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German Pages [546] Year 2017
Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation Im Auftrag der »Historischen Kommission für Thüringen« herausgegeben von Werner Greiling und Uwe Schirmer in Verbindung mit Joachim Bauer, Enno Bünz, Ernst Koch, Armin Kohnle, Josef Pilvousek und Ulman Weiß Band 7
Doreen von Oertzen Becker
Kurfürst Johann der Beständige und die Reformation (1513–1532) Kirchenpolitik zwischen Friedrich dem Weisen und Johann Friedrich dem Großmütigen
2017 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit Unterstützung der Thüringer Staatskanzlei.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Johann der Beständige, Kurfürst von Sachsen, Lithographie von Maximilian Knäbig (1. Hälfte 19. Jh.); Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel: Portr. II 4698 © 2017 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Lindenstraße 14, D-50674 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Korrektorat: Kornelia Trinkaus, Meerbusch Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-412-50808-1
Inhalt Vorwort ............................................................................................................................. 7 1.
EINLEITUNG ........................................................................................................... 9 1.1. Forschungsstand .........................................................................................13 1.2. Problemstellung der Arbeit: Johann der Beständige – bekannt und doch blass? ...........................................................................18
2.
PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN ................................................................31 2.1. Jugend und Bildung Herzog Johanns ......................................................31 2.2. Gemeinsame Herrschaft mit Kurfürst Friedrich III. und landesherrliches Kirchenregiment vor 1517 ..........................................37 2.3. Die Mutschierung von 1513 .....................................................................46 2.4. Die Beziehung Johanns zu seinem Sohn Johann Friedrich und dessen Einfluss auf die Kirchenpolitik............................................52 2.5. Das personelle Umfeld Johanns zwischen 1513 und 1532..................69
3.
DIE HALTUNG HERZOG JOHANNS ZUR FRÜHEN REFORMATION UND IHREN TRÄGERN JENSEITS DER WITTENBERGER LEHRE – LANDESHERRLICHES KIRCHENREGIMENT NACH 1517 ............................. 113 3.1. Thomas Müntzer ..................................................................................... 114 3.2. Andreas Karlstadt .................................................................................... 134 3.3. Jakob Strauss ............................................................................................ 172 3.4. Nikolaus Hausmann ................................................................................ 182 3.5. Wolfgang Stein ......................................................................................... 196 Exkurs: Die ersten evangelischen Visitationen in Thüringen .................... 209
4.
INNERWETTINISCHE AUSEINANDERSETZUNGEN ...................................... 219 4.1. 4.2. 4.3. 4.4. 4.5.
Das Verhältnis zu Herzog Georg ......................................................... 219 Die Auseinandersetzung um Luther ..................................................... 222 Schneeberg ................................................................................................ 246 Mühlhausen und Nordhausen ............................................................... 266 Die Grafen von Mansfeld ...................................................................... 278
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INHALT
5.
DIE KIRCHENPOLITIK JOHANNS NACH 1525 .............................................. 289 5.1. Innenpolitik .............................................................................................. 291 5.1.1. Reform der Universität Wittenberg ..................................................... 291 5.1.2. Kursächsische Landesvisitationen ........................................................ 297 5.1.3. Täuferpolitik ............................................................................................ 304 5.1.4. Sequestrationen ....................................................................................... 318 5.2. Außenpolitik ............................................................................................ 325 5.2.1. Der Reichstag zu Speyer 1526 .............................................................. 325 5.2.2. Der Reichstag zu Speyer 1529 .............................................................. 336 5.2.3. Der Reichstag zu Augsburg 1530 ......................................................... 352
6.
DIE BÜNDNISPOLITIK KURFÜRST JOHANNS SEIT 1524 ............................. 379 6.1. Vorgeschichte ........................................................................................... 379 6.2. Das Gotha-Torgauer Bündnis ............................................................... 387 6.3. Magdeburger Bündnis ............................................................................. 394 6.4. Die Pack’schen Händel ........................................................................... 402 Exkurs: Die Aufnahme der Kurfürstin von Brandenburg in Sachsen...... 437 6.5. Die Verhandlungen des Jahres 1529 .................................................... 446 6.6. Der Schmalkaldische Bund .................................................................... 468
7.
DER EINFLUSS DER WITTENBERGER THEOLOGEN AUF DAS POLITISCHE HANDELN JOHANNS .......................................................... 485
8.
SCHLUSSBETRACHTUNG ................................................................................... 499
Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................. 508 Quellen- und Literaturverzeichnis ........................................................................... 509 Ortsregister .................................................................................................................. 532 Personenregister ......................................................................................................... 535
VORWORT
Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen des Forschungsprojekts „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“ entstanden und wurde im April 2017 von der Philosophischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität Jena als Dissertationsschrift angenommen. Für den Druck wurde das Manuskript geringfügig überarbeitet. Bei der Entstehung dieser Studie wurde mir die Hilfe zahlreicher Personen und Institutionen zuteil, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Mein besonderer Dank gebührt an erster Stelle meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Uwe Schirmer. Er förderte und begleitete über viele Jahre hinweg beständig meinen Werdegang. Ihm verdanke ich zahlreiche Anregungen und Hinweise bei der Wahl des Themas sowie eine intensive Unterstützung während meiner gesamten Promotionszeit. Stets stand er mir in fachlichen wie methodischen Fragen mit Rat und Tat zur Seite. Herrn Professor Dr. Armin Kohnle (Leipzig) danke ich für die freundliche Erstellung des Zweitgutachtens. Die Genese der Arbeit profitierte sowohl in wissenschaftlicher als auch finanzieller Hinsicht in großem Maße von den Strukturen des Forschungsprojekts „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“. Ausgestattet mit einem Promotionsstipendium hatte ich die Freiheit, mich ganz meinen Forschungen zu widmen. Für die vielen Hinweise, Diskussionen und Ermutigungen möchte ich meinen Vorgesetzten und Mitstreitern im Projekt danken, Herrn Professor Dr. Werner Greiling, Dr. Alexander Krünes, Julia Mandry, Andreas Dietmann, Philipp Walter und Martin Sladeczek. Ferner gilt mein Dank den jeweiligen Projektpartnern, namentlich Herrn Dr. Thomas Wurzel und Herrn Dr. Michael Grisko (Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen) sowie Herrn Dr. Thomas A. Seidel (Reformationsbeauftragter der Thüringer Landesregierung), die die Entwicklung meiner Promotion mit großem Interesse begleiteten. Es ist mir eine Freude, dass meine Dissertation in der Reihe „Quellen und Forschungen zu Thüringen im Zeitalter der Reformation“ aufgenommen wurde. Für die finanzielle Förderung der Drucklegung sei sowohl der „Historischen Kommission für Thüringen“ als auch dem Forschungsprojekt „Thüringen im Jahrhundert der Reformation“ gedankt. Schließlich sollen auch alle Mitarbeiter der Archive und Bibliotheken nicht vergessen werden, die mich bei der Entstehung meiner Arbeit maßgeblich unterstützten, indem sie mir bei der Suche und Bereitstellung von Akten und Literatur jederzeit behilflich waren.
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VORWORT
Last but not least gilt mein besonderer Dank meinem Mann, meinen Kindern und allen meinen Freunden, die mich auf meinem Weg begleitet und unterstützt haben. Sie haben mich immer wieder geerdet und mir in schwierigen Momenten die Kraft gegeben, weiterzumachen. Deshalb ist ihnen das Buch gewidmet.
Leipzig, im Sommer 2017
Doreen von Oertzen Becker
1. EINLEITUNG
EINLEITUNG
Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts war von ungeheuren Spannungen, Bewegungen, Aufbrüchen und Polarisierungen geprägt. Hält man sich vor Augen, welche gesellschaftliche Ordnungskraft Religion im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit besaß, dann verwundert es kaum, dass ein Ereignis wie die Reformation den Glauben, das Leben und das Denken der Menschen nachhaltig erschütterte.1 Dies trifft im Allgemeinen auf das Reich und im Besonderen auf Kursachsen zu, das in dieser Zeit zum ‚Mutterland der Reformation‘ wurde. Mit der Reformation erlebte Sachsen seine weltgeschichtliche Stunde, waren hier doch Landesgeschichte, deutsche und europäische Geschichte untrennbar ineinander verflochten.2 Ob sich Kurfürst Johann der Beständige dessen bewusst war, muss dahingestellt bleiben. Indes konnte Johann, als er am 16. August 1532 in Schweinitz verstarb, auf knapp 46 Jahre Regentschaft in Kursachsen zurückblicken.3 Den größten Teil davon, nahezu 39 Jahre, hatte er gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich dem Weisen regiert, ehe er seit dessen Tod am 5. Mai 1525 die Geschicke des Landes allein lenkte. Insbesondere die letzten 15 Jahre waren unsicher und spannungsreich gewesen und hatten den Geschwistern zahlreiche grundlegende und richtungsweisende Entscheidungen abverlangt. Mit Sicherheit hatte diese lange Regentschaft Kraft und Energie gekostet. Nun hatte Johann die Regierungsgeschäfte bereits seit einiger Zeit in die Hände seines Sohnes Johann Friedrich gelegt, da er sich seit Monaten schwach und krank fühlte.4 Seine letzten Lebenstage verbrachte er zusammen mit seinen Töchtern Maria und Margarethe
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Helga SCHNABEL-SCHÜLE, Die Reformation 1495–1555, Stuttgart 2006, S. 9. Vgl. Enno BÜNZ/Stefan RHEIN/Günther WARTENBERG (Hg.), Glaube und Macht. Theologie, Politik und Kunst im Jahrhundert der Reformation, Leipzig 2005, S. 5 [Vorwort]. Sein Vater, Kurfürst Ernst, war am 26. August 1486 an den Folgen eines Reitunfalls verstorben. Johann kämpfte in seinen letzten Lebensmonaten mit großen Beschwerden in den Beinen, die ihm das Laufen unmöglich machten, sodass er getragen oder gefahren werden musste. Vgl. das Schreiben Hans von Minkwitz’ an Herzog Johann Friedrich vom 5. Juli 1532, gedruckt in: Georg MENTZ, Johann Friedrich der Großmütige 1503–1554, Bd. 1, Jena 1903, S. 141. Georg Spalatin berichtet in seiner sächsischen Historie davon, dass Johann der große Zeh abgestorben sei. Vgl. Burcard Gotthelf STRUVE, Neu-Eröffnetes Historischund Politisches Archiv, 3. Teil: Georgii Spalatini Sächsische Historie vom Churfürst Ernsten an biß auf Churfürst Johannsen Todt, Jena 1718, S. 191.
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1. EINLEITUNG
sowie seiner Nichte Elisabeth von Brandenburg in Schweinitz,5 wo er ein letztes Mal seiner großen Leidenschaft, der Jagd, nachging. Nach zwei Tagen vergnügter und erfolgreicher Jagd verschlechterte sich Johanns Gesundheitszustand jedoch so stark, dass sich seine Begleiter veranlasst sahen, Luther, Melanchthon und Schurff von Wittenberg nach Schweinitz kommen zu lassen. Diese trafen gerade noch rechtzeitig ein, ehe Johann am Freitag, dem 16. August 1532, gegen 10 Uhr vormittags verschied.6 Die herrschende Sommerhitze machte es notwendig, den toten Kurfürsten umgehend nach Wittenberg zu bringen. Dort wurde Johann, seinem Wunsch entsprechend, am 18. August im Chor der Wittenberger Schlosskirche neben seinem Bruder Friedrich beigesetzt.7 Während es vor allem vertraute Räte und kursächsische Adlige waren, die ihm das letzte Geleit gaben,8 legte er seinen beiden abwesenden Söhnen testamentarisch den Schutz des Evangeliums in Kursachsen in die Hände.9 Luther, der die Leichenpredigt hielt, zeigte sich in tiefer Trauer über den Tod seines Landesherrn: Die Glocken klingen viel anders denn sonst, wenn einem ein Freund stirbet, der ihm lieb ist. Unsere Scharrhansen haben Lust zu regieren gehabt. Sie habens nun, mögen zusehen, dass sie es gut machen! In unserm Fürsten ist ein große Frömmigkeit und Gütigkeit 5
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Die beiden Töchter Maria (* 1515) und Margarethe (* 1518) stammten aus der am 13. November 1513 in Torgau geschlossenen zweiten Ehe Johanns mit Margarethe von Anhalt. Elisabeth von Brandenburg lebte seit März 1528 am kursächsischen Hof, nachdem sie aufgrund ihres evangelischen Bekenntnisses vor ihrem Ehemann Kurfürst Joachim von Brandenburg geflohen war. Vgl. Kapitel: Exkurs, Die Aufnahme der Kurfürstin von Brandenburg in Sachsen. „Sein churfürst. Gnaden seliger und löblicher Gedächtnis sey Montag nach Laurenty mit seiner Churfürstlichen Gnaden Töchtern beiden Freulein auch Marggrafen Joachims zu Brandenburg Churfürsten Gemaheln gen der Schweinitz auf die Jagd gezogen. Und also zween Tage gejaget, und viel Wildprets gefangen und sehr gute Hirschen. Und seiner c.f.G. sei sehr guter Dinge und frölich drüber und willens auf den Dornstag Assumtionis Mariae gegen der Lochau zu ziehen und aldo auch zu jagen. Nun hat s.c.f.g. auf denselben Dornstag früe nach 4 am Heupt sich angefangen zu clagen und hat immer gesagt, o weh, weh ist mir im Heupt, bis irgend um 8 hor do hab s.c.f.g. gesagt: O, mein Gott hilff, einmal oder etlichs, bis sich die Sprache gar mit Ihme geleget. so sei der 28. Stunde gelgen, das s.c.f.g. weder Arme noch Bein geregt habe nicht gehört und auch niemands gekenntt. […] Aufm Freitag frue umb 5 sein Doctor Martinus, Philipp Melanchthon und D. Augustinus Schurff gen der Schweinitz kommen, da es schier X hat schlagen wollen, auf demselben Freitag vor Mittag, haben s.c.f.g, beide Hende aufgehoben, und sich gestelt als wolt er sie in einander schließen, das er dan in den 28 Stunden nicht gethan hatte, so weren ihm doch die Arme zu schwer gewest und weren ihm wieder nieder gefallen und were also bald verschieden.“ STRUVE, Neu-Eröffnetes Historisch- und Politisches Archiv, 3. Teil, S. 192. Vgl. dazu die Festlegungen in seinem zweiten Testament vom 25. August 1529. LATh-HStA Weimar, Urkunde 679, fol. 14v–15r. Vgl. STRUVE, Neu-Eröffnetes Historisch- und Politisches Archiv, 3. Teil, S. 194. Dazu gehörten Johann Riedesel, Christoph von Taubenheim, Nickel von Ende und Hans von Minkwitz. Vgl. LATh-HStA Weimar, Urkunde 679, fol. 3r–6v.
EINLEITUNG
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gewesen, in Herzog Friedrichen große Weisheit und Verstand. Wenn die zween Fürsten wären eine Person gewesen, so wäre es ein groß Wunderwerk.10
Aber bereits in diesen Worten Luthers klingt an, was die Geschichtsschreibung zu Johann bis zum heutigen Tag prägen sollte: zum einen eine gewisse Einheit zwischen Friedrich und Johann und zum anderen eine geistige und intellektuelle Überlegenheit Friedrichs gegenüber Johann, der offenbar von übermütigen, den Fürsten beeinflussenden Räten umgeben war, die nur darauf warteten, nach der Macht zu greifen.11 Auch wenn sich die bereits zu Lebzeiten Luthers einsetzende Auseinandersetzung mit der Reformation weiterentwickelte, neu fokussierte, von der Theologie und Kirchengeschichte in Staat und Gesellschaft hineintragen wurde und in der Gegenwart interdisziplinär darum ringt, Folgewirkungen und langfristige strukturgeschichtliche Entwicklungen, welche die Reformation mit sich brachte, angemessen zu bewerten,12 ändert dies jedoch nichts an der Tatsache, dass jede Geschichtsschreibung danach strebt, griffige Erklärungen großer Zusammenhänge zu liefern, bei denen verschiedenen Akteuren eindeutige Rollen zugewiesen werden. 13 Dabei ist es nur natürlich, dass einigen Personen sehr große Aufmerksamkeit zukommt, während andere kaum Beachtung finden.14 So gesehen gehört Johann der Beständige in die Kategorie der weniger interessanten Fürsten, denn bis in die Gegenwart suggeriert die Geschichtsschreibung durch die Dominanz der Forschungen zum Verhältnis zwischen Friedrich dem Weisen und
10 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Abt. 2: Tischreden (im Folgenden: WA TR), 6 Bde., Weimar 1912–1921, hier Bd. 2, Nr. 1738. 11 Wie stark das Bild Luthers von bestimmten Ereignissen und Personen der Reformationszeit unser Geschichtsbild geprägt hat, vgl. Natalie KRENTZ, Auf den Spuren der Erinnerung. Wie die „Wittenberger Bewegung“ zu einem Ereignis wurde, in: Zeitschrift für Historische Forschung 36 (2009), S. 563–596, hier S. 578f. 12 Ich verzichte darauf, einen historischen Überblick zur Entwicklung und gesellschaftlichen Bedeutung der Reformationsforschung zu geben. Einen in diese Problematik einführenden Überblick liefern Stefan EHRENPREIS/Ute LOTZ-HEUMANN, Reformation und konfessionelles Zeitalter, Darmstadt 22008. 13 Christoph VOLKMAR, Reform statt Reformation. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488–1525, Tübingen 2008, S. 2. 14 Als prominentes Beispiel kann hierbei die Lutherforschung dienen. Allein in den letzten zehn Jahren sind drei neue Lutherbiographien erschienen, nachdem bereits in den 1980er Jahren eine umfangreiche dreibändige wissenschaftliche Biographie vorgelegt worden ist. Vgl. Heinz SCHILLING, Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Umbruchs, München 2012; Volker LEPPIN, Martin Luther, Darmstadt 2006; Thomas KAUFMANN, Martin Luther, München 2006; Martin BRECHT, Martin Luther, 3 Bde., Stuttgart 1983–1987. Allgemein zur Lutherrezeption vgl. Bernd MOELLER, Luther-Rezeption, Göttingen 2001.
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1. EINLEITUNG
Martin Luther, 15 dass durch diese schicksalhafte Allianz alle entscheidenden Weichen für den Fortgang der Reformation gestellt wurden. Der Übergang von der Volksbewegung zur Fürstenreformation, der sich nach dem Tod Kurfürst Friedrichs vollzog, wurde als alternativlos und vorgezeichnet dargestellt, sodass Johann, wie sein Beiname bereits impliziert, lediglich die Rolle des Bewahrers und Platzhalters zugewiesen wurde. Dies ging zwar einher mit einer besonderen Anerkennung seiner frommen evangelischen Gesinnung, dennoch unterstrich man für seine Regentschaft die Bedeutung Luthers für die weitere Entwicklung der Reformation umso mehr.16 Hier zeigt sich in besonderem Maße, dass Reformationsgeschichte eben auch Konfessionsgeschichte ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es um so wichtiger, im Rahmen dieser Studie erstmals einen ausführlichen Überblick über die Kirchenpolitik Johanns zu geben. Dabei sollen die Grundlagen und Voraussetzungen, die eine ‚Reformation von oben‘ überhaupt erst möglich machten, ebenso untersucht werden wie die persönlichen Ambitionen und Vorstellungen Johanns. Die Eingrenzung der Untersuchung auf den Zeitraum von 1513 bis 1532 ergibt sich zum einen durch die Mutschierung von 1513 als Ausgangspunkt,17 wobei Johann im Zuge einer internen Nutzungsteilung des ernestinischen Territoriums die Verwaltung über die thüringischen Landesteile übertragen wurde. Erst ab diesem Punkt wird es überhaupt möglich, die Entscheidungen und Regierungshandlungen Johanns von denen Friedrichs des Weisen abzugrenzen. Zum anderen stellt das Jahr 1532 mit dem Tod Johanns den natürlichen Endpunkt der Untersuchung dar. So soll es das Ziel der Arbeit sein, die Kirchenpolitik Johanns im Spannungsfeld zwischen Religion und Realpolitik darzustellen und seine Rolle zwischen den ihn vermeintlich überschattenden Kurfürsten Friedrich dem Weisen und Johann Friedrich dem Großmütigen zu klären.
15 Es mögen einige wenige Titel genügen, um dies zu verdeutlichen. Paul KALKOFF, Friedrich der Weise und Luther, in: Historische Zeitschrift 132 (1925), S. 29–42, Karlheinz BLASCHKE, Kurfürst Friedrich der Weise und die Luthersache, in: Fritz REUTER (Hg.), Der Reichstag zu Worms von 1521. Reichspolitik und Luthersache, Worms 1971, S. 316–335; Heinrich BORNKAMM, Luther und sein Landesherr Friedrich der Weise, in: DERS., Luther – Gestalt und Wirkungen. Gesammelte Aufsätze, Gütersloh 1975, S. 33–38. 16 Vgl. Johannes BECKER, Kurfürst Johann von Sachsen und seine Beziehungen zu Luther, Teil 1 (1520–1528), Leipzig 1890. 17 Zur Mutschierung vgl. Kapitel 4.3.
FORSCHUNGSSTAND
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1.1. Forschungsstand FORSCHUNGSSTAND
Befragt nach den wichtigsten Fürsten der frühen Reformationszeit, hätte Johann der Beständige ohne Zweifel einen festen Platz in der Aufzählung vieler Historiker. Doch auch wenn sein Name klar mit den Schlagworten ‚Fürstenreformation‘ und ‚Reformation von oben‘ verbunden ist, wurde ihm als Person kaum Beachtung geschenkt. Und dies obwohl, insbesondere in der sächsischen Landesgeschichte, lange Zeit der Fokus auf den die Reformation fördernden Fürsten lag.18 Doch wie bereits beschrieben, scheint es, als hätte man sich in der Forschung ausschließlich auf Johanns Bruder, Friedrich den Weisen, festgelegt. Zu verlockend schien dem Historiker dessen Engagement auf Reichsebene im Dienste Kaiser Maximilians I., die Option 1519 in Frankfurt/Main zum römisch-deutschen König gewählt zu werden, der Aufbau der großen wertvollen Reliquiensammlung in Wittenberg und allem voran, die Lutherschutzpolitik bis hin zur Entführung des Reformators auf die Wartburg. Auch wenn damit nur Schlaglichter der Regierung Friedrichs des Weisen benannt sind, zeigen sie doch, wo das Interesse der historischen Forschung lag. Herzog Johann, immerhin seit 1486 Mitregent, spielte dabei bestenfalls eine Nebenrolle.19 So lässt sich feststellen, dass, auch wenn es zu Person, Politik und Biographie Friedrichs noch immer einige offene Fragen gibt, sich im Laufe der Zeit zahlreiche Autoren ausführlich mit ihm beschäftigt haben.20 Freilich geschah dies lange Zeit im Rahmen einer Engführung, die vor allem sein Verhältnis zu Luther und der Reformation beleuchtete. So kam Bernd Stephan nach einem ausführlichen Abriss der bisher zu Friedrich geführten Forschungen und Kontroversen in seiner 1979 eingereichten
18 Vgl. dazu die Kritik Christoph VOLKMARS, Reform statt Reformation, S. 3–8. 19 In der von Ingetraut Ludolphy verfassten Biographie Friedrichs des Weisen werden dessen Lebensgefährtin, Kindern, Heiratsversuchen und Krankheiten eigene Unterkapitel gewidmet, nach Johann sucht man jedoch vergeblich. Vgl. Ingetraut LUDOLPHY, Friedrich der Weise. Kurfürst von Sachsen 1463–1525, Göttingen 1984, Leipzig 22006. 20 Es kann nur eine Auswahl der einflussreichsten Historiker gegeben werden: Paul KALKOFF, Theodor KOLDE, Paul KIRN, Elisabeth WAGNER, Karl-Heinz BLASCHKE und Ingetraut LUDOLPHY. Im Rahmen des 2017 stattfindenden Reformationsjubiläums rückte Friedrich der Weise wieder in den Fokus der Forschung. Vgl. Sina WESTPHAL, Die Korrespondenz zwischen Kurfürst Friedrich dem Weisen von Sachsen und der Reichstadt Nürnberg, Frankfurt/Main 2011; Dirk SYNDRAM (Hg.), Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (1463–1525), Beiträge zur wissenschaftlichen Tagung vom 4. bis 6. Juli 2013 auf Schloss Hartenfels in Torgau, Dresden 2014, sowie der Band von Armin KOHNLE/Uwe SCHIRMER (Hg.), Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen, Stuttgart 2015, bei dem es sich um eine erweiterte Fassung des obigen Tagungsbandes handelt, der jedoch mehrheitlich auf den Vorträgen von Torgau basiert.
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1. EINLEITUNG
Dissertation zu dem Schluss, dass Friedrichs Wirken fast ausschließlich „sub aspectu Reformationis factae“ gesehen wurde.21 Eine eingehende Beschäftigung mit Johann fand dagegen zu keiner Zeit und auch unter keinem besonderen Gesichtspunkt statt.22 Natürlich gab es auch bei ihm einige Versuche, sich seiner Person zu nähern, diese sind heute jedoch veraltet oder blieben in den Anfängen stecken. Zwar fertigte bereits Georg Spalatin im Rahmen seiner historischen Studien eine Biographie Johanns an,23 doch die Mitte des 19. Jahrhunderts geplante Herausgabe einer Lebensbeschreibung anhand dieser Unterlagen durch Christian Neudecker und Ludwig Preller scheiterte, da man nach dem Erscheinen der Biographie Friedrichs des Weisen, die Arbeiten abbrach.24 So begegnen uns vor allem Arbeiten aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die in anekdotenhafter Erzählform gehalten und teils mit überhöhenden Zügen versehen, zweifelsohne interessante Zeugnisse des damaligen Wissenschaftsverständnisses sind, jedoch heutigen wissenschaftlichen Ansprüchen in keiner Form genügen.25
21 Bernd STEPHAN, Beiträge zu einer Biographie Kurfürst Friedrichs III. von Sachsen, des Weisen (1463–1525), Diss. masch., Leipzig 1979, S. 7. Die Arbeit erschien unlängst im Druck unter dem Titel „Ein itzlichs Werck lobt seinen Meister“, Friedrich der Weise, Bildung und Künste, Leipzig 2014. Ich habe jedoch ausschließlich mit dem dreibändigen Manuskript von 1979 gearbeitet, sodass sich alle Zitate auf diese Ausgabe beziehen. 22 Eine hervorzuhebende Ausnahme bildet der Beitrag von Ernst MÜLLER, Die Entlassung des ernestinischen Kämmerers Johann Riedesel im Jahr 1532 und die Auflösung des Wittenberger Heiligtums. Ein Beitrag zur Biographie des Kurfürsten Johann des Beständigen von Sachsen, in: Archiv für Reformationsgeschichte 80 (1989), S. 213–239. 23 Die Originalbiographie Spalatins befindet sich im LATh-HStA Weimar, Reg. O 24, 42r– 160v und ist gedruckt in: STRUVE, Neu-Eröffnetes historisch- und politisches Archiv, 3. Teil, S. 45–116, 140–200. Zu Spalatins Arbeiten vgl. auch Christina MECKELNBORG, Anne-Beate RIECKE, Georg Spalatins Chronik der Sachsen und Thüringer, Köln 2011, zu Johanns Biographie bes. S. 285–287, 528f. 24 Christian NEUDECKER/Ludwig PRELLER (Hg.), Friedrichs des Weisen Leben und Zeitgeschichte von Georg Spalatin, Jena 1851. 25 So beispielsweise: Carl JAGEMANN, Kurzgefasste Lebensbeschreibung der durchlauchtigsten Herzoge und Churfürsten zu Sachsen, Johann des Standhaften und Johann Friedrichs des Großmüthigen, zweier glorwürdigen Bekenner des Evangelii, Halle 1756; Johann A. FASELIUS, Leben des Kurfürsten Johann des Beständigen von Sachsen des großen Beförderers der Freiheit in Angelegenheiten der Religion unabhängig von menschlichen Machtsprüchen zu denken und zu urtheilen, Leipzig 1805; Carl BECKER, Das edle sächsische Fürsten-Kleeblatt oder die Hauptzüge aus dem Leben der drei Kurfürsten Friedrich, Johann und Johann Friedrich, Berlin 1861.
FORSCHUNGSSTAND
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Auch die auf Quellen basierende Arbeit von Johannes Becker zu den Beziehungen Johanns zu Luther blieb unvollendet und entspricht nicht mehr dem heutigen Kenntnisstand.26 Neuere Arbeiten dagegen beschränken sich auf Lexikonartikel27 oder kurze Personenbeschreibungen in Übersichtswerken28 und Tagungsbänden.29 So bescheiden die Forschungslage zu Johann direkt auch sein mag, so liefern doch zahlreiche Veröffentlichungen älteren und neueren Datums, die sich zwar nicht explizit Kurfürst Johann widmen, jedoch (auch) Bezug auf seine Regierungszeit nehmen, wertvolles Quellenmaterial und wichtige Informationen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die „Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen“, 30 die „Deutschen Reichstagsakten“, 31 die Weimarer Ausgabe des Briefwechsels Luthers, 32 das „Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530“ 33 und die „Ernestinischen Land26 Johannes BECKER, Kurfürst Johann von Sachsen und seine Beziehungen zu Luther, Teil 1 (1520–1528), Leipzig 1890. Ein geplanter zweiter Teil ist nicht erschienen. Die Dissertationsschrift neigt in vielerlei Hinsicht dazu, Luther als den ganz und gar aktiven Part zu zeigen, während sich Johann nur beeinflussen ließ. Ob Becker dies in Unkenntnis anderer Quellen getan hat oder bewusst die Quellen wählte, die Luther zu seinem Helden stilisierten, ist unklar. Nur sehr selten bemüht sich Becker um ein etwas differenzierteres Bild, fällt dann aber wieder in die lutherische Heldengeschichte zurück. 27 Vgl. Helmar JUNGHANS, Johann von Sachsen, in: TRE, Bd. 17 (1988), S. 103–106. Leider gibt es zur dort angegebenen Literatur, die direkt mit Johann verknüpft ist, bis heute kaum etwas zu ergänzen. 28 Beispielhaft hierfür die Beiträge zu Johann dem Beständigen von Bernhard ROGGE, Johann der Beständige, in: DERS., Deutsch-evangelische Charakterbilder, Leipzig 1894, S. 105–115 oder Uwe SCHIRMER, Die ernestinischen Kurfürsten bis zum Verlust der Kurwürde (1485– 1547) in: Frank-Lothar KROLL (Hg.), Die Herrscher Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige. 1089–1918, München 2007, S. 65–70. 29 Vgl. Christian WINTER, Kurfürst Friedrich der Weise und sein Bruder Herzog Johann, in: SYNDRAM (Hg.), Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (1463–1525), S. 28–38. 30 Akten und Briefe zur Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen (im Folgenden: ABKG), Bd. 1: (1517–1524) u. Bd. 2: (1525–1527), hg. von Felician GESS, Leipzig 1917; Bd. 3 (1528–1534), hg. von Heiko JADATZ und Christian WINTER, Köln 2010. 31 Deutsche Reichstagsakten. Jüngere Reihe (im Folgdenden: RTA JR): Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., Bd. 5./6., bearb. von Rosemarie AULINGER, München 2011; Bd. 7, bearb. von Johannes KÜHN, München 1963; Bd. 8, bearb. von Wolfgang STEGLICH, München 1970/71; Bd. 10, bearb. von Rosemarie AULINGER, München 1992. 32 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Briefwechsel (im Folgenden: WA Br), 18 Bde., Weimar 1930–1985. 33 Urkundenbuch zu der Geschichte des Reichstages zu Augsburg im Jahre 1530 (im Folgenden: UBGRA), hg. von Karl Eduard FÖRSTEMANN, 2 Bde., Halle 1833–1835. Da es bis jetzt zu diesem Reichstag noch keinen Reichstagsaktenband gibt, ist der Historiker nach wie vor auf das Urkundenbuch Förstemanns angewiesen.
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1. EINLEITUNG
tagsakten“.34 Doch häufig waren es neben den großen Akteneditionen zahlreiche kleinere Quellensammlungen, die sich verstreut in den unterschiedlichsten Zeitschriften fanden, die sich für mich von großem Wert erwiesen. Stellvertretend für viele seien hier die „Auszüge aus den Hoffstaatsrechnungen des Herzogs Johann zu Sachsen von 1513 bis 1518“35 und die „Lutherana“ genannt.36 Gerade in Hinblick auf einzelne reformatorische Prediger ließen sich hier, neben häufig bereits bekannten Monografien noch zahlreiche weitere Schätze finden. 37 Als durchaus hilfreich erwiesen sich auch Darstellungen zur Kirchenpolitik anderer Herrscher, in diesem Zusammenhang ist besonders die Arbeit von Christoph Volkmar zu Herzog Georg hervorzuheben.38 So kristallisierte sich heraus, dass einige meiner Fragestellungen in Zusammenhang mit der Kirchenpolitik Kurfürst Johanns in der Forschung durchaus bereits Beachtung gefunden hatten, jedoch meist, ohne dabei auf Johann Bezug zu nehmen bzw. im Hinblick auf sein Handeln ausgewertet zu werden. Dies gilt insbesondere für die Reichstage, welche für diesen Zeitraum größtenteils durch die Edition der Reichstagsakten und zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verhältnismäßig gut erschlossen sind.39 Als äußerst hilfreich erwiesen sich die
34 Ernestinische Landtagsakten, Bd. 1: Die Landtage von 1487–1532 (im Folgenden: ELA), bearb. von Carl August Hugo BURKHARDT, Jena 1902. 35 Karl Eduard FÖRSTEMANN, Auszüge aus den Hoffstaatsrechnungen des Herzogs Johann zu Sachsen von 1513 bis 1518, in: Neue Mittheilungen aus dem Gebiet der historisch-antiquarischen Forschungen 5 (1841), S. 33–76. 36 Georg BUCHWALD, Lutherana. Notizen aus den Rechnungsbüchern des Thüringischen Staatsarchivs zu Weimar, in: Archiv für Reformationsgeschichte 25 (1928), S. 1–98. 37 So beispielsweise Hermann BARGE, Luther und Karlstadt in Wittenberg. Eine kritische Untersuchung, in: Historische Zeitschrift 99 (1907), H. 3, S. 256–324. Siegfried BRÄUER, Der hinkende Prediger von Schneeberg, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte, 68 (1997), S. 67–99. Theodor KOLDE, Carlstadt und Dänemark, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte, 8 (1886), S. 283–293. Gustav SOMMERFELDT, Zu den Briefen Martin Baumgarts 1522–1544, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 41 (1920), S. 123–130. 38 Christoph VOLKMAR, Reform statt Reformation. Die Kirchenpolitik Herzog Georgs von Sachsen 1488–1525, Tübingen 2008. 39 Die Ausnahme bildet der Reichstag 1530 in Augsburg, vgl. Anm. 32. Eine sehr gute Übersicht über die Ereignisse auf den Reichstagen der Reformationszeit bietet Armin KOHNLE in seiner Habilitationsschrift. Dabei ist es ihm freilich nicht möglich, das Wirken einzelner Fürsten en detail darzustellen. Vgl. Armin KOHNLE, Reichstag und Reformation. Kaiserliche und ständische Religionspolitik von den Anfängen der Causa Lutheri bis zum Nürnberger Religionsfrieden, Gütersloh 2001. Hinzu treten zahlreiche ältere Publikationen: Walter FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526 in Zusammenhang der politischen und kirchlichen Entwicklung Deutschlands im Reformationszeitalter, Berlin 1887. Johannes KÜHN, Die Geschichte des Speirer Reichstags 1529, Leipzig 1929; Johannes von WALTER, Der Reichstag zu Augsburg, in: Lutherjahrbuch 12 (1930), S. 1–90.
FORSCHUNGSSTAND
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kritischen Ausgaben des Briefwechsels und der Quellen zu Thomas Müntzer40 sowie des Briefwechsels Melanchthons.41 Mit dem Erscheinen der Habilitationsschrift von Gabriele Haug-Moritz zum Schmalkaldischen Bund ist in jüngster Zeit auch eine Neubewertung der Rolle Kursachsens innerhalb des Bündnisses vorgenommen worden.42 Wie stark die Forschung zum Schmalkaldischen Bund zuvor süddeutsch-reichsstädtisch und hessisch geprägt war, zeigen vor allem die Publikationen Ekkehart Fabians.43 Neue Impulse für eine intensivere Erforschung Johanns des Beständigen sind vor allem durch ein Projekt zu erwarten, das während meiner Arbeit an dieser Dissertation startete: Seit dem Jahr 2014 arbeitet man an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften daran, analog zu Herzog Georg, auch für Friedrich den Weisen und Johann den Beständigen die entsprechenden Akten und Briefe zur Kirchenpolitik herauszugeben.44 Parallel dazu werden die Ergebnisse allgemein zugänglich in einer Datenbank veröffentlicht, die sich gerade im Aufbau befindet.45 Eine solche systematische Zusammenstellung des vor allem im Ernestinischen Gesamtarchiv in Weimar sehr weit verstreuten und teilweise unübersichtlichen Bestandes wird sicher mittelfristig zu neuen Forschungsergebnissen führen. Bis dahin gilt es, sich anhand der zahlreichen bereits edierten und gedruckten sowie der noch zahlreicheren ungedruckten Quellen ein eigenes Bild zu machen und sich nicht von der von Bernd Stephan für Friedrich konstatierten Diskrepanz zwischen der Menge der Quellen und deren Aussagekraft abschrecken zu lassen.46
40 Thomas-Müntzer-Ausgabe (im Folgenden: ThMA), Bd. 2: Briefwechsel, bearb. von Siegfried BRÄUER, Leipzig 2010; ThMA, Bd. 3: Quellen zu Thomas Müntzer, bearb. von Wieland HELD, Leipzig 2004. 41 Melanchthons Briefwechsel (im Folgenden: MBW), hg. von Heinz SCHEIBLE, Stuttgart/Bad Cannstatt, 1977–2009. 42 Gabriele HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund 1530–1541/42, Leinfelden-Echterdingen 2002. 43 Ekkehardt FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes und seiner Verfassung 1524/29–1531/35, Tübingen 1962; DERS. Die Beschlüsse der oberdeutschen Schmalkaldischen Städtetage, Teil 1: 1530/31, Tübingen 1959. 44 Vgl. www.saw-leipzig.de/de/projekte/Briefe-und-Akten-zur-Kirchenpolitik-Friedrichsdes-Weisen-und-Johanns-des-Beständigen-1513-1532-Reformation-im-Kontext-frühneu– zeitlicher-Staatswerdung [letzter Zugriff: 30.5.2016]. 45 Vgl. www.friedrich-und-johann.de [letzter Zugriff am 30.5.2016]. 46 STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 10.
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1. EINLEITUNG
1.2. Problemstellung der Arbeit: Johann der Beständige – bekannt und doch blass? PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT
Eine der wichtigsten Fragen, die sich mir zu Beginn der Arbeit stellte, war jene, womit sich das auffällige Desinteresse an Johann begründen lässt. Liegt es an seiner verhältnismäßig kurzen Alleinregierung von nur sieben Jahren? Dem Fehlen spektakulärer Ereignisse, wie der Möglichkeit, zum römisch-deutschen König gewählt zu werden, wie sie sich Friedrich dem Weisen auftat? Oder ist diese begründet in der Abwesenheit großer, tragischer Momente, wie sie Kurfürst Johann Friedrich 1547 mit dem Verlust der Kurwürde an die Albertiner erleiden musste? Keine Frage, im Gegensatz zu seinem Bruder Friedrich dem Weisen und vor allem seinem Sohn Johann Friedrich dem Großmütigen, verlief die Regentschaft Johanns eher unspektakulär. Und doch wurden unter seiner Regierung alle wichtigen Weichen für den Auf- und Ausbau einer evangelischen Landeskirche in Kursachsen gestellt. Schaut man sich die Literatur an, so fällt schnell auf, dass, anders als bei seinen Zeitgenossen Philipp von Hessen, Friedrich dem Weisen oder auch Herzog Georg von Sachsen, bei Johann selten bestimmende Charakterzüge oder Neigungen herausgearbeitet werden. Indirekt Eingang fand Johanns Charakter in erster Linie im Vergleich mit anderen Fürsten, vorzugsweise mit seinem Bruder Friedrich und seinem Sohn und Nachfolger Johann Friedrich. Dabei gewinnt man schnell der Eindruck, dass Johann nahezu immer, sowohl was seine intellektuellen als auch seine politischen Fähigkeiten anbelangt, den Kürzeren zog. So verzichtete Bernd Stephan auf eine Untersuchung der Bedeutung Johanns bei der politischen Entscheidungsfindung seines Bruders mit der Begründung, dass diese als äußerst gering zu veranschlagen sei, da Friedrich ohnehin als der Fähigere der beiden Ernestiner und als der politisch tonangebende angesehen werden muss.47 Auch Ernst Müllers Urteil bezüglich der Regierungsfähigkeiten Johanns fällt ähnlich vernichtend aus. Seiner Meinung nach fehlte es Johann innenpolitisch nicht nur an Verwaltungs- und Organisationstalent, sondern auch an der nötigen Strenge und Kontrolle, die zum Regieren eines Gesamtstaates notwendig sei. Dabei verschloss er sich zu allem Überfluss auch noch den Vorschlägen seines wesentlich begabteren und zielbewussteren Sohnes Johann Friedrich. In der Reichs- und Bundespolitik konnte Johann, der auch als Alleinregent ganz im Schatten Friedrichs des Weisen stand, immerhin davon profitieren, dass ihm die erfahrenen Politiker und Theologen seines Bruders die richtigen Entscheidungen quasi an die Hand gaben. 48 Auch Georg Mentz zeichnet in seiner JohannFriedrich-Biographie ein eher düsteres Bild von Johanns Fähigkeiten, wenn er 47 STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 21. 48 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 238f.
PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT
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beschreibt, welch großen Wert der junge Kurfürst nach der Regierungsübernahme darauf legte, wieder alle wichtigen Angelegenheiten selbst zu regeln und sich möglichst vom negativen Einfluss der Räte zu emanzipieren.49 Diese Implikationen wurden genährt von den Urteilen der Zeitgenossen Kurfürst Johanns, besonders von denen Luthers.50 Nicht selten finden sich in seinen Briefen Beurteilungen über Johanns Regierungsstil, welche die Vermutung nahe legen, dass es mit dessen Verwaltung und Autorität nicht zum Besten stand. Als Beispiel mag ein Schreiben Luthers an Spalatin genügen, in dem er sich bitter darüber beklagt, dass selbst die vom Adel, die dem Evangelium Feind sind, sich nun ganz ungeniert an den Kirchengütern bedienen, ohne dass der Kurfürst etwas dagegen unternehmen würde. „Denn wozu Du [Spalatin] rätst, dass er nach dem Beispiel seines Bruders befehlen oder regieren solle, das weißt Du selbst, steht nicht zu hoffen. Der gutgläubige Mensch ist der Verschlagenheit aller ausgesetzt und glaubt, dass alle Menschen ihm gleich gut und treu sein.“51 Selbst in der Leichenpredigt kam Luther nicht umhin, die nachlässige und zuweilen fremdbestimmte Amtsführung Johanns zur Sprache zu bringen, wenn auch in der für diese Predigtart üblichen milden Form. So heißt es da: „Ob er daneben zuweilen im Regiment gefehlt hat, was soll man dazu sagen? Ein Fürst ist auch ein Mensch und hat allezeit zehn Teufel um sich her, wo sonst ein Mensch nur einen hat.“52 Auch den immer wieder von Luther beschriebenen Eigenschaften Johanns der Milde, Barmherzigkeit und Güte setzte er häufig die Bemerkung hinzu, dass der Fürst eher zu viel als zu wenig davon hätte.53 49 Diese Meinung vertrat Johann Friedrich auch gegenüber seinem jüngeren Halbbruder Johann Ernst, wenn er ihn 1544 ermahnen ließ „so hat es auch, wie ichs dan selbst weis, der underthanen halben die gelegenheit das sie mit iren herrschaften nit zufrieden sein, so sie vermerken, das sie es die rethe und ire ambtleute alleine machen lassen, sondern das gebiert liebe und gehorsam bei inen, so sie spuren, das sich ire herschaft mit rath frommer und verstendiger rethe umb sein selbst regiment und ire sachen gnediglich und getreulich annimpt.“ Georg MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 3, S. 114, Anm. 1. 50 Natalie Krentz stellt in ihrem Aufsatz zur Dominanz des Lutherbildes im Hinblick auf einige Ereignisse und Personen der Reformationszeit die These auf, dass aufgrund der frühen Veröffentlichung und Verbreitung von Lutherschriften und -briefen, wie etwa durch die Jenaer Ausgabe von 1555 und die darauf basierende Wittenberger Ausgabe von 1557, Luthers Ansichten direkt und ungefiltert Eingang in unser Geschichtsbild fanden. Vgl. Natalie KRENTZ, Auf den Spuren der Erinnerung, S. 578f. 51 WA Br, Bd. 4, Nr. 1067, S. 150f. (Luther an Spalatin, 1. Januar 1527). Die deutsche Übersetzung übernommen aus Hermann KUNST, Evangelischer Glaube und politische Verantwortung, Stuttgart 21979, S. 197. 52 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe (Weimarer Ausgabe), Abt. 1: Werke (im Folgenden: WA Werke), 73 Bde., Weimar 1883–2009, hier Bd. 36, S. 245. 53 Vgl. ebd., S. 245–253. Offenbar bewertete Luther diese Eigenschaften in Hinsicht auf die christliche Gesinnung Johanns als positiv, in seiner Eigenschaft als Herrscher schätzte er sie als eher hemmend und hinderlich für einen objektiven, rationalen und autonomen Regierungsstil ein.
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1. EINLEITUNG
Diese Eigenschaften korrespondieren mit der Einschätzung Luthers, dass viele Zeitgenossen fest davon ausgingen, mit dem Tod Kurfürst Friedrichs würde die Reformationsbewegung zusammenbrechen. Gepaart mit der politischen Unerfahrenheit Johanns glaubte man wohl, dass nun die Gegner der Reformation in Kursachsen leichtes Spiel hätten, wieder die Oberhand zu gewinnen.54 Gewiss nutzte Luther diesen Topos in späteren Jahren auch zur Dramatisierung der Ereignisse,55 doch scheint er damit durchaus eine Stimmungslage jener Zeit zu beschreiben. In der Tat war Herzog Georg nach dem Bauernkrieg davon überzeugt, dass es nur der richtigen Leute in Johanns Umfeld bedürfe, um den Kurfürsten davon zu überzeugen, dass es sich bei der reformatorischen Bewegung lediglich um eine „vorfurische irrung“ handele.56 Nach dem überaus verstörenden Erlebnis einer so kraftvollen Erhebung des gemeinen Mannes, deren Ursache Georg ausschließlich in den Lehren Luthers sah, schien es dem sächsischen Herzog selbstverständlich, dass Johann sich nun von Luther abwenden würde.57 Doch auch in der Argumentation Georgs scheint hindurch, dass er nicht ausschließlich darauf setzte, dass seine „rationale“ Argumentation fruchten würde, sondern, dass er ebenso davon ausging, dass Johann wesentlich leichter zu beeinflussen sei als der verstorbene Friedrich.58 Zwar wurde man in der Literatur nicht müde, immer wieder zu betonen, wie nahe sich die beiden Brüder standen und in welch gutem Einvernehmen sie stets regiert hätten, 59 die Diskrepanz, die man zwischen dem bildungsbeflissenen, theologisch und humanistisch interessierten Friedrich und dem vermeintlich 54 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 870, Nr. 911. 55 So heißt es in einer Auslegung des 118. Psalms von 1529/30: „Da hertzog fridrich zu Sachsen lebt, der theüre werde furst (des man nicht vergessen sol.), da trosten sich beide geistlichen und welltlichen tyrannen auff seinen tod und sprachen Es ist umb zwey augen zu thun, Wenn die selbigen zu sind, So ligt des Luthers ketzerey auch.“ WA Werke, Bd. 31,1, S. 106. 56 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1066 (Georg an Johann, 27. Juni 1525). 57 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1093 (Georg an Heinrich von Braunschweig, 24. Juli 1525). 58 So heißt es in dem Schreiben an Heinrich von Braunschweig: „Dann wir uns genzlich vorsehen, wo s.l. [Philipp von Hessen] dorvon abstunde, u[nser] v[etter], der churfurst, sollte auch uf gute wege und durch ... des lantgrafen und anderer seiner frunde fruntliche ermanung von seinem furnemen auch gutlich zu weysen sein.“ Ebd. 59 Zweifelsohne verband Friedrich und Johann ein enges persönliches Verhältnis, wie sich durch zahlreiche Briefe, die von großer Vertrautheit und Verbundenheit zeugen, belegen lässt. Vgl. Neues Urkundenbuch zur Geschichte der evangelischen Kirchen-Reformation (im Folgenden: NUB), hg. von Karl Eduard FÖRSTEMANN, Hamburg 1842, hier das 1. Kapitel (Eigenhändige Briefe des Kurfürsten Friedrich zu Sachsen an seinen Bruder, den Herzog Johann zu Sachsen). Auch die Aussage Friedrichs 1506, dass er sich keinen besseren Freund auf Erden vorstellen könne als seinen Bruder, untermauert dies. Vgl. außerdem Paul KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, Leipzig 1925, S. 15.
PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT
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untalentierten, durchsetzungsschwachen und leicht beeinflussbaren Johann propagierte, konnte damit jedoch niemals aufgelöst werden. So formte sich das Bild eines blassen Herrschers, dem es in seiner kurzen Regierungszeit nicht gelang, aus den Schatten seines Vorgängers Friedrich und seines Nachfolgers Johann Friedrich herauszutreten. In der Tat scheint Johann viele Interessen seines Bruders, insbesondere im schöngeistig intellektuellen Bereich, nicht geteilt zu haben. So lassen sich weder Hinweise dafür ausmachen, dass Johann Kontakte zu humanistisch geprägten Kreisen unterhielt,60 noch dass er Interesse an den historischen Arbeiten Georg Spalatins zeigte. Dieser hatte 1510 von Friedrich dem Weisen den Auftrag erhalten, die ‚Chronica et Annales‘ in Fortsetzung der bereits von Adam von Fulda geleisteten Vorarbeiten zu schreiben. Sich der steten Förderung und dem Interesse seines Herrn gewiss, begann Spalatin für die Zeit von 1480 bis 1544 jahresweise ihm wichtig erscheinende geschichtliche Ereignisse zusammenzustellen und das Konzept für eine mehrbändige Chronik zu erarbeiten. Daneben leistete er zahlreiche Vorarbeiten, wie die Anlage genealogischer Übersichten, die Erstellung von Ephemerides sowie die Abfassung der ‚Kleinen Chronik‘. Zwischenzeitlich erweiterte Spalatin seine Forschungen auch auf Personen und Gebiete außerhalb des sächsischen Raumes.61 Nach dem Tod Friedrichs des Weisen war es nicht Johann, der sich der weiteren Förderung der sächsischen Geschichtsschreibung annahm, sondern Kurprinz Johann Friedrich. 62 Ohnehin wird ihm in Hinblick auf die Lust und Liebe an Studien in gewisser Weise die Nachfolge seines Onkels zugeschrieben. Auch wenn Johann Friedrich häufig das Fehlen des Scharfblicks und der Besonnenheit seines Onkels bescheinigt wird, so verkörperte er doch wieder dessen Bildungsideale. Ein Zitat ist dafür selbstredend: Nach Kurfürst Johanns kurzer Regierung trat Friedrichs künstlerisches Erbe sein von ihm wie ein Sohn geliebter Neffe Johann Friedrich an. Des Oheims Beispiel und Erziehung waren es, die neben religiöser auch in künstlerischer Hinsicht Johann Friedrichs unbeirrtes 60 Friedrich unterhielt früh Kontakte zum Gothaer Humanistenkreis um Conrad Mutian und später, vermittelt durch Georg Spalatin, auch zu Erasmus von Rotterdam. Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 328f. Dieses Interesse teilte Friedrich mit seinem Bruder Bischof Ernst von Magdeburg. 61 Vgl. MECKELNBORG/RIECKE (Hg.), Spalatins Chronik der Sachsen und Thüringer, S. 23– 59. 62 So wandte sich Spalatin in den 1520er Jahren häufig zur Informationsbeschaffung über Veit Warbeck an Johann Friedrich und Franz von Lüneburg. Dazu legte er seinen Schreiben Zettel zu denjenigen Personen bei, zu denen er gerade arbeitete und bat darum, dass die Herren darauf die benötigten Jahreszahlen und Informationen vermerken sollten. Später sandte er Manuskripte direkt an Johann Friedrich, die dieser dann mit Anmerkungen und eingelegten Zetteln versah. Vgl. ebd., S. 95–97.
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1. EINLEITUNG Fortschreiten auf dem von seinem Vorfahr ihm gewiesenen Wege bewirkten, und die Kunstbestrebungen dieser Fürsten werden immer ein goldenes Blatt in dem Ruhmeskranze ihrer Geschichte bedeuten.63
Auch ohne dass es direkt ausgesprochen wird, implizieren diese Zuschreibungen, dass es Kurfürst Johann an den beschriebenen Neigungen fehlte. Tatsächlich gibt es weitere Beispiele, die diese Annahme stützen, wie die Bibliothek in Wittenberg. Im Auftrag Friedrichs im Jahr 1512 gegründet, kümmerte sich Georg Spalatin zeitlebens um deren Erhaltung und Erweiterung. Diesbezüglich unterbreitete er den Fürsten immer wieder konkrete Vorschläge. So regte er beispielsweise nach Abschluss der Universitätsreform 1526 bei Kurfürst Johann an, überschüssige Gelder aus dem Allerheiligenstift für Bücherkäufe und zur Anstellung eines Bibliothekars zu verwenden.64 Zu einer Umsetzung des Vorschlags kam es jedoch erst Jahre später unter der Regierung Johann Friedrichs. Eine Vokalkapelle, die unter Friedrich dem Weisen nach dem Vorbild der kaiserlichen Hofkantorei Maximilians I. gegründet wurde, löste Johann 1526 auf.65 Er begründete diesen Schritt gegenüber Luther damit, dass die Kapelle „mit den itzigen Gesellen und Knaben fast ubel gestimbt und versehen sei, wie wir solchs selbs täglichs im Singen horen“ und „daß man mit der Unkostung, damit sie bisher haben erhalten mussen werden, nach Gelegenheit aller Umbständig wohl etwas Bessers […] ausrichten konnen.“ 66 Bedenkt man, dass Friedrich äußerst stolz auf seine Kapelle war, sie stetig ausbauen ließ und gern auswärtigen Gästen präsentierte,67 dann lassen sich die von Johann beschriebenen Verhältnisse nur damit erklären, dass es den Musikern nach Friedrichs Tod an Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Pflege mangelte. Sicher darf man beim direkten Übergang einiger Lieblingsprojekte Friedrichs auf seinen Neffen nicht aus den Augen verlieren, dass es eine enge Verbindung zwischen Georg Spalatin und seinem einstigen Schüler Johann Friedrich gab. Dieser Umstand wird es Spalatin wohl sehr erleichtert haben, ihm diese ans Herz zu legen. Trotzdem lässt sich ein gewisses Desinteresse Johanns an diesen Dingen nicht leugnen. Damit lässt sich auch die Sorge Luthers 1525 erklären, dass nach der Regierungsübernahme Johanns am Hof kein ausreichendes Interesse mehr an der 63 Robert BRUCK, Friedrich der Weise als Förderer der Kunst, Strassburg 1903, S. 237. 64 Vgl. Paul DREWS, Spalatiniana, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 19 (1898), S. 69–98, hier Nr. 24 (Zwen artikel der man gegen meinem Gnedigsten Hern dem Churfursten zu Sachssen vnterteniglich gedencken soll, Ende Januar 1526). Der Vorschlag wurde über Hans von Dolzig, der vom Kurfürsten mit der Durchführung der Universitätsreform betraut worden war, übermittelt. Vgl. ebd., Nr. 23. 65 Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 474, Anm. 804; MBW, Nr. 467 (Melanchthon an Johann, 20. Juni 1526). 66 WA Br, Bd. 4, Nr. 1021 (Johann an Luther, 22. Juni 1526). 67 Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 99f.
PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT
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Universität Wittenberg bestünde, die zwingend einer Reform bedurfte, um sie vor dem Niedergang zu bewahren. Zwar sollte sich bald herausstellen, dass Luthers Sorgen unbegründet waren, allerdings geben seine Schreiben klar zu erkennen, dass er das Umfeld des Kurfürsten als eher bildungsfeindlich einschätzte.68 In der Tat scheint Johann bei der Gründung der Universität Wittenberg keine besondere Rolle gespielt zu haben, Kurfürst Friedrich arbeitete in dieser Frage sehr viel enger mit seinem Bruder Ernst, dem Erzbischof von Magdeburg, zusammen. Ihm kam schließlich eine tragende Rolle beim Aufbau und der personellen Beschickung der jungen Universität zu.69 Lediglich die Sophienburse, die Johann in Erinnerung an seine 1503 verstorbene Frau Sophia von Mecklenburg in Wittenberg bauen ließ, zeugt davon, dass er nicht völlig unbeteiligt war.70 Nicht wesentlich anders fallen die Befunde zum Bau des Wittenberger Schlosses aus. Auch wenn sich für die ersten zehn Jahre nach dem Baubeginn 1491 nur wenige aktenkundige Nachrichten über den Fortgang, den Umfang und die Organisation der Arbeiten erhalten haben, so weisen die zahlreichen späteren Rechnungen darauf hin, dass es wiederum in erster Linie Friedrich gewesen zu sein scheint, der sich um den Bau gekümmert hat.71 Im Jahr 1525 berichtete der Schosser Valten Forster, dass der Schlossbau meistenteils fertig sei. Allerdings ließ Johann das Schloss ab 1526 zusätzlich befestigen und wehrhafter umbauen. Diese Aktivitäten standen in Zusammenhang mit der Angst vor einem Angriff des Kaisers bzw. durch die mit ihm verbündeten katholischen Stände. Die Umbauten, welche die Stadt auf eine mögliche Belagerung vorbereiten sollten, brachten jedoch Schwierigkeiten mit sich. Zum einen ließ der dafür notwendige Abriss der alten Stadtmauer die Stadt über lange Zeit schutzlos daliegen und zum anderen erforderte der Platzbedarf für den Aufbau eines neuen Schutzwalls den Abriss zahlreicher Bürgerhäuser. Auch Luther war von diesen Veränderungen betroffen, über welche er 1532 hart urteilte: „[…] unser guter Fürst lässt sich von seinen Edelleuten täuschen, von denen er beschwatzt worden ist, die steinerne Mauer dieser Stadt niederzureißen und eine andere an ihrer Stelle zu machen, die aus Sand ist.“72 Diese Beispiele sollen genügen, um die Schwierigkeiten der Historiker zu veranschaulichen, neben den hell leuchtenden Sternen Friedrich und Johann 68 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 870 (Luther an Johann Friedrich, 20. Mai 1525). 69 STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 195f. 70 In der Sophienburse wohnten nicht nur Studenten, sondern es wurden auch Vorlesungen der Juristen darin gehalten. Vgl. Helmar JUNGHANS, Martin Luther und Wittenberg, München/Berlin 1996, S. 56. 71 Vgl. Heinrich HEUBNER, Der Bau des kurfürstlichen Schlosses und die Neubefestigung Wittenbergs durch die Kurfürsten Friedrich den Weisen, Johann den Beständigen und Johann Friedrich den Großmütigen, Wittenberg 1936, S. 10f. 72 Vgl. ebd., S. 49. Als wichtigste kurfürstliche Beamte waren Hans von Dolzig und Nickel von Ende mit diesem Projekt betraut.
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1. EINLEITUNG
Friedrich die Strahlkraft Johanns auszumachen. Dies gilt für die Zeit der gemeinsamen Regierung in besonderem Maße. Da Friedrich grundsätzlich dazu neigte, alles Wichtige im persönlichen Gespräch zu klären und Briefen aus Angst, sie könnten in falsche Hände geraten, lediglich das diplomatisch vertretbare anzuvertrauen,73 verwundert es kaum, dass Johann in den Quellen nur selten in Erscheinung tritt, zumal die bis Ende 1513 praktizierte gemeinsame Hofhaltung hinreichend Gelegenheit zur persönlichen Unterredung bot. 74 Da alle Anordnungen in beider Namen ausgingen, lässt sich der Anteil Johanns an der Entscheidungsfindung tatsächlich kaum ausmachen.75 Hinzu tritt der Umstand, dass Johann offensichtlich keine ernsthaften Ambitionen hegte, in die Regierungsverantwortung eingebunden zu werden,76 eine Gemütslage, die er mit seinem Vetter Herzog Heinrich von Sachsen teilte.77 Es scheint, als hätte Johann dem Bruder zwar jederzeit als Ratgeber und Helfer zur Verfügung gestanden,78 jedoch nur, wenn Friedrich dies von sich aus wünschte. Hatte er sich entschieden, Aufgaben an Johann zu übertragen, stellte er ihm stets erfahrene Räte und klare Handlungsanweisungen zur Seite. Im Gegensatz zu Herzog Johann Friedrich, der bei seinen ersten Erfahrungen auf der politischen Bühne den eng begrenzten Handlungsrahmen, welchen die Instruktionen des Vaters ihm vorgaben, als durchaus hinderlich empfand,79 scheint Johann die Vorgaben Kurfürst Friedrichs nicht als Einschränkung seiner Entscheidungsfreiheit begriffen zu haben, sondern als gern gesehenen Rat und Entscheidungshilfe. So schätzte Johann am Ende der Regierungszeit Friedrichs die Gefahrenlage, die sich 1525 aus den Erhebungen der Bauern ergab, deutlich realistischer ein als sein Bruder, blieb aber 73 Vgl. WESTPHAL, Die Korrespondenz zwischen Kurfürst Friedrich und Nürnberg, S. 17, STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 4. 74 Auch nach der Mutschierung und der damit verbundenen Residenznahme Johanns in Weimar zog Friedrich es vor, sich in wichtigen Angelegenheit lieber persönlich mit Johann zu besprechen. So lässt sich beispielsweise feststellen, dass es nahezu vor und nach jedem Reichstagsbesuch Friedrichs zu einem Treffen mit dem Bruder kam. Ebenso begab sich Friedrich in der heiklen Situation der Wittenberger Bewegung Anfang 1522 zu Johann nach Thüringen. 75 Vgl. Volker GRAUPNER, Die ernestinischen Fürsten im Thüringer Bauernkrieg, in: Günter VOGLER (Hg.), Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald, Stuttgart 2008, S. 283– 298, hier S. 285. 76 Vgl. Jörg ROGGE, Herrschaftsweitergabe, Konfliktregelung und Familienorganisation im fürstlichen Hochadel, Stuttgart 2002, S. 294f. 77 Ebd., S. 321. 78 Da Friedrich kein Freund von Verhandlungen mit den Landständen war, übertrug er diese Aufgabe gern an Johann. So beispielsweise 1495, als es in Altenburg um die Bewilligung einer Landsteuer ging. Vgl. Uwe SCHIRMER, Das Amt Grimma 1485–1548, Beucha 1996, S. 47. 79 Vgl. Kapitel 2.4.
PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT
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der bisherigen Manier treu, sich der kurfürstlichen Empfehlung unterzuordnen.80 Erst als es zur direkten Bedrohung der Herrschaft und der Untertanen kam und Friedrich darüber hinaus zu krank war, um dagegen vorzugehen, nahm Johann das Heft des Handelns in die Hand und bereitete militärische Maßnahmen vor,81 die er bereits vor Wochen vorgeschlagen hatte.82 So war die Verbundenheit der Brüder zweifelsohne über die Verantwortung für das Kurfürstentum hinaus vor allem geprägt durch die gemeinsame Leidenschaft für das Turnier83 und die Jagd,84 eine tiefe Frömmigkeit85 und die Fürsorge um den über lange Zeit einzigen legitimen Nachfolger Johann Friedrich.86 80 Friedrich stand militärischen Maßnahmen eher ablehnend gegenüber, vgl. Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland (im Folgenden: AGBM), Bd. 2, hg. von Walther P. FUCHS, Jena 1942, Nr. 1162 (Friedrich an Johann, nach dem 10. März 1525). 81 Das Aufgebot Johanns an den thüringischen Adel und die Städte vom 26. April 1525 vgl. ebd., Nr. 1210a. 82 Vgl. ebd., Nr. 1161 (Johann an Friedrich, 10. März 1525). 83 Sich erfolgreich im Turnier zu bewähren, war für junge Fürsten dieser Zeit obligatorisch, doch scheinen die Brüder auch darüber hinausgehend große Freude an Ritterspielen und Schützenfesten gehabt zu haben. Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 486, Anm. 865, 871. So ist ein Gedicht von Georg Sibutus überliefert, das ausführlich ein 1508 in Wittenberg abgehaltenes Turnier beschreibt. Darin heißt es: „Mit schneeweißer Feder hat der Herzog sein Haupt geschmückt, und während er im Tanz dahinschreitet, überragt er alle anderen Fürsten... Kurfürst Friedrich aber ist nicht weniger waffenkundig und ebenso kampffreudig wie Herzog Johann. Beide haben schon, als sie noch Knaben waren, im Spiel schwere Kämpfe ausgefochten; sie lernten fremde Kampfsitten auswendig... Diese beiden haben bei uns erstmals die Lanzenkämpfe eingeführt und die Turniere im Kampfrund und die neue Kunst des Kampfes mit gezückten Dolchen.“ Zitiert nach LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 114. 84 Dem Abhalten von Jagden und Turnieren kam im höfischen Leben insgesamt ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert zu, was sich deutlich daran zeigt, dass man auch gern andere Fürsten dazu einlud. Vgl. Thomas LANG, Zwischen Reisen und Residieren: Beobachtungen zum Residenzwechsel des Kurfürsten Friedrich III. von Sachsen, in: Dirk SYNDRAM (Hg.), Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (1463–1525), Dresden 2014, S. 80–91, hier S. 82f. So trafen sich auch Johann und Friedrich mindestens einmal im Jahr, um vorzugsweise in Lochau gemeinsam zu jagen. Der intensive Austausch über Erfolg und Misserfolg bei der Jagd nimmt großen Raum im Briefwechsel der Brüder ein. Vgl. beispielsweise NUB, Kap. 1, Nr. 1 (Friedrich an Johann, 13. August 1520); Theodor KOLDE, Friedrich der Weise und die Anfänge der Reformation, Erlangen 1881, S. 53f., Nr. XIII (Johann an Friedrich, 29. Juli 1523). Welch hohen Stellenwert die Jagd für Johann hatte, zeigt allein die Tatsache, dass er, nachdem er 1532 wochenlang krank und schwach das Bett in Torgau hatte hüten müssen, sich unverzüglich auf die Jagd nach Schweinitz begab, nachdem es ihm endlich besser ging. Vgl. STRUVE, Neu-Eröffnetes historisch- und politisches Archiv, 3. Teil, S. 191f. 85 Zwar begleitete Johann seinen Bruder Friedrich 1493 nicht ins heilige Land, dennoch unternahm er regelmäßig Wallfahrten wie beispielsweise zu den „14 Nothelfern“ bei Jena, nach St. Wolfgang bei Meißen, nach Eicha bei Grimma und nach Wilsnack in der Prignitz.
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1. EINLEITUNG
Mit der durch die Mutschierung 1513 von Friedrich angestrebten stärkeren Beteiligung Johanns an der Regierungsverantwortung wurde schnell klar, dass es Johann tatsächlich vor allem in verwaltungstechnischen Dingen an Erfahrung und Geschick fehlte. Nachweislich bereiteten ihm vor allem die effektive Kontrolle der Ämterverwaltung in Thüringen87 sowie effizientes Haushalten, um die Schuldenlast in den Griff zu bekommen, große Schwierigkeiten.88 Auch an dieser Stelle wird in der Literatur gern der Gegensatz zu Friedrich und vor allem Johann Friedrich betont, den Hans-Stephan Brather als außerordentlich befähigten Verwaltungspraktiker beschreibt, der bereits in seiner Kurprinzenzeit erkannt habe, dass am Hofe alles nach einer organisatorischen Neuregelung drängte.89 Dass sich im Laufe der Regierungszeit Johanns daran wenig änderte, zeigen der Landtag im Januar 1531 in Zwickau sowie der Ausschusstag im März 1531 in Torgau. Hier musste sich der Kurfürst gegenüber der Landschaft für seine schlechte Haushaltsführung verantworten. Dabei lautete der Vorwurf der Ausschussmitglieder, dass die Ursache dafür, dass die Einnahmen die Kosten nicht decken würden, in schlechter Rechnungsführung zu suchen sei. Am Ende kam man zu dem Schluss, es sei „wol anzunehmen, dass die beschwerung des kammerguts aus großer unordnung herrure“. 90 Ebenso geht aus der Hofordnung, die aus diesem Grund neu ausgearbeitet wurde, hervor, dass sich am Hofe Johanns eine gewisse „Unehrbarkeit und Unzucht“ breitgemacht hatte, die nach Ansicht der Landschaft abzustellen sei, da der Hof Vorbildcharakter haben müsse. 91 Diese Bestands-
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Vgl. Georg BUCHWALD, Zur mittelalterlichen Frömmigkeit am Kursächsischen Hofe kurz vor der Reformation, in: Archiv für Reformationsgeschichte 27 (1930), S. 62–110, hier S. 66, 69, 92 sowie Hartmut KÜHNE/Anne-Katrin ZIESAK (Hg.), Wunder, Wallfahrt, Widersacher. Die Wilsnackfahrt, Regensburg 2005, S. 33. Auch religiöse Literatur zirkulierte zwischen den Brüdern, in der Reformationszeit handelte es sich dabei häufig um Lutherschriften. Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 601, Anm. 1561. Vgl. dazu Kapitel 4.4. Vgl. Ernst MÜLLER, Die Mutschierung von 1513 im ernestinischen Sachsen, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 14 (1987), S. 173–183, hier S. 181. Vgl. Uwe SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen (1456–1656). Strukturen – Verfassung – Funktionseliten, Leipzig 2006, S. 348. Vgl. Hans-Stephan BRATHER, Die Verwaltungsreformen am kursächsischen Hofe im ausgehenden 15. Jahrhundert, in: Archiv und Historiker. Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft, Hg. von Staatliche Archivverwaltung im Staatssekretariat für innere Angelegenheiten, Berlin 1956, S. 254–287, bes. 278f. Ebenso MÜLLER, Johann Rietesel, S. 213. ELA, S. 218–221, hier S. 219f., Nr. 413. Auf Grundlage der Beschwerden des Ausschusses, dem es jedoch nicht zustand, dem Kurfürsten selbst Vorschläge zu präsentieren, erarbeiteten einige kurfürstliche Räte eine neue Hofordnung, die Johann am 19. März 1531 überreicht wurde. Ebd., S. 221.
PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT
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aufnahme knapp sechs Jahre nach der Regierungsübernahme Johanns fügt sich gut in Schilderungen ein, die den Kurfürsten als jemanden beschreiben, der, offenbar aufgrund mangelnder Menschenkenntnis, einen Personenkreis um sich geschart hatte, der vor allem durch schlechte Amtsführung, Veruntreuung von Geldern und schlechte Beratung des Fürsten auffiel.92 Dies spiegelt sich auch in den Hofhaltungskosten wider, die sich im Laufe der Zeit verdreifacht hatten.93 Dieser Anstieg war teilweise strukturell bedingt, immerhin hatte Johann, anders als der zeitlebens unverheiratete Friedrich der Weise, nicht nur seine jüngeren Kinder aus der Ehe mit Margarethe von Anhalt zu versorgen, sondern auch die Familie seines seit 1526 verheirateten ältesten Sohnes Johann Friedrich. Dennoch ging die Kritik der Landstände in die richtige Richtung, wenn sie bemängelten, dass nachhaltiges Wirtschaften anders auszusehen habe. Denn zwischen 1527 und 1531 war es nur gelungen, einen halbwegs ausgeglichenen Haushalt zuwege zu bringen, indem man Steuermittel zweckentfremdete und die erheblichen Einnahmen, die durch die Auflösung und den Verkauf des Wittenberger Heiltums sowie anderer wertvoller Kirchenschätze realisiert wurden, direkt in die kurfürstlichen Kassen fließen ließ.94 Indessen scheint sich Johann des Umstandes, nicht ausschließlich von vertrauenswürdigen und uneigennützigen Personen umgeben zu sein, durchaus bewusst gewesen zu sein. So berichtet Luther, dass Johann seinen Sohn immer wieder vor dem Adel gewarnt habe, „er wollte sich ja wol fürsehen und fleißig hüten, dass er solchen Vogeln und Schnapphähnlein nicht zu Theile würde, noch in die Hände käme“.95 Auch zu Luther selbst soll er einmal in Torgau gesagt haben: „mein Sohn kennet die Leute noch nicht, er wird sie aber lernen kennen“.96 Johann hatte also seine Erfahrungen machen müssen und war überzeugt davon, dass es auch Johann Friedrich nicht anders ergehen würde. Allerdings zog Johann aus dieser Erkenntnis offenbar andere Konsequenzen als sein Bruder und sein Sohn. Während Friedrich und Johann Friedrich versuchten, möglichst viele Aufgaben selbst zu übernehmen und Entscheidungen weitgehend unabhängig vom Einfluss ihrer Räte zu treffen, 97 neigte Johann scheinbar stärker dazu, Verantwortung abzugeben. So 92 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 215. 93 Ausführlich zu den Finanzen Kurfürst Johanns vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 363–386. 94 Vgl. ebd., S. 376f. 95 WA TR, Bd. 2, Nr. 1731. 96 Ebd. 97 Zwar war mit der Hofratsordnung von 1499 festgelegt worden, dass die Hofräte das Recht hatten, in Routineangelegenheiten ohne Hinzuziehung des Fürsten zu entscheiden und zu siegeln, allerdings ließ sich Kurfürst Friedrich zahlreiche Akten auch auf die Jagd und auf Reisen nachschicken. Vgl. LANG, Zwischen Reisen und Residieren, S. 87. Zur Hofratsordnung vgl. Gustav EMMINGHAUS, Die Hofraths-Ordnung des Kurfürsten Friedrich des
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1. EINLEITUNG
warnte Luther bereits in seiner Predigt am 25. Oktober 1522 in der Schlosskirche zu Weimar davor, den Räten zu sehr zu vertrauen. Zwar sollte man ihren Rat nicht verschmähen, ihnen aber nicht allein das Heft des Handelns überlassen, sondern stets selbst regieren. 98 Wie genau Luther zu dieser Zeit die Verhältnisse in Weimar kannte, ist schwer zu sagen, doch lässt die Deutlichkeit der Worte vermuten, dass er durchaus auf entsprechendes Hintergrundwissen zurückgreifen konnte.99 Auch an der Einsicht, dass die einst gute Ordnung am Hofe unter ihm aus den Fugen geraten war, fehlte es Johann nicht. So sagte er 1531 dem Ausschuss zu, sich darum zu bemühen, eine neue Hofordnung aufzurichten, „damit das unordentliche fressen und sauffen, welchs zu allerley zerruttung […] ursach giebt […] abgestalt werde“.100 Allerdings sah Johann selbst die Ursachen für die Probleme weniger in seiner Gutmütigkeit und Vertrauensseligkeit begründet, sondern in seinen häufigen Abwesenheiten zu Reichstagen und der damit verbundenen Arbeitsbelastung. Dieser kurze, aber recht bezeichnende Aufriss zur Persönlichkeit Johanns mag genügen, um die Fragestellung der Arbeit offensichtlich werden zu lassen: Wie lässt sich das Bild des politisch unerfahrenen, wenig ambitionierten und vermeintlich ungeschickten Herzog Johanns mit dem des Kurfürsten Johann vereinbaren, der augenscheinlich ohne Zögern und aus tiefster Überzeugung unmittelbar nach der Regierungsübernahme damit begann, sowohl die entscheidenden innen- als auch außenpolitischen Regelungen zum Aufbau einer evangelischen Landesherrschaft zu treffen? Zur Klärung dieser Frage, werde ich die ersten Kapitel meiner Arbeit dazu nutzen, mich zunächst den persönlichen Voraussetzungen Johanns und den äußerlichen Gegebenheiten zu nähern. Da kein Fürst voraussetzungslos und ohne die Hilfe und den Rat anderer regiert, ist es von besonderem Interesse, sich gewissermaßen den Erfahrungshorizont Johanns zu vergegenwärtigen, oder anders gesagt: Was waren die Umstände und Strukturen und wer waren die Personen, die ihn beeinflussten und schließlich seine Kirchenpolitik als Alleinregent bestimmten? Dazu zählen einerseits seine Ausbildung, seine gemeinsame Regentschaft mit Friedrich sowie das Verhältnis zwischen ihm, seinem Sohn und seinen Räten. Einen äußerst wichtigen Aspekt bilden die Beziehungen, die Johann Weisen und Herzogs Johanns von Sachsen von 1499, in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 2 (1855/57), S. 97–106. 98 Vgl. WA Werke, Bd. 10/3, S. 382f., Nr. 55. Am Ende seiner Ausführungen, wie sich ein Fürst gegenüber seinen Räten zu halten habe, sprach Luther Johann sogar direkt mit den Worten an: „Ei, ewer gnade sehe mich an, will ewer gnade mir nit glauben?“ 99 Dieses könnte er über Wolfgang Stein oder Veit Warbeck erlangt haben. 100 ELA, Nr. 414.
PROBLEMSTELLUNG DER ARBEIT
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zu den unterschiedlichsten Reformatoren vor allem in Thüringen unterhielt, und die Erfahrungen, welche er im Umgang mit ihnen sammelte. Da die frühe, direkte und persönliche Auseinandersetzung Johanns mit reformatorischen Predigern einen der größten Gegensätze zu Friedrich dem Weisen im Umgang mit der lutherischen Lehre bildet,101 ist dieser Frage das gesamte dritte Kapitel gewidmet. Andererseits spielte zeitlebens das Verhältnis zum engsten Nachbarn und Vettern Herzog Georg eine herausragende Rolle. Kaum ein Fürst beeinflusste das Handeln der Ernestiner in den 1520er Jahren so stark wie der Albertiner. Sowohl der Streit um die Folgen der Leipziger Teilung als auch die Auseinandersetzungen um die lutherische Lehre führten zu überaus prägenden Wechselwirkungen, die eine ausführlichere Betrachtung, selbstverständlich mit dem Fokus auf das reformatorische Geschehen, verdienen. Ausgehend von diesen Voraussetzungen werde ich in den beiden großen Kapiteln fünf und sechs das kirchenpolitische Handeln Johanns ab 1525 sowohl auf innen- als auch reichspolitischer Ebene analysieren. Dabei ist die eher schlaglichtartige Beleuchtung einiger innenpolitischer Maßnahmen, wie beispielsweise der Landesvisitationen, einem bereits verhältnismäßig guten Forschungsstand geschuldet. Einer dagegen sehr ausführlichen und umfangreichen Untersuchung habe ich die Rolle Johanns im Bereich der Reichstags- und Bündnispolitik unterzogen, da die hieraus resultierenden Entwicklungen den Hintergrund für das Schicksal Kursachsens unter der Regierung Kurfürst Johann Friedrichs bilden. Im Anschluss daran werde ich mich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit und wie stark die Wittenberger Theologen Einfluss auf das politische Handeln Johanns nahmen. Dieser Aspekt ist in Anbetracht der Tatsache, dass gerade deren Einwirkung auf die Politik unter der Regentschaft Johanns als ausnehmend hoch eingeschätzt wird, von besonderem Interesse. Als Quellengrundlage für meine Arbeit dienten vornehmlich Quellen aus dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar, den Deutschen Reichstagsakten, den Briefwechseln Luthers und Melanchthons sowie den Akten und Briefen zur Kirchenpolitik Herzog Georgs. Obwohl das ausgewertete Quellenmaterial teilweise bereits seit langem bekannt bzw. durch Akteneditionen allgemein zugänglich ist, fehlen, wie bereits ausgeführt, in der bisherigen Forschung Ansätze, moderne und sich speziell auf Johann beziehende Fragestellungen an das Material zu richten. Dies trifft in besonderem Maße auf kleinere Editionen zu, die vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert angefertigt und in Zeitschriften veröffentlicht wurden. Diese fristeten nicht selten als verdienstvolle Fleißarbeiten ihr Dasein, ohne jemals systematisch ausgewertet und in Zusammenhang mit anderen Quellen gestellt zu werden. 101 Bekanntermaßen vermied es Kurfürst Friedrich zeitlebens, direkte Kontakte zu Luther oder anderen Reformatoren zu unterhalten.
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1. EINLEITUNG
Durch die systematische Auswertung, der teilweisen Neuinterpretation und Verknüpfung der Quellen und der Sekundärliteratur soll mit dieser Untersuchung die bisherige Forschungslücke zur Kirchenpolitik Herzog Johanns geschlossen werden. Wie in der Problemstellung zu meiner Arbeit angedeutet, verbleiben sowohl auf dem Feld der Innen- als auch der Außenpolitik weitere interessante Themenkomplexe zur Regierungszeit Johanns, die aber in diesem Rahmen keine Beachtung finden konnten.
2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
In diesem Kapitel möchte ich mich zunächst der Person Johanns nähern. Welche Ausgangsbedingungen bestimmten sein Handeln? Wie gestalteten sich die Beziehungen zu seinem Bruder Kurfürst Friedrich dem Weisen und seinem Sohn und Nachfolger Herzog Johann Friedrich? Wer waren unter den Räten seine engsten Berater und Vertrauten? Diese Fragen zunächst zu klären, ist von großer Wichtigkeit, denn kein Herrschaftsträger steht völlig für sich allein und agiert völlig eigensinnig. Jeder wird beraten, beeinflusst und vielleicht auch manipuliert. Diese Fragen stellen die Leitlinien des folgenden Kapitels dar.
2.1. Jugend und Bildung Herzog Johanns JUGEND UND BILDUNG HERZOG JOHANNS
Herzog Johann wurde am 30. Juni 1468 in Meißen als fünftes Kind und vierter Sohn seiner Eltern Kurfürst Ernst und Elisabeth von Bayern geboren. Die Informationen, die wir über seine Kindheit, Jugend und Ausbildung besitzen, sind sehr spärlich.1 Doch sicher lassen sich einige Erziehungs- und Bildungsmuster der Hof- und Fürstenwelt des ausgehenden Mittelalters auf Johann übertragen. So wird auch er, wie es für fürstliche Kinder normalerweise üblich war, seine ersten sieben Lebensjahre im Kreis des Frauenzimmers, also im unmittelbaren Umfeld der Eltern bzw. der Mutter verbracht haben. Durch sie erfolgte üblicherweise auch die frühe Erziehung, wobei sie häufig durch Hauslehrer und Kapläne unterstützt wurde.2 Darüber hinaus werden Johann und seine Geschwister ziemlich sicher bereits über einen kleinen Hofstaat verfügt haben, dem Kindermädchen, Hofmeister bzw. Hofmeisterin, Narren, Edelknaben und andere Bedienstete angehörten. Da man bis 1482 in einer gemeinsamen Hofhaltung zusammen mit der Familie
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Dies lässt sich ganz allgemein für diese Zeit feststellen, was viel Raum gab, um über den Bildungsumfang verschiedener Herrscher zu spekulieren. Vgl. Gerrit DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen. Höfische Erziehung im ausgehenden Mittelalter (1450–1550), Berlin 2012, S. 68. Herzog Georg von Sachsen legte in seinem ersten Testament vom 19. Dezember 1510 fest, dass seine Kinder bis zum achten Lebensjahr von der Mutter zu erziehen seien. Dies kann durchaus als Reflexion auf seine eigene Kindheit und die Gepflogenheiten an den wettinischen Höfen gedeutet werden. Vgl. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 81.
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
Herzog Albrechts lebte,3 waren sicher auch dessen Kinder in den Hofstaat eingebunden.4 In diesen frühen Kindheitsjahren spielte vor allem die christliche Unterweisung der Jungen und Mädchen die größte Rolle, da sie als Beginn aller Erziehung galt. Das Aufsagen und Einprägen der wichtigsten Gebete und Sakramente war auch für die Jüngsten ganz selbstverständlicher Teil des Tagesablaufs an einem von mittelalterlicher Frömmigkeit geprägten Hof. 5 Aber auch die Vermittlung christlicher Werte wie Demut und Mildtätigkeit gehört in diesen Kontext. Wie prägend sich diese Erziehung auf Johann auswirkte, belegen seine späteren Ausgaben für alltägliche Frömmigkeit, 6 seine Predigtnachschriften 7 sowie sein Andachtsbüchlein.8 Luther berichtet sogar, dass ihm seine im Hof-
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Bis etwa 1474 wechselte das Hoflager zwischen den Orten Torgau, Meißen, Leipzig und Schellenberg, danach konzentrierte man sich zunehmend auf Dresden. Aufgrund der größer gewordenen Familien und der daraus resultierenden Zunahme an Hofpersonal wurde die Wohnsituation in Dresden jedoch inakzeptabel, sodass man sich 1482 für eine Trennung der Hofhaltungen entschied. Herzog Albrecht bezog mit seiner Familie das Schloss Torgau. Diese Trennung führte jedoch bald zur Entfremdung und zu Misshelligkeiten zwischen den Brüdern. Vgl. ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 213–218. Das erstgeborene Kind Herzog Albrechts und Herzogin Sidonias war Katharina, die kurz nach Herzog Johann am 24. Juli 1468 in Grimma das Licht der Welt erblickte. So mangelte es im Umfeld Johanns nicht an etwa gleichaltrigen Spielkameraden. Zu Katharina gesellten sich Johanns ein Jahr älterer Bruder Albrecht, sowie seine ein Jahr jüngere Schwester Margarethe. Auch der drei Jahre jüngere Cousin Georg mag noch in den Kreis der engeren Spielkameraden hineinzuzählen sein. Vgl. DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 97. Die Ausgaben beziehen sich im Wesentlichen auf Almosen, Spenden, Seelmessen und Wallfahrten. Vgl. dazu die Auswertungen der entsprechenden Rechnungsbücher bei BUCHWALD, Zur mittelalterlichen Frömmigkeit, S. 62–110. Auch der Kurprinz Johann Friedrich wurde in diesem Sinne erzogen. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 12. Vgl. Forschungsbibliothek Gotha, Chart. B 1561, Zwei Predigtnachschriften Kurfürst Johanns vom Ostersonntag und -montag zwischen 1523 und 1527. Wahrscheinlich handelt es sich um Predigten, die Johann Voit gehalten hat, vgl. Otto CLEMEN, Johann Voit, Franziskaner zu Weimar, erster evangelischer Pfarrer zu Ronneburg, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 30 (1909), S. 434–443, hier S. 440. Vgl. Forschungsbibliothek Gotha, Memb. II 150. Dabei handelt es sich um eine eigenhändig von Johann angelegte Sammlung, die Gebete, Andachten und Schriften enthält, die ihm besonders lieb und wichtig waren. Es beeinhaltet neben Glaubenssprüchen, Gebeten und Liedern auch zahlreiche Lutherschriften wie beispielsweise: das Gebet König Manasses zur Vorbereitung auf die Beichte, Teile des Sermons von der Betrachtung des heiligen Leidens Christi, Sermon von der Bereitung zum Sterben, Auszüge aus Luthers Betbüchlein von 1522 (Zehn Gebote, Glaubensbekenntnis, Vaterunser, Ave Maria) sowie Auszüge aus dem kleinen Katechismus Luthers. Insgesamt handelt es sich mehrheitlich um evangelische Volksschriften, die sich großer Popularität erfreuten.
JUGEND UND BILDUNG HERZOG JOHANNS
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dienst stehenden sechs Edelknaben täglich sechs Stunden aus der Bibel vorlesen mussten.9 Erste Nachrichten, welche die Ausbildung der Söhne Ernsts und Elisabeths anbelangen, sind uns aus dem Jahre 1471 überliefert. Am 17. Februar 1471 erteilte Kurfürst Ernst seiner Mutter Margarethe von Österreich sein Einverständnis, die Erziehung der Söhne zu übernehmen, was im Vorfeld bereits mündlich besprochen worden war. Nun bat er die Großmutter, die Söhne selbst in Dresden abzuholen, da die Hofmeisterin seiner Frau, welche die Kinder ursprünglich nach Grimma begleiten sollte, unabkömmlich sei.10 Lange blieben die Jungen jedoch nicht dort, schon am 14. August 1472 gab die Kurfürstenwitwe Margarethe ihrem Sohn Kurfürst Ernst auf dessen Wunsch mit Bedauern ihre Zustimmung, die beiden ihr anvertrauten Enkelsöhne zukünftig von gelehrteren Leuten unterrichten zu lassen. „So wir aber vorstehen, das uwer liebe willen had, sie mit gelarten luten furderlicher dann wir haben getan zcu underweisung der schrifft kunst, zcucht und togunt wullen lassen zcu zcihen, gefellet uns sulch furnemen zcumale wol, und sal von uns nicht gehindert werden.“11 Da hier von der Unterweisung in der ‚schrifft kunst‘ die Rede ist, lässt sich wohl die Teilnahme des erst dreijährigen Johann am Unterricht ausschließen. Auch der Hinweis, dass es sich nur um zwei Söhne handelte, die sich in Grimma aufhielten, lässt es insgesamt sehr fraglich erscheinen, dass Johann hier bereits mit dabei war.12 Diese kurze Episode zeigt jedoch, dass man zum einen Margarethe durchaus zutraute, für eine Weile die Erziehung der gerade ins Knabenalter gelangten Söhne zu übernehmen, und zum anderen, dass zwischen Großmutter und Enkelkindern eine liebevolle und enge Verbindung bestand, was sicherlich auch für die jüngeren Geschwister galt.13 9 WA TR, Bd. 6, Nr. 6959. 10 Aus dem Brief geht nicht hervor, welche der vier Söhne Ernsts gemeint sind. Vgl. DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 343. 11 Zitiert nach DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 345. Aus dem Schreiben geht hervor, dass Margarethe ebenfalls das ‚frewlein‘, sehr wahrscheinlich also Christine, die älteste Tochter Ernsts, bei sich erzog. Diese sollte im Gegensatz zu den Söhnen bei der Großmutter bleiben. 12 Die Namen der Enkel werden in den Briefen nicht erwähnt. In seinem Regest zum obengenannten Brief vom 14. August 1472 geht Deutschländer jedoch davon aus, dass Friedrich und Johann gemeint sind. Vgl. DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 344. Ich glaube jedoch, dass es sich um die älteren Brüder Friedrich (* 1463) und Ernst (* 1464) sowie die Schwester Christine (* 1461) handelt, da Johann zu dieser Zeit noch ein Kleinkind war. 13 Margarethe betonte in ihren Briefen häufig, wie gern sie ihre Enkelkinder hatte. Dieser Umstand zeigt auch, dass es am Hofe durchaus Platz für emotionale Bindungen gab, nachdem die Forschung lange Zeit davon ausgegangen war, dass die Vielzahl der Kinder, die hohe Kindersterblichkeit und die Nichttrennung der Kindheit von der Welt der Er-
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
Spätestens seit 1476 wurden Johann und Friedrich zusammen in Rochlitz14 von dem Kaplan Johannes Zehentner erzogen, der wahrscheinlich frühhumanistisch geprägt war und in Verbindung zum Altenburger Kapitel stand.15 Auch wenn wir die Namen nicht kennen, kann als sicher gelten, dass die Brüder gemeinsam mit anderen gleichaltrigen Adligen erzogen wurden, wie es in dieser Zeit üblich war.16 Dass Johann und Friedrich nun weitgehend getrennt von den anderen Brüdern unterrichtet wurden, hat seine Ursache darin, dass sowohl Ernst als auch Albrecht für eine geistliche Laufbahn bestimmt waren. Da jedoch ein Aufenthalt an einem fremden Hof zur Vervollkommnung der Ausbildung für junge Fürsten durchaus üblich war, nutzte Kurfürst Ernst die Möglichkeit, auch Johann und Friedrich, zumindest zeitweise, am Hofe des Mainzer Erzbischofs17 und auch in der erzbischöflichen Residenz zu Halle unterrichten zu lassen. Dagegen findet sich die Behauptung, dass Johann einen großen Teil seiner Jugend am Hofe Kaiser Friedrichs III., also dem Bruder der Großmutter, verbracht haben soll, vor allem in der älteren Literatur.18 Ohne Zweifel dienten diese Zuschreibungen, die sich auch für Friedrich finden lassen,19 der Erhöhung des beschriebenen Herrschers. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, dass Johann eine
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wachsenen keinen Raum für familiäre Liebe ließen. Vgl. DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 68, 79. Dass sich die jungen Fürsten gemeinsam in Rochlitz aufhielten, geht aus einem Brief Herzogin Margarethes an ihren Sohn Ernst vom 19. Mai 1477 hervor, in welchem sie darum bat, dass die Jungen das Pfingstfest bei ihr verbringen dürfen. „[…] uwer liebe wulle uns irlowben und vorgonnen, das wir die hochgebornen fursten, uwer lieben sone, mochten zcu Rochlicz holen lassen diese lobeliche zceit dy pfingisten auß und etliche tage hirnach bey und mit uns zcu Altemburg eine frolichkeit haben […].“ Zitiert nach DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 346. Vgl. ebd., S. 29. Ebenso sind Ausgaben für die in Rochlitz weilenden Kinder belegt. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 125, Anm. 301. Vgl. DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 69f. Einen Hinweis darauf, dass Herzog Heinrich I. von Braunschweig-Lüneburg gemeinsam mit den Brüdern erzogen wurde, gibt ein Schreiben Ernsts als Administrator von Magdeburg an seinen Vater Kurfürst Ernst vom 17. Dezember 1479, in dem er ihn bittet zu erlauben, dass seine Brüder Friedrich und Johann sowie Heinrich über Weihnachten zu ihm auf die Burg Giebichenstein in Halle kommen dürfen. Vgl. DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 347. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 30. Vgl. Carl JAGEMANN, Kurzgefasste Lebensbeschreibung der durchlauchtigsten Herzoge und Churfürsten zu Sachsen, Johann des Standhaften und Johann Friedrichs des Großmüthigen, zweier glorwürdigen Bekenner des Evangelii, Halle, 1856, S. 4. Carl BECKER, Das edle sächsische Fürsten-Kleeblatt oder die Hauptzüge aus dem Leben der drei Kurfürsten Friedrich, Johann und Johann Friedrich, Berlin 1861, S. 124. Vgl. Max TUTZSCHMANN, Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen, ein Lebensbild aus dem Zeitalter der Reformation, Grimma 1848, S. 13.
JUGEND UND BILDUNG HERZOG JOHANNS
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Zeit lang am kaiserlichen Hof weilte, es lassen sich dafür jedoch keine quellenmäßigen Belege finden.20 Was wird nun Gegenstand der Ausbildung gewesen sein? Neben einer weiteren Unterweisung im christlichen Glauben wurde den Jungen das Lesen, Schreiben und Rechnen beigebracht sowie Grundlagen der lateinischen Sprache. Von Friedrich wissen wir, dass er in der Lage war, durchaus den Sinn lateinischer Texte zu erfassen, sich jedoch lieber Übersetzungen ins Deutsche anfertigen ließ.21 Auch Johanns Lateinkenntnisse werden sich in diesem Rahmen bewegt haben. Darüber hinaus wurde den Kindern auch die französische Sprache gelehrt. 22 Die Aneignung von Bildung war in dieser Zeit sehr stark durch das Wiederholen, bis der Schüler die Dinge auswendig konnte, geprägt. So soll auch den Brüdern Johann und Friedrich von ihrem Lehrer Ulrich Kemmerlin so oft aus dem Terenz vorgelesen worden sein, bis sie ihn schließlich auswendig konnten. Auch mit zahlreichen Sinnsprüchen Senecas und Horaz’ soll auf ähnliche Art und Weise verfahren worden sein.23 Was Johann darüber hinaus interessierte, bleibt im Dunkeln. Da sowohl Johann als auch Friedrich ein besonderes Interesse für die Astronomie hegten, wäre es durchaus möglich, dass bereits in der Zeit der gemeinsamen Erziehung erste Grundsteine dazu gelegt wurden. Johann jedenfalls korrespondierte später mit Spalatin über außergewöhnliche Himmelserscheinungen.24 Von besonderer Bedeutung für die Erziehung war aber neben der Entwicklung des Geistes auch die des Körpers. So gehörten Reiten, Fechten und Jagen als wichtige Komponenten zur Ausbildung. Sich im Turnier behaupten zu können und eine gute Figur zu machen, spielte, auch für die Repräsentation im Reich, eine große Rolle. Neben kleineren Turnieren, die zu vielerlei Festlichkeiten abgehalten wurden, sind auch für nahezu jeden großen Reichstag Turniere überliefert. Die Leidenschaft Johanns für das Turnier, die er, wie zahlreiche Briefe belegen, mit seinem Bruder Friedrich teilte, wurde sicher bereits in der Kinder- und Jugendzeit geweckt. Sein erstes Turnier bestritt Johann 1487.25
20 STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 29 und 295. 21 Dieser Umstand wurde in der Literatur unterschiedlich gewertet. Während LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 46, glaubt, dass sich Friedrich mit seinen Lateinkenntnissen in Bezug auf seine Vorfahren und Verwandten im guten Mittelfeld befand, sieht STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 40, diese unvollkommenden Lateinkenntnisse eher in Zusammenhang mit einem mangelhaften Sprachunterricht. 22 Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 46. 23 STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 33f.; DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 293. 24 STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 374, Anm. 480. 25 Ebd., S. 308, Anm. 170.
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
Auch die Herausbildung herrschaftsrelevanter Charaktereigenschaften wie Selbstbeherrschung, Zurückhaltung und Affektkontrolle, die seit dem Altertum als Grundlage der verantwortungsvollen Herrschaft galten, spielte bei der Ausbildung der jungen Fürsten eine große Rolle. In diesem Zusammenhang ist auch das weitere Erlernen, Verinnerlichen und Vervollkommnen höfischer Sitten und Gebräuche zu sehen. Die Einschätzung, welche Bernd Stephan zur Ausbildung Friedrichs gibt, nämlich, dass diese von Verlauf und Ausrichtung her im Wesentlichen der seiner fürstlichen Zeitgenossen glich und in erster Linie praxisorientierte Bildung vermittelte, die keinesfalls als überdurchschnittlich oder als gelehrt zu charakterisieren ist, kann wohl auch für Johann gelten.26 Natürlich muss davon ausgegangen werden, dass allein aufgrund des Altersunterschieds die Erziehung der Geschwister nicht vollkommen gleich erfolgen konnte. Da jedoch offenkundig die gleichen Erzieher und Lehrer dafür zuständig waren und wahrscheinlich mit den gleichen Lehrbüchern gearbeitet wurde, kann jedoch von Parallelen im Unterricht ausgegangen werden. So verschoben sich die Kenntnisse der Kinder vermutlich in erster Linie entsprechend der individuellen Neigungen und Fähigkeiten. Zu dieser theoretischen Wissensvermittlung traten von 1481 an auch zahlreiche Reisen gemeinsam mit dem Vater hinzu, die den Söhnen zur Erweiterung des Horizonts und zum Kennenlernen der später von ihnen zu regierenden Gebiete dienen sollten. Ein sicher sehr einschneidendes Erlebnis stellten die Verhandlungen zur Leipziger Teilung dar, denen Johann und Friedrich gemeinsam mit ihrem Vater vom 20. September 1485 bis zum 17. November 1485 in Leipzig beiwohnten. Auch wenn eine Landesteilung zur damaligen Zeit keine Seltenheit war, besiegelte sie doch die bereits 1482 vollzogene Aufgabe der gemeinsamen Hofhaltung, jener Form des Zusammenlebens, die den Geschwistern von klein auf geläufig war. Einen nicht minder großen Eindruck wird die Reise zur Königswahl Maximilians nach Frankfurt 1486 auf Johann und Friedrich gemacht haben. Die sich anschließenden Krönungsfeierlichkeiten in Aachen, wo die beiden jungen Männer zusammen mit anderen jungen Fürsten den Ritterschlag erhielten, stellten mit Sicherheit einen absoluten Höhepunkt dar.27 Man geht nicht fehl in der Annahme, dass die Ausbildung Johanns mit dem Tod des Vaters und der Übernahme der gemeinsamen Regentschaft mit Friedrich im August 1486 als abgeschlossen betrachtet werden kann. Einen zweifelsohne wichtigen Einschnitt stellte Johanns Vermählung mit Sophia von Mecklenburg dar, die vom 1. bis zum 5. März 1500 in Torgau gefeiert
26 Ebd., S. 247. 27 STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 39.
GEMEINSAME HERRCHAFT MIT KURFÜRST FRIEDRICH III.
