungen sollte der künftige Kaiser den circulus patricialis im Rahmen der „feierlichen Messe“ in den Tagen vor der Krönung tragen – und nach der Salbung während der nachfolgenden Festlichkeiten und Festmähler an Stelle des kaiserlichen Krönungsdiadems .67 Den circulus patricialis trug auch Kaiser Lothar III. während 66 Annales Romani, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores V) Hannover 1844, S. 468‒480, hier S. 469: Die nativitatis domini nostri Iesu Christi ipse pre­ nominatus rex a suo sancto benignoque pontifice coronatus est […]. Itaque serenissimus princebs cernens Romanorum omnium voluntatem circulum quod ab antiquitus Romani coronabant patricios, cum omnium voluntatem, sicut imperatori deceverant, in capite posuit suo; Chronica monasterii Casinensis, ed. Hartmut Hoffmann (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXXIV) Hannover 1980, II/77, S. 322: Tunc temporis eidem Heinri­ co patriciatus honorem Romani contribuunt, eumque praeter imperialem coronam aureo circulo uti decernunt.; Ad Heinricum IV. imperatorem libri VII, ed. Hans Seyffert (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 65) Hannover 1996, VII/2, S. 588: decretum est, ut rex Heinricus cum universis in monarchia imperii sibi succedentibus fieret patricius, sicuti de Karolo factum legimus. […] Indutus igitur rex viridissima clamide desponsatur patricii anulo, coronatur eiusdem prelature aureo circulo. Vgl. Eichmann, Eduard: Die Kaiserkrönung im Abendland. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte des Mittelalters, mit besonderer Berücksichtigung der Kirchenpolitik, Bd. 1, Würzburg 1942, S. 158 f. 67 Modus der Kaiserkrönung aus der Salierzeit, ed. Reinhard Elze (MGH Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum 9) Hannover 1960, S. 34: post prandium imperator induitur veste viridi, et in capite eius ponitur mitra alba, habens desuper circulum patriti­ alem, et vadit ad ecclexiam ad vesperas. Über das Ereignis vor der kaiserlichen Krönung Heinrich IV. im 1084 Ad Heinricum IV. imperatorem (wie Anm. 66), VII/2, S. 598: Roma­ ni […] mittunt ei clamidem, mitram, anulum et patricialem circulum. Zu der kaiserlichen Krönung Heinrich V. im 1111 Willelmi Malmesburiensis Monarchi Gesta regum Anglorum, ed. Thomas Duffus Hardy (Patrologia Latina 179/1), Paris 1899, V/425, Sp. 1378: Peracto itaque toto ipsius consecrationis officio, apostolicus et imperator […] iverunt cum celebri pompa ad cameram quae est ante Confessionem sancti Gregorii, ut ibi deponeret apostolicus sua sacerdotalia, imperator autem sua regalia. Imperatori autem exeunti de camera et suis regalibus exuto occurrerunt Romani patricii cum aureo circulo, quem impo­ suerunt imperatori in capite, et per eum dederunt sibi summum patriciatum Romanae urbis. Weiter siehe auch Anm. 66.

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der Messe am Festtag der Kreuzauffindung am 14. September 1137 in Montecassino.68 Einer solchen Praxis begegnen wir also auch bei Kaiserkrönungen des 12. Jahrhunderts, aber in manchen Quellen ist das Attribut patricialis verschwunden, und circulus tritt in den Beschreibungen der Kaiserkrönungen in der allgemeinen Bedeutung einer sekundären Krönungsinsignie minderer Bedeutung auf wie z.B. im Jahre 1167 in der Darstellung des anonymen Fortsetzers von Acerbo Morena. Der Chronist beschreibt, wie Friedrich gemeinsam mit Papst Paschalis III. und seinen Kardinälen die Messe in der römischen Petersbasilika feierte, wo ihm der Pontifex den circulus aureus aufs Haupt setzte, und dass am folgenden Tag auch die Kaiserin Beatrix mit dem Diadem aus Feingold, das mit vielen Edelsteinen geziert war, gekrönt und in der Folge gesalbt wurde; dabei wurde eine dieser Zierkronen auch auf das Haupt ihres kaiserlichen Gemahls gesetzt.69 Zugleich begegnen wir vielen Fallbeispielen, in denen die Insignie manchmal als circulus bezeichnet wird, andere Quellen dagegen benennen dieses herrschaftliche Abzeichen als Königskrone oder -diadem, so wie im Fall der Erhebung Vladislavs im Jahr 1158. Heinrich IV. beispielsweise verlieh Vratislav II. als Abzeichen der ihm zugestandenen Würde laut der Chronik von Cosmas und den Pegauer Annalen einen regalis circulus, während ein anderer zeitgenössischer Beobachter, der Mönch von St. Gallen, von einer Königskrone (regalis coruna) spricht.70 Im Rahmen der Beschreibung des bereits erwähnten Hoftages in Hal68 Chronica monasterii Casinensis (wie Anm. 66), IV/119, S. 593: Ipse vero in civitate coro­ nam circuli patricialis acepturus remansit; nam tunc exaltationi sancte Crucis agentur cele­ britas. 69 Acerbi Morenae historia, Continuatio Anonymo (wie Anm. 21), S. 204: papa Paschalis cum suis cardinalibus in ipsa ecclesia sancti Petri missam honorafice et cum magno gaudio celebravit; in ipsoque die in capite imperatoris circulum aureum tantummodo imposuit. Sequenti namque Martis die, in quo fuit tunc festivitatis sancti Petri ad Vincula […] pre­ dictus papa Paschalis dominum Fredericum imperatorem ac serenissimam augustam Bea­ tricem eius coniugem ex coronis aureis purissimis ac multis preciosissimis gemmis decoratis in ecclesia sancti Petri coronavit. 70 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum, ed. Bertold Bretholz/Wilhelm Weiberger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova series 2) Berlin 1923, II/37, S. 135: cesar […] ducem Boemorum Wratizlaum […] inponens capiti eius manu sua regalem circulum; Annales Pegavienses et Bosovienses, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVI) Hannover 1859, S. 234–270, hier S. 245: ab eodem imperatore sublimatus, regali quoque circulo […] insignitus est; Staatsund Stadtbibliothek Augsburg, 2o Cod. 254, fol. 21v: Imperator […] ducem Boemie cum

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berstadt 1134 wird die Königsinsignie, die Lothar III. aufs Haupt des dänischen Königs Magnus Nielsson setzte, in den Magdenburger Annalen als circulus, in den Erfurter Aufzeichnungen als diadema, in den Halberstadter Annalen dann als corona regia bezeichnet, während laut Kölner Aufzeichnungen Magnus regio more coronatus wurde.71 Das Gleiche gilt für die Beschreibung des Aufsetzens der Insignie auf das Haupt des Dänenkönigs Sven durch Friedrich Barbarossa 1152. Während in einer Quelle von circulum regium die Rede ist, begegnen wir in den übrigen Quellen (einschließlich des Schreibens von Barbarossa selbst) der Wendung corona regni.72 Desgleichen haben wir eben erwähnt, dass der Fortsetzer von Acerbo Morena berichtet, einen Tag vor der Krönung Beatrix’ von Burgund zur Kaiserin in Rom 1167 habe das Haupt von Friedrich der cir­ culus aureus geziert; die Jahresbücher des Klosters Lobbes aber erwähnen, dass damals Barbarossa vor seinen Magnaten als coronatus auftrat.73 Benzo von Alba erinnert ferner daran, wie König Heinrich III. coronaretur […] aureo circulo.74 Die Wörter circulus und corona überlappen sich also in manchen narrativen und normativen Quellen. In manchen Quellen begegnen wir auch der Wortverbindung regalis circulus oder circulus regium.75 Manchmal verwendete aber der zeitgenössische Betrachter für die Königsinsignien die beiden Termini circulus und corona in der gleichen Bedeutung (corona circuli)76 oder bezeichnete mit dem Wort circulus einen Teil der Königskrone.77 Auch wurde die Krone als circulus beschrieben, welcher

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regali coruna adaugens. Zu dieser Quelle, der St. Galler Fortsetzung des Hermann von Reichenau, ausführlicher die Anm. 92. Siehe Anm. 6 und 7. Siehe Anm. 16 und 17. Acerbi Morenae historia, Continuatio Anonymo (wie Anm. 21), S. 204‒205; Annales Laubienses, ed. Georg H. Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores IV) Hannover 1841, S. 9‒28, hier S. 24. Ad Heinricum IV. imperatorem (wie Anm. 66), VII/2, S. 588. Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 70), II/37, S. 135; Annales Pegavienses (wie Anm. 70), S. 245; Chronicon Montis Sereni (wie Anm. 6), S. 149. Consilium Aquisgranense, ed. Albert Weringhoff (MGH Concilia 2/1) Hannover/ Leipzig 1906, S. 307‒464, hier S. 318; Chronica monasterii Casinensis (wie Anm. 66), IV/119, S. 593. Ad Heinricum IV. imperatorem (wie Anm. 66), VII/2, S. 596: regali corona […] legebatur autem in inferiori circulo eiusdem serti ita: Corona regni de mano dei.

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den Kopf des Königs umspannt.78 Dem Begriff circulus und seinen verschiedenen sprachlichen Varianten begegnen wir ferner in Aufzählungen oder Verzeichnissen von Königsinsignien.79 Das zeigt zwar, dass der circulus als kleine Krone zu verstehen ist, aber mehrere Beispiele weisen darauf hin, dass es sich immerhin um die Krönungsinsignie handelte, die die Häupter der Könige zierte und ihre Königswürde zum Ausdruck brachte. Es gilt daher als problematisch, einen Widerspruch oder gar eine Usurpation in dem Umstand zu sehen, dass in der Regensburger Urkunde aus dem Jahr 1158 für die vom Kaiser an Vladislav verliehene Insignie der Begriff circulus gebraucht wurde, während in allen anderen zeitgenössischen oder späteren Quellen von der Krone oder dem Diadem Vladislavs, die mit seiner Königswürde verbunden werden, die Rede ist. Übrigens ist im Chronicon Montis Sere­ ni – sowie in der Urkunde – von kaiserlicher Gewährung des circulus die Rede, und damit wird die Königswürde verbunden.80 Ganz deutlich drückt sich dann der gut informierte und eingeweihte zeitgenössische Beobachter Kaplan Rahewin aus, der bei der Erwähnung der Urkunde Barbarossas, in der dem böhmischen Herzog der circulus zugestanden wird, dieses Schriftstück als „Privileg über den Gebrauch des Diadems“ (privilegio de usu diadematis) bezeichnet.81 Percy Ernst Schramm hat auch bemerkt, dass Walther von der Vogelweide in diesen Begriffen eine gewisse Hierarchie sieht: Während der Herrscher des römisch-deutschen Reiches, Philipp von Schwaben, die Krone getragen habe, lässt der Dichter den cirkel nur die armen künige tragen.82 Aus dem Wortlaut der Regensburger Urkunde geht aber klar hervor, dass auch der Urheber des 78 Consilium Aquisgranense (wie Anm. 76), S. 318: Corona autem latitudo aurei est circulus, quae regum capita ringit. 79 Zu den Königsinsignien, die 1208 Königin Maria, die Gemahlin des römischen Königs Philipp, dem Speyerer Dom hinterließ, zählten u.a. circulum aureum, coronam auream. Calendarium nekrologium canonicorum Spirensium recentius, ed. Johann F. Böhmer/ Alfons Huber (Fontes rerum Germanicarum 4) Stuttgart 1868, S. 317–327, hier S. 323. Unter den Kleinodien, die 1297 der englische König Eduard I. dem Grafen von Flandern, Guido I., verpfändete, zählten auch Königskronen, darunter auch ein ciercle. Documents. Documents et extraits divers concernant l’hist. De l’art de la Flandre I, ed. M. Le Chanoine Dehaisnes, Lille 1886, S. 94, 98. 80 Chronicon Montis Sereni (wie Anm. 6), S. 151: Anno 1158 […] Dux Bohemie, concesso sibi ab imperatore circulo, rex nominatus est. 81 Ottonis et Rahewini gesta Friderici imperatoris (wie Anm. 16), III/14, S.183. 82 Schramm: Böhmen (wie Anm. 55), S. 532.

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Urkundentextes in Bezug auf die herrschaftlichen Abzeichen auf diese strenge Hierarchie achtete. Die Krönungsinsignie des Kaisers Friedrich nannte er coro­ na und diadema glorie, während er sich im Falle der Vladislav zuerkannten Insignie, mit der der böhmische Herrscher entsprechend der kaiserlichen Bestimmung an den bedeutendsten Festtagen gekrönt werden konnte, strikt an den mehrmals erinnerten Begriff circulus hielt, womit er auf deren mindere Bedeutung oder gegebenenfalls Größe hinwies.83 Mit diesem Kontext der Urkunde stimmt übrigens auch die Darstellung des zeitgenössischen böhmischen Annalisten, des Mönchs von Sazawa, weitgehend überein, der im Zeitabstand von 15 (?) Jahren berichtete, dass Barbarossa Vladislav seine eigene Krone gab, welche er an den bedeutendsten Festtagen gebrauchte.84 Solche Kronen, die für Festkrönungen bestimmt waren, waren in der Tat kleiner. Das wissen wir explizit von den Kronen Kaiser Heinrichs V., die dem Kloster Le Bec bei Rouen von der verwitweten Kaiserin Matilde geschenkt wurden. Eine große und schwere Krone mit zahlreichen Edelsteinen wurde zur Königs- oder Kaiserkrönung bestimmt, während der Kaiser die zweite, kleinere an bedeutenden Festtagen trug.85 Ebenfalls von kleinerer Größe waren die Königskronen, die laut den französischen Predigten von Peter Comestor († 1179) an Festtagen getragen wurden. Auch dieser Autor bezeichnet sie als circulus.86 Dieser Predigt entspricht außerdem 83 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII (wie Anm. 54), S. 337, Nr. 201: circulum videlicet gestandum concesimus […] statuimus, ut liceat prefato duci Boemie Wadizlao illis temporibus, quibus nos coronam et diadema glorię portamus, […] circulum portare. […] Sicut itaque cebratio et impositio coronę nostrę non debet fieri nisi per manus archiepiscoporum et episcoporum, ita prefato duci Boemię a nullo hominum circulus imponatur. 84 Monachi Sazawiensis continuatio Cosmae, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 238–269, hier S. 265 f.: imperator […] iussit proferi coronam auream gemmis, pretiosis lapidibus mire adornatam, quam videlicet ipse imperator in summis fes­ tivitatibus uti ferebatur. 85 Stepani Rothamagensis monachi Beccensis Poema cui titulus „Draco Normannicus“. (Addimenta), ed. Richard Howlett (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 82) London 1885, S. 758: Item alia parva corona aurea, qua imperator in majoribus sollemni­ tatibus utebatur. Vgl. Schramm, Percy E.: Herrschaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sechzehnten Jahrhundert, Bd. 3, Stuttgart 1956, S. 759‒766. 86 In annuntiatione b. Virginis, ed. Jean Paul Migne (Patrologia Latina 198) Paris 1853, Sp. 1774: Corona simplex est circulus aureus, quo utuntur reges in minoribus solemnitati­

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die Praxis des französischen Königs Philipp II. August (1180‒1223). Der Liste seiner Kronen zufolge, die sich Philipp erstellen ließ, dienten zwei große Kronen zur primären Krönung und zur Salbung, die kleinere Krone trug der König während der Feierlichkeiten und Festmähler.87 Solche großen und kleinen Kronen tauchen im Inventar der Kostbarkeiten des französischen Königs Karl V. (1364–1380) auf.88 Diesem Phänomen begegnen wir nicht nur in Frankreich, sondern auch in England. Sogar nach der Salbung selbst tauschte der neue König von England, Richard I. Löwenherz, im Jahr 1189 sein Diadem gegen ein leichteres, das er während des Festmahles und der folgenden Festlichkeiten trug.89 Diese Praxis war auch bei den Kaiserkrönungen geläufig, wo entweder vor oder nach der Kaiserkrönung der circulus auf das Haupt des Herrschers gesetzt wurde, wie wir bereits erwähnten. Wenn also die an Vladislav übergebene Krone, welche der Kaiser selbst während der Festlichkeiten trug, in der Urkunde als kleine Krönungsinsignie und nur als Kronreif – circulus – bezeichnet wird, entspricht das völlig der zeitgenössischen Praxis. So wie wir bei der Königserhebung Vladislavs keinen Gegensatz zur Regensburger Urkunde von 1158 in dem Terminus circulus suchen müssen, so hat auch eine zweite Widersprüchlichkeit bei genauerer Prüfung keinen Bestand. Konkret gemeint ist die Stelle, in der Vladislav eine Woche nach seiner Königserhebung am 11. Januar 1158 in der Barbarossa-Urkunde vom 18. Januar nur Herzog (dux) genannt wird. Hinsichtlich dieses Problems ist eine äußerst überzeugende Beobachtung von Michael Skopal entscheidend, die Jiří Kejř entging und in der Forschung eigentlich nur von Martin Wihoda reflektiert wurde.90 Michael Skopal

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bus. Diadema est quasi duplex corona, cum ipsi coronae quasi alius circulus gemmis super­ positus superadditur. Ex ipsa enim Greci nominis interpretatione duplicitatem sonat. Tillet, Jean Du: Recueil des roys de France, leurs couronne et Maison, ensemble le rang des grands de France, Paris 1618, S. 274. Zu diesem Verzeichnis der Kronen Schramm: Der König (wie Anm. 64), Bd. 1, S. 133, 206, Bd. 2, S. 87 f., Anm. 3 zu S. 133. Inventaire du mobilier de Charles V., roi de France, ed. Jules Labarte, Paris 1879, vor allem S. 12‒31. The chronicle of the Reigns of Henry II. and Richard I., Bd. 2, ed. William Stubbs (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 82) London 1867, S. 83: Interim rex deposuit coro­ nam suam et vestes regales, et leviores coronam et vestes sumpsit: et sic coronatus venit pran­ dere. Skopal, Michal: K otázce řezenské korunovace Vladislava II., in: Acta Universitatis Carolinae, Philosophica et historica 31 (1987), S. 31‒39; Wihoda: Die sizilischen goldenen Bullen (wie Anm. 41), S. 111.

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konnte vor allem auf Grund der Datierungsformeln der Urkunden Vladislavs nach den Jahren seiner Königsherrschaft feststellen, dass Vladislav den Anfang seiner königlichen Herrschaft nicht seit dem 11. Januar 1158, sondern erst seit dem Frühjahr des Jahres, präziser seit einem unbekannten Tag zwischen dem 10. März und 30. Mai 1158 gezählt hat. Diesem Umstand entspricht die Titulatur in dem diskutierten Privileg völlig. Der Kaiser genehmigte in Regensburg die Königserhebung Vladislavs, indem er die Königskrone auf sein Haupt setzte; in der Folge bezeichnete er ihn in der Urkunde als einen Herzog, denn in einen König verwandelte sich der Přemyslide erst mittels eines bestimmten Aktes, welcher irgendwann im März, April oder Mai des Jahres 1158 vollzogen wurde, und erst seit diesem Moment zählte er seine Königsherrschaft. Unbeachtet blieb der Umstand, dass auch die Erzählung eines Zeitgenossen, des sogenannten Mönchs von Sazawa, dieser Chronologie entspricht. Er berichtet, wie Anfang des Jahres der Kaiser dem Herrscher von Böhmen die Königskrone verlieh. Im Folgenden nennt der Chronist aber den Přemysliden lediglich Herzog. Vom Kaiser kehrt in seiner Darstellung nicht etwa ein König zurück, sondern nur der dux Wladizlaus. Erst im folgenden Eintrag, der sich auf Mai 1158 bezieht, wird der Herrscher von Böhmen zum ersten Mal als König bezeichnet.91 Wir begegnen hier der gleichen Praxis, die auch bei der Königserhebung des ersten böhmischen Königs Vratislav II. durch Heinrich IV. erkennbar ist. Der Kaiser setzt ihm die Königskrone auf sein Haupt.92 Aber noch danach wurde 91 Monachi Sazawiensis continuatio (wie Anm. 84), S. 265 f.: 1158 initiato […] imperator […] ducem ad se accersitum huius verbi nobilitate alloquitur. […] accipe ex dei gratia et nostra benevolentia tibi, quam tibi (Wladizlao) tradimus regni coronam et regiae potestatis et honoris digitatem in regno tuo. Et haec dicens iussit proferri coronam auream […]. Tali igitur divinitus honore sublimatus, gloriosus dux Wladizlaus cum ingenti tripudio et laeti­ tia suorum rediit ad sua. Deinde eiusdem anni mense Maio profecti sunt rex et […]. 92 Laut dem Chronisten Cosmas von Prag habe Heinrich IV. dem getreuen Přemysliden auf der Mainzer Synode (Frühjahr 1085) eigenhändig die Krone aufgesetzt. Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 70), II/37, S. 135. Wahrscheinlich ist sogar, dass es zu diesem Akt erst am 5. Mai 1086 im Regensburg kam, wo Kaiser Heinrich IV. Ostern feierte, wie der Bericht der bisher in diesem Zusammenhang übersehenen, aber glaubwürdigen St. Galler Fortsetzung Hermanns von Reichenau erwähnt. Staats- und Stadtbibliothek Augsburg, 2o Cod. 254, fol. 21v: 1086 […] Imperator pascha Radispone celebravit, ibi tunc temporis ducem Boemie cum regali coruna adaugens. Außer dieser übersehenen Relation machen weitere glaubwürdige Nachrichten aus dieser Quelle zugänglich: Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii III/2. Die Regesten des Kaiserreiches unter

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Vratislav in einer Urkunde vom 29. April 1086 ebenfalls nur mit dem Titel eines Herzogs (dux Boemiorum) bezeichnet,93 und erst nachdem der im Rang erhobene Vratislav von Erzbischof Egilbert von Trier gesalbt und gekrönt worden war, stand ihm der Titel des Königs zu.94 Hinsichtlich der Titel Vladislavs besteht zwischen der Regensburger Urkunde Barbarossas und anderen relevanten Quellen also kein echter Widerspruch. Freilich bleibt die Frage, durch welchen Akt zwischen dem 10. März und 30. Mai 1158 Vladislav II. zum König wurde. Im Unterschied zu der im 9. und 10. Jahrhundert noch nicht völlig etablierten Titulatur ist die Würde des Königs im 11. Jahrhundert in Ostmitteleuropa mit der Krönung und der Salbung verbunden. Es bietet sich vor allem die bereits genannte Ähnlichkeit mit der Erhebung Vratislavs II. im Jahr 1086 an, der in Prag vom Trierer Erzbischof zum König gesalbt wurde. Im Falle einer möglichen Königssalbung Vladislavs II. im Jahre 1158 sind die Hinweise in den Quellen allerdings nicht so eindeutig.95 Die erste Schwierigkeit ist die erwähnte Tatsache, dass von den 30er bis zu den 60er Jahren des 12. Jahrhunderts die Kaiser auch die Königstitel der nichtgesalbten Könige anerkannten und ihnen sogar die Königskrone aufs Haupt setzten. Es handelt sich vor allem um die dänischen Könige Magnus Nielsson, Sven III. und möglicherweise noch um Waldemar I. So erhob Kaiser Lothar III. auch den Fürsten der Obodriten, Knut Laward, zum König, der allem Anschein nach nicht gesalbt wurde, wie wir schon gezeigt haben. Deshalb kann die etwaige Salbung des neuen Königs Vladislav kaum als für seinen Königstitel unentbehrlich vorausgesetzt werden.96 Solche Zweifel bestätigt aber vor allem das einstimmige Schweigen der

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Heinrich IV. 1056 (1050) –1106, bearb. von Tilmann Struve/Gerhard Lubich, Köln/ Weimar/Wien 2010–2016. Heinrici IV. Diplomata 1077–1106, ed. Dietrich von Gladiss/Alfred Gawlik (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata VI/2) Weimar 1959, S. 515‒517, Nr. 390. Zur Echtheit der Urkunde Reitinger: Vratislav (wie Anm. 4), S. 92‒99. Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 70), II/38, S. 140 f. Zur Datierung der Salbung Vratislavs II. am 15. Juni 1086 (und nicht 1085) vgl. Reitinger: Vratislav (wie Anm. 4), S. 99‒104. Die Salbung Vladislavs in Prag lassen bedächtig Petráň Zdeněk/Mašek, Michal: Tzv. nápisový denár Vladislava II. v historických souvislostech, in: Mašek, Michal/Sommer, petr/Žemlička, Josef (Hg.): Vladislav II., druhý král z Přemyslova rodu. K 850. výročí jeho korunovace, Praha 2009, S. 125‒133; Wihoda: První česká království (wie Anm. 4), S. 188 f., zu. Die Ansicht, dass Vladislav II. nicht gesalbt wurde, schließen Heinrich Appelt, Wolfgang

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Quellen. Als Beleg für eine Salbung Vladislavs kann auch die Erwähnung in den Annalen von Opatowitz betrachtet werden: In dieser Quelle steht zwar im Zusammenhang mit dem Aufsetzen der Königskrone auf Vladislavs Haupt durch den Kaiser auf dem Hoftag in Regensburg am 11. Januar 1158, dass dies geschah epi­ scopo Daniele speciali ministerio suffragante97; wenn es sich aber in der Tat um die Königssalbung handelte, warum sollte Vladislav nach diesem Geschehen in der Urkunde Barbarossas vom 18. Januar 1158 immer noch als Herzog bezeichnet worden sein? Zudem ist dann auch kaum verständlich, warum der Přemyslide den Anfang seiner Königsherrschaft erst mit dem Frühjahr und nicht mit Januar desselben Jahres 1158 verknüpfen sollte, wie Michal Skopal gezeigt hat.98 Über eine Salbung Vladislavs schweigen nicht nur die zeitgenössischen oder späteren Chroniken, Annalen und Urkunden aus dem Reich, sondern auch die zeitgenössischen böhmischen Berichterstatter. Der ungewöhnlich gut informierte zeitgenössische Chronist Vinzenz versucht nicht einmal anzudeuten, dass der přemyslidische Herrscher irgendwo im Reich oder nach der Rückkehr in rega­ lem ciuitatem Praga in der Bischofsbasilika, wo Vinzenz als Kanoniker tätig war, gesalbt werden sollte, obwohl er den Umständen der Erhebung Vladislavs sowie der damaligen Rolle Bischof Daniels große Aufmerksamkeit widmet. Er erinnert überhaupt nicht an diesen Akt, obwohl er den Verlauf der Ereignisse nach der Rückkehr von Vladislav aus Regensburg in allen Einzelheiten beschreibt.99 Vinzenz unterlässt nicht einmal die Erwähnung des Details, dass Vladislav mit der Krone, die ihm der Kaiser aufs Haupt setzte, auch beim Festakt der Kapitulation der Mailänder Bürger im September 1158 auftrat.100 Auch in diesem Zusammenhang erscheint es uns äußerst unwahrscheinlich, dass Vinzenz in seinem Werk,

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Fritze, Josef Žemlička und andere nicht aus. Appelt: Böhmische Königswürde (wie Anm. 65), S. 168; Fritze: Corona (wie Anm. 58), S. 258 f.; Adamová: K otázce (wie Anm. 55), S. 15 f.; Žemlička, Josef: Křižovatky Vladislava II. Co mohl či nemohl druhý český král, in: Mašek, Michal/Sommer, petr/Žemlička, Josef (Hg.): Vladislav II., druhý král z Přemyslova rodu. K 850. výročí jeho korunovace, Praha 2009, S. 17‒27, hier S. 19; Ders.: Kníže a král v souřadnicích přemyslovského věku, in: Český časopis historický 114 (2016), S. 7–31, hier S. 18 f. Annales Gradicenses et Opatowicenses, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 643‒652, hier S. 400. Skopal: K otázce (wie Anm 90), S. 31‒39. Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 62), S. 426‒428. Ebd., S. 442.

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das er bereits in den ersten Zeilen König Vladislav und dessen Gemahlin Judith widmete, die Erwähnung ihrer Königssalbung unterließ, falls es eine solche Salbung tatsächlich gegeben hätte.101 Von der Salbung schweigen sowohl der gut informierte und zeitgenössische Mönch von Sazawa als auch der Verfasser der Annalen von Opatowitz sowie weitere böhmische Annalisten.102 Das gesamte Problem kann nicht einfach mit der Behauptung gelöst werden, es habe zwar eine königliche Salbung von Vladislav stattgefunden, aber die erwähnten wohlunterrichteten Chronisten und Annalisten, welche zu diesem Jahr über viele Details berichten, hätten diesen Akt unisimo mit Schweigen übergangen. Wir sehen hier einen scharfen Kontrast zu den bruchstückhaften Berichten über die Königserhebung Přemysl Ottokars I. 1198 und 1203. Obwohl wir im Unterschied zu 1158 zu diesem Akt nur über wenige kurze und nicht immer übereinstimmende Berichte verfügen, berichten alle – wenn auch dürftigen – Quellen explizit davon, dass Přemysl Ottokar I. sich der kirchlichen Königsweihe unterzog (consecratum).103 Nichts davon galt aber im Falle der Erhebung des přemyslidischen Herrschers im Jahre 1158, über die gleich mehrere Geschichtsschreiber aus nächster zeitlicher Nähe berichteten. Und alle stimmen nur darin überein, dass die Königssalbung von Vladislav nicht stattfand. Die narrativen Quellen passen in diesem Punkt auch völlig zum ikonographichen Befund: Auf den bekannten Abbildungen der Königserhebung Vladislavs auf den Münzen und auch auf dem Relief der Judithsbrücke wird weder die Salbung noch die kirchliche Krönung des Přemysliden dargestellt, sondern nur der Akt, mit dem ihm vom Kaiser am 11. Januar 1158 die Krone übergeben wird.104 Nur dieser Akt war der legitimatorische Tragpfeiler in der Selbstpräsentation von Vladislavs Königswürde. Dass Vladislav II. dann irgendwann zwischen dem 10. März und 30. Mai 1158 den Königstitel zu gebrauchen begann, 101 Ebd., S. 407, 408. Zu dieser Donatio des Werkes Kernbach, Anna: Vincenciova a Jarlochova kronika v kontextu svého vzniku. K dějepisectví přemyslovského období, Brno 2010, S. 82‒155. 102 Monachi Sazawiensis continuatio Cosmae (wie Anm. 84), S. 265 f.; Annales Gradicenses et Opatowicenses (wie Anm. 97), S. 400; Continuatio Cosmae secunda, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 270‒382, hier S. 378, 382. Das Schweigen der narrativen Quellen war überraschend schon für Fiala: Die Urkunde (wie Anm. 56), S. 179, 183. 103 Siehe Anm. 40. 104 Zu diesen beiden Darstellungen der Erhöhung Vladislavs zuletzt Wihoda: Das ‚Krönungsrelief ‘ (wie Anm. 57), S. 261 f., 265 f.

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können wir nicht mit seiner Salbung durch einen (Erz-)Bischof verbinden – von der die Quellen auch nichts wissen –, sondern höchstens mit der ersten Festkrönung Vladislavs und seiner Gattin Judith durch den Bischof am Festtag des Heiligen Adalbert oder zu Ostern (20. oder 23. April), wie es Barbarossas Privileg bewilligt.105 Die Festkrönung wich von den klassischen Erstkrönungen mit der Salbung darin ab, dass es zu keiner Salbung kam, wie Ernst Kantorowicz, KurtUlrich Jäschke, Carlrichard Brühl u.a. nachgewiesen haben. Dies hatte vor allem den Grund, dass die Salbung, die für den Königstitel konstitutiv war, nicht mehrfach wiederholt werden konnte.106 Andererseits waren Festkrönungen bei Königen möglich, die (noch) nicht gesalbt waren.107 Der Umstand, dass Vladislav II. möglicherweise zu den Königen zählte, die dem Imperium Friedrich Barbarossas zugehörten und nicht gesalbt waren, kann außerdem zwei Ursachen gehabt haben. Eine Rolle könnten jene Ereignisse gespielt haben, an die Vinzenz erinnert: Das Abkommen von Vladislav mit Kaiser Friedrich über den Königstitel und die böhmische Teilnahme am Italienzug wurde angeblich eine gewisse Zeit geheim gehalten und traf danach auf prinzipiellen Widerstand der böhmischen Magnaten. Der Prager Bischof, mit dem diese Vereinbarungen zuvorderst verbunden wurden und welcher in der Zukunft eine bedeutende Rolle in der öffentlichen Präsentation von Vladislavs königlicher Majestät gespielt haben wird, wurde Vinzenz zufolge von den böhmischen Magnaten sogar mit der Hinrichtung bedroht. Also könnte auch dieser Widerstand der Magnaten die ursprünglich geplante königliche Salbung von Vladislav verhindert haben.108 105 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII (wie Anm. 54), S. 335‒337, Nr. 201. 106 Kantorowicz, Ernst H.: Laudes regie. A Study in Liturgical Acclamations and Mediaeval Ruler Worship, Berkeley/Los Angeles 1958, S. 94; Jäschke, Kurt-Ulrich: Frühmittelalterliche Festkrönungen. Überlegungen zu Terminologie und Methode, in: Historische Zeitschrift 211 (1970), S. 556–588, hier S. 557‒561; Brühl, Carlrichard: Kronen- und Krönungsbrauch im frühen und hohen Mittelalter, in: Historische Zeitschrift 234 (1982), S. 1–31, hier S. 4‒6. Zum Beispiel fehlt die Salbung auch im Ordo für Festkrönungen der Könige von Sizilien aus dem 12. Jahrhundert. Elze, Reinhard (Hg.): Der normanische Festkrönungsordo aus Sizilien, in: Cuozzo, Errico/Martin, Jean-Marie (Hg.): Cavalieri alla conquista del Sud. Studi sull’Italia normanna in memoria di Léon-Robert Ménager, Roma/Bari 1998, S. 315–327. 107 Jäschke: Frühmittelalterliche Festkrönungen (wie Anm. 106), S. 570 f. 108 Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 62), S. 424, 427 f. Diese Interpretation ist möglich für Fritze: Corona (wie Anm. 58), S. 258 f.

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In der Frage des völligen Schweigens der Quellen über die Königssalbung kann sich auch die Interpretation der Regensburger Urkunde als aufschlussreich erweisen, die für uns in vielerlei Hinsicht unverständlich bleibt: Das kaiserliche Privileg genehmigt Vladislav die Festkrönungen zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und an den Festtagen der Landespatrone, der Heiligen Wenzel und Adalbert.109 An diesen höchsten kirchlichen Feiertagen – also zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten – sowie anlässlich der im jeweiligen Land bedeutenden Festtage oder eines bedeutenden Ereignisses fanden die Festkrönungen am Hof des römischdeutschen Reiches sowie an den Höfen der französischen und englischen Könige statt. Einen grundlegenden Unterschied gab es auch nicht hinsichtlich der Termine der Festkrönungen der Könige von Jerusalem im 12. und 13. Jahrhundert.110 Die Urkunde Friedrichs für Vladislav war also in der Frage der Festkrönungstermine bestimmt nicht restriktiv, sondern bestätigte ohne irgendeine Reduktion eine geläufige königliche Praxis – nämlich den Gebrauch der Königskronen an den Festtagen. Es ergibt sich aber die Frage, warum der Kaiser es für notwendig hielt, diese Selbstverständlichkeit so präzise in seiner Urkunde zu definieren. Zu welchem Zweck sollte diese Bestimmung bzw. die ganze Urkunde dienen? Die Antwort verbirgt sich vielleicht hinter der genauen Abgrenzung dessen, was das Privileg genehmigt, von dem, was im Gegenteil völlig verschwiegen wird – womit zugleich das definiert wird, was außerhalb des Rahmens dieser Bewilligung lag. Wie sich der zeitgenössische Berichterstatter Rahewin zutreffend erinnert, behandelte die Urkunde den Gebrauch der Krönungsinsignie 109 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII (wie Anm. 54), S. 337, Nr. 201: circulum videlicet gestandum concesimus […] statuimus, ut liceat prefato duci Boemie Wadizlao illis temporibus, quibus nos coronam et diadema glorię portamus, in nativitate domini videlicet et in pascha et in penthecosten circulum portare et amplius in festivitate videlicet sancti Venzelai et sancti Adelberti […]. Sicut itaque cebratio et impositio coronę nostrę non debet fieri nisi per manus archiepiscoporum et episcoporum, ita prefato duci Boemię a nullo hominum circulus imponatur nisi a dilecto nostro Daniele venerabili Pragense episcopo et Iohanne Olomucense episcopo eorumque successoribus. 110 Klewitz, Hans-Walter: Die Festkrönungen der deutschen Könige, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistiche Abteilung 28 (1939), S. 48–96; Brühl: Kronen- und Krönungsbrauch (wie Anm.  106), S.  7‒9; Schramm: Geschichte (wie Anm. 64), S. 31‒33, 42‒44, 57‒59; ders.: Der König (wie Anm. 64), S. 120‒124; Mayer, Hans Eberhard: Das Pontifikale von Tyrus und die Krönung der lateinischen Könige von Jerusalem. Zugleich ein Beitrag zur Forschung über Herrschaftszeichen und Staatssymbolik, in: Dumbarton Oaks Papers 21 (1967), S. 169‒171, hier S. 199.

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(privilegio de usu diadematis).111 Diese aber haben die Könige nicht nur bei den Festkrönungen gebraucht, sondern vor allem beim Akt ihrer Erstkrönung, die mit der erwähnten Königssalbung durch einen (Erz-)Bischof verbunden war. Und eben davon schweigt die ziemlich detaillierte Aufzählung in Barbarosass Privileg vollständig. Mit anderen Worten: Die Urkunde kann auch so gelesen werden, dass der Kaiser Vladislav hinsichtlich der übertragenen Krönungsinsignie nur die Festkrönung und nichts anderes bewilligte. Diese Bedeutung der Urkunde tritt noch klarer hervor, wenn wir sie mit einer anderen Königserhebung mit Verleihung einer Krönungsinsignie oder diesbezüglichen Bestätigungen vergleichen. Im Jahr 1085/86 erhob Kaiser Heinrich IV. den böhmischen Herzog Vratislav II. zum König, übergab ihm die königlichen Insignien und genehmigte die Salbung durch den Trierer Erzbischof Egilbert.112 Als Papst Anaklet II. in seiner Urkunde vom 27. September 1130 den Herrscher von Sizilien, Roger II., zum König erhob und ihm die Zeichen seiner neuen Würde zuteilte, genehmigte er ihm nicht nur die Festkrönung an bestimmten Tagen (statutis temporibus coronemi­ ni), sondern auch die Salbung (in reges inungamini).113 Bei der letztlich nicht vollzogenen königlichen Erhebung des Herzogs von Österreich, Friedrich des Streitbaren, im Jahr 1245 begegnen wir nicht nur der Bewilligung des Kronengebrauchs, sondern auch der Genehmigung der Königssalbung.114 Der doppelte Gebrauch der Herrscherkronen (Erstkrönung mit der Salbung und Festkrönung) wurde auch klar in der Urkunde Papst Urbans II. von 1089 definiert, mit der er Erzbischof Rainold von Reims und seinen Nachfolgern allein das Recht zuer111 Ottonis et Rahewini gesta Friderici imperatoris (wie Anm. 16), III/14, S. 183. 112 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 70), II/37, S. 135: cesar […] inponens capiti eius (Wratizlai) manu sua regalem circulum iussit archiepiscopum Treverensem nomi­ ne Egilbertum, ut eum in sede sua metropoli Praga in regem ungat et diadema capiti eius inponat. 113 Regesta pontificum Romanorum. Italia pontificia 8. Regnum Normannorum, Campania, ed. Paul F. Kehr, Berlin 1935, S. 37, Nr. 137: Porro auctorizamus et concedimus, ut per manus archiepiscoporum terrae tuae, quo volueris, iuxta tuam voluntatem, assistentibus aliis episcopis, quo volueris tu et tui heredes, in reges inungamini et in statutis temporibus coronemini. 114 Monumenta Germaniae Historica, Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 2, ed. Ludwig Weiland, Hannover 1896, S. 359 f., Nr. 261: coronam aut consecrationem in predicto tuo regno de manu ciusquam accipiat, […] coronationis et consecrationis munus et decus pro tempore consequentur.

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kannte, den französischen König nicht nur zu salben, sondern ihn auch an jenen Festtagen zu krönen, an denen der Herrscher mit seiner Krone auf dem Kopf an den Prozessionen teilnahm.115 Vladislav II. wurde in der Kaiserurkunde von 1158 – im Unterschied zu den anderen genannten Bewilligungen und Bestätigungen – der Akt der Salbung vorenthalten; hier wird nur die Zustimmung zur Festkrönung aus den Händen der Prager und Olmützer Bischöfe genannt. Mit dieser Auslegung stimmt übrigens auch die erwähnte Erzählung des sogenannten Mönchs von Sazawa völlig überein, wonach der Herrscher von Böhmen vom Kaiser eine Krone erhielt, die eben nur für Festkrönungen bestimmt war (qua videlicet ipse imperator in summis festivitatibu uti ferbatur).116 Und ausschließlich solche mit dieser Krönungsinsignie verbundenen feierlichen Repräsentationsakte wurden in Barbarossas Privileg bewilligt. Unsere Interpretation der kaiserlichen Urkunde beantwortet vor allem die Frage, warum drei zeitgenössische Annalisten viele Details der Königserhebung Vladislavs erwähnen, doch über die Salbung oder die kirchliche Erstkrönung selbst schweigen. Zu der angebotenen Schlussfolgerung führt übrigens auch die schlichte Frage: Wie würde eigentlich ein dem böhmischen Herrscher erteiltes Privileg lauten müssen, das zwar an die Verdienste von Vladislav erinnert, bezüglich des Gebrauchs der verliehenen Krönungsinsignie aber explizit angegeben hätte, was der belohnte Přemyslide mit diesem Kleinod alles nicht machen durfte? Als einfachere Lösung ist dem Verfasser des Textes – anscheinend war es der kaiserliche Kanzler Rainald von Dassel selbst – offenbar der umgekehrte Ansatz erschienen: genau abzugrenzen, wozu Vladislav die verliehene Insignie gebrauchen durfte – exakt die Grenze des verliehenen Vorrechtes zu definieren, damit die Urkunde als Bestätigung einer Belohnung betrachtet werden konnte und nicht als lediglich restriktives und prohibitives Mandat. Wie wir bereits erwähnt haben, begann Vladislav II. irgendwann zwischen dem 10. März und 30. Mai 1158, den Königstitel zu gebrauchen. Falls der Beginn 115 Beati Urbani II pontificis Romani epistolae et privilegia, ed. Jean Paul Migne (Patrologia Latina 151) Paris 1853, Sp. 309, Nr. 27: Primam praeterea praecipuamque tibi tuisque successoribus potestatem contradimus Francorum reges consecrandi […] ungendi regis et ordnandi sive reginae […]. Statuimus etiam […] ut sicut primum diadematis insignie per vestrae manus impositionem Francorum reges suscipiunt, ita quoque in solemnibus proces­ sionibus, quibus eosdem reges fuerit coronari, te presente vel tuorum […] quormodolibet successorum, a nullo alio archiepiscopo vel episcopo coronetur. 116 Monachi Sazawiensis continuatio Cosmae (wie Anm 84), S. 265.

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seiner Königsherrschaft auch mit einer Salbung verbunden gewesen sein sollte, von der aber alle Quellen schweigen, dann handelte es sich entweder um eine flagrante Verletzung des Kaiserprivilegs seitens des přemyslidischen Herrschers – oder das Privileg reflektierte überhaupt nicht die Realität der Vereinbarungen und verliehenen Belohnungen, wie sie zur Zeit der Entstehung der Regensburger Urkunde im Januar 1158 war. Wenn man aber die Urkunde Barbarossas nicht als von den damaligen Ereignissen völlig abgekoppelt betrachten will, dann bleibt nur die Annahme, dass Vladislav II. ihre Bestimmungen genau beachtete. Den Akt, wodurch der Herrscher von Böhmen irgendwann zwischen dem 10. März und 30. Mai des Jahres den Königstitel zu gebrauchen begann, konnte anscheinend nur die Festkrönung an einem der durch das Privileg erlaubten Tage, d.h. am Adalbertstag (20. April) oder zu Pfingsten (23. April), darstellen, als der Prager oder Olmützer Bischof dem Přemysliden zum ersten Mal den circulus auf sein Haupt setzte, den der Kaiser selbst den Mönchen von Sazawa zufolge bereits früher an Festtagen getragen hatte. Unter den Friedrich I. untergeordneten reges stellte ein ungesalbter König sicherlich nichts Unmögliches dar. Die Aufzählung der Könige Barbarossas bietet auch eine interessante Perspektive auf das unselige Ende der Herrschaft von Vladislav II. Wie wir aufzeigten, achteten die dänischen und sardinischen Könige 1152, 1162 und 1184 darauf, ihre Nachfolger von Friedrich Barbarossa bestätigen zu lassen, sowie darauf, dass diese ihre Krone aus dessen Hand empfangen würden. Und eben dieses kaiserliche Recht versuchte Vladislav II. erfolglos, in den Jahren 1172–1173 zu umgehen. Es darf daher kaum verwundern, dass kein anderer Přemyslide nach Vladislav die Krone von Barbarossa erhalten hat, obwohl seine Urkunde von 1158 das erteilte Vorrecht, den circulus zu tragen, auch den Nachfolgern Vladislavs zuerkannte.117

117 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII (wie Anm. 54), S. 337, Nr. 201: circulum videlicet gestandum concessimus et per eum omnibus successori­ bus suis in perpetuum; vgl. Wihoda: Die sizilischen goldenen Bullen (wie Anm. 41), S. 115 f.

Zbigniew Dalewski

Polnische Herzöge und das Reich im 12. Jahrhundert

Nach dem plötzlichen Tod des Herzogs Kazimierz II. des Gerechten im Jahre 1194 beschlossen die Großen Krakaus unter Führung von Bischof Pełka, die Herzogswürde dem ältesten Sohn des Verstorbenen, Leszek dem Weißen, zu übertragen. Diese Thronfolge des noch minderjährigen Leszek sagte jedoch nicht allen Beteiligten zu. Gemäß dem sogenannten Statut von Bolesław III. Schiefmund von 1138 sollte nämlich der Krakauer Thron und die damit verbundene Oberherrschaft über ganz Polen innerhalb der Piastendynastie nach dem Grundsatz des Seniorats übertragen werden.1 Freilich war auch Kazimierz selbst 1177 unter Verletzung der von Bolesław Schiefmund aufgestellten Regeln für die Nachfolge auf den Thron gelangt: Er hatte die Macht über Krakau im Ergebnis eines Staatsstreichs zum Sturz des damaligen Seniors der Dynastie, seines älteren Bruders Mieszko III. des Alten, übernommen.2 Gleichwohl hatte Mieszko nicht die Absicht gehabt, auf die aus seinem Seniorat hervorgehenden Befugnisse zu verzichten, sondern die Ansprüche Kazimierzs auf die Macht in Zweifel gezogen und selbst Anspruch auf die Herrschaft über Krakau erhoben; einige 1

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Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum, 3.26, ed. Marian Plezia (Monumenta Poloniae Historica, Nova series 11), Kraków 1994, S. 118 f. Siehe z.B. Labuda, Gerard: Testament Bolesława Krzywoustego, in: Opuscula Casimiro Tymieniecki septuagenario dedicata, Poznań 1959, S. 171–194; Buczek, Karol: Jeszcze o testamencie Bolesława Krzywoustego, in: Przegląd Historyczny 60 (1969), S. 621–639; Grudziński, Tadeusz: O akcie sukcesyjnym z czasów Bolesława Krzywoustego, in: Czasopismo Prawno-Historyczne 24 (1972), S. 35–62; siehe auch Dalewski, Zbigniew: Was Herrscher taten, wenn sie viele Söhne hatten – z.B. im Osten Europas, in: Jussen, Bernhard (Hg.): Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, München 2005, S. 124–137. Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum (wie Anm. 1), 4.6–4.7, S. 144– 147; siehe Smolka, Stanisław: Mieszko Stary i jego wiek, Warszawa 1881, S. 305–312; Dobosz, Józef: Kazimierz II Sprawiedliwy, Poznań 2014, S. 101–113.

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Male versuchte er auch tatsächlich, die Macht zurückzuerobern.3 Die übrigen Fürsten der Piastendynastie erkannten zwar die Oberhoheit von Kazimierz mehrheitlich an, hatten aber nicht die Absicht, die Konzentration der Herrschaft über Krakau in der Hand des von ihm abstammenden Familienzweigs zu akzeptieren. Im Jahre 1210 erließ Papst Innozenz III. – höchstwahrscheinlich auf Bitten Herzog Heinrichs I. des Bärtigen von Schlesien, der die Interessen des damals ältesten Vertreters der Piastendynastie, des Herzogs Mieszko Schlenkerbein von Oppeln, unterstützte hatte – eine Bulle, in der er die Bestimmungen des Statuts von Bolesław Schiefmund bestätigte. Das belegt, dass noch Anfang des 13. Jahrhunderts die Idee des Seniorats in Polen die Vorstellungen von der Möglichkeit, die Oberhoheit auszuüben, wesentlich bestimmte.4 In dieser Situation musste Bischof Pełka erst eine Versammlung in Krakau einberufen, um die Teilnehmer zu überzeugen, die Herrschaft an den jungen Herzog Leszek den Weißen zu übertragen. Um dessen Ansprüche auf die Herzogswürde zu rechtfertigen, erinnerte der Bischof daran, dass Papst Alexander III. und Kaiser Friedrich Barbarossa Kazimierz zum Herzog berufen und seine Regierung noch zu Lebzeiten seines älteren Bruders Mieszko bestätigt hätten. Dadurch hätten sie ihr Recht ausgeübt, das Statut von Bolesław Schiefmund in einzelnen Bestimmungen zu bestätigen oder aufzuheben, so dass nichts der Übertragung der Herzogswürde von Kazimierz auf seinen Sohn entgegenstehe.5 Die Krakauer Versammlung ist in der praktisch gleichzeitig entstandenen 3

4

5

Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum (wie Anm. 1), 4.16, S. 160 ff.; siehe Smolka: Mieszko Stary (wie Anm. 2), S.345–357; siehe Dobosz: Kazimierz II Sprawiedliwy (wie Anm. 2), S. 127–145; Smoliński, Marek: Międzynarodowe aspekty buntu krakowskiego w 1191 roku, in: Ders.: Caesar et duces Poloniae. Szkice z dziejów stosunków polsko-niemieckich w drugiej połowie XII wieku (1146–1191), Gdańsk 2006, S. 169–200. Kodeks dyplomatyczny Śląska, 2, ed. Karol Maleczyński/Anna Skowrońska, Wrocław 1959, Nr. 137, S. 72; siehe Zientara, Benedykt: Henryk Brodaty i jego czasy, Warszawa 1975, S. 153 f. Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum (wie Anm. 1), 4.21, S. 177: Nec impedit auita constitutio qua cautum erat, ut penes maiorem natu semper sit principandi auctoritas, quia per papam Alexandrum et Fredericum imperatorem, qui ius habent et con­ dendi et abrogandi iura, prorsus est abrogata, quando ab utroque, superstite seniore, scilicet Mescone, in eodem est principatu Kazimirus et constitutus et confirmatus. Non est igitur quod principum consensum, quod fauorem procerum, quod uota ciuium uel populi in hac parte possit remorari.

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Chronik des Vinzenz Kadłubek beschrieben, deren Glaubwürdigkeit in dieser Hinsicht auch keine ernsthafteren Vorbehalte wecken sollte.6 Wir besitzen zwar keine päpstliche Bulle oder Urkunde Friedrich Barbarossas, die direkt deren Anerkennung für die Regierung Kazimierz’ des Gerechten in Krakau und die damit verbundene Aufhebung der Nachfolgeordnung des Statuts von Bolesław Schiefmund auf Grundlage des Seniorats zum Ausdruck brächte; eine Bulle Alexanders III. von 1181 bestätigt nur die Beschlüsse der ein Jahr zuvor abgehaltenen Versammlung in Łęczyca zur Aufhebung der finanziellen Belastungen kirchlicher Institutionen. Doch da diese Bulle vom Papst an Kazimierz, der als Herzog von Polen angesprochen wird, gerichtet ist und sie darauf verweist, dass Kazimierz auf Rat der Bischöfe und Großen beschlossen habe, die polnische Kirche von bisherigen Missbräuchen und Kränkungen zu befreien, zeigt der Kontext eindeutig, dass der Papst in Kazimierz das rechtmäßige Oberhaupt der Piastendynastie erblickte.7 Auch die bei Kadłubek erwähnte Bestätigung von Kazimierz’ Herrschaft durch Friedrich Barbarossa scheint durch bestimmte Angaben der anderweitigen Quellen beglaubigt: 1184 hatte der Kaiser auf dem Hoftag in Mainz einen Feldzug nach Polen beschlossen und dessen Leitung seinem Sohn, König Heinrich VI., übertragen. Die kaiserlichen Truppen drangen jedoch nicht in das Gebiet der Piasten ein. Vielmehr traf Heinrich auf dem Weg nach Osten in Halle eine polnische Gesandtschaft, mit der er eine Vereinbarung abschloss, und trat anschließend den Rückzug an.8 Die Quellen enthalten keine Angaben über den Inhalt des in Halle ausgehandelten Friedensvertrages. Auch die Gründe für den kaiserlichen Feldzug gegen Polen bleiben unklar. Für gewöhnlich wird jedoch die Entscheidung Barbarossas, gegen Polen vorzugehen, mit dem in den Kölner Annalen zum 6 Siehe Dygo, Marian: Czy papież Aleksander III oraz cesarz Fryderyk Barbarossa zatwierdzili pryncypat księcia Kazimierza Sprawiedliwego, in: Ecclesia, regnum, fontes. Studia z dziejów średniowiecza. Prace ofiarowane Profesor Marii Koczerskiej, Warszawa 2014, S. 169–181. 7 Gieysztor, Aleksander: Nad statutem łęczyckim 1180 r.: odnaleziony oryginał bulli Aleksandra III z 1181 r., in: Księga pamiątkowa 150-lecia Archiwum Głównego Akt ­Dawnych w Warszawie, Warszawa 1958, S. 181–207; Grodecki, Roman: Zjazd łęczycki 1180, in: Ders.: Polska Piastowska, Warszawa 1969, S. 97–115; Dobosz: Kazimierz II Sprawiedliwy (wie Anm. 2), S. 113–127. 8 Cronica S. Petri Erfordensis moderna, ed. Oswald Holder-Egger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXX.1) Hannover 1896, S. 375.

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Hoftag von 1180 erwähnten Aufenthalt eines polnischen Herzogs in Verbindung gebracht, der den Kaiser um Unterstützung gegen einen nicht namentlich genannten nepos bat und dafür 10.000 Mark anbot.9 Wer dieser um kaiserliche Unterstützung bittende Herzog war und wer sein Gegner, ist in der Forschung umstritten. Am wahrscheinlichsten erscheint die Annahme, dass es sich um Mieszko den Alten handelte, der mit kaiserlicher Hilfe die 1177 an Kazimierz den Gerechten verlorene Senioratsherrschaft zurückzuerlangen versuchte.10 Die Vermutung liegt also nahe, dass der 1184 begonnene Feldzug das Ziel hatte, Mieszko in seinem Konflikt mit seinem jüngeren Bruder zu unterstützen und ihn wieder an die Macht zu bringen. Dass Heinrich den Feldzug noch während des Aufmarsches abbrach, erlaubt die Schlussfolgerung, dass der Staufer als Ergebnis der Verhandlungen in Halle Mieszko fallen ließ und sich zur Anerkennung der Herrschaft des Kazimierz in Polen entschied.11 Kadłubek war bemüht, die von ihm unterstützten Herzöge – Kazimierz den Gerechten und Leszek den Weißen – zu legitimieren; dass er sich zu diesem Zweck nicht nur auf die Autorität des Papstes berief, sondern auch auf die des Kaisers, kann auf den ersten Blick verwundern. Schließlich wies er in seiner Chronik an vielen Stellen die kaiserlichen Ansprüche auf die Oberhoheit über Polen zurück und sprach dem Kaiser das Recht ab, etwa qua Entscheid über die Thronfolge in innere Angelegenheiten der Piastenmonarchie einzugreifen. Indem Kadłubek Mieszkos Bemühungen am Hof Friedrich Barbarossas um Unterstützung bei der Rückeroberung der ihm von Kazimierz entrissenen Herrschaft erwähnte, unterstrich der Chronist implizit, dass selbst der Kaiser das unverbrüchliche Recht der Polen, ihren Herrscher selbst zu wählen, anerkannt habe.12 Hingegen 9

Annales Colonieneses maximi, ed. Georg Heinrich Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVII) Hannover 1866, S. 790. 10 Siehe z.B. Smolka: Mieszko Stary (wie Anm. 2), S. 346; Hauziński, Jerzy, Polska a Królestwo Niemieckie w II połowie XII wieku, in: Strzelczyk, Jerzy (Hg.): Niemcy – Polska w średniowieczu. Materiały z konferencji naukowej zorganizowanej przez Instytut Historii UAM w dniach 14 – 16 XI 1983 roku, Poznań 1986, S. 137–155, hier 149; Smoliński, Marek: Dyplomacja księcia Mieszka III Starego w dobie zamachu stanu z lat 1177– 1180/1181, in: Ders.: Caesar (wie Anm. 3), S. 102–141. 11 Smolka: Mieszko Stary (wie Anm. 2), S. 350; Hauziński: Polska (wie Anm. 10), S. 151 f.; vgl. Smoliński, Marek: Czy istniał związek pomiędzy planowaną niemiecką wyprawą na Polskę w 1183 r. a wojną domową w Czechach (1182–1185), in: Ders.: Caesar (wie Anm. 3), S.168. 12 Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum (wie Anm. 1), 4.12, S. 152.

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scheint im Zuge der Beschreibung der Ereignisse rund um die Wahl Leszeks des Weißen die Entscheidung des Kaisers, Kazimierz den Gerechten anzuerkennen und die Bestimmungen des Statuts von Bolesław Schiefmund aufzuheben, für den Chronisten eines der wichtigsten Argumente für die Rechtmäßigkeit der Ansprüche des jungen Fürsten auf die Thronfolge zu sein und ihm in Kadłubeks Vorstellung geradezu den Weg zur Herrschaft eröffnet zu haben. Man kann urteilen, dass Kadłubek hier Auffassungen wiedergab, die in der nächsten Umgebung Leszeks des Weißen vorherrschten, und dass in der Begründung, die die Chronik für seine Rechte auf die Nachfolge Kazimierz’ des Gerechten anführt – nämlich den Verweis auf die einschlägigen Beschlüsse Friedrich Barbarossas –, die Konzeption von Leszeks Anhängern über die herzogliche Herrschaft widerhallt, die diese gegenüber den Ansprüchen Mieszkos des Alten auf den Krakauer Thron geltend machten. Interessant ist in diesem Zusammenhang die von Kadłubek erwähnte Berufung Bischof Pełkas auf die kaiserliche Bestätigung der Herrschaft des verstorbenen Herzogs während des Wahlverfahrens für dessen Sohn Leszek den Weißen. Aus dieser Überlieferung ergibt sich nämlich, dass die politischen Eliten des Piastenreichs Ende des 12. Jahrhunderts das Recht eines Nachfolgekandidaten auf Übernahme der Oberhoheit über Polen aus einer kaiserlichen Verleihung ableiteten. Gewiss war diese nicht die einzige Quelle der Legitimität der Herzogsherrschaft. Leszek konnte sich außerdem auch auf eine Bestätigung der Ansprüche seines Vaters durch den Papst stützen. Die Ansprache Bischof Pełkas verwies auch auf die ererbten Rechte Leszkeks des Weißen auf den Thron und vielleicht sogar vor allem auf das Recht der Untertanen zur Wahl ihres künftigen Herzogs. Letztlich aber war es die Suspendierung des Statuts von Bolesław Schiefmund und die Bestellung Kazimierz’ des Gerechten als Herzog sowie die Bestätigung von dessen Herrschaft durch Papst Alexander  III. und Kaiser Friedrich Barbarossa, die es Leszek erlaubten, als Thronanwärter aufzutreten, der teils kraft Erbrechts, teils kraft Wahl seiner künftigen Untertanen die Herzogswürde antreten konnte. Die bereits erwähnte Bulle Papst Innozenz’ III. aus dem Jahr 1210 bestätigt einerseits die Aktualität der Nachfolgeregelung Bolesławs III. Schiefmund und erinnert andererseits an deren frühere Bestätigung durch den Heiligen Stuhl. Das bedeutet, dass im Grunde Schiefmund selbst sich um eine päpstliche Bestätigung für seine Entscheidung zu Gunsten des Senioratsprinzips als

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Hauptregel für die Thronfolge bemüht hatte.13 Ob es eine ähnliche Bestätigung durch den Kaiser gab, geht aus den Quellen weniger deutlich hervor. Zwar war Bolesław Schiefmund 1135, drei Jahre vor seinem Tod, gezwungen gewesen, die Oberhoheit Kaiser Lothars III. anzuerkennen. Dazu hatte ihn die schwierige Situation der piastischen Monarchie in den 1130er Jahren gezwungen. Schiefmunds fehlgeschlagenes Eingreifen in einen dynastischen Konflikt in Ungarn, das 1132 mit einer Niederlage der polnischen Truppen geendet hatte, sein Konflikt mit dem böhmischen Herzog Sobĕslav I. und schließlich die Schwierigkeiten mit der Verstetigung der polnischen Herrschaft in Pommern hatten Bolesław veranlasst, seine bisherige Politik gegenüber dem Reich zu ändern und einen Ver­stän­ digungsversuch mit Lothar zu unternehmen. Ziel war es, mit dessen Vermittlung die Konflikte mit den Nachbarn beizulegen, die in ihrer Summe die Stabilität der polnischen Monarchie bedrohten. Lothar gelang es jedoch, die Schwäche des polnischen Herrschers auszunutzen, um nicht nur als Vermittler in dessen Konflikt mit den Herrschern Ungarns und Böhmens aufzutreten, sondern gewissermaßen bei passender Gelegenheit eigene Forderungen gegenüber Schiefmund zu erheben. Bolesław wurde nicht nur gezwungen, zwölf Jahre lang jährlich 500 Mark Tribut zu zahlen, sondern auch auf dem Hoftag in Merseburg zu erscheinen und dem Kaiser dort – wahrscheinlich für Rügen und Pommern – den Treueid zu leisten.14 Aus Lothars Sicht war das die Fortsetzung einer bereits erprobten Politik gegenüber den Nachbarherrschern. Ein Jahr vorher, 1134, hatte Magnus, der Sohn und voraussichtliche Nachfolger des Dänenkönigs Niels, sich ebenfalls um die Unterstützung Lothars bemüht und ihm zu Pfingsten in Halberstadt gehuldigt. 13 Kodeks dyplomatyczny Śląska (wie Anm. 4), 2, Nr. 137, S. 72. 14 Annales Magdeburgenses, ed. Georg Heinrich Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVI) Hannover 1859, S. 185; Chronicon Montis Serenis, ed. Ernest Ehrenfeuchter (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXIII) Hannover 1874, S. 144; Ottonis episcopi Frisingensis Chronica sive Historia de duabus civitatibus, VII/19, ed. Adolf Hofmeister (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 45) Hannover 1912, S.  336; Siehe Maleczyński, Karol: Bolesław III Krzywousty, Wrocław/Warszawa/Kraków 1975, S. 203 f.; Grudziński, Tadeusz: Pertraktacje merseburskie z 1135 roku, in: Kwartalnik Historyczny 75 (1968), S. 273– 300; Labuda, Gerard: O stosunkach prawnopublicznych między Polską a Niemcami w połowie XII wieku (Merseburg – 1135, Kaina – 1146, Krzyszkowo – 1157), in: Czasopismo Prawno-Historyczne 25 (1975), S. 25–60, hier S. 26–43; Rosik, Stanisław: Bolesław Krzywousty, Wrocław 2013, S. 232–246.

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Nach Annahme der Huldigung setzte der Kaiser Magnus die Krone auf, und während einer anschließenden feierlichen Prozession trat der dänische Herrscher als Schwertträger des Kaisers auf.15 Eine Quelle sagt weiter, Magnus habe sich ebenfalls für sich selbst und seine Nachfolger verpflichtet, die Königswürde nur mit vorheriger Zustimmung Lothars oder seiner Nachfolger anzunehmen.16 Solche ausgeprägten zeremoniellen Feierlichkeiten waren ein wichtiges Element in Lothars Bemühungen, das Reich enger mit seinen nördlichen und östlichen Nachbarn zu verbinden. Schließlich kam in ihnen sowohl die Unterordnung des Huldigenden unter die kaiserliche Oberhoheit als auch die Erhöhung des Huldigenden im Rahmen der Zeremonie zum Ausdruck. Um 1128 hatte Lothar die Huldigung des dänischen Herrschers der Abodriten, Knut Laward, entgegengenommen und ihm eine Krone aufgesetzt.17 Nicht ausgeschlossen ist, dass auch der Herzog der Stodoranen, Pribislaw-Heinrich, im Zusammenhang mit einer erklärten Unterwerfung unter Lothars Macht von diesem eine Königskrone erhalten hat.18 Im Kontext dieser Aktivitäten, die der Einbindung von an das Reich angrenzenden Staaten in das von Lothar geschaffene Herrschaftssystem dienten, ist auch der Merseburger Treueid von Bolesław Schiefmund zu sehen. Ein Unterschied besteht aber darin, dass die Huldigung des polnischen Herrschers nicht in eine Krönung durch den Kaiser mündete. Gleichwohl begab sich Bolesław, ähnlich wie zuvor Magnus, nach der Leistung des Treueids gegenüber Lothar gemeinsam mit diesem in feierlicher Prozession in die Kirche und trug ihm sein Schwert voran.19 Überdies wurde der nach Polen zurückkehrende Bolesław auf Befehl Lothars in Magdeburg mit einer Prozession und mit Glockengeläut empfangen. Die Schilderung dieser Ereignisse durch den Magdeburger Annalisten verbirgt nicht dessen Empörung darüber, dass dem polnischen 15 Annales Magdeburgenses (wie Anm. 14), S. 184; siehe Hoffmann, Erich: Königserhebung und Thronfolgeordnung in Dänemark bis zum Ausgang des Mittealters, Berlin/New York 1975, S. 79. 16 Annales Patherbrunnenses. Eine verlorene Quellenschrift des zwölften Jahrhunderts, aus Bruchstücken wiederhergestellt, ed. Paul Scheffer-Boichorst, Innsbruck 1870, S. 160. 17 Helmoldi presbyteri Bozoviensis Chronica Slavorum, I.49, ed. Bernhard Schmeidler (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 32) Hannover 1937, S. 97. 18 Kahl, Hans-Dietrich: Slaven und Deutsche in der brandenburgischen Geschichte des zwölften Jahrhunderts, Köln/Graz 1964, S. 37–76. 19 Annales Magdeburgenses (wie Anm. 14), S. 185.

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Gast eine Ehrung zuteil geworden sei, die der Kaiser bisher keinem einzigen deutschen Herzog gewährt habe. Man kann also wohl nicht daran zweifeln, dass der Einzug des polnischen Fürsten nach Magdeburg dem Zeremoniell entsprochen haben muss, dass Kaiser Lothar für Könige vorgesehen hatte.20Auf diese Weise kommt erneut der Doppelcharakter dieser Huldigungszeremonien zum Ausdruck: Zwar ordnete sich Bolesław Kaiser Lothar unter, wie es zuvor die Dänenherrscher Magnus und Knut Laward getan hatten; aber den Gesten ihrer Unterwerfung standen andere zur Seite, die ihren königlichen Rang und ihre Nähe zu Lothar als Empfänger ihrer Huldigung zum Ausdruck brachten. Die Zeremonie des Schwerttragens, die die Huldigung Bolesławs ergänzte, demonstrierte wie im Falle Magnus’ einerseits dessen Unterwerfung unter die kaiserliche Macht, andererseits aber auch das besondere Vertrauen, das ihm Lothar erwies, und damit den engen Charakter ihrer Verbindung. Man kann also wohl schlussfolgern, dass Lothar den polnischen Herzog, der ihm huldigte, durch die Würde des Schwertträgers auszuzeichnen beabsichtigte und ihm später in Magdeburg einen königlichen Empfang bereiten wollte, ähnlich wie er vorher schon die Herrscher über Dänemark und die Abodriten ausgezeichnet hatte, die seine Oberhoheit anerkannten. All dies sollte dazu dienen, die Piastenmonarchie stärker an das Reich zu binden und das Verhältnis zu ihr auf eine solidere Grundlage zu stellen, als es eine erzwungene Tributpflicht sein konnte.21 Auch das Erzwingen des Treueids von Magnus, der dem Kaiser ein Einspruchsrecht bei der dänischen Thronfolge einräumte, fügt sich in das Gesamtbild von Lothars politischem Handeln ein: Es bezweckte offenbar, dem von ihm errichteten System von Abhängigkeiten Dauerhaftigkeit zu verleihen. Die Annahme ist also wohl berechtigt, dass der Kaiser auch Bolesław gegenüber ähnliche Lösungen anstrebte.22 Im Frühjahr 1146 erschien Bolesław Schiefmunds Nachfolger, Władysław II., auf dem Hoftag in Kayna. Er hatte nach dem Tode seines Vaters 1138 die Regierung der Piastenmonarchie nach den Regeln des Seniorats übernommen. Die Quellen über den Besuch des polnischen Herzogs bringen diesen mit Władysławs

20 Ebd. 21 Dalewski, Zbigniew: Lictor imperatoris. Kaiser Lothar III., Sobĕslav I. von Böhmen und Bolesław III. von Polen auf dem Hoftag in Merseburg im Jahre 1135, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung 50 (2001), S. 317–336. 22 Vgl. Grudziński: O akcie sukcesyjnym (wie Anm. 1), S. 55.

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Bemühungen um Unterstützung für Lothars Nachfolger Konrad III. im Kampf mit seinen jüngeren Brüdern in Zusammenhang.23 Sie weisen auch darauf hin, dass für Władysławs Bitte an Konrad um Unterstützung in erster Linie familiäre Verbindungen zwischen ihm und dem König ausschlaggebend waren: Władysławs Gemahlin war die Stiefschwester des Königs.24 Mit Sicherheit spielte die Verwandtschaft Władysławs mit den deutschen Herrschern eine wesentliche Rolle bei den Aktivitäten, die sie in seinem Interesse entfalteten. Schließlich intervenierte nicht nur Konrad zu seiner Verteidigung. Vielmehr griff 1157 Konrads Nachfolger Friedrich I. Barbarossa die Angelegenheit Władysławs auf, der noch 1146, kurz nach seiner Rückkehr aus Kayna, von seinen Brüdern endgültig besiegt aus Polen hatte fliehen müssen. Die Quellen, die seinen Feldzug nach Polen im Jahre 1157 schildern, heben unter den Gründen vor allem den Wunsch des Kaisers hervor, dem mit ihm verschwägerten Władysław den Thron wieder zu verschaffen.25 Auch noch nach dem Tode Władysławs im Jahre 1159 interessierte sich Friedrich für das Schicksal seiner Söhne, die sich im Reich aufhielten. Höchstwahrscheinlich war Druck von Seiten des Kaisers dafür verantwortlich, dass der nach Władysławs Vertreibung über Polen regierende Herzog Bolesław IV. Kraushaar 1163 in die Rückkehr jener Söhne nach Polen einwilligte und ihnen die Herrschaft über Schlesien übertrug.26 1172 intervenierte Fried23 Labuda, Gerard: Zabiegi o utrzymanie jedności państwa polskiego w latach 1138–1146, in: Kwartalnik Historyczny 66 (1959), S. 1147–1167; Bieniak, Janusz: Polska elita polityczna XII wieku (Część III. B Arbitrzy książąt – trudne początki), in: Kuczyński, Stefan Krzysztof (Hg.): Społeczeństwo Polski średniowiecznej 7, Warszawa 1996, S. 11–44; Dworsatschek, Mariusz: Władysław II Wygnaniec, Kraków 2009, S. 95–159. 24 Annales Magdeburgenses (wie Anm. 14), S. 187; Vincentii canonici Pragensis Annales, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1875, S. 419. 25 Die Taten Friedrichs oder richtiger Cronica, III/2, übers. von Adolf Schmidt, ed. FranzJoseph Schmale (Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters – Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 17) Darmstadt 1965, S. 398; Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm.  24), S.  424; Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum (wie Anm. 1), 3.30, S. 124. 26 Patze, Hans: Kaiser Friedrich Barbarossa und der Osten, in: Mayer, Theodor (Hg.): Probleme des 12. Jahrhunderts (Vorträge und Forschungen 12), Konstanz/Stuttgart 1968, S. 337–408, hier S. 378; Zientara, Benedykt: Bolesław Wysoki – tułacz, repatriant, malkontent: Przyczynek do dziejów politycznych Polski XII w., in: Przegląd Historyczny 62 (1971), S. 367–396, hier 373 f.; Hauziński: Polska (wie Anm. 10), S. 146; Smoliński, Marek: Negocjacje polsko-niemieckie w latach 1160–1163. Kwestia datacji początków,

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rich ein weiteres Mal in Polen, um einem namentlich nicht genannten nepos die Herzogswürde zu verschaffen.27 Gemeint ist an dieser Stelle höchstwahrscheinlich der älteste Sohn Władysławs, Herzog Bolesław der Lange, der nach einem Konflikt mit seinen jüngeren Brüdern Schlesien hatte verlassen müssen und am Kaiserhof Schutz gesucht hatte.28 Es würde freilich zu kurz greifen, die Interventionen Konrads und Friedrich Barbarossas in Polen zur Verteidigung der Rechte von Władysław II. und seinen Söhnen einzig auf familiäre Gefühle zu reduzieren, auch wenn sie stets mit der Verwandtschaft beider Seiten begründet wurden. Der Magdeburger Annalist bemerkte im Rückblick auf das Treffen zwischen Władysław II. und Konrad III., der polnische Herzog habe sich beim König für die Enterbung seiner Brüder eingesetzt, um nach dem Erhalt des Landes dort selbst herrschen zu können.29 Die Formulierung der Annalen ist dabei nicht völlig exakt, scheint aber anzudeuten, dass Władysław beim Treffen beider Herrscher von Konrad die selbständige Regierung über Polen übertragen bekommen habe – vielleicht aber auch nur, dass seine Herrschaftsrechte unter dem Vorbehalt seiner Anerkennung der königlichen Oberhoheit bestätigt wurden. Für ein solches Verständnis der Passage aus den Magdeburger Annalen spricht, wie es scheint, auch die Überlieferung in den Pegauer Annalen, wo es direkt heißt, Konrad habe Władysław das Herzogtum übertragen.30 Es wird zwar häufig behauptet, das auf diese Weise zustande gekommene Abhängigkeitsverhältnis zwischen Konrad und Władysław sei seinem Charakter nach ein Lehnsverhältnis gewesen, doch scheint dies nicht zwingend.31 Ebenso wenig ist es zwingend, das hierdurch konstituierte Recht

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in: Ders.: Caesar (wie Anm. 3), S. 79–101; Biniaś-Szkopek, Magdalena: Bolesław IV Kędzierzawy – książę Mazowsza i princeps, Poznań 2009, S. 248–251. Annales Colonenses maximi (wie Anm. 9), S. 786. Patze: Kaiser (wie Anm. 26), S. 378; Zientara: Bolesław Wysoki (wie Anm. 26), S. 383 f.; Hauziński: Polska (wie Anm. 10), S. 146 f. Annales Magdeburgenses (wie Anm. 14), S. 187: Cuonradus rex dum Cuine curiam habe­ ret, Wlodisclazo, qui erat senior inter fratres et qui sororem regis habebat in coniugo, regem adiit, ac suscepta patria ut solus ducatum optineret fratres exheredare conatus est. Annales Pegavienses, ed. Georg Heinrich Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVI) Hannover 1859, S. 258: Cunradus rex Vlodislao ducatum dedit. Siehe z.B. Grawert-May, Gernot von: Das Staatsrechtliche Verhältnis Schlesiens zu Polen, Böhmen und dem Reich während des Mittelalters (Anfang des 10. Jahrhunderts bis 1526), Aalen 1971, S. 71; Hauziński: Polska (wie Anm. 10), S. 142 f.; Ziegler, Wolfram: König Konrad III. (1138–1152). Hof, Urkunden und Politik, Wien 2008, S. 756 f.; Dworsatschek: Władysław II (wie Anm. 23), S. 144–147.

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Konrads, polnische Herzöge einzusetzen, auf eine eventuelle Bestätigung von Bolesław Schiefmunds Nachfolgeregelung durch Lothar III. zurückzuführen.32 Konrads Handeln gegenüber Władysław ist in erster Linie in einer größeren Perspektive zu sehen: der seit Längerem im Reich gepflegten politischen Konzeption, die deutschen Herrscher enger mit ihren östlichen Nachbarn zu verbinden. Deren Sinn ergab sich aus der auf deutscher Seite herrschenden Überzeugung, dass die polnischen Herzöge deutscher Oberhoheit unterlägen, was sich praktisch in dem von ihnen zu zahlenden Tribut äußern sollte.33 Auf diese Vorstellungen hatte sich 1135 Lothar III. berufen, als er von Bolesław Schiefmund einen Tribut einforderte. Auch Lothars Vorgänger, Heinrich V., hatte schon solche Ansprüche gegenüber dem polnischen Herrscher erhoben. Im Zusammenhang mit Heinrichs Feldzug gegen Polen im Jahre 1109 widmet die wenig später entstandene polnische Chronik des Gallus Anonymus den Vorgängen eine ausführliche Darstellung. Sie bringt die Entscheidung zu diesem Feldzug in Verbindung mit der Absicht des Kaisers, dem vertriebenen älteren Bruder Bolesławs, Zbigniew, Unterstützung zu gewähren. Heinrich soll den polnischen Herzog aufgefordert haben, seinem Bruder die Herrschaft über die Hälfte Polens abzutreten; eher beiläufig taucht auch die Forderung nach einem Tribut in Höhe von 300 Mark und der Gestellung derselben Anzahl Ritter auf. Im weiteren Verlauf seines Berichts, der die Kämpfe zwischen Bolesław und Heinrich behandelt, macht Gallus jedoch unzweifelhaft deutlich, dass der Kaiser der Frage der polnischen Thronfolge im Grunde keine größere Bedeutung beigemessen habe. Die Erzählung des Gallus widmet Zbigniew nur relativ wenig Platz; sie konzentriert sich vor allem auf die vom Kaiser ein ums andere Mal erhobenen Tributforderungen und lässt keinen Zweifel daran, dass es dem Kaiser darum gegangen sei, dem polnischen Herrscher eine Tributabhängigkeit aufzuzwingen, und nicht darum, Zbigniew wieder an die Macht zu bringen.34 Ähnlich stellt auch Ekkehard von Aura den polnischen Feldzug Heinrichs in seiner Chronik dar. In dessen kurzer Notiz wird die Frage des piastischen Thronanwärters, dessen Rechte der Kaiser angeblich verteidigen wollte, nicht einmal erwähnt. Bei Ekkehard geht es ausschließlich um den Tribut, auch wenn sich seine Darstellung hier diametral 32 Grudziński: O akcie sukcesyjnym (wie Anm. 1), S. 55. 33 Vgl. Labuda: O stosunkach (wie Anm. 14), S. 44 ff. 34 Galli Anonymi Cronicae et gesta ducum sive principum Polonorum, 3.2–3.16, ed. Karol Maleczyński (Monumenta Poloniae Historica nova series 2) Kraków 1952, S. 129–143.