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wurde.28 Zwar befand sich Johann mit 31 Jahren in nicht mehr jugendlichem Alter, doch die fortwährende Ehelosigkeit seines Bruders zeigte ihm die Verantwortung auf, die auf ihm ruhte, nämlich den Fortbestand der Dynastie zu sichern.29 Gut drei Jahre später schenkte ihm Sophia den ersehnten Stammhalter, starb jedoch kurz nach der Geburt Johann Friedrichs im Wochenbett. Der Tod seiner ersten Ehefrau fügte sich für Johann in eine Reihe von Todesfällen ein, die er seit seiner Kindheit hatte erleben müssen und die ebenfalls sein Wesen geprägt haben werden.30
2.2. Gemeinsame Herrchaft mit Kurfürst Friedrich III. und landesherrliches Kirchenregiment vor 1517 GEMEINSAME HERRCHAFT MIT KURFÜRST FRIEDRICH III.
Mit seinem Bruder in dem Schicksal vereint, nach dem plötzlichen Tod des Vaters 1486 die Regierungsverantwortung übernehmen zu müssen, regierten Friedrich und Johann viele Jahre einvernehmlich und scheinbar ohne größere Konflikte.31 Offenbar stand dahinter eine klare Verteilung der Rollen, die Johann dazu bestimmte, das Gros aller innen- und außenpolitischen Entscheidungen dem älteren und damit ranghöheren Bruder zu überlassen. Dennoch agierten die Brüder vor allem in den ersten zwölf Jahren ihrer Herrschaft auf dem Feld der Reichspolitik gemeinsam. Erstmals als regierende Fürsten zeigten sie sich auf dem Nürnberger Reichstag 1487, wo sie am 23. April vom Kaiser belehnt wurden. Dabei diente die Einladung aller Fürsten zu einem am 3. Juni abgehaltenen Schauessen, dem ein
28 Vgl. BURKHARDT, Die Vermählung des Herzogs Johann von Sachsen 1. bis 5. März 1500, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 15 (1884), S. 283–298, STRUVE, Neu-Eröffnetes Historisch- und Politisches Archiv, 3. Teil, S. 46–98. Die Beschreibung der Hochzeit und des Beilagers ist ein Inserat in der Lebensbeschreibung Johanns. Das Original im LATh-HStA Weimar, Reg. O, Nr. 24, fol. 45r–69v. 29 Wohl um die besondere sittliche Erhabenheit Johanns herauszuheben, vermerkt Spalatin: „Man hats auch dafür gehalten, das dieser Churfürst bis auf sein erst ehelich Beilager nie keines Weibs sei schuldig worden.“ STRUVE, Neu-Eröffnetes Historisch- und Politisches Archiv, 3. Teil, S. 46. 30 Im Jahr 1478 starb Johanns jüngster Bruder Wolfgang, 1484 seine Mutter Elisabeth und sein Bruder Albrecht, 1486 sein Vater Ernst und seine Großmutter Margarethe. Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 375. 31 Kurfürst Ernst starb am 26. August 1486 an den Folgen eines Reitunfalls. Obwohl erst ein Jahr zuvor mit der Leipziger Teilung die gemeinsame Regentschaft mit seinem Bruder Albrecht ein Ende gefunden hatte, bestimmte er in seinem Testament, dass seine Söhne Friedrich und Johann im Kurfürstentum gemeinsam regieren sollten. Vgl. ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 243f. Das Originaltestament Ernsts im LATh-HStA Weimar, Reg. D, Nr. 2, fol. 91.
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
Tanzabend folgte, in erster Linie Repräsentationszwecken. 32 In den Jahren 1489/90 reisten Johann und Friedrich nach Österreich, wo sie sich einige Zeit am Hof in Innsbruck aufhielten. 33 Den Reichstag in Nürnberg 1491 besuchten wiederum beide Brüder und frönten an dessen Rand ihrer Turnierleidenschaft mit König Maximilian. Danach trennten sich ihre Wege, während Friedrich die Heimreise antrat, blieb Johann offenbar beim Gefolge des Königs und reiste durch Österreich.34 Auf seinem Weg ins Heilige Land machte Friedrich der Weise 1493 kurz vor dessen Tod noch in Linz bei Kaiser Friedrich III. Station.35 Die Behauptung Spalatins, Johann wäre bei diesem Besuch ebenfalls dabei gewesen, da er den Bruder auf dem Weg nach Jerusalem bis nach Venedig begleitet hätte,36 lässt sich anhand des Rechnungsbuchs von Hans Hundt nicht belegen.37 Die sich seit 1494 abzeichnende engere Bindung Friedrichs an König Maximilian, in welcher er „ein Weil allein, ein Zeit zusammt […] Herzog Johannsen […] des Römischen Kaisers Maximilian Hof und viel Jahr in obern und niedern deutschen Landen zu Dienst gefolget“,38 gipfelte schließlich Ende 1496 in der Übernahme des Reichsvikariats.39 Gemeinsam trafen Johann und Friedrich Anfang Januar 1497 in Innsbruck ein, von wo aus sie erst Wochen später über die Alpen nach Mailand zogen. Immer wieder mussten sich die Brüder in der Zeit, in der sie sich im Gefolge des Königs aufhielten, Geld leihen.40 Im Jahr 1498 trennten sich die Wege der Brüder, Johann begleitete den König auf seinem Zug durch die Freigrafschaft Burgund und Lothringen, im Oktober 1498 machte er sich auf den Weg nach Löwen. Dort erreichte ihn eine Nachricht des Bruders, der als ständiger Statthalter des Königs im neugeschaffenen Hofrat beim königlichen Hofstaat zurückgeblieben war, in der er zur Heimreise drängte. Sofort machte sich Johann auf den Weg in den Breisgau, von wo aus beide im November 1498 zurück nach Kursachsen auf-
32 Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 141. 33 Vgl. ebd., S. 143; STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 51, Anm. 227. Der Aufenthalt stand in Zusammenhang mit dem Regierungsantritt Maximilians in Tirol. 34 Die Reise ist belegt für die Zeit vom 1. Dezember 1491 bis 24. Februar 1492. Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 51. 35 Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 144. 36 Vgl. NEUDECKER/PRELLER, Friedrichs des Weisen Leben und Zeitgeschichte, S. 76. Dem folgend Robert BRUCK, Friedrich der Weise als Förderer der Kunst, Strassburg 1903, S. 8. 37 Vgl. Reinhold RÖHRICHT/Heinrich MEISNER, Hans Hundts Rechnungsbuch (1493–1494), in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 4 (1883), S. 37–100. Eventuell verleitete der Umstand, dass Hans Hundt die Reisegefährten des Kurfürsten gelegentlich in der Rechnung „brudern“ nennt, spätere Autoren dazu, Spalatins Aussage bestätigt zu sehen. 38 Zitiert nach LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 145. 39 Zur Problematik, dass es sich nicht um ein Vikariats- sondern um ein Statthalteramt handelte vgl ebd., S. 154f. 40 Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 306.
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brachen. 41 Diese hastige Abreise vom Königshof stellt auch einen Einschnitt bezüglich der gemeinsamen Betätigungen der Brüder in der Reichspolitik dar. Von nun an war es fast ausschließlich Friedrich allein, der sich in diesen Angelegenheiten ins Reich begab. Dies gilt sowohl für Reichstage und Kurfürstenzusammenkünfte als auch für seine Verpflichtungen, die ihm im Rahmen der Übernahme der Statthalterschaft des Königs am gerade gegründeten Reichsregiment in den Jahren 1500 bis 1502 entstanden. Ausnahmen bildeten lediglich die Reichstage in Köln 1505 und in Worms 1521. Dorthin reisten Johann und Johann Friedrich dem Kurfürsten für eine kurze Zeit hinterher.42 Einen immer höheren Stellenwert nahm indessen die Innenpolitik ein. Inwieweit Johann an der Einführung der neuen Hofratsordnung 1499 beteiligt war, lässt sich schwer bestimmen, es ist jedoch anzunehmen, dass es in erster Linie Friedrich war, der dieses Projekt betrieb. Schließlich war er derjenige gewesen, der am königlichen Hof 1497 die Ausarbeitung der neuen Hofratsordnung unmittelbar miterlebt hatte und als ständiger Hofratsstatthalter Teil derselben war. Daraus erwuchsen ihm Fachwissen und Detailkenntnisse, die Johann nicht haben konnte. 43 Hinzu kommt, dass Friedrich ein wesentlich größeres Interesse an derartigen administrativen Angelegenheiten als Johann hatte. In der Literatur lassen sich zahlreiche Hinweise finden, die Johann mangelndes Geschick und Interesse für verwaltungstechnische Dinge bescheiden.44 Von wesentlich größerem Interesse als Johanns Tätigkeiten in der Landesverwaltung ist für unser Thema jedoch die Frage nach dem landesherrlichen Kirchenregiment der Gebrüder vor 1517. Vorauszuschicken ist hierbei die Anmerkung, dass es uns in diesem Zusammenhang an eigenständigen Quellen für Johann mangelt, sodass wir davon ausgehen müssen, dass die kirchenpolitischen Grundsätze Friedrichs 41 Vgl. Hans Stephan BRATHER, Die Verwaltungsreformen am kursächsischen Hofe im ausgehenden 15. Jahrhundert, in: Archiv und Historiker. Studien zur Archiv- und Geschichtswissenschaft. Zum 65. Geburtstag von Heinrich Otto Meissner, hg. von der Staatlichen Archivverwaltung im Staatssekretariat für innere Angelegenheiten, Berlin 1956, S. 254–287, hier S. 272, Anm. 59. Maximilian hatte die Errichtung des Hofrates in betontem Gegensatz zu den reformeifrigen Fürsten und zu Berthold von Mainz’ Ansprüchen als Reichserzkanzler vorangetrieben. Die Stelle des Statthalters, welche Friedrich einnahm, war vom König von vornherein unter politischen Absichten geschaffen worden. Nach Friedrichs Weggang blieb sie unbesetzt. Zu den Gründen des Weggangs vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 168–174. 42 Vgl. den diesbezüglichen Schriftwechsel Johanns mit Friedrich in: NUB, Kap. 1, Nr. 7–17. Zum Kölner Reichstag vgl. RTA MR, Bd. 8,2, S. 1139. 43 Offenbar brachte sich Friedrich Kopien der königlichen Hofratsordnung mit nach Kursachsen, aus der er dann 1499 einige Abschnitte wortwörtlich übernahm, andere den kursächsischen Gegebenheiten anpasste. Vgl. BRATHER, Kursächsische Verwaltungsreformen, S. 272–276. 44 Vgl. ebd., S. 268, 278 sowie Abschnitt 1.3.
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des Weisen in dieser Zeit auch die Herzog Johanns waren. Einleitend kann gesagt werden, dass Sachsen am Vorabend der Reformation zu den Territorien gehörte, in denen das landesherrliche Kirchenregiment am weitesten fortgeschritten war. Günstige Rahmenbedingungen, wie die schwache herrschaftliche Stellung der mitteldeutschen Bischöfe, hatten dazu geführt, dass Herzog Wilhelm III. bereits in der Mitte des 15. Jahrhunderts damit begonnen hatte, gezielt Einfluss auf die kirchlichen Institutionen in Thüringen zu nehmen. 45 Darüber hinaus erfolgte während des 14. und 15. Jahrhunderts die Mediatisierung der Bischöfe von Meißen, Merseburg und Naumburg durch die Wettiner in mehreren Schritten. So hatte die Reichsstandschaft der Bischöfe im 15. Jahrhundert nur noch formalen Charakter. Auf den Reichstagen und in Reichsangelegenheiten wie Heerfolge oder Reichssteuer ließen sie sich durch die Wettiner vertreten, sodass sie alsbald zu den Landständen gerechnet wurden, hier jedoch zu den vornehmsten.46 Die Einflussnahme auf die Bischofswahl, zunächst ein Mittel territorialer Herrschaftsverdichtung, wurde in dem Moment für das Kirchenregiment bedeutsam, als die Landesherren begannen, ihre kirchlichen Reformvorstellungen mit Hilfe der bischöflichen Autorität oder sogar gegen bischöflichen Widerstand durchzusetzen.47 Die Möglichkeit direkter Einflussnahme auf eine Bischofswahl bot sich Friedrich und Johann bis 1517 aber nur einmal, durch die geschickte Platzierung des Pfalzgrafen Philipp, Bischof von Freising, 1512 als Koadjutor in Naumburg. Nach dem Tod Bischof Johanns von Schönberg 1517 folgte ihm Pfalzgraf Philipp auf den Bischofsstuhl, obwohl das Domkapitel Vincenz von Schleinitz gewählt hatte.48 Diese frühzeitige Einflussnahme, die mit Zustimmung des alten Bischofs geschah, ersparte den Ernestinern in der Reformationszeit viele Auseinandersetzungen, da die Statthalter des meist in Freising weilenden Philipp sich ganz und gar an die Anweisungen ihrer Schutzherrn hielten.49
45 Vgl. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 66f. 46 Vgl. Rudolf ZIESCHANG, Die Anfänge eines landesherrlichen Kirchenregiments in Sachsen am Ausgange des Mittelalters, Leipzig 1909, S. 114–119. Dementsprechend wurde auch die Schutzherrschaft über die drei sächsischen Bistümer bei der Leipziger Teilung 1485 aufgeteilt: Naumburg unterstand den Ernestinern, Merseburg den Albertinern und Meißen der beider Linien, wobei im Laufe der Zeit der Einfluss der Albertiner überwog. 47 VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 68f. Trotz eifriger Bemühungen war es den Wettinern vor der Reformation nicht gelungen, ein offizielles Besetzungsrecht für die drei sächsischen Bistümer zu erlangen. Vgl. ZIESCHANG, Die Anfänge eines landesherrlichen Kirchenregiments, S. 128. 48 Vgl. ebd., S. 137. 49 Vgl. Paul KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, Leipzig 1926, S. 32f., LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 376.
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Von politisch größter Bedeutung war die Besetzung wichtiger Bischofsstühle in angrenzenden geistlichen Territorien mit Mitgliedern der eigenen Dynastie.50 Aus diesem Grund engagierte sich Friedrich jahrelang dafür, die Erzbistümer Magdeburg und Mainz sowie das Bistum Halberstadt in wettinischer Hand zu halten bzw. zu bekommen. Da in der ernestinischen Linie mit Kurprinz Johann Friedrich nur ein Nachfolger zur Verfügung stand, musste es Friedrich 1504 den Albertinern überlassen, die wettinische Nachfolge in Magdeburg zu sichern. Tatsächlich gelang es Herzog Georg nicht nur, die Wahl seines Bruders Friedrich zum Koadjutor mit Nachfolgerecht zu erreichen, sondern er betrieb auch mit erheblichem finanziellen Aufwand die päpstliche Konfirmation der Wahl, die 1506 erfolgte. Damit schien Magdeburg für die Dynastie gesichert. Allerdings starb Friedrich im Jahr 1510, ohne auf den Bischofsstuhl gelangt zu sein. Eilig bemühte sich Georg, seinen Sohn Friedrich d. J. zu installieren, was auch von Erzbischof Ernst unterstützt wurde. Ausgerechnet Friedrich der Weise behinderte nun diese Pläne, als er sich 1512 von Kaiser Maximilian dazu verpflichten ließ, dessen Position in Magdeburg zu unterstützen. Unglücklicherweise war die Ansicht des Kaisers nicht die der Wettiner. Weshalb sich Friedrich zu diesem folgenschweren Schritt, der 1513 schließlich den Verlust des Erzbistums Magdeburg an die Hohenzollern bedeutete, hinreißen ließ, ist völlig unklar und lässt sich wohl kaum allein durch innersächsische Konflikte erklären.51 Ebenso wenig, wie wir die Motive Friedrichs für diesen Schritt kennen, wissen wir über die Haltung Johanns zu diesem Vorgehen. Zu den Schwerpunkten spätmittelalterlicher Kirchenpolitik zählt der Kampf gegen den Missbrauch der geistlichen Gerichtsbarkeit. Daran hatte sich auch unter der Regierung Friedrichs und Johanns nichts geändert. Neben machtpolitischen Fragen, wie der Legitimation der Herrschaft durch die Kontrolle der Gerichtsbarkeit, und finanziellen Interessen spielten insbesondere die Klagen über den Verfall und den Missbrauch der geistlichen Gerichtsbarkeit eine entscheidende Rolle, welche die Landesfürsten dazu bewegte, den Versuch zu 50 An der Besetzung sächsischer Bischofsstühle mit Familienmitgliedern hatte man aufgrund der Herabdrückung der Bischöfe auf landständisches Niveau ab dem 14. Jahrhundert schon kein Interesse mehr. Es genügte, die Wahl eines den Landesherrn genehmen Bischofs, meist sächsischen Adelsfamilien entstammend, zu arrangieren. Ähnlich verhielt es sich mit sächsischen Kanonikaten, die nur noch als Verfügungsmasse interessant waren. Vgl. ZIESCHANG, Die Anfänge eines landesherrlichen Kirchenregiments, S. 59, VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 204 sowie S. 182, Anm. 60. 51 Vgl. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 180–189. Auch Christoph Volkmar bietet keine Erklärung dafür an, dass Kurfürst Friedrich seinem Vetter Georg in dieser Angelegenheit so unerwartet in den Rücken fiel. Ohne Frage waren zu dieser Zeit nicht nur die Beziehungen zwischen Ernestinern und Albertinern sehr schlecht, auch um das Verhältnis Friedrichs zu seinem Bruder Erzbischof Ernst war es nicht zum Besten bestellt.
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unternehmen, diese aktiv zurückzudrängen. Zum einen erreichten die Landesherrn zahllose Beschwerden der Untertanen, die sich ganz konkret auf bestimmte Richter und aktuelle Verfahren bezogen. Sowohl Friedrich als auch Johann verwendeten viel Zeit und Aufwand darauf, diese Fälle zu klären, indem man die Aufhebung von Vorladungen, Bann, Interdikt und Geldstrafen forderte.52 Zum anderen versuchte man, parallel zur Klärung zahlreicher Einzelfälle, die geistliche Justiz grundsätzlich einzuschränken. Zeitweise arbeiteten die Ernestiner dabei mit Herzog Georg zusammen, wie beispielsweise auf dem gesamtwettinischen Landtag 1498 in Naumburg53 oder bei Verhandlungen der fürstlichen Räte mit den Vertretern der Bischöfe und Archidiakone 1500 in Naumburg.54 Die Verhandlungen mit den Geistlichen scheiterten jedoch, den Landesherrn gelang es auf dem Verhandlungsweg nicht, die geistliche Gerichtsbarkeit und deren Kompetenzüberschreitungen einzuschränken. Einem weiteren gemeinsamen Vorgehen standen die sich verstärkenden Spannungen von Ernestinern und Albertinern entgegen, ein Umstand, der auch nachhaltigen Druck von den Bischöfen nahm. Insgesamt betrieben Friedrich und Johann den Kampf um die Eindämmung der geistlichen Gerichtsbarkeit und deren Missbräuche im Vergleich zu ihrem Vetter Herzog Georg deutlich weniger ambitioniert. Alle Maßnahmen, die getroffen wurden, können im Wesentlichen als notwendige Reaktion der Landesherrn auf Klagen und Beschwerden ihrer Untertanen bezeichnet werden. Entsprechend wenig Erfolg zeitigten die Maßnahmen.55 Dagegen vermochte es das strukturierte und energische Vorgehen Herzog Georgs zwar, effizient Einfluss auf Einzelentscheidungen geistlicher Gerichte zu nehmen, eine 52 Exemplarisch dafür stehen Klagen gegen das Aussprechen des Banns, ohne dass der Sachverhalt vom Offizial überhaupt geprüft wurde. So geschehen 1489 durch den Offizial des Wurzener Propstes, 1492 durch den Offizial des Propstes von Neuwerk bei Halle und 1493 durch den Propst selbst. Stets mussten solche Fälle durch die Fürsten und deren Räte einzeln geprüft werden, ehe man an die entsprechenden Stellen schrieb und die Aufhebung des Bannes und eine Untersuchung forderte oder aber die Betroffenen selbst vorlud. Vgl. KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, S. 42. 53 So heißt es in der geplanten Landesordnung, die den Abgeordneten am 9. Juli 1498 in Naumburg vorgestellt wurde: „Als auch viel beswerunge der geistlichen gericht wider gepurliche weiße der inwoner dießer lande auffgelegt wirdet, das sich auch hinfurder swerlich erledigen magk und sich aufrur und widerwille zu besorgen ist, wil nod sein, dass die fursten der lande alle geistliche richter, so uber yrer gnaden underthanen geistlich zwangk haben, ersuchen und fleißig darnach handeln lassen, der geistlichen gericht hinfurder nicht anders dann in geistlichen sachen zugebrauchen, auch unverclagt die lewte umb schult, ob ime die auch selbst zustehet mit geistlichen gerichten nicht zubesweren, wo solchs in gute erlanget und gehalten wurde, wer woll zu leiden, ob ober solchs nicht hilfflich sein, alsdann ist zu trachten in ander weiße darwider zu gedencken.“ ELA, S. 39. Vgl. dazu auch Manfred SCHULZE, Fürsten und Reformation, Tübingen 1991, S. 112–129. 54 Vgl. ABKG, Bd. 1, S. LV–LXII. 55 Vgl. KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, S. 65, 69.
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umfassende Eindämmung und Kontrolle gelang ihm trotz dieses aufwendigen Verfahrens dennoch nicht.56 Größeres Engagement zeigten Friedrich und Johann dagegen in Bezug auf die Klöster. Bereits seit dem 14. Jahrhundert hatte eine Einbindung der Klöster in die entstehenden Territorien stattgefunden, die mit der Einführung einer landesherrlichen Aufsicht über die Klostergüter einherging. So waren die Klöster zur Rechnungslegung verpflichtet und mussten alle Besitzveränderungen durch den Landesherrn genehmigen lassen.57 Aber auch die Aufsicht über Zucht und Ordnung spielte eine große Rolle für die Landesherrn. Die sächsischen Fürsten begünstigten dabei durchweg die Observanten, eine reformierte Richtung, die sich strengerer Ordnung und größerer Frömmigkeit rühmte. Durch die Einführung der Observanz schieden die Klöster aus dem großen Ordnungsverband des Provinzials aus und unterwarfen sich dem Gehorsam eines Vikars, der als Oberhaupt der Observanten in einer Ordensprovinz fungierte.58 Wo die Klöster nicht bereits reformiert waren, lag vor allem Friedrich sehr daran, diese visitieren zu lassen, Reformen durchzuführen und deren weitere Einhaltung zu gewährleisten. Dazu bediente man sich in der Regel der Äbte und Pröpste bereits reformierter Klöster, manchmal auch der Bischöfe.59 So schrieb Kurfürst Friedrich beispielsweise 1492 an den Provinzial der sächsischen Dominikanerprovinz und verlangte von diesem, das Nonnenkloster Cronschwitz umgehend einer Reform zu unterziehen und drohte: „Wurd aber das zu thun von euch geweigert, so konnen wir es lenger also in unordenlichkeit zu stehen nicht gedulden.“60 Bei derartigen Reformen wurden dann im Beisein kurfürstlicher Räte oder Beamter die Klöster visitiert, alte Klostervorsteher abgesetzt und aufmüpfige Insassen in andere Klöster versetzt, um die Einführung und Durchsetzung der strengeren Regularien zu gewährleisten.61 Meist funktionierte dieser vom Fürsten initiierte Personalaustausch, der gegebenenfalls von einer wirtschaftlichen Sanierung des Klosters flankiert wurde,62 recht gut, allerdings 56 Vgl. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 245–250. 57 Vgl. ebd., S. 253f. 58 Bereits die Landesordnung Herzog Wilhelms III. aus dem Jahr 1446 spricht von der Pflicht des Landesherrn dafür zu sorgen, dass die Klöster reformiert und wieder zu redlicher geistlicher Regierung gebracht werden. Vgl. ABKG, Bd. 1, S. XXI–XXIII; KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, S. 72. 59 Vgl. KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, S. 73–77. 60 Ebd., S. 81. 61 Ohne Zweifel verfolgten die Wettiner bei der Klosterreform einen äußerst schematischen Ansatz, der frei von inhaltlichen Lösungsvorschlägen war. Vgl. die kritischen Anmerkungen Christoph Volkmars zu den parallel betriebenen Maßnahmen Herzog Georgs in VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 262. 62 In einer Bitte um Mittel für ein Bauvorhaben legte die Priorin des Klosters Weida Friedrich dem Weisen 1517 eine ausführliche Aufstellung vor, welche Zuwendungen sie von den
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zeigen Einzelfälle auch, dass man bei renitenten Reformverweigerern machtlos war.63 Insbesondere bei Nonnenklöstern, die in der Praxis mehr adlige Anstalten waren, sahen sich die sächsischen Fürsten immer wieder besonderem Widerstand gegenüber. So übten 1515 adlige Verwandte reformfeindlicher Nonnen großen Druck am Hofe Herzog Johanns aus, um deren Wiederaufnahme im Dominikanerkloster Weida zu erreichen, aus dem sie vertrieben worden waren. Während Johann bereit gewesen wäre, auf diese Forderungen einzugehen, bestanden diesmal die Ordensoberen auf deren Versetzung.64 Im Wesentlichen kann konstatiert werden, dass in herrschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht die Klöster bereits vor der Reformation der Kontrolle der weltlichen Obrigkeit unterworfen waren.65 Dabei muss betont werden, dass das Engagement Friedrichs und Johanns in erster Linie religiös motiviert war und nur sekundär wirtschaftlichen Interessen folgte. Etwas anders stellt sich die Situation bei der Ablasspolitik dar. Hier setzten Johann und Friedrich die Bemühungen des Vaters und Onkels fort, möglichst keine fremden Ablässe in ihren Landen zuzulassen, die einen Abfluss des Geldes der Untertanen bedeuteten.66 Auf der anderen Seite bemühte man sich jedoch, für die inländischen Kirchen reiche Ablässe zu erwerben.67 Es kann kein Zweifel
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Fürsten erhalten hatten, seit sich der Konvent 1513 der Observanz angeschlossen hatte. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Kk, Nr. 1453, fol. 2r-3r. Dies zeigt das Beispiel des Propstes des Naumburger St. Moritz Klosters. Die Streitigkeiten zwischen ihm und den Landesherrn währten mehrere Jahre, auch der volle Anschluss des Augustiner Chorherrenstifts an die Reformbewegung der Windsheimer Kongregation gelang nicht. Vgl. KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, S. 74f. Vgl. KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, S. 82f. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 254. In vielerlei Hinsicht profitierten beide Seiten von dieser Situation. Während die Landesherrn die Klöster zu Steuerzahlungen, Heer- und Fuhrdiensten sowie zu Beherbergungspflichten heranzogen, konnten sich die Klöster auf den Schutz und Schirm der Fürsten verlassen. Auch materielle Unterstützung beispielsweise bei Bauvorhaben waren durchaus üblich. Seit dem 15. Jahrhundert war es üblich geworden, Ablässe im eigenen Territorium nur noch zuzulassen, wenn ein gewisser Anteil des Geldes zugunsten eigener Zwecke Verwendung fand. Häufig traten die Landesfürsten auch selbst an die Kurie mit der Bitte heran, zur Finanzierung bestimmter Projekte einen Ablass auszuschreiben. Vgl. Justus HASHAGEN, Landesherrliche Ablasspolitik vor der Reformation, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 45 (1926), S. 11–21, hier S. 15–18. Die Abwehr fremder Ablässe gelang jedoch nicht immer, so genehmigten Friedrich und Johann 1489 einen durch den Nuntius Raimund Peraudi nach Deutschland gebrachten Kreuzzugsablass, 1502 einen Jubiläumsablass und 1504 einen Ablass zugunsten des Deutschen Ordens in Livland. Vgl. KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, S. 123, ABKG, Bd. 1, S. LXXII–LXXVIII. Zu den Ablässen an der Wittenberger Schlosskirche und den umfangreichen Bemühungen Friedrichs bezüglich des Erwerbs dieser vgl. Paul KALKOFF, Ablass und Reliquienverehrung an der Schlosskirche zu Wittenberg unter Friedrich dem Weisen, Gotha 1907, S. 6–36.
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darüber bestehen, dass Friedrich der Weise vom Wert eines Ablasses überzeugt war, bei Johann wird es nicht anders gewesen sein. Doch die materiellen Vorteile waren wohl ebenso klar. Gut sichtbar wird dies an einem aus päpstlichen Gnaden 1490 gewährten Indult, dessen Erlöse, zumindest in den ersten zehn Jahren, zugunsten des Elbbrückenbaus in Torgau gehen sollten.68 Ebenso waren Ablässe zugunsten des Wittenberger Allerheiligenstifts stets willkommen. 69 Darüber hinaus wurden auch Einzelfallentscheidungen getroffen, wie beispielsweise 1517, als es Friedrich in Johanns Entscheidung stellte, das Ansuchen von Brüxer Mönchen in Annaberg-Buchholz zuzulassen, für den Neubau ihrer Kirche Ablasshandel in Kursachsen betreiben zu dürfen. Johann genehmigte dies, was aber den Unmut Herzog Georgs einbrachte.70 Anders als Herzog Georg zur gleichen Zeit, versuchten Johann und Friedrich nicht, das landesherrliche Kirchenregiment vor 1517 entschieden zu erweitern. Sie wahrten lediglich die von ihren Vorfahren erkämpften Rechte, ohne sie allzu schroff wahrzunehmen oder übermäßig großzügig auszulegen.71 Friedrich ließ manche Gelegenheit verstreichen, in der es unklare Verhältnisse oder Streitigkeiten durchaus möglich gemacht hätten, dass er selbst eine ihm genehme Entscheidung hätte herbeiführen können. Das Engagement Johanns in Fragen des landesherrlichen Kirchenregiments scheint vor 1517 nicht über das Friedrichs hinausgegangen zu sein. Ohnehin bewegten sich die Brüder ganz und gar in den von ihren Vorgängern vorgezeichneten Bahnen, ohne nennenswerte eigene Zielstellungen. Seit der Mutschierung lässt sich für Johann eine stärkere Einbindung in das landesherrliche Kirchenregiment ausmachen, da Friedrich offenbar alle Fälle, die den von Johann 68 Der Indult wurde erstmals durch Papst Innocenz VIII. auf 20 Jahre gewährt. Gegen die Zahlung von 1/20 eines Guldens konnten die Gläubigen auch während der Fastenzeit Butter, Milch und Käse genießen. Die Erlöse kamen in den ersten zehn Jahren der Torgauer Brücke zugute, in den nächsten zehn Jahren der Peterskirche in Rom. Eine Verlängerung erreichte man am 30. Juli 1512 bei Papst Julius II., natürlich gegen Zahlung einer entsprechenden Geldsumme. Vgl. KIRN, Friedrich der Weise und die Kirche, S. 121, Druck der deutschen Verlängerungsbulle in: Johann Erhard KAPP, Kleine Nachlese einiger, größten Theils noch ungedruckter und sonderlich zur Erläuterung der Reformationsgeschichte nützlicher Urkunden, Bd. 3, Leipzig 1730, S. 160–164. 69 So beispielsweise der 1503 erworbene 100-jährige Ablass der Wittenberger Stiftskirche. 70 ABKG, Bd. 1, Nr. 5 (Johann an Friedrich. 19. Februar 1517). Kurz zuvor hatten sich die Räte beider Linien in Leipzig darüber verständigt, wie man in Zukunft Gesuche um Ablassverkündigung ablehnen könne. Ebd., Nr. 2 (3. Februar 1517). Vorhergehende Schreiben zeigen, dass die Fürsten immer wieder Bitten um Genehmigung eines Ablasses erhielten. Diejenigen, die den thüringischen Raum betrafen, leitete Friedrich konsequent an Johann weiter, jedoch nicht, ohne ihm eine Handlungsempfehlung erteilt zu haben. Ebd., Nr. 1 (16. Januar 1517). 71 Vgl. SCHULZE, Fürsten und Reformation, S. 136.
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verwalteten thüringischen Teil betrafen, weiterleitete. Doch lassen sich auch hier keine Entscheidungen erkennen, die nicht der allgemeinen Vorgehensweise entsprachen, zumal Johann sowieso selten handelte, ohne sich vorher mit Friedrich abgesprochen zu haben.
2.3. Die Mutschierung von 1513 DIE MUTSCHIERUNG VON 1513
Mit der sich anbahnenden zweiten Verheiratung Herzog Johanns mit Margarethe von Anhalt wurde durch Kurfürst Friedrich im Jahre 1513 eine Neuregelung der Verwaltung und der Finanzverhältnisse im Kurfürstentum angestrebt. Friedrich stellte sich dabei eine Aufteilung des Territoriums in zwei finanztechnisch unabhängige Verwaltungskreise vor, die von jeweils einem Bruder regiert werden sollten. Damit verbunden war auch die Auflösung der gemeinsamen Hofhaltung. Johann sollte mit seiner neuen Frau und den zu erwartenden Kindern zukünftig in Weimar residieren.72 Die sich abzeichnenden höheren Kosten einer zwangsläufig ausgedehnteren Hofhaltung sollte er allein aus den Einnahmen des von ihm verwalteten Landesteils bestreiten. Mit der Forderung nach einer Mutschierung des Landes73 lehnte Friedrich also implizit die Alimentierung von Johanns Familie aus der gemeinsamen Kasse ab. Vielleicht hat gerade dieser Umstand dazu geführt, dass in der Forschung immer wieder die Vermutung J. S. Müllers aufgegriffen wurde, Friedrich habe die Verbindung mit Margarethe von Anhalt nicht gutgeheißen und sich lieber eine politisch gewinnbringendere Eheschließung gewünscht.74 Wenn dem so gewesen sein sollte, dann wurde dieser Faktor nur in persönlichen Gesprächen angebracht, die uns überlieferten Quellen schweigen dazu.75 Überliefert dagegen ist eine am 27. Juli 1513 in Weimar vor Johann und den Räten Heinrich von Ende, Friedrich von Thun, Wolf von Weißenbach sowie Fabian von Feilitzsch gehaltene Rede Friedrichs, die dazu gedacht war, den
72 Die Hochzeit mit Margarethe von Anhalt fand am 13. November 1513 in Torgau statt. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Margarethe starb am 7. Oktober 1521 in Weimar, wenige Monate nach der Geburt des Sohnes Johann Ernst. 73 Bei einer Mutschierung handelt es sich um eine freundschaftliche Übereinkunft zwischen Brüdern oder nahen Verwandten über eine Nutzungsteilung des Territoriums, bei der das Gesamteigentum jedoch ungeteilt bleibt. Diese interne Absprache wurde teilweise, wie in unserem Fall zwischen Johann und Friedrich, nicht einmal durch einen Teilungsvertrag schriftlich fixiert. 74 Vgl. J.S. MÜLLER, Des Chur- und Fürstlichen Hauses Sachsen Ernestin- und Albertinischer Linien Annales Anno 1400 bis 1700... Weimar, Leipzig 1700, S. 68. 75 Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 176, Anm. 12.
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Bruder endgültig zu einem Einverständnis in eine Mutschierung zu bewegen.76 Darin gibt Friedrich vor allem gesundheitliche Gründe an, die es ihm unmöglich machen, allein „die verwaltung des regements und versehung des hofs und haushaltung von wegen eur lieb und mein“ weiterzuführen. 77 Johann hatte dieses Ansinnen bereits mehrfach mit dem Argument abgelehnt, dass ihm die Regierung des Bruders gut gefalle, oder es einfach übergangen.78 Die Vorbehalte Johanns waren nicht unbegründet. Die Bitte des Bruders, sich an der Regierung zu beteiligen, kam zu einem Zeitpunkt der politischen Krise, die mit einem Machtverlust der Ernestiner einherging.79 Ebenso ahnte er wohl, dass die finanziellen Mittel des Kurfürstentums nicht dazu angetan waren, zwei Residenzen und Hofhaltungen angemessen zu unterhalten. Darüber hinaus scheint Johann kein besonderes Interesse daran gehabt zu haben, eine administrative Gleichheit zwischen sich und Friedrich herzustellen. Im Gegenteil, er war offenbar ganz zufrieden damit, dass der Bruder ihn aus den Regierungsgeschäften heraushielt.80 Doch nun übte Friedrich erheblichen Druck aus, indem er Johann immer wieder seinen schlechten Gesundheitszustand vorhielt und auf die Schwere und Belastungen des Amts sowie seine lange Regentschaft hinwies. 81 Im Gegensatz dazu erfreue sich Johann bester Gesundheit, sodass er nun selbst diese Last übernehmen könne, selbstverständlich zunächst mit Hilfestellung des Kurfürsten.82 In seiner Antwort am nächsten Tag bedauerte Johann diese Entwicklung, erklärte sich aber prinzipiell bereit, auf das Anliegen Friedrichs einzugehen. Über die konkrete Ausgestaltung sollte in den nächsten Wochen beraten werden. Zunächst bat Johann darum, dass Friedrich ihm seine Wünsche mitteile. „Darumb so mir eur lieb zu erkennen geben, was eur lieb zu land zu Sachsen an schlossen, stetten und darzu die jerlichen summa geldes, die eur lieb zu haben vormenen, mir des eur lieb gemut 76 Die Rede, die auch in schriftlicher Form übergeben wurde, auszugsweise bei MÜLLER, Mutschierung, S. 175–177, sowie bei ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 292–294. Die Mutschierungsakten befinden sich im LATh-HStA Weimar, Reg. D, Nr. 468. 77 Zitiert nach ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 293. 78 Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 175. 79 Ausführlich dazu ebd., S. 174. 80 Vgl. ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 295. Rogge geht sogar so weit, dass er meint: „Ihr gutes Verhältnis beruhte bis dahin darauf, dass Herzog Johann sich nicht an der Regierung beteiligte; nunmehr wurde aber genau das von ihm gefordert, um das bestehende gute brüderliche Verhältnis aufrechtzuerhalten.“ 81 „Wann eur lieb die wissen, die zal der jare, die ich gotlob auf mir habe, auch die groß muhe und arbeit, die ich auch nu eur lieb zu sonderm freuntlichem gefallen ein lange zeit ertragen habe, darumb in warheid solchs auß vil bewegeden ursachen meine hoe nodturf erfordert, das wil ich ub eur lieb widerumb freuntlich und bruderlichen vordienen.“ Zitiert nach MÜLLER, Mutschierung, S. 175f. 82 „Ich bin auch eur lieb erbuttig, was eur lieb von mir bericht begern und mir wissen ist, dasselbe eur lieb treulichen und mit vleis anzuzeigen, und eur lieb ab Gott wil die anweisung zu tun, der ich je keine mein leben lang von ymandts gehabt […].“ Ebd., S. 176.
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hierynnen genzlichen eroffnet, will ich als dan mein nottorf und bedenken auch nicht bergen und mich hirvon weyter mit eur lieb bruderlichen und freundlichen unterreden.“83 Bereits kurze Zeit später ließ Friedrich Johann eine solche Aufstellung zukommen. So wünschte er die Ämter und Städte Torgau mit Dommitzsch und Schildau, Eilenburg, Gräfenhainichen und Düben zur Bestreitung seines Unterhalts. Hinzu kamen die Hälfte der Einkünfte aus den gegenwärtigen und künftigen Bergwerken, die unter gemeinsamer Regierung stehen sollten, die Teiche zu Grimma und Colditz, die Fischwasser zu Coburg sowie die Schutzgelder der Klöster zu Nimbschen und Buch. An Naturalien verlangte der Kurfürst jedes Jahr 35 Fuder Jenaer Wein, zehn Fuder Königsberger Wein und 2000 Scheffel Korn. Besonders hart traf Johann aber die Forderung nach einem Drittel der landesherrlichen Einkünfte in Bargeld.84 Inzwischen hatte sich auch Johann bedacht und forderte als Vorbedingung für die Fortführung der Verhandlungen nicht nur die Klärung zahlreicher Detailfragen, wie die nach der Versorgung der unehelichen Söhne Friedrichs oder der weiteren Finanzierung der Universität Wittenberg, sondern auch eine genaue Übersicht der jährlichen Ein- und Ausgaben sowie eine Aufstellung der Schulden. 85 Während die Detailfragen quellenmäßig unbeantwortet bleiben, wurde letzterer Forderung durch einen im Auftrag Kurfürst Friedrichs von Hans von Dolzig am 5. August 1513 erstellten Überschlag zu den durchschnittlichen Erträgen der Jahre 1508 bis 1512 nachgekommen. Uwe Schirmer hat in seiner Habilitationsschrift zu den kursächsischen Staatsfinanzen diesen Überschlag einer genaueren Untersuchung unterzogen.86 Dabei gelangte er zu dem Schluss, dass Dolzig die Zahlen, die man Johann vorlegte, bewusst schöngerechnet hatte, um ihn nicht nur mit einem hohen Gesamtetat locken zu können, sondern auch, um einen ausgeglichenen Haushalt vorzutäuschen. In Wirklichkeit klaffte zwischen den Einnahmen und Ausgaben eine Lücke von rund 10.000 fl.87 Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass die Verhandlungen, welche mit einem gewissen Missklang zwischen den Brüdern geführt wurden, durch die Präsentation einer positiven Bilanz doch noch zu einem guten Ende geführt werden sollten. 88 83 Zitiert nach MÜLLER, Mutschierung, S. 177. 84 Vgl. ebd., S. 177, ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 295f. Die Forderung nach Bargeld konnte Johann offenbar durch die Überlassung weiterer Ämter an Friedrich abwenden. 85 Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 177, ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 296. 86 Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 328–331. 87 Hans von Dolzig bediente sich dazu des Tricks, statt der Netto- die Bruttoeinnahmen der Ämter zur Berechnung heranzuziehen. Darüber hinaus setzte er die Einnahmen durch den Verkauf von Naturalien in den Ämtern als zu hoch an. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 330. 88 Da im Sommer 1513 die Mutschierung längst noch keine beschlossene Sache war und sich bei Johann aufgrund der erwähnten offenen, von Friedrich jedoch nicht weiter beachteten
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Inwiefern dem Kurfürsten hier ein unredliches Verhalten gegenüber dem Bruder vorzuwerfen ist, muss dahingestellt bleiben. Trotz Zweifeln stimmte Herzog Johann am 6. August 1513 dem brüderlichen Vergleich zu, behielt sich jedoch vor, weitere Räte zu den Verhandlungen hinzuzuziehen.89 Die Aufteilung des Kurfürstentums in zwei Verwaltungseinheiten scheint ohne Probleme verlaufen zu sein: Während Friedrich das Herzogtum Sachsen-Wittenberg und den ernestinischen Teil der Markgrafschaft Meißen behielt,90 fielen an Johann die Landgrafschaft Thüringen, das Vogtland und die kursächsischen Besitzungen in Franken.91 Offene Fragen dagegen gab es bei der Ausgestaltung der Regierungsverantwortung Johanns. War in den Vorverhandlungen die Rede davon gewesen, dass Friedrich von Johann eine weitergehende Regierungsbeteiligung erwarte, wurden dann aber bei den Hauptverhandlungen die Handlungsspielräume des Herzogs begrenzt. Friedrich behielt sich in allen wesentlichen Aspekten der Verwaltung ein Mitspracherecht vor und verlangte, dass alle Entscheidungen in beider Namen getroffen wurden. In allen Reichs-, Landtags- und Militärangelegenheiten sowie bei Verschreibungen, Anleihen, Verkäufen, Bestallungen und Lehnssachen sicherte er sich ein Interventionsrecht.92 Die Entscheidungsgewalt in Reichsangelegenheiten beanspruchte er sogar wenig später wieder komplett für sich.93 Auch die Rechtsprechung des Weimarer Hofrats wollte Friedrich weiterhin kontrollieren.
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Fragen eine gewisse Unzufriedenheit breitgemacht hatte, war es umso wichtiger, zumindest mit den Zahlen überzeugen zu können. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 329; MÜLLER, Mutschierung, S. 177. Ohne dass er um die Defizite der Rechnung von Dolzig wusste, zweifelte Johann daran, dass die ihm zustehenden Mittel für eine standesgemäße Lebensführung und Hofhaltung ausreichen würden. Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 178; ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 296. Dieser Teil umfasste die Ämter Allstedt, Belzig, Herzberg, Jessen, Liebenwerda, Lochau, Schlieben, Schweinitz, Seyda, Wittenberg, die Pflege Zahna, Altenburg, Borna, Colditz, Düben, Eilenburg, Gräfenhainichen, Grimma, Leisnig und Torgau. Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 179; ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 296. Dieser Teil umfasste die Ämter Arnshaugk und die Pflegen Auma und Triptis, Creuzburg, Eisenberg, Gerstungen, Gotha, Jena-Burgau, Kapellendorf, Leuchtenburg mit der Pflege Orlamünde, Roßla, Saalfeld, Tenneberg, Wachsenburg, Wartburg, Weida, Weimar, Pausa, Plauen, Voigtsberg, Werdau, Zwickau, Coburg, Eisfeld, Heldburg, Königsberg und Sonneberg. Vgl. ebd. Vgl. beispielsweise den Ausschusstag zu Weimar 1514 und den Landtag zu Altenburg 1514. Johann unterbreitete dem Kurfürsten Vorschläge „uff seiner lieb gefallen und verbessern“. Johann beteiligte sich zwar aktiv an der Planung der Zusammenkünfte, doch Friedrich hatte das letzte Wort und veränderte in der Tat die Vorschläge Johanns. ELA, S. 95–100. MÜLLER, Mutschierung, S. 178; ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 297f.
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Dafür musste ihm Johann im Vorfeld ein Verzeichnis der Tagzettel zukommen lassen, um zu ermöglichen, dass zu den anberaumten Terminen Räte des Bruders anwesend sein konnten.94 Da die Mutschierung erst mit Beginn des Jahres 1514 in Kraft treten sollte, ließ man sich für die Einweisung Johanns in seinen neuen Aufgabenbereich, der in erster Linie in der Verwaltungs- und Kontrollarbeit der ihm zugewiesenen Ämter zu sehen war, bis nach der Hochzeit Zeit. Ende November 1513 händigte ihm Hans von Dolzig eine Reihe von Unterlagen und Registern aus, aus denen hervorging, welche Zahlungen zu welchen Terminen zu leisten wären und welche Einnahmen er künftig über Un- und Schutzgelder zu erwarten hätte.95 Johann wurde in die Erfordernisse des Tagesgeschäfts eingewiesen, man übergab ihm die Amtsordnungen mit Hinweisen zur Rechnungslegung, Vorschriften über wirtschaftliche Angelegenheiten in den Ämtern, Registerführung und Inventarisierung.96 Für den Aufbau einer eigenen Regierung wurde die Ratsordnung von 1499 für verbindlich erklärt.97 Doch weder Johann selbst noch seine ebenfalls in diesen Dingen unerfahrenen Räte verfügten über die notwendige Kenntnis und Praxis, die Richtlinien adäquat umzusetzen. Sich dieser Schwierigkeiten durchaus
94 Der Hofrat war für die Rechtsprechung in erster Instanz für die schriftsässigen Adligen und Städte zuständig, in zweiter Instanz für die Amtsuntertanen und amtssässigen Adligen und Städte. Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 181f. 95 Vgl. ebd., S. 180. 96 Die Ämter bildeten die entscheidende wirtschaftliche Grundlage der ernestinischen Finanzen. Seit 1485 versuchte man mit der Anlage von Erbbüchern, Amtsordnungen, Inventarien sowie Türken-, Land- und Tranksteuerverzeichnissen die Erträge der Ämter zu optimieren. Speziell in den Amtsordnungen wurden die Obliegenheiten der landesherrlichen Beamten genau umrissen. Vgl. Thomas KLEIN, Politik und Verfassung von der Leipziger Teilung bis zur Teilung des ernestinischen Staates (1485–1572), in: Hans PATZE/Walter SCHLESINGER (Hg.), Geschichte Thüringens, Bd. 3: Das Zeitalter des Humanismus und der Reformation, Köln/Wien 1967, S. 146–294, hier S. 152. 97 Die Hofratsordnung, die am 2. März 1499 nach dem Vorbild der königlichen Hofratsordnung erlassen wurde, sah vor, dass täglich vier Räte am wesentlichen Hof oder an einem „gelegen ende unser lande“ zu festgelegten Sitzungen zusammenkamen und unter dem Vorsitz des Hofmeisters über alle Angelegenheiten des Landes berieten und beschlossen. Die Teilnahme des Fürsten an diesen Sitzungen war nicht vorgesehen, besonders wichtige Angelegenheiten sollten ihm jedoch zur Entscheidung vorgelegt werden. Neben den Räten sollte auch der Kanzler an den Sitzungen teilnehmen. Vgl. BRATHER, Kursächsische Verwaltungsreformen, S. 254–287, hier S. 273–276. Um entsprechend dieser Anforderungen eine funktionierende Regierung in Weimar aufzubauen, musste Johann also mindestens vier ständig am Hof weilende Räte berufen sowie eine eigene Kanzlei aufbauen.
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bewusst, ließ er seinen Bruder mehrmals vergeblich bitten, die Rechnungskontrolle in den Ämtern auch weiterhin zu übernehmen.98 Vor diesem Hintergrund stand die Finanzverwaltung in dem von Johann regierten Teil Kursachsens von Beginn an unter keinem guten Stern. Die von Dolzig unrealistisch hoch angegebenen Einkünfte führten von vornherein in eine finanzielle Schieflage, der man außer neuen Kreditaufnahmen 99 wenig entgegenzusetzen hatte. Hinzu kam, dass durch die unzureichende Kontrolle die Rechnungsführung in Johanns Ämtern immer nachlässiger wurde. Als im März 1518 der kurfürstliche Hofkämmerer Hans von Taubenheim im Auftrag Friedrichs die Lokalverwaltungen Johanns kontrollierte, hinterließen diese in puncto Wirtschaftsführung keinen guten Eindruck.100 Was hatte die Mutschierung also den beiden Fürsten gebracht? Kurfürst Friedrich versuchte wohl, mit der von ihm angestrebten Neuordnung vor allem zwei Dinge zu erreichen: Zum einen beabsichtigte er eine Neuordnung der Finanzverwaltung, die mit einer Verminderung der Schuldenlast für ihn selbst einherging. 101 Darüber hinaus sollten die höheren Kosten für eine zweite Hauptresidenz, die nicht durch die Einnahmen gedeckt waren, von Johann allein getragen werden. Zum anderen beabsichtigte Friedrich, Johann durch die Übernahme eines Landesteils dazu zu bewegen, ihn bei der aufwendigen und unattraktiven Verwaltungsarbeit zu entlasten. Die Intention hinter dieser Überlegung scheint mir in erster Linie das Heranführen des Nachfolgers an seine zukünftigen Aufgaben gewesen zu sein. Die sich verstärkenden gesundheitlichen Probleme machten Friedrich die Endlichkeit seiner Herrschaft sehr bewusst. Johann war aber bis zu diesem Punkt augenscheinlich sehr wenig an der Regierung und Verwaltung des Landes beteiligt gewesen und hatte daran auch kein besonderes Interesse. So befürchtete Friedrich wohl, dass es dem Bruder wie ihm selbst ergehen könnte, nämlich die Regierungsgeschäfte nahezu unvorbereitet übernehmen zu müssen. Das Ziel war, dem entgegenzuwirken, mit dem 98
Vgl. ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 300. Im November 1519 regte Johann bei Friedrich an, ihm einige Ämter zur Verwaltung zu überweisen. Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 179. 99 Die jährliche Neuverschuldung Johanns belief sich zwischen 1514 und 1522 auf ein Viertel seines Gesamtetats. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 348. 100 Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 181. 101 Uwe Schirmer schätzt, dass Johann mit der Mutschierung eine Schuldensumme von ca. 126.000 bis 130.000 Gulden übernahm, Friedrich selbst nur etwas mehr als 70.000 Gulden. Während Friedrich offenbar mit den ihm zur Verfügung stehenden Einnahmen auskam und keine weiteren Schulden anhäufte, geriet Johann immer tiefer in die roten Zahlen. Insofern kann man durchaus davon sprechen, dass der Kurfürst seine Finanzen mit der Mutschierung sanierte. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 338, 350f.; MÜLLER, Mutschierung, S. 180 sah in der Möglichkeit zur Minderung der Schuldenlast die Hauptmotivation Friedrichs für die Mutschierung.
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angenehmen Nebeneffekt, selbst von einem Teil des anstrengenden Tagesgeschäfts entlastet zu werden, ohne Einmischungen in die „große“ Politik fürchten zu müssen.102 Ohne Zweifel profitierte Friedrich von der Mutschierung am stärksten. Man sollte dabei jedoch nicht vergessen, dass diese Form der „freundschaftlichen Übereinkunft“ für die Zeitgenossen ein probates Mittel war, die guten Beziehungen zueinander zu erhalten und das Entstehen von Konflikten bereits im Vorhinein zu verhindern. In dieser Hinsicht wurde eine Mutschierung oder gar Landesteilung durchaus als positives Handeln begriffen. Auch zwischen Johann und Friedrich führte sie nicht zu einem Abbruch des freundschaftlichen Miteinanders. So lässt sich wohl mit den Worten Uwe Schirmers zusammenfassen: „Die beiden Brüder hatten zwar durch die Mutschierung die dynastischen und familiären Probleme gelöst, dagegen aber neue finanzielle geschaffen.“103
2.4. Die Beziehung Johanns zu seinem Sohn Johann Friedrich und dessen Einfluss auf die Kirchenpolitik DIE BEZIEHUNG JOHANNS ZU SEINEM SOHN JOHANN FRIEDRICH
Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass das Verhältnis zwischen Vater und Sohn von zwei wichtigen Faktoren stark geprägt wurde. Zum einen vom frühen Tod der Mutter, Sophia von Mecklenburg, die bereits wenige Tage nach der Geburt Johann Friedrichs verstarb.104 Dadurch wurde die übliche Art der frühen Erziehung, nämlich durch die Mutter im Kreis des Frauenzimmers, unmöglich.105 Selbstverständlich nahmen Ammen und Kinderfrauen die Rolle der weiblichen Bezugsperson ein,106 doch oblag Johann als Vater allein die Erziehungsverantwortung. Ob sich dadurch auch ein inniges Verhältnis zwischen Vater und Sohn entwickelt hat, muss dahingestellt bleiben. Allerdings gilt zu bedenken, und dies ist der zweite wichtige Faktor, dass Johann Friedrich bis zur Geburt des Prinzen Johann Ernst 1521 der einzige potenzielle Nachfolger der Ernestiner auf den Kurfürstenstuhl war. 107 Dieser Umstand brachte Johann
102 Jörg ROGGE schreibt treffend, dass sich der Kurfürst die Richtlinienkompetenz vorbehielt. Vgl. ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 300. 103 SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 331. 104 Johann Friedrich wurde am 30. Juni 1503 in Torgau geboren, seine Mutter verstarb noch im Wochenbett am 12. Juli 1503. 105 Vgl. DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 68. 106 Die Nachweise in den Rechnungsbüchern über Amme und Kindermädchen bei MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 3. 107 Über die Ehelosigkeit Kurfürst Friedrichs und dem damit verbundenen Fehlen legitimer Nachfolger ist viel gemutmaßt und spekuliert worden, sodass dieser Frage hier nicht
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Friedrich sicherlich über viele Jahre eine gewisse Sonderstellung sowohl beim Vater als auch bei seinem Onkel ein und führte dazu, dass auf die Ausbildung des jungen Kurprinzen besonderes Augenmerk gelegt wurde.108 So wurde ihm sogleich ein kleiner Hofstaat eingerichtet, dem der thüringische Adlige Ernst von Isserstedt als Hofmeister vorstand. Nach 1511 übernahm diesen Posten Heinrich d. Ä. von Bünau zu Elsterberg, der nachfolgend von 1513 bis 1521 die gleiche Stelle bei Johanns zweiter Gemahlin Margarethe von Anhalt bekleidete.109 Somit war für den jungen Johann Friedrich, der seine frühen Kindheitsjahre meist in Torgau und Lochau verbracht hatte, eine gewisse personelle Kontinuität gewahrt, als er 1514 mit Vater und Stiefmutter nach Weimar übersiedelte.110 Im Alter von sechs Jahren begann für Johann Friedrich die wissenschaftliche Ausbildung. Dazu zogen 1509 sein Vater und Onkel den erst 21-jährigen Georg Spalatin an den Torgauer Hof, der ihnen von dem angesehenen Gothaer Humanisten Mutianus Rufus (Conrad Mutian/Konrad Muth) empfohlen worden war.111 Damit machte Johann Friedrich bereits in sehr jungen Jahren Bekanntschaft mit einem Mann, der später zum engsten Vertrauten Kurfürst Friedrichs und zum Vermittler zwischen Martin Luther und dem ernestinischen Hof werden
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weiter nachgegangen werden muss. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 2; LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 54–58. So sprach Kurfürst Friedrich in Briefen an Johann gelegentlich von „unserem Sohn“ oder „E.L. und meinem Sohn“. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 3. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 37. Hier zeigen sich klar die Schwierigkeiten, die uns die Namensgleichheiten innerhalb des weit verzweigten, um 1485 auf elf verschiedene Sitze verteilten Geschlechts bereiten. In einem Register von 1514 finden sich gleich zwei Heinrich von Bünaus, die von den kursächsischen Herzögen Pensionen erhielten. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 359. In einem Schreiben Heinrichs von Bünau an Herzog Johann vom 28. September 1515 bezeichnet er sich als Hofmeister der Herzogin. Da sich die Bitte Bünaus auf die Beilegung eines Streits zwischen ihm bzw. seinem Vater mit der Stadt Jena um die Gerichtsgrenze bezieht, ist davon auszugehen, dass es sich um einen Bünau der thüringischen Linien handelt. Vgl. Ernst DEVRIENT (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Jena und ihrer geistlichen Anstalten, Bd. 2: 1406–1525, Jena 1903, Nr. N 37. Im Register des Urkundenbuchs ist er als Heinrich von Bünau zu Schlöben und Lichtenhain ausgewiesen. Ebd., S. 528. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 11. Der Begriff „Stiefmutter“ ist relativ zu sehen. Einen Mutterersatz stellte die nicht einmal neun Jahre ältere Margarethe für Johann Friedrich wohl kaum dar. Der Kurprinz hielt sich nach der Übersiedlung nach Weimar oft in ihrer Umgebung auf, sodass davon auszugehen ist, dass beide ein gutes Verhältnis zueinander hatten. Mutianus Rufus gehörte schon seit einiger Zeit zu den Beratern Friedrichs des Weisen in wissenschaftlichen Fragen. Im Sommer 1508 wandte sich der Kurfürst schließlich mit der Bitte um Empfehlung eines geeigneten Lehrers für Johann Friedrich an ihn. Vgl. Irmgard HÖSS, Georg Spalatin; Ein Leben in der Zeit des Humanismus und der Reformation 1484–1545, Weimar 1956, S. 38f.
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sollte. Neben dem Elementarunterricht, den Spalatin Johann Friedrich gemeinsam mit sechs weiteren Kindern des hohen Adels erteilte, ist davon auszugehen, dass er die Jungen auch in religiösen Belangen unterwies. Schnell geriet er jedoch in Konflikt mit dem in der Kindererziehung sehr erfahrenen Isserstedt, der aus Spalatins Sicht eine wissenschaftsfeindliche Position einnahm und zu großen Wert auf körperliche Ertüchtigung legte.112 Von besonderem Interesse sind diese Auseinandersetzungen vor allem in Hinblick darauf, dass sie uns Einblick in die Erziehung des Kurprinzen gewähren. Die beständigen Klagen Spalatins gegenüber seinen Freunden aus dem früheren Humanistenkreis führten nämlich dazu, dass diese sich veranlasst sahen, sich teilweise ausführlich mit Fragen der Kindererziehung auseinanderzusetzen, um ihm Ratschläge zu geben. 113 Mutianus Rufus begab sich sogar persönlich an den Torgauer Hof, um sich mit Friedrich dem Weisen zu besprechen. Doch sowohl dieser als auch Johann scheinen Spalatin trotz der Schwierigkeiten sehr geschätzt zu haben, Friedrich hatte sogar weiterführende Pläne bezüglich eines Universitätsbesuchs Johann Friedrichs unter der Leitung von Spalatin.114 Auch Johann Friedrich wird später sein Bedauern darüber äußern, nicht länger von Spalatin unterricht worden zu sein.115 Denn im Herbst 1511 wurde dieser von seiner Tätigkeit als Lehrer des Kurprinzen entbunden, um andere Aufgaben zu übernehmen.116 Nach längerer Suche entschied man sich 1512 für Alexius Krosner aus Colditz als Nachfolger Spalatins. Mit der Wahl dieses Mannes zeigten Johann und Friedrich, dass sie an dem bereits eingeschlagenen humanistisch geprägten Bildungsweg Johann Friedrichs festzuhalten gedachten, denn Krosner eilte der Ruf eines Humanisten voraus.117 Die Lehrtätigkeit, die er offenbar mit einem Theo112 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 6. 113 So schrieb ihm Heinrich Urban 1509, dass die Gesundheit der Zöglinge oberste Priorität haben müsse. Daher sei es von großer Wichtigkeit, neben Zeiten des konzentrierten Studiums auch Zeiten zur körperlichen Erholung und Ertüchtigung zu gewähren. Es sei für Kinder nicht leicht, den ganzen Tag zu sitzen und zu lernen, deshalb müssten sie auch mal in Ruhe gelassen werden. Ebenso riet Urban von Drohungen, Lärm und Schlägen bei der Erziehung ab. Vgl. Adolf SEELHEIM, Georg Spalatin der erste sächsische Historiograph, Halle 1875, S. 18f. 114 Vgl. Mutian an Urban, in: Karl GILLERT (Hg.), Der Briefwechsel des Conradus Mutianus, Erste Hälfte, Halle 1890, S. 253. 115 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 6. 116 Stattdessen zog er mit den Neffen Johanns und Friedrichs, den Herzögen Otto und Ernst von Braunschweig-Lüneburg, im Wintersemester 1511/12 an die Universität Wittenberg, um deren Studien dort zu leiten, nachdem Friedrich ihn bereits 1510 mit der Abfassung einer sächsischen Chronik betraut hatte. Vgl. HÖSS, Georg Spalatin, S. 61. 117 Krosner hatte seit dem Sommersemester 1504 in Leipzig studiert und im Wintersemester 1509 den Magisterabschluss erlangt. Bevor er an den herzoglichen Hof nach Weimar kam, war er als Lehrer des jungen Julius von Pflug, des späteren Naumburger Bischofs,
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logiestudium an der Universität Wittenberg verband, 118 dauerte von 1512 bis 1519. 119 Ebenso wie Georg Spalatin wurde er mit einer Kanonikerstelle im Georgenstift Altenburg ab 1516 versorgt. 120 Am Pfingstmontag 1517 hielt er schließlich in Anwesenheit der Herzöge Johann und Johann Friedrich seine erste Messe in Weimar.121 Die formale Ausbildung Johann Friedrichs hat wohl 1519 ihren Abschluss gefunden. Ein Inventar derjenigen Bücher, die sich zu dieser Zeit im Besitz des Kurprinzen befanden, zeigt, dass er neben Werken, die dem traditionellen Religionsunterricht als Grundlage galten, auch schon zahlreiche Schriften Luthers, wie beispielsweise die Acta Augustana, die sieben Bußpsalmen, die Auslegung des 110. Psalms, ein Sermon der Betrachtung des Leidens Christi und die Predigt vom hochwürdigen heiligen Sakrament sein Eigen nannte.122 Es ist sehr wahrscheinlich, dass Georg Spalatin, vielleicht ahnend, dass sie das Interesse seines ehemaligen Schülers wecken würden, Johann Friedrich mit diesen Schriften Luthers versorgte.123 Dies wird sicher nicht ohne Zustimmung Herzog Johanns geschehen sein, auch Krosner, der ebenfalls in Kontakt zu Spalatin stand, scheint dem
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tätig gewesen. Vgl. Gustav BAUCH, Analekten zu Luthers Briefwechsel, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 18 (1898), S. 391–412, hier S. 402. Vgl. Carl E. FÖRSTEMANN, Album Academiae Vitebergensis, Bd. 1, Leipzig 1841, S. 41. Herzog Johann verschrieb Krosner am 21. Dezember 1514 für seine Tätigkeit „in freyen kunsten als seiner lieb lerer vnd vnterweyser vnterricht vnd sunst zcu eren vnd tugenden vleyssig angeleytet hat“ eine lebenslange Rente über 52 Gulden. LATh-HStA Weimar, Reg. Rr. S. 1–316, Nr. 964, fol. 1r. Vgl. Johann Gottfried MÜLLER, Die jugendliche Geschichte Johann Friedrichs, Jena 1765, S. 18. Mit der Übernahme eines Kanonikats in Altenburg sollte laut der Verschreibung aber die jährliche Rente enden. „Wue vnd welche zceyt wyr, vnsere erben und erbnhemer inen mit einem canonicat vnd thumberey im stieft auf vnserm slos Aldenburg belehenen vnd begnaden werden, das alsdan vnd nicht ehr wir, vnsere erben vnd erbnhemer, die angeczaygten zcwenvndfunffczig gulden lenger zcubeczalen nicht schuldig […].“ LATh-HStA Weimar, Reg. Rr. S. 1–316, Nr. 964, fol. 1v. Danach stand 1514 bereits fest, dass man die langfristige Versorgung über das Stift in Altenburg anstrebte. Ganz so genau scheint man es dann mit dem Wegfall der Jahrrente nicht genommen zu haben, in der Hofratsrechnung Johanns für den Zeitraum vom 19. November 1517 bis 19. November 1518 erscheint unter der Rubrik „Ausgabe jahrzinsen auf Lebenlang“ eine Zahlung an Krosner über 60 Gulden, die ihm im Schloss Leuchtenburg überreicht wurde. Vgl. FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 59. Selbstverständlich erhielt auch er zu diesem Ereignis das obligatorische Geschenk. „xx fl an zcins gr m g h hat sein f g dem Magister allexius Colditz uff sein erste messe opffern lassen actum Weymar am Montage penthecostes.“ BUCHWALD, Frömmigkeit am kursächsischen Hof, S. 99, ebenfalls gedruckt in: FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 50. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 95f. Vgl. ebd., Beilage Nr. 3. (Herzog Johann Friedrich an Georg Spalatin, 21. Dezember 1520).
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nicht entgegengestanden zu haben.124 Entscheidende Impulse für das entschiedene Eintreten des Kurprinzen für Luthers Lehre scheinen von Krosner nicht ausgegangen zu sein, dieser scheint sich eher um den altsprachlichen Unterricht des Jungen bemüht zu haben, indem er mit selbst erstellten Regelwerken zur lateinischen und griechischen Sprache arbeitete, die den neuesten Grundsätzen entsprachen.125 Insgesamt genoss Johann Friedrich wohl eine seiner Zeit und seinem Stand angemessene Erziehung und Ausbildung, auch wenn sie ihm selbst später als unzureichend erschien. Vielleicht wäre der spätere Kurfürst zufriedener gewesen, wären die Pläne Friedrichs bezüglich eines Universitätsbesuchs, wie bei Johann Friedrichs Cousins Ernst und Otto von Braunschweig-Lüneburg, in die Tat umgesetzt worden.126 Das Verhältnis zu Johann scheint sich in den Jahren in Weimar intensiviert zu haben, häufig begleitete Johann Friedrich seinen Vater nun auf Reisen durch das Kurfürstentum.127 Eine sicher nicht unwichtige Rolle spielte auch die Tatsache, 124 Zur Person Krosners und v.a. zur Einschätzung seiner Tätigkeit als Hofprediger Herzog Georgs in Dresden von 1524 bis 1527 vgl. Otto CLEMEN, Alexius Chrosner. Herzog Georgs von Sachsen evangelischer Hofprediger, Leipzig 1907. Krosner stimmte im Jahre 1525 gegen die Einführung der Reformation im Altenburger Georgenstift, in dem er eine Kanonikerstelle innehatte. Auch seine Unterstützung und Verbundenheit zum Leipziger Theologen Hieronymus Dungersheim brachte ihm Misstrauen ein. Vgl. Reinhold JAUERNIG, Alexius Crosner, in: NDB, Bd. 3 (1957), S. 423f. Nach seiner Entlassung als Hofprediger suchte er wieder den Kontakt zu den Ernestinern. Anlässlich seiner Heirat im Februar 1530 hatte ihm offenbar Kurfürst Johann durch den alten Kanzler Gregor Brück Hoffnungen auf eine Anstellung gemacht. Darauf Bezug nehmend, wandte er sich am 19. April 1531 an Johann Riedesel und erbat dessen Fürsprache bei Johann, ihm entweder zu einer geistlichen oder weltlichen Stelle zu verhelfen, da das Einkommen aus seiner Altenburger Kanonikerstelle nicht ausreiche. Vgl. Paul VETTER, Zur Geschichte Alexius Krosners, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 30 (1919), S. 142–144. Im Juni 1531 bewarb er sich bei Johann Friedrich um eine Predigerstelle am Torgauer Hof. Zu diesem Zweck legte er zwei Predigten vor, die er ursprünglich vor Georg in Dresden gehalten hatte, später aber für den Druck bearbeitete und mit einem Vorwort Luthers versehen ließ. Das Ziel seiner Änderungen war wohl, den Wittenbergern vorzutäuschen, er hätte bereits in Dresden in ihrem Sinne gepredigt. Vgl. ABKG, Bd. 3, S. 33. 125 Vgl. DEUTSCHLÄNDER, Dienen lernen, um zu herrschen, S. 306. 126 Die Erziehung Johann Friedrichs wurde, ähnlich wie der Einfluss des Humanismus am kursächsischen Hof, später stark überhöht. Auch wenn man ohne Zweifel modernere Maßstäbe, insbesondere an die sprachliche Ausbildung anlegte, blieb der überkommende Kanon einer religiös, sittlichen wie ritterlichen Ausbildung jedoch weitgehend erhalten. 127 MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 11. So beispielsweise am 24. Februar 1515 nach Zwickau, wo man sich einige Tage aufhielt. Im November 1517 richteten die Zwickauer für die fürstliche Familie aus Weimar das Schloss her, sodass diese dort für einige Zeit Hof halten konnten. Vgl. Emil HERZOG; Chronik der Kreisstadt Zwickau, Zweiter Teil. Jahresgeschichte, Zwickau 1845, S. 180, 184.
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dass der heranwachsende Knabe nun zunehmend in die Leidenschaften des Vaters, der Jagd und dem Turnier, einbezogen werden konnte. So soll Johann Friedrich sein erstes Turnier bereits 1518 in Zwickau absolviert haben.128 Mit besonderem Stolz verfolgte Johann den wahrscheinlich ersten offiziellen Auftritt seines Sohnes beim Reichstag in Worms 1521, wo er an den Turnieren, die rund um Fastnacht stattfanden, teilnahm.129 Um dort zu brillieren, hatte sich Johann Friedrich gut vorbereitet, wie Johann dem bereits in Worms weilenden Friedrich berichtete.130 Auch gemeinsame Spielabende mit den Eltern und anderen Fürsten lassen sich anhand der Ausgabenbücher, in denen die Spielverluste verbucht wurden, zunehmend nachweisen.131 Die Frömmigkeit, welche der junge Kurprinz zu dieser Zeit pflegte, deckt sich mit jener seines Vaters und Onkels. Es verging kaum ein Tag, an dem in den Ausgabenbüchern der Fürsten keine „Opfer“ verzeichnet waren. Diesem Beispiel folgte Johann Friedrich. In einem Ausgabenbuch, das etwa in das Jahr 1515 oder 1516 datiert werden kann, stehen fast alle Ausgaben mit Almosengaben und Opfern in Zusammenhang.132 Möglicherweise fand auch ein erstes unmittelbares Kennenlernen Luthers gemeinsam mit dem Vater statt, wenn sie am 29. September 1518 dessen Predigt gegen Heuchelei und Werkgerechtigkeit in der Weimarer Schlosskirche gehört haben. Luther befand sich gerade auf dem Weg nach Augsburg, wo er durch den päpstlichen Legaten Cajetan verhört werden sollte.133 Sicher haben die Berichte über die schwierigen Vorverhandlungen Friedrichs des Weisen und Spalatins, die sich, gerade vom Augsburger Reichstag zurückkehrend ebenfalls in Weimar aufhielten, die besondere Neugierde des Kurprinzen auf den Reformator geweckt.134 Von Unstimmigkeiten zwischen Vater und Sohn hören wir erst in späteren Jahren. Hier muss insbesondere auf die lange andauernden Streitigkeiten bezüglich einer eigenen Hofhaltung Johann Friedrichs und seiner Frau Sibylle hingewiesen werden. Das vor allem bei Johann große Enttäuschung verursachende Scheitern einer möglichen Verbindung des Kurprinzen mit der Schwester 128 Vgl. Joachim BAUER, Johann Friedrich I. der Großmütige (1503–1554), Turnierkämpfer–Mäzen–Lutherischer Kurfürst, in: DERS./Birgit HELLMANN (Hg.), Verlust und Gewinn. Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen, Weimar 2003, S. 9–39, hier S. 20. 129 Vgl. NEUDECKER/PRELLER, Friedrichs des Weisen Leben und Zeitgeschichte, S. 61; MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 16f. 130 Theodor KOLDE, Friedrich der Weise und die Anfänge der Reformation, Erlangen 1881, Beilage Nr. IV (28. Januar 1521). 131 MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 12. 132 Ebd. 133 Ebd., S. 30. Vgl. hierzu außerdem Martin BRECHT, Martin Luther, Bd. 1: Sein Weg zur Reformation 1483–1521, Stuttgart 31990, S. 242. 134 Belegen lässt sich lediglich die Anwesenheit Georg Spalatins im Gottesdienst. Vgl. HÖSS, Georg Spalatin, S. 132.
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Karls V. 1524135 veranlasste ihn offenbar, eine bereits vor vielen Jahren ins Auge gefasste Verbindung mit Sibylle von Kleve erneut zu betreiben.136 Johann Friedrich, der nach eigenem Bekunden zu dieser Zeit noch kein großes Interesse an einer Verehelichung hatte, ergriff die Chance, um Bedingungen für seine Einwilligung in eine Ehe zu stellen.137 So forderte er von seinem Vater eigene finanzielle Mittel für seinen und den Unterhalt seiner Frau. Sollte ihm der Vater diese nicht zur Verfügung stellen, sähe er sich gezwungen, seinen Unterhalt aus dem Ehegeld seiner zukünftigen Frau oder anderen Einnahmen aus Jülich und Kleve zu bestreiten. Obwohl Johann Friedrich wohl nie ernsthaft in Erwägung zog, gegen den Willen Johanns zu handeln, drohte er in dem sich ausweitenden Streit mehrmals damit, die Verbindung mit Sibylle scheitern zu lassen, falls man ihm in seinen Forderungen nicht entgegenkomme. Johann wich jedoch allen finanziellen Zusagen aus und warf dem Sohn stattdessen vor, sich von ihm sondern zu wollen.138 Auch nach der Hochzeit scheint es noch einige Auseinandersetzungen zwischen Vater und Sohn diesbezüglich gegeben zu haben,139 ehe ihm Johann zumindest insoweit entgegenkam, dass er ab dem letzten Quatember 1528 die vierteljährlichen Zahlungen an Johann Friedrich und Sibylle erhöhte.140 Erst kurz vor seinem Tod willigte Johann im Juli 1532 ein, dass sich Johann Friedrich und seine Familie in Coburg niederlassen könnten,141 sodass die angestrebte eigene Hofhaltung mit getrennter Rechnungsführung zu Lebzeiten des Vaters nicht mehr erreicht wurde. 135 Vgl. NEUDECKER/PRELLER, Friedrichs des Weisen Leben und Zeitgeschichte, S. 62. 136 Diese Verbindung war von Anfang an sehr aussichtsreich und politisch gewinnbringend, da durch sie eine Lehnsstreitigkeiten zwischen Sachsen und Kleve auf einfache Art und Weise beigelegt werden konnten. 137 „[…] aber er der canzler hette zu bedenken, wie ich auch wolt gebetten haben, solches E. Gn. zu fermelden, das mir ganz beschwerlichen zu bewaiben, so ich nit auch wiessen solt, was ich haben solt, darauf ich main unterhaltung zu haben, dan ich wust nichtes zu bergen, das ich ganz nit bedacht, mich zu ferelichen, E. Gn. wollten mir dan etwas aigens aingeben, darauf ich bleiben kont und main unterhaltung darauf haben.“ MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, Beilage Nr. 5 (Johann Friedrich an Johann, o. D. sehr wahrscheinlich Winter 1527). 138 Ebd., Beilage Nr. 6 (Johann an Johann Friedrich, o. D). 139 Ebd., Beilage Nr. 7 (Johann Friedrich an Johann, 14. Juli 1528). 140 MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 27. Die vierteljährlichen Bezüge wurden für Johann Friedrich von 50 fl. auf 125 fl. angehoben, die von Sibylle von 75 fl. auf 100 fl. Offenbar hatte man inzwischen die Lehren aus der Mutschierung von 1513 gezogen und verstanden, dass zwei Hofhaltungen finanziell unmöglich waren. 141 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 234, MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 27f. sowie Beilage 26 (Hans von Minkwitz an Johann Friedrich, 5. Juli 1532). Aus dem Schreiben geht hervor, dass sich Johann Friedrichs Ehefrau Sibylle, die Kinder und das Gesinde bereits auf dem Weg von Weimar nach Coburg befanden. Weitere Vorbereitungen kommen ebenfalls zur Sprache.
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In religiösen Fragen scheinen sich Vater und Sohn lange Zeit in gutem Einverständnis befunden zu haben. Sowohl Johann als auch Johann Friedrich zeigten sich frühzeitig sehr interessiert an der Lehre und Person Luthers. Bereits früh befanden sich Schriften Luthers im Besitz der beiden. 142 Nicht nur Georg Spalatin und der Kurfürst sandten regelmäßig Bücher Luthers nach Weimar,143 auch Johann selbst erwarb regelmäßig Lutherschriften, wie die zahlreichen Einträge in die Weimarer Rechnungsbücher belegen.144 So widmete Luther mit seinem „Sermon von den guten Werken“ am 29. März 1520 erstmals Johann eine seiner Schriften. 145 Dort wurden sie mit großem Interesse aufgenommen, die zahlreichen Anfragen Johann Friedrichs an Luther zeigen, mit welch jugendlichem Eifer und Wissensdurst er der Sache begegnete. 146 Aber auch Johann richtete Anfragen zur Auslegung von Bibelstellen an den Reformator.147 Neben dem Vater scheint auch Veit Warbeck einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die lutherische Gesinnung des jungen Kurprinzen gehabt zu haben.148 Eigentlich war 142 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, Beilage Nr. 1 (Verzeichnis der lateinischen und deutschen Bücher im Besitz Johann Friedrichs beim Abschied des Magister Alexius Krosner, 29. September 1519). 143 LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 17, fol. 1r (Johann an Friedrich, 14. Januar 1520); Reg. N, Nr. 17, fol. 6rv (Friedrich an Johann, 25. August 1520). 144 LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 5203, fol. 213v (Ankauf der Wartburgpostille durch Veit Warbeck für Johann und Johann Friedrich, 26. Februar 1522); Reg. Bb, Nr. 5205, fol. 82v (Ankauf von mehreren Betbüchlein, 12. Juli 1522); Reg. Bb, Nr. 4312, fol. 3r (Ankauf des Neuen Testaments durch Wolfgang Stein für die Weimarer Fürsten, 21. Dezember 1522). Alle Zitate nach BUCHWALD, Lutherana, S. 25f. 145 Die Widmung in: WA Werke, Bd. 6, S. 202–204. Kurz vor der Fertigstellung des Sermons fragte Luther ergebnisoffen bei Spalatin an, wem er diesen widmen sollte. Spalatin schlug daraufhin Herzog Johann vor. Vgl. WA Br, Bd. 2, S. 78. 146 Dies belegen nicht zuletzt die Fragen, die Johann Friedrich zur Klärung diverser Bibelstellen an Luther richtete. Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 393 (31. März 1521) sowie Nr. 461 (18. März 1522). MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 33, sieht darin einen interessanten Beleg, wie eingehend die theologischen und biblischen Studien des Kurprinzen bereits waren, muss aber gleichzeitig feststellen, dass er sich dabei in Spitzfindigkeiten verlor. 147 Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 422, Anm. 623. Beispielsweise erfragte Johann 1521 bei Luther die Auslegung von Lukas 17,14. WA Br, Bd. 2, Nr. 431 (Luther an Spalatin, 17. September 1521). 148 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 15, 30, 35. Veit Warbeck war der Sohn eines erfolgreichen Sensenhändlers aus Schwäbisch Gmünd, auf den man am Hofe wahrscheinlich wegen seiner sehr guten Französischkenntnisse aufmerksam geworden war. Nachdem er zunächst in Paris studiert hatte, wandte er sich 1514 nach Wittenberg, um dort Jura zu studieren. Vgl. FÖRSTEMANN, Album acameniae vitebergensis, Bd. 1, S. 51. „Vitus Warbeck gemundianus Dioc. Augusten. Arcium Magister Parisien.“ In Wittenberg freundete sich Warbeck mit Luther und vor allem Georg Spalatin an. Friedrich der Weise gebrauchte Warbeck in vielfältiger Weise, zum einen erteilte er seinem Sohn Sebastian
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er als Französischlehrer im Zuge der geplanten Ehe zwischen Johann Friedrich und der Königsschwester Katharina an den Weimarer Hof gelangt, doch offenbar machten auch seine religiösen Ansichten Eindruck.149 Er kannte Luther über die Französischunterricht, zum anderen begleitete er den Kurfürsten auf Reisen, war ihm beim Ankauf von Reliquien behilflich und wurde gelegentlich für diplomatische Missionen herangezogen, wie beispielsweise Ende November 1516 als er von Friedrich zum französischen König Franz I. gesandt wurde, um dessen Erbieten, Friedrichs Sohn zur Ausbildung an seinen Hof zu schicken, auszuschlagen. Vgl. RTA JR, Bd. 1, S. 47f. Etwa 1519 wechselte Warbeck an den Weimarer Hof. Welche Stellung er dort einnahm, lässt sich nicht genau sagen, sie scheint aber auch hier über die Tätigkeit des Sprachlehrers hinausgegangen zu sein. In an Johann gerichteten Briefen bezeichnete er sich selbst als Kaplan. So beispielsweise am 22. Oktober 1520 in einem Schreiben aus Köln. Vgl. TENTZEL/CYPRIAN, Historischer Bericht vom Anfang und ersten Fortgang der Reformation Lutheri, Bd. 1, Gotha 1717, S. 457, ebenfalls in einem Schreiben aus Worms vom 16. April 1521. Er unterzeichnete mit untertänigster Kaplan. Vgl. NUB, Kap. 2, Nr. 25. Auch Lang bezeichnete ihn in einem Brief vom 19. September 1523 als „principali sacellanus Wimariani“. MENTZ, Die Briefe Georg Spalatins an Veit Warbeck, nebst ergänzenden Aktenstücken, in: Archiv für Reformationsgeschichte 1 (1904), S. 197–246, hier S. 200, Nr. 10. Nachdem das Eheprojekt zwischen Johann Friedrich und Katharina endgültig gescheitert war, wechselte Warbeck in den Dienst des Herzogs Franz von Braunschweig-Lüneburg. Franz, ein Neffe Friedrichs und Johanns, der als 16-Jähriger zur Erziehung an den kursächsischen Hof gekommen war und wahrscheinlich auch an der Universität Wittenberg studiert hatte, stand nach seiner Volljährigkeit 1526 noch zehn Jahre in ernestinischen Diensten und weilte in dieser Zeit dauerhaft am Hof. Er kann wohl als Jugendfreund Johann Friedrichs bezeichnet werden. Diese Umstände erklären auch die weitere Nähe Warbecks zum Hof. Zur wirtschaftlichen Absicherung hatte Warbeck bereits 1517 auf Vermittlung seines Freundes Spalatin als Laie eine Pfründe am Altenburger Georgenstift erhalten. Vgl. Christian SCHLEGEL, Historia Vitae Georgii Spalatini, Jena 1683, S. 201 (Spalatin an Warbeck, 3. August 1517); S. 201f. (Spalatin an Warbeck, 24. August 1517). Die Priesterweihe holte er 1519 nach. Zusammen mit Spalatin betrieb er ab 1525 aktiv die Reformierung des Georgenstifts, was jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereitete. Informationen über die Vorgänge in Altenburg flossen durch Spalatin umfangreich und detailliert an Warbeck und damit inoffiziell an den Hof. Vgl. MENTZ, Die Briefe Georg Spalatins, Nr. 56–70. So sandte Spalatin häufiger auch Kopien seines Schriftwechsels mit dem Kapitel an Warbeck, versehen mit der Bitte, diese am Hof zu verbreiten und über Herzog Franz den Kurprinzen Johann Friedrich zu veranlassen, sich der Sache anzunehmen. Vgl. ebd., bes. Nr. 66, 68, 70. Nach dem Jahr 1526 brechen die Nachrichten über Warbeck mehr oder minder ab, es scheint jedoch, dass er auch unter Johann Friedrich noch Quatembergeldzahlungen bezog. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S, 1–316, Nr. 2099. Warbeck verstarb am 4. Juni 1534 in Torgau. 149 Das erste Mal erwähnte ihn Johann am 24. Dezember 1519 in einem Brief an Johann Friedrich, in dem es darum ging, den Kurprinzen zu ermahnen, an den Weihnachtsfeiertagen zum heiligen Sakrament zu gehen. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, Beilage Nr. 2.
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Universität Wittenberg und war im Auftrag Kurfürst Friedrichs auch bei der Leipziger Disputation 1519 anwesend gewesen. Es ist nicht auszuschließen, dass er Johann Friedrich dazu animiert hat, im Oktober 1520 direkten Kontakt zu Luther aufzunehmen, um ihm schriftlich sein Wohlwollen und seine Neigung zu dessen Lehre zu versichern. Jedenfalls schrieb Veit Warbeck am 22. Oktober 1520 aus Köln, wo er sich gerade im Gefolge Friedrichs des Weisen zur Krönung Karls V. aufhielt, man solle nach Ausgang der Bannbulle durch Eck 150 doch persönlich an Luther schreiben und ihm Unterstützung zusagen, da man ihn in jedem Fall an der Universität Wittenberg halten wolle. Aufgrund der fehlenden Adresse lässt sich nicht mehr eindeutig klären, ob dieser Brief an Johann Friedrich oder seinen Vater gerichtet war.151 Sollte der verlorengegangene Brief Johann Friedrichs an Luther die Reaktion auf Warbecks Aufforderung gewesen sein, so ist diese äußerst kurzfristig geschehen. Denn bereits am 30. Oktober 1520 sandte Luther ein Antwortschreiben, 152 anhand dessen sich der Inhalt von Johann Friedrichs Brief rekonstruieren lässt. Dabei ist nicht zuletzt die Aussage interes150 Herzog Johann wurde in einem Schreiben vom 11. Oktober 1520 durch den Rektor der Wittenberger Universität über den Eingang der Bulle Exsurge Domine informiert. Am 19. Oktober leitete er dieses mit einen kurzen Begleitschreiben an Friedrich nach Köln weiter. Darüber hinaus wandte sich Johann ratsuchend an die Wittenberger Räte. Vgl. Hans VON SCHUBERT, Die Vorgeschichte der Berufung Luthers auf den Reichstag zu Worms 1521, In: Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse, Heidelberg 1912, S. 5–30. Johann hatte aber schon am 6. Oktober Kenntnis von der Bulle, denn Johann Eck ließ ihm auf seiner Rückreise nach Ingolstadt in Coburg per Boten ein Exemplar nebst einem päpstlichen Breve, in dem der Kurfürst und Johann gebeten wurden, als christliche Fürsten bei der Ausführung der Bulle mitzuhelfen, zukommen. Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 341. 151 Vgl. TENTZEL/CYRIAN, Historischer Bericht, Bd. 1, S. 454–459. Nach diesem Abdruck ist der Brief an Johann Friedrich gerichtet. Nach eigener Lektüre des Briefes folge ich MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 30 und der WA Br, Bd. 2, Nr. 347 in der Annahme, dass der Brief für Johann bestimmt war. Aus dem Schreiben geht hervor, dass Johann sich schon an Friedrich, und offenbar auch an Veit Warbeck, gewandt hatte, nachdem er die Bulle am 6. Oktober in Coburg erhalten hatte. Augenscheinlich hatte er in diesem Schreiben ausführlicher Stellung zu der Angelegenheit bezogen und betont, dass er bereit wäre, die in der Bulle erwähnten Theologen zu schützen. Warbeck äußerte seine und Friedrichs Freude über diese Einstellung. Diese ausführliche Stellungnahme erklärt auch das äußerst kurze Begleitschreiben Johanns an Friedrich, nachdem die Nachricht über den Eingang der Bulle an der Universität Wittenberg eintraf. 152 Warbeck erwähnt in seinem Brief vom 22. Oktober, dass es sich um die Antwort auf ein Schreiben vom 13. Oktober handele, das ihm am 21. Oktober zugegangen sei. Es lässt sich also vermuten, dass der Lauf eines Briefes zwischen Coburg und Köln etwa eine Woche betrug. Da auch zwischen Coburg und Wittenberg eine Laufzeit von mindestens zwei bis drei Tagen angenommen werden muss, müssen die Briefe sehr eilig geschrieben und befördert worden sein.
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sant, dass er auch versuchen werde, den Kurfürsten zu Luthers Gunsten zu beeinflussen. Dem Schreiben fügte er eine Abschrift eines entsprechenden Briefes an seinen Onkel hinzu.153 Doch völlig ungeachtet der Frage, ob der Brief auf Anregung Warbecks oder aus eigener Initiative geschrieben wurde, so zeigt dies doch nur, dass man sich im engeren Umfeld Herzog Johanns darüber einig war, wie man sich zu Luther stellen wollte. Einige Zeit später teilte schließlich Johann Friedrich diesem in einem zweiten Brief mit, dass Friedrich zurückgeschrieben habe und sich der Angelegenheit so gut wie möglich annehmen wolle. Auch er selbst versicherte, gern das ihm Mögliche für das Evangelium zu tun.154 Entsprechend interessiert verfolgte Johann Friedrich die Verhandlungen in der Sache Luthers auf dem Wormser Reichstag. So bat Friedrich der Weise im Januar 1521 seinen Bruder, „seiner lib [zu] sagen, das man alle tage, alls ich bericht wird, wider doctor martinus Rad held, Ihnen in ban vnd acht zcu thuen vnd auff das hochste Ihne zcu verffolgen“.155 Da Johann Friedrich mit seinem Vater ebenfalls nach Worms reiste, wo man am 8. Februar 1521 eintraf, hatte er sicher Gelegenheit, die Verhandlungen zwischen Brück und dem kaiserlichen Beichtvater Johann Glapio zu verfolgen.156 Nach der Abreise am 23. Februar aus Worms hielt wiederum Veit Warbeck den Weimarer Hof auf dem Laufenden.157 Zusammenfassend lässt sich wohl sagen, dass die Hinwendung Johann Friedrichs zur Lehre Luthers mit voller Billigung und Unterstützung Johanns verlief. Erste Misstöne zwischen Vater und Sohn wurden erst laut, als schwärmerische und von der lutherischen Hauptlinie abweichende Strömungen in Thüringen und auch am Weimarer Hof immer präsenter wurden. Von nun an lassen sich verstärkte Aktivitäten Johann Friedrichs beobachten, die teilweise auch gegen die Anschauungen des Vaters gerichtet waren. So mehrten sich 1523 die Klagen über den von Herzog Johann geförderten Jakob Strauss in Eisenach.158 Vornehmlich von altgläubiger Seite kritisierte man die Reformationsbestrebungen des ehemaligen Dominikaners an der Georgenkirche. Dies drang auch an Johann Friedrichs Ohren. Wie genau der Kurprinz auf die Anfeindungen und Verleumdungen gegen den Eisenacher Prediger reagierte, ist nicht überliefert, es ist jedoch bezeichnend, dass Strauss am 21. Juni 1523 ein 50 Artikel umfassendes Memorandum über den evangelischen Predigerstand direkt an Johann Friedrich richtete. Aus seiner Vorrede zu den Artikeln lässt sich ersehen, dass ihm bewusst war, dass zahlreiche negative Dinge über ihn bis zum 153 154 155 156 157
Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 347. Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 363 (20. Dezember 1520). NUB, Kap. 1, Nr. 8 (16. Januar 1521). NUB, Kap. 2, Nr. 5–7, 10. Da die Adressen dieser Briefe verletzt sind, ist auch hier unklar, ob sie an Johann oder Johann Friedrich gerichtet waren. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 33. 158 Zu Strauss vgl. Kapitel 5.3.
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Landesherrn vorgedrungen waren, er aber überzeugt von der Zuneigung des zukünftigen Landesherrn zum Evangelium sei und hoffe, dass er den Gerüchten, die über ihn im Umlauf sind, keinen Glauben schenkt.159 Es handelte sich also im Wesentlichen um eine Rechtfertigung seines eigenen Vorgehens, das er mit den von ihm entwickelten Thesen begründete und legitimierte. Es scheint, als sei Strauss bewusst gewesen, dass er beim Kurprinzen ein schlechtes Ansehen hatte und er sich deshalb an ihn wandte, um dieses zu verbessern. Dies lässt sich durchaus dahingehend deuten, dass auch Johann Friedrich inzwischen am Weimarer Hof eine gewisse Bedeutung in der Kirchenpolitik zukam. Zumindest wollte Strauss wohl nicht nur Johann, sondern auch Johann Friedrich im Einvernehmen mit seinen Maßnahmen wissen. Sonderlichen Eindruck scheint die Schrift auf Johann Friedrich nicht gemacht zu haben, es gibt nichts, was sich als Reaktion des Kurprinzen darauf deuten lässt.160 Die Notwendigkeit, ernsthaft einzuschreiten, sah er erst, nachdem die Wucherartikel von Strauss in Eisenach zu erheblichen Spannungen geführt hatten, die Predigten Müntzers und Karlstadts in Thüringen für Unruhe sorgten und sein Vater mehr und mehr unter den Einfluss Wolfgang Steins geriet. Johann Friedrich, den offenbar gemeinsam mit dem Kanzler Brück die Sorge umtrieb, dass Johanns indifferente Haltung zu verschiedenen reformatorischen Strömungen, die sich von der lutherischen Lehre absetzten, zu Unruhen und negativen politischen Folgen führen könnte, drängte zunehmend auf Maßnahmen, diesen Strömungen Einhalt zu gebieten. Dabei hofften beide vor allem auf die Unterstützung Luthers, an den sich Johann Friedrich schließlich 1524 wandte. Durch Veit Warbeck ließ er ihm drei der aus seiner Sicht drängendsten Fragen zur Beantwortung übergeben. In zwei Punkten, nämlich ob man nach dem mosaischen Gesetz oder nach den kaiserlichen Rechten richten solle und ob ein Fürst den wucherischen Zinskauf dulden solle, schnitt er jene Fragen an, in denen er mit seinem Vater uneins war. Hinzu trat die Frage danach, ob das vakante geistliche Lehen Johann Pfisters dem gemeinen Kasten zu Eisenach zustand. Keine dieser Fragen war für Luther wirklich neu, zu allen hatte er sich bereits in irgendeiner Weise geäußert.161 Am 18. Juni 1524 schrieb er aber dem Kur159 Vgl. Joachim ROGGE, Der Beitrag des Predigers Jakob Strauss zur frühen Reformationsgeschichte, Berlin 1957, S. 157–166. 160 Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 64. Rogge glaubt, dass dieser Umstand nicht so sehr auf dem Inhalt des Memorandums beruhte, sondern dass der Ruf, der Strauss vorausging, dazu geführt hatte, dass sich Johann Friedrich bereits seine Meinung gebildet hatte. Dies würde darauf hinweisen, dass Johann Friedrich bereits voll und ganz auf der Linie Luthers bezüglich äußerer Reformen und Änderungen war. Zum Urteil Luthers über Jakob Strauss vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 623 (Luther an Graf Georg von Wertheim, 17. Juni 1523). 161 Luthers Briefe zeigen, dass alle diese Probleme bereits im Vorfeld an ihn herangetragen worden waren und er sich bereits ausführlich geäußert hatte. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 720
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prinzen seine Meinung in aller Ausführlichkeit. Am Ende des Schreibens drückte Luther seine Hoffnung aus, dass, wenn Karlstadt Orlamünde verlasse, dort endlich Ruhe einkehre,162 äußerte aber auch die Befürchtung, dass Müntzer in Allstedt noch viel Ärger machen werde. Deshalb bat er den Kurprinzen darum, dass dieser erwirken solle, dass sich Müntzer vor den Wittenberger Theologen verantworte.163 Aus der schnellen Antwort des Kurprinzen vom 24. Juni 1524 geht hervor, dass er seine Fragen aus Not und Sorge heraus an Luther gerichtet hatte, wohl wissend, dass er diese bereits Brück gegenüber beantwortet hatte. Da jedoch Wolfgang Stein fest zu seiner Meinung bezüglich des mosaischen Gesetzes stand und den Vater ebenfalls davon überzeugt hatte und darüber hinaus auch die Streitigkeiten um das Zinsnehmen in Eisenach nicht abebbten, war er besonders froh, dass ihm Luther selbst so ausführlich geantwortet hatte. Darauf folgte eine Klage über die Schwärmer in Thüringen und dass er sich wünschen würde, dass Luther sich die Zeit nähme, von Stadt zu Stadt zu ziehen, um die Prediger zu begutachten und diejenigen, die untauglich wären, mit Unterstützung der Obrigkeit abzusetzen. Mit anderen Worten, Johann Friedrich schlug Luther eine Visitation vor.164 Er sah also akuten Handlungsbedarf, sowohl von Luthers als auch von obrigkeitlicher Seite. Dies geschah nicht zuletzt vor dem Hindergrund der Vorgänge in Allstedt. Dort hatten Anhänger Müntzers am 24. März 1524 vor den Toren der Stadt eine Kapelle zerstört. Herzog Johann leitete zwar eine Untersuchung der Vorgänge ein, jedoch kapitulierte der Herzog mehr oder minder (Luther gegenüber Spalatin zur Wiedereinführung des Mosaischen Gesetzes, 14. März 1524). Bereits im Oktober 1523 hatte sich Luther Brück gegenüber bezugnehmend auf die Schrift von Jakob Strauss zum Zinsnehmen geäußert. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 673. Auch die Frage danach, ob die Kastenherren Eisenachs mit Recht Anspruch auf das geistige Lehen des ausgetretenen Augustiners Johann Pfister erhoben, hatte Luther bereits zuvor beschäftigt. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 732 (Luther an Gregor Brück, 25. April 1524). 162 Aufgrund von Streitigkeiten um die Rechtmäßigkeit der Besetzung des Pfarramts mit Karlstadt, erwartete Luther seine Rückkehr nach Wittenberg und die Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit an der Universität. Vgl. dazu BARGE, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Bd. 2, Leipzig 1905, S. 104–107. 163 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 753. 164 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 754. Damit griff Johann Friedrich die Forderungen der Ritterschrift auf dem Landtag in Altenburg 1523 auf, die bei den Fürsten nur geringe Resonanz gefunden hatten. Vgl. ELA, S. 160f. „Welche prediger wider gottes worth ire lehre furwenden in irthumb des glaubens und christlicher liebe […] zur einfurung ergernus, unchristlichen gehorsams den gemeinen unverstendigen man in aufrur bewegen“, die sollen erfordert, unterrichtet und vermahnt werden, ihnen die Predigt untersagt, und wer das Gebot übertritt, gestraft werden; auch soll ein Aufsehen in den Aemtern darüber durch Bestellung der Amtleute und des Adels gehalten, auch die Bischöfe, Aebte usw. beschickt werden, um diese daran zu erinnern.“
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vor der großen Anhängerschaft und Gewaltbereitschaft Müntzers im Juni 1524.165 Hinzu trat der Umstand, dass Johann zu dieser Zeit unter dem Eindruck anderer reformatorischer Lehren hinsichtlich des Weges der Reformation unsicher war, was ihn wohl an einer härteren Vorgehensweise hinderte.166 In diesem Zusammenhang muss der Brief Johann Friedrichs an Luther gesehen werden. Der Kurprinz hatte im Gegensatz zu seinem Vater weder Zweifel an der allgemeinen Gültigkeit der lutherischen Lehre noch daran, dass man gegen Leute wie Müntzer oder Karlstadt rücksichtslose Schärfe walten lassen müsse, da er beide für sehr gefährlich hielt.167 Sanftmütigkeit und Briefe waren seiner Meinung nach keine zielführenden Mittel mehr, nur das von Gott verordnete Schwert könne die Probleme lösen.168 Ein Brief Johann Friedrichs an Veit Warbeck vom 17. August 1524 beweist, dass seine Einstellung zu diesen Fragen in seinem Umfeld bekannt war und er als Ketzermeister bezeichnet wurde.169 Damit konnte er sich aber gegen seinen Vater und seinen Onkel nicht durchsetzen. Im Gegenteil, Johann gelang es sogar, seinen Sohn zu überreden, sich sowohl am 1. als auch am 13. Juli 1524 mit ihm zusammen Predigten Müntzers in Allstedt anzuhören.170 Nach den vorausgegangenen Vorkommnissen in der Stadt und Johann Friedrichs Haltung zum Thema ist die Zugänglichkeit der Fürsten für Müntzer recht erstaunlich. Wahrscheinlich auf Johann Friedrichs Betreiben wurden die Predigten zu Luther nach Wittenberg gesandt, der dadurch angeregt die Schrift „Ein Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührischen Geist“ herausbrachte.171 Die Lage spitzte sich in Allstedt im Laufe des Juli 1524 weiter zu. Selbst der Schosser Zeiss, der bisher bei Herzog Johann eher im Verdacht stand, ebenfalls ein Anhänger Müntzers zu sein, forderte nun ein öffentliches Verhör des Predigers, um einen Volksaufruhr zu verhindern. Am 28. Juli erschien er in Weimar und erstattete Herzog Johann Bericht über die wachsende Erregung im Volk, zumal Müntzer und sein Nebenprediger Haferitz die Menschen immer wieder 165 Zu den Vorgängen in Allstedt vgl. Kapitel 5.1. sowie Carl HINRICHS, Luther und Müntzer. Ihre Auseinandersetzung über Obrigkeit und Widerstandsrecht, Berlin 1952. 166 Dabei darf jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass es Luther zu dieser Zeit nicht um die Unterdrückung abweichender Lehren ging, sondern lediglich um das Einschreiten gegen Gewalttätigkeiten und Aufruhr. 167 BARGE, Karlstadt, Bd. 2, S. 119. 168 Vgl. WA Br, Bd. 3, Beilage zu Nr. 754. 169 „[…] Ich habe ewer schreiben verlessen vnd zcu genaden vermerckt, vnd das ir mich vor ainen keczer maister wolt achtten vnd thuet mir geluck darzcu bunsen, dar auff will Ich Euch nit bergen, dass Ich mit dem geschurm vnd geburm genuck zcu schikcen hab, vnd Sunderlich mit dem vermaladeitten Satan von Alstet.“ Ebd. 170 Hinrichs vermutet, dass in der Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn der Gedanke entstanden ist, in Allstedt direkt eine Predigt Müntzers zu hören. Vgl. HINRICHS, Luther und Müntzer, S. 32. 171 WA Werke, Bd. 15, S. 210–221.