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von der des Gallus unterscheidet. Wo Gallus Anonymus schreibt, Heinrich habe sich ergebnislos aus Polen zurückziehen müssen und als einzigen Tribut die Leichen seiner gefallenen Ritter mitgenommen35, heißt es bei Ekkehard, dass es dem Kaiser gelungen sei, dem polnischen Herrscher einen Tribut abzunötigen.36 Die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts brachte in dieser Hinsicht keinerlei grundsätzliche Änderungen. Nichts deutet darauf hin, dass der von Lothar III. unternommene Versuch, die Piastenmonarchie enger an das Reich zu binden, darauf abgezielt hätte, den deutschen Herrschern ein Entscheidungsrecht über die polnische Thronfolge und die Bestätigung der jeweils nachfolgenden Herzöge zu verschaffen. Im weiteren Verlauf äußerten sich die Ansprüche der Kaiser auf Vorrang gegenüber Polen vor allem in der Forderung nach Tributzahlungen seiner Herrscher. In diesem Kontext ist ein Blick auf den Bericht des BarbarossaBiographen Rahewin interessant. In seiner Schilderung des kaiserlichen Feldzugs im Jahr 1157 klingen wohl die in den politischen Eliten des Kaiserreiches geläufigen Vorstellungen über Polen und das Verhältnis des Reichs zu seinen Herrschern sowie dem gewünschten Platz Polens im Herrschaftssystem des Reiches durch. Schließlich nennt Rahewin unter den Gründen, die Friedrich zu seinem Feldzug gegen Polen veranlasst hätten, nicht nur die Verschwägerung zwischen dem Kaiser und Władysław II., sondern er erinnert auch daran, dass bereits Konrad III. sich für den zu Unrecht um den Thron gebrachten Władysław eingesetzt habe. Seine zahlreichen Gesandtschaften, in denen er von den polnischen Herzögen verlangt habe, ihren ins Exil getriebenen Bruder wieder ins Land und an die ihm zustehende Macht zu lassen, seien ohne Antwort geblieben. Nachdem Friedrich nach dem Tode Konrads an die Macht gekommen sei, hätten die polnischen Herzöge geglaubt, sie könnten weiterhin so straflos wie unter dem vorherigen Herrscher die Befehle des Kaisers ignorieren. Doch hätten sie sich verrechnet, weil Friedrich im Unterschied zu seinem Vorgänger nicht die Absicht gehabt habe, ihre Rechtsbrüche auf sich beruhen zu lassen.37 Für Rahewin steht also außer Zweifel, dass die polnischen Herzöge der kaiserlichen Oberhoheit unterstehen sollten und daher verpflichtet seien, seinen Befehlen Folge zu leisten. Ihre Weigerung, dies zu tun, die im Ignorieren der kaiserlichen Anweisungen zum Ausdruck gekommen sei, 35 Ebd., 3.9, S. 137; 3.15, S. 141; 3.16, S. 146. 36 Ekkehardi Uragiensis chronicon universale, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores VI) Hannover 1843, S. 243. 37 Die Taten Friedrichs (wie Anm. 25), III/2, S. 400.

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habe gegen die angemessene Ordnung der Dinge verstoßen, und dies habe vom Kaiser eine klare Reaktion verlangt. Friedrichs Biograph stellt die Nachrangigkeit der polnischen Herzöge gegenüber der Herrschaft des Kaisers heraus; diese solle darin zum Ausdruck kommen, dass sie dem Kaiser einen Treueid leisteten und Tribut zahlten. Rahewin zählt die Untaten der polnischen Herzöge auf, die Friedrich veranlasst hätten, an der Spitze seines Heeres gegen sie ins Feld zu ziehen; dabei spielt die Verweigerung des Treueids und der Zahlung des jährlichen Tributs in Höhe von 500 Mark eine herausgehobene Rolle; damit hätten die polnischen Herzöge sich öffentlich gegen die Macht des Kaisers gestellt.38 Die Quellenüberlieferungen zum polnischen Feldzug Barbarossas scheinen im Grunde darauf hinzuweisen, dass die Wiedereinsetzung Władysławs II. nur ein Kriegsziel unter anderen war. In kaum geringerem Umfang sollte die Expedition dazu dienen, die kaiserliche Oberhoheit über die Piastenmonarchie wiederherzustellen und die ihr vorstehenden Herzöge zu zwingen, dem Kaiser den ihm nach eigener Vorstellung zustehenden Tribut zu zahlen. Diese Schlussfolgerung legen insbesondere die Bedingungen nahe, unter denen der Kriegszug durch einen im Lager des Kaisers in Krzyszkowo bei Poznań mit Bolesław Kraushaar abgeschlossenen Friedensvertrag beendet wurde. Der polnische Herzog musste schwören, dass er Władysław nicht mit dem Ziel aus Polen vertrieben habe, Schande über das römische Reich zu bringen. Für das Versäumnis, am kaiserlichen Hof zu erscheinen und dem Kaiser für sein Land den Treueid zu schwören, versprach er, Friedrich 2000 und den Fürsten 1000 Mark zu zahlen. Außerdem verpflichtete er sich, der Kaiserin 20 Mark in Gold und seinem Hof 200 Mark in Silber zu senden. Schließlich sagte er seine Beteiligung am nächsten Italienzug Friedrichs sowie sein Erscheinen beim Weihnachtshoftag in Magdeburg zu, um sich gegen die von seinem vertriebenen Bruder erhobenen Vorwürfe zu verteidigen. Weiter musste er dem Kaiser einen Treueid schwören und als Geisel für die Erfüllung seiner Verpflichtungen seinen jüngeren Bruder Kazimierz an den kaiserlichen Hof ausliefern.39 38 Ebd.: Accesit siquidem ad hec, quod vel debitum fidelitatis sacramentum offerre vel solitum singulis annis tributum quingentarum marcarum publico erario inferre iam desueverant talibusque indiciis aperte se ab imperio descivisse et non clanculam, sed evidentem rebelli­ onem moliri protestabantur. 39 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica Diplomata X/1) Hannover 1975, S. 305, Nr. 181; Die Taten Friedrichs (wie Anm. 25), III/4, S. 402 ff.

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Was der Friedensvertrag von Krzyszkowo noch nicht geregelt hatte, war die Frage der Anrechte Władysławs auf den Thron. Hierüber sollte das kaiserliche Gericht endgültig entscheiden. Jedoch zeugt die Annahme des Treueids von Seiten Bolesławs und die Tatsache seiner Erklärung zur Heerfolge nach Italien eindeutig davon, dass der Kaiser seine Herrschaft in Polen akzeptiert hatte und damit darauf verzichtete, die Ansprüche Władysławs weiter zu unterstützen. Der Friedensvertrag von Krzyszkowo trägt alle Zeichen eines Kompromisses: Den kaiserlichen Truppen war es zwar gelungen, tief nach Polen bis in die Nähe von Poznań vorzudringen, aber es war Friedrich nicht geglückt, Bolesław eine Entscheidungsschlacht aufzuzwingen und ihn klar zu besiegen. In dieser Situation musste er auf den Vorschlag des polnischen Herzogs eingehen, Friedensgespräche aufzunehmen.40 Dass der Friedensvertrag von Krzyszkowo so viel Gewicht auf die Verpflichtung der polnischen Herrscher zum Treueid und zur Zahlung von Tributen legt, gibt Anlass zu der Annahme, dass genau dieses Thema dasjenige war, auf das es Friedrich in besonderem Maße ankam; er war eben nicht bereit, von seinen Forderungen in dieser Hinsicht abzusehen, ohne seine Autorität zu beschädigen.41 Die Frage der Besetzung des polnischen Herzogsthrons war für ihn in dieser Situation offenbar zweitrangig. Die Frage der Tributpflicht der polnischen Herrscher war es auch, die in den darauffolgenden Jahren den Charakter von Friedrich Barbarossas Politik ihnen gegenüber grundsätzlich prägte. Es scheint nämlich, dass auch der schon erwähnte Feldzug von 1172 nicht nur das Ziel verfolgte, dem mit dem Kaiser verwandten Bolesław dem Langen sein Herzogtum wieder zu verschaffen, als vielmehr, Bolesław IV. Kraushaar, den Senior der Piastendynastie, zur Tributzahlung zu zwingen. Entgegen den Hoffnungen Friedrichs hatte der Vertrag von Krzyszkowo nämlich nicht zu einer dauerhaften Unterwerfung der Piastenmonarchie unter seine Oberherrschaft geführt. Bolesław Kraushaar hielt die eingegangenen Verpflichtungen nicht ein. Er erschien nicht am Kaiserhof und verweigerte ebenso die Heerfolge nach Italien. Rahewin erwähnt zwar den Bruch des Treueids

40 Siehe z.B. Labuda: O stosunkach (wie Anm. 14), S. 48–57; Hauziński: Polska (wie Anm. 10), S. 143 ff.; Biniaś-Szkopek: Bolesław IV (wie Anm. 26), S. 240–248; Görich, Knut: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 262–266. 41 Siehe auch Ottonis de Sancto Blasio Chronica 7, ed. Adolf Hofmeister (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum 47) Hannover 1912, S. 7.

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durch den polnischen Herzog, lässt aber die Frage des Tributs unerwähnt.42 Die Schilderung der Kölner Chronica regia für das Jahr 1172 scheint jedoch indirekt anzudeuten, dass irgendeine Geldleistung wohl vor Ort gezahlt wurde. Gleichzeitig weist die Chronik eindeutig darauf hin, dass dies wohl eine einmalige Zahlung war, die in den kommenden Jahren nicht wiederholt wurde, und dass es genau diese Verweigerung der Tributzahlung war, die den Kaiser zu seiner nächsten bewaffneten Intervention in Polen veranlasste. Der Chronist erwähnt, wie bereits gesagt, dass der Kaiser an der Spitze eines mächtigen Heers aus Bayern, Schwaben, Franken und Sachsen gegen Polen gezogen sei, um seinem nepos – höchstwahrscheinlich Bolesław dem Langen – wieder die Herrschaft über Schlesien zu verschaffen; doch auf das Thema der Thronfolge geht der Text weiter nicht mehr ein. Dagegen erfährt der Leser, dass die Polen, von der Größe der kaiserlichen Armee erschüttert, Friedrich die Zahlung eines Tributs von 8000 Mark und die Unterwerfung unter seine Herrschaft angeboten hätten, um seine Gnade zurückzuerlangen.43 Eine solche Schwerpunktsetzung im Bericht des Chronisten dürfte kein Zufall gewesen sein. Wenn die Frage der Rückkehr des kaiserlichen Vetters auf den Thron mit keinem Wort erwähnt wird und stattdessen die Friedrich gezahlten Geldsummen in den Vordergrund rücken, ist wohl anzunehmen, dass auch genau diese Frage den Kaiser in besonderer Weise umtrieb und der wichtigste Grund für die Aufnahme des Feldzugs war. Dessen Ziel war, durch Erzwingung einer erneuten Tributzahlung den Vorherrschaftsanspruch des Kaisers gegenüber der Piastenmonarchie wiederherzustellen und zu bekräftigen. Die Summe des Barbarossa überlassenen Geldes entsprach genau 16 Jahresraten des Tributs, der von den polnischen Herrschern gefordert war; sicherlich handelt es sich um ausstehende Zahlungen, die Bolesław Kraushaar entgegen seinem in Krzyszkowo geleisteten Eid nicht getätigt hatte.44 Auch der schon am Anfang dieses Beitrags erwähnte Feldzug Heinrichs VI. im Jahr 1184, der gewöhnlich mit der Bestätigung der Thronanrechte Kazimierz’ des Gerechten in Kadłubeks Schilderung in Verbindung gebracht wird, ist wohl entgegen dieser Vorstellung vor allem im Kontext der immer wieder unter­ nommenen Bemühungen Barbarossas zu sehen, die Tributverpflichtungen der 42 Die Taten Friedrichs (wie Anm. 25), III/5, S. 404; III/15, S. 424. 43 Annales Colonenses maximi (wie Anm. 9), S. 786. 44 Grawert-May: Das Staatsrechtliche Verhältnis (wie Anm. 31), S. 73 ff.; Labuda: O stosunkach (wie Anm. 14), S. 57.

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polnischen Herzöge durchzusetzen. In der Notiz des Annalisten über die Be­mühungen eines polnischen Herzogs – sicherlich Mieszkos des Alten – um kaiserliche Unterstützung im Kampf mit seinem nepos – höchstwahrscheinlich Kazimierz des Gerechten – sind die kaiserlichen Rechte zur Entscheidung über die Besetzung des polnischen Throns mit keinem Wort erwähnt. Der Annalist nennt allein die 10.000 Mark, die Mieszko Friedrich angeboten habe, falls dieser ihm beistehe.45 Die Überlieferung zur Einigung, die Heinrich 1184 mit der polnischen Gesandtschaft aushandelte, nennt, wie bereits gesagt, keine Einzelheiten über die Bedingungen. Wahrscheinlich ging es aber wie bei früheren kaiserlichen Interventionen darum, dass Heinrich von der Fortsetzung des Feldzugs absah, nachdem Kazimierz in die Zahlung eines Tributs eingewilligt hatte. Es hat den Anschein, dass auch schon der Feldzug Konrads III. zur Verteidigung der Thronanrechte von Władysław II. im Jahr 1146 vor allem im Kontext der ständig erneuerten Tributforderungen der deutschen Herrscher gegenüber den polnischen Herzögen zu sehen ist. Es gelang den königlichen Truppen damals nicht, die polnischen Verteidigungslinien zu durchbrechen; Konrad entschied sich auf Anraten zweier sächsischer Fürsten, Markgraf Albrechts des Bären von der Nordmark und Konrads von Meißen, die den Brüdern Władysławs eng verbunden waren, mit dem Kriegsgegner zu verhandeln. Die Gespräche führten zu einer Vereinbarung, die die Beendigung des Konfliktes erlaubte: Polnische Herzöge – im Bericht der Magdeburger Annalen zu diesem Thema werden Bolesław Kraushaar und Mieszko der Alte namentlich genannt – suchten das königliche Lager auf und vereinbarten die Zahlung einer nicht näher genannten Summe Geldes und die Stellung einer Geisel – eines jüngeren Bruders – als Sicherung für die Erfüllung künftiger Verpflichtungen; im Gegenzug erhielten sie von Konrad III. das Land, wie es der Annalist formulierte.46 Weitere Informationen über die Vereinbarung des Jahres 1146 enthält der Bericht des böhmischen Chronisten Vinzenz von Prag: Er erwähnt, dass die polnischen Herzöge Konrad nicht nur Geld zugesagt, sondern auch gelobt hätten, an seinem Hof zu erscheinen und sich seinen Befehlen zu unterwerfen.47 Die Quellenüberlieferung ist aber zu dürftig, um die Einzelheiten der Vereinbarung von 1146 in vollem Umfang zu rekonstruieren. Man gewinnt freilich den 45 Annales Colonieneses maximi (wie Anm. 9), S. 790. 46 Annales Magdeburgenses (wie Anm. 14), S. 188. 47 Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 24), S. 419.

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Eindruck, dass sie sich nicht grundsätzlich von derjenigen unterschied, die elf Jahre später in Krzyszkowo ausgehandelt wurde. In beiden Fällen verpflichtete sich Bolesław Kraushaar zur Zahlung eines Tributs –zweifelsohne hat man in dem Geld, das er Konrad versprach, eine Tributleistung zu erblicken – und übergab als Geisel seinen Bruder; außerdem gelobte er, am königlichen Hof zu erscheinen. In beiden Fällen erkannte er auch die kaiserliche Macht an. Bezüglich der Ereignisse von Krzyszkowo hat Friedrich Barbarossa in einem Brief an Wibald von Stablo nach Abschluss des polnischen Feldzugs direkt erwähnt, Bolesław habe ihm einen Treueid geleistet. Zum Feldzug Konrads III. schreibt Vinzenz von Prag, die polnischen Herzöge hätten sich der königlichen Befehlsgewalt unterworfen. Es ist dabei eine Überlegung wert, dass Bolesław Kraushaar 1146 Bedingungen eines Friedensvertrags zustimmte, den er 1157 erst zu akzeptieren bereit war, als Friedrich Barbarossas Heer bis kurz vor Poznań vorgedrungen war. Schließlich waren die Umstände, unter denen Konrad III. 1146 mit ihm verhandelte, für den König nicht übermäßig günstig und erlaubten ihm keine überhöhten Forderungen: Nachdem Konrads Truppen die polnischen Verteidigungslinien nicht hatten durchbrechen können und die Großen Sachsens dem Feldzug ohnehin ablehnend gegenüberstanden, war Konrads Verhandlungsspielraum eingeschränkt. Wenn die polnischen Herzöge seine Oberhoheit dennoch anerkannten und damit Konrad erlaubten, sich gesichtswahrend aus einem wenig erfolgreichen Feldzug zurückzuziehen, so kann man in der Vereinbarung kaum einen Akt sehen, der ihnen vom siegreichen König aufgezwungen worden wäre. Eher dürfte es so gewesen sein, dass ihre Entscheidung, sich der Herrschaft Konrads unterzuordnen, vor allem ihren eigenen Kalkulationen entsprang und zumindest auch, wahrscheinlich aber sogar in erster Linie, ihren eigenen politischen Interessen entsprach.48 An dieser Stelle lohnt ein zweiter Blick auf die Formulierung der Magdeburger Annalen, die polnischen Herzöge hätten nach dem Versprechen einer Geldzahlung an Konrad von ihm das Land erhalten.49 Dieselbe Formulierung hatte der Annalist bereits zur Beschreibung des Treffens zwischen

48 Vgl. Labuda: O stosunkach (wie Anm. 14), S. 46 ff.; Biniaś-Szkopek: Bolesław IV (wie Anm. 26), S. 229–238. 49 Annales Magdeburgenses (wie Anm. 14), S. 188: Tandem consilio Adalberti et Conradi marchionum, obsidibus datis vicissim, regem adeunt, iuniore fratre obside dato aut promis­ sa pecunia, patriam ab ipso suscipiunt; sicque rex reversus est.

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Konrad und Władysław II. verwendet. Das muss natürlich keine Ähnlichkeit der tatsächlichen Vorgänge bedeuten. Gleichwohl scheint der Kontext, in dem diese Formulierung sich findet, unzweideutig darauf hinzuweisen, dass das Versprechen der piastischen Herzöge, Konrad einen Tribut zu zahlen und sich seiner Oberhoheit zu unterwerfen, durch zeremonielle Akte ergänzt wurde, die von Seiten des Königs als formale Bestätigung ihres Herrschaftsrechts über Polen verstanden wurden. Sicherlich war die Haltung Bolesław Kraushaars während der Verhandlungen mit Konrad von den Entscheidungen beeinflusst, die einige Monate zuvor beim Treffen des Königs mit Władysław II. in Kayna getroffen worden waren. Wenn Władysław Konrads Oberhoheit anerkannte, musste Bolesław damit auch die Frage nach dem Charakter seiner eigenen Beziehungen zum Reich beantworten. Wenn der Streit beendet werden sollte, musste ein Weg gefunden werden, diese mit dem aus Sicht des Königs angemessenen Modell der Beziehungen zwischen den Piastenherzögen und den deutschen Herrschern vereinbar zu machen. Von hier ergab sich die Notwendigkeit für die polnischen Herzöge, die Oberhoheit Konrads anzuerkennen und ihm die Erfüllung tributarischer Leistungen zu versprechen, ähnlich wie es zuvor Władysław getan hatte, den sie gerade gestürzt hatten. Bolesław Kraushaar vermied es aber, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Entgegen dem Konrad geleisteten Gelübde erschien er nicht am Königshof, und aller Wahrscheinlichkeit nach bezahlte er auch den vereinbarten Tribut nicht.50 Als Ergebnis ergriff Konrad abermals Maßnahmen zur Stützung der Ansprüche Władysławs, allerdings schon nur mehr auf diplomatischem Wege.51 Wie wir uns erinnern, brach Bolesław elf Jahre später in ähnlicher Weise die Bestimmungen des Friedensvertrags von Krzyszkowo: Er erschien nicht auf dem Hoftag in Magdeburg, beteiligte sich nicht am Italienzug des Kaisers und hörte auf, den Tribut zu bezahlen. Es scheint trotzdem nicht so, als wären die Abmachungen zwischen Konrad III. und Friedrich Barbarossa auf der einen sowie Bolesław auf der anderen Seite aus Sicht des polnischen Herzogs lediglich taktischer Natur gewesen und hätten nur auf die kurzfristige Suspendierung des Konflikts abgezielt. Vielmehr waren Bolesławs Handlungsmotive komplexerer 50 Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 24), S. 419. 51 Siehe z.B. Grudziński: O akcie sukcesyjnym (wie Anm. 1), S. 56–60; Dworsatschek: Władysław II (wie Anm. 23), S. 177–182; Ziegler: König Konrad III. (wie Anm. 31), S. 763 f.

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Natur. Es unterliegt keinem Zweifel, dass er es für grundsätzlich unerlässlich ansah, das Verhältnis zum deutschen Herrscher zu entspannen, indem er dessen Oberhoheit anerkannte und seine Bereitschaft zu diesem Schritt demonstrierte. Das war nicht nur eine Folge des faktischen Kräfteverhältnisses zwischen dem Reich und Polen. In nicht geringem Maße fand diese Bereitschaft auch ihre Grundlage in dem für die politische Kultur der Piastenmonarchie kennzeichnenden Verständnis der Abhängigkeit ihrer Herrscher vom Kaiserreich. Denn es scheint, dass Mitte des 12. Jahrhunderts am Piastenhof die Auffassung, den Herrschern des Reiches stünden gegenüber Polen gewisse Superioritätsrechte zu, noch keine grundsätzlichen Gegner hatte. Einzig der Grad der Unterordnung der piastischen Herzöge gegenüber der Macht des Kaisers und die Form, in der sie zum Ausdruck kommen sollte, waren Anlass für Kontroversen. In dieser Dimension unterschied sich die Haltung von Bolesław Kraushaar angesichts des Vorgehens Konrads III. und Friedrich Barbarossas gegen ihn nicht grundsätzlich von der Politik, die sein Vorgänger Bolesław Schiefmund angesichts ähnlicher Ansprüche Heinrichs V. und Lothars III. verfolgt hatte. Einen näheren Blick auf diesen komplizierten Komplex von Vorstellungen, die am Hof der Piastenherrscher zu diesem Thema herrschten, erlaubt der bereits zitierte Bericht der Chronik des Gallus Anonymus über die Auseinandersetzungen zwischen Bolesław Schiefmund und Heinrich V. im Jahre 1109: Der Chronist vertritt die Auffassung, dass Bolesław, indem er die Forderungen Heinrichs auf Tributzahlung und Wiedereinsetzung Zbigniews auf den Thron zurückwies, einem wirklichen Herrscher Polens angemessen gehandelt habe. An mehreren Stellen seiner Erzählung kommt Gallus auf diese Frage zurück. Er betont, dem Kaiser hätten keinerlei Rechte zur Entscheidung über die polnische Thronfolge zugestanden52, und seine Forderung, Bolesław solle einen Tribut zahlen, habe die altehrwürdige Freiheit Polens mit Füßen getreten.53 Bolesławs Kampf gegen Heinrich sei deshalb ein Kampf um die Freiheit Polens gewesen, und die Erfüllung der deutschen Forderungen habe den polnischen Herzog mit Schande bedeckt.54 Man sollte dabei das von Gallus Anonymus gezeichnete Bild des Krieges zwischen Bolesław Schiefmund und Heinrich V. als Krieg zur Verteidigung der Freiheit Polens nicht durch das Prisma der modernen Begriffe eines Kampfes 52 Galli Anonymi Cronicae (wie Anm. 34) , 3.2, S. 130. 53 Ebd. 3.15, S. 141 f. 54 Ebd. 3.14, S. 141.

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um die Souveränität und Unabhängigkeit der Piastenmonarchie sehen.55 Denn die allgemeine Nachrangigkeit Polens gegenüber dem Reich und die Vorrangstellung des Kaisers gegenüber den polnischen Herrschern stellte der Chronist auch da nicht in Frage, wo er ein heldenhaftes Bild von Bolesław zeichnet und seinen wirksamen Widerstand gegen Heinrich rühmt; man kann annehmen, dass er damit Konzeptionen aufnahm, die in der nächsten Umgebung des polnischen Herzogs formuliert worden waren. Diese Überzeugung war in der Beschreibung des Treffens zwischen Otto III. und Bolesław dem Tapferen in Gniezno im Jahre 1000 dargelegt worden. Damals hatte – in der Version des Gallus – der Kaiser in Ausübung seiner Rechte als Oberherr den polnischen Herzog zur Königswürde erhoben.56 Die Krönung von Bolesław dem Tapferen habe dabei das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Polen und dem Reich nicht gebrochen. Eine solche lockere Oberherrschaft des Kaisers habe, so der Chronist, auch Bolesław Schiefmund anerkannt. Gleichzeitig mit der Zurückweisung der Tributforderungen Heinrichs V. habe er dem Kaiser nämlich zugesichert, dass – wie seine Vorfahren die früheren Kaiser mit Rat und Hilfe unterstützt hätten – so auch er zur Hilfe für den Kaiser mit Geld sowie Rittern zur Verteidigung der römischen Kirche bereit sei. Der Kaiser solle ihn darum jedoch bitten und nicht versuchen, ihm seinen Willen mit Gewalt aufzuzwingen.57 Diese letzte Bemerkung ist besonders aufschlussreich dafür, was die in der Chronik des Gallus Anonymus dargestellte und am polnischen Hof propagierte Vorstellung vom angemessenen Verhältnis zwischen Polen und dem Reich bedeutete: Man erkannte die sozusagen ideelle Vorrangstellung des Kaisers an und pflegte die Erinnerung an die vom Kaiser erhaltene Königswürde für Bolesław den Tapferen, aber die polnischen Herzöge suchten alle praktischen Verpflichtungen zu vermeiden, die sie enger und auf eine stärker formalisierte Weise mit dem Kaiserhof verbunden hätten, ja diese Abhängigkeit in ein Untertanenverhältnis verwandelt hätten. Aus diesem Grund nutzten die polnischen Herzöge jede sich bietende Gelegenheit, um die Verpflichtung zur Tributzahlung abzu55 Pleszczyński, Andrzej: Das Reich und das Verhältnis des Piastenstaates zu ihm im Urteil der Chronik des sogenannten Gallus Anonymus, in: Frühmittelalterliche Studien 43 (2009), S. 297–314. 56 Galli Anonymi Cronicae (wie Anm. 34), 1.6, S. 19–21. 57 Ebd. 3.2, S. 130: Quodsi bonitate, non ferocitate pecuniam vel milites in auxilium Romane ecclesie postulasses, non minus auxilii vel consilii forsan apud nos, quam tui antecessores apud nostros impetrares.

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schütteln. Es ging ihnen dabei nicht allein um die damit verbundenen finanziellen Belastungen. Die Piastenherzöge waren sicher in gewissem Umfang bereit, in Anerkennung des formalen Vorrangs des Kaisers Lasten zu tragen, aber sie legten Wert darauf, wie es Gallus mehrfach formulierte, dies als großzügige Schenker zu tun und nicht als dazu gezwungene Tribut­pflichtige.58 Aus diesem Grund waren sie auch stets bemüht, Besuche am Kaiserhof zu vermeiden, da solche Reisen eindeutig als Anzeichen eines Tribut­verhältnisses gewertet werden konnten. Die Anwesenheit von Bolesław Schiefmund beim Hoftag zu Merseburg 1135 war das Ergebnis mehrjähriger Aufforderungen hierzu, die frühere Kaiser an ihn gerichtet hatten59, und sie ergab sich, wie schon erwähnt, aus der damals für Bolesław ungünstigen politischen Gesamtlage. Bolesław Kraushaar stellte ebenso wenig wie sein Vater den grundsätzlichen Vorrang des Kaisers gegenüber der Piastenmonarchie in Frage. Er wies jedoch deutsche Ansprüche zurück, sich in die Besetzung des polnischen Throns einzumischen, und er fand sich nur in Folge ungünstiger Umstände zu einer Tributzahlung bereit. Insofern entsprach seine Vereinbarung mit Konrad III. von 1146 vollständig dem traditionellen Modell des Verhältnisses zum Reich, das die Piastenmonarchie verfolgte. Der polnische Herzog fand sich bereit, die von ihm im Prinzip ohnehin respektierte Oberhoheit des Kaisers ausdrücklich anzuerkennen. Was die Geldleistungen betrifft, um die es der kaiserlichen Seite ging, so sprechen die Quellen nur von Mitteln, die Bolesław Konrad versprochen oder gestiftet habe, und nicht von einem Tribut. Das erlaubt die Schlussfolgerung, dass sie genau in dem Geist, in dem Gallus Anonymus Bolesław Schiefmunds Antwort auf die Forderungen Heinrichs V. formuliert hatte, ein Geschenk Bolesław Kraushaars darstellen sollten und keine mit Gewalt erzwungene Tributleistung. Es scheint, dass ähnliche Inhalte auch mit dem Friedensvertrag von Krzyszkowo zwischen Bolesław Kraushaar und Friedrich Barbarossa von 1157 verbunden werden können. Dem Kaiser war sicherlich bewusst, dass – anders als er es selbst in seinem Brief an Abt Wibald von Stablo über den angeblich glänzenden Sieg zugesichert hatte – die Verpflichtungen, die der polnische Herzog eingegangen

58 Dalewski, Zbigniew: Pro honore, non pro principali munere, in: Brojer, Wojciech (Hg.): Lustro. Teksty o kulturze średniowiecza ofiarowane Halinie Manikowskiej, Warszawa 2013, S. 61–79. 59 Annales Erphesfurdenses, ed. Georg Heinrich Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores VI) Hannover 1844, S. 540.

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war, nicht wesentlich über diejenigen hinausgingen, die schon früher mit den piastischen Herzögen vereinbart worden waren. Vermutlich wurde auch aus diesem Grund dem Anerkennungsakt der kaiserlichen Vorherrschaft durch Bolesław ein so spektakuläres zeremonielles Gepräge verliehen. Im Brief Friedrichs und dem sich hierauf stützenden Bericht Rahewins ist lediglich davon die Rede, dass Bolesław dem Kaiser zu Füßen gefallen sei und seine Gnade erfleht habe.60 Mehr Einzelheiten zum Verlauf dieses Treffens bringt die etwas später entstandene und höchstwahrscheinlich auf Berichten von Teilnehmern beruhende Schilderung des Vinzenz von Prag. Aus ihr erfahren wir, dass der um Frieden nachsuchende Bolesław, von dem der Kaiser Genugtuung für die von ihm erwiesene Unverschämtheit verlangt habe, barfuß und mit einem hochgehaltenem bloßen Schwert vor dem inmitten seines fürstlichen Gefolges auf dem Thron sitzenden Friedrich erschienen sei und bekannt habe, gegen die Majestät des Kaisers verstoßen zu haben. Er habe dann die Gnade des Kaisers zurückerlangt, der mit ihm einen Friedenskuss gewechselt habe.61 In den Gesten und zeremoniellen Akten, wie sie Vinzenz von Prag beschrieben hat, finden wir die grundlegenden Elemente des Rituals der deditio, die im Frühund Hochmittelalter eines der wichtigsten Werkzeuge zur Beilegung politischer Konflikte war. Das Wesen dieses Rituals bestand in einer spezifischen Verflechtung von Unterwerfungs- und Versöhnungsgesten, deren Verbindung den Beteiligten die Möglichkeit gab, den bisherigen Konflikt zu Gunsten eines dauerhaften Friedens zu beenden. Auf der einen Seite kam im Akt der Unterwerfung das durch den Konflikt gestörte System hierarchischer Abhängigkeiten zum Ausdruck; auf der anderen Seite äußerte sich im anschließenden und die vorherige Unterwerfung voraussetzenden Versöhnungsritual die Bereitschaft der streitenden Parteien, ihre künftigen Beziehungen auf Konsens und Zusammenarbeit zu gründen.62 In Krzyszkowo nahm dieser Versöhnungsakt die Form des Austauschs 60 Friderici I. Diplomata (wie Anm. 39), S. 305, Nr. 181; Die Taten Friedrichs (wie Anm. 25), III/5, S. 402. 61 Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 24), S. 425. 62 Siehe z.B. Althoff, Gerd: Das Privileg der deditio. Formen gütlicher Konfliktbeendigung in der mittelalterlichen Adelsgesellschaft, in: Ders., Spielregeln der Politik. Kommunikation in Frieden und Fehde, Darmstadt 1997, S. 99–125; Ders.: Huld. Überlegungen zu einem Zentralbegriff der mittelalterlichen Herrschaftsordnung, in: ebd., S. 199–228; Schreiner, Klaus: Gerechtigkeit und Frieden haben sich geküßt (Ps. 84, 11), Friedensstiftung durch symbolischen Handeln, in: Fried, Johannes (Hg.): Träger und Instru-

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von Friedensküssen zwischen dem Kaiser und Bolesław an. Das Ritual der deditio zählte zu den wesentlichen politischen Instrumenten, derer sich die Herrschaft von Friedrich Barbarossa bediente. Er nutzte es oft, um seine Konflikte mit italienischen Städten beizulegen und generell die aus seiner Sicht angemessenen Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnisse herzustellen, die die Besiegten an die kaiserliche Macht binden sollten63. Es scheint, dass auch im Falle der Zeremonie von Krzyszkowo die deditio den Zweck verfolgte, den Platz des polnischen Herzogs in der Herrschaftshierarchie eindeutig zu definieren und ihn stärker an das Reich zu binden, damit die Beziehungen auf solidere Grundlagen gestellt würden als bisher.64 Diese Erwartung des Kaisers erfüllte sich nicht. Das im Unterwerfungsakt von Krzyszkowo zum Ausdruck gebrachte Abkommen führte ebenso wenig wie die 22 Jahre zuvor in Merseburg in anderen zeremoniellen Formen gefeierte Einigung zwischen Lothar III. und Bolesław III. Schiefmund dazu, dass sich die piastischen Herzöge der kaiserlichen Macht stärker untergeordnet und ihren Bindungen an das Reich eine dauerhaftere und stärker formalisierte Form gegeben hätten. Von den Verpflichtungen gegenüber Friedrich, die Bolesław Kraushaar eingegangen war, konnte der Kaiser einzig die Tributzahlung in Einzelfällen mentarien des Friedens im hohen und späten Mittelalter (Vorträge und Forschungen 43) Sigmaringen 1997, S. 37–86; Ders.: Nudis pedibus. Barfüßigkeit als religiöses und politisches Ritual, in: Althoff, Gerd (Hg.): Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 51), Stuttgart 2001, S. 53–124; Reuter, Timothy: Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand. Gewalt und Frieden in der Politik der Salierzeit, in: Weinfurter, Stefan (Hg.): Die Salier und das Reich, 3: Gesellschaftlicher und ideengeschichtlicher Wandel im Reich der Salier, Sigmaringen 1997, S. 297–325. 63 Görich, Knut: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001; Ders.: Ehre als Ordnungsfaktor. Anerkennung und Stabilisierung von Herrschaft unter Friedrich Barbarossa und Friedrich II., in: Schneidmüller, Bernd/Weinfurter, Stefan (Hg.): Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter (Vorträge und Forschungen 64), Ostfildern 2006, S.59–92, hier S. 70–87; Krieg, Heinz: Herrscherdarstellung in der Stauferzeit. Friedrich Barbarossa im Spiegel seiner Urkunden und der staufischen Geschichtsschreibung (Vorträge und Forschungen, Sonderband 50) Ostfildern 2003. 64 Dalewski, Zbigniew: Między Krzyszkowem a Mediolanem, in: Kościół, kultura, społeczeństwo. Sudia z dziejów średniowiecza i czasów nowożytnych, Warszawa 2000, S. 131–141; Ders.: Ritual and Politics: Writing History of Dynastic Conflict in Medieval Poland, Leiden/Boston 2008, S. 64–69.

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durchsetzen, und auch das immer nur unter Androhung von Gewalt. Für den polnischen Vertragspartner war das Abkommen von Krzyszkowo, wie es scheint, deutlich vorteilhafter. Man muss dieses nämlich, ähnlich wie frühere Verträge zwischen polnischen Herzögen und deutschen Herrschern, in einem weiteren Kontext sehen – über die immer wieder erneuten Versuche verschiedener Kaiser hinaus, die Piastenmonarchie ihrer Oberhoheit zu unterwerfen und ihr eine Tributabhängigkeit aufzuzwingen. Unter den von Bolesław IV. Kraushaar geprägten Münzen hat ein Denar einige Kontroversen verursacht. Er zeigt auf der Vorderseite den Herrscher mit Krone, Zepter und Globus und auf der Rückseite die Inschrift BOLESLAV (auf einigen Exemplaren steht auf der Rückseite ADALBERTVS). Generell sieht die Forschung in der Herrscherdarstellung auf der Vorderseite eine Nachahmung der Selbstdarstellung Barbarossas auf seinen Münzen; auch auf eine Ähnlichkeit zu den Denaren des böhmischen Königs Vladislav II. ist hingewiesen worden. Die Prägung der polnischen Münze wird oft mit den Ereignissen von Krzyszkowo in Verbindung gebracht, indem die Herrscherfigur auf der Vorderseite als Friedrich Barbarossa in voller Majestät interpretiert wird, so dass die von Bolesław geprägte Münze als Zeichen seiner Unterwerfung unter die kaiserliche Oberhoheit gedeutet wird.65 Die Ansicht, auf dem Denar sei Friedrich und nicht der Emittent der Münze, Bolesław Kraushaar, abgebildet, gründet auf der Annahme, der vom Kaiser besiegte und zur Anerkennung seiner Oberhoheit gezwungene Piastenherzog habe sich eine solche Demonstration seiner eigenen monarchischen Ansprüche nicht erlauben können. Es scheint aber, dass die gegenteilige Vermutung, die Gestalt auf dem Denar habe Bolesław dargestellt, ebenso gut oder sogar besser begründet ist, zumal der Zusammenhang der Münzprägung mit dem Abkommen von Krzyszkowo deutlich komplizierter ist.66 65 Suchodolski, Stanisław: Chronologia monet Władysława II i Bolesława Kędzierzawego, in: Wiadomości Numizmatyczne  5 (1961), S.111–123; Ders.: Czeskie wpływy na wyobrażenia polskich monet we wczesnym średniowieczu, in: Wiadomości Numizmatyczne 6 (1962), S. 199–228, hier S. 205 f. 66 Haczewska, Bogumiła: Insygnia koronacyjne na monetach polskich w okresie rozbicia dzielnicowego, in: Kuczyński, Stefan Krzysztof/Suchodolski, Stanisław (Hg.): Nummus et historia. Pieniądz Europy średniowiecznej, Warszawa 1985, S. 119–129, hier S.  122–125; vgl. Garbaczewski, Witold: Książę, król i cesarz. Denary Bolesława Kędzierzawego i Władysława II (I) Przemyślidy z wizerunkiem Fryderyka Barbarossy, in: Wiadomości Numizmatyczne 61 (2017), S. 135–151.

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Einer der früheren Denare, die Bolesław Kraushaar prägen ließ, zeigt auf der Vorderseite den Herrscher stehend mit einer Fahne und auf der Rückseite zwei an einem Tisch sitzende Figuren, die in den erhobenen Händen einen Globus tragen. Gewöhnlich werden diese Figuren als Bolesław und Mieszko der Alte identifiziert, und die Tatsache, dass beide auf der Münze porträtiert sind, wird als Anerkennung der Rechte des jüngeren Bruders auf Teilhabe an der Regierungsgewalt Bolesławs gesehen.67 Dass Mieszko in Bolesławs ersten Regierungsjahren eine wichtige Position an dessen Seite einnahm, findet auch anderweitig Bestätigung: In der schon zitierten Schilderung der Magdeburger Annalen zur Intervention Konrads III. in Polen 1146 wird betont, dass beide Brüder die Verhandlungen mit dem König führten, und nach dem Friedensschluss sollen beide Brüder vom König eine Bestätigung ihrer Rechte als Herzöge erhalten haben. Zwei Jahre später sollten Bolesław und Mieszko in Kruszwica gemeinsam ein Freundschaftsabkommen mit dem Magdeburger Erzbischof Friedrich und sächsischen Herrn abschließen.68 In dieser Situation scheint es begründet anzunehmen, die Prägung einer neuen Denar-Münze durch Bolesław, auf der Mieszko bereits nicht mehr repräsentiert war und deren Bildprogramm den Emittenten als Inhaber der vollen herzoglichen Macht zeigt, als Ausdruck von Bolesławs Bestrebungen zu sehen, sein bisheriges Verhältnis zu seinem jüngeren Bruder zu ändern und eindeutig den eigenen Anspruch auf die Oberhoheit in der Piastendynastie zu dokumentieren. Die Quellen, die über Friedrich Barbarossas Polenfeldzug 1157 berichten, nennen auf polnischer Seite ausschließlich Bolesław und erwähnen den Anteil Mieszkos an den Ereignissen mit keinem Wort. Es gibt also gute Gründe, die Ambitionen Bolesławs zur Konsolidierung seiner Herrschaft und zur Durchsetzung seiner Vorrangstellung gegenüber Mieszko, die seine kurz nach diesem Feldzug erfolgte Münzprägung visualisierte, auch mit den Bestimmungen des Vertrags von Krzyszkowo in Verbindung zu bringen. Schließlich hatte dieses Abkommen die kaiserliche Bestätigung für Bolesławs exklusive Herrscherrechte über Polen gebracht und ihm so ein Argument geliefert, seinen bisher gemeinsam mit ihm herrschenden jüngeren Bruder von den Regierungsgeschäften zu verdrängen und alle Macht in den eigenen Händen zu konzentrieren.69 67 Suchodolski: Chronologia (wie Anm. 65), S. 120 f. 68 Annales Magdeburgenses (wie Anm. 14), S. 190. 69 Biniaś-Szkopek: Bolesław IV (wie Anm. 26), S. 152–155.

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Auch einige Ereignisse rund um den nächsten Polenfeldzug Barbarossas im Jahre 1172 legen die Annahme nahe, dass die polnischen Herzöge in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Idee der kaiserlichen Oberhoheit über Polen nutzten, um ihre eigene Position innerhalb der Piastendynastie aufzuwerten. Von besonderer Bedeutung für diese These ist die Überlieferung der Chronik von Reinhardsbrunn: Hier tritt Mieszko der Alte als Herrscher Polens und Gegenspieler des Kaisers auf. Mit Mieszko verhandelt der Kaiser, schließt einen Friedensvertrag ab und erhält eine Geldsumme, die als die fällige Tributzahlung zu sehen ist.70 Der Bericht der Chronik über Friedrichs Feldzug gegen Mieszko wurde wahrscheinlich aus den in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Kloster Reinhardsbrunn entstandenen Annalen übernommen, und seine Glaubwürdigkeit sollte als zuverlässig gelten.71 Dass hier Mieszko als Gegenspieler Friedrichs auftritt und nicht der damals herrschende Bolesław Kraushaar, wird gewöhnlich mit der Krankheit erklärt, an der der wenige Monate später, im Januar 1173, verstorbene Herzog litt. Die gängige Interpretation ist, dass Bolesław aus Gesundheitsgründen die Verhandlungsführung an seinen jüngeren Bruder delegiert habe, der gemäß väterlichem Testament nach den Prinzipien des Seniorats die Herrschaft über Polen von Bolesław hätte erben sollen.72 Ganz so harmonisch waren die Beziehungen zwischen Bolesław Kraushaar und seinem jüngeren Bruder jedoch offenbar nicht. Kurz zuvor, höchstwahrscheinlich 1168, hatten einige Große versucht, Bolesław zu stürzen und die Macht an Mieszko zu übertragen. Es gelang dem regierenden Herzog zwar letztlich, sich mit den Verschwörern zu verständigen und an der Macht zu bleiben; es ist aber kaum anzunehmen, dass die Bereitschaft Mieszkos, sich den Rebellen zur

70 Cronica Reinhardsbrunnensis, ed. Oswald Holger-Egger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXX/1) Hannover 1896, S. 539: Post hoc imperator congregato exer­ citu volens intrare Poloniam super Misiconem ducem eorum; qui cum fines eorum intraret, more solito arridente sibi fortuna, predictus scilicet Misico obviam sibi veniens dextras peti­ it et accepit, multatus non parva peccunia …; siehe auch Cronica S. Petri Erfordensis moderna (wie Anm. 8), S. 371. 71 Holder-Egger, Oswald: Studien zur thüringischen Geschichtsquellen. V., in: Neues Archiv der Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde 21 (1896), S. 685–735, hier S. 709–725. 72 Zientara: Bolesław Wysoki (wie Anm. 26), S. 384; Biniaś-Szkopek: Bolesław IV (wie Anm. 26), S. 256.

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Verfügung zu stellen, die Beziehungen zu seinem Bruder nicht belastete.73 Wenn also Mieszko wenige Jahre später mit Friedrich Barbarossa verhandelte, sich der kaiserlichen Oberhoheit unterordnete und eine Tributleistung zusagte, dann kann man annehmen, dass er dies eben nicht im Namen und in Absprache mit seinem Bruder, sondern auf eigene Rechnung tat. Es wäre ihm nach dieser Hypothese darum gegangen, die kaiserliche Einwilligung zu erlangen, dass er der künftige unbestrittene Herrscher der Piastenmonarchie sein würde.74 Ebenso wie 1157 Bolesław Kraushaar die Bestimmungen des Vertrags von Krzyszkowo ausgenutzt hatte, die seine Herrschaft bestätigten, um seine Position gegenüber Mieszko dem Alten zu stärken, so hätte damit dieser 1172 den Spieß sozusagen umgedreht: Er hätte seinerseits versucht, seine Position und seine aus den Grundsätzen des Seniorats hervorgehenden Thronfolgerechte durch eine kaiserliche Verleihung aufzuwerten. In diesem Kontext ist wohl auch die bereits zu Beginn dieses Beitrags erwähnte Schilderung von Vinzenz Kadłubek über die Erhebung von Leszek dem Weißen zum Herzog 1194 zu sehen. Wenn nämlich jener Chronist Bischof Pełka erklären lässt, Friedrich Barbarossa habe die Bestimmungen des Statuts von Bolesław Schiefmund über die Nachfolge aufgehoben und der Kaiser habe Kazimierz den Gerechten zum Herzog erhoben, dann klingt das wie ein Echo der Taktik, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts verschiedene Piastenherzöge anwandten: die Berufung auf den Kaiser als zusätzliches Argument in ihren innerdynastischen Auseinandersetzungen um die Thronfolge. Dass sich die Piastenherrscher auf die kaiserliche Verleihung ihrer Herzogswürde beriefen, sollte jedoch nicht zu weitgehenden Schluss­folgerungen über die Einordnung der Piastenmonarchie in die politischen Strukturen des Reiches, den Grad ihrer Unterordnung unter die kaiserliche Oberhoheit oder gar angebliche Entscheidungsrechte des Kaisers über die polnische Thronfolge verleiten. Friedrichs häufige Interventionen in Polen lassen keinen Zweifel daran, dass die Frage der kaiserlichen Oberhoheit immer wieder neu ausgehandelt werden musste; der praktischen Seite dieser Oberhoheit, der polnischen Tributpflicht, such73 Siehe Bieniak, Janusz: Polska elita polityczna XII wieku (Część III.C Arbitrzy książąt – pełnia władzy), in: Kuczyński, Stefan Krzysztof (Hg.): Społeczeństwo Polski średniowiecznej, 8, Warszawa 1999, S. 9–66, hier S. 31–52; vgl. Biniaś-Szkopek: Bolesław IV (wie Anm. 26), S. 156–164. 74 Vgl. Rymar, Edward: Interwencja niemiecka na Śląsku w 1172 r. a walka potomstwa Władysława II Wygnańca o polski pryncypat w latach 1163–1180, in: Sobótka 49 (1994), S. 175–189.

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ten die Piastenherzöge beharrlich zu entgehen. Ihr konkretes Handeln im Rahmen dieser Interessenlage entschied sich nach den Umständen des Augenblicks und nach ihren aktuellen politischen Interessen. Die polnischen Herrscher erkannten die herausgehobene Position des Kaisers im Allgemeinen als Element der politischen Kultur ihrer Monarchie an, vermieden aber jede nähere Bestimmung dieses Verhältnisses und waren bemüht, sich nicht auf nähere und in irgendeiner Weise formalisierte Beziehungen mit dem Reich einzulassen. Die Polenpolitik Friedrich Barbarossas machte ihnen ein solches Verhalten sicherlich leicht. Für Barbarossa war die polnische Frage ein Nebenschauplatz seiner politischen Ambitionen, und das Thema beschränkte sich für ihn darauf, alle paar Jahre den Versuch zu unternehmen, Tribute aus Polen einzutreiben. Im Ergebnis hatten die immer wieder von verschiedenen Piastenherzögen ausgesprochenen Akte der Anerkennung der kaiserlichen Macht weniger Bedeutung für die Klärung ihrer Beziehungen zum Reich als vielmehr die Funktion, sich innerhalb der eigenen Dynastie als zur Durchsetzung der Oberherrschaft über Polen berechtigt zu zeigen.

Dániel Bagi

Die Arpaden und Barbarossa

Die Beziehungen zwischen dem Königreich Ungarn bzw. den dort in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts herrschenden Arpaden und Kaiser Friedrich Barbarossa gehören zu den weniger gründlich erforschten Themen der ungarischen Mittelalterforschung. Der eine Grund dafür beruht vor allem auf einem sehr einfachen und praktischen Umstand, nämlich der relativen Quellenarmut.1 Der andere ist aber schon eher mit den Traditionen der ungarischen Historiographie verbunden. Unter Beziehungen verstand und versteht sie gewissermaßen bis heute die Bindungen des arpadischen Ungarn zu den europäischen Machtgefügen, also dem Reich2, Byzanz3, Frankreich und den Normannen.4 Hierbei ist zu unterstreichen, dass die neueren Handbücher und Gesamtdarstellungen sowohl inhaltlich als auch methodologisch den alten Vorgängern folgen, d.h. die Beziehungen des Königreichs Ungarn zu den Machtzentren des 12. Jahr-

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Zur allgemeinen Quellenarmut vgl.: Veszprémy, László: Árpád-kori történeti elbeszélő forrásaink (11–13. század) nyugat-európai kapcsolatai, MTA Doktori értekezés 2007. 2 Zusammenfassend Varga, Gábor: Ungarn und das Reich vom 10. bis zum 13. Jahrhundert. Das Herrscherhaus der Árpáden zwischen Anlehnung und Emanzipation (Studia Hungarica. Schriften des Ungarischen Instituts München 49) München 2003. 3 Ferenc Makk: A turulmadártól a kettőskeresztig, Tanulmányok a magyarság régebbi történelméről. Szeged 1998. 4 Marczali, Henrik: Magyarország története az Árpádok korában (1038–1301), in: A magyar nemzet története II. Szerk, Szilágyi Sándor Budapest 1896; Pauler, Gyula: A magyar nemzet története az árpádházi királyok alatt I/II, Budapest 18992; Hóman, BálintSzekfű, Gyula: Magyar történet I. Budapest 1939; Székely, György, Bartha, Antal (Hg.) Magyarország története. Előzmények és magyar történet 1242-ig I/1–2, Budapest 1984 (Die zutreffenden Buchteile wurden von Gyula Kristó verfasst.); Makk, Ferenc: Magyar külpolitika 896–1196 (Szegedi Középkortörténeti Könyvtár 2) Szeged 1996; Kristó, Gyula – Makk, Ferenc: AzÁrpád-házi uralkodók. Budapest 1988.

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hunderts eher als eine verfassungshistorische Frage angehen.5 Die einzige Ausnahme hierbei bildet die berühmte Begegnung Kaiser Friedrich Barbarossas und König Bélas III. (1172–1196), die in vielen Quellen überliefert ist und in der Geschichtsschreibung zumindest hinsichtlich der politischen Geschichte erörtert und bewertet wurde. Mit Recht stellt sich jedoch die Frage, ob unter Beziehungen nur allgemeine dynastisch-„staatliche“ Aspekte zu verstehen sind oder eben die oben erwähnte außergewöhnliche Begegnung von Kaiser und König, die gegebenenfalls mit Hilfe der u.a. von Gerd Althoff erarbeiteten Methoden der Ritualforschung im Rahmen der öffentlichen Kommunikation beider Herrscher dargestellt werden könnte. Der vorliegende Beitrag kann selbstverständlich keine handbuchartige Studie zur Geschichte Ungarns in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts sein und will sich auch nicht nur auf die einzige persönliche Begegnung zwischen einem Arpaden und Barbarossa konzentrieren. Vielmehr sollen nach einem kleinen historiographischen Exkurs die Beziehungsebenen zwischen dem Königreich Ungarn und dem Reich strukturiert dargestellt werden, und zwar unter Vorstellung der jeweiligen Anliegen, die den Quellen zufolge für die Arpaden von Interesse waren. Es handelt sich vorwiegend um zwei Themen: die Thronstreitigkeiten der Arpaden mit ihren Folgen sowie eine neue Etappe des Investiturstreites, die die Politik der Arpaden von König Géza II. an bis zu Béla III. grundlegend beeinflusste. Darüber hinaus ist auch darauf hinzuweisen, dass sich dynastisch-politische Beziehungen zwischen Ungarn und dem Reich nicht unbedingt auf Bindungen zwischen den Arpaden und den Staufern beschränken mussten. Wegen des Strukturwandels im Reich, infolge dessen die Rolle der Peripherien zunahm, wurden für die ungarische Politik vor allem Österreich, die Steiermark und Böhmen entscheidend, was es unentbehrlich macht, die Beziehungen Ungarns zu diesen Ländern zu erläutern. Zunächst zur Historiographie. Die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde in der ungarischen Nationalhistoriographie traditionell als Zeitalter der Kämpfe um das Erringen der „nationalen Unabhängigkeit“ dargestellt.6 Hierbei ging es vor allem um die Artikulierung und Durchsetzung der Bestrebungen der 5 6

Koszta, László: Válság és megerősödés. Magyarország története 3. Budapest 2009. Vgl. dazu die klassischen Synthesen zum Thema: Pauler: Magyar nemzet (wie Anm. 4), S. 178; Marczali: Magyarország (wie Anm. 4), S. 98 f.; Hóman-Szekfű: Magyar történet (wie Anm. 4), S. 145.

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Arpaden in einem politisch-historischen Kontext, der durch den Investiturstreit, interne dynastische Konflikte und gleichzeitige Hoheitsansprüche seitens Byzanz, des Reichs und des Papsttums geprägt ist. Die Grundpfeiler der Betrachtung der epochalen Ereignisse wurden noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erarbeitet,7 danach sowohl durch die Historiographie der Zwischenkriegszeit8 als auch der Nachkriegszeit9 weiter gepflegt, und diese Sichtweise wurde auch in den neuen, bereits nach der politischen Wende verfassten Handbüchern und anderen Synthesen weiter vertreten.10 Um diese bis heute andauernde Tendenz der ungarischen Geschichtsschreibung verstehen und darstellen zu können, ist hier ein kurzer Exkurs angebracht, der einige allgemeine Tendenzen der modernen ungarischen Historiographie erörtert. Die allgemeine Geschichtsanschauung der ungarischen Historiographie ist nicht zu trennen von den auf konfessioneller Basis geführten Streitigkeiten, die im 16. Jahrhundert begannen und beinahe ohne Unterbrechung bis zum Untergang der Doppelmonarchie weitergeführt wurden. Es handelte sich um Interpretationsversuche der letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts und der Gründe für die Etablierung der osmanischen Herrschaft (1541–1687) seitens des vorwiegend römisch-katholischen Hochadels und des beinahe völlig kalvinistisch gewordenen Mittel- und Kleinadels. Kern des Streits war, dass die zwei konfessionellen Parteien einander grundsätzlich für die vergeudeten Jahre nach der Niederlage bei Mohács (1526), für die Zwei-, dann Dreiteilung des Königreichs Ungarn 1526, 1541 und 1570, als das Fürstentum Siebenbürgen errichtet wurde, sowie für die Osmanisierung der mittleren Regionen Ungarns verantwortlich machten. Diese allgemeine Einstellung der elitären Gruppen Ungarns zog automatisch nach sich, dass auch die Beziehungen zu den Habsburgern und den habsburgischen Erbländern und im Allgemeinen zu allen habsburgischen Anliegen durch diese Brille betrachtet wurden.11 Die grundlegenden Fragestellungen 7

Marczali: Magyarország (wie Anm. 4), S. 122–145; Pauler: A magyar nemzet (wie Anm. 4), S. 246–346. 8 Hóman-Szekfű: Magyar történet (wie Anm. 4), S. 156. 9 Vgl. u.a. Makk: Külpolitika (wie Anm. 4), S. 79. 10 Koszta: Válság (wie Anm. 5), S. 49. 11 Zur allgemeinen Darstellung der ungarischen Historiographie der frühen Neuzeit vgl.: Kosáry, Domokos: A történelem veszedelmei, in: Ders.: A történelem veszedelmei, Budapest 1987, S. 484–512; Romsics, Ignác: Clio bűvöletében. Magyar történetírás a 19–20.

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hierbei waren, wie die Beziehungen Ungarns an der Schwelle der Neuzeit hätten gestaltet werden müssen, um den Untergang des im Mittelalter als mitteleuropäisches Großreich wahrgenommenen Ungarn zu vermeiden. Hätte man das angebliche „Angebot“ von Sulejman I. annehmen müssen, in dem der Sultan für den freien Durchzug nach Österreich auf die Besatzung Ungarns verzichtete?12 Hätte man später die Osmanen einfach durch Ungarn marschieren lassen und in einem losen Bündnis mit ihnen dem „Untergang des Abendlandes“ aus dem „Fernsehsessel“ zuschauen sollen, wie die eine Partei vorschlug? Welches waren die Vorteile des habsburgischen Bündnisses, oder hatte dieses Bündnis überhaupt einen Grund, den Habsburgern etwas zu verdanken? Hätte Ungarn ohne die militärische Präsenz der Habsburger überhaupt weiterexistieren können?13 Diese beinahe geschichtsphilosophischen Debatten beeinflussten auch die Beurteilung des Zeitalters der Jagellonen (1490––1526), das bis in die letzten Jahre, in denen endlich ein eindeutiger Wandel in der Bewertung der letzten Epoche des ungarischen Mittelalters eingetreten ist, als „Präludium zur Fuge“, als Zeitalter des allmählichen Unterganges dargestellt wurde, in dem alle Voraussetzungen zur Niederlage bei Mohács und zum Untergang des mittelalterlichen Königreichs Ungarn gelegt wurden.14 Diese grundsätzliche Bewertung überdauerte nicht nur das Zeitalter der osmanischen Herrschaft, sondern auch das 18. Jahrhundert und gewann nach der Märzrevolution 1848, dem darauffolgenden Freiheitskampf 1848–1849 und schließlich dem sogenannten Ausgleich mit den Habsburgern 1867 neue Dimensionen. Das Ergebnis des Ausgleiches mit der Dynastie führte bekanntlich nicht nur zur Entstehung der Doppelmonarchie, sondern zur Wiederherstellung der században – nemzetközi kitekintéssel, Budapest 2011, S. 72–95. 12 Das sogenannte Sulejman’sche Angebot war eine reine Erfindung der ungarischen Historiographie. Siehe hierzu zusammenfassend: Bárány, Attila: A szulejmáni ajánlat, Máriabesenyő 2014. 13 Vgl. z.B.: Pálffy, Géza: The Kingdom of Hungary and the Habsburg Monarchy in the Sixteenth Century, New York 2009. 14 Unlängst zum Thema: Neumann, Tibor: A dobzsekirályról egy kicsit másképp. 500 éve halt meg  II. Ulászló. Újkor.hu, am 01.04.2016, http://ujkor.hu/content/a-dob zsekiralyrol-egy-kicsit-maskepp-otszaz-eve-halt-meg-ii-ulaszlo, letzter Zugriff: 22.05.2018; zum Gewicht des Königreichs Ungarn an der Schwelle der Neuzeit vgl. noch: Bárány, Attila: Magyarország nyugati külpolitikája (1458–1526). Angol-magyar kapcsolatok Mátyás és a Jagellók korában. MTA doktori értekezés, Debrecen 2014. Zugänglich unter: http://real-d.mtak.hu/744/7/dc_859_14_doktori_mu.pdf, letzter Zugriff: 22.05.2018.

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am 11. April 1848 verabschiedeten und zwischen 1849–1867 außer Kraft gesetzten modernen „Verfassung“ Ungarns, der sogenannten Aprilgesetze, in denen die interne Unabhängigkeit des Landes im Gegenzug für die Anerkennung der pragmatischen Sanktion, die die Herrschaftsrechte der Dynastie in Ungarn regelte, garantiert wurde.15 Nach 1867 entfaltete sich also die moderne, ungarischsprachige Historiographie in einem politischen Kontext, in dem sich Ungarn wieder wie vor 1526 als europäische Großmacht definieren,16 in gesamteuropäischen Anliegen aktiv auftreten und Beschlüsse treffen konnte. Eklatantes Beispiel dafür ist der Berliner Kongress von 1878, wie er auf dem berühmten Gemälde des Anton von Werner dargestellt ist: Neben Kanzler Bismarck steht der k. u. k. Außenminister Gyula von Andrássy, einer der Helden des Freiheitskampfes, der von den russischen Truppen verfolgt und von den Habsburgern in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, dann aus dem Exil zurückkehrte und eine glänzende Karriere in der neuen Monarchie durchlief.17 Trotzdem wurden die alten Debatten – diesmal ergänzt um die Frage der Annahme bzw. Ablehnung des Ausgleiches – in der Historiographie weitergeführt, diesmal aber schon ergänzt um den neuen Aspekt der allgemeinen Russophobie der Gelehrtengenerationen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und auch auf die früheren Perioden der ungarischen Geschichte rückprojiziert. Die großen Synthesen zur mittelalterlichen Geschichte Ungarns, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden, stellten die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts als Zeitalter der Kämpfe um die Unabhängigkeit Ungarns dar, als eine Qual der Wahl zwischen den großen europäischen Bündnissen bzw. den Bestrebungen der ungarischen Monarchen, unter den gegebenen Umständen eine eigene Politik zu verfolgen. Diese Dichotomie wurde zunächst durch die Folgen des Versailler Friedenswerkes aufgelöst. Der Zerfall der Doppelmonarchie, die zum Zerfall des – in der Fachsprache – ‚historisches Ungarn‘ genannten Staatsgefüges führte, hat auch die langjährigen Gelehrtenkontroversen beigelegt. Um wieder ein allgemeingültiges Beispiel zu erwähnen: Eben der Titel der von Bálint Hóman, dem berühm-

15 Katus, László: A modern Magyarország születése, Pécs 2001. 16 Allgemein Pór, Antal/Schönherr, Gyula: Az Anjou-ház és örökösei. A Magyar nemzet története III., Budapest 1895. S. 1–667. 17 https://de.wikipedia.org/wiki/Berliner_Kongress#/media/File:Berliner_kongress.jpg, letzter Zugriff: 15.11.2018.

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ten Mediävisten der Zwischenkriegszeit verfassten und vor dem Zweiten Weltkrieg sehr erfolgreichen Synthese (Magyar történet – „Ungarische Geschichte“ oder „Geschichte des Ungarntums“) weist darauf hin, dass es nicht mehr ausschließlich um das ungarische Großreich des Mittelalters, sondern vielmehr um historische Ereignisse im Kontext der Gesamtgeschichte des Ungarntums im Mittelalter ging. Es ist jedoch auch darauf zu verweisen, dass die großen Schwerpunktsetzungen zur zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nicht verändert wurden: Die dynastischen Thronkämpfe, das Verhältnis zu Byzanz und dem Abendland und die allmähliche Umgestaltung der politisch-sozialen Strukturen der Stephansmonarchie blieben nach wie vor die relevanten Fragen der Forschung. Zu einer erneuten Wende kam es jedoch nach dem Zweiten Weltkrieg, nach der kommunistischen Machtergreifung. Die Gleichschaltung der gesamten Gesellschaft betraf auch die Geschichtswissenschaft.18 Was die erinnerungspolitischen Folgen der kommunistischen Wende anging, forderte die Partei wie beinahe überall in den sowjetisch besetzten Ländern, zu den historisierenden und romantischen historischen Narrativen des 19. Jahrhunderts zurückzukehren und sie mit marxistisch-leninistischer Methodologie neu zu denken. Im Endeffekt bedeutete dies, dass die Dichotomie von Unabhängigkeit und Abhängigkeit der Arpaden im 12. Jahrhundert wiederkehrte und diesmal mit „roter Soße“ begossen, also unter Fokussierung auf die historischen Gestalten, die aus marxistischer Sicht als progressiv bezeichnet werden konnten, als zentrale Frage der Geschichte Ungarns dargestellt wurde.19 Auf den langsamen und nur schmerzhaften Untergang dieser Weltanschauung weist der Umstand hin, dass – mit wenigen Ausnahmen20 – nicht einmal die 1989–1990 und danach entstandenen neuen Handbücher und Synthesen auf diese Fragestellung verzichteten,21 wobei selbst18 Romsics: Clio (wie Anm. 11), S. 355–365. 19 Vgl. als Musterbeispiel Elekes, Lajos: A középkori magyar állam megalapításától mohácsi bukásáig, Budapest 1964; Székely, György: Magyarország története a honfoglaástól Mohácsig, in: Molnár, Erik (Hg.): Magyarország története I., Budapest 1971, S. 39–158. 20 Szovák, Kornél: Pápai-magyar kapcsolatok a 12. században, in: Zombori, István (Hg.): Magyarország és a Szentszék kapcsolatának 1000 éve, Budapest 1996, S. 21–46. 21 Kristó, Gyula/Makk, Ferenc: Az Árpád-házi uralkodók, Budapest 1988; Makk: Külpolitika (wie Anm. 4). Vgl. noch dasselbe in deutscher Sprache: Ungarische Außenpolitik, Herne 1999, S. 54–98; Font, Márta: A középkori Magyar Királyság. Az Árpád-házi királyok kora 970–1301, in: Romsics, Ignác (Hg.): Magyarország története, Budapest 2007, S. 40–169; Koszta: Válság (wie Anm. 5).

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verständlich die marxistisch-leninistische Terminologie aus den Texten verschwunden ist. Bis heute fehlen aber moderne Arbeiten zur Rekonstruktion der Ereignisse der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Neues zu diesem Thema zu sagen, ist aber nicht nur wegen der etwas eintönigen Einstellung der Nationalhistoriographie schwer. Die historische Rekonstruktion ist auch dadurch kompliziert, dass die Quellenlage nicht besonders günstig ist. Als Hauptquelle für die gesamte Epoche steht uns die sogenannte Compositio chronici Hungarici des 14. Jahrhunderts zur Verfügung.22 Obwohl dieser in der Wissenschaft verbreitete Titel des Textes, der übrigens in der bis heute aktuellen kritischen Edition von 1938 zu benutzen ist, das 14. Jahrhundert als Entstehungsdatum suggeriert, ist dieses Werk ein im 14. Jahrhundert zweimal kompiliertes Textgefüge, das mehrere Chronikredaktionen vom Ende des 11. Jahrhunderts enthält. Der in zwei Strängen (Ofner Chronik, Wiener Bilderchronik) überlieferte, aber eine gemeinsame Texttradition bewahrende Text stellte die Forscher vor allem vor philologische Herausforderungen.23 Am Hof der Arpaden brachten nämlich die Herrscherwechsel nicht automatisch mit sich, dass eine neue historiographische Synthese verfasst wurde, wie das u.a. der Fall von Wincenty Kadłubek24 in Polen oder eben die verschiedenen Cosmas-Fortsetzungen25 in Böhmen belegen. Vielmehr wurde die alte Chronik modifiziert, interpoliert und teils neu geschrieben. Das heißt, die heute bekannte Ungarische Chronik unterlag sowohl stilistisch als auch inhaltlich mehrmals kleineren und größeren Modifizierungen, was es an sich problematisch macht, die einzelnen Textschichten voneinander zu trennen. Daraus folgt, dass eben die Narrative für 22 Chronici Hungarici compositio saeculi XIV., ed. Alexander Domanovszky (Scriptores Rerum Hungaricarum I.) Budapest 19992, S. 219–505. 23 Zur Entstehungsgeschichte des Textes siehe Kristó, Gyula: A történeti irodalom Magyarországon a kezdetektől 1241-ig (Irodalomtörténeti füzetek 135) Budapest 1994, S. 14–18; Képes Krónika. Übersetzt von Bollók, János. Hg. und kommentiert von Szovák, Kornél/Veszprémy, László, Budapest 2004, S. 239–254; Thoroczkay, Gábor: A magyar krónikairodalom kezdetei, in: Font, Márta/Fedeles, Tamás/Kiss, Gergely (Hg): Aktualitások a magyar középkorkutatásban, Pécs 2010. S. 23–34. 24 Mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem Kronika polska/Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum, ed. Marian Plezia (Monumenta Poloniae Historica, Nova series 11) Kraków 1994. 25 Zum Beispiel Canonici Wissegradensis continuatio Cosmae, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 201–237.

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das 12. Jahrhundert mehrmals modifiziert worden sein müssen. Einen bedeutenden Wandel brachten die nach 1131 an die Macht gekommenen Herrscher aus der Linie von Álmos, dem Bruder von Koloman dem Buchkundigen (1095– 1116). Die vielleicht unter Géza II. (1141–1162) oder Stefan III. (1162–1172) entstandenen neuen Chroniken veränderten die alten, noch zur Zeit von Koloman entstandenen Textteile. Der Grund dafür war ziemlich einfach: Jene Generation der Arpaden stammte von Béla II. dem Blinden ab, der zusammen mit seinem Vater, Álmos von Koloman dem Buchkundigen, geblendet wurde. Am Ende der hier besprochenen Epoche, spätestens aber in den ersten Herrschaftsjahren von Andreas II. muss eine grundlegend neue Chronik verfasst worden sein, die alle früheren Textschichten teils stilistisch, teils aber auch inhaltlich veränderte.26 Ein anderes Problem ist, dass die Chronik eben für die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts viel knappere Nachrichten überliefert als vorher oder nachher. Ob es sich um bloßes Schweigen der Chronisten handelt oder etwas anderes, ist heute schwer zu entscheiden. Jedenfalls ist mit gutem Grund anzunehmen, dass noch in den 40er Jahren des 14. Jahrhunderts eine heute verlorene Chronik oder zumindest eine Handschrift, die mehr Informationen lieferte, vorhanden gewesen sein muss, da der im 14. Jahrhundert berühmt gewordene Meistersänger und Dichter Heinrich von Mügeln in seiner berühmten deutschsprachigen Übersetzung der Ungarischen Chronik27 eben für die Herrschaftszeit von Stefan III. Nachrichten überliefert, die sich im Textkorpus der Compositio chronici Hungarici nicht finden.28 Während dieser Text eine zwar unentbehrliche, aber wegen ihres Textbestandes problematische Quelle darstellt, sind die um 1210 verfassten Gesta Hungarorum des ‚Magister P.‘ genannten anonymen Notars König Bélas III. ein von 26 Vgl. Kristó: Történeti irodalom (wie Anm. 23), S. 100–123. 27 Chronicon Henrici de Mügeln Germanice Conscriptum, ed. Eugenius Travnik (Scriptores Rerum Hungaricarum II.) Budapest 19992 S. 87–223. 28 Zur Frage dieser Textpassagen siehe: Domanovszky, Sándor: Mügeln Henrik német nyelvű krónikája és a rímes krónika, in: Századok 41 (1907), S. 20–35, 119–142; Gerics, József: Legkorábbi gesta-szerkesztéseink keletkezésrendjének problémái, Budapest 1961, S. 111 f.; Szovák, Kornél/Veszprémy, László: Krónikák, legendák, intelmek. Utószó (Scriptores Rerum Hungaricarum II.) Budapest 19992, S. 763; Kristó, Gyula: Magyar historiográfia I. Történetírás a középkori Magyarországon, Budapest. 2002. S. 88; Bagi, Dániel: Az oroszlán, a sas, a szamár és az Igaz Mester. Mügelni Henrik két magyar krónikájának keletkezési körülményei, in: Századok 152. 2018. 3. S. 591–622.

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einer Hand geschriebener, in einer einzigen Handschrift aus dem 13. Jahrhundert überlieferter Text,29 der wegen der dort überlieferten fabulösen Erzählungen von großer Bedeutung ist. Es handelt sich hierbei um den am intensivsten erforschten mittelalterlichen Text zur Geschichte Ungarns, der jede Gelehrtengeneration aufs Neue intensiv beschäftigte. An dieser Stelle können nicht alle Einzelheiten der Gesta Hungarorum besprochen werden. Von Bedeutung ist der Text nicht wegen des roten Fadens der Erzählung, der Landnahme des ungarischen Stammesverbandes im Karpatenbecken, sondern wegen der historischen Visionen des Verfassers, der sich viel mehr mit den neuen politisch-gesellschaftlichen Maßnahmen auseinandersetzt, die Andreas II. um 1210 zu ergreifen versuchte, und dadurch im Nachhinein Informationen zum Untergang des Herrschaftssystems der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts liefert. Darüber hinaus bleiben uns zur historischen Rekonstruktion in- und ausländische Urkunden und Briefe, vor allem Stücke aus der Admonter Briefsammlung,30 oder narrative Texte wie die Gesta Friderici von Otto bzw. Rahewin von Freising31 oder die Cosmas-Fortsetzungen.32 Die meisten von ihnen – dies sei gleich hinzugefügt – konzentrieren sich auf die oben bereits erwähnte Reise des Kaisers durch Ungarn, als er den dritten Kreuzzug antrat. Von besonderer Bedeutung sind die byzantinischen Quellen, vor allem die Epitomé des Joannés Kinnamos,33 eines der wichtigsten Zeitzeugen der ungarisch-byzantinischen Beziehungen der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. 29 P. Magistri. qui Anonymus dicitur Gesta Hungarorum, ed. Aemilius Jakubovich (Scriptores Rerum Hungaricarum I.) Budapest 19992, S. 33–117. Zur neuesten Textedition siehe: Anonymi Bele regis notarii Gesta Hungarorum. Magistri Rogerii Epistola in miserabile carmen super destructione Regni Hungarie per Tartaros facta, ed. Martin Rady/ János M. Bak (Central European Medieval Texts 5) Budapest/New York 2010. 30 Die Admonter Briefsammlung 1158–1162, ed. Georg Hödl/Peter Classen (Monumenta Germaniae Historica, Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 6) München 1983. 31 Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. Imperatoris, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi 46) Hannover/Leipzig 1912. 32 Außer dem Vysehrader Kanoniker handelt es sich hierbei vor allem um die Annalen des Vinzenz von Prag: Vincentii canonici Pragensis Annales, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1875, S. 401–460. 33 Zu relevanten Teilen des Werkes siehe: Moravcsik, Gyula (Hg.): Az Árpád-kori történet bizánci forrásai, Budapest 1988, S. 195; zum Werk und seinem Autor vgl. Kristó, Gyula (Hg.): Korai Magyar Történeti Lexikon, Budapest 1995, S. 284 f. (Makk, Ferenc).

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Kehren wir an diesem Punkt zur Hauptfrage der vorliegenden Arbeit zurück, und nehmen wir die Beziehungsebenen unter die Lupe, die die Arpaden und Kaiser Friedrich Barbarossa verbanden. Dabei lohnt es, anstatt der allgemeinen Fragestellungen der ungarischen Historiographie die Problematik mit dem Fokus darauf zu betrachten, woran eigentlich die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts herrschenden Arpaden im Hinblick auf die dynastische Politik interessiert waren und wie sich diese Interessen mit jenen Barbarossas überschnitten. Hierbei sind, wie einleitend bereits angedeutet wurde, zwei Hauptthemen zu untersuchen: einmal die Thronkonflikte der Arpaden, in die auch Barbarossa nicht selten – als Asylvermittler – verwickelt war. Ein anderes, für den ungarischen Herrscherhof die ganze Epoche hindurch zentrales Thema war der Investiturstreit, dessen Verlauf die Politik der Arpaden beeinflusste, wie gleich zu erörtern sein wird. Betrachten wir also erstens die Thronkonflikte. In der Epitomé von Ioannés Kinnamos ist eine Textpassage überliefert, die seit Langem unter den Gelehrten diskutiert wird. Kinnamos behauptet an dieser Stelle, die Türken, also die Ungarn, hätten ein altes Vermächtnis, demzufolge im Fall des Todes eines Herrscher ohne männliche Nachkommen seine Brüder den Thron erbten, bis dem neuen Herrscher ein Sohn geboren werde. Geschehe das – so Kinnamos –, müsse aber der andere Bruder ins Exil gehen, weil er ansonsten nur geblendet im Land weiterleben könne.34 Obwohl die Hauptströmung der ungarischen Historiographie in der Erzählung des byzantinischen Geschichtsschreibers immer ein Indiz für das Vorhandensein des Senioratswesens, der alten, autochtonen Thronfolgeordnung sah,35 muss Kinnamos’ Bericht selbstverständlich sehr kritisch betrachtet wer-

34 Az Árpád-kori történet (wie Anm. 33), S. 195.: Εθος γαρ Ουννοις εστι, του σφισιη αρχοντος επι παισι τετελευτηυοκος εως μεμ ο την ηγεμονιαν εκ τουτων παραλαβων αρρενος ουκ ειη πατηρ παιδος, ζυνειναι τε αλληλοις τους αδελφους και της παρ’ αλληλων τυγχανειν ευνοιας επειδαν δε ηδη παις αυτω γενηται ουκετι αλλος την επι της χωρας ζυγχορειν αυτοις διατριβην αλλ’ η τας οψεις εκκεντηθεισιν. 35 Pauler: Magyar nemzet (wie Anm. 4), S. 21 bzw. S. 75–78. und 104; Bartoniek, Emma: A magyar királyválasztási jog a középkorban, in: Századok 70 (1936), S. 9 f., 359–406; Dies.: A Magyar királykoronázások története, Budapest 19872; Eckhart, Ferenc: Magyar alkotmány- és jogtörténet, Budapest 1946, S. 81 f.; Györffy, György: István király és műve, Budapest 1977, S. 376. Zur Kritik der älteren Literatur siehe: Bagi, Dániel: Divisio regni. Országmegosztás, trónviszály és dinasztikus történetírás az Árpádok, Piastok és Přemyslidák birodalmában a 11. és korai 12. században, Budapest 2017, S. 259–268.