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aufforderten, sich zu sammeln und gegen die Obrigkeit zu erheben. Erst jetzt entschloss sich Johann dazu, Müntzer samt der Allstedter Obrigkeit für den 1. August nach Weimar einzubestellen. Im Verhör wurde das aufrührerische Treiben Müntzers augenfällig, zumal er nun auch nicht mehr vom Allstedter Rat gedeckt wurde. Zwar erging als unmittelbarer Befehl, die Druckerei Müntzers in Allstedt zu schließen und den Allstedter Bund aufzulösen, doch konnte Müntzer nach dem Verhör unbehelligt nach Allstedt heimkehren, wo ihm die Entscheidung der Fürsten in Kürze mitgeteilt werden sollte. Erst am 6. August informierte Johann Kurfürst Friedrich über das Verhör und die eingeleiteten Maßnahmen. In diesem Zusammenhang erteilte er dem Bruder den vorsichtigen und nur indirekt formulierten Ratschlag, Müntzer aus Kursachsen auszuweisen. 172 Es ist nicht auszuschließen, dass es der Kreis um Johann Friedrich und den Kanzler Brück war, der auf den Vorschlag dieser Maßnahme gedrungen hatte, auch wenn man ihn nicht vehement forderte. Zu Friedrichs und Johanns großer Erleichterung verließ Müntzer in der Nacht vom 7. zum 8. August 1524 Allstedt freiwillig, ohne dass weiteres fürstliches Eingreifen notwendig geworden war.173 Gerade die Auseinandersetzungen in Allstedt zeigen, dass der Einfluss Johann Friedrichs auf das kirchenpolitische Handeln des Vaters noch recht gering war. Gegen die nahezu fatalistisch abwartende Haltung des Vaters und des Onkels konnte der Kurprinz nur wenig ausrichten. Dass sich die Situation am Ende doch noch zum Guten wendete, ist weniger dem politischen Handeln der Fürsten, sondern eher einer glücklichen Fügung zu verdanken. So setzte sich Johann Friedrich, der sich von Beginn an für schärfere Maßnahmen gegen die Schwärmer in Thüringen ausgesprochen hatte, in den folgenden Wochen verstärkt bei Luther dafür ein, diesen Einhalt zu gebieten.174 Diese Bestrebungen, aus denen Mentz den Rückschluss zog, dass Johann Friedrich in dieser Zeit die Kirchenpolitik in Weimar geleitet habe,175 könnten ebenso gut Ausdruck dafür sein, wie uneins er sich nach wie vor darin mit Johann war. Deshalb suchte er den Schulterschluss mit Luther, mit dem er sich in diesen Fragen einig wusste. So ist auch Luthers Predigtreise im Sommer 1524 zu werten, wo v.a. jene Gemeinden besucht werden sollten, die unter den Einfluss des Gedankenguts von Müntzer und Karlstadt
172 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 264, Johann an Friedrich. 173 Vgl. FÖRSTEMANN, Zur Geschichte des Bauernkriegs, S. 198–200. 174 In Bezug auf Müntzer und die Zerstörung der Kapelle in Mallerbach stand Luther ganz auf der Seite Johann Friedrichs. Auch er hatte sich ein energischeres Eingreifen der Fürsten gewünscht, denn obwohl er der Ansicht war, dass abweichende religiöse Auffassungen zu ertragen seien, war für ihn die Grenze der Duldung durch die Gewalttätigkeiten, die Müntzer provozierte, überschritten. Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 2: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521–1532, Stuttgart 1986, S. 152f. 175 MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 37f.
DIE BEZIEHUNG JOHANNS ZU SEINEM SOHN JOHANN FRIEDRICH
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geraten waren. 176 Die Berichte Luthers über die Zustände dort blieben nicht folgenlos. Zum ersten Mal sehen wir Johann rigoros vorgehen. Sowohl Karlstadt als auch sein Schwager Gerhard Westerburg und der Jenaer Prediger Martin Reinhard wurden aus Kursachsen ausgewiesen.177 Es stellt sich hier unwillkürlich die Frage, ob sich erstmals Johann Friedrich und der streng lutherisch gesinnte Kreis am Weimarer Hof hatten durchsetzen können, oder ob wir hier bereits einen Sinneswandel Johanns hin zur Lehre Luthers erkennen können.178 Doch der Grundstein für das in den nächsten Monaten bei Johann zu beobachtende Umschwenken in der religiösen Frage war gelegt.179 Nach und nach setzte sich nun in Weimar die offenbar von Johann Friedrich vertretene Auffassung durch, dass Aufruhr nur mit klarer und eindeutiger Lehre verhindert werden könne, was schließlich nach dem Bauernkrieg zur absolut gültigen Maxime erhoben wurde. Nach diesem Wendepunkt scheinen sich Vater und Sohn in ihrem kirchenpolitischen Vorgehen im Wesentlichen wieder einig gewesen zu sein. Erst in späteren Jahren kam es zu vereinzelten Differenzen, so sehen wir Johann Friedrich eher als Johann geneigt, auch militärische Optionen zum Schutz des Evangeliums in Betracht zu ziehen.180 Auch in den Verhandlungen zum Nürnberger Anstand 1532 war Johann Friedrich mit der nachgiebigen Art des Vaters und der
176 Vgl. Hans-Peter HASSE, Luthers Visitationsreise in Thüringen im August 1524: Jena – Kahla – Neustadt an der Orla – Orlamünde, in: Werner GREILING/Uwe SCHIRMER/ Ronny SCHWALBE (Hg.), Der Altar von Lucas Cranach d.Ä. in Neustadt an der Orla und die Kirchenverhältnisse im Zeitalter der Reformation, Köln 2014, S. 169–202. 177 Zur Frage danach, ob sich Karlstadt, Reinhart und Westerburg überhaupt des aufrührerischen Handelns, womit ihre Ausweisung begründet wurde, schuldig gemacht hatten, vgl. BRECHT, Martin Luther 2, S. 160–163. 178 Inwiefern es sich hier auch um eine Machtdemonstration der kurfürstlichen Regierung, die dem Treiben lange Zeit freien Lauf gelassen hatte, handelte vgl. Volkmar JOESTEL, Ostthüringen und Karlstadt. Soziale Bewegung und Reformation im mittleren Saaletal am Vorabend des Bauernkrieges (1522–1524), Berlin 1996, S. 136. Vgl. auch Abschnitt 3.2. 179 Folgerichtig stieß man Anfang Januar und im März 1525 eine Visitation in Thüringen an, die von Jakob Strauss und Burkhard Hund durchgeführt wurde. Die Planungen gingen einzig von Weimar aus, weder Luther noch der Kurfürst wurden einbezogen. Vgl. Rudolf HERRMANN, Die Kirchenvisitationen im Ernestinischen Thüringen vor 1528, in: Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte 1(1930), S. 167–230, hier 167–173. 180 Insbesondere in den Pack’schen Händeln 1528 scheint Johann Friedrich zunächst dem von Philipp von Hessen angeregten Präventivschlag ebenfalls zugeneigt gewesen zu sein. Trotzdem sandte Johann seinen Sohn nach Hessen, um den Landgrafen von einem vorschnellen militärischen Handeln abzuhalten. Dies zeigt nicht zuletzt, dass Johann dem Sohn dahingehend vertraute, dass er zum einen die Situation vor Ort richtig einschätzen und sich zum anderen zuverlässig an die Instruktionen halten würde.
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Wittenberger Theologen, insbesondere in der Frage der Einbeziehung zukünftiger Anhänger des Evangeliums in einen Friedensschluss, nicht einverstanden.181 Ohne Zweifel ärgerte sich Johann Friedrich so manches Mal über die Behäbigkeit und Geduld des Vaters. So heißt es in einem Schreiben an Hans von Dolzig, der 1530 nach der Abreise der Fürsten zu weiteren Verhandlungen auf dem Augsburger Reichstag zurückgeblieben war und um weiteren Befehl bat auff ewer und der andern rette gethanne schreiben wert Ir von meynem g. h. und vattern f. g. gemut In schriefften hye wey wyderumb bekommen, wye wol dem alden regiment nach alle sachen zcu dem lancksamesten gehen, so Ist auch nyemandes von retten hye, dye von der sachen fyl wyssens und versthant haben, das dye bryeff almal zcu for kegen wyttenbergk geschickt werden, ehe etwas darauff geschlossen, das mus nun wye Ir wysset lancksam zcu gehen.182
In so manchen Dingen hätte er wohl schneller und entschiedener durchgegriffen.183 Doch stets behielt sich Johann die Entscheidung über kritische Punkte vor. Als Johann Friedrich während des Speyrer Reichstages 1529 die Regierungsgeschäfte führte, wurden immer wieder schwierige Anfragen zu laufenden Visitationsangelegenheiten an ihn herangetragen. Zwar bemühte er sich um schriftliche Klärung mit Johann, in besonders kritischen Angelegenheiten bestimmte der Kurfürst jedoch, bis zu seiner Rückkehr abzuwarten.184 Insgesamt scheint Johann Friedrich recht bruchlos in den Fluss der ernestinischen Politik hineingewachsen zu sein.185 Auch wenn Friedrich der Weise 181 Vgl. Abschnitt 6.6. 182 UBGRA, Bd. 2, Nr. 252 (Johann Friedrich an Hans von Dolzig, 14. Oktober 1530). In Wittenberg standen nicht nur die Theologen, sondern auch der alte Kanzler Gregor Brück als Ratgeber zur Verfügung. 183 So beispielsweise bei der Weigerung des Altenburger Georgenstifts trotz eindeutigen Befehls des Kurfürsten, die katholischen Messen aufzugeben. Johann duldete diesen Ungehorsam, sodass Georg Spalatin und Veit Warbeck in der Überlegung standen, Johann Friedrich dazu zu bewegen einzuschreiten. MENTZ, Die Briefe Georg Spalatins, Nr. 80 (26. März 1526). Eine ähnliche Situation ergab sich während der Visitation 1529. Johann Friedrich schlug dem auf dem Reichstag in Speyer weilenden Johann vor, endlich Zwangsmaßnahmen gegen Heinrich Reuß von Plauen und die Herren von Gera vorzunehmen, da diese sich weigerten, in ihren Gebieten Visitationen zur Einführung der Reformation zuzulassen. Johann lehnte dies in einem Schreiben vom 14. März 1529 ab, mit dem Hinweis, dass es bereits 1526 einen ähnlich gelagerten Fall mit Günther von Schwarzburg gegeben habe, in dem ihm Luther selbst empfahl, keine Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Vgl. WA Br, Bd. 4, S. 50f. 184 Vgl. HÖSS, Georg Spalatin, S. 335f.; Carl A. BURKHARDT, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen von 1524–1545, Leipzig 1879, S. 158–160. 185 Martin BRECHT, Martin Luther und Kurfürst Johann Friedrich I., in: Sächsische Heimatblätter. Zeitschrift für sächsische Geschichte, Denkmalpflege, Natur und Umwelt, 50 (2004), S. 32–41.
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bereits in einem Schreiben vom 25. März 1521 Johann dazu anhielt, den Sohn mehr und mehr an die Regierungsgeschäfte heranzuführen und ihn einzubeziehen,186 scheint es, als hätte Johann ihn damit noch einige Zeit verschont. Dessen ungeachtet nahm der Kurprinz gemeinsam mit dem Vater regelmäßig an Landtagen und Fürstenzusammenkünften teil und wurde an verschiedenen Höfen eingeführt.187 Mit dem Regierungsantritt Johanns wurden auch Johann Friedrich nach und nach mehr Aufgaben übertragen, jedoch meist gebunden an enge Instruktionen und unter Beobachtung erfahrener Räte. Seine Meinung zu den politischen Fragen der Zeit war bei Johann durchaus gefragt, wir kennen zu zahlreichen Fragen vom Kurprinzen erstellte Gutachten, die er dem Vater zukommen ließ. Wenn er den Vater nicht zu den Reichstagen begleitete, wie beispielsweise 1529, ließ er sich durch einen regen Briefwechsel auf dem Laufenden halten.188 Nach 1530 übernahm Johann Friedrich zunehmend Regierungsverantwortung, da Johann immer stärker mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte. Bereits in dieser Zeit zeigte sich, dass der Kurprinz beabsichtigte, die Regierung und Verwaltung zu reformieren, um die seiner Meinung nach ineffizienten Strukturen des Vaters zu durchbrechen. Dazu wollte er eine neue Hof- und Ratsordnung durchsetzen und begann, diejenigen Räte zu fördern und um sich zu sammeln, die sich zu einer solchen Reform bereit zeigten.189 Zu Lebzeiten des Vaters gelang es Johann Friedrich jedoch nicht, seine Pläne umzusetzen.190
2.5. Das personelle Umfeld Johanns zwischen 1513 und 1532 DAS PERSONELLE UMFELD JOHANNS ZWISCHEN 1513 UND 1532
Neben diesen engsten Familienangehörigen nahmen natürlich auch die fürstlichen Räte Einfluss auf die Entscheidungen Johanns. Ein genauerer Blick auf Personen und Strukturen lohnt sich bereits deshalb, weil die Räte einen sehr umfangreichen Beraterkreis darstellten. An den Beginn dieses Abschnittes möchte ich einige allgemeine Ausführungen zur ernestinischen Hofratsordnung stellen.191 Nachdem die Räte aufgrund des zwei Jahre währenden Aufenthalts Kurfürst Friedrichs und Herzog Johanns am Hof König Maximilians 1497 und 1498 die 186 187 188 189
NUB, Kap. 1, Nr. 20. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 54f. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1. Es scheint, als hätte Johann Friedrich in dieser Zeit die besonders kompetenten Räte auf seine Seite bringen können und ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut. Dazu gehörten Hans von Minkwitz, Hans von Dolzig und Anarg von Wildenfels. Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 234, Anm. 57. 190 MÜLLER, Johann Rietesel, S. 233. 191 Die Hofratsordnung ist gedruckt in: EMMINGHAUS, Hofratsordnung, S. 97–106.
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Statthalterschaft im Lande ausgeübt hatten und dabei mit der Erledigung wichtiger Maßnahmen betraut waren,192 erließen Friedrich und Johann bereits kurz nach ihrer Rückkehr am 2. März 1499 eine Ratsordnung, die zum einen stark an die königliche Hofratsordnung von 1498 angelehnt war, zum anderen aber vor allem mit der Vorordnung von wesentlichen Räten die rechtliche Festlegung der bereits seit einigen Jahren bestehenden Ratsverhältnisse darstellte.193 Dabei wurden vier ständige Räte eingesetzt, die sich zu täglichen Sitzungen unter Vorsitz des Hofmeisters trafen, um über alle Angelegenheiten, die Land und Fürsten betrafen, zu beraten und Beschluss zu fassen. Die Anwesenheit der Fürsten war dabei nicht vorgesehen, jedoch sollten bei wichtigen Entscheidungen die Räte ihren Beschluss dem Fürsten zur Genehmigung vorlegen. Der Kanzler war zusammen mit zwei Schreibern zur Teilnahme an der Ratssitzung verpflichtet, hatte sich aber dem Ratskollegium unterzuordnen. Seine Hauptaufgabe war die Leitung der Kanzlei.194 Dieser feste und sozial recht geschlossene Personenkreis verlor sich mit dem Verschwinden von Lokalbeamten und der gleichzeitigen Zunahme von gelehrten Personen im Rat in den nächsten Jahren. Eine einheitliche Weiterentwicklung des Rates wurde aber durch die Mutschierung 1513, die dazu führte, dass einzelne Bestimmungen der Ratsordnung keine selbstverständliche Geltung mehr hatten, unterbrochen. Insbesondere was die Verwaltung in Weimar betraf, ging man zunächst Kompromisse ein. So war möglicherweise anfangs der Aufbau einer eigenen Kanzlei für Johann gar nicht vorgesehen, zumindest lässt sich erst seit 1520 Gregor Brück als Kanzler Johanns nachweisen.195 Insgesamt ging die Zahl der Räte und der Umfang ihrer Aufgaben an beiden Höfen zurück, doch standen jedem Bruder eigene, nur von ihm besoldete, aber beiden verpflichtete Räte zur Verfügung. Unter der Alleinregierung Johanns vermehrte sich die Zahl der Räte wieder. Bürgerliche Juristen wurden zunehmend als ständige Räte an den Hof gezogen 192 Bezüglich der geführten Verhandlungen zwischen Räten und Ständen in Abwesenheit der Fürsten vgl. ELA, S. 25–42. 193 Vgl. BRATHER, Kursächsische Verwaltungsreformen, S. 272f. 194 Vgl. EMMINGHAUS, Hofratsordnung, S. 100. 195 Vgl. Gerhard KETTMANN, Die kursächsische Kanzleisprache zwischen 1486 und 1546, Berlin 1969, S. 47. Die unvollständig erhaltenen Mutschierungsakten enthalten keine bündigen Angaben darüber, inwieweit der Aufbau einer eigenen Kanzlei für Johann angedacht war. Erhalten ist lediglich ein Vorschlag Friedrichs für das Anfangsstadium, aus dem hervorgeht, dass zumindest für diese Zeit keine gesonderte Kanzlei anzusetzen ist. Hier schrieb Friedrich, dass er zunächst zwei erfahrende Kanzleischreiber nach Weimar schicken werde, wovon einer die Aufsicht über die Kanzlei haben sollte, bis sich ein geeigneter Kanzler für Johann gefunden hätte. Ein solcher Austausch scheint laut KETTMANN die Regel geworden zu sein, denn eigenes Kanzleipersonal Johanns ist auch in den folgenden Jahren aus keiner Quelle nachzuweisen.
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und gewannen erheblich an Einfluss. Dabei drängte der juristische Kanzler den Hofmeister immer weiter zurück.196 Die Schwierigkeit bei der Ermittlung der ständig im Hofrat tätigen Räte und der Räte, die sich nur zeitweise am Hof befanden, ergibt sich daraus, dass für das ernestinische Kurfürstentum im Hauptstaatsarchiv Weimar lediglich zwei Missiven-Register erhalten sind, die anzeigen, welcher Rat für die Bearbeitung der Missive (Commissio) verantwortlich war. Diese überlieferten Register stammen jedoch aus den Jahren 1492 bzw. 1493.197 Somit lässt sich nur schwer ermitteln, wer die alltäglichen Arbeits- und Geschäftsprozesse am Weimarer Hof gestaltete und prägte. Ein Blick in die ernestinischen Landtagsakten und auf die Verhandlungen in der hessischen Vormundschaftsangelegenheit,198 die kurz nach der Mutschierung stattfanden und meist von Johann geführt wurden, gibt jedoch Aufschluss darüber, dass es sich in den ersten Jahren vor allem um erfahrene Räte aus dem Thüringer Raum handelte, die Johann berieten. Hier sind in erster Linie Friedrich von Thun, Wolf von Weißenbach, Heinrich von Ende und Fabian von Feilitzsch zu nennen.199 Es war sicher kein Zufall, dass es sich dabei um genau jene Herren handelt, die auch am 27. Juli 1513 in Weimar anwesend waren, als Friedrich der Weise Johann persönlich und unmissverständlich mitteilte, dass er nicht länger bereit sei, allein für Regierung, Haushaltung und Hof zuständig zu sein.200 Somit werden auch Johanns spätere Klagen gegenüber seinem Bruder, dass ihm für die Kontrolle der Rechnungslegung in den Ämtern keine erfahrenen Personen zur Verfügung stünden, erklärlich. 201 Dies resultierte zum einen aus der geringen Zahl der Räte und zum anderen daraus, dass diese regelmäßig auch von Friedrich für verschiedenste Aufgaben in Anspruch genommen wurden. Mit Ausnahme Fabians von Feilitzsch wurden sie auch weiterhin vom Kurfürsten bezahlt. Laut einem 1513 angelegten Register besoldete Johann selbst nur noch drei weitere Räte, die sich jedoch sehr wahrscheinlich nicht dauerhaft am Weimarer Hof aufhielten.202 So nimmt es kaum wunder, dass es bei der täglichen Verwaltungs196 BRATHER, Kursächsische Verwaltungsreformen, S. 278. 197 Eine Auswertung zur Zusammensetzung und Tätigkeit der Commissio-Träger findet sich in Tabellenform bei BRATHER, Kursächsische Verwaltungsreformen, S. 285–287. 198 Von besonderem Interesse ist hierbei der Landtag zu Kassel im März 1514 und die darauf folgenden Verhandlungen, an denen Johann maßgeblich beteiligt war. Vgl. dazu auch Hessische Landtagsakten, Bd. 1: 1508–1521 (im Folgenden: HLA), hg. von Hans GLAGAU, Marburg 1901. 199 Vgl. ELA, S. 99, Nr. 168; S. 116, Nr. 197; S. 144, Nr. 262. 200 Vgl. MÜLLER, Mutschierung, S. 175. 201 Vgl. ebd., S. 181. 202 Nach einem vom Rentschreiber Sebastian Schade angelegten Register zum Haushalt Herzog Johanns konnte Uwe Schirmer über das 1513 ausgezahlte Rätegeld nur vier Räte
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arbeit zu Engpässen kam. Erst nach und nach, mit der Konsolidierung des Weimarer Hofes, kam es zu einer klareren Abgrenzung der Aufgabengebiete und einer schrittweisen Erhöhung der Anzahl der Räte. Einige von ihnen sollen auf den nächsten Seiten näher betrachtet werden: Als besonders erfahren und altgedient kann der bereits erwähnte Friedrich von Thun bezeichnet werden. Er gehörte schon lange zum engsten Beraterkreis Friedrichs des Weisen und genoss dessen Vertrauen. Thun, der etwa um 1470 geboren wurde, stammte aus einem weitverzweigten Geschlecht in Thüringen, dem die Weißenburg, im Amt Saalfeld gelegen, gehörte. Er begann seine Karriere zunächst als Hofmarschall des Magdeburger Erzbischofs. Nachdem er dieses Amt von 1492 bis 1495 bekleidet hatte, trat er in den Dienst Friedrichs des Weisen.203 Zunächst Amtmann in Altenburg und ab 1507 Richter am Oberhofgericht, wurde er 1509 Hauptmann von Weimar. Diese Ernennung stand höchstwahrscheinlich in unmittelbarem Zusammenhang mit den Unruhen in Erfurt. Diese nahmen ihren Anfang, nachdem am 5. Mai 1508 das Amt und Schloss Kapellendorf an Kursachsen verpfändet worden war und gipfelten 1509 in gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen dem Erfurter Rat und der Bürgerschaft, als die enorme Schuldenlast der Stadt ans Licht kam.204 In diesen Konflikt griffen Kursachsen und Mainz, die beide um die Vorherrschaft über die Stadt konkurrierten, ein, nicht zuletzt mit dem Ziel, sich weitergehende Rechte zu ermitteln: Fabian von Feilitzsch, Dr. Johann Reinboth, Dr. Johann von der Sachsen und Dr. Henning Göde. Reinboth war von 1514–1516 Amtmann von Rossla. Im Auftrag der sächsischen Stände war er als Abgesandter bei den Verhandlungen in der hessischen Vormundschaftsangelegenheit am 31. Oktober 1514 in Berka zugegen. Vgl. HLA, Nr. 166. Im Jahr 1516 nahm er im Auftrag des Bischofs von Naumburg an der Visitation der Klöster Eisenberg, Lausnitz, Roda, Petersberg und Kapellendorf teil. Von 1518–1520 stand er den Ämtern Leuchtenburg und Orlamünde vor. Vgl. DEVRIENT (Hg.), Urkundenbuch der Stadt Jena, Bd. 2, Nr. 1191, 1192, 1239, 1255. Bei von der Sachsen handelt es sich um einen Erfurter, bei Göde um einen Wittenberger Bürger. Feilitzsch war ein von Friedrich dem Weisen häufig in Anspruch genommener Rat, der zu dieser Zeit auch Hauptmann von Zeitz war. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich diese Herren dauerhaft in Weimar aufhielten. Insofern teile ich die Zweifel Schirmers, dass es sich bei diesen Räten um die engsten Vertrauten Johanns handelte. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 359, nach LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 4218, fol. 38v. 203 Vgl. Michael SCHOLZ, Residenz, Hof und Verwaltung der Erzbischöfe von Magdeburg in Halle in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, Sigmaringen 1998, S. 54. Eine Übersicht aller Räte der Erzbischöfe Ernst von Sachsen und Albrecht von Brandenburg bei Scholz zeigt, dass es durchaus nicht ungewöhnlich war, dass ein „Personalaustausch“ zwischen Friedrich dem Weisen und seinem Bruder Erzbischof Ernst stattfand. Ebd., S. 327–357. 204 Vgl. Carl A. BURKHARDT, Das tolle Jahr zu Erfurt und seine Folgen, in: Archiv für sächsische Geschichte 12 (1874), S. 337–426, hier S. 341–350.
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sichern. Zu diesem Zweck schickten beide Seiten Gesandte nach Erfurt. Friedrich der Weise ordnete Friedrich von Thun ab, der verhindern sollte, dass die Mainzer Gesandten zu viel Einfluss erlangten. Über mangelnde Entschlossenheit des Weimarer Hauptmannes konnten sich die Fürsten nicht beklagen, von Thun ließ die Mainzer Delegation gar nicht erst nach Erfurt gelangen, sondern setzte sie am 14. Juli 1509 in Georgenthal fest und zwang sie mithilfe von 50 Reitern und 200 Mann Fußvolk, unmittelbar nach Mainz zurückzukehren. Auch deren Ersuchen, dem Kurfürsten schreiben zu dürfen und dessen Antwort in Gotha oder im Eichsfeld abzuwarten, wurde nicht gewährt, sodass sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause ritten. Die Erfurter Bürger, welche die Delegation begleitet hatten, setzte Thun gefangen und brachte sie nach Weimar. Ob sich Friedrich das Eingreifen des Hauptmannes so vorgestellt hatte, ist fraglich, 205 dennoch bediente er sich seiner immer wieder in den Auseinandersetzungen um Erfurt, die sich bis 1516 hinzogen und bis vor den Kaiser getragen wurden. So reiste Friedrich von Thun im Auftrag Kurfürst Friedrichs 1511 sogar zu Kaiser Maximilian nach Colmar, um bei ihm die Ächtung Erfurts zu erreichen.206 Ebenso begleitete Thun in diesen Jahren den Kurfürsten sowohl zum Wormser als auch zum Augsburger Reichstag 1509 und 1510.
205 Aus einem Bericht der Gesandten an den Erzbischof vom 16. Juli 1509 geht hervor, dass sie von Beginn an überzeugt waren, dass das Handeln Thuns nicht mit Wissen und Willen Friedrichs geschehe, wofür auch spricht, dass er versuchte, die Kontaktaufnahme der Gesandten mit dem Kurfürsten zu verhindern. Vgl. Freiherr VON THÜNA, Friedrich von Thun, Kurfürst Friedrichs des Weisen Rat und Hauptmann zu Weimar, in: Zeitschrift des Vereins für thürinigische Geschichte und Altertumskunde, N.F. 6 (1889), S. 325–374, hier S. 328–332. BURKHARDT, Das tolle Jahr zu Erfurt, S. 355 geht dagegen davon aus, dass Friedrich sehr wohl Wissen von der unrechtmäßigen Aktion Thuns hatte. Ohne Zweifel erlangte Friedrich bereits kurze Zeit später Kenntnis über das Vorgehen seines Hauptmannes und fand dies offenbar nicht anstößig, sodass Thun auch weiterhin mit der Angelegenheit betraut war. Bemerkenswert ist jedoch der Umstand, dass gerade jene Erfurter, die sich 1509 offen zur Anhängerschaft Sachsens bekannten, 1513 als Räte Johanns in Weimar besoldet wurden. Dies betraf Dr. Johann Reinboth, Dr. Johann von der Sachsen und Dr. Henning Göde. Vgl. ebd., S. 353. Offenbar wurden sie mit der Aufnahme in das Besoldungssystem der Ernestiner für ihre Loyalität in dem 1513 noch andauernden Erfurter Konflikt belohnt. Dies stützt wiederum die These, dass sie Herzog Johann nicht als enge Berater dienten. 206 VON THÜNA, Friedrich von Thun, S. 336. Thun erwies sich dabei als eine Art „Allzweckwaffe“. Zum einen führte und beteiligte er sich an militärischen Aktionen rund um Erfurt zur Sicherung des Landfriedens und zur Wahrung sächsischer Interessen, zum anderen agierte er auf der politischen Bühne, wenn er mit Herzog Georg und Mainzer Gesandten verhandelte, seinen Kurfürsten auf Reichstage begleitete und beim Kaiser vorstellig wurde. Dabei legte Thun die nötige Entschlossenheit an den Tag, an der es Friedrich häufig fehlte.
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Auch in einer zweiten Angelegenheit, die in dieser Zeit aktuell wurde, zog man ihn als Rat heran. Dabei handelte es sich um die hessische Vormundschaftsfrage, die mit dem Tod Landgraf Wilhelms am 11. Juli 1509 aufkam.207 Zunächst reiste Friedrich von Thun im Auftrag des Kurfürsten zur Testamentseröffnung nach Kassel, wo er laut Instruktion zuerst die Lage sondieren sollte, um dann zu versuchen, die hessischen Räte auf seine Seite zu ziehen, eine Zusammenarbeit mit den Räten Herzog Georgs jedoch ablehnen sollte.208 Nach längeren Verhandlungen gelang es schließlich, Landgräfin Anna zum Verzicht auf die Vormundschaftsregierung zu bewegen und eine ständische Regierung zu installieren.209 Im Laufe der Zeit machte sich jedoch bei den hessischen Ständen eine gewisse Unzufriedenheit breit, da sich nach und nach herausstellte, dass die aus ihrer Mitte gewählten Regenten mit Unterstützung der Ernestiner an den Ständen vorbei regierten und deren Einfluss beschnitten. Diese Situation nutzte Landgräfin Anna 1514, um einen Teil der Stände auf ihre Seite zu ziehen.210 Bis zu einem von den Wettinern einberufenen Landtag im März 1514 war es ihr bereits gelungen, die Mehrheit der Stände zu gewinnen. Zu jenem entscheidungsträchtigen Landtag in Kassel reiste an der Seite Herzog Johanns auch Friedrich von Thun, der dort im Namen der Fürsten das Wort führte.211 Herzog Johann und der ebenfalls anwesende Herzog Heinrich von Freiberg sollten bei den Verhandlungen eine Art Schiedsrichterrolle einnehmen, 212 was jedoch von vorn207 Die Wettiner hatten ein großes Interesse an Hessen, denn eine seit Langem bestehende Erbverbrüderung besagte, dass im Falle des Fehlens eines männlichen Erben das Territorium an Sachsen fällt. Auch im seinem Testament bekräftigte Wilhelm diese Regelung nochmals. Der Landgraf hatte jedoch einige Monate vor seinem Tod sein Testament bezüglich der Vormundschaftsregierung für den einzigen männlichen Nachkommen, den damals fünfjährigen Philipp, geändert, sodass nun seine Frau und Kindsmutter anstatt einiger ständischer Vertreter die Vormundschaft übernehmen sollte. 208 Vgl. HLA, S. 24. 209 Bis auf den Schiedstag in Mühlhausen im November 1509, wo Friedrich und Johann persönlich anwesend waren, vertrat Friedrich von Thun die beiden Fürsten auf den Schiedstagen in Kassel im Oktober 1509 und im Januar 1510 sowie in Marburg im Juli 1510. 210 Dazu berief sie für den 9. Januar 1514 einen Landtag nach Felsberg ein. Kurze Zeit später, Anfang Februar, trafen sich die Stände erneut in Treysa. Die Wettiner, die von Beginn an Kenntnis von den Vorgängen in Hessen hatten, reagierten auf das Landtagsausschreiben nach Treysa mit einem Landtagsverbot und beraumten selbst einen Landtag für den 13. März nach Kassel an. Zahlreiche Stände ignorierten jedoch das Verbot. Vgl. HLA, S. 166–168, 172–192. 211 Nach der Hofratsrechnung des Jahres 1513/14 reiste Johann am 6. März nach Kassel und kehrte am 9. April zurück nach Weimar. Ihn begleiteten auch die Räte Wolf von Weißenbach und Günter von Bünau. Vgl. FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 35f. 212 Herzog Heinrich, der gegen Georgs Willen in die hessische Vormundschaft der Wettiner mit einbezogen worden war, stützte den Kurs der Ernestiner. Herzog Georg indessen
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herein nicht leicht war, da man ihnen ein erhebliches Maß an Misstrauen entgegenbrachte, wohl wissend, dass gerade der Ausschluss der Stände aus der Regierung von ihnen betrieben worden war. Auch wenn Johann und Heinrich auf dem Landtag einsehen mussten, dass vor allem die Stellung Ludwigs von Boyneburg, der die Vormundschaftsregierung führte, unhaltbar geworden und die Mehrzahl der Beschwerden der Opposition durchaus berechtigt war, konnten sie sich zu keinem entschlossenen und konsequenten Handeln durchringen, das die wettinische Vormundschaft gesichert hätte. Stattdessen unterbreiteten sie vorsichtige Vergleichsvorschläge,213 die jedoch keiner der Forderungen der Opposition gerecht wurden, und beabsichtigten eine Vertagung der Angelegenheit bis zu einem neuen Landtag, der im Juni in Schmalkalden stattfinden sollte. So endete der Landtag zu Kassel am 25. März 1514 für die Ernestiner in einem Debakel. Unterstützt von den Räten Herzog Georgs nutzte Landgräfin Anna deren Zögerlichkeit, um Boyneburg zu stürzen, die sächsischen Fürsten aus der Vormundschaft zu verdrängen und sich selbst an die Spitze eines neuen Regiments in Hessen zu setzen. 214 Johann und Heinrich blieb nichts anderes übrig, als gemeinsam mit den Regenten fluchtartig Kassel zu verlassen.215 Wie sich Friedrich von Thun zu der Angelegenheit gestellt hat, ist in den Akten nicht überliefert, er scheint jedoch in gutem Einvernehmen und Vertrauen zu Ludwig von Boyneburg gestanden zu haben.216 Da die weiteren Verhandlungen mit der Landgräfin in Marburg von den Räten Wolf von Weißenbach und Günther von Bünau geführt wurden,217 ist anzunehmen, dass Thun gemeinsam mit den Fürsten nach Sachsen zurückkehrte. Hier beriet er Johann bezüglich des Ausschreibens und der Tagesordnung des Landtags zu Altenburg am 20. August 1514, wie der Schriftwechsel Herzog
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hatte von Beginn an auf der Seite der Landgräfin gestanden und hatte sich stets gegen eine ständische Regentschaft unter Umgehung des Testaments Wilhelms ausgesprochen. Er wurde durch seine Räte Christoph von Taubenheim und Rudolf von Bünau auf dem Landtag in Kassel vertreten. HLA, S. 321f. Nach der Ablehnung des Abschieds von Kassel kündigten Anna und die ihr anhängenden Stände am 25. März 1514 Kurfürst Friedrich, Herzog Johann und Herzog Heinrich die Gefolgschaft. Vgl. HLA, S. 324f. Johann und Heinrich verließen Kassel am 27. oder 28. März, nachdem die Landgräfin Kassel eingenommen hatte. Vgl. ebd., S. 331, 332, Anm. 2. Vgl. den sehr offenen Brief Ludwigs von Boyneburg an Friedrich von Thun vom 12. März 1511. Darin beklagt er das Versäumen der Ernestiner, Wilhelm den Älteren in seinem Bestreben, in Hessen die Macht zu ergreifen, energisch in die Schranken zu weisen. Vgl. HLA, S. 145f. HLA, S. 332–337.
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Johanns und Kurfürst Friedrichs zeigt.218 An den Vorbereitungen des Landtags in Naumburg 1515 war Thun im Auftrag Johanns ebenfalls maßgeblich beteiligt.219 Auch in den folgenden Jahren sehen wir Friedrich von Thun in zahlreichen politischen und persönlichen Angelegenheiten an der Seite der Fürsten. So war er sowohl bei Johann am 11. Dezember 1516 als auch bei Friedrich am 4. Oktober 1517 Testamentszeuge.220 Gemeinsam mit Kurfürst Friedrich besuchte er den Reichstag in Augsburg 1518, begleitete ihn 1519 zur Wahl des römischen Königs nach Frankfurt und gehörte der Gesandtschaft an, die Friedrich bei der Krönung Karls V. im Oktober 1520 in Aachen vertrat.221 Bei der Erneuerung der Erbverbrüderung mit Hessen 1520 in Nordhausen finden wir ihn an der Seite Johanns und Johann Friedrichs.222 Welche Vertrauensstellung Thun insbesondere beim Kurfürsten innehatte, zeigte sich rund um den Wormser Reichstag 1521 und die Entführung Luthers auf die Wartburg. Thun war im Gefolge Friedrichs des Weisen nach Worms gereist, und als Luther am 16. April 1521 dort eintraf, wurde er im Johanniterhof untergebracht, wo auch Friedrich von Thun und Philipp von Feilitzsch ihr Quartier hatten. Als Luther am 18. April zum Verhör vor Kaiser und Reich gefordert wurde, war von Thun ebenfalls anwesend und stand dem unter großer Anspannung stehenden Luther bei.223 Auch bei den anschließenden Verhandlungen einer reichsständischen Kommission mit Luther war Thun meist anwesend.224 Nebenher wurde im engsten Kreis um Kurfürst Friedrich bereits an 218 So heißt es in einem Schreiben Johanns an Friedrich vom 1. August: Die Räte (Friedrich Thun, Heinrich von Ende und Wolf von Weißenbach) sind der Ansicht, dass die Beschwerden der Landschaft vorzutragen sind, doch dass „dieser artikel (Steuer-Bewilligung) am ersten furzuwenden und mit den andern zweien (Erfurt und hessische Sache) zu verziehen ist“, bis auf den ersten Antwort erfolgt. ELA, S. 99, Nr. 168. 219 Ebd., S. 116, Nr. 197. 220 Zu Johanns erstem Testament vgl. LATh-HStA Weimar, Urkunde 678, fol. 1r–11r, zu Friedrichs zweitem Testament vgl. LATh-HStA Weimar, Urkunde 675, fol. 1r–8r. 221 Da in Aachen die Pest grassierte, hatte sich Friedrich, wie andere Kurfürsten auch, dafür eingesetzt, die Krönung nach Köln zu verlegen. Aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Erzbischof von Köln und dem zu erwartenden finanziellen Schaden für die Stadt Aachen beschloss man schließlich, die Krönung doch in Aachen abzuhalten. Friedrich, der kurz vor den anstehenden Feierlichkeiten einen Gichtanfall erlitt, machte von seinem Recht Gebrauch, aufgrund gesundheitlicher Unpässlichkeit in Köln zu bleiben. Stattdessen sandte er eine Delegation nach Aachen. Vgl. RTA JR, Bd. 2, S. 78–90. 222 Vgl. VON THÜNA, Friedrich von Thun, S. 341–344. 223 Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 1, S. 437. „Er Fridrich von Thün ist des Herrn Doctor Luthers Lehre und Person gar wol geneigt und sonderlich vom Churfürsten zu Sachsen auf dem Reichstag zu Wormbs darzu verordnet gewesen, neben andern auff Dr. Luthern mit achtung zu haben, das derselbige nicht etwan ubereilet würde; wie er dann auch mit flies gethan und im treulich beygewohnet.“ VON THÜNA, Friedrich von Thun, S. 346, Anm. 1. 224 Vgl. ebd., S. 347f.
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Plänen gearbeitet, wie man es möglich machen könne, dass Luther zu seiner eigenen Sicherheit für einige Zeit aus der Öffentlichkeit verschwinde. Ohne Zweifel gehörte Thun neben Philipp von Feilitzsch zu den Eingeweihten.225 Es ist davon auszugehen, dass diese beiden, die sich im Thüringer Raum sehr gut auskannten, die Organisation übernommen haben. Schließlich waren sie es auch, die Luther am Abend des 25. April den Plan zu seiner Entführung eröffneten.226 Eindeutig als Rat Herzog Johanns wird Thun benannt, als er im Januar 1522 gemeinsam mit Johann von der Sachsen zu Verhandlungen mit albertinischen Räten nach Naumburg reiste,227 ebenso, wiederum für eine Rätezusammenkunft in Naumburg, im August 1523.228 Im November 1523 finden wir Thun wieder in den Diensten Kurfürst Friedrichs, wenn er mit diesem auf den Reichstag nach Nürnberg reist, wo wir ihn häufig als Wortführer Friedrichs erleben.229 Wie nah Thun beiden Fürsten stand, zeigt eine Begebenheit, die sich auf den Hochzeitsfeierlichkeiten der jüngsten Tochter Herzog Georgs, Magdalene, mit Joachim II. von Brandenburg am 6. November 1524 in Dresden zugetragen hat. Friedrich von Thun, der gemeinsam mit Herzog Johann an den Festivitäten teilnahm, soll von Herzog Georg zu einer vertraulichen Unterredung zur Seite genommen worden sein. Bei dieser Gelegenheit erbat er sich die Meinung Thuns, sich mit Herzog Johann bezüglich der gefährlichen Praktiken, die sich aufgrund der Reformation gegen Kursachsen richteten, unterreden zu wollen. Der Weimarer Hauptmann lehnte es ab, Johann mit solch ernsten Dingen zu beschweren, da er aufgrund eines fröhlichen Anlasses nach Dresden gekommen sei.230
225 Aus Sicherheitsgründen erfuhr selbst Johann lange Zeit nicht, wo sich Luther aufhielt. Erst bei einem Besuch in Eisenach im September 1521 erlangte er davon Kenntnis. 226 VON THÜNA, Friedrich von Thun, S. 349; BRECHT, Martin Luther, Bd. 1, S. 448. 227 ABKG, Bd. 1, S. 252 (Protokoll über die Verhandlungen Ernestinischer und Albertinischer Räte zu Naumburg, 22. Januar 1522). 228 ABKG, Bd. 1, S. 546 (Protokoll über die Verhandlungen Ernestinischer und Albertinischer Räte zu Naumburg, 5. August 1523). Diesmal standen ihm Arnarg von Wildenfels und Gregor Brück zur Seite. 229 Vgl. RTA JR, Bd. 4, S. 51 passim. 230 Die Unterredung Thuns mit Herzog Georg wurde Friedrich dem Weisen am 20. November 1524 durch Johann mitgeteilt. Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 767. „Friderich, du weist, was ytzund vor eyn yrthum allenthalben von dem vorfluchten keczerischen Lutter auff komen yst, so hore ich, das dein herre, mein veter, herzog Hans, leidet yn seynem furstenthum meher dan andere fursten, das man deutsche messe list und sinhett und das das volck yn beyde gestelnuß zcum heyligen sacrament gehet: solchs und der gleichen woldt ich gern mit meynem vetern reden alhyr zcu dresten, dan ich weis, das pratica vorhanden, wo Rom. keiserl. Mayt. und franckreich gericht, das durch zcuthun bepslicher heyligkeit der kurfurst und dein herre uberczogen werden, auch etliche stette, und es solle gewißlichen vor sein, das man den kurfursten, meynen vethern, seins kurfurstlichen ampts entseczen wolle, welchs myr treulichen leidt
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
Im Auftrag Herzog Johanns war Friedrich von Thun ebenfalls in die Verhandlungen mit Herzog Georg über den Prediger von Schneeberg involviert.231 So war Friedrich von Thun zwischen 1513 und 1525 wohl einer der wichtigsten Räte sowohl für Johann in Weimar als auch für Friedrich. Dabei ist anzunehmen, dass Thun der evangelischen Lehre früh zuneigte; persönlichen Kontakt zu Luther pflegte er jedoch nicht.232 In Anbetracht der Fülle der Aufgaben, die Thun für die kursächsischen Fürsten übernommen hatte, verwundert es kaum, dass Herzog Johann ihn auch nach dem Tode Friedrichs des Weisen weiterhin als Rat gebrauchte. So begleitete er seinen Kurfürsten zu den Reichstagen nach Speyer 1526 und 1529 sowie nach Augsburg 1530, 233 wo seine über viele Jahre auf zahlreichen Reichsversammlungen gesammelten Erfahrungen und Kontakte sicher von unschätzbarem Wert waren. Innenpolitisch trat er in den nächsten Jahren zurück,234 was sicher mit seinem zu dieser Zeit bereits fortgeschrittenen Alter zusammenhing.235 Während er 1528 noch als Oberhofrichter tätig war,236 scheint es, als wäre er seines Amtes als Hauptmann von Weimar entbunden worden; in den Unterlagen zum Grimmaschen Machtspruch 1531 wird er als Amtmann von Weißenburg bezeichnet.237
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were, und kandt gedencken, was nachtheils das meynen vethern seyner liebe bruder und myr und unsern allein nachkomen brinhen mochte.“ Die Annahme bei VON THÜNA, Friedrich von Thun, S. 354, das Gespräch habe auf der Hochzeit von Georgs Tochter Christina mit Philipp von Hessen am 11. Dezember 1523 stattgefunden, ist sicher irrig. Erstens befand sich Friedrich von Thun zu dieser Zeit mit Kurfürst Friedrich auf dem Reichstag in Nürnberg und zweitens ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass Johann erst nahezu ein Jahr später auf die Idee kam, seinem Bruder davon zu schreiben. Vgl. Abschnitt 4.2. Vgl. VON THÜNA, Friedrich von Thun, S 365. Ohne Zweifel sind sich Friedrich von Thun und Luther auf dem Reichstag in Worms 1521 begegnet, wahrscheinlich haben sie sich auch einige Male in Weimar und Wittenberg gesehen. Ein brieflicher Kontakt oder eine Schrift Luthers, die dem Weimarer Hauptmann gewidmet ist, sind dagegen nicht nachzuweisen. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, S. 381; RTA JR, Bd. 7,1, S. 496; UBGRA, Bd. 1, Nr. 3. Im Jahr 1526 sehen wir Thun noch aktiv in Verhandlungen mit albertinischen Räten. Vgl. ABKG, Bd. 2, S. 485, 536. Nach Aussage Luthers, hat Thun Friedrich den Weisen einmal darum gebeten, ihn aus seinen Pflichten zu entlassen. Der Kurfürst konnte dieses Anliegen aufgrund des Alters seines Rats wohl nachvollziehen, lehnte es jedoch mit dem Hinweis ab, dass er ihn unbedingt brauche. WA TR, Bd. 1, S. 117. Vgl. ABKG, Bd. 3, S. 82. Ebd., S. 399, Nr. 2010. Das Amt Weißenburg gab es in Kursachsen nicht, sondern Weißenburg bezeichnet den Stammsitz der Familie, woraus wohl geschlossen werden kann, dass sich Thun im Alter dorthin zurückgezogen hatte. Ein gleichnamiger Sohn war
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Das Todesjahr Friedrichs von Thun ist nicht bekannt, es scheint jedoch, als hätte er den Kurfürsten Johann überlebt. Eine ähnlich aktive Stellung, sowohl bei Friedrich als auch bei Johann, nahm Wolf von Weißenbach ein. Etwa gleichaltrig mit Friedrich von Thun finden wir die beiden Räte in zahlreichen Angelegenheiten Seite an Seite. Weißenbach war Thuns Nachfolger als Amtmann von Altenburg und damit, wie sein Vorgänger auch, qua Amt Mitglied am Oberhofgericht.238 Es finden sich widersprüchliche Angaben dazu, ob er seine Tätigkeit als Amtmann von Zwickau bereits 1513 oder erst 1518 aufnahm.239 Weißenbach gehörte zu jenen mitteldeutschen Adligen, die gemeinsam mit Friedrich dem Weisen 1493 eine Pilgerfahrt ins Heilige Land unternommen hatten. 240 Ab 1507 nahm er regelmäßig als Verordneter der ernestinischen Landstände an Ausschusstagen zur Beilegung der Streitigkeiten mit Herzog Georg teil.241 Zu dieser Zeit wurde er bereits als Rat bezeichnet.242 In besonderem Maße war er seit 1508 mit Verhandlungen über die gemeinsam mit den Albertinern verwalteten Bergwerke befasst, bis 1534 nahm er an insgesamt 37 Berghandlungen teil.243 Doch auch für außenpolitische Aufträge wurde Weißenbach vom Kurfürsten beansprucht, so hielt er sich als dessen Gesandter im Januar 1510 am Hof Kaiser Maximilians in Innsbruck auf. Kurz danach finden wir ihn an der Seite Friedrichs auf dem Reichstag in Augsburg, zu dessen
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ab 1527 Amtmann von Wachsenburg. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 1378, fol. 1r. Wolf von Weißenbach scheint das Amt Altenburg 1512 übernommen zu haben. Wahrscheinlich verwaltete Friedrich von Thun, der seit 1509 Hauptmann von Weimar war, das Amt Altenburg bis dahin auch noch. Vgl. SCHIRMER, Untersuchungen zur Herrschaftspraxis der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen, in: Jörg ROGGE/Uwe SCHIRMER (Hg.), Hochadlige Herrschaft im mitteldeutschen Raum (1200 bis 1600), Leipzig 2003, S. 305–378, hier S. 322, Anm. 61. SCHIRMER, Herrschaftspraxis, S. 377 bezieht sich mit seiner Annahme, dass Weißenbach das Amt ab 1518 bekleidete, auf LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 1972, fol. 2r. Laut der Stadtchronik von Zwickau wurde Weißenbach bereits im Dezember 1513 Amtshauptmann von Zwickau. Vgl. HERZOG, Chronik der Kreisstadt Zwickau, Zweiter Teil, S. 177. Dies würde sich auch mit den Angaben bei ELA, S. 103, Nr. 175 decken, wo er ebenfalls schon 1514 als Amtmann von Zwickau bezeichnet wird. Vgl. RÖHRICHT/MEISNER, Hans Hundts Rechnungsbuch, S. 88; NEUDECKER/PRELLER, Friedrichs des Weisen Leben und Zeitgeschichte, S. 90. Vgl. ELA, S. 56–64. Ebd., S. 64, Nr. 104. Am 2. Dezember 1507 übersandte Herzog Johann seinem Bruder von Weimar aus einen von den Räten Wolf von Weißenbach, Fabian von Feilitzsch und dem Kanzleischreiber Jörg Lauterbach angefertigten Bericht über Verhandlungen in Leipzig. Vgl. SCHIRMER, Herrschaftspraxis, S. 377.
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
persönlicher Teilnahme er seinem Kurfürsten wärmstens geraten hatte.244 Obwohl Wolf von Weißenbach zuvor nicht in die Angelegenheiten zum hessischen Vormundschaftsstreit einbezogen gewesen war, begleitete er 1514 Herzog Johann und Herzog Heinrich von Freiberg zum Landtag nach Kassel. Nachdem die Herzöge zusammen mit den hessischen Regenten Kassel verlassen hatten, begab sich Weißenbach gemeinsam mit Günter von Bünau und den albertinischen Räten Christoph von Taubenheim und Rudolf von Bünau am 29. März 1514 nach Marburg, um dort mit der Landgrafen-Witwe Anna zu verhandeln. Doch die nachträglichen Einigungsversuche der Sachsen scheiterten, die Landgräfin zeigte sich zu keiner Antwort bereit, ehe nicht die hessische Landschaft wieder zusammengekommen wäre. Stattdessen gelang es ihr, hinter dem Rücken der Räte mit den Bürgern Kassels, die dem alten Regenten Ludwig von Boyneburg angehangen hatten, zu verhandeln und sich mit diesen zu einigen, sodass sie bereits am 31. März ungehindert in Kassel einziehen und ihren Sohn Philipp in Obhut nehmen konnte. 245 Auch bei weiteren Verhandlungen in der Sache war Weißenbach beteiligt. Schnell mussten die Ernestiner feststellen, dass Herzog Georg die junge Landgräfin unterstützte und nicht geneigt war, die Anstrengungen seiner Vettern, Anna zur Anerkennung ihrer Vormundschaft zu zwingen, mitzutragen. Friedrich und Johann erstatteten auf dem Altenburger Landtag, den Wolf von Weißenbach maßgeblich mit vorbereitet hatte,246 im August 1514 den Ständen ausführlichen Bericht in der Angelegenheit und baten um Rat und Hilfe. Daraufhin verfassten die Stände ein Gutachten, in dem dazu geraten wurde, dass einige Vertreter der Stände, zu denen auch Wolf von Weißenbach gehörte, mit Herzog Georg verhandeln sowie eine Botschaft an den Kaiser abfertigen sollten.247 So geschah es dann auch. Am 27. August 1514 trafen sich im Namen der ernestinischen Stände Wolf von Weißenbach und Hans von der Planitz mit den Statthaltern Georgs in Leipzig. 248 Doch die Statthalter waren nicht bereit, in Abwesenheit des Fürsten Entscheidungen zu treffen, und stellten klar, dass sie die Position ihrer Vettern nicht unterstützen. Deshalb lehnten sie es ab, den Fall vor den Kaiser zu bringen. Folgerichtig beteiligte sich Herzog Georg nicht an der kurze Zeit später abgefertigten Gesandtschaft der Ernestiner und seines Bruders Heinrich an den Kaiser.249
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LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 198. Vgl. HLA, S. 329–337. Vgl. ELA, S. 99, Nr. 168. Vgl. ebd., S. 101–103, Nr. 173f. Vgl. HLA, S. 383–385 (Herzog Georg befand sich zu dieser Zeit in Friesland). Vgl. ebd., S. 385 (Instruktion der Fürsten an Hoyer von Mansfeld, Hans Renner und Hans von Berlepsch, 6. September 1514).
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Ebenfalls für das Jahr 1514 verzeichnet die Stadtchronik Zwickaus Eingriffe Weißenbachs in die Stadtgerichtsbarkeit durch eigenmächtige Verhandlungen mit den Bürgern und entsprechende Entscheidungen. Der Rat führte darüber Beschwerde beim Landesherrn, der ihm eine solche Handlungsweise untersagte.250 Sehr bezeichnend ist der Futterzettel des Landtags von Naumburg vom 15. Juli 1517, wo in erster Linie in Münzangelegenheiten verhandelt werden sollte. Nachdem alle Tagesordnungspunkte am Donnerstag abgearbeitet worden waren, ritt die Mehrzahl der Räte und Stände wieder nach Hause. Am Freitag waren nur noch anwesend: Wolf von Weißenbach, Friedrich von Thun, Heinrich von Ende und Fabian von Feilitzsch, also jene vier Räte, die in den ersten Jahren nach der Mutschierung in Weimar tonangebend waren.251 Offenbar stand der Landtag in der Verantwortung Herzog Johanns, Friedrich selbst nahm nicht teil. 252 Im gleichen Jahr, am 4. Oktober, war Weißenbach Zeuge des zweiten Testaments von Friedrich dem Weisen.253 Als im November 1523 die Situation in Schneeberg aufgrund von aufrührerischen evangelischen Predigten immer angespannter wurde, sandte Johann Wolf von Weißenbach und Nickel von Ende zu Beratungen mit albertinischen Räten. Noch nahezu zwei Jahre sollte Weißenbach regelmäßig im Auftrag Johanns in dieser Angelegenheit aktiv werden.254 Hier waren seine jahrelangen Erfahrungen sowohl in Bezug auf die Berghandlungen als auch bei Verhandlungen mit albertinischen Räten sehr gefragt. Eine Teilnahme an Reichstagen lässt sich unter Johann dagegen nicht mehr nachweisen. Auch eine direkte Verbindung zu Luther scheint es nicht gegeben zu haben. Dagegen war Wolf von Weißenbach ein wichtiger Geldgeber seiner Fürsten. Sehr aufschlussreich ist in dieser Hinsicht ein Schreiben Weißenbachs an Johann vom 10. Dezember 1524. Daraus geht hervor, dass er gerade dem Kanzler zwei Schuldscheine übergeben hatte, die belegen, dass er den Fürsten 8000 Gulden geliehen hatte und einen Schuldbrief darüber fordert.255 Außerdem nutzte er die Gelegenheit, Fragen zu seiner Besoldung zur Sprache zu bringen. Offenbar gingen dem persönliche Verhandlungen voraus, zuerst mit dem Hofmarschall Nickel von Ende und dem Kanzler, dann auch mit Johann selbst, die schließlich zum Ergebnis hatten, dass Weißenbach eine lebenslange Verschreibung über 250 251 252 253 254 255
HERZOG, Chronik der Kreisstadt Zwickau, S. 178. ELA, S. 122, Nr. 211. Ebd., S. 120, Nr. 209; S. 122, Nr. 212. Vgl. LATh-HStA Weimar, Urkunde 675, fol. 1r–8r. Vgl. Abschnitt 4.2. LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 2139, fol. 3r. „Durchlauchtter hochgeborner furst. Gnediger Her. dem Canzler hab ich zwei Copeien eine Auff Sechys Taussentt gulden, die zum theill EfG ich gelihen vnnd zum theill noch leihenn where, die anderre auff zwey Taussent gulden so mir EfG vber eynn Jahr widder leihen sollenn, melden innn verhoffnung das der Inne nichter befinden, dan allein das ich domit Auff zimliche wege vorsehenn vnnd vorsorgtt where.“
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
100 Gulden jährlich zugesagt wurde. Nun bat er darum, die Auszahlungsmodalitäten im Bestallungsbrief so zu gestalten, dass die Zahlungstermine mit den Auszahlungen für seine Tätigkeit als Oberhofrichter zusammenfielen. 256 Außerdem wünschte er eine Entschädigung aus dem Amt Zwickau für die Aufwendungen, die ihm entstünden, wenn er auf fürstlichen Befehl Besucher und deren Tiere verköstigte.257 Weißenbach war auch nach Johanns Tod noch für Kurfürst Johann Friedrich tätig, er starb im August 1535.258 Etwas schwieriger zu fassen ist Heinrich von Ende, der aber in den ersten Jahren nach der Mutschierung am Weimarer Hof ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte. So ist nicht zweifelsfrei nachzuweisen, ob es sich bei jenem Heinrich, der am 27. Juli 1513 in Weimar anwesend war, als Johann durch Friedrich den Weisen die Entscheidung über eine Mutschierung des Landes mitgeteilt wurde, um denjenigen handelt, der bis 1507 Hofmeister des Kurfürsten war. Dafür spräche der Umstand, dass Heinrich von Ende über langjährige Erfahrungen im Hofrat verfügte und diesen maßgeblich beeinflusst hat.259 Vielleicht sollte er nun in Weimar helfen, einen neuen Hofrat und funktionierende Verwaltungsstrukturen aufzubauen. Allerdings sehen wir ihn auch regelmäßig an der Seite Friedrichs von Thun und Wolfs von Weißenbach unterwegs im Auftrag Herzog Johanns. So reiste Heinrich von Ende beispielsweise Ende Juli 1515 mit 256 Auch für diese Tätigkeit erhielt er 100 Gulden jährlich, die ihm jeweils zur Hälfte auf dem Neujahrsmarkt und dem Ostermarkt ausgezahlt wurden. Vgl. ebd. 257 Dafür setzt er einen Scheffel Maltz, der einen halben Gulden wert ist, an. „Doch beger ichs nicht das man mirs in Mein bestell briff setzen soll, Allein das man dem itzigen vnd kunfftigen schossernn schreib in ein missiff, das man mir jedlichenm aus dem ambtt eyn maltzs antwortt pis auff EfG widder ab kundigung.“ LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 2139, fol. 3v. 258 Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 340, Anm. 916. Dem entgegen Wieland HELD, Der Zwickauer Amtmann Wolf von Weißenbach und seine Haltung zu Thomas Müntzer, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 39 (1991), S. 577–586, bes. S. 586. HELD geht davon aus, dass Weißenbach erst 1559 gestorben ist, nimmt in diesem Zusammenhang aber auch ein wesentlich späteres Geburtsjahr, nämlich 1586 statt 1570, an. Diese Annahme führte dazu, dass sich in den 1550er Jahren getätigte Angaben über eine Teilnahme am Bauernkrieg nicht mehr ohne Weiteres auf einen gleichnamigen Sohn übertragen ließen. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 2139, fol. 19r. Ich selbst bin bei der Durchsicht dieser Akten in Weimar davon ausgegangen, dass die zahlreichen über das Jahr 1535 hinausreichenden Dokumente sich auf einen gleichnamigen Sohn beziehen, auch wenn keine solche Zuordnung explizit aus den Quellen hervorgeht. Ohne diese Frage hier im Detail klären zu können, lässt sich jedoch zweifelsfrei sagen, dass es sich bei jenem Wolf von Weißenbach, der 1493 mit Kurfürst Friedrich ins Heilige Land zog, nicht um den Gleichen gehandelt haben wird, der erst um 1559 gestorben ist. 259 Vgl. SCHIRMER, Herrschaftspraxis, S. 356.
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diesen beiden nach Dresden, 260 im November des gleichen Jahres „in geschefft m.g.H.“ nach Zeitz.261 Auch im Jahr 1517 führten Geschäfte besagte Räte wiederum nach Zeitz.262 Ebenso beteiligte er sich an der Vorbereitung der Landtage 1514 und 1517,263 war aber zuweilen auch dafür zuständig, auf den Leipziger Märkten für Johann und seine Familie notwendige Einkäufe zu erledigen.264 Dass Heinrich von Ende gemeinsam mit seinen Brüdern Götz und Ernfried auch zu den Gläubigern Johanns zählte, belegt die Rückzahlung einer Schuld über 500 Gulden in der Jahresrechnung von 1517/18.265 Wenn man bedenkt, dass Heinrich von Ende, der bereits 1476 mit Herzog Albrecht ins Heilige Land gepilgert war, inzwischen ein recht fortgeschrittenes Alter erreicht hatte, wäre es durchaus möglich, dass er um 1518 starb.266 Dies würde auch erklären, warum er als Rat in späteren Jahren keine Rolle mehr spielte. Möglich wäre es jedoch auch, dass es sich bei Heinrich von Ende um einen Namensvetter des ehemaligen Hofmeisters handelt. Aufgrund der zahlreichen Namensgleichheiten in dem weitverzweigten Geschlecht derer von Ende und den häufig unpräzisen Angaben in Quellen und Sekundärliteratur lässt sich diese Frage an dieser Stelle nicht klären.267
260 „33 Fl. 12 Gr. 8 Pf. haben Hr. Heinr. v. End, Hr. Wolf v. Weißbach u. Friedr. Thun Hauptmann in der Woche S. Jacobi von Weimar aus gen Dresden u. herwieder verzehrt.“ FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 42. 261 „27 Fl. 17 Gr. haben Er Heinrich vom Endt u. Friedrich Thun Heubtman (zu Weimar) in geschefft m.g. H. zu Ceitz vorzcert, einkomen am Montag nach Katharine u. am Freitag Andree Apostoli wieder gen Weimar komen.“ FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 46. 262 „9 Fl. 11 Gr. haben Hr. Heinrich v. Endt, Hr. Wolf v. Weißbach u. Friedrich von Thun in Geschäft m.g.H. in der heil. Christwoche auf 3 Nächt zu Zeitz verzehrt.“ FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 59. 263 Vgl. ELA, S. 99, Nr. 168; S. 122, Nr. 211. 264 So kaufte er auf dem Leipziger Neujahrsmarkt 1514 „Sammt, Seide und andere Nothdurft“ für die fürstliche Famillie in Weimar. Vgl. FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 34. 265 Vgl. ebd., S. 60. 266 Laut SCHIRMER, Herrschaftspraxis, S. 356 reicht die urkundliche Fassbarkeit von Endes nur bis 1515. Sollte es sich hier wirklich um den ehemaligen kurfürstlichen Hofmeister handeln, wäre dieser aber noch 1517 am Leben. Dafür spricht auch, dass von Ende in einem nachträglich angefertigten Verzeichnis der Räte und Diener Kurfürst Friedrichs und Herzogs Johann im Jahre 1518 noch Erwähnung findet. Ebd., S. 344. Ebenfalls bis 1517 ist er als landesherrlicher Rat bei Berghandlungen nachweisbar. Vgl. Adolf LAUBE, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau, Berlin 1976, S. 62. 267 Während SCHIRMER, Herrschaftspraxis, S. 356 den ernestinischen Hofmeister als Heinrich von Ende zu Kayna verordnet, sieht LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 291 ihn als Heinrich von Ende zu Lohma.
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
Fabian von Feilitzsch, der vor 1457 geboren wurde, scheint dagegen sehr schnell in die Dienste Kurfürst Friedrichs gezogen worden zu sein. Er entstammte einer Adelsfamilie, die ihre Besitzungen in Oberfranken in der Nähe von Hof hatte. Von 1502 bis 1514 war Feilitzsch Hauptmann in Zeitz, ab 1513 wurde er als Rat Herzog Johanns besoldet.268 In den Hofstaatsrechnungen Herzog Johanns von 1513/14 findet sich der Eintrag, dass Fabian von Feilitzsch, Hauptmann von Zeitz, ein schwarzes Pferd im Wert von 29 fl 10 gr erhalten habe.269 Ab 1515 wird er auch als Rat Friedrichs des Weisen bezeichnet. 270 Ebenso wie Friedrich von Thun und Wolf von Weißenbach war Feilitzsch Zeuge des zweiten Testaments Friedrichs des Weisen im Jahr 1517. In den Jahren 1519 und 1520 stieg Feilitzsch zu einem der wichtigsten Räte in Fragen der Lutherschutzpolitik auf. So wurde er als eine Art Diplomat in den Verhandlungen mit Karl von Miltitz eingesetzt.271 Diesen hatte Papst Leo X. dazu ausersehen, Kurfürst Friedrich die Goldene Rose mitsamt einiger Ablässe und Beichtprivilegien zu überbringen.272 Im Gegenzug erwartete man in Rom, dass Friedrich der Kurie in der Sache um Luther entgegenkam, insbesondere was dessen Widerruf bzw. Auslieferung anbelangte. Inwieweit Miltitz wirklich dazu berechtigt war, in der Angelegenheit Luthers zu verhandeln, ist in der Forschung bis heute umstritten, ändert aber nichts an der Tatsache, dass man ihn in Kursachsen, zumindest anfangs, dafür als durchaus berechtigt ansah. Anfang Januar 1519 fanden schließlich Gespräche zwischen Miltitz und Luther in Altenburg statt, bei denen Fabian von Feilitzsch nicht nur zugegen war, sondern auch vermittelte. 273 Diese Gespräche, die schlussendlich darauf hinausliefen, dass ein deutscher Bischof, namentlich der Erzbischof von Trier, nach einem Verhör Luthers über dessen Lehre entscheiden sollte, lieferten fast anderthalb Jahre die kursächsische Argumentationsgrundlage dafür, nicht gegen Luther tätig zu werden.274 Dass Miltitz in dieser Angelegenheit
268 Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 359. 269 Vgl. FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 36. 270 Vgl. Heinz WIEßNER (Bearb.), Das Bistum Naumburg, Bd. 1/2 (Germania Sacra. Die Kirche des Alten Reiches und ihre Institutionen, N.F. 35/2), Berlin/New York 1998, S. 1050. 271 Zum Folgenden vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 31–41. 272 Miltitz war päpstlicher Kammerherr gewesen und stammte selbst aus Sachsen. 273 Vgl. WA Br, Bd. 1, Nr. 128 (Bericht Luthers über den Verlauf der Verhandlungen mit Miltitz an Kurfürst Friedrich, 5./6. Januar 1519). 274 Friedrich der Weise und Richard von Greifenklau, der sich offenbar dafür berechtigt hielt, über Luthers Lehre zu entscheiden, hatten bei einer Zusammenkunft rund um den Wahltag in Frankfurt beschlossen, dass das Verhör Luthers auf dem nächsten Reichstag erfolgen sollte. Alle Versuche Miltitz’, das Verhör vorzuziehen, schlugen fehl, weil sowohl Kurfürst Friedrich als auch Erzbischof Richard die getroffene Absprache als bindend ansahen. Dadurch kam es zu erheblichen Verzögerungen, die Kursachsen jedoch in
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schon lange nicht mehr im Auftrag Roms arbeitete, wurde spätestens mit der Veröffentlichung der Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ klar, die deutlich machte, dass man in Rom die Lehre Luthers längst verurteilt hatte. Im Vorfeld der Veröffentlichung schaltete sich jedoch Karl von Miltitz nochmals ein und bot Kurfürst Friedrich am 19. August 1520 an, eine Versöhnung zwischen Luther und dem Papst zu vermitteln.275 Da sich Miltitz nicht nach Wittenberg traute, um dort persönlich mit Luther zu reden, sollte der Kurfürst Fabian von Feilitzsch beauftragen, ein Treffen zwischen beiden unweit von Wittenberg zu arrangieren.276 Das Versprechen, bei einer Einigung sogar noch den Ausgang der Bannandrohungsbulle verhindern zu können, scheint Miltitz Friedrich bei einem Treffen in Gotha gegeben zu haben.277 Sich bereits auf dem Weg nach Köln befindend, wies er jedenfalls Fabian von Feilitzsch an, alles Entsprechende in die Wege zu leiten.278 Nach einigen Schwierigkeiten kamen Luther und Miltitz schließlich überein, sich in der Zeit vom 11. bis 12. Oktober 1520 in Lichtenburg zu treffen.279 Danach begab sich Miltitz zu den kursächsischen Räten, welche die Geschäfte in Abwesenheit des Kurfürsten führten, nach Eilenburg und berichtete, dass er sich mit Luther geeinigt habe. Obwohl Feilitzsch in seinem Bericht an Friedrich keine weiteren Details der Einigung nennt, lautet sein Fazit, dass er nicht daran glaube, 280 womit er die Situation richtig einschätzte. 281 Der Schriftwechsel, den
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die Hände spielten, da man die Angelegenheit so als ein schwebendes Verfahren behandeln konnte. Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 54. So schrieb Miltitz, „den ich bin sunder zweifel, so mir Doctor Martinus fulgen wirt, ich wil Im neben Ew. Curffl. Gn. radt auß disem Irthum und ungenad, der er sich bey bebestlicher heylikeit forsieht, zw helfen“. TENTZEL/CYPRIAN, Historischer Bericht, Bd. 1, S. 435. Vgl. Johann G. DROYSEN, Zur Reformationsgeschichte – Die Verhandlungen des Karl von Miltitz 1520, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte 1 (1884), S. 170– 177, hier Beilage Nr. 2 (Kurfürst Friedrich an Fabian von Feilitzsch, 10. September 1520). Vgl. ebd., Nr. 4 (Kurfürst Friedrich an Fabian von Feilitzsch, 15. Oktober 1520). Der Kurfürst hatte nach seiner Ankunft in Köln gehört, dass in Löwen, Lüttich und anderswo Luthers Bücher aufgrund der Bulle bereits verbrannt wurden. Er zeigte sich nun verärgert darüber, dass Miltitz seine getätigte Zusage nicht gehalten hatte. Dass sich Friedrich und Miltitz in Gotha getroffen haben, geht aus einem Schreiben Miltitz’ an Friedrich vom 2. Oktober 1520 hervor. Vgl. TENTZEL/CYPRIAN, Historischer Bericht, Bd. 1, S. 438– 443. Vgl. DROYSEN, Die Verhandlungen des Karl von Miltitz, Beilage Nr. 2 (10. September 1520). Vgl. TENTZEL/CYPRIAN, Historischer Bericht, Bd. 1, S. 444–447 (Wolfgang Reißenbusch an Fabian von Feilitzsch, 13. Oktober 1520). Vgl. DROYSEN, Die Verhandlungen des Karl von Miltitz, Beilage Nr. 5 (6. November 1520). Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 342 (Luther an Spalatin, 12. Oktober 1520).
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Kurfürst Friedrich und Feilitzsch bezüglich Miltitz´ führten, zeigt klar, dass Feilitzsch als Rat mit allen Fragen dieser Angelegenheit betraut war.282 Offenbar war es Feilitzsch schnell gelungen, das Vertrauen des Kurfürsten zu gewinnen, denn sowohl 1519, als sich Friedrich zur Königswahl in Frankfurt befand, als auch 1520, als er zur Krönung Karls V. nach Köln reiste, gehörte Fabian von Feilitzsch dem Kreis der Räte an, welche die Regierungsgeschäfte führten.283 So korrespondierte Friedrich von Frankfurt und Köln aus häufig mit Fabian von Feilitzsch und Herzog Johann. 284 Schon bald nach der Rückkehr Friedrichs des Weisen aus Köln starb Fabian von Feilitzsch in den ersten Dezembertagen 1520. Luther, der Feilitzsch bei den Verhandlungen mit Karl von Miltitz kennen- und schätzen gelernt hatte, widmete ihm am 1. Dezember 1520 seine Schrift „Assertio omnium articulorum“.285 Während, wie wir in den vorherigen Abschnitten gesehen haben, Feilitzsch in den ersten Jahren nach der Mutschierung in Weimar regelmäßig an der Organisation von Landtagen beteiligt war, stellt sich die Frage, inwiefern Herzog Johann ihn 1519/1520, als er scheinbar ganz in Diensten Kurfürst Friedrichs stand, überhaupt noch in Anspruch nehmen konnte. Für den 13. Januar 1521 sind im Rechnungsbuch jedoch die Kosten für das Begräbnis Feilitzschs in Coburg vermerkt,286 wo sich Johann und seine Familie seit dem Sommer 1520 aufhielten. Neben diesen vier Räten, die offenbar von Beginn an dafür vorgesehen waren, Johann in Weimar zu unterstützen, traten weitere Funktionsträger hinzu, die teilweise einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Fürsten ausübten und deren Vertrauen genossen. Dazu zählt Nickel von Ende. Etwa um 1470 geboren, bekleidete er das Amt des Hofmarschalls in Weimar. 287 Dieses Amt, das er längstens bis 1525 ausübte,288 beinhaltete die Aufsicht über die gesamte Hofhaltung, eine überaus bedeutsame Tätigkeit in Anbetracht der angespannten 282 Vgl. DROYSEN, Die Verhandlungen des Karl von Miltitz, Beilage Nr. 1 (1. Oktober 1519). In diesem Schreiben tauschen sich Friedrich und Feilitzsch über die finanziellen Forderungen, die Miltitz mit der Übergabe der Goldenen Rose verband, aus. Feilitzsch war dabei durchaus zu bestimmten Zusagen berechtigt. 283 Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 216; WA Br, Bd. 2, Nr. 352, Anm. 8, 14. 284 Vgl. RTA JR, Bd. 1, S. 746, 781, 785, 855 sowie RTA JR, Bd. 2, S. 70, 80, 86. 285 Vgl. WA Werke, Bd. 7, S. 94f. 286 „1 ß xxxix g vj d zum begegnis Er fabian von feylitsch, Nemlich xxviij pristern, Schulmeyster und Colobratores und dem Kyrchener zu leuthen und wie j pfundt wachs in das gotshaus zu sact Mauritz und auff der Kantzel zu vorkundigen.“ BUCHWALD, Lutherana, S. 38. 287 Vgl. FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 64. 288 In den Landtagsakten wird Nickel von Ende bereits 1523 als der alte Marschall bezeichnet. Vgl. ELA, S. 123, Nr. 232; S. 146, Nr. 267. Dagegen MÜLLER, Johann Rietesel, S. 225. Er meint, dass von Ende bis 1525 Hofmarschall in Weimar war.
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finanziellen Situation am Weimarer Hof.289 Auch nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Hofmeisters erstreckte sich sein Aufgabenbereich wesentlich im Rahmen der Finanzverwaltung.290 Zeitweise wurde er von den Fürsten aber auch mit anderen Aufgaben betraut. So bat Friedrich seinen Bruder Johann am 30. April 1523 darum, dass dieser Nickel von Ende nach Altenburg schickt, um dort alles für den bevorstehenden Landtag vorzubereiten.291 Als Bischof Adolf von Merseburg an Kurfürst Friedrich 1524 mit der Bitte um freies Geleit und die Zuordnung von kurfürstlichen Räten für eine Visitation herantrat,292 sandte ihm Friedrich Nickel von Ende und Hans von Minkwitz,293 obwohl Johann ihm dringend davon abgeraten hatte. Dabei vertrat Johann die Meinung, dass es darum ginge, dem Bischof deutlich zu machen, dass es ihm zwar freistünde zu visitieren, dies jedoch nicht mehr unter dem Schutz und mit Billigung der Ernestiner geschehe.294 Ebenso nahm Nickel von Ende regelmäßig im Auftrag der Ernestiner an Berghandlungen teil295 und war ab 1523 zusammen mit Wolf von Weißenbach im Auftrag Herzog Johanns in die Auseinandersetzungen mit Herzog Georg um die evangelischen Prediger in Schneeberg involviert.296 Wie zahlreiche andere Räte der Ernestiner auch, war Nickel von Ende am erzgebirgischen Silberbergbau nicht nur durch Kapital, sondern auch unternehmerisch aktiv beteiligt.297 Ebenfall rege beteiligt war Nickel von Ende 1529 an der Gründung und Erschließung des neuen Bergbaugebiets Gottesgab, das als ernestinische Konkurrenz zum gerade gegründeten schönburgischen Wiesenthal gedacht war. Ein ähnliches Projekt war, ebenfalls unter der Federführung Nickel von Endes und Wolf von Weißenbachs, schon einmal 1522 in Angriff genommen worden, scheiterte aber.298
289 Vgl. dazu SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 328ff. Sein Nachfolger war Christoph von Falkenstein. Vgl. WA Br, Bd. 5, S. 382, Nr. 1597, Anm. 3. 290 Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 368, 371. 291 Vgl. ELA, S. 146, Nr. 267. 292 Vgl. NUB, Kap. 3, Nr. 7 (Friedrich an Johann mit der Mitteilung darüber, dass der Merseburger Bischof eine Visitation plane und der Bitte an Johann, ihm diesbezüglich zu raten, 14. April 1524). 293 Ebd., Nr. 9 (Friedrich an Johann, 22. April 1524). 294 Vgl. ebd., Nr. 8 (Johann an Friedrich, 18. April 1524). 295 Von 1523 bis 1530 war er sieben Mal an Berghandlungen beteiligt. Vgl. LAUBE, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau, S. 62, 179. 296 Vgl. Abschnitt 4.2. 297 Vgl. LAUBE, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau, S. 180. 298 Dabei handelte es sich um die Gründung der Bergstadt „Neustadt am Scheibenberge“, ebenfalls ein Konkurrenzprojekt zur Schönburger Gründung Scheibenberg, das von den Albertinern unterstützt wurde. Während 1522 Herzog Johann die Pläne aktiv betrieb, war es 1529 Herzog Johann Friedrich, der sich engagierte. Zu den Konkurrenzgrün-
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Als Hofrat in Weimar war Nickel von Ende ab 1526 offenbar in großem Maße damit befasst, im Auftrag Johanns Wertgegenstände und Kleinodien aus unter landesherrlicher Verwaltung stehenden Klöstern einzuziehen und zu veräußern. So unternahm er auf kurfürstlichen Befehl gemeinsam mit Hans von Gräfendorf im Frühjahr 1526 eine erste Besichtigung der Thüringer Klöster.299 Im Anschluss daran fertigten beide eine Schätzung über deren Vermögen und Einnahmen an.300 Diese Rundreise, die einer ersten Bestandsaufnahme über die Vermögenswerte der Thüringer Klöster dienen sollte, wurde auch genutzt, um die Klosterverwalter anzuweisen, alle kirchlichen Kleinodien an den Weimarer Schosser Ambrosius Dietz abzuliefern.301 Später weitete man derartige Klosterbesichtigungen aus; es scheint dabei sogar zu einer Systematisierung gekommen zu sein, wobei Nickel von Ende für die Liegenschaften im südlichen Teil des ernestinischen Territoriums zuständig war, während sich Johann Riedesel um den nördlichen kümmerte.302 Dass man sich in diesem Zusammenhang um höchste Geheimhaltung bemühte, ist nicht verwunderlich, neben von Ende, Gräfendorf und Riedesel, die wohl vollständigen Einblick in die Vorgänge hatten, gab es nur noch wenige weitere Personen, die Kenntnis von einzelnen Abläufen besaßen.303 Als es den Ständen schließlich aufgrund der Entwicklungen auf dem Augsburger Reichstag 1530 gelang, 1532 die Verwaltung der Klostergüter zumindest teilweise an sich zu ziehen,304 hatten Nickel von Ende und Johann Riedesel dafür gesorgt, dass ein Großteil der Wertgegenstände und Kleinodien bereits eingezogen und verkauft worden war.305
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dungen der Ernestiner zu den Schönburger Bergstädten vgl. LAUBE, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau, S. 40–46. Nickel von Ende gehörte selbst zu den Nutznießern dieser Vorgehensweise. Sofort nach dem Bauernkrieg hatte ihm Kurfürst Johann das verlassene Kloster Georgenthal zur Verwaltung überlassen. Im Jahr 1529 übertrug man ihm gegen eine jährliche Zahlung von 700 Gulden das Kloster, allen Besitz, Zinsen, Renten und Frondienste lebenslänglich. Da von Ende der ihm in diesem Zusammenhang auferlegten Versorgung des alten Abtes nicht nachkam, veranlassten die Sequestratoren 1531 eine Prüfung. Vgl. Paul BAETHCKE, Die Auflösung des Klosters St. Georgenthal, in: Mitteilungen der Vereinigung für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung, 1912, S. 1–83, hier S. 37f. Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 225, Anm. 37. Vgl. ebd., S. 226f. Vgl. ebd., S. 226. Dazu zählten wohl der Weimarer Schosser Ambrosius Dietz, der kurfürstliche Kanzleischreiber Balthasar Stamberger, der Weimarer Goldschmidt Hans Spieß und der Coburger Schosser Arnold von Falkenstein. Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 227. Vgl. Abschnitt 5.1.4. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 377. Hans von Gräfendorf verstarb Ende 1528/Anfang 1529.
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Immer wieder begegnet uns Nickel von Ende auch bei der Erhebung und Eintreibung der Türkensteuer, die zwar, entsprechend den Forderungen der Landschaft, pro forma zweckgebunden war, in der Praxis aber zur Sanierung der landesherrlichen Finanzen verwandt wurde.306 Mit der finanziellen Situation am Hof und den Möglichkeiten und Grenzen der Schuldentilgung bestens vertraut, war es Nickel von Ende gelungen, bereits als Marschall zu einer der wirkmächtigsten Personen am Weimarer Hof und in der Zentralverwaltung aufzusteigen. Ohne Zweifel gehörte er zu denjenigen Persönlichkeiten, die in Bezug auf die Finanzverwaltung enormen Einfluss auf Johann ausgeübt haben, zumal er selbst diesen Angelegenheiten eher desinteressiert und ohne besondere Sachkenntnis gegenüberstand. Dass von Ende dem vollen Vertrauen, das Johann ihm dabei entgegenbrachte, nicht unbedingt gerecht wurde, zeigen die Ermittlungen, die Kurfürst Johann Friedrich nach dem Tod seines Vaters 1532 gegen ihn einleitete. Alle überlieferten Punkte, zu denen er sich zu äußern hatte, bezogen sich auf den ungeklärten Verbleib von Geldern.307 Der Umstand, dass Nickel von Ende trotz der Ermittlungen gegen ihn nicht sofort sein Hofamt verlor, bezeugt, dass er offenbar auch ein recht gutes Verhältnis zu Johann Friedrich pflegte. Allerdings hatte der junge Kurfürst kein Interesse daran, einen Rat, der unter der Regierung des Vaters eine solche Schlüsselposition innehatte, weiter in seinem näheren Umfeld zu behalten. So gehörte von Ende bereits 1533 nicht mehr zu denjenigen Räten, die ständig am Hof tätig waren; er starb ca. 1542. Eine ebenfalls herausragende Rolle am Weimarer Hof hat Johann Riedesel gespielt. Er befand sich von 1514 bis 1532 stets in unmittelbarer Nähe des Fürsten und wurde im Laufe der Zeit mit immer verantwortungsvolleren Aufgaben betraut. Schließlich stieg er zur unumstrittenen „grauen Eminenz“ empor, gemeinsam mit Nickel von Ende bestimmte er zwischen 1525 und 1532 die Innenpolitik maßgeblich.308 Dabei stellte Riedesel eine gewisse Ausnahme dar, denn im Gegensatz zur Mehrzahl der im engen Kontakt zum Fürsten stehenden Personen kam er von außen, man ist fast geneigt zu sagen, durch Zufall, an den Weimarer Hof und gehörte nicht zum eigentlichen Kreis der Räte.
306 Vgl. ebd., S. 368, 371. 307 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 225f. 308 Vgl. Uwe SCHIRMER, Der ernstinische und albertinische Landadel in der Zentralverwaltung der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen (1525–1586), in: Martina SCHATTKOWSKY (Hg.), Die Familie von Bünau. Adelsherrschaften in Sachsen und Böhmen vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Leipzig 2008, S. 191–214, hier S. 202.
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Riedesel, der eigentlich Johann von Amßdorf hieß, wurde nach dem hessischen Adelsgeschlecht der Riedesel, Freiherren zu Eisenbach, benannt, in deren Diensten er um 1508 als Schreiber tätig war.309 Kurze Zeit später, Anfang des Jahres 1510, findet er sich als hessischer Kanzleischreiber und bald darauf, im Januar 1511, als Sekretär des Landgrafen Philipp von Hessen wieder, der zu dieser Zeit noch ein Kind war. 310 Im Verlauf des hessischen Vormundschaftstreits wirkte er von Mai 1512 bis zum 11. März 1514 als Sekretär des Landhofmeisters Ludwig von Boyneburg und der anderen Regenten der Landgrafschaft Hessen. Als sich die Situation zwischen Regenten, Ständen und der Landgrafenwitwe Anna zuspitzte, bekannte sich Riedesel in einem Brief an Friedrich den Weisen vom 7. Februar 1514 eindeutig zu den von den Ernestinern unterstützten Regenten und forderte den Kurfürsten auf, streng gegen die Aufrührer, die sich um die Landgrafenwitwe Anna gesammelt hatten, vorzugehen.311 Nachdem die hessischen Stände am 9. März 1514 in Kassel den Wettinern die Vormundschaft aufgekündigt hatten, musste der „Secretarius Hassiae“ Riedesel Hessen eilig verlassen.312 309 Den eigentlichen Namen Riedesels kennen wir aus der in Abschrift überlieferten hessischen Dienstverschreibung vom 4. Juli 1521. „[…] bekennen fur vns vnd vnser Erben mit diesem brive offenlich, das wir Johan von Amßdorff anders Rietesell gnant […].“ LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 1538, fol. 3. Ein Hinweis auf ihn aus seiner Zeit als riedeselscher Schreiber findet sich in einer Urkunde, die am 11. Mai 1507 im Schloss Schlotten ausgestellt wurde. Hier wird „Johann von Ansdorf“ als Zeuge genannt. Vgl. HStA Darmstadt, Bestand B 13, Urkunden der Familie Riedesel von Eisenbach, Nr. 1311, Online-Findbuch. Im Gegensatz zu diesen Angaben gehen die Herausgeber der Korrespondenz der Herzogin Elisabeth von Sachsen davon aus, dass es sich bei Riedesel um Johann Riedesel zu Josbach handelte und dieser mit Anna von Gilsa verheiratet war. Dies ist in Zusammenhang mit einem Brief Ottos von Pack an Landgraf Philipp von Hessen überliefert, in dem zur Sprache kommt, dass sich Elisabeth von Anna von Gilsa verleumdet fühlt. Aus meiner Sicht gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass Riedesel dem Geschlecht selbst entstammte. Vgl. André THIEME (Hg.), Die Korrespondenz der Herzogin Elisabeth von Sachsen, Leipzig 2010, S. 231, Anm. 2008 u. S. 308, Anm. 2622. 310 Ohne Zweifel gelangte Riedesel durch Förderung und Empfehlung der zum hessischen Uradel gehörenden Familie Riedesel von Eisenbach, die seit 1432 den hessischen Erbmarschall stellte, an den Landgrafenhof. Es ist nicht auszuschließen, dass es sich bei Riedesel um einen illegitimen Spross eines der Brüder Hermann IV. oder Theodor Riedesel handelte Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 220. Theodor Riedesel befand sich als hessischer Erbmarschall jahrelang auf der Liste derer, die von Johann eine jährliche Rente erhielten. 311 Vgl. HLA, S. 190f. 312 Zum zögerlichen und defensiven Verhalten Johanns und Heinrichs auf dem Landtag, der schließlich den Sieg der Landgräfin Anna begünstigte und der Unterstützung Herzog Georgs für sie vgl. HLA, Kapitel 9, insbesondere S. 229–327.
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Zuflucht fand er in Kursachsen, bereits Pfingsten 1514 befand sich Riedesel bei Johann in Weimar in ernestinischen Diensten und war schon im Oktober des gleichen Jahres mit zehn Gulden und anderen Zuwendungen zum Einrosser und Sekretär aufgestiegen.313 Dabei scheint aber der Kontakt zum jungen Landgrafen nicht abgerissen zu sein; am 5. Dezember 1515 sollte über Riedesel dem Magister Landgraf Philipps, womit wohl sein Erzieher gemeint sein wird, ein Geschenk Johanns zu dessen erster Messe überreicht werden.314 Riedesels Verehelichung im Jahr 1518 diente als Anlass, ihm neben einem stattlichen Hochzeitsgeschenk315 auch eine über seine übliche Besoldung hinausgehende lebenslange Rente zu verschreiben. Von nun an erhielt er jährlich zusätzlich 25 Gulden.316 Neben seiner Dienstverschreibung bei den Ernestinern nahm Riedesel, nachdem die hessisch-wettinische Erbverbrüderung 1520 erneuert worden war, auch eine Dienstverschreibung des Landgrafen an, die ihm ebenfalls ein lebenslanges Dienstgeld in Höhe von zwölf Gulden aus der hessischen Kammer und ein Lehnsgut zusicherte. 317 Diese Dienstverschreibung hatte ihm, nach Riedesels späteren Aussagen, der Rat, Amt- und Hauptmann zu Weimar, Friedrich von Thun, verschafft. Riedesel verpflichtete sich also, zwei Herren gegenüber nach bestem Gewissen zu handeln, sie vor Schaden zu warnen und ihnen ein treuer Diener zu sein.318 In dieser Zeit hatte Riedesel in Weimar die schwer abzugrenzende Stellung eines Sekretärs inne, sehr wahrscheinlich war er da bereits mit finanziellen Angelegenheiten Johanns betraut. 319 Dafür spricht auch der Umstand, dass er 1528 Hans von Gräfendorf als Kämmerer ins Amt folgte. Von nun 313 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 220. 314 FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 46. „10 fl hat m.g.H. des jungen landtgraffen philips zu Hessen et. magister zu seiner ersten messen geschenckt, gescheen zu weimar u. ubirantwort Johann reitesell Secretaren am Mitwoch nach Barbare.“ 315 FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 58. „20fl. 20gr. an Goldgulden hat m.g.H. Johann Rietesel Secretarien auf sein ehelich Beilager schenken lassen.“ Der Eintrag findet sich in der Rechnung mit Lauf vom 19. November 1517 bis 19. November 1518. Leider ist kein näheres Datum angegeben. 316 LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 1538, fol. 1–2. Die Verschreibung ist auf den 22. November 1518 datiert. Da es darin heißt, dass die 25 Gulden seiner besseren Erhaltung dienen sollen, ist davon auszugehen, dass sie in direktem Zusammenhang mit seiner Heirat steht. 317 LATh-HStA Weimar, Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 1538, fol. 3, ausgestellt am 4. Juli 1521 in Kassel. 318 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 220f. 319 In der von Ludwig Rabe niedergeschriebenen Biografie des Weimarer Franziskaners Johann Voit, wird Riedesel 1523 als Kammersekretär bezeichnet. Vgl. Ludwig RABE, Historien, der heyligen Außerwolten Gottes Zeugen, Bekennern und Martyreren, Johann Voit, Teil 6, Straßburg 1537, S. 43.
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an verwaltete er gemeinsam mit dem Kammerschreiber Sebastian Schade, dem die Hof- und die Silberkammer unterstanden, die Privatschatulle des Fürsten.320 Aus dieser Tätigkeit und dem ständigen Kontakt mit dem Kurfürsten heraus erwuchs Riedesel eine Vertrauensstellung, die ihm Einfluss auf die Hofkammer verschaffte, die als reine Ausgabenkasse hauptsächlich durch die Zuwendungen der Rentmeister, durch die anfallenden Zinsen von Darlehen und Anleihen gespeist wurde. Außerdem beauftragte der Fürst ihn mit der Durchführung unmittelbarer Geldgeschäfte. Auch wiederkehrende Zuwendungen und Gnadenbeweise Johanns an Riedesel verdeutlichen dessen Bedeutung am Hof. So erhielt er 1523 in Weimar ein von allen Steuern befreites Freihaus gleich gegenüber dem Schloss. In den Jahren 1526 und 1529 wurde er mit Amt, Stadt und Schloss Neumark bei Weimar und mit den Dörfern Ballstedt, Hottelstedt und Ottmannshausen sowie 1531 mit dem früheren Klostergut Wallichen im Amt Weimar belehnt.321 Dieses besondere Vertrauensverhältnis, das unter den Räten außer ihm wohl nur Nickel von Ende zu Johann hatte, hing sicherlich mit mehreren Faktoren zusammen. Nicht zu unterschätzen ist dabei natürlich die persönliche Sympathie. Vielleicht kam Riedesel hier zugute, dass er, nachdem er sehr bald nach der Mutschierung 1513 an den Weimarer Hof gekommen war, nicht zum bereits eingespielten Establishment der Thüringer Räte gehörte, die ebenso Kurfürst Friedrich dienstbar und verpflichtet waren. Wenn man so will, gehörte Riedesel Johann allein. Auch, dass Riedesel sich ebenso früh und offen der lutherischen Lehre anschloss, wie es Johann und Johann Friedrich taten, wird großen Einfluss auf das gegenseitige Vertrauen gehabt haben. Auf die Bedeutung Riedesels bei der Aneignung und dem Verkauf von Wertgegenständen und Kleinodien aus den ernestinischen Klöstern und Stiften wurde bereits in Zusammenhang mit der Stellung Nickels von Ende hingewiesen. Darüber hinaus war Riedesel jedoch auch für die Auflösung des Wittenberger Heiligtums zuständig. Diese von Kurfürst Friedrich leidenschaftlich zusammengetragene und geförderte Reliquiensammlung gehörte in den 1520er Jahren zu den größten und kostbarsten Kirchenschätzen im deutschsprachigen Raum.322 320 Vgl. WA Br, Bd. 2, S. 206. Vor dem Tod Friedrichs des Weisen 1525 hatten die Türknechte Johanns jedoch einen sehr geringen Einfluss auf die Finanzverwaltung. Die Anbahnung großer Kredite und die Durchführung umfangreicher Finanztransaktionen waren die Aufgabe der Kämmerer Friedrichs. Vgl. BRATHER, Kursächsische Verwaltungsreformen, S. 261. 321 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 222. Laut dem Verzeichnis der Landschaft des für den 18. Dezember 1530 ausgeschriebenen Landtages in Altenburg, scheint Rietesel bereits im Jahr 1530 im Besitz von Wallichen gewesen zu sein, denn dort wird er als „Johann Ritesel zu Waldich und Neuenmarckt“ bezeichnet. ELA, S. 201. 322 Vgl. dazu Natalie KRENTZ, Ritualwandel und Deutungshoheit, Tübingen 2014, S. 74–80.
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Dass man im Angesicht der angespannten finanziellen Lage und des Umstands, dass mit der Reformation die Verehrung von Reliquien als Frömmigkeitsform ihren Wert für das Seelenheil verloren hatte, bald auf den Gedanken kam, diesen Schatz gewinnbringend aufzulösen, erscheint zunächst nicht verwunderlich. Beachtung verdient dabei jedoch die Art und Weise. Johann Riedesel sorgte dafür, dass die Wittenberger Reliquiensammlung gemeinsam mit den Kleinodien des Wittenberger Franziskanerklosters nach Torgau gebracht wurde, um sie dort zerlegen zu lassen. Kostbarkeiten, die Friedrich der Weise über Jahre zusammengetragen, angekauft und gesammelt hatte, wurden nun auf ihren reinen Materialwert reduziert. Mit dem Gold und Silber verfuhr man auf die gleiche Weise wie bei den Kleinodien der Klöster, man brachte es zum Einschmelzen nach Coburg, von wo aus man es, in Fässer verpackt, zum Verkauf nach Nürnberg schickte. Dieser Prozess setzte wohl bereits 1526 ein und zog sich bis 1530 hin, Planung und Ausführung lagen ganz offensichtlich in den Händen Johann Riedesels. Edelsteine, Diamanten, Perlen etc., die man aus den einzelnen Stücken des Heiligtums herausgebrochen hatte, scheint man zunächst nicht wie die Edelmetalle in großem Stil verkauft zu haben, sondern Johann behielt sie auf dem Schloss in Torgau zurück. 323 Natürlich unterlagen diese Vorgänge, bei denen hohe Geldbeträge flossen, deren Herkunft geheimgehalten werden sollte, höchster Diskretion. Riedesel scheint diese, ebenso wie die wenigen anderen Beteiligten, gewahrt zu haben.324 Zweifelsohne brachten ihm diese geheimnisvollen Geschäfte zusammen mit der engen Vertrauensstellung beim Kurfürsten, die soweit ging, dass Riedesel allein über das kurfürstliche Rats- und Sekretsiegel verfügte, was klar gegen die geltende Hofratsordnung verstieß,325 auch Neid und Missgunst am kursächsischen Hof ein. Johann hielt jedoch bis zu seinem Tod schützend die Hand über Riedesel, der entsprechend seiner Stellung bei dessen Beisetzung unmittelbar hinter dem Sarg schritt.326 In diesem Zusammenhang drängt sich nahezu die Frage danach auf, wie Johann persönlich zur Auflösung des Wittenberger Heiligtums stand, denn immerhin handelte es sich dabei nicht um beliebige Kirchenschätze, sondern um eine Sammlung, die auch ein Gedächtnis an den Bruder Friedrich den Weisen 323 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 230. Bei einer Inventarisierung des Torgauer Schlosses am 26. August 1532 fand man diese unter den Sachen Kurfürst Johanns. 324 Neben Johann Riedesel war dies wahrscheinlich Nickel von Ende, wiederum der Coburger Schosser Arnold von Falkenstein sowie ein Goldschmied in Torgau, der für das Zerlegen der Stücke zuständig war. 325 Laut Punkt sieben der Hofratsordnung war der Zugang zu den Siegeln nur dem Kanzler, dem Hofmeister und zwei Räten gemeinsam möglich. Vgl. EMMINGHAUS, Hofratsordnung, S. 101f. 326 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 222f.