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den. Er leitete ja höchstwahrscheinlich seine Thronfolgetheorie auf Grund der Nachrichten der in Byzanz weilenden, künftigen Gegenkönige Ladislaus II. und Stefan IV. ab, die beanstandeten, dass König Géza II. anstatt ihrer seinen Sohn Stefan III. bei der Thronfolge berücksichtigte. Unabhängig also davon, dass dieses Zitat von Kinnamos in der ungarischen Historiographie mehrmals erörtert und diskutiert wurde, ist es ein Indiz dafür, dass die Frage der Thronkonflikte eines der wichtigsten historischen Probleme der Arpaden im 12. Jahrhundert war. Die Thronkämpfe selbst begannen noch in der Mitte des 11. Jahrhunderts, zunächst zwischen Andreas I. und seinem Bruder, Béla I., dann wurden sie zwischen den Kindern von Béla, Géza I. und Ladislaus I. bzw. Salomon, dem Sohn von Andreas I., fortgesetzt.36 Auch Koloman der Buchkundige und sein Bruder, der später geblendete und ins Exil getriebene Álmos, führten langjährige Thronkämpfe.37 Die Thronkonflikte endeten vorläufig um 1116, nachdem Koloman der Buchkundige – sehr ungewöhnlich für die Konfliktbewältigungstradition der Arpaden – seinen Bruder und Neffen blenden ließ und sie dadurch herrschaftsunfähig gemacht und den Thron für seinen Sohn Stefan II. gesichert hatte. Mit diesem starb aber 1131 die Linie Kolomans aus, und – was übrigens auch für die vorliegende Arbeit von Bedeutung ist – Béla II., der geblendete Sohn von Álmos, wurde zum König erhoben, was zur Folge hatte, dass die Könige bis zum Aussterben der männlichen Linie der Arpaden (1301) aus dieser Linie stammten. Während Bélas Herrschaft wurden aber auch die Thronkämpfe fortgesetzt und zu einem Anliegen der Dynastie, das auch die Beziehungen zum römischdeutschen Reich und Byzanz beeinflusste. Schon vor Barbarossas Zeiten zeigte sich dieses Problem, als Boris, der angebliche Sohn von König Koloman dem Buchkundigen, als Thronprätendent auftrat.38 Der vermeintliche Königssohn, dessen Legitimität die Ungarische Chronik negierte,39 suchte bei mehreren Nachbarn der Arpaden Asyl, und schließlich, um das Jahr 1146, wurde er von Heinrich II. von Österreich sowie über Vladislav II. von Böhmen auch von Kon36 Allgemein, mit Zusammenfassung der älteren Literatur: Bagi: Divisio regni (wie Anm. 35), S. 43–95. 37 Font, Márta: Koloman the Learned, King of Hungary, Szeged 2001, S. 45–54. 38 Zu Boris siehe: Chronici Hungarici (wie Anm. 22), S. 449–459; Ottonis et Rahewini Gesta Friderici (wie Anm. 31), S. 48. 39 Chronici Hungarici (wie Anm. 22), S. 448: Quia vero Hungari semper fluctuant iniuria, sicut mare salsum, filii namque Leviatan per nuncios invitabant Borith adulterum, ut veni­ ret et eorum adiutorio regnum sibi vendicaret, credentes ipsum esse filium regis Colomani.

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rad III. unterstützt, als er gegen König Géza II. ein Heer sammeln wollte. Boris’ Angriff bei Pressburg konnte zwar vom ungarischen König abgewehrt werden, aber es stellte sich heraus, dass das Reich durch Österreich und Böhmen in die Thronkämpfen involviert wurde und gerne Asyl und Hilfe für Thronprätendenten anbot. Obwohl Boris, der in der Gefolgschaft König Ludwigs VII. von Frankreich noch einmal auftrat, als dieser Ungarn auf dem Kreuzzug durchquerte,40 aber vom französischen Herrscher mit nach Byzanz genommen wurde, wo er auch bald verstarb, endeten die Thronstreitigkeiten nicht. 1156 revoltierten die Brüder Gézas II., Ladislaus und Stephan, gegen den König.41 Stephan verließ bald das Land und suchte unmittelbar bei Friedrich Barbarossa Hilfe. Der Kaiser hörte in Regensburg sowohl seine Partei als auch die von Géza II. an, wollte sich aber nicht zu Gunsten von Stephan entscheiden. Das einzige Ergebnis für den Thronprätendenten war, dass der Kaiser ihm erlaubte, nach Byzanz zu gehen. Barbarossas Beschluss mag sowohl damit in Zusammenhang stehen, dass er wegen seiner Italienpolitik Streit am Grenzgebiet des Reiches vermeiden wollte, als auch mit der Veränderung der dynastischen Politik Gézas II., der nach den Ereignissen zwischen Boris und den Přemysliden bzw. Österreich seine Einstellung zum Reich veränderte. Diese veränderte Politik kann auch damit belegt werden, dass Gézas anderer rebellischer Bruder, Ladislaus, nicht einmal versuchte, Hilfe beim Kaiser zu erbitten, sondern sofort nach Byzanz floh. Das intensive Interesse der Arpaden an den Thronkonflikten war aber nicht nur genealogischer oder dynastisch-politischer Natur. Schon zur Mitte des 11. Jahrhunderts stellte es nämlich ein grundlegendes Problem dar, dass das Land unter den männlichen Familienmitgliedern aufgeteilt werden musste. Die ältere ungarische Historiographie behandelte dieses Phänomen als Teil der mittelalterlichen Staatsbildung42 oder aber als rein rechtliches Problem der Thronfolge.43 An anderer Stelle habe ich versucht, die gesamte Problematik in einer ver-

40 Chronici Hungarici (wie Anm. 22), S. 459. 41 Chronici Hungarici (wie Anm. 22), S. 460 f. 42 Vgl. dazu die zwei klassischen, gegeneinander polemisierenden Studien der ungarischen Historiographie: Györffy György: Tanulmányok a magyar állam eredetéről. A nemzetségtől a vármegyéig, a törzstől az országig. Kurszán és Kurszán vára, Budapest 1959; Kristó, Gyula: A XI. századi hercegség története Magyarországon, Budapest 1974.; Die Problematik zusammenfassend siehe noch: Bagi: Divisio regni (wie Anm. 35), S. 24–45. 43 Deér, József: Pogány magyarság, keresztény magyarság, Budapest 19932, S. 131.

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gleichenden Studie im ostmitteleuropäischen Kontext zu erörtern.44 Unabhängig von den einzelnen Fragen der mit den Thronkonflikten verbundenen Reichsteilungen aber ist zu unterstreichen, dass die Herrscherdynastie wegen der Aufnahme der potentiellen Thronkandidaten im Reich auch in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts besorgt gewesen sein kann, weil die Thronprätendenten selbst die potentielle Gefahr einer jeweils neuen Reichsteilung bedeuteten. Trotzdem ist festzustellen, dass zwischen den Fällen des 11. Jahrhunderts und denen in der zweiten Hälfe des 12. Jahrhunderts grundlegende Unterschiede bestanden. Die Salier unterstützten nämlich nicht nur einzelne Thronprätendenten in Ungarn (und man füge gleich hinzu: auch in Polen oder eben Böhmen), sondern mischten sich nicht selten selbst in die dynastischen Konflikte ein. Álmos z.B. erschien persönlich vor Heinrich V. in Passau und trug seine Beschwerden gegen seinen Bruder vor.45 Aus einer Passage der Ungarischen Chronik ist ferner bekannt, wie Heinrich V. Koloman und Álmos zur Versöhnung bringen wollte.46 In späteren Zeiten kam es nicht mehr zu solchen unmittelbaren Interventionen. Wenden wir uns nun zweitens der Investiturfrage zu. Während die Thronkonflikte die Dynastie selbst betrafen, ging die Bedeutung der anderen hier zu behandelnden Frage, die der Auswirkungen des Investiturstreites auf das Königreich Ungarn, über die Grenzen des Landes hinaus. Wie das gesamte abendländische Europa geriet auch das Königreich Ungarn noch zur Zeit des Pontifikats Papst Gregors VII. in den Investiturstreit. Außer der Stellungnahme des Papstes in den dynastischen Thronkämpfen zwischen

44 Bagi: Divisio regni (wie in Anm. 35.), S. 15–45. 45 Frutolfs und Ekkehards Chroniken und die Anonyme Kaiserchronik, ed. Franz-Josef Schmale u. Irene-Ott Schmale (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 15) Darmstadt 1972, S. 250. Vgl noch: Ekkehardi Chornicon universale, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores VI) Hannover 1844, S. 33–248, hier S. 242.: Eo tempore orta simultate inter Colomannum regem Pannoniae germanumque eius vocabulo Almum, eo quod uterque sibi potius regiam competere dignitatem iure gentis illius contenderet, spoliatus tam rebus quam ducatu, quo inter Ungros clarus et ut decuit fratrem regis a rege secundus claruit, Almus regem Heinricum adiit, et in auribus totius senatus haut secus quam ille quondam (Hiemsalis germanus) Atherbal miserias suas deplo­ rans, Romani imperii magnilicentiam in compassionem et defensionem sui flectere curavit. 46 Chronici Hungarici (wie Anm. 22), S. 429 f.: Imperator propter ducem Almum movit exer­ citum et venit in confinium Hungarie, ut colloquium cum rege haberet et inter eos pacem firmaret.

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König Salomon, dem Schwager von Heinrich IV., und Géza I.47, zeigt sich das eindeutig in einem Schreiben von Papst Urban II. an Koloman den Buchkundigen, das kurz nach dessen Regierungsantritt an den ungarischen König erging. In diesem Brief begrüßte der Papst den Herrschaftsantritt Kolomans, von dem er sich nach den Zeiten Ladislaus’ I. die Rückkehr zu einer ihm günstigen Politik erwartete, und ermahnte den Adressaten zumal, alle Würden und Ämter (quicquid honoris, quicquid dignitatis), die Ungarn einst vom Heiligen Stuhl erhalten habe, nun an ihn abzutreten.48 Die Formulierung in Papst Urbans II. Brief verweist eindeutig auf die neuen Ansprüche des gregorianischen Papsttums. Die Antwort des gelehrten, ursprünglich zum Bischof geweihten Königs ließ nicht lange auf sich warten. Koloman befahl einem seiner Prälaten, Bischof Hartvik, eine neue Stephanslegende zu verfassen, die teils der ersten, teils aber der zweiten Stephansvita folgte und darüber hinaus auch selbständige, von beiden Legenden unabhängige Inhalte enthielt.49 Die sogenannte Legenda Hartviciana ist die wichtigste Stephansvita, weil sie u.a. auch Kolomans politisches Programm widerspiegelt. Darüber hinaus ist die Legende eine sehr raffiniert verfasste Fiktion, in der die Sendung der Krone für den Heiligen Stephan und allgemein seine Legitimität auf Papst Silvester II. zurückgeführt wird. Hiernach soll der Papst eine Krone zunächst an Polen (falsch Mieszko I.) zu vergeben beabsichtigt, aber sich nach einer Vision zu Gunsten der Ungarn entschieden haben.50 Es handelt sich selbstverständlich um eine Fälschung, die klar und deutlich nur einem Ziel diente: Koloman wollte die päpstlichen Ansprüche mit einem Argument abwehren, das es grundsätzlich unmöglich machte, dem Papst47 Vgl. hierzu mit ausführlichen Quellenanalysen: Gerics, József: Politikai és jogi gondolkodás Magyarországon VII. Gergely korában, in: Ders: Egyház, állam és gondolkodás Magyarországon a középkorban (METEM Könyvek 9) Budapest 1995, S. 144–164. 48 Diplomata Hungariae Antiquissima accedunt epistolae et acta ad historiam Hungariae pertinentia I. Ab anno 1000 usque ad annum 1131, ed. Georgius Györffy, Budapest 1992, S. 318, Nr. 109. 49 Legenda Sancti Stephani regis maior et minor. atque legenda ab Hartvico episcopo Conscripta ed. Emma Bartoniek (Scriptores Rerum Hungaricarum II.) Budapest 19992, S. 377–440. Zur Problematik der Entstehungszeit und -umstände der Hartvik-Legende vgl. Thoroczkay, Gábor: A Hartvik-legenda a XIX–XX. századi történetírásban, in: Ders.: Írások az Árpád-korról. Történeti és historiográfiai tanulmányok, Budapest 2009, S. 171–214; Zum politischen Kontext des Textes vgl. Gerics, József: A Hartvik-legenda mintáiról és forrásairól, in: Magyar Könyvszemle 97 (1981), S. 175–188. 50 Legenda Sancti Stephani regis maior et minor (wie Anm. 49), S. 413 f.

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tum etwas zurückzuerstatten, was ursprünglich von diesem vergeben worden war.51 Obwohl die Legenda Hartviciana ein Indiz dafür liefert, dass Koloman der Buchkundige nicht auf die Investiturrechte verzichten bzw. das päpstliche Verlangen mit historischen Argumenten abwehren wollte, widerspricht eine andere Quelle dieser Ansicht. Der sogenannte Investiturverzicht von Guastella di Mare, ein nur bei Martin von Troppau überlieferter Text, soll bezeugen, dass Koloman 1106 doch auf die Investiturrechte verzichtete.52 Man muss jedoch diese Quelle sehr vorsichtig behandeln. Ein starkes Gegenargument zu ihrer Darstellung liegt in der Eigenart des Liber Pontificalis selbst, in dem der Text überliefert ist.53 Es handelt sich nicht nur um eine stark papstfreundliche, sondern auch eine spätere und unsichere Überlieferung. Des Weiteren widersprechen eben die Ereignisse Mitte des 12. Jahrhunderts der Möglichkeit des Investiturverzichtes und weisen vielmehr darauf hin, dass für die Arpaden die Kirchenverwaltung und die Investiturrechte nach wie vor eine wichtige Rolle spielten.54 Bekanntlich eskalierte die Spannung zwischen den zwei großen Lagern des Investiturstreites auf dem Konzil von Pavia, wo Kaiser Friedrich Barbarossa seinen eigenen Kandidaten, Viktor IV., gegen den von den Kardinälen mehrheitlich zum Papst erhobenen Alexander III. durchsetzen wollte. Es ist bis heute unklar, wie sich der ungarische Königshof dazu verhielt. Obwohl laut Rahewin u.a. auch der ungarische König zum Konzil eingeladen wurde,55 war Géza II. sicherlich nicht anwesend, weil er sich gemeinsam mit dem englischen und anderen Herrschern durch seinen Legaten vertreten ließ. Glaubt man Rahewins – nicht unbedingt unbefangenem – Bericht, hätten die ungarischen Legaten den Beschluss Barbarossas, in dem er Alexander III. verurteilte und Viktor IV. zum legitimen

51 Gerics: Hartvik-legenda (wie Anm. 49), S. 139 f. 52 Diplomata Hungariae Antiquissima (wie Anm. 48), S. 350, Nr. 128: Denuntianmuis vobis, pater venerande, nos legi divine subditos ac secundum eam servire vobis paratos. Unde et iinvestituram episcoporum hactenus a maioribus nostris habitam iuxta admonitionem vest­ ram dimisimus, et si quid in electionibus huius minus canonice retroactum est, de cetero Deo volente cavebimus. 53 Zum allgemeinen Charakter des Lieber Pontificalis vgl.: Zimmermann, Harald: Das Papsttum im Mittelalter, Stuttgart 1981. 54 Szovák: Pápai-magyar kapcsolatok (wie Anm. 20), S. 22 f. 55 Ottonis et Rahewini Gesta Friderici IV/55 (wie Anm. 31), S. 310.

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Papst erklärte, zustimmend unterzeichnet.56 Ob das stimmt, wissen wir nicht, jedenfalls sprechen einige Umstände gegen diese Vorstellung. Weder nahmen die abwesenden englischen und französischen Könige in dieser Frage eindeutig Stellung, noch weist das Auftauchen von Bischof Daniel von Prag als Legat Viktors IV. ein Jahr später am ungarischen Königshof57 darauf hin, dass der König überzeugt werden musste, Viktor IV. zu fördern. Man weiß nicht, wann und wie sich Gézas II. Meinung änderte. Wie aus den Notizen von Burchardt, dem im ungarischen Grenzgebiet weilenden kaiserlichen Notar, hervorgeht, wurden auch seitens der Gegenpartei Versuche unternommen, den ungarischen König zu überzeugen.58 Da diese Urkunde auf 1161 datiert ist, muss man davon ausgehen, dass Géza II. um diese Zeit seine Zurückhaltung aufgab und anfing, Alexander III. zu fördern. Der Seitenwechsel ist auch insofern plausibel, als Géza II. Barbarossa in einem an Heinrich VII. von Frankreich versandten Brief einfach Imperator Alemannorum nannte und eindeutig für Alexander III. Stellung nahm.59 In der Forschung wird im Allgemeinen angenommen, dass es sich hier um eine bewusste Abwertung des Kaisers handelte, da Géza II. die Gefahren der Bestrebungen des Kaisers um den römischen Universalismus erkannt habe.60 Die Frage bedürfte jedoch meines Erachtens einer gründlicheren Analyse, auf die hier aus Platzgründen zu verzichten ist, die aber u.a. auch dem Gebrauch des Wortes Alemannus, Alemannia usw. nachgehen sollte. Eine Lösung könnte das zur Zeit der Abfassung des vorliegenden Aufsatzes beginnende Editionsprojekt des zweiten Bandes der Diplomata Hungariae Antiquissima bieten. Unabhängig aber von der philologischen Problematik im Brief König Gézas II. ist davon auszugehen, dass sich das Verhalten des ungarischen Königshofes hinsichtlich der Papstwahl endgültig veränderte. 56 Ottonis et Rahewini Gesta Friderici IV/65 (wie Anm. 31), S. 335. 57 Vincentii canonici Pragensis Annales (Anm. 32), S. 451. 58 Regestrum oder merkwürdige Urkunden für die deutsche Geschichte. Teil II., ed. HansFriedrich-Georg-Julius Sudendorf, Berlin 1849, S. 136, Nr. 55. 59 Codex Diplomaticus Hungariae Eccclesiasticus ac Civilis II., ed. Georgius Fejér, Budae 1829, S. 161: Scitis enim, quod Imperator Alemaannorum, orto in Ecclesia schismate, pro­ prium papam sibi elegit, et contra sanctorum patrum instituta defendit. Ego vero timens Deum, et non hominem, velut catholicae fidei cultor, Alexandrum, quem vniuersalis Eccle­ sia, et Vestrae Regiae dignitatis auctoritas confirmauit, et confirmatum recepit, sicut per nuncios meos mandastis, confirmaui, recepi, et ab hoc nullo modo dissentire proposui. 60 Gerics, József: A korai rendiség Európában és Magyarországon, Budapest 1987, S. 234.

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Bei der Entscheidung des Königs könnte eine wichtige Rolle gespielt haben, dass Géza II. von Alexander III. die Investiturrechte zugesprochen bekommen haben dürfte. Die von Burchardt erwähnten Legaten Alexanders III. dürfen die Einzelheiten mit dem ungarischen Königshof erarbeitet haben. Die Stellungnahme des ungarischen Königshofes ist auch deshalb sehr bemerkenswert, weil durch die Förderung Alexanders III. die mittlerweile verbesserten Beziehungen zwischen dem Reich und Ungarn gefährdet wurden. Jedenfalls scheint die Beibehaltung der Investiturrechte eine wichtigere Rolle gespielt zu haben als die Freundschaft zu Kaiser, und auch später, während der Herrschaftszeit Stephans III. und Bélas III., sollte diese Frage nicht an Interesse verlieren. Zusammenfassend ist Folgendes festzustellen. Die Beziehungen zwischen dem Reich, dem Kaiser und Ungarn wurden in der ungarischen Historiographie im Kontext mittelalterlicher „Außenpolitik“ und im Hinblick auf nationale Abhängigkeit versus Unabhängigkeit betrachtet und dargestellt. Hingegen scheinen sich die Beziehungen zum Reich entlang der Interessenfelder gestaltet zu haben, die für die ungarische Herrscherdynastie wesentlich waren. Hierbei wurden zwei Anliegen erörtert, die beide die Politik der Arpaden seit Mitte bzw. Ende des 11.  Jahrhunderts beeinflussten: Die Thronkonflikte gefährdeten die Stabilität der Arpadenherrschaft schon seit den Zeiten Andreas I. und Bélas I. Der Investiturstreit war darüber hinaus wie in ganz Europa ein zentrales Konfliktfeld zwischen dem Papsttum und den Herrschern. Von den beiden Interessenbereichen scheint die Beibehaltung der Investiturrechte den Vorrang gehabt zu haben. Darauf weisen die Ereignisse um die Anerkennung Alexanders III. hin. Was die persönlichen Beziehungen zwischen den ungarischen Herrschern und Friedrich Barbarossa betrifft, muss wiederum darauf hingewiesen werden, dass es nur einmal zu einer persönlichen Begegnung kam. Vielmehr zeigt sich aber eine neue Tendenz im Kontakt zwischen dem ungarischen König und dem Kaiser: Während die Salier im 11. und im frühen 12. Jahrhundert noch regelmäßige persönliche Beziehungen zu den ungarischen Herrschern pflegten und mit ihnen nicht selten auch durch Heiratsbündnisse verbunden waren, veränderte sich die Situation in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts grundlegend. Friedrich Barbarossa kümmerte sich um die Anliegen in der östlichen Nachbarschaft nicht mehr persönlich: Die Aufrechterhaltung der Kontakte mit Ungarn

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wurde Böhmen, der Steiermark61 und Österreich, das 1156 getrennt von Bayern zum selbständigen Territorialherzogtum erhoben wurde, überantwortet.62 Das Auftauchen Bischof Daniels von Prag am ungarischen Königshof, der nicht nur wegen des Investiturstreites kam, sondern auch andere Anliegen mit den Arpaden verhandelte, weist auch darauf hin, dass die westlichen und nordwestlichen Nachbarn zu den eigentlichen Ansprechpartnern der ungarischen Herrscher geworden sind. Diese Tendenz – fügen wir gleich hinzu – war der Anfang einer neuen regionalen Bündnispolitik, deren Ergebnisse und Folgen besonders von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an sichtbar wurden und dann im 14. Jahrhundert zur Etablierung der dynastischen Bündnisse Ostmitteleuropas führten, die bis 1526 die gesamte regionale Politik prägten.

61 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae I (805–1197), ed. Gustav Friedrich, Praha 1904–1907, S. 180 f., Nr. 186. 62 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica Diplomata X/1) Hannover 1975, S. 255–260, Nr. 151.

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Verwandte Gegner: Friedrich Barbarossa und Erzbischof Adalbert III. von Salzburg

Der Přemyslide Adalbert wurde, damals noch Propst in Melnik, am 28. September 1168 im Alter von 23 Jahren vom Salzburger Klerus zum neuen Erzbischof gewählt – der dritte seines Namens. Er hatte dieses Amt von 1168 bis 1177 und dann wieder von 1183 bis zu seinem Tod im Jahre 1200 inne. Die Lücke in seinem Pontifikat ist einem Konflikt mit Friedrich Barbarossa geschuldet: Unmittelbar nach seiner Wahl zog Adalbert III. den Zorn des Kaisers auf sich, weil er ein Anhänger Papst Alexander III. war, aber auch deshalb, weil er vor seiner Weihe nicht um die Regalieninvestitur nachgesucht hatte – wie es seit dem Wormser Konkordat im deutschen Teil des Imperiums jedoch geübte Praxis war. Barbarossa ließ seinen Fall auf mehreren Hoftagen verhandeln – im Juni 1169 in Bamberg, im August 1169 in Salzburghofen, im Februar 1172 in Salzburg und schließlich im Mai 1174 in Regensburg, wo Adalbert durch Fürstensentenz förmlich abgesetzt und der Propst Heinrich von Berchtesgaden als sein Nachfolger gewählt wurde. Von Alexander III. wiederum wurde Adalberts Absetzung nie anerkannt, so dass die Erzdiözese in Parteinahme für den kaiserlichen oder den päpstlichen Erzbischof zerrissen war.1 Die Friedensverhandlungen zwischen Barbarossa und 1

Zum Konflikt zwischen Friedrich Barbarossa und Adalbert vgl. Schmidt, Wilhelm: Stellung der Erzbischöfe und des Erzstifts von Salzburg zu Kirche und Reich unter Kaiser Friedrich I. bis zum Frieden von Venedig, in: Archiv für österreichische Geschichte 34 (1865), S. 1–144, S. 80–129; Dopsch, Heinz: Salzburg im Hochmittelalter, in: Ders.: Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, Bd. 1.1, Salzburg 1981, S. 229–418, S. 288–296, und Bd. 1.3, Salzburg 1984, S. 1275–1278; Görich, Knut: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001, S. 79–91. Vgl. ferner Töpfer, Bernhard: Kaiser Friedrich I. Barbarossa und der deutsche Reichsepiskopat, in: Haverkamp, Alfred (Hg.): Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers (Vorträge und Forschun-

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Alexander III., die im Herbst 1176 in Anagni begannen und im Sommer 1177 zur Beilegung des Schismas im Frieden von Venedig führten, hatten für Adalbert unerfreuliche Konsequenzen: Obwohl er für sich in Anspruch nahm, für seinen treuen Gehorsam viel Unbill erduldet, das „Kreuz des Herrn“ auf sich genommen zu haben und dem Papst und der Kirche Gottes „nackt gefolgt“ zu sein,2 wurde er dem Friedensschluss geopfert, weil er, wie Alexander III. den Salzburgern schrieb, „die Huld unseres in Christus liebsten Sohnes Friedrich, des erlauchten Kaisers der Römer, nicht wiedererlangen konnte.“3 Barbarossa erklärte den Salzburgern seinerseits, er habe sich „aus Gottesfurcht und aus Verehrung für den heiligen Rudbert von Salzburg und aus gewohnter Milde kaiserlicher Großmut“ entschlossen, ihre Kirche wieder mit „heiterer Milde anzublicken“, obwohl „unsere Majestät von euch oft schwer beleidigt und schroffer herausgefordert wurde als es uns lieb war“.4 In Salzburg freilich wusste man, dass Adalbert resignieren musste, „weil er ja den Herrn Kaiser gewaltig beleidigt hatte“ – wie es der anonyme Autor der Vita Gebehardi auf den Punkt brachte.5 Adalbert wurde 1177 auf

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gen 40) Sigmaringen 1992, S. 389–433, S. 399–402; Murauer, Rainer: Das Papsttum und das Erzbistum Salzburg (1060–1216), in: Johrendt, Jochen/Müller, Harald (Hg.): Rom und die Regionen. Studien zur Homogenisierung der lateinischen Kirche (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch-historische Klasse NF 19) Berlin 2012 S. 371–424. Brief Adalberts III. an Alexander III. in: Chronica collecta a Magno presbytero, ed. Wilhelm Wattenbach (Monumenta Germaniae Historica Scriptores 17) Hannover 1861, S. 476– 523, S. 504 Z. 39–41: … nolens imitari propinquos meos in scismate, suscipiens crucem Domi­ ni in pectore, nudus vos secutus sum et aecclesiam Dei, propter quod haec omnia pacior. Der Brief Alexanders III. an die Salzburger in: Chronica collecta a Magno presbytero (wie Anm. 2), S. 505 Z. 6–7: … cum gratiam carissimi in Christo filii nostri Friderici illustris Romanorum inperatoris recuperare non posset … Friderici I. Diplomata, bearb. v. Heinrich Appelt (MGH Diplomata regum et imperatorum Germaniae 10.1–5) Hannover 1975–1990 (im Folgenden abgekürzt DF I.), Nr. 693, S. 216 Z. 9–12: Quamvis igitur maiestas nostra sepenumero a vobis graviter lesa sit et acri­ ter, ultra quam vellemus, provocata, tamen divini timoris intuitu ac beati Ruodberti reve­ rentia et ex consueta imperialis mansuetudinis clementia tam vos quam Salzburgensem aecclesiam serena pietate proponimus respicere … Vita Gebehardi et successorum eius, ed. Wilhelm Wattenbach (Monumenta Germaniae Historica Scriptores 11) Hannover 1854, S. 33–49, cap. 28, S. 49 Z. 5–7: Ibi ergo dom­ nus Adilbertus Salzpurgensis arciepiscopus, quia domnum imperatorem valde offensum habebat, pro bono pacis et concordiae Salzpurgensem episcopatum consilio et mandato domni apostolici resignavit.

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Alexanders Bitte vom Patriarchen Udalrich II. von Aquileja aufgenommen und sollte an dessen Hof so lange bleiben, bis ihm der Papst ein anderes Erzbistum oder bedeutendes Bistum übertragen könne – was er ihm fest und feierlich versprochen hatte.6 Dass der Přemyslide dann 1183 auf den Salzburger Erzstuhl zurückkehren konnte, wird in den zeitgenössischen Quellen allerdings nicht mit einer Zusicherung Alexanders III. begründet – der damals auch schon verstorben war –, sondern mit dem Befehl Friedrich Barbarossas: ex precepto inperatoris, et unanime omnium Salzburgensium electione, heißt es in der Chronik des Magnus von Reichersberg.7 Es ist also unklar, inwieweit Adalberts zweiter Salzburger Pontifikat tatsächlich eine Folge bindender Absprachen des Friedenschlusses in Venedig war – oder inwieweit andere Gründe ausschlaggebend gewesen sein könnten. Darauf ist noch zurückkommen. Über die Beziehungen des böhmischen Königsohnes zum staufischen Hof in der Zeit vor seiner Salzburger Wahl ist nichts bekannt – wenngleich auffällt, dass er am 10. April 1165 zusammen mit dem Kanzler Rainald von Dassel bei der Weihe des brabantischen Prämonstratenserklosters Floreffe anwesend war8 – was offenbar in Zusammenhang mit seiner eigenen Erziehung im Prämonstratenserkloster Strahow stand.9 Der Bedeutung des alexandrinischen Schismas und der guten Überlieferung des eskalierenden Konflikts in der Admonter und Salzburger Briefsammlung, aber auch dem Stellenwert Salzburgs als eines Zentrums lebendiger kirchenreformerischer Tradition10 ist geschuldet, dass sich die Forschung bislang vor allem für die Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Erzbischof interessiert hat. Jedoch spricht manches dafür, den Fokus nicht auf Salzburg zu verengen: 6

Vgl. den Brief des Patriarchen in: Die Tegernseer Briefsammlung des 12. Jahrhunderts, ed. Helmut Plechl (Monumenta Germaniae Historica, Die Briefe der deutschen Kaiserzeit 8) Hannover 2002, Nr. 41, S. 63 Z. 7–12. 7 Chronica collecta a Magno presbytero (wie Anm. 2), S. 507 Z. 21. 8 Annales Floreffienses, ed. Ludwig Konrad Bethmann (Monumenta Germaniae Historica Scriptores 16) Hannover 1859, S. 618–631, S. 624 Z. 57–S. 625 Z. 3: Hoc anno 4. Idus Aprilis collocatum est fundamentum huius aecclesiae a domno Reinaldo Coloniensi archie­ piscopo et Alexandro Leodiensi episcopo et Henrico comite Namucensi et Alberto regis Bohe­ morum filio, sub domno Gerlando abbate. 9 Vgl. dazu kurz Hilsch, Peter: Die Bischöfe von Prag in der frühen Stauferzeit. Ihre Stellung zwischen Reichs- und Landesgewalt von Daniel I. (1148–1167) bis Heinrich (1182– 1197) (Veröffentlichungen des Collegium Carolinum 22) München 1969, S. 129. 10 Weinfurter, Stefan: Salzburger Bistumsreform und Bischofspolitik im 12. Jahrhundert (Kölner Historische Abhandlungen 24) Köln/Wien 1975.

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Denn nicht nur Adalberts Wahl wurde von den Zeitgenossen mit der Machtstellung seines Vaters, König Vladislavs von Böhmen, erklärt; auch Vladislavs Beteiligung an Versuchen zur Beilegung des Konflikts zwischen seinem Sohn und dem Kaiser macht auf die gerne übersehenen böhmischen Bezüge des Geschehens aufmerksam. Zwar können sie wegen der in diesem Punkt einsilbigen Überlieferung kaum hinreichend ausgeleuchtet werden; aber sie sind für sich genommen doch Anlass genug, den Streit zwischen dem staufischen Kaiser und dem přemyslidischen Erzbischof von Salzburg nicht nur in die Reihe jener Konflikte einzuordnen, die die unterschiedlichen Obödienzen während des fast 20-jährigen Schismas im Reichsepiskopat unvermeidlicherweise auslösten. Vielmehr verlangt Adalberts prominente Abstammung, das Geschehen auch in den Kontext der Beziehungen zwischen Böhmen und dem Reich einzubetten. Ich möchte daher keine Schilderung des Konflikts zwischen Barbarossa und Adalbert liefern11 – sie würde den Akzent nur erneut auf das Verhältnis zwischen Reichsoberhaupt und einem geistlichen Reichsfürsten legen und damit ausblenden, was im Rahmen unserer Thematik besondere Aufmerksamkeit verdient: die Frage nach den Bindungen, die das Verhältnis Böhmens zum Reich im 12. Jahrhundert bestimmt haben – und die mit staatsrechtlichen oder juristischen Normen nur unzureichend beschrieben scheinen.12 Vielversprechend scheint vielmehr, neben herrschaftlichen auch freundschaftliche und verwandtschaftliche Bindungen auszuloten, die ein Fundament der Gestaltung politischer Beziehungen waren, mit denen aber oft genug Erwartungen verknüpft waren, die in Widerspruch mit der vom Herrscher eingeforderten Treue und Loyalität gerieten.13 Dass mit Verwandtschaft die Verpflichtung zu gegenseitiger Unterstützung und Friedfertigkeit verbunden war, ist eine von der einschlägigen Forschung vielfach bestätigte Beobachtung;14 gleichwohl kann das Bewusstsein der 11 Dazu siehe oben, Anm. 1. 12 Dazu Dendorfer, Jürgen: Der König von Böhmen als Vasall des Reiches? Narrative der deutschsprachigen Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts im Licht der Diskussion um das Lehnswesen, in: Görich, Knut/Wihoda, Martin (Hg.): Friedrich Barbarossa in den Nationalgeschichten Deutschlands und Ostmitteleuropas (19.–20. Jh.), Köln/Weimar/Wien 2017, S. 229–284; Wihoda, Martin: Friedrich Barbarossa und die böhmische Staatlichkeit, ebd., S. 285–304. 13 Dazu grundsätzlich Althoff, Gerd: Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990. 14 Dazu Seidel, Kerstin/Schuster, Peter: Freundschaft und Verwandtschaft in histori-

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Verwandtschaft samt den daraus resultierenden Erwartungen den Akteuren nicht generell unterstellt werden, sondern bedarf des Nachweises in den zeitgenössischen Quellen. Welche Einsichten in diese Zusammenhänge erlaubt der Konflikt des staufischen Kaisers mit dem Přemysliden Adalbert? Welche Erwartungen begründeten die verschiedenen Bindungen zwischen den beteiligten Personen in der Wahrnehmung der Zeitgenossen – und wie beeinflussten sie die politische Dynamik im Streit um das Erzstift Salzburg? Zunächst einige Bemerkungen zum Kern des Konflikts. Seit der römischen Doppelwahl, aus der 1159 mit Viktor IV. und Alexander III. zwei um den Stuhl Petri rivalisierende Päpste hervorgegangen waren,15 hatte Barbarossa stets eindeutig Position zu Gunsten seines Verwandten Viktor IV. bezogen. Schon seit der unter kaiserlichem Druck erfolgten Anerkennung Viktors IV. auf der Synode von Pavia 1160, vollends aber nach den Würzburger Eiden von 1165, mit denen sich der Staufer darauf festgelegt hatte, Alexander III. und seine Nachfolger niemals anzuerkennen und unter Androhung des Verlustes aller Würden und Lehen das Gleiche von den weltlichen und geistlichen Großen verlangte, wurde Gehorsam gegenüber Alexander III. vom kaiserlichen Hof als eine Verletzung der „Ehre des Reichs“ angesehen.16 Den honor imperii sah der Kaiser auch durch einen Verstoß gegen die seit dem Wormser Konkordat im nördlichen Reichsteil gültige Praxis verletzt, dass ein Bischofselekt noch vor seiner Weihe beim Kaiser um die Belehnung mit den Regalien nachzusuchen hatte.17 Unter dem langen Pontifikat Erzbischof Eberhards I. von 1147 bis 1164 nahm Salzburg scher Perspektive, in: Schmidt, Johannes F. K. u.a. (Hg.): Freundschaft und Verwandtschaft. Zur Unterscheidung und Verflechtung zweier Beziehungssysteme, Konstanz 2007, S. 145–156; Eickels, Klaus van: Verwandtschaftliche Bindungen, Liebe zwischen Mann und Frau, Lehenstreue und Kriegerfreundschaft: Unterschiedliche Erscheinungsformen ein und desselben Begriffs?, in: ebd., S. 157–180; Lubich, Gerhard: Verwandtsein. Lesarten einer politisch-sozialen Beziehung im Frühmittelalter (6.–11. Jahrhundert) (Europäische Geschichtsdarstellungen 16) Köln/Weimar/Wien 2008, S. 230–237; Goetz, HansWerner: „Verwandtschaft“ um 1000: ein solidarisches Netzwerk?, in: Patzold, Steffen/ Ubl, Karl (Hg.): Verwandtschaft, Name und soziale Ordnung (300–1000) (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 90) Berlin 2014, S. 289–302. 15 Dazu Johrendt, Jochen: The Empire and the Schism, in: Clarke, Peter D./Duggan, Anne J. (Hg.): Pope Alexander III (1159–81). The Art of Survival, Aldershot 2012, S. 99–126. 16 Görich: Die Ehre (wie Anm. 1), S. 131–133 und S. 144–146. 17 Vgl. dazu Görich: Die Ehre (wie Anm. 1), S. 2 f. und S. 76 f.; Töpfer: Kaiser Friedrich (wie Anm. 1), S. 417.

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in beiden Punkten eine Sonderstellung ein: Weder hatte Eberhard, der erst im fortgeschrittenen Alter von 60 Jahren sein Amt antrat, beim König um die Regalienleihe nachgesucht, noch gab er die Obödienz Alexanders III. auf. Diese Haltung war nach dem Willen des Salzburger Klerus auch für Eberhards Nachfolger verpflichtend – zunächst für den bisherigen Bischof von Passau, den Babenberger Konrad. Als Reaktion auf Konrads demonstratives Bekenntnis zur alexan­ drinischen Obödienz – er hatte von Alexander III. das Pallium erbeten und erhalten18 – entzog Barbarossa im März 1166 der Salzburger Kirche alle Besitzungen und Rechte.19 Die Milde, die der Kaiser im Umgang mit dem schon zu Lebzeiten als heiligmäßig verehrten und erst im hohen Alter zum Erzbischof gewählten Eberhard an den Tag gelegt hatte, galt für seine Nachfolger nicht mehr. Konrad war über seine Mutter Agnes, die Großmutter Barbarossas, ein Onkel Barbarossas. Verwandtschaft verlieh, wie sich auch später im Konflikt mit Adalbert zeigen sollte, einem Gegensatz in der Sache noch eine zusätzliche Dimension – denn gerade aus der Verwandtschaft ergab sich der Anspruch auf besondere Loyalität. Jedenfalls begründete man in Salzburg die Wahrnehmung, dass der Kaiser als Reaktion auf die Wahl Konrads „wie ein Löwe“ knurrte, „ein Brüllen von sich (gab), das das ganze Reich durchbebte“, und alle Salzburger als Feinde des Reichs ächtete, damit, dass sie „seinen Onkel aus seinem Fleisch und Blut [also aus seiner verwandtschaftlichen Bindung] herausrissen und gegen ihn die Waffen erheben ließen“.20 Zu einem späteren Zeitpunkt des Konflikts rechnete man sich in Salzburg just wegen dieser Verwandtschaft jedoch Chancen auf eine Annäherung aus, denn Konrad, so glaubte man, schätze den Kaiser hoch, weil er von seinem eigen Fleisch und Blut sei, und hatte deshalb die Hoffnung, seine Huld wiedererlangen zu können.21 Konrads Fall zeigt, dass Verwandtschaft beson18 Vgl. Annales Reicherspergenses, ed. Wilhelm Wattenbach, Hannover 1861, S. 443–476, S. 471 Z. 36–41. 19 Regesta Imperii IV.2: Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I., 2. Lieferung 1158– 1168, neubearbeitet von Ferdinand Opll, Wien/Köln 1991, Nr. 1551. 20 Historia calamitatum ecclesiae Salzburgensis, hg. u. übers. von Bernhard Zeller, in: Wolfram Herwig (Hg.): Quellen zur Salzburger Frühgeschichte, Wien/München 2006, S. 298–319, S. 300: [princeps] quasi leo infremuit dansque rugitum unde totum regnum contremuit, Salzpurgenses omnes proscripsit quasi publicos hostes totius imperii, eo quod patruum ipsius a visceribus suis avulsum contra ipsum arma corripere fecissent … 21 Die Salzburger Briefsammlung, in: Die Admonter Briefsammlung 1158–1162, ed. Georg Hödl/Peter Classen (Monumenta Germaniae Historica, Die Briefe der deutschen Kai-

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dere Erwartungen begründete, die jenseits der strittigen Sachfrage lagen – oder, besser gesagt: dass die Erwartungen, die aus einem Verwandtschaftsverhältnis entsprangen, einem ohnehin schon kontroversen Sachverhalt noch zusätzliche Facetten verliehen: Den Konflikt verschärfend konnte sich auswirken, dass Illoyalität unter Verwandten ein Vorwurf von eigenem Gewicht war – dass verwandtschaftliche Bindungen gegenüber nur herrschaftlichen aber auch noch zusätzliche Kommunikationskanäle öffneten, konnte sich wiederum dämpfend auf die Konflikteskalation auswirken. Wie stellen sich diese Zusammenhänge im Falle Adalberts dar? Er war der dritte Sohn König Vladislavs I. von Böhmen mit der Babenbergerin Gertrud, der Tochter des Markgrafen Leopold III. von Österreich. Damit war er ein Neffe Bischof Ottos von Freising und Herzog Heinrichs Jasomirgott von Österreich, aber auch des verstorbenen Erzbischofs Konrad II. von Salzburg. Gertrud war über ihre Mutter, Barbarossas schon erwähnte Großmutter Agnes, eine Tante des Kaisers – ihr Sohn Adalbert also ein Vetter Barbarossas.22 Dieses Verwandtschaftsnetz erfährt in den Quellen eine je nach Berichtshorizont unterschiedliche Akzentuierung: Die Quelle mit besonderer Nähe zum babenbergischen Herzogshof betont Adalberts Verwandtschaft mit dem Herzog von Österreich,23 Gerlach von Mühlhausen in seiner Fortsetzung des Vinzenz von Prag die Herkunft aus der přemyslidischen Herzogsfamilie24 und die Salzburger Vita des Erzbischofs Gebhard die Verwandtschaft Adalberts mit seinem verstorbenen

serzeit 6) München 1983, S. 149–197, Nr. 16, S. 174 Z. 25 f.: Nos scimus, quod vos domi­ num imperatorem diligitis, quia caro et sanguis vester est, et habetis spem recuperandae gratiae suae … 22 Vgl. dazu auch Schieffer, Rudolf: Friedrich Barbarossa und seine Verwandten, in: Kölzer, Theo u.a. (Hg.) De litteris, manuscriptis, inscriptionibus … Festschrift zum 65. Geburtstag von Walter Koch, Wien 2007, S. 577–589, S. 583. 23 Continuatio Claustroneoburgensis secunda, ed. Wilhelm Wattenbach (Monumenta Germaniae Historica Scriptores 9) Hannover 1851, S. 613–624, S. 616 Z. 20–23: Chunra­ dus Salzpurgensis archiepiscopus obiit; Adalbertus sororis eius filius et regis Boemiae suc­ cessit. 24 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis, ed. Wilhelm Wattenbach (MGH Scriptores 17) Hannover 1861, S. 683–710, S. 692 Z. 4 f.: domnus Adalbertus Salzburgensis archie­ piscopus, germanus Friderici ducis. Vgl. aber auch Chronica collecta a Magno presbytero (wie Anm. 2), S. 489 Z. 44: sororius eiusdem episcopi (Chuonradi), filius regis Boemorum Adalbertus nomine.

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Vorgänger, Erzbischof Konrad II.25 Auch am kaiserlichen Hof herrschte ein klares Bewusstsein von der verwandtschaftlichen Bindung. Noch Heinrich VI. nannte Adalbert seinen cognatus.26 Barbarossa bezeichnete ihn als seinen nepos, allerdings nur ein einziges Mal, und das auffallenderweise in einer Situation, in der er die Salzburger ausdrücklich zu Ungehorsam gegenüber ihrem Erzbischof auffordert. In diesem Fall wurde die Verwandtschaftsbeziehung anscheinend deshalb hervorgehoben, um das eigentlich Unübliche besonders eindringlich zu unterstreichen – dass nämlich Behauptungen eines Verwandten des Kaisers kein Glauben geschenkt werden sollte.27 Als Barbarossa einige Zeit später dazu aufrief, Adalbert zu bekämpfen, wurde dieser nur Bohemus genannt, ohne jegliche Erwähnung der Verwandtschaft.28 Die in Salzburg entstandene und Adalbert gewidmete Historia calamitatum ecclesiae Salzburgensis, die seinen Konflikt mit dem Kaiser als göttliche Prüfung deutet, benennt alle diese prominenten Verwandtschaftsbeziehungen explizit: Er ist „der Sohn der Tante des Kaisers, der Sohn des Königs von Böhmen, der Sohn der Schwester des Herzogs von Österreich“.29 Damit wird nicht nur das politische Gewicht des Přemysliden 25 Vita Gebehardi (wie Anm. 5), cap. 27, S. 47 Z. 35–38: Igitur post obitum virtuosissimi archiepiscopi Chunradi clerus et populus apud metropolim Iuvavum coadunati, elegerunt unanimi voto in archiepiscopum domnum Adilbertum, filium regis Boemiae Ladizlai et Gerdrudis, sororis prenotati Chunradi archiepiscopi et Heinrici ducis Austriae. 26 Vgl. Vorabedition Urkunden Heinrichs VI. für deutsche, französische und italienische Empfänger (Stand: 18.03.2017), BB 627: H(einricus) dei gratia Romanorum imperator sem­ per augustus et rex Sicilie A(dalberto) dilecto cognato suo Salzburgensi archiepiscopo gra­ tiam suam et omne bonum. http://www.mgh.de/fileadmin/Downloads/Heinrich_VI_ges12PropFig_2017-03-18.pdf, letzter Zugriff: 28.04.2018. Barbarossa bezeichnete 1179 die Herzöge von Österreich und Böhmen als seine Verwandten, vgl. DF I. (wie Anm. 4) 782, S. 342 Z. 26 f.: Evocatis igitur ad nostre maiestatis presentiam eorundem ducatuum posses­ soribus consanguineis nostris, Livpoldo scilicet duce Austrie et Friderico duce Boemie … 27 DF I. (wie Anm. 4) 587, S. 65 Z. 17–26: Significatum est nobis, quod nepos noster Albertus Bohemus in partes Saltzburgenses declinaverit, sed, quid apud vos agere intendat, nondum perfecte cognovimus. … Quocirca mandamus universitati vestrae firmiter et districte prae­ cipientes, quatenus eius sermonibus nullo modo acquiescatis et constanter in verbo nostro, quod novissime vobiscum habuimus, permaneatis, quia, si nobiscum in fide vera perman­ seritis, certissime sciatis, quod maximum honorem iuxta voluntatem nostram a nobis indu­ bitanter accipietis. 28 Vgl. DF I. (wie Anm. 4) 620, S. 113 Z. 8. 29 Historia calamitatum (wie Anm. 20), cap. 8, S. 314: filius amitę imperatoris, filius regis Boemorum, filius sororis ducis Austrie.

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unterstrichen und die Dimension des Konflikts umrissen; der Autor geht offenbar auch davon aus, dass die mit diesem Verwandtennetz verbundenen Ressourcen unter normalen Umständen zu Gunsten der Salzburger Kirche hätten mobilisiert werden können – wenn Gott Adalbert eben nicht der Prüfung unterworfen hätte, die Verfolgung durch den Kaiser erdulden zu müssen. Darin steckt eine zwar nicht weiter ausgeführte, aber doch wirksame Vorstellung von Verwandtschaftspflichten. Welche Erwartungen verbanden die Zeitgenossen mit Verwandtschaftsbeziehungen? Wiederum fallen die Antworten je nach Perspektive der Quellen unterschiedlich aus. Adalbert selbst behauptete 1177 in einem Brief an Alexander III., die Salzburger hätten ihn ohne Wissen seiner Verwandten gewählt und aus seinem Kloster Melnik herbeigerufen.30 Ob das der Wahrheit entsprach, ist schwer zu beurteilen, denn vielleicht wollte er mit dieser Behauptung den Vorwurf entkräften, er sei nur wegen der „Größe des Heeres und der Macht der Waffen des Böhmenkönigs“ gewählt worden – was ihm Barbarossa auf den Hoftagen vorwarf.31 Aber unabhängig davon, ob es sich tatsächlich so verhalten hatte, wie Adalbert in einer Situation, in der er so wenig wie möglich Angriffsfläche bieten wollte, behauptete – das Wissen um seine familiäre Herkunft bestimmte die Vorstellungen seiner Zeitgenossen über die Motive seiner Wahl. Schon längst hatten auf allen beteiligten Seiten die Verwandtschaftsverhältnisse ganz unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich der politischen Handlungsmöglichkeiten begründet. So hatte Alexander III. bereits 1171 Vladislav dazu aufgefordert, seinen fili­ us, und Herzog Heinrich II. Jasomirgott von Österreich, seinen nepos Adalbert gegen den Kaiser zu unterstützen.32 In Salzburg wiederum war man überzeugt, die Verwandtschaft mit Adalbert müsse Barbarossa zu besonderer Rücksichtnahme bewegen: „Alle hatten nämlich die größte Hoffnung, dass der Kaiser zweifellos erkennen werde, dass Eure Wahl zu seinen Gunsten erfolgt sei, und 30 Chronica collecta a Magno presbytero (wie Anm. 2), S. 504 Z. 37 f.: et me de claustro meo nescientibus parentibus meis vocaverunt. 31 Historia calamitatum (wie Anm. 20), cap. 2, S. 302: quod in exercitus multitudine et armo­ rum potentia confidentes regis Boemorum filium illius elegissent. 32 Der Brief des Papstes an Vladislav in: Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 2, S. 153; an den Herzog von Österreich in: Fichtenau, Heinrich/Zöllner, Erich (Bearb.): Urkundenbuch zur Geschichte der Babenberger in Österreich IV.1. Ergänzende Quellen 976–1194, vorbereitet von Oskar von Mitis, unter Mitwirkung von Heide Dienst, Wien 1968, Nr. 841, S. 177 f.

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dass er niemals zulassen würde, dass der Sohn seiner Tante in den Irrtum der Kirchenspaltung falle, sondern sich in Zukunft milde um dessen Ehre sorgen würde.“33 Außerdem werde sich Barbarossa in Erinnerung rufen (ad memoriam revocare), wie sehr ihm Adalberts Vater Vladislav in früheren kriegerischen Unternehmungen geholfen habe und wie sehr dieser, wenn der Kaiser nur Adalberts Ehre fördere (promovens honorem), seinen Diensteifer und seine Ergebenheit künftig noch steigern werde.34 Dass sich Barbarossa dieser ungeschriebenen Norm der Verwandtenethik nicht verpflichtet fühlte, brachte ihm in Salzburg den Vorwurf ein, er setze seinem Blutsverwandten mit besonderer Ruchlosigkeit (tanta impietate) nach und verfolge die Salzburger Kirche mit besonderem Eifer.35 Der Salzburger Autor war in seiner Parteilichkeit natürlich blind für die kaiserliche Sicht auf das Schisma – aber mit seiner Erwartung, Verwandte müssten solidarisch handeln, erfasste er ein Handlungsmotiv, das in der politischen Realität durchaus wirksam war: Der Herzog von Österreich unterstützte seinen Neffen im Königsgericht vor Barbarossa,36 und König Vladislav setzte sich für seinen Sohn beim Herrscher als Vermittler ein.37 Der von Erzbischof Konrad II. ungelöst hinterlassene Konflikt um die alexandrinische Obödienz und die Regalienleihe bestimmte Adalberts Ausgangslage in Salzburg und verlieh seinem Pontifikat eine überaus konfliktträchtige Dynamik. Allen Beteiligten war klar, dass der Streit nur beizulegen war, wenn gewahrt werden konnte, was der kaiserliche Hof als dem honor imperii geschul33 Historia calamitatum (wie Anm. 20), cap. 2, S. 302: Spes enim maxima erat omnibus, quod electionem vestram ad favorem suum factam sine dubio intelligeret et quod filium amitę suę numquam sineret cadere in errorem scismatis, honori eius clementer prospiciens in futurum. 34 Vgl. Historia calamitatum (wie Anm. 20), cap. 2, S. 302. 35 Vgl. Historia calamitatum (wie Anm. 20), cap. 8, S. 314. 36 Vgl. die Erwähnung von Adalberts Onkel (gemeint ist der Herzog von Österreich) in Historia calamitatum (wie Anm. 20), cap. 8, S. 316; vgl. auch Chronica collecta a Magno presbytero (wie Anm. 2), S. 498 Z. 14 f. und 36 mit Erwähnung der Unterstützung Adalberts durch Herzog Heinrich Jasomirgott auf dem Regensburger Hoftag und seines Protests gegen dessen Absetzung. 37 Vladislav begleitete Adalbert im Juni 1169 zum Hoftag nach Bamberg, wo dieser trotz Begleitung seines Vaters vom Kaiser nicht empfangen wurde, vgl. Regesta Imperii IV.2: Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I., 3. Lieferung 1168–1180, neubearb. von Ferdinand Opll, Wien 2001, Nr. 1839. Zentrale Quelle für Vladislavs Vermittlung zu Gunsten Adalberts 1171 ist der Brief Erzbischof Wichmanns von Magdeburg an Friedrich Barbarossa in: Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 4, S. 157 f.

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det betrachtete. Adalbert hatte ihn in doppelter Hinsicht verletzt: Er ließ sich nicht nur zum Bischof weihen, ohne zuvor beim Kaiser um die Regalieninvestitur nachgesucht zu haben,38 sondern er hatte auch sofort nach seiner Inthronisation Alexander III. um die Übersendung des Palliums gebeten – und damit seine Parteinahme gegen den kaiserlichen Papst, damals schon Paschalis III., ebenso sichtbar wie symbolkräftig demonstriert. Solchermaßen herausgefordert, verweigerte Barbarossa auf dem Hoftag von Bamberg im Juni 1169 seinem Vetter die persönliche Begegnung, obwohl dieser in Begleitung seines Vaters, König Vladislavs, erschienen war. Das Problem der Regalienleihe versuchte Adalbert zu entschärfen, indem er auf dem Hoftag von Salzburghofen Anfang August 1169 in einem präzedenzlosen Schritt alle Regalien dem Kaiser übertrug – was zwar das Erzstift spaltete, dem Erzbischof aber nicht die Huld seines kaiserlichen Vetters zurückgewann und auch nicht vor einem Absetzungsurteil schützte, das wegen seiner alexandrinischen Obödienz noch immer drohend über ihm schwebte. In dieser bedrohlichen Situation schaltete sich Vladislav ein und gewann die Unterstützung des Erzbischofs von Magdeburg. Wichmann betrat im Herbst 1171 „das Haus des Königs von Böhmen“ (domum regis Bohemiae) – übrigens in Begleitung des Burggrafen Siegfried von Altenburg – und machte sich für einen Vermittlungsversuch zu Gunsten Adalberts stark, der dem Kaiser für die erlittene Ehrverletzung Genugtuung leisten sollte. Darüber informiert ein in der Salzburger Briefsammlung überliefertes Schreiben Wichmanns an Barbarossa, in dem er sein Gespräch mit dem Böhmen ausführlich schildert. Demnach bat Vladislav den Magdeburger Erzbischof, dessen Einfluss bei Hof bekannt war, er möge sich beim Kaiser dafür einsetzen, dass dieser angesichts der treuen Dienste des Vaters auch dem Sohn wieder seine Huld (gratia) gewähren möge; wegen Vladislavs Verdiensten solle der Kaiser Adalbert für würdig genug halten, um ihm das Erzbistum wieder zu übertragen. Darauf antwortete Wichmann, „dass der König selbst am besten wisse, dass der Kaiser mit ihm wegen der gegenwärtigen Verhältnisse [gemeint ist das Schisma] und aus anderen guten Gründen 38 Später schrieben Salzburger Kleriker an Alexander III., Adalbert habe auf Rat seines Vaters (consilio patris sui) abgelehnt, die Regalien secundum consuetudinem principum Teuthonicorum beim Kaiser zu erbitten, vgl. Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 8, S. 162 Z. 12–14. Mit dem Zeitpunkt seiner Weihe wollte Adalbert einer Ladung an Barbarossas curia entgehen, volentes habere occasionem non eundi, vgl. Adalberts Brief in der Chronica collecta a Magno presbytero (wie Anm. 2), S. 504 Z. 21.

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[also wohl wegen der vor Adalberts Weihe unterbliebenen Regalieninvestitur] in dieser Sache nicht übereinstimme“.39 Adalbert hatte bis zu diesem Zeitpunkt an dem Gespräch noch nicht teilgenommen. Wichmann wollte aber „aus dessen eigenem Mund hören, was er euch [dem Kaiser] an Genugtuung und Ehre (satis­ factionis et honoris) erweisen wolle. Nachdem er [Adalbert] herbeigerufen worden war, hörten wir von diesem, dass es euch [dem Kaiser] ohne Beschädigung eurer Ehre und eures Vorteils (absque detrimento honoris et commodi vestri) möglich sein werde, ihn mit dem Bistum zu investieren“.40 Offensichtlich bot Adalbert ein bestimmtes Zugeständnis an, um vom Kaiser die Regalien wieder zurückzuerhalten. Um welches Zugeständnis es sich konkret handelte, erwähnt Wichmann nicht – aber er hielt es für geeignet, den Konflikt beizulegen, denn sonst hätte er Barbarossa nicht ausdrücklich eine erneute Begegnung mit Vladislav und Adalbert empfohlen. Er selbst wollte sich dann sogar dafür einsetzen, dass Barbarossa dem Böhmen wieder seine gratia erteile; sollte es dazu nicht kommen, sollte Adalbert in Wichmanns Geleit den Hof unbehelligt verlassen und in das Haus seines Vaters zurückkehren dürfen; Vladislav versprach seinerseits, dem Kaiser weiterhin treu bleiben zu wollen, wenn dieser „aus vernünftigen Gründen und unbeschadet eurer Ehre (salvo honore vestro)“ Adalbert nicht mit dem Erzbistum investieren könne41. Wichmann hielt Vladislavs Vorschlag 39 Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 4, S. 157 Z. 18–25: [rex Bohemiae] famili­ ariter nos convenit summopere postulans, quatinus in memoriam vobis reduceremus mag­ na et multa servitia eius, quae vobis et imperio fideliter exhibuit et usque in finem exhibe­ re paratus est, ut hac consideratione gratia vestra clementer respicere dignetur filium eius, cognatum vestrum, dominum A. Saltzburgensem electum in eo, ut eundem episcopatum ei concedere dignemini. Ad hoc nos respondimus, quod ipse rex optime sciret ex statu praesen­ tis temporis et ex aliis iustis causis vos ei in hac re non posse consentire. 40 Ebd., Z. 26–29: Verumtamen quandoquidem ipse electus praesens esset, nos ex ipsius ore audire vellemus, quid ipse vobis satisfactionis et honoris exhibere vellet. Vocatoque itaque eo talia ab ipso audivimus, quod absque detrimento honoris et commodi vestri possibile vobis est eum eodem episcopatu investire. 41 Ebd., S. 157 Z. 30–S. 158 Z. 6: Postulat itaque rex et nos pro ipso, quatinus super hoc verbo in conductu nostro et ducis Saxoniae eundem electum ad curiam vestram apud Goslariam venire concedatis, ut, si fieri potest, consilio nostro et ducis ac principum gratiam vestram obtineat, sin autem in conductu nostro et ducis absque omni molestia in domum patris sui redeat. Ipse enim rex promisit ea conditione, ut hoc fieri concedatis, quod, si rationabiliter et salvo honore vestro eum episcopatu investire non potueritis, nullum inde gravamen sus­ tineat, sed in servitio vestro usque in finem fidelis permaneat.

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für zielführend und riet dem Kaiser, er solle dem böhmischen König brieflich mitteilen, „was ihm in dieser Angelegenheit beliebe“.42 Um seinem Sohn die kaiserliche Huld zu verschaffen, sei Vladislav bereit, für den Rest seines Lebens dem Staufer seine und seiner Freunde Hilfe zu versprechen.43 Aus einem Brief des empörten Salzburger Klerus wissen wir, dass Barbarossa auf dem Salzburger Hoftag im Februar 1172 einen besiegelten Brief Vladislavs zeigen und vorlesen ließ;44 darin versprach der Böhme für seinen Sohn „eine ungeheure Menge Geld“ und darüber hinaus, „dass sein Sohn das [von Alexander III.] empfangene Pallium in Gegenwart des Kaisers verbrennen und [Alexanders] Obödienz verweigernd auf dessen Seite übertreten werde“.45 Weil die Salzburger dieses Angebot als conventionem zwischen dem Kaiser und dem König der Böhmen bezeichneten,46 muss es den von Wichmann angeregten Briefwechsel zwischen Barbarossa und Vladislav also tatsächlich gegeben haben. Auch entspricht die Verbrennung des Palliums als drastisches Zeichen für die Aufkündigung der alexandrinischen Obödienz ganz klar Barbarossas Erwartung hinsichtlich einer Wiedergutmachung für Adalberts Verletzung des honor impe­ rii. Diese auf den ersten Blick monströs wirkende Symbolhandlung gehörte übrigens nicht ins Reich des Phantastischen: Beim Frieden von Venedig soll Erzbischof Christian von Mainz das Pallium, das er vom kaiserlichen Gegenpapst Paschalis III. erhalten hatte, mit eigener Hand vor Alexander III. und seinen 42 Ebd., S. 158 Z. 6–9: Quicquid itaque super his vobis placuerit, per litteras vestras regi deman­ dare curate, quia bonum nobis videtur, ut hanc ipsius et nostram petitionem clementer exaudiatis. 43 Ebd., S. 158 Z. 9–11: Omnibus nanque diebus vitae suae rex et amici eius servitio suo vos admonere disponunt, ut memorato domino A. gratiam vestram concilient … 44 Dieses Schreiben ist nicht erfasst bei Hlaváček, Ivan: Der schriftliche Verkehr der römischen Könige und Kaiser mit dem Herzogtum und Königtum Böhmen bis zum Ausgang des 12. Jahrhunderts, in: Erkens, Franz-Reiner/Wolff, Hartmut (Hg.): Von Sacerdotium und Regnum. Festschrift für Egon Boshof zum 65. Geburtstag, Köln/Weimar/ Wien 2002, S. 705–720. 45 Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 3, S. 155 Z. 3–11: Itaque dominus impera­ tor suam artam et periculosam disiunctam nobis proposuit, ut eligeremus episcopum aut ab eo designatum reciperemus. Exposuit etiam nobis conventionem factam inter ipsum et regem Bohemorum, qua ipse pro filio suo maximam pecuniam domino imperatori promisit et insu­ per, quod filius suus dominus noster archiepiscopus pallium a vobis acceptum in praesentia domini imperatoris combureret et abnegata vestra oboedientia ad suam partem transiret. 46 Vgl. Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 3, S. 155 Z. 6 und Z. 22.

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Kardinälen verbrannt haben47. Adalbert lehnte die Verbrennung seines Palliums jedoch ab und behauptete, die conventio zwischen seinem Vater und dem Kaiser sei ohne sein Wissen und ohne seine Zustimmung zustande gekommen.48 Aber entsprach das der Wahrheit? Als Barbarossa den Brief Vladislavs vor dem Salzburger Klerus verlesen ließ, war Adalbert nicht anwesend – er hatte ja die Huld des Kaisers verloren und deshalb auch keinen Zugang zum Hoftag. Jedoch hielt er sich in der Nähe der Versammlung auf, und Barbarossa erlaubte allen, die es wünschten, Kontakt mit ihm aufzunehmen.49 Mit der Behauptung seines Unwissens reagierte Adalbert also auf die zuvor schon erfolgte Ablehnung von Vladislavs Angebot durch die Salzburger, für die die Verbrennung des Palliums eine res incredibilis et execrabilis war.50 War Adalbert jemals zu einer solchen Selbstdemütigung vor dem Kaiser bereit gewesen? Gegenüber Alexander III. stritt er

47 Gesta regis Henrici secundi, ed. William Stubs (Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores 49.1) London 1867, S. 186 f.: Et Cristianus cancellarius ipsius imperatoris successit praefato Coenredo in archipraesulatum Maguntinum, et pallium suscepit a Widone de Cre­ ma; quod quia ab eo acceperat, facta pace inter dominum papam et imperatorem, propriis manibus suis combussit Venetiae in Rivo Alto, in palatio patriarchae, coram praefato papa Alexandro et cardinalibus suis, et coram archiepiscopis et episcopis et aliis viris ecclesiasticis et principibus Teutonici regni qui paci aderant, et postea absolvit eum dominus papa, et pallium ei dedit. 48 Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 3, S. 155 Z. 21–23: Ipse vero dominus nos­ ter archiepiscopus hanc conventionem negat esse factam et suo consilio et conscientia. 49 Dazu die Schilderung der Ereignisse im Brief des Salzburger Klerus an Alexander III., in dem über das Geschehen auf dem Hoftag berichtet wird; Adalberts Abwesenheit ergibt sich aus der Nachricht, dass er von Vermittlern aufgesucht wurde, die ihm einen Vorschlag des Kaisers zur gütlichen Einigung überbrachten, vgl. Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 3, S. 155 Z. 33–S. 156 Z. 7: Interae ex improviso dominus archiepisco­ pus appropinquare cepit civitati postulans conductum ad curiam. Unde facta est magna laetitia; speravimus enim, quod divina gratia aliquem bonum exitum per eius adventum nobis demonstraret. Dato itaque conductu permisit imperator, ut liceret, quicunque ei loqui voluisset. 50 Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 3, S. 155 Z. 14–17: Et quia haec res incre­ dibilis et execrabilis videbatur ex ea parte, quia pallii combustionem continebat, dominus imperator recitari praecepit chartam sigillo regis Bohemorum signatam, in qua haec eadem expressius scripta continebantur. Die Salzburger fügten eine Abschrift von Vladislavs Brief ihrem Brief an Alexander III. bei, ebd., Z. 17–19: Cuius rescriptum vestrae sapientiae misi­ mus, ut plenarie rem cognoscere valeat discretio vestra. Leider ist dieser Brief nicht überliefert.

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es ab und behauptete, die Bedingungen in jenem Brief, den der Kaiser seinem Vater geschrieben hatte, niemals angenommen, sondern es völlig abgelehnt zu haben, sie zu erfüllen und Alexander III. untreu zu werden. Sein Vater habe den Brief von Barbarossa auch gar nicht mit der Absicht erwirkt, ihn, Adalbert, von der Einheit der Rechtgläubigen zu entfernen, sondern nur, um die wahre Einstellung des Kaisers zu erforschen und um dessen Willen deutlicher zu erkennen; dadurch sei ersichtlich geworden, dass dieser nicht danach trachtete, die Salzburger Kirche zu ordnen, sondern von dem Gehorsam und der Treue gegenüber der Römischen Kirche abzubringen.51 Dass es sich dabei um eine Rechtfertigung post eventum handelte, die Vladislavs Vermittlungsversuch unter dem Eindruck ihres Scheiterns einer verzerrenden Umdeutung unterwirft, ist wohl unbestreitbar. Auch dürfte Vladislav die Bereitschaft seines Sohnes zum Gehorsam nicht so gründlich falsch eingeschätzt haben, dass er ihm ein von vornherein unannehmbares Zugeständnis abverlangte. Es scheint vielmehr, als ob mit dem Angebot zur Vernichtung des Palliums die Bereitschaft der Salzburger getestet werden sollte, ob sie eine so demonstrative Aufkündigung der alexandrinischen Obödienz mittragen würden. Darf man sich eine in dieser Sache wohlabgestimmte gemeinsame Initiative Barbarossas mit Vladislav und Adalbert vorstellen?52 Dafür könnte sprechen, dass Barbarossa auf das Scheitern des Versuchs umgehend mit einem weiteren Vorschlag reagierte. Er bot Adalbert an, ihn nach dem Rat von dessen Vater Vladislav und Onkel Heinrich Jasomirgott sowie der anderen Fürsten „bei anderer Gelegenheit zu ehren“ (alias honorare), wenn er auf das Salzburger Erzbistum verzichte.53 Auch diese Nachricht ist für 51 So fasst Alexander III. in einem Schreiben an den Salzburger Klerus Adalberts durch Boten übermittelte Rechtfertigung zusammen, vgl. Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Anhang Nr. 4, S. 206 Z. 20–28: Suggesserunt quoque, quod litteras, quas pater eius a predicto imperatore obtinuit, recipere noluerit, sed omnino earum abhorruerit adim­ plere tenorem volens in fide katholica et devotione ecclesie ac nostra firmiter permanere. Pater eius non ea consideratione iam dictas litteras, sicut dicitur, impetravit, quod ipsum vellet a katholica unitate recedere, sed ut imperatoris animum inquireret et eius expressius cognosceret voluntatem, per quod daretur , quod imperator non tantum quereret et concupisceret, quod ecclesiam Salzpurgensem ordinaret, sed ut ab obedientia et devotio­ ne Romane ecclesie fieret aliena. 52 Für eine Fehleinschätzung Adalberts durch Vladislav noch Görich: Die Ehre (wie Anm. 1), S. 87 f. 53 Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 3, S. 156 Z. 4–12: Mediantibus itaque epi­ scopis et aliis principibus suis amicis obtulit dominus imperator domino nostro archiepisco­

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den Stellenwert verwandtschaftlicher Beziehungen interessant: Denn natürlich waren der König von Böhmen und der Herzog von Österreich als Fürsten des Reichs zum Rat befugt und berechtigt; aber die Betonung der Verwandtschaftsverhältnisse lässt erkennen, dass Barbarossa das Interesse der Verwandten Adalberts an dessen Wohlergehen als vollkommen legitim anerkannte und akzeptierte – umso mehr, als Adalbert ja auch sein eigener Verwandter war: Zumindest diese Phase der Beilegung des Konflikts um Salzburg könnte man recht zutreffend als staufisch-babenbergisch-přemyslidische Verwandtschaftspolitik beschreiben. Ihr war letztlich kein Erfolg beschieden, weil Adalbert aus der schon zugesagten Einigung plötzlich ausscherte und damit seinen Vater, den Kaiser und die Vermittler desavouierte: Die vermittelnden Bischöfe und Fürsten hielten sich „für verhöhnt und verachtet“ und zogen sich „mit größter Empörung“ (cum maxima indignatione) von ihm zurück.54 Adalberts Beweggründe waren auch den Zeitgenossen unverständlich, und es bleibt letztlich Spekulation, inwieweit sie in einem vom kirchlichen Reformgeist durchdrungenen Selbstverständnis wurzelten. Aber er handelte jedenfalls nicht als gehorsamer Sohn, Vetter und Neffe. Sein Fall scheint ein weiteres Beispiel dafür zu sein, dass an kirchliche Ämter gebundene Legitimationsvorstellungen – wie etwa von der Heirat des Bischofs mit seinem Bistum – Trennlinien innerhalb von Verwandtengruppen verursachen konnten, wie sie mit der Ausübung weltlicher Ämter nicht verbunden waren.55 In der Beurteilung von Vladislavs Motiven wiederum muss offenbleiben, ob seine Vermittlungsinitiative neben dem Vorteil seines Sohnes noch andere Ziepo iusticiam et gratiam et in arbitrio archiepiscopi posuit, utrum ipse in praesenti curia hoc recipere vellet an aliam curiam eligeret. Ipse vero aliam curiam elegit et sacramentum spon­ te obtulit, quod in illa curia se praesentare stare iusticiae et gratiae. Forma autem oblatae gratiae haec erat, ut, si diffideret iusticiae et se in gratiam ponere mallet, quod dominus imperator alias propter Saltzburgensem ecclesiam patris sui et avunculi sui et aliorum principum consilium eum honorare intenderet. Zur damit angesprochenen Verfahrensalternative vgl. Görich: Die Ehre (wie Anm. 1), S. 309 f. 54 Salzburger Briefsammlung (wie Anm. 21), Nr. 3, S. 156 Z. 19–21: Igitur episcopi et omnes principes se quasi irrisos et contemptos iudicantes cum maxima indignatione ab eo recesse­ runt. 55 Dazu die Beobachtungen von Lyon, Jonathan R.: Princely brothers and sisters: the sibling bond in German politics, 1100–1250, Ithaca 2013, S. 86 am Beispiel von Erzbischof Konrad II. von Salzburg; Lyon fasst in seiner Untersuchung die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen deutschen Adligen mit den Přemysliden und Piasten leider nicht ins Auge.

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le verfolgte. Ausgeschlossen ist das nicht. Denn zu Beginn des Jahres 1171 könnte Vladislav durchaus schon den Plan verfolgt haben, im Folgejahr seine Nachfolge zu Gunsten seines Sohnes Friedrich regeln zu wollen. Hoffte er, sich den Kaiser mit einem erfolgreichen Vermittlungsversuch in der Salzburger Frage dergestalt verpflichten zu können, dass dieser der Einsetzung seines Sohnes zustimmen würde – selbst wenn sie ohne vorherige Erlaubnis Barbarossas geschah? Hegte Vladislav die Hoffnung, eine den honor imperii demonstrativ wahrende Lösung des Konflikts um Salzburg könnte Barbarossa zu einer bestimmten Gegenleistung verpflichten – nämlich die mit Vladislavs Nachfolgeregelung offenkundig beabsichtigte Erblichkeit der böhmischen Königswürde anzuerkennen? Wir wissen es nicht. Aber hätte er ein solches Ziel verfolgt, hätte ihn das Scheitern des Ausgleichs zwischen Barbarossa und Adalbert eigentlich zu einem vorsichtigeren Taktieren in der böhmischen Nachfolgefrage bewegen müssen – denn aus seiner Teilnahme an Barbarossas italienischen Unternehmungen wusste Vladislav um die Reizbarkeit des Kaisers im Falle übergangener Rechtsansprüche und hätte die Konfliktträchtigkeit seines eigenen Vorgehens eigentlich erkennen können. So aber prallten die vielleicht schon bei Vladislavs Königserhebung 1156 vorhandenen, sicher jedoch in den darauffolgenden Jahrzehnten ausgefeilten Auffassungen über die Erblichkeit der böhmischen Königskrone 1172 mit jenen des Kaisers unvermittelt aufeinander.56 Sie endeten bekanntlich im September 1173 mit der Absetzung Vladislavs und 56 Dazu Fritze, Wolfgang H.: Corona regni Bohemiae. Die Entstehung des böhmischen Königtums im 12. Jahrhundert im Widerspiel von Kaiser, Fürst und Adel, in: Ders.: Frühzeit zwischen Ostsee und Donau. Ausgewählte Beiträge zum geschichtlichen werden im östlichen Mitteleuropa vom 6. bis zum 13. Jahrhundert, hg. von Ludolf Kuchenbuch/ Winfried Schich (Berliner historische Studien 6, Germania Slavica 3) Berlin 1982, S. 209– 296, S. 240; vgl. auch Wihoda, Martin: Die sizilischen Goldenen Bullen von 1212. Kaiser Friedrichs I. Privilegien für die Přemysliden im Erinnerungsdiskurs (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters. Beihefte zu J. F. Böhmers, Regesta Imperii 33) Wien/Köln/Weimar 2012, S. 115. Ferner Begert, Alexander: Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatlichen Stellung Böhmens (Historische Studien 475) Husum 2003, S. 85–89; zur Herzogswahl in vergleichender Perspektive Seibert, Hubertus: Die Herzöge von Bayern und Böhmen (10.–12. Jahrhundert). Grundlagen, Formen und Träger herzoglicher Herrschaft, in: Hlavačka, Milan/Luft, Robert/Lunow, Ulrike (Hg.): Tschechien und Bayern. Gegenüberstellungen und Vergleiche vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 2016, S. 1–28.

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seines Sohnes Friedrich durch Fürstenspruch.57 Vladislav starb bereits im Januar 1174. Nur fünf Monate später ließ Barbarossa seinen böhmischen Vetter Adalbert auf dem Regensburger Hoftag als Erzbischof von Salzburg absetzen. Vielleicht fiel ihm dieser Schritt leichter, weil er nun nicht mehr mit „der Macht der Waffen des böhmischen Königs“58 rechnen musste – vom neuen Herzog Sobeslav war kein Eingreifen zu Gunsten Adalberts zu fürchten, weil er seine Herrschaft kaiserlicher Unterstützung verdankte.59 Magnus von Reichersberg notierte, Adalbert habe nach dem Tod seines Vaters, bei dem er sich bislang aufgehalten hatte, keine Zuflucht mehr gefunden.60 Zwar bleiben die möglichen Zusammenhänge im Schweigen der Quellen verborgen, aber insgesamt gibt es Indizien dafür, dass der Salzburger Konflikt in einem größeren Ausmaß von den Verhältnissen in Böhmen abhängig war, als es die auf Salzburg fokussierte Überlieferung erkennen lässt. Auch Adalberts Wiedereinsetzung in Salzburg war 1183 wohl ebenfalls nicht ganz unabhängig von den Ereignissen in Böhmen. Zunächst war natürlich eine entscheidende Voraussetzung, dass das Erzbistum mit dem Weggang Konrads von Wittelsbach nach Mainz 1183 vakant wurde. Aber zuvor hatten sich auch in Böhmen die Verhältnisse schon wieder gewandelt. Sobeslav war von Adalberts Bruder Friedrich seit den späten 70er Jahren aus der Herrschaft verdrängt wor57 Regesta Imperii IV.2: Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. (wie Anm. 37), 3, Nr. 2038. 58 Zitat schon oben, Anm. 27. 59 Vladislavs Abdankung ist bei Kejř, Jiří: Böhmen und das Reich unter Friedrich I., in: Haverkamp: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 1), S. 241–289, S. 259–263 zu einseitig als allein von Barbarossa ausgehende Maßnahme dargestellt. Immerhin hatte Vladislav durch seine Entscheidung dem am Hof weilenden Udalrich und dessen böhmischer Klientel doch einen Vorwand geliefert, um ihre eigenen Interessen durch Klage über Vladislavs Ungehorsam vor dem Kaiser zu befördern, vgl. Continuatio Gerlaci abbatis Miloricensis (wie Anm. 24), S. 685 Z. 38–S. 686 Z. 6. Nach der Absetzung Vladislavs übertrug Barbarossa die Herzogsherrschaft über Böhmen an Udalrich, der sie wenig später seinem älteren Bruder Soběslav abtrat. Vgl. dazu Bláhová, Marie: Die Beziehung Böhmens zum Reich in der Zeit der Salier und Frühen Staufer im Spiegel der zeitgenössischen böhmischen Geschichtsschreibung, in: Archiv für Kulturgeschichte 74 (1992), S. 23–48, S. 41 f. 60 Chronica collecta a Magno presbytero (wie Anm. 2), S. 498 Z. 15–18: Ipse autem archi­ episcopus iam nusquam certam mansionem habebat, quia pater eius rex Boemiae, cum quo antea morabatur, iam priori anno mortuus erat, et inperator regnum ipsum Boemicum vi obtinens, pro velle suo illud disposuerat, et ideo tutum non erat episcopo illic manere.