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darstellte. Selbst wenn Friedrich ab 1523 die Sammlung und Ausstellung der Reliquien eingestellt hatte, so war das Heiligtum doch immer eine Herzensangelegenheit für ihn gewesen. Es fällt schwer zu glauben, dass Johann, der stets ein enges und gutes Verhältnis zu seinem Bruder hatte, dessen Andenken, auch wenn es inzwischen seinen religiösen Wert verloren hatte, ohne große Bedenken zerstören und einschmelzen ließ.327 Und in der Tat scheint diese Maßnahme sein Gewissen belastet zu haben, zumindest hatte er das Bedürfnis, sich vor seinem Tod seinen Söhnen gegenüber dafür zu rechtfertigen. So hinterlegte er bei Johann Riedesel ein Bekenntnis, in dem er erklärte, dass er es war, der das Heiligtum von Wittenberg an sich genommen habe, um es nutzbar zu machen. Keiner der Beamten, die daran beteiligt waren, sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werden.328 Offenbar war Johann klar, dass seine Söhne nicht selbstverständlich davon ausgehen würden, dass das Wittenberger Heiligtum mit Wissen und Willen des Vaters aufgelöst und verkauft wurde.329 Wie wir bereits wissen, richtete Johann Friedrich tatsächlich unmittelbar nach dem Tod Johanns sein Augenmerk auf die Finanzverwaltung des Kurfürstentums. Wie Nickel von Ende musste sich auch Johann Riedesel dem neuen Kurfürsten gegenüber rechtfertigen. Allerdings teilte dieser weder das Vertrauen seines Vaters in Riedesel noch hatte er ein gutes Verhältnis zu ihm. Offenbar sah er in dem Kämmerer den Hauptverantwortlichen für sein jahrelanges erfolgloses
327 Ohne Zweifel hatte man für den künstlerischen Wert der Sammlung, der sicher dem einstigen religiösen in nichts nachstand, keinen Sinn. Der Hauptgedanke war, schnell und vor allem diskret an größere Summen Bargelds zur Schuldentilgung zu gelangen. Diese Prämissen schlossen wohl auch die Möglichkeit aus, zumindest die wertvollsten Stücke durch Verkauf wieder in die Hände von Sammlern zu bringen. 328 „Wir wollen ouch unsern beiden lieben soenen mit dieser unser hantschrieft nicht unangezeigt lassen, des wir dy kleinoter, darinne das heyligtumb zu Wittemberg gefast gewest, als silbern ouch vergulten bildern, kelchen, kreuzen, edelgesteynen, berlen und anderm, wie das unser lieber bruder herzog Friderich seliger gelassen, keynerley außgeslossen, zu uns genommen und dieselben in unsern nutzs gewant und gefordert haben, und begern uf diß unser bekenntnis, so wir mit dieser unser hantschrieft tun das ire liebden unsern houbtman zu Wittenberg, Hansen Metzsch, der uns dasselbig uf unsern befel hat zugeschickt, noch nymandes anders derhalben vordenken odir vorargwenigen, sonder inen und yderman darinne entschuldigt achten und halten wollen. Daran thun uns ire liebden ouch zu freuntlichen gefallen.“ Zitiert nach MÜLLER, Johann Rietesel, S. 231. 329 Dieses Bekenntnis lässt darauf schließen, dass Herzog Johann Friedrich, der bereits längere Zeit vor Johanns Tod in zahlreiche Regierungsgeschäfte eingewiesen worden war, in diese Angelegenheit keinen Einblick hatte. Aufgrund dieser Geheimhaltungsmaßnahmen ging man auch in der Forschung lange Zeit davon aus, dass das Wittenberger Heiligtum erst im Zuge der Kriegsrüstungen des Schmalkaldischen Bundes 1540 aufgelöst worden ist. Vgl. ebd.
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Bemühen um eine eigene Hofhaltung und Rechnungsführung.330 Darüber hinaus scheint es auch eine persönliche Antipathie zwischen den beiden Männern gegeben zu haben. Wie unter diesen Umständen nicht anders zu erwarten, wurde Riedesel unmittelbar nach der Regierungsübernahme Johann Friedrichs abgesetzt. Als äußere Begründung diente die nicht sofortige Rückgabe der Siegel nach dem Tode Johanns. 331 Obwohl es auch bezüglich des Verbleibs zahlreicher Gelder zu auffälligen Ungereimtheiten kam, konnten Riedesel jedoch weder Veruntreuung noch andere Verfehlungen nachgewiesen werden. Riedesel, dem durch seine Entlassung zumindest kein größerer finanzieller Schaden entstanden war, 332 versuchte in den Folgejahren mehrmals, am kurfürstlichen Hof wieder Fuß zu fassen. So bat er im März 1534 Luther, sich für ihn zu verwenden. Luther riet ihm jedoch dazu, sich noch zurückzuhalten und abzuwarten, um seine Situation nicht zu verschlechtern.333 Offenbar hatte Riedesel unter den Räten Johann Friedrichs zahlreiche Feinde und Widersacher, die den Kurfürsten entsprechend beeinflussten. Riedesels Vorschlag Luther gegenüber, Landgraf Philipp einzuschalten und diesen zu bitten, Johann Friedrich auf die Entlassung anzusprechen, zeigt klar, wie ungerecht er selbst das Vorgehen des neuen Kurfürsten empfand. Luther zeigte sich von diesem Vorschlag wenig angetan, da zu befürchten war, dass schnell klar sein würde, wer hinter dem Interesse Philipps an der Sache steckte.334 Hinzu trat, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Johann Friedrich und Landgraf Philipp seit den Pack’schen Händeln gestört war. Diesen Umstand bekam auch Riedesel zu spüren, als Philipp ihn mit einzelnen Aufgaben betrauen wollte, wofür zunächst die Zustimmung Johann Friedrichs eingeholt werden sollte. Der Kurfürst erklärte jedoch, vom langjährigen hessischen Dienstverhältnis Riedesels nichts gewusst zu haben und auch nicht gewillt zu sein, dem mit allen geheimen Regierungsgeschäften vertraut gewesenen Kämmerer die
330 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 101 (Brief Johann Friedrichs an Johann, Winter 1527). 331 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 3, S. 114, Anm. 6. 332 Vgl. ebd. sowie WA Br, Bd. 6, S. 353, Nr. 1955 (Luther an Johann Riedesel, 7. September 1532). „So ist’s (Gott Lob) mit Euch noch nirgends so böse, daß es der Rede wert wäre, sich hoch darumb bekümmern, auch tüchte es gar nicht, daß Ihr solltet Euern Widersachern Freude machen mit Euer Traurigkeit.“ 333 Vgl. WA Br, Bd. 7, S. 40, Nr. 2094 (Luther an einen Adligen, 14. März 1534). Dieser Brief ist nicht unkompliziert. Zwar spricht vieles dafür, dass Riedesel der Adressat ist, aber sein Name erscheint nicht. Darüber hinaus werden alle im Brief genannten Personen abgekürzt, sodass es keine völlige Klarheit darüber geben kann, wer wirklich gemeint ist. 334 Vgl. ebd.
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Annahme solcher Dienste, die auch bisher nicht von ihm gefordert worden waren, jetzt zu gestatten.335 Johann Friedrich hegte noch immer ein großes Misstrauen gegen den langjährigen Kämmerer und Vertrauten seines Vaters. So ließ er schließlich im April 1536 Riedesel nach Weimar vorladen und eröffnete ihm dort, dass es ihm ohne kurfürstliches Wissen nicht gestattet sei, für den Landgrafen zu arbeiten, und er sich nicht aus Neuwerk wegzubegeben habe. Damit scheint die Angelegenheit Riedesel zum Abschluss gekommen zu sein, danach ist weder kurfürstliche Korrespondenz zum Thema noch Schriftwechsel zwischen Luther und Riedesel überliefert. Wie viele andere im höfischen Umfeld Weimars unterhielt auch Riedesel gute Kontakte nach Wittenberg. Er bekannte sich bereits in frühen Jahren zur Reformation und gehörte zu den eifrigsten Anhängern Luthers, mit dem ihn eine Freundschaft verband. So war Riedesel Pate von Luthers 1531 geborenem Sohn Martin, Riedesels eigener Sohn wohnte wohl während seiner Studienzeit in Wittenberg ab dem Sommersemester 1536 bei Luther. Ohne eine Rehabilitierung am Hof erreicht zu haben, aber dennoch finanziell abgesichert, verstarb Johann Riedesel am 4. Januar 1543 auf seinem Gut Neumark, wo er auch beigesetzt wurde.336 Offenbar erst nach dem Tod Friedrichs des Weisen gelangten so wirkmächtige Räte wie Hans von Dolzig und Hans von Minkwitz in den engeren Beraterkreis Johanns, wo sie aufgrund ihrer Erfahrungen und Kenntnisse, auch in der Reichs- und Außenpolitik, für die sich bis dahin ausschließlich der Kurfürst verantwortlich gezeigt hatte, schnell in einflussreiche Positionen aufstiegen. Bestimmten Nickel von Ende und Johann Riedesel in erster Linie innen- und finanzpolitische Fragen, kam ihnen ein umfassender Wirkungsbereich zu. Der um 1485 geborene Hans von Dolzig assistierte ab 1502 dem Kämmerer Friedrichs des Weisen, Degenhart Pfeffinger, und wirkte von 1510 bis 1516 als dessen Stellvertreter und Rentmeister.337 Eine entscheidende Rolle spielte Dolzig bei der Mutschierung 1513, für die er einen Überschlag über die Einnahmen und Ausgaben erstellte, der schließlich als Grundlage für die zu erwartenden Einnahmen in dem Johann zufallenden Landesteil diente. Uwe Schirmer konnte nachweisen, dass Dolzig statt der Netto- die Bruttoeinnahmen der Ämter heranzog und damit die insgesamt rückläufigen Einnahmen frisierte.338 Im Auftrag 335 MÜLLER, Johann Rietesel, S. 236. 336 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 238. 337 Vgl. Ekkehard FABIAN, Johann von Dolzig, in: NDB, Bd. 4 (1959), S. 64, SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 331. 338 SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 330.
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Friedrichs des Weisen täuschte er mit diesem mathematischen Kniff Johann über die wahre Vermögenslage seines Landesteils und schaffte die Ausgangslage für den anhaltend desolaten finanziellen Zustand am Weimarer Hof. Nachdem Dolzig auf einer Wallfahrt 1517 am Heiligen Grab zum Ritter geschlagen worden war, diente er nach seiner Rückkehr von 1519 bis 1525 dem Kurfürsten Friedrich als Hofmarschall und enger Vertrauter. Im Nachlass Hans von Dolzigs finden sich ausführliche Berichte und „Zeitungen“ zur Wahl Karls V. 1519 in Frankfurt und vom Wormser Reichstag 1521. Wenn wir davon ausgehen, dass diese wahrscheinlich von Spalatin verfassten Berichte an Dolzig gesandt wurden, lässt sich daraus schließen, dass dieser wohl nicht an den Reisen teilgenommen hat.339 Dagegen befehligte Dolzig im Sommer 1520 die Truppen, welche Friedrich der Weise vorsichtshalber nach Wittenberg schickte, um nötigenfalls den Unruhen, die zwischen Wittenberger Studenten und Handwerksgesellen ausgebrochen waren, Einhalt gebieten zu können. 340 Neben dem Kurfürsten schätzte auch Luther Dolzig sehr. Von der Wartburg aus widmete er ihm im September 1521 seine Auslegung des „Evangeliums von den zehn Aussätzigen“, eine Schrift, die Herzog Johann bei Luther angeregt hatte.341 Ende 1523 bat Luther dann Hans von Dolzig darum, ihm dabei zu helfen, Psalmen in eine volkstümliche Form zu übertragen, um daraus deutsche Kirchenlieder für den Gottesdienst zu schaffen.342 Schließlich lud Luther in einem sehr freundschaftlich gehaltenen Ton Hans von Dolzig am 21. Juni 1525 zu seinem Hochzeitsschmaus ein und bat ihn gleichzeitig darum, ihm dazu Wildbret zukommen zu lassen.343 Insgesamt hatte Luther neben Georg Spalatin mit Hans von Dolzig wohl eine zweite vertrauenswürdige und ihm mithin freundschaftlich verbundene Person, die ihm den direkten Kontakt zum kurfürstlichen Hof ermöglichte. Dass Dolzig Friedrichs Vertrauen genoss, zeigt allein die Tatsache, dass er sich Mitte Dezember 1524 gemeinsam mit dem kranken Kurfürsten auf dessen
339 Vgl. Otto CLEMEN, Aus Hans von Dolzigs Nachlass, in: Archiv für Reformationsgeschichte, 6 (1909), S. 326–349, hier S. 327–333. 340 Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 1, S. 283. 341 WA Br, Bd. 2, Nr. 432. Der Text von Lukas 17, 11–19 wird häufig als Hauptbelegstelle für die Ohrenbeichte herangezogen. Dies hatten auch die Franziskaner in Weimar gegenüber Johann erklärt, sodass dieser sich bei Luther Klarheit zur Beichte verschaffen wollte. Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 2, S. 29. 342 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 698 (Luther an Spalatin). Spalatin befand sich zu dieser Zeit, wie offenbar auch Hans von Dolzig, mit dem Kurfürsten auf dem Nürnberger Reichstag. 343 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 897. Obwohl unklar ist, ob Dolzig an der Feier teilnehmen konnte, erfüllte er den Wunsch Luthers und ließ von Lochau aus Wildbret nach Wittenberg schicken. Vgl. ebd., Anm. 3.
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Jagdschloss nach Lochau begab, während die Mehrzahl der Räte die Regierungsgeschäfte von Torgau aus führte.344 Nach Friedrichs Tod konnte Dolzig seine Stellung als kurfürstlicher Rat festigen, unter Johanns Regierung gehörte er zu den vier „täglichen Hofräten“.345 Dies belegen zum einen Quatembergeldzahlungen, bei denen Hans von Dolzig immer als einer der täglichen Hofräte ausgewiesen ist,346 zum anderen ein Gutachten Johann Friedrichs darüber, wie das kursächsische Gebiet im Angesicht der nach der Speyerer Protestation drohenden Kriegsgefahr „besthelt und versehen“ sein sollte. Darin werden auch diejenigen Räte angeführt, welche an den beiden Hoflagern in Torgau und Weimar sowie als „tegliche hoffrede“ zur Verfügung stehen müssen.347 An diesem Umstand hatte sich auch im März 1531 noch nichts verändert, beim Ausschusstag in Torgau wird von Dolzig als Mitglied der Hofregierung bezeichnet.348 In dieser Funktion war er beispielsweise ab Herbst 1525 gemeinsam mit Hans von Gräfendorf für die Säkularisierung des Wittenberger Allerheiligenstifts und die Reorganisation der Universität zuständig.349 Auch bei außenpolitischen Missionen zog man Dolzig als erfahrenen Rat und Vertrauten der Kurfürsten regelmäßig hinzu. So nahm Hans von Dolzig an allen von Johann besuchten Reichstagen teil. Für den Reichstag 1526 ist seine Anwesenheit belegt, insofern ihm Albrecht von Mansfeld, als er am 30. Juli 1526 Speyer verließ,350 Vollmacht über alle Entscheidungen ausstellte.351 344 Vgl. HÖSS, Georg Spalatin, S. 274. Ständig anwesend in Lochau waren neben Dolzig nur noch Spalatin, Friedrichs Sohn Sebastian, der Sekretär Johannes Feyl und der Leibarzt des Kurfürsten. 345 FABIAN, Johann von Dolzig, S. 64; SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 383f. Neben Dolzig handelte es sich dabei noch um Christoph von Taubenheim, Gregor Brück und den Kanzler Christian Beyer. 346 SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 383f. 347 Das Gutachten, das aus dem Sommer 1529 stammt, ist gedruckt in: MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 126–129. Als Hofräte an den beiden Residenzen werden genannt: Zu Torgau: Dr. Wolfgang Reißenbusch, Hans von der Planitz, Hans von Weißenbach, Günter von Bünau zu Altenburg, Hans Metzsch, Dietrich von Starschedel, Dr. Benedikt Pauli und Casper von Minkwitz. Zu Weimar: Anarg von Wildenfels, Friedrich von Thun, Wolf von Weißenbach, Ludwig von Boyneburg, Nickel von Ende, Christoph von der Planitz, Ewald von Brandenstein und Dr. Johann von der Sachsen. Die Namen der Räte decken sich im Wesentlichen mit denen, die im Verzeichnis des Hofgesindes anlässlich des Besuchs des Speyerer Reichstages 1526 verzeichnet sind. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. E, Nr. 107, fol. 40r–41v, zitiert nach RTA JR, Bd. 5/6, S. 345f. 348 ELA, S. 220. 349 Vgl. Abschnitt 5.1.1. 350 Der Gesandte Herzog Georgs, Otto von Pack, berichtet in seinem Schreiben vom 11. August 1526 nach Dresden, dass „Graf Albericht von Mansfelt, der v. Wildenfels und her Hans v. Minckwiczs von hinne nach Schweyczen“ geritten seien. ABKG, Bd. 2, Nr. 1304.
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Eine besondere Aufgabe kam ihm im Vorfeld des Augsburger Reichstags 1530 zu. Bestärkt von der Milde des Reichstagsausschreibens, hatte Kurfürst Johann die Entscheidung getroffen, Hans von Dolzig nach Innsbruck vorauszuschicken, um dort mit Kaiser Karl V. Sonderverhandlungen zum religiösen Standpunkt Kursachsens zu führen.352 Mit einer umfangreichen Instruktion abgeordnet, sollte Dolzig versuchen, durch bereitwilliges Entgegenkommen den Kaiser für die lutherischen Neuerungen zu sensibilisieren und ihn dafür offen zu stimmen.353 Diese diplomatisch heikle Mission, die dem Kaiser auch die Uneinigkeit unter den evangelischen Ständen und insbesondere den Zwiespalt mit zwinglischen Städten offenbarte, scheiterte jedoch.354 Nach Johanns Abreise vom noch nicht beendeten Augsburger Reichstag gehörte Dolzig zu den bevollmächtigten Räten, die er zurückließ.355 Regelmäßig nachweisen lässt sich Hans von Dolzig auch als Gesandter Johanns an Landgraf Philipp. Im Winter und Frühjahr 1527/28 reiste Dolzig innerhalb kürzester Zeit gleich drei Mal nach Hessen.356 Gegen Ende der Regierungszeit Johanns scheint sich Hans von Dolzig immer stärker an den Kurprinzen Johann Friedrich angelehnt zu haben. Insbesondere in den Verhandlungen zum Schmalkaldischen Bund und der Widerstandsfrage gegen den Kaiser neigte er zur offeneren Haltung Johann Friedrichs. So verwundert es nicht, dass wir ihn in allen wichtigen Fragen in dieser Zeit an der Seite des Kurprinzen sehen. Im Dezember 1530 begleitete er Johann Friedrich zum Kurtag nach Köln, auf dem nach dem Willen Karls V. sein Bruder Ferdinand zum 351 Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. E, Nr. 106, fol. 84rv, zitiert nach RTA JR, Bd. 5/6, S. 381. Allerdings fehlt Dolzigs Name in dem am 3. Juli 1526 angefertigten Verzeichnis Johanns über die mitreisenden Räte. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. E, Nr. 107, fol. 40r– 41v, zitiert nach RTA JR, Bd. 5/6, S. 345f. In Speyer 1529 war seine Teilnahme von Beginn an vorgesehen. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 496, Nr. 1599. 352 Zu dieser Mission Dolzigs vgl. Abschnitt 5.2.3. 353 FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes und seiner Verfassung. 1524/29–1531/35. Brück, Philipp von Hessen und Jakob Sturm, Tübingen 1962, S. 84. 354 Vgl. UBGRA, Bd. 1, Nr. 79 (Instruktion des Kaisers, 24. Mai 1530). 355 Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 217. 356 Seine erste Reise unternahm er im Dezember 1527, um sich mit Philipp über den bevorstehenden Reichstag in Regensburg zu besprechen. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 173f. Ende Februar 1528 begab sich Dolzig zusammen mit Kurprinz Johann Friedrich nach Hessen, um dort u.a. nähere Einzelheiten zum Breslauer Bündnis in Erfahrung zu bringen. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 61. Nur einen Monat später übernahm Dolzig die heikle Aufgabe, dem Landgrafen mitzuteilen, dass man nach ausführlichen Beratungen mit den kursächsischen Theologen mit mehr für den Anfang März in Torgau vereinbarten Präventivschlag zur Verfügung stehe. Vgl. Christian NEUDECKER, Merkwürdige Aktenstücke aus dem Zeitalter der Reformation, Bd. 1, Nürnberg 1838, S. 33–40 (Instruktion Johanns an Dolzig).
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römischen König gewählt werden sollte. Um sich die Möglichkeit zu wahren, gegen die Wahl zu protestieren und diese nicht anerkennen zu müssen, entschied sich Kursachsen schließlich, nicht daran teilzunehmen.357 Ebenso sehen wir ihn bei den Verhandlungen des Schmalkaldischen Bundes, an denen Johann im Dezember 1530 letztmalig teilgenommen hatte, nun als Berater Johann Friedrichs. Den Religionsverhandlungen in Schweinfurt parallel zum Regensburger Reichstag 1532 wohnte er ebenfalls bei. Die Entscheidung Kurfürst Johanns Anfang August 1532, seinem Sohn und dessen Frau Hans von Dolzig als Rat in deren neuer eigener Residenz in Coburg zur Seite zu stellen, interpretiert Ernst Müller als eine Art des „Weglobens“.358 Sollte diese Mutmaßung der Wahrheit entsprechen, wäre dies ein Beleg dafür, dass Dolzig offenbar mit seinen politischen Ansichten in Gegensatz zum Kurfürsten geraten war. Es lässt sich ohne Zweifel feststellen, dass es Hans von Dolzig gelang, seine bereits unter Kurfürst Friedrich bedeutende Stellung als kursächsischer Rat unter Johanns Regentschaft noch weiter auszubauen. Insbesondere in den ab dem Reichstag von Speyer 1529 immer stärker ineinanderfließenden Reichstags- und Bündnisverhandlungen der evangelischen Stände spielte Dolzig eine entscheidende Rolle. Vor allem diese außenpolitischen und damit auch öffentlich wirksamen Politikfelder brachten ihm bald den Ruf eines der wirkmächtigsten Räte in den ersten Jahrzehnten der Reformation ein. Ähnliches gilt für Hans von Minkwitz. Als ältester Sohn des als Rat, Hofmeister und Obermarschall in albertinischen Diensten stehenden gleichnamigen Vaters begann er seine Karriere, wie Friedrich von Thun, in den Diensten des Erzbischofs Ernst von Magdeburg. Dort war er kurze Zeit als Hofmeister tätig,359 ehe er ab 1488 Amtmann von Radeberg im albertinischen Herzogtum wurde. Ebenso wie Hans von Dolzig nahm auch Hans von Minkwitz 1517 an der Wallfahrt sächsischer Adliger zum Heiligen Grab teil und wurde dort zum Ritter geschlagen.
357 MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 76ff. Johann Friedrich wurde neben Dolzig auch von Minkwitz, Taubenheim, Groß und Spalatin begleitet. 358 Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 234. Im Juli 1532 gab Johann sein Einverständnis zu einer eigenen Haushaltung des Sohnes in Coburg. Am 5. August, also knapp zwei Wochen vor seinem Tod, befahl Johann den Räten Anarg von Wildenfels und Hans von Dolzig, zu denen Johann Friedrich ein besonders vertrautes Verhältnis hatte, sich bis auf Weiteres nach Coburg zu begeben, um dem Kurprinzen als Berater zu dienen. 359 Hans von Minkwitz wurde 1481 erstmals als magdeburgischer Rat genannt, ehe er von 1482 bis 1484 das Amt des Hofmeisters bekleidete. Vgl. SCHOLZ, Erzbischöfe von Magdeburg in Halle, S. 327.
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Nachdem er zwischenzeitlich Amtmann von Liebenwerda war, 360 stieg er nach dem Tod Kurfürst Friedrichs des Weisen, dessen Sarg er zusammen mit sieben anderen Edelleuten in die Schlosskirche getragen hatte, in eine führende Stellung am Hof von Kurfürst Johann auf. Die erste Möglichkeit, sich dem Reich als Kurfürst zu präsentieren, ließ Johann verstreichen und sandte 1525 stattdessen seinen Rat am Reichsregiment, Philipp von Feilitzsch, nach Augsburg. Kurz darauf ernannte er zusätzlich Hans von Minkwitz,361 der mit der Aufgabe betraut wurde, die gerade zwischen Herzog Johann Friedrich und Landgraf Philipp von Hessen in Friedewald getroffenen Absprachen umzusetzen, den Reichstag zu nutzen, um Sondierungsgespräche bezüglich eines koordinierten Zusammengehens aller evangelisch gesinnten Stände zu führen.362 Auch wenn die hier angedachten Gespräche noch nicht den gewünschten Erfolg hatten, zeigen dennoch die Aufgaben, die Hans von Minkwitz hier zukamen, bereits die Stellung an, die er in den Verhandlungen der nächsten Jahre sowohl auf den Reichstagen als auch in den Bündnisverhandlungen einnehmen wird. So begleitete er seinen Kurfürsten nicht nur auf alle weiteren Reichstage, sondern vertrat ihn auch beim Fürstentag in Esslingen 1526, wo nach der Schlacht von Mohács über eine eilende Türkenhilfe beraten werden sollte.363 Im Herbst 1526 sehen wir ihn in Breslau, um im Namen Johanns Verhandlungen mit Albrecht von Preußen über einen Beitritt zum Torgauer Bund zu führen.364 Anfang Mai 1527 verhandelte er wiederum in 360 In dieser Funktion begleitete er den Bischof von Meißen auf dessen Visitationsreise 1522. Dafür hatte Minkwitz von Friedrich eine sehr genaue Instruktion erhalten, die zum einen beinhaltete, dass er selbstverständlich den Bischof und dessen Begleiter schützen sowie Aufruhr und Empörung verhindern sollte, zum anderen sollte er unterbinden, dass Geistliche mit Gefängnis bedroht wurden oder es gar zu Verhaftungen kam. Außerdem wurde Minkwitz dazu angehalten, den Kurfürsten ausführlich über die weiteren Reiseabsichten des Bischofs zu informieren. So war er mehr Aufsicht denn Begleiter des Bischofs. Offenbar hatte er sich bei dieser Tätigkeit bewährt, als 1524 der Merseburger Bischof ebenfalls zu einer Visitation ansetzte, bestimmte ihn Friedrich wiederum als weltliche Begleitperson. Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 479f.; NUB, Kap. 3, Nr. 9. 361 Die Vollmacht Johanns für ihn und Philipp von Feilitzsch für den Augsburger Reichstag vom 22. Oktober 1525. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. E, Nr. 105, fol. 40r–41v, zitiert nach RTA JR, Bd. 5/6, S. 356 sowie KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 255. 362 Vgl. ebd., S. 71f. Dass ausschließlich Minkwitz damit betraut war, gemeinsam mit dem hessischen Gesandten Balthasar von Weitolshausen, genannt Schrautenbach, Kontakt zu potenziellen Bündnispartnern aufzunehmen, zeigt der Umstand, dass Philipp von Feilitzsch über die Friedebacher Unterredung überhaupt nicht informiert war. Vgl. ebd., S. 72, Anm. 100. 363 Ebd., S. 907. 364 Vgl. Stephan STOY, Erste Bündnisbestrebungen evangelischer Stände, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde 14 (1889), S. 5–270, Beilage II (Bericht Hans von Minkwitz’ über den Breslauer Tag, 7. Oktober 1526).
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Breslau als Teilnehmer einer pfälzisch-sächsisch-hessischen Gesandtschaft mit König Ferdinand über das Schicksal Ulrichs von Württemberg.365 Als Landgraf Philipp im Dezember 1528 den Schwäbischen Bundestag in Worms besuchte, befand sich Hans von Minkwitz in seinem Gefolge. 366 Auf dem Speyerer Reichstag 1529 hielt Minkwitz mit Kurprinz Johann Friedrich, der die Regierungsgeschäfte während der Abwesenheit seines Vaters in Kursachsen führte, engen Kontakt und erledigte in seinem Namen auch Aufträge. 367 Zweifellos gehörte er hier bereits zu den engen Vertrauten des Kurprinzen. Ebenfalls auf Anraten des jungen Herzogs beschleunigte Hans von Minkwitz gemeinsam mit Albrecht von Mansfeld die Kontaktaufnahme zu anderen Kurfürsten, um die Wahl Ferdinands zum römischen König zu verhindern.368 Als dann im Dezember 1530 der Wahltag in Köln bevorstand, begleitete er Johann Friedrich dorthin, wo er bei der Übergabe mehrerer Protestnoten und dem Einspruch gegen die Wahl Ferdinands zum römischen König für Kursachsen das Wort führte. 369 Kurz darauf waren er und Hans von Dolzig maßgeblich an den Verhandlungen der Wahlgegner zu einem Bündnis beteiligt.370 Auf dem Augsburger Reichstag 1530 nahm Minkwitz die wichtige Rolle des Vermittlers ein, Kurfürst Johann konnte auf dessen diplomatische Fähigkeiten so sehr vertrauen, dass er ihn auch in seinem Namen mit Kaiser Karl V. verhandeln ließ.371 Doch nicht nur reichspolitisch arbeiteten Minkwitz und Herzog Johann Friedrich Seite an Seite. Auch über die Notwendigkeit innenpolitischer Reformen war man sich einig. So förderte der Kurprinz die Ernennung Hans von Minkwitz’
365 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 36, Anm. 2, S. 54, Anm. 1. Über das Zustandekommen einer solchen Gesandtschaft war Mitte April 1527 in Nürnberg entschieden worden. Auch an dieser Zusammenkunft hatte Minkwitz als kursächsischer Vertreter teilgenommen. 366 Vgl. ebd., S. 438. Neben Hans von Minkwitz waren auch die sächsischen Räte Kuntz Gotsmann und Hans von der Planitz sowie der Kanzler Gregor Brück zugegen. 367 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 589. Hierbei ging es darum, dass Minkwitz auf eine Instruktion Johann Friedrichs hin beim kaiserlichen Orator Balthasar Waldkirch um dessen Stellungnahme zu von ihm behaupteten Verleumdungen Herzog Heinrichs von Braunschweig gegen die Evangelischen am kaiserlichen Hof warb. 368 Vgl. ebd., S. 740f. 369 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 76–80. 370 Vgl. RTA JR, Bd. 10,1, S. 190. Am 21. September 1531 trafen sich Hans von Minkwitz und Hans von Dolzig mit den hessischen Räten Dr. Feige und Ludwig von Boyneburg in Baiersdorf, kurz darauf setzte man die Verhandlungen mit bayrischen Vertretern in Nürnberg fort. Der Bundesabschluss der Wahlgegner fand dann am 24. Oktober 1531 in Saalfeld statt, wiederum waren es Minkwitz und Dolzig, die Kursachsen vertraten. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 83 geht davon aus, dass überhaupt nur neben den Fürsten diese beiden Räte sowie der Kanzler Gregor Brück eingeweiht waren. 371 Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 170; CR, Bd. 2, S. 339.
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als Hofmeister und Vorsitzenden des Hofrats am 24. März 1532.372 Zusammen mit ihm wollte Johann Friedrich eine neue Hof- und Ratsordnung durchsetzen, der Johann nicht geneigt war. Dabei beabsichtigte er, den Hofrat als direkte Aufsicht über die Räte einzusetzen, während Johann ihm nur eine allgemeine Aufsicht über das Hofwesen zubilligen wollte.373 Unter Kurfürst Johann Friedrich konnte Hans von Minkwitz seine enorme innen- und außenpolitische Machtfülle noch weiter ausbauen, diese allerdings nur für kurze Zeit wahrnehmen, da er bereits 1534 starb. Allgemein lässt sich über die Familie von Minkwitz sagen, dass sie zu den wichtigsten adligen Gläubigern beider wettinischer Linien gehörte, über gute Beziehungen verfügte und erheblichen Einfluss hatte.374 So gehörten auch die Brüder Hans von Minkwitz’, Georg und Casper, zu den Hofräten.375 Wie die Quatembergeldzahlung vom Advent 1528 belegt, gehörte Georg, der an der Universität Wittenberg studiert hatte,376 in der Zeit der Alleinregierung Johanns zum engen Kreis der Hofregierung und offenbar auch gelegentlich zu den täglichen Hofräten.377 Dieser enorme real- und finanzpolitische Einfluss spiegelt sich auch im Handeln des Fürsten wider. So gehörte Hans von Minkwitz zu den ersten Profiteuren landesherrlich betriebener Säkularisierungen geistlicher Besitzungen. Im Dezember 1525 verkaufte Kurfürst Johann das erst 1497 von Antonitermönchen gegründete Kloster Eicha an Hans von Minkwitz. Dieses hatte sich im Zuge der Reformation bald aufgelöst und die Mönche selbst boten dem Kurfürsten den Klosterkomplex samt den daran haftenden Zinsen, Gerichten und Gerechtigkeiten zum Kauf an. Johann erwarb das Kloster, dessen Wert auf 10.000 bis 12.000 Gulden geschätzt wurde, und überließ es kurze Zeit später Minkwitz für nur 7.000 Gulden.378 Aber auch diese Summe beglich er niemals vollständig, ein Umstand, der wohl Johann Friedrich zu der brieflichen Äußerung veranlasste, 372 373 374 375
Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 219. Ebd., S. 233. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 340. Er gehörte zu den Hofräten in Torgau. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, Beilage 17, S. 126. 376 Zumindest war er seit 1503 dort eingeschrieben, vgl. SCHIRMER, Herrschaftspraxis, S. 364. 377 Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 383, Anm. 1086. Diese offenbar nicht feste Stellung Georgs von Minkwitz als täglicher Hofrat spiegelt sich auch darin wider, dass Johann Friedrich ihn in seinem Gutachten aus dem Sommer 1529 nicht dazu zählt, vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, Beilage 17, während er in der Hofordnung von 1531 erscheint. Vgl. ELA, S. 220. 378 Vgl. Uwe SCHIRMER, Zur Geschichte von Kloster Eicha und Umgebung (13. bis 16. Jahrhundert), in: Lutz HEYDICK/Uwe SCHIRMER (Hg.), Kloster Eicha; Wallfahrts-, Antoniter-, Reformations-, und Ortsgeschichte, Beucha 1997, S. 25–48, hier S. 41f.
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dass „die Eiche durch unrühmliche Praktiken und zu des Churfürsten Johann Schaden“ veräußert worden sei. 379 Nachdem die Familie von Minkwitz Acker- und Teichwirtschaft redlich genutzt hatte, 1530 sogar Teile des Klosters wie die Klosterkirche abbrechen ließ, um die Steine für einen geplanten Brückenbau an ihrem Stammsitz in Trebsen nutzen zu können, kaufte Johann Friedrich Eicha nach dem Tod von Hans von Minkwitz für 12.000 Gulden von dessen Söhnen zurück. Zu den ebenfalls herausragenden Persönlichkeiten am Hof Kurfürst Johanns gehört der Kanzler Gregor Brück. Er wurde um 1485 als Gregor Heinz in Brück, 380 einer zur damaligen Zeit schriftsässigen Stadt, die zum sächsischen Kurkreis gehörte, geboren und hatte seit 1502/03 an der Universität Wittenberg studiert.381 Dorthin kehrte er nach einem zweijährigen Aufenthalt an der Universität Frankfurt/Oder 1508 zurück, um sein Baccalaureat als Jurist beider Rechte abzulegen. Auch sein ältester Bruder Simon hat sich 1502/03 an der Universität Wittenberg eingeschrieben, wo er von 1509 bis 1518 den Lehrstuhl für Logik innehatte. Seit 1515 war er Stadtpfarrer in Wittenberg, eine Tätigkeit, der er offenbar wegen Krankheit nicht in vollem Umfange nachkommen konnte, sodass Luther des Öfteren für ihn predigte. Simon Heinz, der bereits 1522 starb, gilt als erster evangelischer Stadtpfarrer Wittenbergs.382 Die Lehrer Gregor Brücks in Wittenberg waren Hieronymus Schurff und der 1510 von Erfurt nach Wittenberg berufene Jurist Henning Göde, 383 dessen Assistent und Vertreter bei Rechtsterminen er bald wurde. Da Göde im Ruf eines ausgezeichneten Juristen stand, waren seine Gutachten bei zahlreichen Fürsten und Herren außerordentlich gefragt, sodass Brück über ihn Gelegenheit hatte, 379 Ebd., S. 44. 380 Sein genaues Geburtsjahr lässt sich nicht feststellen, es schwankt je nach Autor zwischen 1483 und 1486. Theordo Kolde legt sich aufgrund der Angabe auf einem Cranachbild, dass Brück im seinem Todesjahr 1557 73 Jahre alt gewesen sein soll, auf das Jahr 1484 fest. Vgl. KOLDE, Der Kanzler Brück und seine Bedeutung für die Entwicklung der Reformation, Halle 1874, S. 4. Ekkehart Fabian geht aufgrund der Aussage Brücks 1539 fast 54jährig zu sein, vom Geburtsjahr 1486 aus. Vgl. Ekkehart FABIAN, Gregor Brück, in: TRE, Bd. 7 (1981), S. 212–216. 381 Zur gleichen Zeit wie er war auch Georg Spalatin in Wittenberg immatrikuliert worden. Vgl. FÖRSTEMANN, Album acameniae vitebergensis, Bd. 1, S. 5. 382 Vgl. KOLDE, Der Kanzler Brück, S. 5. Kolde gibt als Sterbejahr von Simon Heinz ohne Beleg 1522 an. Bei FABIAN, Gregor Brück, S. 212 heißt es lediglich, dass er vor dem 25. September 1523 verstorben sei. 383 Nach Kolde wurde Göde bereits 1508 nach Wittenberg berufen, was er als Grund für die Rückkehr Brücks aus Frankfurt/Oder ansieht. In die Matrikel der Universität Wittenberg wurde er jedoch erst 1510 eingetragen. Vgl. FÖRSTEMANN, Album acameniae vitebergensis, Bd. 1, S. 31.
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frühzeitig die Verhältnisse an einzelnen deutschen Höfen kennenzulernen und sich die Feinheiten der Diplomatie anzueignen. Hinzu kamen offenbar gute Kenntnisse des Alten und Neuen Testaments sowie der Kirchengeschichte.384 Über die Räte Fabian von Feilitzsch und Friedrich von Thun wurde schließlich Friedrich der Weise auf Brück aufmerksam und berief ihn 1519, in Nachfolge des verstorbenen Degenhard Pfeffinger, zum „täglichen Hofrat“ und 1520 zum Kanzler Johanns,385 doch blieb Brück auch für Friedrich weiterhin als Rat im Dienst. Schon bald nach Aufnahme seiner Tätigkeit in kursächsischen Diensten wurde er für Fragen der Religionspolitik eingesetzt, so beispielsweise auf dem Reichstag in Worms 1521. Hier fertigte er nicht nur zahlreiche Mitschriften zu den Verhandlungen an, sondern führte im Februar 1521 selbst diejenigen zwischen dem kaiserlichen Beichtvater Johann Glapio und Kurfürst Friedrich in der Luthersache. Dabei wurde Friedrich, der offenbar nicht geneigt war, die Verhandlungen selbst zu führen, von Brück, der mit klaren Anweisungen und Vollmachten ausgestattet war, stets exakt informiert. 386 Darüber hinaus wurde Brück regelmäßig zu Verhandlungen in Religionssachen eingesetzt, wie beispielsweise mit Herzog Georg bezüglich der Wittenberger Unruhen 1521/22387 oder mit dem Bischof von Merseburg. Dieser beschwerte sich seit 1522 immer wieder bei Friedrich, dass es in den kurfürstlichen Ämtern, die zum bischöflich merseburgischen Sprengel gehörten, zu Ungehorsam gekommen sei, so beispielsweise zu Austritten von Mönchen aus den Klöstern oder zur Verheiratung von Priestern. In diesen Angelegenheiten bat der Bischof um das Einschreiten der kurfürstlichen Amtleute. Da dies nicht im Sinne Friedrichs
384 KOLDE, Der Kanzler Brück, S. 7. 385 Damit war Gregor Brück der erste Kanzler am Weimarer Hof Herzog Johanns. In den Jahren seit 1513 scheint die Kanzlei ausschließlich von Schreibern besetzt gewesen zu sein, von denen einer die Oberaufsicht innehatte. Vgl. KETTMANN, Die kursächsische Kanzleisprache, S. 47; BRATHER, Kursächsische Verwaltungsreformen, S. 278. Offenbar durch die rege Inanspruchnahme Brücks durch Kurfürst Friedrich hat sich in der Literatur die Vermutung gehalten, dass Brück der Kanzler Friedrichs war. Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 292. 386 Vgl. NUB, Kap. 2, Nr. 5, 6, 10, 11. Außerdem KOLDE, Der Kanzler Brück, S. 12f.; LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 429. Glapio bat Brück immer wieder, es möge zu einem Treffen zwischen ihm und Friedrich dem Weisen kommen, um die Sache bereinigen zu können. Dies lehnte Brück, natürlich auf Instruktion Friedrichs, stets ab. Dabei wurden auch recht fadenscheinige Gründe, wie die Gebundenheit Friedrichs in andere Reichsangelegenheiten oder die Abwesenheit von Personen, die sich sowohl mit der Heiligen Schrift als auch mit dem Lateinischen gut auskannten, angeführt. 387 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 274.
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war, sandte er Brück zu Verhandlungen mit dem Bischof. Ähnliches wiederholte sich 1524.388 Am Weimarer Hof pflegte er offenbar ein enges Verhältnis zu Johann Friedrich, mit dem er die Sorge teilte, dass Johanns unbestimmte und offene Haltung zu verschiedenen reformatorischen Strömungen, die sich von der lutherischen Lehre absetzten, zu negativen politischen Folgen führen könnte. Bereits im Herbst 1523 sandte Brück, der nach Meinung Eike Wolgasts unter der Regierung Johanns und Johann Friedrichs eine Schlüsselstellung zwischen Politikern und Theologen einnahm,389 Luther Jakob Strauss’ Buch zum Zinskauf zu und bat um dessen Meinung. Luther nahm in einem Brief vom 18. Oktober 1523 an Brück dazu Stellung.390 Seit dem Sommer 1524 drängte der politische Kreis um Brück und Johann Friedrich auf Maßnahmen, die den sich vor allem im Thüringer Raum ausbreitenden schwärmerischen Strömungen Einhalt gebieten sollten. Als Reaktion auf diese Forderungen unternahm Luther im August 1524 eine Predigtreise nach Thüringen, belehrte Strauss und Stein und setzte sich mit Karlstadt auseinander. Nach Spalatins Rücktritt 1525 übernahm Brück weitestgehend die Vermittlerrolle zwischen Fürsten, Politikern und Wittenberger Theologen. Meist war er derjenige, der die Gutachten der Reformatoren einholte, sich mit ihnen besprach und vermittelte. Diese Stellung nutzte Brück ohne Zweifel zur Durchsetzung seiner eigenen politischen Ziele. Er war sich völlig im Klaren darüber, dass es im Zweifel darauf ankam, Luther für seine Pläne zu gewinnen, da ein Votum des Reformators, das in seinem Sinne ausfiel, sehr wahrscheinlich dazu führte, dass er sich mit seiner Ansicht beim Kurfürsten würde durchsetzen können.391 Zu dieser Einschätzung gelangte auch Landgraf Philipp von Hessen, der sehr bald vermutete, dass hinter manchem Engagement Luthers der Kanzler Brück stand. 392 Auch Äußerungen Melanchthons stützen die These, dass Luther von Brück beeinflusst wurde.393 388 Vgl. NUB, Kap. 3, Nr. 3, 4, 6, 20. 389 Eike WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik der evangelischen Stände, Studien zu Luthers Gutachten in politischen Fragen, Gütersloh 1977, S. 17. 390 WA Br, Bd. 3, S. 176 391 Vgl. BECKER, Kurfürst Johann von Sachsen und seine Beziehungen zu Luther, S. 70. 392 Insbesondere hinter dem energischen Eintreten Luthers für einen friedlichen Ausgleich in den Pack’schen Händeln vermutete Philipp den Einfluss Brücks. Diese Ansicht äußerte er in einem etwa Mitte April 1528 verfassten Schreiben an Johann Friedrich. „Mich dunckt, der cantzler fider die pfeyl und Luter muß sie schiessen.“ LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 21, fol. 16rv, zitiert nach WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 120, Anm. 29. 393 Vgl. SCHWARZ, Landgraf Phillip von Hessen und die Pack’schen Händel, Leipzig 1884, S. 55; KOLDE, Gregor Brück, S. 18.
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Insgesamt ging die gesamte kursächsische Reformationspolitik durch seine Hände. 394 Auf den Reichstagen, die er alle gemeinsam mit Johann besuchte, zeichnete ihn vor allem sein Sinn für das realpolitisch Erreich- und Machbare aus, ohne dabei die grundsätzlichen Prinzipien preiszugeben. Auf dem Speyerer Reichstag 1529 verlas er nicht nur die Protestation der Evangelischen gegen den Mehrheitsbeschluss, sondern war auch der Verfasser des kurzen Textes. Hier floss wohl seine große Erfahrung als Jurist und Reformationspolitiker ein, wenn man den Protest mit dem in der verfassungsrechtlichen Diskussion neuen Argument abzusichern suchte, indem man die Gültigkeit von Mehrheitsvoten bestritt, wenn diese einen zuvor einstimmig gefassten Beschluss veränderten oder gar widerriefen.395 Seine Schlüsselposition zwischen Politikern und Theologen wurde auf dem Augsburger Reichstag 1530 besonders augenfällig, als zahlreiche Änderungen und Korrekturen am Entwurf der Confessio nötig wurden, nachdem im Mai 1530 Bestrebungen eingesetzt hatten, aus der geplanten kursächsischen Verteidigungsschrift eine von möglichst vielen evangelischen Ständen getragene Vorlage für ein Glaubensbekenntnis zu machen. Die Milde und das weitgehende Entgegenkommen Melanchthons gingen vielen Politikern zu weit, nicht zuletzt Kurprinz Johann Friedrich war damit nicht einverstanden. Als ein enger Vertrauter des Kurprinzen hatte Brück hier sicher einiges an Vermittlungsarbeit zu leisten.396 Dass Brück in alle Vorgänge der Außenpolitik eingeweiht war, zeigt, dass er neben den Verhandlungen zur Gründung eines Bundes gegen die Wahl Ferdinands zum römischen König397 auch an den Vermittlungsgesprächen der Altgläubigen zu einem Ausgleich mit den Protestanten beteiligt war. 398 Bei den Verhandlungen in Schweinfurt 1532 war Gregor Brück der alleinige Sprecher aller Protestanten, eine Maßnahme, die es ermöglichte, gegenüber den kaiserlichen Unterhändlern den Schein der Geschlossenheit zu wahren.399 In dieser Zeit arbeitete Brück, wie auch die anderen führenden Religionspolitiker Kursachsens, Dolzig und Minkwitz, bereits Seite an Seite mit Kurprinz Johann Friedrich.
394 Vgl. Ekkehart FABIAN, Dr. Gregor Brück 1557–1957: Lebensbild und Schriftwechselverzeichnis des Reformationskanzlers, Tübingen 1957, S. 15f. 395 Vgl. Georg SCHMIDT, Protestation von Speyer, in: TRE, Bd. 27 (1997), S. 580–582, hier 582. 396 Melanchthon beschwerte sich bei Luther über Johann Friedrichs wenig entgegenkommendes Verhalten. Vgl. MBW, Nr. 937 (25. Juni 1530). 397 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 83, 89. In dieser Angelegenheit vertrat Brück bei den Verhandlungen in Saalfeld 1531 und in Königsberg in Franken 1532 die kursächsischen Interessen. 398 Vgl. RTA JR, Bd. 10,1, S. 110–114, 129. 399 Vgl. RTA JR, Bd. 10,1, S. 136.
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Insbesondere, was die Verhandlungen von Schweinfurt und kurz darauf von Nürnberg betraf, musste er jedoch hinnehmen, dass sich seine und des Kurprinzen Ansichten zu einem vertraglich geregelten Friedensschluss mit den Altgläubigen gegen den Widerstand der Wittenberger Theologen und Kurfürst Johanns nicht durchsetzen konnten. Die Erfahrung Brücks, seine außerordentliche Gewandtheit und Redefertigkeit sowie Vertrautheit mit Johann Friedrich bedingten, dass er nach dessen Regierungsübernahme seine Stellung als Politiker noch weiter ausbauen konnte. Obwohl er zu dieser Zeit schon nicht mehr am Hof, sondern in Wittenberg lebte, erreichte seine Wirksamkeit als „Rat von Haus aus“ und als Titularkanzler nochmals einen Höhepunkt. 400 Durch einen umfangreichen Briefwechsel, der allein mit Johann Friedrich 740 Briefe umfasste,401 sowie durch zahlreiche Verwandte und Verschwägerte im höfischen Umfeld, pflegte er weiterhin einen außerordentlich engen Kontakt zum Hof.402 Darüber hinaus nahm er bis 1533 noch zahlreiche juristische Ämter wahr, so als Hofgerichtsassessor in Wittenberg und als Oberhofgerichtsassessor in Altenburg und Leipzig. An der im Jahre 1529 gedruckten Ordnung des Oberhofgerichts war Brück maßgeblich beteiligt. Insgesamt zählte Brück am kursächsischen Hof zu denjenigen, die eine strenge lutherische Position einnahmen. Vor allem im Jahr 1529 setzte er die Doktrin der Wittenberger Theologen in starkem Maße um, sich keinesfalls mit den in der Abendmahlslehre abweichenden oberländischen oder gar Schweizer Städten einzulassen. Hier nahm er eine kompromisslose Haltung ein. Wohl nicht ohne Grund vermutete ihn Philipp von Hessen hinter manch starrer Ansicht Kurfürst Johanns. So hielt Philipp es teilweise sogar für angebracht, über Brück zu versuchen, seine Vorstellungen bei Johann durchzusetzen.403
400 Bereits im Januar 1529 hatte Brück sein Amt als Kanzler an Christian Beyer übergeben und sich nach Wittenberg zurückgezogen. Vgl. Georg MENTZ, Beiträge zur Charakteristik des kursächsischen Kanzlers Dr. Gregor Brück. Stücke aus seinem Briefwechsel, in: Archiv für Urkundenforschung 6 (1916), S. 299–322, hier S. 299. 401 Vgl. FABIAN, Dr. Gregor Brück, Schriftwechselverzeichnis S. 18–57. Zeitweilig korrespondierten Brück und Johann Friedrich nahezu täglich. Dagegen tauschte er mit Johann lediglich 40 Briefe. 402 Eine Tochter aus erster Ehe war mit dem kursächsischen Kammersekretär und Rat Wolf Lauenstein verheiratet, eine zweite mit dem Kanzleischreiber Johann Meier. Brücks Sohn Christian war ab 1543 Hofrat und seit 1556 ernestinischer Kanzler in Gotha. Darüber hinaus bestanden enge Verbindungen zur Familie Cranach. Der Sohn Christian war mit einer Cranachtochter verheiratet, die Tochter Barbara war mit Lukas Cranach d. J. verheiratet. Vgl. FABIAN, Dr. Gregor Brück, S. 13. 403 Vgl. zur Türkenhilfe 1529 Abschnitt 6.5.
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Gregor Brück starb 1557 in Jena, nachdem er zeitlebens mit den drei Kurfürsten, denen er diente, in gutem Einvernehmen gestanden hatte. Nach dem Verlust der Kurwürde 1547 zog sich Brück endgültig von allen höfischen Verpflichtungen zurück, zuletzt lehrte er an der Universität Jena. Die Nachfolge Brücks als Kanzler trat Ende 1528/Anfang 1529 der Wittenberger Jurist Christian Beyer an. Der im fränkischen Kleinlangheim geborene Beyer wurde offenbar von Brück als Nachfolger aufgebaut. Beyer hatte sein Studium im Wintersemester 1500/01 an der Universität Erfurt begonnen und wechselte nach der Erlangung des Bakkalaureats an der Artistenfakultät an die Universität Wittenberg,404 wo er im Sommersemester 1511 zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. Wahrscheinlich kannten sich Brück und Beyer bereits aus dieser Studienzeit. Im Jahre 1512 erlangte Beyer, nachdem Christoph Scheurl in seine Heimatstadt Nürnberg zurückgekehrt war, dessen Lectura Digesti novi sowie dessen ebenfalls freigewordene Stelle als Beisitzer beim Oberhofgericht. Wie viele seiner Kollegen auch, war er regelmäßig außerhalb Wittenbergs als Rechtsbeistand tätig, so auch an verschiedenen fürstlichen Höfen.405 Neben seiner Professur engagierte er sich im städtischen Umfeld Wittenbergs. Im Februar 1513 trat er erstmals das Bürgermeisteramt an, das er bis 1526 noch vier Mal innehatte. In den Jahren dazwischen gehörte er dem regierenden Rat der Stadt an. Während der Wittenberger Bewegung 1521/22 nahm ursprünglich Gregor Brück die Vermittlerrolle zwischen dem Kurfürsten und den Wittenbergern ein. Nach seiner Ernennung zum Kanzler in Weimar und dem damit verbundenen Weggang aus Wittenberg übernahm Christian Beyer als kurfürstlicher Rat Ende Oktober 1521 die Verhandlungen zwischen Stadt, Universität und Stiftskapitel.406 Ende Januar 1522 wurde ihm Hugold von Einsiedel zur Seite gestellt.407 Bis Beyer Ende 1528 als Kanzler an den kursächsischen Hof gezogen wurde, versah er weiterhin seine Stelle an der Universität. Offenbar wurde er jedoch bereits seit Längerem auf seine Rolle als Kanzler vorbereitet, wahrscheinlich hielt
404 Beyer immatrikulierte sich im Sommer 1503 an der Universität Wittenberg. Vgl. FÖRSTEMANN, Album acameniae vitebergensis, Bd. 1, S. 8. 405 Vgl. Theodor MUTHER, Beyer, Christian, in: ADB, Bd. 2 (1875), S. 596f. 406 Vgl. dazu Nikolaus MÜLLER, Wittenberger Bewegung 1521 und 1522, Die Vorgänge in und um Wittenberg während Luthers Wartburgaufenthalt. Briefe, Akten und dgl. und Personalien. Leipzig 21911, Aktenstücke Nr. 5, 8, 10, 12. Die ersten Berichte an Friedrich über die Vorkommnisse in Wittenberg und dessen Instruktionen bezüglich dieser laufen Anfang Oktober 1521 über Brück. 407 Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, Aktenstück Nr. 75. In diesem Brief Beyers vom 25. Januar 1522 an von Einsiedel erscheint dessen Name das erste Mal.
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er sich auch schon vor 1528 regelmäßig am Hof auf und wurde von Brück eingearbeitet. So nahm er als kurfürstlicher Rat am Reichstag 1526 in Speyer teil und wurde im Verzeichnis des Hofgesindes bereits als neuer Kanzler bezeichnet.408 Ob der Übergang des Kanzleramtes von Brück auf Beyer aus gesundheitlichen Gründen erfolgte, wie Fabian meint,409 oder ob der erhöhte Arbeitsaufwand in der Kanzlei die Hinzuziehung eines zweiten Mannes notwendig machte, wie Kolde glaubt,410 lässt sich nicht klären. Nachdem Beyer auf dem Reichstag in Speyer 1529 zugegen war, als die Vorabsprachen für ein evangelisches Bündnis, auch unter Beteiligung der oberländischen Städte, getroffen worden waren, zog man ihn nun bald zu diplomatischen Missionen in dieser Frage heran. So begleitete er den Kurfürsten zum Tag von Schmalkalden im November 1529 und vertrat ihn auf dem Tag von Nürnberg im Januar 1530, wo eine Instruktion für evangelische Gesandtschaften an König Ferdinand und Kaiser Karl V. erarbeitet werden sollte.411 Seine größte politische Außenwirkung erzielte er auf dem Reichstag 1530 in Augsburg, als er dem Kaiser den deutschen Text des Augsburger Bekenntnisses vortrug.412 Auch wenn Beyer als Kanzler in zahlreiche Vorgänge insbesondere in der Bündnispolitik eingeweiht war, so erreichte er doch nie die Wirkmächtigkeit seines Vorgängers. Insgesamt vertrat Beyer in der Reformationspolitik den eher moderaten Flügel, der den Ausgleich suchte. So stammen alle Kompromissvorschläge, um doch ein Bündnis mit Ulm und Straßburg möglich zu machen, aus seiner Feder.413 Auch nach dem Tod Johanns blieb Christian Beyer als Kanzler unter Johann Friedrich im Amt, was darauf hindeutet, dass sich ihre politischen Ansichten weitgehend deckten.414 Wie auch bei Brück bestanden über Beyer enge Verbindungen zu den Wittenberger Reformatoren. Beyer hatte Melanchthon für den Fall seines frühzeitigen Ablebens als Vormund für seine Kinder bestellt. Dieser Fall trat am 408 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 90. 409 Vgl. FABIAN, Dr. Gregor Brück, S. 14. 410 Vgl. KOLDE, Der Kanzler Brück, S. 18. Die Vermutung, dass Beyer zunächst nur sporadisch als Kanzler am Hof tätig war und sozusagen sukzessive in seine neue Tätigkeit hineinrutschte, macht freilich die These Koldes wahrscheinlicher. 411 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 523–525 (Instruktion Johanns für Christian Beyer, ca. 27. Dezember 1529). Zu den Diskussionen, in die Beyer dort bezüglich des Widerstandsrechts gegenüber dem Kaiser geriet, vgl. Abschnitt 6.5. 412 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1603 (Johann an Luther). 413 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 363. 414 Nach Beyers Tod 1535 hatte man offenbar Schwierigkeiten, das Amt neu zu besetzen. Verständlicherweise hoffte Johann Friedrich, das Amt mit ähnlich kompetenten und diplomatisch versierten Leuten, wie Brück und Beyer es waren, zu versehen. Dies gelang jedoch nicht, sodass von nun an häufige Personalwechsel an der Tagesordnung waren. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 3, S. 138–143.
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21. Oktober 1535 ein, als Beyer verstarb und ihm ein gutes Jahr später seine Frau folgte. Noch 1544 stand Beyers Tochter Sibylle unter der Vormundschaft Melanchthons. Beyer selbst war Pate von Luthers ältestem Sohn Johannes. Mit Justus Jonas war er eng befreundet.415 All diese Kontakte lassen auch bei ihm auf eine reformationsfreundliche Haltung schließen. Neben diesen sehr wirkmächtigen Räten gab es natürlich noch zahlreiche weitere Räte. Im Jahr 1528 standen 22 Personen an der Spitze der landesherrlichen Verwaltung. Diese setzte sich aus der Hofregierung, die aus fünf Personen bestand, den wesentlichen Räten zu Torgau, mit neun Personen, und den wesentlichen Räten zu Weimar, mit acht Personen, zusammen. 416 Dauerhaft an der Hofregierung beteiligt waren bereits bekannte Herren wie Christian Beyer, Gregor Brück und Hans von Dolzig. Wohl im Wechsel wurden der Präzeptor von Lichtenberg Wolfgang Reißenbusch,417 Christoph von Taubenheim418 und Georg von Minkwitz hinzugezogen. 415 Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 251f. 416 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 126–129. 417 Reißenbusch war ab 1512 Professor an der Universität Wittenberg bis er 1515 Präzeptor des Antoniterordens in Mitteldeutschland und Vorsteher der Klöster Lichtenberg und Eicha wurde. Seine starke Stellung als Präzeptor erlaubte es ihm in der Reformationszeit direkt mit dem Kurfürsten und den Visitatoren zu verhandeln. Im Jahr 1525 ermöglichte Reißenbusch Johann den Verkauf des Klosters Eicha an Hans von Minkwitz. Es lässt sich nicht eindeutig klären, ob Reißenbusch im Gegenzug vom Kurfürsten zum Rat ernannt wurde. Offenbar gehörte er Ende der 1520er Jahre zu den Hofräten in Torgau. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 383. Nachdem er seinen Orden verlassen hatte, heiratete er und war bis 1535 als Rat in erster Linie mit Reformations- und Universitätsangelegenheiten befasst. Daneben verwaltete er das Kloster Lichtenberg, in dem sich noch bis 1540 Mönche befanden, bis 1537. Während dieser Tätigkeit ließ er zu, dass zahlreiche Kleinodien und Silberschätze des Klosters in den Besitz des Kurfürsten gelangten. Reißenbusch starb 1539 in Torgau. Vgl. dazu SCHIRMER, Zur Geschichte von Kloster Eicha und Umgebung, S. 25–48 sowie Johannes HERRMANN, Kloster Eicha in der Reformationszeit, in: Lutz HEYDICK/Uwe SCHIRMER (Hg.), Kloster Eicha. Wallfahrts-, Antoniter-, Reformations-, und Ortsgeschichte, Beucha 1997, S. 67–99. 418 Der hier gemeinte Christoph von Taubenheim darf nicht mit seinem in albertinischen Diensten stehenden Namensvetter und Amtmann von Freyburg an der Unstrut verwechselt werden. Taubenheim taucht erstmals im Mai 1524 auf, als er gemeinsam mit Hans von der Planitz im Auftrag Friedrichs des Weisen Verhandlungen bzgl. einer vom Hochmeister von Preußen an den landesflüchtigen Christian II. von Dänemark vergebenen Anleihe führte. Vgl. HÖSS, Georg Spalatin, S. 255, Anm. 131. Im Jahr 1528 sandte Kurfürst Johann Taubenheim im Zuge der Pack’schen Händel, wieder gemeinsam mit Hans von der Planitz, zu König Ferdinand nach Prag. Vgl. SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, S. 100. In einem Bedenken Johann Friedrichs aus dem April-Mai 1529 wird er als täglicher Hofrat genannt. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 127. Darüber hinaus begleitete Taubenheim den Kurfürsten zu allen Reichstagen. Taubenheims Bestallung
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2. PERSÖNLICHE VORAUSSETZUNGEN
zum wesentlichen Hofrat stammt von 1527. Erst zu dieser Zeit ist er in die Riege der bedeutenderen Räte aufgestiegen. Vgl. LATh-HStA Weimar, Copialbuch F 14, 2. Abteilung, fol. 215, 216. Unter Johann Friedrich diente er noch lange Zeit als Rat. Später hielt er sich jedoch nicht mehr ständig am Hof auf, da er spätestens ab 1538 Amtmann in Altenburg war. Vgl. SCHIRMER, Kursächsische Staatsfinanzen, S. 461. Taubenheim starb 1554.
3. DIE HALTUNG HERZOG JOHANNS ZUR FRÜHEN REFORMATION UND IHREN TRÄGERN JENSEITS DER WITTENBERGER LEHRE – LANDESHERRLICHES KIRCHENREGIMENT NACH 1517
Wie wir gesehen haben, war zu Beginn des 16. Jahrhunderts das landesherrliche Kirchenregiment in Kursachsen bereits weit fortgeschritten. Spätestens seit der Mutschierung 1513 trug Johann dafür die Verantwortung in dem ihm zugefallenen thüringischen Landesteil. Es deutet alles darauf hin, dass er bis zum Beginn der Reformation die zuvor gemeinsame kirchenpolitische Linie auch in Thüringen beibehielt, zumal alle wichtigen Entscheidungen nach wie vor auch durch die Hände des Kurfürsten gingen. Nach 1517 veränderte sich die Situation jedoch entscheidend. Anders als Kurfürst Friedrich bekannten sich Herzog Johann und sein Sohn Johann Friedrich bereits früh zur reformatorischen Lehre und unterhielten direkte Kontakte zu evangelischen Predigern. Sicherlich ist darin einer der Gründe zu sehen, dass sich im Laufe der Zeit der thüringische Landesteil zum Kristallisationspunkt für reformatorisches Gedankengut entwickelte, das von den Wittenberger Vorstellungen abwich bzw. darüber hinausging. Ein anderer Umstand, der Thüringen für die sogenannten „Schwarmgeister“ so interessant machte, war die Nähe und gleichzeitige Ferne zu Wittenberg. So war die kursächsische Universitätsstadt nah genug, um direkt die Impulse und Dynamik, die von Luther und seinen Schriften ausgingen, aufnehmen zu können, aber auch weit genug entfernt, um eigenständige Lehren zu entwickeln und diese unmittelbar zu verwirklichen. Dies stand oft im Gegensatz zu dem von Luther bis 1525 gepredigten Grundsatz, zum Schutz der noch Schwachen im Glauben keine überstürzten äußerlichen Veränderungen vorzunehmen, ehe nicht eine innere Festigung des evangelischen Glaubens erfolgt sei. So sah sich Johann bald damit konfrontiert, dass sich nahezu alle Auseinandersetzungen, die aus den Predigten und Reformen der Gottesdienstordnungen dieser Prediger resultierten, auf thüringischem Boden abspielten. 1 Eher interessiert denn beunruhigt von den 1
Die amerikanische Reformationsforschung führte für diese Vorgänge den Sammelbegriff „Radical Reformation“ ein, der stellenweise auch in der deutschsprachigen Forschung als „Radikale Reformation“ Eingang fand. In Anlehnung an die spirituellen Anklänge ihrer Lehren bezeichnete Luther selbst die Prediger als „Schwärmer“ oder „Schwarmgeister“, was durchaus als Herabsetzung gemeint war. Aus seiner Sicht handelte es sich dabei in erster Linie um Bilderstürmer, Aufrührer und falsche Propheten, welche die christliche Freiheit missbrauchen. Eine zweite Spielart der „radikalen Reformation“ stellt das
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3. HERZOG JOHANN UND DIE FRÜHE REFORMATION
heterogenen Lehrmeinungen, musste sich Johann jedoch des Umstandes gewahr werden, dass diese die Bevölkerung nicht selten in einer Art und Weise mobilisierten und polarisierten, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdete. Damit war jedoch eine Sphäre berührt, die in die Zuständigkeit des Landesherrn fiel, nämlich die Aufrechterhaltung eben dieser. In diesem Kapitel soll gezeigt werden, wie sich Johann zu diesen Predigern verhielt, welche Freiheiten er ihnen ließ und welche Zwänge er ihnen auferlegte, inwieweit er dabei selbstständig oder in Gemeinschaft bzw. Abhängigkeit des Kurfürsten entschied. Ebenso wird dieses Kapitel ein Schlaglicht darauf werfen, welche Rolle altgläubige Gemeinschaften, insbesondere die Franziskaner, in diesem Zusammenhang spielten. In der Reihenfolge der beschriebenen Prediger findet sich eine Abstufung hinsichtlich ihrer Radikalität und Ferne zu den Wittenberger Gelehrten, beginnend bei Thomas Müntzer, der sich bald von Luther lossagte, bis hin zu Nikolaus Hausmann und dem Weimarer Hofprediger Wolfgang Stein, die zum Freundeskreis Luthers zu rechnen sind. Die sehr ausführliche Auseinandersetzung mit Karlstadt soll nicht zuletzt auch der Verdeutlichung der Herangehensweise Friedrichs des Weisen während der Wittenberger Bewegung 1521/22 dienen, wo die öffentliche Ordnung, ähnlich wie es später in Thüringen in zahlreichen Orten geschah, in Gefahr war.
3.1. Thomas Müntzer THOMAS MÜNTZER
Als Prediger wird der im Dezember 1490 in Stolberg/Harz geborene Müntzer den kursächsischen Fürsten schon früh bekannt gewesen sein, so hielt er sich 1517/18 an der Wittenberger Universität2 auf und hatte daran anschließend Ostern 1519 eine Predigtvertretung in Jüterbog inne. Aus dieser Zeit rührt auch der, wohl am Hof bekannte, Kontakt zum späteren Lochauer Hofprediger Franz Günther,3 den er an der Nicolaikirche von Jüterbog vertrat. Günther, der schon vor dem Thesenanschlag Luthers zu dessen Vertrauten zählte, war 1519 mit der Äbtissin des Jüterboger Zisterzienserinnenklosters in Konflikt geraten, da diese sich durch seine Predigten beleidigt fühlte. Der Brandenburger Bischof, vor den die Sache schließlich kam, legte Günther nahe, sich zumindest zeitweilig der Predigt zu enthalten. So kam Müntzer um die Osterzeit 1519 nach Jüterbog, wo er, wie Günther zuvor auch, umgehend in Konflikt mit den Franziskanern geriet.
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Täufertum dar, deren Botschaften sich zumindest in Franken und Thüringen auf die Lehren Müntzers und Karlstadts zurückführen lassen. Zu Müntzers Aufenthalt in Wittenberg vgl. Ulrich BUBENHEIMER, Thomas Müntzers Wittenberger Studienzeit, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 99 (1989), S. 168–213. Zu Günther vgl. MÜLLER, Die Wittenberger Bewegung, S. 376–381.
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Sehr bald nach Ostern scheint Müntzer Jüterbog deshalb wieder verlassen zu haben.4 Auch Franz Günther blieb nicht mehr lange in der Stadt, im August 1520 wurde er auf Empfehlung Luthers Prediger an der kurfürstlichen Residenz in Lochau.5 Als erster evangelischer Prediger dort setzte er unter den Augen der Fürsten seinen eingeschlagenen Weg fort und heiratete 1522. Sein erstes Kind, das Georg Spalatin am 17. April 1523 taufte, hatte u.a. auch den Kurfürsten zum Paten.6 Müntzer hingegen zog sich zunächst zurück. Auf Empfehlung Luthers bemühte sich ab April 1520 der Zwickauer Stadtrat um Müntzer als Vertretung für den sich auf Reisen befindenden Egranus. Dass Müntzer nicht nur in Kontakt zu Luther, sondern auch zu Franz Günther stand, zeigt der Umstand, dass, als später in Zwickau zwischen Egranus und Müntzer Streitigkeiten aufkamen, dieser Ende 1520 versuchte, den inzwischen in Lochau wirkenden Günther für die Nachfolge von Egranus zu gewinnen.7 Egranus bat schließlich am 15. Dezember 1520 den Zwickauer Rat um Urlaub, sodass dieser erwog, über Müntzer Kontakt zu Günther herzustellen.8 Müntzer selbst übernahm im Mai 1520 zunächst die Vertretung von Egranus an der Zwickauer Marienkirche.9 Doch auch hier kam es schnell zu Auseinandersetzungen mit den Franziskanern.10 Keine vier Wochen nach der ersten Predigt Müntzers in Zwickau lag dem Rat ein durch die Franziskaner veranlasstes Schreiben der bischöflichen Kanzlei aus Zeitz vor, in dem gefordert wurde, dass Müntzer sich für seine Lehren zu rechtfertigen habe. Der Rat stellte sich hinter Müntzer und schrieb im Juli 1520 an Herzog Johann, dass dieser sich dafür einsetzen solle, dass die Prediger des göttlichen Worts nicht belästigt würden.11 Herzog Johann war mit den Verhältnissen in Zwickau gut vertraut, hatte er doch ab November 1517 für mehr als ein Jahr mit seiner Familie auf dem 4
Vgl. Manfred BENSING/Winfried TRILLITZSCH, Bernhard Dappens „Articuli...contra Lutheranos“. Zur Auseinandersetzung der Jüterboger Franziskaner mit Thomas Müntzer und Franz Günther 1519, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 2 (1967), S. 113–147, hier S. 113–117. 5 Vgl. Günther FRANZ/Paul KIRN (Hg.), Thomas Müntzer, Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe, Gütersloh 1968, S. 352, Anm. 1. 6 Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 458. 7 Vgl. FRANZ/KIRN (Hg.), Thomas Müntzer, Schriften und Briefe, S. 378, Anm. 1. 8 Vgl. BENSIN/TRILLITZSCH, Bernhard Dappens Articuli, S. 129. 9 Diese Vertretung sollte zunächst bis zum 29. September 1520 dauern. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 56, Anm. 2. 10 Bereits Mitte Juli 1520 berichtete Müntzer auf Anregung des Zwickauer Rats Luther von seinem Streit mit den Franziskanern und bat diesen um Rat, wie er vorgehen soll. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 44–55. 11 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 49. Müntzer berichtet über dieses Vorgehen des Rats in einem Schreiben an Luther vom 13. Juli 1520.
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Zwickauer Schloss residiert. 12 Diese lange Residenznahme könnte in Zusammenhang mit den Unruhen in der Stadt stehen, die durch die Weigerung der Stadtbevölkerung, dem neuen Stadtrat zu huldigen, im Herbst 1516 entstanden waren.13 In den Auseinandersetzungen zwischen Müntzer und den Franziskanern entschied sich Johann zu einer schnellen Vorgehensweise und berief eine Schlichtungsverhandlung ein. Dazu luden der kurfürstliche Rat und Zwickauer Amtmann Wolf von Weißenbach und sein Kollege Konrad Metzsch Thomas Müntzer, den Pfarrverweser Wolfgang Zeyner sowie die Franziskaner vor.14 Über den Ausgang der Verhandlung, nämlich die Anweisung Weißenbachs, dass der Rat darauf zu achten habe, dass die beiden Prediger ihre Angriffe gegen die Franziskaner einstellen und Müntzer nicht mehr uneingeschränkt unterstützt werden sollte, da er aus diesem Rückhalt ein zu großes Selbstbewusstsein ziehe, erstattete Weißenbach Johann Bericht.15 Rasch erlangte auch der kurfürstliche 12 Vgl. Regine METZLER (Hg.), Stephan Roth 1492–1546, Stadtschreiber in Zwickau und Bildungsbürger der Reformationszeit, Leipzig 2008, S. 68 sowie HERZOG, Chronik der Kreisstadt Zwickau, Zweiter Teil, S. 184–186. Der Aufenthalt der fürstlichen Familie in Zwickau bescherte der Stadt einige größere Festlichkeiten, wie beispielsweise zur Fastnacht 1518, als Johann zu einem großen Turnier zahlreiche andere Fürsten nach Zwickau einlud. Auch die Taufe der am 25. April 1518 in Zwickau geborenen Prinzessin Margarethe führte zahlreiche Adlige und Fürsten in die Stadt. 13 In Zusammenhang mit der Änderung der Brauordnung, aber auch aufgrund zahlreicher sozialer Verwerfungen innerhalb der städtischen Gemeinde, weigerten sich die Bürger Zwickaus im September 1516 ihrer Pflicht nachzukommen und dem jährlich wechselnden Rat den Gehorsamseid zu schwören. Dieser Vorgang kam Aufruhr sehr nahe und bezog sich nicht nur auf den Stadtrat selbst, sondern auch auf den Landesherrn, der zuvor die Ratsliste bestätigt hatte. Johann griff unverzüglich ein und forderte Handwerker und Gemeinde auf, den Eid zu leisten, was etwa Mitte Oktober 1516 auch geschah. Die Schreiben, die der Rat und Johann in der Folgezeit wechselten, zeigen jedoch, dass sich auch im Sommer 1517 die Lage noch nicht völlig beruhigt hatte. So halte ich es für wahrscheinlich, dass sich Johann deshalb entschied, im November 1517 Residenz in Zwickau zu nehmen, um durch seine persönliche Anwesenheit für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Immerhin war Zwickau zu dieser Zeit die bedeutendste ernestinische Stadt. Ausführlich dazu Helmut BRÄUER, Wider den Rat. Der Zwickauer Konflikt 1516/17, Leipzig 1999. 14 Dass Johann die Regelung der Angelegenheit wichtig war, zeigt der Umstand, dass er Wolf von Weißenbach damit betraute. Zwar war Weißenbach seit 1514 Amtmann von Zwickau und damit qua Amt zuständig, allerdings überließ er das Gros der Entscheidungen dem Schosser Wolfgang Beham (Böhm). Aufgrund seiner Inanspruchnahme als kurfürstlicher Rat in Weimar griff Weißenbach in die Geschäfte des Amtes Zwickau nur noch in besonderen Fällen ein. Vgl. BRÄUER, Wider den Rat, S. 33. 15 „Ich hab auch nach abzciehen hern Conrats den schosser zcum rath geschickt, inen lassen ansagen, das sy bei dem pfarvorweser, auch bei gemeltem prediger so vil fürwendung thun wollten, das er sich vordrießlicher und schmelicher wort kegen gedachten brudern auff der cantzel und auch sonst woll enthalten.“ LATh-HStA Weimar, Reg. Kk, Nr. 1564, 2rv, zitiert nach Ferdinand DOELLE, Reformationsgeschicht-
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Hof in Torgau Kenntnis von den Vorgängen in Zwickau, als unzufriedene Anhänger Müntzers über Georg Spalatin versuchten, die Schlichtung, die ihrer Meinung nach die Mönche begünstigte, rückgängig zu machen.16 Ruhe zog mit dem auf Johanns Befehl hin ausgehandelten Stillhalteabkommen jedoch nicht in Zwickau ein. Im Oktober 1520 kehrte Egranus auf seine Stelle an der Marienkirche zurück, während der Zwickauer Rat Müntzer die Predigerstelle in der Katharinenkirche antrug.17 Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich zwischen beiden eine erbitterte Gegnerschaft hinsichtlich ihrer theologischen Positionen, sodass der Rat sie immer wieder in ihre Schranken weisen musste. 18 Außerdem griff Müntzer von der Kanzel aus nicht reformatorisch gesinnte Prediger an, wie beispielsweise am 26. Dezember 1520. An diesem Tag brachte Müntzer die Gottesdienstbesucher so sehr gegen den gerade anwesenden Marienthaler Pfarrer Nikolaus Hofer auf, dass diese ihm gegenüber tätlich wurden.19 Daraufhin wurde Müntzer vom Offizial des Naumburger Bischofs nach Zeitz vorgeladen, was er damit beantwortete, dass der Offizial doch nach Zwickau kommen könne, um dort zu predigen. 20 Statt Müntzers reiste Mitte Januar 1521 eine Delegation des Zwickauer Rats nach Zeitz, um die Angelegenheit zugunsten ihres Predigers zu regeln, was ihr offenbar auch gelang. Von diesem vehementen Eintreten des Rats für Müntzer berichteten später der bischöfliche Statthalter und die bischöflichen Räte schriftlich an Friedrich und Johann.21 Zwischenzeitlich hatte Egranus Mitte Dezember 1520 den Zwickauer Rat um seine Entlassung gebeten, zu der es dann, trotz intensiver Bemühungen der Zwickauer, einen Nachfolger für ihn zu finden, jedoch erst im Frühjahr 1521 kam. Bis dahin spitzten sich die Auseinandersetzungen in Zwickau zu und es kam
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liches aus Kursachsen. Die Vertreibung der Franziskaner aus Altenburg und Zwickau, Münster 1933, S. 222f. (Bericht vom 25. August 1520). Der Zwickauer Arzt und Bürgermeister Erasmus Stuler schrieb an Spalatin am 3. September 1520 in diesem Sinne. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 69f. sowie Walter ELLIGER, Thomas Müntzer – Leben und Werk, Göttingen 21975, S. 102. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 71. Vgl. Otto CLEMEN, Johannes Sylvius Egranus, in: Mittheilungen des Altertumvereins Zwickau 6 (1899), S. 1–39, hier S. 25. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 73, Anm. 8. Im Vorfeld scheint es bereits zu Beschimpfungen Hofers gegen die Zwickauer Prediger gekommen zu sein, sodass der Rat sich auf Müntzers Seite stellte und Hofer schließlich seiner Stelle in Marienthal entsetzte. Vgl. ebd., Anm. 4. ThMA, Bd. 2, S. 69, Anm. 8. Der Brief stammt vom 4. August 1521. Darin wurde Friedrich dem Weisen über die wohlwollende Haltung des Zwickauer Rats gegenüber Müntzer berichtet. Ein gleichlautendes Schreiben ging am 5. August 1521 an Johann. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 99f.
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nun auch außerhalb der Kirchen zum Ausbruch in der sogenannten Streitgedichtsauseinandersetzung.22 Nun sahen sich Stadtrat und Amtmann zum Handeln gezwungen. Egranus verließ die Stadt auf eigenen Wunsch hin, Müntzer wurde am 16. April 1521 ordnungsgemäß entlassen. In Anbetracht der Tatsache, dass in die Entscheidung auch der kurfürstliche Amtmann Wolf von Weißenbach involviert war, ist davon auszugehen, dass auch Johann davon Kenntnis hatte.23 Müntzer ging zunächst nach Prag, wo er ebenfalls nach einiger Zeit ausgewiesen wurde, ehe er nach Kursachsen zurückkehrte. Weshalb er sich im November/Dezember 1522 in Weimar aufhielt, ist ungewiss, dagegen gilt es inzwischen als sicher, dass Müntzer an der öffentlichen Weimarer Franziskanerdisputation, die auf Anregung Johanns zwischen seinem Hofprediger Wolfgang Stein und Bettelmönchen zum Opfercharakter der Messe stattfand, teilgenommen hat.24 In diesem Zusammenhang fertigte Spalatin Aufzeichnungen über Müntzers kritische Äußerungen zu den Wittenberger Reformatoren an, die er gegenüber Wolfgang Stein geäußert haben soll.25 Nach einer kurzen Zwischenstation als Kaplan an der Georgenkirche in Halle, erhielt Müntzer schließlich um die Osterzeit 1523, ohne Wissen oder Einwilligung der Fürsten, eine Anstellung in Allstedt. Die Stadt bot Müntzer ideale Entfaltungsmöglichkeiten. Noch weitestgehend unberührt von der lutherischen Lehre, ohne nennenswerte Verfechter des katholischen Glaubens, wie beispielsweise Klöster oder Stifte, hatte Müntzer zunächst völlig freie Hand. So begann er umgehend nach seiner Ankunft in Allstedt mit der Gottesdienstreform, die, neben der Predigt des rechten Glaubens, in erster Linie das Halten der Gottesdienste in deutscher Sprache beinhaltete. Der 22 „Sontags nach Misericordias, den 14. aprilis, hat man 5 schmehe brieff angeschlagen gefunden vber Mgrm Johannem Egranum, schendlichen vnd lesterliches lauts, vnd man hat Ihn ein ketzer gescholten, solches schimpfens vnd schmehens war muntzer alles eine vrsache.“ Peter Schumanns Annalen, Handschrift LIX der Zwickauer Ratschulbibliothek zitiert nach CLEMEN, Johannes Sylvius Egranus, S. 26, Anm. 66. 23 „Dinstag nach Misericordias domini hat herre wolff von Weißbach ritter, neben einem Erbarn radt alhier, handlung gehabt mit thomas muntzen, der schmehebrieffe halben vber Mgr. Egranum, do ist dem thomas muntzer vrlob gegebenen worden, vnd er hat den 16. aprilis grosen lerm angericht, hat sehr viel tuchknappen an sich gehengt, die warn im eckhause in der Burggassen beisammen vnd hatten sollen eine bose Meuterei anrichten, wu nit e.e. radt solches vorkommen hatte.“ Ebd. 24 Bereits Hermann BARGE, Jakob Strauß. Ein Kämpfer für das Evangelium in Tirol, Thüringen und Süddeutschland, Leipzig 1937, S. 36 gibt an, dass auch Thomas Müntzer an der Weimarer Disputation teilnahm. Dies bestreitet Joachim ROGGE, Der Beitrag des Predigers Jakob Strauss zur frühen Reformationsgeschichte, Berlin 1957, S. 34. Vgl. dazu auch ThMA, Bd. 3, S. 113f. 25 ThMA, Bd. 3, S. 113f. „Über die Wittenberger urteilt und spricht er schlecht und bezeichnet Dr. Martin Luther, Dr. Karlstadt, Philipp Melanchthon und sogar Dr. Lang als Narren.“
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Sinn seiner liturgischen Reformen war es nicht, alles Überkommene als unbrauchbar abzutun, sondern jede Form heidnischer Zeremonielle radikal auszumerzen. Diese so weitgehende Umgestaltung des Gottesdienstes, die es zu dieser Zeit in keiner anderen kursächsischen Stadt gab, hatte schnell eine hohe Strahlkraft in die Umgebung und verschaffte der Stadt großen Zulauf aus albertinischen und mansfeldischen Gebieten. Dem versuchte Graf Ernst von Mansfeld entgegenzuwirken, indem er seinen Untertanen, unter Bezugnahme auf das Mandat des Reichsregiments vom 6. März 1523, die Teilnahme an den Allstedter Gottesdiensten verbot. 26 Dies führte zum offenen Konflikt, wovon zunächst Friedrich Kenntnis erhielt, als sich Graf Ernst am 24. September 1523, über Müntzer Beschwerde führend, direkt an ihn wandte.27 Die Antwort Friedrichs auf die Forderung des Grafen, Müntzer angemessen für sein Verhalten zu bestrafen, fiel in der typischen Art und Weise des Kurfürsten aus, wie er mit diesen Dingen umzugehen pflegte. Er antwortete Ernst von Mansfeld am 28. September, dass er weder Kenntnis von dem in seinem Verhalten beanstandeten Pfarrer noch von den Ereignissen selbst habe. Deshalb müsse er zunächst Erkundigungen einziehen.28 Parallel zu diesem Schreiben forderte er am gleichen Tag einen Bericht von Schosser und Rat zu Allstedt über die Vorkommnisse.29 Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Brief über den üblichen Postweg zwischen den Residenzen Lochau und Weimar nach Allstedt befördert wurde und man damit auch in Weimar Kenntnis über die Vorgänge und Maßnahmen erhielt.30 In einer schriftlichen Antwort an Kurfürst Friedrich rechtfertigte sich Müntzer schließlich am 4. Oktober 1523 für sein Verhalten, erklärte sich jedoch auch bereit, sich und seine Lehre vor den bischöflichen Ordinarien und dem Kurfürsten zu verantworten.31 Dies teilte Friedrich am 11. Oktober dem Grafen von Mansfeld mit und erklärte darüber hinaus, dass Müntzer dem Rat und Schosser von Allstedt gelobt habe, sich in Zukunft auf dem Predigtstuhl solcher Worte, die zur Ehre Gottes und der christlichen Unterweisung des Volkes nicht dienlich seien, zu enthalten.32 Sicher war die Angelegenheit auch bei einem Treffen in Jüterbog um den 18. Oktober 1523 ein Thema. Hier hielten sich Friedrich, Johann und Johann Friedrich auf, wahrscheinlich, um über das Schicksal Christians II. von Dänemark 26 Vgl. Siegfried BRÄUER, Die Vorgeschichte von Luthers „Ein Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist“, in: Lutherjahrbuch 47 (1980), S. 40–70, hier S. 45. 27 NUB, S. 230f., Nr. 5. 28 Ebd., S. 232, Nr. 7. 29 ThMA, Bd. 3, S. 128f. Ebenso NUB, S. 231f., Nr. 6. 30 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 199, Anm. 1. 31 Ebd., S. 199–206. 32 NUB, S. 234, Nr. 9.
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zu verhandeln.33 Sollte Johann bis dahin noch keine Kenntnis von dem Fall gehabt haben, erlangte er sie spätestens bei dieser Zusammenkunft. Kurze Zeit später, vom 4. bis 14. November 1523, weilte Kurfürst Friedrich dann mit seinem Gefolge auf der Reise zum Nürnberger Reichstag auf dem Schloss in Allstedt. Bei dieser Gelegenheit fanden dort Gespräche mit den beiden Predigern der Stadt, also Thomas Müntzer und Simon Haferitz statt, was den Schluss nahelegt, dass Graf Ernst von Mansfeld mit der Antwort Friedrichs wohl nicht zufrieden war. Der Ablauf der Gespräche in Allstedt ist schwer zu fassen,34 da lediglich die Eintragungen in die Rechnungsbücher einen Anhaltspunkt über die Teilnehmer geben.35 Hatte bereits diese Auseinandersetzung mit dem Grafen von Mansfeld in erster Linie für Friedrich etwas sehr Unangenehmes, dem er sich durch Lavieren und Hinhalten zu entziehen versuchte, so verkomplizierte sich die Lage mit der Zerstörung der Kapelle Mallerbach am 24. März 1524 noch weiter, denn sie löste einen ernsten Konflikt zwischen den Repräsentanten von Amt und Stadt Allstedt sowie den ernestinischen Landesherren aus. Doch gerade dieser Umstand macht es so interessant, sich näher mit dieser Auseinandersetzung zu beschäftigen, da sie zum einen auf sehr beispielhafte Weise zeigt, in welcher Form sich Friedrich und Johann jeweils in die Angelegenheit einbrachten, und zum anderen, wie sie sich zu dem offen von lutherischen Auffassungen abweichenden Prediger Thomas Müntzer verhielten. Nach einer Predigt Müntzers, in welcher er die Kapelle, in der ein wundertätiges Marienbild verehrt wurde, als Ort der Abgötterei und Spelunke bezeichnet hatte, zogen einige seiner inzwischen sehr zahlreichen Anhänger vor die Tore der Stadt und steckten besagte Kapelle in Brand. Die Nonnen des Klosters Naundorf, dem die Kapelle zugehörig war, beschwerten sich umgehend beim Kurfürsten darüber. Daraufhin erkundigte sich Friedrich bei Schosser, Schultheiß und Rat von Allstedt über die Vorkommnisse. Die Antwort, welche der Kurfürst am 11. April 1524 darauf erhielt, stellte ihn offenbar keineswegs zufrieden.36 Er 33 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 207. 34 Vgl. ebd., S. 208, Anm. 1. Leider keine näheren Angaben zu den Umständen, Friedrichs Beteiligung etc. Bei LUDOLPHY, Friedrich der Weise, findet sich gar nichts dazu. Es ist kaum anzunehmen, dass Friedrich direkte Verhandlungen mit Müntzer geführt hat. Da Vertreter der Grafen von Mansfeld anwesend waren, lässt sich vermuten, dass es um die Beilegung des Streits mit Ernst von Mansfeld ging. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 132. 35 Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 132. Teilnehmer des Gesprächs auf dem Allstedter Schloss waren Thomas Müntzer, Simon Haferitz und Johann Lang aus Erfurt, der mit zwei anderen für zwei Tage anreiste. 36 ThMA, Bd. 2, S. 512–515. In einer sehr ausführlichen Rechtfertigungsschrift gegen die Vorwürfe der Äbtissin kommen die Allstedter zu dem Schluss, dass sie sich trotz größter Schmähungen immer korrekt verhalten hätten und vermuten, dass der Brand in der so-
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legte die Aufklärung des Vorfalls in die Hände Herzog Johanns, in dessen Zuständigkeitsbereich Allstedt fiel. 37 Daraufhin erfolgte eine Vorladung des Allstedter Schultheißen, Rats und Schossers für den 9. Mai 1524 nach Weimar, wo sie in Abwesenheit Herzog Johanns von dessen Sohn Johann Friedrich und einigen Räten verhört wurden.38 Sie wurden mit dem Befehl entlassen, die Schuldigen an der Zerstörung der Kapelle innerhalb von 14 Tagen ausfindig zu machen und zu bestrafen.39 In einem Brief, der kurz vor Ablauf der gesetzten Frist an Herzog Johann gerichtet wurde, erklärten nun die Allstedter, dass es ihnen trotz sofortiger und gründlicher Nachforschungen unmöglich war, die Schuldigen ausfindig zu machen und auch die wenigen Zeugenaussagen nicht dazu geeignet waren, die Täter zu ergreifen. Deshalb baten sie den Herzog um eine Fristverlängerung von 14 Tagen bis drei Wochen, um zu vermeiden, dass sie versehentlich einen Unschuldigen festnehmen, was in der Gemeinde zu Aufruhr und Empörung führen würde, was sicher nicht im Sinne Johanns wäre.40 Sicherlich hat man mit dieser Forderung nach Aufschub die Laune des Herzogs nicht gerade gehoben, denn er war bereits sehr verärgert, nachdem der Rat von Allstedt ihm, offenbar auch zur eigenen Entlastung vom Vorwurf, im Fall Mallerbach bisher untätig gewesen zu sein, Antwortschreiben auf die an verschiedene Personen gerichtete Anfrage, ob es in letzter Zeit zu Vorkommnissen in der Marienkapelle von Mallerbach gekommen wäre, zukommen lassen hatte.41 Dazu gehörte auch das Schreiben Hans Schwabs, des Vogts von Schmon und Karsdorf, der dem Rat
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wieso wüsten Kapelle von Klosterangehörigen selbst gelegt wurde. Deshalb bitten sie den Kurfürsten, „vns bey der warheit durch den willen Gotts schuttzen vnd vorteydingen, vnser vnterricht annehmen vnd den weibischen clagen, die ane grundt gescheen, nicht stadt geben“. S. 515. Wir haben keinen Beleg, in welcher Form Friedrich die weitere Regelung der Angelegenheit durch Johann veranlasste. In den überlieferten Dokumenten gibt es zwischen dem 11. April und 24. Mai 1524 eine zeitliche Lücke. In seinem Schreiben vom 22. Juni 1524 erwähnt Johann jedoch, dass Friedrich die Einbestellung der Naundorfer Nonnen und der Allstedter nach Weimar angeordnet hatte: „Nachdem euer lieb vor gut angesehen, das wir die vonn Alstedt vnnd das closter Neudorff aher gegen Weimar bescheiden soltenn, so ist solchs dermassen bescheen […].“ ThMA, Bd. 2, S. 524. Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1139. Rechnung des Amtes Allstedt. „25 gr zu Weymar auf furbescheide mit zweien pferden vier nacht verzert […] in Thomus Munczers sach, die wochen Exaudi [8.–14. Mai].“ Diese Auflagen gehen aus dem Schreiben der Allstedter vom 24. Mai 1524 hervor. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 516. Ebd., S. 516f. (24. Mai 1524). Die Anfragen selbst sind nicht überliefert. Es haben sich aber die Antworten von Joachim von Lichtenhayn auf Vitzenburg, Hans Schwab, Vogt von Schmon und Karsdorf sowie Hans Schramm, Bürger von Querfurt, in Form von Abschriften für Herzog Johann erhalten. Sie sind auf den 7. bzw. 8. April 1524 datiert. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 509–512. Alle drei berichten, dass es in letzter Zeit offenbar zu Diebstählen von Messbüchern, Glöckchen und Weihrauch in Mallerbach gekommen war. Meist waren die Täter bekannt.
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bestätigte, dass ein gewisser Urban Brambach, den man des Diebstahls eines Stillmessglöckchens aus der Kapelle bezichtige, für einige Zeit bei ihm inhaftiert gewesen sei, er ihn dann aber wieder freigelassen habe, da sich niemand für ihn interessiert habe. Der Schosser Hans Zeiss sei über die Festnahme informiert gewesen.42 Den Ärger des Herzogs über dessen Untätigkeit versuchte Zeiss nun wiederum mit einer ausführlichen Rechtfertigung zu mildern. Am 29. Mai 1524 erklärte er, er gebe „e f g darauff vnterdenig zu erkennen, das ich nit gewost habe, dass der vogt zu Schmon, Hans Schwabe, eynen, den er nent Vrban Brambach, vmb der clausen Mallerbach willen insitzen gehabt, anders dan zu der Zeit, do die von Alstedt an voyt geschriben vnnd die schrifft, die derselb voit gethan, ist auß hasß gescheen […]“.43 Außerdem erinnerte er an seine jahrelange gute Amtsführung und wies darauf hin, dass sein Posten ihm auch Neider und Gegner schaffe, was seine Arbeit nicht ungefährlich mache. Das nicht mehr erhaltene, aber offenbar recht unfreundlich gehaltene Schreiben Johanns scheint auch klargemacht zu haben, dass man von fürstlicher Seite nach wie vor die Bestrafung der Verantwortlichen für den Kapellenbrand von Mallerbach erwartete. So sah sich Hans Zeiss gezwungen, ohne die Unterstützung von Rat und Schultheiss am 11. Juni 1524 das Ratsmitglied Ciliax Knaut zu verhaften. Damit war die alte Eintracht zwischen Ratsvertretern und dem Beamten der Fürsten endgültig zerstört. In Erwartung, dass Zeiss noch weitere Verhaftungen plante, die Täter waren inzwischen bekannt, sandten Rat und Gemeinde von Allstedt an Herzog Johann ein Schreiben, als dessen Verfasser wohl Thomas Müntzer gelten kann.44 Dieser Brief kann als eine Art Kampfansage im Mallerbachkkonflikt angesehen werden; man verweigerte offen die Bestrafung der Täter und argumentierte, dass man schon viel zu lange aus Unwissenheit dem gottlosen Treiben des Klosters gedient habe. Sie forderten den Herzog als christlichen Fürsten auf, die Gottlosen nicht zu verteidigen. Mit seiner Forderung nach Bestrafung stelle er Menschenfurcht vor Gottesfurcht.45 Dieses Schreiben, wie auch das, welches der Allstedter Rat Zeiss gegenüber am 13. Juni 1524 ankündigte, dem Fürsten senden zu wollen, um ihm mitzuteilen, dass sie willens seien, gegen unrechte Gewalt Widerstand zu leisten, konnte nur den Räten in Weimar überreicht werden.46 Johann und Johann Friedrich befanden sich zu dieser Zeit in Lochau, 42 „Es hat auch ewr schosser und andere wol gewust, das ich denselbigen gefenglich vber achtage enthalten habe vnd nymands weiters begerdt, hirmit den loßgegeben, furder in seiner bericht nymandes wissen zu betzichtigen.“ Ebd., S. 512. 43 Ebd., S. 518. Hierbei spielt Zeiss sicherlich auf den Umstand an, dass Hans Schwab in den Diensten Herzog Georgs steht und damit schon per se ein Gegner des Evangeliums ist. 44 Zur Urheberschaft des Schreibens vgl. Ebd., S. 252f., Anm. 2. 45 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 252–256. 46 Vgl. ebd. Das Schreiben an den Landesherrn ist nicht überliefert und findet in den späteren Schilderungen der Ereignisse, die Johann gegenüber Friedrich tätigt, keine Erwähnung.
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wo sie am 7. Juni 1524 eingetroffen waren, um sich gemeinsam mit dem Kurfürsten auf die Jagd im nahegelegenen Schweinitz zu begeben.47 Auch hier kämpft der Historiker mit dem Problem, keine Möglichkeiten zu haben, die bei dieser Gelegenheit getroffenen mündlichen Absprachen zu rekonstruieren. Zu welchem Vorgehen auch immer die Fürsten sich entschlossen haben mögen, sie taten dies ohne das Wissen um die Ereignisse in der Nacht vom 14. auf den 15. Juni. Dort war die Gemeinde, noch bevor es zu Verhandlungen zwischen dem Amtmann und den Allstedtern wegen der bevorstehenden Verhaftungen gekommen war, nach Sturmgeläut für eine ganze Nacht unter Waffen getreten. Gegenseitiges Misstrauen machte sich breit, das beide Seiten zum Anlass nahmen, sich gegen gewaltsame Übergriffe abzusichern. Dabei sah sich Hans Zeiss aber mit den zur Verstärkung gerufenen Bewohnern der umliegenden Dörfer auf dem Schloss deutlich im Nachteil, zumal ihm die Gemeinde mitgeteilt hatte, dass nicht nur sie selbst sich in bewaffneter Bereitschaft befände, sondern auch zahlreiche Berggesellen, die extra in die Stadt gekommen seien. Diese seien aus Sorge da, dass dem Magister, also Thomas Müntzer, um des Evangeliums willen nichts geschehe.48 Noch am 15. Juni begab sich Zeiss nach Weimar, um darüber Bericht zu erstatten.49 Mit Herzog Johann selbst konnte Zeiss jedoch erst am 19. Juni, nach dessen Rückkehr aus Lochau, sprechen.50 Dabei bat er Johann auch um die Erlaubnis, angesichts der gefährlichen Situation, dem schlecht gesicherten Schlossgefängnis und seiner bevorstehenden Abreise zur Rechnungslegung, den gefangenen Ratsmann Knaut zunächst wieder freilassen zu dürfen. Unter der Bedingung, dass er Knaut eidlich verpflichtet, Allstedt nicht zu verlassen, stimmte Johann dessen Entlassung aus dem Gefängnis zu.51
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Gleiches gilt für das im Namen des Rats von Müntzer aufgesetzte Schreiben. Zeiss erwähnt in seinem Bericht an Friedrich, dass auch ihm eine Kopie geschickt worden sei. Vgl. ebd. Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 373, Anm. 474 sowie AGBM, Bd. 2, Nr. 1139. Aus der Amtsrechnung von Allstedt. „4. post Bonifacii [8. Juni] – 10 gr. fur ½ botenlon mit dem ratt an u.g.h. des predigers halben geschriben gein der Lochaw und Koldicz.“ Karl Eduard FÖRSTEMANN, Zur Geschichte des Bauernkriegs in Thüringischen und Mansfeldischen, in: Neue Mittheilungen aus dem Gebiet der historisch-antiquarischer Forschungen 12 (1869), S. 150–244, hier S. 160f. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 523. Die lange Wartezeit des Schossers in Weimar kann zum einen als Beleg gewertet werden, wie ernst Zeiss die Lage einschätzte, sodass er sie dem Landesherrn unbedingt persönlich vortragen wollte, zum anderen aber auch dahingehend, dass er angesichts der vorherigen Ereignisse und seiner eigenen Ohnmacht kein allzu großes Interesse hatte, schnell und ohne Weisung des Fürsten nach Allstedt zurückzukehren. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 529. Ebenso Carl HINRICHS, Luther und Müntzer, Ihre Auseinandersetzung über Obrigkeit und Widerstandsrecht, Berlin 1952, S. 27.