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den, der dann 1178 die Anerkennung seines kaiserlichen Vetters erhalten hatte; damit hatte wieder die mit Barbarossa verwandte Linie der Přemysliden den Herzogsthron eingenommen. Anfang der 80er Jahre eskalierte in Böhmen die Auseinandersetzung zwischen Friedrich und Konrad Otto von Mähren. Friedrich flüchtete an Barbarossas Hof, Konrad Otto wurde von seinem böhmischen Anhang zum neuen Herzog erhoben. Der Konflikt wurde auf dem Hoftag zu Regensburg im September 1182 entschieden, zu dem Barbarossa die beiden Rivalen und böhmische Große geladen hatte und wo er Friedrichs Rückkehr auf den Herzogsthron durchsetzte – mit der vielleicht nicht nur anekdotischer Geschichtsschreibung entsprungenen Präsentation von Beilen, um mit dieser drastischen Drohung den widerstrebenden Teil der Böhmen zum Gehorsam zu zwingen.61 Von einer möglichen Beteiligung Adalberts an diesem Geschehen wissen wir nichts – bekannt ist lediglich, dass er sich in diesen Jahren wieder in Melnik aufhielt.62 Gleichwohl ist es verführerisch, sich seine Beteiligung am Zustandekommen des Ausgleichs zwischen seinem Bruder Friedrich und Konrad Otto vorzustellen. Dafür gibt es freilich nur Indizien: Gerlach von Mühlhausen berichtet, dass sich Adalbert vor seiner Rückkehr nach Salzburg 1183 zweimal am kaiserlichen Hof aufhielt.63 Vielleicht ist diese zeitliche Koinzidenz ein Hinweis darauf, dass die neuerliche Übertragung des Erzbistums an Barbarossas böhmischen Vetter auch eine Belohnung für dessen erfolgreiche Vermittlung gewesen sein könnte. Als der Kampf zwischen Friedrich und Konrad Otto 1184 erneut aufflackerte, intervenierte Adalbert, damals schon wieder Erzbischof von Salzburg, zu Gunsten seines Bruders Friedrich mit einem großen Heer, das er bis nach Prag führte. Sollte Adalbert tatsächlich als Vermittler an dem Ausgleich zwischen Friedrich und Konrad Otto beteiligt gewesen sein, dann hätte ihn Konrad Ottos 61 Regesta Imperii IV.2: Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I., 4. Lieferung 1181– 1190, neubearb. von Ferdinand Opll, Wien/Köln/Weimar 2011, Nr. 2666 und Nr. 2670. 62 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis (wie Anm. 24), S. 694, Z. 4–7: Porro memoratus Albertus Salcburgensis archiepiscopus tempore scismatis, sicut supra diximus, faciente impe­ ratore episcopatum suum perdiderat, et contentus prepositura Melnicense in Boemia mane­ bat, factitans ordines clericorum nec non et consecrationes basilicarum, sine preiudicio tamen diocesani episcopi. 63 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis (wie Anm. 24), S. 694, Z. 9–12: Sic extra posses­ sionem sui episcopatus multo tempore et ut reor fere 15 annis deguit, donec isto primum anno vocatione imperatoris curias eius tercia vice visitavit, et tandem episcopatum recepit, in quo usque ad finem dierum suorum feliciter permansit.

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Friedensbruch desavouiert, und er hätte, den üblichen Spielregeln der Vermittlung folgend,64 auf Seiten des Angegriffenen, also seines Bruders, unterstützend eingegriffen. Ebenso gut kann Adalberts Parteinahme einfach nur brüderlicher Solidarität vor dem Hintergrund der Aufteilung ihrer jeweiligen Interessensphären geschuldet gewesen sein.65 Auch die Nachricht, dass ein neuerlicher Ausgleich zwischen Friedrich und Konrad Otto 1186 in Knin „auf Vermittlung verlässiger Männer“ erreicht wurde,66 könnte auf eine Beteiligung Adalberts hinweisen, zumal über seine Aufenthaltsorte in diesem Jahr mit einer einzigen Ausnahme – Salzburg – nichts bekannt ist.67 Das Schweigen der Quellen lässt viel Raum für Spekulation – und man sollte es mit der Hypothesenbildung gewiss nicht übertreiben. Aber immerhin scheinen die vorgetragenen Vermutungen vor dem Hintergrund des zwischen Verwandten üblicherweise solidarischen Handelns nicht gänzlich abwegig zu sein. Klar ist zumindest, dass mehr geschehen ist und mehr Personen an den Ereignissen beteiligt waren, als die wortkarge Überlieferung zu erkennen gibt. Dass Adalbert ex precepto imperatoris68 nach Salzburg zurückkehrte, verdeutlich jedenfalls, dass der Kaiser die geistliche Karriere seines Vetters förderte. In den narrativen Texten, insbesondere in der Salzburger Historia calamita­ tum, wird Verwandtschaft ausdrücklich als handlungsmotivierendes Konzept benannt, das zu friedlichem Umgang ebenso wie zu gegenseitiger Unterstützung 64 Eine Zusammenfassung der diesbezüglichen Forschung auf aktuellem Stand bei Althoff, Gerd: Der König als Konfliktpartei. Möglichkeiten und Grenzen von Vermittlung im Hochmittelalter, in: Ders. (Hg.): Frieden stiften. Vermittlung und Konfliktlösung vom Mittelalter bis heute, Darmstadt 2011, S. 81–97; Kamp, Hermann: Vermittlung in der internationalen Politik des späten Mittelalters, ebd., S. 98–123. 65 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis (wie Anm. 24), nennt S. 705, Z. 8–12 Adalbert ausdrücklich den Bruder Friedrichs und bezeichnet den Herzog Leopold V. von Österreich als den bedeutendsten von Friedrichs Freunden. 66 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis (wie Anm. 24), S. 705 Z. 45–47: Anno domini­ cae incarnationis 1186. vexatio dedit intellectum sepe dicto Cunrado, et videns se non pos­ se resistere duci Friderico et Boemis, mediantibus bonis viris venit ad eum in Knin, et facti sunt amici extunc et deinceps. Zur Sache Kejř: Böhmen (wie Anm. 59), S. 264–270; Wihoda: Die sizilischen (wie Anm. 56), S. 194–199; Ders.: Vladislaus Henry. The formation of Moravian identity, Leiden/Boston 2015, S. 36–40 und S. 64–66. 67 Regesta archiepiscopum Salisburgensis inde ab anno 1106 usque ad annum 1246, gesammelt und erläutert von Andreas v. Meiller, Wien 1866, S. 146. 68 Das Zitat schon oben in Anm. 7.

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verpflichtet; jedoch stellte die unterschiedliche Parteinahme im Schisma den Kaiser und seinen böhmischen Vetter vor ein zunächst unlösbares Dilemma. Dass der Salzburger Text Barbarossas und Adalberts Erwartungen bezüglich der Haltung des jeweils anderen mit ihrer Verwandtschaft begründet, dürfte ein Reflex des Stellenwertes sein, der diesem Argument in der damaligen Auseinandersetzung um das Erzbistum tatsächlich zukam; dagegen übergeht der Autor – als Folge seiner Parteigebundenheit – die herrschaftliche Seite der Beziehung zwischen Kaiser und Erzbischof, aus der Barbarossas Forderung nach Wahrung der Ehre des Reichs, des honor imperii, erwuchs. Unverkennbar überlagerten sich im Konflikt zwischen Barbarossa und seinem böhmischen Vetter Adalbert aber herrschaftliche und verwandtschaftliche Bindungen und die daraus resultierenden Verpflichtungen. Adalberts Vater, König Vladislav, seinerseits über seine babenbergische Gemahlin Gertrud ein angeheirateter Onkel Barbarossas, war in diesem Fall der gegebene Vermittler, begründete doch seine herrschaftliche Treuebeziehung zum Kaiser ebenfalls die Erwartung wechselseitiger Unterstützung: Schon deshalb ist es keine Überraschung, dass Vladislavs Vermittlungsinitiative zu Gunsten Adalberts auf Barbarossas Akzeptanz traf, und es ist denkbar, wenn auch nicht sicher, dass sich Vladislav im Gegenzug Barbarossas Zustimmung zu seiner Nachfolgeregelung in Böhmen erhoffte. Die verwandtschaftliche Beziehung unter den Protagonisten begründete – das jedenfalls war die Wahrnehmung der außenstehenden Zeitgenossen – die Erwartung gegenseitiger Hilfe. Auch für Barbarossa war die Verpflichtung, den honor eines Verwandten zu wahren und zu fördern, durchaus lebendig. Sein Angebot, Adalbert im Gegenzug für den Verzicht auf Salzburg „bei anderer Gelegenheit zu ehren“,69 erinnert an die berühmte Formulierung im privilegium minus, wonach Barbarossa den honor seines babenbergischen Onkels nicht schmälern wollte und ihn deshalb zum Herzog von Österreich erhob.70 Dass er seinem Vetter Adalbert 1183 das Erzbistum Salzburg übertrug, könnte noch in dem Friedensvertrag mit Alexander III. wurzeln, ist aber auch als Akt der Solidarität unter Verwandten erklärbar und war vielleicht durch Adalberts erfolgreiche Vermittlungstätigkeit

69 Das Zitat schon oben, Anm. 53. 70 Dazu Görich, Knut: „… damit die Ehre unseres Onkels nicht gemindert werde …“ Verfahren und Ausgleich im Streit um das Herzogtum Bayern 1152–1156, in: Schmidt, Peter u.a. (Hg.): Die Geburt Österreichs. 850 Jahre Privilegium minus, Regensburg 2007, S. 23–35, S. 24 f. und S. 31–33.

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im böhmischen Konflikt zusätzlich motiviert. Schließlich lässt sich im Konflikt mit Adalbert dieselbe Elastizität hinsichtlich der Aufnahme von Verhandlungen erkennen, wie sie Barbarossa auch in den Konflikten mit anderen Verwandten an den Tag legte – man denke an Heinrich Jasomirgott und Heinrich den Löwen.71 Der breite Horizont zeitgenössischer Vorstellungen von verwandtschaftlichen Verpflichtungen tritt im Gegensatz zwischen Barbarossa und Adalbert also mehrfach in den Blick. Jedoch verlangte die herrschaftliche Bindung die Wahrung des honor imperii. Dieser Grundsatz war als Richtschnur des politischen Handelns von allen Beteiligten anerkannt – der honor imperii stand im Zentrum von Barbarossas Forderungen an Adalbert, und Vladislav und Adalbert begründeten ihre Vorschläge zur Konfliktbeilegung explizit mit der Wahrung des kaiserlichen honor. Über den konkreten Vermittlungsvorschlag wurde freilich kein Konsens erzielt, da Adalbert entweder nie dazu bereit war, sein Pallium zu verbrennen – oder eine solche Demonstration von Gehorsam gegenüber dem Kaiser erst ablehnte, nachdem er gemerkt hatte, dass sie im Salzburger Klerus nicht konsensfähig war. Auf jeden Fall aber hatte Erzbischof Wichmann von Magdeburg den Eindruck gewonnen, dass Adalberts Vorschlag geeignet war, ihn unbeschadet der Ehre des Reichs in das Salzburger Erzbistum zurückkehren zu lassen. Für Adalbert hingegen wurde am Ende offenbar seine religiöse Überzeugung entscheidend: Gegenüber Alexander III. betonte er, er habe die Parteinahme seiner Verwandten im Schisma nicht teilen wollen. Das war zwar ein erkennbar situationsgebundenes Argument – aber im entscheidenden Moment verweigerte er sich tatsächlich dem Drängen seines Vaters und seines kaiserlichen Vetters, die alexandrinische Obödienz durch Verbrennung seines Palliums demonstrativ aufzukündigen. Wie schon im Falle von Barbarossas Onkel, Erzbischof Konrad II. von Salzburg, triumphierte auch im Falle Adalberts das Eigengewicht kirchlicher Amtsauffassung über die Erwartungen an geübte Solidarität unter Verwandten. Weil das aber nicht selbstverständlich und von vornherein sicher war, hatte der Salzburger Klerus zunächst befürchtet, Konrad könnte „aus Liebe zu seinem Fleisch und Blut [also zum Kaiser] leicht in die Verwirrung der Kirchenspaltung gestürzt werden“.72 71 Görich: Verfahren und Ausgleich (wie Anm. 70), S. 31; Ders.: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 475 f. 72 Historia calamitatum (wie Anm. 20), cap. 2, S. 300: sub magna festinatione elegerunt Chu­

Verwandte Gegner: Friedrich Barbarossa und Erzbischof Adalbert III. von Salzburg

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Für Barbarossa rangierte in der symbolträchtigen Entscheidung des Salzburger Konflikts die Wahrung des honor imperii – in Form von Regalienleihe vor der Konsekration und Ablehnung Alexanders III. – ganz klar vor etwaigen Verwandtenpflichten. Im Streit um das Salzburger Erzbistum behielt Barbarossa die Oberhand. Adalberts Resignation war um der Gesichtswahrung des Kaisers willen unvermeidbar. Aber der honor seines Vetters war dem Herrscher nicht gleichgültig – zum geeigneten Zeitpunkt durfte er 1183 ex precepto imperatoris73 auf den Salzburger Erzstuhl zurückkehren. Nun herrschte auch Übereinstimmung in zuvor kontrovers beurteilten Sachfragen. Hatte sich Adalbert noch 1168 der kaiserlichen Forderung nach der Regalieninvestitur vor der Bischofsweihe verweigert, so machte er sie sich 1186 im Trierer Bistumsstreit ausdrücklich zu eigen und vertrat sie offensiv in einem Brief an die Kardinäle.74 Das war eine unmissverständliche Demonstration seiner Treue zum Kaiser und des wiedergefundenen Einvernehmens zwischen den beiden Vettern. Anders als während des Konflikts um Salzburg zwischen 1168 und 1177 war den zeitgenössischen Chronisten während Adalberts zweitem Pontifikat die Verwandtschaft zwischen Kaiser und Erzbischof keinerlei Erwähnung mehr wert. Das reibungslose Verhältnis zwischen Reichsoberhaupt und dem Böhmen gab dazu keinen Anlass mehr – denn es entsprach offenbar allgemeiner Erwartung, dass Verwandte zusammenarbeiten. Ein abschließender Blick auf das Verhältnis zwischen Barbarossa und Vladislav warnt allerdings davor, sich die Beziehung zwischen Verwandten allzu harmonisch vorzustellen. Vladislav war durch seine Heirat mit Barbarossas babenbergischer Tante Gertrud – in moderner Terminologie gesagt: ein angeheirateter, affiner Verwandter, mit dem Staufer lediglich verschwägert. In einem Brief Barbarossas wird Vladislav gleichwohl als patruus noster bezeichnet.75 Das doch eher entfernte Verhältnis wurde am Hof also klar als Verwandtschaftsbeziehung wahrgenommen, und in Barbarossas berühmtem Privileg über onradum tunc Pataviensem episcopum magna tamen anxietate, eo quod patruus esset impe­ ratoris et amore carnis et sanguinis in errorem scismatis facile precipitari timeretur. 73 Das Zitat bereits oben bei Anm. 7. 74 Vgl. Regesta Imperii IV.2, 4 (wie Anm. 61), Nr. 3042. 75 DF I. 432 (wie Anm. 4), S. 327 Z. 27 f. (zusammen mit Herzog Heinrich Jasomirgott von Österreich); ebd. auch als carissimus, wie schon in DF I. 201 (wie Anm. 4), S. 337 Z. 30. Zur Verwendung des Begriffs patruus, der den Abstand einer Generation meint, vgl. Schieffer: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 22), S. 582 f.

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die Verleihung des Kronreifs an Vladislav von 1158 findet sich die Selbstverpflichtung des Kaisers, den honor des Böhmen wahren zu wollen.76 Ähnlich drückte er sich mit Blick auf seine Verwandten Adalbert und Heinrich Jasomirgott aus. Allerdings darf die Ehrung des Böhmen nicht vergessen machen, dass sie das Ende eines heiklen Annäherungsprozesses war: An dessen Anfang standen Vladislavs bei Vinzenz von Prag überlieferte Weigerung, dem zum König gewählten Barbarossa als einer novella creatura zu gehorchen, und Barbarossas Bereitschaft, Vladislavs Herzogtum an dessen Neffen Ulrich von Olmütz zu übertragen.77 Barbarossa war wegen der über seine Mutter Judith laufenden Verwandtschaft mit den Welfen in das Netz der babenbergischen Verwandtschaftsbeziehungen, das die Herrschaft seines Onkels und Vorgängers Konrad III. stabilisiert hatte, wenig integriert. Das dürfte die Ursache für seinen anfänglichen Gegensatz mit Vladislav gewesen sein; es ist ein Zeichen für Vladislavs ungebrochene Verbundenheit mit der Linie Konrads III., dass er dessen Sohn – und seinen Neffen –, Herzog Friedrich von Rothenburg, noch in der Tübinger Fehde 1164/66 mit einem massiven Aufgebot an Rittern unterstützte, was ­Barbarossas Haltung in dieser Frage diametral entgegenlief. Der frühe Tod Friedrichs von Rothenburg verhinderte einen Ausbruch des latenten Konflikts z­ wischen ihm und Barbarossa78 – und enthob Vladislav der schwierigen Entscheidung, für 76 DF I. 201 (wie Anm. 4), S. 337 Z. 6–16: Cum tam lege naturę quam scripta bonum opera­ ri moneamur ad omnes, precipue eos, qui in amministratione imperii et rei publicę veraci consilio et indefesso laboris studio nobis assistunt et pro gloria imperii propaganda stren­ nuissime decertando omnibus inimicorum incursibus et quibuslibet periculis sese obiciunt, specialis prerogativa honoris sublimare dignum duximus, ut de virtutum premiis et gloria coronę diffidere non debeant, qui legitime certaverint. Noverit igitur omnium Christi impe­ riique nostri fidelium tam presens ętas quam successura posteritas, qualiter nos Wadizlao illustri et strennuissimo duci Boemorum ob insignia servicii ac devotionis tam eius quam omnium Boemorum merita honoris insigne, quo avus et ceteri progenitores eius duces Boemię beneficio imperialis excellentię ceteris ducibus preminebat, circulum videlicet gestandum concessimus et per eum omnibus successoribus suis in perpetuum. 77 Vincentii Pragensis annales, ed. Wilhelm Wattenbach (Monumenta Germaniae Historica Scriptores 17) Hannover 1861, S. 658–683, S. 665 Z. 3–4: [Fridericus] ad quam domnus Wladizlaus, tamquam novelle creature obaudire nolens, ire rennuit. Dazu Kejř: Böhmen (wie Anm. 59), S. 248 f. 78 Althoff, Gerd: Friedrich von Rothenburg. Überlegungen zu einem übergangenen Königssohn, in: Schnith, Karl Rudolf/Pauler, Roland (Hg.): Festschrift für Eduard Hlawitschka (Münchener Historische Studien, Abt. Mittelalterliche Geschichte 5) Kallmünz

Verwandte Gegner: Friedrich Barbarossa und Erzbischof Adalbert III. von Salzburg

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welche Seite er im Konfliktfall hätte Partei ergreifen sollen. Barbarossa hatte also allen Grund, Vladislav mit viel politischem Fingerspitzengefühl entgegenzukommen, den früheren Gegner demonstrativ zu ehren, um ihn zum zuverlässigen Gefolgsmann zu gewinnen: Die Gewährung des Kronreifs und des Königstitels sowie reiche Belohnung für geleistete Dienste schafften die Grundlage für eine gegenseitige Treuebindung.79 Im Laufe der Jahre entwickelte sich daraus eine politische Konstante; sie war selbst auf die Nachricht von Vladislavs eigenmächtiger Nachfolgeregelung hin nicht gleich hinfällig. Glaubt man Gerlach von Mühlhausen, so sah sich Barbarossa seiner Pflichten, die aus Vladislavs „alter Freundschaft“ und „unserer Treue“ resultierten, auch durch dessen Eigenmächtigkeit bei der Nachfolgeregelung nicht gänzlich entbunden.80 Welche Einsichten hält der Blick auf die Beziehungen und Pflichten zwischen Barbarossa und seinen přemyslidischen Verwandten für die übergeordnete Frage nach den politischen Bindungen zwischen dem Reich und Ostmitteleuropa in der Zeit Friedrich Barbarossas bereit? Es dürfte deutlich geworden sein, dass eine Abgrenzung zwischen dem Reich und Böhmen nach staats- oder verfassungsrechtlichen Kategorien den Blick auf die Handlungsmotive der Zeitgenossen eher verstellt.81 Politisches Handeln erscheint vielmehr bestimmt von den Erfordernissen einer personal strukturierten Herrschaftsausübung, unter deren Bedingungen verwandtschaftlichen Bindungen größte politische Relevanz zukam. Gerade unter Verwandten waren demonstrative Rücksichtnahme auf persönli1993, S. 307–316; Zotz, Thomas: Friedrich Barbarossa und Herzog Friedrich (IV.) von Schwaben. Staufisches Königtum und schwäbisches Herzogtum um die Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Petersohn, Jürgen (Hg.): Mediaevalia Augiensia (Vorträge und Forschungen 54) Stuttgart 2001, S. 285–306. 79 Vgl. auch Wihoda: Die sizilischen (wie Anm. 56), S. 143. 80 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis (wie Anm. 24), S. 686 Z. 2–6: Cui cesar tale fer­ tur dedisse responsum: Cum rex Wladizlaus compos sui gubernaculis terre sufficeret, exau­ dire te noluimus propter antiquam eius amiciciam necnon et fidem nostram; modo vero ex quo infirmatus ultro cessit , et filium scilicet ad iniuriam nostram nobis inconsultis substi­ tuit, salva in omnibus fide nostra inveniemus viam, qua et tibi satis fiat et nobis. Zur Treuebindung vgl. allgemein Görich, Knut: Fides und fidelitas im Kontext der staufischen Herrschaftspraxis (12. Jahrhundert), in: Lepsius, Susanne/Reichlin, Susanne (Hg.): fides/triuwe (Das Mittelalter – Perspektiven mediävistischer Forschung 20.2, 2015), S. 294– 310. 81 Neue Perspektiven in dieser Diskussion öffnen Dendorfer: Der König (wie Anm. 12), und Wihoda: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 12).

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che Rangansprüche, Wahrung der Ehre – verstanden als ein dem Rang geschuldetes Zeichen sozialen Respekts – sowie zuverlässige Erfüllung der aus ­Treuebindungen resultierenden wechselseitigen Verpflichtungen probate Gestal­ tungsmittel der politischen Beziehungen. Es bleibt eine Herausforderung, diese Einsichten auch für das Verständnis der Beziehungen zwischen dem Reich, Böhmen, Polen und Ungarn im 12. Jahrhundert fruchtbar zu machen.

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In zweierlei Diensten. Die Bischöfe von Prag zwischen Friedrich Barbarossa und den böhmischen Herzögen1

Mit unverhüllter Bitterkeit berichtete der Abt Gerlach von Mühlhausen in seiner Chronik über den 1. November 1197. Auf der Prager Burg versammelte sich damals die Geistlichkeit der Prager Diözese, um den Nachfolger des verschiedenen Bischofs Heinrich Břetislav zu wählen. Zu der erwarteten Wahl kam es jedoch nicht, da der bis zu diesem Zeitpunkt angeblich unbekannte herzogliche Kaplan Daniel, genannt auch Milik, vor den Augen der Anwesenden niederkniete und in die Hand des böhmischen Herzogs Vladislav III. Heinrich den Treueid ablegte. Dabei missachtete er sowohl die althergebrachten Freiheiten als auch die kaiserlichen Privilegien (in preiudicium antique libertatis et in derogationem priuilegiorum imperialium), die beweisen sollten, dass die Investitur der Bischöfe in den böhmischen Ländern, d.h. in denen von Prag und Olmütz, dem Kaiser oblagen (inuestituram Pragensis et Olomucensis episcoporum ad imperatorem pertinere) und dass dem Prager Bischof der Status eines Reichsfürsten zuerkannt wurde (Pragensem episcopum principem foro testantur imperii).2 Gerlach stilisierte sich zum Augenzeugen (ibi uidimus) und ersetzte dessen ungeachtet den Singular in gerechtem Zorn durch den Plural. In Wirklichkeit konnte er sich auf eine einzige Urkunde berufen, auf eine goldene Bulle, die 1

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Der vorliegende Beitrag wurde im Rahmen des Projektes Center of excellence GACR 14-36521G (Centrum pro transdisciplinární výzkum kulturních fenoménů ve středoevropských dějinách: obraz, komunikace, jednání/ Zentrum für transdisziplinäre Forschung kultureller Phänomene in der mitteleuropäischen Geschichte: Bild, Kommunikation, Handeln) und mit der Unterstützung der Philosophischen Fakultät der Masaryk-Universität ausgearbeitet. Annales Gerlaci, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1875, S. 513 f.

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Anfang März 1187 von Friedrich I. Barbarossa in Regensburg besiegelt worden war.3 Deren Erlass soll ein Streit zwischen dem Prager Bischof Heinrich Břetislav und den Beamten des böhmischen Herzogs Friedrich sowie dessen Cousin Theobald vorausgegangen sein; nachdem keine Einigung erzielt worden sei, habe jener den Kaiser um Hilfe gebeten, der dann entschied, dass der Streit auf dem Hoftag in Regensburg verhandelt werden solle.4 Man muss hinzufügen, dass die im Abstand von beinahe 40 Jahren entstandenen Aufzeichnungen Gerlachs5 nicht im Widerspruch zu den herzoglichen Urkunden aus den Jahren 1185–1187 stehen, aus denen der Name des Prager Bischofs verschwunden war.6 Unserem Berichterstatter kann auch in dem Punkt Recht gegeben werden, dass zwischen Beschwerde und Erlass des Schiedsurteils ein halbes Jahr verging,7 und zwar deshalb, weil ein Schutzprivileg für das Kloster Eußerthal belegt, dass Heinrich Břetislav sich spätestens am 11. November 1186 mit dem Kaiser traf,8 seine Beschwerde jedoch erst im März 1187 auf die Tagesordnung gelangte. Eine Urkunde Barbarossas für die Benediktiner aus Seitenstetten verrät ferner, dass sich der Bischof von Prag und der Herzog von Böhmen bereits am 5. März 1187 von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden,9 was andeuten könnte, dass der Kaiser versucht hatte, noch vor Beginn des Hoftags eine Einigung zu erzielen. Allem nach war dies vergeblich, da er drei Tage später den Lausitzer Markgrafen Dedo, der Heinrich Břetislav in Regensburg vertrat, dazu aufforderte, die Anwesenden über den Inhalt der Klage in Kenntnis zu setzen. Auf den Vertreter verließ sich auch der böhmische Herzog Friedrich, der vernehmen ließ, dass nicht unbekannt sein könne, dass der Bischof von Prag ein 3

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Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii IV/2. Die Regesten des Kaiserreiches unter Friedrich I. 1152 (1122)–1190. 4. Lieferung 1181–1190, bearb. v. Ferdinand Opll, Wien/ Köln/Weimar 2011, S. 184, Nr. 3060. Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 479. Kernbach, Anna: Vincenciova a Jarlochova kronika v kontextu svého vzniku. K dějepisectví přemyslovského období (Knižnice Matice moravské 28) Brno 2010, S. 30–45. Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae I (805–1197), ed. Gustav Friedrich, Praha 1904–1907, S. 277, Nr. 307; S. 279 f., Nr. 309; S. 280–283, Nr. 310; S. 283 f., Nr. 311; S. 284 f., Nr. 312. Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 479 f. Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLXXXI. usque ad annum MCXC, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica Diplomata X/4) Hannover 1990, S. 223–225, Nr. 953. Ebd., S. 228–230, Nr. 956.

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Kaplan des böhmischen Herzogs sei – wie schon unter all seinen Vorgängern (sicut omnes praedecessores sui patrum et avorum meorum fuerunt capellani). Deshalb solle die Versammlung abwägen, ob es zulässig sei, dass sich ein Kaplan über seinen Herrn beschwere und ob ein Herr seinem Kaplan antworten müsse. Die arrogante Ansprache rief jedoch einen Sturm der Entrüstung hervor, und besonders von der hohen Geistlichkeit wurde daran erinnert, dass die Hoftage vom Prager Bischof besucht würden und er Zepter und Investitur nach Willen des Kaisers und nach dem Vorbild der deutschen Bischöfe und Reichsfürsten empfange (cuius imperii est princeps, cuius visitas curias, a quo suscipit sceptrum et investituram). Deshalb solle er der Aufsicht des böhmischen Herzogs entbunden und dem Kaiser unterstellt werden (soli tantum imperatori subiectus vel obnoxius).10 Der Prager Bischof brachte von Regensburg ein durch eine goldene Bulle besiegeltes Schutzprivileg (regale privilegium, aurea bulla munitum) mit, das am 1. November 1197 vom neuen Prager Bischof Daniel II. Milik (1197–1214) so sehr missachtet wurde. Gerlachs Enttäuschung bringt uns gleichzeitig zu der Frage, welche Stellung der Bischof von Prag in den Machtstrukturen des römischdeutschen Reiches einnahm, wenn ihn der böhmische Herzog als seinen Kaplan betrachtete, das Recht auf Investitur jedoch dem Kaiser gebührte.

I. Obwohl Gerlach von Mühlhausen nichts dergleichen im Sinn hatte, lieferte er den Historikern einen dankbaren Anlass, um über den Charakter von Heinrich Břetislav lamentieren zu können. Am meisten breitete dies auf die eine oder andere Weise Václav Novotný aus, der den Bischof als einen wehleidigen und eitlen Egoisten darstellte, der aus grenzenlosem Ehrgeiz und Machtbesessenheit die wesentlichsten Interessen seines Heimatlandes untergrub.11 Mit ausgesprochen großem Verständnis wurde von tschechischer Seite die These übernommen, dass Barbarossas Privileg schwerwiegende staatsrechtliche Folgen gehabt hät-

10 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 480. 11 Novotný, Václav: České dějiny I/2. Od Břetislava do Přemysla I. Praha 1913, S. 1087– 1094.

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te12 und man nicht speziell daran erinnern müsse, dass das Jahr 1187 von der deutschen Geschichtsschreibung als weiterer Versuch des kaiserlichen Hofes verstanden worden sei, den Osten des römisch-deutschen Reiches zu beherrschen.13 Eine unvoreingenommene Sichtweise wurde dabei bereits im Jahr 1904 von Anton Breitenbach angeboten, als er übersichtlich zusammenfasste, wie die Bischofsstühle in Prag und Olmütz bis zu dem Zeitpunkt besetzt worden waren, als die Bischofskapitel das ausschließliche Wahlrecht erlangten.14 Beharren wir auf dem hier angedeuteten Ansatz, bleibt nichts anderes, als uns der Entstehung des Prager Bistums zuzuwenden, die in der Regel in die Zeit zwischen 968 und 975 gelegt wird.15 Wer sich wie um sie verdient gemacht hat, ist von Cosmas, dem Dekan des Kapitels von St. Veit, am Anfang des 12. Jahrhunderts beschrieben worden. Die Erlaubnis des Heiligen Stuhls soll Mlada (Maria), die Tochter von Herzog Boleslav I. unter der Bedingung erhalten haben, dass sich der Bischofsstuhl nicht nach den Riten des bulgarischen oder russischen Volkes richten werde, die slawische Sprache nicht anwenden dürfe und für seine Verwaltung dem Wunsch der ganzen Kirche gemäß (totius ecclesie ad placitum) ein in lateinischer Schrift ausgebildeter Priester berufen werden solle (eligas).16 Etwas später, wohl im Jahr 973, habe Herzog Boleslav II. aus Sachsen den Gelehrten Thietmar berufen, der angeblich die slawische Sprache beherrschte, ihn dann der einberufenen Geistlichkeit, den Landesherren und dem Volk vorgestellt (cle­ rum, primates terre et populum convocat) und auf Fürsprache erreicht, dass er von den Anwesenden einstimmig zum Bischof gewählt wurde (sibi in episcopum 12 Kejř, Jiří: O říšském knížectví pražského biskupa, in: Český časopis historický 89 (1991), S. 481–491. 13 Wegener, Wilhelm: Böhmen/Mähren und das Reich im Hochmittelalter. Untersuchungen zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens und Mährens im Deutschen Reich des Mittelalters 919–1253 (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart 5) Köln/Graz 1959, S. 200–230. 14 Breitenbach, Anton: Die Besetzung der Bistümer Prag und Olmütz bis zur Anerkennung des ausschließlichen Wahlrechts der beiden Domkapitel, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für die Geschichte Mährens und Schlesiens 8 (1904), S. 1–46. 15 Třeštík, Dušan: K založení pražského biskupství v letech 968–976: pražská a řezenská tradice, in: Pánek, Jaroslav (Hg.): Vlast a rodný kraj v díle historika. Sborník prací J. Petráňovi, Praha 2004, S. 179–194. 16 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum I/22, ed. Bertold Bretholz/Wilhelm Weiberger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova series 2) Berlin 1923, S. 44.

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omnes communi assensu eligant). Danach habe sich der Herzog von Böhmen mit der Bitte um Zustimmung und Weihe an Kaiser Otto II. gewandt (collaudatione ac iussione ut ordinetur in episcopum). Erreicht habe er beides, da Thietmar vom Kaiser freundlich aufgenommen worden sei und ihm danach der Mainzer Metropolit Willigis die bischöfliche Salbung erteilt habe.17 Die Aufzeichnung von Cosmas entstand in großem zeitlichem Abstand und verrät auf den ersten Blick, dass der Schreiber keine zuverlässigen Vorlagen zur Hand hatte. Andernfalls hätte er Thietmars Tod nicht ins Jahr 969 (!) verlegen können18 und wohl dargelegt, dass Prag Mainz und nicht Salzburg unterstellt werden musste,19 weil der Regensburger Bischof, dessen Diözese Böhmen vor Ende des 9. Jahrhunderts einverleibt worden war, sich mit Unterstützung des Salzburger Erzbischofs in Obstruktionen flüchtete.20 Die erforderliche Erlaubnis erteilte er höchstwahrscheinlich erst nach Eingreifen Kaiser Ottos II., womit sich der etwas spezielle Status des Prager Bischofs wohl erklären ließe, der die Investitur (Temporalien) zwar aus der Hand des römisch-deutschen Herrschers empfing, dessen materielle Grundlage jedoch aus Schenkungen und Stiftungen der böhmischen Herzöge stammte.21 Cosmas hat sich zwar in den Jahreszahlen geirrt, nichtsdestotrotz lag er in der Sache selbst offensichtlich nicht falsch, da die Investitur aller Nachfolger Thietmars (973–982) auf die gleiche Art und Weise vonstatten ging.22 Im Jahr 982 wurde Adalbert zum Bischof ausgerufen (982–997), obwohl der Herzog und die Landesherren ihn gegen seinen Willen zur Versammlung des Volkes und der Geistlichkeit gebracht haben sollen (nolis velis, noster episcopus eris et Pragensis vel invitus episcopus vocaberis).23 Darauf erfolgte der Gang zum Kaiser, der Adal17 Ebd., I/23, S. 44 f. 18 Ebd., I/24, S. 46. 19 Büttner, Heinrich: Erzbischof Willigis von Mainz und das Papsttum bei der Bistumserrichtung in Böhmen und Mähren im 10. Jh., in: Rheinische Vierteljahresblätter 30 (1965), S. 1–22. 20 Kalhous, David: Záhadné počátky pražského biskupství, in: Doležalová, Eva/Novotný, Robert/Soukup, Pavel (Hg.): Evropa a Čechy na konci středověku. Sborník příspěvků věnovaných Františku Šmahelovi, Praha 2004, S. 195–207. 21 Graus, František: Böhmen zwischen Bayern und Sachsen. Zur böhmischen Kirchengeschichte des 10. Jahrhunderts, in: Historica 17 (1969), S. 5–42. 22 Hilsch, Peter: Der Bischof von Prag und das Reich in sächsischer Zeit, in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 28 (1971), S. 1–41. 23 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 16), I/25, S. 47.

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bert mit Ring und Hirtenstab beschenkte, und später wurde vom Mainzer Metropoliten die Salbung vorgenommen.24 Das Volk soll auch im Jahr 997 entscheidenden Einfluss genommen haben, als es sich für Strachkvas (Christian), den Bruder von Herzog Boleslav II. entschied.25 Während der Weihe in Mainz wurde der Elekt jedoch von einem Schlaganfall gelähmt26, weswegen sich der Herzog mit der Bitte an den Kaiser wandte, ob er nicht einen seiner Kapläne nach Prag entsenden könne. Otto III. verwies auf Thieddag (998–1017), der angeblich ebenso wie Thietmar die slawische Sprache verstand und nach seiner Weihe in Mainz sowohl von der Geistlichkeit als auch vom Volk der Prager Diözese respektvoll empfangen wurde (honeste a clero et populo Pragensem ecclesie recipitur).27 Aus Sachsen stammte auch der vierte Prager Bischof Ekkehard,28 mit dessen Episkopat (1017–1022) sich Cosmas lediglich in einem kurzen Nekrolog auseinandersetzte29. Wir gehen aber wohl nicht fehl in der Annahme, dass er das Amt im Einklang mit den Traditionen übernahm, da Cosmas bezüglich des fünften Bischofs Hizzo (1022–1030) erneut erwähnte, dass er vom Mainzer Metropoliten geweiht wurde (ordinatus est).30 Was Cosmas über die Beziehung des Prager Bischofs zum Herzog von Böhmen dachte, deutet ein Kommentar zur Wahl von Bischof Severus im Jahr 1030 an. Hizzos Nachfolger sei durch Zuvorkommenheit und durch seine Kochkunst hervorgetreten, was ihm angeblich die Gunst des Herzogs, allgemeine Beliebtheit sowie die Erhebung auf den Bischofsstuhl eingebracht habe.31 Ein schmackhaft zubereiteter Wildschweinpürzel auf der Tafel ließ jedoch in Vergessenheit geraten, dass Severus auch durch außerordentlichen Weitblick herausragte. Es scheint, dass Břetislav I. von Böhmen gerade auf seinen Rat hin im Jahr 1039 Gnesen überfiel, wo er die Reliquien des heiligen Adalbert holen ließ, mit deren Hilfe er Papst Benedikt XI. davon überzeugen wollte, dass der Status einer Kir24 25 26 27 28

Ebd., I/26, S. 47. Třeštík, Dušan: Přemyslovec Kristián, in: Archeologické rozhledy 51 (1999), S. 602–612. Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 16), I/30, S. 54 f. Ebd., I/31, S. 56. Thietmari Merseburgensis episcopi Chronicon VII/65, ed. Robert Holtzmann (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova series 9) Berlin 1935, S. 478 und 479. 29 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 16), I/39, S. 72; I/40, S. 75 f. 30 Ebd., I/40, S. 76. 31 Ebd., I/41, S. 76 f.

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chenmetropole Prag und nicht Gnesen gebührte.32 Zwei Jahre später gelang es Severus, einen Waffenstillstand mit dem römisch-deutschen König Heinrich III. auszuhandeln,33 und auch unter der Herrschaft von Spytihněv II., den er mit dessen jüngeren Brüdern aussöhnte, verlor er seinen Einfluss nicht.34 Severus setzte sich außerdem über Herzog Vratislav II. hinweg, der sich von ihm darlegen ließ, warum es gut wäre, das mährische Bistum zu erneuern.35 Cosmas’ Ausführungen über den Episkopat des Bischofs Severus (1030–1067) sind auffallend kühl, was mit dem Investiturstreit erklärt werden könnte, da Cosmas zu einer Zeit an seiner Chronik arbeitete, als über die Bedingungen des Wormser Konkordats noch verhandelt wurde. Die Nachrufe auf Severus’ Vorgänger und Nachfolger belegen allerdings, dass unser Berichterstatter in der Verflechtung weltlicher und kirchlicher Interessen nichts grundsätzlich Schlechtes sah und die Bischöfe mit Lob überhäufte, die auf die eine oder andere Weise die kirchlichen Pfründen und Einnahmen mehrten. Severus warf er jedoch in der postumen Erinnerung vor, dass dieser die Aufsicht über Mähren aufgegeben hätte,36 nahm ihm also nicht die engen Bindungen zum herzoglichen Hof übel, sondern den Verlust des mährischen Zehnten. Von keiner großen Begeisterung geprägt war auch Cosmas’ Haltung gegenüber Bischof Gebhard (1068–1090), dem Sohn von Herzog Břetislav I., der folglich auch Bruder von Vratislav II. war. Postum bezeichnete er ihn zwar als Edelstein unter den Geistlichen (gemma sacerdotum)37 und sparte auch im Nekrolog nicht an Lob,38 nichtsdestotrotz verglich er ihn, als dieser vom Studium davonlief, mit dem Julian dem Abtrünnigen,39 verurteilte seine Aufgeblasenheit,40 seinen leichtsinnigen Umgang mit dem ihm anvertrauten Amt,41 seine Zornaus32 Wihoda, Martin: První česká království (Edice Česká historie 32), Praha 2015, S. 107– 110. 33 Krzemieńska, Barbara: Boj knížete Břetislava I. O upevnění českého státu 1039–1041 (Rozpravy ČSAV, řada společenských věd 89/5) Praha 1979. 34 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 16), II/16, S. 106. 35 Wihoda, Martin: Morava v době knížecí 906–1197 (Edice Česká historie 21) Praha 2010, S. 127–138. 36 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 16), II/21, S. 112 f. 37 Ebd., II/41, S. 146. 38 Ebd., II/42, S. 147 f. 39 Ebd., II/18, S. 110. 40 Ebd., II/30, S. 125. 41 Ebd., II/25, S. 118.

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brüche42 und nur schwer beherrschte Eitelkeit.43 Unbarmherzig äußerte er sich zu den Konflikten zwischen Bischof Gebhard, dem Herzog, und ab 1085/1086 König Vratislav. Laut Cosmas sei alles auf den beklagenswert übereinstimmenden Charakter der beiden Geschwister zurückzuführen. Den einen habe die Ruhmsucht in Versuchung geführt, der andere sei dem Hochmut erlegen. Ersterer habe seinen Bruder nicht als seinesgleichen angesehen, der andere habe sich in seinen Rechten beschnitten gefühlt. Der eine habe der Obere sein, der andere sich nicht unterordnen wollen. Der eine sei wie ein König aufgetreten, der andere habe entschieden, nur auf den Kaiser zu hören, so dass Vratislav häufig ein Bischof gefehlt habe, der ihm an Feiertagen die Krone aufs Haupt setzte.44 Die komplizierte Beziehung der beiden starken Persönlichkeiten wurde in ihrem bekannten Teil in den Jahren 1067 und 1068 noch verwickelter, als über den Nachfolger von Bischof Severus entschieden wurde. Im Sinne von Herzog Břetislavs I. Vermächtnis hatte sich Gebhard auf die Übernahme des Amtes vorbereitet, Vratislav II. gab aber seinem Kaplan Lanz den Vorzug, der angeblich aus einem sächsischen Adelsgeschlecht stammte und dem Herzog gegenüber absolute Treue habe walten lassen (duci semper fidelis mansit).45 Deshalb stellte er Lanz den übrigen Brüdern vor; als er aber daran erinnert wurde, dass das Testament des Vaters anders laute, verlegte er die Wahl nach Dobenin, wo sich das Heer vor dem Feldzug nach Polen versammelt hatte. Dort pries er wieder die Vorzüge von Lanz, statt Zustimmung sei aber Murren laut geworden (fit murmur in populis, nec resonat vox congratulationis).46 Der verdrossene Vratislav war gezwungen nachzugeben und nahm die Kandidatur des Bruders Jaromír zur Kenntnis.47 Jaromír, der nach seiner Weihe den Namen Gebhard annahm, hat es eindeutig nicht an Selbstbewusstsein gefehlt. Nach der Rückkehr aus Mainz, wo er vom römisch-deutschen König und auch vom Metropoliten gesegnet worden sein soll,48 legte er Vratislav II. die Bitte vor, die Prager und mährische Diözese wieder zu vereinigen. Der zunehmende Druck ließ jedoch Gesandte der Kurie nach 42 43 44 45 46 47 48

Ebd., II/27, S. 121. Ebd., II/33, S. 130. Ebd., II/41, S. 145 f. Ebd., II/22, S. 114. Ebd., II/23, S. 115. Ebd., II/24, S. 117. Ebd., II/25, S. 118.

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Prag kommen, die klären sollten, wer der Verursacher der Konflikte war und was Gebhard so in Rage versetzt hatte, dass er in einem Zornausbruch den Olmützer Bischof Johann (1063–1085) auspeitschen ließ. Die skandalöse Eskapade ließ sich nicht mehr vertuschen; da die Legaten jedoch eine Untersuchung einleiteten, ohne vorher die Genehmigung des Mainzer Metropoliten Siegfried einzuholen, verweigerten Gebhard und die Geistlichkeit ihnen den Gehorsam.49 Seitens der römischen Kurie wurden die böhmischen Angelegenheiten am 8. Juli 1073 wieder aufgegriffen. Papst Gregor VII. drohte, dass die auferlegten Strafen noch verschärft werden könnten50 und erinnerte am 17. Dezember 1073 daran, dass der Erlass seiner Legaten auch weiterhin Gültigkeit habe.51 Erst dann machte Gebhard eine Kehrtwende, so dass der Papst am 31. Januar 1074 alle Parteien darüber in Kenntnis setzen konnte, dass er für den 13. April ein Schiedsverfahren anberaumt hatte.52 Mitte März 1074 wandte er sich an den Mainzer Metropoliten Siegfried und an Vratislav II. Während er aber dem Herzog freundliche Grüße zukommen ließ,53 fragte er den Erzbischof danach, wo dessen Beflissenheit geblieben sei, als Gebhard in Mähren gewütet habe.54 Vielleicht auch deshalb ist Vratislav zum Schluss gekommen, dass seine Teilnahme nicht unerlässlich sei, was Gebhard sich zunutze machte und schlichtweg abstritt, etwas Schlechtes begangen zu haben.55 Die glückliche Wendung brachte Cosmas mit der Fürsprache Mathildes von Tuszien in Verbindung,56 mit der Gebhard verschwägert gewesen sein soll.57 Trotzdem blieb er im Hauptanklagepunkt erfolglos, denn die umstrittenen Zehnten sollten unter der Verwaltung des mährischen Bischofs bleiben.58 Gebhard 49 Ebd., II/30, S. 125 f. 50 Gregorii VII Registrum, ed. Erich Caspar (Monumenta Germaniae Historica, Epistolae 2/1) Berlin 1920, S. 27 f., Nr. I/17. 51 Ebd., S. 60 f., Nr. I/38. 52 Ebd., S. 67 f., Nr. I/44; S. 68 f., Nr. I/45. 53 Ebd., S. 89 f., Nr. I/61. 54 Ebd., S. 87 ff., Nr. I/60. 55 Ebd., S. 111 f., Nr. I/78. 56 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 16), II/31, S. 126 f. 57 Hilsch, Peter: Familiensinn und Politik bei den Přemysliden. Jaromir-Gebehard, Bischof von Prag und Kanzler des Königs, in: Mordek, Hubert (Hg.), Papsttum, Kirche und Recht im Mittelalter. Festschrift für Horst Fuhrmann zum 65. Geburtstag, Tübingen 1991, S. 215–231, hier S. 222 und 223. 58 Gregorii VII Registrum (wie Anm. 50), S. 111 f., Nr. I/78.

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behauptete freilich nach seiner Rückkehr, der Papst habe zu seinen Gunsten entschieden, und so musste Gregor VII. dem Herzog und auch dem Olmützer Bischof versichern, dass der Streit lediglich vertagt worden sei.59 Am gleichen Tag bezichtigte er Gebhard des Betrugs und warnte ihn davor, seine Stellung zu missbrauchen.60 Deshalb konnte er im März 1075 sowohl den Bischof Johann als auch Gebhard empfangen, dem angeblich wieder Mathilde von Tuszien zu Hilfe eilte. Offenbar war dies nicht vergebens, da dem Prager Bischof die Hälfte des umstrittenen Vermögens zugesprochen und wegen der Verzwicktheit der Angelegenheit eine Frist von zehn Jahren festgelegt wurde, in der klarere Beweise gesammelt werden sollten.61 Der zehnjährige Aufschub bedeutete im Grunde genommen, dass der Papst das Interesse an dem Fall verloren hatte. Darin spiegelte sich wohl Gregors Enttäuschung über die böhmischen Verhältnisse, denn in den Bischöfen sah er eigentlich seine nächsten Verbündeten, und der Prager sollte dabei keine Ausnahme sein. Unsicherheit herrschte auch am herzoglichen Hof, wo man offenbar anfing, sich darüber bewusst zu werden, dass jedes Lob mit Geld oder Versprechen erkauft werden musste und dass der Papst sich in Angelegenheiten einzumischen begann, die man bis dahin als in der alleinigen Zuständigkeit der böhmischen Herzöge stehend betrachtete. Für Vratislav II. war das eine Warnung, für Gregor VII. ein natürlicher Zustand der Dinge, denn gemäß seinem ab April 1075 verkündeten Dictatus pape war die römische Kirche von Gott gegründet worden, weswegen der Papst Bischöfe richten, absetzen oder von einem Ort an einen anderen versetzen, nach Bedarf und eigenem Gutdünken neue Gesetze erlassen und die Angelegenheiten der römischen Welt klären konnte,62 deren Mittelpunkt der Heilige Stuhl war.63 Eine strengere Aufsicht gefiel jedoch auch Gebhard nicht, der Mitglied der Herrscherfamilie der Přemysliden blieb. Auch ohne Fürsprache der Kurie vermochte er sich Vratislav anzunähern, und im Sommer 1077 fanden sich beide auf dem Hoftag in Nürnberg ein. Dass sie zu einer Einigung fanden, wird dadurch 59 60 61 62

Ebd., S. 135 f., Nr. II/7; S. 137 f., Nr. II/8. Ebd., S. 133 ff., Nr. II/6. Ebd., S. 197 f., Nr. II/53. Schieffer, Rudolf: Gregor VII. und die Könige Europas, in: La Riforma gregoriana e l’Europa. Congresso Internazionale Salerno, 20–25 maggio 1985, I. Relazioni, Roma 1989 (Studi Gregoriani 13), S. 199–211. 63 Gregorii VII Registrum (wie Anm. 50), S. 201–208, Nr. II/55a.

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belegt, dass Gebhard zum Kanzler des römisch-deutschen Reiches ernannt wurde64 – obgleich die im Juni 1077 verliehene Würde keine andere Bedeutung hatte als die eines Ehrentitels.65 Die beiderseits vorteilhafte Zusammenarbeit fand ihren Höhepunkt zwischen den Jahren 1085 und 1086, als Gebhard die Rechte für Mähren zugesprochen wurden, wodurch er in den přemyslidischen Besitzungen zum einzigen Bischof wurde.66 Aber so, wie sich die Brüder versöhnen konnten, gerieten sie auch wieder miteinander in Streit. Den Grund dafür sah Cosmas in Vratislavs Versuch, in Olmütz seinen Kaplan Wenzel einzusetzen, weswegen sich Gebhard nach Rom begab, um sich über das ihm zugefügte Unrecht zu beschweren.67 Gebhard starb unterwegs in Ungarn, was Cosmas lakonisch so kommentierte: Sein Namensvetter (Cosmas) sei am 4. März 1091 von Vratislav II., der Geistlichkeit und dem Volk zum neuen Hirten gewählt worden (1091–1099) (electus est in episcopum tam a rege, quam oni clero ac populo).68 An anderer Stelle führte er dann aus, der neue Bischof von Prag sei auf Geheiß von König Vratislav gewählt worden – als ob er hervorheben wollte, dass die Meinung des Herrschers das größte Gewicht gehabt habe. Aus den daran anschließenden Zeilen geht überdies hervor, dass auch Kaiser Heinrich IV. sich nach Vratislavs Empfehlung gerichtet habe, als er dem Elekten trotz der Proteste des Bischofs von Münster Bischofsstab und Ring übergab.69 In den herzoglichen Gemächern wurde auch über Cosmas’ Nachfolger Hermann (1099–1122) entschieden, wobei der Chronist bei den Lesern keine Zweifel aufkommen ließ, dass die Nominierung erneut durch Treue bedingt war. Danach kam es zur üblichen Genehmigung der Geistlichkeit und des Volkes,70 und wie es scheint, verlief auch Hermanns Aufnahme am Kaiserhof glatt.71 64 Heinrici IV. Diplomata 1077–1106, ed. Dietrich von Gladiss (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata VI/2) Hannover 1959, S. 387 ff., Nr. 295; S. 389 f., Nr. 296; S. 430 ff., Nr. 328. 65 Kalhous, David: Jaromír-Gebhard, pražský biskup a říšský kancléř (1038–1090). Několik poznámek k jeho životu, in: Mediaevalia Historica Bohemica 9 (2003), S. 27–43. 66 Heinrici IV. Diplomata (wie Anm. 64), S. 515 ff., Nr. 390. 67 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 16), II/41, S. 145 ff. 68 Ebd., II/42, S. 148. 69 Ebd., II/49, S. 155 f. 70 Ebd., III/7, S. 167 f. 71 Ebd., III/8, S. 168 f.

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Eine einzige Zeile hat Cosmas der Wahl von Bischof Meinhard im Jahr 1122 vorbehalten,72 was er offenbar nicht getan hätte, wen das Prozedere auf irgendeine Weise vom üblichen Rahmen abgewichen wäre. Im Jahr 1130 wurde Meinhard jedoch einer Beteiligung an der Verschwörung gegen Herzog Soběslav I. bezichtigt,73 und wie ein Brief des Bamberger Bischofs Otto belegt, wurde er von jemandem beschuldigt, das Amt im Widerspruch zu den Traditionen angetreten zu haben.74 Das Schiedsgericht, bei dem zwei Bischöfe, der Bamberger Otto und der Olmützer Heinrich Zdik, zusammen mit den Äbten von sieben böhmischen Klöstern den Vorsitz führten, kam freilich zu dem eindeutigen Schluss, dass sich Meinhard nichts hatte zu Schulden kommen lassen, und am 28. Oktober 1131 sprachen sie ihn von jeglichem Verdacht frei.75 Eine unerhörte – bzw. eher zum ersten Mal öffentlich zugegebene – Situation trat nach Meinhards Tod im Jahr 1134 ein, als einer von Cosmas’ Fortsetzern einräumte, die Interessenten hätten versucht, durch Fürsprache und Bestechungsgelder die Gunst von Herzog Soběslav I. und des römisch-deutschen Königs Lothar III. zu erwerben. Deshalb habe der Herzog eine Versammlung (concili­ um) mit der Auswahl eines Kandidaten betraut, auf welcher die Großen des Landes, Geistlichkeit und Laien (optimates, tam clerici, quam laici) nach den Verhandlungen übereingekommen seien, die Prager Diözese dem Vyšehrader Probst Johann anzuvertrauen.76 Mit Erlaubnis (assensu et approbatione) des Königs sei dann die Weihe durch den Mainzer Metropoliten erfolgt.77 Es ist nicht bekannt, dass sich Bischof Johann (1134–1139) jemals gegen den böhmischen Herzog aufgelehnt hätte, nichtsdestotrotz hatte Soběslav I. nicht die Absicht, eine weitere Wahl dem Zufall zu überlassen. Offenbar nicht zufällig ist der ersten Fortsetzung von Cosmas’ Chronik zu entnehmen, dass nach Willen des Herzogs (cuius voluntate fuerat electus) der Abt des Saasauer Klosters Silvester vom Landtag der Böhmen gewählt wurde.78 Bei ihm handelte es sich offenbar 72 Ebd., III/49, S. 223. 73 Dragoun, Zdeněk: Konflikt knížete Soběslava s biskupem Menhartem a jeho líčení tzv. Kanovníkem vyšehradským, in: Mediaevalia Historica Bohemica 4 (1995), S. 69–78. 74 Codex diplomaticus regni Bohemiae I (wie Anm. 6), S. 125 ff., Nr. 117. 75 Canonici Wissegradensis continuatio Cosmae, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 213 f. 76 Ebd., S. 220 f. 77 Ebd., S. 221 f. 78 Ebd., S. 231.

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um einen Parteigänger des Herzogs, da der Elekt kurz nach Soběslavs Tod vom neuen Herzog Vladislav II. zur Abdankung veranlasst wurde.79 Cosmas’ Saasauer Fortsetzer kommentierte Silvesters Rückkehr ins Kloster in versöhnlichem Geist als Folge von dessen eigener Entscheidung,80 allerdings bestehen keine Zweifel, dass die Rochade, welche Otto, den Probst zu St. Veit auf der Prager Burg, an die Spitze der Diözese brachte,81 am Hofe des Herzogs vorbereitet worden war. Ihr Hintergrund wird dann durch die darauffolgenden Begebenheiten erhellt, als Otto außer der Erfüllung seiner Pflicht, nach Mainz zu reisen, um dort zu Pfingsten 1140 die Bischofsweihe zu empfangen82 und im Jahr 1143 in Prag den Legaten der Kurie Guido zu beherbergen,83 keinerlei Bemühungen an den Tag legte, sich am öffentlichen Geschehen zu beteiligen. Ottos Episkopat (1140–1148) war der letzte, der sich nicht mit Friedrich I. Barbarossas Herrschaft überschnitt. Rückblickend wird deutlich, dass das erste Wort dem böhmischen Herzog gebührte, der das Recht hatte, einen Kandidaten vorzuschlagen. Danach äußerte sich die Versammlung der Adeligen, der Geistlichkeit und des Volkes, deren Zustimmung dem Gewählten die Tür zum Hof der römischdeutschen Könige und Kaiser öffnete, wo er um die Überreichung des Rings und des Bischofsstabs ersuchen konnte. Der letzte Akt spielte sich dann in Mainz (oder dort, wo sich der Mainzer Metropolit oder sein Vertreter gerade aufhielt) ab, wo der Elekt die Bischofsweihe empfing. Ferner muss erwähnt werden, dass der Herzog die Auswahl des Kandidaten auf den Landtag der Böhmen übertragen konnte (1134), im äußersten Fall musste er sich dessen Standpunkt unterordnen (1067)84 oder konnte beim römisch-deutschen Herrscher um eine Nominierung bitten (997). Immer galt jedoch, dass die Wahl nicht unnötig aufgeschoben werden sollte, was Gerlach von Mühlhausen später sowohl König Vladislav als auch dessen Söhnen, den böhmischen Herzögen Friedrich und Vladislav III. Heinrich, vorgeworfen hat.85 79 Ebd., S. 233. 80 Monachi Sazawiensis continuatio Cosmae, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1874, S. 260 f. 81 Ebd., S. 261. 82 Canonici Wissegradensis continuatio Cosmae (wie Anm. 75), S. 234. 83 Novotný, Václav: K pobytu kardinála Guida v zemích českých r. 1143, in: Český časopis historický 25 (1919), S. 198–212. 84 Wihoda, Martin: Sněmy Čechů, in: Knoz, Tomáš/Dvořák, Jan (Hg.): Šlechta v proměnách věků, Brno 2011 (Edice Země a kultura ve střední Evropě 17), S. 17–37. 85 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 463.

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Von den zeitgenössischen Berichterstattern wurde leider nie erklärt, welchen Sinn das Ritual hatte, im Zuge dessen der Elekt Bischofsstab und Ring erhielt. Auf symbolisch-rechtlicher Ebene ging es dabei um die Investitur, genauer gesagt um die Temporalien, jedoch wurden Kirchenzehnt und Vermögen dem Prager Bischof nicht vom römisch-deutschen Herrscher, sondern vom böhmischen Herzog zugesprochen. Analog dazu ist nicht bekannt, dass der Prager Bischof vor dem römisch-deutschen Herrscher den Treueid abgelegt oder außerhalb der Grenzen Böhmens Güter und Lehen besessen hätte.86 Mit anderen Worten unterzog sich der Bischof einem Prozedere, das ihn dem Reichsepiskopat zuordnete, allerdings ohne der Reichskirche anzugehören und ohne, zumindest regelmäßig, die Hoftage zu besuchen.87 Der Prager Bischof konnte die Zweideutigkeit seiner Stellung zum eigenen Vorteil wenden; sieht man aber von dem eher nur dem Pergament anvertrauten als realen Seufzer Cosmas’ ab, dass Bischof Gebhard nur dem Kaiser ergeben sein wollte (soli imperatori suum profitetur servicium),88 ist nicht bekannt, dass die Prager Bischöfe, obgleich eine Reihe von ihnen ausländischer Herkunft waren,89 sich um eine würdige Vertretung auf den Hoftagen und Synoden des Reichsepiskopats bemüht hätten.90 Berücksichtigt man ferner die Tatsache, dass sich Bischof und Herzog die Prager Burg teilten und dass beide Höfe, der des Herzogs und der des Bischofs, direkt aneinander grenzten, kann man verstehen, warum der Herzog den Bischof als seinen Kaplan empfunden hat, besonders wenn er einen der untergebenen Bediensteten erhöhen ließ – neben denen hier freilich Adalbert, Severus, Gebhard oder etwa Meinhard genannt werden können, die würdige Partner der herrschenden Přemysliden waren. So ergibt sich der Anschein, dass es mehr auf eine starke Persönlichkeit als auf Traditionen und den rechtlichen Rahmen ankam, und zwar auf beiden Seiten, wodurch sich der Kreis schließt und wir zur zentralen Frage kommen, zur Beziehung der Prager Bischöfe zu Friedrich Barbarossa.

86 Hilsch: Der Bischof von Prag (wie Anm. 22), S. 5f. 87 Köster, Arnold: Die staatlichen Beziehungen der böhmischen Herzöge und Könige zu den deutschen Kaisern von Otto dem Grossen bis Ottokar II. (Untersuchungen zur Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte 114) Breslau 1912, S. 203–221. 88 Cosmae Pragensis Chronica Boemorum (wie Anm. 16), II/41, S. 146. 89 Graus: Böhmen zwischen Bayern und Sachsen (wie Anm. 21), S. 37f. 90 Wegener: Böhmen/Mähren und das Reich (wie Anm. 13), S. 200–230.

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II. Beginnen kann man mit dem 29. Juli 1148, als die Versammlung der Böhmen beschloss, Daniel, den Probst des Kapitels zu St. Veit als Administrator der Prager Diözese einzusetzen. Dabei waren seit dem Tod von Bischof Otto noch keine drei Wochen vergangen,91 was durchblicken lässt, dass die Wahl im Voraus vorbereitet gewesen sein musste. Offenbar war dies bereits seit dem Aufstand der přemyslidischen Fürsten im Jahr 1142 der Fall, als sich Otto zurückzog und sein Platz von dem Olmützer Bischof Heinrich Zdik (1126–1150) eingenommen werden musste. Die an Unfähigkeit grenzende Unentschlossenheit des Prager Bischofs kam in jenem Moment voll und ganz zum Ausdruck, als ihn die Benediktinerinnen des niedergebrannten St. Georgs-Klosters auf der Prager Burg um Rat fragten, ob sie die Gebeine der Heiligen in Sicherheit bringen könnten. Während Otto sich zu der Ausrede durchrang, er müsse auf Anweisungen aus Rom warten, genehmigte der Bischof von Olmütz Heinrich Zdik den Wunsch unverzüglich.92 Gerlach von Mühlhausen bezeichnete Heinrich Zdik als Blüte unter den Bischöfen, als von einen Gott sehr geliebten Mann, der sowohl bei der römischen Kurie als auch am Kaiserhof bekannt sei, als Säule und Licht Böhmens und Mährens, der in Frömmigkeit und Tugenden nicht seinesgleichen habe.93 Die Bewunderung des Mühlhausener Abtes kann man nach Durchsicht einer Zusammenstellung von Briefen nachvollziehen, die belegen, dass Heinrich Zdik mit einer Reihe von Persönlichkeiten freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Der Bischof schätzte den einflussreichen Abt Wibald von Stablo und Corvey sowie den römisch-deutschen König Konrad III. aufrichtig. Mit guten Erinnerungen gedachten die Päpste Innozenz II., Lucius II. und Eugen III. seiner. Bernhard von Clairvaux erklärte Heinrich Zdik zu einem heiligen, gelehrten und klugen Mann, Hugo, der Abt von Prémontré, wiederum versicherte dem Bischof, er werde mit seinen Mitbrüdern für dessen baldige Genesung beten, und auch in Jerusalem erinnerte man sich an Heinrich Zdik, wo ihm Rorgo Fretellus, der Dekan des Kapitels der Jungfrau Maria in Nazareth und Kanoniker bei der Grabeskirche, 91 Vincentii canonici Pragensis Annales, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Praha 1875, S. 419. 92 Canonici Wissegradensis continuatio Cosmae (wie Anm. 75), S. 233. 93 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 491.

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eine Beschreibung der denkwürdigen Orte im Heiligen Land widmete.94 Zu Heinrich Zdik emporgeschaut hatte auch der künftige Prager Bischof Daniel (1148–1167). Beide hatten dabei vieles gemeinsam: Sie kamen aus dem Umfeld des St. Veitkapitels auf der Prager Burg, beide verband ihre Sympathie zu Reformorden – besonders eine Schwäche für die Prämonstratenser – und eine für ihre Zeit ausgezeichnete Bildung. Deshalb kann man Peter Hilsch zustimmen, dass Daniel nicht der Nachfolger von Bischof Otto war, sondern eher der Erbe und Fortsetzer von Heinrich Zdik.95 Es scheint, dass Daniel deutlich von seinem Studium in Paris beeinflusst war,96 und laut Zeugnis des Kaplans Vinzenz beherrschte er die italienische Sprache.97 Zugleich fehlte ihm nicht die Gewandtheit eines Diplomaten, was er auf einem Hoftag in Merseburg unter Beweis stellte, wo er im Mai 1152 den abwesenden böhmischen Herzog vertrat. Und er vertrat ihn nicht nur: Vladislav II. ließ vernehmen, dass er vor einem Neuling (nouelle creature) nicht buckeln werde,98 womit er Friedrich I. Barbarossa meinte, und seine Dreistigkeit erregte echte Entrüstung. Im Kloster Reinhardsbrunn entstand sogar eine Stilübung, laut welcher Barbarossa den sächsischen Herzog darüber in Kenntnis gesetzt haben soll, die Impertinenz des böhmischen Herzogs nicht ungestraft lassen zu wollen, während der [sächsische] Herzog aber für den Missetäter, mit dem er ja verwandt und befreundet sei, ein gutes Wort einlegen könne.99 Trotzdem konnte Daniel den König davon überzeugen, dass er Vladislav zu seinen Parteigängern zählen könne, und über den Rahmen der Agenda des Hoftags hinausgehend traf er sich mit Oldřich (Udalrich), dem Sohn des ehemaligen Herzogs Soběslav I., der sich über Vladislav beschweren und die Herrschaft in Böhmen fordern wollte. Er hätte sein Ziel wohl auch erreicht, wenn der Prager Bischof nicht schlagfertig eingegriffen und den Exilanten dazu überredet hätte, nach Hause zurückzukehren.100 94 Wihoda: Morava v době knížecí (wie Anm. 35), S. 173–205. 95 Hilsch, Peter: Die Bischöfe von Prag in der frühen Stauferzeit. Ihre Stellung zwischen Reichs- und Landgewalt von Daniel I. 1148–1167 bis Heinrich 1182–1197, München 1969, S. 58f. 96 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 462. 97 Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 442. 98 Ebd., S. 421. 99 Collectio Reinheresbrunnensis, ed. Friedel Peeck (Monumenta Germaniae Historica, Epistolae 5) Weimar 1952, S. 64 f., Nr. 76. 100 Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 421.

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Das Ansehen des Prager Hofes stieg ferner durch die politisch vorteilhafte Vermählung mit Judith von Thüringen, die Vladislav II. bei Barbarossas breiterer Verwandtschaft einführte.101 Es überrascht wohl nicht, dass Bischof Daniel die Ehe vorverhandelt hatte;102 den größten Erfolg feierte er allerdings im Juni 1156, als er in Würzburg ein privates Treffen vereinbarte, auf welchem es gelang, die Vereinbarung zu schließen, laut welcher sich Vladislav verpflichtete, ein Hilfsheer in die Lombardei zu führen, wofür er mit der Krone geschmückt werden sollte.103 Warum man vor dem Italienfeldzug im engen Kreis verhandelte und warum der in Würzburg geschlossene Vertrag geheim gehalten wurde (secretorum publice)104, zeigte sich im Januar 1158: Als Friedrich I. Barbarossa dem böhmischen Herzog das Recht verlieh, an wichtigen Feiertagen einen Kronreif zu tragen105, und als Vladislav II. nach der Rückkehr aus Prag die Adeligen dazu aufforderte, sich dem Feldzug gegen Mailand anzuschließen, wurden auf dem Landtag der Böhmen Stimmen laut, er habe falsch gehandelt und der Vertrag sei ohne den Rat des Adels beschlossen worden. Die lautesten Vorwürfe gingen auf das Haupt des Prager Bischofs nieder, und obwohl Vladislav bestritt, dass Daniel ihm unangebrachte Vorschläge unterbreitet hätte,106 war die Mission des Bischofs in Ungarn, bei welcher er König Géza II. am Vorabend des Feldzuges gegen Mailand dazu brachte, leichte Reiterei als Verstärkung zu schicken, nicht der Aufmerksamkeit entgangen.107 Der Verdacht des Adels, der Prager Bischof sei ein stiller Mitgestalter des Konzeptes des zweiten böhmischen Königtums,108 bestätigte sich im Jahr 1163, als sich Vladislav II. in die Nachfolgekämpfe in Ungarn einmischte109 und die 101 102 103 104

Novotný: České dějiny I/2 (wie Anm. 11), S. 849–851. Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 420. Ebd., S. 424. Annales Gradicenses et Opatowicenses, ed. Wilhelm Wattenbach (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVII) Hannover 1861, S. 653. 105 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica Diplomata X/1) Hannover 1975, S. 335–337, Nr. 201. 106 Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 442. 107 Ebd., S. 425. 108 Wihoda: První česká království (wie Anm. 32), S. 173–196. 109 Georgi, Wolfgang: Friedrich Barbarossa und die auswärtigen Mächte. Studien zur Außenpolitik 1159–1180 (Europäische Hochschulschriften III/442) Frankfurt am Main/ Bern/New York/Paris 1990, hier S. 95–112.

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Verwaltung des Landes auf niemand anderen als auf Daniel übertrug.110 Deshalb kann man verstehen, dass der böhmische Herrscher Barbarossas Bitte im Herbst 1158, er solle auf die Dienste des Bischofs für einige Zeit verzichten, mit einer gewissen Leidenschaftslosigkeit (contra eius voluntatem) nachkam. Laut Vinzenz von Prag war Daniel am Kaiserhof tatsächlich ein willkommener Gast, genauer gesagt ein willkommener und nützlicher (in curia imperatoris acceptus et utilis).111 Es genügt, dabei auf die regelmäßigen Besuche der Hoftage zu verweisen, die vor dem Feldzug nach Mailand in Merseburg (1152) und Würzburg (1156) stattfanden; im Jahr 1157 erschien Daniel in Bamberg112 und später in Würzburg,113 wo man den Plan des Feldzuges in die Lombardei erörterte,114 und im Januar 1158 fehlte er auch nicht in Regensburg, wo Friedrich Barbarossa Vladislav den Kronreif verlieh.115 Der Prager Bischof ließ auch auf italienischem Boden von sich hören. Das böhmische Heer hatte die Umgebung der Stadt Brescia grausam verwüstet, und als nach zwei Wochen die Vereinbarung eines Waffenstillstandes gelang, versprach Daniel den Konsuln, sich beim Kaiser für sie einzusetzen.116 Friedrich Barbarossa traf er spätestens am 10. Juli 1158,117 und wie von Vinzenz belegt, erhielt Brescia auf die böhmische Fürsprache hin die kaiserliche Huld zurück, obgleich die Bürger sehr strenge Bedingungen akzeptieren mussten.118 Ein beträchtliches Maß an Mut bewies Daniel beim Überqueren des angeschwollenen Flusses Adda,119 allerdings vergaß er auch auf dem Schlachtfeld nicht, dass er Bischof war. Mit Bitten erwirkte er für einen gefangen genommenen Priester die Freiheit,120 für eine junge Frau hinterlegte er Lösegeld,121 und im Kloster

110 111 112 113 114 115 116 117 118 119 120 121

Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 457 f. Ebd., S. 442. Friderici I. Diplomata X/1 (wie Anm. 105), S. 293–295, Nr. 173; S. 295f., Nr. 174. Ebd., S. 305f., Nr. 182. Görich, Knut: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 262–268. Friderici I. Diplomata X/1 (wie Anm. 105), S. 335–337, Nr. 201; 338f., Nr. 202. Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 429. Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLVIII. usque ad annum MCLXVIII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica Diplomata X/2) Hannover 1979, S. 2f., Nr. 221. Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 430. Ebd., S. 432. Ebd., S. 431. Ebd., S. 439.

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­Chiaravalle ließ er die Gebeine der Gefallenen pietätvoll bestatten.122 Sein auf beiden Seiten durchweg guter Ruf brachte ihm einen Platz in der Kommission ein, welche die Bedingungen für den Waffenstillstand festlegen sollte,123 und am 8. September 1158 wurde er damit beauftragt, zusammen mit dem Bamberger Bischof Eberhard den Mailänder Metropoliten zum Kaiser zu bringen.124 In Begleitung des Erzkanzlers für Italien und gleichzeitigen Kölner Erzbischofs Rainald von Dassel nahm er die Eide der italienischen Städte entgegen und setzte kaiserliche Podestà ein,125 lud vor allem aber die Konsuln und Fürsten zum Hoftag ein, den der Kaiser zum 11. November 1158 nach Roncaglia einberufen hatte und auf dem die neuen Ordnungen legitimiert werden sollten.126 Soweit wir dies beurteilen können, kehrte Daniel kurz vor dem 25. Oktober 1158 von seinen Reisen in die italienischen Städte zurück127 und hielt sich bis zum Jahresende wohl in der Nähe des Kaisers auf.128 Es ist jedoch bezeichnend, dass er auch dort nicht die Studienjahre in Paris vergaß, da er seinen Kaplan Vinzenz damit beauftragte, in Bologna Bücher zu kaufen, besonders das Decre­ tum Gratiani. In der Zwischenzeit brannte durch einen unglücklichen Zufall sein Zelt mit der gesamten Ausstattung ab, freilich wurde Daniel vom Kaiser und den Reichsfürsten mit allem Nötigen ausgestattet.129 Zu dieser Zeit schrieb man bereits das Jahr 1159, das im Zeichen der erneuerten Feindschaft mit Mailand verging. Der Prager Bischof war allerdings mehr mit der schismatischen Papstwahl beschäftigt, in der Friedrich Barbarossa Viktor IV. unterstützte. Gemeinsam mit seinem Freund, Bischof Hermann von Verden, sollte er in Rom die Verhandlungen führen130, und wie es scheint, erstattete er dem Kaiserhof laufend Bericht.131 122 123 124 125 126 127 128 129 130

Ebd., S. 437. Ebd., S. 440. Ebd., S. 441. Ebd., S. 443. Görich: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 114), S. 301–311. Friderici I. Diplomata X/2 (wie Anm. 117), S. 13 ff., Nr. 228. Ebd., S. 19 ff., Nr. 231; S. 40 f., Nr. 244. Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 445. Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris IV/65, ed. Georg Waitz/Bernhard von Simson (Monumenta Germaniae Historica, Scirptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi [46.]) Hannover 1912, S. 309 f., hier S. 310. Vgl. auch IV/64, S. 309. 131 Friderici I. Diplomata X/2 (wie Anm. 117), S. 78 f., Nr. 270; S. 79 f., Nr. 271; S. 85 f., Nr. 275; S. 90 f., Nr. 279; S. 96 ff., Nr. 285.

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Vom Kaiser hatte sich Daniel im Februar 1160 verabschiedet,132 dessen ungeachtet wurde er vor der Rückkehr nach Prag noch mit der Aufgabe betraut, Erzbischof Lukas von Gran und den ungarischen König Géza II. für Papst Viktor IV. zu gewinnen. Nach einem freundlichen Empfang stellte sich jedoch heraus, dass die Gastgeber nicht beabsichtigten, Papst Alexander III. aufzugeben. Deshalb bedankte sich Daniel höflich für die Audienz und lenkte seine Schritte nach Böhmen. Dies geschah nicht ohne Befürchtungen, denn die Nachrichten aus der Heimat lauteten einstimmig, dass Vladislav über die Abwesenheit des Bischofs verstimmt zu sein begann. Er kam Daniel auch nicht entgegen, und sein Ärger wurde wahrscheinlich erst durch die vom Bischof überbrachten Grüße des Kaisers zerstreut.133 Friedrich Barbarossa wurde offenbar bewusst, dass Daniels Position in Böhmen nicht gerade einfach war. Vielleicht auch deshalb beorderte er ihn erst wieder im Jahr 1162, als die Versammlung in St. Jean de Losne Papst Alexander III. ablehnen sollte, zu sich. In einem persönlichen Gespräch134 konnte er den Kaiser darüber in Kenntnis setzen, dass ein nicht geringer Teil der ihm untergebenen Geistlichkeit anders gesinnt war,135 dennoch bemühte er sich für den Rest seines Episkopats darum, dass der mittlere Osten des Reiches eine feste Bastion des Staufers blieb. In Altenburg hatte sich Daniel Ende Februar 1165136 dazu verpflichtet, am neuen Italienfeldzug teilzunehmen.137 Sein Wort musste er im Herbst 1166 einlösen, und Barbarossa achtete darauf, dass der Prager Bischof ehrenhafte und wichtige Aufgaben erfüllte. Zusammen mit Bischof Hermann von Verden wurde er zum Hofrichter ernannt,138 Anfang März 1167 erteilte er dem künftigen Mainzer Metropoliten Christian die bischöflichen Weihen,139 und mitten im Sommer wohnte er Barbarossas Krönung in Rom bei. In der Nähe des Kaisers erschien Daniel zum letzten Mal am 6. August 1167 am Monte Mario.140 Drei Tage später weilte er bereits nicht mehr unter den 132 133 134 135 136 137 138

Ebd., S. 123 f., Nr. 307; S. 125 f., Nr. 308; S. 128 f., Nr. 310. Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 451. Friderici I. Diplomata X/2 (wie Anm. 117), S. 257 ff., Nr. 388. Novotný: České dějiny I/2 (wie Anm. 11), S. 945–947. Friderici I. Diplomata X/2 (wie Anm. 117), S. 385 f., Nr. 473. Görich: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 114), S. 403–413. Codex diplomaticus regni Bohemiae I (wie Anm. 6), S. 210, Nr. 234; Vincentii canonici Pragensis Annales (Anm. 91), S. 460. 139 Vincentii canonici Pragensis Annales (wie Anm. 91), S. 460. 140 Friderici I. Diplomata X/2 (wie Anm. 117), S. 479 ff., Nr. 480.

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Lebenden: Er war eines der ersten Opfer einer Fieber-Epidemie, die im August 1167 im kaiserlichen Lager wütete und einen fürchterlichen personellen Aderlass verursachte.141 Im Laufe einer einzigen Woche verlor Barbarossa nicht nur Daniel, sondern auch den Kölner Erzbischof und Reichskanzler Rainald von Dassel, die Bischöfe Hermann von Verden, Alexander von Lüttich, Konrad von Augsburg, Eberhard von Regensburg und Gottfried von Speyer.142 Es ging jedoch nicht nur um die reine Anzahl. In der unerträglichen Hitze und den Pestschwaden (nebulosa et pestilens aura)143 verlor der Kaiser die Ratgeber, mit denen das Konzept seiner Herrschaftsausübung stand und fiel. Auch Vladislav konnte sich als geschlagen ansehen, denn Daniel hatte es vermocht, Barbarossas Welt mit den böhmischen Interessen zu verknüpfen, und wie sich bald zeigen sollte, unterliefen dem alternden König ohne den erfahrenen Vertrauensmann und – etwas übertrieben gesagt – Mitregenten mehrere gravierende Fehler, die der Kaiser nicht übersehen konnte.144 Der souveräne Spagat, der Daniel zwischen dem Kaiser und dem böhmischen Herzog und König gelang,145 machte ihn zu einem Bischof in zweierlei Diensten. Fragen wir uns aber, warum er überhaupt zu einer einflussreichen, gewissermaßen unentbehrlichen Person am kaiserlichen und přemyslidischen Hof werden konnte. Man kann sich leicht vorstellen, warum er in Böhmen niemanden seinesgleichen hatte, in Barbarossas Nähe bewegten sich aber gleich mehrere Personen, die den Prager Bischof ihrer Herkunft nach überragten und mindestens genauso gebildet waren wie er. Auf ein Studium in Paris konnten wie Daniel der Mainzer Erzbischof Konrad, der Kölner Erzbischof Rainald, möglicherweise auch der Trierer Erzbischof Hillin und der Magdeburger Erzbischof Wichmann zurückblicken, von den Bischöfen dann Otto von Freising, wohl auch Eberhard von Bamberg und Hermann von Verden, und in Gran übte der ehemalige Pari141 Herde, Peter: Die Katastrophe vor Rom im August 1167. Eine historisch-epidemiologische Studie zum vierten Italienzug Friedrichs I. Barbarossa, Stuttgart 1991 (Sitzungsberichte der wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main XXVII/4), S. 139–166. 142 Görich: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 114), S. 417–421. 143 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 461. 144 Kejř, Jiří: Böhmen zur Zeit Fridrich Barbarossas, in: Engel, Evamaria/Töpfer, Bernhard (Hg.): Kaiser Friedrich Barbarossa. Landesausbau – Aspekte seiner Politik – Wirkung, Weimar 1994, S. 101–113. 145 Hilsch: Die Bischöfe von Prag (wie Anm. 95), S. 58–138.

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ser Student Lukas sein Amt aus. Die gemeinsame Erfahrung konnte Nähe schaffen,146 weswegen nicht ausgeschlossen ist, dass Daniel die Hoftage und den Kaiserhof als Ereignisse und einen Ort ansah, an denen er Kommilitonen treffen konnte, deren Fürsprache ihm den geschätzten Posten eines vertrauten Ratgebers Barbarossas verschafft haben mochte. Es genügte jedoch wenig, im Grunde genommen eine einzige Augustwoche, und das fein gesponnene Geflecht der freundschaftlichen Beziehungen war unwiederbringlich verloren. Verluste waren auf allen Seiten zu verzeichnen, wirkliches Chaos herrschte freilich auf der Prager Burg, wo man keinen würdigen Nachfolger Daniels finden konnte. Gerlach von Mühlhausen beschuldigte Vladislav, die Wahl absichtlich verzögert zu haben. Jedoch mangelte es eher an geeigneten Kandidaten. Auch Gotpold, der Abt des Sedletzer Klosters, war keiner, ihm verhalf mehr das Drängen der Königin Judith, mit der er verwandt war,147 als die Stimme der Geistlichkeit zur Wahl (magis de instantia reginae, cuius cognatus erat, quam de iudicio ecclesie), und als der Erkorene nach einigen Wochen starb (1168), vermerkte Gerlach bissig, dass Judith erneut das Ihrige durchsetzte und einen weiteren ihrer Verwandten wählen ließ, den des Tschechischen angeblich nicht mächtigen Friedrich.148 Friedrich ‚von Putelendorf ‘ war der letzte Graf von Goseck und hätte auf das Familienerbe in Sachsen Anspruch erheben können.149 Trotzdem gab er einer geistlichen Laufbahn den Vorzug, die im Magdeburger Kapitel ihren Anfang genommen hatte und im Frühjahr 1169 mit seiner Wahl zum Bischof von Prag (1169– 1179) gekrönt wurde. Weitverzweigte Familienbande rückten ihn nicht nur in die Nähe der thüringischen Landgrafen, sondern auch in die des Kaisers, der sich sogar ausdrücklich zur Blutsverwandtschaft bekannte.150 Vielleicht versprach sich Vladislav von der Wahl, dass der neue Bischof Daniel ersetzen könne, allerdings musste er Ende 1172 eingestehen, sich fatal geirrt zu haben. Auf dem Hoftag in Nürnberg soll der Bischof die Rochade um die Nachfolge verteidigt haben, mit der Vladislav die Herrschaft in Böhmen an seinen Sohn Friedrich in der Hoffnung 146 Ehlers, Joachim: Otto von Freising. Ein Intellektueller im Mittelalter, München 2013, hier S. 48–88. 147 Hilsch: Die Bischöfe von Prag (wie Anm. 95), S. 141 f. 148 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 463. 149 Hilsch: Die Bischöfe von Prag (wie Anm. 95), S. 143 ff. 150 Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLXVIII. usque ad annum MCXXX, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata X/3) Hannover 1985, S. 133, Nr. 636.

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abtrat, dass der Barbarossa bekannte Erbe nach Fürsprache des Prager Bischofs die Gunst des Kaiserhofes erlangen würde.151 Dies aber trat nicht ein, und Ende des Sommers 1173 war Vladislav zur vollständigen Abdankung gezwungen.152 Wir können nur Vermutungen darüber anstellen, inwieweit der Prager Bischof in Nürnberg von vornherein verlorene Positionen verteidigte und ob er den Kaiser mit etwas anderem als mit entfernter Verwandtschaft einnehmen konnte. Offenbar war dies nicht der Fall, da Friedrich Barbarossa ihn lediglich am Vorabend des Italienfeldzuges von 1174 in seine Dienste berief. Herzog Soběslav II. von Böhmen hat die Abreise des Bischofs jedoch schlicht verboten,153 und den Rest seines Episkopates verbrachte Friedrich im Schatten des Herzogshofs. Im Jahr 1178 hieß er den alt-neuen Herzog Friedrich auf der Prager Burg willkommen,154 und als er am 31. Januar 1179 aus dem Leben schied, hielt es niemand als erforderlich, seine Verdienste mit einem formalen Nachruf zu würdigen.155 Auch Bischof Valentin (1180–1182) hinerließ keine auffälligen Spuren, seine Wahl soll auf empörend unverblümten Druck von Friedrichs Frau, der Herzogin Elisabeth, stattgefunden haben. Vielleicht auch deshalb ließ sich Gerlach von Mühlhausen zu der üblen Nachrede hinreißen, dass er kein Latein beherrsche und von solch niederer Herkunft sei, dass er sich zum Bischof nicht geeignet habe. Störender war wohl jedoch, dass er zu den Kaplänen des Herzogshofs gehörte und keine Verbindungen zum bischöflichen Kapitel von St. Veit hatte. Die angeblichen Proteste der böhmischen Geistlichkeit blieben jedoch ungehört, und Valentin erhielt die Zustimmung des Kaisers sowie die Salbung, obgleich die versammelten Bischöfe angeblich erst durch großzügige Bestechungsgelder und durch das zusätzliche Versprechen der Kanoniker zu St. Veit überzeugt wurden, Valentin als ihren Bischof zu akzeptieren. Trotzdem hat sich Gerlach die kleine Boshaftigkeit nicht verkniffen, sein Episkopat habe kaum zwei Jahre gedauert und er habe nichts Denkwürdiges hinterlassen (nihil memorabile reliquit).156 151 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 464 f. 152 Kejř, Jiří: Böhmen und das Reich unter Friedrich I., in: Haverkampf, Alfred (Hg.): Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers (Vorträge und Forschungen 40) Sigmaringen 1992, S. 241–289, hier S. 260 ff. 153 Friderici I. Diplomata X/3 (wie Anm. 150), S. 133, Nr. 636. 154 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 472 f. 155 Ebd., S. 475. Vgl. dazu auch Hilsch: Die Bischöfe von Prag (wie Anm. 95), S. 165. 156 Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 476. Vgl. dazu Hilsch: Die Bischöfe von Prag (wie Anm. 95), S. 165–167.

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Gerlach von Mühlhausen hatte für Valentin kein einziges Wort des Verständnisses übrig; da er aber gleichermaßen auf Daniel II. Milik herabsah, ist es möglich, dass er sich auf diese Weise bemühte, die Einzigartigkeit von Heinrich Břetislav hervorzuheben, von dem die Prager Diözese in der Zwischenzeit, d.h. in den Jahren 1182–1197, verwaltet worden war.157 Und damit sich niemand erlaube, Zweifel aufkommen zu lassen, setzte er seinen Ausführungen über dessen Episkopat ein blumiges Vorwort voran, in dem er hervorhob, dass der Bischof, der ein Cousin Herzog Friedrichs von Böhmen war, nach seiner Rückkehr aus Mainz von der Prager Geistlichkeit begeistert empfangen wurde. Gerlach selbst war von Heinrichs Liebenswürdigkeit ergriffen und pries dessen Tugenden, von Zurückhaltung beim Essen über ein strenges Zölibat und den Schutz der Armen vor der Willkür der Adeligen bis hin zur Geduld, mit welcher er die Demütigungen der Mächtigen ertrug. Ein leichter Vorwurf zielte lediglich auf des Bischofs Gefühlskälte und Geiz,158 nichtsdestoweniger nannte er ihn im Nekrolog erneut eine goldene Blüte der Böhmen, einen Beschützer des Volkes und eine Zierde der Geistlichkeit, an die seit den Zeiten des heiligen Adalbert keiner im Land heranreichte.159 Wenn wir Gerlachs Lobgesang in den historischen Kontext einfügen, wurde Heinrich Břetislav in Paris eine alles in allem ausgezeichnete Ausbildung zuteil.160 Nach seiner wohl im Jahr 1181 erfolgten Rückkehr wurde er im Kapitel von St. Peter und Paul auf dem Vyšehrad zum Propst ernannt. Wie es scheint, herrschte am Herzogshof damals schon die einhellige Meinung, er werde einmal Bischof Valentin ersetzen, jedenfalls empfing er am 13. März 1182 ungefähr einen Monat nach dessen Tod die priesterliche Salbung. Danach wurde er am 25. März öffentlich gewählt,161 und im Mai begab er sich nach Mainz,162 wo er Friedrich Barbarossas Zustimmung und die Bischofsweihe empfing.163 An dieser Stelle sei wiederholt, dass Heinrich Břetislav von Anfang an von Herzog Friedrich gefördert worden war, der an einem glatten Ablauf der Ereignisse einen bedeutenden Anteil hatte. Und obwohl die Quellen stumm bleiben, kann man sich die vorsichtige 157 158 159 160 161 162 163

Hilsch: Die Bischöfe von Prag (wie Anm. 95), S. 168–216. Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 478 f. Ebd., S. 513. Ebd., S. 478. Hilsch: Die Bischöfe von Prag (wie Anm. 95), S. 169 ff. Friderici I. Diplomata X/4 (wie Anm. 8), S. 31 ff., Nr. 826. Novotný: České dějiny I/2 (wie Anm. 11), S. 1063.

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Spekulation erlauben, dass der Herzog im Bischof einen Verbündeten sah, und sich Heinrich Břetislav seinerseits wohl nicht gegen eine korrekte Zusammenarbeit sperrte. Dies galt zumindest bis zum Jahr 1185, als er seine Beteiligung an der Ausstellung herzoglicher Urkunden einstellte und dann im Herbst 1186 unter dem Schutz des Kaisers Zuflucht suchte.164 Seine Klagen und Beschwerden über die Willkür der landesherrlichen Beamten ebneten schließlich den Weg zu einem Schiedsverfahren – womit wir wieder zu der goldenen Bulle zurückkehren, die Anfang März 1187 in Regensburg erlassen wurde.165 Das kaiserliche Privileg verschwand in den Wechselfällen der Zeit. Es wurde offenbar unter dem Episkopat von Daniel II. Milik vernichtet, allerdings hat Gerlach von Mühlhausen eine Zusammenfassung seines Inhalts geliefert, worin er besonders unterstrich, dass der Prager Bischof nicht den böhmischen Herzögen, sondern ausschließlich dem römisch-deutschen Kaiser unterstehen solle (soli tantum imperatori subiectus vel obnoxius), von dem er Zepter und Investitur empfing (suscipit sceptrum et investituram), und als Reichsfürst (imperii est princeps) frei zu den Hoftagen fahren könne. Soweit unser voreingenommener Beobachter, aus dessen Schilderung deutlich wird, dass der Hoftag Heinrich Břetislav nicht erhöht hatte. Dort war man lediglich darin übereingekommen, dass die dem Bischof durch die kaiserliche Investitur übertragene Stellung vom böhmischen Herzog verweigert werde, wenn dieser ihn zu seinem Kaplan und Untertanen erklärt.166 Streng genommen hatte die goldene Bulle aus dem Jahr 1187 demnach keinen konstitutiven, sondern nur einen deklarativen Charakter,167 wobei sie ausdrücklich bestätigte, dass die Investitur ein festes Band zwischen dem Kaiser und dem Prager Bischof knüpfte.168 Der böhmische Herzog Friedrich verließ Regensburg enttäuscht und auch erniedrigt. Gerlach von Mühlhausen beklagte sich freilich darüber, er habe zwei Jahre regiert, ohne gegen seine Beamten eingeschritten zu sein, die an der Kirche auch weiterhin Unrecht verübt hätten.169 Heinrich Břetislav bekannte sich allerdings stolz zu Regensburg, und als er im Jahr 1193 den herzoglichen Thron bestieg, betonte er bewusst, dass er das Land als zweifacher Herzog verwaltet 164 165 166 167 168 169

Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 479 f. Friderici I. Diplomata X/4 (wie Anm. 8), S. 474 f., Nr. 1205. Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 480. Hilsch: Die Bischöfe von Prag (wie Anm. 95), S. 186. Kejř: Böhmen und das Reich (wie Anm. 152), S. 277–282. Annales Gerlaci (wie Anm. 2), S. 480 f.

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(ad pontificalis et principalis apicem dignitatis ascendimus).170 Gleichzeitig hatte sich nichts an der Tatsache geändert, dass er nur den Zustand verkündete, der in Regensburg benannt, jedoch nicht geschaffen wurde.171

III. Bei einer rückblickenden Bilanz wird deutlich, dass Friedrich Barbarossa nie versucht hatte, sich jene Rechte zunutze zu machen, geschweige denn zu missbrauchen, die sich ihm mit der Investitur der Prager Bischöfe boten. Eher das Gegenteil war der Fall: Die böhmischen Herzöge entsandten die Bischöfe jeweils dann an den Hof, wenn sie sich nicht selbst in die Reichspolitik einschalten wollten oder konnten. Vladislav II. ließ sich im Jahr 1152 in Merseburg von Daniel vertreten, und im Jahr 1172 betraute er Bischof Friedrich mit den Verhandlungen in Nürnberg. Im ersten Fall vertraute er wahrscheinlich auf den Überblick und die Redegewandtheit des Bischofs, im zweiten hoffte er wohl darauf, dass der Kaiser die Blutsverwandtschaft berücksichtigte. Wie sich aber zeigt, stellten die gemeinsamen familiären Wurzeln an sich keinen Wert dar, auf dem die Diplomatie des Prager Hofes aufbauen konnte. Doch auch das Studium in Paris war kein solcher. Während Daniel ehemalige Kommilitonen aufsuchte und sich wahrscheinlich mit ihrer Hilfe fest in der Nähe des Kaisers etablierte, ist nicht bekannt, dass sich der charakterlich verschlossene Heinrich Břetislav jemals auf die Studienjahre berufen hätte. Wenn er sich jedoch auf etwas verließ, dann auf seine adelige, herzogliche Herkunft, was nur bestätigt, dass die Beziehungen in dem gedachten Dreieck Kaiser – böhmischer Herzog – Prager Bischof zwar durch Traditionen definiert waren, im dahinfließenden Strom der Geschichte indes immer die persönlichen Voraussetzungen und aktuellen Interessen der Beteiligten entscheidend waren.

170 Codex diplomaticus regni Bohemiae I (wie Anm. 6), S. 321 ff., Nr. 356. 171 Zelenka, Jan: Sic sapiens imperator coniuratione rebellium repressit. Friedrich Barbarossa a české knížectví v optice procesu s vévodou Jindřichem Lvem, in: Mediaevelia Historica Bohemica 11 (2007), S. 39–75, hier S. 63–72.

Eduard Mühle

Der polnische Episkopat im Alexandrinischen Schisma (1159–1177)

In seiner grundlegenden Untersuchung der großen Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum in den Jahren 1159 bis 1177 hat Johannes Laudage „die zahlreichen Probleme […], die sich aus der inneren Struktur der wichtigsten europäischen Reiche und sonstigen Kräfte […] ergaben“, zu jenen Themen gezählt, die von der Forschung vernachlässigt worden seien, für eine umfassende Erklärung des Alexandrinischen Schismas, des Verhältnisses zwischen Alexander III. und Friedrich Barbarossa, aber nicht außer Acht gelassen werden dürften.1 Nun wird man das piastische Polen der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts kaum zu den „wichtigsten europäischen Reichen“ jener Zeit zählen, doch unter den „sonstigen Kräften“ hat es in der Politik des Stauferkaisers zumindest eine gewisse Rolle gespielt.2 Auch wenn die Quellenlage mehr als dürftig ist, mag es daher lohnend erscheinen, im Kontext dieses Bandes nach der Hal1

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Laudage, Johannes: Alexander III. und Friedrich Barbarossa, Köln u.a. 1997, S. 240; zum Schisma, Alexander III. und Friedrich I. vgl. auch Weinfurter, Stefan: Papsttum, Reich und kaiserliche Autorität. Von Rom 1111 bis Venedig 1177, in: Hehl, Ernst-Dieter (Hg.): Das Papsttum in der Welt des 12. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 77–99, bes. S. 88–98; Görich, Knut: Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert, Darmstadt 2001, S. 126–185; Ders.: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie, München 2011, S. 389–442; Maleczek, Werner: Das Schisma von 1159 bis 1177. Erfolgsstrategie und Misserfolgsgründe, in: Müller, Harald/ Holtz, Brigitte (Hg.): Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen, Wien u.a. 2012, S. 165–204; Duggan, Anne, J.: Alexander ille meus: The Papacy of Alexander III, in: Clarke, Peter D./Duggan, Anne, J. (Hg.): Pope Alexander III (1159–81). The Art of Survival, Farnham-Burlington 2012, S. 13–49; Johrendt, Jochen: The Empire and the Schism, ebd. S. 99–126. Zur Polenpolitik Friedrich I. Barbarossas und deren Wahrnehmung im Piastenreich vgl. die Beiträge von Zbigniew Dalewski und Michał Tomaszek in diesem Band.

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tung des polnischen Episkopats im Alexandrinischen Schisma, nach den Bindungen seiner einzelnen Mitglieder und danach zu fragen, ob und wie Letztere deren Haltung gegenüber Friedrich I. und seinen Gegenpäpsten und damit auch das Verhältnis zwischen Kirche und weltlicher Herrschaft im Piastenreich während des dritten Viertels des 12. Jahrhunderts beeinflusst haben. Wurde tatsächlich, wie Claudia Zey (ohne konkreten Beleg) feststellt, auch in Polen „um die Anerkennung des rechtmäßigen Papstes gestritten?“3 Erscheint es wirklich undenkbar, wie Czesław Deptuła schon vor 50 Jahren konstatierte, dass das Schisma und die mit ihm verbundene Polemik in Polen keinerlei Echo gefunden haben soll?4 Oder hat diese Frage den polnischen Episkopat letztlich doch wenig interessiert und beschäftigt? Um eine Antwort auf diese Fragen zu finden, soll im Folgenden zunächst (I.) die Organisationsstruktur und rechtlich-politische Stellung der polnischen Kirche um die Mitte des 12. Jahrhunderts skizziert, (II.) ihr Verhältnis zum Apostolischen Stuhl in den 1120–50er Jahren charakterisiert sowie (III.) ihre Haltung in dem in den 1140er bis 1150er Jahren zwischen dem piastischen Senior Władysław II. und seinen jüngeren Brüdern, den Juniorfürsten, ausgetragenen Konflikt erörtert werden. Sodann gilt es (IV.) den polnischen Episkopat in seiner personellen Zusammensetzung während der fraglichen Jahre des Schismas vorzustellen, um schließlich (V.) zu erörtern, was sich über dessen Haltung im Schisma und das Verhältnis der polnischen Bischöfe zum Apostolischen Stuhl in den Jahren 1159 bis 1177 sagen lässt.

I. Die polnische Kirchenprovinz lag um die Mitte des 12. Jahrhunderts noch immer an der Peripherie der lateinischen Christenheit.5 Die Pomoranen waren (dank 3

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Zey, Claudia: Handlungsspielräume – Handlungsinitiativen. Aspekte der päpstlichen Legatenpolitik im 12. Jahrhundert, in: Drossbach, Gisela/Schmidt, Hans-Joachim (Hg.): Zentrum und Netzwerk. Kirchliche Kommunikationen und Raumstrukturen im Mittelalter, Berlin/New York 2008, S. 63–92, hier S. 65. Deptuła, Czesław: Niektóre aspekty stosunków Polski z cesarstwem w wieku XII, in: Zins, Henryk (Hg.): Polska w Europie. Studia historyczne, Lublin 1968, S. 35–92, hier S. 52. Strzelczyk, Jerzy: Die polnische Kirche an der Grenze der römischen Christenheit im Mittelalter, in: Herbers, Klaus/Jaspert, Nikolas (Hg.): Grenzräume und Grenzüber-

Der polnische Episkopat im Alexandrinischen Schisma (1159–1177)

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piastischer Initiative) gerade erst christianisiert worden, während die nordöstlich und östlich benachbarten Prussen, Jadwinger und Litauer nach wie vor ihre gentilreligiösen Kulte pflegten. Im Südosten schloss sich der alter orbis der griechisch-orthodoxen Rus’ an, deren Bekehrung zum lateinischen Christentum der polnischen Kirche durchaus ein Anliegen war. Ihre eigene Kirchenorganisation war noch vergleichsweise jung. Sie war erst zur Jahrtausendwende begründet worden, in den 1030er Jahren teilweise aber wieder zusammengebrochen. Sie musste seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erst mühsam wiederhergestellt werden.6 Die tatsächliche Verchristlichung der Bevölkerung dürfte auch anschließend nur langsam vorangekommen und vielfach oberflächlich geblieben sein.7 Ihre dauerhafte mittelalterliche Gestalt erhielt die polnische Kirchenorganisation gegen Ende des ersten Viertels des 12. Jahrhunderts.8 Damals (1124) kamen zu den bereits im Jahr 1000 begründeten Bistümern Gnesen (Erzbistum), Posen, Krakau und Breslau sowie dem 1075 für Masowien errichteten Bistum Płock die Bistümer Kruschwitz-Leslau (Włocławek) für die nordöstliche Region Kujawien und das Bistum Lebus (Lubusz) für die westliche Grenzregion hinzu. Damit blieb es bei territorial relativ großen Diözesen, für die erst seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, vor allem dann im Verlauf des 13. Jahrhunderts mit der Errichtung von Archidiakonaten Substrukturen ausgebildet wurden, die eine flächendeckende administrative Durchdringung erleichterten, wenn nicht überhaupt erst ermöglichten.9 Auch die unterste Ebene der Kirchenorganisation

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8 9

schreitungen im Vergleich. Der Osten und der Westen des mittelalterlichen Lateineuropa, Berlin 2007, S. 389–402. Abraham, Władysław: Organizacja Kościoła w Polsce do połowy wieku XII, Wodzisław Śląski² 2009 [ursprünglich Lwów 1893]; Jurek, Tomasz: Losy arcybiskupstwa gnieźnieńskiego w XI wieku, in: Strzelczyk, Jerzy/Górny, Janusz (Hg.): 1000 lat Archidiecezji Gnieźnieńskiej, Gniezno 2000, S. 49–72; Mühle, Eduard: Kasimir I., Krakau und die Restauration piastischer Herrschaft in den 1040/50er Jahren, in: Beuckers, Klaus Gereon/Bihrer, Andreas (Hg.): Das Sakramentar von Tyniec. Eine Prachthandschrift des 11. Jahrhunderts und die Beziehungen zwischen Köln und Krakau in der Zeit Kasimir des Erneuerers, Köln u.a. 2018, S. 243-260. Stawski, Marek: Religijność w Polsce XII wieku. Zarys problematyki, in: Tyszkiewicz, Jan/Łukawski, Krzysztof (Hg.): Pierwsze wieki chrześcijaństwa w Polsce: do roku 1200, Pułtusk 2017, S. 97–112. Zum Folgenden vgl. auch Mühle, Eduard: Die Piasten. Polen im Mittelalter, München 2011, S. 73–76. Silnicki, Tadeusz: Organizacja archidiakonatu w Polsce, Lwów 1927; Panzram, Bern-

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bestand lange Zeit nur aus einem lockeren Netz sehr großer ‚Ur-Pfarreien‘. Deren sukzessive Auflösung bzw. Ersetzung durch kleinere Pfarrgemeinden begann spät und hat nicht vor dem 13. Jahrhundert zu einer signifikanten Verdichtung des Pfarrnetzes geführt.10 Noch sehr schwach entwickelt war um die Mitte des 12. Jahrhunderts auch die polnische Klosterlandschaft. Zu den ersten dauerhaften, nicht vor den 1040er bis 1070er Jahren entstandenen Benediktinerabteien Tyniec (bei Krakau), Mogilno (nordöstlich von Gnesen) und Lubiń (südlich von Posen) waren im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts lediglich drei Neugründungen in Breslau, Łysa Góra und Sieciechów hinzugekommen (möglicherweise eine vierte in Leubus). In den 1120er bis 1140er Jahren ließen sich zudem erste Vertreter der neuen Ordensgemeinschaften in Polen nieder – die Regulierten Chorherren gründeten ihre ersten Häuser im großpolnischen Trzemeszno, im masowischen Czerwińsk und auf dem schlesischen Zobtenberg, von wo sie ihren Sitz bald auf die Breslauer Sandinsel verlegten; die Zisterzienser erhielten ihre ersten polnischen Niederlassungen in den 1140er Jahren im kleinpolnischen Jędrzejów und im großpolnischen Łekno.11 Um die Mitte des 12. Jahrhunderts erweiterten mithin nicht hard: Die schlesischen Archidiakonate und Archipresbyterate bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, Breslau 1937, S. 32–39. 10 Schmid, Heinrich-Felix: Die rechtlichen Grundlagen der Pfarrorganisation auf westslawischem Boden und ihre Entwicklung während des Mittelalters, Weimar 1938, S. 252– 276; Tazbirowa, Julia: Początki organizacji parafialnej w Polsce, in: Przegląd Historyczny 5 (1963), S. 369–386; Wiśniowski, Eugeniusz: Parafie w średniowiecznej Polsce. Struktura i funkcje społeczne, Lublin 2004, S. 15–34; Irgang, Winfried: Aufbau und Entwicklung der Seelsorgeorganisation im östlichen Mitteleuropa, in: La pastorale della Chiesa in Occidente dall’eta ottoniana al concilo lateranense IV, Milano 2004, S. 299–323; Kurnatowska, Zofia: Początki organizacji parafialnej polskiego Kościoła, in: Dobosz, Józef (Hg.): Kościół w monarchiach Przemyślidów i Piastów, Poznań 2009, S. 37–48; Poniewozik, Leszek: Rozwój sieci parafialnej w średniowiecznej Polsce – wybrane problemy i propozycje rozwiązań, in: Grabczyk, Tadeusz/Nowak, Tadeusz (Hg.): Dynamika przemian społecznych i religijnych w średniowieczu, Warszawa 2011, S. 169–186. 11 Zu den polnischen Klostergründungen des 11.–12. Jahrhunderts vgl. neben dem Überblick bei Kłoczowski, Jerzy: Klöster und Orden im mittelalterlichen Polen, Osnabrück 2013, S. 29–82; Mühle, Eduard: Sakralstiftungen von Herzögen und Großen im piastischen Polen. Forschungsgeschichtliche Kontexte und mittelalterliche Zusammenhänge, in: Mühle, Eduard (Hg.): Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen, Berlin 2013, S. 7–35, bes. S. 14–17, 29 f., sowie Skwierczyński, Krzysztof: Imitatio regni. Adlige Stiftungen im Polen des 11. und 12. Jahrhunderts, ebd. S. 171–200;

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mehr als ein Dutzend Äbte den Kreis der kirchlichen Führungselite. Neben dem Erzbischof, den Bischöfen und den Äbten gehörten diesem Kreis zudem einige Dutzend Geistliche an, die sich – nachweisbar seit der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts – an den sieben Kathedralkirchen zu besonderen Gemeinschaften zusammengeschlossen hatten. Sie wurden bald mit eigenen Pfründen ausgestattet, traten den Bischöfen in verselbständigten Domkapiteln als eine gewichtige Gruppe zur Seite und schalteten sich aktiv in die Verwaltung der Diözesen ein. Wohl nicht vor dem ausgehenden 12. Jahrhundert ergänzten schließlich auch Angehörige von Kollegiatstiften, die an einigen bedeutenderen Kirchen entstanden, den Kreis der kirchlichen Elite.12 Die um die Mitte des 12. Jahrhunderts wohl nicht mehr als 100/150 Personen zählende kirchliche Führungsschicht verdankte Amt und Karriere nach wie vor allein dem weltlichen Herrscher. Dieser sah die von ihm investierten Bischöfe, Äbte und Angehörigen der Dom- und Stiftskapitel ungeachtet ihrer geistlichen Ämter als fürstliche Amtsträger an. Als solche waren sie wie alle anderen Untertanen dem herzoglichen Recht unterworfen, wurden in Streitfällen vor das herzogliche Gericht gezogen und den üblichen, dem Herzog zustehenden Abgaben und Leistungen unterworfen. Der Herzog garantierte dafür im Gegenzug weiterhin den Unterhalt der Kirchenleute. Erste Immunitätsverleihungen, die den kirchlichen Einrichtungen den Weg zu ihrer wirtschaftlichen Verselbständigung und damit eine Perspektive auch für eine politisch-rechtliche Emanzipation eröffneten, waren gerade erst errungen worden und mussten mit Hilfe päpstlicher Protektionsbullen noch in besonderem Maße gesichert werden. Tatsächlich blieben die kirchlichen Institutionen noch bis ins ausgehende 12. Jahrhundert

Dobosz, Józef: Herzogliche und adlige Stiftungstätigkeit im piastischen Polen des 12. Jahrhunderts, ebd. S. 201–267. 12 Zachorowski, Stanisław: Rozwój i ustrój kapituł polskich w wiekach średnich, Kraków² 2005 [ursprünglich 1912], S. 14–57; Szymański, Józef: Kanonikat świecki w Małopolsce od końca XI do połowy XIII wieku, Lublin 1995; Radzimiński, Andrzej: Die Geistlichkeit der mittelalterlichen Dom- und Kollegiatkapitel in Polen. Stand und Perspektiven der Forschung, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 2 (1997), S. 45–59; Ders.: Polnische Domkapitel des Mittelalters – Modelle der kirchlichen Karrieren, in: Quaestiones Medii Aevi Novae 12 (2007), S. 319–340; Bilska-Ciećwierz, Magdalena: Secular Canons in Poland to the End of the 13th Century (an Outline), in: Quaestiones Medii Aevi Novae 10 (2005), S. 303–329.

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eng an die fürstliche Gewalt gebunden.13 So sah sich die kirchliche Elite selbst mehr dem piastischen Landesherrn (Senior) bzw. ihrem jeweiligen Teilfürsten verpflichtet als dem Papst in Rom. Ganz selbstverständlich nahmen die Bischöfe weltliche Funktionen wahr, organisierten beispielsweise den militärischen Schutz ihrer Diözesen, begleiteten ihre Fürsten auf Feldzügen oder wirkten, wenn nicht Mönche und Kanoniker zur Stelle waren, in den herzoglichen Kanzleien mit. Erst seit der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert trat hier ein Wandel ein, begann sich die Ansicht durchzusetzen, dass die Bischöfe nicht gleichzeitig auch als herzogliche comites bzw. weltliche Amtsträger fungieren, nicht neben der göttlichen auch die irdische Macht repräsentieren sollten.

II. Für eine erfolgreiche Rezeption der gregorianischen Reformen und ein konstruktiv-entspanntes Verhältnis der piastischen geistlichen und weltlichen Elite zum Apostolischen Stuhl bot all dies um die Mitte des 12. Jahrhunderts noch keinen fruchtbaren Boden.14 Zwar gelangten mit den Regularkanonikern, Prämonstratensern und Zisterziensern auch erste Manifestationen der Reformkirche nach Polen und vermittelten die oft noch aus dem Westen stammenden Bischöfe mit theologischen und juristischen Traktaten, Texten antiker Autoren und zeitgenössischer Kanonisten auch erste Errungenschaften der „Renaissance des 12. Jahrhunderts“ ins Piastenreich. Dennoch war der Weg zu einer grundlegenden Kirchenreform im Polen des mittleren 12. Jahrhunderts noch kaum eingeschlagen, ließ der allgemeine Zustand der Kirche aus Sicht des Papsttums 13 Maciejewski, Jacek: Kościół wobec monarchii i korony królewskiej w Polsce średniowiecznej, in: Wihoda, Martin/Reitinger, Lukáš (Hg.): Proměna středovýchodní Evropy raného a vrcholného středověku. Mocenské souvislosti a paralely, Brno 2010, S. 214–237. 14 Zu den verzögerten Anfängen einer polnischen Rezeption der Kirchenreform vgl. Skwierczyński, Krzysztof: Recepcja idei gregoriańskich w Polsce do początku XIII wieku, Wrocław 2005; ein Überblick über das Verhältnis Polens zur Kurie bei Nowak, Przemysław: Die polnische Kirchenprovinz Gnesen und die Kurie im 12. Jahrhundert, in: Johrendt, Jochen/Müller, Harald (Hg.): Römisches Zentrum und kirchliche Peri­ pherie. Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., Berlin/New York 2008, S. 191–206, hier S. 202–203.

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zu wünschen übrig. Die Mehrzahl der polnischen Kleriker missachtete weiterhin den Zölibat, hielt die Laieninvestitur für selbstverständlich, war sich keines Simonie-Unrechts bewusst und verkörperte im Grunde all das, wogegen die Kirchenreformer im Westen schon eineinhalb Jahrhunderte zuvor den Kampf aufgenommen hatten.15 Weder die Piastenherzöge noch die von ihnen abhängigen polnischen Kirchenhierarchen haben vor der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts die Reformbemühungen des Apostolischen Stuhls aufgegriffen oder unterstützt. Sie haben kaum mit Rom kommuniziert. Die Herzöge haben sich an den Papst allenfalls dann einmal gewandt, wenn sie in einer heiklen Situation dessen Beistand benötigten. So bat Bolesław III. Paschalis II. im Frühjahr 1103 um einen Dispens, als seiner Eheschließung mit Zbislava, der Tochter des Kiever Großfürsten Svjatopolk II., kirchenrechtlich ein allzu enges Verwandtschaftsverhältnis im Wege stand.16 Erst über 40 Jahre später hoffte sein Sohn Władysław II. erneut auf päpstliche Hilfe – zunächst bei der Entbindung von einer Exkommunikation, die ihm vom Gnesener Erzbischof Jakub auferlegt worden war17, dann bei seinem Versuch, den Krakauer Senioratssitz zurückzuerlangen. Tatsächlich hat sich Eugen III. – wohl auf Drängen der königlichen Verwandten Władysławs, Konrads III. und Heinrichs VI., – seit 1146 in verschiedenen Schreiben für den vertriebenen piastischen Senior eingesetzt.18 Das dürfte die Beziehung seiner jüngeren Brüder und des an ihrer Seite stehenden polnischen Episkopats zur Kurie nicht unbedingt befördert haben. Dessen ungeachtet hat auch der polnische Episkopat in den 1140er bis 1150er Jahren den Papst gelegentlich in eigener Sache, nämlich bei seinen Bemühungen um eine Sicherung seiner jungen Besitzverhältnisse, um Hilfe und Schutz gebeten. So stellte im Juli 1136 Innozenz II. eine Protektionsbulle für das Erzbistum 15 Baran-Kozłowski, Wojciech: Arcybiskup gnieźnieński Henryk Kietlicz (1199–1219). Działalność kościelna i polityczna, Poznań 2005, S. 50. 16 Diese Tatsache überliefert in Galli Anonymi Cronicae et gesta ducum sive principum Polonorum, ed. Karol Maleczyński (Monumenta Poloniae Historica nova series 2) Kraków 1952, S. 90. 17 Chronica Poloniae Maioris, ed. Brygida Kürbis, Warszawa 1970, S. 51. 18 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski. Tom I: zawiera dokumenty nr 1–616 z lat 984–1287, ed. Ignacy Zakrzewski, Poznań 1877, Nr. 13 (3.5.1146); Schlesisches Urkundenbuch, Bd. I, ed. Heinrich Appelt, Wien u.a. 1971; Nr. 12 (31. Dezember 1146) und Nr. 14 (1. April 1148).

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Gnesen aus19, bestätigte Eugen III. im Mai 1147 den Regularkanoniker von Trzemeszno20, im April 1148 dem Bistum Włocławek21 und im Oktober des gleichen Jahres den schlesischen Augustiner-Chorherren22 den Besitz und stellte Hadrian IV. schließlich im April 1155 das Bistum Breslau unter seinen Schutz.23 Das war eine erhebliche Intensivierung der Kommunikation zwischen Rom und dem Piastenreich, zumal die Kontakte in den Jahren 1142, 1146 und 1148/49 durch den Besuch päpstlicher Legaten zusätzlich flankiert wurden.24 In den vier vor19 Najstarsze papieskie bulle protekcyjne dla biskupstw polskich. Zeszyt 1: bulla gnieźnieńska z 1136 r., ed. Olga Łaszczyńska, Poznań 1947; vgl. auch Midunsky, Max-Josef: Die Urkunde Papst Hadrians IV. für das Bistum Breslau vom Jahre 1155, in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 70 (1936), S. 22–62; Maleczyński, Karol: W sprawie autentyczności bulli gnieźnieńskiej z r. 1136, in: Ders.: Studia nad dokumentem polskim, Wrocław u.a. 1971, S. 170–188. 20 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 15. 21 Pommerellisches Urkundenbuch, Bd. 1, ed. Max Perlbach, Danzig 1882, Nr. 2. 22 Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 16. 23 Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 28; vgl. auch Maleczyński, Karol: Uwagi nad bullą papieża Hadriana IV dla biskupstwa wrocławskiego opatrzoną datą 23 IV 1154, in: Sobótka 14 (1959), S. 269–288. 24 Im April 1142 nahm ein unbekannter Legat an der Weihe der romanischen St. WenzelsKathedrale von Krakau teil; Kalendarz katedry krakowskiej, in: Najdawniejsze roczniki krakowskie i kalendarz, ed. Zofia Kozłowska-Budkowa, Warszawa 1978, S. 109–195, hier S. 141. Die Legation des Kardinals Humbald bezeugt eine am 2. März 1146 zu Gunsten der Adalbertskirche von Trzemeszno ausgestellte Urkunde Humbalds, Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 12; vgl. auch Kowalska, Elżbieta: Dokument Humbaldta, kardynała, legata papieskiego, wystawiony dla Trzemeszna w dniu 2 marca 1146 roku, in: Gniezno. Studia i materiały historyczne 1 (1984), S. 27–47. Zwischen September 1148 und Mai 1149 reiste Guido, der Kardinal von Crema und spätere Gegenpapst Paschalis III., auf Bitten König Heinrichs VI. nach Polen, um in der Angelegenheit Władysławs II. zu intervenieren; dazu siehe unten. Allgemein zum päpstlichen Legatenwesen im 12. Jahrhundert (ohne Berücksichtigung Polens): Zey, Claudia: Zum päpstlichen Legatenwesen im 12. Jahrhundert. Der Einfluß von eigener Legationspraxis auf die Legatenpolitik der Päpste am Beispiel Paschalis’ II, Lucius’ II und Hadrians IV, in: Das Papsttum (wie Anm. 1), S. 243–262; Dies.: Die Augen des Papstes. Zu Eigenschaften und Vollmachten päpstlicher Legaten, in: Römisches Zentrum und kirchliche Peripherie, in: Johrendt, Jochen/Müller, Harald (Hg.): Das universale Papsttum als Bezugspunkt der Kirchen von den Reformpäpsten bis zu Innozenz III., Berlin 2008, S. 77–108; Dies.: Handlungsspielräume, S. 63–92; Dies.: Legaten um 12. und 13. Jahrhundert. Möglichkeiten und Beschränkungen (am Beispiel der Iberischen Halbinsel, des Heiligen Landes und

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angegangenen Jahrzehnten waren die Kontakte weitaus seltener und sporadischer gewesen – nur ein einziger polnischer Bischof war kurz nach 1100 in Rom vom Papst persönlich geweiht worden25, während die päpstliche Seite lediglich um 1104 und 1124/25 zwei isolierte Versuche unternahm, sich vor Ort in die Angelegenheiten der polnischen Kirche einzumischen.26 Die Desorientierung und die Missverständnisse, die sich aus solch losen Kontakten ergeben mussten, hatten u.a. zur Folge, dass der polnische Episkopat 1130 den Gegenpapst Anaklet II. anerkannte und Papst Innozenz II. unmittelbar darauf vorübergehend die Ansprüche des Magdeburger Erzbischofs Norbert auf Teile des polnischen Erzbistums akzeptierte.27 Auch dies hat das wechselseitige Verhältnis belastet.

III. Die Interventionen Papst Eugens III. und seines Legaten Humbaldt für den vertriebenen Senior Władysław II. und seine Babenberger Ehefrau Agnes mussten die Stimmung des polnischen Episkopats gegenüber Rom ungeachtet der zwischenzeitlich von dort erlangten Protektionsbullen erneut eintrüben. Als

Skandinaviens), in: Herbers, Klaus (Hg.): Das begrenzte Papsttum: Spielräume päpstlichen Handelns. Legaten, delegierte Richter, Grenzen, Berlin/Boston 2013, S. 199–212. 25 Galli Anonymi Cronicae (wie Anm. 16), S. 90; Rocznik kapituły krakowskiej, in: Najdawniejsze roczniki (wie Anm. 24), S. 21–105, hier S. 53: Balduinus Rome consecratus est in episcopum Cracouiensem. 26 Die Legation des Bischofselekten von Beauvais Galo im Jahr 1104, in deren Verlauf der päpstliche Legat zwei polnische Bischöfe (vielleicht wegen Nichteinhaltung des Zölibats) abgesetzt haben soll, bezeugen Galli Anonymi Cronicae (wie Anm. 16), S. 94, und Rocznik kapituły krakowskiej (wie Anm. 25), S. 54; zur Legation des Abgesandten von Papst Calixt II., Ägidius von Tusculum, der die Errrichtung des Bistums Kruszwica-Włocławek voranbrachte und Besitzungen des Benediktinerkloster Tyniec bestätigte, Kodeks dyplomatyczny klasztoru tynieckiego. Bd. 1, ed. Wojciech Kętrzyński, Lwów 1875, Nr. 1; vgl. auch Skwierczyński, Recepcja (wie Anm.14), S. 279–285. 27 Urkundenbuch des Erzstifts Magdeburg. Teil 1 (937–1192), ed. Israel, Friedrich/Möllenberg, Walter, Magdeburg 1937, Nr. 227 (November–Dezember 1131); Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 7 (4. Juni 1133); vgl. Kehr, Paul: Das Erzbistum Magdeburg und die erste Organisation der christlichen Kirche in Polen, Berlin 1920, bes. S. 64–67; Abraham, Organizacja (wie Anm. 6), S. 278–283; Dobosz, Józef: Monarcha i możni wobec Kościoła w Polsce do początku XIII wieku, Poznań 2002, S. 222–226.

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Kardinal Guido auf seiner Legationsreise 1148/49 im Namen des Papstes die für die Vertreibung Władysławs verantwortlichen Juniorfürsten exkommunizierte und über ganz Polen das Interdikt verhängte28, ignorierte der polnische Episkopat diesen Bann nicht nur vollständig, sondern blieb im Gegenzug seinerseits offensiv. Erzbischof Jakub hielt den schon 1146 ausgesprochenen Bannfluch gegen Władysław und seine Gattin aufrecht. Auch die im Januar 1150 vom Papst unmittelbar ergangene Mahnung, das päpstliche Interdikt einzuhalten29, wurde ignoriert und verhallte in der polnischen Kirche wirkungslos. Der ganze Episkopat stand nicht nur geschlossen hinter dem Erzbischof, sondern auch hinter den piastischen Juniorfürsten. Nach dem Tod Bolesławs III. (1138) war es ungeachtet einer im Konsens erlassenen Thronfolgeordnung unter den Söhnen ziemlich bald zu den üblichen Thronstreitigkeiten gekommen. Die Erbregelung hatte vorgesehen, dass stets der älteste männliche Vertreter des Piastengeschlechts die Oberherrschaft ausüben sollte, während die Junioren jeweils mit einem eigenen Teilgebiet an der theoretisch ungeteilten Herrschaft über das regnum Poloniae partizipieren sollten.30 Der Episkopat hat diese Senioratsordnung ungeteilt gestützt und sich bis in die späten 1170er Jahre für ihren Erhalt eingesetzt. Die Vertreibung des Seniors Władysław II. im Frühjahr 1146 ist denn auch weder von den polnischen Bischöfen noch von den weltlichen Großen – von den Anhängern Władysławs selbstverständlich abgesehen – als eine Aushebelung des vereinbarten Senioratsprinzips verstanden worden. Sie haben für sich vielmehr (vielleicht schon mit bewusster Bezugnahme auf ein ius opponendi) das Recht in Anspruch genommen, einen ‚ungerechten Herrscher‘ seines Amtes zu entheben, um zum Wohle des regnum einen ‚besseren, gerechteren Herrscher‘ einzusetzen. Dabei hielten sie sich streng an das Senioratsprinzip und brachten mit Bolesław IV. den nach 28 Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 20. 29 Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 21. 30 Mistrza Wincentego zwanego Kadłubkiem Kronika polska/Magistri Vincentii dicti Kadłubek Chronica Polonorum, ed. Marian Plezia (Monumenta Poloniae Historica, Nova series 11) Kraków 1994, S. 118 f.; vgl. auch Labuda, Gerard: Testament Bolesława Krzywoustego, in: Opuscula Casimiro Tymieniecki septuagenario dedicta, Poznań 1959, S. 171–194; Derwich, Marek: Testament Bolesława Krzywoustego w polskiej historiografii średniowiecznej, Wrocław 1980; Rymar, Edward: Primogenitura zasadą regulującą następstwo a pryncypat w ustawie sukcesyjnej Bolesława Krzywoustego, in: Sobótka 49 (1994), S. 1–19; Osiński, Jacek: Statut Bolesława Krzywoustego, Kraków 2014.

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Władysław ältesten Piasten in das Prinzipat. Der spätere Krakauer Bischof Vincenz Kadłubek hat diese Haltung in seiner Chronica Polonorum gegen Ende des 12. Jahrhunderts in ein entsprechend eindeutiges Licht gerückt. Seiner Erzählung zufolge hatten die jüngeren Brüder Władysławs zunächst versucht, sich der Übergriffe des älteren Bruders friedlich (lacrimis quam lingue beneficio) zu erwehren. Doch habe sich Władysław „der Bruderliebe entkleidet, feindliche Gesinnungen angelegt“ und die Brüder „mit der blutigsten Wut verfolgt, ihre Städte besetzt und beabsichtigt, sie zu enterben“. Schon angesichts dieser Entwicklung, die Vincenz bezeichnenderweise in erster Linie der deutschen Ehefrau Władysławs, einem von ihr ausgehenden „unerträglichen Joch“ und „unerbittlichen Hass“ zuschrieb, sei der Gnesener Erzbischof „mit den vornehmsten Großen“ in das Lager der Junioren übergewechselt.31 Gemeinsam mit den weltlichen und geistlichen Großen Großpolens, Masowiens und Kujawiens gelang es Bolesław IV. und Mieszko III. schließlich, Władysław zu besiegen und zur Flucht ins Reich zu zwingen.32 Wie sich die Bischöfe von Breslau und Krakau, deren Diözesen territorial den Seniorats- und Teilgebieten Władysławs entsprachen, in dieser Situation verhalten haben, bleibt im Dunklen. Spätestens nach dem Herrschaftsantritt Bolesławs IV. werden sich aber auch der seit 1143 amtierende Bischof Matthäus (Mateusz) von Krakau und der spätestens seit 1146 in Breslau wirkende Johannes (Janik) den Junioren angeschlossen haben, zumal Letzterer 1148 von Bolesław ins Amt des Erzbischofs nach Gnesen berufen wurde. Auch sein Breslauer Nachfolger Walter wird dann zweifellos ein Mann des neuen Seniors gewesen sein. Der Episkopat war mithin in den 1150er Jahren geschlossen hinter dem neuen Senior versammelt. Er trug damit nicht nur zur Stabilisierung von dessen Herrschaft bei, sondern stützte diesen und die verbliebenen Junioren – Mieszko III., Heinrich von Sandomir und den noch unmündigen Kasimir II. – auch in ihrem anhaltenden Bemühen, eine Rückkehr Władysławs in das Krakauer Prinzipat zu verhindern. Tatsächlich konnten die entsprechenden Interventionen Konrads III. am Ende ebenso abgewehrt werden wie das 1157 mit deutlich

31 Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 119–120. 32 Zu den Ereignissen ausführlich Dworsatschek, Mariusz: Władysław II Wygnaniec, Kraków 2009, S. 95–159; Biniaś-Szkopek, Magdalena: Bolesław IV Kędzierzawy – Książę Mazowsza i princeps, Poznań 2009, S. 123–138.

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stärkerem Nachdruck vorgetragene Eingreifen Friedrich Barbarossas.33 Mochten die zwischen dem Kaiser und dem piastischen Senior in Krzyszkowo getroffenen Vereinbarungen und der Ausgang des ihnen vorausgegangenen kaiserlichen Feldzugs von polnischer und deutscher Seite auch unterschiedlich interpretiert worden sein, eine Folge war eindeutig: Die mit der polnischen Huldigung und Zusage von Tributzahlungen erwirkte Aufschiebung einer Lösung der WładysławFrage und die De-facto-Anerkennung Bolesławs als polnischer Senior haben dem vertriebenen Władysław tatsächlich die letzte Chance auf eine Rückkehr genommen.34 Ende Mai 1159, knapp vier Monate vor der das Alexandrinische Schisma einleitenden doppelten Papstwahl ist er in seinem Altenburger Exil gestorben.35

IV. Während der Jahre des Schismas bekleideten zwölf namentlich bekannte Männer die Sitze des Gnesener Erzbistums und seiner sechs Suffraganbistümer. Wer 1159–1177 Bischof in Lebus war, ist in den Quellen nicht überliefert.36 Für das 33 Hierzu vgl. Dalewski, Zbigniew: Polnische Herzöge und das Reich im 12. Jahrhundert, in diesem Band, bes. S. [nach Anm. 24]–[Anm. 42]. 34 So schon Deptuła: Niektóre aspekty (wie Anm. 4), S. 50. 35 Balzer, Oswald: Genealogia Piastów, Kraków² 2005, S. 229–230. 36 Jan Długosz nennt zum Jahr 1133 einen Lebuser Bischof Bernard. Vgl. Ioannis Dlugossii Annales seu Cronicae incliti regni Poloniae. Liber tertius/Liber quartus, ed. Zofia Budkowa u.a., Varsaviae 1970, S. 319. Ein zweiter Amtsinhaber namens Stefan ist zu seinen Lebzeiten in den Quellen nur ein einziges Mal bezeugt: Am 22. Juni 1149 begegnet er unter den bischöflichen Zeugen einer Schenkungsurkunde Bolesławs IV. für die Benediktiner auf dem Breslauer Elbing, Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 19. Ob dieser Stefan noch durch Władysław II. oder bereits durch Bolesław IV. in sein Amt investiert wurde, ist ebenso unbekannt wie sein genaues Todesdatum. Die Annalen des Krakauer Domkapitels erwähnen den Tod eines Bischofs Stefan im Jahr 1156, Rocznik kapituły krakowskiej (wie Anm. 25), S. 60. Diese Nachricht dürfte sich aber eher auf den Posener Bischof Stefan beziehen, dessen Tod die Lubiner Annalen zum Jahr 1159 bezeugen, Rocznik Lubiński, in: Roczniki wielkopolskie, ed. Brygida Kürbis, Warszawa 1962, S. 111–122, hier S. 113; das Nekrologium des Breslauer Vinzenzklosters vermerkt den Tod Stefans von Lebus (Stephanus episcopus Lubucenis) unter dem 4. April ohne Jahresangabe, Liber Mortuorum Abbatiae S. Vincentii Wratislavienis, ed. Karol Maleczyński, Warszawa 1971, S. 34. Mehr ist zu Stefan und seinem Wirken nicht bekannt. Erst für 1180 ist mit dem bei Vincentius als Teilnehmer der Synode von Łęczyca bezeugten Gaudenti-

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Bistum Włocławek ist für die fragliche Zeit ein Amtsinhaber namentlich erst ab dem Jahr 1161 bekannt. Bis 1156 bekleidete das Amt Werner, der spätere Bischof von Płock. Wer ihm nach seiner Versetzung nachfolgte, ist unklar. Jan Długosz nennt in seinem unsicheren, bezüglich der Daten etwas verwirrten Bischofskatalog für die Jahre 1156–1160 einen Bischof namens Honold, für die Jahre 1161– 1170 einen sonst nicht bezeugten Ruotger und für die Jahre 1172–1178 Werner.37 Quellen des 12. Jahrhunderts kennen für die 1160er bis 1170er Jahre dagegen nur einen Bischof Onold bzw. Onolf.38 Ob es sich bei diesem um ein und dieselbe Person oder um zwei verschiedene Personen gehandelt hat und Letzterer mit dem bei Długosz für die Jahre 1178–1190 genannten Wnelpus identifiziert werden kann, bleibt gänzlich unklar. Józef Dobosz zufolge soll Onold um 1177 gestorben sein, so dass ihm der seines Erachtens bis 1187 amtierende Onolf erst zum Zeitpunkt der Beendigung des Schisma nachgefolgt sein würde.39 In Gnesen war seit 1149/50 Johannes (Janik) Erzbischof. Der im Sandomirer Gebiet, im Dorf Brzeźnica geborene Pole – Długosz sah in ihm einen Angehörigen des Geschlechts der Gryfen (nacione Polonus et genere nobilis de domo Griffonum)40 – war als ein jüngerer Sohn (ein älterer Bruder namens Klemens wird urkundlich zum Jahr 1153 belegt41) wahrscheinlich früh für die geistliche

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us wieder ein Lebuser Bischof namentlich bekannt, Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 149; vgl. auch Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 328 f.; Karczewski, Dariusz: Stefan I., in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 43, Kraków u.a 2005, S. 129; Maciejewski, Jacek: Episkopat polski doby dzielnicowej 1180–1320, Kraków/Bydgoszcz 2003, S. 237. Jan Długosz, Catalogus episcoporum Wladislaviensium, ed. Ignacy Polkowski/Żegota Pauli, in: Jan Długosz, Opera omnia, Bd. 1, Cracoviae 1887, S. 523–526; Ioannis Dlugossii Annales seu Cronicae incliti regni Poloniae. Liber Quintus/Liber Sextus, ed. Zofia Budkowa u.a., Varsoviae 1973, S. 58, 69, 90 f., 116. Onold wird 1161 urkundlich als Teilnehmer der Zusammenkunft von Łęczyca genannt, Kodeks dyplomatyczny Małopolski. Tom II: 1153–1333, ed. Franciszek Piekosiński, Kraków 1886, Nr. 373 sowie bei Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 149, als Teilnehmer der Zusammenkunft am gleichen Ort von 1180 bezeugt. Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 331; vgl. auch Gieysztor, Aleksander: Onolf (Unolf), in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 24, Wrocław u.a. 1979, S. 66; Maciejewski, Episkopat polski (wie Anm. 36), S. 261 f. Ioannis Dlugossii Annales. Liber Quintus (wie Anm. 37), S. 37; vgl. auch Wójcik, Marek, L.: Ród Gryfitów do końca XIII wieku. Pochodzenie – genealogia – rozsiedlenie, Wrocław 1993, S. 26–29. Kodeks dyplomatyczny Małopolski II (wie Anm. 38), Nr. 372.

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Laufbahn bestimmt worden. Er scheint eine umfassende Ausbildung erhalten und vielleicht sogar im Ausland studiert zu haben. Vincenz Kadłubek hat ihn sicher nicht zufällig zu einem der beiden hoch gebildeten, intellektuellen Gesprächspartner jenes Dialoges erhoben, in dem er die ersten drei Bücher seiner Chronica Polonorum abgefasst hat. Dabei überließ er Johannes den Part des philosophisch reflektierenden Kommentators, der aus einer reichen Kenntnis antiker Schriften schöpfte. Nicht abwegig erscheint es, dass er seine Laufbahn in der herzoglichen Kanzlei begonnen hat und möglicherweise mit jenem Johannes (Jan) identifiziert werden kann, der Anfang März 1146 in der Urkunde Kardinal Humbaldts für das Kloster Trzemeszno als cancellarius Bolesławs IV. begegnet.42 Kurz darauf, d.h. wohl bereits nach der Vertreibung Władysławs II., ist er in Breslau Nachfolger Bischof Konrads geworden und tritt dort noch Ende Juni 1149 in einer Urkunde für das Breslauer Vinzenzkloster als Bischof hervor.43 Wann genau er anschließend Nachfolger des um 1149 gestorbenen Erzbischofs Jakub wurde, lassen die Quellen nicht erkennen. Bereits während der 1140er Jahre engagierte er sich gemeinsam mit seinem Bruder Klemens als Stifter und gründete auf den Familiengütern um Brzeźnica das Kloster Jędrzejów.44 Die erst 1153 ausgestellte Stiftungsurkunde für dieses neben Łekno ältesten polnischen Zisterzienserkloster, dessen erster Konvent unmittelbar aus Morimond kam, ist nur in einer verfälschten Kopie erhalten geblieben.45 Sie dürfte ursprünglich ebenso wie die im Original erhaltene Stiftungsurkunde für das zeitgleich gegründete Łekno wahrscheinlich von Johannes selbst diktiert worden sein; Letztere wurde in einer der Lütticher Schule entlehnten Schrift abgefasst und mit einem großen Siegel, dem ältesten bekannten polnischen Bischofssiegel, versehen. Es zeigt in sorgfältiger Ausführung das Portrait Johannes’ mit der Umschrift + Sigil­ lum Iohannis Archiepiscopi Polonie. Die Urkunde ihrerseits ist die älteste im Ori42 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 12; vgl. Maleczyński, Karol: O kanclerzach polskich XII wieku, in: Kwartalnik Historyczny 42 (1928), S. 29–51, hier S. 35 f.; anders Bieniak, Janusz: Polska elita polityczna XII wieku. Część III B. (Arbitrzy książąt – trudne początki), in: Społeczeństwo Polski średniowiecznej 7 (1996), S. 11–44, bes. S. 32 f.; Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 300. 43 Schlesiches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 19. 44 Dobosz, Józef: Proces fundacyjny i pierwotne uposażenie opactwa cystersów w Jędrzejowie, in: Olszewski, Daniel (Hg.): Cystersi w Polsce. W 850-lecie opactwa jędrzejowskiego, Kielce 1990, S. 40–79. 45 Kodeks dyplomatyczny Małopolski II (wie Anm. 38), Nr. 372.

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ginal erhaltene authentische polnische Stiftungsurkunde und gilt als ein Beleg für die Bemühungen Erzbischof Johannes‘ um die Ausbildung eines Urkundenformulars.46 Auch im Bereich des Kirchenbaus werden ihm besondere Verdienste zugeschrieben. Nach Długosz soll er um 1155 den Bau der Kollegiatskirche St. Paul in Kalisz initiiert haben.47 Dass er, wie Zofia Budkowa annimmt, die Anfertigung der berühmten Bronzetüren der Kathedrale von Gnesen iniitiert hat, ist nicht auszuschließen. Doch wird allgemein von einer etwas späteren Entstehungszeit dieses Werkes ausgegangen.48 Sicher beteiligt war er an der Vollendung des Baus der Kollegiatskirche von Tum bei Łęczyca; anlässlich ihrer Weihe im Mai 1161 versammelte er am Ort fast alle Herzöge und Bischöfe sowie zahlreiche Große des Landes.49 Eine ähnliche Zusammenkunft organisierte er 1167 anlässlich der Weihe der neuen Klosterkirche von Jędrzejów. Nach dieser Zusammenkunft verschwindet Johannes aus den Quellen, so dass sein weiteres Wirken ebenso im Dunklen bleibt wie sein genaues Todesdatum. Da sein Nachfolger Zdzisław erstmals im April 1177 in Erscheinung tritt und Johannes’ Tod in verschiedenen Totenbüchern auf den 11., 12. bzw. 13. März datiert wird50, liegt die Spanne dieses Datums zwischen März 1168 und Ende 1176/Anfang 1177.51 46 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 18; vgl. auch Maleczyński, Karol: O wpływie szkoły pisarskiej leodyjskiej na dukt dokumentów łekneńskich z r. 1153, in: Księga pamiątkowa ku czci Władysława Abrahama, Bd. 1, Lwów 1930, S. 367–380; Kürbis, Brygida: Cystersi w kulturze polskiego średniowiecza. Trzy świadectwa z XII wieku, in: Dies.: Na progach historii. Tom 2: O świadectwach do dziejów kultury Polski średniowiecznej, Posen 2001, S. 221–241, hier S. 228 f.; Dokument fundacyjny Zbyluta dla klasztoru cysterskiego w Łeknie z 1153 roku, ed. Andrzej M. Wyrwa, Lednica 2016, mit einer Abbildung des Siegels S. 54. 47 Ioannis Dlugossii Annales. Liber Quintus (wie Anm. 37), S. 56. 48 Budkowa, Zofia: Jan (Janik), in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 10, Wrocław u.a. 1964, S. 428 ff.; vgl. unten Anm. 54. 49 Kodeks dyplomatyczny Małopolski II (wie Anm. 38), Nr. 373. 50 Liber mortuorum Abbatiae sanctae Mariae Lubinensis, in: Liber fraternitatis et Liber mortuorum Abbatiae sanctae Mariae Lubinensis, ed. Zbigniew Perzanowski, Warszawa 1976, S. 15–115, hier S. 41; Liber Mortuorum Abbatiae S. Vincentii (wie Anm. 36), S. 26; Liber mortuorum monasterii Andreoviensis ordinis cistercienis, ed. Wojciech Kętrzyński (Monumenta Poloniae Historica 5) Lwów 1888, S. 769–805, hier S. 779. 51 Jan Korytkowski, Arcybiskupi gnieźnieńscy, prymasowie i metropolici polscy od r. 1000 aż do r. 1821, Bd. 1, Poznań 1888, S. 246–261; Gąsiorowski, Antoni: Janik (Jan), in: Słownik starożytności słowiańskich, Bd. 2, ed. Władysław Kowalenko u.a., Wrocław u.a. 1964, S. 319; Dobosz, Józef: Arcybiskup Janik i jego następcy. Przygotowanie do reformy Henry-

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Über das Wirken Zdzisławs ist wenig bekannt.52 Wann er in sein Amt gelangte, ist in den Quellen nicht überliefert. Am 26. April 1177 bezeugte er eine in Gnesen von Mieszko III. für die Zisterzienser von Leubus ausgestellte Urkunde, 1180 nahm er an der Zusammenkunft von Łęczyca teil und irgendwann zwischen 1170 und 1187 war er bei jenem Treffen zugegen, das Kasimir II. zu Ostern in Świerze Górne abhielt.53 Ob die letztere Begegnung, wie gelegentlich vermutet wird, der Vorbereitung des Treffens von Łęczyca diente und erstmals nach dem Umsturz von 1177 den Erzbischof mit dem Usurpator des Krakauer Principats, Kasimir, zusammenführte, bleibt ebenso ungewiss wie seine Haltung im Konflikt zwischen Mieszko und Kasimir sowie sein Todesdatum. In die 1170er bis 1180er Jahre, d.h. in Zdzisławs Pontifikat wird zumeist die Fertigstellung der Bronzetüren für die Gnesener Kathedrale datiert.54 Da der Erzbischof zweifellos ka Kietlicza, in: Strzelczyk, Jerzy/Górny, Janusz (Hg.): 1000 lat Archidiecezji Gnieźnieńskiej, Gniezno 2000, S. 81–96, hier S. 81–88; Ders.: Monarcha (wie Anm. 27), S. 386–389. 52 Korytkowski: Arcybiskupi (wie Anm. 51), S. 278–298; Dobosz: Arcybiskup (wie Anm. 51), S. 88 ff.; Ders.: Monarcha (wie Anm. 27), S. 303 ff.; Maciejewski: Episkopat polski (wie Anm. 36), S. 223. 53 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 22; Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 149; Kodeks dyplomatyczny Małopolski II (wie Anm. 38), Nr. 375. Nicht mit Zdzisław in Verbindung gebracht werden können die ihm von Długosz (auf Grund seiner verwirrten Chronologie in der Abfolge der Erzbischöfe) unter den Jahren 1189, 1191, 1196 und 1198 zugeschriebenen Kirch- und Bischofsweihen. 54 Mende, Ursula: Die Bronzetüren des Mittelalters. 800–1200, München 1983, S. 88–92; Mohnhaupt, Bernd: Typologische strukturierte Heiligenzyklen. Die Adalbertsvita der Gnesener Bronzetür, in: Kerscher, Gottfried (Hg.): Hagiographie und Kunst. Der Heiligenkult in Schrift, Bild und Architektur, Berlin 1993, S. 357–368; Starnawska, Maria: Drzwi Gnieźnieńskie a konflikty polityczne w Polsce w ostatniej ćwierci XII w., in: Rosik, Stanisław/Wiszewski, Przemysław (Hg.): Imago narrat. Obraz jako komunikat w społeczeństwach europejskich, Wrocław 2002, S. 263–291; Jarzewicz, Jarosław: Tür und Schrein. Zu einigen ikonographischen Vorbildern der Gnesener Bronzetüren, in: Helten, Leonhard/Schenkluhn, Wolfgang (Hg.): Romanik in Europa. Kommunikation – Tradition – Rezeption, Leipzig 2009, S. 113–126; Stróżyk, Paweł: Źródła ikonograficzne w badaniu źródłoznawczym na przykładzie drzwi gnieźnieńskich. Poznań 2011; Wetesko, Leszek: Zur Stiftungstätigkeit Herzog Mieszkos III. des Alten in Großpolen, in: Mühle, Eduard (Hg.): Monarchische und adlige Sakralstiftungen im mittelalterlichen Polen, Berlin 2013, S. 347–370, hier S. 354–359; Skwierczyński, Krzysztof: Książę czy arcybiskup fundatorem Drzwi Gnieźnieńskich? Próba nowej interpretacji pewnego motywu ikonograficznego, in: Dalewski, Zbigniew (Hg.): Granica wschodnia cywilizacji zachodniej w średniowieczu, Warszawa 2014, S. 279–295.

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maßgeblich an der Gestaltung dieses Meisterwerkes beteiligt war, kann auch dessen ikonographisches Programm sicher als ein Ausdruck seiner kirchlichen und politischen Vorstellungen angesehen werden. Dargestellt wurden Szenen aus dem Leben des Hl. Adalberts. Dies geschah ganz augenscheinlich nicht nur im historischen Rückblick, sondern auch mit Blick auf die Gegenwart. Denn der Bilderzyklus sollte nicht nur zur Wiederbelebung des Adalbertkultes beitragen, sondern auch die aus Sicht des Erzbischofs und Herzogs gültige Beziehung zwischen sacrum und profanum repräsentieren. In diesem Sinne mochte die Darstellung der Investitur Adalberts durch Otto I. dem Betrachter sinnfällig die Abhängigkeit der geistlichen von der weltlichen Macht vor Augen führen, während die gemeinsame Darstellung von Bolesław I. und Otto III. eine Gleichrangigkeit von Kaiser und polnischem Herzog suggerierte.55 Sollte diese Deutung zutreffen, dann erwiese sich der Gnesener Erzbischof noch in den 1170er bis 1180er Jahren als ein Anhänger des hergebrachten Modells der piastischen ‚Herrschaftskirche‘. In der Tat waren es vor allem die Erzbischöfe, die angesichts der einsetzenden territorialen Zersplitterung die Idee des einheitlichen regnum Polo­ niae aufrechterhielten und dafür an einer starken, von der Kirche gestützten zentralen Fürstenherrschaft festhielten. Den römischen Erneuerungsbestrebungen dürften sie daher zunächst weiterhin wenig aufgeschlossen gewesen sein. In Posen löste im Jahr der doppelten Papstwahl Bernard den seit 1151/52 amtierenden Bischof Stefan ab.56 Die Forschung hat ihn einerseits mit dem in der Urkunde des Legaten Humbaldt von 1147 bezeugten Propst von Trzemeszno57, andererseits mit dem „Propst von St. Peter“ (der Posener Kathedrale?) zu identifizieren versucht. Letzterer begegnet in einer zu Beginn der 1140er Jahre für das Kloster Mogilno ausgestellten Urkunde Salomeas von Berg zusammen mit Kaplanen, die deutsche Namen trugen.58 Sollten der Bernard dieser Urkunde und Bischof Bernard tatsächlich ein und dieselbe Person gewesen sein, könnte der Bischof einst im Gefolge Salomeas aus dem Reich nach Polen gekommen 55 Gieysztor, Aleksander: Drzwi Gnieźnieńskie jako wyraz polskiej świadomości narodowościowej w XII wieku, in: Walicki, Michał (Hg.): Drzwi gnieźnieńskie, Bd. 1, Wrocław 1956, S, 1–19, hier S. 14 f.; Deptuła: Niektóre aspekty (wie Anm. 4), S. 81 f. 56 Sappok, Gerhard: Die Anfänge des Bistums Posen und die Reihe seiner Bischöfe von 968–1498, Leipzig 1937, S. 86 f.; Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 316–320; Karczewski, Dariusz: Stefan, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 43, Kraków 2005, S. 129 f. 57 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 15. 58 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 9.

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sein.59 Die gegen Ende des 13. Jahrhunderts verfassten einschlägigen Einträge der Lubiner Annalen datieren das Ende seines Pontifakts in das Jahr 1164 und nennen als seinen Nachfolger Cherubin, der wiederum 1172 von Radwan abgelöst worden sein soll, dessen Amtsende bzw. Todesdatum die Annalen nicht verzeichnen.60 Da Vincenz Kadłubek Cherubin verlässlich zum Jahr 1180 als Teilnehmer der Zusammenkunft von Łęczyca bezeugt und für 1166/67 ein Cherubin als herzoglicher Kanzler begegnet61, müssen die Lubiner Annalen die Reihenfolge zwischen Cherubin und Radwan vertauscht haben.62 Wenn aber Radwan 1164 auf Bernard folgte, dann könnte dieser mit jenem Radvanus cancellarius identisch gewesen sein, der 1153 in der Zeugenliste der Stiftungsurkunde des Zbylut für das Kloster Łekno begegnet63, mithin vor Übernahme des Bischofsamtes als Kanzler am Hof Mieszkos III. tätig gewesen sein.64 Ein Radovanus predecessor noster [sc. Poznaniensis episcopi] stiftete später zusammen mit Mieszko III. das Johanniterspital St. Michael bei Posen und stattete es mit einem Zehnten aus.65 Darüber hinaus ist weder über die kirchlichen noch die politischen Aktivitäten und Haltungen der genannten Posener Bischöfe etwas Näheres bekannt. In Płock saß seit 1156/57 Werner auf dem Bischofsstuhl.66 Er stammte entweder aus Burgund oder – was als wahrscheinlicher gilt – aus Bamberg. Für Burgund wird als Argument angeführt, dass Werner Reliquien des Hl. Sigismund nach Płock überführte, für Bamberg, dass er dort zugleich den Kult des Gründers des Bamberger Bistums, des Heiligen und Kaisers Heinrich II., zu etablie59 Semkowicz, Władysław: Bernard, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 1, Kraków 1935, S. 457 f. 60 Rocznik Lubiński (wie Anm. 36), S. 114. 61 Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 149; Semkowicz, Władysław: Nieznane nadania na rzecz opactwa jędrzejowskiego w XII wieku, in: Kwartalnik Historyczny 24 (1910), S. 66–97, hier S. 68 ff. 62 Vgl. auch Sappok: Die Anfänge des Bistums Posen (wie Anm. 56), S. 87 f.; Maleczyński: O kanclerzach (wie Anm. 42), S. 38; Gąsiorowski, Antoni: Radwan, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 30, Kraków 1987, S. 1; Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 317–320; Maciejewski: Episkopat polski (wie Anm. 36), S. 252 f. 63 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 18. 64 Vgl. Maleczyński: O kanclerzach (wie Anm. 42), S. 38. 65 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 104. 66 Gąsiorowski, Antoni: Werner, in: Labuda, Gerard/Stieber, Zdzisław (Hg.): Słownik starożytności słowiańskich, Bd. 6, Wrocław u.a. 1977, S. 381 f.; Deptuła: Niektóre aspekty (wie Anm. 4).

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ren versuchte. Für letztere Herkunft sprechen vor allem auch die engen Verbindungen, die Płock seit den späten 1080er Jahren mit dem bayrisch-fränkischen Raum unterhielt; damals begleitete der spätere Bamberger Bischof und Pommernmissionar Otto die salische Ehefrau Herzog Władysław Hermans, Judith, für längere Zeit als Kaplan an den Płocker Hof, während die herzogliche Familie das fränkische Bistum mit diversen Stiftungen bedachte. Auch Werners Amtsvorgänger in Włocławek scheint aus Bamberg an die Weichsel gekommen zu sein. Ehe Werner Bischof von Włocławek wurde, war er möglicherweise Kanoniker der Peterskirche von Kruschwitz bzw. Mitglied des Leslauer (Włocławek) Domkapitels (das damals augenscheinlich mit dem Kruschwitzer Kanonikerkollegium identisch war) – vorausgesetzt, der in der Urkunde Salomeas für das Kloster Mogilno genannte Werner ist mit Bischof Werner identisch. Doch scheint gut vorstellbar, dass der Leslauer Bischof Swidger in den frühen 1140er Jahren sein Domkapitel bzw. das Kruschwitzer Kanonikerstift mit einem Mann aus Bamberg verstärken wollte. Als Bischof von Włocławek stand Werner 1148 einer polnischen Gesandtschaft vor, die auf der Synode von Reims die Interessen der piastischen Junioren vertrat. Bei dieser Gelegenheit erwirkte er nicht nur die päpstliche Protektionsbulle für sein Bistum, sondern bewährte sich offenbar auch als Diplomat im Dienst der polnischen Herzöge. Czesław Deptuła vermutet gar, dass er mit dieser Erfahrung 1156/57 auch in die Verhandlungen zwischen Friedrich I. und Bolesław IV. involviert gewesen sei und sein Płocker Bischofsamt wahrscheinlich seinem diplomatischen Geschick verdankt habe; vielleicht habe Friedrich I. in den Verhandlungen von Krzyszkowo sogar selber Einfluss darauf genommen, dass mit Werner in Płock und Onold in Włocławek zwei ihm und dem traditionellen Modell einer herrschaftlich geprägten Kirche wohlgesonnene Männer installiert wurden.67 Ob beide in diesem Sinn im Mai 1161 die Interessen des Kaisers auf der von Werner wohl maßgeblich mitgestalteten Zusammenkunft von Łęczyca vertreten haben, wissen wir nicht. In jedem Fall dürfte Werner Herzog Bolesław ein zuverlässiger Mitstreiter gewesen sein. Gemeinsam mit dem Herzog begründete er in den 1160er Jahren in Płock eine Benediktinerabtei, war mithin kein Anhänger der Reformorden.68 Auch sonst vertrat Werner augenscheinlich eher traditionelle Ansichten. Er scheint ein erklärter Gegner der gregorianischen Reformen und ein Anhänger 67 Deptuła: Niektóre aspekty (wie Anm. 4), S. 49, 67. 68 Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 414.

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enger Verbindungen zwischen Staufern und Piasten gewesen zu sein. Als Repräsentant des hergebrachten Verhältnisses zwischen sacerdotium und imperium/ regnum, als Verbindungsmann zu maßgeblichen prokaiserlichen Kirchenkreisen im Reich, insbesondere im Bamberger Umfeld und als Vertrauter Bolesławs IV. wurde Werner gegen Ende des Jahres 1165 erneut mit einer wichtigen diplomatischen Mission betraut. Wie ein in den späten 1160er Jahren in Merseburg entstandener Bericht über einige Wunder des 1146 heiliggesprochenen Kaisers Heinrich II. erzählt, sandten die „Herzöge [...] und das ganze Volk“ der Polonia den Płocker Bischof zu Friedrich I., um den Zorn des Königs zu besänftigen (ad placandam regis iram). Der Kaiser hielt sich gerade in Aachen auf, wo er mit der Exhumierung der Gebeine Karls des Großen beschäftigt war und am 29. Dezember 1165 vom Gegenpapst Paschalis III. die Kanonisation des karolingischen Kaisers vollziehen und damit auch ein klares anti-Alexandrinisches Zeichen setzen ließ.69 Werner sei mit seiner Gesandtschaft zunächst nicht empfangen und erst nach Intervention namentlich nicht genannter Fürsten (vielleicht des Magdeburger Erzbischofs Wichmann und des mit den piastischen Junioren verschwägerten Markgrafen Dietrich von der Ostmark/Lausitz) „mit geziemenden Geschenken zum Kaiser“ vorgelassen worden. Leider verrät der Bericht, dessen Informant Werner selbst gewesen sein soll, nicht, welches Anliegen der Płocker Bischof dabei im Namen der piastischen Junioren vertreten hat, sondern lässt ihn lediglich nach „erledigtem Auftrag“ (ad votum peracta) „mit Reliquien des Hl. Heinrich und anderen Geschenken“, darunter Reliquien des Hl. Sigismund von Burgund, nach Polen zurückkehren.70 Dort scheint Werners prokaiserliche, antigregorianische Haltung in den darauffolgenden Jahren allerdings nicht mehr völlig unwidersprochen geblieben zu sein, regten sich doch wenigstens in Krakau erste Gegentendenzen. Dass sein gewaltsamer Tod Anfang Februar 1170 69 Zur Kanonisierung vgl. Laudage: Alexander III. (wie Anm. 1), S. 167–171. 70 Ex aliis miraculis S. Heinrici, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores IV) Hannover 1841, S. 815; vgl. auch Zimmermann, Gerd: Karlskanonisation und Heinrichsmirakulum. Ein Reliquienzug der Barbarossazeit von Aachen über Doberlug/ Lausitz nach Plozk, in: 102. Bericht des Historischen Vereins für die Pflege der Geschichte des Ehemaligen Fürstbistums Bamberg, Bamberg 1966, S. 127–148; Lindner, Michael: Aachen – Dobrilugk – Płock. Markgraf Dietrich von der Ostmark, Bischof Werner von Płock und die Anfänge des Zisterzienserklosters Dobrilugk, in: Heimann, HeinzDieter (Hg.): Die Nieder- und Oberlausitz – Konturen einer Integrationslandschaft. Bd. I: Mittelalter, Berlin 2013, S. 139–176, bes. S. 140 ff., 147 ff.