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Nachdem sich die Lage nun derartig zugespitzt hatte, war klar, dass die Fürsten die Allstedter Angelegenheit nicht weiter unbeachtet lassen konnten. Da Johann gemeinsam mit Johann Friedrich im Begriff war, zu einem Fürstentreffen nach Halberstadt aufzubrechen,52 unterrichtete er Friedrich am 22. Juni über die inzwischen eingetretenen Vorfälle. Allerdings versuchte er, der religiösen Dimension der Ereignisse von Allstedt keinen Raum zu geben. So teilte er Friedrich mit, dass er in den Verhandlungen mit den Allstedtern den Eindruck gewonnen habe, dass es sich bei deren Vorgehensweise um ein abgekartetes Spiel zwischen Rat und Amtmann handele, um sich der Bestrafung für den Kapellenbrand zu entziehen, und machte deutlich, dass man solchen Ungehorsam nicht auf sich beruhen lassen könne. „[…] so wäre doch beschwerlich, das inen das stormschlahenn, so sie geubt, zusampt der vorigenn handlung an der kirchen zu Mallerbach begangen, vor gut vnnd vngestrafft hinausgehen solt.“ 53 Deshalb bat er Friedrich um dessen Meinung zur weiteren Vorgehensweise und schlug vor, dass der Schosser, der sich in seinen Augen sehr verdächtig gemacht hatte, auch ihm gegenüber Rechenschaft ablegen sollte.54 Dies bot sich an, da Zeiss sich sowieso gerade auf dem Weg nach Lochau zur turnusmäßigen Rechnungslegung befand. Als dieser dort eintraf, befand sich der Kurfürst jedoch gerade auf der Jagd.55 Deshalb besprach Zeiss sich persönlich mit Georg Spalatin und hinließ dem Kurfürsten einen detaillierten schriftlichen Bericht, in dem er die Ereignisse der letzten Wochen darlegte und schließlich seine Ausführungen mit der Warnung schloss, dass das Volk sehr aufgebracht über das Kloster Naundorf und deren Anschuldigungen sei. Den Kurfürsten bat er, das Kloster mit einem Propst zu versehen, der für Ruhe sorgen sollte. Außerdem müsse dringend Thomas Müntzer verhört werden, auf dass seine Lehre auf ihre Richtigkeit hin überprüft werden könne. Sollte dies alles unterbleiben, drohe ein solcher Aufruhr, dass es nicht leicht sein würde, den Frieden wieder herzustellen.56 Diese Forderung hatte er auch Spalatin gegenüber nachdrücklich zum Ausdruck gebracht.57 52 Bei ihrem Treffen in Lochau hatten sich Friedrich und Johann dahingehend besprochen, im Malstatt Konflikt zwischen den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg und den Grafen von Hoya als Vermittler tätig zu werden. Aus diesem Grund waren Johann und Johann Friedrich mit einem stattlichen Gefolge vom 29. Juni bis 14. Juli 1524 in dieser Angelegenheit unterwegs. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 559, Anm.1. 53 Ebd., S. 525. 54 Ebd. 55 ThMA, Bd. 3, S. 144, Anm. 1. 56 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 529f. 57 In einem Brief vom 20. Juli an Georg Spalatin drängte er erneut auf ein Verhör Müntzers: „Es ist groß zeit diese sach mit dem verhore furzunemen; dan geschichts nicht, so ist contemptus pryncipum vorhand, ist zu besorgen, das sich das volck mit hauff zusamen wirt werff, wie er dan offentlich prophecirt. Das wirt plack und rauben, und ein solcher unlust in dieser art wird, dovon nie gehort.“ ThMA, Bd. 3, S. 144.
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Friedrich scheinen die Ausführungen aber nur wenig beeindruckt zu haben, am nächsten Tag, dem 27. Juni, schrieb er an Rat und Gemeinde zu Allstedt einen Brief, in dem er ihnen befahl, die Täter im Fall Mallerbach nicht weiter zu schützen und zu decken, sondern diese festzunehmen und zu bestrafen. Zu der vorgebrachten Argumentation, dass die Zerstörung der Kapelle rechtens sei, da es sich um eine Irrlehre handele, äußerte sich der Kurfürst dahingehend, dass, wenn in Allstedt die rechte Lehre gepredigt werde, alles Unrechte, das sie nun mit Gewalt zu bekämpfen versuchen, auch ohne menschliches Zutun aus Gottes Kraft und Gnade heraus untergehen werde.58 Kurz nachdem dieses Schreiben die Allstedter erreicht hatte, traf am 30. Juni Herzog Johann mit seinem Sohn Johann Friedrich in Allstedt ein, um dort auf der Durchreise nach Halberstadt im Schloss zu übernachten. Obwohl der Aufenthalt sehr kurz war – sie trafen erst zum Nachtmahl ein und reisten nach dem Morgenmahl wieder ab –,59 wird es sicher zu einer kurzen Unterredung mit dem auf dem Schloss residierenden Schosser gekommen sein, wo wohl auch der Entschluss gefasst wurde, Müntzer vor den Fürsten predigen zu lassen. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Rolle Müntzers, dessen Predigt und Einfluss immerhin der Auslöser für die Unruhe in der Stadt waren, in dem Konflikt noch kein einziges Mal thematisiert worden, also bisher stets nur die weltliche Dimension des Geschehens beachtet worden. Zum direkten Handeln ihm gegenüber sah sich Friedrich erst veranlasst, als ihm zugetragen wurde, dass Müntzer beabsichtigte, in Allstedt eine eigene Druckerei einzurichten.60 Am 7. Juli wandte sich Friedrich deshalb an Johann und bat ihn, unter Verweis auf mögliche Verstöße gegen das kaiserliche Mandat,61 sich der Sache anzunehmen und zumindest zu erreichen, dass alle Drucke zuerst durch die Brüder überprüft werden.62 Auch der Schosser wurde angewiesen, nur 58 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 531f. 59 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 259, Anm. 1. 60 Wann genau die Druckerei in Betrieb genommen wurde bzw. werden sollte, ist unklar. Der Schosser scheint, trotz zahlreicher Kontakte zu den fürstlichen Höfen, davon nichts berichtet zu haben. Ob Johann bei seinem Aufenthalt im Allstedter Schloss davon Kenntnis erhalten hat, lässt sich nicht nachweisen. 61 Mandat des Reichsregiments vom 6. März 1523. In diesem Mandat wurde Friedrich dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Luther und seine Anhänger bis zum nächsten Konzil nichts schreiben oder drucken. 62 Das eigentliche Ziel Friedrichs war wohl, die Druckerei in Allstedt gar nicht erst zuzulassen. Dies lässt sich aus seiner Formulierung deutlich erkennen. „Wo dan e l befind, das es also, als dan von unseren weg darob sein und verschaff, das solchs abgestalt, oder das ye zum wenigist das ihenig, so Thomas Muntzer zu schreiben und zu druk furhat, vor alln ding erstlich e l oder uns zu besichtig ubersand wird […].“ Außerdem war man sich am kurfürstlichen Hof offenbar darüber bewusst, dass sich die Forderung nach einer Vorabzensur der Drucke Müntzers niemals durchsetzen ließe, wenn die Zensur durch die Wittenberger bzw. Martin Luther erfolgen würde. Des-
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unter dieser Voraussetzung die Druckerei zuzulassen. Von dieser Zensuranordnung hatte Johann noch keine Kenntnis, als er bei der Rückkehr aus Halberstadt in der Nacht vom 12. auf den 13. Juli erneut Station in Allstedt machte. Bei diesem kurzen Aufenthalt ergab sich für Müntzer nun die Gelegenheit, vor den Fürsten Johann und Johann Friedrich auf dem Schloss zu predigen. Obwohl kein direkter Quellenbeleg für das Datum vorliegt, wird die sogenannte Fürstenpredigt seit Langem auf den Morgen des 13. Juli 1524 datiert. Nach den Ereignissen der letzten Wochen sahen es die beiden Weimarer Fürsten wohl als unabdingbar an, sich ein eigenes Bild von dem Prediger Thomas Müntzer und dessen Lehre zu machen. Insbesondere Johann, der nicht recht zu entscheiden wusste, inwieweit in der grundsätzlichen Argumentation Müntzers unabdingbare Wahrheitsmomente enthalten waren, erhoffte sich wohl Aufschluss darüber, wes Geistes Kind Müntzer war.63 Müntzer hatte sehr wohl begriffen, was der Sinn dieses Predighörens sein sollte: Man erwartete von ihm eine Predigt, die das Eigentümliche seiner Verkündigung zu erkennen gab, d.h. sowohl die nach seinem Verständnis für eine reformatorische Glaubenshaltung wesentlichen Elemente als auch die nach seiner Überzeugung sich daraus ergebenden praktischen Folgerungen und Forderungen an die ‚evangelischen‛ Christen zur Verwirklichung reformatorischer Christlichkeit.64
Er war entschlossen, diese Chance zu nutzen. Dies bedingte natürlich die absolute Überzeugung von der Richtigkeit der eigenen Lehre. „Nicht diplomatisches Raffinement oder ausgeklügelte Taktik, sondern die Überzeugtheit, als erwähltes Werkzeug Gottes aus der Erkenntnis des Geistes zu verantwortlicher Entscheidung in der Krisis der Zeiten rufen zu müssen, ließ ihn Daniel 2 als Text seiner Predigt vor den Herzögen wählen.“65 So begann er mit einer Art Bestandsaufnahme, welche zeigen sollte, in welch jämmerlichem Zustand sich die Christenheit befand und welche Gründe dies hatte. Er bat seine Zuhörer direkt, sich aus dieser schlechten Situation zu befreien und wieder rechte Schüler Gottes zu werden. Gerade die Fürsten müssten nun mit größtem Fleiß an die Erfüllung dieser Aufgabe gehen, denn die Zeiten seien gefährlich, da die armen Menschen durch heillose Schriftgelehrte verführt werden, die versuchen, die menschliche Vernunft gegen die edle Kraft Gottes auszuspielen. Müntzer hielt also nicht hinterm Berg, bereits in der Einleitung übte er direkte Kritik an den Wittenbergern, die zweifelsohne mit den heillosen Schriftgelehrten gemeint waren. halb wurde dieser Passus, der sich ursprünglich im Konzept befand, zugunsten einer Zensur durch die Fürsten ersetzt. ThMA, Bd. 3, S. 141. 63 In die gleiche Zeit fällt, dass auch die Prediger Strauss und Stein Einfluss auf Johann gewannen. Noch hatte sich der Fürst nicht endgültig auf die Wittenberger Linie festgelegt. 64 ELLIGER, Müntzer, S. 443f. 65 Ebd., S. 444.
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Danach referierte er wohl seinen eigentlichen Predigttext, die Geschichte Nebukadnezars, der eine Gottesoffenbarung im Traum hatte, die ihm seine Weisen deuten sollten. Die Weisen und Wahrsager des Königs lehnten eine Rekonstruktion und Deutung des Traums mit der Begründung ab, dass ihnen das unmöglich wäre, da die Götter keine Gemeinschaft mit den Menschen auf Erden hätten. Dies ist natürlich rein vom Verstand her, mit dem sie glauben, alles erklären zu können, die richtige Antwort. Ihr Problem ist, dass sie sich ganz auf diese Logik verlassen und keinen rechten Glauben an Gott haben, der durchaus bereit wäre, ihnen die Wahrheit zu offenbaren. In genau dieser Situation befinden sich auch die Wittenberger Schriftgelehrten. Er jedoch sieht sich als der neue Daniel, dem im Bibeltext, nachdem er Gott um seine Gnade gebeten hatte, das Geheimnis offenbart wurde. Dem Menschen ist es nicht möglich, aus selbstständigem Bemühen heraus in die göttlichen Geheimnisse einzudringen, er muss auf die Offenbarung warten, die mit dem menschlichen Verstand nichts zu tun hat. Hier zelebrierte Müntzer einen durch und durch spirituellen Ansatz, von dem er überzeugt war, dass dieser dem buchwissenschaftlich geprägten der Wittenberger überlegen war. Die Bibel hatte für Müntzer lediglich die Funktion einer Kontrollinstanz, die es dem Gläubigen möglich macht, die Echtheit der Offenbarung festzustellen. Schließlich kam Müntzer zu dem, was er über den der Christenheit heute von Gott gegebenen Auftrag den Fürsten in ganz konkreter Zuspitzung auf ihre Funktion als christliche Obrigkeit sagen wollte. Zur Danielschen Weissagung der vier Weltreiche interpretierte Müntzer noch ein fünftes hinzu, in dem man sich gerade befand, dessen Ende aber nah war. Als charakteristisch für dieses fünfte Reich sah er an, dass sich kirchliche und weltliche Obrigkeit zusammengetan hätten, um in gegenseitiger Unterstützung ein gottloses unchristliches Wesen aufzurichten und aufrecht zu erhalten. In einer derartigen entscheidungsschweren Situation kommt alles darauf an, eine klare Sicht der tatsächlichen Lage zu gewinnen, die richtige Entscheidung zu treffen und danach in entschlossener Folgerichtigkeit zu handeln. ‚Darumb, yr allerthewrsten, liebsten regenten, lerndt ewer urteyl recht auß dem munde Gottis und last euch ewre heuchlisch pfaffen nit verfüren und mit getichter gedulgt und gute auffhalten‛.66
Die Zeitenwende stehe unmittelbar bevor und mache es unmöglich, nur den passiven Zuschauer zu spielen. Deshalb rief er den Fürsten zu: Tretet keck auff den eckstein, wie der heylige Petrus that, und sucht die rechte bestendickeyt göttlichs willens. Er wirt euch wol erhalten auff dem stein. Ewre genge werden richtigk sein, suchet nohr stracks Gottis gerechtigkeit und greyffet die sache des evangelion
66 ELLIGER, Müntzer, S. 453f.
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tapffer an. Dann Gott steht so nah bei euch, das yhrs nicht gleubt. Warumb wolt yr euch dann vorm gespenst des menschen entsetzen?67
Was nichts anderes zu bedeuten hatte, als dass die Fürsten auch mit dem Schwert für die richtige Lehre zu kämpfen hätten. Allerdings, das sei auch klar, für solche Aktionen bedürfen sie einer verantwortlichen geistigen Leitung durch einen echten Geistesträger, mit dem er ohne Zweifel in Gestalt des neuen Daniel sich selbst meinte. Ihm fiele die Aufgabe zu, das Volk, das er bereits auf den richtigen Weg gebracht habe, und die Herrscher, die es noch zu überzeugen und v.a. von den lutherischen Vorstellungen zum Gang der Reformation abzubringen galt, wieder in die gleiche Richtung zu lenken. Er rief die Fürsten auf, sich nicht, wie Luther es wolle, von allen geistlichen Belangen zu isolieren und sich auf rein weltliche Aufgaben zu beschränken, sondern sie hätten das Recht und die Pflicht dazu, mit allen ihnen verliehenen Mitteln, auch dem Schwert, gegen die Feinde des Evangeliums vorzugehen. Gott will die gewaltsame Vernichtung aller, die ihm entgegen sind und den Gläubigen ein Ärgernis. Die Intention dieser Predigt war ganz klar: Zum einen kommen die stark spirituellen Anklänge seiner Lehre zum Tragen und zum anderen macht er den in seinen Augen bestehenden Sinn und Zweck der Reformation deutlich und welche Rolle sowohl er selbst als auch die Fürsten von Sachsen dabei spielen sollten. Dies alles musste den Zuhörern recht radikal und rigoros erscheinen, auch wenn wir deren Reaktion auf die Predigt nicht kennen. Fakt ist aber, dass sich in der Rolle, die Müntzer in seiner Predigt den kursächsischen Fürsten zuwies, keiner von ihnen wiederfand. Trotzdem scheinen sich keine Probleme bei der Freigabe zum Druck der Predigt ergeben zu haben, obwohl sehr sicher davon auszugehen ist, dass Müntzer am Tag der Fürstenpredigt durch den Kanzler Brück und den Rat Hans von Gräfendorf offiziell die von den Fürsten geforderte Vorzensur seiner Schriften mitgeteilt wurde.68 Als seine Reaktion darauf kann ein am gleichen Tag datiertes Schreiben an Herzog Johann gelten. Darin machte er klar, dass er sich dazu berufen sehe, den wahren Gottesglauben zu verkündigen, aber durchaus bereit sei, über seinen Glauben Rechenschaft abzulegen und seine Schriften der fürstlichen Zensur vorzulegen. Zu einem Verhör, das ausschließlich durch die Wittenberger geführt werde, sah er sich jedoch nicht bereit.69 In den nun folgenden 14 Tagen spitzte sich die Situation in Allstedt weiter zu. Immer mehr Gottesdienstbesucher strömten aus den umliegenden albertinischen 67 Ebd. 68 Von der Anordnung Friedrichs zur Zensur seiner Drucke hatte Müntzer sicher durch den Schosser Hans Zeiss erfahren. Johann fand die Anordnung dazu erst bei seiner Rückkehr nach Weimar vor. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 142, Anm. 5. 69 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 259–263.
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Ämtern nach Allstedt, ein Vorgang, der nun gewaltsam unterbunden werden sollte.70 Müntzer und Zeiss tauschten sich intensiv darüber aus, wie angesichts der zunehmenden Verfolgung der Allstedter Gottesdienstbesucher eine weitere Eskalation vermieden werden könne. Müntzer wollte verhindern, dass der Schosser, entsprechend seinen Anweisungen, Glaubensflüchtlinge auf Aufforderung wieder in ihre Ämter zurückschickte. Am 28. Juli 1524 befand sich Hans Zeiss in Weimar, offensichtlich, um einen ziemlich dringlich abgefassten Hilferuf an Herzog Johann zu übergeben.71 Darin berichtete er über seine mehrmalig am kurfürstlichen Hof vorgetragene Bitte um ein Verhör Müntzers,72 doch die Angelegenheit verzögere sich, während sich die Lage in Allstedt verschlimmere. Er selbst könne nur noch machtlos zuschauen, wie sich in Allstedt immer mehr Auswärtige sammeln und selbst Frauen bewaffnet würden. Sie seien unter Anleitung Müntzers zum Kampf für das Evangelium bereit. Müntzer wisse, dass die Fürsten von Sachsen schon mehr getan haben als andere Herrscher, doch er sehe es so, dass sie nun nichts mehr für die Bewegung tun würden, obwohl es höchste Zeit wäre, ihr zum Durchbruch zu verhelfen. Darumb, gnediger furst, ersuch ich e f g, den ich neher dan m gn herrn den churfurst etc. erlang mag, das e f g in die sach mit vleys und on lang verzugk sehen wollten, das auffrur, uberfelle und unlust mocht verkomen werde, und vor allen dingen, das der prediger Thomas Muntzer, wie er sich dan am nechst erbot und teglich außschreytt und erbeut, vor eyner gemeynen versamblung furbescheid und verhort mocht werden, domit wurde vilem unlust verkomen.73
Mit seiner dramatischen Schilderung der Situation in Allstedt konnte sich Zeiss zumindest in Weimar Gehör verschaffen. Sowohl Thomas Müntzer als auch der Allstedter Rat wurden für den 1. August bzw. den 31. Juli 1524 zum Verhör nach Weimar beordert, wobei die städtischen Verantwortlichen und Müntzer getrennt voneinander befragt wurden, wahrscheinlich, um eine Beeinflussung der Allstedter durch Müntzer zu vermeiden. Die zeitliche Nähe zwischen dem Besuch 70 Herzog Georg hatte bereits am 13. Februar 1524 den Besuch des Gottesdienstes in Allstedt bei Strafe verboten. Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 608f. (Georg an Melchior von Kutzleben, Amtmann von Sangerhausen). Zur Bestrafung derjenigen, welche die Predigt in Allstedt trotz Verbots besuchten, vgl. ebd., S. 705, 714–716. 71 Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 146–150. 72 „Gnediger furst und her. Ich habe iungst in meyner rechnung gebeten, das der prediger Thomas Muntzer zu Alstedt mocht verhort werden. Dan wue es nicht geschee, besorgt ich, das es zu einer auffrur und mercklicher entporung gelangen werde. Als haben meyn g her der churfurst solichs in ein bedencken genomen. Habe ich dozumal magister Spalatin in meynem abschiden gebetenn, das er vleissig anhlaten und biten solt, das es geschee, weliches er zuthun zugesaget […].“ ThMA, Bd. 3, S. 146f. Damit sind seine Bitten an Kurfürst Friedrich vom 26. Juni 1524 gemeint, vgl. ebd., S. 140f. sowie an Georg Spalatin wenig später, vgl. ebd., S. 144f. 73 Ebd., S. 149.
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Zeissens in Weimar und der Anberaumung der Verhöre sowie das Fehlen weiteren Schriftverkehrs zum Thema zwischen Johann und Friedrich legen den Schluss nahe, dass die Initiative zu diesem Verhör von Johann allein ausging.74 Dabei wurde natürlich nicht, wie gefordert, die Lehre des Predigers beurteilt,75 sondern es ging vielmehr um den Umstand, dass er die Landesherrn in seinen Predigten beleidigt und die Hörer dazu aufgerufen haben soll, sich zu verbinden, und sie zu Aufruhr angestiftet haben soll.76 Dem Rat, Schultheiß und Schosser wurde vorgeworfen, dass sie die Schuldigen der Brandstiftung der Mallerbacher Kapelle nicht zur Verantwortung gezogen haben, sondern statt dessen „ein auflaufft gemacht, zu storm geschlagenn und in harnisch getretenn, domit dem abschied und seiner f g geschefft nit hett mugen volge gelebt werdenn“.77 Im Anschluss an die Verhöre erging der Befehl, die Druckerei Müntzers in Allstedt zu schließen und den Drucker zu entlassen. Ebenso sollte der als Verteidigungsbündnis geschlossene Allstedter Bund aufgelöst werden. Sofort nach ihrer Rückkehr aus Weimar wandten sich sowohl die Allstedter als auch Müntzer selbst an Kurfürst Friedrich. Zunächst schilderten Schosser, Schultheiß und Rat, wie Müntzer auf den Befehl zur Schließung der Druckerei, der ihm offenbar erst bei seiner Rückkehr nach Allstedt von Rat und Schosser eröffnet wurde, reagiert hatte. In seinem Zorn ob dieser Anweisung hatte er die Fürsten von Sachsen beleidigt, was der Rat nun pflichtschuldig meldete. Trotzdem verwendete sich der Rat im zweiten Teil des Briefes weiterhin für Müntzer und bat um ein baldiges Verhör. Außerdem vertrat er die Meinung, dass es nur billig sei, dass Müntzer sich, nach Luthers Schrift gegen ihn, dazu auch äußern könne. Am Ende steht die inzwischen fast standardisierte Formel der Allstedter in diesem Zusammenhang, dass sie bei Nichtzustandekommen eines solchen Verhörs großen Aufruhr und Blutvergießen befürchten. Außerdem appellierten 74 Wie bereits beschrieben, war man in Lochau gut über die Forderung des Allstedter Amtmannes nach einem Verhör Müntzers informiert, betrieb die Sache aber nicht weiter. Sicher ist auch, dass man Kenntnis von der Fürstenpredigt und deren Inhalt hatte. So schrieb Zeiss am 20. Juli 1524 an Georg Spalatin, „er thett nechst vor m g hn beid furst hie ein sermon, den schick ich euch hiebey“. ThMA, Bd. 3, S. 144. Welche Rolle das Erscheinen von Luthers Schrift „Ein Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist“ im Juli 1524 gespielt hat, ist schwer zu sagen. Vgl. WA Bd. 15, S. 210–221. 75 Dazu heißt es in dem Bericht über das Verhör Müntzers: „Zum dritten gelangte unns genedigst und genedige hernn an, als ob er sich unterstehenn solt, ding zu predigenn und dem volck einzupildenn, die inn der schrieft nit grundt hettenn. Nun ließ man itzo dasselb dobei. Es wurde villeicht zu gelegener zeit fernner mit ime davonn geredt werdenn.“ ThMA, Bd. 3, S. 152. 76 Vgl. die Berichte zu den Verhören von Müntzer und den Allstedter Verantwortlichen in ThMA, Bd. 3, S. 151–156. 77 Ebd., S. 153.
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sie noch daran, dass viele arme Leute Müntzer folgen und v.a. auch ihr Weg zur Seligkeit wichtig wäre.78 Müntzer dagegen forderte in seiner Selbstwahrnehmung als Gerichtsbote Gottes vom Kurfürsten die Möglichkeit ungehinderter Verkündigung von Wort und Schrift, damit er sich gegen Luthers „Ein Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist“ verteidigen könne, und erklärte sich zu einem Glaubensverhör vor der gläubigen Gemeinde, nicht aber vor den Wittenberger „Schriftgelehrten“ bereit.79 Johann indessen ließ sich Zeit, seinen Bruder über den Ablauf und die Festlegungen der Weimarer Verhöre zu informieren. Erst am 6. August wandte er sich an ihn.80 Dabei fällt auf, dass Johann dem Kurfürsten nicht etwa die Mitschriften der Verhöre zukommen ließ, sondern ein von den Räten kompiliertes Protokoll, in dem die Einlassungen beider Seiten zusammengefasst waren. Hier sollte wohl erstmalig die Schuld Müntzers an den Auseinandersetzungen in Allstedt augenfällig gemacht werden.81 Es scheint, als wäre es nach der Erfahrung der Fürstenpredigt und des Verhörs Müntzers in Weimar zu Diskussionen darüber gekommen, wie weiter mit ihm zu verfahren sei. Am Ende hatten sich offenbar diejenigen Kräfte durchgesetzt, die eine härtere Vorgehensweise gegen Müntzer befürworteten. So fällt zwar das Wort Ausweisung in dem Schreiben an Friedrich nicht, aber in einigen Passagen schwingt implizit genau dieser Ratschlag an den Kurfürsten mit. „Dieweil dan zu besorgenn, das derselb prediger, wo er zu Alstet plieb, den armen leuten ein aufrur vnd vnlust zurichten wurde, so zweiueln wir nit, e l werde wol zu bedencken wissen, was seinethalb weiter ze tun vnd ime anzuzeigenn sein will.“82 Auch der Hinweis, dass es besser wäre, wenn Müntzer die Schrift, die er nach dem Verhör den Räten zur Begutachtung ausgehändigt hatte, lieber außerhalb des ernestinischen Territoriums in Druck gehen lassen würde, spricht eine recht deutliche Sprache.83 78 79 80 81
Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 157f. (3. August 1524). Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 330–335. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 158–160. Walter Elliger sieht darin den Versuch Johanns, dem Kurfürsten die fragwürdige Haltung Müntzers besonders klar aufzuzeigen. Insgesamt gelangt er zu der Einschätzung, dass das Verhör fast den Eindruck erwecke, als habe man es darauf abgesehen, so viel belastendes Material gegen Müntzer vorzubringen, dass man ihn mit Fug und Recht aus dem kursächsischen Gebiet entfernen konnte, ohne dass der Ruf der beiden Fürsten als Beschützer des Evangeliums Schaden nehmen würde. Vgl. ELLIGER, Müntzer, S. 496. 82 ThMA, Bd. 2, S. 264. 83 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 264f. Es löste bei Johann eine gewisse Verwunderung aus, dass die Allstedter Müntzer nicht sofort in Weimar über die Anweisung zur Schließung der Druckerei informierten. Doch nur seine Unkenntnis darüber erklärt, weshalb er überhaupt noch eine Schrift zur Begutachtung einreichte.
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Besonders erpicht darauf, ein eventuelles Placet des Kurfürsten zur Ausweisung Müntzers umzusetzen, scheint Johann jedoch nicht gewesen zu sein. Ohne die Antwort des Bruders abzuwarten, reiste er nach Eisenach ab, wo er sich vom 14. bis 21. August 1524 aufhielt. Dieser wiederum bat ihn am 11. August, wohl als Reaktion auf die Schreiben aus Allstedt, ein zweites Verhör in die Wege zu leiten. […] Vnd E.l. in irer schrift vermelden, das sie besorgen, das der prediger, wo er zu Alstet blib, den armen leuten ain Aufrur vnd unlust zurichten wurd. Damit nu in solchen nit weiter beschwerung einfallen, bitten wir fruntlich, E.L. wolln den Schosser , Schultes vnd rat, desgleichen thomas Muntzer, vnd ob es e.l. fur gut ansehn, den neben prediger Simon Haferitz zu E.l. gelgenhait noch ainsten fur die Ret gein Weymar beschaiden, sie vnd sonderlich Thomas Muntzer weiter verhoren, vnd wo E.l. aus voriger vnd itziger verhor vrsach befinden, das durch thomas Muntzers vnd des andern predigers larhe vnd predig vnder dem armen volk Aufrur vnd vnlusts zubesorgen, so wolln E.l. mit dem Schosser, Schultes vnd Rat von E.l. vnd vnsern wegen verschaffen, das sie Thomas Muntzer vnd den andern prediger in ainer Zeit, dy E.l. Jn dorzu benennen werden, von sich thun vnd sich Jrer enteussern.84
Damit schloss sich Friedrich also der Meinung seines Bruders an, stellte aber die letztendliche Entscheidung darüber in Johanns Verantwortung, indem er es ihm überließ, anhand der beiden Verhöre zu beurteilen, ob die Lehre und Predigt von Müntzer und Haferitz das Volk aufwiegeln. Die Dringlichkeit seiner Verfügung bekräftigte Friedrich in einem zweiten Brief an Johann, der ebenfalls auf den 11. August datiert ist, aber erst verfasst wurde, nachdem zwei Räte Herzog Georgs in Lochau eingetroffen waren, um sich in Religionssachen zu besprechen. Konkret forderte Georg die Vertreibung Müntzers.85 Die Instruktion an die Räte zeigt, dass er, wahrscheinlich über seinen Amtmann in Sangerhausen, sehr gut über die Ereignisse in Allstedt informiert war. Friedrich fertigte die Räte Georgs mit dem Hinweis, er müsse sich erst mit seinem Bruder besprechen, ohne Rückantwort ab.86 Dem Allstedter Rat gab Friedrich am 9. August zur Antwort, dass er erwarte, dass die Festlegungen, welche in Weimar getroffen wurden, strengstens um- und durchgesetzt werden. Er werde entscheiden, ob es billig und notwendig sei, noch weitere Verhöre anzustellen. 87 Auf die Warnung, dass, wenn Müntzer nicht verhört würde, Aufruhr und Blutvergießen drohten, reagierte Friedrich damit: 84 ThMA, Bd. 3, S. 166-168. 85 Ebenso die des Schneeberger Predigers Amandus sowie die zweier entlaufener Mönche in Buchholz. Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 717–719 (Instruktion für Heinrich von Schleinitz und Georg von Carlowitz zu einer Werbung an Kurfürst Friedrich und Herzog Johann, 8. August 1524). 86 Vgl. ebd., Anm. 1. 87 Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 162f. Elliger geht davon aus, dass in dem Antwortschreiben der Bericht Johanns noch keine Berücksichtigung fand. Vgl. ELLIGER, Müntzer, S. 513.
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„Als ir aber weit anzaig tut, wo wir denselbn prediger ufs furderlichst nit wurden verhoren lassen, das zubesorg, das ain aufrur und blutvergiessen daraus erfolgen wird, aus dem ist leichtlich zuermessn, woher solche lehr und predig ist. Dan wo dye ler von Got und rechtgeschaffn ist, darff man nyemants mit kein bundtnuß, aufrur, noch blutvergiessen bedrauen […].“ 88 An den Schosser wandte sich Friedrich nochmals explizit in einem eigenen Brief. Neben den bereits an den Rat gerichteten Forderungen enthielt dieses Schreiben auch den Vorwurf an den kurfürstlichen Beamten, dass er ja immer hinter Müntzer gestanden habe, obwohl bisher nicht zu sehen ist, was dessen Lehre an Gutem gebracht habe.89 An diesem Punkt wurde nun ein verschärfter Ton seitens des Kurfürsten gegenüber den Allstedter Untertanen angeschlagen, aber auch jetzt, als die Situation in der Stadt bereits eine hohe Eskalationsstufe erreicht hatte, wurde weder mit Sanktionen gedroht noch ein direktes Eingreifen der Fürsten angezeigt. Zunächst konnte Müntzer weiter ungehindert in Allstedt predigen, auch gegen die massenhafte Sammlung zahlreicher Berggesellen und Bewohner aus fremden Gebieten in der Stadt ging man nicht vor. Auf das Schreiben Müntzers an den Kurfürsten erfolgte, wie bisher immer, keine Antwort. Derweil wurde Johann während seines Aufenthalts in Eisenach von dem Ritter Georg Ebeleben darüber informiert, dass Müntzer sich nach Mühlhausen begeben hatte. Dies teilte er nach seiner Rückkehr nach Weimar Friedrich am 24. August direkt mit.90 Gegenüber seinem Bruder machte Johann keinen Hehl daraus, dass er froh wäre, dass Müntzer sich freiwillig aus Allstedt entfernt habe. Er habe aber dem Schosser Zeiss geschrieben, um herauszufinden, ob die Gerüchte wirklich wahr seien. Weiter erzählte er, dass der Eisenacher Prediger Jakob Strauss an ihn herangetreten sei und ihm den Vorschlag zu einer Disputation über strittige Glaubensfragen mit Karlstadt, Luther, Melanchthon und Müntzer unterbreitet habe. Johann unterstütze diesen Vorschlag, in diesem Zusammenhang könne man im gewissen Maße auch der Forderung Müntzers nach einem Verhör bezüglich seiner Lehre nachkommen. Zumindest wäre der Vorwurf, ihn ungehört weggeschickt zu haben, dann vom Tisch. Wenige Tage später erhielten Friedrich und Johann durch den Allstedter Amtmann dann die schriftliche Bestätigung, dass Müntzer tatsächlich die Stadt verlassen hatte.91 Wahrscheinlich hat diese Entscheidung Müntzers wesentlich dazu beigetragen, dass sich die Spannungen in der Stadt nicht in größeren Unruhen entluden. Dies hatte für die Landesherren den Vorteil, dass es nicht nötig wurde, weitere Maßnahmen in Allstedt vorzunehmen. So änderte man am von Müntzer
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ThMA, Bd. 3, S. 163. Vgl. ebd., S. 164. Vgl. ebd., S. 173f. Ebd., S. 175–177.
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geschaffenen Status der Reformation in der Stadt nichts, insbesondere seine Gottesdienstordnung blieb bestehen.92 Das Auftreten Müntzers in Allstedt führte den Fürsten erstmals exemplarisch vor Augen, dass die reformatorische Bewegung einer Lenkung bedurfte, eine Aufgabe, die sie zu dieser Zeit jedoch noch nicht bereit waren anzunehmen. Weder wusste man, wie man den Umtrieben Müntzers beikommen sollte, noch hatte man eine Strategie, wie mit weltlichen Untertanen umzugehen sei, die, unter dem Einfluss eines charismatischen Predigers stehend, sich offen weigerten, landesherrlichen Anweisungen nachzukommen. Während Johann und Friedrich den Fall fortwährend zwischen sich hin und her schoben, verschlossen sie die Augen vor der religiösen Dimension der Angelegenheit. Wohl erst die Fürstenpredigt, in der Müntzer wie kein anderer reformatorischer Prediger mit seinen so radikalen wie klaren Forderungen bezüglich ihrer eigenen Pflichten, im Sinne der Reformation zu handeln, an die Fürsten herantrat, ließen offenbar Johann und Johann Friedrich die Sprengkraft der Müntzerischen Ansprüche klar werden, allerdings ohne daraus unverzügliche Maßnahmen abzuleiten. Nur zögerlich setzte die Überzeugung ein, dass eine Ausweisung Müntzers unumgänglich sei, um wieder Ruhe und Frieden in Allstedt herzustellen, zumal inzwischen selbst die Bevölkerung, deren Begeisterung für Müntzer ungebrochen war, einer weiteren Eskalation der Lage ängstlich gegenüberstand. Letztendlich stellte der Umstand, dass Müntzer freiwillig Allstedt verließ, einen Glücksfall für die Fürsten dar. Selbst wenn man sich nach nochmaligem Verhör und einer Disputation entschlossen hätte, Müntzer aus Kursachsen auszuweisen, so wäre dies wohl nicht ohne massiven Einsatz kurfürstlicher Gewalt und ohne Unruhe in der Bevölkerung vonstatten gegangen. Insofern stellte der Fall Müntzers ein Lehrstück für die Fürsten dar, das ihnen deutlich die Konsequenzen unentschlossenen und indifferenten Handelns aufzeigte, aber zumindest in ihrem Verantwortungsbereich glimpflich ausging.
3.2. Andreas Karlstadt ANDREAS KARLSTADT
Unter völlig anderen Vorzeichen stand der Umgang mit Andreas Bodenstein. Ganz im Gegensatz zu Müntzer war Karlstadt, wie er sich nach seinem Heimatort im Mainfränkischen nannte, bereits in vorreformatorischer Zeit eine bekannte Persönlichkeit der Wittenberger Universität und des Allerheiligenstifts. Im Jahr 1486 geboren93 und damit etwa gleichaltrig mit Luther, Müntzer, Spalatin und 92 Vgl. ELLIGER, Müntzer, S. 523. 93 Laut Hermann BARGE, Andreas Bodenstein von Karlstadt, Bd. 1, Leipzig 1905, S. 2 liegt das Geburtsjahr um 1480. Die neuere Forschung geht jedoch von 1486 aus.
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Strauss, führte ihn seine Ausbildung über die Universitäten Erfurt und Köln schließlich 1505 nach Leipzig,94 wo er sein Studium an der Artistenfakultät mit dem Magistertitel bereits im August 1505 abschloss.95 Hier zog er 1507 erstmalig die Aufmerksamkeit auf sich, als er mit der Schrift „De intentionibus“ das erste selbstständige Werk, das seit der Gründung der Universität Wittenberg veröffentlicht wurde, herausgab.96 Von nun an schritt die Karriere Karlstadts schnell und steil voran. Im Jahre 1510 schloss er sein Theologiestudium mit dem Doktorgrad ab und empfing die Priesterweihe. Bereits im Jahr darauf erhielt er zusammen mit dem Archidiakonat des Allerheiligenstifts eine Professur an der Wittenberger Universität.97 Darüber hinaus ermöglichte ihm die in dieser Zeit beginnende Freundschaft zu Georg Spalatin den Zugang zum kurfürstlichen Hof, lange bevor Luther in Erscheinung trat. Bald genoss er eine gewisse Bekanntheit, die ihn dazu bestimmte, auch beratende Funktionen einzunehmen. So beispielsweise 1514, als Spalatin im Auftrag des Kurfürsten Erkundigungen über den ‚Reuchlin-Streit‘ einholte und in diesem Zusammenhang Karlstadt um seine Meinung bat.98 Doch mit steigendem Ansehen und Einfluss ließ er sich auch zu Alleingängen hinreißen, die am kurfürstlichen Hof einen weniger positiven Eindruck hinterließen. Als er 1515/16 einen Rom-Aufenthalt mit der Absicht plante, in Italien den juristischen Doktortitel zu erlangen, verweigerten Universität und Kapitel ihm die notwendige Zustimmung. Daraufhin wandte sich Karlstadt an den Kurfürsten, um über ihn die Erlaubnis zum Studium in Rom zu erhalten, was ihm dieser zwar genehmigte, als Bedingung jedoch verlangte, dass Karlstadt für die Zeit seiner Abwesenheit einen Stellvertreter ernennen sollte. Als dies, wohl nicht zuletzt wegen mangelnden Engagements Karlstadts, nicht gelang und dieser trotzdem abreiste, führte das Kapitel bittere Klage gegen ihn vor dem Kurfürsten. 94 Vgl. Julius KÖSTLIN, Die Baccalaurei und Magistri der Wittenberger Philosophischen Fakultät 1503–1517, Halle 1887, S. 5. 95 Ebd., S. 22. Bei BARGE, Andreas Bodenstein, fälschlich mit S. 12 angegeben. 96 BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 19. 97 Bereits 1508 hatte er in Zusammenhang mit der Neuorganisation des Allerheiligenstifts ein niederes Kanonikat erhalten. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 42. Zum Archidiakonat gehörte die Pfarre Orlamünde, die mit ihren Einkünften 1502 durch Friedrich den Weisen, der das Patronatsrecht über die Stadtkirche innehatte, dem Allerheiligenstift zugeschlagen wurde. Da die Hauptaufgabe des Archidiakons, der zugleich eine Professur bekleidete, die Lehrtätigkeit an der Universität und die Predigt am Allerheiligenstift war, wurde die Pfarrstelle in Orlamünde gemäß den Statuten mit einem Vikar versehen. Vgl. Martin WÄHLER, Die Einführung der Reformation in Orlamünde, Erfurt 1918, S. 6. 98 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 47. Spalatin holte auch später in vielen theologischen Fragen sowohl die Meinung Luthers als auch Karlstadts ein. Vgl. auch WA Br, Bd. 1, Nr. 57, 59.
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Daraufhin forderte Friedrich Karlstadt zwei Mal schriftlich zur Rückkehr nach Wittenberg auf99 und setzte schließlich einen spätesten Rückkehrtermin fest.100 Um weiteren Ärger und finanzielle Nachteile für sich zu vermeiden, leistete Karlstadt der Aufforderung des Kurfürsten schließlich Folge, jedoch nicht, ohne zuvor den Doktortitel in beiden Rechten in Siena zu erlangen, was ihm trotz der Kürze der Zeit gelang. Im darauffolgenden Jahr führte Karlstadt eine Auseinandersetzung mit dem Kurfürsten um das Recht der Besetzung einer Pfarrstelle, die seiner Pfarre in Orlamünde inkorporiert war. Hierbei versuchte Karlstadt, sein juristisches Fachwissen gegen Friedrich auszuspielen, diesmal mit Unterstützung des Allerheiligenstifts. Zwar ist der Ausgang dieser Angelegenheit nicht überliefert, 101 doch steht fest, dass dies nicht der erste und auch nicht der letzte Streit im Zusammenhang mit der Pfarrstelle in Orlamünde war.102 Ungetrübtes Einvernehmen herrschte in dieser Zeit noch zwischen Karlstadt und dem von ihm 1512 zum Doktor der Theologie promovierten Luther. Nach 99
Als Antwort auf das erste Schreiben des Kurfürsten ist wohl ein undatierter Brief anzusehen, der bei Eduard HASE, Karlstadt in Orlamünde, in: Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumforschenden Gesellschaft des Osterlandes 4 (1854), S. 42–125, hier S. 85f. gedruckt ist. Es handelt sich in erster Linie um ein Rechtfertigungsschreiben, in dem Karlstadt sich für sein Verhalten entschuldigt, aber davon ausgeht, dass er von Neidern beim Kurfürsten angeschwärzt wurde. Deshalb bittet er diesen: „Ich bitt aber, so E. C. G. wider mich erwermbt vnd meyn abczugk begeret, das ich diß Jars Zceyt zu E. C. G. stifft vnd vniversitet bleibe, so will ich allen schaden vnd nachlessigkeiten, die meynes außbleibens geschehen sein, erfüllen, und damit man auch, wes mich zcu Rom nach geleister Walfart beflissen hab, erlernen möge, beiden Rechten, dorczu ich jetzt graduiert bin, lesen vnd mit meniglichen freuntlich vormischunge, auff das ich der leut gunst vnd guten willen in E. C. G. fürstenthumb hab, verfügen.“ Auch in einem zweiten, wiederum undatierten, Brief an Friedrich beklagt Karlstadt die Missgunst des Wittenberger Propstes und beschwert sich über die Bestrafung des Kapitels für sein Ausbleiben. Insgesamt erwecken die Briefe Karlstadts, die er rund um seinen, aus seiner Sicht völlig berechtigten Italienaufenthalt an den Kurfürsten schrieb, einen sehr hochmütigen Eindruck.“ Vgl. S. 86f. 100 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 53. 101 Karlstadt versuchte offenbar, seine Rechte als Pfarrer energisch durchzusetzen, was ihn in Streit mit Gemeindemitgliedern, dem Rat der Stadt und seinen Vikaren brachte. Die Streitfälle mussten häufig vom Kurfürsten entschieden werden. Vgl. WÄHLER, Die Einführung der Reformation in Orlamünde, S. 45–51. 102 Bei dem Streit drehte es sich um die Gemeinde Uhlstädt unweit von Orlamünde. Karlstadt hatte dort einen neuen Geistlichen eingesetzt, ein Recht, das ihm als Orlamünder Pfarrer zustand. Der Kurfürst fühlte sich jedoch übergangen, da die Statuten des Allerheiligenstifts ihm in einem solchen Fall das Präsentationsrecht vorbehielten. Diesem Argument hielten Karlstadt und das auf seiner Seite stehende Kapitel entgegen, dass es sich bei den Statuten lediglich um Entwürfe handele, die weder beschlossen noch bereits in Kraft getreten seien. Der Streit zog sich mehrere Monate hin und wurde juristisch äußerst spitzfindig ausgetragen. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 59–64.
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anfänglichen Differenzen ließ sich Karlstadt bald in vielen Punkten von Luthers Anschauungen überzeugen und wurde dessen Parteigänger, eine persönliche Freundschaft aber entwickelte sich vermutlich zwischen den beiden nicht. Eher lässt sich wohl davon sprechen, dass aus der Erkenntnis heraus, Bekenner einer neuen Theologie zu sein und damit im Zentrum der Angriffe der Gegner zu stehen, eine enge Solidarität entstand.103 So kam es, dass der eigentlich zwischen Luther und Johann Eck privat ausgetragene Streit um die Ablassthesen zur Verteidigung Luthers von Karlstadt in die Öffentlichkeit gezogen wurde und in die vom 27. Juni bis 15. Juli 1519 stattfindende Leipziger Disputation mündete. Nach langwierigen Vorbereitungen104 reisten Karlstadt und Luther, der eigentlich keine Genehmigung zur Disputation hatte, nach Leipzig, wo Herzog Georg gegen den Widerstand der theologischen Fakultät der Universität und des Merseburger Bischofs für das Zustandekommen auf der Pleißenburg gesorgt hatte.105 Nicht nur Herzog Georg hatte großes Interesse an diesem Rededuell, auch der nicht anwesende Friedrich106 teilte die Ansicht seines Vetters, dass so auch für Laien die Wahrheit an den Tag käme. Von kursächsischer Seite wurde Veit Warbeck als halboffizieller Beobachter nach Leipzig gesandt, und man erwartete dessen ausführlichen Bericht. Während der Disputation war Karlstadt dem redegewandten Eck nicht immer gewachsen, hatte aber für sein eigenes Gefühl seine Sache gut vertreten. Eck, der sich seines Sieges vollkommen sicher war, wandte sich am 22. Juli an Kurfürst Friedrich und führte eine lange Klage über das Verhalten Luthers und Karlstadts.107 Darauf antwortete Friedrich am 24. Juli ausweichend, dass ihm bisher noch kein Bericht zur Leipziger Disputation zugegangen wäre, er aber die Beschwerde an Luther und Karlstadt weiterleiten werde.108 Nicht nur dieses Schreiben zeigt, dass der Kurfürst nicht bereit war, sich in die Angelegenheit einzumischen. Erst am 12. Oktober sandte Friedrich die ausführlichen 103 Die Dominikaner hatten es nicht versäumt, die Kurie auch auf Karlstadt aufmerksam zu machen. Im März 1518 bezog Friedrich der Weise in seine Zusicherung, nicht zuzulassen, dass Luthers Angelegenheit nach Rom gezogen werde, auch Karlstadt mit ein. Vgl. WA Br, Bd. 1, Nr. 64. 104 Luther und Eck verhandelten bei ihrem Aufenthalt in Augsburg im Oktober 1518 über Zeit und Ort der Disputation. Darüber hinaus hatte Eck in Augsburg mehrmals vergeblich versucht, eine Audienz beim Kurfürsten zu erhalten. Dass der Kurfürst nicht willens war, mit Eck in der angespannten Atmosphäre Augsburgs rund um das Verhör Luthers durch den päpstlichen Legaten Cajetan über die Voraussetzungen zu einer Disputation strittiger theologischer Fragen zu verhandeln, versteht sich von selbst. Vgl. WA Br, Bd. 1, Nr. 109. 105 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 65–70, 74, 75, 77, 81, 82, 87. Zur Zulassung Luthers durch Georg vgl. auch BRECHT, Martin Luther, Bd. 1, S. 289f. 106 Friedrich hielt sich vom 11. Juni bis 4. Juli 1519 zur Königswahl in Frankfurt/Main auf. 107 Vgl. WA Br, Bd. 1, S. 459–462, hier zu Nr. 192. 108 Vgl. ebd., S. 463.
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Rechtfertigungsschreiben der beiden Wittenberger Theologen,109 versehen mit einem knappen Anschreiben, an Eck und betrachtete die Angelegenheit damit als erledigt.110 Dass die Verunglimpfungen Ecks keinen Einfluss auf sein Wohlwollen sowohl Karlstadt als auch Luther gegenüber hatten, zeigt nicht zuletzt der Umstand, dass beide nach ihrer Rückkehr aus Leipzig vom Kurfürsten beschenkt wurden.111 Auf Karlstadt hatten die Leipziger Disputation und der weiter schwelende Streit mit Eck einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Davon unbenommen verlief die wissenschaftliche Arbeit Luthers und Karlstadts weiter parallel. Beide beschäftigten sich mit ähnlichen Themen, wobei nun auch Karlstadt auf das Ablassproblem stieß. Die Arbeit an einem zweiten Themenfeld sollte jedoch viel prägender für seine weitere theologische Entwicklung sein. Erstmalig wandte er sich gegen die symbolische Wundertätigkeit von Alltagsdingen wie Wasser und Salz, die ausschließlich durch die priesterliche Weihung bewirkt wurde.112 Damit stellte er nicht nur ein wichtiges Element katholischer Alltagsfrömmigkeit in Frage, sondern legte auch die Grundlage für sein späteres Abendmahlsverständnis. Doch zunächst drohte von bereits bekannter Seite Ungemach; Johann Eck war es gelungen, in Rom gegen Luther die Bannandrohungsbulle „Exsurge Domine“ zu erwirken.113 Mit ihrem Erscheinungsdatum am 15. Juni 1520 war Eck nicht nur mit der Veröffentlichung beauftragt worden, sondern besaß auch die Befugnis, nach seinem Ermessen weitere Namen, die ihm als Anhänger Luthers galten, auf die Bulle zu setzen. Er zögerte nicht, davon Gebrauch zu machen, sodass nun in Kursachsen neben Luther auch Karlstadt sowie der 109 Karlstadt sandte für sich allein am 31. Juli ein Rechtfertigungsschreiben an den Kurfürsten. Vgl. ebd., S. 463f. Am 18. August verfassten Luther und Karlstadt zusätzlich ein gemeinsames, sehr ausführliches Rechtfertigungsschreiben, in dem man aber stärker auf die Belange Luthers einging, vgl. S. 465–478. Das Schreiben gelangte durch Luther über Spalatin an den Kurfürsten mit der Bitte, am Hof solle entschieden werden, ob man es an Eck weiterleite. Vgl. ebd., Nr. 194. 110 Vgl. ebd., S. 478. 111 Luther bedankte sich in einem Brief an Spalatin vom 29. November 1519 für ein Geschenk des Kurfürsten. Vgl. ebd., Nr. 223. 112 Karlstadt bestritt in seiner Schrift „Vom geweihten Wasser und Salz“ jede übernatürliche Qualität von geweihtem Wasser oder Salz. Es gab den sehr verbreiteten Glauben, dass man mit geweihtem Wasser die täglichen Sünden abwaschen könne, was Karlstadt für völlig unchristlich hielt. Vgl. auch BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 210f. 113 In Rom war man sich offenbar lange Zeit nicht bewusst, wie groß die Kluft zwischen Luther und der Papstkirche bereits war. Vor allem Eck war es, der den Vatikan ins rechte Bild setzte. Schließlich hatte er großen Anteil bei der Ausarbeitung der Bulle selbst. Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 1, S. 371f.
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Wittenberger Stiftsherr Johann Dölsch und der Zwickauer Prediger Silvius Egranus betroffen waren. Karlstadt selbst, der nun unvermittelt vom Bann bedroht war, hat die Bulle mit einer Appellation am 19. Oktober wegen ihres Inhalts und Formfehlern angefochten. Er bemängelte, dass der Papst ihn ohne vorherige Zitation verurteilt und nicht einmal seine Bücher gelesen habe. Darüber hinaus war Karlstadts Name nicht von ihm selbst auf die Bulle gesetzt worden.114 Mit der Schrift „Von päpstlicher Heiligkeit“, die ebenfalls im Oktober entstand, sagte er sich vom Papsttum los. 115 Er erreichte zwar, dass sein Fall von dem Luthers abgelöst wurde, aber im Jahre 1522 wurde gegen ihn in Rom eine Bannbulle vorbereitet, deren Veröffentlichung nur aufgrund des Todes von Papst Leo X. unterblieb. Auch wenn es im Vorfeld immer wieder Verstimmungen zwischen Karlstadt und Luther gegeben zu haben scheint, die gegen sie gemeinsam gerichtete Bannandrohungsbulle stellte die Einigkeit wieder her. Doch währte diese nicht lange, schon bald sollte es zur Entfremdung kommen. Der Anlass hierzu war der Tod des Propstes des Allerheiligenstifts, Henning Göde, am 21. Januar 1521. Karlstadt hatte sich offenbar bereits seit Längerem Hoffnungen auf dessen Nachfolge gemacht, sodass er sich sogleich auf die erledigte Pfründe bewarb. Umgehend setzte er auch den befreundeten Spalatin von seinem Wunsch, Göde nachzufolgen, in Kenntnis. Doch von Seiten der Universität scheint man sich von Beginn an einig gewesen zu sein, dass man Karlstadt, obwohl er formal alle Voraussetzungen erfüllte, auf dem Posten nicht wollte. Nikolaus von Amsdorf sprach sich noch am Todestag Gödes im Namen der Universität für die Nomination eines Nachfolgers durch den Kurfürsten aus, da man in den eigenen Reihen niemand Geeigneten hätte.116 Mag dieses Verhalten für Karlstadt bereits bitter gewesen sein, so muss ihn die fehlende Unterstützung durch Luther117 und Spalatin noch viel mehr geschmerzt haben. Als schließlich Justus Jonas, der von Spalatin vorgeschlagen worden war, zum neuen Propst gewählt wurde, fühlte sich Karlstadt zurückgesetzt und übergangen. Die bis dahin freundschaftliche Beziehung zu Spalatin kühlte deutlich ab, was für Karlstadt nicht zuletzt den Verlust des Zugangs zu Hofkreisen bedeutete. Er zog sich zunächst zurück, zumal sich nun mit dem Wormser Reichstag alles auf Luther fokussierte.118 114 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 229. 115 Vgl. ebd., S. 219. 116 Kurfürst Friedrich bot die Stelle vergeblich dem Gothaer Humanisten Mutian an, mit dem er sich verbunden fühlte. Schließlich wurde seine Aufmerksamkeit durch Spalatin und Jakob Vogt auf Justus Jonas gelenkt. Vgl. CR, Bd. 1, S. 390 sowie HÖSS, Georg Spalatin, S. 204. 117 Luther hatte dem Begehren Karlstadts zumindest anfangs noch zugestimmt, erst später, offenbar nach Rücksprache mit der Universität und Spalatin, war er davon abgerückt. 118 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 242–244.
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In Worms wurde im April 1521 die Offerte des dänischen Königs Christian II., Luther und Karlstadt an seine Universität in Kopenhagen ziehen zu wollen, an Kurfürst Friedrich herangetragen. Zunächst zeigte er sich wenig begeistert von den Avancen, die der Dänenkönig Luther machte, wenngleich er offenbar gegen den Weggang Karlstadts nichts einzuwenden gehabt hätte. Die Situation veränderte sich jedoch mit dem Verhör Luthers in Worms am 18. April 1521. Bis zum Beschluss, Luther im eigenen Land zu schützen, wird die Option, Luther außer Landes nach Dänemark zu bringen, als eine mögliche Alternative angesehen worden sein. Umso heftiger wurde schließlich Karlstadt umworben, er brach Ende Mai 1521 von Wittenberg aus zu einem einjährigen Aufenthalt nach Dänemark auf.119 Er kehrte jedoch sehr viel schneller als vereinbart zurück. Bereits Mitte Juni traf er wieder in Wittenberg ein. Rechnet man den Reiseweg ein, wird sein Aufenthalt in Kopenhagen wohl nur zwei Wochen gedauert haben.120 Friedrich indes war sehr besorgt über die Rückkehr Karlstadts nach Wittenberg, hatte er doch gehofft, dass mit dem Verschwinden Luthers auf die Wartburg und Karlstadts nach Dänemark sich die Lage nach Verhängung der Reichsacht zunächst beruhigen würde. Deshalb beauftragte er Spalatin damit, Karlstadt zur Rückkehr nach Dänemark zu bewegen. Doch Karlstadt war von Beginn an nicht zufrieden gewesen mit den Bedingungen, unter denen er in Kopenhagen arbeiten sollte. So verlangte Christian II. im Voraus die Zusicherung, dass Karlstadt nichts gegen den Papst ausgehen ließ, das nicht zuvor vom ihm geprüft worden war. Deshalb verspürte er wenig Neigung, dorthin zurückzukehren.121 Nach der Unterredung
119 Vgl. ebd., S. 255f. Zu der prinzipiellen Frage, ob sich Karlstadt wirklich in Dänemark aufgehalten hat, vgl. Theodor KOLDE, Carlstadt und Dänemark, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 8 (1886), S. 283–293 sowie Dietrich SCHÄFER, Carlstadt in Dänemark, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 13 (1892), S. 311–318. 120 Gemäß BARGE hat Karlstadt Dänemark in gutem Einvernehmen mit Christian II. verlassen. Als Erklärung, weshalb der Dänenkönig ihn nach intensiver Anwerbung nach so kurzer Zeit wieder ziehen ließ, gibt er die politische Großwetterlage an. Christian erhoffte sich sowohl politische als auch finanzielle Zugeständnisse Karls V., sodass er ihn nicht durch die offene Förderung der Reformation verärgern wollte. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 260f. 121 Spalatin fertigte am 24. Juni 1521 einen Originalbericht von der Unterredung mit Karlstadt an. Hieraus geht sowohl die Verpflichtung zur Zensur bei Schriften gegen den Papst hervor als auch die geplante Dauer des Aufenthalts über ein Jahr. „Doctor Karlstat bekennt, das er dem konyg zu Denenmarck zusagung gethan hab seiner konyglichen w. ein jar zu dienen und zu lesen und predigen und die wochen zwen tag zu raten. […] Weil im aber zu Denemarck sey eingebunden, er soll wider den babst nichts schreiben und aussgeen lassen, er habs dann zuvor den konyg lassen sehen, auch das er in Denemarck sich besorgt vor dem bebstlichen bann und keyserlichen acht, auch vor ayner person. Derhalben sey er sorgfeldig sich in Denemarck zu begeben.“ Vgl. Otto WALTZ,
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mit Spalatin stellte Karlstadt einen Bedingungskatalog auf, unter dem er bereit war, in den aus seiner Sicht gefahrvollen Dienst am dänischen Hof zurückzukehren.122 Zwar übersandte man einen Teil der Bedingungen an die Wittenberger Universität zur Begutachtung, aber es war bereits sicher, dass die Forderungen zu umständlich und kostspielig waren, um sie zu erfüllen.123 So blieb Karlstadt in Wittenberg und entwickelte sich in Abwesenheit Luthers zum führenden Kopf der reformatorischen Bewegung in der Universitätsstadt. Als es, ausgelöst durch die Predigten des Augustinermönchs Gabriel Zwilling, zur Abschaffung der Still- und Seelmessen im Augustinerkloster kam, gehörte Karlstadt einer Kommission an, welcher die Untersuchung und Prüfung der Angelegenheit oblag. 124 Nach erfolglosen Aussprachen mit den Mönchen beschloss diese, ehe eine Stellungnahme für den Kurfürsten erarbeitet werden sollte,125 zunächst am 17. Oktober 1521 im Rahmen einer Doktorpromotion die strittigen Themen mit zahlreichen Wittenberger Gelehrten zu disputieren. Dazu stellte Karlstadt als Promotor eine Reihe von Abendmahlsthesen auf, die später als Grundlage für das Gutachten an den Kurfürsten dienen sollten. Neben bereits bekannten theologischen Fragen, wie der nach der Bedeutsamkeit des Abendmahls unter beiderlei Gestalt und der Abschaffung der Privatmessen, schnitt man in der Disputation auch die Frage an, wem das Recht zustehe, kirchliche Reformen vorzunehmen. Nach erregten Diskussionen, in denen Karlstadt eine
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Epistolae Reformatorum I, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 2 (1878), S. 117–188, hier S. 128, Anm. 2. Vgl. ebd., S. 128–130, Nr. 10. Vgl. ebd., S. 128, Anm. 2. Es handelt sich wiederum um eine Mitteilung Spalatins. „Doctor Karlstats halben antwort die universiteth, hab doctor Karlstat hinder meinem g.h. dem konyg etwas zugesagt, so wissen sie den statuten zu entgegen nicht zu bewilligen anders, dann das er sein ampt mit einem gleichmessigen zu verwalten. So wer es in irem vermugen nicht im ichts zu kauffen. Wolt im mein g.h. etwas am hauss aus gnaden nachlassen, des wurd bey seiner c.g, stehen. Sunst achten sie das für das best, das doctor Karlstat sein zusage voltziehe.“ Der Kommission gehörten neben Karlstadt auch der Vizerektor der Universität Tilemann Platner, Justus Jonas, Dölsch, Amsdorf, Schurff, Melanchthon und Christian Beyer als kurfürstlichen Rat an. Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 28–30 (Brück an Friedrich den Weisen, 11. Oktober 1521). Zur Aufgabe der Kommission schrieb Brück an Friedrich folgendes: „Vnd von dem prediger eigentlich erkunden, was er geprediget, Vnd, wo er des gestendig, was er des vnd des andern furnhemens mit seynenn anhengerenn, das ist, wie ich itzundt hore, der gantze vonuent, vor vrsachenn vnd grunde hab. Vnd sunderlich wollen sy mit jn handelen, das sy noch zcur tzeyth mit dem meß halten keyne naurung machen ader einfhuren wollen, Sundern bey der althen weys pleibenn, bis das sy entzwer von yrem vicario beschiedt erlangenn, ader die ding jn der vniuersitet baß disputirt vnd beradtslagt werden. Vnd, wo sy sich nit wollenn weysenn laßenn, ßo wollen sy als dan eynenn radtslag stellen vnd weyther ire bedencken, wie zcu thun seyn sall, e.c.f.g. antzeigen.“ Nach dem Bericht Brücks hatte Friedrich dies offenbar verlangt. Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 32.
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gemäßigte Haltung gegenüber dem stürmischen Begehren vieler einnahm, alle Missbräuche sofort abzustellen, einigte man sich darauf, dass wenigstens an einigen Tagen eine Messe abgehalten werden sollte, bei der das Volk die Gelegenheit hätte, unter beiderlei Gestalt zu kommunizieren.126 Kurz darauf fertigte Karlstadt den Entwurf des Gutachtens für den Kurfürsten an, das am 20. Oktober an ihn abgeschickt wurde. Neben der Begründung der Augustiner, warum sie sich zur Abschaffung der herrschenden Messpraxis entschlossen hatten, nahmen die Kommissare auch Stellung zur Frage des Abhaltens von Privatmessen. In diesem Punkt waren sie zu dem Schluss gekommen, dass man mit Rücksicht auf die Schwachen diese durchaus noch feiern könne, auch wenn es in der Schrift keine Stelle gebe, die dies explizit anzeige.127 Das Gutachten endete mit einem Appell an den Kurfürsten, dass er als christlicher Fürst den Missbrauch der Messe abstellen und sich nicht um diejenigen kümmern solle, die ihn als Böhmen oder Ketzer bezichtigen.128 Friedrich waren die Vorgänge im Augustinerkloster höchst suspekt. Aus seiner Sicht waren die Umstände zur Durchführung so weitreichender Maßnahmen nicht günstig. Die Aufhebung der Messen in den Klöstern würde deren wirtschaftliche Existenz untergraben, der Vorwurf der Ketzerei würde nicht ausbleiben. All das könnte zu mancherlei Beschwerung führen, wie beispielsweise Aufruhr, was in jedem Fall zu vermeiden sei. Trotz dieser ernsten Bedenken vonseiten Friedrichs vermied er es aber, seine kurfürstliche Autorität in die Waagschale zu werfen. Er forderte zunächst ein einhelliges Gutachten aller Glieder der Universität und des Allerheiligenstifts.129 In Wittenberg heizte sich indessen die Stimmung immer weiter auf. Dabei blieben Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der alten und der neuen Lehre nicht aus. Vor allem die Studentenschaft zeigte sich auch zu gewalttätigen Aktionen bereit. So kam es am 3. Dezember zu Ausschreitungen in der Pfarrkirche130 und am 4. Dezember zu Auseinandersetzungen während des Gottes126 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 316–324. Die Thesen Karlstadts im lateinischen Original finden sich ebenfalls bei BARGE im Anhang, Exkurs V, S. 484–490, Nr. 18. 127 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 324f. In dem Punkt der Privatmessen konnte Karlstadt seine gemäßigten Ansichten gegen die Forderung von Melanchthon und Jonas nach deren sofortiger Abschaffung durchsetzen, was sein Ansehen unter den Wittenberger Gelehrten unterstreicht. 128 Das Gutachten ist gedruckt in: MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 35–41. Johann Dölsch sandte dem Kurfürsten ein Separatgutachten, ebd., S. 42–46. 129 Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 50–53 (Instruktion Friedrichs des Weisen an Christian Beyer, 25. Oktober 1521). 130 Vgl. ebd., S. 73f. Friedrich der Weise erhielt darüber noch am gleichen Tag Nachricht vom Rat der Stadt Wittenberg.
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dienstes im Franziskanerkloster. 131 Mitverantwortlich waren dabei kurz zuvor eingetroffene Studenten aus Erfurt. Friedrich forderte nun nachdrücklich die bereits seit Oktober erwartete einhellige Meinungsäußerung von Universität und Kapitel zu den Veränderungen der Messe.132 So unter Druck gesetzt, teilte die Kommission Christian Beyer mit: sye wurdenn sich aber nummermher eyner eintrechtlichenn anthworth entschlissenn, dye weyll der ausschueß vff jr meynung beruhet vnd dye andernn bey dem gebrauch bleyben woltenn. Wye aber dem, ßo soltenn dye jhenen, ßo es mith dem außschueß nicht hyltenn, jre meynung vnd vrsach, wurumb es nicht seyn solt, in schrifft bryngenn, welchs als dan e. ch. f. g. zugeschickt sollt werdenn.133
Schließlich wurde das Gutachten der Kommission und damit der evangelisch gesinnten Mitglieder von Universität und Stift am 12. Dezember 1521 samt einem Anschreiben, in dem nochmals die Unmöglichkeit eines einhelligen Votums bekräftigt wurde, an Friedrich abgesandt. Unterzeichnet wurde das Gutachten von Johann Eisermann, Andreas Bodenstein, Hieronymus Schurff, Stephan Wild, Augustin Schurff, Philipp Melanchthon, Nikolaus von Amsdorf und Johann Reuber, wobei Karlstadt als sein Verfasser gelten kann. Darin wurde in keinem Punkt von den Forderungen des ersten Gutachtens zurückgewichen. Intensiv setzte man sich mit den Einwendungen des Kurfürsten diesbezüglich auseinander, um zu dem Schluss zu kommen, dass diese hinfällig seien, im Angesicht der Tatsache, dass man ohne Not und nur um der Geldgier der Klöster, Stifte und Geistlichen willen von der alten und in der heiligen Schrift überlieferten Form der Messe abgewichen sei und diese nun missbrauche; ein Zustand der schnellstens abgestellt werden müsse.134 Während die städtischen Vertreter Wittenbergs sich für eine harte Bestrafung der Unruhestifter einsetzten und den Kurfürsten deshalb darum baten, ihnen zur Unterstützung die Amtleute von Belzig und Gräfenhainichen zu schicken, 135 befahl Friedrich die Wiederherstellung der alten kirchlichen Bräuche. 131 Vgl. ebd., S. 77f. (Rat der Stadt Wittenberg an Friedrich den Weisen, 5. Dezember 1521). 132 Vgl. ebd., S. 75f. (Friedrich der Weise an Christian Beyer, 4. Dezember 1521). 133 Ebd., S. 79. Christian Beyer an Friedrich den Weisen, 6. Dezember 1521). In gleichem Sinne äußerte sich der Rektor der Universität gegenüber Georg Spalatin. Dies teilte Spalatin Friedrich dem Weisen um den 12. Dezember 1521 mit. Vgl. ebd., S. 81f. 134 Das Gutachten ist gedruckt in: MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 84–90. Die altgläubigen Mitglieder des Allerheiligenstifts reichten ein eigenes Gutachten ein. Ebd., S. 107–115 (14. Dezember 1521). Hinzu kamen zwei Separatgutachten. Eines von Otto Beckmann (gedruckt in: BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, Anlage Nr. 11) und eines von Johann Dölsch, vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 102–106. 135 MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 97 (Schreiben des Rats der Stadt Wittenberg an Friedrich den Weisen, 12. Dezember 1521). Offenbar war dieser Wunsch bereits in einem vorhergehenden Schreiben geäußert worden. Friedrich gab der Bitte statt und
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Derhalben wellest von vnsert wegen genediglich begeren, das sie sich von vngebreuchlicher einfhurung der Messen enthalten, auch den yrn zutun nit gestaten vnd es bey dem alten gebrauch wollten bleiben lassen, biß das es von andern auch bewogen werdt, vnnd die sache in weyter vnd mer bedencken nehmen, auch davon disputiren, schreyben, leßen vnd predigen, vnd solchs alles mit einer cristlichen vnd vernunftigen maß furnemen vnd handeln, vnd also, das nichts anders dan die Ere Cristi darjnnen gesucht vnd jne nicht verweißlichs moge zugemessen werden […].136
In dieser Lage entschloss sich Karlstadt, der sich bisher in Zurückhaltung geübt und selbst kaum noch Messen gehalten hatte, zu einem unerwarteten Schritt. Er kündigte am 22. Dezember 1521 eine öffentliche Feier des Abendmahls unter beiderlei Gestalt für den Neujahrstag an,137 was ihm von den kurfürstlichen Räten umgehend untersagt wurde.138 Nachdem es aber am Weihnachtsabend 1521 zu Ausschreitungen der Bevölkerung in der Pfarr- und Stiftskirche gekommen war, entschloss sich Karlstadt, das Abendmahl unter beiderlei Gestalt bereits am 25. Dezember unter großem Zulauf der Wittenberger Bevölkerung abzuhalten.139 Damit verstieß er klar gegen den Befehl des Kurfürsten und wechselte von seinem bisher eher ruhigen und zurückhaltenden Verhalten in eine aktive und voranstrebende Position. Von nun an ließ sich Karlstadt, überzeugt davon, dass
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instruierte die beiden Amtleute entsprechend. Vgl. ebd., S. 117–119. Aus der Instruktion geht hervor, dass der Rat zwar willens war, die Übeltäter zu bestrafen, ein Teil der Bürgerschaft sich dem jedoch entgegengesetzt hatte. Die Bürgerschaft forderte nicht nur Straffreiheit für die Verantwortlichen der Unruhen vom 3. und 4. Dezember, sondern übergab dem Rat auch sechs Artikel, in denen sie ihre Wünsche zum Ausdruck brachten. Die Artikel hatten folgenden Inhalt: 1. Freie Predigt für jedermann; 2. Abstellung aller gezwungenen Messen; 3. Beseitigung der Requiem, Begängnisse, Vigilien, Bruderschaften, Hochzeits- und Votivmessen; 4. Das Recht auf Kommunion unter beiderlei Gestalt; 5. Schließung von Bier- und Schankhäusern, in denen ungebührlich gesoffen wird 6. Schließung der zahlreichen Hurenhäuser in der Stadt, unabhängig davon, ob sie dem Rektor oder dem Bischof gehören. Vgl. Hermann BARGE, Frühprotestantisches Gemeindechristentum in Wittenberg und Orlamünde, Leipzig 1909, S. 48f. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 124. Aus einem Schreiben, dass zwischen dem 22. und 25. Dezember 1521 verfasst wurde und an Christian Beyer abging, geht hervor, dass die kurfürstlichen Räte über Karlstadts Ankündigung informiert waren. „Vns langt an, wie doctor Karlstat am nast vergangen Sontag [22. Dezember] in der Stifft kirchen zu wittenberg sal gepredigt haben, das er vf das kunftig fest Circumcisionis domini [1. Januar], welchs er halten muss, offenberlichen communiciren yderman, wer do welle, sub vtraque specie panis et vini vnd davor ein kurtz sermon thun, vnd welle slechts sprechen verba consecracionis vnd die andern schirmysslege alle aussen lassen.“ MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 125. Gleiches Schreiben wie vorher, S. 126. Vgl. den Bericht der katholischen Stiftskanoniker an Friedrich den Weisen vom 29. Dezember 1521 in: MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 132f.
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nicht der Kurfürst, sondern der Rat von Wittenberg die maßgebende Instanz für die Ordnung der religiösen Angelegenheiten der Stadt sei, von der Laiengemeinde tragen. Und in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Rat gegenüber den Neuerungen positiv verhielt, war Karlstadt sehr zuversichtlich und wollte nicht bremsen. Persönlich manifestierte er seine Hinwendung zur Reformation durch seine Verlobung mit Anna von Mochau aus Seegrehna, die er am 19. Januar 1522 heiratete.140 Indes wurden in Wittenberg im Laufe des Januar 1522 umfangreiche Reformen durchgeführt, an denen Karlstadt entscheidenden Anteil hatte. Zwar hatte das Verbot des Kurfürsten, Neuerungen einzuführen, nach wie vor Bestand, doch offenbar sah man sich nicht im Gegensatz dazu, als man am 24. Januar 1522 die „Ordnung der Stadt Wittenberg“ erließ.141 Hierbei handelte es sich zum einen, bezogen auf die Neugestaltung des kirchlichen Ritus, im Wesentlichen um die Sanktionierung der bereits seit Weihnachten 1521 üblichen Praxis, zum anderen mit der Verfügung zur Entfernung von Bildern und Altären aus den Kirchen, der Zusammenlegung der Einkünfte in einen gemeinen Kasten, der Abschaffung der Bruderschaften und dem Kampf gegen die Berufsbettelei um ein weiterführendes religiöses, soziales und wirtschaftliches Programm, dessen konkrete Ausgestaltung noch notwendig war. Doch grundsätzlich hatten sich der Rat der Stadt und die Gelehrten der Universität in engem Einvernehmen auf diese Maßnahmen geeinigt. Selbst Christian Beyer, der im Januar 1522 turnusmäßig zum Bürgermeister Wittenbergs gewählt worden war, sah offenbar keine Kollision fürstlicher und städtischer Interessen durch die neue Ordnung. Lediglich mit der Entfernung der Bilder scheint Beyer selbst nicht einverstanden gewesen zu sein.142 Wie reagierten nun die kursächsischen Fürsten auf das eigenmächtige Handeln der Wittenberger? Friedrich hielt sich seit etwa Mitte Januar 1522 in Allstedt auf, sodass der Rat Hugold von Einsiedel die Verhandlungen führte. Von Allstedt aus reiste er zu Johann nach Weimar, wo er sich vom 21. Januar bis zum 4. Februar aufhielt. Wahrscheinlich war Johann in dieser Zeit, in welche auch die Wittenberger Unruhen fielen, erstmals direkt mit der Lage in der Stadt konfrontiert. Auch wenn wir über keine Quellen zu den persönlichen Beratungen der Brüder in Weimar verfügen, so fällt es nicht schwer, sich vorzustellen, in welcher Not sich beide befanden. 140 Ebd., S. 146f. Am 6. Januar 1522 teilte Karlstadt Friedrich dem Weisen mit, dass er sich am 27. Dezember 1521 verlobt hatte. 141 Was in dieser Ordnung beschlossen wurde, teilte Christian Beyer dem kurfürstlichen Rat Hugold von Einsiedel am 25. Januar 1522 in einem Schreiben mit. Vgl. ebd., S. 174f. Von Einsiedel leitete es am 2. Februar an den Kurfürsten weiter. Vgl. ebd., S. 177. 142 Ebd., S. 174.
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In Wittenberg hatte sich die Lage seit dem Erscheinen der Zwickauer Propheten Nikolaus Storch und Markus Stübner Ende Dezember 1521 nochmals deutlich radikalisiert. Wichtige Universitätsmitglieder wie Melanchthon und Amsdorf sympathisierten mit deren Lehren,143 während Karlstadt, als einer der angesehensten Professoren der Universität, sich zum kompromisslosen Verfechter des Bilderverbots entwickelte. Seiner Meinung nach war die Bilderanbetung mit einem tiefverwurzelten Aberglauben verbunden und eine Verletzung des ersten Gebots. Deshalb sah er nur eine Möglichkeit, der Sache zu begegnen: die rasche Entfernung der Bilder und Ölgötzen aus den Kirchen von Obrigkeitswegen. Dementsprechend drängten er und Gabriel Zwilling den Rat zur Durchführung der bereits beschlossenen Bilderbeseitigung durch scharfe Predigten. Die am 27. Januar 1522 veröffentlichte Flugschrift Karlstadts „Vom Abtun der Bilder“ verbreitete sich innerhalb kürzester Zeit und heizte die Stimmung im Volk zusätzlich an. Hinzu trat der Umstand, dass Herzog Georg, der gerade den Vorsitz im Reichsregiment in Nürnberg führte, ein Mandat hatte ausgehen lassen.144 Johann und Friedrich musste sofort klar gewesen sein, dass sich dieses Mandat speziell gegen sie richtete. 145 Akribisch hatte Georg die Vorfälle der letzten Wochen zusammengetragen und im Regiment publik gemacht, sodass dessen Forderung nun lautete: Deshalben und darumb so ersuchen und begern wir an E.L. und G. hiemit ernstlich von amts wegen und sunst fur uns selbst freuntlich und undertheniglich bittend, si wolle, ob sich obberurt oder dergleichen neuerung wider den herbrachten Cristenlichen gebrauch in iren furstentumen, landen und gepieten erhaben oder begeben hetten oder kunftiglich entsteen wurden, die nit einwurzeln lassen, sonder bei hoher straf ernstlich verpieten.146 143 Melanchthon wandte sich bezüglich der Zwickauer Propheten am 27. Dezember 1521 an den Kurfürsten und an Spalatin. Auch Amsdorf schrieb in der Angelegenheit an Spalatin und bat ihn darum, die Informationen an den Kurfürsten gelangen zu lassen. Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 129–131, 137–140. 144 ABKG, Bd. 1, S. 250–252. 145 Vgl. Ernst WÜLCKER/Hans VIRCK (Hg.), Des kursächsischen Rathes Hans von der Planitz Berichte aus dem Reichsregiment in Nürnberg 1521–1523, Leipzig 1899. Planitz kündigte in seinem Brief vom 16. Januar 1522 den Ausgang eines Mandates zur Abstellung der Unschicklichkeiten im Gottesdienst an. S. 68f. Bereits zuvor hatte er über den Eifer Herzog Georgs in dieser Angelegenheit berichtet. Am 3. Februar 1522 bestätigte Friedrich von Weimar aus gegenüber Planitz den Erhalt des Mandats. „Und weil du in derselben schreiben einem angezeigt hast, wie unser vetter herzog Jorg von wegen des furnemens, so sich etlich gaistlich und andere in disen landen understanden etc., als geben wir dir zu erkennen, daz uns nechten ein schrift derhalben zukomen ist, von dem regement ausgangen, darauf wir ine mit gots hilf gedenken antwort zu geben, der wir aber nach nit entslossen.“ (S. 77). Später ließ Friedrich Planitz wissen, dass er nicht geantwortet habe, weil ihm solches vielleicht zum Nachteil hätte ausgelegt werden können. Vgl. S. 104 (3. März 1522). 146 Ebd.
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Ob sich Johann und Friedrich angesichts dieser Entwicklungen gemeinsam bereits in Weimar dazu entschlossen, in Wittenberg einzuschreiten, oder ob Friedrich die Entscheidung erst nach seiner Rückkehr nach Allstedt allein traf, wissen wir nicht. Dort war inzwischen ein Bote des Wittenberger Rats eingetroffen, der ihn über die Unruhen in der Stadt „der Bilder halbenn“ informierte. 147 Am 6. Februar wandte sich Friedrich deshalb an Hugold von Einsiedel, um direkt in das Geschehen einzugreifen. Dabei machte er klar, dass er in keinster Weise damit einverstanden sei, dass in Wittenberg nichts gegen die aufrührerischen Predigten Karlstadts und Zwillings unternommen wurde. Darüber hinaus erteilte er den Befehl, dass der Schosser und der Rat von Wittenberg eine Inventarisierung des Augustinerklosters vorzunehmen hätten. 148 Hugold von Einsiedel hatte sich indes am 3. Februar direkt an Karlstadt gewandt und ihn aufgefordert, den unverständigen, gemeinen Mann nicht zu verärgern, sondern zu bessern und da, wo er zur Verkündigung des Wortes nicht berufen sei, es auch sein zu lassen, da sonst der Gedanke aufkommen könnte, er täte es mehr um seines eigenen Ruhmes willen denn für des Menschen Heil.149 In diesen ersten Februartagen 1522 ereignete sich der Bildersturm in der Wittenberger Pfarrkirche, der von erheblichen Unruhen in der Stadt begleitet war. Leider gibt es nur sehr spärliche Quellen zu den direkten Abläufen, in erster Linie sind es spätere Rechtfertigungsschreiben des Universitätsausschusses an den Kurfürsten, die überhaupt Informationen preisgeben.150 Wohl direkt nach Bekanntwerden der Geschehnisse in Wittenberg bestellte von Einsiedel Christian 147 Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 185. 148 Vgl. ebd., S. 184. Dem Schreiben lag sehr wahrscheinlich auch ein Kredenzbrief Friedrichs an von Einsiedel und die anderen Räte zu Verhandlungen mit den Wittenbergern bei. Ende Januar/Anfang Februar 1522 hatten sich das Stiftskapitel und Johann Dölsch mit Supplikationen an Friedrich gewandt, wovon Friedrich dem Brief an Hugold von Einsiedel am 6. Februar Kopien beigelegte (S. 176). Die in diesen Schreiben zum Ausdruck kommende Uneinigkeit des Stiftskapitels in Glaubensfragen hatte den Kurfürsten sehr verärgert. Außerdem hatte er befohlen, keine Neuerungen vorzunehmen, sondern lediglich davon zu schreiben und zu disputieren, bis auch andere zu derselben Erkenntnis gekommen sind. Das Ergebnis des eigenmächtigen Einführens von Neuerungen sei nun, dass man im ganzen Reich schlecht über Wittenberg redet. Vgl. ebd., S. 190f. (Instruktion für die Verhandlungen Hugolds von Einsiedel und anderen Räten mit den Vertretern von Universität und Stiftskapitel, spätestens 13. Februar 1522). 149 MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 178. Parallel dazu schrieb er auch einen Brief an Philipp Melanchthon mit der Bitte, den ihm selbst unbekannten Zwilling in ähnlicher Weise zu verwarnen. Ebd., S. 178–180. 150 Dazu meint Hermann BARGE, Frühprotestantisches Gemeindechristentum, S. 97: „Jedenfalls deutet alles darauf hin, dass in Wittenberg selbst dem Bildersturm keine übergroße Bedeutung beigemessen worden ist oder dass sich doch der Eindruck, den er hinterließ, bald verwischt hat.“
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Beyer für den 8. Februar nach Eilenburg, um sich mit ihm zu unterreden.151 Zunächst war man sich einig, dass die Ursache der Unruhen in erster Linie bei Karlstadt und Zwilling zu suchen sei: Dieweyll sich doctor karlstat vnnd Magister Gabriel zu predigenn vnerfordert eyndrynngen Vnnd zu weyllen den gemeyn Man durch jr laerr zu yrer selbst herschung bewegen, Inn dem das sye sagenn, das dye gemein woll macht habe, in Nachlessigkeyt der oberkeyt auß einem mitleyden vnnd liebe jchtes furzunemen, vnnd vber das etzlich newerunge predigenn, dadurch vill, dye im glauben nicht befestigt, geergert […].152
Aus diesem Grund sei es notwendig, dass sich der Wittenberger Rat mit dem Kapitel darüber verständige, dass dieser Sorge trüge, dass die Gemeinde nur von verantwortungsvollen Predigern versorgt würde. Mit Rücksicht auf diejenigen, die noch nicht ausreichend in Gottes Wort unterwiesen seien, dürfe man die Zeremonien im Gottesdienst nicht ganz zugrunde gehen lassen. Insgesamt sollen die Dinge so schnell wie möglich in eine christliche und unärgerliche Form überführt werden. Dabei solle auch mit den Mönchen des Augustiner- und Franziskanerklosters geredet werden, dass vor allem die Augustiner keine Fremden an sich ziehen, sondern einem Gelehrten aus ihren Reihen das Predigtamt übertrügen.153 Nachdem sich Doktor Johann Dölsch aus Feldkirchen und einige Mitglieder des Stiftkapitels beschwerdeführend an den Kurfürsten gewandt hatten, wurden auf dessen Wunsch ebenfalls Vertreter der Universität und des Stiftskapitels nach Eilenburg bestellt.154 Dazu fertigte Hugold von Einsiedel eine Instruktion für die Verhandlungen an.155 Diese ist deutlich vom Mandat des Reichsregiments beeinflusst, das den Räten in der Zwischenzeit, wahrscheinlich verbunden mit einer Handlungsanweisung der Fürsten, übermittelt worden war. 156 Darin wurde 151 Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 186. Ich gehe nicht davon aus, dass die Einbestellung Beyers bereits eine Reaktion auf das kurfürstliche Schreiben vom 6. Februar war. 152 Ebd. (Ergebnis der Verhandlungen zwischen Hugold von Einsiedels und Christian Beyer, 8. Februar 1522). 153 Ebd., S. 187. 154 Ebd., S. 204 (Hugold von Einsiedel an Friedrich den Weisen, 14. Februar 1522). Die Supplikation des Stiftskapitels ist verloren gegangen. 155 Während MÜLLER aufgrund von inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten, wie beispielsweise des Schreibers, davon ausgeht, dass von Einsiedel der Verfasser der Instruktion ist, glaubt BARGE, dass diese dem Schreiben Friedrichs vom 6. Februar beilag. Ich folge hier der schlüssigeren Argumentation Müllers. Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 190, Anm. 3 sowie BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 409, Anm. 211. 156 Die Kenntnis des Mandats vom 20. Januar 1522 geht nicht zuletzt aus der Bemerkung hervor, dass die Vorgänge in Wittenberg Ärger im Reich erregt hätten. Vgl. MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 191. Sehr wahrscheinlich stand auch die Einbestellung der
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Universität und Stift zunächst die interne Uneinigkeit die kirchlichen Neuerungen betreffend vorgehalten sowie die den kurfürstlichen Befehl verletzende Einführung von Neuerungen, die dem Ruf von Wittenberg geschadet hätten, scharf verurteilt. Deshalb wurden folgende Maßnahmen gefordert: Man solle sich zu verschiedenen Dingen nochmals beraten, so beispielsweise, was das Abnehmen der Bilder betrifft. Man gebe zu bedenken, dass es bei einer solch äußerlichen Angelegenheit vielleicht besser gewesen wäre, damit noch zu warten und Rücksicht auf die noch im Glauben Schwachen zu nehmen.157 Um sich gegen die Vorwürfe zu rechtfertigen, reichte die Universität zu den Eilenburger Verhandlungen am 13. Februar ein Gutachten ein, das wiederum von der bereits bekannten Kommission mit den Mitgliedern Johann Eisermann (als amtierender Rektor der Universität), Justus Jonas, Karlstadt, Dölsch, Amsdorf, Schurff, Melanchthon und Christian Beyer erstellt worden war. Darin gab sie offen zu, den Befehl des Kurfürsten, keine Neuerungen in der Messe einzuführen, missachtet zu haben. Auch in diesem Gutachten wird Karlstadt ganz klar als Initiator und Auslöser für die vorgenommenen Änderungen und deren Folgen genannt. Nachdem Karlstadt also sowohl in der Stifts- als auch in der Pfarrkirche die Messe verändert hatte, wären Rat und Gemeinde der Stadt an die Kommission herangetreten und hätten deren Rat erbeten. „Darauff haben wir vnser gutdungken vnd radtschlag, ßo vil wir vorstanden, yhn angeczeigt vnd haben es der maß, wy iczunt dy meß yn der pfar gehalden wirt, vor gut angesehen vnd sehns ouch nach do vor an.“158 Was die Bilder anbelangt, hätte man auf dem Rathaus beschlossen, dass diese geordnet durch den Rat als Obrigkeit abgehängt werden sollten. Dass einige sich nicht daran gehalten hätten, daran trügen sie keine Schuld, teilweise seien die Übeltäter ja auch bereits vom Rat bestraft worden. Ein dritter Punkt betrifft die Armenversorgung, wofür man nun die Zinsen und Renten der Bruderschaften nutzt, da „dy gar keyn nucz seyn dan czu fresßen vnd sauffen“. 159 Ebenso schlägt man vor, erledigte Lehen ebenfalls der Armenfürsorge zuzuschlagen. Diese Maßnahmen habe man in der festen Überzeugung ergriffen, damit der Armut begegnen zu können. Diese Rechtfertigungsschrift zeigt nicht zuletzt, wie bestimmt und selbstbewusst man sich zu den ergriffenen Maßnahmen in Wittenberg bekannte, die alle im Wesentlichen auf Karlstadt zurückgingen. Kein Wort des Zweifels oder der Unsicherheit. Gegenüber der Obrigkeit stand man fest zu den Neuerungen. Diese
Stifts- und Universitätsvertreter nach Eilenburg in direktem Zusammenhang mit dem Mandat. Vgl. BARGE, Frühprotestantisches Gemeindechristentum, S. 132. 157 Diese Argumentation, die nach der Rückkehr Luthers von der Wartburg als Rechtfertigung für die Rücknahme der vorgenommenen Neuerungen diente, stammte also aus dem Umfeld der kurfürstlichen Räte. 158 MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 194. 159 Ebd., S. 194f.
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feste Verhandlungsposition dürfte auch einen gewissen Eindruck auf die kurfürstlichen Räte gemacht haben. In diesem Sinne zeigt sich auch die Vereinbarung, wie sie bei den Beratungen in Eilenburg am 13. Februar 1522 zustande kam. Im Gros war man nicht bereit, die Bestimmungen der Wittenberger Messordnung vom 24. Januar zurückzunehmen. Täglich wird eine Messe in der alten Form gehalten mit Auslassung des Kanons unter Beibehaltung der jetzigen Praxis des Abendmahles. Zur Fastenzeit soll gefastet werden und es sei darauf zu achten, dass keine ungeschickten Priester Messe halten. Karlstadt selbst, der durchaus seine Verantwortung für die Ereignisse in Wittenberg sah, erklärte sich bereit, zunächst auf das Predigen zu verzichten, um die Gemeinde wieder in ruhigeres Fahrwasser kommen zu lassen. Hugold von Einsiedel konnte am 14. Februar Karlstadts diesbezügliche Zusage dem Kurfürsten mitteilen: „[…] nachdem auch doctor karlstat zugesagt, sich hinfurder dergleichen predigens zuenthaltenn, Vnnd, wue es nit geschee, wolt er willig straf darumb leidenn.“160 Dieser Verzicht war für ihn sicher zu verschmerzen, hatte sich doch der Universitätsausschuss während der Verhandlungen mit den kurfürstlichen Räten ganz und gar auf seine Seite gestellt. Auch der maßgebliche kurfürstliche Rat Hugold von Einsiedel scheint mit dem Erreichten zufrieden gewesen zu sein, ihm schien es möglich, mit den gefassten Beschlüssen Ruhe und Ordnung in Wittenberg wieder herzustellen. Kurfürst Friedrich beurteilte die Lage jedoch anders und verweigerte den Eilenburger Beschlüssen seine Zustimmung. Am 17. Februar teilte er Hugold von Einsiedel mit, dass er zum einen über die Uneinigkeit in Universität und Kapitel zu Wittenberg verärgert sei und zum anderen darüber, dass die Wittenberger trotz des Befehls, alles beim alten Gebrauch zu lassen, bis auch andere Universitäten dazu Stellung bezogen hätten, Neuerungen eingeführt hätten. Das sie sich aber vnderstanden, ein ordnung zu machen, wie die meß sol gehalten werden, achten wir bey vns, das sich in dem von jnen zu vil vnderstanden, das wir auch mit beswerten gemuet gehort, vnd hetten vns versehen, sie wurden es bey dem alten gebrauch, wie obuermelt, an sie geworben, biß ander vniuersitet nach davon geredt, haben bleiben lassen. […] Derhalben wellen wir vns versehenn, du vnd die andern Rete werdet euch gegen die vniuersitet vnd Capittel derhalben also haben vernemen lassen, dormit es nit dorfur geacht, alß hetten wir oder jr von vnsert wegenn in die artikel, so sie furgenomen vnd dir vnd den andern Reten vberantwort, bewilligt oder gehelt.161
Friedrich war also nicht bereit, die Wittenberger Ordnung und die Beschlüsse von Eilenburg zu genehmigen, was die Räte den Wittenberger Verantwortlichen unverzüglich mitzuteilen hätten. Die Entscheidung begründete er von Einsiedel 160 Ebd., S. 205. 161 MÜLLER, Wittenberger Bewegung, S. 207f.
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gegenüber mit dem Druck, der durch das Reichsregiment und den Bischof von Meißen auf ihm laste.162 Aus seinen Briefen wissen wir, dass Friedrich zu dieser Zeit keine nennenswerte Zahl an Beratern in Allstedt um sich hatte und gesundheitlich stark angeschlagen war. In diesem Zusammenhang ist es höchst bedauerlich, dass uns keine Stellungnahmen Johanns erhalten sind.163 Dass der Kurfürst den Ereignissen einen außerordentlich hohen Stellenwert beimaß, zeigt der Umstand, dass er sich, trotz anhaltender gesundheitlicher Probleme, von Allstedt nach Lochau, also in die unmittelbare Nähe Wittenbergs, zurückbegab.164 Es galt, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie und mit welchen Mitteln die in der Stadt vorgenommenen Veränderungen wieder rückgängig gemacht werden konnten. In Anbetracht der Entschlossenheit, mit der die Wittenberger bisher aufgetreten waren, musste Friedrich davon ausgehen, dass Zwangsmaßnahmen unumgänglich werden könnten. Dass es in Wittenberg infolge der rechtlichen Nichtanerkennung der getroffenen Beschlüsse durch ihn zu einem Meinungsumschwung gekommen war, konnte er nicht wissen. Das ge- und entschlossene Auftreten der Kommission am 13. Februar den kurfürstlichen Räten gegenüber wich nun einer Ängstlichkeit vor den möglichen Konsequenzen. Offenbar überfordert von der Situation, wandten sich die Wittenberger an Luther, der die Vorgänge bis dahin wohlwollend von der Wartburg aus verfolgt hatte, und baten ihn um Rückkehr in die Stadt. Von der alten Einigkeit war nichts mehr zu spüren, man beeilte sich, Karlstadt die alleinige Verantwortung für die missliche Lage zuzuschieben. In dieser Situation erreichten Friedrich um den 24. Februar 1522 zwei Briefe. Der eine, geschrieben von Herzog Georg aus Nürnberg, enthielt die Forderung, die Vorgänge in Wittenberg nicht länger zu dulden und gegen sie und deren
162 Vgl. ebd., S. 208. Vom Wunsch des Meißener Bischofs nach einer Visitation in kursächsischem Gebiet hatte Friedrich Hugold von Einsiedel am 12. und 13. Februar 1522 schriftlich unterrichtet und um den Ratschlag der in Eilenburg weilenden Räte gebeten. Vgl. Karl PALLAS, Briefe und Akten zur Visitationsreise Bischofs Johannes VII. von Meißen im Kurfürstentum Sachsen 1522, in: Archiv für Reformationsgeschichte 5 (1908), S. 217–312, hier S. 245f. Parallel dazu bat er auch Johann und dessen Kanzler Gregor Brück um Rat. Ebd., S. 243–245. 163 Am 16. Februar erteilten die kurfürstlichen Räte ihren Ratschlag bezüglich des Visitationswunsches des Bischofs von Meißen. Darin erklärten sie, dass dem Bischof die Visitation und der angeforderte Schutz zu genehmigen sei, die Bestrafung der drei durch den Bischof namentlich genannten evangelischen Prediger aber auf keinen Fall aus der Hand gegeben oder dem Bischof zugearbeitet werden dürfe. Vgl. PALLAS, Briefe und Akten zur Visitationsreise Bischofs Johannes VII., S. 246–248. Dessen ungeachtet sagte Friedrich am 22. Februar dem Bischof seine volle Unterstützung zu. Ebd., S. 248f. 164 Vgl. ebd., S. 245 (Friedrich an Hugold von Einsiedel, 12. Februar 1522).
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Protagonisten einzuschreiten.165 Der andere Brief war ein Schreiben Luthers, das wohl seine Reaktion auf die Berichte der Wittenberger Freunde in den letzten Tagen darstellte. In ironischen Worten formulierte Luther seine Beunruhigung über die Vorgänge in Wittenberg und bat den Kurfürsten, sich klug und unverzagt zu verhalten. Außerdem kündigte er seine baldige Rückkehr in die Stadt an.166 Sicher kam dem Kurfürsten dieses Schreiben nicht ungelegen. Von Herzog Georg erneut zum Einschreiten aufgefordert, erhielt er nun von Luther die schriftliche Bestätigung, dass auch er die Vorgänge in Wittenberg nicht mehr guthieß und Handlungsbedarf sah. So ist es nicht verwunderlich, dass sich Friedrich schnell zu einer Antwort entschloss, die er durch seinen Amtmann Johann Oswald in Eisenach überbringen ließ. Darin setzte Friedrich Luther über die Uneinigkeit der Wittenberger Gelehrten und seine Irritation darüber in Kenntnis. Nun erhoffe er sich Luthers Rat darüber, wie er sich klug und vernünftig verhalten soll. Bis jetzt habe er sich sehr zurückgehalten und über Gebühr viel Geduld gezeigt. Es drücke ihn aber das Mandat des Reichsregiments und das Ansinnen des Meißner Bischofs. Er riet Luther davon ab, zum jetzigen Zeitpunkt nach Wittenberg zurückzukehren, da er ihn dort nicht zu schützen vermag und außerdem auch für sich negative Folgen erwarte, wenn Luthers Wiederauftauchen bekannt würde. Das interessierte Luther wenig, bereits einen Tag nach Erhalt dieses Briefs machte er sich auf den Weg nach Wittenberg. Für Friedrich kam es nun in erster Linie darauf an, von den Reichsgewalten nicht für die Rückkehr des Reformators verantwortlich gemacht werden zu können. In Wittenberg besorgte Luther die Rückkehr zum Alten allein. Den Kurs dazu gab er in seinen Invokavitpredigten vom 9. bis 17. März vor. Viele seiner alten Freunde unterstützten ihn, indem sie nun so taten, als wäre die Durchführung der Änderungen ein riesiger Fehler gewesen, der, nach der Losung der Stunde, aus der Schwachheit des Glaubens heraus entstanden war. Auch der Rat verhielt sich opportunistisch. Die Invocavitpredigten bildeten nur das Präludium zu der zwangsweise vollzogenen Aufhebung der kirchlichen Reformen, die in den letzten Monaten Rat und Bürgerschaft von Wittenberg vorgenommen hatten. Damit die von Luther verfügten Maßnahmen unangefochten blieben, schien es geboten, den Einfluss Karlstadts auf die Bürgerschaft lahmzulegen: jegliche Predigtwirksamkeit, auch die ihm von Rechts wegen zustehende an der Schlosskirche, wurde ihm untersagt.167
165 Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 260–262 (Herzog Georg an Friedrich den Weisen, 2. Februar 1522). 166 Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 448 (Undatiertes Schreiben Luthers an Friedrich den Weisen). 167 BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 1, S. 447.
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Karlstadt, der den Ereignissen fassungslos gegenüberstand, sah keine Möglichkeit, dagegen einzuschreiten – zumal Luthers Vorgehen mit den Wünschen des Kurfürsten zusammenfiel. Karlstadt äußerte sich schriftlich, richtete seine Schrift aber nicht gegen Luther, sondern den Leipziger Professor Hieronymus Dungersheim, der den Visitationen des Meißner Bischofs beiwohnte und ein alter Feind war. Offenbar anlässlich des Bekanntwerdens von Karlstadts Absicht, diese Schrift in den Druck gehen zu lassen, fand sich die Universität zusammen, um „zu vermeidung auffruhr vnd smehung der personen“ ein Zensurgebot zu beschließen. Dies und den besonderen Bezug auf Karlstadt teilte man dem Kurfürsten, verbunden mit der Bitte, Karlstadt die Befolgung des Gebots zu befehlen, am 27. April 1522 mit. Zu diesem Zeitpunkt hatte man bereits darüber befunden, den Druck der Schrift nicht zuzulassen, was Karlstadt jedoch nicht akzeptiert hatte. Diese Weigerung und die Drohung Karlstadts, die Universitätsmitglieder wenigstens schriftlich anzugreifen, stellte wohl den eigentlichen Grund für das Herantreten an den Kurfürsten dar.168 Ohne jeden Zweifel, die Mitglieder der Universität hatten sich von Karlstadt abgewandt und versuchten nun, seinen Einfluss so gut es ging zu begrenzen, auch mit Zwangsmaßnahmen. Die Hoffnung der Universität, der Kurfürst würde seine Autorität geltend machen und Karlstadt zur Anerkennung des Beschlusses zwingen, wurde allerdings enttäuscht. In seinem Antwortschreiben vom 30. April teilte Friedrich mit; „Nachdem aber doctor karlstat ain glidmas der Vniversitet ist, vnd ir im in dem verbot getan, wirdet ir euch gegen inn wol geburlich zu erzeigen vnd zu haben wissen, damit die ere gots vnd liebe des nechsten gesucht vnd sich vnbillicher beswerung nit zu beclagen habe“.169 Der Kurfürst war nicht bereit, sich in diese Angelegenheit der Universität einzumischen und erteilte ihrem Ansinnen eine Absage. So konnte, wenn auch isoliert, Karlstadt seine Lehrtätigkeit an der Universität weiterhin unbehelligt fortsetzen. Zwar durfte er ab 1523 auch wieder veröffentlichen, doch seine Ansichten stießen in Wittenberg eher auf Unverständnis. Anlässlich einer Doktorpromotion am 3. Februar 1523 erklärte er öffentlich, künftig niemanden mehr promovieren zu wollen, weil er zu der Überzeugung gekommen sei, dass alle Christen vor Gott gleich seien und er deshalb die akademische Promotionsordnung, die den Theologen verschiedene Stufen der Gottesgelehrtheit zumaß, ablehne.170 In dieser Zeit wird sich auch das Verhältnis zu den Fürsten nicht gebessert haben, da Karlstadt immer häufiger seinen Verpflichtungen an der Universität fernblieb, um ein nach seiner Ansicht gottgefälliges
168 BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, Anlage 15, S. 562f. 169 Ebd., S. 565f. 170 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 12.
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Leben auf dem Land zu führen.171 Dabei eignete sich Karlstadt eine religiöse Gesamtanschauung an, die eine Bindung der Gotteserkenntnis durch dogmatische Formeln verwarf, was für die Formulierung dessen, was man erlebte und empfand, eine größere Weite und Freiheit nach sich zog, als es mit dem lutherischen Dogmatismus vereinbar gewesen wäre.172 Über all diese Zeit schwelte im Hindergrund eine Auseinandersetzung Karlstadts mit seinem Vikar in Orlamünde, Konrad Glitzsch. Dieser verwaltete seit 1518 die Pfarrstelle und es war im Laufe der Zeit zu Streitigkeiten über Amtsführung und die Weiterleitung der Gelder nach Wittenberg gekommen. Am 9. April 1522 war schließlich eine Schlichtung in Weimar vor den Räten Herzog Johanns angesetzt. Während sich Karlstadt durch seinen Anwalt Caspar Teuschel vertreten ließ, erschien Glitzsch persönlich in Weimar und trug vor, dass die Pfarre nicht genug einbringe, als dass es ihm möglich wäre, sie zu halten. Unter der Bedingung, dass er ein gleichwertiges Einkommen wie bisher erhalte, wäre er jedoch bereit, die Pfarre wieder an Karlstadt zurückzugeben. Darüber hinaus hätte er einen geeigneten Kandidaten an der Hand, der bereit wäre, die Pfarrstelle von ihm zu übernehmen. Sollte dieser angenommen werden, würde er mit ihm eine entsprechende Übereinkunft über seine eigene Aufgabe der Pfarre treffen. Der verabredete Vertrag lautete nun, dass Glitzsch die Pfarre entweder an den von ihm vorgeschlagenen Kandidaten übergeben sollte, oder, falls dieser sich als nicht geeignet herausstelle, auch ohne Nachfolger die Stelle bis Michaelis räume. Darüber hinaus wurde ein Zahlungsplan vereinbart, bis wann und in welcher Höhe Glitzsch das Geld, welches er Karlstadt noch schuldete, zu zahlen hatte. Glitzsch war man bereit insoweit entgegenzukommen, als man ihm zusicherte, ihn, sobald ein angemessenes Lehen frei würde, über das die Fürsten verfügen könnten, zu bedenken.173 Doch es kamen erneut Streitigkeiten auf, als sich der Vikar mit der Bitte an Karlstadt wandte, doch bis zum 1. Mai 1523 bleiben zu können. Wiederum musste Herzog Johann zur Schlichtung bemüht werden. Am 14. Oktober 1522 traf man sich erneut in Weimar, um diesmal unter dem Vorsitz von Johann Friedrich zu einer neuen Lösung zu kommen. Der junge Herzog gewährte Glitzsch die Verlängerung bis zum 1. Mai, stellte jedoch klar, dass dies das letzte Mal sei und man dem Leuchtenburger Schosser befehlen werde, die Einhaltung des Vertrags zu überwachen und auch Karlstadt zu seinen Einkünften zu verhelfen.174 171 Vgl. ebd., S. 14. Sowohl der Kurfürst als auch Luther klagten über die Unregelmäßigkeit, mit der Karlstadt seinen Verpflichtungen an der Universität nachkam. 172 Vgl. ebd., S. 16. 173 Vgl. Johannes TREFFTZ, Mitteilungen zu Karlstadt und Glitzsch, in: Archiv für Reformationsgeschichte 7 (1910), S. 348–350. 174 Vgl. ebd., S. 350f.
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Dadurch ergab sich nun die Situation, dass Karlstadt sich bis zum Abzug Glitzschs öfter in Orlamünde aufhielt, um dort die von seinem Vikar vernachlässigte Seelsorge zu versehen. Dabei waren die Orlamünder offenbar sehr zufrieden mit seiner Arbeit, sodass sich der Rat am 26. Mai 1523 mit der Bitte, man möge ihnen Karlstadt als Pfarrer überlassen, an Herzog Johann wandte. Dieser Brief enthielt auch zahlreiche Beschwerden über den abtrünnigen Vikar Glitzsch, der alle zur Pfründe gehörenden Anwesen und Ländereien in einem sehr schlechten Zustand verlassen und sich zudem auch noch bereichert hatte. So waren Pfarrhaus und Nebengelasse baufällig, die Äcker verwahrlost und die Weinberge heruntergewirtschaftet. Im zugehörigen Wald hatte er so starken Holzeinschlag betrieben, dass sein Nachfolger gezwungen sein würde, seinen benötigten Holzbedarf zu kaufen. Neben der Bitte, Karlstadt für ein bis zwei Jahre als Pfarrer haben zu dürfen, forderten sie Johann auch dazu auf, dafür zu sorgen, dass Glitzsch die Schäden ersetzt bzw. das Gestohlene zurückgibt oder Karlstadt nicht verpflichtet werde, weiterhin Geld nach Wittenberg zu reichen, denn nur so wäre es möglich, alles wieder in Ordnung zu bringen und Schulmeister und Kaplan zu bezahlen.175 Diese Bitte unterstützend sandte Karlstadt einen eigenen Brief an Johann, in dem er selbst um die Pfarre bat. Zur Begründung seines Wunsches spielte er in dem Schreiben darauf an, dass es nicht rechtens sei, eine Pension anzunehmen, für die man nichts täte. Auch er sprach sich für eine Übernahme der Pfarre für zunächst ein bis zwei Jahre aus, wenn eine lebenslange Berufung nicht möglich wäre. Sollte es keine andere Möglichkeit geben, wäre er auch damit einverstanden, nur Konventor zu sein. Darüber hinaus bot er an, nach zwei Jahren bei Nichtgefallen abgesetzt werden zu können.176 Herzog Johann scheint dem Wunsch der Orlamünder und Karlstadts nicht abgeneigt gewesen zu sein, zumal es auch nicht im Interesse der Fürsten war, wenn durch unrechtmäßige Amtsführung, wie sie offenbar durch Konrad Glitzsch betrieben wurde, Bauten und Ländereien verwahrlosten. Doch zunächst musste er Karlstadt mitteilen, dass er ohne das Einverständnis von Kapitel, Universität und Kurfürst keine Entscheidung treffen könne. Die beiden Gesuche leitete er indes mit der Bitte, diese Kapitel und Universität zur Entscheidungsfindung zukommen zu lassen, an Friedrich weiter.177 Friedrich antwortete dem Bruder: […] wie wol uns nit entgegen, das sich doctor karlstat von Witenberg begebe, weil er doch sonst di mere zeit im land hin vnd her zeuhet, besorgen wir doch, wo er vf der pfarr sein wolt, das capitel wird im nach vermog der statuta kain absenz oder presenz volgen lassen,
175 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 88–90. 176 Vgl. ebd., S. 91f. (Brief ohne Datum). BARGE vermutet, dass es dem Schreiben der Orlamünder vom 26. Mai 1523 beilag. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 97. 177 Vgl. ebd., S. 92f. (Herzog Johann an Kurfürst Friedrich, 2. Juni 1523).
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es wer dan sach, das er sein prebend zu Witenberg verlassen vnd di pfarr als ein Conventor inhaben, vnd die pflicht daran thun wolt.178
Voraussetzung für die Einsetzung Karlstadts als Konventor wäre allerdings der förmliche Verzicht Glitzschs. Die Fürsten waren sich also einig, wenn Karlstadt Wittenberg verlassen wollte, dann würde es nicht an ihnen scheitern. Zumindest Friedrich, der wohl Karlstadt ohnehin persönlich nicht besonders gut leiden konnte und auch über dessen schwierigen Stand in der Stadt seit der Wittenberger Bewegung im Bilde gewesen sein dürfte, war sicher nicht unglücklich über dessen Weggang aufs Land. Nun galt es, den bisherigen Vikar Konrad Glitzsch davon zu überzeugen, die ihm lebenslang zugesicherte Stelle aufzugeben. Dies fiel in Johanns Zuständigkeitsbereich. Er handelte einen Vertrag mit Glitzsch aus, der ihm zusicherte, bei Verzicht auf Orlamünde mit einem anderen geistlichen Lehen abgefunden zu werden. Damit schien die Angelegenheit geregelt, im Sommer 1523 trat Karlstadt seine Stelle in Orlamünde an.179 Auch wenn Karlstadt sich in Orlamünde zunächst sehr unauffällig verhielt, war die Konkurrenz zu den Wittenbergern durchaus nicht erledigt. Insbesondere der Umstand, dass Karlstadt seit Ende 1523 in Jena mit Michael Buchführer ein Drucker zu Verfügung stand, der seinen Ideen zugetan war, löste Misstrauen in Wittenberg aus. Schnell sah Luther Handlungsbedarf, als die ersten mystischen Schriften Karlstadts von hier ausgingen. Bereits am 14. Januar 1524 versuchte Luther, über den Kanzler Gregor Brück zu erreichen, dass die Fürsten in jedem Fall eine Zensur der Schriften durchsetzen sollten. Seiner Meinung nach würde zwar nur geringer Schaden davon ausgehen, aber die Tatsache ihres Erscheinens würde bereits ausreichen, den beiden Fürsten und der Wittenberger Akademie Misshelligkeiten zu bringen.180 Etwa um diese Zeit, zu Beginn des Jahres 1524, begann Karlstadt auch, sein Verständnis der Reformation in Orlamünde umzusetzen. Dies beinhaltete neben der Abschaffung der Messgewänder, der Abnahme der Bilder aus den Kirchen und der Austeilung des Abendmahles unter beiderlei Gestalt auch den Umstand, dass keine Kindstaufen mehr vorgenommen wurden. Diese „Ungeheuerlichkeiten“ Karlstadts, wie Luther sie nannte, drangen schnell nach Wittenberg. 181 Durch seine Initiative beschloss man im März 1524, dem Wirken Karlstadts in Orlamünde ein Ende zu setzen und ihn an die Universität zurück und damit auch 178 HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 93. 179 Nachdem BARGE versucht hatte, den bereits kurze Zeit nach der Übernahme vor allem durch Luther erhobenen Vorwurf der widerrechtlichen Aneignung der Vikarsstelle durch Karlstadt zu widerlegen, wurde er von seinen zeitgenössischen Historikerkollegen stark angegriffen. Vgl. dazu BARGE, Frühprotestantisches Gemeindechristentum, Exkurs IV, S. 322–326. 180 WA Br, Bd. 3, Nr. 703. 181 Vgl. ebd., Nr. 720 (Luther an Spalatin, 14. März 1524).
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unter eigene Kontrolle zu holen.182 Hierbei wurde nun der Vorwurf erhoben, Karlstadt übe das Amt des Vikars in Orlamünde unrechtmäßig aus, da der Vertrag, den er und Konrad Glitzsch unter Vermittlung Herzog Johanns geschlossen hatten, ohne die nötige Zustimmung der Universität zustande gekommen sei. Der immanent mitschwingende und später häufig wiederholte Vorwurf, Karlstadt hätte sich in die Pfarrstelle hineingedrängt, kann, nachdem bereits 1522 Verhandlungen über die Abdankung Glitzschs geführt worden waren, als haltlos gelten, verfehlte jedoch nicht seine negative Wirkung, was die Einschätzung der Person Karlstadts anbelangt. Man lud ihn nach Wittenberg vor, wo am 4. April 1524 eine Unterredung stattfand. Dort gelang es durch freundliches Entgegenkommen Melanchthons, der zu dieser Zeit Rektor der Universität war, Karlstadt zur Rückkehr zu überreden. Diese Übereinkunft wurde schriftlich festgehalten und ihm einige Tage später zur Unterschrift ausgehändigt sowie parallel Herzog Johann zugesandt. Schnell musste Karlstadt feststellen, dass die Vereinbarungen, die man in der mündlichen Aussprache in finanziellen Fragen getroffen hatte, keine Aufnahme in den Vertrag gefunden hatten. Dies war der wichtigste Grund, weshalb sich Karlstadt am 19. April an Herzog Johann wandte.183 In seinem Brief sprach er offen sein Misstrauen gegenüber dem Kapitel aus und brachte seine Sorge, dass man ihn vor allem in finanzieller Hinsicht übervorteilen wolle, zum Ausdruck. Darüber hinaus klang an, dass auch die Angelegenheit mit Konrad Glitzsch noch nicht völlig geklärt sei, dieser hatte kurz zuvor eine Supplikation bei Johann eingereicht, von der Karlstadt Kenntnis hatte.184 Dass sich Karlstadts Interesse, sich unverzüglich zurück nach Wittenberg zu begeben, in Grenzen hielt, lässt sich aus seiner Bitte ablesen, noch den Sommer über in Orlamünde 182 Vgl. ebd. Luther äußerte hier gegenüber Spalatin, dass man Karlstadt im Namen der Universität aus Orlamünde auf seinen Wittenberger Posten zurückholen werde. Wenn er nicht käme, würde man ihn beim Kurfürsten verklagen. 183 „Aber weill ich zu wittenbergk in demselben brieffe, welcher mir zcu besehen zcugeschickt, als ich ganz wegefertig war, vermerkt habe, das eczliche artickell ausgelassen und verschwigen, sonderlich einer, an dem mir ethwas gelegen, hab ich und auch anderer sach halben , solchen brieff E.f.g. mir zcu gut belangende, eczliche tage bei mir behalden, vnd mich bedacht, ob ich e.f.g. odder gedachter loblichen Universitett widerumb zcufügen solt.“ HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 94. 184 „Der Magister hat die pfar noch nicht genczlich vbergeben, ein unordentlich register gelassen, vnd helt mich noch in anspruchen, wie E.f.g. auß seiner Supplication vernomen haben.“ HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 96. Über den Inhalt der Supplikation ist nichts bekannt, da Konrad Glitzsch aber in einem Schreiben an die Universität Wittenberg vom 4. April 1526 zu erkennen gibt, dass ihm nicht, wie im Vertrag mit Karlstadt vereinbart, ein Ersatzlehen für seinen Verzicht auf Orlamünde zugewiesen wurde, ist davon auszugehen, dass er sich im Frühjahr 1524 mit dieser Bitte an Herzog Johann gewandt hatte. Die nicht vollständige Übergabe Orlamündes erschien ihm dabei wahrscheinlich als Pfand zur Durchsetzung seiner Interessen. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 569–571 (Konrad Glitzsch an die Universität Wittenberg).
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bleiben zu dürfen, um keine üble Nachrede beim Landvolk, das aus vielen Ecken zur Predigt nach Orlamünde käme, zu provozieren. Nachdem auch in Orlamünde bald bekannt wurde, dass Karlstadt nach Wittenberg zurückkehren würde, beschloss man dort, ihn zum rechtmäßigen Pfarrer zu wählen, um ihn zu halten. Diese Wahl teilten die Orlamümder und die Nachbargemeinden Dienstedt, Buch, Zeutsch und Freienorla Herzog Johann am 3. Mai 1524 mit.185 Der Brief zeigt das Selbstbewusstsein einer Gemeinde, die überhaupt nicht in Frage stellte, die Berechtigung zur Wahl eines eigenen Pfarrers zu haben, sondern von ihrem Fürsten erwartete, dass dieser ihre Wahl sanktionierte und deren Umsetzung sicherstellte. So heißt es in dem Schreiben, dass Herzog Johann, der „dem evangelio vnd warheit gottis, mit hohem vleis gancz hiczigk und begirig nachtrachten vnd gevolvig“, sicher um die Paulusworte, dass sich eine jede Gemeinde ihren eigenen Pfarrer wählen könne, wisse und man hoffe, dass er die Gemeinde nun davor schütze, dass Universität und Kapitel ungerechtfertigt Anspruch auf Karlstadt erheben und ihn ihnen wegnehmen. 186 Johann aber antwortete den Orlamündern nur knapp, dass die Nomination des Pfarrers dem Kapitel in Wittenberg zustünde und sie sich dorthin wenden sollten.187 Dieser Aufforderung kamen Rat und Gemeinde am 12. Mai 1524 nach. Karlstadt lobend und die Einigkeit der eigenen und der umliegenden Gemeinden hervorhebend, baten sie darum, dass Kapitel und Universität ihre Wahl bestätigen.188 Über dieses Ansinnen wohl etwas irritiert, beschloss das Kapitel am 15. Mai, den Kurfürsten in dieser Frage um Rat anzusuchen. Dabei stellten sie klar, dass mit Karlstadt vereinbart worden war, dass er innerhalb von 30 Tagen auf seine Stelle als Archidiakon nach Wittenberg hätte zurückkehren sollen, was aber nicht geschehen sei. Stattdessen wurde ihnen das Schreiben des Orlamünder Rats gesandt. 189 Friedrich war jedoch nicht gewillt, zu diesem Fall Stellung zu beziehen und teilte dem Kapitel mit: „Und wer unsers ermessens on Not gewest euch zu erkunden, was derwegen furzunemen. Denn ir werdet euch hirinnen gegen doctor Karlstat nach vermog der statuta, desgleichen der Pfarr halben zu orlamund, damit dieselbige mit einem Pastor versorget, wol zu halten wissen.“190 Die Reaktionen der Fürsten vor Augen, kann man sich im Mai des Jahres 1524 nur schwer des Eindrucks erwehren, dass sie der Karlstadtschen Angelegenheiten 185 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 97f. 186 „Des verhoffens e.f.g. werden gedachtem Capittell vnd Universitet wittenbergk mit nichts gestatten, vns einen solchen ordentlichen erwelten hirtthen vor Goth vnd den menschen, hinwegk zcunehmen.“ Ebd., S. 97. 187 Vgl. ebd., S. 98f. (Herzog Johann an den Rat von Orlamünde, 5. Mai 1524). 188 Vgl. ebd., S. 99–101. 189 Vgl. ebd., S. 101f. 190 Ebd., S. 102 (Friedrich der Weise an die Universität und das Kapitel zu Wittenberg, 17. Mai 1524).
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überdrüssig waren. Innerhalb der letzten drei Jahre hatte ihnen der Mann nur Ärger bereitet, und als es endlich schien, als hätte man ihn mit der Stelle in Orlamünde ruhig gestellt, bahnten sich erneut Schwierigkeiten an. Leicht nachvollziehbar, dass man nun nur allzu gern dem Kreis um Luther die weiteren Entscheidungen überließ.191 Dies waren natürlich keine günstigen Umstände für das Ansuchen der Orlamünder Gemeinde, der am 19. Mai der abschlägige Bescheid aus Wittenberg mitgeteilt wurde. 192 Dem wollte man sich nicht kampflos unterwerfen. Noch blieb die Möglichkeit, sich direkt an den Kurfürsten zu wenden. In diesem Schreiben hob sie nochmals hervor, dass ihre Wahl durch die Heilige Schrift legitimiert sei und stellte für Kapitel und Universität die Diskrepanz zwischen Lehre und realen Taten heraus. Aber gedacht Capittell und Universitett uns ein bebstlich anthwort hir auff zu komen lassen, wie e. c. g. hirmit, in eingelegter Copien vermeldet, befinden werden. Wie woll wir uns solches zcu ihnen, die weill sie von disser erwelung alle welt voll bucher geschriben, nicht versehen hetten, vermeinth, was sie von Gottlicher warheit disputirn, schreiben und predigen, soltens auch mit der tadth, wie Christen zcugeburth, erfüllen, als geschriben steht: ihr solt die sitthen und rechte Gottis lernen, behalden unnd dar nach thun.193
Karlstadt legte dem Brief ein persönliches Schreiben bei, in dem er es in die Entscheidung des Kurfürsten stellte, ihn in Orlamünde zu belassen, um die Stelle dort als Konventor zu versehen. Auf keinen Falle wollte er aber ins Allerheiligenstift zurückkehren, in welchem inzwischen wieder Gottesdienste nach katholischer Art abgehalten würden. Damit und mit dem Umstand, dass ihm Teile der Universität nicht wohlgesonnen seien, begründete Karlstadt auch sein Verlangen nach Abwesenheit aus Wittenberg. 194 Die kurzen Antworten an den Rat von Orlamünde und an Karlstadt lassen erkennen, dass für Friedrich die Angelegenheit keiner weiteren Diskussion wert war. Die Statuten der Universität erfordern die Rückkehr Karlstadts nach Wittenberg und daran hätte er sich zu
191 Dabei ist zu beachten, dass es sich im Fall Karlstadts im Moment um keine gravierende Angelegenheit, die eventuell Außenwirkung gehabt hätte, handelte. Zwar störte sich die Universität in erster Linie an Karlstadts ohne universitäre Zensur gedruckten Schriften, doch selbst Luther musste zugestehen, dass durch sie kein Schaden zu erwarten sei. 192 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 103. „Wie wol wir euch unsers vermögens zcu wilfarn geneigt, so wissen wir uns doch iczund euer ansuchen aus unser nomination nicht zculassen. Wir sind aber bedacht, euch mit einem solchen pastor zcuversorgen, der euch mit fruchtbarer Cristlicher Lere, zcu nottdorfft eurer selen selikeith, dermaßen versehen wirdt, das wir zcweifels one sein, ir werden sein nicht allein kein beschwerd, sondern guthen gefallen haben.“ 193 Ebd., S. 104 (Rat zu Orlamünde und umliegende Gemeinden an Friedrich den Weisen, 22. Mai 1524). 194 Ebd., S. 105–107.
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halten. Die Gemeinde würde einen anderen Pfarrer bekommen. 195 Die Orlamünder, die sich offenbar zusätzlich noch einmal an Universität und Kapitel gewandt hatten, bekamen von dort am 27. Mai die Antwort, dass es an der biblischen Argumentation für die Wahl Karlstadts zum Orlamünder Pfarrer nichts auszusetzen gebe, aber Karlstadt eben in seiner Eigenschaft als Archidiakon Verpflichtungen gegenüber der Universität habe, „derhalben ime unmoglich, hie und bei euch zugleich zu sein“.196 Nachdem nun von allen Entscheidungsträgern negative Bescheide eingegangen waren, fügte sich Karlstadt seinem Schicksal und brach nach Wittenberg auf, um seine Ämter niederzulegen. In Borna musste er jedoch wegen eines Hochwassers umkehren und teilte deshalb seine Entscheidung am 8. Juni dem Kurfürsten schriftlich mit: „[…] aus E.cf.g. antwurt verstehe ich, daz mich E.cf.g. auf der pfarr zu Orlamunde nit well haben. so waiß ich auch nicht E.cf.g. wilferiger zu dienen, denn daz ich E.cf.g. zu undertenigem dinst weich und abtred.“ Da sowohl die Weiterführung seines Archidiakonats als auch die Annahme der zugehörigen Pension gegen sein Gewissen sei, gibt er auch das zurück. „demnach E.cf.g. ubergeb und resignier ich mein archidiaconat mit aller gerechtigkhait als ich angenomen, und wils ubergeben und resgniert haben in kraft und macht dieser meiner handschrift.“197 Kurfürst Friedrich konnte mit dem Ausgang der Sache zufrieden sein, entsprechend bestätigte er Karlstadt zwei Tage später, dass er das Allerheiligenstift anweisen werde, noch offene Forderungen aus der Pfründe auszuzahlen. Allerdings bestand er darauf, dass Karlstadt persönlich vor Universität und Kapitel in Wittenberg zu erscheinen habe.198 Dem Stift und der Universität teilte Friedrich am folgenden Tag die Entscheidung Karlstadts mit, verbunden mit der Aufforderung, sich ihm gegenüber ordnungsgemäß zu verhalten.199 Dass Karlstadt weiterhin bis zur Übergabe seiner Stelle an einen neuen Pfarrer in Orlamünde verblieb, scheint für alle Beteiligten selbstverständlich gewesen zu sein. Nicht unwahrscheinlich, dass er, nachdem er sich nun endgültig von seinen Verpflichtungen in Wittenberg gelöst hatte, die leise Hoffnung hegte, er würde doch noch als Konventor bleiben können. Sicherlich hätte die Angelegenheit an diesem Punkt im Sande verlaufen können, wäre Karlstadt nicht in den Strudel der Ereignisse von Allstedt, das 195 Vgl. ebd., S. 107f. (26. Mai 1524). 196 Volkmar JOESTEL, Ostthüringen und Karlstadt, S. 137. Das Schreiben der Orlamünder ist nicht erhalten. 197 Walter FRIEDENSBURG, Der Verzicht Karlstadts auf das Wittenberger Archidiakonat und die Pfarre in Orlamünde, Juni 1524, in: Archiv für Reformationsgeschichte 11 (1914), S. 69–72, hier S. 71. 198 Vgl. ebd., S. 72. Karlstadt hatte in seinem Brief an Friedrich darum gebeten „daz mir nach der zeit des jars mein verdienter lon und pesserung werd vergolten“. 199 Vgl. ebd.
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bereits beträchtlich vom Müntzerischen Radikalismus erfasst war, hineingezogen worden. Auch Thomas Müntzer waren die Auseinandersetzungen Karlstadts mit Universität und Stift zu Ohren gekommen. In der Hoffnung, in Karlstadt einen Verbündeten zu gewinnen,200 wandte er sich um den 17. Juli 1524 schriftlich an ihn und schlug ihm den Eintritt in den Allstedter Bund vor. 201 Parallel dazu forderten auch die Allstedter die Orlamünder Gemeinde auf, dem Allstedter Bund beizutreten.202 Am 19. Juli erteilte Karlstadt Müntzer und seinem Anliegen eine klare Absage: Ich wünschte Dir und Deiner Gemeinschaft, dass ihr Euch von derartigen Briefen und Konventikeln ferngehalten hättet, die hier [in Orlamünde] den Unsrigen Furcht vor den bösen Folgen eingeflößt haben, die wir als Räuber und Aufrührer noch weniger ertragen würden. Ich [kann gar nicht sagen], wie sehr mich diese Unverschämtheit verwundert und wie sehr sie mich abschreckt. Und ich gestehe Dir offen, dass ich mit Euch an einer derartigen Unternehmung und Vereinigung nichts gemein haben will.203
Auf Veranlassung Karlstadts positionierte sich auch die Orlamünder Gemeinde. Diesen Sendbrief, in dem sie die Aufforderung der Allstedter Gemeinde, sich zur Verteidigung reformatorischer Neuerungen zu verbünden, zurückwies, nahm Karlstadt am nächsten Tag zur Drucklegung mit nach Wittenberg.204 Neben der Rechnungslegung über seine Pfründe kam er mit dieser Reise der kurfürstlichen Forderung, persönlich vor Universität und Kapitel zu erscheinen, nach.205 Bei 200 Karlstadt und Müntzer kannten sich sehr wahrscheinlich seit Müntzers Aufenthalt an der Wittenberger Universität 1517/18. In den 1520er Jahren lassen sich briefliche und persönliche Verbindungen zwischen Karlstadt und Müntzer nachweisen, wobei eindeutig Müntzer als der Initiator zu sehen ist. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 150–154, 187–191, 287, Anm. 1 sowie Siegfried BRÄUER, Der Briefwechsel zwischen Andreas Bodenstein von Karlstadt und Thomas Müntzer, in: Ulrich BUBENHEIMER/Stefan OEHMIG (Hg.), Querdenker der Reformation – Andreas Bodenstein von Karlstadt und seine frühe Wirkung, Würzburg 2001, S. 187–209. 201 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 285f. Darüber hinaus bat er Karlstadt, sich zu den Maßnahmen seiner Gottesdienstreform zu äußern und auch Schneeberg und die umliegenden Gemeinden zum Beitritt in das Bündnis aufzufordern. 202 Ebd., S. 286. 203 Ebd., S. 291. 204 Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 292–296. In der Gothaer Forschungsbibliothek befindet sich eine Abschrift des Drucks durch Veit Warbeck. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Warbeck, der sich seit kurzem im Dienst Herzog Franz’ von Braunschweig-Lüneburg befand und mit diesem zum Studium in Wittenberg weilte, die Abschrift für Herzog Johann Friedrich anfertigte und ihm diese zukommen ließ. Der Austausch mit Luther belegt, dass den jungen Herzog die religiöse Entwicklung im Thüringer Raum sehr beschäftigte. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 753, 754. 205 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 112. Offenbar hatte ihn die Universität nun aufgefordert, in Wittenberg zu erscheinen.
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dieser Gelegenheit bekräftigte er noch einmal die Niederlegung seines Archidiakonats und der damit verbundenen Orlamünder Pfarre. Überrascht musste er in Wittenberg jedoch feststellen, dass sich der Wind gedreht hatte und nicht nur seine Hoffnungen bezüglich Orlamündes nicht zu halten waren, sondern er inzwischen in den Verdacht geraten war, ein religiöser Aufrührer zu sein. Seine Weigerung, dem offensichtlichen Wunsch von Kurfürst, Universität, Kapitel und Luther nachzukommen und nach Wittenberg zurückzukehren, und die immer stärker werdende Gleichsetzung Karlstadtscher Ziele mit denen Müntzers in Wittenberg und bei Hofe wurden ihm zum Verhängnis.206 Sich der Gefahren eines solchen Vorwurfs wohl bewusst, schrieb er am 14. August an Herzog Johann, nachdem er sich zuvor bereits an den Kurfürsten gewandt hatte.207 Er bot den Fürsten Rechenschaft für seine Lehre und sein Tun an und war bereit, alle Strafen, die Gott den Übertretern seiner Gebote stellt, willig zu erleiden und zu ertragen. Johann gegenüber erbot er sich, seine Lehre prüfen zu lassen oder sie in öffentlicher Disputation zu vertreten.208
206 Ende Juli/Anfang August 1524 richtete der damalige Rektor der Universität Wittenberg Kaspar Glatz über Spalatin ein Schreiben an Kurfürst Friedrich, in dem er ihn aufforderte, der verführerischen, gottlosen und aufrührerischen Lehre in Orlamünde, die durch Karlstadt um sich greife, ein Ende zu machen. „Darumb bitt ich dich noch einmal aufs vleissigst, mein Gnedigsten Hern vnterteniglich zu bitten, meinem Gnedigen Hern Hertzog Johanßen in kurtz zu schreiben, zu schaffen, dass sich Karlstadt von Orlamund thue.“ Er selbst würde die Predigt dort übernehmen, aber neben Karlstadt wäre kein Platz für jemand weiteren. Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 111. Auch die rasche Verbreitung von Luthers „Brief an die Fürsten von Sachsen von dem aufrüherischen Geist“, der zwar in erste Linie auf die Aktivitäten Müntzers in Allstedt abzielte, aber auch deutliche Anspielungen auf Karlstadt enthielt, brachte Karlstadt in den Ruf des Aufrührers. Vgl. BRÄUER, Der Briefwechsel zwischen Andreas Bodenstein von Karlstadt und Thomas Müntzer, S. 207. 207 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 113f. Das Schreiben an den Kurfürsten ist nicht überliefert, die Existenz und Teile seines Inhalts gehen aus dem Schreiben an Johann hervor. Wie bewusst Karlstadt sich der Gefahr war, zeigen zum einen Sätze wie „Dann wiewol ich iczt zu Wittemberg wunder hab mussen horen, wie seer e.f.g. auff mich ergrimmet und erbittert, bin ich dan vest der untherdenigen zuversicht e.f.g. werden nichts tiranisch noch gewaldes kegen mir, ehe ich verhört und uberwunden, fürnemen“ und zum anderen der Umstand, dass er den Brief am 15. August 1524 persönlich den Räten in Weimar übergab. Wahrscheinlich wollte er ursprünglich selbst mit Johann reden, dieser war jedoch abwesend. 208 HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 113. „Dermaßen keen E.f.g. ich hirmit erboten haben will, mit untherdeniger bit, wo E.f.g. mich im glauben oder mißhandelung der schrifften vertechtig hielten, das e.f.g. mit solichem vertacht, artickeln weiß, begreiffen, czukommen, und so die artickell mein, und widder got sein, nach christlicher und apostolischer leer weisen, und aus vermeinten irthumb, in gottis warheit bringen lassen. Denn e.f.g. sie die menig der schrifft verstendigen haben. Wo aber e.f.g. solicher mühe beschwert, erbiet ich mich zu offentlicher disputation teuczsch und lateinisch.“
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Schon kurze Zeit später setzte Luther zu der von Herzog Johann Friedrich angeregten Predigtreise ins Saaletal an.209 Zunächst reiste er am 21. August nach Weimar, wo er sich mit dem Kurprinzen traf und darüber verständigte, was man Karlstadt bei einer Vorladung vorzuhalten habe. Offenbar dienten die dabei erarbeiteten Anschuldigungen später auch zur Rechtfertigung seiner Ausweisung aus Kursachsen.210 Sehr wahrscheinlich erhielt Luther hier auch den nicht überlieferten Befehl zum Besuch der durch die Karlstadtschen Ideen beeinflussten Gemeinden. Vermutlich erteilte Johann Friedrich selbst diesen Befehl, da sich Johann seit dem 14. August in Eisenach aufhielt.211 Noch am 21. August reiste Luther zusammen mit dem Weimarer Hofprediger Wolfgang Stein nach Jena weiter, wo er am 22. predigte. Jena war stark von Karlstadt beeinflusst, der Prediger Martin Reinhard auf dessen Linie. Karlstadt war bei dieser Predigt anwesend und gekränkt darüber, dass man ihn mit den Allstedtern in einen Topf warf. Nach dem Gottesdienst schrieb er Luther einen Brief und bat ihn um eine Unterredung. Am Nachmittag trafen sich beide und überhäuften sich mit Vorwürfen und alten Ressentiments. Luther zog danach weiter nach Kahla und Neustadt an der Orla, bis er am 24. mittags in Orlamünde eintraf, wo ihn der Bürgermeister freundlich empfing und aufforderte, in einer Predigt seine Meinung zu offenbaren und ihnen den rechten Weg zu weisen, wo sie irrten. Dabei entspann sich zunächst eine Diskussion zwischen Luther und Orlamünder Bürgern, zu der Karlstadt hinzustieß. Wiederum kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Theologen, die sich jedoch wenig um 209 WA Br, Bd. 3, Nr. 75 (Johann Friedrich an Martin Luther, 24. Juni 1524). „Es sind leider der Schwärmer, Gott sei es geklaget! Allzu viel, und machen uns hie oben gar viel zu schaffen. Ich acht aber dafür, dass es nicht baß möchte gestillet werden, denn dass Ihr Euch eins hätt´der Weil genommen und von einer Stadt in die andern im Fürstentum gezogen und gesehen (wie Paulus tät), mit was Predigern die Städte der Gläubigen versehen wären. Ich glaub, dass Ihr bei uns in Duringen kein christlicher Werk tun möchtet. Welche Prediger denn nicht tüglich, hättet Ihr mit Hülf der Oberkeit zu entsetzen. Es müssen aber dem Spruch Pauli nach falsche Propheten sein, auf dass die guten bewähret werden.“ 210 WA Br, Bd. 3, Nr. 778 (Luther an Johann Friedrich, 22. September 1524). „Nu habe ich dazumal, als ich bei Euer F.G. war, erzählt, auch dem Canzler angezeigt, mit welchen Stücken solchs [gemeint ist die Ausweisung aus Kursachsen, DvOB] D. Carlstadt wohl verdient hätte, dass er ist eingefallen hinter S.F.G. Wissen und Willen, und die Pfarr eingenommen, und darzu sich des Mördergeists nicht geäußert, noch wider sei gehandelt, wie er billig sollt, wo ein guter Funken in ihm wäre, dass zu besorgen ist, auch bei seinem Geiste, wo er Raum und Luft hätte, wenigs Guts stiften wurde.“ 211 In seinem Brief vom 11. September 1524 an Herzog Johann lässt Karlstadt Zweifel durchscheinen, dass es wirklich einen Befehl Johanns zu der Reise Luthers gegeben hätte. „Dann D. Martinus L. ist in vil enden und örtern auff gedretten, do meine Christliche, gotliche, erweißliche und gegrundte leer eingepflantzt, mit E.F.G. bevelch (als er sagt) abgefertigt, solich mein leer, vernichtig, irrig, auffrurisch auß tzu schreiben, und als solt sie aus einem schwirmenden geist entsprossen sein, offentlich tzu widerlegen, und das volck dafür zu warnen.“ HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 117f.
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religiöse Fragen drehte. Schließlich verließ Luther die Stadt im Streit, wahrscheinlich ohne gepredigt zu haben.212 Damit war das ohnehin nur noch dünne Band zwischen Luther und Karlstadt endgültig zerschnitten. Am 26. August hielt sich Luther erneut in Weimar auf, mit Sicherheit erstatteten er und Wolfgang Stein den Herzögen bei dieser Gelegenheit Bericht von den Geschehnissen in Jena und Orlamünde.213 Offenbar bewirkten die Schilderungen, die uns nicht überliefert sind, dass sich die Sicht Herzog Johanns auf Karlstadt veränderte. Noch am 24. August hatte er den vom Eisenacher Prediger Jakob Strauss unterbreiteten Vorschlag zu einer Unterredung zwischen Luther, Karlstadt, Melanchthon, Strauss und Müntzer unterstützt und Kurfürst Friedrich mitgeteilt, dass er bereit sei, die Herren nach Weimar zur Disputation vorzuladen. Karlstadt habe sich in seinem letzten Schreiben ohnehin dazu bereit erklärt.214 Beim Kurfürsten fand Johann am 27. August Zustimmung.215 Doch keine drei Wochen später betrieb die Weimarer Regierung die Ausweisung Karlstadts. Wie kam es zu dem Gesinnungswandel der Fürsten, dass er sich nicht einfach als Bauer, wie er es selbst vorhatte, niederlassen konnte, sondern des Landes verwiesen wurde? Zunächst kann festgehalten werden, dass es bis Ende August 1524 aus landesherrlicher Sicht keinen Grund gab, weitere Maßnahmen gegen Karlstadt zu ergreifen. Sicher, er hatte sich als schwierig, streitbar und widerspenstig erwiesen, doch inzwischen waren die Streitigkeiten um das Archidiakonat beigelegt worden und ein Nachfolger für die Orlamünder Pfarre ernannt.216 Die Reformen, die Karlstadt in Orlamünde vorgenommen hatte, waren ruhig und geordnet eingeführt worden, ebenso hatte man sich klar von Müntzer und dessen aufrührerischen Absichten distanziert. Allerdings begann Luther nach seiner Rückkehr aus Thüringen, in Wittenberg massiv Stimmung gegen die Lehren Karlstadts zu 212 Über die Ereignisse von Jena und Orlamünde ist der Bericht Martin Reinhards überliefert. Vgl. WA Werke, Bd. 15, S. 323–347. 213 So heißt es im Weimarer Rechnungsbuch für den Freitag nach Bartholomäi „vi gulden hat Doctor Martin luther in geschefft m g h vorzcert“. BUCHWALD, Lutherana, S. 3. Darüber hinaus erklärt Luther in seiner Schrift „Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament“ mehrmals, dass er Herzog Johann Friedrich unmittelbar nach seinen Auseinandersetzungen mit Karlstadt Mitteilung darüber getan hat. Vgl. WA Werke, Bd. 18, S. 86, 99. 214 FÖRSTEMANN, Zur Geschichte des Bauernkriegs, S. 198–200. In dieser Disputation sollte es jedoch in erster Linie um die Lehren Müntzers gehen, der aber kurz zuvor Allstedt verlassen hatte. 215 Vgl. ebd., S. 204. 216 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 116f. (Friedrich an die Universität Wittenberg, 24. August 1524). Friedrich hatte die Wahl von Casper Glatz zum neuen Vikar in Orlamünde und die Einigung der Universität mit Karlstadt über finanzielle Fragen zur Kenntnis genommen. Eine Entscheidung wollte er jedoch erst nach einer Beratung mit Herzog Johann treffen.
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machen, denen er schon lange äußerst kritisch gegenüberstand. 217 Dabei war Luther durchaus an einer theologischen Auseinandersetzung mit Karlstadt interessiert, allerdings weniger öffentlich durch Druckschriften und Predigten, sondern eher auf persönlicher Ebene.218 Ihm ging es in erster Linie darum, dass sein einstiger Mitstreiter den direkten Einfluss auf seine Anhängerschaft verlor. Dabei wäre es Luther am liebsten gewesen, hätte man Karlstadt gezwungen, nach Wittenberg zurückzukehren, um ihn unmittelbar überwachen und seine Drucke sofort einer Zensur unterziehen zu können. Auch die Verbreitung des Vorwurfs, Karlstadt hätte sich gegen das Wissen und den Willen der Fürsten in die Pfarre Orlamünde hineingedrängt, diente wohl vordergründig diesem Zweck. 219 Es deutet aber nichts darauf hin, dass Luther die Ausweisung Karlstadts aus Kursachsen anstrebte. Es spricht einiges dafür, dass in dieser Angelegenheit der Blick auf Herzog Johann Friedrich zu richten ist. Während Johann und Friedrich bezüglich der Schwärmer im Sommer 1524 äußerst unentschlossen agierten, Johann sich zu deren Ideen teilweise sogar hingezogen fühlte, bildete sich um Johann Friedrich und den Kanzler Gregor Brück ein Kreis, der dafür eintrat, gegen schwärmerische Tendenzen, wie sie sich besonders in Thüringen zeigten, entschlossener vorzugehen. Nachdem man sich in Allstedt als mehr oder minder handlungsunfähig gezeigt hatte, wäre es nicht auszuschließen, dass der Kurprinz nun anstrebte, an Karlstadt ein Exempel zu statuieren. In der neueren Forschung wird deshalb die Ausweisung zunehmend als Machtfaktor bewertet, etwa von Volkmar Joestel: In den Augen der kurfürstlichen Regierung ging es bei der landesherrlichen Regulierung der reformatorischen Bewegung nicht um Glauben oder Theologie, sondern um ganz handfeste Machtinteressen. Die zunehmende soziale Destabilisierung, die nicht nur die Amtleute, sondern in wachsendem Maße auch den Weimarer Hof beschäftigte, verband dieser mit dem Wirken radikaler Prediger, im konkreten Falle mit Karlstadt und seinen Anhängern.220
Um seinen Vater von der Notwendigkeit einer Ausweisung Karlstadts zu überzeugen, bediente sich Johann Friedrich einerseits der Schriften und Berichte Luthers, die Karlstadt in die Ecke der Aufrührer stellten, andererseits spielten ihm sehr wahrscheinlich auch die Stellungnahmen der Orlamünder und Karlstadts vom 11. und 12. September in die Hände, deren Argumentation darauf abzielte, 217 Dies zeigen beispielsweise die Briefe Philipp Melanchthons. Während er in den Monaten zuvor Karlstadt nur selten thematisiert hatte, äußerte er sich ab Anfang September 1524 gegenüber zahlreichen Briefpartnern zu der Gefahr, die von Karlstadt ausging und von Luther bekämpft werden müsse. Vgl. MBW, Nr. 340, 342, 344, 345. 218 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 775 (Luther an Wolfgang Stein). 219 Vgl. ebd., Nr. 778 (Luther an Herzog Johann Friedrich, 22. September 1524). 220 JOESTEL, Ostthüringen und Karlstadt, S. 136.
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von Luther ungerecht behandelt worden zu sein.221 Nach dem Eingang dieser Schreiben fielen wohl in Weimar endgültig die Würfel, die fürstlichen Räte teilten den Orlamündern am 18. September mit, dass man über die Ereignisse bereits im Bilde und zu der Erkenntnis gekommen sei, dass sich nicht Luther gegen sie unschicklich verhalten habe, sondern umgekehrt und dies sehr zum Missfallen des Fürsten. 222 Am gleichen Tag erhielt Karlstadt den Ausweisungsbefehl in schriftlicher Form.223 Der Schosser von Leuchtenburg wurde damit beauftragt, die ordnungsgemäße Räumung der Pfarre zu überwachen. Dass Herzog Johann Friedrich die treibende Kraft bei der Ausweisung Karlstadts war, wird gestützt durch den Umstand, dass alle Kontakte und Schreiben Luthers nach Weimar in dieser Angelegenheit über den Kurprinzen oder Wolfgang Stein liefen. Herzog Johann, der, wie wir gesehen haben, eigentlich einen Konsens anstrebte, scheint dabei eher eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Dennoch gelang es, ihn nicht nur davon zu überzeugen, Karlstadt auszuweisen, sondern einige Wochen später die gleiche Verfügung auch für dessen Mitstreiter Martin Reinhard und Gerhard Westerburg zu treffen.224 Karlstadt verließ Kursachsen Ende September 1524 und ging zunächst nach Schweinfurt, von wo aus er ein Schreiben an Johann richtete, in welchem er darum bat, ihm seine Ausweisung zu begründen und ihn nach Kursachsen zurückkehren zu lassen. Die Antwort, die durch die Räte Herzog Johanns am 27. November 1524 erstellt wurde, ist in einem sehr unfreundlichen Ton gehalten und machte unmissverständlich klar, dass man zu keinerlei Entgegenkommen mehr bereit sei.225 221 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 119–122 (Rat von Orlamünde an Herzog Johann, 12. September 1524); ENDERS, Briefwechsel Luthers, Bd. 5, S. 20–23 (Karlstadt an Herzog Johann, 11. September 1524). Noch nichts vom Gesinnungswandel der Fürsten ahnend, argumentierte der Rat von Orlamünde in seinem Schreiben äußerst ungeschickt, in dem man v.a. Reformen in den Fokus rückte, die bei Luther auf Ablehnung stießen. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 137. 222 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 122f. (Die Weimarer Räte an den Rat von Orlamünde, 18. September 1524). 223 Ebd., S. 123f. Auf Grund einer Anmerkung in einem Schreiben der Räte vom 26. November 1524 an Karlstadt lässt sich vermuten, dass er zuvor nach Weimar einbestellt worden war und ihm bereits dort mündlich mitgeteilt wurde, dass er Kursachsen zu verlassen habe. Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 125. 224 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 141. 225 Vgl. HASE, Karlstadt in Orlamünde, S. 125. In ähnlicher Art und Weise beantworteten Johanns Räte ein Rechtfertigungsschreiben Gerhard Westerburgs. Vgl. Georg Eduard STEITZ, Dr. Gerhard Westerburg, der Leiter des Bürgeraufstandes zu Frankfurt a. M. im Jahre 1525, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 5 (1872), S. 1–125, hier S. 37–39 (Westerburg an Johann, 26. November 1524) sowie BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, Anhang Nr. 19 (Räte zu Weimar an Westerburg, 28. November 1524).
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Luther ließ die Causa Karlstadt, wie sein Briefwechsel zeigt, jedoch nicht los. Kaum ein Brief, der sich nicht um Karlstadt drehte, seit er am 13. Dezember 1524 zwei Schreiben aus Straßburg empfangen hatte, in denen die große Verwirrung und Erregung geschildert wurden, die dessen Abendmahlsschriften in der Stadt hervorgerufen hatten.226 Diese Briefe waren wohl der Anlass dazu, dass Luther Karlstadt am 23. Dezember 1524 eine versöhnliche Unterredung anbot.227 Erst im Februar 1525 erreichte Karlstadt dieser Brief, er beantwortete ihn umgehend und erklärte sich zu einer Aussprache mit ihm bereit, unter der Voraussetzung, dass Luther beim Kurfürsten freies Geleit für ihn erwirke.228 Zwischenzeitlich waren Luther die Schilderungen von Kaspar Glatz zugegangen, der allerlei Hetzgeschichten über seinen Vorgänger zu berichten wusste.229 Zwar wandte sich Luther am 4. März an den Kurfürsten und an Spalatin, um das entsprechende Geleit für Karlstadt zu erwirken, doch hinterlassen die Briefe einen sehr halbherzigen Eindruck, anscheinend wurde das negative Bild Karlstadts, das Luther bereits pflegte, noch durch dessen ‚stolze Schrift‘ verfestigt.230 Friedrich übergab die Angelegenheit seinen Räten, die in ihrem Ratschlag vom 17. März zu dem Schluss kamen, „das ime ein geleyt geferttigt, vnd Doctor Martinus ime wytter zu ubersenden geschigkt wird“.231 Da den Räten bewusst war, dass sich Friedrich solche Dinge nicht gern auflud, schlugen sie vor, die Sache in die Hände Herzog Johanns zu legen, der sowohl das Geleit ausstellen als auch sicherstellen könne, dass Karlstadt nirgends im Kurfürstentum predigt. Da die Orte im Saaletal nicht in Frage kamen, schlugen die Räte für eine Zusammenkunft Zwickau oder Altenburg vor.232 Am 18. März lehnte Friedrich die Vorschläge seiner Räte rundherum ab, sein Bruder bräuchte damit gar nicht erst behelligt zu werden.233 Wie wenig Friedrich in die Sache hineingezogen werden wollte, zeigt die Tatsache, dass er auch den Alternativvorschlag der Räte, nämlich, dass wenn Karlstadt ohne Geleit an einen vorher vereinbarten Ort nach Kursachsen käme und sich öffentlicher Predigt und Versammlung enthielte, die Fürsten sich nicht gegen eine Unter-
226 WA Br, Bd. 3, Nr. 796 (Nikolaus Gerbel an Luther, Straßburg, 22. November); Nr. 797 (Diverse Straßburger Prediger an Luther, 23. November 1524). 227 Dieser Brief ist verlorengegangen, seine Existenz und sein Inhalt erschließen sich jedoch aus Karlstadts Antwort und einer Erwähnung Luthers gegenüber Spalatin. 228 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 830. 229 Ebd., Nr. 818. 230 Ebd., Nr. 837. 231 BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 575f., Anlage Nr. 21a. 232 Vgl. ebd. 233 Ebd., S. 576, Anlage 21b. Luther wurde schließlich mündlich von Spalatin der abschlägige Bescheid mitgeteilt. Man händigte ihm auch ein Schreiben aus, das er als Beleg gegenüber Karlstadt verwenden konnte, dass er sich wirklich um das Geleit bemüht habe.
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redung mit Luther stellen würden, explizit ablehnte.234 Wie zu erwarten, hatte Luther keine Einwände gegen die Verweigerung des Geleits.235 Die Reaktion und die Empfehlungen der Wittenberger Räte zeigen, dass die Ablehnung Karlstadts hier wesentlich weniger ausgeprägt war als bei den Fürsten und den Weimarer Räten, ein Umstand, der vielleicht noch aus den Verhandlungen rund um die Wittenberger Bewegung resultierte. Die Wirren des Bauernkrieges verschlugen Karlstadt und seine Familie indessen nach Frankfurt am Main, von wo aus er am 12. Juni 1525 Luther einen verzweifelten Brief zukommen ließ.236 Luther scheint von diesem Hilferuf sehr bewegt gewesen zu sein. Zwar ist seine Antwort nicht erhalten, doch der Fortgang der Dinge zeigt, dass diese versöhnlicher Natur gewesen sein muss. Allerdings verlangte er eine schriftliche Rechtfertigung bzw. Abbitte von Karlstadt für sein bisheriges Verhalten. Dies geschah mit der Schrift: „Entschuldigung D. Andres Carlstads des falschen namens der auffrür, so yhm ist mit unrecht auffgelegt“ vom 24. Juni 1525. Zunächst nahm Luther Karlstadt heimlich bei sich auf, offenbar überzeugt davon, den alten Rivalen, dessen Lehren sich inzwischen weit über Kursachsen hinaus verbreitet hatten, in der jetzigen verzweifelten Lage bekehren zu können. Am 19. Juli 1525 äußerte er sich in dieser Hinsicht zuversichtlich. 237 Doch Karlstadt war nicht bereit, von seiner Abendmahlslehre abzurücken. Zwar veröffentlichte er eine „Erklerung wie Carlstat sein lere von dem hochwirdigen Sacrament vnd andere geacht haben will“, doch war diese weit entfernt von einem Widerruf. Karlstadt wohnte wohl mehr als acht Wochen in Luthers Haus, ehe er zur Familie seiner Frau aufs Land nach Seegrehna zog. Noch immer lebte er heimlich in Kursachsen. Von Luther erhoffte er sich dessen Fürsprache bei Kurfürst Johann für seine Rückkehr. Im Gegenzug war er bereit, nicht mehr zu predigen und für immer still zu schweigen. Am 12. September 1525 schließlich, nachdem Karlstadt ihn mehrmals dringendst darum gebeten hatte, sandte Luther ein Schreiben an Kurfürst Johann. Dass Luther unwohl bei der Sache war, merkt man dem Gesuch stark an. Bereits der erste Satz spricht Bände: „Ich kome abermal mit einer mühe und unlust.“238 Er führt dann aus, dass Karlstadt sich wegen seiner aufrührerischen Tätigkeit entschuldigen möchte, seinem Irrtum widersprochen habe und sich in Wittenberg verhören lassen möchte, was Luther guthieß. Ein bezeichnendes Licht auf Luthers eigentliche Intention wirft seine Einlassung, dass er glaube, mit der Gnade der Wiederaufnahme in Kursachsen könne man Karlstadts Schweigen 234 Ebd., S. 578. Anlage 21d. Das Ablehnungsschreiben, das Spalatin Luther am 20. März zukommen ließ, vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 843. 235 Vgl. ebd., Nr. 844 (Luther an Spalatin, 23. März 1525). 236 Vgl. ebd., Nr. 889. 237 Vgl. ebd., Nr. 903 (Luther an Johann Heß in Breslau). 238 Ebd., Nr. 920 (Luther an Kurfürst Johann).
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erkaufen, verwehre man ihm diese, wäre zu befürchten, dass er aus Rache oder Verzweiflung außer Landes noch mehr Schaden anrichte.239 Johann beriet sich mit seinen Räten in Lochau und ließ Luther über Spalatin eine positive Antwort zukommen, allerdings unter der Bedingung, dass Karlstadt nicht nach Thüringen käme und sich in einer Entfernung von höchstens drei Meilen von Wittenberg ansiedele. Ausgeschlossen sei aber Kemberg, denn dort kreuzten sich zwei Landstraßen auf denen sich allerlei Gestalten herumtrieben, mit denen er nicht in Kontakt gelangen sollte.240 Durch die Publikation seiner „Erklärung“ und seiner „Entschuldigung des falschen Namens des Aufruhrs“, zu denen Luther jeweils das Vorwort schrieb, wurde die Versöhnung zwischen Luther und Karlstadt öffentlich gemacht.241 Danach wurde es still um Karlstadt, er hielt sich an seine Zusage, nicht mehr zu predigen und auch nichts zu schreiben. Stattdessen versuchte er sein Glück als Bauer, in der Hoffnung, seine Familie davon ernähren zu können. Aber bereits 1526 musste er feststellen, dass ihm die Landwirtschaft nicht lag und er darin kein Auskommen finden konnte. Einen Ausweg sah er in einer Übersiedlung nach Kemberg, was ihm jedoch gemäß der kurfürstlichen Weisung verboten war. Am 17. November 1526 bat er Luther deshalb, in dieser Sache Fürsprache bei Johann einzulegen.242 In der Gewissheit, dass sich der Kurfürst inzwischen fest auf die Allein- und Allgemeingültigkeit seiner Lehrmeinung festgelegt hatte, befürwortete Luther am 22. November den Umzug Karlstadts nach Kemberg, wo er durch den Propst unter noch genauerer Beobachtung stünde, was garantiere, dass er sich weiterhin an die Absprachen halte.243 Die Antwort Johanns vom 26. November 1526 gibt zu erkennen, dass ihm auf dem Speyerer Reichstag 1526 Gerüchte zu Ohren gekommen waren, „als sult genannter Carlstat nicht unterlassen, an etzliche, welche seiner eingefuhrten Secten anhängig, zu schreiben und denselben zu Stärkung
239 Vgl. ebd. 240 Vgl. WA Br, Bd. 3, S. 573f., Nr. 920 (Instruktion des Kurfürsten an Spalatin, was Luther in der Karlstadtsache anzuzeigen wäre). Spalatin reiste nach dem 17. September 1525 im Auftrag Johanns nach Wittenberg, um die finanzielle und personelle Ausstattung der stark angeschlagenen Universität zu regeln. 241 Herzog Georg war bereits am 8. Oktober 1525 bestens darüber informiert. In der Aussöhnung Luthers mit dem Sakramentsschwärmer Karlstadt sah Georg einen neuerlichen Beweis für die Gefährlichkeit Luthers. Nach den Ereignissen des Bauernkrieges sah er es als seine Pflicht an, Kurfürst Johann davor zu warnen und ihm dringend zu raten, Luther zu bestrafen. Vgl. ABKG, Bd. 2, S. 405–407 (Georg an Johann, 8. Oktober 1525). 242 Vgl. WA Br, Bd. 4. Nr. 1051. Karlstadt berichtete Luther in dem Schreiben von all seinen Rückschlägen der letzten Zeit, lässt aber auch erkennen, dass Luther darüber bereits im Bilde wäre, was wohl heißt, dass beide nach wie vor Kontakt hatten. 243 Ebd., Nr. 1052.
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solchs Furhabens allerlei anzuzeigen“.244 Trotzdem gab Johann sein Einverständnis für Karlstadts Übersiedlung nach Kemberg, allerdings unter der Bedingung, dass er sich dort einer scharfen Kontrolle durch den Propst unterwirft. Der Brief schließt mit der Erinnerung, dass sein Aufenthalt in Kursachsen davon abhängig sei, dass er sich ruhig verhalte, und der Warnung: „Dann sult uns furkommen, dass er außerhalb des Landes schriebe, ader in unsern Landen und Furstentumen die beruhrt Sect preisen oder sunst stärken tät, hätt er zu bedenken, was wir darob Ungefallens tragen und derhalben furzunehmen vorursacht wurden.“245 Bald nachdem Karlstadt von dem aufkommenden Misstrauen gegen ihn gehört hatte, sandte er, wieder über Luther, ein demütiges Rechtfertigungsschreiben an Johann, in dem er alle Vorwürfe, die gegen ihn erhoben wurden, zurückwies.246 Doch mit der aufkommenden Wiedertäuferproblematik in Kursachsen geriet nun Karlstadt, dessen Sakramentslehre man als geistige Grundlage für zahlreiche Sekten ansah, erneut in den Fokus. In diesen Strudel aus Verdächtigungen und Mutmaßungen wurde bald auch Luther hineingezogen. In seinen Briefen verschärfte sich der Ton gegen seinen alten Widersacher zunehmend. Die Kontrolle über Karlstadt wurde verschärft, wovon er sich zunehmend überwacht und drangsaliert fühlte, was wiederum bewirkte, dass er immer weniger willens war, mit seinen religiösen Ansichten hinterm Berg zu halten. Im August 1527 arbeitete Karlstadt schließlich eine Erklärung zu seiner Ansicht über das Abendmahl aus, die er persönlich in Torgau bei Kanzler Brück abgab.247 Am 19. August schrieb er an denselben und bat um dessen Fürsprache beim Kurfürsten.248 Die Initiative für dieses Gutachten und auch für die weitere intensive Überwachung Karlstadts scheint nicht vom kursächsischen Hof selbst ausgegangen zu sein, sondern vom lokalen Umfeld Karlstadts, insbesondere vom Wittenberger Amtmann Hans Metzsch.249 Wie Kurfürst Johann auf Karlstadts Ausführungen reagierte, wissen wir nicht, mit deren Widerlegung wurde Luther beauftragt, der ein auffallend mildes Gut-
244 Ebd., Nr. 1054. 245 Ebd. 246 Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 581f., Anlage Nr. 26 (Karlstadt an Johann, 13. Dezember 1526). Das Schreiben wurde von Luther jedoch erst am 7. Januar 1527 an Johann weitergeleitet. Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1070. 247 Diese Erklärung ist verlorengegangen. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 381. 248 Ebd., S. 582–584, Anlage Nr. 27. 249 Bevor Karlstadt mit der Ausarbeitung seiner Ansichten zum Abendmahl begann, ließ er sich zunächst über den Kanzler Brück versichern, dass ihm aus dieser Schrift keine Nachteile entstehen würden. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 381 sowie ENDERS, Briefwechsel Luthers, Bd. 6, Nr. 1369 (Karlstadt an Gregor Brück, 12. August 1528).
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achten verfasste, aber auch Stellung gegen dessen Ansichten in der Abendmahlslehre bezog. Als die Repressionen in Kemberg sich verstärkten, dachte Karlstadt immer öfter an eine Flucht nach Schlesien, wo Kaspar von Schwenckfeld als Reformator tätig war. An ihn schrieb er regelmäßig Briefe, die er jedoch aus Mangel an zuverlässigen Boten nicht absenden konnte. Als er es dennoch einmal wagte, fiel dieser Brief Luther in die Hände, für den von da an feststand, dass man Karlstadt keinerlei Schonung angedeihen lassen sollte. Am 12. August 1528 wandte sich Karlstadt ein letztes Mal an Johann, um ihn milde zu stimmen und die Repressionen zu lockern. Karlstadt war sich zu diesem Zeitpunkt aber wohl schon sicher, dass er vom Hof nichts mehr zu erwarten hatte.250 Von dort leitete man die Schreiben an Luther weiter.251 In seiner Antwort übersandte Luther Brück den abgefangenen Brief Karlstadts und konnte ihn damit in ein noch negativeres Licht rücken. Ebenso sprach er sich dagegen aus, dass Karlstadt gestattet wird, sich aus Kursachsen zu entfernen. Er solle weder von hier aus noch von anderswo irgendetwas veröffentlichen. Wahrscheinlich wäre es das Beste, ihn in zu Haft nehmen.252 Als Karlstadt sich der Gefahr der Gefangennahme bewusst wurde, floh er zu Beginn des Jahres 1529 aus Kursachsen, wohin er danach nie wieder zurückkehrte. Anders als Müntzer wurde Karlstadt, dessen Lehren durchaus das Potenzial hatten, sich zu einer ernstzunehmenden Alternative neben Luther zu entwickeln, frühzeitig kaltgestellt. Dabei wurde ihm die Rivalität zu Luther zum Verhängnis, denn im Gegensatz zu Karlstadt, der bereits vor der Reformation immer wieder als Querulant aufgefallen war, hatte Luther Zugang zum höfischen Umfeld, was ihn insbesondere in Weimar in die Lage versetzte, seinen Einfluss geltend zu machen. Dort machte sich vor allem Kurprinz Johann Friedrich die negativen Ansichten Luthers zu Karlstadt zu eigen und verstärkte diese durch seine politischen Ambitionen. Herzog Johann, der, wie Kurfürst Friedrich auch, der Streitigkeiten rund um Karlstadt bereits überdrüssig war, sah sich wohl nach seiner Rückkehr aus Eisenach im August 1524 mit Luther, Johann Friedrich und Gregor Brück einer derart geschlossenen Front gegen Karlstadt gegenüber, dass er schließlich die Entscheidung zu dessen Ausweisung mittrug, auch wenn keine unmittelbare Gefahr von ihm ausging. Die weitere Entwicklung des Falls war 250 Der Brief an Johann im Druck bei BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 584–586, Anlage 28. Am selben Tag wandte er sich auch an Gregor Brück und bat darum: „Und so ich je wiederumb aus Ch. F. G. Landen weichen muß, mir Gnade erzeigen, Zeit und Raum verleihen, och mit gnädigen und brieflichen Urlaub abfertigen.“ ENDERS, Briefwechsel Luthers, Bd. 6, Nr. 1369 (Karlstadt an Gregor Brück, 12. August 1528). 251 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1324 (Gregor Brück an Luther, Mitte September 1528). 252 Vgl. ebd., Nr. 1328 (Luther an Gregor Brück, 24. September 1528).
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maßgeblich beeinflusst durch das Handeln Luthers, Kurfürst Johann reagierte nur auf die immer wieder durch den Reformator an ihn herangetragenen Belange Karlstadts, wobei er den Vorschlägen Luthers folgte. In der Gewissheit, dass sich seine Ansichten in Kursachsen als verbindlich durchgesetzt hatten, konnte Luther sich, nicht zuletzt die Notsituation Karlstadts und seiner Familie nutzend, zunächst dem alten Rivalen gegenüber großzügig zeigen. Als jedoch klar wurde, welche Popularität die Lehren Karlstadts auch ohne dessen weiteres Zutun hatten, setzte sich Luther wieder für repressive Maßnahmen ein, um dessen Einfluss zu beschneiden. Hätte Karlstadt nicht selbst den Beschluss zur Flucht gefasst, wäre es Luther ohne Zweifel gelungen, den Kurfürsten davon zu überzeugen, Karlstadt gefangen nehmen zu müssen.
3.3. Jakob Strauss JAKOB STRAUSS
Der Eisenacher Prediger Jakob Strauss machte vor allem durch seine Ansichten zum Wucher und Zinsnehmen von sich reden, die einerseits ein enormes Potenzial an sozialer Sprengkraft in sich bargen und andererseits im Gegensatz zu den Anschauungen Luthers in dieser Frage standen.253 Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang der Einfluss, den er auf Herzog Johann ausübte. Strauss stammte aus Basel, sein Geburtsdatum lässt sich nicht genau ermitteln, es ist jedoch davon auszugehen, dass er etwa gleichaltrig mit Luther war, also zwischen 1480 und 1485 geboren wurde. Wo er studiert hat und woher seine reformatorische Prägung rührte, ist ebenfalls unbekannt. Als gesichert kann gelten, dass er Mitglied des Dominikanerordens war und sich ab dem Jahr 1521 in Hall in Tirol aufhielt. Dort hielt er vor der Geistlichkeit mit großem Erfolg Exegesevorlesungen zum Matthäus-Evangelium. Schon bald erhielt er auch die Predigterlaubnis für die Gemeinde. Die in seinen Predigten an den geistlichen Institutionen geübte Kritik, die er jedoch, ohne Änderungs- und Reformvorschläge zu entwickeln, hervorbrachte, bescherte ihm innerhalb kurzer Zeit großen Zulauf. Trotzdem erkannten die Verantwortlichen von Hall schnell, dass seine 253 Da die Themen, denen Strauss sich widmete, sich größtenteils mit denen Karlstadts deckten, mutmaßte man bald, dass auch theologische Gemeinsamkeiten vorlägen. Herrmann BARGE spitzte diese Vermutungen mit der Behauptung zu, dass Strauss bis zum Bauernkrieg Anhänger der Abendmahlslehre Karlstadts gewesen sei. Vgl. BARGE, Andreas Bodenstein, Bd. 2, S. 256. Dem stellte sich Joachim ROGGE in seinen Ausführungen zum Verhältnis zwischen Strauss und Karlstadt klar entgegen. Vgl. Joachim ROGGE, Der Beitrag des Predigers Jakob Strauss zur frühen Reformationsgeschichte, Berlin 1957, S. 117f. Zur Abendmahlsauffassung von Strauss nach 1525 und dessen Auseinandersetzung mit Zwingli und Oekolampad vgl. Walther KÖHLER, Zwingli und Luther, Bd. 1, Leipzig 1924, S. 400–423.
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Predigten das katholische Kirchenwesen unterhöhlten, und entzogen ihm die Predigterlaubnis. Darüber hinaus zeigte man ihn mehrmals beim Bischof von Brixen an, dem gegenüber sich Strauss aber nicht verantwortlich fühlte. Es folgten Streitigkeiten, in die auch das Landesregiment, der Erzbischof von Salzburg und der Kaiser hineingezogen wurden und die mit der Ausweisung von Strauss endeten. Während dieser Zeit stand die Gemeinde loyal zu ihm, unterhielt ihn vollständig und setzte sich beim Rat der Stadt für ihn ein. Als er am 10. Mai 1522 Hall verließ, wurde er von der Gemeinde, mit der er noch lange Zeit in brieflichem Kontakt blieb, reich beschenkt.254 Nach dieser Erfahrung wandte sich Strauss nach Wittenberg, um an der dortigen Universität ein Studium zu beginnen.255 Hier scheint er sehr schnell mit Wolfgang Stein und Luther in Kontakt gekommen zu sein, denn bereits im Herbst 1522 empfahl dieser ihn als Prediger an den Grafen Georg von Wertheim.256 Der Graf beabsichtigte in seinen Landen die Reformation einzuführen, wobei er wohl in erster Linie evangelische Predigt meinte, denn eine Veränderung der äußeren Zeremonien kam für ihn vorerst nicht oder nur mit äußerster Vorsicht in Frage, womit er sich ganz auf der Linie Luthers befand. Strauss dagegen wollte so schnell wie möglich Neuerungen herbeiführen, was der Graf nicht mittrug. So kam es, dass Strauss bereits nach zwei Monaten um seine Entlassung bat, was Georg von Wertheim wohl ganz recht war.257 Offenbar wandte sich Strauss direkt nach Weimar, denn im Dezember 1522 nahm er dort an einer öffentlichen Disputation zwischen dem Hofprediger Wolfgang Stein und den Franziskanern teil. Strauss brachte sich aktiv in die Diskussion ein und teilte die Auffassung Steins, dass die Messe keinen Opfercharakter hätte.258 Sehr wahrscheinlich ist Johann bei dieser Gelegenheit auf Strauss aufmerksam geworden. Kurze Zeit später, im Januar 1523, wurde er als Prediger an die Georgenkirche in Eisenach berufen. Sicher spielte Johann bei dieser Berufung die entscheidende Rolle. Allem Anschein nach hatte Strauss nach der Disputation Weimar nicht 254 Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 16–20. 255 Eintrag in die Matrikel der Universität Wittenberg im WS 1522 als „Jacobus Strauss Basileus Doctor“ Vgl. FÖRSTEMANN, Album acameniae vitebergensis, Bd. 1, S. 111. 256 Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 535 (Luther an Spalatin, 4. September 1522). Die Grafschaft Wertheim befand sich im links des Mains gelegenen Teil Frankens, zwischen Frankfurt/Main und Würzburg. Georg II., der 1521 die Herrschaft von seinem Vater übernahm, förderte die Reformation nicht nur aus Überzeugung gegenüber den Lehren Luthers, sondern auch in Abgrenzung zu den mächtigen Nachbarn, dem Erzstift Mainz und dem Hochstift Würzburg. 257 Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 31–33; WA Br, Bd. 3, Nr. 623 (Luther an Graf Georg von Wertheim, 17. Juni 1523). 258 Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 34; Hermann BARGE, Jakob Strauß. Ein Kämpfer für das Evangelium in Tirol, Thüringen und Süddeutschland, Leipzig 1937, S. 36.
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mehr verlassen, gut möglich, dass im Laufe des Dezember die Verhandlungen für die neue Anstellung geführt wurden. In jedem Fall begab er sich am 18. Januar 1523 von Weimar aus auf Kosten Johanns nach Eisenach, nachdem er ein Neujahrsgeschenk und eine Abfertigung vom Fürsten erhalten hatte.259 Strauss war nicht der erste evangelische Prediger in Eisenach, vor ihm hatten Caspar Aquila und Franz Lambert dort gewirkt, aber jeweils nur für kurze Zeit.260 Das Umfeld, in das Strauss in Eisenach geriet, unterschied sich grundlegend von der Situation in Hall/Tirol. Hatte er dort die gesamte Gemeinde hinter sich, kämpfte er in Eisenach mit zahlreichen lokalen Widerständen. Deshalb war es für ihn besonders wichtig, ein gutes Verhältnis zum Weimarer Hof zu pflegen. Eine Verbindung zum Hofprediger Stein war geknüpft, offenbar eine so gute, dass Strauss sich traute, die schriftlich ausgeführten Thesen Steins im Streit mit den Franziskanermönchen, mit einem Vorwort versehen, in den Druck zu geben. Oder anders ausgedrückt, hatte Stein ausreichend Vertrauen in Strauss, dass er über ihn seine Thesen quasi inkognito drucken ließ.261 Im Wesentlichen auf sich allein gestellt, führte Strauß in Eisenach frühzeitig Reformen im Gottesdienst und bei den Kulthandlungen durch. So schaffte er Ostern 1523 die Ohrenbeichte zugunsten der öffentlichen Beichte ab. Darüber hinaus entfernte er alle Handlungen, die auf den Opfercharakter der Messe hinwiesen. Spätestens 1525 führte er die deutsche Messe in der Georgenkirche ein.262 Im Laufe der Zeit publizierte er zahlreiche kurze Schriften, in denen er zu wichtigen Punkten Reformvorschläge unterbreitete. Diese Schriften enthielten meist keine ausgefeilten Lösungen von Problemen, sondern eher prinzipielle Überlegungen dazu, welche Punkte seiner Meinung nach unbedingt Beachtung finden müssten. Schnell drangen jedoch zahlreiche Klagen und Verleumdungen bezüglich Strauss’ bestimmter und schneller Art, Reformen durchzuführen, nach Weimar, sodass sich dieser 1523 veranlasst sah, ein 50 Artikel umfassendes Memorandum über den evangelischen Predigerstand an Johann Friedrich zu verfassen.263 Darin stellte er heraus, welch wichtige Bedeutung das Predigeramt für den Fortgang der Reformation habe und wie er sich einen geeigneten evangelischen Prediger vor259 In den Weimarer Rechnungsbüchern sind für den 13. Januar 1523 20 Gulden für Jacob Strauss zum neuen Jahr und 10 Gulden für seine Abfertigung nach Eisenach vermerkt. Am 14. Januar wurden mit 10 Gulden seine Unterbringungskosten für 14 Tage beglichen und am 18. Januar für 4 Tage ein Fuhrmann bezahlt, der ihn nach Eisenach bringen sollte. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 4312, fol. 1r, Bb 5211, fol. 68r, zitiert nach BUCHWALD, Lutherana, S. 39. 260 BARGE, Jakob Strauß, S. 41. 261 Vgl. dazu Abschnitt 3.5. 262 Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 47. 263 Das Memorandum ist gedruckt in: ebd., S. 157–166.
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stelle. Mit dieser Schrift suchte Strauss erstmals direkten Kontakt zur Landesherrschaft. Eine Reaktion des Kurprinzen auf diese Schrift ist jedoch nicht überliefert.264 Kurze Zeit später war der Weimarer Hof erneut mit einer Strauss betreffenden Angelegenheit befasst. Ebenfalls 1523 veröffentlichte Strauss in seiner Schrift „Hauptstück und Artikel christenlicher Lehr wider den unchristlichen Wucher“ 51 Thesen zum Wucher. 265 Darin setzte er auseinander, dass jeder Betrag, der über die Grundsumme hinaus genommen wird, als Wucher anzusehen ist, da für ihn das biblische Zinsverbot uneingeschränkte Gültigkeit besitzt.266 Dabei geht Strauss so weit, dass er nicht nur diejenigen verurteilt, die Zinsen nehmen, sondern auch diejenigen, die diese zahlen. Gerade in Eisenach hatte die Zinsproblematik zu großen sozialen Verwerfungen geführt, sodass zahlreiche Schuldner die Artikel von Strauss nun zum Anlass nahmen, ihre Zahlungen einzustellen.267 Luther, der die Auseinandersetzungen und die Rolle Strauss’ in Eisenach verfolgte, hatte die Artikel bald nach ihrem Erscheinen gelesen. Am 18. Oktober 1523 sandte er, wohl auf Verlangen Brücks, sein Urteil darüber nach Weimar mit der Bitte, dieses Herzog Johann bekannt zu machen. Luther sieht sehr wohl, dass der Zinskauf, wie ihn Strauss in seiner Schrift anprangert, völlig aus dem Ruder geraten ist. Allerdings stört er sich daran, den gemeinen Mann nun einfach zu ermutigten, die Zinszahlungen einzustellen, da dies bei der Mehrheit des Volkes nicht aus dem Glauben an das Evangelium heraus geschehe, sondern aus rein egoistischen Gründen.268 In der Tat beschwerten sich in der Folgezeit vor allem die besonders betroffenen geistlichen Institutionen bei Herzog Johann über das Ausbleiben der Zinszahlungen. Zunächst reagierte er darauf, indem er den Rat von Eisenach anwies, die säumigen Zinszahler anzuhalten, ihre offenen Verpflichtungen zu begleichen. Als sich die Lage in Eisenach jedoch verschärfte, reiste schließlich Jakob Strauss im Herbst 1523 selbst nach Weimar, um mit Johann über die
264 Ebd., S. 64. 265 Die Schrift ist gedruckt in: ebd., S. 167–172. 266 In diesem Punkt trafen sich seine Anschauungen über die Gültigkeit der Mosaischen Gesetze mit denen Wolfgang Steins, wonach die Gebote Gottes im Alten Testament nicht nur den Juden zur Einhaltung befohlen sind, sondern auch den Christen. 267 Die Artikel verbreiteten sich sehr schnell, im Juli 1523 sind sie bereits in der Schweiz bekannt. Vgl. ThMA, Bd. 2, S. 355, Anm. 65. 268 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 673 (Luther an Gregor Brück). Da Luther in dem Schreiben lediglich bittet, dem „gnädigen Herrn“ seine Meinung zu übermitteln, ist nicht völlig klar, ob Brück im Auftrag Johanns oder aber Johann Friedrichs angefragt hatte. Am gleichen Tag schrieb Luther auch an Jakob Strauss. In dem Brief, der sehr freundlich gehalten ist, bringt Luther im Wesentlichen die gleichen Argumente, wie er sie auch Brück gegenüber formuliert hatte. Vgl. ebd., Nr. 674 (Luther an Jakob Strauss, 18. Oktober 1523).
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Angelegenheit zu sprechen.269 In diesen Besprechungen muss Johann einen sehr positiven Eindruck von Strauss gewonnen haben, da er in Zukunft sehr viel auf dessen Person hielt. Man beschloss die Einsetzung einer Kommission, die auch einige Milderungen, wie die Stundung der Zinsen, erreichte. Trotzdem beruhigte sich die Lage nicht, am 14. Januar 1524 erstatteten der Schultheiß Oswalt und das Ratsmitglied Wysensehe Herzog Johann Friedrich und einigen beisitzenden Räten erneut Bericht über die Zustände in Eisenach.270 Dabei kristallisierte sich heraus, dass auf den Schuldnern enorm hohe Zinslasten lagen, die bereits dazu geführt hatten, dass aus Armut heraus viele Güter verwüstet waren oder brach lagen, was sicher nicht im Sinne des Herzogs sei. Zwar hätte der Rat dem Drängen der geistlichen Zinsherren bereits nachgegeben und einige Schuldner ins Gefängnis geworfen, doch wäre man nicht bereit, dies auch in Zukunft zu tun, da die Zinsherren auch bei schlechten Erträgen keine Milde zeigten und die Schuldner häufig ausnutzten und betrogen. Klar wurde mit diesem Bericht auch, dass die Mehrheit des Eisenacher Rats hinter Strauss stand. Eine Minderheit des Rats war jedoch altgläubig geblieben und vertrat die Interessen der geistlichen Korporationen, die sich mit erheblichen finanziellen Verlusten konfrontiert sahen. Im April 1524 sandten diese eine Delegation nach Weimar, um bei Johann für ihren Standpunkt zu werben. Wichtigster Verhandlungspunkt waren dabei aber weniger die Zinsverhältnisse an sich, sondern persönliche Angriffe gegen die Person Strauss’, der als Initiator der Antizinsbewegung betrachtet wurde. Offenbar hatte sich Strauss gegenüber den katholischen Ratsherren auch zu manchen Beschimpfungen hinreißen lassen, die nun gesammelt dem Landesherrn vorgetragen wurden.271 Johann ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken, seine persönlichen Begegnungen mit Strauss und die Einlassungen der evangelischen Ratsmitglieder Eisenachs hatten bei ihm ein durch und durch positives Bild des Predigers hinterlassen. So wurde zwar eine zweite Kommission eingesetzt, um die Vorgänge erneut zu prüfen, doch die ganze Instruktion ist geprägt von der Sympathie Johanns für Jakob Strauss. So heißt es darin, dass die in Weimar erhobenen Vorwürfe in Anwesenheit von Strauss, dem Rat von Eisenach und der herzoglichen Kommission zu klären seien, wenn jedoch Strauss seine Predigten gegen den Wucher „aus drangsal seines gewissens“ begründen sollte, „so sollenn die rethe auf sein wortt vnnd antwortt gute achtung gebenn“. Außerdem sollten dahingehend Verhandlungen 269 Sein Aufenthalt in Weimar lässt sich anhand der Rechnungsbücher belegen. Laut Eintrag vom 2. September 1523 blieb Strauss sieben Nächte. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 5212, fol. 198r, zitiert nach BUCHWALD, Lutherana, S. 39. 270 Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 126, fol. 1r–4v (Bericht des Schultheißen Johann Oswalt und Heinrich Wysensehe, Rat zu Eisenach). Vgl. auch WA Br, Bd. 3, Nr. 733 (Luther an Jakob Strauss, 25. April 1524 samt Vorgeschichte). 271 Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 76.
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geführt werden, den Maximalzins auf fünf Prozent festzuschreiben. Strauss hingegen sollte man anweisen, seine Meinung schriftlich niederzulegen.272 Herzog Johann strebte damit eine Regelung vor Ort und mit Jakob Strauss an, einer Rückversicherung durch die Wittenberger Theologen bedurfte er dabei nicht. Es waren Kurprinz Johann Friedrich und der Kanzler Brück, die sich besorgt an Luther wandten und ein Gutachten über die Frage der Rechtmäßigkeit des Zinsnehmens einforderten. In seiner Antwort sprach sich Luther nicht gegen das Zinsnehmen an sich aus, sondern erklärte, dass es Aufgabe der Fürsten und der Obrigkeit sei, dem Zinswucher Einhalt zu gebieten und eine gesetzliche Regelung anzustreben, die den Zinssatz einheitlich bei vier bis fünf Prozent im Jahr festsetze.273 Insofern hatte Johann in den Augen Luthers bereits den richtigen Weg eingeschlagen, als er seine Räte angewiesen hatte, in Eisenach über die Festlegung eines Zinsfußes von fünf Prozent zu verhandeln. Die Schwierigkeiten, die sich dabei ergaben, beschreibt Herzog Johann Friedrich in einem Brief an Luther am 24. Juni: Zwar sei es ohne größere Probleme möglich gewesen, die Darlehensgeber davon zu überzeugen, nicht mehr als fünf Prozent Zinsen zu verlangen, allerdings würden sich die Darlehensnehmer unter dem Einfluss von Predigern wie Strauss nach wie vor weigern, überhaupt Zinsen zu zahlen. So würde auch eine obrigkeitliche Regelung nicht dazu beitragen, dass sich die Lage beruhige.274 Etwa um die gleiche Zeit erschien die zweite Schrift von Jakob Strauss zum Wucherstreit, in der er einige seiner Standpunkte etwas weniger radikal, aber immer noch sehr klar und mit mancher Spitze gegen die Wittenberger darlegte. So beharrte er auf seiner Meinung, dass Zinskauf unzulässig sei.275 Zwar scheint diese Schrift bei Luther wesentlich besser angekommen zu sein als die erste, die sozialreformatorischen Tendenzen von Strauss blieben dem Wittenberger Reformator jedoch stets verdächtig.276 Am Ende dieses über ein Jahr lang dauernden Wucherstreits hatte Strauss jedoch in Zusammenarbeit mit Herzog Johann erreicht, dass für Eisenach ein Maximalzinssatz von fünf Prozent festgelegt 272 Die Instruktion befindet sich im LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 126, fol. 13–16, hier zitiert nach ROGGE, Jakob Strauss, S. 76. Im Vorfeld hatte Johann ein „Bedenken, welcher gestalt die rethe so gegen Eisenach ziehenn werdenn doselbst auch was sachennn sie hanndelnn sollenn“ anfertigen lassen. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 126, fol. 5–12. 273 WA Br, Bd. 3, Nr. 753 (Luther an Johann Friedrich, 18. Juni 1524). Das Schreiben Johann Friedrichs an Luther ist nicht überliefert, Veit Warbeck hatte es Luther direkt in Wittenberg übergeben. 274 Vgl. ebd., Nr. 754 (Johann Friedrich an Luther). 275 Die Schrift wurde etwa Anfang Juni 1524 mit dem Titel „Daß Wucher zu nehmen und zu geben unserem christlichen Glauben entgegen ist“ veröffentlicht. Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 2, S. 144f. 276 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 755 (Luther an Spalatin, 27. Juni 1524).
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wurde.277 Damit veränderte man zwar nicht die Mentalität der Menschen, wie Strauss es eigentlich angestrebt hatte, entlastete aber viele Eisenacher Bürger nachhaltig.278 Vielleicht um den vereinbarten Maßnahmen größeren Nachdruck zu verleihen und damit auch Strauss den Rücken zu stärken, reiste Herzog Johann in der Zeit vom 14. bis 21. August 1524 selbst nach Eisenach. Anlässlich dieses Besuches ist zwischen dem Fürsten und Strauss offenbar auch der Umstand thematisiert worden, dass einige „schwärmerische“ Prediger, zu denen zweifelsohne in den Augen der Wittenberger auch Strauss zählte, die Bevölkerung in Thüringen aufwiegelten und radikalisierten. Mit Sicherheit war Johann dabei sowohl die Fürstenpredigt Müntzers vom 13. Juli als auch das gerade erst erfolgte Verhör am 1. August in Weimar noch frisch im Gedächtnis.279 Um die Situation zu entschärfen, schlug Strauss ihm vor, auf das Angebot einiger Prediger, wie Müntzer und Karlstadt, einzugehen und deren Lehren in einer großen Disputation gegeneinander zu prüfen. Johann nahm den Rat an und unterbreitete Kurfürst Friedrich direkt nach seiner Rückkehr aus Eisenach diesen Vorschlag.280 Wie wir gesehen haben, sollte es dazu nicht mehr kommen, da Müntzer inzwischen Allstedt verlassen hatte und Karlstadts Entfernung aus Orlamünde durch Luther und Herzog Johann Friedrich bereits vorbereitet wurde. Allerdings zeigt die Bereitschaft Johanns, den Rat von Strauss anzunehmen, dass beide ein gutes Verhältnis verband. So verwundert es kaum, dass sich Herzog Johann im Dezember 1524 an Strauss wandte, um ihn für sein Projekt zu gewinnen, den gewaltsamen Auseinandersetzungen, die im Zuge des Hervortretens von Predigern mit unterschiedlichen Lehrauffassungen entstanden waren, durch eine Visitation entgegenzutreten.281 Strauss schien genau der Richtige für dieses Vorhaben zu sein: ein rühriger Prediger, der christliche und soziale Themen miteinander verband und noch dazu die Verhältnisse im Eisenacher Raum bestens kannte. Unter seiner Leitung, unterstützt von dem kurfürstlichen Beamten Burkhard Hund, kam es in 277 Der Zinssatz lag zuvor bei 12% und mehr. Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 77. 278 Ebd., S. 82–86. 279 Der Annahme ROGGEs, Jakob Strauss, S. 114, dass Strauss beim Verhör Müntzers am 1. August in Weimar anwesend war, ist zu widersprechen. Rogge leitet dies aus dem Bekenntnis Müntzers vom 16. Mai 1525 ab, wo dieser von einer Begegnung mit Strauss in Weimar spricht. Dies bezieht sich aber auf das Aufeinandertreffen anlässlich der Franziskanerdisputation 1522. Vgl. ThMA, Bd. 3, S. 267. 280 Dieses Schreiben im Druck bei FÖRSTEMANN, Zur Geschichte des Bauernkriegs, S. 198– 200 sowie ThMA, Bd. 3, S. 173f. 281 Für den 10. Dezember 1524 sind im Weimarer Rechnungsbuch zwei Gulden für einen Fuhrmann vermerkt, der Strauss wieder nach Eisenach zurückgebracht hat. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 5219, fol. 16v, zitiert nach BUCHWALD, Lutherana, S. 40.
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der Zeit vom 10. bis 14. Januar 1525 zu einer ersten Visitation in der Gegend rund um Eisenach.282 Eine Rückfrage nach Wittenberg zu diesem Vorhaben hat es allem Anschein nach nicht gegeben. Dieses Engagement Strauss’ für eine Maßnahme, der Luther zu diesem Zeitpunkt noch kritisch gegenüberstand,283 vertiefte aber die Kluft zwischen ihm und den Wittenbergern. Trotzdem strebte Herzog Johann im März 1525 eine Fortsetzung der Visitation an, zu der er Strauss eine ihn als Visitator autorisierende Instruktion erteilte.284 Es fehlen die Nachrichten darüber, ob diese zweite Visitation noch stattgefunden hat, denn bereits im April 1525 waren erste Teile Thüringens vom Bauernkrieg betroffen. Im Bauernkrieg wurde Strauss, ähnlich wie Luther, aufgrund seiner sozialen Themen von vielen Bauern als einer von ihnen angesehen. Dabei spielten natürlich auch die Wucherpredigten, die großen Eindruck auf die Bauern gemacht hatten, eine entscheidende Rolle. Er selbst versuchte, eine vermittelnde Position einzunehmen, so reiste er beispielsweise nach Salzungen und in andere Orte, um dort zur Ruhe zu mahnen. All dies fruchtete jedoch nicht. Die lutherische Seite warf Strauss später vor, er hätte in den kritischen Tagen selbstherrlich gehandelt, beispielsweise, als er verlangte, dass die Insassen der Klöster und Stifte die Stadt sofort verlassen sollten, da die Wut der Bauern andernfalls vor den Toren der Stadt nicht haltmachen würde. Zweifellos überschritt er mit dieser Forderung die Kompetenzen seines Predigtamtes, jedoch unver282 Am 15. Januar 1525 übersandte Strauss einen ersten Bericht dazu an Johann. Daraus geht nicht nur Strauss’ uneingeschränkte Einsatzbereitschaft hervor, sondern auch sein Willen, dem Fürsten gegenüber offen und kritisch Missstände anzusprechen. „Wie woll es villeicht etlicheen des Adels und e.f.G. Amptleuten möchte nit gefallen, als sie dann in irem tyrannischen Fürnemen uber die armen Unterthanen, auch unchristlichs und ergerlichs Wandels halben, wie sie dann unverschampt leben, sie die göttlich Warheit und Straff in keinem Wege erleiden mögen, wie ichs dann an zwenn Enden itzt gefunden hab […].“ LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 133, fol. 1–2, zitiert nach HERRMANN, Die Kirchenvisitationen, S. 168. 283 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 939 (Luther an Johann, 31. Oktober 1525). Insgesamt stand Luther dem Instrument der Visitation sehr skeptisch gegenüber. So bedurfte es einiger Zeit, bis Kurfürst Johann und Luther ihre Vorstellungen über Sinn und Ziel einer Visitation in Einklang bringen konnten. Zum Bild Luthers über die Visitationen in der katholischen Kirche vgl. Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum zu Sachsen, 1528, in: Hans-Ulrich DELIUS (Hg.), Martin Luther Studienausgabe, Bd. 3, Leipzig 21996, S. 402–462, hier S. 407f. 284 ROGGE vermutet, dass eine landesherrliche Autorisierung notwendig wurde, nachdem Strauss durch sein recht rigoroses Vorgehen im Januar auf viel Widerstand gestoßen war. Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 88. Wahrscheinlich ist wiederum zu persönlichen Absprachen zwischen Strauss und Johann gekommen. In jedem Fall lässt sich die Anwesenheit von Strauss im März 1525 in Weimar nachweisen. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 5223, fol. 13r, zitiert nach BUCHWALD, Lutherana, S. 40.
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kennbar in der Absicht, die Situation deeskalieren zu wollen. Da man sich weder auf Verhaltensmaßregeln noch auf Befehle Herzog Johanns stützen konnte, ließen sich der Eisenacher Schultheiß Johann Oswalt und der Stadtrat nur allzu gern von der Entschlossenheit Strauss’ leiten.285 Ohne zu zögern begaben sie sich ins Franziskanerkloster und suggerierten den Mönchen, sie handelten auf Befehl Friedrichs und Johanns. So erklärte der Schultheiß den Franziskanern am 23. April 1525, „[…] m. gst. und g.h. entlicher befehel ist, ir solt alspalde anheben und dewtzsche mess halten und das evangelium leuter predigen, das sacrament sub utraque specie gebe, nicht mher beycht horen, nicht leuchten etc. und wies in der pfarr gehalten wirdet, sich genzlich zu gehalten“.286 Zeitig am Morgen des nächsten Tages kamen schließlich vier Ratsherren ins Kloster und erklärten den überraschten Mönchen, „ir gst. und g.h. befehel ist, das sy alspalde in der stund eynwegzyhen, sollten auch die stund gleyt haben“.287 Ohne Zweifel erschien dem Rat und dem Schultheiß dieses Vorgehen als alternativlos, nachdem die Nachricht von der Stürmung des Klosters Georgenthal bereits die Runde gemacht hatte.288 Obwohl die Bauernhaufen Eisenach zunächst nicht erreichten, brodelte die Stimmung in der Stadt. Nachdem es dem Rat gerade noch gelungen war, die wertvollsten Stücke aus dem Inventar der geräumten Klöster auf der Wartburg sicherzustellen, fiel das Volk über das Verbliebene her.289 Daneben hielten sich hartnäckige Gerüchte über ein bevorstehendes Eingreifen Herzog Johanns,290 was jedoch nicht geschah.291
285 Vgl. ROGGE, Jakob Strauss, S. 91f. 286 ABKG. Bd. 2, S. 120, Nr. 866 (Der Schosser von Salza an Sittich von Berlepsch, 24. April 1525). Der Schosser berichtet ausführlich über die Umstände der Ausweisung der Franziskaner aus Eisenach, die schließlich Zuflucht im Kloster von Salza suchten. 287 Ebd. 288 In Anbetracht der Tatsache, dass den Stadträten weder fürstliche Befehle noch militärische Hilfen zur Verfügung standen, waren sie völlig auf sich allein gestellt. Vgl. dazu exemplarisch die hilflose Lage des Stadtrats von Waltershausen angesichts der bevorstehenden Stürmung des Benediktinerklosters Reinhardsbrunn bei Carl POLACK, Reinhardtsbrunn, in: Zeitschrift für thüringische Geschichte und Altertumskunde 7 (1870), S. 39–108, hier S. 68–77. 289 Strauss scheint noch am selben Tag mit Predigten versucht zu haben, das Volk zu beruhigen, indem er es aufrief, fest im Glauben zu stehen, nun nachdem die Mönche und Nonnen entgültig die Stadt verlassen hätten. Den Umstand, dass der Rat das Eigentum der Geistlichen an sich genommen hatte, rechtfertigte er damit, dass dies besser sei, als es den Bauernhaufen zur Plünderung zu überlassen. Vgl. ABKG, Bd. 2, S. 120, Nr. 866. 290 So hieß es zum einen, dass sich Strauss und Oswalt auf den Weg zu den Fürsten nach Weimar gemacht hätten, und zum anderen, dass Johann und Johann Friedrich bereits auf dem Weg nach Eisenach wären, um dort gemeinsam mit denen von Gotha und Waltershausen für Ordnung und Frieden zu sorgen. Vgl. ebd., S. 121, Nr. 866; AGBM, Bd. 1,
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Bei Johann in Weimar liefen die besorgniserregenden Nachrichten aus ganz Thüringen zuerst ein. Auch mit dem Eisenacher Schultheiß Johann Oswalt unterhielt er in dieser Zeit einen regen Briefwechsel.292 Schließlich erschienen die Bauern doch vor den Toren Eisenachs, die unmittelbare Nähe des Landgrafen und seiner Truppen veranlasste den Rat, fünf Bauernführer zu Verhandlungen in die Stadt zu locken und sie dort festzunehmen.293 Johann, inzwischen Kurfürst, befahl deren sofortige Hinrichtung.294 Was Strauss von diesem Vorgehen hielt, ist nicht überliefert. Er selbst wurde nach Weimar gefordert und dort seiner ungestümen Predigt wegen in Haft genommen.295 Strauss sah sich schwerwiegenden Anschuldigungen ausgesetzt, die sein Leben bedrohten. Am 1. Juni 1525 reichte schließlich der Rat der Stadt seinen Bericht über Strauss bei Kurfürst Johann ein, der sachlich zwar viel Richtiges enthielt, jedoch in einem Ton abgefasst war, der äußerst ungünstig für den Beschuldigten wirken musste. Während der Rat sich selbst reinzuwaschen versuchte, beschwerte man sich über Strauss’ eigenmächtiges Vorgehen und erklärte, dass allein sein vielfältiges, aufrührerisches und ungestümes Predigen für die Empörung im Raum um Eisenach verantwortlich sei. Das Verhalten des Schultheißen Oswalt, der sich wohl in dieser ungünstigen Situation von Strauss abwandte, wurde bei den Verhandlungen niemals in Frage gestellt.296 Das Vertrauen Johanns in Strauss hatte jedoch Bestand, er wurde in Weimar freigesprochen und konnte in sein Amt zurückkehren. Trotz dieses günstigen Ausgangs fühlte sich Strauss nicht mehr wohl in Eisenach und verließ die Stadt
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1. Abt., S. 261 (Der Amtmann Heinz von Wanbach zu Massfeld an den Grafen Wilhelm von Henneberg, 25. April 1525). Seine völlige Überraschung über die Macht und das Potenzial des Aufstandes sowie die eigene Hilflosigkeit gestand Johann in einem Schreiben an Friedrich vom 30. April 1525 ein. Dort heißt es: „Euer liebden gebe ich freuntlicher maynung zcu erkennen dass es in e.l. unnd meynez furstenthum so eyn wust wesen ist dass ich es nit geglaubet hette.“ Manfred KOBUCH/Ernst MÜLLER (Hg.), Der deutsche Bauernkrieg in Dokumenten, Weimar 1975, S. 64. Vgl. NUB, S. 263f., Nr. 28 (Oswalt und Hans von Berlepsch an Johann, 24. April 1525); S. 264, Nr. 29 (Oswalt an Johann, 24. April 1525); S. 265f., Nr. 31 (Oswalt an Johann, 25. April 1525). Vgl. AGBM, Bd. 1, 2. Abt., S. 460 (Graf Wilhelm von Henneberg an Johann, 10. Mai 1525). Vgl. ebd., S. 481 (Neue Zeitung des kursächsischen Hofmeisters Anselm von Tettau, 12. Mai 1525). Auch Luther wusste davon, dass Strauss in Weimar in Haft genommen worden war, wie ein späteres Schreiben von ihm an Gregor Brück zeigt. Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1328 (24. September 1528). ROGGE, Jakob Strauss, S. 93f.
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noch 1525.297 Gerüchte und Verleumdungen eilten ihm dabei voraus und prägten die Literatur jener Jahre. Für Herzog Johann gehörte Strauss zweifelsohne zu jenen Predigern, deren Ideen er äußerst zugetan war und die er bis zur Regierungsübernahme als durchaus gleichberechtigt neben den Wittenberger Reformatoren ansah.