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oder 1172 in diesem Kontext einen politischen Hintergrund gehabt habe, bleibt jedoch Spekulation.71 Wie ein in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verfasster hagiographischer Text berichtet, war Werner mit dem Kastellan von Wizna, Bolesta, über den Besitz des Dorfes Szarsko in so heftigen Streit geraten, dass dieser den Bischof von seinem Bruder ermorden ließ. Herzog Bolesław IV. bereitete dem Kastellan daraufhin den Prozess und ließ ihn vor den Augen der versammelten Großen in Gnesen auf dem Scheiterhaufen hinrichten.72 Der nach der Mitte des 13. Jahrhunderts unternommene Versuch, aus dieser Geschichte einen lokalen Heiligenkult zu entwickeln, blieb letztlich erfolglos – vielleicht auch deshalb, weil Werner im 13. Jahrhundert bereits zu sehr für eine überholte kirchenpolitische Haltung stand, die im propäpstlichen Klima der inzwischen politisch und wirtschaftlich emanzipierten polnischen Kirche keinen Rückhalt mehr besaß.73 Über Werners Nachfolger Lupus ist wenig bekannt. Nach Jan Długosz soll er einer polnischen Großfamilie (Gozambiorum familia nobilis) angehört haben und von Alexander III. geweiht worden sein.74 Er scheint Herzog Kasimir II. in den frühen 1170er Jahren als Kanzler gedient und ihm bereits vor Übernahme des Płocker Bischofamtes in Wiślica/Sandomir zur Seite gestanden zu haben. Neben dem Krakauer Bischof Gedko war er wohl einer der Hauptakteure des Umsturzes von 1177; er begegnet 1180 noch einmal als Teilnehmer der Zusammenkunft von Łęczyca, verschwindet dann aber aus den Quellen.75 In Breslau amtierte im September 1159 Bischof Walter von Malonne bereits ein gutes Jahrzehnt.76 Der aus dem Bistum Lüttich, aus der Gegend um Namur 71 Deptuła: Niektóre aspekty (wie. 4), S.  87; Ders.: Kościół płocki w XII wieku, in: Kłoczowski, Jerzy (Hg.): Studia Płockie. Tom 3: Kościół płocki XI–XX wieku, Płock 1975, S. 67–84, hier S. 69; Zimmermann: Karlskanonisation (wie Anm. 70), S. 146. 72 Mors et Miracula beati Verneri episcopi Plocensis. Auctore Iohanne decano Plocensi, ed. Wojciech Kętrzyński (Monumenta Poloniae Historica, Bd. 4) Lwów 1884, S. 750–754. 73 Vgl. Gąsiorowski: Werner (wie Anm. 66), S. 382. 74 Ioannis Dlugossii Vitae episcoporum Plocensium abbreviatae, ed. Wojciech Kętrzyński (Monumenta Poloniae Historica, Bd. 6) Lwów 1893, S. 599–611, hier S. 603. 75 Deptuła, Czesław: Lupus, biskup płocki, in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 18, Kraków u.a. 1973, S. 133 f.; Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 325; Maciejewski: Episkopat polski (wie Anm. 36), S. 244 76 Engelbert, Kurt: Bischof Walter (1149–1169) und seine Zeit, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 9 (1951), S. 1–23; Sabisch, Alfred: War der Breslauer Bischof Walter (1149–1169) Augustiner-Chorherr und Propst des Chorherrenstiftes Malonne im Bistum

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stammende Wallone hatte in den späten 1120er Jahren seinen auf den Płocker Bischofsstuhl berufenen Bruder Alexander begleitet oder war diesem später dorthin gefolgt.77 In den 1140er Jahren wirkte er jedenfalls als Propst am Płocker Dom und erlebte dort 1144 die Weihe der auf Initiative seines Bruders neuerbauten Kathedrale. Drei Jahre später reformierte er auf Bitten des Lütticher Bischofs im heimatlichen Wallonien das bis in karolingische Zeiten zurückgehende Stift Malonne. Dazu tauschte er die bisherigen Stiftskanoniker gegen regulierte Chorherren aus und begründete ein Augustiner-Chorherrenstift. Direkt von Malonne aus nahm Walter möglicherweise im März 1148 an der von Papst Eugen III. einberufenen Synode von Reims teil. Dabei könnte er miterlebt haben, wie der Leslauer Bischof Werner von der päpstlichen Kanzlei die Protektionsbulle für sein Bistum erwirkte – und diese Erfahrung später seinen eigenen Bemühungen um eine ähnliche Bulle zugrunde gelegt haben. Zu diesem Zweck ließ er wohl bald nach dem Antritt seines Amtes, in das ihn Bolesław IV. wohl auch auf Grund seiner diplomatisch-kirchenpolitischen Erfahrungen und Verbindungen befördert hat, eine Zusammenstellung der bischöflichen Besitzungen und Vorrechte erstellen. Diese hat dann im April 1155 Eingang in die Protektionsbulle Hadrians IV. gefunden, die dem Bischof ein wichtiges Instrument zur territorialen und materiellen Konsolidierung der Diözesanstrukturen in die Hand gab. Schon seine Bemühungen um eine Erneuerung des Stifts in Malonne erwiesen Walter nicht unbedingt als einen Gegner der Kirchenreform. Auch der um 1270 zusammengestellte Leubuser Bischofskatalog berichtet indirekt, dass Walter die Durchsetzung des Zölibats zu befördern versucht habe. Die gleiche Quelle erzählt auch, dass er die Breslauer Domkirche neu erbauen, in ihr den Gottesdienst nach Laoner Vorbild (als officium Laudunsens cum cantu) gestalten ließ und in Leubus die ersten ZisterLüttich?, in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 21 (1963), S. 38–42; Wędzki, Andrzej: Walter, in: Labuda, Gerard/Stieber, Zdzisław (Hg.): Słownik starożytności słowiańskich, Bd. 6, Wrocław u.a. 1977, S. 303; Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 324. 77 Anders als Długosz meinte, der Walter eine polnische Herkunft aus dem Geschlecht der Zadora zuschrieb [Ioannis Dlugossii Annales. Liber Quintus (wie Anm. 37), S. 45], wird die wallonische Herkunft sowohl Walters als auch Alexanders eindeutig durch eine Urkunde des Lütticher Bischofs Heinrich aus dem Jahr 1147 belegt; der Urkundentext ist zitiert bei Levison, Wilhelm: Zur Geschichte des Bischofs Walter von Breslau (1149–1169), in: Zeitschrift des Vereins für Geschichte Schlesiens 35 (1901), S. 353–357, hier S. 354 und abgedruckt in Codex diplomaticus nec non epistolaris Silesiae. Tom I: 971–1204, ed. Karol Maleczyński, Wrocław 1951, Nr. 18.

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ziensermönche angesetzt habe.78 Die Bauarbeiten an der neuen Kathedrale dürften sehr bald nach 1149 begonnen und sicher vom Płocker Beispiel inspiriert worden sein. Die Archäologen haben den freilich erst unter Żyrosław vollendeten romanischen Bau als eine über 48 m lange, 18 m breite Basilika rekonstruiert, die ein über 24 m langes Querschiff, einen abgetrennten Altarraum mit Apsis und eine von zwei Säulenreihen gestützte Krypta besaß.79 Walter begegnet im Mai 1161 noch einmal als Teilnehmer des Treffens von Łęczyca und ist Anfang 1169 gestorben.80 Sein Nachfolger, Żyrosław II., nach Długosz ein gebürtiger Pole aus einer Großenfamilie (nacione Polonus et genere nobilis)81, soll verschiedenen Bischofskatalogen zufolge 1170 geweiht worden sein.82 Er wird zu diesem Zeitpunkt sicherlich bereits von den 1163 nach Schlesien zurückgekehrten Söhnen Władysławs II. eingesetzt worden sein. Dessen ungeachtet bezeugte er 1177 eine Urkunde Mieszkos III. und nahm 1180 an der Zusammenkunft von Łęczyca teil.83 In den späten 1180er, frühen 1190er Jahren begegnet er noch einige Male in verschiedenen Urkunden; ein Siegel, das einer Urkunde von 1189 angehängt wurde, zeigt ihn mit dem Modell der unter seinem Pontifikat vollendeten Breslauer Kathedrale.84 Sein Bischofsamt bekleidete er augenscheinlich bis 1198.85 78 Catalogi episcoporum Vratislaviensium (Catalogus Lubensis), ed. Wojciech Kętrzyński (Monumenta Poloniae Historica, Bd. 6) Lwów 1893, S. 560–564, hier S. 561. 79 Sabisch, Alfred: Der romanische Dom des Breslauer Bischofs Walter († 1169) und seine Krypta, ebd., S. 43–72; Walter, Ewald: Zum romanischen Dom des Breslauer Bischofs Walter († 1169), in: Archiv für schlesische Kirchengeschichte 34 (1976), S. 1–19; Świechowski, Zygmunt: Katalog architektury romańskiej w Polsce, Warszawa 2009, S.  628–633; Małachowicz, Edmund: Katedra Wrocławska. Dzieje i architektura, Wrocław 2012, S. 61–67. 80 Catalogi episcoporum Vratislaviensium (Catalogus Lubensis) (wie Anm. 78), S. 562; Liber mortuorum Abbatiae S. Vincentii (wie Anm. 36), S. 11. 81 Ioannis Dlugossii Annales. Liber Quintus (wie Anm. 37), S. 90. 82 Catalogi episcoporum Vratislaviensium (wie Anm. 78), S. 562, 567; Cronica et numerus episcoporum Wratislaviensium, in: ebd. S. 576–584, hier S. 578; Cetwiński, Marek: Żyrosław (II), in: Labuda, Gerard/Stieber, Zdzisław (Hg.): Słownik starożytności słowiańskich, Bd. 7, Wrocław u.a. 1982, S. 276 f.; Maciejewski: Episkopat polski (wie Anm. 36), S. 266. 83 Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 22; Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 149. 84 Eine Abbildung des Siegels bei Edmund Małachowicz, Najnowszy zarys dziejów najstarszego Wrocławia, Wrocław 2000, S. 67. 85 Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 56, 57 und 59; dieses wohl zutreffende

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In Krakau amtierte seit 1143 Matthäus.86 Einzelne Redaktionen der Krakauer Bischofskataloge berichten, dass er in Rom geweiht worden sei.87 Er war in jedem Fall noch von Władysław II. investiert worden, scheint zuvor in Krakau aber weder Propst noch Kanoniker gewesen zu sein. Nach Długosz stammte er aus einer einheimischen Großenfamilie, war Scholastiker und soll dem Herzog gelegentlich mit beachtlichen Geldbeträgen ausgeholfen haben. Selbst habe er ein ausschweifendes und verschwenderisches Leben geführt und später Bolesław IV. seine Unterstützung verweigert.88 Diesem parteiischen, vielleicht auf eine dem seinerzeitigen Władysław-Lager verbundene Quelle zurückgehenden Bild steht die positive Charakterisierung des Matthäus bei Vincenz Kadłubek gegenüber. Neben Erzbischof Johannes hat ihn der Chronist zum zweiten Gesprächspartner für seinen Dialog erhoben und als vir illustrius gerühmt, dessen Ansehen in glänzender Blüte gestanden habe.89 Dass Matthäus hoch gebildet war, stellt auch jenes Schreiben unter Beweis, dass er zwischen 1143 und 1147 gemeinsam mit dem comes palatinus Piotr Włostowic an Bernhard von Clairvaux gerichtet hat. Darin lud er in ausgefeilter Rhetorik und unter Verwendung von Zitaten u.a. aus Ovid, Horaz, Boethius und Augustin den Zisterzienserabt ein, nach Polen zu kommen, um von dort aus die ostslawischen Rus’ zum katholischen Glauben zu bekehren.90 Das Schreiben belegt die enge Verbindung, die er mit dem von

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Sterbejahr gibt die Heinrichauer Version des Breslauer Bischofskataloges an, während die übrigen Katalog-Redaktionen das offensichtlich falsche Jahr 1180 verzeichnen, Catalogi episcoporum Vratislaviensium (Catalogus Heinrichoviensis) (wie Anm. 78), S. 558 f.; ebd. S. 562, 567, 578. Wędzki, Andrzej: Mateusz, in: Kowalenko, Władysław (Hg.): Słownik starożytności słowiańskich, Bd. 7, Wrocław u.a. 1967, S. 184; Budkowa, Zofia: Mateusz in: Polski Słownik Biograficzny, Bd. 20, Wrocław u.a. 1975, S. 194 f.; Dobosz: Monarcha (wie Anm. 27), S. 307 ff. Katalogi biskupów krakowskich, ed. Józef Szymański, Warszawa 1974, S. 47, 87. Ioannis Dlugossii Annales. Liber Quintus (wie Anm. 37), S. 82; Katalog Jana Długosza, in: Katalogi biskupów krakowskich (wie Anm. 87), S. 125–281, hier S. 155. Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 6. Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 11; vgl. auch Plezia, Marian: List biskupa Mateusza do św. Bernarda, in: Prace z dziejów Polski feudalnej ofiarowane Romanowi Grodeckiemu w 70 rocznicę urodzin, Warszawa 1960, S. 123–140; Ščaveleva, N. I.: Poslanie episkopa krakovskogo Matveja Bernardu Klervoskomu ‚ob Obraščenii russkich‘, in: Drevnejšie gosudarstva na territorii SSSR. Materialy i issledovanija, Moskva 1975, S. 113–121; Dygo, Marian: Wokół listu biskupa krakowskiego Mateusza do Bernarda,

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Władysław II. Ende 1145 abgesetzten und geblendeten comes palatinus Piotr Włostowic unterhielt und könnte damit zugleich andeuten, dass der Krakauer Bischof noch vor der Vertreibung Władysławs in das Lager der Junioren übergewechselt ist. Anlässlich der Weihe der Kirche des von Piotr Włostowic gestifteten Breslauer Vinzenzklosters bestätigte er 1149 eine ältere Zehntschenkung und trat unter den Zeugen der von Bolesław IV. für das Kloster ausgestellten Urkunde auf.91 Im Mai 1161 ist er noch einmal als Teilnehmer der Zusammenkunft von Łęczyca greifbar, doch ist über sein Wirken sonst nichts weiter bekannt. Die Annalen des Krakauer Domkapitels verzeichnen seinen Tod unter dem Jahr 1165, während eine zeitgenössische Krakauer Urkunde das Jahr 1166 und der Krakauer Domkalender den Sterbetag mit dem 18. Oktober angibt; Matthäus dürfte demnach am 18. Oktober 1166 verstorben sein.92 Seine Nachfolge trat der gebürtige Pole Gedko an.93 Er soll nach Długosz ebenfalls ein Angehöriger des Geschlechts der Gryfen gewesen sein (de domo et genealogia Griffonum).94 Vincenz Kadłubek rühmte ihn als einen Mann, „dessen Name mit goldener Feder eingemeißelt werden sollte“, der „beständig mit der Trompete der Ermahnung öffentlich die Stimme erhoben und den Verbrechern immer wieder beharrlich von der Übeltat abgeraten“ habe.95 Ehe er als Mann des

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opata z Clairvaux, in: Europa barbarica, Europa christiana. Studia mediaevalia Carolo Modzelewski dedicata, Warszawa 2008, S. 47–58; Ders.: A Letter from Matthew, a Bishop of Cracow, to Bernhard of Clairvaux on the Conversion of Russians (1145)?, in: Salamon, Maciej (Hg.): Rome, Constantinople and Newly-Converted Europe. Archaeological and historical Evidence, Kraków u.a. 2012, S. 203–213. Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 19. Kodeks dyplomatyczny katedry krakowskiej św. Wacława. Część pierwsza obejmująca rzeczy od roku 1166 do roku 1366, ed. Franciszek Piekosiński, Kraków 1874, Nr. 1; Rocznik kapituły krakowskiej (wie Anm. 25), S. 62; Kalendarz katedry krakowskiej (wie Anm. 24), S. 179; vgl. jedoch auch Wasilewski, Tadeusz: Data zgonu biskupa krakowskiego Mateusza i księcia sandomirskiego Henryka – 18 października 1165 roku, in: Gapski, Henryk (Hg.): Christianitas et cultura Europae, Bd. 1, Lublin 1998, S. 587–592. Grodecki, Roman: Gedko, in: Polski Słownik Biografyczny, Bd. 7, Kraków 1948, S. 366 f.; Wędzki, Andrzej: Gedko, in: Kowalenko, Władysław (Hg.): Słownik starożytności słowiańskich, Bd. 2, Wrocaw u.a. 1964, S. 92; Dobosz, Józef: Działalność fundacyjna Kazimierza Sprawiedliwego, Poznań/Gniezno 1995, S. 161–172; Ders.: Monarcha (wie Anm. 27), S. 309 f.; Maciejewski: Episkopat polski (wie Anm. 36), S. 230 f. Ioannis Dlugossii Annales. Liber Quintus (wie Anm. 37), S. 82; Katalog Jana Długosza (wie Anm. 88), S. 156. Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 134; deutsch zitiert nach Die Chronik der

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damals in Krakau herrschenden Seniors Bolesław IV. auf den Bischofsstuhl gelangte, dürfte er Mitglied des Krakauer Domkapitels gewesen sein. Seine Bischofsweihe erfolgte im Juni 1167, wobei einige Redaktionen der Krakauer Bischofskataloge sowie die Heiligkreuz-Annalen die Weihe in Rom ansiedeln.96 Da Alexander III. erst gegen Ende Juli 1167 von Friedrich I. vorübergehend aus Rom vertrieben wurde, wäre eine Weihe durch den Papst tatsächlich möglich gewesen. Sollte sie wirklich so stattgefunden haben, dann hätte zumindest der Krakauer Bischof während des Schismas unmittelbaren Kontakt mit Rom gehalten und nicht den aktuellen Gegenpapst Paschalis III., sondern Alexander III. als den rechtmäßigen Papst angesehen.97 Auch die vergleichsweise starke italienische Präsenz in den Reihen seiner Domkapitulare, auf die Namen wie Hannibal, Guibert, Amileus und Valentin verweisen98, sowie Gedkos späteres erfolgreiches Bemühen, in Rom Reliquien des Hl. Florian zu erwerben, sprechen für enge Beziehungen zum Apostolischen Stuhl, die nicht erst nach dem September 1177 angeknüpft worden sein dürften.99 Im Jahr der Beendigung des Schismas war Gedko in Polen eine der treibenden Kräfte, die im Verein mit kleinpolnischen Großen den Sturz des Seniors Mieszko III. herbeiführte und den jüngsten Sohn Bolesławs III., Kasimir II., auf den Krakauer Großfürstenthron brachte.100

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Polen des Magisters Vincentius/Magistri Vincentii Chronica Polonorum, ed. Eduard Mühle, Darmstadt 2014, S. 307. Katalogi biskupów krakowskich (wie Anm. 87), S. 47, 56, 89, 111; Rocznik Świętokrzyski, ed. Anna Rutkowska-Płacińska, Kraków 1996, S. 24. Jan Długosz hat explizit von einer Weihe durch Papst Alexander gesprochen, wobei er in Katalog Jana Długosza (wie Anm. 88), S. 156 die Weihe in Rom ansiedelt, in Ioannis Dlugossii Annales. Liber Quintus (wie Anm. 37), S. 82 Gedko zu diesem Zweck nach Frankreich reisen ließ: Cui [Mattheo …] Gedka, nobilis de domo et genealogia Griffonum Cra­ coviensis prepositus successit, ab Alexandro papa tercio in Galliis agente confirmatus et in die sanctorum Geruasii et Prothasii consecratus. Genannt in der Beurkundung eines Gütertausches zwischen dem Krakauer Domkapitel und der Herzogin Maria vom 31. Dezember 1166; Kodeks dyplomatyczny katedry krakowskiej (wie Anm. 92), Nr. 1. Gedko war in den frühen 1180er Jahren auch Empfänger wenigstens einer päpstlichen Dekretale; Bullarium Poloniae I: 1000–1342, ed. Irena Sułkowska-Kuraś/Stanisław Kuraś, Romae 1982, Nr. 26; vgl. auch Szczur, Stanisław: Kościół krakowski a Stolica Apostolska we wczesnym średniowieczu, in: Analecta Cracoviensia 32 (2000), S. XLIII– LXVI, hier S. XLVIII–XLIX, LIII–LIV. In literarischen Bildern ausführlich beschrieben in Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 136–145; vgl. auch Dobosz, Józef: Kazimierz II Sprawiedliwy, Poznań 2011, S. 81–90.

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Zu diesem Zeitpunkt verfügte der Krakauer Bischof bereits über so weitreichenden politischen Einfluss, dass er maßgeblich mitbestimmen konnte, wer in Krakau herrschen sollte. Dass er am Gnesener Erzbischof vorbei möglicherweise direkte Kontakte nach Rom unterhielt, würde zu dieser Stellung und der mit ihr einhergehenden selbstbewussten Haltung durchaus passen. Tatsächlich verfolgte Gedko innerhalb des Episkopats als einer der ersten ausgesprochen partikulare Interessen. Er scheint sich jedenfalls nach Kräften bemüht zu haben, seinem Bistum den ersten Rang unter den Suffraganen zu sichern. In diesem Zusammenhang instrumentalisierte er 1184 mit römischer Hilfe auch den Florianskult, um mit ihm dem in Gnesen unterdessen wieder belebten Adalbertskult eine wirksame Krakauer Alternative entgegenzustellen. Seit dem ‚Staatsstreich‘ von 1177 verband den Bischof ein besonderes wechselseitiges Nähe- und Abhängigkeitsverhältnis mit Herzog Kasimir II., das beiden klare Vorteile brachte: Der Herzog sah seine Herrschaft durch die Autorität der Kirche legitimiert und gestärkt, der Bischof seine partikularen, nach kirchlicher Vorherrschaft strebenden Interessen politisch abgesichert. Nicht zufällig trat er gemeinsam mit dem Herzog als Gönner zahlreicher Kirchen und Klöster auf; allein stiftete er 1171 ein Kollegiatsstift in Kielce. Schließlich war er einer der Initiatoren der Zusammenkunft von Łęczyca, auf der die Senioratsordnung 1180 förmlich aufgehoben und die Usurpation Kasimirs II. anerkannt wurde. Die Krakauer Bischofskataloge verzeichnen seinen Todestag zumeist unter dem 20. September 1185.101‘ 1159

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Gnesen 1149< Johannes

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Zdzisław

>1191

Posen

>1180 Benard

Płock

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Gedko

>1198 >1185

Die personelle Zusammensetzung des polnischen Episkopats im Alexandrinischen Schisma 101 Katalogi biskupów krakowskich (wie Anm. 87), S. 48, 57, 111.

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Die wenigen verlässlichen Informationen, die den Quellen über die zwölf namentlich bekannten, in den Jahren des Schismas amtierenden Angehörigen des polnischen Episkopats entnommen werden können, lassen bei aller Vagheit eine durchaus differenzierte Personengruppe erkennen. Mindestens die Hälfte der Bischöfe hatte keine polnischen Wurzeln, stammte vielmehr aus dem Reich und war aus Lothringen oder Franken ins Piastenreich gekommen. Sie hatten persönliche und institutionelle Bindungen, kulturelle Prägungen und politische Vorlieben mitgebracht, die nicht ohne Einfluss auf ihre Haltung geblieben sein dürften. So werden sie in höherem Maße als ihre polnischen Amtskollegen die kaiserliche Idee des universalen Imperiums geteilt, ja verinnerlicht haben und aus dieser Perspektive selbstverständlich auch das Piastenreich als einen Teil des kaiserlichen Reiches und Friedrich I. als den Oberherr auch der Polonia angesehen haben. Als Landfremde entbehrten sie des festen Rückhalts in der regional-lokalen Elite und waren in höherem Maße als ihre aus einheimischen Großenfamilien hervorgangenen Amtskollegen auf den jeweiligen Herzog angewiesen. Auch diese Abhängigkeit verwies sie mitunter auf ihre kirchlichen Verbindungen im Reich und das Kaisertum. Diese politische Dichothomie zwischen Kaiser- und Piastenreich muss aber nicht zwangsläufig mit einer entsprechend klaren Haltung in Sachen Kirchenreform einhergegangen sein; jedenfalls lässt sich die Trennlinie zwischen Anhängern der Reformbewegung und Anti-Gregorianern nicht unbedingt entlang der ‚nationalen‘ Differenz festmachen. So hat sich der Wallone Walter in Breslau sowohl den Reformorden wie der Idee des Zölibats geöffnet, während der Bamberger Werner in Płock weiterhin die Benediktiner förderte und die hergebrachten Verhältnisse verteidigte. Auch unter den polnischen Bischöfen dürften ähnliche Differenzen bestanden haben, auch wenn hier, insbesondere in Krakau die Offenheit für Reformen größer gewesen zu sein scheint. Was lässt sich vor diesem Hintergrund nun über die Haltung des polnischen Episkopats oder einzelner seiner Mitglieder gegenüber dem Alexandrinischen Schisma sagen?

V. Nach der Doppelwahl vom September 1159 berief Friedrich I. noch im Oktober eine allgemeine Versammlung für Anfang 1160 ein. Auf ihr sollte mit den Geistlichen des Reiches und dem hohen Klerus der christlichen Nachbarreiche beraten werden, wie das mit der Doppelwahl eingetretene Problem gelöst werden

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könne. Dazu bestellte er ausdrücklich omnes episcopos imperii nostri et aliorum regnorum, Franciae videlicet, Angliae, Hispaniae atque Ungaricae bzw. totius impe­ rii nostri et aliorum regnorum, scilicet Angliae, Franciae, Ungariae, Datiae, archie­ piscopos, abbates et viros religiosos nach Pavia.102 Tatsächlich versammelten sich im Februar 1160 neben dem Gegenpapst Viktor IV. knapp 50 Erzbischöfe und Bischöfe sowie zahlreiche Äbte und niedere Kleriker im Paveser Dom.103 Dort fielen, da der ebenfalls geladende Alexander III., seine Wähler und Anhänger nicht erschienen waren, die Beratungen ganz in Friedrichs Sinne aus. Unter den Anwesenden, die sich schließlich für die Rechtmäßigkeit der Wahl Viktors IV. aussprachen, sollen auch polnische Gesandte gewesen sein. Sie sollen die schriftliche Zustimmung des Gnesener Erzbischofs Johannes und des piastischen Seniors Bolesław IV. überbracht haben. Jedenfalls heißt es in einem nach Abschluss der Paveser Beratungen versandten Synodalrundschreiben archiepiscopus et dux Poloniae per legatos et litteras suas consenserunt.104 Die Zuverlässigkeit des in zwei Fassungen überlieferten Schreibens ist allerdings unsicher. Der Hinweis auf die polnische Zustimmung findet sich nur in der in einem fränzösischen Codex des 12.–13. Jahrhunderts enthaltenen längeren Version, fehlt aber in der in den Gesta Friderici des Rahewin überlieferten kürzeren Fassung.105 Dazu hat Heinz Wolter bemerkt, dass es sich bei dem von 102 Friedrich I. an Bischof Hartmann von Brixen, Crema 23. Oktober (1159): Friderici I. Diplomata inde ab anno MCLII. usque ad annum MCLVIII, ed. Heinrich Appelt (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata X/1) Hannover 1975, S. 96, Nr. 284, und Friedrich I. an Kanzler Roland [= Alexander III.] (Ende Oktober 1159), ebd., S. 97, Nr. 285. 103 Regesta Imperii, Bd. IV, 2, 2, Nr. 819, in: Regesta Imperii Online, http://www.regestaimperii.de/id/1160-02-05_1_0_4_2_2_261_819, letzter Zugriff: 16.06.2018; Madertoner, Wilibald: Die zwiespältige Papstwahl des Jahres 1159, Wien 1978, S. 165–175; Wolter, Heinz: Friedrich Barbarossa und die Synode von Pavia im Jahre 1160, in: Vollrath, Hanna/Weinfurter, Stefan (Hg.): Köln. Stadt und Bistum in Kirche und Reich des Mittelalters, Köln u.a. 1993, S. 415–453, bes. S. 431–436; Laudage: Alexander III. (wie Anm. 1), S. 117–123. 104 Encyclica Concilii, in: Constitutiones et Acta publica imperatorum et regum 1: 911–1197, ed. Ludwig Weiland (Monumenta Germaniae Historica, Constitutiones et acta publica 1) Hannover 1893, S. 265–270, hier S. 270. 105 Für die Rahewin-Fassung vgl. Ottonis et Rahewini Gesta Friderici I. imperatoris, ed. Georg Waitz/Bernhard von Simson (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi [46.]) Hannover 1912, S. 162– 346, hier S. 331–336, bes. S. 335.

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Rahewin festgehaltenen Text wohl lediglich um einen Entwurf gehandelt habe, so dass sich eine Identifizierung der Synodalteilnehmer nur auf die längere Fassung des Rundschreibens stützen könne.106 Auch Willibald Madertoner betont, dass im Hinblick auf das Schlussprotokoll des Synodalrundschreibens „die Sache soweit völlig eindeutig [sei], dass nur das der Fassung II [= die Langfassung mit dem Zusatz] Anspruch auf Echtheit und Vollständigkeit erheben kann“. Dabei könne „der Aufzählung [der zustimmenden Synodalteilnehmer] in der Epistola […] an Unrichtigkeiten nur die Aufnahme der Zustimmungserklärung des Salzburger und des Trierer Erzbischofs nachgewiesen werden“, so dass „die Anwesenheit der Gesandten aus Ungarn, Böhmen, Dänemark und Polen […] zwar nicht belegt [werden könne], aber immerhin möglich und bis zu einem gewissen Grad sogar wahrscheinlich“ sei.107 Schon Michael Doeberl hatte hierfür weitere Argumente angeführt und „die Tatsache, […] dass der Polenherzog unmittelbar vor dem zweiten italienischen Feldzug von Friedrich mit Waffengewalt zur Huldigung gezwungen worden war, dass kein auf Polen bezüglicher Erlass aus den ersten 18 Regierungsjahren Alexanders erhalten ist“ und die Notiz Rahewins, dass in Pavia legati quoque diversarum terrarum aderant, als ein klares Beweismittel bewertet, das die polnische Zustimmungserklärung eher erhärten als entkräften würde.108 Die polnische Forschung hat solche Annahmen in der Regel geteilt und geht auch in neueren Darstellungen davon aus, dass der polnische Episkopat schon in Pavia den Gegenpapst Viktor IV. und nach dessen Tod konsequenterweise auch seine Nachfolger, die Gegenpäpste Paschalis  III. und Calixt III., anerkannt habe.109 106 Wolter: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 103), S. 431. 107 Madertoner: Die zweispältige Papstwahl (wie Anm. 103), S. 165 und 175. 108 Doeberl, Michael: Monumenta Germaniae selecta ab anno 768 usque ad annum 1250. 4. Bändchen: Zeit Lothars III., Konrads III. und Friedrichs I., München 1890, S. 184 f. 109 Szczur, Stanisław: Historia Polski. Średniowiecze, Kraków 2002, S. 178; Graff, Tomasz: Stosunki Polski ze stolicą apostolską na tle wyboru pseudopapieży – od czasów wczesnopiastowskich do soboru Pizańskiego. Wybrane aspekty i zarys problematyki, in: Zeszyty naukowe Uniwersytetu Jagiellońskiego. Prace Historyczne 131 (2004), S. 43–76, hier S. 46; Smoliński, Marek: Caesar et duces Poloniae. Szkice z dziejów stosunków polskoniemieckich w drugiej połowie XII wieku (1146–1191), Gdańsk 2006, S. 92–94; Rajman, Jerzy: Kościół państwowy i prywatny, X–XII wiek, in: Wiencek, Adrzej: Dzieje Kościoła w Polsce, Warszawa 2008, S. 10–89, hier S. 75; Biniaś-Szkopek: Bolesław IV. (wie Anm. 32), S. 261 f.; Jurek, Tomasz: Druga monarchia piastowska, in: Historia Polski do 1572, Warszawa 2013, S. 86–160, hier S. 111.

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Allerdings hat die ältere Forschung mit Bezug auf die Encyclica Concilii gelegentlich hervorgehoben, dass einige der Nennungen von Teilnehmern, die persönlich abgestimmt haben, und von Legaten, die eine schriftliche Zustimmung überbracht haben, zweifellos später interpoliert worden seien.110 Tatsächlich behauptete das Rundschreiben mindestens die Zustimmung der Erzbischöfe von Trier und Salzburg durch Briefe und Boten nachweislich zu unrecht. Hillin von Trier hatte seine Nichteilnahme zwar entschuldigt, doch stand seine schriftliche Zustimmung zum Zeitpunkt der Versendung der Synodalbeschlüsse noch aus (sie erfolgte erst 1161 auf der Synode von Lodi). Eberhard von Salzburg hingegen hat auch später weder durch Briefe noch Boten seine Zustimmung übermittelt.111 Vor diesem Hintergrund hat Zofia Kozłowska-Budkowa schon 1937 den Hinweis auf die polnischen Gesandten als eine spätere Hinzufügung gedeutet.112 Auch Czesław Deptuła hat ihn als eine Interpolation der Anhänger Viktors bezeichnet und betont, dass man aus der Encyclica Concilii „keinerlei Schlüsse hinsichtlich der kirchlichen Bindungen des Landes“ ziehen könne. Eine Anwesenheit polnischer Gesandter auf der Synode von Pavia, die im Übrigen von keiner anderen Quelle bezeugt wird, hielt er auch deshalb für unwahrscheinlich, weil die Versammlung dem Erzbistum Magdeburg die Zuständigkeit für das pomoranische Bistum zugesprochen habe – schließlich „sei nicht vorstellbar, dass es zu einem solchen, stark in die Interessen Gnesens eingreifenden Akt im Beisein polnischer Legaten hätte kommen können“.113 In der Tat erscheint es eher unwahrscheinlich, dass der Gnesener Erzbischof noch bevor die heikle Angelegenheit vom 5. bis 11. Februar 1160 in Pavia überhaupt debatiert werden konnte, schon einen Legaten mit einer eindeutigen Stellungnahme zu Gunsten Viktors IV. nach Italien entsandt hätte. Schließlich soll110 Reuter, Hermann: Geschichte Alexanders III. und der Kirche seiner Zeit. Bd. 1, Leipzig 1860, S. 511 f. [zur Darstellung Reuters und ihrer für Alexander III. Partei ergreifenden Sicht vgl. Johrend, Jochen: Friedrich Barbarossa und Alexander III. Die Universalgewalten in der Perpektive des 19. Jahrhunderts, in: Görich, Knut/Wihoda, Martin (Hg.): Friedrich Barbarossa in den Nationalgeschichten Deutschlands und Ostmitteleuropas (19.–20. Jh.), Köln u.a. 2017, S. 173–203, hier S. 185–188]; Meyer, Moritz: Die Wahl Alexanders III. und Victors IV., Phil. Diss. Göttingen 1871, S 36–49. 111 Rahewini Gesta Friderici (wie Anm. 105), S. 336–339. 112 Kozłowska-Budkowa, Zofia: Repertorjum polskich dokumentów doby piastowskiej. Zeszyt I: Do końca wieku XII, Kraków 20062, S. 124. 113 Deptuła: Niektóre aspekty (wie Anm. 4), S. 53 f.

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te, wie Friedrich I. in seinen Ladungsschreiben ausdrücklich betont hatte, erst die in Pavia versammelte Geistlichkeit entscheiden, welcher der beiden Kardinäle rechtmäßig zum Papst gewählt worden war. Der polnische Episkopat wird daher gewiss nicht weniger Vorsicht und Zurückhaltung geübt haben als der größere Teil des deutschen Episkopats, der dem Konzil von Pavia tatsächlich ebenso fernblieb wie Vertreter der angesprochenen Nachbarreiche.114 Der Ausgang der Beratungen war schwer zu kalkulieren, und die Konsequenzen einer voreiligen Parteinahme, die sich am Ende auch als ‚falsch‘ erweisen konnte, dürften dem polnischen Episkopat und den piastischen Herzögen klar vor Augen gestanden haben. Sie werden daher, wenn überhaupt, erst nach Bekanntwerden der Beschlüsse von Pavia Position bezogen haben. Wann und wie die polnische geistliche und weltliche Elite von den Paveser Beschlüssen erfuhr, ist nicht bekannt. Nicht auszuschließen ist, dass Friedrich I. wie im Fall anderer Nachbarreiche auch den Polen das Ergebnis durch eine Gesandtschaft persönlich überbringen ließ, um auf diese Weise in direkter Kommunikation für eine positive polnische Reaktion zu sorgen. Vincenz von Prag, der als Begleiter seines Bischofs Daniel in Pavia weilte und die Vorgänge aus nächster Nähe beobachten konnte, berichtet jedenfalls, dass von Friedrich sogleich per diversa regna ad diversos reges, qui hoc annuntient et confirment diversi mittuntur nuntii. Namentlich nennt Vinzenz zwar nur Frankreich, England und Ungarn, doch mag einer der alii nuntii in diversas regiones mittuntur auch nach Polen gelangt sein.115 Die polnische Reaktion könnte dann auf dem Konzil von Lodi kommuniziert worden sein, das zunächst für Januar nach Cremona einberufen worden war, auf Wunsch Friedrichs I. aber vom 19. bis 22. Juni in Lodi abgehalten wurde und die Beschlüsse von Pavia bestätigte.116

114 Neben 27 italienischen und 17 deutschen bischöflichen Teilnehmern verzeichnet die Encyclica Concilii lediglich einen (unsicheren) dänischen und drei burgundische Teilnehmer; Wolter: Friedrich Barbarossa (wie Anm. 103), S. 434 ff. 115 Vincentii Pragensis Annales, ed. Wilhelm Wattenbach Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVII) Hannover 1861, S. 658–683, hier S. 679; vgl. auch Rahewini Gesta Friderici (wie Anm. 105), S. 339, 341; Ex Saxonis Gestis Danorum, ed. Georg Waitz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XXIX) Hannover 1892, S. 37–161, hier S. 110. 116 Engels, Odilo: Lodi, Konzil v., in: Lexikon des Mittellaters, Bd. 5, Stuttgart/Weimar 1999, Sp. 2069; Laudage: Alexander III. (wie Anm. 1), S. 128.

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Man wird davon ausgehen können, dass Friedrich auch Vertreter des ihm lehnsverpflichteten Polen nach Lodi einbestellt haben wird und die polnischen Bischöfe und Herzöge daraufhin eine gemeinsame Haltung festgelegt haben werden. Das könnte spätestens im Mai 1161 anlässlich ihrer Zusammenkunft in Łęczyca geschehen sein. Sollte die Zeugenliste der bei dieser Gelegenheit für das Kloster Czerwińsk ausgestellten Urkunde zutreffend die Teilnehmer dieser ‚Landessynode‘ wiedergeben, so waren ihr die Bischöfe von Lebus und Posen ferngeblieben – oder zum Zeitpunkt der Datierung der Urkunde am 21. Mai bereits nicht mehr anwesend.117 Sie könnten also die Beratungen von Łęczyca so rechtzeitig verlassen haben, dass sie zur Eröffnung des Konzils in Lodi eintrafen; gut vier Wochen waren für den Weg nach Oberitalien eine durchaus ausreichende Reisezeit. Tatsächlich bezeugt ein wohl zeitnaher Erfurter Annaleneintrag, dass in Lodi auch eine polnische Gesandtschaft zugegen war.118 Diese hätte, so legt der Erfurter Eintrag weiter nahe, zusammen mit den übrigen anwesenden Fürsten, Erzbischöfen und Bischöfen des Reiches sowie Gesandten des englischen, französischen und böhmischen Königs den Konzilsbeschlüssen zugestimmt und Alexander III. abgelehnt – jedenfalls heißt es die Auflistung der Teilnehmer resümierend: A quibus omnibus refutatus est Rolandus [= Alexander III.] cum suis fautoribus. Diese Aussage ist insofern zu Recht in Zweifel gezogen worden, als zumindest für den französischen und englischen König bekannt ist, dass sie bereits 1160 auf einem Treffen in Toulouse Alexander III. anerkannt hatten und dies 1163 in Tours noch einmal bekräftigten.119 Die Erfurter Annalen haben mithin auch Vertreter jener Herrscher zu den Anhängern Viktors gezählt, die in Lodi lediglich als Beobachter auftraten – oder dort eine Zustimmung im Sinne Friedrichs I. lediglich vorgetäuscht haben. Insofern kann aus der bloßen Teilnahme polnischer Abgesandter am Konzil von Lodi, wenn eine solche mit den Erfurter Annalen unterstellt werden kann120, in der Tat nicht ohne Weiteres auf 117 Kodeks dyplomatyczny Małopolski II (wie Anm. 38), Nr. 373. 118 Annales S. Petri Erphesfurtenses antiqui, ed. Oswald Holder-Egger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi [42.]) Hannover/Leipzig 1899, S. 3–20, hier S. 20: […] concilium celebratum est in Nova Laude […] et nuncii regis Francorum, Anglorum, Polonorum presentes aderant fraterque Boemiorum, aliique quam plures. 119 Deptuła: Niektóre aspekty (wie Anm. 4), S. 54 f. 120 Nichts von einer polnischen Anwesenheit weiß Otto Morena, der zum Zeitpunkt des Konzils als städtischer Richter und Konsul in Lodi lebte und als Augenzeuge über das

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eine pro-gegenpäpstliche Haltung geschlossen werden. Angesichts der 1157 bekräftigten Lehnsbindung der Piasten dürfte für Friedrich eine polnische Anerkennung seines Gegenpapstes mehr als nahegelegen haben. Doch hat sich Bolesław IV. bekanntlich nicht an die Abmachungen von Krzyszkowo gehalten, hat dem Kaiser weder Hilfstruppen für den Italienfeldzug gesandt noch der Einladung an den Kaiserhof Folge geleistet oder Gespräche über das weitere Schicksal seines vertriebenen Bruders Władysław II. geführt. Sanktionen musste er dafür nicht befürchten, nicht nur weil Friedrich zu sehr in Italien gebunden war, sondern auch weil Władysław im Mai 1159 verstarb und sein Sohn Bolesław dem Kaiser bis 1161/62 als verwegener Ritter in Italien zur Seite stand121, mithin keine akute Veranlassung bestand, das Anliegen der Władysław-Söhne militärisch zu forcieren. Dass Friedrich in dieser Situation auf eine friedliche Lösung gesetzt haben könnte, die zugleich die Aussicht auf eine polnische Anerkennung seines Gegenpapstes eröffnen mochte, deutet nicht nur die Chronica Polonorum des Vincenz an, in der es heißt, der Kaiser habe nach dem Tod Władysławs „nicht mit Drohungen, sondern mit Bitten, […] nicht mit Waffen, sondern mit [seinem] Ansehen darauf gedrängt, dass sich [Bolesław IV.] […] nicht unbarmherzig zeigen und wenigstens seiner [Władysławs] Waisen erbarmen möge“.122 Auch der Umstand, dass der seit 1157 am kaiserlichen Hof als Geisel festgehaltene jüngere Bruder Bolesławs, Kasimir, im Mai 1161 erstmals wieder in Polen bezeugt ist, könnte dahingehend gedeutet werden, dass Friedrich ihn 1159–1160 nicht zuletzt in der Hoffnung nach Polen entlassen hatte, dass er dort für Viktor werben würde – ähnlich wie dies der 1161 ebenfalls aus kaiserlicher Geiselhaft entlassene Sohn des venezianischen Dogen Peter in Byzanz bei Manuel I. Komnenos tun sollte. So könnte auch Kasimir spätestens im Mai 1161 in Łęczyca genötigt gewesen sein, die Brüder Bolesław und Heinrich, den Onkel Odon, der Mieszko III. vertrat, sowie die geistlichen und weltlichen Großen des regnum Poloniae dazu

Konzil berichtet; Das Geschichtswerk des Otto Morena und seiner Fortsetzer über die Taten Friedrichs I. in der Lombardei, ed. Ferdinand Güterbock (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova series 7) Berlin 1930, S. 138 f. 121 Chronica Polonorum/Kronika polska [polsko-śląska], ed. Ludwik Ćwikliński (Monumenta Poloniae Historica, Bd. 3) Lwów 1878, S. 578–656, hier S. 645 f. 122 Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 124 f.; deutsch zitiert nach Die Chronik der Polen (wie Anm. 95), S. 289; vgl. hierzu auch den Beitrag von Tomaszek, Michał: Die Wahrnehmung des Kaisers bei Vinzenz Kadlubek in diesem Band S. XXX.

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zu bewegen, Partei für Friedrich und Viktor zu ergreifen.123 Sicher bezeugt ist ein solcher Versuch freilich ebenso wenig, wie eine polnische Anerkennung des Gegenpapstes auf dem Konzil von Lodi. Dass die Władysław-Söhne 1163 schließlich nach Schlesien zurückkehren konnten, mochte Friedrich vielleicht auch mit einem Verzicht auf ein weiteres Drängen in der Papstfrage erreicht haben; die Bedingungen, unter denen sie in Schlesien eigene Teilherrschaften erhielten, wurden jedenfalls von Bolesław IV. diktiert.124 Gut zwei Jahre später sandte Bolesław den Płocker Bischof Werner an den Kaiserhof. Ob dem Piastenreich damals tatsächlich, wie der anonyme Berichterstatter erzählt, ein erneuter Feldzug Barbarossas drohte, den die Gesandtschaft abwenden sollte oder die Quelle hier, wie Teile der Forschung annehmen, Ereignisse von 1157 einfließen ließ, sei dahingestellt. In jedem Fall bestand der Auftrag Werners darin, den Zorn Friedrichs (regis iram) zu besänftigen. Dass der Kaiser Ende 1165 noch immer nicht gut auf die Polen zu sprechen war, belegt der Umstand, dass Werner zunächst abgewiesen wurde und es einer nachdrücklichen Vermittlung bedurfte, ehe die polnische Gesandtschaft vorgelassen wurde. All dies spricht nicht unbedingt dafür, dass die polnische Seite dem Kaiser seit 1163 stärker entgegengekommen war und inzwischen auch den neuen Gegenpapst – seit April 1164 war dies Paschalis III. – anerkannt hatte. So mögen die Ende 1165/Anfang 1166 in Aachen geführten Verhandlungen Friedrich die willkommene, wahrscheinlich von ihm bewusst mit zuvor ausgeübtem Druck herbeigeführte Gelegenheit geboten haben, die Polen zur Anerkennung des neuen Gegenpapstes zu bewegen. Dass mit Werner jener Vertreter des polnischen Episkopats diese Verhandlungen führte, der enger als alle anderen polnischen Bischöfe mit prokaiserlichen Kreisen des Reiches verbunden war, mag den Ausgang der Beratungen im Sinne Barbarossas zusätzlich befördert haben. Schließlich wird der Kaiser dem polnischen Gesandten nicht ohne Gegenleistung so wertvolle Reliquiengeschenke gemacht haben. „Die Schenkung von Reliquien eines hl. Kaisers und eines hl. Königs durch Friederich I. am Ort des Grabes, vielleicht sogar gelegentlich der Erhebung Karls des Großen, an Abgesandte des Herzogs von Polen ist“, wie Gerd Zimmermann treffend formuliert hat, „ein Akt, der zweifellos eine politische Wirkung ausüben sollte […]. Es ist nicht unnmöglich, 123 Vgl. Smoliński: Caesar et duces (wie Anm. 109), S. 95 f. 124 Vgl. Zientara, Benedykt: Bolesław Wysoki. Tułacz, repatriant, malkontent, Kraków² 2008, S. 54 f.; Biniaś-Szkopek: Bolesław IV (wie Anm. 32), S. 250 f.

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dass in Aachen […] die Polen […] der kasierlichen Sache gerade durch diese Geschenke verpflichtet werden sollten“.125 Nicht auszuschließen ist also, dass diese Verpflichtung auch eine förmliche Anerkennung des Gegenpapstes Paschalis III. umfasste.126 Sollte es tatsächlich zu einer solchen Anerkennung gekommen sein, dann scheint sich der polnische Episkopat freilich keineswegs geschlossen an sie gehalten zu haben – jedenfalls dann nicht, wenn zutrifft, dass bereits ein gutes Jahr später, im Juni 1167, der Krakauer Bischof Gedko und 1170 auch der Płocker Bischof Lupus von Alexander III. geweiht wurden. Zwar sind die einschlägigen Nachrichten nicht völlig verlässlich, doch fällt auf, dass nach dem zweifelhaften Schlussprotokoll der Synode von Pavia keine einzige Quelle mehr von einer expliziten polnischen Anerkennung der Gegenpäpste spricht. Die mittelalterliche polnische Annalistik und Historiographie hat das Alexandrinische Schisma gänzlich totgeschwiegen – sei es, dass ihr im Nachhinein die polnische Parteinahme für die Gegenpäpste ‚peinlich‘ war, sei es, dass eine solche gar nicht stattgefunden hat und die Frage für das kulturelle Gedächtnis des mittelalterlichen Polen gänzlich ohne Belang war. Erst Jan Długosz hat das Schisma thematisiert, dabei aber betont, dass die polnische Kirche und das ganze Land ungeachtet aller Gefährdungen, die von Friedrich I. ausgingen, stets auf der Seite des rechtmäßigen Papstes Alexanders III. gestanden, ja seinen Ratschlägen und Empfehlungen folgend Friedrich I. und dessen Verbündete erneut in den Bann getan hätten.127 Vielleicht hätte er dieses einseitige, die Polen ex post unbedingt als papsttreu charakterisierende, mithin beschönigende Bild so nicht formulieren können, wenn es in den Jahren 1159–1177 tatsächlich eine klare Entscheidung des polnischen Episkopats zu Gunsten der Gegenpäpste gegeben hätte und diese – und sei es nur als ‚vorübergehende Verirrung‘ – in das kulturelle Gedächtnis eingegangen wäre. 125 Zimmermann: Karlskanonisation (wie Anm. 70), S. 145. 126 Für Deptuła: Niektóre aspekty (wie Anm. 4), S. 62 besteht kein Zweifel, dass Werner im Auftrag der polnischen Herzöge und des polnischen Episkopats in Aachen eine Obödienzerklärung für den Gegenpapst abgegeben habe. 127 Ionnis Dlugossii Annales. Liber Qunitus (wie Anm. 37), S. 96: Polonica vero Ecclesia et regio omni periculo, quod sibi ab imperatore Alamaniaque imminere poterat, contempto veri et legitimi pape Alexandri obedienciam sectabatur, eius quoque mandatis et decretis parendo, imperatorem Fridericum, reges, principes et episcopos sibi adherentes excomuni­ catos denunciabat.

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Auch der Umstand, dass Friedrich 1172 erneut militärisch gegen Bolesław IV. vorgehen musste, um dem um 1170 ein zweites Mal aus Schlesien vertriebenen Władysław-Sohn Bolesław wieder in seine Herrschaft einzusetzen128, zeigt, dass sich die polnische Seite wenig an eingegangene Abmachungen hielt. Friedrich konnte mit seiner Intervention zwar noch einmal die polnische Anerkennung seiner kaiserlichen Oberhoheit und in diesem Zusammenhang wohl auch die Obödienz gegenüber seinem aktuellen Gegenpapst – seit September 1168 war dies Calixt III. – erwirken. Doch zeichnete sich längst ab, dass Alexander am Ende am längeren Hebel sitzen würde. Daher wird das päpstliche Schisma die mit drängenderen innenpolitischen Fragen beschäftigten polnischen weltlichen und geistlichen Eliten in den bis zum endgültigen Sieg Alexanders III. verbliebenen fünf Jahren kaum ernsthaft umgetrieben haben. Es spricht im Übrigen viel dafür, dass auch in den Jahren zuvor das Schisma die polnischen Eliten kaum wirklich interessiert hat.129 Möglicherweise hat sich der 1173 nach dem Tod Bolesławs IV. auf den Krakauer Thron gelangte neue Senior, Mieszko III., angesichts der Bindungen, die er über die Ehe seiner ältesten Tochter mit Friedrich I., dem Herzog von Lothringen und Schwager Friedrich Barbarossas, eingegangen war, der Politik des Kaisers noch einmal stärker geöffnet.130 Doch waren auch seine Jahre in Krakau gezählt. Nur vier Jahre später, just in dem Moment, in dem die Niederlage des Kaisers im Juli 1177 in Venedig amtlich wurde, machte die kleinpolnische Opposition mit ihren schon länger gehegten Umsturzplänen ernst. Mieszko III. wurde aus dem Seniorat vertrieben und Kasimir II. auf den Krakauer Thron gebracht. Damit setzten sich jene Teile des Episkopats, insbesondere der Krakauer Bischof 128 Dazu eingehend mit Angabe der einschlägigen Quellenberichte Biniaś-Szkopek: Bolesław IV (wie Anm. 32), S. 253–256 sowie Rymar, Edward: Interwencja niemiecka na Śląsku w 1172 r. a walka potomstwa Władysława II Wygnańca o polski pryncypat w latach 1163–1180, in: Sobótka 49 (1994), S. 175–190. 129 Vgl. Biniaś-Szkopek: Bolesław IV (wie Anm. 32), S. 266. 130 Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 130 f.; zu Mieszkos Heiratspolitik vgl. auch Kersken, Norbert: Heiratsbeziehungen der Piasten zum römisch-deutschen Reich, in: Adamczyk, Dariusz/Kersken, Norbert (Hg.): Fernhändler, Dynasten, Kleriker. Die piastische Herrschaft in kontinentalen Beziehungsgeflechten vom 10. bis zum frühen 13. Jahrhundert, Wiesbaden 2015, S. 79–105, hier S. 84 ff. Nach seiner Vertreibung aus Krakau wandte sich Mieszko an Friedrich I. mit der Bitte, ihm bei der Rückeroberung des Prinzipats zu helfen; für einen entsprechenden Feldzug des Kaisers soll er diesem 10.000 Mark geboten haben, Annales Coloniensie maximi, ed. Karl Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVII) Hannover 1861, S. 723–847, hier S. 790.

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Gedko, durch, die bereits zuvor eine eher rom- bzw. reformfreundliche Politik verfolgt hatten. Nach der offiziellen Beendigung des Schisma stand ihrem offensiveren Auftreten nichts mehr im Wege. Rasch wurden die Kontakte zum Apostolischen Stuhl wieder intensiviert, so dass wohl bald nach 1177 der päpstliche Legat Rainald im Benediktinerkloster Jeżów an einer polnischen Synode teilnahm131, 1179 auch eine kleine polnische Delegation am 3. Laterankonzil teilnahm132, während Papst Alexander III. um diverse Schutzbullen angegangen wurde.133 Insbesondere nutzten Kasimir II. und Bischof Gedko die neue Situation, um eine päpstliche Legitimierung ihres ‚Staatsstreiches‘ zu erlangen. Tatsächlich wurden die weittragenden Beschlüsse der Zusammenkunft von Łęczyca, mit denen die Usurpation Kasimirs sanktioniert und die Senioratsordnung aufgehoben wurde, im März 1181 von Alexander III. bestätigt.134 Fünf Monate vor seinem Tod konnte der Papst mit Genugtuung auch jene Beschlüsse von Łęczyca bekräftigen, die erstmals die Zugriffsrechte der Herzöge auf Kirchengut und Dienstleistungen des Klerus einschränkten.135 Damit war das Tor zu einer neuen Entwicklung aufgestoßen. Nach der Beendigung des Schismas, dem Krakauer ‚Staatsstreich‘ und der Erneuerung der Beziehungen des polnischen Episkopats zum Apostolischen Stuhl stand dem verspäteten Einzug der Kirchenreform im piatischen Polen und der rechtlichen Emanzipation der polnischen Kirche nichts mehr im Weg, auch wenn der polnische Episkopat anschließend noch Jahrzehnte um die tatsächliche Durchsetzung der libertas ecclesiae kämpfen musste.136 131 Schlesisches Urkundenbuch I (wie Anm. 18), Nr. 52. 132 Kłoczowski, Jerzy: Solus de Polonia … Polacy na soborach powszechnych XII–XIII wieku, in: Kuczyński, Stanisław (Hg.): Cultus et cognitio. Studia z dziejów średniowiecznej kultury, Warszawa 1976, S. 259–265, hier S. 261; Maciejewski: Episkopat (wie Anm. 36), S. 165. 133 Vgl. Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 24. 134 Gieysztor, Aleksander: Nad statutem łęczyckim 1180 r.: odnaleziony oryginał bulli Aleksandra III z 1181 r., in: Księga pamiątkowa 150-lecia Archiwum Głównego Akt Dawnych w Warszawie, Warszawa 1958, S. 181–207, der Urkundentext S. 206 f.; Kodeks dyplomatyczny Wielkopolski I (wie Anm. 18), Nr. 25. 135 Vgl. Magistri Vincentii Chronica (wie Anm. 30), S. 148 ff. 136 Vgl. Irgang, Winfried: ,Libertas ecclesiae‘ und landesherrliche Gewalt – Vergleich zwischen dem Reich und Polen, in: Wünsch, Thomas/Patschovsky, Alexander (Hg.): Das Reich und Polen. Parallelen, Interaktionen und Formen der Akkulturation im hohen und späten Mittelalter, Sigmaringen 2003, S. 93–118, bes. S. 102–107; Baran-Kozłowski: Arcybiskup (wie Anm. 15); Maciejewski: Episkopat polski (wie Anm. 36).

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Wettiner, Přemysliden und Ludowinger Verwandtschaft zwischen Freundschaft und Feindschaft

I. Auch in der langen Reihe gelegentlich schwieriger meißnisch-böhmischer Eheprojekte erscheint der Fall Adelas (Adelheids) als Ungeheuerlichkeit. Nach über 20-jähriger Ehe verstieß König Ottokar von Böhmen um das Jahr 1198 nicht nur Adela selbst, die Schwester Markgraf Dietrichs von Meißen, sondern auch die gemeinsamen vier Kinder.1 Doch das reichte dem König nicht; Ottokar betrieb 1

Der Fall wird künftig ausführlicher in der deutschsprachigen Fachliteratur behandelt von Wihoda, Martin: Wettiner und Přemysliden: Eine Gemeinschaft aus Vernunft, Notwendigkeit und manchmal auch aus Liebe, erscheint in: Thüringen und die Mark Meißen im Interregnum … (basierend auf einem Vortrag der gleichnamigen Altenburger Tagung des Jahres 2013; für die freundliche Einsichtnahme in das länger der Drucklegung entgegensehende Manuskript danke ich Martin Wihoda sehr). Eine tschechischsprachige und hierfür deshalb nicht genutzte Magisterarbeit des Jahres 2010 der Karlsuniversität Prag zum Thema ist online zugänglich: Šretr, Ondřej: Vliv rozvodové pře s Adlétou Míšeňskou na politiku Přemysla Otakara I., Prag 2010 (http://is.muni.cz/th/180816/ff_m/Magisterska_ diplomova_prace.docx, letzter Zugriff: 15.11.2018). Auf eine ältere tschechische Arbeit zur Sache sei zumindest verwiesen: Černá, Marie L.: Rozvod Přemysla I. s Adélou Míšeňskou, in: Časopis Společnosti přátel starožitností českých 31 (1923), S. 9–44. Eine überaus knappe, aber lange maßgebliche ältere deutsche Biografie bei Winkelmann, Eduard: Adela, Königin von Böhmen, in: Allgemeine Deutsche Biographie 1, Leipzig 1875, S. 48 f. Etwas eingehender zur Sache Weller, Tobias: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert (Rheinisches Archiv. Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande der Universität Bonn 149) Köln u.a. 2004, hierzu bes. S. 678– 686. Eine lokale sächsische Erinnerungstradition an Adela ist erst in den letzten Jahren in Meißen durch den Förderverein für das ehemalige Kloster Heilig Kreuz gewachsen, das als mutmaßlicher Aufenthaltsort für Adelas späte Lebensjahre im Meißner Exil gilt.

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zügig die kirchenrechtliche Annullierung der Verbindung und erklärte damit seine langjährige Gemahlin zur Buhle und seine bisherigen Kinder als illegitim. Eine – im Übrigen genealogisch völlig unbegründete – Verwandtschaft vierten Grades2 mache die Ehe ungültig, behauptete man am Prager Hof, und so erschien der Weg frei für eine noch 1198 vollzogene neue „erstmalige“ Ehe des böhmischen Königs mit der (deutlich jüngeren) ungarischen Königstochter Konstanze. Die vorhergehende Verhandlung vor dem Prager Bischof Daniel über die Eheannullierung erschien denn wie eine Farce.3 Die auch von den Zeitgenossen wahrgenommene Fadenscheinigkeit der böh2

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Die Ankläger bezogen sich anscheinend auf die vermeintliche Ehe eines Urgroßvaters von Ottokar mit der Wettinerin Ida (Hidda). Tatsächlich war der böhmische Herzog Spytihněv II. († 1061) mit der Tochter des Wettiners Dietrich II. († 1034), Markgraf der Ostmark, verheiratet. Aber vom jung verstorbenen Spytihněv ging keine eigene přemyslidische Linie aus. Spytihněvs Bruder Vratislav II. setzte sich schließlich in Böhmen durch und wurde zum Stammvater der späteren Přemysliden und damit auch Ottokars. Vgl. Posse, Otto: Die Wettiner, Genealogie des Gesamthauses, mit Berichtigungen und Ergänzungen der Stammtafeln bis 1993 von Manfred Kobuch, Leipzig 1994, Tafel 1. Wihoda: Wettiner und Přemysliden (MS), S. 11, verweist darauf, dass man die Verwandtschaftsverhältnisse gerade in Prag leicht hätte prüfen können, wo die Böhmische Chronik des Cosmas vorlag; vgl. dazu Cosmae Pragensis Chronica Boemorum, ed. Bertold Bretholz/Wilhelm Weiberger (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum, Nova series 2) Berlin 1923, S. 109 f., zum Tod Spytihněvs. Den Wettinern, die sich auf keine ähnlich frühe (Haus-)Überlieferung beziehen konnten, musste der Nachweis unglaublich schwerer fallen. Mit der Genealogia Wettinensis (entstanden um 1216) und der Chronik vom Petersberg (entstanden um 1225/1230) fallen die maßgeblichen Werke erst in die Jahrzehnte nach Adelas Verstoßung; vgl. dazu zuletzt Pätzold, Stefan: Adel – Stift – Chronik. Die Hausüberlieferung der frühen Wettiner, in: Kruppa, Nathalie (Hg.): Adlige – Stifter – Mönche. Zum Verhältnis zwischen Klöstern und mittelalterlichem Adel (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 227 = Studien zur Germania Sacra 30) Göttingen 2007, S. 135–182. Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (1198–1230), ed. Gustav Friedrich, Praha 1912, Nr. 8, S. 6–8: In dem ausführlichen Schreiben Ottokars von 1199 an Papst Innozenz III. erläutert er die Umstände der erfolgten Trennung und Eheannullierung aus seiner Sicht und bittet um Anerkennung der nun rechtmäßigen Ehe mit Konstanze von Ungarn. Ebd., Nr. 9, S. 8 f., moniert Papst Innozenz III. in einem Schreiben an den mit der Untersuchung der Angelegenheit betrauten Magdeburger Erzbischof Ludolf das Prager Verfahren und weist auf die Benachteiligung Adelas hin, die etwa nicht zur Urteilsverkündung zugelassen worden wäre. Dazu auch Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 2.

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mischen Argumentation und die offensichtliche Widerrechtlichkeit von Ottokars Vorgehen verschärften die Wahrnehmungsbrisanz von Adelas Verstoßung.4 Gerade die Fürstenöffentlichkeit des Reiches registrierte den Fall wohl mehrheitlich als eklatante, als außerordentliche (wenn auch nicht ganz und gar ungewöhnliche) Normverletzung. All das dürfte den Druck auf den entscheidenden Sachwalter von Adelas Interessen, ihren Bruder Markgraf Dietrich von Meißen, erheblich erhöht haben. Für den Wettiner Dietrich, für die wettinische Familie bedeutete die Verstoßung Adelas eine extreme Ehrverletzung und für die krisengeplagte wettinische Herrschaft eine Belastung. Denn zwangsläufig rückten die Wiederherstellung von Adelas Ehre, der Ehre der wettinischen Familie und der Ehre Markgraf Dietrichs ausgerechnet jetzt in den Vordergrund wettinischer Politik, wo das Reich in einen blutigen staufisch-welfischen Thronstreit taumelte. Vom Erfolg der meißnischen Bemühungen um Adelas Restitution hingen die Wertschätzung und damit auch die Machtstellung des Wettiners im Reich und in seinen Herrschaften nicht unwesentlich ab. Bei der Strafe eines Ehrverlusts war Markgraf Dietrich hier zum Handeln gezwungen und damit dort, im Thron­ streit, in seiner politischen Bewegungsfreiheit zumindest eingeschränkt. Diese eingeschränkte politische Bewegungsfreiheit galt freilich noch mehr für den böhmischen König selbst und schlug damit auf den Verursacher der Malaise zurück. König Ottokar ging es weniger um die Ehre; der Böhme brauchte dringend die Anerkennung seiner neuen Ehe, um die gewollte dynastische Nachfolge für die gemeinsamen Kinder mit Konstanze von Ungarn zu sichern. Immerhin hatte Adela von Meißen bei Papst Innozenz III. noch 1199 eine aussichtsreiche Klage gegen die Annullierung ihrer Ehe eingereicht und Innozenz umgehend eine Untersuchung eingeleitet;5 damit stand Ottokars neue Ehe unter Vorbehalt und alle seine dynastischen Pläne ruhten auf tönernen Füßen. Die Klärung des Falles Adela und die Bestätigung Konstanzes als böhmische Königin entwickelten sich für Ottokar zur entscheidenden politischen Herausforderung im přemyslidischen Familienmanagement und damit zur herrschaftlichen Kernaufgabe.

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Dazu verweist Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 2 f., auf das seine wahre Einschätzung verratende Schreiben Papst Innozenz’ III. an die französische Geistlichkeit, in dem er Adela als rechtmäßige Ehefrau Ottokars bezeichnet; vgl. Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 10, S. 9. Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 9, S. 8 f.

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Es lohnt sich deshalb, den staufisch-welfischen Thronstreit mit besonderem Augenmerk auf die meißnisch-böhmischen Nachbarn und unter der Lupe des Falles Adelas von Meißen in den Blick zu nehmen, um zu sondieren, ob und wie stark die kommenden Parteinahmen und Parteienwechsel vom Handlungsdruck der Verstoßung Adelas getrieben waren.6 Dabei führt uns die Geschichte der beiden Kontrahenten Ottokar von Böhmen und Dietrich von Meißen zu einem wichtigen dritten Mann, dem thüringischen Landgrafen Herrmann I., und damit zunächst in die Herrschaftszeit Kaiser Friedrich Barbarossas und seines älteren Sohnes, Kaiser Heinrichs VI., zurück, in der sich das folgenreiche meißnischböhmisch-thüringische Verwandtschaftsgeflecht formierte. Diese Genese, mehr als eine Vorgeschichte, soll als Handlungshorizont der drei Protagonisten zunächst ausführlicher im Mittelpunkt stehen, um die familiären Strukturen von Verwandtschaft, Freundschaft und Feindschaft klarer werden zu lassen. Die Karrieren und Lebensläufe der Exponenten, Ottokar, Herrmann und Dietrich, offenbaren dabei auffällige Gemeinsamkeiten: Alle drei verband die Rolle des nachgeborenen Sohnes; alle drei starteten ihre Fürstenkarrieren aus einer mindermächtigen und gefährdeten herrschaftlichen Position heraus; alle drei profitierten schließlich vom frühen Tod ihrer älteren Brüder; alle drei mussten sich die familiären Herrschaftsrechte gleichwohl gegen königlich-staufische Ambitionen erkämpfen; und alle drei sollten später als bedeutende und erfolgreiche Fürsten, als dynastische Lichtgestalten in die jeweilige Geschichtsschreibung ihrer Häuser und Länder eingehen.

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Und dieser Blick ist durchaus berechtigt. Die jüngste Dissertation zum Thema nennt Adela von Meißen nur einmal im Text und wenige Male in den Fußnoten: Mamsch, Stefanie: Kommunikation in der Krise. Könige und Fürsten im deutschen Thronstreit (1198– 1218), Münster 2012 (online: https://repositorium.uni-muenster.de/document/ miami/4827b203-544d-4506-a77f-0531b2d11715/diss_mamsch_buchblock.pdf, letzter Zugriff: 15.11.2018), S. 173 und Anm. 771, 795, 800, 844. Auch für Martin Wihoda nimmt der Fall Adelas innerhalb des přemyslidischen Interessenbündels zumindest eine politisch nachgeordnete Rolle ein: Wihoda, Martin: Ein schwieriges Bündnis. Philipp von Schwaben, die Přemysliden und die Veränderungen im Osten des Reiches, in: Rzihacek, Andrea/Spreitzer, Renate (Hg.): Philipp von Schwaben. Beiträge der internationalen Tagung anlässlich seines 800. Todestages (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 19) Wien 2010, S. 227–244.

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II. (eine genealogische Übersicht zu den Ludowingern im Anhang, S. 338) Hermanns Weg an die Macht war steinig und keineswegs vorherbestimmt; und doch hatte er von allen drei hier verhandelten Fürsten die niedrigsten Hürden zu überwinden:7 Hermann kam als vierter Sohn Landgraf Ludwigs II. von Thüringen nach 1155 zur Welt; nicht nur mit König Friedrich Barbarossa, sondern auch mit den beiden Přemysliden Ulrich und Vladislav II. von Böhmen als cognatischen Onkeln. Als sein Vater Landgraf Ludwig II. 1172 starb, muss Hermann noch minderjährig gewesen sein. Die herrschaftliche Nachfolge des Vaters als Landgraf übernahm der älteste Bruder Ludwig III., mit dem Hermann 1180 gegen Heinrich den Löwen zog. Die Thüringer erlitten eine Niederlage und beide landgräflichen Brüder gerieten für mehrere Monate in Haft, bis Heinrich der Löwe sie gegen seinen freien Abzug aus dem Reich 1181 freiließ. Noch 1181 und wohl im Zusammenhang der Hochzeit Hermanns I. mit Sophia, einer Tochter des sächsischen Pfalzgrafen Friedrich II. von Sommerschenburg, erhielt er die 1179 an Landgraf Ludwig III. gefallene Pfalzgrafschaft Sachsen und stieg damit in den Rang eines Reichsfürsten auf – auch wenn die herrschaftliche Basis der sächsischen Pfalzgrafschaft vergleichsweise gering schien. Bereits 1180 war mit Heinrich Raspe III. ein weiterer älterer Bruder Hermanns jung verstorben und hatte den Weg für eine eventuelle Nachfolge Hermanns als Landgraf freigemacht, weil ein drittgeborener Sohn, Friedrich, von einer geistlichen Karriere zwar zurückgetreten, aber als legitimer Haupterbe dennoch ausgeschieden war. Da Landgraf Ludwig III. in zwei (geschiedenen) Ehen „nur“ eine Tochter zeugte und 1190 nach 18-jähriger Herrschaft auf dem Rückweg aus dem Heiligen Land verstarb,8 schien der Weg Hermanns an die Macht plötzlich doch frei. Aber König Heinrich VI. sträubte sich gegen die Belehnung des Ludowingers.9 7

8 9

Zu ihm vgl. Tebruck, Stefan: Die Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung im Hochmittelalter. Klösterliche Traditionsbildung zwischen Fürstenhof, Kirche und Reich (Jenaer Beiträge zur Geschichte 4) Frankfurt am Main u.a. 2001; Neumeister, Peter: Hermann  I., Landgraf von Thüringen (1190–1217), in: Holtz, Eberhard/Huschner, Wolfgang (Hg.): Deutsche Fürsten des Mittelalters, Leipzig 1995, S. 276–291; überblickshalber auch: Patze, Hans: Geschichte Thüringens, Bd. 2/1: Hohes und spätes Mittelalter (Mitteldeutsche Forschungen 48/II/1) Köln/Wien 1974, S. 29–32. Zu ihm zusammenfassend Patze: Geschichte Thüringens II/1 (wie Anm. 7), S. 24–29. Dazu ausführlich Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S.

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Der Staufer plante offensichtlich, die königliche Einflusszone in Mitteldeutschland auszubauen. Hier hatte Kaiser Friedrich Barbarossa mit dem Reichsland Pleißen einen Anker für weitergehende herrschaftliche Ambitionen geschaffen.10 Die expansiven Vorstellungen des Staufers kollidierten mit den Erbansprüchen Hermanns von Thüringen – und wenige Jahre später mit denen Dietrichs von Meißen. Weder die engere Verwandtschaft zu seinem Cousin König Heinrich VI. noch die im Krieg gegen die Welfen erwiesene Gefolgschaftstreue halfen Pfalzgraf Hermann, sondern nur der Druck einflussreicher Fürstenkollegen. König Heinrich VI. hatte sofort nach Bekanntwerden des Todes von Landgraf Ludwig III. seine Reisepläne geändert und war im Spätherbst 1190 nach Thüringen geeilt – wohl um die Landgrafschaft als erledigtes Lehen einzuziehen.11 Damit verstieß der junge Staufer gegen die guten Gepflogenheiten ebenso wie gegen die konsensuale Herrschaftspraxis zwischen König und Fürsten des Reichs. Wenn schon keine treuen Verwandten wie die Ludowinger auf königliche Verlässlichkeit bei der Leihe der Reichsfürstentümer an Familienangehörige rechnen konnten, dann schien das austarierte Machtgefüge zwischen König und Fürsten generell in Gefahr. Die fürstliche Solidarität namentlich nicht genannter Standesgenossen12 verhalf Hermann I. letztlich dann doch zur widerwilligen Belehnung mit der Thüringer Landgrafschaft, für die sich König Heinrich VI. nach schwierigen Verhandlungen zwei Städte und eine „Provinz“ abtreten ließ. Ende 1190 urkundete Hermann I. als thüringischer Landgraf;13 die für die Ludowinger existentielle Krise ihrer Herrschaft in Thüringen schien zügig beigelegt. Aber das Vertrauen des neuen Landgrafen zu den Staufern war dauerhaft erschüttert und das persönliche Verhältnis zum baldigen Kaiser Heinrich VI. früh zerrüttet. Mit der bleibenden Erfahrung, 255–260. 10 Dazu Thieme, André: Pleißenland, Reich und Wettiner. Grundlagen, Formierung und Entwicklung der terra plisnensis bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, in: Sachenbacher, Peter/Einicke, Ralph/Beier, Hans Jürgen (Hg.): Tegkwitz und das Altenburger Land. 976/2001 – 1025 Jahre Ersterwähnung von Altenburg und Orten im Altenburger Umland (Beiträge zur Frühgeschichte und zum Mittelalter Ostthüringens 1) Langenweissbach 2003, S. 39–60. 11 So Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 255–257. 12 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 259, nennt den sächsischen Herzog Bernhard von Anhalt als möglichen Unterstützer Hermanns I. beim König. 13 Urkundenbuch des Klosters Pforte Bd. 1, ed. Paul Boehme (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 33) Halle 1893, Nr. 36, S. 54 f.; Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 259.

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für das Wohl und Wehe der eigenen Familie letztlich auf sich selbst gestellt zu sein, lavierte Landgraf Hermann dann wenige Jahre später im Thronstreit ganz folgerichtig, jenseits fester Treue- und Parteienbindungen und durchaus riskant auf den eigenen Vorteil bedacht, zwischen den staufisch-welfischen Gegenspielern.

III. (eine genealogische Übersicht zu den Wettinern im Anhang, S. 339) Wegen der Schwierigkeiten Dietrichs, sich als Markgraf in Meißen zu etablieren und durchzusetzen, verlieh ihm die spätere meißnisch-sächsische Geschichtsschreibung den Beinamen „der Bedrängte“.14 Und obwohl man Dietrich aus anderer Perspektive auch „den Bedränger“ hätte nennen können, verrät der Beiname viel über die bedrohliche Krise wettinischer Herrschaft am Ende des 12. Jahrhunderts. Dabei gehörte die wirtschaftlich prosperierende, sich durch agrarische Landeserschließung, durch Städteförderung und Silberbergbau rasant wandelnde Markgrafschaft Meißen gerade im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts zu den innovativen Wachstumsregionen des Reiches. Anfänglich erschienen die Verwerfungen im Wortsinne hausgemacht: Markgraf Otto von Meißen hätte auf Drängen seiner Gemahlin Hedwig in seinen letzten Lebensjahren (†1190) den jüngeren Sohn Dietrich vorgezogen und geplant, den älteren Sohn Albrecht in der Nachfolge der Markgrafschaft zu übergehen. Über Hedwig, die Tochter Albrechts des Bären, bestanden enge verwandtschaftliche Bindungen zwischen Wettinern und Askaniern; Markgraf Otto von Brandenburg (†1184) und der sächsische Herzog Bernhard von Anhalt (†1212) waren Onkel des wettinischen Brüderpaars, ebenso wie der allerdings schon 1167 verstorbene Přemyslide Theobald, der Bruder König Vladislavs II., der eine Schwester Hedwigs geheiratet hatte. Albrecht selbst ehelichte 1186 Sophia, die Tochter des amtierenden Herzogs Friedrich (Bedrich) von Böhmen, und damit eine Großnichte seines böhmischen Onkels Theobald. Die chronikalischen Quellen Thüringens und Meißens zeigen ein parteiisches Bild der Geschehnisse.15 Albrecht, der von der humanistischen Geschichtsschrei14 Ermisch, Hubert: Die geschichtlichen Beinamen der Wettiner, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 17 (1896), S. 1–32, bes. S. 10, danach lässt sich der prägnante Beiname erst nach dem Mittelalter fassen. 15 Dazu Marquis, Bettina: Meißnische Geschichtsschreibung des späten Mittelalters (ca.

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bung den negativ konnotierten Beinamen „der Stolze“ erhalten sollte, wurde mit dem Topos eines tyrannischen, gewalttätigen und gottlosen „bösen“ Fürsten belegt, sein am Ende siegreicher und die Dynastie fortsetzender Bruder Dietrich in lichten Farben gezeichnet. Aber als Albrecht sich gegen die allen Erbgewohnheiten widersprechende Zurücksetzung durch den Vater wehrte und diesen 1188 auf der Burg Döben festsetzte, konnte er immerhin auf die Unterstützung seines askanischen Onkels, Herzog Bernhards von Sachsen, seines wettinischen Onkels Dedo (†1189), Markgraf der Ostmark, und von dessen Sohn und Nachfolger, seinem Cousin Markgraf Konrad von der Ostmark, zählen – und er erhielt letztlich auch den Rückhalt Kaiser Friedrich Barbarossas, der noch vor dem Aufbruch zum Kreuzzug Albrecht zwar zwang, seinen gefangen gesetzten Vater freizulassen, aber zugleich die Erbfolge zu Gunsten Albrechts wiederherstellte.16 Für Dietrich wurden Güter um Weißenfels zu kleineren Herrschaft zusammengefasst, und als Graf von Weißenfels erschien Dietrich dann auch in den kommenden Jahren. In dieser für Albrecht scheinbar gesicherten und vorteilhaften Position brach der Streit mit Markgraf Otto noch im Sommer 1189 erneut aus, und wieder nahm der Sohn den Vater in Haft. Diesmal reagierte König Heinrich VI. für den abwesenden Kaiser rigide. Der böhmische Schwiegervater Albrechts, Herzog Friedrich, war 1189 bereits verstorben. Dessen Nachfolger Konrad III. Otto aus einer mährischen Nebenlinie fiel nach dem Zeugnis der Pegauer Annalen im Auftrag des jungen Staufers in Meißen ein, um Albrecht zu strafen.17 Im August hätte König Heinrich VI. zu Würzburg dann den Streit erneut geschlichtet, ohne dass Näheres über die Modalitäten bekannt geworden wäre.18 Albrechts Erbfolge blieb jedenfalls unbestritten, und die Situation entspannte sich überdies, weil sich Graf Dietrich dem Kreuzzug Barbarossas anschloss.19

1215–1420), München 1998, S. 210–215; Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 261–279. 16 Vgl. Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 211; Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 261. 17 Annales Pegavienses et Bosovienses, ed. Georg Heinrich Pertz (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores XVI) Hannover 1859, S. 266 f. 18 So Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 261 f. 19 Pätzold, Stefan: Die frühen Wettiner. Adelsfamilie und Hausüberlieferung bis 1221 (Geschichte und Politik in Sachsen 6) Köln/Weimar/Wien 1997, S. 69 f.