3.4. Nikolaus Hausmann NIKOLAUS HAUSMANN
Hausmann bildet hinsichtlich der hier vorgestellten Reformatoren eine gewisse Ausnahme, da er nicht den „Schwärmern“ zuzuordnen ist, sondern eher in einer Vorreiterrolle gegenüber den Wittenberger Reformatoren zu sehen ist. Viele seiner Ideen zur Vereinheitlichung und Ordnung des evangelischen Gemeindewesens, die er anhand von Gutachten für Herzog Johann bereits frühzeitig ausformulierte, setzten sich erst wesentlich später bzw. nach und nach bei Luther und seinen Kollegen durch. Anhand dieser Gutachten und zahlreicher Briefe, welche er zur Situation in Zwickau an Johann richtete, sind wir über seine Vorstellungen zum Fortgang der Reformation sehr gut informiert, obwohl von Hausmann kaum Schriften oder Predigten überliefert sind. Durch den äußerst regen Kontakt, den der Zwickauer Rat und Hausmann nach Weimar hielten, war wohl auch Johann mit dessen Konzept zur Durchsetzung der Reformation mit am besten vertraut. Hausmann wurde um das Jahr 1479 in Freiberg als Sohn eines Münzmeisters und Ratsherrn geboren. Er studierte ab 1498 in Leipzig, wo er sich 1503 zum Magister promovieren ließ. Seine Priesterweihe empfing er in Altenburg. Bis zum Beginn seiner Tätigkeit als Prediger in Schneeberg 1519 wissen wir nichts über seinen Werdegang. Als sicher kann dagegen gelten, dass Hausmann zu den frühesten Anhängern Luthers gehörte und sich bald eine Freundschaft zwischen den beiden Männern entwickelte. 298 Obwohl es in Schneeberg offenbar keine Schwierigkeiten gegeben hatte, suchte Hausmann 1521 die Herausforderung, als ihm die Pfarrstelle an der Marienkirche in Zwickau angeboten wurde. Er wusste um die Spannungen in Zwickau, die durch den Streit zwischen den vorherigen Predigern Egranus und Müntzer sowie dessen schwärmerisch veranlagten Anhängern ausgelöst worden waren.299 Sicher war Luther nicht der Einzige, der ihn 297 Im Herbst 1525 verließ Jakob Strauss Eisenach und ging zunächst nach Nürnberg, kurze Zeit später erhielt er eine Stelle als Stiftsprediger in Baden-Baden, der Residenzstadt Markgraf Philipps von Baden. Vgl. ebd., S. 124f. sowie MBW, Nr. 445 (Nikolaus Gerbel an Melanchthon, Januar 1526). 298 Friedrich Wilhelm BAUTZ, Nikolaus Hausmann, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 2, Herzberg 1990, Sp. 607–610. 299 Vgl. Abschnitt 3.1.
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darauf hinwies, wie heikel die Lage in der Stadt war. Offen warnte er ihn, dass er sich, wenn er das Pfarramt annähme, auch zum Feind des Papstes und der Bischöfe machen würde, indem er ihren Satzungen widerstritt. Würde er andererseits nicht widerstreben, würde er sich zum Feind Christi machen.300 Und in der Tat, nachdem Hausmann am 16. Mai 1521 sein Amt als Pfarrer in Zwickau angetreten hatte, gingen bereits am 4. August 1521 erste Beschwerden der Statthalter und Räte des Naumburger Bischofs ein. So beklagten sie sich bei Johann und Friedrich, dass die Zwickauer mit Hausmann einen Pfarrer angenommen hätten, der ganz in die Fußstapfen Müntzers getreten sei. Konkret ging es aber darum, dass sich Hausmann insbesondere in Ehesachen in die Gerichtsbarkeit des Bischofs eingemischt hatte. 301 Daraufhin forderte Friedrich einen Bericht Hausmanns zu den Vorwürfen.302 Dieser antwortete am 7. September ausführlich an beide Fürsten. Darin gibt er offen zu, dass er in Bezug auf die Ehe, alles, was man ihm vorwirft, öffentlich von der Kanzel gelehrt habe, nämlich, dass sich die Leute in Ehesachen zunächst an ihren Pfarrer wenden sollten, der dann vor Ort und ohne Verzug versucht, die Angelegenheit zu regeln. Würde der Fall dagegen der bischöflichen Gerichtsbarkeit übergeben, ziehe sich die Sache, wie er aus Erfahrung wisse, oft über mehrere Jahre hin, was die Leute auf unangemessene Art und Weise beschwere. Die ganze Angelegenheit würde sowieso nur so hochgespielt werden, weil sie dem Bischof Geld einbrächte. Dieser sollte sich aber lieber um wirklich wichtige Sachen kümmern, 303 wie die Visitation der Priesterschaft, die Aufsicht über die Mönchsklöster und die Dorfpfarrer, welche die Menschen falsche Dinge lehren. Hausmann zählt im Laufe des Schreibens noch weitere Missstände auf, denen er, so gut es gehe und in Absprache mit dem Rat von Zwickau, versuche entgegenzutreten. Dabei habe er niemals gegen die Ehre Gottes gehandelt und wolle sich auch weiterhin gehorsam zeigen.304 Mit dieser Antwort dürften Johann und Friedrich zufrieden gewesen sein, denn die Missbräuche, die mit der geistlichen Gerichtsbarkeit in Ehesachen zusammenhingen, waren lange bekannt und fanden auf dem Wormser Reichstag 1521 sogar
300 WA Br, Bd. 2, Nr. 390 (22. März 1521). 301 Das Schreiben der Zeitzer Statthalter und Räte vom 4. August 1521, das sowohl an Johann als auch Friedrich gesandt wurde, ist gedruckt in: KIRN, Friedrich der Weise, S. 181f. 302 Vgl. ebd., S. 182f. (Kurfürst Friedrich an Hausmann, 13. August 1521). 303 Wie sehr sich Hausmann über die Anklagen der Zeitzer Räte ärgerte, zeigt diese sehr drastisch formulierte Stelle besonders klar. So heißt es: „Durchlauchtigster und Durchlawster fursten, gnedigste herren, wan ja meins gnedigsten h. des bischoffs von Neunburgk rete in seiner gnaden abwesen wollten vleissig aufsehen haben, so weren wol notiger sachen zu fordern, doran sein f.g. mehr angelegen wher dan disen kintlichen gescheften.“ KIRN, Friedrich der Weise, S. 184. 304 Ebd., S. 183–187 (Nikolaus Hausmann an Johann und Friedrich, 7. September 1521).
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Eingang in die Gravamina. 305 Sehr wahrscheinlich hat Hausmann mit diesem ersten direkten Schreiben an die Fürsten einen positiven Eindruck hinterlassen, seine Argumentation und Vorgehensweise gegen für jedermann sichtbare Missstände dürfte den Fürsten nicht unsympathisch gewesen sein. Von nun an standen Hausmann und der Zwickauer Rat mit Johann in dauerhaftem Kontakt, insbesondere wegen der Streitigkeiten mit den Franziskanermönchen.306 Teilweise erreichten den Herzog in Weimar jeden Monat Klagen und Widerschriften der streitenden Parteien, die einen tiefen Einblick in die Positionen des evangelisch gesinnten Rates samt ihres Pfarrers Hausmann und den auf ihrem alten Glauben beharrenden Franziskanermönchen geben. Es lässt sich wohl ohne Übertreibung sagen, dass Johann, abgesehen von Weimar selbst, die Ausbreitung der Reformation und die dabei auftretenden Schwierigkeiten in Zwickau über einen langen Zeitraum am nachdrücklichsten verfolgen konnte. Zu einer Begegnung zwischen Herzog Johann und Hausmann kam es im April 1522, als dieser sich zusammen mit dem Zwickauer Rat und dem Franziskanerguardian Martin Baumgart nach Weimar begab, um von den herzoglichen Räten die intensiven Streitigkeiten schlichten zu lassen. Nach zweitägigen Verhandlungen verkündete Johann am 5. April 1522 einen Rezess zwischen den Parteien, der die alten Rechte und Privilegien der Franziskaner im Wesentlichen unangetastet ließ.307 Gemäß dem Bericht Martin Baumgarts über die Abläufe in 305 Besonders Frauen wurden von den geistlichen Richtern oft leichtfertig mit dem Vorwurf des Ehebruchs vorgeladen, um ihnen dann Geständnisse oder Reinigungseide, die stets mit Geldzahlungen verbunden waren, abzupressen. Allein die Vorladung reichte natürlich aus, um auch Unschuldige sittlich verdächtig zu machen, was zu einer erheblichen Beschädigung des Ansehens der Beschuldigten führte. Vgl. KIRN, Friedrich der Weise, S. 42f. 306 Die Streitigkeiten zwischen dem Zwickauer Rat und den Franziskanern schwelten schon länger, bereits 1519 drohte der Rat damit, den Brüdern kein Brennholz, keinen Fisch und keine Almosen mehr zu reichen, wenn sie sich gegen den Prediger auflehnen und damit den Rat verachten würden. Vgl. DOELLE, Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen, S. 45. 307 Der Vergleich ist gedruckt in: ebd., S. 225–228. Darin wurden folgende Punkte geregelt: Wie und in welchem Maße die Brüder städtischen Vertretern Zugang zum Kloster zu gestatten haben. Offenbar hatte der Rat sich darüber beschwert, dass man ihm die über das Kloster zu erreichenden Gänge und Türen zum Wehrgang der Stadtmauer versperrt hatte. Dies sollte nun mittels Ortstermin vom Zwickauer Amtmann überprüft und abgestellt werden. Was die Klausur betrifft, so wurde bestimmt, dass der städtische Vorsteher des Klosters wie bisher einen Pfortenschlüssel haben sollte, mit dem er sich aber nur im Notfall Zugang zum Kloster verschaffen sollte. Ob es den Franziskanern weiterhin gestattet sein sollte, ihren Lebensunterhalt durch Betteln zu bestreiten. So erlaubte ihnen der Rat weiterhin frei vor den Kirchen der Stadt, auf dem Markt und an den Fleischbänken zu betteln. Für das Betteln von Haus zu Haus war eine Erlaubnis des Rates einzuholen.
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Weimar hielt sich der Zwickauer Rat, obwohl er in den Monaten zuvor bereits massiv gegen die Franziskaner vorgegangen war, sehr zurück. Angeblich erklärte er sogar, von den Franziskanern nur Gutes berichten zu können, und zeigte ein Entgegenkommen, das selbst die Weimarer Räte überraschte.308 Letztlich lassen sich die vorangegangenen Aktionen und das Auftreten des Zwickauer Rats in Weimar nur schwer in Einklang bringen. Man könnte jedoch spekulieren, dass Hausmann derjenige gewesen ist, der den Rat zu dieser Zurückhaltung veranlasst hatte, da für ihn die Einmischung weltlicher Obrigkeiten in geistliche Angelegenheiten nicht in Frage kam, sodass Johann aus seiner Sicht sowieso nicht der richtige Ansprechpartner war. 309 Außerdem hatte ihm Luther kurz vor den Weimarer Verhandlungen geschrieben, dass er lediglich von der Kanzel aus gegen die Franziskaner vorgehen solle, sie aber sonst beim Streiten, Lästern, Täuschen und Verführen gewähren lassen solle.310 Zumindest ließe sich so die von Baumgart erwähnte unfreundliche Haltung der Weimarer Räte Hausmann gegenüber und der ebenfalls genannte Umstand, dass die Verhandlungen dem Bürgermeister Mühlpfort so unangenehm wurden, dass er sich von den Fürsten verabschiedete, erklären.311 Der Rezess fiel jedenfalls zugunsten der Franziskaner aus, was Johann zunächst davon befreite, sich in äußerst unsichere rechtliche Verhältnisse einmischen zu müssen. Es lässt sich aber leicht denken, dass ein Vergleich, der unter so schwierigen und widersprüchlichen Umständen zustande gekommen war, nicht lange Bestand haben würde. Schon der Besuch Luthers in der Zeit vom 30. April bis zum 2. Mai 1522 in Zwickau, der ursprünglich dazu gedacht war, dem grassierenden
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Beim Beerdigungsrecht wurde dem Streben des Rates und Hausmanns nach einem allgemeinen Friedhof vor den Stadttoren der Vorzug gegeben, sodass die Brüder nur noch Adlige, die es ausdrücklich wünschten, und die Schwestern des Dritten Ordens im Kloster begraben durften. Neben der Sicherung des Lebensunterhalts war wohl der zum Schluss verhandelte Punkt für die Brüder der Wichtigste: nämlich, dass ihnen das Predigen in seiner bisherigen Form weiterhin gestattet wurde. Es wurden lediglich einige Auflagen gemacht, so sollten gegenseitige Beschimpfungen unter der Predigt unterbleiben, die Beichte sollten die Brüder nur noch von jenen Leuten hören, die freiwillig zu ihnen kämen und sie dabei nicht ausforschen über Dinge, die nicht zur Beichte gehörten. Vgl. SEIDEMANN, Schriftstücke zur Reformationsgeschichte, in: Zeitschrift für historische Theologie 44 (1874), S. 131–134 (Martin Baumgart an Jakob Politoris und Wolfgang Roth in Schneeberg, 14. April 1522). Noch im Dezember 1524 brachte Hausmann seine Ansicht, dass die weltliche Obrigkeit nichts mit den Dingen zu schaffen habe, welche die Seelen und Gewissen der Christen betreffen, zum Ausdruck. Vgl. DOELLE, Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen, S. 245 (Hausmann an Johann, Dezember 1524). Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 465 (Luther an Hausmann, 26. März 1522). Vgl. SEIDEMANN, Schriftstücke zur Reformationsgeschichte, S. 133.
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schwärmerischen Gedankengut Einhalt zu gebieten, scheint die Zwickauer wieder in Frontstellung gegen die Franziskaner gebracht zu haben. So sehen wir in den nächsten anderthalb Jahren vor allem einen aktiven Zwickauer Rat, der mit zahlreichen Aktionen versuchte, den Einfluss der Franziskaner auf die Bevölkerung einzudämmen. Herzog Johann wurde dabei vom Zwickauer Rat immer wieder darum gebeten, personelle Eingriffe, insbesondere die Entfernung missliebiger Brüder, zu unterstützen. Derart klare Stellungnahmen, die im Zweifel auch eine Auseinandersetzung mit den Ordensoberen der Franziskaner bedeutet hätten, lehnte Johann freilich ab. 312 Hausmann hielt sich offenbar dabei im Hintergrund, auch wenn davon auszugehen ist, dass er hinter den Maßnahmen des Rats stand, mit dem er eng zusammenarbeitete. Die Verantwortung lag jedoch klar beim Rat und den Bürgermeistern. Einen Höhepunkt erreichten die Streitigkeiten am 7. Dezember 1523, als, im Zuge des Widerstands der Franziskaner gegen die von Nikolaus Hausmann geplante Einführung einer neuen Kirchenordnung, der Rat den Guardian Martin Baumgart und den Lektor der Stadt verwies und den Mönchen das Predigen verbot. Über diesen Schritt hatte der Zwickauer Rat offenbar im Vorfeld Herzog Johann in Kenntnis gesetzt und ihn diesmal von der Notwendigkeit überzeugen können, dass Baumgart, um weitere Unruhe und das Volk aufrührende Predigten zu vermeiden, Zwickau verlassen müsse.313 Doch diese Ereignisse, die auch der Zwickauer Bevölkerung nicht verborgen blieben und nicht überall auf Gegenliebe stießen, ließen Nikolaus Hausmann zögern, über die reine Verkündigung des Evangeliums, worauf er sich, auch auf Anregung Luthers, bisher beschränkt hatte, hinauszugehen. So reiste er im Februar 1524 nach Weimar, um sein Vorhaben, eine neue Kirchenordnung in Zwickau einzuführen, abzusichern. In erster Linie ging es ihm wohl darum, die Unterstützung Johanns als Fürsprecher beim Naumburger Bischof bzw. dessen Statthaltern zur Genehmigung seiner Pläne, den Gottesdienst umzugestalten, zu gewinnen. In Weimar empfingen ihn sowohl Johann Friedrich als auch Johann selbst im Beisein des dänischen Königs Christian II. und zeigten sich sehr interessiert an seinem beabsichtigten Reformwerk.314 So forderten sie Hausmann auf, „zu ferner Unterrichtung“ seine Vorschläge in Form eines schriftlichen Gutachtens 312 Zum Schriftwechsel zwischen Johann und dem Zwickauer Rat bezüglich deren Wünschen zur Versetzung bzw. Absetzung verschiedener Franziskanermönche, insbesondere jedoch des Guardians Martin Baumgart vgl. Gustav SOMMERFELDT, Zu den Briefen Martin Baumgarts 1522–1544, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte 41 (1920), S. 123–130, hier S. 127. 313 Vgl. DOELLE, Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen, S. 74–77. 314 Vgl. Anne-Rose FRÖHLICH, Die Einführung der Reformation in Zwickau, in: Mitteilungen des Altertumsvereins für Zwickau und Umgebung 12 (1919), S. 1–74, hier S. 24, 50f.
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einzureichen.315 Im März 1524 verfasste er ein solches Gutachten, das er sehr wahrscheinlich im April oder Mai selbst nach Weimar brachte.316 Nachdem er in zwei Abschnitten das Ideal und den derzeitigen Zustand der christlichen Gemeinde beschrieben hatte, erklärt er seine Vorschläge. Diesen Gebrechen und Irthumb zuvorkommen und das die Priesterschaft, Jugend, arme Leut allenthalben in E.F.G. Land und Städt widerumb möcht in die erste christliche Ordnung bracht werden, […] hat ein ehrbar Rath zu Zwickau, E.F.G. willige Unterthan und gehorsam, ich, E.F.G. auch untertheniger Caplanus, diese nachfolgende Musterung und Anschlag fürgenommen, als fern dies E.F.G., dergleichen unserm G.H. dem hochwirdigen durchlauchten Fürsten und Herrn, Bischofen zu Naumburg, mit will wolgefällig sein.317
Zunächst schlägt er die Bildung eines Gemeinen Kastens vor, aus dem die Pfarre und die Schule unterhalten werden sollen sowie ein für alle Bürger gleiches allgemeines Begräbnis bezahlt werden soll. In einem zweiten Punkt bespricht Hausmann die einzelnen Ämter und Aufgaben der priesterlichen Gemeinschaft, welche eingeführt werden müssen, um ein Funktionieren der christlichen Gemeinde sicherzustellen. Welche Rolle Johann in diesem Werk zukommt, erklärt er nach seinen ausführlichen Beschreibungen. Soll diese priesterliche Gemeinschaft ein brüderliche Ordnung in E.F.G. Fürstenthumb, in Landen und Städten, auch Bistumb, andern Fürsten und Herren, umbliegenden Städten damit auch ein Exempel und Anreizung zu geben, dermaßen nachzufolgen angehen, so muss E.F.G. mit dem Durchlauchten, Hochwirdigen in gott fürsten und Herrn Bischof zu Naumburg, E.F.G. lieben Oheimen, zuvor beschließen und einig werden, dergleichen die Confirmaciones aller Lehen aufheben und ganz verändern.318
Herzog Johann bekam also ein Gutachten in die Hände, in dem nicht nur konkrete Vorschläge zur weiteren Entwicklung der christlichen Gemeinde in Zwickau gemacht wurden, sondern auch sein Handlungsrahmen klar definiert wurde, nämlich die Legitimation der angestrebten Reformen. Dabei ging Hausmann 1524 noch davon aus, dass der Naumburger Bischof die entscheidende, Johann in erster Linie die – selbstverständlich wohlwollend – vermittelnde Instanz sei. 315 Hausmann leitet sein Gutachten mit den Worten ein: „E.F.G. Befehl und Beger nach, als ein gehorsamer E.F.G. untertheniger Caplan, zu ferner Unterrichtung meiner angetragen Artikel, jüngst von mir mündtlich angehört, zeige ich E.F.G. am ersten klärlich an […].“ Ludwig PRELLER, Nicolaus Hausmann, der Reformator von Zwickau und Anhalt. Zwei Gutachten von ihm über die Reformation von Zwickau, sammt andern Beiträgen zur Geschichte der Reformation selbst, in: Zeitschrift für die Historische Theologie 22 (1852), H. 3, S. 325–379, hier S. 347. Das gesamte Gutachten auf den S. 347–363. 316 Vgl. FRÖHLICH, Die Einführung der Reformation in Zwickau, S. 32. 317 PRELLER, Nicolaus Hausmann, S. 353f. 318 Ebd., S. 357. Bei den Lehen bezieht er sich besonders auf die frommen Stiftungen in Form von Seelenmessen, mit denen außerordentlicher Missbrauch getrieben wurde.
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Ansonsten zeichnet das Gutachten aus, dass es sich nicht lange mit theoretisierenden Ausführungen aufhielt, sondern Lösungsansätze bot, die sich klar aus Hausmanns praktischen Erfahrungen heraus ableiteten. 319 In Anbetracht der Tatsache, dass er großen Wert auf die Sanktionierung seiner Reformen durch den Bischof legte, ist es sehr wahrscheinlich, dass er seine Vorschläge auch an dessen Räte und Statthalter nach Zeitz sandte. Ohne Zweifel wird auch in Zeitz klar gewesen sein, dass Johann eine lutherfreundliche Haltung einnahm und die Möglichkeiten, den ernestinischen Schutzherren in Abwesenheit des Bischofs Widerstand entgegenzusetzen, sehr begrenzt waren. Vielleicht führte dies dazu, dass man dem Begehren Hausmanns, eine neue Kirchenordnung einzuführen, nur zurückhaltend widersprach. Zumindest lässt sich nur so dessen spätere Rechtfertigung, er habe mit Erlaubnis der bischöflichen Räte und Statthalter gehandelt, erklären.320 Wie dem auch sei, im Vertrauen auf Herzog Johanns und Luthers Wohlwollen, führte Hausmann, nachdem er knapp drei Jahre in Zwickau evangelisch gepredigt hatte, am 20. März 1524 die Reformation ein.321 Von nun an richtete er sein ganzes Streben darauf, die Predigt in der Stadt zu vereinheitlichen und keine altgläubigen Gottesdienste und Riten mehr zu dulden.322 Dafür nahm er eine weitere Zuspitzung des Konflikts mit seinen Hauptwidersachern, den Franziskanern, in Kauf. Dabei konnte er sich, bis zum Vordringen des Streits zu Kurfürst Friedrich im Dezember 1524, auf die Rückendeckung Herzog Johanns verlassen. So wurden alle Bittbriefe und Beschwerden, welche die 319 In besonderer Weise nimmt Hausmann Bezug auf den Franziskanerorden, der durch umfangreiche Privilegien, die er sowohl von geistlichen als auch weltlichen Herrschern verliehen bekam, große Freiheiten in Bezug auf Predigt, Messhalten und Beichthören erlangt hatte. Für ihn steht fest, dass das Wirken der Franziskaner in den Städten nur zu Zerrüttung und Uneinigkeit führen kann. Vgl. PRELLER, Nicolaus Hausmann, S. 353. 320 Vgl. DOELLE, Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen, S. 243 (Hausmann an Herzog Johann, Dezember 1524). 321 Welche ökonomischen Veränderungen die Einführung der Reformation Ostern 1524 für eine reiche Kommune wie Zwickau mit sich brachte, illustriert ein Dokument des Zwickauer Rats, in welchem von 1524 an über zehn Jahre hinweg die Einkommen aus erledigten Lehen und geistlichen Stiftungen sowie die Ausgaben, die sich aus der Übernahme der Verpflichtungen zur Erhaltung der Kirchen und Schulen durch den Rat ergaben, dokumentiert sind. Vgl. Günter ZORN (Hg.), Akten der Kirchen- und Schulvisitation in Zwickau und Umgebung 1529–1556, Langenweißbach 2008, S. 1–8. „Unterricht und Rechnung uber die zehenJericher Verwaltung des Radths von dem einkomen der heymgefallenen lehen etc, Nemlich vom 24 Bis Ins dreiunddreisigste Jahre“. 322 Wie wichtig ihm die Vereinheitlichung des evangelischen Gottesdienstes war, lässt sich daran erkennen, dass er sich mit dem Vorschlag an Luther wandte, eine Art evangelisches Konzil abzuhalten, um die Gleichförmigkeit der Gottesdienste herbeizuführen. Luther lehnte diesen Vorschlag ab. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 793 (Luther an Hausmann, 17. November 1524).
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Franziskaner seit Mai 1524 an Johann richteten, hinhaltend oder gar nicht mehr beantwortet. 323 Allerdings ließ es die äußerst angespannte Situation Nikolaus Hausmann notwendig erscheinen, sich persönlich des Rückhalts der Fürsten zu versichern. Im September 1524 empfingen ihn Johann und Johann Friedrich in Friedebach, wo ihnen durch den Zwickauer Pfarrer nochmals die Notwendigkeit kirchlicher Neuerungen vor Augen geführt wurde.324 Als der Zwickauer Rat den Franziskanern jedoch damit drohte, dass Hausmann sie mit dem Bann belegen würde, falls sie sich weiterhin weigerten, sich zum Evangelium zu bekennen, wandten diese sich an den Bischof von Naumburg und baten ihn darum, sich nicht weiter bei Johann, sondern direkt beim Kurfürsten für sie zu verwenden.325 Auch der ebenfalls informierte Leipziger Kustos wandte sich direkt an Friedrich und forderte ihn auf, als Beschirmer des Ordens dafür zu sorgen, dass der Zwickauer Rat den Weimarer Rezess von 1522 einhielt und man wieder die volle Verfügungsgewalt über die Brüder erlange.326 Am 5. Dezember wurde Johann von Friedrich darüber informiert, dass bei ihm Beschwerden sowohl von Statthalter und Räten des Naumburger Bischofs als auch vom Leipziger Kustos der Franziskaner eingegangen seien. Friedrich kannte diese Klagen bereits durch Schreiben der Ordensoberen der Provinz, die ihm anlässlich ihres Kapitels in Dresden im August 1524 allgemein die Probleme ihrer Klöster in vielen kursächsischen Städten geschildert hatten. 327 Wenn Friedrich nun Johann gegenüber erklärte, er habe von dieser Sache kein Wissen,
323 Vgl. DOELLE, Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen, S. 232–241. 324 Vgl. HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 176f. Bei Friedebach handelt es sich um ein Jagdschloss, das im Amt Saalfeld gelegen ist. Die Behauptung von BURKHARDT, Kirchen- und Schulvisitationen, S. 4, auch Kurfürst Friedrich hätte sich zu dieser Zeit dort aufgehalten, ist als unrichtig zurückzuweisen. So gingen sowohl am 8. als auch am 10. September Briefe Friedrichs aus Lochau ab. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 776, Anm. 1. 325 Vgl. das Schreiben bei DOELLE, Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen, S. 239f. 326 Der Kustos beklagte sich beim Kurfürsten darüber, dass sich der Zwickauer Rat zu keiner Zeit an den Weimarer Rezess gehalten habe, was zu Zank und Zwietracht sowie Beschwerung des Franziskanerordens geführt habe. Außerdem prangerte der Kustos an, dass er infolge der Bestimmungen des Rats zur Begrenzung der Anzahl der Brüder und dass jeder neu aufgenommene Bruder von ihnen genehmigt werden muss, nicht mehr die volle Gewalt über die Brüder seines Ordens habe. Vgl. ebd., S. 237f. 327 Das Schreiben ist gedruckt in: Ferdinand DOELLE, Das Wittenberger Franziskanerkloster und die Reformation, in: Franziskanische Studien 10 (1923), S. 279–307, hier S. 304. Aus dem Schreiben geht hervor, dass der Provinzialminister sich auch vorher schon an Friedrich gewandt und offenbar eine positive Antwort erhalten hatte. „Wir haben auß der anthworth E. Kfl. G., auff seyn supplicacion unserm provincialminister zcugeschriben, trostlich worstanden, szo wir furder in sunderheit wurden untregelich beswerung E. Kfl. G. wermelden, unß eyn gnediger herr zcu erscheiynen.“
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bezieht sich dies wohl auf den Weimarer Rezess, für dessen Einhaltung er den Bruder aufforderte, Sorge zu tragen.328 Das Eingreifen Friedrichs veranlasste Johann, sich an den Zwickauer Rat zu wenden und ihn mit den bischöflichen Anschuldigungen, die ihm selbst ja nicht neu waren, zu konfrontieren. Das Schreiben Johanns, das um den 20. Dezember 1524 nach Zwickau abgegangen sein muss, ist nicht erhalten. Aus den von Rat und Pfarrer verfassten Rechtfertigungsschreiben lässt sich jedoch klar herauslesen, dass Johann darin ein Zurückrudern forderte. Selbstbewusst und nachdrücklich verteidigten sowohl Hausmann als auch der Zwickauer Rat die vorgenommenen Reformen und Maßnahmen.329 Ohne Zweifel handelt so nur, wer sich nicht nur seiner Sache, sondern auch des fürstlichen Wohlwollens sicher sein konnte. In den Jahren zuvor hatte es ausreichend Gelegenheiten gegeben, sich über die Gesinnung des Weimarer Hofes Klarheit zu verschaffen. In diesem Sinne ist wohl auch der Abschluss des Rechtfertigungsschreibens des Zwickauer Rats zu verstehen, Johann möge die neue Ordnung, die er selbst mit aufgerichtet habe, nicht verbieten, sondern beschützen. 330 Und noch immer schwang die Hoffnung mit, auch der Naumburger Bischof wäre noch von der Richtigkeit der Neuerungen zu überzeugen. Doch die neuerlichen Klagen der Mönche, die mit Unterstützung der bischöflichen Räte geführt wurden, und deren persönliche Einlassungen direkt beim Kurfürsten, brachten Hausmann wohl endgültig zu der Einsicht, dass es von bischöflicher Seite keine Unterstützung für evangelische Reformen geben würde. Was Hausmann nicht wusste, war, dass gerade zu dieser Zeit, also zu Beginn des Jahres 1525, der Naumburger Bischof, Philipp von Freising, mit dem Gedanken spielte, auf das Stift Naumburg zu verzichten. In einem Schreiben vom 25. Februar 1525 unterbreitete er Friedrich dem Weisen den Vorschlag, dass einer seiner Brüder Naumburg übernehmen könne. Friedrich antwortete am 3. März, dass er sich nur mündlich rückhaltlos zu dem Plan äußern wolle. 331 Auch wenn sich die Rücktrittspläne Philipps zerschlugen, zeigen die Vorgänge deutlich, in welch schwacher Position sich der Zeitzer Statthalter und die bischöflichen Räte am Vorabend des Bauernkrieges befanden. Nennenswerter Widerstand war von dieser Seite nicht zu erwarten. In Zwickau dachte man auch keineswegs daran, die eingeleiteten Reformen abzuschwächen, indem man den Franziskanern freiere Hand ließ und ihnen damit erneut Einflussnahme auf die Bevölkerung ermöglichte. Stattdessen wandte sich 328 Vgl. DOELLE, Reformationsgeschichtliches aus Kursachsen, S. 240f. „Vnd wiewol wir von diser sach kain wissen tragen, bitten wir dach fruntlich, E.L. wollen die einsehung haben, domit demjenen, so E.L. zwischen gemelten rate vnd parfussern haben abreden vnd betedingen lassen, volg beschee, als vns one das nit zweiuelt.“ 329 Vgl. ebd., S. 246f. 330 Vgl. ebd., S. 247. 331 Vgl. KIRN, Friedrich der Weise, S. 33f.
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Hausmann, um die Vornahme koordinierter und strukturierter Maßnahmen zur weiteren Förderung der Reformation werbend, erneut an seinen Landesherrn. Wieder kam es zunächst zu mündlichen Besprechungen in Weimar, an denen diesmal Johann Friedrich und Gregor Brück teilnahmen. Erneut wurde Hausmann aufgefordert, seine Ideen in einem Gutachten schriftlich einzureichen. Dieses Gutachten ist zwar am 3. Mai 1525 abgefasst, doch wurde die Vorrede später hinzugesetzt, da Johann darin bereits als Kurfürst angeredet wird. Gleich zu Beginn macht Hausmann klar, dass er nicht die Lehre Luthers als Ursache für die gegenwärtigen Bauernunruhen ansieht, sondern diese „viel mer aus Lässickeit und Unvleiß der Landsbischöfe erwachsen, die darzu verordent gewest, wu Zutrennunge der Schrift halben entstünden, dieselben mit dem Evangelio zu widerlegen“.332 Womit er auch sofort zum eigentlichen Anliegen dieses Gutachtens überleitet, nämlich, dass es nun an der Zeit wäre, nicht länger auf den Bischof, der seinem Amte nicht Genüge tue, zu setzen, sondern nach anderen Mitteln zu suchen. Und genau an diesem Punkt kommt der Landesherr, als oberster Schutzherr des Stifts Naumburg, ins Spiel. Doch zunächst beschreibt Hausmann, wie bereits im ersten Gutachten, die größten Missstände. Dabei beklagt er, dass es zwar gut sei, dass in Zwickau eine christliche und gute Ordnung eingeführt worden sei, doch dies alles nichts helfe, wenn es bei den umliegenden Nachbarn nicht auch geschehe. Die Zwickauer würden gern Vorbild sein, doch haben sie Bedenken, dass ihnen das als Anmaßung ausgelegt und man deshalb schlecht über sie reden werde. Gar vil besser ist in disen Gezeiten, E.F.G. treib die Sach selbst, mache fleißig auf Lande und Stete, weil Gott gnedig ist, thu forschen wie die Commun allenthalben stehen, verhöre den gemeinen Mann persönlich selbst klagen […] Denn diß Visitirn will warlich der Oberkeit halben in weltlichen Sachen sunderlich E.F.G. zustehen und bevohlen sein.333
Es folgen zehn ausformulierte Beschwerden, die in diesem Zusammenhang abgestellt werden müssen. Sie reichen von den Schwierigkeiten, für arme, ländliche Gegenden geschickte evangelische Prediger zu finden, Obrigkeiten, die ihre Untertanen für ihren evangelischen Glauben bestrafen, über die Verführungen, die von schwärmerischen Predigern und den Franziskanern ausgehen, bis hin zu unhaltbaren Zuständen bei der Schulausbildung der Kinder.334 Hausmann wird nicht müde zu betonen, dass es eigentlich die Aufgabe des Bischofs wäre, diesen Missständen zu begegnen, doch da dieser seinen Aufgaben nicht nachkomme, nun zur Rettung der Seelen Johann in der Pflicht sei einzuschreiten. Deshalb soll er zunächst die Domherren von Naumburg und Zeitz dazu auffordern, ihrem Amt nachzukommen und selbst zu visitieren, wie es das 332 Vgl. PRELLER, Nicolaus Hausmann, S. 365. 333 Ebd., S. 366f. 334 Vgl. ebd., S. 367–372.
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kirchliche Recht vorsieht. Fühlen sie sich dazu nicht in der Lage, sollen sie ihr Amt aufgeben und diejenigen regieren lassen, die das nötige Geschick dazu haben. Mögliche Ausflüchte, dass die Abwesenheit des Bischof an ihrer schlechten Amtsführung schuld sei, solle Johann nicht gelten lassen. Eventuell von Johann selbst erhobene Zweifel, ob ihm dies zu tun zustehe, zerstreut Hausmann von vornherein mit biblischen Vorbildern. Interessanterweise nimmt er auch Bezug auf Markgraf Casimir von Brandenburg-Ansbach, der zur Klärung strittiger Religionsfragen sowohl von altgläubigen als auch evangelischen Theologen 1524 ein Gutachten hatte ausarbeiten lassen, in dem die Gelehrten zu verschiedenen umstrittenen Artikeln Stellung beziehen.335 Offen fragt er Johann, warum er nicht auch einen solchen Weg beschreitet. Dafür sollte man sich nicht scheuen, richtig Geld in die Hand zu nehmen. Deshalb fordert Hausmann: Die Zeit ist kommen. Machen ist von noten. Der gemein Mann wird unmutig und will schier kein Glimpf mer helfen. […] Visitiren ist gar ein edel Werk und nichts anders dann Gebrechen wandeln, vermanen zum sittigen Leben, falsche Lere ausroden, predigen das lauter Wort Gottes, trösten und sterken die blöden und forchtigen Gewissen, einhalten den Tirannen und falschen Propheten, welche ane furcht des arm Volk verhindert, eins teils bösen Samen listiglich eingemenget haben.336
Das gesamte Schreiben mit den klaren Aufforderungen, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, ist direkt an Johann gerichtet, Hausmann spricht ihn persönlich an. Das ist sicher das Besondere an diesem Gutachten und zeigt auch, wie sehr er darauf vertraute, in Johann den richtigen Ansprechpartner für seine Visitationsvorschläge gefunden zu haben. Möglich, dass Hausmann Kenntnis von den auf Befehl Johanns unter Leitung von Jakob Strauss im Eisenacher Raum im Januar und März 1525 durchgeführten Visitationen hatte und sich damit bestätigt fühlte. Ohne Zweifel, mit seinem Vorschlag, durch Visitationen eine einheitliche Predigt in Kursachsen einzuführen, rannte er in Weimar offene Türen ein, zumal man sich dort in kleinem Maßstab bereits um eine Umsetzung bemüht hatte. Hausmann gehört damit klar zu den Theologen, die sich noch vor Luther zu einer einheitlich von der Obrigkeit gelenkten Umsetzung der Reformation bekannten. Wie wichtig die Vereinheitlichung der Predigt und des Gottesdienstes war, konnte Hausmann unschwer an seinen Erfahrungen in Zwickau illustrieren, wo einerseits renitente Franziskanermönche Teile der Bevölkerung, die noch schwach im evangelischen Glauben waren, wieder auf die katholische Seite zogen 335 Vgl. ebd., S. 374. Zur Entstehungsgeschichte dieses Gutachtens vgl. RTA JR, Bd. 5, S. 242–246. 336 PRELLER, Nicolaus Hausmann, S. 376f.
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und andererseits Schwarmgeister wie Nikolaus Storch und Markus Stübner, die das Erbe Thomas Müntzers in Zwickau angetreten hatten, dafür sorgten, dass die Stadt bis hinein in den Rat gespalten war. Für Hausmann selbst war stets von besonderer Wichtigkeit, bei seinen Reformen in Zusammenarbeit und im Einvernehmen mit dem Rat zu agieren, eine Vorgehensweise, die stark an jene Karlstadts in Wittenberg 1520/21 erinnert. Der Zwickauer Rat nutzte indessen die Wirren des Bauernkriegs, um die Franziskaner am 2. Mai 1525 endgültig aus der Stadt zu vertreiben. Doch kaum nachdem sich die Unruhen gelegt hatten, versuchten diese mit Hilfe von Herzog Georg bei Johann, der inzwischen Kurfürst war, die Rückkehr nach Zwickau durchzusetzen. Johann ignorierte zunächst das erste Schreiben Georgs in dieser Angelegenheit, wird aber mit Sicherheit bei einem Aufenthalt in der Stadt am 2. Juli 1525 nähere Informationen über die Maßnahme des Stadtrats eingeholt haben,337 eventuell bereits verbunden mit der Anweisung, schriftlich dazu Stellung zu nehmen. Auf ein zweites Schreiben Georgs ließ Johann ihn am 12. Juli wissen, dass er den Zwickauer Rat aufgefordert habe, auf „E.L. schreiben und der monche supplicacion antwort zu geben“.338 Das Antwortschreiben des Zwickauer Rats, das Hausmann formuliert hatte, stellt klar heraus, dass man nun, da nach dem Abzug der Franziskaner das Evangelium ungehindert rein, klar und lauter gepredigt werden könne und endlich Ruhe in der Stadt eingekehrt sei, keinerlei Interesse an deren Rückkehr habe und erwarte, dass der Kurfürst dies nicht gestatte. Wan wir aber wissen, das fride und aynigkeyt in den stetten (uber das solchs gott gefellig), zu sunderlichem ufnehmen […] gereichent und E.Kfl.G. dozu geneyget, haben zu E.Kfl.G. wir untertaniges vortrauen, E.Kfl.G. werden uns hywider nyt beleydigen, sich auch der monchen ansuchen nyt bewegen lassen, sunder vilmehr bey angefangener Christlicher ordnung und einigkeyt gnediglich […] handhaben.339
Daraufhin erteilte Gregor Brück den Mönchen in Weimar eine entsprechende Antwort: Eine Rückkehr in das Kloster sei unter Beibehaltung ihres alten Glaubens nicht möglich, da dieser wider Gottes Wort und das Evangelium sei. Unter diesen Umständen sei ein Schutz der Brüder durch den Kurfürsten nicht möglich. Auch andere Herrn, wie die zu Reinhardsbrunnen, zu Georgenthal, zu Saalfeld 337 Gemeinsam mit Johann Friedrich, den Herzögen Philipp von Braunschweig, Otto und Franz von Lüneburg sowie Fürst Wolfgang von Anhalt traf Johann mit seinem Heer am 2. Juli 1525 in Zwickau ein. Am nächsten Tag hielt er Gericht über ca. 80 Gefangene, von denen einige auch zum Tode verurteilt wurden. Angeblich ist es der Fürsprache Nikolaus Hausmanns zu verdanken, dass diese begnadigt wurden. Vgl. HERZOG, Chronik der Stadt Zwickau, Bd. 2, S. 207. 338 ABKG, Bd. 2, Nr. 1111, Anm. 1. 339 Vgl. ebd.
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und Bürgel, müssten das Evangelium annehmen, wenn sie wieder in ihre Herrschaft eingesetzt werden wollen. Ebenso sehe sich der Kurfürst nicht mehr an den Rezess von 1522 gebunden, da dieser ebenfalls gegen das Evangelium verstoße.340 Wie es die Antwort Gregor Brücks bereits andeutet, handelte es sich bei der Weigerung Johanns, im Bauernkrieg vertriebenen Mönchen die Rückkehr in ihre Klöster zu gestatten, um eine generelle Entscheidung, welche Teil der offen evangelischen Politik des neuen Kurfürsten war.341 Allerdings bemühte man sich im Laufe der Zeit darum, die Mönche abzufinden. Den Besitz des Ordens teilten Kurfürst und Stadtrat untereinander auf.342 Bei der ersten landesweiten Visitation 1529 wurde Nikolaus Hausmann zum Superintendenten ernannt.343 Weniger erfreulich dagegen verlief der Abgang Hausmanns aus Zwickau. Als der Zwickauer Rat am 25. Februar 1531 dem Prediger Laurentius Soranus seine Stelle an der St. Katharinenkirche aufgrund seines schlechten Lebenswandels, wobei ihm Ehebruch, Hurerei und Misshandlung seiner Ehefrau vorgeworfen wurden, kündigte, gerieten Stadtobrigkeit und Pfarrer in Gegensatz. Die Kündigung geschah ohne Wissen und Zustimmung Hausmanns, dem der Rat vorhielt, Kenntnis von den Missständen gehabt zu haben, jedoch nicht bereit gewesen zu sein, etwas dagegen zu unternehmen. Hausmann wiederum betrachtete das Vorgehen des Rats als Eingriff in seine Rechte als Pfarrer und Superintendent und wandte sich empört an Luther. 344 Dieser stellte sich sofort auf die Seite Hausmanns und schrieb, nicht ohne den Anflug einer gewissen Selbstherrlichkeit, drohend an Rat und Stadtschreiber.345 Gleichzeitig wandte er sich an Kurfürst Johann und forderte diesen auf, keinesfalls zu dulden, dass eine Stadt sich unterstehe, „vor sich selbst Stift und Ämpter als ihrs Eigentum zu gebrauchen.“346 Zu den 340 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1111 (Guardian und Konvent des Barfüßerklosters zu Zwickau an Herzog Georg, 12. August 1525). 341 Vgl. dazu auch BAETHCKE, Die Auflösung des Klosters St. Georgenthal, S. 28. BAETHCKE zieht vergleichend auch die Vorgänge in Reinhardsbrunn heran. So teilte der kursächsische Rat Johann von der Sachsen den Reinhardsbrunnern mit: „Mein G.F. will hinfurt nicht länger dulden Gottes schmehunge und Gottes lesterunge im Closter bißher gehabt; hierumb ist unser trew Rath und ermanunge, das ein ieglicher unter euch nehme von wegen meines G.F. ein genant geldt, lernen Handwerck und Wiber nehmen […].“ 342 Vgl. HERZOG, Chronik der Stadt Zwickau, Bd. 2, S. 210. Kurfürst Johann ließ zahlreiche Einrichtungsgegenstände auf das Schloss bringen, während der Stadtrat mit dem Erlös aus dem Verkauf der Kleinodien ein Kornlager anlegte. Die eingenommene Summe belief sich auf stattliche 1.510 Gulden. Vgl. ZORN, Akten der Kirchen- und Schulvisitation, S. 8. 343 Vgl. ebd., S. 18. 344 Vgl. WA Br, Bd. 6, Nr. 1788, Vorrede. 345 Vgl. ebd., Nr. 1788, 1789 (4. März 1531). 346 Ebd., Nr. 1790 (4. März 1531).
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gegen Soranus erhobenen Vorwürfen verlor Luther kein Wort, sondern stellte ihn als unschuldigen Prediger hin, der Opfer einer anmaßenden städtischen Obrigkeit geworden war. Auch die Zwickauer wandten sich daraufhin an Kurfürst Johann und informierten ihn über die Vergehen Soranus’. Ebenso ließen sie ihre Beziehungen an den kurfürstlichen Hof spielen und setzten sich sowohl mit dem Kanzler Christian Beyer als auch mit Johanns Kämmerer Johann Riedesel ins Einvernehmen. In diesen Schreiben beklagen sie bitter den Hochmut der Geistlichen, deren Streben nach Macht und die Voreingenommenheit Luthers, ohne vorher genauere Informationen eingeholt zu haben. Schließlich kam die Angelegenheit vor die kurfürstlichen Räte in Torgau, die zugunsten des Zwickauer Rats entschieden.347 Unzufrieden mit diesem Schied, steigerte sich Hausmanns Zorn noch weiter, als der Rat kurze Zeit später eigenmächtig einen neuen Prediger auf die vakante Stelle an der Katharinenkirche berief. Auch Luther ließ die Sache nicht auf sich beruhen, sondern wandte sich an den neuen Prediger Stanislaus Hoffmann und teilte diesem mit, dass er es nicht gutheiße, dass dieser die ehemalige Stelle Soranus’ antrete.348 Hausmann wiederum riet er dazu, sich für eine Weile aus Zwickau wegzubegeben, ohne aber seine Pfarrstelle aufzugeben.349 Die angespannte Situation veranlasste schließlich Kurfürst Johann zum Eingreifen: Er beauftragte Gregor Brück, gemeinsam mit dem Wittenberger Amtmann Hans Metzsch eine Aussprache mit Luther zu führen, die sich jedoch verzögerte.350 Hausmann fasste indes um den 20. Mai 1531 den Entschluss, Zwickau zu verlassen, wie Luther es ihm geraten hatte. Dessen ungeachtet, strebten die beiden Männer aber eine endgültige Regelung an, die Johann herbeiführen sollte. Am 3. August 1531 legte der Kurfürst schließlich fest, dass landesweit zukünftig jede Entlassung und Anstellung eines Predigers seiner Zustimmung bedürfe. Der Forderung des Zwickauer Rats, Hausmann wegen der andauernden Differenzen entlassen zu dürfen, wurde dagegen stattgegeben, was insgesamt einer Niederlage Luthers und Hausmanns gleichkam.351 Zweifelsohne hatten die beiden Männer hier versucht, ihre herausragende Stellung unter den kursächsischen Theologen auszuspielen und eine Entscheidung zu ihren Gunsten herbeizuführen. Johann ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Hausmann zog für sich die Konsequenzen und verließ wenige Monate später Kursachsen, um 1532 nach Dessau zu gehen.352
347 348 349 350 351 352
Vgl. ebd., Nr. 1801, Vorrede. Vgl. ebd., Nr. 1807 (24. April 1531). Vgl. ebd., Nr. 1804 (17. April 1531); Nr. 1819 (19. Mai 1531). Vgl. ebd., Nr. 1803, Anmerkungen (Brück an Johann, 18. April 1531). Vgl. ebd., Nr. 1854, Vorrede. Vgl. ebd., Nr. 1957 (Luther an die Fürsten Johann und Joachim von Anhalt, 14. September 1532).
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3.5. Wolfgang Stein WOLFGANG STEIN
Der Name Wolfgang Steins ist einerseits eng verbunden mit der Einführung der Reformation in Weimar, andererseits steht er für das Verfechten alttestamentlicher Gebote im Christentum. Mit dieser Anschauung stand er im Gegensatz zu Luther, ohne dass sich daraus jedoch eine Rivalität oder Feindschaft zwischen den beiden Männern entwickelte. Von besonderem Interesse bei Stein ist seine Nähe zu Herzog Johann in seiner Funktion als Hofprediger in Weimar. In diesem Zusammenhang erscheint es nicht minder lohnenswert, den Blick auf die Konflikte zwischen dem früh zur Reformation neigenden Hof und einem sich mit aller Macht der Reformation entgegenstellenden Franziskanerkloster zu richten. Welche Position Johann in diesem Konflikt bezog, soll in diesem Abschnitt beleuchtet werden. Traditionell hatten Johann und Friedrich einen sehr engen Bezug zu den Franziskanern. Dieser allein dem Papst unterstellte Bettelorden, der in den Städten außerhalb der bestehenden Pfarr- und Diözesanstrukturen rein seelsorgerisch wirkte, stellte die Beichtväter beider Fürsten. Ihre Klöster befanden sich in nahezu allen größeren Städten Kursachsens, so auch in den Residenzstädten Torgau und Weimar. Dabei gehörte die Franziskanerkustodie Thüringen zu den frühen Kernzentren der franziskanischen Observanzbewegung, die sich in Rückbesinnung auf die Gebote des Ordensstifters den strengen Regeln der Existenzsicherung auf Grundlage des Almosenspendens und der treuhänderischen Verwaltung von Geld und Naturalienzuweisungen unterwarf. Doch gerade die stete öffentliche Präsenz der Barfüßermönche, welche das Erbetteln des Lebensunterhalts mit sich brachte, sorgte dafür, dass die Franziskaner bereits sehr früh in den Fokus der Kritik gerieten. Insbesondere die sich in den Städten formierende reformatorische Bewegung forderte von ihnen die Abschaffung des römischen Messritus und der Beichte, die Spendung des Abendmahls unter beiderlei Gestalt und die Predigt des reinen Evangeliums. Mit der Weigerung, diesen Forderungen nachzukommen, und der häufig offenen Gegenposition zu evangelischen Predigern wurden die Franziskaner in nicht wenigen ernestinischen Städten, wie beispielsweise Wittenberg, Zwickau und Altenburg, bald zum Ziel von ersten Übergriffen.353 Diesen von Teilen der Bevölkerung öffentlich bekundeten Unmut nutzten vielerorts die Stadträte, um Verordnungen zu erlassen, die den Franziskanern durch Verbot oder die starke Reglementierung des Almosengebens ihre Exis-
353 Vgl. Petra WEIGEL/Thomas WEIß. Franziskaner in Eisenach – Guardian in Langensalza – Evangelischer Kaplan in Gotha, in: Enno BÜNZ/Stefan TEBRUCK (Hg.), Religiöse Bewegungen im Mittelalter, Weimar 2007, S. 555–604, hier S. 574f.
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tenzgrundlage entzogen. Solange diese Verbote keine Unruhen nach sich zogen, griffen weder Friedrich noch Johann in die städtischen Anordnungen ein. Eine sicher nicht unbedeutende Rolle spielte bei den Auseinandersetzungen, dass die Franziskaner häufig in gleicher Weise versuchten, ihre Lehren zu verteidigen, wie es auch die lutherischen Prediger taten: durch Predigt und Disputation. Nicht selten trafen dabei ebenbürtige Gegner aufeinander, was die Stimmung zusätzlich befeuerte. Auch intern stemmten sich die Franziskaner mit aller Kraft gegen die auch in ihren Reihen um sich greifenden lutherischen Lehren. So bediente man sich inquisitorischer Methoden, als die Ordensoberen 1520 anordneten, die bei Visitationen in den Klöstern gefundenen Lutherschriften sicherzustellen und zu verbrennen. Darüber hinaus wurden weitreichende Disziplinierungs- und Strafmaßnahmen gegen Ordensangehörige verhängt, die man verdächtigte, der lutherischen Lehre anzuhängen. Etwa um diese Zeit kam Wolfgang Stein als Hofprediger nach Weimar. In Zwickau geboren, hatte er in Erfurt studiert und im Wintersemester 1506/07 sein Baccalaureat an der Artistenfakultät abgelegt. Nachdem er seit 1508 Propst des Zisterzienserinnenklosters in Eisenberg gewesen war, immatrikulierte er sich im Wintersemester 1513/14 erneut an der Universität Erfurt. Im Jahre 1516 übernahm er dann ein Vikariat an der dortigen Michaeliskirche. Hier wirkte er jedoch nur kurze Zeit, da der Zwickauer Rat im Oktober 1517 beschloss, ihm den Predigtstuhl von St. Annen anzutragen.354 Wie genau er nach Weimar kam, lässt sich nicht bestimmen. Als gesichert kann dagegen gelten, dass sich Stein im Sommer und Herbst 1522 in Wittenberg aufhielt, wo er vermutlich die Bekanntschaft von Jakob Strauss machte. Dass Stein zu jener Zeit bereits fest auf dem Boden des lutherischen Glaubens stand,355 zeigt die Tatsache, dass Luther ihn bei dieser Gelegenheit drängte, für eine gewisse Zeit kommissarisch die Stelle des verstorbenen Georg Petz in St. Michael in Erfurt zu übernehmen, bis man einen geeigneten Nachfolger gefunden hatte.356 Obwohl für Stein keine Anwesenheitspflicht in Erfurt bestanden hätte, war er sich unsicher, wie Herzog Johann auf die Annahme der Stelle reagieren würde. Offenbar sah er sich in Gefahr, beim Herzog in Ungnade fallen zu können. So bat Wolfgang Stein Luther darum, für 354 Zum Lebenslauf Steins vgl. Otto CLEMEN, Wolfgang Stein aus Zwickau, Hofprediger in Weimar und Superintendent in Weißenfels, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 45 (1926), S. 555–562. 355 Ein gutes Jahr später, am 1. September 1523 verheiratete Stein sich mit einer reichen, wohl aber schon älteren Weimarerin, die jedoch bereits 1526 verstarb. Vgl. CLEMEN, Wolfgang Stein, S. 558. Melanchthon berichtet dagegen in einem Brief vom 18. April 1526 an Johann Agricola, dass Stein sich scheiden lassen wolle. Vgl. CR, Bd. 1, Nr. 380. 356 Vgl. WA Br, Bd. 2, S. 579, Nr. 522 (Luther an Johann Lang, 16. Juli 1522). Georg Petz stammte aus Forchheim und wird deshalb, ähnlich wie Karlstadt, häufig nach seiner Heimatstadt benannt.
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ihn über den herzoglichen Kämmerer Johann Riedesel in dieser Angelegenheit zu vermitteln.357 Diese Vorgehensweise zeigt, dass Stein zwar mit den Verhältnissen am Weimarer Hof vertraut war, aber selbst noch keine so enge Beziehung zu Johann unterhielt, als dass es ihm möglich gewesen wäre, die Sache selbst zu regeln. Sofort nach seiner Rückkehr nach Weimar musste sich auch Stein in verstärktem Maße mit den Franziskanern auseinandersetzen. Schon seit Längerem zeugten zahlreiche Beschwerden bei geistlichen und weltlichen Obrigkeiten, Angriffe gegen Luthers Lehre in ihren Predigten und harte Maßnahmen gegen Andersdenkende in den eigenen Reihen davon, welch große Anstrengungen sie unternahmen, sich der neuen Lehre entgegenzustellen. Von Repressionen waren auch diejenigen Prediger nicht ausgenommen, die sich bei der fürstlichen Familie ausgesprochener Beliebtheit erfreuten, wie Johann Voit und Friedrich Mykonius, oder dem Hof in besonderer Weise verbunden waren, wie Vitus Schertzer, der Beichtvater Herzog Johanns war. 358 Dank den biografischen Aufzeichnungen Voits können wir uns einen guten Eindruck vom Umgang des Ordens mit lutherisch gesinnten Mönchen verschaffen.359 Ob Voit Luther bereits vor 1518 kannte, lässt sich schwer sagen, zweifelsohne wird er jedoch seine Bekanntschaft im September 1518 gemacht haben, als dieser auf seinem Weg zum Verhör vor dem römischen Kardinal Cajetan nach Augsburg in Weimar Station machte und im Franziskanerkloster übernachtete. Auch wenn in der von Luther gehaltenen Frühmesse und der Predigt in der Schlosskirche am 29. September das bevorstehende Augsburger Verhör nicht thematisiert wurde, wird man im der Kurie nahestehenden Franziskanerorden sicher gewusst haben, worum es für Luther in Augsburg ging. 360 Dessen Kritik am Ablasshandel hatten die Franziskaner mit Sicherheit zur Kenntnis genommen, sie selbst standen dem Vertrieb ebenfalls kritisch gegenüber. Deshalb war auf einer internen Versammlung einiger Guardiane in Weimar 1517 beschlossen worden, 357 Ebd., S. 583, Nr. 525 (Luther an Johann Riedesel, 29. Juli 1522). Luther bat ihn „guter Mittler und Ausleger zu sein fur meim gn. Herrn“. 358 Schertzer starb im Januar 1523. Vgl. DOELLE, Das Wittenberger Franziskanerkloster, S. 289. 359 Ludwig RABE, Historien, der heyligen Außerwolten Gottes Zeugen, Bekennern und Martyreren, Johann Voit, Teil 6, Straßburg 1537, benutzt wurde die digitale Ausgabe der Wolfenbütteler Digitalen Bibliothek (Permalink: http://diglib.hab.de/drucke/alv-v– 450-2s/start.htm; letzter Zugriff: 31.03.2017). 360 Vgl. Ernst MÜLLER, Luthers Einfluss auf die Reformation in Weimar, in: Günter VOGLER (Hg.), Martin Luther. Leben-Werk-Wirkung, Berlin 1983, S. 179–192, hier S. 180f. Als Beleg dafür, dass die Franziskaner über den Ernst der Lage für Luther im Bilde waren, kann der hier zitierte Ausspruch des Provisors in Weimar gelten, dass er Sorge habe, dass Luther sich in Augsburg nicht behaupten könne und deshalb verbrannt werde.
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dass die Franziskaner den Vertrieb des Ablasses für die Peterskirche in Rom nicht übernehmen wollten. Zwar kann in dieser Entscheidung keine generelle Ablehnung des Ablasshandels gesehen werden, doch es zeigt, dass ihnen die Art und Weise des Vertriebs nicht behagte. Wahrscheinlich war Friedrich Mykonius, ein Mitbruder Voits, der während seiner Ausbildungszeit in Annaberg mit den Ablasspredigten Johann Tetzels in Berührung gekommen war, derjenige, der sich besonders dafür einsetzte, dass sich die Franziskaner nicht an der „schinderey“ beteiligten.361 Nun bestand zum ersten Mal die Möglichkeit, direkt mit Luther und dessen Kritik in Berührung zu kommen. Danach scheinen im Kloster vor allem Voit und Mykonius Zweifel an einigen selbstverständlich erscheinenden Dingen, wie beispielsweise der Beichte, gekommen zu sein. Jede neue Schrift Luthers wurde nun mit Eifer und Ernst studiert. Schnell wurde jedoch klar, dass die Schriften Luthers bei der Mehrzahl der Mitbrüder keinen positiven Widerhall fanden, Voit und Mykonius waren bald offenen Anfeindungen ausgesetzt. Allerdings war es ihnen in ihren Predigten vor Johann und Johann Friedrich bzw. deren Umfeld gelungen, ihr Interesse an der lutherischen Lehre und die Schwierigkeiten hervorzuheben, sich mit entsprechenden Schriften zu versorgen, sodass sie von dieser Seite Unterstützung erhielten. So erinnert sich Johann Voit; „Dann man hatte beym höchsten Bann verbotten, das nymandt solt des Luthers Bücher haben noch lesen. Mir aber wurden sie von meinem Gnädigsten Fürsten, dazumal ein Junger Herzog […] alle heymlich beybracht, die ich wundersam verbarg und lase.“ 362 Zeitlich ist diese fürstliche Hilfestellung wohl in die Jahre 1520/21 einzuordnen und zeigt deutlich die Verbundenheit der Fürsten mit den franziskanischen Lutheranhängern. Doch auch wenn es Voit und seinen Mitbrüdern zeitweise gelang, die lutherischen Schriften zu verbergen, in ihren Predigten kam inzwischen klar zum Ausdruck, welch starken Einfluss die neue Lehre auf sie ausübte. Dem begegneten die Ordensoberen spätestens seit dem Wormser Edikt mit Zwangsmaßnahmen, wie Predigtverbot, Versetzung, Isolation und öffentlichen Demütigungen. 363 Sich dessen sehr bewusst, von welcher Seite ihre ungehorsamen Mönche unterstützt wurden, versuchten die Franziskaner, nun durch verstärkte theologische Diskussionen auf die fürstliche Familie einzuwirken und sie in ihrer Haltung Luther gegenüber zu verunsichern. Dabei stürzten sie sich zunächst auf das Sakrament der Beichte. Während sie von Kurfürst Friedrich in erster Linie ein strenges 361 Vgl. Karl ARPER, Die Reformation in Weimar, in: Aus Weimars kirchlicher Vergangenheit, Festschrift zum vierhundertjährigen Jubiläum der Stadtkirche in Weimar, Weimar 1900, S. 3–46, hier S. 8–10. 362 RABE, Historien, S. 27. 363 Voit berichtet davon, dass er gezwungen wurde, während die anderen Mönche aßen, sich nackt vor ihnen zu geißeln. RABE, Historien, S. 25.
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Durchgreifen forderten, um der Lehre Luthers Einhalt zu gebieten,364 schätzten sie wohl die Situation in Weimar dahingehend richtig ein, dass es notwendig sein würde, Johann und Johann Friedrich theologisch zu überzeugen. So argumentierten sie, dass mit Jesu Hinweis an die Aussätzigen, „gehet hin und zeiget euch den Priestern“ (Luk. 17, 14), der biblische Beleg für die Pflicht und die Berechtigung zur Ohrenbeichte erbracht sei.365 Ob man damit wirklich eine Verunsicherung erreichte, sei dahingestellt, eines großen Interesses an diesem Streitpunkt konnten sie sich jedoch sicher sein. So ergriff Johann, als er bei seinem Besuch in Eisenach Anfang September 1521 vom Hauptmann der Wartburg, Hans von Berlepsch, erfuhr, dass Luther dort versteckt werde, sofort die Gelegenheit, eine Anfrage bezüglich der Beichte an ihn zu richten.366 Luther antwortete schriftlich und ließ seine Erklärung, versehen mit einer Widmung für die fürstlichen Räte Hans von Dolzig, Hugold von Einsiedel und Bernhard von Hirschfeld, unter dem Titel „Evangelium von den zehn Aussätzigen“ in den Druck gehen.367 Indessen verschärften sich auch in der Weimarer Öffentlichkeit die Auseinandersetzungen zwischen lutherisch gesinnter Bevölkerung und den Franziskanern, aber auch zwischen katholischen Bürgern und im lutherischen Sinne predigenden Mönchen wie Voit und Mykonius. In diesen Konflikt, der zwar hart, jedoch gewaltfrei ausgetragen wurde, mischten sich die Fürsten nicht ein. Auch innerhalb des Franziskanerklosters wuchsen die Gegensätze, den lutherisch gesinnten Mönchen schlug offene Ablehnung entgegen. Da aber die andere monche im closter diß vernamen, fingen sie an heftig darwieder zu predigen und Luthers lere als ein teufelische verdampte ketzerey außzuschreien. Darmit waren etliche burger, die im schlosse und im closter er Johann Voitichens predigten gehort hatten, ubel zufrieden, furen auch entlich herauß und hissen die monche auf dem predigtstuhle liegen, das schier nichts guts were drauß worden. Aber die Oberkeit, die albereit auch erleuchtet war mit dem heiligen evangelio ließ so hingehen, als wusten sie es nicht.368
364 Vgl. Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A 336, Bl. 13, hier nach TENTZEL/CYPRIAN, Historischer Bericht, Bd. 2, S. 234–237 (Schreiben des Weimarer Franziskanerordens an Friedrich den Weisen vom 15. August 1521). 365 Vgl. Günther WARTENBERG, Luthers Verhältnis zu Johann von Sachsen, in: Günter VOGLER (Hg.), Martin Luther, Leben-Werk-Wirkung, Berlin 1983, S. 169–177, hier S. 172. 366 Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 429. Am 9. September 1521 schrieb Luther an Spalatin, dass nun auch Herzog Johann über seinen Aufenthaltsort informiert sei. Hans von Berlepsch hatte es ihm mitgeteilt. 367 Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 431, 432 (17. September 1521). Luther bat Spalatin, sein Manuskript abschreiben zu lassen und ein Exemplar Herzog Johann zukommen zu lassen. 368 Bericht des Weimarer Schulrektors Johannes Wolf von 1570. Ernst MÜLLER, Magister Johannes Wolfs Niederschrift von 1569/70 über die kirchlichen Verhältnisse in Weimar
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In dieser schwierigen Situation war es sicherlich sehr motivierend und anregend, dass Luther, wohl auf Betreiben Wolfgang Steins, am 18. Oktober 1522 gemeinsam mit Philipp Melanchthon und Johann Agricola nach Weimar kam. Am 19. Oktober predigte er sowohl in der Stadt- als auch in der Schlosskirche. Da Luther erst am 21. Oktober nach Erfurt weiterreiste und bei der Rücktour nochmals sieben Tage in Weimar blieb, in denen er insgesamt vier Predigten hielt, wird genügend Zeit gewesen sein, sich ein eingehendes Bild von den Weimarer Verhältnissen zu verschaffen.369 Dass er auch über die Konstellationen am Hofe im Bilde war, deutete er in den Predigten, die er vor den Fürsten hielt, mehrmals an.370 Zur Entspannung der Lage hat der Besuch Luthers jedoch nicht beigetragen, denn die Franziskaner begannen nun, nach und nach alle Mönche, die mutmaßlich der neuen Lehre anhingen, in Klöster, die im albertinischen Sachsen gelegen waren, zu versetzen, wo sie oftmals, wie Friedrich Mykonius, mit Klosterhaft bedroht wurden. Johann und Johann Friedrich kannten die Strafen, die den Mönchen drohten, wussten jedoch auch, dass sie kein Recht hatten, gegen die internen Disziplinierungsmaßnahmen eines Ordens vorzugehen. So blieb ihnen nur, gegen eine Versetzung Johann Voits zu intervenieren, in der Hoffnung, dass sein Verbleib in Weimar und ihr persönliches Engagement ihm einen gewissen Schutz bieten würden. „Mich aber dorfften sie nit hinwegschicken, dann der alte Herzog Johannes, seiner Gnaden Gemahel, vnnd der junge Herzog […] waren mir sehr gnädig, horen mich gern predigen.“371 Zwar durfte Voit in Weimar bleiben, wurde jedoch Ende 1522 mit einem Predigtverbot belegt. Damit war ihm sicher auch die Teilnahme an der öffentlichen Disputation um den Opfercharakter der Messe verwehrt, einem Streit, den Luther in seiner Predigt in Weimar am 26. Oktober angestoßen hatte und der nun zwischen den Franziskanern und dem Weimarer Hofprediger Wolfgang Stein ausgetragen wurde. In die Auseinandersetzung eingreifend, veranlasste Herzog Johann eine öffentliche Disputation, an der verschiedene vor der Reformation (Edition), in: Michael GOCKEL/Volker WAHL (Hg.), Thüringische Forschungen, Weimar 1993, S. 131–156, hier S. 148. 369 Dass seine Anwesenheit in Weimar auch am Hof gern gesehen war, zeigt allein der Umstand, dass er bei Johanns Kammerschreiber Sebastian Schade wohnte. Vgl. Müller, Luthers Einfluss auf die Reformation in Weimar, S. 184f., Vgl. BUCHWALD, Lutherana, S. 2f. 370 Insbesondere in der Predigt vom 25. Oktober 1522, die das weltliche Regiment zum Thema hatte. Vor allem in dem Teil der Predigt, die das Verhältnis zwischen dem Fürsten und seinen Räten thematisierte und wie stark man ihnen vertrauen dürfe, spielte Luther darauf an, dass es viele untreue Räte gäbe und dass es zum großen Schaden für Land und Volk wäre, wenn ein Fürst sich zu sehr auf diese verließe. Vgl. WA Werke, Bd. 10,3, S. 382f., Nr. 55. 371 RABE, Historien, S. 27.
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Prediger wie Jakob Strauss und Thomas Müntzer teilnahmen372 und bei der auch Johann selbst anwesend war.373 Da hier keine Einigung erzielt werden konnte, ordnete Johann die weitere schriftliche Erörterung des Themas an. Kurz darauf reichten die Franziskaner ihr schriftliches Gutachten bei Johann ein. 374 Um ebenfalls ein angemessenes Gutachten zu der Problematik anzufertigen, wandte sich Wolfgang Stein an Luther und ersuchte ihn darum, ihm Material für eine Erwiderung auf die Thesen der Franziskaner zu senden, was Luther am 11. Dezember 1522 tat.375 In der Zwischenzeit hatte Stein ein eigenes Gutachten erstellt, einige Anregungen Luthers griff er jedoch auf. Offenbar war Stein daran gelegen, seine Schrift zu veröffentlichen. Warum er dies nicht selbst tat, sondern über Jakob Strauss, muss Spekulation bleiben.376 In der Literatur findet sich vielfach die offenbar von Clemen in Umlauf gebrachte Mutmaßung, Herzog Johann hätte verfügt, dass von diesem Streit nichts in die Öffentlichkeit gelangen solle.377 Auch wenn sie nicht belegt werden kann, liefert sie eine Erklärung dafür, weshalb Stein seine Thesen an Strauss nach Eisenach sandte, der eine Vorrede dazu schrieb und sie in Erfurt bei Matthäus Maler in den Druck gab. Vielleicht war Stein, der sich offenbar von den Barfüßern provoziert fühlte, nachdem diese sich öffentlich als Sieger des Streits feierten, unsicher geworden, ob eine Publikation wirklich sinnvoll sei, nachdem Luther ihm in einem Brief vom 20. Dezember 1522 geschrieben hatte, dass ihm die Schrift Steins zwar gefalle, er aber eine Veröffentlichung für unnötig halte. 378 Ob es sich um Kalkül handelte oder ob es der Wahrheit entspricht, dass Strauss das Manuskript ohne Zustimmung Steins in Druck gegeben hat, wie er es in seinem Vorwort schreibt, muss letztlich offen bleiben.
372 Vgl. BARGE, Jakob Strauß, S. 36 sowie ROGGE, Jakob Strauss, S. 34. 373 Dies geht aus der Einleitung zu dem Gutachten der Franziskanermönche hervor, das sie bei Johann einreichten, nachdem auf der Disputation keine Einigung erzielt werden konnte. „[…] Hat E.F.G. aus gnaden uns nachgelassen, unser schrifft und argument weiter in schrifften an tag zu geben, di weills auff das mall, die zeit nit leiden wolt off das di warheit als der Clerer, mocht erscheinen vor E.F.G. und wir beider parthei zu eindracht, und zu einem sinn der warheit, mochten bracht werden durch weisheit und mittell E.F.G.“ Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A 338, Bl. 181r, zitiert nach TENTZEL/CYPRIAN, Historischer Bericht, Bd. 2, S. 241. 374 Forschungsbibliothek Gotha, Chart. A 338, Bl. 181r–186v, zitiert nach TENTZEL/ CYPRIAN, Historischer Bericht, Bd. 2, S. 240–252. 375 Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 552. 376 Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass Stein sein Gutachten gemeinsam mit Strauss anfertigte. Sehr wahrscheinlich hielt sich Strauss den gesamten Dezember über in Weimar auf. Vgl. BUCHWALD, Lutherana, S. 39. 377 Vgl. CLEMEN, Wolfgang Stein, S. 557f. 378 Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 560. „Mihi non displacet, mi Ulpiane, tua rhapsodia, quamquam non sit opus edi eam, non tamen prohibemus, si edere volueris.“
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Derweil versuchte Johann Riedesel, den Voit selbst als seinen guten Freund bezeichnet,379 im Auftrag des Weimarer Hofes auszuhandeln, dass Voit gestattet wurde, die Neujahrspredigt 1522/23 zu halten. Mit dieser Predigt scheinen sich jedoch die Auseinandersetzungen innerhalb des Franziskanerordens noch verschärft zu haben. „Hernach im jhare 1523 als die gotlose monche sahen, das er Johanni jeh lenger jhe mher dem babsthumb zuwieder predige und gunst bei den fursten und bei den burgern bekam, furen sie zu und wolten den lutherischen prediger mit gewalt dempfen.“380 Trotz der fürstlichen Gunst fühlte sich Voit nicht mehr sicher im Weimarer Kloster und beantragte deshalb seine Versetzung in ein anderes. Als der Bescheid dazu negativ ausfiel und man ihm lediglich mitteilte, er solle in Weimar ausharren und dort wieder in den Schoß der katholischen Kirche zurückfinden, konnte er sich ein weiteres Mal des Wohlwollens des fürstlichen Hofes versichern. Am 16. Juni 1523 verhalf ihm Anarg von Wildenfels mit acht Pferden zur Flucht in seine Herrschaft Ronneburg.381 Offenbar hatte Johann Riedesel alle erforderlichen Maßnahmen für das rasche Verschwinden Voits in die Wege geleitet, sodass dieser ihn an Michaelis 1523 von Ronneburg aus nicht nur seiner Dankbarkeit für dessen Unterstützung versicherte, sondern ihm auch seine Neujahrspredigt, die er Riedesel gewidmet hatte, zusandte.382 Allerdings zeigte sich in Weimar, dass die dauerhaften Auseinandersetzungen, die auch der Bevölkerung nicht verborgen geblieben waren, zu einer Sensibilisierung für die Themen geführt hatten. Ausdruck dafür sind die Flugschriften Balthasar Stanbergers, die im Jahre 1523 erschienen. Stanberger, der kein Geistlicher war und im Schloss zu Weimar lebte,383 verfasste zwei Dialoge, von dem der eine zwischen einem Prior, einem Laienbruder und einem Bettler geführt wird und mit der Bekehrung des Priors sowie seinem Klosteraustritt endet. Im zweiten Dialog unterhalten sich Petrus und ein Bauer, wobei hier bereits anklingt, dass innerhalb der Bauernschaft eine erregte Stimmung herrschte. 384 In diesen Schriften brachte Stanberger in verständlicher und volkstümlicher Weise reformatorische Grundgedanken zum Ausdruck und zeigte, wie stark diese bereits in das Gedankengut eingesickert waren.
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RABE, Historien, S. 43. MÜLLER, Magister Johannes Wolfs Niederschrift, S. 148. RABE, Historien, S. 32. Ebd., S. 43. So beginnt ein Dialog mit den Worten „Gemacht durch Baltasar Stanberger zu Weimar in dem Fürstliche[n] schloß, dem armen layen zu trost.“ Vgl. Otto CLEMEN, Balthasar Stanberger, in: Zeitschrift für thüringische Geschichte und Altertumskunde N.F. 11 (1898), S. 242–252, hier S. 244. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Johanns Kanzleischreiber Balthasar Stanberger. Vgl. MÜLLER, Johann Rietesel, S. 227. 384 CLEMEN, Balthasar Stanberger, S. 244–252.
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Doch insgesamt wurde es 1523 etwas ruhiger in Weimar, die größten Auseinandersetzungen, an denen auch der Weimarer Hof direkt oder indirekt beteiligt gewesen war, waren abgeflaut. Wolfgang Stein dagegen sorgte mit seiner ab 1523 vertretenen Ansicht, dass die kaiserlichen Gesetze, als von Heiden und die kirchlichen als von den antichristlichen Päpsten herstammend, abgeschafft und dafür das mosaische Gesetz wieder eingeführt werden müsste, im unmittelbaren Umfeld Johanns für Aufregung.385 Die Auffassungen, die Stein in dieser Frage vertrat, waren Luther bekannt, doch sah er darin offenbar keine Gefahr.386 Anders Johann Friedrich; über Veit Warbeck ließ er Luther eine Anfrage darüber zukommen, ob man sich nach dem mosaischen Gesetz oder nach den kaiserlichen Rechten richten solle. Am 18. Juni 1524 sandte Luther ihm einen Brief, in dem er diese Frage dahingehend erörterte, dass man sich an kaiserliche Rechte nicht zu halten brauche, wo diese gegen Gott sind. Da Luther aber keinen solchen Fall kenne, betrachte er das weltliche Recht als ein äußerliches Ding wie Essen und Trinken, um das sich Christen, die vom Geist des Evangeliums regiert werden, nicht zu kümmern bräuchten. Er spricht sich dafür aus, sich an das kaiserliche Gesetz zu halten, da uns die Liebe zwingt „dass wir uns denen gleich machen, bei denen wir sind, weil es ohn Fahr des Glaubens geschehen kann“. 387 Nach Erhalt der Antwort Luthers wandte sich Johann Friedrich erneut an ihn, um ihm mitzuteilen, dass Wolfgang Stein dabei bliebe, dass man sich nach dem mosaischen und nicht nach dem kaiserlichen Gesetz richten solle und dass er damit Herzog Johann so stark beeinflusst habe, dass dieser nun seinen Sohn und den Kanzler Brück für Feinde des göttlichen Wortes halte. Er hoffe aber, dass Luthers Schreiben ihn von seiner Meinung abbringen werde. Stein selbst habe er nichts von dem Brief erzählt, da er in Kürze sowieso nach Wittenberg kommen werde und sich dort hoffentlich „die Hörner des Mosischen Gerichts halben weidlich bei Euch ablaufe“.388 Ob Stein seine Ideen ausschließlich in Predigten vor der Weimarer Hofgesellschaft oder auch in persönlichen Gesprächen mit Herzog Johann entwickelte, lässt sich anhand des Quellenstandes nicht klären. Sollte er jedoch wirklich seinen Sohn und seinen Kanzler bezichtigt haben, Feinde des göttlichen Wortes zu sein, mutet es wahrscheinlicher an, dass er in engem gedanklichen Austausch mit Stein stand. 385 Vgl. CLEMEN, Wolfgang Stein, S. 560. 386 Am 14. März 1524 äußerte er sich in einem Brief an Spalatin erstmals darüber. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 720. 387 Vgl. Luthers Brief vom 18. Juni 1524 an Johann Friedrich. In diesem Brief beantwortet er auch noch zwei weitere Fragen des jungen Herzogs, nämlich die, ob ein Fürst den wucherischen Zinskauf dulden solle und die nach dem Eisenacher Gemeinen Kasten. WA Br, Bd. 3, Nr. 753. 388 Ebd., Nr. 754 (Johann Friedrich an Luther, 24. Juni 1524).
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Da kein Schriftwechsel zwischen Luther und Stein zu diesem Thema überliefert ist, 389 scheinen beide diese Meinungsverschiedenheit, wie es Johann Friedrich angeregt hatte, persönlich geklärt zu haben. Es gibt jedenfalls keine Anzeichen dafür, dass das Verhältnis ob dieser Angelegenheit belastet gewesen wäre. Dafür spricht auch der Umstand, dass Stein Luther auf seiner Reise in die durch schwärmerische Predigten aufgewiegelten Gemeinden Jena, Kahla, Neustadt und Orlamünde vom 21. August 1524 an begleitete.390 In Weimar herrschte derweil seit 1523 die Situation, dass Predigten der alten Lehre durch die Franziskaner und der Lehre Luthers durch Stein nebeneinander gehalten wurden, während keine Prozessionen mehr stattfinden durften. Die Beschwerden der Franziskaner bei Johann rissen dagegen nicht ab. Vor allem dann, wenn infolge des Auftretens eines auswärtigen, reformatorischen Predigers ihre katholischen Gottesdienste von der Bevölkerung gestört wurden, wandten sie sich an den Fürsten. Die Reaktionen, die daraufhin vom Hof erfolgten, verärgerten die Oberen des Franziskanerklosters wohl oft noch mehr als die eigentlichen Ereignisse. So beklagte sich der Guardian Johannes Gebhart am 7. Mai 1524 bei Johann darüber, dass er bei seiner letzten Beschwerde von Johann Friedrich lediglich „eyn kurze vorschmitzte antwort“ erhalten habe.391 Den Wirkungskreis der Franziskaner nochmals stark beschneidend, wirkte die Berufung des Predigers Johannes Grau an die Stadtkirche am 17. April 1524. Dieser war von Luther empfohlen worden, nachdem ihn der Bischof von Bamberg nach seiner Verheiratung aus Kronach vertrieben hatte.392 Nunmehr von evangelischen Predigern sowohl in der Stadt- als auch in der Schlosskirche umgeben, schwand ihr Einfluss auf die Bevölkerung Weimars immer mehr. Auch von fürstlicher Seite versuchte man, die evangelische Predigt in Weimar zum Standard zu machen. So wurden die Franziskaner mehrmals ermahnt, in ihren Predigten das Wort Gottes lauter und klar und ohne menschliche Zusätze zu predigen. Auch wenn damit erneut vonseiten Johanns offen Position bezogen wurde, führte jedoch die Weigerung der Franziskaner, dem fürstlichen Befehl nachzukommen, zunächst zu keinerlei Sanktionen. Erst am 19. März 1525 drohte der Stadtrat offen mit Predigtverbot, wenn sie sich nicht an die Vorgaben halten
389 Es gibt lediglich im Rechnungsbuch einen Hinweis, dass Wolfgang Stein Ende Juli 1524 einen Brief an Luther nach Wittenberg sandte. Dort heißt es unter Sonnabend nach Sixti (6. August): „x g viij d botlon Ilgen Stormlandt ist mit magistri wolffgangs briffen und in geschefft m g h bey Doctor Martin luther zu Wittenberg gewest.“ LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 5217, fol. 171r, zitiert nach BUCHWALD, Lutherana, S. 41. 390 Vgl. CLEMEN, Wolfgang Stein, S. 560. 391 Vgl. MÜLLER, Luthers Einfluss auf die Reformation in Weimar, S. 187. 392 Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 2, S. 84.
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würden.393 Offenbar wurde es den Franziskanern kurz danach durch Wolfgang Stein ausgesprochen, worüber diese sich bitter bei Johann Friedrich beschwerten.394 Parallel dazu verhandelte der Stadtrat ebenfalls in fürstlichem Auftrag mit dem Pfarrer der Stadtkirche über die Niederlegung seines Amtes. Auch er war im Vorfeld mehrmals vergeblich dazu aufgefordert worden, evangelisch zu predigen. Nachdem er sich am 25. April 1525 bereit erklärte, sein Amt aufzugeben, war der Weg frei, die Pfarre an den bisherigen Prediger Johannes Grau zu übertragen.395 Die offizielle Einführung der Reformation erfolgte jedoch erst nach der Übernahme der Kurfürstenwürde Johanns. Am 17. August 1525 wurde dazu die gesamte Geistlichkeit der Stadt und des Amtes nach Weimar gefordert, wo zunächst zwei evangelische Predigten gehalten wurden – eine durch Wolfgang Stein auf dem Schloss und eine in der Stadtkirche durch den Pfarrer Johannes Grau. Dabei ging es um die neue Lehre und den rechten Lebenswandel eines evangelischen Geistlichen. Danach wurden die Geladenen im Schloss in Anwesenheit von Kurfürst Johann und Kurprinz Johann Friedrich, des Kanzlers Gregor Brück sowie der Räte Friedrich von Thun und Johann von der Sachsen über die Konsequenzen informiert, die denjenigen drohten, die dem Befehl, das Evangelium rein und lauter ohne menschlichen Zusatz zu predigen, nicht nachkommen wollten. Dabei sollte es sich in erster Linie um den Entzug des Lehens und der Nahrungsgrundlage handeln. Danach teilte Friedrich von Thun den Anwesenden mit, dass der Hof nach Torgau verlegt werde, was aber nicht bedeute, dass die Pfarrer den Befehl nicht ernst zu nehmen hätten. Für die Kontrolle der Einhaltung waren die Amtleute zuständig, es sollte in absehbarer Zeit eine Gottesdienstordnung aus Wittenberg folgen.396 Von ebenso großer Wichtigkeit war die
393 Vgl. ARPER, Die Reformation in Weimar, S. 36. Der Stadtrat hielt den Franziskanern vor, dass ihnen bereits vor einem Jahr befohlen worden war, das Evangelium rein und lauter zu predigen. Daraufhin geschah jedoch nichts. Nun sei ihnen vor 14 Tagen dieser Befehl erneut von den fürstlichen Räten erteilt worden, die eingeräumte Bedenkzeit hätten sie ohne Rechtfertigung verstreichen lassen. 394 LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 19, fol. 1–2 (Antrag des Heinrich Pomponius bei Herzog Johann Friedrich, die Mönche zu Weimar das Evangelium einige Zeit öffentlich predigen zu lassen, 29. März 1525). Vgl. außerdem MÜLLER, Luthers Einfluss auf die Reformation in Weimar, S. 189. 395 Ernst MÜLLER, Von der frühbürgerlichen Revolution bis zum Dreißigjährigen Krieg, in: Gitta GÜNTHER/Lothar WALLRAF (Hg.), Geschichte der Stadt Weimar, Weimar 1976, S. 139–195, hier S. 143f. 396 Vgl. Otto CLEMEN, Zur Einführung der Reformation in Weimar, in: Archiv für Reformationsgeschichte 2 (1904/05), S. 186–189, der den Bericht des Erfurter Pfarrers Risswetter (oder Kisswetter) über die Ereignisse am 17. August in Weimar, wo dieser selbst zugegen war, wiedergibt. Am 27. August setzte Risswetter seinen Kollegen Heinrich von Elxleben darüber in Kenntnis. In Weimar wurde den Anwesenden der Befehl
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finanzielle Absicherung des Kirchen- und Schulwesens in Weimar. Die dazu von Johann Friedrich mit dem Weimarer Stadtrat ausgehandelte Ordnung wurde von Kurfürst Johann am 24. August 1525 erlassen. So wurden dem Stadtrat alle Pfarrgüter, Behausungen, Zinsen und sonstigen Einnahmen zur Verwaltung unterstellt, davon sollten sie dem Pfarrer, dem Prediger, dem Kaplan und dem Schulmeister eine jeweils festgelegte Summe auszahlen. Außerdem hatten sie dafür Sorge zu tragen, dass die Güter instand bleiben und die Armen aus dem ebenfalls dem Rat unterstellten gemeinen Kasten ausreichend unterstützt werden.397 Der Hofprediger Wolfgang Stein spielte nicht nur bei der Gestaltung des kirchlichen Lebens am Weimarer Hof eine große Rolle, sondern nahm auch Einfluss auf das der Stadt, als dessen Reformator er gilt. Dabei besaß er in erster Linie das Vertrauen Johanns, aber auch das Luthers. Allerdings trat er nach 1525 in den Hintergrund und gehörte nicht mehr zur näheren Umgebung des Kurfürsten, zumal er offenbar nicht mit nach Torgau ging.398 In der Literatur gibt es einige Hinweise darauf, dass neben Wolfgang Stein in den Jahren 1523 bis 1527 auch der ehemalige Franziskanermönch Johann Voit Hofprediger in Weimar war, doch dies lässt sich bisher quellenmäßig nicht belegen.399 offenbar nur mündlich gegeben, weshalb man umso nachdrücklicher auf die Einhaltung desselben drang. 397 Vgl. ARPER, Die Reformation in Weimar, S. 43f. Es dauerte nicht lange, bis die erste Beschwerde des Landkomturs des Deutschen Ordens der Ballei Thüringen, Nikolaus von Uttenrode, beim Weimarer Rat eintraf, nachdem dieser ohne Wissen und Zustimmung des Komturs die Pfarrei in Weimar an sich genommen hatte. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 135, fol. 1rv (14. Oktober 1525). Während der Rat sich dem Kurfürsten gegenüber für sein Vorgehen rechtfertigte und um Rat und Hilfe bat, vgl. ebd., fol. 4r (17. Oktober 1525) u. fol. 3rv (25. November 1525), zog Johann die Sache zur Klärung an sich. Vgl. ebd., fol. 5rv (24. Oktober 1525). 398 Laut LÖBE, Die Dechanten des Georgenstiftes zu Altenburg, in: Mittheilungen der Geschichts- und Alterthumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes zu Altenburg 2 (1847), H 3, S. 284–290, hier S. 289 war Stein „umb etzlicher ursachen willen“ in Ungnade bei Kurfürst Johann gefallen. Einen Hinweis auf seine weitere Anwesenheit in Weimar bietet ein Schreiben Nickel von Endes an Kurfürst Johann. Darin erwähnt er, dass er sich bei „magistro Wolffgango“ über die Eignung eines Predigers erkundigt habe. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1294 (Ernestinische Räte an Johann [z.Z. in Speyer], 26. Juli 1526). 399 Ein Hinweis dazu findet sich bei ARPER, Die Reformation in Weimar, S. 14. Ein zweiter Hinweis bei CLEMEN, Johann Voit, S. 440. Laut Clemen waren es Predigten von Voit, von denen Johann eigenhändige Mitschriften anfertigte. Clemen glaubt, dass es sich bei den beschriebenen Holztäfelchen, die auf der Feste Coburg und in Gotha gefunden wurden, um Nachschriften davon handelt. Auch bei MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 34 wird Voit als Weimarer Hofprediger bezeichnet. Keiner der Autoren bringt irgendeinen Beleg für diesen Umstand. Schaut man sich die Verhältnisse an, unter denen Voit
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Wolfgang Stein folgte 1530 dem verstorbenen Dechanten Conrad Gerhard auf dessen Posten im Altenburger Georgenstift nach, nahm jedoch dort keine Residenz.400 Dies legt die Vermutung nahe, dass Stein von Kurfürst Johann, der die Patronatsrechte des Stifts innehatte, eingesetzt wurde, um nach jahrelangen Streitigkeiten unter den Kanonikern über die Einführung der Reformation endlich Ruhe zu schaffen.401 Im Jahr 1539 ging Stein schließlich auf Bitten Herzog Heinrichs als Superintendent nach Weißenfels. In dieser Eigenschaft übernahm er bald zusammen mit dem ihm noch aus Weimar bekannten Johann Voit, der inzwischen Superintendent in Weißensee war, die Rolle eines Sprechers der Superintendenten in Thüringen.402 Am 20. Januar 1542 wohnte Stein in Naumburg der Weihe des ersten protestantischen Bischofs von Naumburg-Zeitz, Nikolaus von Amsdorf, bei, ebenso wie Luther, Melanchthon und Spalatin.403 Als Wolfgang Stein in späteren Jahren in Auseinandersetzungen um unklare Patronatsrechte zwischen dem Kurfürstentum und dem Herzogtum Sachsen geriet, zeigte er sich loyal zum Kurfürsten Johann Friedrich, was dieser damit honorierte, dass Stein bei gutem Auskommen seinen Lebensabend in Weimar verbringen konnte. Sein Todesdatum lässt sich nicht genau ermitteln, Clemen vermutet Steins Tod zwischen 1548 und 1552.404 Die Franziskanermönche dagegen mussten am 20. November 1533 Weimar verlassen, nachdem Johann Friedrich sie dazu aufgefordert hatte und ihr Kloster aufgelöst worden war. Nachdem sie sich jahrelang der neuen Lehre widersetzt hatten, wurden sie nun nicht länger in Kursachsen geduldet.405 Damit vollendete der junge Kurfürst das Wirken seines Vaters und Wolfgang Steins zur Einführung der Reformation in Weimar endgültig.
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Mitte Juni 1523 Weimar verlassen hatte, erscheint es aber sehr unwahrscheinlich, dass er bereits kurze Zeit später dorthin zurückkehrte. Daher ist wohl Günther WARTENBERG, Landesherrschaft und Reformation: Moritz von Sachsen und die albertinische Kirchenpolitik bis 1546, Weimar 1988. S. 264 zu folgen, der davon ausgeht, dass Voit bereits 1523 die Pfarrstelle in Ronneburg übernommen hat. Vgl. LÖBE, Die Dechanten des Georgenstiftes zu Altenburg, S. 57. So verweigerte sich das Stift im Dezember 1526 dem Befehl Kurfürst Johanns, den evangelischen Kanoniker Veit Warbeck in eine höher dotierte Präbende aufrücken zu lassen. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 173, fol. 1rv (Kurfürst Johann an das Georgenstift, 22. Dezember 1526). Vgl. WARTENBERG, Landesherrschaft und Reformation, S. 262. Vgl. WA Br, Bd. 9, Nr. 3707 sowie HÖSS, Georg Spalatin, S. 415. Vgl. CLEMEN, Wolfgang Stein, S. 262. LÖBE, Die Dechanten des Georgenstiftes, S. 289f. gibt dagegen an, dass Stein zuletzt in Altenburg gelebt hätte und dort 1553 sein Testament entstanden wäre, in dem auch eine Stiftung für zwei arme Zwickauer Bürgersöhne vorgesehen war, aus deren Zinsen ein Stipendium gezahlt werden sollte. Vgl. ARPER, Die Reformation in Weimar, S. 45.
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In engem Zusammenhang mit dem Wirken von Müntzer, Karlstadt und Strauss, aber auch zahlreicher anderer von der Wittenberger Linie abweichender Prediger wie Storch, Stübner und Hisolidus, stehen die Versuche Johanns, dem schwärmerischen Gedankengut durch Visitationsmaßnahmen zu begegnen. Deshalb schließt sich an dieses Kapitel ein Exkurs zu den ersten von Johann geplanten und durchgeführten Visitationen an.
Exkurs: Die ersten evangelischen Visitationen in Thüringen EXKURS: DIE ERSTEN EVANGELISCHEN VISITATIONEN IN THÜRINGEN
Als die ersten Visitationen in Thüringen sollen an dieser Stelle diejenigen angesehen werden, die ohne Mitwirkung Luthers, also vor 1528 und damit vor dem Erscheinen des „Unterrichts der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum zu Sachsen“, stattgefunden haben. Wie wir gesehen haben, war es der Kurprinz Johann Friedrich, der sich im Angesicht der Gefahr, die sich seiner Meinung nach aus den immer weiter um sich greifenden schwärmerischen und aufrührerischen Lehren ergab, mit der Bitte an Luther wandte, von Stadt zu Stadt zu ziehen, um die Prediger zu begutachten und die untauglichen, mit Unterstützung der Obrigkeit abzusetzen. 406 Damit formulierte er nichts anderes als den Wunsch, der Wittenberger Reformator möge eine Visitation vornehmen. Freilich ging es dem Herzog hierbei nicht vorrangig darum, feststellen zu lassen, ob überhaupt evangelisch gepredigt werde, sondern darum, den gefährlichen „Wildwuchs“ der Reformation einzudämmen.407 Mit der Forderung nach einer Visitation stand Johann Friedrich nicht allein. Auch die Ritterschaft hatte auf dem Landtag in Altenburg 1523 ihre Ansicht an die Landesherrn herangetragen, dass es zwingend notwendig wäre, die Prediger einer Kontrolle zu unterziehen, um zu vermeiden, dass durch die Verbreitung von Lehren, die wider Gottes Wort seien, Aufruhr im Volk erregt werde.408 Auch 406 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 754 (24. Juni 1524). 407 Diese Prämisse findet seinen deutlichen Ausdruck in der Formulierung Johann Friedrichs „Es sind leider der Schwärmer, Gott sei es geklaget! Allzu viel, und machen uns hie oben gar viel zu schaffen. Ich acht aber dafür, dass es nicht baß möchte gestillet werden, denn dass Ihr Euch eins hätt´der Weil genommen und von einer Stadt in die andern im Fürstentum gezogen und gesehen (wie Paulus tät), mit was Predigern die Städte der Gläubigen versehen wären. Ich glaub, dass Ihr bei uns in Duringen kein christlicher Werk tun möchtet. Welche Prediger denn nicht tüglich, hättet Ihr mit Hülf der Oberkeit zu entsetzen. Es müssen aber dem Spruch Pauli nach falsche Propheten sein, auf dass die guten bewähret werden.“ Vgl. ebd. 408 ELA, S. 160f. „Welche prediger wider gottes worth ire lehre furwenden in irthumb des glaubens und christlicher liebe ... zur einfurung ergernus, unchristlichen gehorsams den gemeinen unverstendigen man in aufrur bewegen, die sollen erfordert, unterrichtet und vermahnt werden, ihnen die Predigt untersagt, und wer das Gebot übertritt, gestraft werden; auch soll ein Aufsehen in den Aemtern darüber durch Bestellung der
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Herzog Georg bediente sich 1524 dieses Instruments, als der Merseburger Bischof Adolf von Anhalt gemeinsam mit albertinischen Räten im Frühjahr und Sommer eine Visitation seiner Diözese durchführte, freilich unter anderen Vorzeichen.409 Bei Friedrich und Johann fand der Vorschlag jedoch nur wenig Resonanz. Auch Luther, der eher negative Implikationen mit Visitationen, die in der Kirche eine alte Tradition hatten, verband, wollte sich mit dieser Idee nicht so recht anfreunden.410 Doch immerhin ließ er sich im Sommer 1524 zu einer Predigtreise durch die Gebiete Thüringens bewegen, die besonders unter dem Einfluss des Gedankenguts von Müntzer und Karlstadt standen. Während Johann Friedrich, der sich vor dem Aufbruch Luthers ins Saaletal mit diesem am 21. August 1524 in Weimar zu näheren Absprachen traf,411 sich durchaus eine Visitationstätigkeit Luthers vorstellte, kam es dem Reformator wohl in erster Linie darauf an, sich selbst ein Bild von der aufgeheizten Stimmung zu machen. Ohne Zweifel sollte diese Reise auch seinem eigenen reformatorischen Ideal dienen, der wahren Lehre zum Durchbruch gegenüber falschen Predigern zu verhelfen.412 Dies gilt ungeachtet der Tatsache dass die Berichte Luthers Johann
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Amtleute und des Adels gehalten, auch die Bischöfe, Aebte usw. beschickt werden, um diese daran zu erinnern.“ Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 652, Nr. 646. Wenn der Merseburger Bischof sein beabsichtigtes Vorgehen gegenüber Georg so beschreibt, dass er diejenigen, die „aufrurisch, vormeslich ader unbedechtig, geystlich ader wertlich, edel ader unedel wyder angezeigten gemeynen Christlichen gebrauch gehandelt und ubirtreten“ vorladen, zu ihrer Haltung befragen und nötigenfalls bestrafen werde, dann ist dies sehr nah an den Forderungen, die auch die ernestinische Ritterschrift gegenüber den Landesherrn vorgebracht hatte. Der Wunsch, als Landesherr uneingeschränkt visitieren zu können, war auch Herzog Georg nicht fremd, denn nichts weniger als das hatte er bereits 1503 von dem Kardinallegaten Raimund Peraudi gefordert. Freilich stieß er mit seinen Forderungen bei der Kurie auf wenig Gegenliebe, sodass er, wie in diesem Fall, auf die Zusammenarbeit mit den Bischöfen angewiesen blieb. Vgl. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 255f. Zum Bild Luthers über die Visitationen in der katholischen Kirche vgl. Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum zu Sachsen, 1928, in: Hans-Ulrich DELIUS (Hg.), Martin Luther Studienausgabe, Bd. 3, S. 402–462, hier S. 407f. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 778 (Luther an Johann Friedrich, 22. September 1524). Bei diesem Gespräch war auch der Kanzler Brück anwesend, während sich Johann in Eisenach aufhielt. Luther betrachtete das Aufkommen von Sekten als notwendig und als Prüfung für das wahre Wort Gottes. Deshalb dürften diese auch nicht unterdrückt, sondern müssten in Kauf genommen werden. Diese Auffassung bekräftigte Luther insbesondere in seinem im Juli 1524 erschienenen „Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist“, der Kurfürst Friedrich und Herzog Johann gewidmet war. Vgl. WA Werke, Bd. 15, S 199– 221.
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und Johann Friedrich dann als Rechtfertigung zur Ausweisung Karlstadts aus Kursachsen dienten.413 Einen Umschwung in Johanns Meinung zum Thema Visitation bewirkte wahrscheinlich die Tatsache, dass, obwohl Müntzer Kursachsen verlassen hatte und Karlstadt ausgewiesen worden war, keine Ruhe in der Bevölkerung einkehrte. So erreichten ihn beispielsweise vom Creutzburger Schultheißen Heinrich Vogel Schreiben, in welchen er die „heilgensturmung“ in Creutzburg anzeigte. 414 Hier wirkte der Prediger Matthäus Hisolidus,415 der mit seinen radikalen Predigten und seinen bilderstürmerischen Absichten auf breite Resonanz stieß. Auch in den umliegenden Dörfern sammelte er eine beachtliche Anhängerschaft um sich. Johann verhielt sich zunächst abwartend und erteilte Vogel den Befehl, sich im Geheimen beim Rat zu erkundigen, was er dazu wisse und wie er sich dazu verhalte. Vogel zog die entsprechenden Erkundigungen ein und meldete nach Weimar, wer diejenigen waren, welche die Heiligtümer abgenommen und weggetragen hatten, nicht ohne nochmals vor dem gefährlichen Treiben des Predigers Hisolidus zu warnen.416 Wohl in diesen Wochen, als die Gefahr des Bauernkriegs unmittelbar bevorstand, fruchtete offenbar das Drängen Johann Friedrichs und des Kanzlers Gregor Brück nach einer systematischen Überprüfung der Prediger endgültig bei Johann. Auch wenn die Initiative dazu nicht von Johann selbst ausgegangen sein mag, so deutet doch allein die Tatsache, dass er den Eisenacher Prediger Jakob Strauss, der beim Kurprinzen in keinem besonders guten Ansehen stand,417 zum Visitator berief, darauf hin, dass er schließlich die Planung und Einberufung der Visitation selbst in die Hand genommen hat.418 Ein Eintrag in das Weimarer Rechnungsbuch legt nahe, dass sich Johann im Vorfeld mit Jakob Strauss zur Beratung getroffen und dabei die Erwartungen und Wünsche der Fürsten für eine
413 In seinem Werk „Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament“ berichtet Luther mehrmals, dass er dem Herzog Johann Friedrich unmittelbar nach seinen Auseinandersetzungen mit Karlstadt Mitteilung darüber getan hat. Vgl. WA Werke, Bd. 18, S. 86, 99. 414 Vgl. KOBUCH/MÜLLER, Der deutsche Bauernkrieg in Dokumenten, S. 44f. Das hier abgedruckte Schreiben des Schultheißen Heinrich Vogel an Herzog Johann vom 6. Februar 1525 verweist auf vorausgegangene Nachrichten. 415 Zu Hisolidus vgl. Stefan OEHMIG, Matthaeus Hisolidus, Ein mitteldeutscher Benediktiner zwischen Karlstadt und Luther im Spiegel seiner Flugschriften, in: Ulman WEISS (Hg.), Flugschriften der Reformationszeit, Colloquium im Erfurter Augustinerkloster 1999, Tübingen 2001, S. 137–155. 416 KOBUCH/MÜLLER, Der deutsche Bauernkrieg in Dokumenten, S. 44. 417 ROGGE, Jakob Strauss, S. 64. 418 Vgl. dazu auch Michael BEYER, Martin Luther und das Kirchengut, Leipzig 1984, Anmerkungsteil, Anm. 1179.