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Im Februar 1190 starb Markgraf Otto von Meißen,20 und Albrecht trat die Nachfolge an. Im Jahr darauf kehrte Dietrich von Weißenfels aus dem Heiligen Land zurück, und sofort ging Albrecht noch 1191 als neuer Markgraf von Meißen gegen seinen jüngeren Bruder Dietrich militärisch vor – um ihn ganz aus dem Erbe zu treiben, wie die Lauterbacher Chronik vermelden zu müssen glaubt.21 Mit Heeresmacht belagerte Albrecht die für Dietrich wichtige Burg Weißenfels; der jüngere Bruder stand am Rande einer entscheidenden Niederlage und suchte nach Verbündeten. Dass er anscheinend weder in der Familie seiner askanischen Mutter noch bei seinem Cousin Markgraf Konrad von der Ostmark Rückhalt fand, verrät viel über seine fehlende Akzeptanz. Bei Landgraf Hermann von Thüringen fand Dietrich schließlich doch Gehör und gewann einen mächtigen Bundesgenossen; für den Preis einer Hochzeit. Für die Hilfe des Ludowingers wurde er genötigt, sich mit dessen ältester und angeblich hässlicher Tochter Jutta zu verloben22 – bei Lichte besehen keine schlechte Partie für den damals existentiell bedrängten und nachgeborenen Wettiner Dietrich. Die thüringischen Truppen drängten Markgraf Albrecht schnell in die Defensive, der zu einem Waffenstillstand gezwungen wurde,23 aber immer noch fest im Sattel saß. Albrecht verfügte wohl weiterhin über den Rückhalt der wettinischen Familie sowie Herzog Bernhards von Sachsen,24 und in Böhmen agierte inzwischen Ottokar, der Onkel seiner Gemahlin Sophia, als Herzog. Die Beziehungen zwischen dem Wettiner Albrecht und dem Přemysliden Ottokar müssen recht eng gewesen sein. Immerhin setzte Albrecht 1192 den aus Prag vertriebenen Herzog Wenzel II. für Ottokar fest.25 Allerdings musste Ottokar ein Jahr später das Feld in Prag räumen und setzte sich wohl selbst eine zeitlang nach Meißen ab.26 Schon 1193/94 eskalierten die Kämpfe zwischen den wettinischen Brüdern erneut. Markgraf Albrecht trieb mit einem Überraschungsangriff Dietrich zur

20 Posse: Wettiner (wie Anm. 2), Tafel 4. 21 Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 213. 22 Dazu Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 262, bes. Anm. 40; Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 213. 23 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 262. 24 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 272 f. 25 Annalium Pragensium, ed. Josef Emler (Fontes rerum Bohemicarum 2) Prag 1874, S. 281; Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 12. 26 So Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 12.

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Flucht aus Weißenfels,27 wurde im Zuge der Kriegshandlungen offensichtlich aber auch gegen einen pleißenländischen Reichsministerialen übergriffig und brachte damit den Kaiser und die Ritterschaft des Reichslandes gegen sich auf.28 Erneut ließ Kaiser Heinrich VI. daraufhin wohl im Herbst 1194 böhmische Heerscharen in Meißen einfallen, um Markgraf Albrecht in die Schranken zu weisen.29 In Prag regierte inzwischen Herzog Heinrich Bretislav III., der als Cousin Herzog Friedrichs nur entfernt mit Albrechts Frau Sophia verwandt, vor allem aber ein Feind von Albrechts böhmischen Intimus Ottokar war. Trotz eigentlich enger familiärer Bindungen Markgraf Albrechts nach Böhmen konnte der Stauferkönig damit gleich zweimal böhmische Heere für eine Intervention ausgerechnet in Meißen und gegen den Schwiegersohn eines böhmischen Herzogs instrumentalisieren. Die böhmische Verwandtschaft trug Markgraf Albrecht keine herrschaftliche Dividende ein – auch weil die unsteten, durch das Senioratsprinzip zwischen verschiedenen přemyslidischen Linien changierenden Prager Nachfolgekonstellationen der 80er und 90er Jahre des 12. Jahrhunderts seine engere böhmische Verwandtschaft ins Hintertreffen gebracht hatten. Stattdessen war es sein Bruder und Konkurrent Dietrich, der durch eine Eheschließung in Landgraf Hermann von Thüringen den entscheidenden Unterstützer gewann. Doch diese Hochzeit Dietrichs mit Jutta von Thüringen war nicht Auslöser für die thüringische Parteinahme, sondern Teil des Deals, mit dem der Ludowinger um Einfluss im Hegemonialraum der immer mächtiger gewordenen Wettiner rang. Den entscheidenden Schlag gegen Albrecht führten deshalb wahrscheinlich schon vor dem Einfall der Böhmen die thüringischen Truppen Landgraf Hermanns, die Albrecht 1194 bei Röblingen vernichtend schlugen. Mit wenigen Gefährten konnte sich der Markgraf auf den Lauterberg ins dortige Chorherrenstift flüchten. Propst Walther versorgte den Wettiner und schmuggelte ihn in Mönchskleidern nach Leipzig30 – ein Engagement, das gegen das düstere Bild Albrechts spricht, das wenig später ausgerechnet die Lauterbacher Chronik zeichnen wird.

27 Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 214. 28 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 263. 29 Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 58 f.; Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 263. 30 Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 214.

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Der Stern Markgraf Albrechts sank nun schnell. In Meißen durch die Front der Gegner bedrängt, eilte der Wettiner nach Italien, um bei Kaiser Heinrich VI. Vergebung und Unterstützung zu erlangen. Als ihm klar geworden sein muss, dass er mit keinem von beiden rechnen konnte, setzte er sich wieder nach Meißen ab und bereitete den Widerstand gegen Heinrich VI. vor, in dem er jetzt zu Recht die größte Gefahr für die wettinische Herrschaft mutmaßte.31 Inmitten der Verteidigungsvorkehrungen starben im März 1195 zunächst Albrechts Gemahlin Sophia und im Juni 1195 schließlich der junge Markgraf selbst,32 der „nur“ eine Tochter hinterließ. Damit schien sich plötzlich der Weg für Dietrich zur Nachfolge in der Meißner Markgrafschaft doch noch zu öffnen. Aber Kaiser Heinrich VI. hatte längst ein Auge auf die aufblühende Markgrafschaft Meißen geworfen. Und was er wenige Jahre vorher in Thüringen unvermittelt, unvorbereitet und unkoordiniert versucht hatte, setzte er jetzt in Meißen planvoll und zielgerichtet um.33 Auf Graf Dietrich von Weißenfels und dessen eventuelle Erbansprüche nahm der Kaiser dabei nicht den Hauch von Rücksicht. Heinrich VI. ging es um die Ausweitung der staufisch-reichsländischen Machtsphäre im mitteldeutschen Osten, wo die vordem rückständigen Markengebiete sich durch Bevölkerungswachstum, Landeserschließung und Technologietransfer auf einer rasanten zivilisatorischen Aufholjagd befanden. Gemeinsam mit dem Reichsland Pleißen um die (zum Teil erst werdenden) Städte Altenburg, Chemnitz und Zwickau fügte sich die benachbarte, entwicklungsgeschichtlich eng verbundene Markgrafschaft Meißen mit ihren Städten Leipzig, Meißen und Freiberg zu einem Machtblock von auch im Reich zählbarem Gewicht. Dass Kaiser Heinrich VI. mit dem drastischen Vorgehen den Druck auf die Fürsten, seinem Reichserbplan zuzustimmen, erhöhte, dürfte ein wichtiger Nebeneffekt seines Meißner Eingreifens gewesen sein. Kaiser Heinrich VI. zog die Markgrafschaft Meißen nach Albrechts Tod im Juni 1195 als erledigtes Reichslehen ein und machte keine Anstalten, sie erneut 31 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 264; Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 214 f. 32 Posse: Wettiner (wie Anm. 2), Tafel 5. Die Lauterbacher Chronik berichtet, dass Albrecht vergiftet worden sei; Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 215. 33 Dazu Thieme: Pleißenland, Reich und Wettiner (wie Anm. 10), S. 50–52; Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 257 f., 276; Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 215–219; Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 70 f.

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auszugeben. Damit düpierte er die Reichsfürstenschaft doppelt, einmal weil er erneut weitere familiäre fürstliche Erbansprüche negierte, und andererseits, weil er sich der gewohnten Wiederausleihe eines Reichslehens verweigerte. Stattdessen zog der Kaiser die Verwaltung Meißens in seine Hände bzw. die seiner Ministerialen: Noch im Oktober 1195 verfügte Heinrich VI. ganz uneingeschränkt selbst über Güter in der Mark Meißen.34 Zwei Jahre später, im April 1197, wurde sein Kämmerer Heinrich von (Neuen-)Groitzsch als kaiserlicher Sachwalter in der Mark tätig, als er einen Streit zwischen dem Kloster Altzella und den Brüdern von Nossen schlichtete.35 Die enge herrschaftliche Verschränkung zwischen dem Pleißenland und der Mark Meißen offenbart sich in der Zeugenliste, in der sich pleißenländische und ehedem markmeißnische Dienstleute drängen. Nach reichlichen 100 Jahren stand damit die wettinische Herrschaft über die Markgrafschaft Meißen vor dem Aus. Während Landgraf Hermann 1190 noch auf den Rückhalt seiner Standesgenossen zählen konnte, blieb jetzt 1195 ein fürstlicher Widerstand gegen die kaiserliche Willkür aus. Weder der Schwiegervater Landgraf Hermann noch die mächtigen wettinischen Vettern Dietrich und Konrad opponierten nachhaltig gegen die Zurücksetzung Dietrichs. Einträchtig – zumindest nach außen – begegnen sie 1195/1196 an der Seite des Kaisers.36 Ein isolierter Widerstand Graf Dietrichs erschien aussichtlos und lässt sich nicht einmal im Ansatz fassen.37 Immerhin hielten die Auseinandersetzungen um den Reichserbplan auch eine 34 Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen 1100–1195, ed. Otto Posse (Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/2) Leipzig 1889, Nr. 594–596, S. 409– 411; vgl. hierzu auch Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 257, Anm. 28. 35 Urkunden der Markgrafen von Meißen und Landgrafen von Thüringen 1196–1234 ed. Otto Posse (Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3) Leipzig 1898, Nr. 21 und 22, S. 20 f. 36 Landgraf Hermann zeugte schon im Oktober 1195 auf dem Hoftag zu Gelnhausen für den Kaiser; Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/2 (wie Anm. 34), Nr. 590–594, S. 407– 410. Dietrichs Vetter, Markgraf Konrad von der Ostmark, fand sich gemeinsam mit Landgraf Hermann von Thüringen im April 1196 im kaiserlichen Gefolge ein; Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 5, S. 5; Landgraf Hermann allein Nr. 6, S. 5 f.; Markgraf Konrad allein Nr. 7, S. 6. 37 Graf Dietrich lässt sich in dieser Phase folgerichtig nur einmal am kaiserlichen Hof nachweisen: auf dem Wormser Hoftag vom Dezember 1195, auf dem er sich zur Teilnahme am Kreuzzug verpflichtete; vgl. Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 70.

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eventuelle Erbnachfolge Dietrichs von Weißenfels in der Mark wenigstens virtuell in der Schwebe. Die letztendliche Konturierung der künftigen herrschaftlichen Verhältnisse in der ostmitteldeutschen Region blieb in den zwei letzten Lebensjahren Kaiser Heinrichs aus; die Zukunft offen. Dafür, dass sich Dietrich von Weißenfels beim Tod seines Bruders außer Landes, auf einer Kreuzfahrt befunden haben soll, gibt es keine Belege außer dem Zeugnis der Lauterberger Chronik, die damit die schnelle Machtübernahme des Kaisers in Meißen, ohne merklichen Widerstand der Wettiner und des Adels, begründen möchte.38 Stattdessen zeugte Dietrich 1195 und 1196 als Graf Dietrich von Weißenfels im Lande;39 gegen den auf dem Höhepunkt seiner Macht stehenden Staufer blieb der Wettiner einfach ohnmächtig. Erst zum März 1198 lässt er sich in Palästina fassen40 und wird dorthin wahrscheinlich schon im Januar, sicher jedenfalls noch vor dem September 1197 aufgebrochen sein.41 Als die Nachricht vom Tod des Kaisers die Kreuzfahrer im März 1198 erreichte, kehrte Graf Dietrich gemeinsam mit Landgraf Hermann nach Mitteldeutschland zurück. Und erst jetzt, im aufbrechenden staufisch-welfischen Thronstreit, bot sich für Dietrich die Chance, doch noch an das väterliche Erbe zu gelangen und die frustrierende Vorgeschichte von Ohnmacht und Isolation hinter sich zu lassen. Der um fürstliche Anhänger werbende Philipp von Schwaben konnte die harte antifürstliche Linie seines kaiserlichen Bruders nicht aufrechterhalten, und endlich erhielt der zügig zu Philipp übergegangene Dietrich 1198/1199 die förmliche Belehnung mit der Meißner Mark.42 Die bislang schwerste Krise wettinischer Herrschaft in Meißen schien ausgestanden. – Adela, die Schwester des neuen Markgrafen war da freilich bereits von ihrem Gemahl Ottokar verstoßen worden.

38 Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 217 f. 39 Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/2 (wie Anm. 34), Nr. 597, S. 411 f.; Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 8, 10, 13, 15; S. 7–14. 40 Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 28, S. 26 f., mit ausführlichen Erörterungen zur Datierung. Die Nennung als marchio greift der eigentlich späteren Einsetzung vor. 41 Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 71. 42 Ebd., S. 71.

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IV. (eine genealogische Übersicht zu den Přemysliden im Anhang S. 340) Noch schwieriger und wechselhafter als in Meißen und Thüringen vollzog sich die herrschaftliche Auseinandersetzung im böhmischen Herzogsgeschlecht der Přemysliden. Das seit dem späten 11. Jahrhundert geltende Senioratsprinzip, das die böhmische Herrschaft dem ältesten lebenden männlichen Familienmitglied reservierte und damit die sonst im Reich etablierte männliche Nachfolge in der Kernfamilie unterlief, aber auch die auf die Besetzung des Herzogsstuhls unmittelbar Einfluss nehmenden römisch-deutschen Könige führten zu verwirrenden, diskontinuierlichen, aber immer konfliktreichen Auseinandersetzungen. Das 12. Jahrhundert wurde dabei durch die Konkurrenz der Linien Vladislavs I. († 1125) und Soběslavs I. († 1140) bestimmt, beide Söhne Herzog (und seit 1085 König) Vratislavs II. († 1092). Bereits Ottokars Vater, Vladislav II. († 1174), hatte während der Herrschaft seines Onkels Soběslav I. Böhmen verlassen müssen. Soběslavs I. Versuch, das Senioratsprinzip zu unterlaufen und seinem ältesten Sohn die Nachfolge zu sichern, scheiterte. Vladislav II. setzte sich 1140 mit Unterstützung des böhmischen Adels durch, und nun sahen sich die Söhne Soběslavs I. ins Exil gedrängt. Der ältere Soběslavs II. (†1180) scheiterte beim Versuch, die Herrschaft in Böhmen zu übernehmen, wurde gefangen und floh an den Hof Friedrich Barbarossas. Einen erneuten Vorstoß in Böhmen büßte Soběslavs II. nach 1161 mit Haft, aus der er erst 1173 freikam. Der jüngere Ulrich (Udalrich; †1177) floh über Polen ebenfalls an den Hof Friedrich Barbarossas, erwarb dessen Gunst und begleitete den Kaiser auf mehreren Italienzügen. Ulrich kam über seine beiden Ehen sowohl mit Thüringen als auch mit Meißen in enge Verbindung. Zunächst heiratete er Cäcilie von Thüringen, eine Tochter des ersten ludowingischen Landgrafen Ludwigs I., nach deren Tod Sophia von Meißen, eine Tochter Markgraf Ottos des Reichen. Beide mitteldeutschen Fürsten waren wohl nicht zufällig enge Verbündete des Staufers im Kampf gegen die Welfen. Auch Ulrichs böhmischer Cousin und erfolgreicher Konkurrent, der seit 1140 als Herzog und seit 1158 als König von Böhmen amtierende Vladislav II., hatte 1155 in zweiter Ehe eine Tochter Landgraf Ludwigs I. geehelicht, Judith von Thüringen – die Mutter des späteren Königs Ottokar von Böhmen. Damit dockten beide böhmischen Linien dynastisch entfernt auch an die Familie der Staufer an, weil Landgraf Ludwig I. seit 1150 mit einer Nichte König Konrads II. und Halbschwester Friedrich Barbarossas verheiratet war.

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Spannungsfrei blieben die Beziehungen König Vladislavs II. zu Barbarossa freilich vor allem in der Spätzeit nicht,43 und Vladislavs II. Vorstoß, das Senioratsprinzip zu umgehen und die Nachfolge seines ältesten Sohnes Friedrich (Bedrich; † 1189) durch den eigenen Rücktritt noch zu seinen Lebzeiten zu sichern, stieß 1172 nicht nur auf Vorbehalte im mährischen Adel, sondern auch auf den Widerstand Barbarossas. Im folgenden Streit um den Herzogsstuhl verzichtete Barbarossas Favorit, der ludowingisch-wettinisch verehelichte Ulrich, der sich mit einem Teilherzogtum zufrieden gab. Ottokars älterer Halbbruder Friedrich musste auf Druck des Kaisers 1174 die böhmische Herrschaft dennoch aufgeben, die nun an Ulrichs älteren Bruder Soběslav II. und damit an die konkurrierende přemyslidische Linie gelangte. Doch das war nur der Auftakt zu den bürgerkriegsartigen böhmischen Thronwirren der folgenden Jahrzehnte. Während der Herrschaft Soběslavs II. verließen Friedrich und sein jüngerer Bruder Ottokar Böhmen. Friedrich kämpfte für Barbarossa in Österreich und Italien; der erst 19-jährige Ottokar ging nach Meißen, wo er wahrscheinlich Adela, die jüngste Tochter Markgraf Ottos kennenlernte, die er dann angeblich heimlich, ohne Mitgiftvereinbarung und ohne Zustimmung seiner und ihrer Familie heiratete. Betrachtet man freilich die Eheschließung aus den Umständen ihrer Zeit heraus, dann war Adela von Meißen, die Tochter eines mächtigen und überaus reichen Fürsten, eine ausgesprochen gute Partie für den nachgeborenen böhmischen Exilanten aus bester Familie, aber mit unsicherer Zukunft; – und das gilt selbst dann, wenn die Eheschließung doch erst etwas später, um 1179/1180 erfolgt wäre, zu einer Zeit, als Ottokar herrschaftlich wieder in Böhmen etabliert war.44 Auf jeden Fall machte seine Hochzeit Ottokar pikanterweise zum 43 Zu den Hintergründen vgl. den Beitrag von Knut Görich im vorliegenden Band. 44 In die Zeit um 1180 setzt die Hochzeit Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 11. Die Datierung der Ehe ist unsicher und die Überlieferung widersprüchlich. Das früheste Zeugnis darüber im Lateranschreiben von 1199 (Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II [wie Anm. 3], Nr. 9, S. 8) schreibt viginti annis et amplius, aber mit Hinweis auf die späteren Schreiben des Papstes merkt der Editor Gustav Friedrich unter Zeichen b an, dass die Zahl viginti wahrscheinlich in duodeviginti zu korrigieren sei – durchaus ein Zirkelschluss. Aber immerhin rechnen die drei späteren Lateranschreiben der Jahre 1201, 1206 und 1210 (Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II [wie Anm. 3], Nr. 20, S. 14; Nr. 55, S. 48; Nr. 88, S. 81) durchweg mit achtzehn oder mehr (!) Ehejahren (decem et octo annis et amplius). Damit bleibt das Jahr der Eheschließung letztlich doppelt ungewiss, erscheint aber im Kontext m. E. eher in die Zeit vor Herzog Friedrichs erneutem Machtantritt zu gehören. Wie sollte Ottokar später als Markgraf von

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Schwager Ulrichs, dem väterlichen Cousin und Bruder des herrschenden Böhmenherzogs Soběslav II. Das meißnisch-böhmische Familiengeflecht sollte sich aber noch weiter verdichten. Wohl einige Jahre zuvor – das genaue Jahr ist unbekannt – hatte König Vladislavs II. jüngerer Bruder Theobald (Diepold) seine Tochter Hedwig, also eine Cousine Ottokars, an den wettinischen Grafen Friedrich von Brehna, einen jüngeren Bruder Markgraf Ottos von Meißen und damit an einen Onkel Adelas, verheiratet.45 Die beiden mindermächtigen, nachgeborenen, aber durchaus einflussreichen Fürstensöhne Theobald und Friedrich waren sich im Dienst Kaiser Friedrich Barbarossas auf dessen Italienzügen begegnet. In Prag drehte sich das Rad weiter. Herzog Soběslav II. büßte die Unterstützung Barbarossas schon bald wieder ein, mit dessen Hilfe und mit der seines mährischen Verwandten Konrad III. Ottos von Znojmo (Znaim) sich nun erneut Friedrich 1178/1179 gewaltsam in Prag durchsetzte. Soběslav II. starb wenig später im polnischen Exil. Friedrich regierte nun bis zu seinem Tod 1189 und verheiratete in dieser herrschaftlich durchaus angespannten und widersprüchlichen Zeit seine Tochter Sophia mit dem ältesten Sohn Markgraf Ottos von Meißen, Albrecht dem Stolzen. Das Paar wurde am 23. April 1186 in Usti nad Labem (Aussig) vermählt.46 Ottokar war damit jetzt zugleich Onkel und Schwager Albrechts und Sophias. In Böhmen wiederholte sich die Rollenverteilung der Elterngeneration. Schon Theobald hatte für seinen älteren Bruder Vladislav II. gelegentlich die Regentschaft ausgeübt, vor allem aber böhmische Heere und Kriegskontingente befehligt. Ottokar wurde von seinem Bruder als Markgraf noch 1179 nach Mähren entsandt und damit an einen kritischen Brennpunkt versetzt, wo er sich gegen den von der alten mährischen Nebenlinie der Přemysliden getragenen Widerstand zunächst nicht durchsetzen konnte. Zeitweise zwang der Exponent Mähren Gelegenheit haben, eine Tochter Ottos von Meißen heimlich zu ehelichen. Auch das natürlich als Topos zu deutende, von Ottokar in seinem Schreiben von 1199 (Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II [wie Anm. 3], Nr. 8, S. 6 f.) beschworene jugendliche Alter (in puericia nostra) und die noch größere Jugendlichkeit seiner Gemahlin (ipsa eciam in tenera etate existente) verweisen eher auf die Zeit von Ottokars gerade erreichter Mündigkeit um 1176/1177, ohne dass hier Gewissheit erlangt werden kann. 45 Der zwischen 1142 und 1145 (Posse: Wettiner [wie Anm. 2], Tafel 3) geborene Friedrich von Brehna wird sicher nicht vor seiner vollen Mündigkeit 1162–1165, aber noch vor dem Tod seines Schwiegervaters Theobald 1174 geheiratet haben. 46 Posse: Wettiner (wie Anm. 2), Tafel 4.

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des mährischen Aufstandes, Konrad III. Otto, sogar Herzog Friedrich selbst ins Exil. Erst 1185 konnte Ottokar für seinen Bruder den inzwischen zum mährischen Markgrafen avancierten Konrad III. Otto entscheidend in einer überaus blutigen Schlacht schlagen – ohne damit seine eigene herrschaftliche Zukunft zu sichern. Als Friedrich 1189 starb, wurden die Karten neu gemischt. Durch das Senioratsprinzip kamen weder Friedrichs minderjähriger Sohn noch Ottokar zum Zuge. Stattdessen übernahm jetzt ausgerechnet der mährische Markgraf Konrad III. Otto die Macht, der aber schon zwei Jahre später, auf dem Romzug König Heinrichs VI. starb. Die militärische Intervention Herzog Konrad III. Ottos im wettinischen Familienzwist zwischen Markgraf Otto von Meißen und dessen ältestem Sohn Albrecht dem Stolzen erfolgte 1189 denn auch nicht aus verwandtschaftlichen Motiven, wie sie für den verstorbenen Friedrich als Schwiegervater Albrechts vorstellbar gewesen wäre, sondern im Auftrag König Heinrichs VI., der damit die Gefangennahme des Vaters Otto durch den Sohn Albrecht strafen wollte.47 Der überraschende Tod Konrad III. Ottos brachte mit Wenzel II. einen Bruder von Soběslav II. und Ulrich an die Macht; doch der konnte sich nicht auf dem Herzogsstuhl halten und starb schon nach wenigen Monaten; Markgraf Albrecht von Meißen soll ihn für Ottokar auf dem Weg durch die Markgrafschaft 1192 überfallen und eingesperrt haben.48 Nun ergriffen die Halbbrüder Friedrichs ihre Chance. Mit Unterstützung Kaiser Heinrichs VI. konnte Ottokar den böhmischen Herzogsstuhl einnehmen, während sein jüngerer Bruder Vladislav Heinrich durch den Staufer als Markgraf in Mähren eingesetzt wurde. Doch noch bevor sich Ottokar als Herzog im Lande richtig etablieren konnte, kostete ihn die Teilnahme an der Fürstenopposition von 1192/1193 gegen Heinrich VI. das Amt.49 An der Konspiration gegen den Staufer hatte sich auch Landgraf Hermann von Thüringen beteiligt. 1194 entzog Kaiser Heinrich VI. Ottokar seine Gunst und brachte dessen Onkel Heinrich Bretislav III., der zugleich Bischof von Prag war, an die Macht. Nach Heinrich Bretislavs III. Tod im Jahr 1197 wählte der böhmische Adel nicht Ottokar, sondern dessen jüngeren Bruder Vladislav 47 Annales Pegavienses et Bosovienses (wie Anm. 17), S. 266 f. 48 Vgl. Anm. 25. 49 Zur Fürstenopposition vgl. Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 270–273.

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Heinrich zum Herzog. Doch als Ottokar auf Prag zog, gab Vladislav Heinrich die böhmische Herzogswürde auf und begnügte sich im Kompromiss mit seinem Bruder mit der erblichen Markgrafenwürde von Mähren. Erst jetzt war Ottokar am Ziel und unangefochten Herrscher in Böhmen; mit über 40 Jahren, nach mehrfachem Exil und quasi im zweiten Anlauf.

V. Die Väter, Ludwig II. von Thüringen, Otto von Meißen und Vladislav II. von Böhmen, hatten, trotz anfänglicher Probleme, trotz kleinerer und größerer Krisen,50 über Jahrzehnte fest zum Stauferkaiser Friedrich Barbarossa gestanden und gehörten zu seinen verlässlichen Stützen im Reich. Mit den Söhnen Herrmann, Ottokar und Dietrich trat in den 90er Jahren des 12. Jahrhunderts eine leidgeprüfte Fürstengeneration in den staufisch-welfischen Thronstreit ein, die durchaus ambivalente Erfahrungen mit den staufischen Kaisern, vor allem mit dem jungen Heinrich VI., gemacht hatte und deren Treue deshalb vor allem sich selbst, ihrer engeren Familie und ihrer Herrschaft galt. Verlässliche Lehnsleute und Bundesgenossen auch über schwierige Krisenzeiten hinweg sollten sie für keinen der konkurrierenden Thronaspiranten werden. Unter „rechtlich-moralischen“ Aspekten oder unter dem Verdikt einer „Schädigung des Reichs“, wie sie die ältere deutsche Geschichtsschreibung häufig vermeinte, sind sie demnach nicht zu beurteilen, sondern aus der Handlungslogik ihrer Erfahrungswelt heraus, aus ihrer Mentalität. 1197 waren die um 1155 geborenen Ottokar von Böhmen und Hermann von Thüringen bereits in ihr fünftes Lebensjahrzehnt eingetreten; Dietrich von Meißen, etwa 1162 geboren, befand sich tief in seinen Dreißigern. Alle drei Fürsten standen beim Tod Kaiser Heinrichs VI. demnach bereits in der Mitte ihres Lebens und hatten reichlich politische und militärische Erfahrungen gesammelt, hatten Erfolge und Niederlagen erlebt und „am Abgrund“ gestanden. Von ihnen war

50 Vgl. zu Krisen in dieser Väter-Generation etwa Lindner, Michael: Eine Frage der Ehre. Markgraf Konrad von Wettin und Kaiser Friedrich Barbarossa, in: Aurig, Rainer u a. (Hg.): Im Dienste der historischen Landeskunde. Beiträge zu Archäologie, Mittelalterforschung und Museumsarbeit vornehmlich in Sachsen, Beucha 2002, S. 105–122; und den Beitrag von Knut Görich im vorliegenden Band.

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keine jugendliche Unüberlegtheit zu erwarten, keine emphatische Anhänglichkeit, sondern nüchterne, zielorientierte, kalkulierte Politik. – Wenn man so will, brachte allein Ottokars weder politisch noch generativ zwingend nötige Hinwendung zu Konstanze von Ungarn eine folgenreiche Irritation ein, auch wenn die Trennung von Adela nüchtern, zielorientiert und kalkuliert umgesetzt wurde. Alle drei Fürsten verband ein zentrales herrschaftliches Problem: die Erbnachfolge. Aus der schwierigen böhmischen Herrschaftsgeschichte des 12. Jahrhunderts wird offenkundig, welch hohen Stellenwert für König Ottokar eine gesicherte familiäre Nachfolge einnehmen musste. Eine solche „normale“ Herrschaftsnachfolge vom Vater auf den Sohn war in Böhmen im gesamten 12. Jahrhundert nicht gelungen! In den 25 Jahren nach 1172 hatten sich stattdessen neun Herrschaften von sieben Přemysliden aus drei konkurrierenden Linien abgewechselt. Die gewaltsamen, über Jahrzehnte immer wieder aufflammenden bürgerkriegsartigen Auseinandersetzungen um den Herzogsthron hatten die wirtschaftlich-kulturelle Entwicklung Böhmens behindert – während nördlich des Erzgebirges gerade in diesem letzten Drittel des 12. Jahrhunderts die sich entfaltende hohe Kolonisation einen zivilisatorischen Sprung ermöglichte. Vor diesem Wahrnehmungshorizont erschließt sich die Handlungslogik Ottokars in der Scheidungssache und im staufisch-welfischen Thronstreit. König Ottokar wollte das Senioratsprinzip durch die direkte familiäre Erbfolge ersetzen und benötigte dazu einen legitimen bzw. als legitim akzeptierten Erben. Den hierfür erkorenen Sohn aus der zweiten Ehe mit Konstanze von Ungarn musste Ottokar gegen Ansprüche seines ältesten Sohnes Vladislav aus der Ehe mit Adela von Meißen, aber auch gegen konkurrierende Ambitionen aus dem weiteren Familienkreis absichern. Immerhin blieben Ottokar generative Nachwuchsprobleme erspart: Mit der ungarischen Konstanze zeugte er vier Söhne, und auch wenn der zügig um 1200 geborene älteste, Vladislav, auf dem zunächst alle Hoffnungen gelegen hatten, jung verstarb, sollten die drei anderen, ab 1205 geborenen Söhne allesamt den Vater überleben. Mit Landgraf Hermann von Thüringen und Markgraf Dietrich von Meißen standen dagegen beide mitteldeutschen Fürstengeschlechter für mehrere Jahrzehnte „auf zwei Augen“, d.h., sie waren unmittelbar vom Aussterben in der männlichen Linie bedroht. Landgraf Hermann zeugte in erster Ehe zwei Töchter, aber keinen Sohn – ein dynastisches Problem, das ihn für den Reichserbplan Kaiser Heinrichs VI. empfänglich machte. Auf dem Würzburger Reichstag im April 1196 ließ sich Hermann dann auch die Eventualbelehnung mit allen Reichs-

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lehen für seine Tochter Hedwig vom Kaiser beurkunden,51 um wenig später auf die Seite der Gegner des kaiserlichen Reichserbplanes umzuschwenken.52 Diese Wendung dürfte ihm durch die Hoffnungen erleichtert worden sein, die Hermann mit seiner just 1196 geschlossenen zweiten Ehe mit Sophia von Bayern verband. In den folgenden Jahren bis 1207 gebar ihm Sophia dann auch vier Söhne; die thüringische Erbfolge schien gesichert. Unter düsteren Vorzeichen hatte sich auch die generative Situation beider wettinischer Markgrafenlinien entwickelt.53 1210 starb die mit Töchtern reichlich gesegnete Rochlitz-Groitzscher-Linie der Markgrafen der Ostmark in der männlichen Linie aus. Wenigstens fiel die Ostmark an Dietrich von Meißen. Doch Dietrich selbst als letzter Spross der Meißner Familie konnte lange ebenfalls keinen männlichen Erben präsentieren. Aus der langjährigen Ehe mit Jutta von Thüringen gingen bis weit nach 1200 „nur“ überlebende Töchter hervor; ein oder zwei Söhne starben jung.54 Erst um 1215, nach fast 20-jähriger Ehe, wurde mit Heinrich ein weiterer erbfähiger Sohn geboren, auf dem nun alle Hoffnungen ruhten. Die generative Krise im Haus Wettin blieb damit letztlich über Markgraf Dietrichs plötzlichen Tod im Jahr 1221 bestehen, der in seinem einzigen (legitimen), minderjährigen Sohn Heinrich eine höchst gefährdete dynastische Kontinuität hinterließ.

VI. Alle drei Fürsten, Ottokar, Hermann und Dietrich, kannten sich persönlich, waren verwandtschaftlich eng verflochten und hatten in wechselnden Parteiun51 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 276. 52 Ausführlich Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 279–315. 53 Dazu Posse: Wettiner (wie Anm. 2), Tafeln 2 und 4. 54 Posse: Wettiner (wie Anm. 2), Tafel 4, nennt neben einem jung, vor 1214 gestorbenen Sohn Otto, einen Sohn Konrad, der 1220 als Mönch im Erfurter Peterskloster gestorben sei. Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 82, Anm. 668, nimmt gestützt auf die Genealogia Wettinensis, wohl zu Recht an, dass dieser Konrad bereits als Knabe verstorben und nicht mit dem Erfurter Mönch identisch gewesen ist. Angesichts der kritischen generativen Situation bei den Wettinern scheint es auch kaum vorstellbar, dass man einen erbfähigen Knaben, soweit er gesund und herrschaftsfähig erschien, für eine geistliche Karriere vorsah.

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gen mit- oder gegeneinander gerungen: Hermann von Thüringen und Ottokar von Böhmen waren über die mit Ottokars Vater verehelichte Tante Hermanns, Judith von Thüringen, Cousins. Gerade weil Judith als zweite Ehefrau Vladislavs II. in Böhmen auf Vorbehalte stieß, blieben die Bindungen beider Familien eng. Als Vladislav II. 1173 seine Herrschaft resignierte und Böhmen verlassen musste, wandte er sich nicht zufällig nach Thüringen.55 Doch trotz dieser familiären Nähe gab es zwischen Hermann und Ottokar vor 1198 keine stabilere politische Bindung. Während der Fürstenopposition von Ende 1192/1193 gegen Kaiser Heinrich VI. standen Ottokar und Hermann zwar gemeinsam in einer Front gegen den Staufer, waren gleichzeitig aber in unterschiedlicher Parteinahme im Meißner Bruderkonflikt involviert, in dem Ottokar mit Markgraf Albrecht sympathisierte und Hermann seinen Schwiegersohn Graf Dietrich militärisch stützte. Extrem unterschiedlich endete die antikaiserliche Verschwörung auch für beide: Während Landgraf Hermann als Vermittler des Kaisers zu den Welfen an Gewicht gewann,56 sorgte Heinrich VI. für die Absetzung Ottokars in Prag. Als Ottokar Ende 1197 gegen Prag zog, um – letztlich erfolgreich – erneut an die Macht zu gelangen,57 befanden sich Landgraf Hermann und Graf Dietrich auf dem Kreuzzug, konnten also weder für noch gegen Ottokar in der Sache etwas beitragen. Dass Landgraf Hermann und König Ottokar 1298 im ausbrechenden Thronstreit für unterschiedliche Seiten votierten, verwundert also nicht, weil über die bloße Verwandtschaft hinaus keine politisch-herrschaftliche oder persönlich-freundschaftliche Bindung zwischen den Fürsten gewachsen war. Höchst erstaunlich erscheint es dagegen, wie konsequent die Wege Landgraf Hermanns und Graf Dietrichs von Weißenfels 1198 auseinanderführten. Zwischen Ludowingern und Wettinern hatte es Jahrzehnte lang keine direkten Heiratsbeziehungen gegeben; bemerkenswert für zwei benachbarte Fürstengeschlechter. Erst um oder vor 1190 verehelichte Hermann seine Nichte Jutta, die Tochter seines verstorbenen Bruders und Vorgängers Ludwig III., mit dem Wettiner Dietrich von Rochlitz-Groitzsch, dem Sohn Markgraf Dedos von der Ostmark, und damit einem Cousin der meißnischen Brüder Albrecht und Dietrich. Doch sollte diese Ehe für die Beziehungen Hermanns nach Meißen keine Rolle spielen. Folgenreich wurde stattdessen die oben angeführte Verlobung (um 1191/1192) 55 Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 13. 56 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 277–279. 57 Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 227.

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und Hochzeit (vor 1197?) von Hermanns ältester Tochter Jutta mit dem meißnischen Wettiner Dietrich, Graf von Weißenfels. Sie führte zum aktiven Eingreifen des Ludowingers in Meißen und machte Hermann und Dietrich nicht nur zu Schwiegervater und Schwiegersohn, sondern auch zu engen politischen und militärischen Verbündeten. Gemeinsam schlugen beide zweimal den Meißner Markgrafen Albrecht und gemeinsam begaben sich beide 1197 auf den Kreuzzug ins Heilige Land; gemeinsam kehrten beide wohl auch im Sommer 1198 zurück, und mit der Unterstützung des landgräflichen Schwiegervaters Hermann setzte sich Dietrich danach in den Besitz der Meißner Markgrafschaft.58 Gerade wenn man strukturelle Muster in Verwandtschaft und Freundschaft erhellen möchte, verstört, wie schnell das verwandtschaftlich, persönlich und politisch gefestigte Bündnis zwischen Hermann und Dietrich noch 1198 zerbrach, als sich Dietrich zügig dem Staufer Philipp und Hermann ebenso zügig dem Welfen Otto anschloss. Hatte das persönliche und politische Verhältnis der beiden möglicherweise schon 1195/1196 Risse bekommen, als Landgraf Hermann wenn überhaupt vielleicht nicht energisch genug, auf jeden Fall aber erfolglos die Einbehaltung der Meißner Mark durch den Kaiser anfocht? Oder suchten Dietrich und Hermann einfach unabhängig voneinander die jeweils beste Option für ihre eigene Herrschaft und riskierten dabei den Bruch gewachsener verwandtschaftlich-politischer Koalitionen? Klar und eindeutig gestaltete sich dagegen das persönliche und politische Verhältnis zwischen Markgraf Dietrich von Meißen und König Ottokar von Böhmen. Bereits im Bruderkonflikt der frühen 90er Jahre hatte Herzog Ottokar Dietrichs Konkurrenten, Markgraf Albrecht, unterstützt, den Gemahl seiner Nichte Sophia von Böhmen – bevor Ottokar kurz darauf für einige Jahre selbst wieder in der herrschaftlichen Bedeutungslosigkeit versank. Der nur um wenige Monate versetzte Aufstieg von Ottokar zum böhmischen König und von Dietrich zum Markgrafen von Meißen im Jahr 1198 wurde dann von Beginn an durch den Fall Adelas vergiftet und belastet, denn mit der Verstoßung der markgräflichen Schwester hatte sich König Ottokar in Meißen einen tief in seiner Ehre verletzten Gegner geschaffen. Zwischen Prag und Meißen gab es in der Folge keine Facetten, sondern eine klare Linie: erbarmungslose Feindschaft. Das war zehn Jahre vorher so nicht absehbar gewesen, weil die verwandt58 So nach dem Hinweis chronikalischer Quellen Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 71.

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schaftlichen Bande zwischen Meißen und Böhmen außerordentlich eng geknüpft schienen. Immerhin drei der vier Kinder Markgraf Ottos von Meißen hatten nach Böhmen geheiratet! Durch die Ehe Markgraf Albrechts mit Sophia und Herzog Ottokars mit Adela waren Wettiner und Přemysliden in einer Generation gleich doppelt verschwägert. Darüber hinaus hatten Ottokars Onkel Theobald seine Tochter Hedwig mit dem Grafen Friedrich von Brehna, einem Onkel Albrechts und Dietrichs, verheiratet, und Herzog Ulrich, ein Cousin von Ottokars Vater Sophia von Wettin, die Schwester Albrechts, Dietrichs und Adelas, zur Frau genommen. Trotzdem und vor allem wegen der instabilen böhmischen Herrschaftsverhältnisse blieben die Beziehungen zwischen Meißen und Böhmen schwierig und über weite Strecken feindlich – zweimal innerhalb weniger Jahre fielen böhmische Truppen 1189 und 1193 in Meißen ein. Wenn man so will, konnte das positive verwandtschaftliche Potential zwischen Meißen und Prag vor 1198 nicht ausgeschöpft werden, während sich das ungleich virulentere negative Potential gescheiterter Verwandtschaft seit 1198 in aller Breite entfaltete.

VII. Der Tod Kaiser Heinrichs VI. im September 1197 eröffnete für Ottokar von Böhmen und für Dietrich von Meißen die Chance auf das väterliche Erbe; aber erst der aufbrechende Thronstreit wurde zum Katalysator ihres herrschaftlichen Aufstiegs. Den Anfang machte Ottokar, der sich nicht auf den Kreuzzug begeben, sondern in Prag etabliert hatte und im Reich handlungsfähig war. Gleichwohl etwas verspätet im Frühjahr oder im Sommer 1198 schlugen sich Ottokar und sein Bruder Vladislav Heinrich nicht unerwartet auf die Seite Philipps von Schwaben. Die willkommene Unterstützung des böhmischen Herzogs war König Philipp ein weitreichendes Entgegenkommen wert: Ottokar durfte beim Umritt des im September 1198 in Mainz gekrönten Staufers das Reichsschwert tragen und wurde kurz darauf von Philipp zum erblichen König Böhmens erhoben59 – ein großartiger politischer und dynastischer Erfolg für den Přemysliden, aber keine Überraschung, denn gerade die rigide, antifürstliche Herrschaft Kaiser Heinrichs VI. erschien für seinen Bruder Philipp im Nachhinein als schwere Hypothek und zwang den jüngeren Staufer im Thronstreit zu besonderen Gunstbezeugungen an seine Parteigänger. 59 Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 232.

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Über ein königliches Entgegenkommen Philipps im Fall Adelas von Meißen wird nichts bekannt, aber virulent dürfte das Problem für Ottokar schon gewesen sein. Es bleibt zwar offen, wann genau die meißnische Adela von Ottokar verstoßen wurde, doch der dicht gespannte Ablauf des Jahres 1198 macht die Eheauflösung bereits in den ersten Monaten des Jahres 1198 wahrscheinlich. Vielleicht haben seine Eheangelegenheiten den Přemysliden sogar von einer früheren Parteinahme für Philipp abgehalten?60 Wäre Adela so zeitig im Jahr vertrieben worden, dann zu einer Zeit, in der ihr Bruder Dietrich als Graf von Weißenfels noch im Heiligen Land oder auf dem Rückweg von dort war, in der er noch nicht in der Gunst König Philipps stand und die Meißner Markgrafschaft noch nicht verliehen bekommen hatte. Für Ottokar konnte es im ersten Halbjahr 1198 so scheinen, als gäbe es keinen starken wettinischen Sachwalter Adelas. Falls Ottokar so kalkuliert haben sollte, hätte er den günstigsten Augenblick bei König Philipp verpasst gehabt, denn nun machte ihm Dietrichs zügiger Aufstieg einen Strich durch die Rechnung. Auch Dietrich von Meißen schloss sich, mit anderen sächsischen Fürsten, dem Staufer Philipp an, obwohl er durch dessen Bruder aus dem väterlichen Erbe gedrängt worden war, und obwohl sein Schwiegervater Hermann die welfische Seite Ottos IV. vorzuziehen schien. Der von Dietrich für seine Parteinahme geforderte Preis lag auf der Hand: die Belehnung mit dem väterlichen und brüderlichen Erbe, mit der Markgrafschaft Meißen. Der Weg in die staufische Partei wird Dietrich von seinen askanischen und wettinischen Verwandten vorgezeichnet und geebnet worden sein, denn für Philipp von Schwaben votierten früh auch Dietrichs Onkel Herzog Bernhard von Sachsen und Dietrichs Cousin, Graf Dietrich von Groitzsch.61 Schon im November 1198 urkundete Dietrich als Meißner Markgraf; allerdings ist die Aussagekraft des Markgrafentitels für diesen Zeitpunkt aus den Überlieferungsumständen heraus belastet, und unsicher erscheint zudem, ob Dietrich die Markgrafschaft schon vor einer förmlichen Belehnung aus eigenem Recht in Besitz nahm.62 Zum 28. Mai 1199 jeden60 Aber vielleicht musste Ottokar seine frisch errungene Prager Herrschaft auch noch stabilisieren, bevor er sich ins Reich begeben konnte. 61 Graf Dietrich von Groitzsch erscheint schon im Juni 1198 im Gefolge Philipps von Schwaben zu Worms; Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 29, S. 27. 62 Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 31, S. 29 f.; jetzt auch Urkundenbuch des Zisterzienserklosters Altzelle, Erster Teil 1162–1249, ed. Tom Graber (Codex diplomaticus Saxoniae regiae II/19) Hannover 2006, Nr. 17, S. 29–31. Die Urkunde ist

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falls erschien der Markgraf von Meißen, in dem eigentlich kein anderer als Dietrich gemeint sein kann, unter den fürstlichen Unterstützern Philipps in der Speyerer Erklärung.63 Dass König Philipp dem Wettiner Dietrich die Markgrafschaft bereits vorher verliehen haben muss, liegt nahe, auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die förmliche Belehnung doch erst im Zusammenhang mit dem Magdeburger Festkrönungshoftag vom Dezember 1199 erfolgte.64 Der frisch gebackene böhmische König Ottokar hatte jedenfalls im frisch gebackenen Meißner Markgrafen seinen Gegenspieler gefunden. Und ganz folgerichtig ging der neue wettinische Markgraf 1199, als er sich in seiner Herrschaft danach mit einem Siegel Markgraf Dietrichs versehen, das er erst seit 1213/1214 führte. Weitere Anzeichen für eine mögliche Fälschung der Urkunde lassen sich nicht finden. Die Bearbeiter der Urkundenwerke gehen deshalb davon aus, dass die Datierung für die Rechtshandlung gilt, die Beurkundung aber erst Jahre später erfolgte. Damit könnten Zweifel über den Wert der frühen marchio-Nennung für Dietrich verbunden werden. Allerdings fand das Rechtsgeschäft auf dem Collmer Landding statt, dem gewohnheitsmäßig der Meißner Markgraf präsidierte. Die Nennung Dietrichs als Markgraf schon 1198 wird also aus der Sache wahrscheinlich. Möglicherweise wurde ein älteres verlorenes Siegel auch nachträglich durch ein jüngeres Siegel ersetzt. Die erste „sichere“ Erwähnung Dietrichs als Markgraf erfolgte zum 19. Januar 1200 in einer Urkunde König Phi­ lipps; Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 42, S. 38 f. Wenige Wochen später bestätigte Markgraf Dietrich dem Kloster Altzella verschiedene Güter auf dem Collmer Landding zum 26. April 1200; Codex diplomaticus Saxoniae regiae II/19, Nr. 19, S. 33. Chronikalische Quellen wie die Lauterbacher Chronik lassen Dietrich die Markgrafschaft Meißen aus eigener Kraft besetzen und ins Amt eintreten. Erst nachträglich hätte König Philipp diese Inbesitznahme durch die Belehnung bestätigt. Dazu mit Verweis auf das von den Quellen gespielte Motiv der Einheit von Land und Herrscher Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 218 f. 63 Constitutiones et acta publica imperatorum et regum 1198–1272, ed. Ludwig Weiland (MGH Constitutiones 2) Hannover 1896, Nr. 3, S. 3 f. 64 So Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 71; Spreitzer, Renate: Urkundenvergabe und Herrschaftspraxis im Nordosten des Reiches während des Thronstreits, in: Rzihacek, Andrea/Spreitzer, Renate (Hg.): Philipp von Schwaben. Beiträge der internationalen Tagung anlässlich seines 800. Todestages (Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 19) Wien 2010, S. 179–191, hierzu S. 187, mit Bezug auf Böhmer, Johann Friedrich/Ficker, Julius/Winkelmann, Eduard: Regesta Imperii V: Die Regesten des Kaiserreichs unter Philipp, Otto IV, Friedrich II, Heinrich (VII), Conrad IV, Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198–1272, Innsbruck 1881–1901, Bd. 1, Nr. 32b (Regesta Imperii Online, http://www.regesta-imperii.de/id/1199-12-27_1_0_5_1_1_103_32b, letzter Zugriff: 27.03.2018).

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konsolidiert hatte, im Namen Adelas gegen den (ehemaligen) Schwager Ottokar rechtlich vor und brachte den Stein der päpstlichen Untersuchung ins Rollen. Die besondere Gunst, die Ottokar vom Staufer erfuhr, scheint Markgraf Dietrich von einer bedingungslos engen Anhängerschaft an Philipp abgehalten zu haben: Allzu häufig lässt sich der Wettiner in diesen ersten Jahren nicht beim König fassen.65 Für König Philipp erwies sich der zwischen seinen beiden wichtigen Parteigängern im Osten des Reichs aufbrechende Konflikt als nicht moderierbar. Ein königlich gesteuerter Kompromiss schien durch die divergierenden Interessen, durch die Ehrverletzung und vor allem durch die päpstliche Zuständigkeit bei Eherechtssachen ausgeschlossen. Der Streit zwischen Ottokar und Dietrich wurde zum Problem für den Staufer, vor allem als sich die Kurie 1199/1200 ganz entschieden auf die Seite des welfischen Gegenkönigs Otto IV. stellte und als zeitgleich im weiteren Verlauf des Jahres 1199 die päpstliche Untersuchung des Falles der Adela von Meißen in Gang kam.66 Diese Entwicklung musste vor allem für König Ottokar brisant erscheinen, der auf die bestätigende Annullierung seiner ersten Ehe angewiesen war, um die Nachfolge für die Söhne der zweiten Ehe zu gewährleisten. Der von beiden römisch-deutschen Königen umworbene Hermann von Thüringen war nach der Rückkehr vom Kreuzzug und trotz seiner Sondierung bei Ottokar von Böhmen zunächst als Unterstützer für Otto IV. aufgetreten. Der Welfe belohnte dies mit herrschaftlichen und materiellen Zugeständnissen an die Landgrafschaft, mit denen Landgraf Hermann offensichtlich die Verluste, die er für die Belehnung mit der Landgrafschaft 1190 an Kaiser Heinrich VI. hinnehmen musste, kompensieren wollte. Im Sommer 1199 ebnete dann König Ottokar den Weg Landgraf Hermanns auf die Seite der militärisch und politisch an Boden gewinnenden staufischen Partei.67 Seine jüngsten Zugewinne ließ sich Landgraf Hermann beim Übergang zum Staufer bestätigen und erhielt wohl darüber hinaus weitere Reichsgüter.68 Dass sich Landgraf Hermann für die 65 Zum zurückhaltenden Engagement Markgraf Dietrichs vgl. Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 72. 66 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 8 und 9, S. 6–9. 67 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 324; Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 234. 68 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 324; Mamsch: Kommunikation in der Krise (wie Anm. 6), S. 308–313.

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Annäherung an Philipp auf die Moderation Ottokars verließ und seinen Schwiegersohn Dietrich von Meißen damit überging, erscheint auffällig. Hier zeichnen sich die Konturen der neuen künftigen Parteienkonstellation ab. Aus dem alten Bündnis Hermann-Dietrich, das nicht gegen Ottokar gerichtet war, wurde ein Bündnis Hermann-Ottokar, das eine Feindschaft zu Markgraf Dietrich von Meißen wegen des Falles der Adela nun fast zwangsläufig einschloss.

VIII. Auch wenn die Quellenlage hierzu dünn bleibt, liegt es auf der Hand, dass der Fall Adelas von Meißen zur Sprengung der Stauferpartei beigetragen haben muss. Gerade weil der Konflikt zwischen Meißen und Böhmen durch König Philipp faktisch nicht zu schlichten war, ließen sich Dietrich und Ottokar nicht dauerhaft vereint in einer Koalition halten. Der zwischen 1201 und 1202 gedehnte Parteienwechsel König Ottokars und Landgraf Hermanns ins Lager des Welfen Otto IV. erscheint deshalb nur folgerichtig. Papst Innozenz III. hat diesen Prozess gezielt befördert, auch dadurch, dass er die stagnierende Untersuchung über die Eheannullierung Ottokars und Adelas 1201 erneut aufleben ließ und hierin den Druck auf Ottokar im Verfahren erhöhte, der sich beschwerte, weil vor allem meißnischen Zeugen Gehör geschenkt würde.69 Spätestens als König Ottokar im Herbst 1202 einen päpstlichen Legaten empfing und damit faktisch die Seiten wechselte,70 wurde auch das Verfahren Adelas an der Kurie auf Eis gelegt; ein deutliches Zugeständnis an den Böhmen. Allerdings geriet Ottokar nun direkt ins Visier des Staufers und des Wettiners. Um das Jahr 1202 war es zum Streit zwischen König Ottokar und seinem Cousin Theobald gekommen, der nicht zufällig in Meißen Aufnahme gefunden hatte.71 Theobald wurde zum staufischen Faustpfand und von König Philipp im April 1203 zu Eger mit dem Königreich Böhmen belehnt;72 – eine Blaupause für die spätere Belehnung von Adelas Sohn Vratislav durch Otto IV. Aber der Kna-

69 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 20, S. 14–16; Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 2. 70 Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 235. 71 Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 72. 72 Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 237.

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be Theobald blieb zunächst ohne reale Aussicht darauf, die Macht in Prag zu erlangen, auch weil König Philipp mit Markgraf Dietrich militärisch in die Defensive geriet. Gemeinsam mit dem Böhmenkönig hatte Landgraf Hermann 1202/1203 die Seiten gewechselt73 und war hiervon auch durch eine mutmaßliche persönliche Intervention seines Schwiegersohns Dietrich von Meißen Anfang 1203 nicht abgehalten worden.74 Die voreilige militärische Aktion König Philipps gegen seinen einstigen thüringischen Verbündeten noch im Sommer 1203 konnte der durch welfische und böhmische Aufgebote gestärkte Landgraf Hermann abwehren.75 Die Böhmen wüteten auch in Meißen und König Philipp selbst sah sich zur Flucht gezwungen und wich nach Erfurt aus. Im August 1203 krönte König Otto IV. den Böhmen Ottokar erneut zum böhmischen König, im Beisein des päpstlichen Legaten Guido; das Blatt schien sich zu wenden. Der staufertreue Markgraf Dietrich von Meißen kam derweil an der Kurie nicht voran. Stattdessen signalisierte Papst Innozenz III. dem welfischen Parteigänger Ottokar im Januar 1204 ein verstecktes Entgegenkommen in der Eheangelegenheit, als er die ältere Verlobung von Adelas und Ottokars Tochter mit dem österreichischen Herzog Leopold VI. löste, weil die Brautmutter von Tisch und Bett vertrieben worden sei.76 Ohne die Ehe förmlich zu annullieren, hatte die Kurie damit deren Fortbestehen in Frage gestellt. Im selben Jahr wechselte das Kriegsglück. Der diesmal gut vorbereitete Angriff König Philipps auf Thüringen wurde 1204 von Herzog Bernhard von Sachsen, vom Magdeburger Erzbischof und Markgraf Dietrich von Meißen unterstützt; jetzt standen die einstigen langjährigen Verbündeten und eng verwandten Dietrich und Hermann direkt gegeneinander im Feld. Weder König Ottokar von Böhmen noch König Otto IV. konnten zum Entsatz nach Thüringen vordringen und erlitten ihrerseits Niederlagen. Der in Weißensee belagerte Landgraf Hermann musste sich ergeben, Geiseln stellen und erneut dem Staufer unterwerfen.77 Es bleibt unsicher, ob Dietrich von Meißen zu jenen Fürsten gehörte, die 73 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 327; Mamsch: Kommunikation in der Krise (wie Anm. 6), S. 313 f. 74 Mamsch: Kommunikation in der Krise (wie Anm. 6), S. 314. 75 Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 235 f. 76 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 39, S. 35 f.; Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 4. 77 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 328 f.; Mamsch:

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die Unterwerfung Landgraf Hermanns vermittelten; aber eine Beteiligung des Wettiners und landgräflichen Schwiegersohns liegt nahe.78 Danach zwang König Philipp den Böhmen Ottokar unter Vermittlung des bayerischen Herzogs zur Unterwerfung. Ottokar musste nicht nur alle Geiseln freilassen und eine hohe Entschädigung zahlen, sondern wurde vom Staufer anscheinend auch dazu gezwungen, die verstoßene Adela wieder als Gemahlin anzunehmen und nun Konstanze von Ungarn ins Exil zu schicken.79 Damit demütigte König Philipp den Verräter Ottokar und tat dem treuen Wettiner Dietrich Genüge, dessen Ehre wiederhergestellt war. Die erstaunliche Rückkehr Adelas auf den Prager Thron mündete 1205 in die Hochzeit der gemeinsamen Tochter Adelas und Ottokars mit dem dänischen König Waldemar II. Aber die Eintracht sollte nicht von Dauer sein. Noch im Verlauf des Jahres 1205 verstieß Ottokar Adela erneut und holte Konstanze mit dem gerade geborenen Sohn Wenzel zurück an den Prager Hof. Der Konflikt ging in eine neue Runde. An Stelle des Papstes setzte Ottokar jetzt allerdings (zwangsläufig) auf den Staufer Philipp, um der Ehe mit Konstanze Legitimität zu verleihen. König Philipp, der 1205 und 1206 im Reich militärisch erfolgreich gegen die letzten Bastionen König Ottos IV. vorrückte und auf diesem Höhepunkt seiner Macht souveräner mit seinen Parteigängern umgehen konnte, scheint die zweite Verstoßung Adelas zunächst geduldet zu haben. Für den damit erneut düpierten Meißner Markgrafen Dietrich konnte ein Parteienwechsel zum geschwächten Otto IV. in dieser Zeit keine erfolgversprechende Option sein, aber der Wettiner wurde abermals an der Kurie vorstellig, die Ottokar noch im Jahr 1205 vergeblich zur Unterstützung König Ottos IV. gedrängt hatte.80 Durch den Wechsel des Böhmen zum Staufer musste es Papst Innozenz III. sinnvoll erscheinen, in der Ehesache neuerlichen Druck aufzubauen. Nach mehrjähriger Pause lief das päpstliche Untersuchungsverfahren wieder an und zwang König Ottokar zum Lavieren. Zum 26. April des Jahres 1206 teilte Papst Innozenz III. seinem in der Sache bevollmächtigten Vertreter an der Spitze der Untersuchungskommission, dem Salzburger Erzbischof Eberhard, mit, dass König Ottokar vor den herbei-

Kommunikation in der Krise (wie Anm. 6), S. 319–330. 78 Dazu Mamsch: Kommunikation in der Krise (wie Anm. 6), S. 324 f., die allerdings Dietrich von Meißen nicht als möglichen Vermittler in Betracht zieht. 79 Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 73. 80 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 50, S. 45 f.

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gerufenen Großen des Landes und auch vor Ministerialen Markgraf Dietrichs seine Schuld gegenüber Adela und ihren gemeinsamen Kindern eingestanden habe, die er in Ehren wieder aufnehmen wolle.81 Dass es bei Ottokars Lippenbekenntnis bleiben würde, ahnte Innozenz III. offensichtlich, denn er befahl Eberhard eine gründliche weitere Untersuchung. Während sich in Rom Ungemach zusammenbraute, zahlte sich die neue enge Gefolgschaft Ottokars an König Philipp aus. Aus der Defensive seiner 1204 erzwungenen Unterwerfung schaffte es König Ottokar erneut in die Rolle des geschätzten Partners. Die Annäherung des Přemysliden und des Staufers kulminierte im Dezember 1207, als König Philipp auf dem Augsburger Hoftag die Verlobung seiner Tochter Kunigunde mit dem Sohn Ottokars und Konstanzes, Wenzel, verkündete.82 Damit war nicht nur eine neue verwandtschaftliche Bindung beider Familien in Gang gesetzt, sondern vor allem erkannte König Phi­ lipp im Sprössling Wenzel die Ehe Ottokars mit Konstanze von Ungarn als legitim an. Der Staufer, der sich noch drei Jahre zuvor vehement für Adela eingesetzt hatte, hatte die Wettinerin verraten und aufgegeben. Damit verprellte der staufische König seinen bis dahin geradlinig treuen Gefolgsmann Dietrich von Meißen, der sich aufs Neue von den Staufern verraten vorkommen musste. Obwohl Philipp Anfang des Jahres 1208 so unangefochten wie nie als König im Reich agieren konnte und davor stand, den letzten Widerstand Ottos IV. endgültig zu brechen, scheint diese königliche Zurücksetzung Markgraf Dietrich in Opposition zum mächtigen Staufer getrieben zu haben. Die Nachrichten über eine mutmaßliche Verschwörung gegen den König, der sich auch Dietrichs Schwiegervater Landgraf Hermann angeschlossen haben dürfte, bleiben allerdings unsicher. Die Reinhardsbrunner Annalen erwähnen, dass König Philipp 1208 gegen die beiden mitteldeutschen Fürsten vorzugehen gedachte,83 während die meißnischen Quellen von einem Abfall Markgraf Dietrichs nichts wissen.84 Im Zusammenhang mit der Hinwendung König Philipps zu Ottokar von Böhmen und der in der Verlobung vom Dezember 1207 81 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 55, S. 48–50 = Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 95, S. 76 f.; Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 2 f. 82 Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 240. 83 Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 329; Mamsch, Kommunikation in der Krise (wie Anm. 6), S. 331. 84 Marquis: Meißnische Geschichtsschreibung (wie Anm. 15), S. 220.

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offensichtlich gewordenen Zurücksetzung Markgraf Dietrichs wird eine vom Meißner mit vorangetriebene Opposition allerdings vorstellbar und sogar wahrscheinlich.85 Das offenbart, wie tief der Wettiner durch König Philipp in seiner fürstlichen Ehre verletzt worden war und wie handlungsleitend die Sache Adelas noch zehn Jahre nach ihrer ersten Verstoßung für die Parteienwahl im Thron­ streit erschien.

IX. Die Ermordung König Philipps im Juni 1208 machte alles hinfällig. Zügig setzte sich nun der schon abgeschriebene König Otto IV. im Reich durch. Bereits im Sommer 1208 gehörten Markgraf Dietrich und Landgraf Hermann zu den prominenten offenen Unterstützern des Welfen, dem aber auch die ehemaligen Stauferanhänger zuströmten.86 König Ottokar stand vor einem Scherbenhaufen: Die Verlobung seines Sohnes Wenzel mit der staufischen Königstochter hatte faktisch ihren Wert verloren. Gegenüber Otto IV. schien er durch das enge jüngste Bündnis mit dem Staufer belastet.87 Und durch die engagiert prostaufische Haltung der letzten Jahre hatte der Böhme überdies den einstigen Kredit an der Kurie verspielt, wo man sich im Fall Adelas jetzt weiter bemühte und Ottokar unter Druck setzte. Papst Innozenz III. unterrichtete im Dezember 1208 den Mainzer und den Magdeburger Erzbischof davon, dass der päpstliche Gesandte in Prag verhaftet worden sei, um sich der von ihm überbrachten gerichtlichen Ladung zu entziehen, und dass Ottokar nun durch Bann gezwungen werden sollte, einer erneuten Ladung vor den päpstlichen Richter zu folgen.88 In der Sache selbst schien sich die Waage demnach deutlich zu Gunsten Adelas zu neigen. Das Verhältnis König Ottos IV. zum Böhmenkönig blieb kühl,89 während sich Dietrich von Meißen der Gunst des Welfen erfreute. 1210 belehnte ihn der inzwischen zum Kaiser avancierte Otto IV. mit der Ostmark und der Grafschaft Groitzsch-Rochlitz, die durch den söhnelosen Tod von Dietrichs Cousin Kon85 Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 74. 86 Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 74; Tebruck: Reinhardsbrunner Geschichtsschreibung (wie Anm. 7), S. 331; Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 241. 87 Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 241 f. 88 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 81, S. 75 f. 89 Wihoda: Ein schwieriges Bündnis (wie Anm. 6), S. 241 f.

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rad frei geworden waren.90 Damit verfügte Markgraf Dietrich jetzt über eine kumulierte Machtbasis, wie sie seit über 50 Jahren kein Wettiner mehr besessen hatte. Zu einem direkten Eingreifen zu Gunsten Adelas, wie vormals durch Philipp von Schwaben, konnte der Wettiner den welfischen König aber offensichtlich nicht motivieren. Der Ball lag bei der Kurie und Papst Innozenz III. Eine erneute Wendung brachte der Bruch zwischen Kaiser und Papst im Jahr 1210. Der von Ottos IV. sizilianischen Plänen überraschte und bitter enttäuschte Innozenz III. zog nunmehr erneut die Fäden einer Opposition im Reich. Das Verfahren Adelas wurde einmal mehr zum Vehikel päpstlicher Einflussnahme. Mit einem Schreiben zum 13. April 1210 unterrichtete Papst Innozenz III. die Prozessbeteiligten über die inzwischen erfolgte Verhandlung an der Kurie. Nach Anhörung der Argumente beider Seiten hatte der Papst Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Ottokars Vorgehen gegen Adela geäußert, aber zugleich betont, dass die faktisch bestehende Ehe zwischen Ottokar und Konstanze kaum noch auflösbar sei. Innozenz III. legte den Parteien eine einvernehmliche Schlichtung nahe und vertagte die Entscheidung auf den 11. November 1210.91 Dieser Aufschub kann als eine greifbare politische Einladung begriffen werden, die Seite der päpstlichen Partei im eskalierenden Konflikt mit dem Welfenkaiser zu unterstützen und dadurch die Urteilsfindung zu beeinflussen. Und es schien klar, dass die Einladung vor allem König Ottokar von Böhmen galt. Zügig formierte sich im Reich eine Opposition, an deren Spitze neben Landgraf Hermann auch König Ottokar stand. In einem päpstlichen Schreiben vom 30. Oktober 2010 versprach Papst Innozenz III. diesen Opponenten, unter ihnen Hermann und Ottokar, seine Hilfe.92 Damit scheint Adelas Anklage endgültig erledigt gewesen zu sein. Die für den November versprochene abschließende Urteilsfindung blieb aus, und mit Adelas Tod am 1. Februar 121193 hatte sich alles weitere scheinbar erübrigt. Aber der überspielte Markgraf Dietrich von Meißen hatte noch einen Trumpf in der Hand: Adelas und Ottokars gemeinsamen erstgeborenen Sohn Vratislav. 90 Pätzold, Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S.75. 91 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 88, S. 81–85 = Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 146, S. 114–118; Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 4. 92 Codex diplomaticus et epistolaris regni Bohemiae II (wie Anm. 3), Nr. 89, S. 85 f. = Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 147, S. 118 f. 93 Posse: Wettiner (wie Anm. 2), Tafel 4.

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Als sich die Opposition gegen Otto IV. im Jahr 1211 ausweitete und mit Barbarossas Enkel Friedrich II. einen eigenen Kaiser erkor, blieb Markgraf Dietrich fest an der Seite des Welfen. Noch im März 1212 schloss er einen von zahlreichen mitteldeutschen Adligen und Ministerialen bezeugten, gegen Böhmen und Thüringen gerichteten Beistandspakt.94 Markgraf Dietrich dürfte auch der Hintermann für die im Frühjahr 1212 erfolgte Belehnung von Adelas Sohn Vratislav mit dem Königreich Böhmen durch Kaiser Otto IV. gewesen sein.95 Damit schien Ottokars Stellung noch einmal grundsätzlich bedroht, zumal der Kaiser gegen Ottokars wichtigsten Verbündeten Hermann von Thüringen rüstete. Die Niederlage von 1204 schien sich unter anderen Vorzeichen zu wiederholen. Im Sommer 1212 belagerte ein überlegenes kaiserliches Heer erneut Stadt und Burg Weißensee. Kein anderer als Markgraf Dietrich vermittelte die Übergabe der Stadt an den Welfen, während sich die Verteidiger in die Burg (Runneburg) zurückzogen und diese weiter hielten, bis Ottos IV. Heer nach dem Tod der jungen Kaiserin Beatrix überraschend auseinanderbrach.96 Mit dem Eintreffen Friedrichs II. im Reich und seiner Krönung im Dezember 1212 wandte sich die Lage weiter zum Nachteil Kaiser Ottos IV., der schließlich in der Schlacht bei Bouvines im Juli 1214 endgültig geschlagen wurde. Markgraf Dietrich von Meißen hatte noch zuvor den Weg zum erfolgreichen Staufer Friedrich II. gefunden: Am 19. Oktober 1213 bestätigte er gemeinsam mit seinem Schwiegervater Hermann eine Urkunde Friedrichs II. für den Deutschen Orden.97 In den Wochen zuvor hatte ein böhmisches Heer in Meißen gewütet98 und den Parteienwechsel des militärisch unterlegenen Markgrafen offensichtlich beschleunigt. Nun freilich war Dietrich von Meißen der zu spät Gekommene und musste um die Gunst Friedrichs II. ringen. Alle Ambitionen von Dietrichs Neffen, Adelas Sohn Vratislav, auf den böhmischen Thron hatten sich damit erledigt, und mit seiner Goldenen Bulle vom 26. Juli 1216 bestätigte Kaiser Friedrich II. 94 Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 163, S. 127 f.; Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 76. Bereits hier versprach Kaiser Otto IV. die Einsetzung von Adelas Sohn Vratislav als König in Böhmen. 95 Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 9. 96 Vgl. alles ausführlich bei Mamsch, Kommunikation in der Krise (wie Anm. 6), S. 335– 340; knapper bei Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 76 f. 97 Codex diplomaticus Saxoniae regiae I/3 (wie Anm. 35), Nr. 188, S. 142 f.; vgl. auch Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 77. 98 Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 9.

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den Sohn Konstanzes von Ungarn, Wenzel, als künftigen Erben des Königreichs Böhmen.99 Die Feindschaft zwischen Ottokar von Böhmen und Dietrich von Meißen blieb auch nach dem Ende des Thronstreits erhalten – bis zum Tod des Wettiners im Jahre 1221. Die tiefen Verletzungen zwischen Wettinern und Přemysliden heilte zwei Jahrzehnte später eine im Kontext bemerkenswerte Eheschließung: 1244/1245 heiratete Markgraf Heinrich, der Sohn Dietrichs und Neffe Adelas, die böhmische Königstochter Agnes, eine Enkelin König Ottokars I. von Böhmen und der Konstanze von Ungarn.

X. Über 15 Jahre und drei römisch-deutsche Könige hinweg hatte sich der Fall Adelas für Meißen und Prag, für Wettiner und Přemysliden, als handlungsleitend erwiesen und deren Parteinahme ebenso wie deren Parteiwechsel erheblich beeinflusst. Man konnte den staufisch-welfischen Thronstreit in seiner meißnisch-böhmischen Ausprägung geradezu unter dem Stempel der causa Adelas von Meißen lesen – auch wenn andere politische Belange hierfür auszublenden waren. Dennoch: Ohne die erstaunlich ähnlichen, schwierigen Vorgeschichten der drei fürstlichen Exponenten wird deren politisch flexible Handlungsweise im Thronstreit nicht erklärbar. Die vor 1198 erworbenen mentalen Dispositionen bereiteten den Boden dafür, dass die Verstoßung Adelas eine solche politische Wucht entfalten konnte. Ottokar von Böhmen und Dietrich von Meißen waren verwandtschaftlich eng miteinander verbunden und beide ebenso eng mit Hermann von Thüringen. Diese Verwandtschaften haben sich im staufisch-welfischen Thronstreit (und zuvor) als Brücken erwiesen, über die sich leichter zueinander finden ließ, die aber ebenso zerstört und abgerissen werden konnten. Verwandtschaft blieb hier politische Option, ohne dass sie unverbrüchliche Koalitionen schuf.

99 Friderici II. Diplomata inde ab anno MCCXII. usque ad annum MCCXVII, ed. Walter Koch (Monumenta Germaniae Historica, Diplomata XIV/2) Hannover 2007, Nr. 377, S. 410–413; Wihoda: Wettiner und Přemysliden (wie Anm. 1), S. 10. Ob sich aus dieser Erhebung Wenzels ein 1216 fassbarer Zwist zwischen Kaiser Friedrich II. und Markgraf Dietrich speiste, bleibt offen; vgl. Pätzold: Frühe Wettiner (wie Anm. 19), S. 79.

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Wesentlich beständiger und wirksamer zeigte sich Feindschaft, die hier aus gescheiterter Verwandtschaft zwischen Ottokar und Dietrich entstand und die in dieser negativen Umkehrung die grundsätzliche Relevanz von Freundschaft und Verwandtschaft bestätigt. Aber diese hier skizzierte Feindschaft offenbarte sich auf wettinischer Seite letzthin als eine Ehrverletzung und für Böhmen als eine überlebenswichtige Frage dynastischer Kontinuität. Verwandtschaft, Freundschaft und Feindschaft sind hiernach keine ausschließlichen Konzepte gewesen, sondern erscheinen immer eingewoben in die komplexen politischen, herrschaftlichen, dynastischen und mentalen Dimensionen ihrer Zeit.

František Kubů

Die Stadt Eger und die staufische Ministerialität als Gegner im staufischen und nachstaufischen Egerland

In der Stauferzeit bildete sich im mittelöstlichen Randgebiet des Reiches, im Raum, wo sich die deutsche und die slawische Ethnie begegneten, ein neues Reichsland – das Egerland.1 Außer dem heutigen tschechischen Teil umfasste es die südliche Spitze des sächsischen Vogtlandes und ein großes Stück des heutigen nördlichen bayerischen Grenzlandes (sogenanntes Stiftland und Sechsämtergebiet). In den Quellen wurde das Gebiet nach und nach regio Egire (im Jahr 1135), pagus Egire (1182), provincia Egrensis (1218) und Egerlandt (1261) genannt. Alte und bedeutende Handelswege von Regensburg nach Leipzig und von Bamberg und Nürnberg nach Prag durchzogen es.2 Seit der Einwanderung der Slawen nach Mitteleuropa war das Egerland ethnisch slawisch.3 Seine politische Zugehörigkeit vor dem 12. Jahrhundert ist aber 1

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Zur Geschichte des Egerlandes vergleiche Gradl, Heinrich: Geschichte des Egerlandes (bis 1437), Prag 1893; Siegl, Karl: Eger und das Egerland im Wandel der Zeiten, Eger 1931; Sturm, Heribert: Eger. Geschichte einer Reichsstadt 1/2, Augsburg 1951–1952; Ders., Districtus Egranus. Eine ursprünglich bayerische Region, München 1981. Die neueste Übersicht der Egerer Geschichte bis zum 14. Jahrhundert bringt Klír, Tomáš und Kollektiv: Libri civitatis X. Knihy chebské zemské berně z let 1438 a 1456, Praha/ Ústí nad Labem 2016. Dort findet man auch die neueste Literaturübersicht. Vgl. auch Bobková, Lenka: Chebsko za vlády Lucemburků, in: Po stopách šlechtického rodu Nothafftů – Nothaffti v Čechách a v Bavorsku, Cheb 2006, S. 147–157. Ein interessantes Schema Egers als einer Kreuzung der Flüsse, Gebirgsketten, Wege und Machtinteressen bei Braun, Hermann: Geschichte des Egerlandes, Halle o. J., Abb. 18, S. 58. Turek, Rudolf: Slovanské osídlení Chebska, in: Obzor prehistorický 14 (1950), S. 401– 440; Hejna, Antonín: Archeologický výzkum a počátky sídlištního vývoje Chebu a Chebska, in: Památky archeologické 57 (1967), S. 169–271; Hasil, Jan: Chebsko v raném středověku: archeologie středoevropského regionu v 7.–12. století, Praha 2016.

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noch immer umstritten. Man muss hier mit einem längeren Zeitabschnitt rechnen, während dessen dieses Gebiet den Charakter einer Pufferzone hatte, weil in ihm Böhmen und das Reich – Letzteres in Gestalt des sogenannten Nordgaus – aneinanderstießen. Während die böhmischen Herrscher der weiteren Besiedlung dieses Gebietes nur geringe Aufmerksamkeit widmeten, wurde der deutsche Kolonisationsdruck aus dem Raum des Nordgaues immer stärker und näherte sich um die Mitte des 11. Jahrhunderts dem historischen Egerland. Zur Zeit des Nordgaumarkgrafen Diepold III. von Vohburg (1093 bis 1146) rückte der Grenzbereich immer mehr in das Egerland hinein. Die politische Beherrschung ging Hand in Hand mit der raschen Kolonisation und Germanisierung der slawischen Bevölkerung.4 Nach dem Tode Diepolds III. im Jahr 1146 wurde das Egerland aus dem Nordgau herausgelöst und von den Staufern direkt dem Reich unterstellt.5 Sie gestalteten dieses Gebiet sodann allmählich nach dem Vorbild eines von Ministerialen verwalteten Krongutbezirks um.6 Nach dem Sohn Konrads III., Friedrich von Rothenburg, der 1167 starb, übernahm Kaiser Friedrich Barbarossa das Gebiet selbst und baute es zu einem starken Machtzentrum aus und ließ in Eger eine mächtige Pfalz errichten.7 Um sie herum entwi4

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Vgl. zu dieser Periode Doeberl, Michael: Die Markgrafschaft und die Markgrafen auf dem bayerischen Nordgau, München 1894;. Šimek, Emanuel: Chebsko v staré době, Brno 1955; Throner, Lioba: Die Diepoldinger und ihre Ministerialen, Diss. München 1957; Hemmerle, Josef: Siedlung und Aufbaukräfte im Egerland, in: Ostdeutsche Wissenschaft III/IV, München 1958, S. 109–136; Holý, Vladimír: Připojení Chebska k německé říši, in: Minulostí Západočeského kraje 6 (1968), S. 223–252. Zum Übergang des Egerlandes aus dem Rahmen des Nordgaus in den direkten Besitz der Staufer vgl. Doeberl: Die Markgrafschaft (wie Anm. 4), S. 79–90; Klebel, Ernst: Das Egerland vor den Hohenstaufen, in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 20 (1960), S. 229–245. Zur staufischen Periode der Egerer Geschichte vgl. Kubů, František: Die staufische Ministerialität im Egerland. Ein Beitrag zur Siedlungs- und Verwaltungsgeschichte (Otnand-Gesellschaft für Geschichte und Kultur in der Euroregio Egrensis. Quellen und Erörterungen 1) Presath 1995; Ders.: Egerland. Schicksale eines Reichsgutkomplexes in staufischer und nachstaufischer Zeit, in: Fenske, Lutz (Hg.): Deutsche Königspfalzen. Beiträge zu ihrer historischen und archäologischen Erforschung 4. Bd. Pfalzen-ReichsgutKönigshöfe, Göttingen 1996, S. 446–462. Zu der Pfalz vgl. Grueber, Bernhard: Die Kaiserburg zu Eger und die an dieses Bauwerk sich anschließenden Denkmale, Leipzig 1864; Schürer, Oskar: Geschichte von Burg und Pfalz Eger, München 1934; Ders.: Die Kaiserpfalz Eger (Denkmäler deutscher Kunst. Die deutschen Kaiserpfalzen II) Berlin 1934; Kubů, František: Die staufische

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ckelte sich aus der ursprünglichen Marktsiedlung die im Jahr 1203 zum erstenmal erwähnte Stadt.8 In die neu erbaute Pfalz berief Barbarossa im Jahr 1179 zum erstenmal einen Reichstag ein, und auch die ihm folgenden staufischen Herrscher nahmen an der Entwicklung des Egerlandes starken Anteil. In Eger hielten sie Reichs- und Hoftage ab, feierten in der Pfalz das Weihnachtsfest und regelten hier verschiedene politische Angelegenheiten,9 vor allem die Beziehungen zum böhmischen Staat der Přemysliden.10 Als den für das Egerland bedeutendsten Abschnitt der Stauferzeit kann man den acht Jahre dauernden Aufenthalt Friedrichs II. in Deutschland ansehen. Auf zwei großen Reichsversammlungen in Eger in den Jahren 1213 und 1214 beendete Friedrich II. eine der vielen Etappen des wechselvollen und für das europäische Mittelalter wichtigen Kampfes zwischen Papstum und Kaisertum.11 Während der Regierung Friedrichs II. wurde der Pfalz-

Pfalz Eger an der Grenze zwischen Böhmen und Reich, in: Staufische Pfalzen, Schriften zur staufischen Geschichte und Kunst 14, Göppingen 1994, S. 48–66. 8 In der Urkunde des Königs Philipp vom 21. Februar 1203. Vgl. Ficker, Julius: Regesta Imperii V/1. Die Regesten des Kaiserreiches unter Philipp, Otto IV., Friedrich II., Heinrich (VII.), Conrad IV., Heinrich Raspe, Wilhelm und Richard 1198–1272, Innsbruck 1881, Nr. 74; Gradl, Heinrich: Monumenta Egrana, Eger 1886, S. 41, Nr. 119. 9 Zu Besuchen der Staufer in Eger vgl. Opll, Ferdinand: Das Itinerar Kaiser Friedrich Barbarossa (1152–1190), Wien/Köln/Graz 1978, S. 127 f.; Die Zeit der Staufer IV, Stuttgart 1977, Karte 3: Kaiser Friedrich I. Aufenthaltsorte 1151–1189. 10 Zu Beziehungen zwischen Böhmen und dem Reich in der Stauferzeit vgl. Prinz, Friedrich: Die Stellung Böhmens im mittelalterlichen deutschen Reich, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 28 (1965), S. 99–113; Bosl, Karl: Die staufische Reichspolitik im oberpfälzischen, fränkischen und böhmischen Raum, in: Oberpfälzer Heimat 11 (1967), S. 47–58; Hoffman, Hartmut: Böhmen und das Deutsche Reich im hohen Mittelalter, in: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands 18 (1969), S. 1–62; Kejř, Jiří: Böhmen und das Reich unter Friedrich I., in: Haverkampf, Alfred (Hg.): Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers (Vorträge und Forschungen 40) Sigmaringen 1992, S. 241–289; Vaníček, Vratislav: Die mittelalterlichen Grundlagen der tschechisch-deutschen Nachbarschaft, in: Bayerisch-böhmische Nachbarschaft, München 1992, S. 39–57. 11 Gradl: Monumenta Egrana (wie Anm. 8), S. 43 f., Nr. 127 f.; Ficker: Regesta Imperii V/1 (wie Anm. 8), Nr. 707. Vgl. auch Halbe, Max: Friedrich II. und der päpstliche Stuhl. Bis zur Kaiserkrönung (November 1220), Berlin 1888; Hof, Alfred: „Plenitudo potestatis“ und „Imitatio imperii“ zur Zeit Innozenz III., in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 66 (1955), S. 39–71.

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bau mit der prächtigen Kapelle fertiggestellt,12 und auch die Stadt entwickelte sich sehr schnell. In ihren Mauern ließen sich die ersten geistlichen Orden nieder – Franziskaner, Klarissinnen und der Deutsche Orden. Bis zum Jahr 1266, als sich der böhmische König Přemysl Otakar II. des Egerlandes bemächtigte, blieb dieses in den Händen der Staufer.13 Von Anfang ihrer Regierung im Egerland an bauten die Staufer dieses Territorium mit dem klaren Ziel auf, aus ihm einen zentralisierten, innerlich stabilen Krongutbezirk zu bilden, der die Machtgrundlage ihrer Regierung an der östlichen Reichsgrenze verbreitern und festigen sollte. Dafür bestanden im Egerland besonders günstige Bedingungen, denn aller Grundbesitz gehörte bis dahin dem Vertreter des Herrschers in diesem Gebiet, dem Markgrafen im Nordgau. Dieser verlieh ihn seinerseits seinen Ministerialen und einigen wenigen Adligen, die Besitz im Egerland innehatten (den Grafen von Sulzbach, den Herren von Wolfssölden usw.). Das Egerland war schon vor seinem Übergang an die Staufer ein Gebiet, in dem keine eigenherrschaftlichen Tendenzen des Adels bestanden, und die Staufer brauchten nur die mittelbare Verwaltung der Nordgaumarkgrafen durch ihre eigene direkte Herrschaft zu ersetzen. Das starke Interesse der Staufer am Egerland ist als Teil ihres Strebens nach einer geschlossenen Zone von Reichs- und Hausgütern im mittelöstlichen Grenzland des Reiches anzusehen. Friedrich Barbarossa baute in diesem Raum planmäßig drei Königsgutkomplexe aus: rund um die Reichsburg Altenburg das sogenannte Pleissenland,14 12 Schürer, Oskar: Die Doppelkapelle der Kaiserpfalz Eger, Eger 1929. Die neuen archäologischen Forschungen reflektiert Šebesta, Pavel: Chebský hrad, prezentace objeveného, in: Archaeologia historica 30 (2005), S. 183–189. 13 Über Přemysls Besetzung vgl. Gradl: Geschichte des Egerlandes (wie Anm. 1), S. 97–98; Ders.: Monumenta Egrana (wie Anm. 8), S. 93 f., Nr. 255 f.; Novotný, Václav: České dějiny I/4. Rozmach české moci za Přemysla II. Otakara 1253–1271, Praha 1937, S. 140 f. 14 Über Pleißenland vgl. Schlesinger, Walter: Egerland, Vogtland, Pleißenland, in: Ders.: Mitteldeutsche Beiträge zur deutschen Verfassungsgeschichte des Mittelalters, Göttingen 1961; Helbig, Herbert: Verfügungen über Reichsgut im Pleißenland, in: Beumann, Helmut (Hg.): Festschrift für Walter Schlesinger, Köln/Wien 1973, S. 273–285; Rübsamen, Dieter: Kleine Herrschaftsträger im Pleißenland. Studien zur Geschichte des mitteldeutschen Adels im 13. Jahrhundert, Köln/Wien 1987; Billig, Gerhard: Pleißenland-Vogtland: Das Reich und die Vögte: Untersuchungen zur Herrschaftsorganisation und Landesverfassung während des Mittelalters unter dem Aspekt der Periodisierung, Plauen 2002; Thieme, André: Pleißenland, Reich und Wettiner. Grundlagen, Formierung und Entwicklung der terra plisnensis bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts, in: Sachenbacher, Peter/

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das Territorium um Nürnberg15 und das Egerland. Alle wurden ähnlich organisiert und von staufischen Ministerialen verwaltet;16 im Pleissenland und in Nürnberg existierte daneben noch das Burggrafenamt, das in den Händen freier Adliger blieb, die sich den Ministerialen gegenüber großen Einfluss sichern konnten. Im Egerland fehlt ein solches Burggrafenamt. Hier bestand eine rein ministerialische Verwaltung, die nicht durch den edelfreien Adel begrenzt und ausschließlich vom Herrscher abhängig war.17 Das Egerland war schließlich ein neu kolonisiertes Reichsland und den schwachen Einfluss der benachbarten Adelsgeschlechter konnte der König durch Ankauf, Tausch, Konfiskation oder politischen Druck ausschalten. Der höchste Beamte des staufischen Egerlandes war der Landrichter (iudex provincialis). Sein Funktionssprektrum stimmte mit dem vergleichbarer Beamter im Pleissenland und in Nürnberg überein. Er vertrat den Herrscher im Landgericht (placitum provinciale), zog die königlichen Abgaben ein, schützte die Klöster und Kirchen, und er war außerdem an Stelle der edelfreien adligen Burggrafen auch militärischer Befehlshaber. Als erster in diesem Amt wird 1215 Heinrich von Liebenstein genannt; seit dem Jahr 1241 bekleidete es Ramung von Kammerstein, 1257 wird Heinrich der Ältere von Weida erwähnt, und der letzte vor dem Ende der Stauferzeit bekannte Landrichter war Ruprecht von Liebenstein im Jahr 1264 .18 Die anderen Ämter sind im Egerland erst später nachzuweisen; der Stadtrichter (iudex civitatis) im Jahr 124219 und der königliche

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Einicke, Ralph/Beier, Hans Jürgen (Hg.): Tegkwitz und das Altenburger Land. 976/2001 – 1025 Jahre Ersterwähnung von Altenburg und Orten im Altenburger Umland (Beiträge zur Frühgeschichte und zum Mittelalter Ostthüringens 1) Langenweissbach 2003, S. 39–60. Über Nürnberg in dieser Hinsicht: Bosl, Karl: Nürnberg als Stützpunkt staufischer Staatspolitik, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 39 (1944), S. 51–82; Ders., Der Aufstieg Nürnbergs zum reichischen Zentralort in Nordbayern, in: Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte 36 (1973), S. 1023–1032. Bosl, Karl: Die Reichsministerialität der Salier und Staufer I/II, Stuttgart 1950/1951, hier vor allem I, S. 133–136 und II, S. 489–495. Über die Ministerialenadministration des Egerlandes, ihre Struktur und Entwicklung vgl. Siegl, Karl: Geschichte der Egerer Burgpflege, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 50 (1912), S. 546–594; Kubů: Die staufische Ministerialität (wie Anm. 6), S. 57–71. Vgl. auch Gladiss von, Dieter: Beiträge zur Geschichte der staufischen Reichsministerialität, Berlin 1934; Sturm: Eger (wie Anm. 1), S. 32–40. Gradl: Monumenta Egrana (wie Anm. 8), S. 46 f., Nr. 134; S. 69 f., Nr. 194 und 196; S. 82, Nr. 230; S. 90–92, Nr. 249 und 250. Ebd., S. 71, Nr. 197.

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Forstmeister im Jahr 1310.20 Die gesamte Verwaltung des Egerlandes lag in den Händen der Ministerialen. Aus ihrer Mitte rekrutierten sich die Amtsleute, und im Rat ihrer Vornehmsten wurden die entscheidenden Beschlüsse und Maßnahmen getroffen. Den Grundbestand der staufischen Ministerialität im Egerland bildete die Gruppe der Ministerialen der Markgrafen von Vohburg, der Vorgänger der Staufer in jenem Gebiet. Die Staufer ergänzten und stärkten diese Schicht durch weitere, hauptsächlich aus dem Nordgau berufene Ministerialen. Die Ministerialen bildeten ursprünglich die Besatzung der Burg und späteren Pfalz Eger. Schon unter den Vohburgern begannen sie in die Umgebung abzuwandern, dort eigene befestigte Sitze anzulegen und Herrschaften zu begründen. Diesen Prozess können wir ab 1122 während des gesamten 12. Jahrhunderts verfolgen.21 Das Netz der Ministerialensitze dehnte sich in drei ausgeprägten, zeitlich aufeinanderfolgenden Wellen (Mitte des 12. Jahrhunderts – Wende des 12./13. Jahrhunderts – Mitte des 13. Jahrhunderts) nach und nach über das ganze zentrale Egerbecken und einen breiten, von Eger bis Wunsiedel reichenden Gebietsstreifen aus.22 Die Randgebiete des Egerlandes wurden allmählich zu Einflusssphären der benachbarten Adelsgeschlechter und des Zisterzienserklosters Waldsassen (gegründet 1132).23 Die Quellen lassen für die Stauferzeit im Egerland über 40 Ministerialenfamilien erkennen.24 Diese Familien bildeten das Rückgrat der wirtschaftlichen 20 Ebd., S. 217, Nr. 589 (Originalurkunde im Staatl. Bezirksarchiv Eger, Bestand 1, Urkunde Nr. 13). 21 Diese und weitere Ausführungen werden begründet in Kubů: Die staufische Ministerialität (wie Anm. 6), S. 49–57. 22 Knoll, Vilém/Karel, Tomáš: Burgen im Land zwischen Böhmen und dem Reich. Der gegenwärtige Erkenntnisstand zum älteren Horizont der Adelssitze im Egerland, in: Weigl, Herwig/Birngruber, Klaus/Schmid, Christa (Hg.): Adel, Burg und Herrschaft an der „Grenze“. Österreich und Böhmen (Studien zur Kulturgeschichte von Oberösterreich 34) Linz 2012, S. 205–220. 23 Zu diesem wichtigen Kloster vgl. Binhack, Franz: Die Äbte des Klosters Waldsassen 1133–1506 1/2, Eichstätt 1887/1889; Langhammer, Rudolf: Waldsassen. Kloster und Stadt 1. Aus der Geschichte der ehedem reichsunmittelbaren und gefürsteten Zisterzienserabtei bis zur Reformation, Waldsassen 1936. 24 Das Verzeichnis aller Ministerialenfamilien im Egerland mit Quellen und Literaturangaben vgl. Kubů, František: Štaufská ministerialita na Chebsku, Dissertation Praha 1978, S. 171–206; Ders.: Die staufische Ministerialität (wie Anm. 6), S. 69–71 und 145–174.

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und politischen Organisation des Landes, besorgten die Verwaltung, stellten das militärische Potential des Reichslandes, kolonisierten das Land und erfüllten so die Funktion einer regionalen verwaltungspolitischen Instanz des Stauferstaates. Von ihnen sonderte sich eine Gruppe der mächtigsten Familien ab, die über die größten Besitzungen und Burgen verfügte und die wichtigsten Ämter besetzte (die Herren von Liebenstein, von Sparneck, von Falkenberg, von Hohenberg, die Nothafts u.a.). Dies bestätigt auch eine Analyse der Besitzverhältnisse der Egerer Ministerialen. Sie zeigt, dass sich in der Zusammensetzung der ministerialischen Besitzungen eine stufenweise Entwicklung von Dienstlehen über Vasallenlehen zum direkten Eigentum (Allod) vollzog, so dass Letzteres schließlich völlig dominierte.25 Aus regionaler Perspektive ist dies als Ausdruck des allgemeinen Prozesses der allmählichen ministerialischen Loslösung aus den Fesseln persönlicher Abhängigkeit und minderer Rechtsstellung zu werten, so wie dies im ganzen Reich zu beobachten ist. Den weniger begüterten Ministerialengechlechtern ging ihre Herrschaftsteilhabe an der Verwaltung des Egerlandes allmählich verloren, sie verarmten und gerieten in Abhängigkeit von reicheren Ministerialen, die in einigen Fällen sogar ihre Lehnsherren wurden. Diese Entwicklung verstärkte sich noch in der nachstaufischen Zeit. Mit dem Einzug eines Truppenkontingents des böhmischen Königs Přemysl Otakar II. in die Stadt Eger im Frühjahr 126626 trat in der Entwicklung des Reichsgutkomplexes Egerland eine entscheidende Wendung ein.27 Die hier bisher uneingeschränkt herrschende staufische Ministerialität war plötzlich ihrer Hauptstütze, des Stauferherrschers, beraubt und während der böhmischen Regierung in Verwaltung und Regierung des Egerlandes völlig ausgeschaltet. Während des Interregnums zerfielen auch andere mächtige staufische Reichsgutkomplexe im mittelöstlichen Grenzland. Einzelne Bestandteile – die Umgebung von Nürnberg, das Egerland, Vogtland und Pleißenland – wurden selbständig und gingen in ihrer weiteren Entwicklung eigene Wege. Im Nürnbergischen entfaltete die Reichstadt ihre Hegemonie über das unmittelbare Umland, während die Burggrafen aus dem Hause Zollern den Schwerpunkt ihrer Territorialpolitik im stän25 Kubů: Die staufische Ministerialität (wie Anm. 6), S. 58–69. 26 Vgl. Anm. 13. 27 Zur nächstfolgenden Periode der Egerer Geschichte vgl. im hier interessierenden Zusammenhang Kubů, František: Rozklad chebské ministeriality a její západ s městem Cheb, in: Československý časopis historický 30 (1982), S. 76–99; Ders.: Die staufische Ministerialität (wie Anm. 6), S. 113–144.

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digen Kampf mit der Stadt allmählich nach Nordosten verschoben und mit dem Aufbau eines eigenen Territorialstaates begannen.28 Ihre Expansion überschritt schon Ende des 13. Jahrhunderts die Grenzen des Egerlandes und sog im Laufe des nachfolgenden Jahrhunderts das ganze westliche Viertel dieses Gebietes auf.29 In anderen Teilen des mittelöstlichen staufischen Kronbesitzes gerieten Interessen der böhmischen Könige und der Markgrafen von Meißen aus dem Hause der Wettiner aneinander. Die Wettiner gewannen schon unter den Staufern das Pleißenland als Pfand, und bis 1311 konnten sie sich die Beherrschung dieses Gebietes endgültig sichern.30 Im Vogtland hatten die Vögte von Weida und Plauen ihre Herrschaft aufgebaut, mussten sie aber um die Mitte des 14. Jahrhunderts an die Wettiner abgeben. Im Egerland blieb die Reichsgewalt noch am längsten bestehen. Die beharrlichen Bemühungen der böhmischen Könige, dieses strategisch wichtige Gebiet zu beherrschen, führten aber schließlich zum Erfolg. Nach zwei kurzfristigen Inbesitznahmen unter Přemysl Otakar II. (1266 bis 1277) und Wenzel II. (1291 bis 1304) gewann die böhmische Krone das Egerland im Jahr 1322 als dauerhaftes Pfand.31 Dieses Ringen der böhmischen mit den deutschen Königen um das Egerland stand in engem Zusammenhang mit dem Kampf der staufischen Ministerialität und der Stadt Eger um die Vorherrschaft in diesem Gebiet. Die28 Zu Nürnberg vgl. Dannenbauer, Heinrich: Die Entstehung des Territoriums der Reichsstadt Nürnberg, Stuttgart 1928; Hirschmann, Gerhard: Das Landgebiet der ehemaligen Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1951; Pfeiffer, Gerhard: Der Aufstieg der Reichsstadt Nürnberg im 13. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 44 (1953), S. 14–24; Leiser, Wolfgang: Das Landgebiet der Reichsstadt Nürnberg, in: Endres, Rudolf (Hrg.): Nürnberg, Bern. Zwei Reichsstädte und ihr Landgebiet. Neun Beiträge (Erlanger Forschungen A 46) Erlangen 1990, S. 227–260. Zur Burggrafschaft Nürnberg vgl. Meyer, Christian: Geschichte der Burggrafschaft Nürnberg und der späteren Markgrafschaften Ansbach und Bayreuth, Tübingen 1908; Gerlich, Alois/Machilek, Franz: Die Herrschaft der Zollern in Franken (Burggrafschaft Nürnberg, Markgraftümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Kulmbach), in: Kraus, Andreas (Hg.): Handbuch der bayerischen Geschichte III/1. Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, München 1997, S. 579–600. 29 Schwammberger, Adolf: Die Erwerbspolitik der Burggrafen von Nürnberg in Franken (bis 1361), Erlangen 1932. 30 Schlesinger: Egerland (wie Anm. 14), S. 90 f.; Rübsamen: Kleine Herrschaftsträger im Pleißenland (wie Anm. 14), S. 271–281. 31 Siegl, Karl: Das Egerland zur Zeit seiner Verpfändung, Eger 1922.

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ser Konflikt bildete ein Hauptmerkmal der Egerer Entwicklung in der nachstaufischen Zeit. Bis 1322 konnte die Egerer Ministerialität einen beträchtlichen Machtanteil für sich behaupten, was die noch fast monopolartige Besetzung der wichtigsten Landesämter mit Mitgliedern der Ministerialenfamilien und die entscheidende Rolle der Ministerialen in der Verwaltung der erstarkenden Stadtgemeinde Eger beweisen.32 Intern setzte jedoch bereits eine Auflösung dieser Schicht ein, was auch in der Titulatur ihrer Angehörigen einen Niederschlag findet. Der in der Stauferzeit übliche Ausdruck ministeriales taucht zum letzten Mal im Jahr 1306 auf; nachher verwenden die ehemaligen Ministerialen lediglich die Termini milites (zuerst 1224), nobiles (1281) und cives (1257) oder deren deutsche Entsprechungen (Ritter – Edelleute – Bürger), je nachdem, mit welcher sozialen Schicht innerhalb der Gesellschaft sie verschmolzen waren. Der Zeitraum zwischen den Jahren 1281, als die Quellen bereits alle neuen Begriffe verwenden, und 1306, als der Terminus ministeriales zuletzt auftritt, markiert offenbar eine grundsätzliche Umbruchsphase in der Entwicklung der Egerer Ministerialität, die ihrer Auflösung entgegenging.33 Von den 44 stauferzeitlichen Familien sind 15 bis zum Jahr 1300 ausgestorben, sieben erscheinen in der Stellung von Adelsgeschlechtern von mittlerer Bedeutung, 16 gingen in den niederen Adel des Egerlandes über, fünf fanden Eingang in das Patriziat der Stadt Eger und eine Familie schloss sich mit ihren zwei Zweigen jeweils den beiden letztgenannten Gruppen an.34 Den Verfall des sozialen Eigenständigkeitsbewusstseins dieser Schicht dokumentiert auch der rückläufige Trend im gemeinsamen Auftreten der Ministerialen in den Quellen.35 Auch die Machtfülle und der Aktionsradius der Verwaltungsämter, die nach der Wiederherstellung der Reichsunmittelbarkeit des Egerlandes durch Rudolf von Habsburg im Jahr 1277 wieder meistens mit Ministerialen besetzt wurden, waren viel begrenzter als vor 1266. Die Anteile der Ministerialität und der Stadt Eger an der Macht begannen sich gegensätzlich zu entwickeln; der ministerialische Part nahm ab und der städtische wuchs. So verlor die Ministerialenschicht ihr Machtmonopol, blieb aber trotzdem noch ein wichtiger Faktor im Egerland. Ihre weiterhin starke 32 Sturm: Eger (wie Anm. 1), S. 385; Siegl: Geschichte der Egerer Burgpflege (wie Anm. 17), S. 560–562 mit Quellenhinweisen. 33 Zur Analyse dieser Titulatur vgl. Kubů: Die staufische Ministerialität (wie Anm. 6), S. 121– 124 mit dem Diagramm auf S. 124. 34 Ebd., S. 127–137. 35 Ebd., S. 125 f..

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Stellung wird auch dadurch bestätigt, dass mit Bobo von Sparnberg (1279–1289) der erste Landrichter nach dem Wiederanschluss ans Reich einem mächtigen Ministerialengeschlecht entstammte und dass dieses bedeutendste Landesamt bis zur Verpfändung im Jahr 1322 vorwiegend mit Egerer Ministerialen besetzt wurde.36 Der Wirkungskreis jenes Amtes war zwar im Vergleich zur Stauferzeit vermindert, blieb aber trotzdem beträchtlich. Er umfasste die gesamte Kriminaljurisdiktion, d.h. den Vorsitz im Landgericht und in einem besonderen Achtgericht; der Landrichter befehligte die Egerer Burg und das Egerländer Militäraufgebot, verwaltete die zur Egerer Burg gehörigen Güter und zog für den König Steuern und verschiedene Abgaben ein. Territorial reduzierte sich dieser Wirkungskreis allerdings mit den fortschreitenden Eingriffen benachbarter Adliger in den territorialen Bestand des Egerlandes; er reichte aber immer noch über die Grenzen des Gebietes hinaus.37 Mit wachsender Bedeutung der Stadt Eger nahm auch die Wichtigkeit des Stadtrichters, des königlichen Vertreters in der Stadt, zu. Dieses Amt lag bis zum Jahr 1322 ebenfalls in den Händen der Egerer Ministerialen, seine Träger mussten aber der wachsenden Konkurrenz des Stadtrates begegnen.38 Von anderen Landesämtern kommen im Egerland nach 1266 die des Münzmeisters (monetarius) und des Forstmeisters (custodia nemoris) vor; das erste wird zuerst im Jahr 1281,39 das zweite im Jahr 1310 erwähnt.40 Beide Ämter wurden von Ministerialen bekleidet; die Forstmeisterei gehörte sogar erblich dem Ministerialengeschlecht der Nothaft. Auch an der Stadtregierung in Eger waren die Ministerialen stark beteiligt. Das Bürgermeisteramt wechselte bis 1322 mit zwei Ausnahmen in einigen Patrizierfamilien, die nachweisbar aus der Egerer Ministerialität stammten: Höfer (de curia), Heckel,

36 Vgl. Anm. 31. 37 Gradl, Heinrich: Die Minderung des Egerlandes, Bayreuth 1883. 38 Von den fünf bekannten Richtern aus diesem Zeitabschnitt stammen drei aus Ministerialenfamilien. Vgl. Sturm: Eger (wie Anm. 1), S. 386; Werhold, A.: Zur wirtschaftlichen und staatsrechtlichen Entwicklung des Egerlandes, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 36 (1898), S. 328–360 und 412–428, hier S. 425. 39 In der Urkunde vom 10. April 1281; Gradl: Monumenta Egrana (wie Anm. 8), , S. 126, Nr. 344. 40 Vgl. Anm. 20; Darlegungen über dieses Amt bei Siegl, Karl: Alt-Eger in seinen Gesetzen und Verordnungen, Augsburg 1927, S. 96–107; Kubů, František: Chebský lesní řád z roku 1379, in: Miloslav Polívka/Michal Svatoš (Hg.): Historia docet. Sborník prací k poctě šedesátých narozenin prof. PhDr. Ivana Hlaváčka, CSc., Praha 1992, S. 209–221.

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Huler und Zöllner.41 Auch an der Zusammensetzung des Stadtrates hatten die Patrizier ministerialischen Ursprungs großen Anteil. Sie bestimmten also in der Zeit bis zum Jahr 1322 in beträchtlichem Maße die Geschicke der Stadt Eger mit; dabei handelten sie aber gewiss im städtischen Interesse auch gegen die Interessen ihrer ehemaligen ministerialischen Standesgenossen, also mehr als Bürger denn als Ministerialen. Das beweisen u.a. Zeugenreihen der Urkunden, in denen ehemalige Ministerialen grundsätzlich die Bezeichnung cives Egrenses benutzen.42 Das wichtigste Machtpotential im Reichsgutkomplex Egerland stellten bis zur Verpfändung im Jahr 1322 die damals schon „ehemaligen“ staufischen Ministerialen dar, die aber immer mehr von der wachsenden Stärke der Stadt Eger beschränkt wurden und sich seit Ende des 13. Jahrhunderts mit einer gewissen Mitregierung der Stadt abfinden mussten. Nach dem Übergang des Egerlandes in den Besitz des böhmischen Königs hat sich die Situation für sie weiter verschlechtert. Die Ministerialengeschlechter blieben meistens ans Reich gebunden und wurden zu einer inhomogenen Adelsgruppe, die – mit der Herrschaft der böhmischen Könige unzufrieden – zum Ungehorsam neigte. Kein Wunder, dass die böhmischen Herrscher sie nicht in ihre Dienste zogen und ihren Anteil an der Verwaltung des Egerlandes radikal einschränkten. Als Gegenreaktion suchten die Ministerialen in erhöhtem Maße ihre Existenzsicherung außerhalb des Egerlandes – und zwar nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Familien. Von den 29 nach 1300 verbliebenen Ministerialengeschlechtern wanderten 16 im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts aus dem Egerland teilweise oder völlig ab, und zwar hauptsächlich in die Oberpfalz und nach Franken, aber auch nach Böhmen und ins Vogtland.43 Am auffälligsten sind die Beispiele der großen Familien der Nothaft und derer von Hartenberg, die in kurzer Zeit fast demonstrativ aus dem Egerland nach Westen übersiedelten.44 41 Von den zehn bis zum Jahr 1322 bekannten Bürgermeistern stammten acht aus diesen Geschlechtern; vgl. Sturm: Eger (wie Anm. 1), S. 387. 42 Vgl. z.B. Gradl: Monumenta Egrana (wie Anm. 8), , Nr. 267, 292, 304, 325, 341, 342 usw. 43 Kubů: Die staufische Ministerialität (wie Anm. 6), S. 142–144. 44 Stark, Harald und Kollektiv: Po stopách šlechtického rodu Nothafftů – Nothaffti v Čechách a v Bavorsku, Cheb 2007. Vgl. auch Singer, Friedrich Wilhelm: Das Nothaftische Lehensbuch von 1360. Besitz und Verwaltung der Reichsministerialen Nothaft im Historischen Egerland, Faksimile und Übertragung des Originals im Bayerischen Haupstaatsarchiv München, Arzberg-Hohenberg 1996; Stark, Harald/Maurer, Her-

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Das Egerland wurde Anfang des 14. Jahrhunderts von vielen Konflikten zerrissen.45 Die böhmischen Könige und die Reichsherrscher stritten über den Besitz dieses Gebietes, und im Innern tobte der Kampf der ehemaligen staufischen Ministerialen und der Stadt Eger um die Vorherrschaft im Egerland. Die Stadt Eger wurde wirtschaftlich immer stärker und erstrebte auch größere politische Macht. Schon während der Regierung des böhmischen Königs Přemysl Otakar II. setzte sie auf Böhmen und gewann nach der Verpfändung des Egerlandes im Jahr 1322 an Böhmen die entscheidende Überlegenheit. Bereits während der Verhandlungen um die Verpfändung zwischen dem böhmischen König Johann von Luxemburg und Ludwig dem Bayern galt Eger als das entscheidende Machtzentrum des Gebietes. Die Kraft der Stadt, deren Wachstum nur zeitweilig durch das große Feuer von 1270 gebremst wurde, wuchs derartig an, dass man es sich erlauben konnte, den Kampf mit der untergehenden Ministerialität und dem entstehenden Adel als Bekämpfung krimineller Raubritter auszugeben. Schließlich hatte Eger schon damals die Jurisdiktion in seiner Hand. Nach der Verpfändung des Egerlandes an Böhmen erhob sich eine neue Welle des Widerstandes gegen die veränderte Situation. Die früheren Ministerialengeschlechter waren mit der böhmischen Oberherrschaft nicht einverstanden und gerieten mit der Stadt in offenen Kampf. Ausdruck dieses Kleinkrieges sind die Eintragungen im Achtbuch des Schöffengerichtes von Eger in den Jahren nach 1320.46 Im Laufe der 20er Jahre des 14. Jahrhunderts beruhigte sich die Situation jedoch und die Hegemonie von Eger wurde so eindeutig, dass die vormaligen Ministerialen ihren offenen Widerstand aufgaben und höchstens durch weitere Emigration aus dem Egerland ihren Widerspruch zum Ausdruck brachten. Der Kampf um die Vorherrschaft spielte sich meistens in Form der Eroberung der befestigten Sitze der Ministerialen ab.47 Die im 16. Jahrhundert geschriebert: Die Familie Notthaft – auf Spurensuche im Egerland, in Bayern und Schwaben, Weißenstadt 2006. 45 Über die Geschichte des Egerlandes in der nachstaufischen Zeit und im 14. Jahrhundert vgl. Kubů, František: Chebský městský stát, České Budějovice 2006, S. 49–54. 46 Siegl, Karl: Das Achtbuch des Egerer Schöffengerichts aus der Zeit von 1310 bis 1390, Prag 1901, Nr. 2–13. Diese ganze Quelle ist eine Chronik des Kampfes der Adeligen gegen Eger. Hier tauchen 18 von jenen 29 Geschlechtern auf, die nach dem Jahr 1300 von der Egerer Ministerialität übriggeblieben waren. Vgl. Kubů: Die staufische Ministerialität (wie Anm. 6), S. 141, Anm. 147. Vgl. auch S. 139–142. 47 Die Beziehungen zwischen Eger und Egerer Adel (häufig ministerialischen Ursprungs)

Die Stadt Eger und die staufische Ministerialität als Gegner im staufischen und nachstaufischen Egerland 333

bene Egerer Chronik des Pankraz Engelhart berichtet, dass Eger schon lange vor der Entscheidung dieses Kampfes im Jahr 1300 die Burg Bürglas und weitere zwölf Burgen in der Umgebung von Wunsiedel und Weissenstadt eroberte.48 Mit zeitgenössischen Quellen belegt ist aber erst der Streit der Stadt Eger mit den Herren von Neuberg, ursprünglich Ministerialen der Burg Neuberg bei Asch. Nach dem Meuchelmord an ihrem Gerichtsboten zwangen die Egerer im Jahr 1324 Konrad von Neuberg zur Ausgabe einer Urkunde, die Eger praktisch von einem weiteren Konkurrenten im Gebiet befreite.49 Dem war offenbar die Belagerung der erwähnten Burg Neuberg vorausgegangen, die die archäologische Grabung aus den Jahren 1979 bis 1981 belegen konnte.50 Man fand damals nämlich im mittleren und südlichen Teil der Burganlage eine Brandschicht des 14. Jahrhunderts mit Funden von Pfeilspitzen. Es ist wahrscheinlich, dass die Egerer während dieses Feldzuges auch eine weitere Burg der Neuberger, Elster im Nachbargebiet Vogtland, bedrohten.51 Irgendwann vor dem Jahr 1349 eroberten und zerstörten die Streitkräfte der Stadt Eger und des böhmischen und römischen Königs Karls IV. die Burg Königswart des Ministerialengeschlechtes von Hartenberg. Diese bedrohte und störte nämlich die Handelsverbindung des Egerer Gebietes mit dem westlichen Grenzland Böhmens, wie wir aus der Urkunde vom 6. Januar 1349 erfahren, in der Karl IV. die Neuerrichtung dieser Burg verbot.52

48 49

50 51

52

behandeln vor allem Kubů, František/Šebesta, Pavel: Politické a ekonomické vztahy města Chebu a okolní šlechty, in: Archaeologia historica 10 (1985), S. 163–174. Engelhart, Pankraz: Chronik der Stadt Eger. Eger 1560. Kopie im Staatlichen Bezirksarchiv Cheb (Eger). Weiter StOkA Cheb, Bestand 1, Buch Nr. 986. Die Urkunde vom 3. Oktober 1424, StOkA Cheb, Bestand 1, Urkunde Nr. 29. Vgl. auch Siegl, Karl: Die Kataloge des Egerer Stadtarchivs, Eger 1900, S. 102; Alberti, Karl: Beiträge zur Geschichte der Stadt Asch und des Ascher Bezirkes 1. Asch 1934, S. 94–96. Šebesta, Pavel: Výzkum hradů vnitřního Chebska, in: Archaeologia historica 6 (1981), S. 79–88. Gradl, Heinrich: Materialien zur Geschichte des Ascher Gebietes, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 20 (1882), S. 93 und Alberti: Beiträge zur Geschichte der Stadt Asch (wie Anm. 49), S. 94–96. StOkA Cheb, Bestand 1, Urkunde Nr. 54; Spěváček, Jiří: Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae V. 1346–1355, Praha 1958, Nr. 555, S. 278–279. Die heutige Ruine ist Überrest einer neueren Burg, die Ende des 14. Jahrhunderts an Stelle der ursprünglichen Burg gebaut wurde. Vgl. Durdík, Tomáš: Encyklopedie českých hradů, Praha 1995, S. 162 f.

334

František Kubů

So löste sich in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (1301–1350) das langwierige Ringen der Ministerialen, die die meisten Burgen und befestigten Siedlungen im Egerland besessen hatten, mit der Stadt Eger schrittweise militärisch. Eger war in allen bekannten Fällen erfolgreich und untermauerte sein militärisches Bestreben mit gewaltlosen Formen der Beherrschung der befestigten Siedlungen seiner Gegner. Einige kleine befestigte Siedlungen in der nächsten Umgebung von Eger, wie Lehenstein (Chlumeček), Dölitz (Dolnice), Reichersdorf (Hradiště) oder das entferntere Redwitz wurden entweder von der Stadt selbst oder von Egerer Bürgern aufgekauft. Franz Gösswein kaufte z.B. im Jahr 1346 die verödete Burg Liebenstein (Libá) bei Eger und erklärte sie nach ihrer Bauerneuerung zu einer für Egerer geöffneten Burg.53 Der Sitz des in der Stauferzeit mächtigsten Ministerialengeschlechtes im Egerland – der Herren von Liebenstein – wurde so ein Bestandteil des Befestigungssystems des entstehenden Egerer Stadtstaates. Die Dominanz im Egerland verschob sich auch symbolisch von der ehemaligen Vormacht im Gebiet in die Hände der faktischen neuen, die auch weiterhin die Stützpunkte ihrer geschlagenen Gegner systematisch liquidierte oder erwarb. Eger machte eine ganze Reihe der kleineren befestigten Sitze für sich dadurch unschädlich, dass es nach dem Abgang der ursprünglichen, meistens ministerialischen Besitzer ihre Aufteilung unter die Bauern bewirkte. So wurden z.B. die ehemaligen Ministerialsitze Oed (Poustka), Markhausen (Pomezná), Zettendorf (Cetnov), Oberndorf (Horní Ves) und weitere zu harmlosen Bauerngütern. Die dritte gewaltlose Neutralisierungsstrategie der möglichen Bedrohung Egers und seines Stadtstaates beruhte darauf, dass Eger die Kontrolle über die Ministerialenburgen gewann. Das anschaulichste Beispiel dieses Vorgehens bietet die neugebaute Burg des früheren Egerer Ministerialengeschlechtes Nothaft Thierstein an der Eger. Die Nothafts standen im 14. Jahrhundert an der Spitze des Widerstandes der untergehenden Ministerialenschicht gegenüber Eger, und die neue Burg sollte ihre Position im neuen Hauptwirkungsgebiet westlich von Eger stärken. Doch konnten die Nothafts sich trotz großer Bemühung gegen die immer stärkere Macht Egers nicht durchsetzen und mussten schließlich im Jahr

53 StOkA Cheb, Bestand 1, Urkunden vom 19. Februar 1346 und 6. April 1349; Emler, Josef: Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae IV. 1333–1346, Praha 1892, Nr. 1666, S. 663; Spěváček: Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae V. (wie Anm. 52), Nr. 626, S. 313 f.; Siegl: Die Kataloge des Egerer Stadtarchivs (wie Anm. 49), S. 5 und 61.

Die Stadt Eger und die staufische Ministerialität als Gegner im staufischen und nachstaufischen Egerland 335

1340 in die Kontrolle ihrer Burg Thierstein durch Eger einwilligen.54 Ein weiteres Beispiel ist die Burg Seeberg (Ostroh) in nächster Nähe von Eger, ursprünglich offenbar ebenfalls eine Ministerialengründung. Diese hatte dank ihrer Lage für Eger verständlicherweise große Bedeutung, und den Egerer Herrschenden war klar, dass diese potentielle Basis ihrer Gegner zu kontrollieren und in einen der Stützpunkte des neuetablierten äußeren Verteidigungskreises der Stadt umzuwandeln sei. Während der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts ist dies auch tatsächlich gelungen. Die Egerer gewannen irgendwann in zeitlicher Nähe der Verpfändung des Egerlandes an Böhmen im Jahr 1322 auf der Burg Einfluss, besaßen sie vielleicht schon damals, wobei die definitive Beherrschung spätestens ab 6. Januar 1349 Realität wurde; Karl IV. bewilligte damals der Stadt Eger, einen eigenen Burgrafen auf der Burg Seeberg einzusetzen.55 Die Ergebnisse der archäologischen Erforschung aus den Jahren 1976 bis 1977 deuten auch an, dass Seeberg wirklich gewaltlos beherrscht wurde; man fand nämlich keine Spuren einer Eroberung.56 Die Egerer wandten zur Beseitigung des letzten Restes ministerialischer Opposition wieder Heeresmacht an und eroberten in Koalition mit den Städten und Adeligen aus Egerland, Elbognerland und Vogtland Anfang der 50er Jahre des 14. Jahrhunderts die drei Burgen am Westrand des historischen Egerlandes: Posseck, Neumarkt und Gattendorf. Der traditionelle Verbündete der Egerer, Karl IV., verbot dann am 16. Dezember 1355 deren Wiederaufbau.57 Eger hat so bis zur Entscheidung des Kampfes mit der ehemaligen staufischen Ministerialität Mitte des 14. Jahrhunderts seinen Gegnern verschiedentlich über 30 befestigte Sitze „abgenommen“. Die Beherrschung so vieler Ministerialen54 StOkA Cheb, Bestand 1, Urkunde vom 20. März 1340; Siegl: Die Kataloge des Egerer Stadtarchivs (wie Anm. 49), S. 143. 55 StOkA Cheb, Bestand 1, Urkunde Nr. 53; Böhmer, Johann Friedrich: Regesta Imperii VIII. Die Regesten des Kaiserreiches unter Karl IV., bearb. von. Alfons Huber, Innsbruck 1877, Nr. 827, S. 68. Zur Geschichte dieser Burg vgl. Pröckl, Vinzenz: Schloss Seeberg im Egerlande, Eger 1870; Siegl, Karl: Schloss Seeberg im Egerlande, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen 54 (1916), S. 209–248; Kubů, František: Dějiny hradu Ostroh, in: Zprávy Chebského muzea a okresního archivu 1 (1982), S. 25–46. 56 Šebesta, Pavel: Stavební vývoj hradu Seebergu, in: Zprávy Chebského muzea a okresního archivu 1 (1982), S. 47–50. 57 StOkA Cheb, Bestand 1, Urkunde Nr. 78; mendl, Bedřich: Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae VI. 1355–1358, Praha 1928/1954, Nr. 199, S. 112.

336

František Kubů

stützpunkte durch die Stadt trug bestimmt in hohem Maße zur endgültigen Niederlage der Ministerialität bei. Durch die definitive Anerkennung Karls IV. auf dem römischen Thron und seine Kaiserkrönung im Jahr 1355 erlosch auch die letzte Hoffnung der Ministerialen. Eger erlangte völliges Übergewicht und Karl IV. bestätigte die nicht zu erschütternde Stellung der Stadt durch eine Serie rechtlicher Bestätigungen und neuer Privilegien. Eger brachte bis zum Jahr 1358 die ehemaligen Ministerialen nach und nach um jeden Einfluss und wurde zum unbestreitbaren Vorherrscher des Egerer Gebietes. Die Egerer Ministerialität trat zuletzt in den Urkunden vom 11. Mai 1358 kollektiv auf. Es blieben nur einige Geschlechter, die die Verpfändung des Egerlandes an Böhmen anerkannten, Kaiser Karl IV. huldigten und so symbolisch das Ende ihrer Rolle in der Egerer Region besiegelten. Der Kampf um die Vorherrschaft im Egerland war damit definitiv zu Ende gegangen. Das weitere Schicksal des Egerlandes wurde seit dieser Zeit ausschließlich von der Stadt Eger bestimmt. Der Weg zur Alleinherrschaft der Stadt, die schon immer auf die Verbindung mit Böhmen gesetzt hatte, war frei, und sie konnte jetzt mit dem Aufbau eines städtischen Territoriums beginnen58.

58 Dazu Kubů: Chebský městský stát (wie Anm. 45); Knoll, Vilém, Hegemonie města Chebu, in: Sborník příspěvků z konference Monseho olomoucké právnické dny 2007, 2, Olomouc 2008, S. 583–591.

ANHANG



1.

Jutta 1184–1235

Graf von Ziegenhain

Friedrich

† nach 1213



Hermann II. 1222–1241 Landgraf von Thüringen





2. Agnes 1244/1245 † 1268

1. Konstanze 1234 Tochter Herzog Leopolds VII. von Österreich



Kunigunde Tochter König Philipps

Wenzel I. um 1205–1253 König von Böhmen

2.

Vladislav Heinrich † 1222 Herzog von Böhmen 1197 Markgraf von Mähren 1192–1194 1197–1222

Entwurf: André Thieme 2018

Ottokar II. 1232–1278 König von Böhmen



1. Adela von Meißen, um 1178 2. Konstanze von Ungarn 1198

Ottokar I. † 1230 Herzog von Böhmen 1192–1193 1197–1230 König ab 1198



Vladislav II. König von Böhmen

Jutta (Judith) † nach 1174

(1227)/1241 Landgraf von Thüringen 1246/1247 römisch-deutscher König

1204–1247

2.

Heinrich Raspe IV.



1. Sophia 1182 Tochter Pfalzgraf Friedrichs II. von Sachsen 2. Sophia 1196 Tochter Herzog Ottos I. von Bayern

Hermann I. † 1217 1181 Pfalzgraf von Sachsen 1190 Landgraf von Thüringen

Elisabeth Tochter König Andreas’ II. von Ungarn





Ulrich Sohn Herzog Soběslavs I. von Böhmen

Cäcilie †?

Hedwig Tochter Graf Gisos I. von Gudensberg

Ludwig IV. (der Heilige) 1200–1227 Landgraf von Thüringen

2.

Heinrich Raspe III. † 1180

Heinrich Raspe II. † 1154/1155

Heinrich (der Erlauchte) † 1288 Markgraf von Meißen und der Ostmark 1247 Landgraf von Thüringen

1.

1. Dietrich 1195/1196 Graf von Weißenfels/1198 Markgraf von Meißen 2. Poppo XIII. 1223 Graf von Henneberg

Dietrich Graf von Rochlitz-Groitzsch



Jutta † 1208 ff.

1 Margarethe Tochter des Grafen von Kleve



Ludwig III. (der Fromme) † 1190 Landgraf von Thüringen

Jutta Tochter Herzog Friedrichs II. von Schwaben Schwester Kaiser Friedrichs I. Barbarossa



Ludwig II. (der Eiserne) † 1172 Landgraf von Thüringen

Ludwig I. † 1140 Landgraf von Thüringen

338 Genealogische Übersicht: Ludowinger

Hermann von Lobdeburg



† nach 1251

Christina

Sophia Tochter Herzog Friedrichs von Böhmen



Albrecht (der Stolze) † 1195 1190–1195 Markgraf von Meißen



1. Konstanze 1234 Tochter Herzog Leopolds VII. von Österreich 2. Agnes 1244/1245 Tochter König Wenzels I. von Böhmen

Heinrich (der Erlauchte) † 1288 Markgraf von Meißen Markgraf der Ostmark 1247 Landgraf von Thüringen



Jutta Tochter Landgraf Hermanns I. von Thüringen

Dietrich (der Bedrängte) † 1221 Graf von Weißenfels 1198 Markgraf von Meißen 1210 Markgraf der Ostmark

Hedwig Tochter Markgraf Albrechts von Brandenburg



Otto (der Reiche) † 1190 Markgraf von Meißen

von Groitzsch Dedo IV. ∞ TochterBertha Wiprechts II. von Groitzsch † 1125 Enkelin König Vratislavs II. von Böhmen Graf (von Wettin)

Vratislav

† nach 1235



Waldemar II. König von Dänemark 1205

Entwurf: André Thieme 2018

Heinrich I Graf von Ortenburg





Hedwig Tochter Theobalds von Böhmen

Friedrich † 1182 Graf von Brehna

Konrad † 1210 Markgraf der Ostmark

Bogislava †?

Jutta Tochter Landgraf Ludwigs III. von Thüringen



Graf von Groitzsch

Dietrich

† 1207/1208

Mathilde Tochter Graf Goswins von Heinsberg



Dedo V. (der Fette) † 1190 Graf von Rochlitz-Groitzsch 1185 Markgraf der Ostmark

Luitgard Tochter Graf Albrechts (aus Schwaben)

Marketa (Dagmar) † 1212



Ottokar I. König von Böhmen

Adela

† 1211

Heinrich † 1181 Graf von Wettin

(1212 König von Böhmen)



Ulrich Sohn Herzog Soběslav I. von Böhmen

Sophia †?

Dietrich † 1185 Markgraf der Ostmark

Konrad I. (der Große ) ∞ † 1157 Markgraf von Meißen und der Ostmark 1123/1136–1156

Genealogische Übersicht: Wettiner 339

Albrecht Markgraf von Meißen 1186



Sophia

Friedrich 1. † 1189 Herzog von Böhmen 1173–1174 1178–1189

1.

1. Gertrud von Babenberg 1140 2. Judith von Thüringen 1155



Vladislav II. † 1174 Herzog von Böhmen 1140–1172 König ab 1158

1.

König von Dänemark 1205

1.

1. Adela von Meißen, um 1178 2. Konstanze von Ungarn 1198



2.

Heinrich † 1169

Heinrich I Graf von Ortenburg



1.

Bogislava †?

2.

Soběslav I. † 1140 Herzog von Böhmen 1125–1140

2.

Vratislav † vor 1205

Soběslav II. † 1180 Herzog von Böhmen 1174–1178

Vladislav Heinrich † 1222 Herzog von Böhmen 1197 Markgraf von Mähren 1192–1194 1197–1222

Heinrich Bretislav † 1197 Herzog von Böhmen 1193–1197

Ottokar I. † 1230 Herzog von Böhmen 1192–1193 1197–1230 König ab 1198

Friedrich Graf von Brehna



Hedwig

Theobald † 1167

Vratislav Marketa (Dagmar) † nach 1235 † 1212 (1212 König von ∞ Böhmen) Waldemar II.

Vladislav I. † 1125 Herzog von Böhmen 1109-1117 1120–1125



2.

Entwurf: André Thieme 2018

Konrad III. Otto † 1191 Herzog von Böhmen 1189–1191

Wenzel II. † 1192 Herzog von Böhmen 1191–1192

Wenzel I. † 1253 König von Böhmen 1230–1253

1. Cäcilie von Thüringen 2. Sophia von Meißen

Ulrich

† 1177(?)

mährische Linie

340 Genealogische Übersicht: Přemysliden

Abkürzungsverzeichnis

B. Bischof Bgf. Burggraf Eb. Erzbischof F. Fürst Gf. Graf Hg. Herzog Hl. Heiliger K. Kaiser Kg. König Lgf. Landgraf Mgf. Markgraf P. Papst

Orts- und Personenregister (erstellt von Stefan Frankl)

Orte Aachen 266 Altenburg 13, 240, 295, 324 Altzella 296 Anagni 196 Augsburg 314 Aussig (Ústí nad Labem) 300 Bamberg 102, 195, 238, 264, 265, 321 Bast (Łekno) 250, 260, 264 Besançon 71, 118 Blessenberg (Łysa Góra) 250 Bologna 87, 239 Boppard 124 Bouvines 317 Bratislava (Pozsony) 188 Brescia 238 Breslau (Wrocław) 249, 250, 254, 257, 260, 267, 274 Brünn (Brno) 7, 11, 17 Brzeźnica 259, 260 Chemnitz 295 Chiaravalle 239 Corvey 114 Crema 41 Cremona 278 Czerwińsk 250, 279 Dobenin 228 Dölitz (Dolnice) 334 Eger (Cheb) 13, 15, 311, 326, 327, 328, 329, 330, 331, 332, 333, 334, 335, 336 Erbendorf 15, 107 Eußerthal 222

Floreffe 197 Forstenried 90 Freiberg 295 Freiburg 77 Gattendorf 335 Gnesen (Gniezno) 168, 226, 227, 249, 250, 254, 257, 258, 259, 261, 262, 267, 273 Gran 241 Halberstadt 113, 125, 135 Halle an der Saale 58, 152 Jędrzejów 250, 260, 261 Jerusalem 235 Jeżów 284 Kalisch (Kalisz) 261 Kayna 156, 157, 166 Kielce 273 Knin 214 Krakau (Kraków) 58, 60, 63, 149, 150, 249, 250, 257, 266, 270, 272, 273, 274, 282, 283 Kruschwitz (Kruszwica) 173 Kruschwitz-Leslau (Włocławek) 249, 254, 259, 265 Krzyszkowo 57, 161, 162, 163, 165, 166, 169, 170, 171, 172, 173, 175, 258, 265, 280 Kulm (Chlumec) 98 Le Bec 137 Lebus (Lubusz) 249, 258, 279 Lehenstein (Chlumeček) 334 Leipzig 294, 295, 321 Leitzkau 116 Lentschitza (Łęczyca) 151, 261, 262, 264,

Orts- und Personenregister

265, 267, 269, 271, 273, 279, 280, 284 Leubus (Lubiąż) 250, 262, 268 Liebenstein (Libá) 334 Lobbes 135 Lodi 22, 277, 278, 279, 281 Lubin (Lubiń) 250 Lüttich 267 Magdeburg 91, 155, 161, 309 Mailand 22, 29, 30, 31, 32, 37, 40, 44, 45, 50, 129, 131, 237, 238, 239 Mainz 124, 151, 212, 225, 226, 233, 244 Malonne 268 Markhausen (Pomezná) 334 Meißen 287, 288, 291, 292, 293, 294, 295, 296, 297, 298, 299, 306, 307, 308, 309, 311, 312, 313, 317, 318 Melnik (Mělník) 203, 213 Merseburg 154, 169, 171, 236, 238, 246, 266 Mogilno 250, 263, 265 Mohatsch (Mohács) 179, 180 Montecassino 134 Morimond 260 München 75, 90 Namur 267 Neumarkt 335 Niederaltaich 102 Nürnberg 230, 242, 243, 246, 321, 325, 327 Oberndorf (Horní Ves) 334 Oed (Poustka), 334 Olmütz (Olomouc) 17, 221, 224, 231, 235 Paderborn 114 Paris 236, 241, 244, 246 Passau 189 Pavia 38, 119, 120, 191, 199, 275, 276, 277, 278, 282 Plauen 328 Plock (Płock) 249, 264, 265, 274, 282 Polling 90 Posen (Poznań) 57, 62, 161, 162, 165, 249, 250, 263, 264, 279 Posseck 335 Prag (Praha) 18, 20, 30, 31, 213, 221, 222,

343

223, 224, 225, 226, 227, 229, 231, 233, 237, 240, 293, 294, 300, 301, 305, 306, 307, 312, 315, 318, 321 Regensburg 30, 45, 128, 139, 141, 188, 195, 212, 213, 222, 223, 238, 245, 246, 321 Reichersdorf (Hradiště) 334 Reims 265, 268 Reinhardsbrunn 236 Röblingen 294 Rom 92, 135, 235, 239, 252, 253, 254, 255, 270, 272, 273, 314 Roncaglia 87, 89, 239 Sadská 104 Salzburg 195, 196, 197, 198, 199, 200, 202, 203, 204, 207, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 225, 277 Salzburghofen 195, 205 Sasau (Sázava) 232 Seeberg (Ostroh) 335 Seitenstetten 222 Sieciechów 250 St. Blasien 125 St. Georg 235 St. Jean-de-Losne 118, 240 Sutri 71 Świerze Górne 262 Szarsko 267 Tarsus 123 Toulouse 279 Tremessen (Trzemeszno) 250, 254, 260, 263 Trient 92 Trier 277 Tum 261 Tyniec 250 Venedig 283 Weida 328 Weißenfels 292, 293, 294 Weißensee 312, 317 Weissenstadt 333 Wien 118 Wiślica/Sandomir 267 Wizna 267

344

Orts- und Personenregister

Wunsiedel 326, 333 Würzburg 30, 108, 237, 238, 292, 303 Zettendorf (Cetnov) 334

Znaim (Znojmo) 17, 27, 28 Zobtenberg (Ślęża) 250 Zwickau 295

Personen A Adalbert, Gf. v. Trient 93 Adalbert, Eb. v. Magdeburg 263 Adalbert III., Eb. v. Salzburg 10, 12, 195, 196, 198, 199, 200, 201, 202, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 213, 214, 215, 216, 217, 218 Adalbert, Hl., B. v. Prag 225, 226, 234, 263 Adela, Tochter Mgf. Ottos v. Meißen 13, 285, 287, 288, 297, 299, 300, 303, 306, 307, 308, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 318 Aegidius v. Orval, Chronist 120 Agnes v. Babenberg, Gemahlin Hg. Bolesławs III. Schiefmund 55, 255 Agnes, Tochter K. Heinrichs IV. 200, 201 Alberich v. Trois-Fontaines, Chronist 120 Albrecht der Stolze, Mgf. v. Meißen 291, 292, 293, 294, 295, 300, 301, 305, 306, 307 Albrecht I. der Bär, Mgf. v. Brandenburg u. d. Lausitz 98, 164, 291 Alexander III., P. 12, 38, 54, 150, 151, 153, 191, 192, 193, 195, 197, 199, 200, 203, 205, 207, 208, 215, 216, 217, 240, 247, 267, 272, 275, 279, 282, 283, 284 Alexander, B. v. Lüttich 241 Álmos, Kg. v. Kroatien 184, 187, 189 Althoff, Gerd 178 Amalrich I. (II.) v. Lusignan, Kg. v. Zypern u. Jerusalem 123 Anaklet II., P. 145, 255 Andreas I., Kg. v. Ungarn 187, 193 Andreas II., Kg. v. Ungarn 184, 185

Anselm, Eb. v. Ravenna, B. v. Havelberg 37 Arnold v. Lübeck, Abt u. Chronist 124 B Balduin v. Hennegau, Mgf. v. Namur 109 Bareso I., iudex v. Arborea, Sardinien 119, 120, 128 Beatrix, Gemahlin K. Ottos IV. 317 Beatrix v. Burgund, Gemahlin K. Friedrichs I. Barbarossa 30, 134, 135 Béla I., Kg. v. Ungarn 187, 193 Béla II. der Blinde, Kg. v. Ungarn 184, 187 Béla III., Kg. v. Ungarn 121, 178, 184, 193 Benedikt XI., P. 226 Benzo, B. v. Alba, Chronist 135 Bernard, B. v. Posen 263, 264 Bernhard v. Anhalt, Hg. v. Sachsen 292, 293, 308, 312 Bernhard, Abt v. Clairvaux 235, 270 Bobo v. Sparnberg, Landrichter 330 Boleslav I., Hg. v. Böhmen 224 Boleslav II., Hg. v. Böhmen 224, 226 Boleslav III. der Rote, Hg. v. Böhmen 100, 101 Bolesław I. der Tapfere, Hg. u. Kg. v. Polen 64, 102, 168, 263 Bolesław der Lange, Hg. v. Schlesien 158, 162, 163, 283 Bolesław III. Schiefmund, Hg. v. Polen 12, 55, 64, 149, 150, 151, 153, 154, 155, 156, 159, 162, 165, 166, 167, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 174, 175, 253, 256, 272 Bolesław IV. Kraushaar, Hg. v. Polen 22, 34,

Orts- und Personenregister

55, 56, 58, 59, 62, 157, 161, 162, 163, 164, 165, 166, 167, 169, 171, 172, 173, 174, 175, 256, 257, 258, 260, 265, 266, 267, 268, 270, 271, 272, 275, 280, 281, 283 Bolesta, Kastellan v. Wizna 267 Boris, mutm. Sohn Kg. Kolomans 187, 188 Bořivoj II., Hg. v. Böhmen 17, 103 Breitenbach, Anton 224 Břetislav I., Hg. v. Böhmen 97, 102, 226, 227, 228 Břetislav II., Hg. v. Böhmen 103 Brühl, Carlrichard 143 Brunner, Otto 84, 85 Budkowa, Zofia 261, 277 Burchardt, kaiserlicher Notar 192, 193 C Cäcilie v. Thüringen, Tochter Lgf. Ludwigs I. 298 Calixt III., P. 276, 283 Cherubin, B. v. Posen 264 Christian, Eb. v. Mainz 207, 240 Christian, Elekt v. Prag, Hagiograph 226 Coelestin III., P. 123 Cosmas v. Prag, Chronist 97, 102, 103, 224, 225, 226, 227, 231, 232 D Daniel I., B. v. Prag 12, 26, 29, 30, 32, 33, 35, 39, 141, 192, 194, 240, 241, 242, 246, 278, 286 Daniel II. Milik, B. v. Prag 221, 222, 223, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 244, 245 Dedo V., Mgf. d. Ostmark, Gf. v. RochlitzGroitzsch 222, 292, 305 Dendorfer, Jürgen 8, 99, 109 Deptuła, Czesław 248, 265, 277 Deutinger, Roman 79 Diepold III. v. Vohburg, Mgf. v. Nordgau 322 Dietrich der Bedrängte, Mgf. v. Meißen 285, 287, 288, 290, 291, 293, 294, 295, 296,

345

297, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 319 Dietrich, Gf. v. Rochlitz-Groitzsch 305, 308 Dietrich, Mfg. d. Ostmark u. Lausitz 266 Długosz, Jan 259, 261, 267, 269, 270, 271, 282 Dobosz, Józef 259 Doeberl, Michael 276 E Eberhard I., Eb. v. Salzburg 199, 277 Eberhard II., Eb. v. Salzburg 313, 314 Eberhard, B. v. Bamberg 239, 241 Eberhard, B. v. Regensburg 241 Egilbert, Eb. v. Trier 140, 145 Ekkehard, Mgf. v. Meißen 101 Ekkehard, B. v. Prag 226 Ekkehard v. Aura, Abt u. Chronist 159, 160 Elisabeth v. Ungarn, Gemahlin Hg. Friedrichs v. Böhmen 31, 36, 37, 49, 50, 243 Eugen III., P. 26, 27, 235, 253, 254, 255, 268 F Friedrich II., K. 317 Friedrich, Hg. v. Böhmen 15, 31, 37, 52, 107, 108, 212, 213, 214, 222, 233, 244, 245, 294, 299 Friedrich II. der Streitbare, Hg. v. Österreich 145 Friedrich IV. v. Rothenburg, Hg. v. Schwaben 218, 322 Friedrich, Gf. v. Brehna 300, 301, 307 Friedrich, Gf. v. Goseck 242 Friedrich II., Pfg. v. Sachsen 289 Fritze, Wolfgang 110, 129 G Gallus Anonymus, Chronist 159, 160, 167, 168, 169 Ganshof, François Louis 83

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Orts- und Personenregister

Gebhard, Eb. v. Salzburg 201 Gebhard, B. v. Prag 227, 228, 229, 230, 231, 234 Gedko, B. v. Krakau 267, 271, 272, 273, 282, 284 Gerlach v. Mühlhausen, Abt u. Chronist 15, 50, 52, 108, 121, 201, 213, 219, 221, 222, 223, 233, 235, 242, 243, 244, 245 Gertrud v. Babenberg, Gemahlin Hg. Vladislavs I. v. Böhmen 201, 215, 217 Gertrud v. Babenberg, Gemahlin Lgf. Heinrich Raspes v. Thüringen 18 Gervasius, Kanzler Kg. Vladislavs II. v. Böhmen 30 Géza v. Ungarn, Bruder Bélas III. 121 Géza I., Kg. v. Ungarn 187, 190 Géza II., Kg. v. Ungarn 178, 184, 187, 188, 191, 192, 237, 240 Gösswein, Franz 334 Gotpold, Elekt v. Prag 242 Gottfried, B. v. Speyer 241 Gregor VII., P. 189, 229, 230 Guido, Kardinallegat 27, 28, 233, 256, 312 Gyula v. Andrássy 181 H Hadrian IV., P. 71, 254, 268 Hartvik, B. v. Raab, Hagiograph 190 Heckel, Patrizierfamilie 330 Hedwig, Gemahlin Gf. Friedrichs v. Brehna 300, 307 Hedwig, Gemahlin Mgf. Ottos v. Meißen 291 Hedwig, Tochter Lgf. Hermanns I. v. Thüringen 304 Heinrich II., K. 100, 101, 102, 103, 108, 264, 266 Heinrich III., K. 133, 135, 227 Heinrich IV., K. 103, 139, 145, 190, 231 Heinrich V., K. 62, 92, 137, 159, 160, 164, 167, 168, 169, 189 Heinrich VI., K. 63, 122, 123, 125, 151, 202,

253, 288, 289, 290, 291, 292, 294, 295, 296, 301, 302, 303, 305, 307, 310 Heinrich VII., K. 192 Heinrich, Hg. v. Sandomir 257 Heinrich der Löwe, Hg. v. Bayern u. Sachsen 72, 90, 216, 289 Heinrich I. der Bärtige, Hg. v. Schlesien 150 Heinrich II. Jasomirgott, Hg. v. Bayern u. Österreich 187, 201, 203, 209, 216, 218 Heinrich Břetislav, Hg. v. Böhmen, B. v. Prag 221, 222, 223, 244, 245, 246, 294, 301 Heinrich, Mgf. v. Meißen, Lgf. v. Thüringen 304, 318 Heinrich v. Groitzsch, Bgf. v. Magdeburg 99 Heinrich Raspe III., Gf. v. Gudensberg 289 Heinrich d. Ältere v. Weida, Landrichter 325 Heinrich v. (Neuen)Groitzsch, Kämmerer K. Heinrichs VI. 296 Heinrich v. Aubing 90 Heinrich v. Liebenstein, Landrichter 325 Heinrich v. Mügeln, Meistersänger 184 Heinrich v. Berchtesgaden, Eb. v. Salzburg, B. v. Brixen 195 Heinrich II., B. v. Lüttich 120 Heinrich Zdik, B. v. Olmütz 18, 19, 20, 25, 26, 27, 36, 232, 235, 236 Hermann I., Lgf. v. Thüringen 288, 289, 290, 291, 293, 294, 296, 297, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 318 Hermann, B. v. Münster 122 Hermann, B. v. Prag 231 Hermann, B. v. Verden 239, 240, 241 Hillin, Eb. v. Trier 241, 277 Hilsch, Peter 236 Hizzo, B. v. Prag 226 Höfer, Patrizierfamilie 330 Hóman, Bálint 181 Honold, B. v. Płock 259 Hugo, Abt v. Prémontré 235 Huler, Patrizierfamilie 331 Humbaldt, Kardinallegat 255, 260, 263

Orts- und Personenregister

I Innozenz II., P. 235, 253, 255 Innozenz III., P. 150, 153, 287, 311, 312, 313, 315, 316 J Jakub, Eb. v. Gnesen 253, 256, 260 Jaromír, Hg. v. Böhmen 102 Jaroslaw Osmomysl, F. v. Halitsch 118 Jäschke, Kurt-Ulrich 143 Johann, B. v. Olmütz 229, 230 Johann, B. v. Prag 232 Johannes, Eb. v. Gnesen, B. v. Breslau 257, 259, 260, 261, 275 Johannes v. Salisbury, B. v. Chartres 128 Johannes Kinnamos, Chronist 185, 186, 187 Johann v. Luxemburg, Kg. v. Böhmen 332 Judith, Hg.in v. Schwaben 218 Judith v. Thüringen, Gemahlin Kg. Vladislavs II. v. Böhmen 142, 143, 237, 242, 265, 298, 305 Jutta v. Thüringen, Gemahlin Mgf. Dietrichs v. Meißen 293, 294, 304, 305 K Kantorowicz, Ernst 143 Karl d. Große, K. 266, 281 Karl IV., K. 333, 335, 336 Karl V., Kg. v. Frankreich 138 Kasimir II. der Gerechte, Hg. v. Polen 54, 55, 58, 59, 61, 65, 66, 149, 150, 151, 152, 153, 163, 164, 175, 257, 262, 267, 272, 273, 280, 283, 284 Kejř, Jiří 138 Klemens, Bruder Eb.s Johannes v. Gnesen 259, 260 Knut VI., Kg. v. Dänemark 118, 121 Knut Laward, Jarl v. Südjütland 116, 120, 128, 140, 155, 156 Koloman der Buchkundige, Kg. v. Ungarn u. Kroatien 184, 187, 189, 190, 191

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Konrad II., K. 104, 125 Konrad III., Kg. 10, 18, 27, 33, 34, 54, 55, 63, 104, 157, 158, 159, 160, 164, 165, 166, 167, 169, 173, 188, 218, 235, 253, 257, 298, 322 Konrad I., Mgf. v. Meißen u. d. Ostmark 164, 292, 293, 296, 316 Konrad I., Eb. v. Mainz, Eb. v. Salzburg 123, 200, 201, 202, 204, 212, 216, 241 Konrad, B. v. Augsburg 241 Konrad, B. v. Breslau 260 Konrad., B. v. Hildesheim 123 Konrad v. Neuberg 333 Konrad v. Znaim 17, 18, 25, 26, 27, 28, 36 Konrad Otto, Hg. v. Böhmen, Mgf. v. Mähren 213, 214 Konrad III. Otto, Hg. v. Böhmen, Mgf. v. Mähren 108, 292, 300, 301 Konstanze v. Ungarn, Gemahlin Kg. Přemysl Ottokars I. v. Böhmen 286, 287, 303, 313, 314, 316, 318 L Ladislaus I., Kg. v. Ungarn 187, 188, 190 Ladislaus II., Kg. v. Ungarn 187 Lanz, Kaplan Vratislavs II. 228 Laudage, Johannes 247 Leo II., Kg. v. Armenien 122, 123, 125 Leopold III., Mgf. v. Österreich 201 Leopold VI., Hg. v. Österreich 312 Leszek I. der Weiße, Hg. v. Polen 54, 149, 150, 152, 153, 175 Lindner, Michael 127 Lothar III., K. 86, 97, 98, 99, 103, 113, 115, 116, 117, 124, 125, 133, 135, 140, 154, 155, 156, 159, 160, 167, 171, 232 Lucius II., P. 235 Ludwig der Bayer, K. 332 Ludwig VII., Kg. v. Frankreich 188 Ludwig II. der Eiserne, Lgf. v. Thüringen 289, 302 Ludwig III. der Fromme, Lgf. v. Thüringen 289, 290, 305

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Orts- und Personenregister

Luitger, Lehnsmann 101, 102 Lukas, Eb. v. Gran 240 Lupus, B. v. Płock 267, 282 M Madertoner, Willibald 276 Magnus Nielsson, Kg. v. Schweden 113, 114, 115, 116, 135, 140, 154, 155, 156 Magnus v. Reichersberg, Chronist 197, 212 Manuel I. Komnenos, K. v. Byzanz 31, 36, 280 Martin v. Troppau, Chronist 191 Mathilde v. Tuszien 229, 230 Matilda, Gemahlin K. Heinrichs V. 137 Matthäus, B. v. Krakau 257, 270, 271 Mayer, Theodor 84 Meinhard, Bf. v. Prag 232, 234 Mieszko I., Hg. v. Polen 190 Mieszko III. der Alte, Hg. v. Polen 34, 54, 55, 57, 58, 59, 62, 64, 65, 66, 149, 150, 152, 164, 173, 174, 175, 257, 262, 264, 269, 272, 280, 283 Mieszko Schlenkerbein, Hg. v. Oppeln 150 Mitteis, Heinrich 83 Mlada, Tochter Hg. Boleslavs I. v. Böhmen 224 N Niels Svensson, Kg. v. Dänemark 113 Norbert v. Xanten, Eb. v. Magdeburg 255 Nothaft Thierstein, Ministerialer 334 Novotný, Václav 223 O Oldřich, Sohn Soběslavs I. 33, 35 Onold, B. v. Płock 259 Opll, Ferdinand 120 Otto I., K. 263 Otto II., K. 225 Otto III., K. 112, 168, 226, 263

Otto IV., K. 125, 308, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 31 Otto I. v. Wittelsbach, Hg. v. Bayern. 90 Otto I., Mgf. v. Brandenburg 291 Otto d. Reiche, Mgf. v. Meißen 291, 292, 293, 298, 299, 300, 301, 302, 307 Otto II. der Schwarze, F. v. Olmütz 97, 98 Otto III. (Theobald), F. v. Olmütz 17, 19, 20, 21, 24, 25, 26 Otto, B. v. Bamberg 93, 232 Otto, B. v. Freising, Chronist 34, 114, 117, 185, 201, 241 Otto, B. v. Prag 233, 235, 236 Ottokar I., Kg. v. Böhmen 285, 287, 288, 293, 294, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 318, 319 P Palacký, František 80 Pankraz Engelhart, Chronist 333 Paschalis III., P. 134, 205, 207, 253, 266, 272, 276, 281, 282 Pełka, B. v. Krakau 54, 55, 58, 61, 149, 150, 153, 175 Peter IV. Asên, Zar v. Bulgarien 122 Peter I., iudex v. Arborea, Sardinien 121 Peter Comestor, Theologe 137 Petrissa, Gemahlin Pribislav Heinrichs 116 Philipp II. August, Kg. v. Frankreich 138 Philipp v. Schwaben, Kg. 124, 136, 297, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 313, 314, 315, 316 Pietro Polani, Doge v. Venedig 280 Piotr Włostowic (Petrus Vlostides, Peter Wlast) 270, 271 Přemysl Otakar I., Kg. v. Böhmen 13, 63, 124, 142 Přemysl Otakar II., Kg. v. Böhmen 324, 327, 328, 332 Pribislav Heinrich, Kg. d. Stodoraner 116, 155

Orts- und Personenregister

R Radwan, B. v. Posen 264 Rahewin, Chronist 34, 44, 45, 47, 136, 144, 160, 161, 162, 170, 185, 191, 276 Raimund II. Ruben, F. v. Antiochien 125 Rainald v. Dassel, Eb. v. Köln 132, 146, 197, 239, 241 Rainold, Eb. v. Reims 145 Ramung v. Kammerstein, Landrichter 325 Reynolds, Susan 73, 76 Richard I. Löwenherz, Kg. v. England 125, 138 Roger II., Kg. v. Sizilien 145 Rorgo Fretellus, Kanoniker 235 Rudolf III., Kg. v. Burgund 112 Rudolf v. Habsburg, Kg. 329 Ruotger, B. v. Płock 259 S Salomea v. Berg, Hg.in v. Polen 263 Schlesinger, Walter 85 Schramm, Percy Ernst 136 Severus, B. v. Prag 226, 227, 228, 234 Siegfried, Bgf. v. Altenburg 205 Siegfried, Eb. v. Mainz 229 Sigismund, Hl. 264 Silius Italicus, röm. Dichter 40 Silvester II., P. 190 Skopal, Michael 138, 141 Soběslav I., Hg. v. Böhmen 16, 20, 33, 35, 97, 98, 103, 104, 105, 154, 232, 236, 298 Soběslav II., Hg. v. Böhmen 15, 98, 99, 106, 107, 108, 212, 243, 298, 299, 300, 301 Solomon, Kg. v. Ungarn 187, 190 Sophia, Gemahlin Hg. Udalrichs v. Olmütz 291, 298, 307 Sophia, Gemahlin Lgf. Hermanns I. v. Thüringen 289, 304 Sophia, Gemahlin Mgf. Albrechts I. v. Meißen 293, 294, 295, 300, 306, 307 Sophia, Tochter Kg. Belas II. v. Ungarn 10 Spytihněv II., Hg. v. Böhmen 227

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Stefan, B. v. Posen 263 Stefan II., Kg. v. Ungarn 187 Stefan III., Kg. v. Ungarn 31, 184, 187, 188, 193 Stefan IV., Kg. v. Ungarn 121 Süleyman I., Sultan d. Osmanischen Reichs 180 Svatopluk, Sohn Kg. Vladislavs II. v. Böhmen 31 Sven III. Peter Grate, Kg. v. Dänemark 117, 135, 140 Svjatopolk II., Großfürst v. Kiew 253 Swidger, B. v. Leslau 265 T Theobald I., Bruder Hg. Vladislavs II. v. Böhmen 18, 19, 26, 28 Theobald II., F. v. Böhmen 222 Theobald III., F. v. Böhmen 291, 300, 307, 311, 312 Thieddag, B. v. Prag 226 Thietmar, B. v. Merseburg, Chronist 100, 101 Thietmar, B. v. Prag 224, 225, 226 U Udalrich II., Hg. v. Olmütz 106, 218, 236, 289, 298, 299, 300, 301, 307 Udalrich II., Patriarch v. Aquileja 197 Ulrich I., Hg. v. Böhmen 107 Ulrich von Brünn, mähr. Fürst 103, 105 Urban II., P. 145, 190 V Valentin, B. v. Prag 243, 244 Vaníček, Vratislav 98 Viktor IV., P. 38, 191, 192, 199, 239, 240, 275, 276, 277, 280 Vincentius Kadłubek, B. v. Krakau, Chronist 11, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 105, 150, 151, 152, 153, 163, 175, 183, 257, 260, 264, 270, 271, 280 Vinzenz v. Prag, Chronist 11, 16, 17, 18, 19,

350

Orts- und Personenregister

20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 47, 49, 50, 51, 52, 130, 141, 143, 164, 165, 170, 218, 236, 238, 239, 278 Vladislav II., Hg. u. Kg. v. Böhmen 11, 12, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 39, 40, 41, 44, 45, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 98, 104, 105, 106, 107, 108, 111, 118, 119, 126, 128, 129, 130, 131, 132, 134, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 172, 187, 233, 236, 237, 238, 240, 241, 242, 243, 246, 289, 291, 298, 300, 302, 305 Vladislav I., Hg. v. Böhmen 17, 19, 97, 198, 201, 203, 204, 205, 206, 207, 208, 209, 210, 211, 212, 215, 216, 217, 218, 298 Vladislav III. Heinrich, Hg. v. Böhmen, Mgf. v. Mähren 221, 222, 233, 301, 307 Vladislav, Sohn Hg. Soběslavs I. v. Böhmen 17, 33 Vladivoj, Hg. v. Böhmen 100, 102 Vratislav II., Hg. u. Kg. v. Böhmen 113, 123, 132, 134, 139, 140, 145, 227, 228, 229, 230, 231, 298 Vratislav, F. v. Brünn 17, 22, 24, 25, 26, 27, 28 Vratislav, Sohn Kg. Ottokars I. v. Böhmen 311, 316, 317 W Waldemar I., Kg. v. Dänemark 118, 121, 140 Waldemar II., Kg. v. Dänemark 313 Walter v. Malonne, B. v. Breslau 257, 267, 268, 274 Walther von der Vogelweide, Dichter 136 Wenzel II., Kg. v. Böhmen 328 Wenzel I., Hg. v. Böhmen 313, 314, 315, 318 Wenzel II., Hg. v. Böhmen 293, 301 Wenzel, B. v. Olmütz 231 Werner, B. v. Leslau 259, 264, 265, 266, 267, 268, 274, 281

Wibald, Abt v. Stablo u. Corvey 165, 169, 235 Wichmann, Eb. v. Magdeburg 91, 205, 206, 207, 216, 241, 266 Wihoda, Martin 138 Wilhelm II., Kg. v. Sizilien 126 Willigis, Eb. v. Mainz 225 Władysław II. der Vertriebene, Hg. v. Polen 10, 22, 34, 55, 56, 57, 58, 59, 61, 62, 65, 156, 157, 158, 159, 160, 161, 162, 164, 166, 248, 253, 255, 256, 257, 258, 260, 269, 270, 271, 280 Władysław Herman, Hg. v. Polen 265 Wnelpus, B. v. Płock 259 Wolter, Heinz 275 Z Zbigniew, Hg. v. Polen 159 Zbislava, Hg.in v. Polen 253 Zbylut Pałuka, Gründer d. Klosters Łekno 264 Zdzisław, Eb. v. Gnesen 261, 262 Zey, Claudia 248 Zimmermann, Gerd 281 Zöllner, Patrizierfamilie 331 Żyrosław, B. v. Breslau 269