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3. HERZOG JOHANN UND DIE FRÜHE REFORMATION
solche Visitation klargestellt hat, ehe er ihn zum Visitator berief.419 Ihm zur Seite stellte er den kurfürstlichen Rat und Gothaer Amtmann Burkhard Hund.420 Eine Rückfrage nach Wittenberg hat es allem Anschein nach nicht gegeben: Inwiefern Kurfürst Friedrich über die Maßnahme informiert war, muss dahingestellt bleiben. In der Zeit vom 10. bis zum 14. Januar 1525 visitierte Strauss schließlich rund um Eisenach, als Johann ihm durch den Kanzler mitteilen ließ, die Visitation zunächst bis Fastnacht zu unterbrechen, da er Burkhard Hund in anderen Geschäften benötige. Am 15. Januar berichtete Strauss kurz zusammenfassend an Johann, wobei er die größten Schwierigkeiten und Missstände in den Vordergrund stellte, ohne auf seine Tätigkeit genauer einzugehen.421 Aus einem späteren Bericht seines Gehilfen Georg Witzel geht jedoch hervor, dass Strauss die Gemeinden streng ermahnt hatte, nicht nur ihre neuen Prediger zu bezahlen, sondern auch die alten Pfarrer abzufinden. Darüber hinaus scheint er besonderen Wert auf die Einhaltung der sittlichen Forderungen des Evangeliums gelegt zu haben.422 Strauss nahm kein Blatt vor den Mund, wenn er Johann unverblümt zu verstehen gab, dass ein fürstlicher Befehl dort ins Leere läuft, wo kurfürstliche Beamte, Äbte und Vorsteher zum eigenen Vorteil Hand in Hand arbeiten.423 Wie Johann in seinem Befehl an Strauss zur Unterbrechung angekündigt hatte, wurde im März 1525 das Visitationsvorhaben fortgesetzt. Auch diesmal 419 Für den 10. Dezember 1524 sind im Weimarer Rechnungsbuch zwei Gulden für einen Fuhrmann vermerkt, der Strauss wieder nach Eisenach zurückgebracht hat. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 5219, fol. 16v, zitiert nach BUCHWALD, Lutherana, S. 40. Auch der Umstand, dass Strauss sein Schreiben, in dem er die Ergebnisse der Visitation zusammenfasst, mit den Worten eröffnet, „der Befehl nach, e.f.G. mir gethan, zu visitieren, allein nach Vormugen des Wort Gottis“ könnte darauf hinweisen, dass im Vorfeld auch weitergehende Maßnahmen besprochen worden sind. LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 133, fol. 1, zitiert nach HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 167 (Jakob Strauss an Johann, 15. Januar 1525). 420 Der Visitationsauftrag an Strauss und Hund ist nicht erhalten, es ist jedoch davon auszugehen, dass er zunächst sehr allgemein gehalten war. Vgl. HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 174. 421 HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 168 (Jakob Strauss an Johann, 15. Januar 1525). 422 Vgl. Georg Witzels Bericht über die Visitation mit Jakob Strauss aus dem Jahr 1534, gedruckt in: ebd., S. 171. Laut diesem Bericht scheint Strauss damit beim einfachen Volk auf wenig Gegenliebe gestoßen zu sein. Strauss selbst gedenkt in seinem Bericht zwei Adligen und Amtleuten, die offenbar wenig erbaut waren von seinem energischen Auftreten und seinen scharfen Forderungen bezüglich sittlichen und ethischen Verhaltens, ebd., S. 167. 423 „Und so dann e.f.G., als ich hoff, Befehl hierzu thun wird, acht ich, sei ganz unfruchtbar, dem Amptmann zu thun, dann er und der Apt zu Regensporn [Reinhardtsbrunn], die Eptissin, der Fursteher Trauterhans ein Seel, ein Herz und Gemut sein.“ Ebd., S. 169.
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kam es im Vorfeld zu persönlichen Absprachen zwischen Strauss und Johann.424 Sicherlich nutzte der Eisenacher Prediger die Gelegenheit, ausführlich von den Schwierigkeiten und Ergebnissen seiner Arbeit im Januar zu berichten. Im Zuge dessen entschied sich Johann dafür, diesmal eine Strauss autorisierende Anweisung an die Schultheißen, Amtleute, Bürgermeister etc. ausgehen zu lassen, in welcher die Unterstützung der Visitatoren gefordert wurde.425 Dieser Visitationsbrief, dessen Inhalt wohl in der Verantwortung des Kanzlers Gregor Brück stand, 426 macht wiederum deutlich, welche Stoßrichtung die Visitation haben sollte, nämlich zu verhindern, „dass sich etzliche falsche Prediger neben den guten mit eindringen und sich unterstehn, unter dem Schein des rainen gottlichen Worts falsche Leren einzufuren und dieselben in das Volk zu bilden.“427 Die Quellen lassen uns über Fortgang und Ergebnis dieser Visitation im Stich, was zu der Annahme führte, dass diese aufgrund des sich in Thüringen ausbreitenden Bauernkrieges eventuell gar nicht mehr stattgefunden haben könnte.428 Sollte sich Strauss jedoch direkt von Weimar aus mit Burkhard Hund auf den Weg in die zu visitierenden Ämter Wartburg, Hausbreitenbach, Salzungen, Creutzburg und Gerstungen begeben haben, dann wäre durchaus noch ausreichend Zeit gewesen, zumindest mit der Arbeit zu beginnen. Allem Anschein nach wurden diesmal Luther und Kurfürst Friedrich von der Maßnahme zumindest in Kenntnis gesetzt.429 Durch den Ausbruch des Bauernkrieges in Thüringen erfolgten zunächst keine weiteren Visitationen, erst im Januar und im März 1526 sind erneute Versuche überliefert. Auch hier wurde wiederum nur die Eignung der Geistlichen als evangelische Amtsträger überprüft, auch wenn Luther in den Monaten zuvor bei Johann stets darauf gedrungen hatte, zunächst die Besoldung der Pfarrer sicherzustellen.430 Ebenso blieb es auch diesmal den Visitatoren selbst überlassen, eine geeignete Vorgehensweise für ihre Arbeit zu finden, sodass es bei der Durchführung in den Ämtern durchaus zu Unterschieden kommen konnte.431 424 Strauss hielt sich nachweislich am 18. März 1525 in Weimar auf. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Bb, Nr. 5223, fol. 13r, zitiert nach BUCHWALD, Lutherana, S. 40. 425 LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 132, fol. 1r–2r (Visitationsbrief Johanns vom 17. März 1525), im Druck bei HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 169f. 426 Auf dem Konzept finden sich zahlreiche Korrekturen und Paraphe Brücks. Ernst Müller sieht dies als Beleg, dass auch Brück und Johann Friedrich maßgeblich hinter dieser Visitation standen. Vgl. MÜLLER, Luthers Einfluss auf die Reformation in Weimar, S. 190. 427 HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 169f. 428 Ebd., S. 175f. 429 Am 17. März 1525 ging ein Bote von Weimar zu Luther nach Wittenberg und weiter zum Kurfürsten ab. Vgl. MÜLLER, Luthers Einfluss auf die Reformation in Weimar, S. 190. 430 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 939 (Luther an Johann, 31. Oktober 1525). 431 Vgl. Paul DREWS, Der Bericht des Mykonius über die Visitation des Amtes Tenneberg im März 1526, in: Archiv für Reformationsgeschichte 3 (1905/06), S. 1–17, hier S. 2.
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3. HERZOG JOHANN UND DIE FRÜHE REFORMATION
Für die Visitation des Amtes Borna, die sich im Zeitraum von Januar bis März 1526 erstreckte, wurde Georg Spalatin, der inzwischen als Pfarrer in Altenburg wirkte, herangezogen. Da der Visitationsbefehl nicht überliefert ist, fehlen uns jegliche Hinweise darauf, wie es genau zu dieser Visitation und der Berufung Spalatins zum Visitator kam.432 Die von ihm angefertigten Visitationsprotokolle zeigen jedoch, dass er gemeinsam mit dem Bornaer Geleitsmann Michael von der Straßen die Lehre und sittliche Eignung der Pfarrer überprüfte. Dazu lud er sie vor und erkundigte sich, ob sie das Evangelium predigten, welche Befähigung sie für ihr Amt hätten und wie ihre Lebensführung aussähe, was sich in erster Linie auf den Familienstand bezog. Auch wenn, wie gesagt, die finanzielle Ausstattung der Pfarreien offiziell keine Rolle spielte, so ließ es sich Spalatin doch nicht nehmen, dem Visitationsprotokoll einen Anhang beizufügen, der die Klagen vieler Pfarrer über ihre unzureichende finanzielle Absicherung enthielt.433 Einen anderen Weg schlugen im März 1526 Friedrich Mykonius und Johannes Draco im Amt Tenneberg ein. Sie ließen über den Amtmann Diezmann Goldacker aus jeder Gemeinde je zwei Männer vorladen, um zunächst Informationen über den Pfarrer zu sammeln, ehe man ihn selbst verhörte. Zuvor hatten sich die Pfarrer an einem bestimmten Tag in Waltershausen einzufinden, um vor den Visitatoren eine Probepredigt zu halten, deren Text ihnen vier Tage vor dem Termin mitgeteilt wurde. Insgesamt führten Mykonius und Draco ihren Visitationsauftrag sehr gewissenhaft aus und legten, insbesondere was die Predigttexte anbelangte, auch einen recht hohen Anspruch an die Kenntnisse der Pfarrer bezüglich des Evangeliums an. Mykonius fügte seinem Bericht außerdem Vorschläge für notwendige Maßnahmen an, so beispielsweise die Einrichtung des Superintendentenamtes.434 Bereits diese beiden Maßnahmen, die in einem lokal begrenzten Raum stattgefunden hatten, waren dazu angetan, Kurfürst Johann sehr anschaulich die bevorstehenden Mühen zu verdeutlichen. Allein um die Neubesetzung der Pfarre 432 Dass Spalatin für diesen ersten Anlauf zu einer Visitation nach dem Bauernkrieg als Visitator herangezogen wurde, könnte damit zusammenhängen, dass er sich bereits am 1. Oktober 1525 gegenüber Johann offen für eine Überprüfung der Pfarrer in Bezug auf Lehre und Befähigung für ihr Amt gezeigt hatte. Für Luther hingegen hatte zu diesem Zeitpunkt noch die finanzielle Absicherung der Pfarrer und Lehrer als Grundlage für die ordentliche Verkündigung des Evangeliums Priorität. Vgl. Christiane SCHULZ, Spalatin als Pfarrer und Superintendent in Altenburg, in: Armin KOHNLE/Christina MECKELNBORG/Uwe SCHIRMER (Hg.), Georg Spalatin. Steuermann der Reformation, Halle 2014, S. 70–89, hier S. 73. 433 Die von Spalatin angefertigten Visitationsprotokolle in LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 161, fol. 1r–3v, im Druck bei Philipp MEHLHOSE, Beiträge zur Reformationsgeschichte der Ephorie Borna, Leipzig 1917, S. 43–46. 434 Vgl. DREWS, Der Bericht des Mykonius, S. 12–17.
EXKURS: DIE ERSTEN EVANGELISCHEN VISITATIONEN IN THÜRINGEN
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von Sundhaußen und die Abfindung der beiden alten Pfarrer zu regeln, bedurfte es eines monatelangen Schriftwechsels zwischen ihm und dem Amtmann Goldacker.435 Das Drängen Luthers, sich endlich auch der finanziellen Ausstattung der Pfarren und Schulen anzunehmen, wurde dagegen Ende 1526 immer stärker, er war nun aber auch bereit, Johanns Ansicht, dass die eigentliche Aufgabe der Visitation in der Lehraufsicht bestand, entgegenzukommen.436 Hinsichtlich einer einheitlichen Regelung zur Besoldung der Pfarrer und Lehrer hatte sich Johann bisher sehr zurückhaltend gezeigt, was wohl in erster Linie darin begründet lag, dass er befürchtete, aus der kurfürstlichen Kasse für diese Kosten aufkommen zu müssen. Nu mag wohl sein, dass die Opfer und dergleichen gemeine Zugäng der Pfarren und Predigstuhl gefallen, und dass auch die Leut mit den Zinsen, Pachten und dergleichen, so sie vor Alters darzu gegeben, furder zu reichen etwas laß. Sollten wir nu dieselben Pfarren und Predigstuhl von dem Einkommen unserer Ambt und Kammegut versorgen, will uns, wie Ihr achten konnt, auch schwer sein.437
Dieser Befürchtung konnte Luther jedoch entgegentreten, an eine Finanzierung durch den Kurfürsten hatte er nicht gedacht.438 Vor diesem Hintergrund und dem Umstand, dass der Reichstagsabschied von Speyer 1526 die Vornahme weiterer reformatorischer Maßnahmen in die Verantwortung der einzelnen Reichsstände stellte, wurde der Weg für konkrete Planungen zu einer landesweiten Visitation frei. Luther schlug dazu die Einsetzung einer vierköpfigen Kommission vor. Zwei von der Universität Wittenberg 435 Vgl. HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 186–188. Nachdem der Inhaber der Oberpfarre Johann Renner, der sich offen gegen das Evangelium bekannt hatte, nach der Visitation 1526 Sundhaußen verlassen hatte und der Inhaber der Niederpfarre sich als ungeschickt erwiesen hatte, benötigte man dort dringend Ersatz. Übergangsweise übernahm Bernhard Euß das Predigeramt, konnte dann aber nicht als Pfarrer eingesetzt werden, weil die beiden anderen sich weigerten, ihr Pfarramt gegen Abfindung aufzugeben. Im Januar 1527 reiste Euß sogar nach Weimar, um dort an zwei Tagen vor Johann zu predigen. Johann sagte ihm daraufhin das Pfarramt zu und beauftragte den Amtmann, verstärkt mit den alten Pfarrern um die Abfindung zu verhandeln. 436 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1052 (Luther an Johann, 22. November 1526). „Nu aber inn E.C.f.g. furstenthum Bepstlich und geistlicher zwang und ordnung aus ist, und alle kloster und Stifft E.C.f.g. als dem obersten heubt inn die hende fallen, komen zu gleich mit auch die pflicht und beschwerde, solche ding zu ordenen. Denn sich’s sonst niemand annimpt noch annehmen kann noch sol. Derhalben, wie ich alhie mit E.C.f.g. Canzeler, auch Er Niclas vom Ende geredt, wills von notten sein, auffs fodderlichst von E.C.f.g., als die gott inn solchem fall dazu gefoddert und mit der that befilhet, vier person lassen das land zu visitiern, zween, die auff die zinse und guter, zween, die auff die lere und person verstendig Sind, das sie selbigen aus E.C.f.g. befelh die Schulen und pfarhen, wo es not ist, anrichten heissen und versorgen.“ 437 WA Br, Bd. 3, Nr. 944 (Johann an Luther, 7. November 1525). 438 Vgl. ebd., Nr. 950 (Luther an Johann, 30. November 1525).
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3. HERZOG JOHANN UND DIE FRÜHE REFORMATION
zu wählende Mitglieder sollten die Lehre prüfen und zwei vom Landesherrn gestellte Beamte die Einkommensverhältnisse regeln.439 Weshalb es trotz einer grundsätzlichen Einigkeit bezüglich der Vorgehensweise und des Personals zu einer weiteren Verzögerung kam, muss ungeklärt bleiben.440 Schließlich erließ Johann die Instruktion und den Befehl zur Visitation erst am 16. Juni,441 die Arbeit vor Ort begann Anfang Juli im Amt Weida und wurde dann im benachbarten Saalekreis bis nach Jena fortgesetzt.442 Im August kam es auf Wunsch der Visitatoren zum vorläufigen Abbruch der Arbeiten. 443 Die Pause nutzte der Wittenberger Theologe Hieronymus Schurff, um den Kurfürsten darum zu ersuchen, sich aus den Visitationsgeschäften zurückziehen zu dürfen. Er war zu der Erkenntnis gekommen, dass er dabei nichts ausrichten könne.444 Auch bei seinem Kollegen Melanchthon hatte sich eine gewisse Unzufriedenheit breitgemacht, denn trotz großer Mühen war aus seiner Sicht eine gründliche Arbeit aufgrund des engen Zeitplans und der unzulänglichen theologischen Bildung der Geistlichen unmöglich. Melanchthon forderte zunächst die Klärung zahlreicher Einzelfragen und die Erarbeitung einer einheitlichen Handreichung für die notwendige Belehrung der Pfarrer durch die Visitatoren. Dazu reichte er bei Johann eine 439 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1053 (Luther an Kurfürst Johann, 22. November 1526), S. 136– 138 (Kurfürst Johann an Luther, 26. November 1526) sowie LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 166, fol. 1rv (Magister und Doktoren der Universität Wittenberg an Kurfürst Johann, 6. Dezember 1526). Die Verhandlungen mit Luther und der Universität führten im Auftrag des Kurfürsten der Kanzler Gregor Brück und Hans von Gräfendorf. 440 Bereits am 13. Februar 1527 setzte Johann den Wittenberger Hauptmann Hans Metzsch darüber in Kenntnis, dass er als Visitator verordnet worden sei. Aus diesem Grund sollte er sich mit Luther, Melanchthon und Schurff in Verbindung setzen und dann den Befehl zum Aufbruch abwarten. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 166, fol. 3rv–4r. 441 LATh-HStA Weimar, Reg. Ji, Nr. 191, fol. 1–37. Im Druck erschienen in: Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts, Bd. 1 (im Folgenden: EKO), hg. von Emil SEHLING, 1. Abt.: Sachsen und Thüringen nebst angrenzenden Gebieten, Leipzig 1902, S. 142–148. Die Frage danach, wer die Instruktion ausgearbeitet hat, ist noch immer unbeantwortet. Rudolf HERRMANN mutmaßt, dass es die Räte Johanns waren. Vgl. HERRMANN, Die Kirchenvisitation, S. 203. 442 Vgl. ebd., S. 194–198. Als Visitatoren fungierten als Beauftragte der Universität Wittenberg: Hieronymus Schurff und Philipp Melanchthon. Als kurfürstliche Beamte: Asmus von Haubitz und Hans von der Planitz. 443 Vgl. ebd., S. 197 (3. August 1527). Johann erklärte gegenüber den Visitatoren sein Einverständnis zum vorläufigen Abbruch der Visitation nach Erledigung der Arbeiten in Jena und Eisenberg. 444 Vgl. ebd., S. 199 (Hieronymus Schurff an Gregor Brück, 10. September 1527). In dem Schreiben bat Schurff den Kanzler Brück, sich beim Kurfürsten für dessen Entbindung von der Visitationsarbeit einzusetzen. Schon vor Abbruch der Visitation war Schurff, offenbar bereits Ende Juli, abgereist. Ebd., S. 197 (Kurfürst Johann an Gregor Brück, 3. August 1527).
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Reihe von Artikeln ein.445 Am 16. August legte der Kurfürst diese Artikel und die Akten der Visitatoren Luther zur Begutachtung vor.446 Ungeachtet der Einwände ordnete Johann am 3. September 1527 die Fortsetzung der Visitation in Stadt und Amt Altenburg an. Dazu sollten sich die Visitatoren am 15. September in Altenburg einfinden.447 Kurz vor diesem Termin wurde Georg Spalatin am 12. September von Johann darüber informiert, dass die Visitation in Altenburg weitergehe und er sich als Ersatz für Hieronymus Schurff bereithalten solle.448 Doch die Bedenken Melanchthons und Schurffs setzten sich durch,449 bereits am 17. September 1527 wurde von Johann der vorläufige Abbruch der Visitation befohlen und angeordnet, dass man sich am 26. September in Torgau einfinden solle.450 Hier kam man am 26. und 27. September in großer Runde zusammen,451 um sich auf eine Visitationsordnung zu einigen.452 Der Diskussionsprozess dazu 445 Wahrscheinlich handelte es sich dabei um die Articuli „de quibus egerunt per visitatores in regione Saxoniae“. Vgl. CR 26, 7–28. 446 Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 2, S. 260; WA Br, Bd. 4, Nr. 1129 (Johann an Luther, 16. August 1527). BRECHT geht davon aus, dass es sich um Melanchthons Artikel handelt, die Johann den Visitationsakten beigelegt hatte. In der WA bezieht man sich darauf, dass sich im Aktenbündel ein Verzeichnis von Spalatin befindet, welches Johann gemeint habe. Fest steht, dass es sich bei dem Verzeichnis um Vorarbeiten zum „Unterricht der Visitatoren“ handelte. Gegen Spalatin spricht, dass er im August noch gar nicht in die Visitation involviert war, er wurde erst am 12. September 1527 von Johann als Ersatz für Schurff berufen. Auch erscheint es ziemlich unwahrscheinlich, dass Luther in seinem Schreiben vom 19. August nur so knapp auf diese Artikel, wenn sie doch von Spalatin selbst stammen, eingeht. Es scheint, als habe Spalatin die Artikel gar nicht gekannt, Luther wollte ihm das Material erst zusenden. Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1130. 447 Vgl. HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 199 (Kurfürstliche Räte an Günter von Bünau, Amtmann zu Altenburg, 3. September 1527). 448 Vgl. ebd., S. 200 (Kurfürst Johann an Spalatin, 12. September 1527). 449 Die Einwände Schurffs und Melanchthons bezogen sich nicht nur auf die zahlreichen ungeklärten Fragen, die besprochen werden mussten, ehe man die Visitation in größerem Umfange fortsetzte, sondern sie beriefen sich auch immer wieder auf ihre Unabkömmlichkeit an der Universität, die gerade aufgrund der Pest in Wittenberg nach Jena übergesiedelt war. 450 Vgl. HERRMANN, Kirchenvisitationen, S. 200 (Kurfürstliche Räte an Spalatin, 17. September 1527). 451 Vgl. BUCHWALD, Lutherana, S. 4. Nach Wittenberg kamen Asmus von Haubitz, Hans von der Planitz, Melanchthon, Spalatin, Luther und Bugenhagen. 452 Zu den neuesten Forschungsergebnissen des im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts, das die Neuedition und Kommentierung des „Unterrichts der Visitatoren“ aufgrund der wiedergefundenen Entwürfe aus dem Sommer 1527 zum Ziel hat, vgl. Stefan MICHEL, Der „Unterricht der Visitatoren“ (1528) – die erste Kirchenordnung der von Wittenberg ausgehenden Reformation?, in: Irene DINGEL/Armin KOHNLE (Hg.), Gute
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3. HERZOG JOHANN UND DIE FRÜHE REFORMATION
zog sich bis zum Januar 1528 hin und wurde von Johann mit regem Interesse verfolgt,453 denn die Ergebnisse der bisher probeweise durchgeführten Visitationen hatten gezeigt, dass die Wiederherstellung einer einheitlichen Ordnung dringend notwendig war.454 Schließlich lag die endgültige Fassung des „Unterrichts der Visitatoren“ Ende März 1528 gedruckt vor.455 Welch entscheidende Bedeutung Johann dieser Visitationsordnung beimaß, zeigt allein der Umstand, dass die ersten 750 Druckexemplare fast komplett aus kurfürstlicher Kasse bezahlt wurden.456 Damit gab man den Visitatoren eine Art Lehrbuch an die Hand, wie man das Gedankengut der Reformation vor Ort einführen konnte und worauf dabei besonders zu achten war. Darüber hinaus kann der „Unterricht der Visitatoren“ jedoch auch als normativer Ordnungsentwurf mit bekenntnisartigem Charakter gedeutet werden.457
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Ordnung, Ordnungsmodelle und Ordnungsvorstellungen in der Reformationszeit, Leipzig 2014, S. 153–167. Vgl. ebd., S. 160. Auch durch das zur Verfügungstellen seiner Verwaltungsbeamten und Schreiber, die zur Vervielfältigung der Entwürfe herangezogen wurden, begünstigte er den Entstehungsprozess. Vgl. MICHEL, Der „Unterricht der Visitatoren“, S. 166. Vgl. EKO, Bd. 1, S. 149–174. Vgl. Georg BUCHWALD, Lutherana und Melanchthoniana aus Rechnungsbüchern des Thüringischen Staatsarchivs zu Weimar, in: Archiv für Reformationsgeschichte 28 (1931), S. 265–274, hier S. 266. Vgl. MICHEL, Der „Unterricht der Visitatoren“, S. 164, BRECHT, Martin Luther, Bd. 2, S. 260–263.
4. INNERWETTINISCHE AUSEINANDERSETZUNGEN
4.1. Das Verhältnis zu Herzog Georg DAS VERHÄLTNIS ZU HERZOG GEORG
In diesem Kapitel sollen die Beziehungen zwischen Ernestinern und Albertinern beleuchtet werden, da diese in nicht unwesentlicher Weise das politische Handeln Johanns mitbestimmten. Immer wieder nötigte die klare antievangelische Haltung Herzog Georgs den ernestinischen Fürsten Vorsichtsmaßnahmen und Rücksichtnahmen, aber auch eindeutige politische und religiöse Bekenntnisse ab, die nicht zuletzt zur Definition des eigenen Standpunkts führten. Insofern kommt Herzog Georg, insbesondere in den ersten Monaten nach der Regierungsübernahme Johanns, eine Katalysatorfunktion hinsichtlich dessen öffentlicher Positionierung zur lutherischen Lehre zu. Nicht zuletzt waren die Streitigkeiten, welche die Ausbreitung der reformatorischen Lehre mit sich brachten, die in den eng verzahnten wettinischen Territorien keinen Halt vor Landesgrenzen machte, dazu angetan, den Ernestinern exemplarisch vor Augen zu führen, welche Auseinandersetzungen auch auf Reichsebene auf sie zukommen könnten, sollte es zu keiner Einigung in der religiösen Frage kommen. Zur Beschreibung der Ausgangslage sei zunächst gesagt, dass sich das ursprüngliche Verhältnis zwischen Johann und Herzog Georg als durchaus positiv und ungetrübt beschreiben lässt. Beide hatten ihre Kindheit zusammen verbracht und waren in einer Zeit aufgewachsen, in denen ihre Väter in gutem Einvernehmen Sachsen gemeinsam regierten. Doch die Folgen der Leipziger Teilung von 1485, die eigentlich dazu hatte dienen sollen, die Voraussetzungen für ein gutes Miteinander der Vettern zu schaffen, stellten sich als permanenter Konfliktherd zwischen den beiden sächsischen Linien heraus. 1 Dieses Erbe übernahmen Friedrich und Johann mit der Regentschaft nach dem Tod des Vaters 1486. Mit der Übernahme der Generalstatthalterschaft in den Niederlanden durch Herzog Albrecht 1488 und der Übergabe der Regierung an seinen Sohn Georg waren die Personen bestimmt, die in den nächsten Jahren und Jahrzehnten die Konflikte zwischen den beiden wettinischen Linien austragen sollten. Nach einiger Zeit der relativen Ruhe, die nicht zuletzt im reichspolitischen Engagement Kurfürst Friedrichs und Herzog Albrechts begründet lag, brachen 1
Grundsätzlich zur Leipziger Teilung, die immer noch vielzitierte Arbeit von Ernst HÄNSCH, Die wettinische Hauptteilung von 1485 und die aus ihr folgenden Streitigkeiten bis 1491, Leipzig 1909 sowie aktuelleren Datums ROGGE, Herrschaftsweitergabe, bes. S. 213–240; André THIEME, Die Leipziger Teilung, in: Reinhardt EIGENWILL (Hg.), Zäsuren sächsischer Geschichte, Beucha 2010, S. 79–94.
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4. INNERWETTINISCHE AUSEINANDERSETZUNGEN
die Konflikte, die sich insbesondere um die Straßenführung und die Festlegung von Handelswegen und den damit verbundenen Geleitseinnahmen, 2 die Zuordnung von Dörfern und Herrschaftsrechten und nicht zuletzt um den Silberbergbau drehten,3 zu Beginn des 16. Jahrhunderts wieder auf. Schließlich drohten die Gegensätze, die mehrfach erfolglos sowohl von Verwandten und Nachbarn als auch von den Ständen zu schlichten versucht wurden, in eine militärische Auseinandersetzung zu münden. In dieser Situation schaltete sich Kaiser Maximilian 1508 in den Konflikt ein und forderte Herzog Georg auf, seine Streitigkeiten mit Friedrich und Johann nicht mittels offener Gewalt zu lösen. Auch wenn durch dieses Eingreifen eine weitere Eskalation verhindert wurde und danach wieder Verhandlungen aufgenommen wurden, so war doch das Verhältnis zwischen Ernestinern und Albertinern nachhaltig gestört, zumal die Grundprobleme über lange Zeit weiterhin ungelöst blieben.4 Darüber hinaus hatte das Verhalten Herzog Georgs bei Kurfürst Friedrich zu irreparablen Ehrverletzungen und fortwährendem Misstrauen geführt, die eine Aussöhnung unmöglich werden ließen. 5 Späterhin sollten die in diesem Rahmen entstandenen Kränkungen auf anderen politischen Feldern stellvertretend ausgetragen werden, deutlich sichtbar insbesondere in der hessischen Vormundschaftssache, 6 aber auch in den Streitigkeiten um Erfurt. Herzog Georg zog daraus die Konsequenz, dass er bereits zu Lebzeiten Friedrichs verstärkt den Kontakt über Herzog Johann suchte. Offensichtlich schätzte er diesen als weniger stur und unnachgiebig ein, vielleicht spielte aber auch der geringere Altersunterschied eine Rolle. 7 Trotz 2
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Hierbei ging es in erster Linie um die Anordnung Herzog Georgs an seine Amtleute in Sagan 1502, alle Kaufleute, auf die „Hohe Straße“ zu zwingen, da die Strecke Richtung Leipzig ausschließlich durch albertinisches Gebiet führte und ihm damit alle Geleitseinnahmen zustanden. Vgl. ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 267. Hier fühlten sich Friedrich und Johann in ihren Rechten verletzt, nachdem Georg im Alleingang den Gewerken in Annaberg den Zehnten erlassen hatte. Vgl. ebd. Erst der Machtspruch von Grimma 1531 führte zu einer endgültigen Lösung in Bezug auf die Ausgangsprobleme von Geleit und Bergwerksnutzung. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 2010. Als beispielhaft für die Unterkühltheit des Verhältnisses kann ein Satz aus einem Schreiben Friedrichs an Georg gelten, indem er ihn, offensichtlich auf Wunsch Georgs, über den aktuellen Stand des römischen Prozesses gegen Luther 1518 unterrichtet: „Das alles habe ich E.L. fruntlicher maynung und dormit ich auch meyner zusagen genuk thet, E.L. was neuhes zu schreyben, nicht vorhalden wollen […].“ ABKG, Bd. 1, S. 52, Nr. 64 (29. Dezember 1518). Vgl. dazu HLA. In den Verhandlungen der späteren Jahre klingt immer wieder an, dass man gern zu der Einigkeit und Nähe zurückfinden würde, die man in Kindheit und Jugend miteinander hatte. Da sich eine solche Rhetorik in den Schreiben zwischen Friedrich und Georg nicht finden lässt, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass Johann mit Georg bereits in jungen Jahren besser zurechtkam als Friedrich. Vgl. beispielsweise ABKG, Bd. 3, Nr. 1982 (Georg an Johann, 13. April 1531).
DAS VERHÄLTNIS ZU HERZOG GEORG
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dieses vermeintlich besseren Einvernehmens zeugen die Briefe, die Johann und Georg zu den unterschiedlichsten politischen Fragen wechselten, von einer deutlichen Distanz. So lassen sich kaum persönliche Worte finden, der stets beliebte Austausch über Vergnügungen, wie die Jagd und das Turnier, aber auch über Krankheiten und dem Alter geschuldete Unpässlichkeiten fehlt völlig. Auch Grüße und gute Wünsche an Familienangehörige sucht man vergebens. Diese Situation der Entfremdung und des Auseinanderdriftens beider Linien wurde durch das Auftreten Luthers noch einmal wesentlich verschärft. Herzog Georg entwickelte sich, nach anfänglichem positiven Interesse für die Ideen Luthers, insbesondere seiner Kritik an zahlreichen Missständen in der Kirche, zu einem entschiedenen Gegner des Reformators, nachdem er im Zuge der Leipziger Disputation 1519 zu der Erkenntnis gekommen war, dass Luther mit dem Hussitentum sympathisiere.8 Wir werden sehen, dass die Auseinandersetzungen um die Lehren, Schriften und die Person Luthers sowohl Friedrich als auch Johann zeitlebens beschäftigten. Herzog Georg wurde nicht müde, seinen Vettern immer wieder lutherische Schriften, in welchen er offen oder verdeckt beleidigt wurde, vorzuhalten und deren Verbot sowie die Bestrafung Luthers zu fordern. In der Mehrzahl der Fälle von echter Verärgerung und Zorn getrieben, versuchte Georg teilweise mit erheblichem Arbeits- und Zeitaufwand, Johann zum Einschreiten zu drängen. Auch wenn diese Versuche meist ins Leere liefen, so stießen Johann und die kursächsische Kanzlei mitunter nah an die Grenzen der Diplomatie. Fortwährenden Schriftwechsel forderte auch der gegenseitige Vorwurf, den Geistlichen im jeweils anderen Landesteil die ihnen zustehenden Einkünfte zu verweigern. Ein ganz eigenes Konfliktfeld stellten die Probleme auf dem gemeinsam verwalteten Schneeberg dar. Die Streitigkeiten um die Zulassung eines evangelischen Predigers werden deshalb in einem eigenen Abschnitt behandelt. Ebenfalls gesondert soll auf die Konflikte zwischen Johann und Georg in Bezug auf die Reichsstädte Nordhausen und Mühlhausen sowie auf die Grafschaft Mansfeld eingegangen werden.
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Herzog Georg war es, der sich persönlich bei der sich verweigernden Universität Leipzig und dem Merseburger Bischof dafür einsetzte, dass die von Johann Eck angestrebte Disputation mit Karlstadt in Leipzig stattfinden konnte. Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 65–70, 74, 75, 77, 81, 82, 87. Doch die partielle aber auffällige Nähe Luthers zu Huß in der Kirchenauffassung und Sakramentslehre brachten ihm bei Herzog Georg Misstrauen und Ablehnung ein. Vgl. BRECHT, Martin Luther, Bd. 1, S. 316.
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4. INNERWETTINISCHE AUSEINANDERSETZUNGEN
4.2. Die Auseinandersetzung um Luther DIE AUSEINANDERSETZUNG UM LUTHER
Bereits in der ersten Beschwerde Herzog Georgs über eine Schrift Luthers beim sächsischen Kurfürsten wird das Grundproblem offenbar, das dieser mit der lutherischen Lehre hatte, nämlich deren vermeintliche Nähe zum Hussitentum.9 So monierte er am 27. Dezember 1519 gegenüber Friedrich, dass Luthers Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi „fast Pregisch sein solt und im grunt vil ketczerey und ergerniß“ mit sich bringe,10 da in seinen Augen Luther darin die böhmische Ketzerei mit der Billigung des Laienkelches fördere. Eine konkrete Forderung an Friedrich zu handeln enthielt das Schreiben jedoch nicht, dafür wandte sich Georg an die Bischöfe von Meißen und Merseburg.11 Herzog Georg gehörte zu den wenigen Fürsten, welche die Gelegenheit hatten, sich früh ein Bild von Luther selbst und seinen Lehren zu machen. Darüber hinaus war Georg durch seine geistliche Ausbildung stärker als andere dazu in der Lage, die Dimensionen und eventuellen Folgen davon zumindest zu erahnen. Dies alles hatte dazu geführt, dass er zu einem der ersten und entschiedensten Gegner Luthers geworden war, 12 auch wenn er beispielsweise 1520 zugeben musste, dass Luthers Äußerungen in seiner Schrift an den Adel deutscher Nation zum Teil sogar berechtigt seien.13 Georg vertraute jedoch darauf, dass die Instrumente, welche die geistlichen und weltlichen Institutionen für solche Fälle der Ketzerei bereithielten, Wirkung zeigen würden, sodass es bis Ende 1521 zu keinen weiteren Auseinandersetzungen um Luther mit seinen Vettern kam.14 Erst 9
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Herzog Georgs negative Grundeinstellung zum Hussitentum hatte ihre Wurzel in seiner Erziehung durch seine Mutter Zedonia, der Tochter des im Bann verstorbenen hussitischen Königs von Böhmen Georg von Podiebrad. Zeit ihres Lebens sorgte sich Zedonia um das Seelenheil des Vaters, woraus eine tiefe Frömmigkeit entsprang, die sie auch ihren Kindern anerzog. Auch der recht ungewöhnliche Schritt, den erstgeborenen Sohn, also Georg, auf eine geistliche Laufbahn vorzubereiten muss in diesem Zusammenhang gesehen werden. Vgl. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 79. ABKG, Bd. 1, S. 110, Nr. 146. Ebd., S. 111f., Nr. 147. Vgl. dazu KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 85–87. KOHNLE stellt in seiner Darstellung heraus, dass auf dem Reichstag in Worms 1521 außer Friedrich, Johann und Georg die Mehrheit der weltlichen Fürsten keine klare Vorstellung von den theologischen Ursachen des Konflikts gehabt haben dürfte und Luther ihnen nach wie vor als Verbündeter des eigenen Antiklerikalismus und Antikurialismus erschien. Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 139, Nr. 175 (Georg an den Dechanten von Meißen, Johannes Hennigk, Oktober 1520). Dennoch übersandte Georg dem Kurfürsten regelmäßig Traktate, die Schmähungen der Fürsten enthielten, verbunden mit der Aufforderung, über die Buchdrucker die Verfasser ausfindig zu machen. Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 246, 247, 257.
DIE AUSEINANDERSETZUNG UM LUTHER
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die sich zuspitzenden Unruhen in Wittenberg veranlassten Georg, sich am 21. November 1521 an Johann zu wenden. 15 In diesem sehr ausführlichen Schreiben, in welchem Georg seinen ausgezeichneten Kenntnisstand um die Ereignisse in Wittenberg und auch anderswo im Kurfürstentum offenbart,16 ging es dem Herzog in erster Linie darum, über Johann, dem er sein ungeteiltes Vertrauen aussprach, seine Vettern dazu zu bewegen, gegen die lutherische Lehre einzuschreiten. Dazu wies Georg, bezugnehmend auf die Folgen in Böhmen unter seinem Großvater Georg von Podiebrad, auf die Gefahren hin, die eine Ausbreitung der lutherischen Lehre mit sich brächte. Deshalb müsse diese frühzeitig bekämpft werden, wie er es in seinem Landesteil auch täte. So bat er Johann darum, bei seinem Bruder herauszufinden „was in dor zcu vororsacht, sulchs zcu gestatten“. Georg würde Friedrich auch selbst schreiben, hielt es aber für besser, wenn Johann es täte, da er befürchte „sein lib mocht es von mir nicht zcum besten vorstehen“.17 Georg war sich also des zerrütteten Verhältnisses mit Friedrich so bewusst, dass er es für besser hielt, Johann in dieser für ihn außerordentlich wichtigen Angelegenheit als Vermittler zu nutzen. In seinem Schreiben unterstellt Georg die Unwissenheit Johanns sowohl über die genauen Vorgänge in Wittenberg als auch über die Motive der Haltung Friedrichs. So gesteht er ihm eine gewisse Neutralität zu, setzt aber auch dessen Missfallen zu den Entwicklungen voraus.18 Johann beantwortete das Schreiben Georgs am 3. Dezember 152119 und bediente sich der Argumentationsweise Friedrichs, wenn er schreibt, dass er bisher nur vage über die Vorgänge in Wittenberg informiert und überdies die Angelegenheit für einen Laien doch sehr schwer zu beurteilen sei. Wie Georg die Information Johanns bewertete, dass Friedrich ungern anders handeln wolle, als es einem christlichen Fürsten zustände, nämlich weder zu viel noch zu wenig, blieb ihm selbst überlassen. Falls Georg jedoch gehofft hatte, die offensichtlichen Unruhen und Gewalttätigkeiten würden Johann zu einem Fürsprecher entschlosseneren Eingreifens werden lassen, zeigte ihm dieses Schreiben klar, dass er sich getäuscht hatte. 15 ABKG, Bd. 1, S. 208–211, Nr. 259. Vgl. auch VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 492–494. 16 So berichtet Georg über einen Vorfall in Zwickau, wo ein Priester mit Steinen beworfen wurde. In seinem Antwortschreiben gab Johann vor, keine Kenntnis davon zu haben. 17 ABKG, Bd. 1, Nr. 259. 18 „Dy weil ich dan weiß, das sich awer lib alweg des gflissen, das zcu der ere gotcz ghort, vnd sich alweg als der ghorsam der kristlichen kirchen hat bfinden lossen, vnd kein zcweiffel hab, sulchs alles awer lib gtrawelich leit ist vnd anzcweiffel nicht weiß, was awern bruder den kurfursten meinen frauntlichen liben vettern bweget, sulchs zu wittenberg zcu gstaten, so hab ich nicht vnderlossen mogen awer lib frauntlich zcu schreiben.“ AKBG, Bd. 1, S. 211. 19 Ebd., S. 216f., Nr. 266.
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4. INNERWETTINISCHE AUSEINANDERSETZUNGEN
Johann und Friedrich waren sich jedoch darüber im Klaren, dass man es bei einer solchen Antwort nicht belassen konnte, zumal Georg Mitte Dezember 1521 im Begriff war, nach Nürnberg aufzubrechen, um dort für ein Vierteljahr den Vorsitz im Reichsregiment zu übernehmen.20 Es stand außer Zweifel, dass Georg alles daran setzen würde, auch auf Reichsebene so viel wie möglich zu erwirken, was der Eindämmung der lutherischen Lehren dienen würde. Wie aus einem späteren Schreiben Gregor Brücks hervorgeht, haben sich Friedrich und Johann am 18. Dezember getroffen und persönlich die Antwort an Georg besprochen.21 Als Ergebnis dieser Besprechung sandte Johann seinen Kanzler Gregor Brück am 22. Dezember 1521 nach Saalfeld, um dort Herzog Georg auf dem Weg nach Nürnberg zu treffen. Wie dessen Bericht an Johann über den Verlauf der Werbung zeigt,22 ging es Johann und Friedrich vor allem darum, sich gegen den von Georg immer wieder bemühten Vergleich mit seinem Großvater, dem böhmischen König Georg von Podiebrad, und Friedrich zu verwehren und diesen als haltlos zu entkräften. Dass sich Friedrich der Sache Luthers nie angenommen habe, konnte Georg in Worms selbst sehen. Den Umstand, dass jetzt einige Mönche die Klöster verließen, hätte er nicht zu verantworten, da es sich um geistliche Personen handele. Herzog Georg, der Johann am 26. Dezember ebenfalls über den Verlauf der Zusammenkunft in Saalfeld berichtete,23 baute seine Argumentation wiederum ganz auf das Schicksal Böhmens auf und wie dort aus einem kleinen Funken schnell ein großer Brand wurde, weil man nicht rechtzeitig eingegriffen hatte. Das, obwohl in Eile verfasste, sehr ausführliche Schreiben an Johann weckt beim Leser unwillkürlich den Eindruck ernster und ehrlicher Sorge, lässt aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass er im Herzogtum Sachsen alles daran setzen würde, den Neuerungen entgegenzuarbeiten, und dass er dies auch von seinen Vettern erwartete. Johann und Friedrich sahen sich dagegen mit ihrer Argumentation, in allem, was sie täten, stets als christliche Fürsten zu handeln und sich überdies der Sache Luthers nie angenommen zu haben, als ausreichend gerechtfertigt an. Entsprechend teilte Johann in einem Schreiben vom 29. Dezember 1521 Georg mit, „das es an not und ein uberfluß were, zudem das E. L., dieser zeit, wie ich wol achten kann, mit andern gescheften beladen, E. L. derhalben weiter zu bemühen“.24 20 Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 232, Anm. 3 (Herzog Georg an Johann, 1. Dezember 1521). Darin bat Georg um Schutz und Schirm für seine Familie während seiner Abwesenheit und um Geleit durch Thüringen. 21 Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 245f., Nr. 282 (Gregor Brück an Kurfürst Friedrich, 10. Januar 1522). 22 Ebd., S. 232–235, Nr. 274. Die eigentliche Instruktion Johanns an Brück ist nicht erhalten. Aus dessen Bericht und dem kurz danach bei Johann eingehenden Bericht Georgs lassen sich die Hauptargumentationspunkte jedoch gut rekonstruieren. 23 Vgl. ebd., S. 237–240, Nr. 276. 24 Ebd., S. 240f., Nr. 277.
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Aus einem Schreiben Brücks an Friedrich geht aber das Dilemma hervor, in dem Johann und Friedrich steckten. Einerseits war man sich dessen bewusst, wie sehr Georg die Entwicklungen in Kursachsen missfielen und wie groß die Gefahr war, dass dieser versuchen würde, sich aktiv einzumischen. Deshalb war es umso wichtiger, zumindest mit den albertinischen Räten den Kontakt nicht abreißen zu lassen, um über die Absichten und Maßnahmen Georgs im Bilde zu bleiben.25 Andererseits war wiederum klar, dass Verhandlungen mit den Räten Georgs zu keinem Ausgleich führen würden, sodass die Gefahr bestand, dass auch die Fürsten immer stärker in die Angelegenheit hineingezogen würden, was man unbedingt vermeiden wollte. 26 Die durch Brück erfolgte Anregung zu einem persönlichen Treffen der Brüder wurde unmittelbar aufgenommen, ab Mitte Januar 1522 finden wir Friedrich den Weisen in Thüringen.27 Der Zweck der Besprechungen war offensichtlich, zunächst die Absichten Herzog Georgs erkunden zu wollen, ohne selbst irgendwelche Stellungnahmen dazu abzugeben. So hatten Friedrich von Thun und Johann von der Sachsen, beide Räte Johanns, auf einer Zusammenkunft der Räte beider Linien am 22. Januar 1522 in Naumburg Befehl, sich von den Albertinern zunächst einmal auflisten zu lassen, was man überhaupt als unchristliches Handeln ansah.28 Währenddessen machte Herzog Georg in Nürnberg den Kampf gegen die Reformation zum beherrschenden Thema seines politischen Handelns. Die Nachricht, dass Gabriel Zwilling am Neujahrstag 1522 in Eilenburg mit Billigung und unter Beteiligung der kurfürstlichen Beamten das Abendmahl unter beiderlei Gestalt gefeiert hatte, bot Georg schnell die Gelegenheit, die Religionsfrage im Regiment anzusprechen und mit der Forderung zu verknüpfen, das Regiment möge sich einer Ausbreitung der Neuerungen entgegenstellen. Bereits am 25 „Ich acht, so E. Kf. G. m.g.h. herzog Jurgen gemuet und bedenken grundlich erfarn woln, kont nit baß geschehen, dan so die rete zu Naumburgk zusammenkommen wurden, von den misbrauchen und irtumb im Cristlichen glauben, wie m.g.h. thun davon schreiben, zu handelen. Dan so wurde man sunder zweifel horen, was irer g. weiters bedenken ist, das in der sachen zu thun und furzunhemen sein solt.“ Ebd., S. 246, Nr. 282 (Gregor Brück an Kurfürst Friedrich, 10. Januar 1522). 26 „Aber mein g.h. [Johann] bedenkt, so der sachen halben sult zusammengeschickt werden, wollten die herzog Jurgischen meher von disen sachen, dan von allen andern reden und so man mit inen nit bestehen wurde, wie zu besorgen swerlich geschehen wolt, (dan als vil ich negst von h. Jurgen vormerkt, so stehet s.g. gemuete darauf, das man dieselbigen leute kopfen und ertrenken sall) so wolt man dornach die ding villeicht E. Kf. und F.G. weyter auflegen.“ Der Kanzler Brück hatte offenbar in Saalfeld auch den Vorschlag Georgs zu einem Fürstentreffen als machbar in Aussicht gestellt, ohne dafür entsprechende Vollmacht zu haben. Vgl. ebd. 27 Am 17. Januar 1522 war Friedrich in Allstedt, am 24. Januar und 3. Februar in Weimar. Vgl. WÜLCKER/VIRCK, Planitzberichte, Nr. 31, 32, 33. 28 ABKG, Bd. 1, S. 252f., Nr. 289 (Protokoll über die Verhandlungen der Räte in Naumburg, 22. Januar 1522). Die Religionsfrage war kein Hauptverhandlungspunkt, sondern nur einer von vielen.
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20. Januar hatte er erreicht, dass das Regiment ein Mandat ausgehen ließ, in welchem eine Reihe von geistlichen und weltlichen Fürsten dazu aufgefordert wurden,29 den im Mandat explizit aufgezählten kirchlichen Neuerungen entgegenzutreten und diese abzustellen.30 Obwohl Johann und Friedrich damit gerechnet hatten, dass Herzog Georg versuchen würde, auch auf reichspolitischer Ebene gegen die reformatorischen Neuerungen vorzugehen, waren sie doch äußerst beunruhigt über den schnellen Erfolg des Vetters. Auch wenn es Kurfürst Friedrich war, der die Korrespondenz mit dem kursächsischen Vertreter am Reichsregiment, Hans von der Planitz, führte, so steht doch außer Frage, dass die in den Briefen geäußerte Sorge auch Johann mit einschloss, zumal dieser sich anlässlich der Einmischungsversuche Herzog Georgs dem Kanzler Gregor Brück gegenüber klar positioniert hatte: „Nu vermerk ich [Gregor Brück] nit anders, dan m.g.h. hab herzog Jurgen schreibens nit weniger beswer und misfallens; dan s.f.g. hat meher dan eyns wider mich gesagt, was E. Kf. G. getrifft, belangt s.f.g. nit weniger.“31 Die ursprünglich Planitz gegenüber angekündigte Antwort auf das Regimentsmandat blieb mit der Begründung aus, dass jedwede Stellungnahme „uns zu nachteil und zuentgegen“ ausgelegt werden könnte.32 Ebenso vermieden Friedrich und Johann im Folgenden eine direkte Konfrontation mit Georg, sodass sie ihre Teilnahme sowohl am Regimentstag als auch zum Nürnberger Reichstag 1522 absagten.33 In der Zeit, in der sich Georg in Nürnberg aufhielt, kam es aber zu einem recht ausführlichen Briefwechsel zwischen ihm und Friedrich, in dem jedoch keine neuen Argumente ausgetauscht wurden, sondern jeder auf seiner Haltung beharrte.34 So stellte sich eine gewisse Ermüdung bei Georg ein, zumindest was den Schriftwechsel mit seinen Vettern anbelangte. Dennoch bemühte er sich, über seine Gesandten auf dem Nürnberger Reichstag 1522 und fortwährende 29 Die Adressaten des Mandats waren: Kurfürst Friedrich, Herzog Georg, Kardinal Albrecht von Mainz, die Bischöfe von Merseburg, Meißen, Naumburg und Bamberg, Kurfürst Joachim von Brandenburg und Pfalzgraf Friedrich. Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 107. 30 Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 250–252, Nr. 288. Mandat des Reichsregiments, 20. Januar 1522). Den Katalog von Neuerungen, die verurteilt wurden, hatte ohne Zweifel Georg anhand der Berichte über die Vorgänge in Kursachsen zusammengestellt. Vgl. auch VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 488. 31 ABKG, Bd. 1, S. 245f., Nr. 282 (Gregor Brück an Kurfürst Friedrich, 10. Januar 1522). 32 WÜLCKER/VIRCK, Planitzberichte, Nr. 45 (Friedrich an Hans von der Planitz, 3. März 1522). 33 Vgl. ebd., Nr. 40, 42. Die offizielle Begründung für das Fernbleiben Friedrichs war gesundheitlich bedingte Unpässlichkeit. Auf den Vorschlag Pfalzgraf Friedrichs, des Bischofs von Bamberg und Herzog Georgs, ersatzweise Herzog Johann zu senden, ging Friedrich gar nicht erst ein. Vgl. ebd., Nr. 36. 34 ABKG, Bd. 1, Nr. 291, 293, 314, 321, 328, 330.
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eigene Schreiben an das Reichsregiment ein Einschreiten gegen Luther und dessen Lehre zu erreichen.35 Während Georg mit den Ergebnissen seiner Bemühungen eher unzufrieden war, bereiteten die Aktivitäten des Albertiners Kurfürst Friedrich große Sorgen. Insbesondere die Gerüchte um einen päpstlichen Ketzerprozess gegen ihn und den Plan, ihn der Kurwürde zu entheben, trieben ihn um. 36 Gerade diese Fragen waren auch für Johann von höchster Brisanz, war doch klar, dass das Kurfürstentum nach dem Tod Friedrichs in seine Hände bzw. die seines Sohnes Johann Friedrich fallen würde. Nicht zuletzt aus diesem Grund scheute sich Friedrich, in dieser Zeit Entscheidungen zu treffen, ohne zuvor die Meinung Johanns eingeholt zu haben. Gerade die Visitationsreise Bischof Johanns von Meißen auf kursächsischem Gebiet 1522 löste einen umfangreichen Schriftwechsel zwischen den Brüdern aus.37 Als Herzog Georg im Dezember 1522 durch seinen Reichstagsgesandten Dietrich von Werthern Kenntnis davon erhielt, dass er persönlich in einer Missive Luthers an Hartmut von Kronberg beleidigt worden war,38 nahm die öffentliche Auseinandersetzung Georgs mit Luther ihren Lauf. Zunächst schrieb er Luther an, um sich bei ihm zu erkundigen, ob er der Verfasser der Schrift sei.39 Luther antwortete ihm mit einem sehr provozierenden, die üblichen Anrede- und Demutsformeln außer Acht lassenden Schreiben, in dem er keine der Anschuldigungen bestritt.40 Kurz darauf erhielt Friedrich der Weise Post von dem sich in seiner Ehre verletzt fühlenden Georg. Nach einer ausführlichen Schilderung 35 Vgl. ebd., S. 298–300, Nr. 326 (Instruktion Georgs für seine Vertreter auf dem Reichstag zu Nürnberg, Ende März 1522); S. 315f., Nr. 339 (Georg an das Regiment, 30. April 1522), S. 335f., Nr. 356 (Georg an das Regiment, 6. August 1522). 36 Vgl. dazu die von Karl PALLAS, Die Visitationsreise des Bischofs Johann VII. von Meißen im Kurfürstentum Sachsen 1522, in: Zeitschrift des Vereins für Kirchengeschichte der Provinz Sachsen 6 (1909), S. 25–80, hier S. 74 angeführten Zitate aus den Briefen Friedrichs an Johann 1522. Christoph VOLKMAR stellt in seiner Dissertationsschrift zur Kirchenpolitik Herzog Georgs jedoch klar, dass dieser weder an diesbezüglichen Verschwörungen in Rom noch am Hofe Erzherzog Ferdinands in Innsbruck beteiligt war. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 495. 37 PALLAS, Briefe und Akten zur Visitationsreise des Bischofs Johannes VII., S. 217–312. Vgl. Nr. 3 (Friedrich an Johann bzgl. der Anfrage Bischof Johanns im Kurfürstentum visitieren zu dürfen, 12. Februar 1522). Eine Antwort Johanns ist nicht erhalten. Zum weiteren Schriftwechsel zwischen den Brüdern zum Thema vgl. Nr. 34, 35, 36, 39. Ebenso NUB, S. 84f., Nr. 2 (17. März 1522). Friedrich bedauert in einem Schreiben an Johann, dass er sich bzgl. der Anfrage des Merseburger Bischofs zur Veröffentlichung des Regimentsmandats, nicht mit ihm abstimmen konnte. 38 ABKG, Bd. 1, S. 401, Nr. 412 (19. Dezember 1522). Dietrich von Werthern vertrat Georg auf dem 2. Nürnberger Reichstag 1522/23. 39 Ebd., S. 407f., Nr. 417 (30. Dezember 1522). 40 Ebd., S. 418f., Nr. 422 (3. Januar 1523); WA Br, Bd. 3, Nr. 567.
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dessen, womit und wodurch er sich am stärksten gekränkt fühlte, folgte die Aufforderung an Friedrich, ihm einen Rat zu geben, wie er seine Ehre am besten wiederherstellen könne.41 Der Kurfürst antwortete zunächst ausweichend, wohl in der Hoffnung, dass Georg ihn danach mit der Sache nicht mehr belästigen würde.42 Doch Georg ließ nicht locker, immer wieder forderte er Friedrich auf, sich ratgebend zu der Angelegenheit zu äußern, nach einem weiteren ausweichenden Antwortschreiben Friedrichs43 wandte er sich am 6. Februar 1523 zusätzlich auch an Johann. Dieser schloss sich der Argumentation seines Bruders an und vertröstete seinen Vetter auf später. „Weil es aber eine sah, die wichtig, und wir diser zeit wenig unser rete, mit den wir uns zu unterreden hetten, bey handen, bitten wir freuntlich, E.L. wolle eins kleinen verzogs nit ungefallens tragen […].“44 Durch Georgs Versuch, öffentlichkeitswirksam seinen guten Ruf und Leumund wieder herzustellen – immerhin hatte Luther ihn bezichtigt, nicht mehr auf dem Boden des Evangeliums zu stehen –, gelang es ihm, vor allem Friedrich den Weisen stark unter Druck zu setzen. Georg kannte den Vetter gut genug, um zu wissen, dass dieser ganz gewiss kein Freund von öffentlichen Schmähungen und Beleidigungen war und wahrscheinlich war ihm bereits zugetragen worden, dass dem Kurfürsten derartige Schriften Luthers missfielen.45 Nun wollte er ihn zu einer Stellungnahme nötigen. Endlich, am 4. März 1523, antwortete Friedrich, nachdem er sich von seinen Räten und Johann Rat geholt hatte.46 In seinem recht knapp gehaltenen Ratschlag tat Friedrich so, als kenne er Luther gar nicht und würde lediglich auf Basis der Informationen urteilen, die ihm Georg mitgeteilt hatte. Wenn es also so wäre, dass Luther, wie Georg schreibt, ein abtrünniger, entlaufener Mönch sei, der vom Papst als Ketzer gebannt wurde, dann mache es in Friedrichs Augen wenig Sinn, den Rechtsweg gegen diesen Mann einzuschlagen. Wolle Georg es trotzdem tun, müsse er sich wohl überlegen, wo und vor wem er Luther verklagen wolle.47 Wenige Tage später ließ Johann Georg wissen, dass er das Schreiben des Bruders kenne „welchs wir und unser rete, so wir hirzu gezogen, 41 42 43 44
Ebd., S. 438–40, Nr. 433 (17. Januar 1523). Ebd., S. 444, Nr. 437 (21. Januar 1523). Vgl. ebd., S. 454f., Nr. 447 (1. Februar 1523). Ebd., S. 462f., Nr. 458 (11. Februar 1523). Das Schreiben Georgs an Johann ist nicht erhalten, aus der Antwort gehen jedoch Datum und Inhalt desselben hervor. 45 So wurde Luther von Hans von der Planitz wegen seines harten Antwortschreibens an Herzog Georg gerügt und auf die möglichen Folgen für Kurfürst Friedrich aufmerksam gemacht. Luther antwortete darauf an Planitz: „Wird er [Friedrich] aber beklagt, so kann er je reichlich bewähren, dass S.K.F.G. mir allzeit wider gewesen ist in solchem harten Schreiben, oft mir auch lassen wehren und einen großen Missfallen darinnen gehabt, das mir alles wohl bewusst gewesen.“ WA Br, Bd. 3, Nr. 581 (Luther an Hans von der Planitz, 4. Februar 1523). 46 Vgl. das Gutachten Spalatins in: ABKG, Bd. 1, S. 474f., Nr. 470, Anm. 2. 47 Ebd., S. 474–476, Nr. 470 (Friedrich an Georg, 4. März 1523).
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mit fleis bewogen und uns dasselb auch lassen gefallen“.48 Allerdings wurde ihre Hoffnung, „E.L. [Georg] wurde es bey voriger unser anzeige und schrieft, so wir E.L. in dieser sache gethan […] haben pleyben lassen“, nicht erfüllt.49 Georg fühlte sich nun von Luthers Schrift „Von weltlicher Obrigkeit“ angegriffen und forderte ein Einschreiten gegen Autor, Drucker und Verbreiter.50 Dieses Ansinnen Georgs wies Friedrich zwar zurück,51 doch war man sich dessen bewusst, dass Georg in der Angelegenheit nicht locker lassen würde. So ließen Friedrich und Johann, nicht zuletzt unter dem Eindruck der Beschlüsse des 2. Nürnberger Reichstags,52 mit Luther über die Einhaltung eines Schreib- und Druckverbotes verhandeln.53 Luther ließ den Kurfürsten jedoch wissen, dass es ihm angesichts der zahlreichen Schriften seiner Gegner unmöglich sei, diese nicht zu beantworten.54 Georg gegenüber zeigten Johann und Friedrich aufgrund dessen, dass „wir auch vermerken, das die schriften, so bisher hirinnen hyn nd her ergangen, bey E.L. wenig angesehen, noch den sachen dinstlich“, Entgegenkommen und schlugen eine Zusammenkunft der Räte für den 20. Mai 1523 in Naumburg vor.55 Über das Zustandekommen bzw. den Ablauf dieses Treffens haben wir keine Nachrichten. Es steht jedoch zu vermuten, dass Georg inzwischen verstanden hatte, dass es ihm zwar freistand, seine Vettern immer wieder über die Dinge, die ihm missfielen, zu informieren und deren Einschreiten dagegen zu fordern, er aber keine Unterstützung von ihnen erfahren würde. Friedrich dagegen verfolgte alle Schritte Georgs mit großem Misstrauen. So erhielt Hans von der Planitz den Auftrag, genauestens in Erfahrung zu bringen, welchen Zweck eine Gesandtschaft Georgs an Erzherzog Ferdinand Ende Mai 1523 hatte. Während Friedrich und Planitz vermuteten, dass die albertinischen Räte mit dem Auftrag, der Sache Luthers sowie dem Kurfürsten und Herzog Johann zu schaden, unterwegs waren, sollten diese in Wirklichkeit über die Rückzahlung der erzherzoglichen Schulden bei Georg verhandeln.56 In den nächsten Monaten konzentrierten sich die Auseinandersetzungen allerdings auf die Absetzung des Predigers Amandus auf dem gemeinsam ver48 49 50 51 52 53
Ebd., S. 477, Nr. 472 (8. März 1523). Ebd., S. 498, Nr. 498 (Friedrich und Johann an Georg, 25. April 1523). Ebd., S. 486–488, Nr. 485 (Georg an Friedrich, 21. März 1523). Ebd., S. 488f., Nr. 486 (Friedrich an Georg, 24. März 1523). Zum Reichstagsabschied von Nürnberg 1523 vgl. RTA JR, Bd. 3, S. 736–759, Nr. 117. „Und darauff E.C.G. mit mir mit vleis handeln und reden lassen, das ihr begerung sei, mich inn dem der gepur und unvereißlich zu hallten, damit, weil das keiserlich mandat E.C.G. itzo dermaß ausgehen liessen, man sich nicht zu beklagen hett, das inn den dingen ettwas unbillichs furgenommen wurde […].“ WA Br, Bd. 3, Nr. 618 (Luther an Friedrich, 29. Mai 1523). 54 Vgl. ebd. 55 Ebd., Nr. 507 (Friedrich und Johann an Georg, 7. Mai 1523). 56 Vgl. WÜLCKER/VIRCK, Planitzberichte, Nr. 183, 187, 189, 191, 193, 196 (Briefwechsel zwischen Kurfürst Friedrich und Hans von der Planitz zwischen 23. Mai und 20. Juni 1523).
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walteten Schneeberg.57 Die bereits an anderer Stelle besprochene Unterhaltung zwischen Herzog Georg und Friedrich von Thun auf der Hochzeit seiner Tochter Magdalene mit Joachim II. von Brandenburg am 6. November 1524 in Dresden zeigt jedoch, dass Georg die Hoffnung, seine Vettern davon zu überzeugen, dass die lutherische Lehre ein Irrweg sei, die dem Haus Wettin auch politisch irreversible Schäden zufüge, noch nicht aufgegeben hatte.58 Doch erst mit dem Bauernkrieg und dem Tod Friedrichs sah Georg wieder realistischere Chancen, erfolgreich auf Johann einzuwirken, die Lehre Luthers zu bekämpfen. Georg hoffte, dass Johann durch die Ereignisse des Bauernkriegs nun endlich die Augen geöffnet worden waren, welch negative Folgen davon ausgingen. Bereits in einem Schreiben vom 18. Juni 1525 forderte er Johann auf, Luthers neuestes Werk gegen die heilige Messe zu unterdrücken,59 wenn er nicht wolle, dass verderbliche Empörung und Aufruhr auch noch auf weitere Orte des Landes übergreifen.60 Bereits wenige Tage später setzte Georg zu einem erneuten Versuch an: Wiederum nahm er das Buch Luthers gegen die Messe zum Anlass, um Johann zu mahnen, nicht länger einen Ketzer zu schützen und den Verführungen der Lutherischen zu widerstehen. Wyr besorgen wol, das leute seyn mogen, dye E.L. dareyn furen und darnach darynnen lassen stecken. Weyl wyr aber wyssen, das E.L. von Christlichem geblut und von tugentlichen Christlichen eldern herkummen, die ane zweyfel das wort gottes also gutwyllig gehort, als wyr ytzt umbeher mogen, dye auch wyder das evangelium und dye Chrystliche kyrche nye gestrebt, so vorhoffen wyr genzlichen, E.L. werde in derselbygen fustappen bleyben und sych leychtfurtge leut, dye das h. evangelium zu yrem nucz in yrem vorstand felschlychen deuten, nicht auf andere wege leyten noch furen lassen.61
So war Georg im Sommer 1525 durchaus zuversichtlich, Johann für das Dessauer Bündnis gewinnen zu können, das neben dem gegenseitigen Schutz bei neuem Aufruhr auch zum Ziel hatte, die lutherische Sekte als Ursache des Aufruhrs auszurotten und für die Erhaltung der alten kirchlichen Ordnung zu sorgen.62 Seine Überzeugung, dass Johann lediglich einer verführerischen Verirrung erlegen sei, von welcher er mit Hilfe der richtigen Leute wieder abstehen könne, teilte er auch Heinrich von Braunschweig mit, der Selbiges bei Landgraf Philipp von Hessen erwirken sollte. So heißt es in dem Schreiben:
57 Vgl. Abschnitt 4.2. 58 Vgl. Abschnitt 2.5. sowie ABKG, Bd. 1, Nr. 754 (Bericht Johanns an Friedrich über ein Gespräch, das Georg mit dem ernestinischen Rat Friedrich von Thun führte). 59 Es handelt sich dabei um „Von dem Greuel der Stillmesse“. Vgl. WA Werke, Bd. 18, S. 22–36. 60 ABKG, Bd. 2, Nr. 1066 (Georg an Johann, 18. Juni 1525). 61 Ebd. Nr. 1066 (27. Juni 1525). 62 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1089 (Abschied von Dessau, 19. Juli 1525).
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Dann wir uns genzlich vorsehen, wo s.l. [Philipp von Hessen] dorvon abstunde, u[nser] v[etter], der churfurst, solteauch uf gute wege und durch […] des lantgrafen und anderer seiner frunde fruntliche ermanung von seinem furnemen auch gutlich zu weysen sein. Und wenn solche vorfurische irrung ausgewurzelt wurde, alsdenn kont ein stanthaftiger fride und gute einichkeyt so vil baß erhalten und zukunftiger entporung widerstanden werden.63
Bei einer Zusammenkunft vom 11. bis 13. August in Naumburg wurde Johann schließlich von Georg über die beschlossene Erweiterung der Mühlhäuser Abrede informiert. Obwohl für Johann sofort feststand, dass ein Beitritt zu den Dessauer Vereinbarungen für ihn undenkbar war, bat er um Bedenkzeit,64 um sich mit dem Landgrafen absprechen zu können.65 Dazu sandte Johann seinen Kämmerer Hans von Gräfendorf unverzüglich nach Hessen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Da man dort noch keine Kenntnis von der Dessauer Abrede hatte,66 vereinbarte man ein Rätetreffen für den 14. September in Treffurt. Dort sollte eine gemeinsame Antwort auf das Ansuchen Georgs an Johann und Philipp, dem Dessauer Bund beizutreten, beraten werden. Die Antwort wurde mit einer Beschwerde darüber, dass Philipp nicht über die Dessauer Beschlüsse informiert worden war, eröffnet. Man wäre gern bereit gewesen, gemeinsam gegen alle, „die boslich und unchristlich handeln und wider die oberkeiten sich emporten“, vorzugehen und dem entgegenzuwirken. „Das wir aber die Lutherischenn secten, als angegeben wurzel der unchristlichen begangen ufrhur, zu beschließen und auszureuten helfen solten […] uns als Christlichen fursten nicht gepuren wil, uns auch unmoglich were.“67 Ferner schlug man ein Religionsgespräch vor, zu dem alle Fürsten ihre Gelehrten schicken könnten. „Und was dan befunden, das am allermeisten dem wort gottes gleich were, das man dasselbig furgehen ließ; was aber am meisten darwider were, das solichs nachpliebe bis auf einen mehrern Christlichern und entlichen beschlus.“68
63 Ebd., Nr. 1093 (Georg an Heinrich von Braunschweig, 24. Juli 1525). 64 Vgl. ebd., Nr. 1113. 65 Ebenso setzte Johann Markgraf Casimir von Brandenburg-Ansbach umgehend von den Dessauer Beschlüssen in Kenntnis. Vgl. das Schreiben Johann Friedrichs an Casimir vom 17. August 1525, gedruckt in: Johann Wilhelm VON DER LITH, Erläuterung der Reformations-Historie 1524 bis zum 28. Jahr Christi: aus dem Hoch-Fürstlich-BrandenburgOnolzbachischen Archiv an das Licht gebracht, Schwobach 1733, S. 111f. 66 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1145 (Heinrich von Braunschweig an Georg, 30. September 1525). In diesem Schreiben teilte der Braunschweiger Georg mit, dass es trotz mehrmaliger Versuche bisher noch nicht zu einer Unterredung zwischen ihm und Philipp gekommen sei. Auch Georg selbst hatte das Thema bisher bei seinem Schwiegersohn nicht anklingen lassen. Vgl. Nr. 1099 (Instruktion für Christoph von Taubenheim zu einer Werbung bei Philipp, 26. Juli 1525). 67 ABKG, Bd. 2, Nr. 1139 (Johann und Philipp an Georg, 15. September 1525). 68 Ebd.
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Als Herzog Georg dies in seinem Antwortschreiben am 2. Oktober ablehnte,69 hatten die zwischenzeitlichen Ereignisse bereits klargemacht, dass es unmöglich sein würde, mit Johann in der Luthersache an einem Strang zu ziehen. Während der Bauernkrieg dazu geführt hatte, dass Georg in seinem Fürstentum noch rigoroser gegen die Anhänger der lutherischen Lehre vorging,70 bestellte Johann am 17. August die gesamte Geistlichkeit der Stadt und des Amtes Weimar ein, um ihnen den Befehl zu erteilen, das Evangelium rein und lauter ohne menschlichen Zusatz zu predigen.71 Anfang Juli 1525 lehnte Johann die Forderung Georgs nach sofortiger Verhaftung und Bestrafung des aufrührerischen Schneeberger Predigers Amandus ab, 72 um dann wenige Wochen später im Alleingang einen von Luther empfohlenen Prediger zu installieren.73 Auch die von Georg unterstützte Bitte der Zwickauer Franziskanermönche, nach dem Bauernkrieg wieder in ihr Kloster zurückkehren zu können, lehnte Johann strikt ab.74 Georg musste sich schnell des Umstandes bewusst werden, dass nach dem Tod Friedrichs zur ausgiebig erprobten Verschleppungstaktik der Ernestiner nun eine aktiv gegen seine Interessen handelnde Komponente getreten war. Wir werden sehen, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein wird, dass Johann im Alleingang eine Entscheidung herbeiführte. Da Georg jedoch in Luther einen der Hauptverursacher der Bauernunruhen sah, forderte er nun von Johann dessen Bestrafung, auch wenn er offen ließ, in welcher Form dies zu geschehen habe.75 Johann antwortete darauf, dass er seine Meinung zur Ausrottung der lutherischen Sekte gemeinsam mit Landgraf Philipp in dem Schreiben vom 15. September erschöpfend mitgeteilt habe. Bisher habe man darauf keine Antwort der anderen Fürsten erhalten, die sich der Dessauer Abrede angeschlossen haben, sodass man es darauf „bleiben und beruhen“ lasse und sich versehe, weiter damit verschont zu bleiben.76 Natürlich hatte Georg nichts weniger im Sinn, als Johann damit zu verschonen, zumal aus allen Schreiben ehrliche Sorge vor erneuten Unruhen spricht. Bereits wenige Tage später folgte die erneute Aufforderung an ihn, 69 Vgl. ebd., Nr. 1146 (2. Oktober 1525). 70 Vgl. beispielsweise den Befehl an den Amtmann von Senftenberg, dass diejenigen, die im Besitz Martinischer Bücher sind, sich vor Georg selbst zu verantworten hätten, und diejenigen, die das Abendmahl unter beiderlei Gestalt genommen haben, des Landes zu verweisen seien. Ebd., Nr. 1091 (23. Juli 1525). 71 Vgl. CLEMEN, Zur Einführung der Reformation in Weimar, S. 186–189. 72 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1076 (Amtmann zu Annaberg und Schellenberg an Georg, 7. Juli 1525). Zum weiteren Vorgehen Johanns am Schneeberg vgl. Abschnitt 4.2. 73 Vgl. ebd., Nr. 1122 (Johann an Georg, 22. August 1525). 74 Ebd., Nr. 1111 (Guardian und Konvent des Barfüßerklosters zu Zwickau an Georg, 12. August 1525), bes. Anm. 2. 75 Vgl. ebd., Nr. 1147 (8. Oktober 1525). 76 Ebd., Nr. 1150 (11. Oktober 1525).
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Luther zu bestrafen,77 die Johann nur noch beantwortete, indem er mitteilte, dass er Georgs Schrift „zu unser gelegenhait weiter ubersehen und dan E.L. darauf unser gemut ferner vermelden“ werde.78 Wie die zahlreichen Briefe zeigen, riss in dieser Zeit trotz der unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Fürsten die Kommunikation niemals ab. Bei einem persönlichen Treffen anlässlich eines gemeinsamen Landtages am 27. und 28. September 1525 in Zeitz wurde dann auch vereinbart, je vier Räte zum 27. November nach Naumburg zu schicken,79 um über alle Streitpunkte, die jeder zuvor in einem Verzeichnis einzuschicken hatte, zu verhandeln.80 In Johanns Schreiben, das die strittigen Artikel enthielt, die in Naumburg verhandelt werden sollten, durfte natürlich der über die Jahre nahezu gebetsmühlenartig verwandte ernestinische Leitsatz bezüglich Luthers und seiner Lehre nicht fehlen, „das wir uns desselbigen sachen und lere ferner, dan die in gotlicher h. schrift gegrundet weren, nit angenomen, noch anzunehmen gedechten, dieselbige auch bey seiner verantwortung beruhen ließen, und fruntlich gebeten, E.L. wold uns furbas domit verschonen“.81 Dementsprechend wurden bei dem Treffen in Naumburg, welches Johann mit seinen Räten Friedrich von Thun, Wolf von Weißenbach, Nickel von Ende und Markwart von Tettau beschickte, diesbezüglich wiederum nur die altbekannten Standpunkte ausgetauscht.82 Einen erstaunlichen Versuch zur Aussöhnung mit Georg unternahm am 21. Dezember 1525 Luther selbst. Er wandte sich in einem demütigen Brief an den Herzog und entschuldigte sich für seine vorherigen Attacken gegen ihn mit der Begründung, dass er ihn so hart angefasst habe, weil er um dessen Seelenheil besorgt gewesen sei.83 Da er aber merke, dass sich Georgs ungnädige Haltung gegen ihn nicht ändere, wolle er diese Schrift nutzen, um sich zu entschuldigen und darum zu bitten, dass Georg von der Verfolgung der lutherischen Lehre ablasse.84 In der älteren Literatur, in der die Verfasser sich nicht scheuten, die Handlungen ihrer Protagonisten normativ zu werten, wurde dieser Versöh77 Vgl. ebd., Nr. 1151 (15. Oktober 1525). 78 Ebd., Anm. 3 (18. Oktober 1525). 79 Der Landtag hatte eine gemeinsame Münzordnung zum Thema. Vgl. ELA, S. 173–184. Von dieser Vereinbarung der Fürsten findet sich freilich nichts in den Akten. 80 Am 10. November 1525 sandte Georg sein Verzeichnis ein. Aus dem Begleitbrief geht hervor, dass dies so in Zeitz vereinbart worden war. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1163. 81 Ebd., Nr. 1164 (Johann an Georg, 11. November 1525). 82 Vgl. ebd., Nr. 1172 (Bericht der albertinischen Räte über den Verlauf der Verhandlungen in Naumburg). 83 „Wir wissen, wie alle schrift von gott sagt, dass er zuerst scharf und hart mit den menschen handelt, hernach aber freundlich und väterlich. […] Demnach hab ich mit anderen vielen, auch mit E.F.G. umbgangen und dieselbig mit harter scharfer schrift angetastet.“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1191 sowie WA Br, Bd. 3, Nr. 954. 84 „So komme ich nun und falle mit herzen E.F.G. zu fuße und bitte aufs allerdemutigeste, E.F.G. wollte doch noch ablassen von dem ungnädigen furnehmen, meine lehre zu vorfolgen.“ Ebd.
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nungsversuch Luthers gern als das naive Tun eines unverwüstlichen Optimisten beurteilt.85 Luther selbst erklärte später, dass er sich von seinerseits geschätzten albertinischen Adligen, die sein Gewissen mit großen Fudern voll Vertröstung ersäuft hätten, dazu habe überreden lassen.86 Wie dem auch sei, Kurfürst Johann oder ernestinische Hofkreise scheinen jedenfalls an dieser Initiative Luthers nicht beteiligt gewesen zu sein. Die Antwort Georgs erfolgte schnell und fiel wenig überraschend aus. In aller Ausführlichkeit rekapitulierte er sein Verhältnis zu Luther, zeigte alle Differenzen auf, die zwischen ihnen standen, und machte keinen Hehl daraus, dass Gott Luther jederzeit durch ihn so strafen könne, wie Müntzer gestraft wurde. Deshalb hatte Georg nur den einen Rat für Luther, nämlich in den Schoß der Kirche zurückzukehren.87 Auch im Januar 1526 kam es zu Verhandlungen zwischen ernestinischen und albertinischen Räten, wobei wiederum religiöse Streitpunkte, wie die Frage nach einer Bestrafung Luthers, dem Umgang mit geistlichen Stiftungen, ausgelaufenen Mönchen und Nonnen, der Verweigerung der Zahlung von Zinsen etc., zur Sprache kamen.88 Es müssen ermüdende Verhandlungen gewesen sein, zumal häufig den Unterredungen über die religiösen Angelegenheiten bereits Besprechungen zu „alten Gebrechen“, die meist in Zusammenhang mit der Leipziger Teilung standen, vorausgegangen waren. Dass man dabei einen gewissen Humor und Chuzpe wahrte, zeigt ein Schreiben Gregor Brücks an Johann, in dem er berichtet, dass die ernestinischen Räte angesichts des Gerüchts, Herzog Georg habe in Abwesenheit des Bischofs von Meißen den Stolpen eingenommen, zum Ausgleich vorgeschlagen hätten, Johann könne doch einfach bis zur Rückkehr des Bischofs Wurzen einnehmen.89 Gleichwohl zeigt diese Anekdote, wie stark jede Seite darauf bedacht war, die eigenen Rechte gegen den anderen zu wahren.90 Kurz darauf kam es zu einem Schriftwechsel zwischen Herzog Georg und Johann, in dem es ebenfalls um die Frage der Wahrung von Rechten ging. Nachdem die Amtleute Johanns verhindert hatten, dass nach dem Tod des Abtes von Buch der Abt des Klosters Altzelle dort ohne fürstliche Zustimmung schnell und im Geheimen eine Neuwahl durchführte, stimmten die Mönche zwar der 85 Vgl. beispielsweise Hans BECKER, Herzog Georg von Sachsen als kirchlicher und theologischer Schriftsteller, in: Archiv für Reformationsgeschichte 24 (1927), S. 161–269, hier S. 176f. 86 Vgl. ebd., Anm. 3, 4. Einer dieser Adligen soll Otto von Pack gewesen sein. 87 ABKG, Bd. 2, Nr. 1195 (28. Dezember 1525). 88 Vgl. ebd., Nr. 1200, 1202. Die Verhandlungen fanden am 15. Januar 1526 in Wurzen statt. Von Johanns Räten waren anwesend: Friedrich von Thun, Wolf von Weißenbach, Hans von der Planitz, Gregor Brück und Nickel von Ende. 89 Vgl. ebd., Nr. 1202, Anm. 2. (Gregor Brück an Johann, 16. Januar 1526). 90 Sowohl das Bistum Meißen als auch Wurzen, das zu den Besitzungen des Meißner Bischofs gehörte, unterstanden seit der Leipziger Teilung 1485 der Schutzherrschaft beider Linien.
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Einsetzung eines weltlichen Vorstehers und der Inventarisierung ihres Besitzes zu,91 versuchten jedoch, nachdem sie erfolglos bei Johann um die Erlaubnis zur Neuwahl eines Abtes angesucht hatten,92 über Herzog Georg zu ihrem Recht zu kommen. Georg bat zunächst Johann darum, nicht in die geistlichen Zuständigkeiten einzugreifen und eine Neuwahl zuzulassen.93 Die Antwort Johanns auf dieses Schreiben fiel denkbar barsch aus. Obwohl der Abt von Altzelle ihm mit seinem Verhalten – sowohl, dass er eine heimliche Neuwahl angestrebt hatte, als auch, dass er sich nun mit der Angelegenheit an Georg gewandt hatte –, reichlich Anlass zu Ärger gegeben habe, hat er ihn dies nicht spüren lassen. Diweil wir dan E.L. reten zu Wurtzen haben anzaigen lassen, das unser fruntlich bit an E.L. were, die wollten uns mit dem, was diese und dergleichen sachen belangen tet, furbas freundlich verschonen, und der abt lauts seiner schrift E.L. umb vorstendigung ihres rats hirinnen angesucht, so heten wir uns des, wie wir durch unsere rete haben biten lassen, vorsehen.94 Danach blieb Georg nichts, als Abt Paulus zu schreiben, dass er in dieser Angelegenheit nichts tun könne und dieser sich lieber an seine geistlichen Vorgesetzten wenden solle.95
Johann war inzwischen nicht mehr bereit, mit Georg über die Lehre Luthers zu verhandeln und ihm mit Zugeständnissen entgegenzukommen, ihm war wohl klar, dass es dabei nicht zu einer Einigung kommen würde. Anders Landgraf Philipp. Im Gegensatz zu Johann war dieser überzeugt davon, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, dass sich auch sein Schwiegervater zum Evangelium bekennen würde. Insbesondere der zu Beginn des Jahres 1526 intensiv zu theologischen Fragen geführte Schriftwechsel belegt,96 dass Philipp große Hoffnungen 91 ABKG. Bd. 2, Nr. 1204 (Januar 1526). Der Abt von Buch war am 20. Dezember 1525 verstorben. In dem Wissen, dass der Kurfürst keine Neuwahl wünschte und alle Klöster mit weltlichen Verwaltern versehen werden sollten, versuchte man, sein Ableben geheim zu halten, sodass die ernestinischen Amtleute von Leisnig und Kolditz erst am 22. Dezember davon Kenntnis erhielten. Daraufhin begaben sie sich unverzüglich ins Kloster, um festzustellen, dass dort bereits alle Vorkehrungen für eine Neuwahl getroffen worden waren und sie diese sozusagen in letzter Minute verhinderten. Der Konvent und der Abt von Altzelle, der die Wahl leiten sollte, stimmten zwar zu, keine Wahl vorzunehmen, bis weiterer Bescheid vom Kurfürsten eingetroffen sei, die Amtleute hielten es jedoch für angemessen, bis zur Antwort des Kurfürsten im Kloster zu verbleiben. Vgl. ebd., Anm. 3 (Amtleute zu Leisnig und Kolditz an Johann, 24. Dezember 1525 sowie dieselben an denselben, 29. Dezember 1525). 92 Vgl. ebd. (Abt von Altzelle an Johann, 27. Dezember 1525; Die abschlägige Antwort Johanns vom 30. Dezember 1525; Danach noch einmal Prior, Älteste und Konvent des Klosters Buch an Johann, 31. Dezember 1525). 93 Ebd., Nr. 1203 (Georg an Johann, 22. Januar 1526). 94 Ebd., Nr. 1204 (Johann an Georg, 26. Januar 1526). 95 Ebd., Nr. 1205 (Georg an Abt Paulus von Altzelle, 27. Januar 1526). 96 Vgl. ebd., Nr. 1213, 1215, 1219, 1222, 1228, 1234.
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in den Dresdner Hofprediger Alexius Crosner setzte, der angeblich evangelisch predigte.97 Auch er selbst sah es als seine Pflicht an, Georg das Evangelium näher zu bringen. So verwundert es kaum, dass Philipp auch Johann dazu anhielt, „s.l. [Georg] durch gelinde und senftmutige unterrichtung in vielen dingen zu erkentnus der warheit […]“ zu führen, geduldig zu sein und sich in Streitigkeiten gütlich zu einigen. Überhaupt vermutete Philipp, „das s.l. in sich selbs der sach nit so ganz zuentgegen oder widerwertig, sunder mehr des Luters person feind sey“. Entsprechend forderte er Johann auf, dafür zu sorgen, dass Georg von Luther nicht weiter mündlich und schriftlich angegriffen werde.98 Offenbar ließ sich Johann von den Argumenten Philipps überzeugen; die noch wenige Wochen zuvor in Gotha von beiden Fürsten bei Luther angeregte öffentliche Erwiderung auf den Mainzer Ratschlag,99 sollte nun nicht mehr in den Druck gehen, da sie auch einige Attacken auf Herzog Georg beinhaltete. Deshalb beauftragte Johann Hieronymus Schurff und Philipp Melanchthon, Luther diese Entscheidung mitzuteilen.100 Dieser erklärte sich in einem Schreiben Mitte April damit einverstanden und übersandte Johann am 23. April die bereits fertigen Drucke, damit davon nichts weiter in die Öffentlichkeit dringt.101 Damit war die Angelegenheit für Johann abgeschlossen, er widmete sich zunächst Bündnisangelegenheiten und bereitete seine Reise zum Speyerer Reichstag vor. Währenddessen brachen jedoch die Verhandlungen zwischen ernestinischen und albertinischen Räten zur Beilegung der Streitigkeiten nicht ab. Da aber insbesondere die Differenzen um die lutherische Lehre stets dazu führten, dass jedwede Einigung blockiert wurde, wandte sich Johann am 15. April 1526 mit einem bemerkenswerten Vorschlag an Georg. Johann beauftragte seine Räte Graf Heinrich von Schwarzburg, Hans von der Planitz, Günther von Bünau und Christoph Groß damit, Georg in der Religionssache eine Art Moratorium vorzuschlagen. Die Grundannahme des Vorschlags bestand darin, dass sowohl 97
Die Informationen darüber bezog Philipp von seiner Schwester Elisabeth, die mit einem Sohn Georgs verheiratet war. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1229 (Philipp an Johann, 1. April 1526). 98 Ebd. 99 Beim Mainzer Ratschlag handelte es sich um einen Beschluss des Mainzer Bistums vom November 1525. Danach wollte man keine Anhänger Luthers mehr in geistlichen und weltlichen Ämtern dulden. Mit Hilfe von Papst und Kaiser sollte die alte Ordnung in bereits lutherischen Gebieten wiederhergestellt werden. Bei ihren Verhandlungen zu einem evangelischen Verteidigungsbündnis Ende Februar 1526 in Gotha hatten Johann und Philipp beschlossen, eine öffentliche Stellungnahme Luthers dazu herausgehen zu lassen. 100 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 991 (nach dem 9. April 1526). 101 Vgl. ebd., Nr. 997, 1002. Mit großer Wahrscheinlichkeit hatte Georg aber bereits vom Manuskript der Schrift „Wider den rechten aufrührerischen verräterischen und mordischen Anschlag der ganzen mainzischen Pfafferei Unterricht und Wahrung“ Kenntnis und beschwerte sich bereits im Vorfeld darüber bei Johann. Vgl. ebd., Nr. 991, Anm. 1.
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Johann als auch Georg sich aus Gewissensgründen in der Sache nicht weiter entgegenkommen könnten. Deshalb schlug der Kurfürst, entgegen den Forderungen von Landschaft und Landgraf Philipp nach mehr Einmütigkeit, vor, „das wir uns nit wollen entgegen sein lassen, als wir pillich tun, das unser veter in s.l. furstentumb schaffe und handel, wie s.l. dasselb vor got und der welt zu verantworten verhofft. Dergleichen wir uns von s.l. widerumb zu geschehen fruntlich vorsehen und gebeten haben wollen […]“.102 Was Georgs Bedenken betreffe, dass sich Aufruhr und Gewalt des Bauernkrieges wiederholen könnten, so gedenke sich Johann gemeinsam mit Philipp von Hessen an die Verabredungen von Mühlhausen zu halten. Man kann sich nur schwer des Eindrucks nach einem Vorgriff auf den späteren Speyerer Reichstagsabschied erwehren. Leider haben wir keine Nachricht, wie Georg auf diesen Vorschlag reagiert hat, der weitere Gang der Dinge lässt jedoch darauf schließen, dass man ihn ablehnte. Unermüdlich mahnten und ermutigten dagegen Landgraf Philipp und dessen Schwester Elisabeth, eine Schwiegertochter Georgs, Johann Friedrich, den Vater dazu zu bewegen, dem Albertiner entgegenzukommen und ihm einvernehmliche Reformen des Gottesdienstes durch beiderseitige Gelehrte vorzuschlagen.103 Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang die Vorschläge Elisabeths. So schätzte die junge Herzogin die Situation dahingehend ein, dass nur, wenn man sich gemeinsam auf eine vorläufige Kirchenordnung bis zur Einberufung eines Konzils für Sachsen verständige, die Einigkeit wiederhergestellt werden könne. Allerdings müsse die Initiative zu diesem Schritt von Kursachsen ausgehen, da Georg der Ansicht sei, dass Johann nicht mehr mit sich reden lasse. Dabei sollten beiderseitige Räte und die Landschaft mit einbezogen werden, um einen entsprechenden Druck auf Georg auszuüben, denn „Wei es dan dei lanttschaf, aber beytter seitt rett mechtten, must mein h. vatter dreintt weilgen“. Elisabeth glaubte nämlich, dass Georg sich nur so zurückhalte, weil er dem Kaiser sein Versprechen gegeben habe, keine neue Ordnung zuzulassen, solange dieser nicht im Reich sei. Zu aller Not bleibe immer noch die Möglichkeit, dass Georg das Regiment an seinen Sohn Johann d. J., also ihren Ehemann, übergebe, denn dieser habe sich dem Kaiser gegenüber in keiner Form verpflichtet. Der ganze Brief vermittelt den Eindruck, als glaube Elisabeth, dass es lediglich des Anstoßes und der Intervention der jungen Generation bedürfe, um jene Änderungen herbeizuführen, zu denen sich die Väter mit ihrer Einge-
102 ABKG, Bd. 2, Nr. 1239 (Instruktion Johanns für seine Räte zu einer Werbung an Georg, 15. April 1526). 103 Ebd., Nr. 1258 (Herzogin Elisabeth an Johann Friedrich, 6. Juni 1526); Nr. 1262 (Landgraf Philipp an Johann Friedrich, 16. Juni 1526). Kurfürst Johann befand sich zwischen dem 9. und 13. Juni zu Bündnisverhandlungen in Magdeburg, aber es dürfte wohl klar gewesen sein, welche Chance Johann einer Verständigung mit Georg einräumte.
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fahrenheit und „stoltzmutt“ nicht durchringen können.104 Auch ihrem Bruder gegenüber scheint Elisabeth von der Option gesprochen zu haben, dass Georg abtreten und dem Sohn die Regierung überlassen könnte, jedenfalls offerierte auch Philipp Johann Friedrich gegenüber diesen Ausweg, falls Georg sich nicht zu Kirchenreformen im evangelischen Sinne durchringen könne.105 Diese Ratschläge scheinen ihre Wirkung bei Johann nicht verfehlt zu haben. Bereits im Aufbruch zum Speyerer Reichstag begriffen,106 ließ er durch seine Räte Hans von der Planitz und Günter von Bünau Georg eine Werbung zukommen. Darin betonte Johann die verwandtschaftliche und menschliche Nähe beider von Kindheit an und den Wunsch, zu früherer Einigkeit zurückzufinden. Dann griff er die Anregungen Elisabeths und Philipps auf und ließ vorschlagen, das beyde E. Kfl. und F.G. sich eins tags und malstadt freuntlich voreinigen und auf denselben tag beiderseits gelerte und ungelerte rete in gleicher anzalh … verordent werden und das dazumal notturftiglich und mit gutem bedacht aus vorleyhung gotlicher gnaden von demjenigen, so in beiderseits E. Kfl. und F.G. furstentumen und landen fur mißbreuchlich und unschigklich angesehen … wirdet, gehandelt und geredt worde, auch mit gotlicher hulf und durch sein wort voreynigung gemacht, wie es allenthalben bis auf ein frey Cristlich consilium solte gehalten … werden.107
Zu ernsthaften Verhandlungen über diesen Vorschlag kam es in Dresden jedoch nicht, Georg lehnte dies unter dem Hinweis ab, dass sein Rat Wolf von Schönberg krank sei und er zudem die Ergebnisse des jetzigen Reichstages abwarten wolle.108 Der Bericht von Hans von der Planitz an Herzog Johann Friedrich zeigt, dass auch der Fall zur Sprache kam, dass sich die Reichsstände in Speyer nicht auf eine vorläufige Kirchenordnung bis zu einem zukünftigen Konzil einigen könnten. Direkt von Planitz darauf angesprochen, wurde Georg zornig und antwortete ihm, dass man eine gute Ordnung gehabt habe und es hätte dabei bleiben lassen sollen. So kehrten die ernestinischen Räte unverrichteter Dinge zurück.109 Sofort nachdem Johann aus Speyer zurückgekehrt war, musste er sich erneut damit auseinandersetzen, dass Georg ihn aufforderte, sich danach zu erkundigen, ob Luther der Verfasser der Schrift „Wider den Ratschlag der Mainzischen Pfafferei Unterricht und Warnung“ sei. 110 Offenbar waren Georg, trotz des durch Johann ausgesprochenen Druckverbots, einige Exemplare in die Hände 104 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1258 (Elisabeth an Johann Friedrich, 6. Juni 1526). 105 Ebd., Nr. 1262 (Philipp an Johann Friedrich, 16. Juni 1526). 106 Johann brach am 8. Juli 1526 von Weimar aus nach Speyer auf, wo er am 20. Juli Einzug hielt. 107 Ebd., Nr. 1277 (Instruktion Johanns für seine Räte zu einer Werbung bei Georg, 4. Juli 1526). 108 Vgl. ebd., Nr. 1285 (Antwort Georgs auf die ernestinische Werbung, 19. Juli 1526). 109 Vgl. ebd., Nr. 1289 (Hans von der Planitz an Johann Friedrich, 21. Juli 1526). 110 Vgl. ebd., Nr. 1318 (Georg an Johann, 9. September 1526).
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gekommen. Bereits vor dem Speyerer Reichstag hatte sich Georg über den Leipziger Amtmann diesbezüglich an Johann gewandt,111 dieser hatte jedoch, in Anbetracht der bevorstehenden Abreise, nichts unternommen.112 Nun musste Johann aber erkennen, dass Georg keineswegs gewillt war, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Auch wenn Johann wohl recht bald nach dem Schreiben Georgs einige seiner Räte zu Luther schickte und ihn eine Rechtfertigung niederschreiben ließ,113 zögerte er die Weiterleitung an Georg so lange hinaus, bis dieser sich am 13. November 1526 erneut in der Angelegenheit meldete. 114 Diesmal reagierte Johann unverzüglich und sandte Georg auch das Rechtfertigungsschreiben Luthers mit. Darin zeigt dieser an, dass Johann ihm bereits vor längerer Zeit verboten hätte, die Schrift in den Druck gehen zu lassen. Daran habe er sich gehalten. Wenn nun Herzog Georg trotzdem in den Besitz eines Exemplars gekommen sei, so könne dies ausschließlich dadurch geschehen sein, dass die Schrift Luther entweder gestohlen oder widerrechtlich abgeschrieben wurde. Deshalb würde er sehr gern von Georg wissen, wie er zu der Schrift gekommen sei. Da diese also offiziell gar nicht im Umlauf sei, könne sich Georg auch nicht über deren Inhalt beschweren.115 Georgs sehr zornige Antwort vom 19. November zeigt klar, wie sehr er sich sowohl von Luthers Rechtfertigung als auch vom Inhalt der Schrift „Wider den Ratschlag der Mainzischen Pfafferei Unterricht und Warnung“ beleidigt fühlte. Offenbar war durch die Indiskretion eines Kammerdieners am Torgauer Hof Luthers Schrift an einen Diener Georgs gelangt. 116 Johann versprach in seiner sachlichen, aber auch nichtssagenden Antwort an Georg, herausfinden zu wollen, um welchen Diener es sich handele.117 Daraufhin wurden Johann einige Blätter von Luthers Werk übersandt, um anhand der Handschrift leichter den untreuen Diener ermitteln zu können. Zufrieden war Georg damit jedoch keineswegs, auch wenn er einsehen musste, dass sich die Angelegenheit für Johann längst erledigt hatte. 118 Die Kontakte der 111 Vgl. ebd., Nr. 1273 (Instruktion an Andreas Pflug zu einer Werbung an Johann, 29. Juni 1526). 112 Vgl. ebd., Nr. 1320 (Johann an Georg, 15. September 1526). 113 Vgl. WA Br Bd. 4, Nr. 1050, dort wird angemerkt, dass sich auf dem Originalkonzept von Luthers Schreiben das Datum 22. Juli 1526 findet. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass bereits eine Reaktion auf Georgs erstes Schreiben im Juni 1526 erfolgt war, man diese aber für den Fall, dass sich die Sache im Sand verlaufen würde, zurückgehalten hatte. Vielleicht hatte der Hof auch Luther ursprünglich überhaupt nicht in die Sache einbezogen, sondern ohne ihn eine Rechtfertigung an Georg aufgesetzt. 114 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1347. 115 Vgl. ebd., Nr. 1348 (Johann an Georg, 16. November 1526); WA Br, Bd. 4, Nr. 1050 (Luther an die kurfürstlichen Räte). 116 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1354. 117 Vgl. ebd., Nr. 1356 (27. November 1526). 118 Vgl. WA Br, Bd. 4, Vorbemerkung zu Nr. 1050 (Georg an Johann, 4. Dezember 1526).
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nächsten Monate zeigen dann auch, dass Georg inzwischen eingesehen hatte, dass er in Sachen Luthers bei Johann wenig erreichen konnte. Zwar versuchte Georg regelmäßig durch Fürsprache bei Johann zu erreichen, dass im Bauernkrieg vertriebene Mönche und Nonnen wieder in ihre Klöster zurückkehren konnten, aber dieses Ansinnen wurde vom Kurfürsten stets abgelehnt. Seine Einstellung zur reformatorischen Lehre machte Georg jedoch regelmäßig klar, wenn er beispielsweise den verheirateten Pfarrer von Oberdorla 119 oder den Schulmeister von Buchholz verhaften ließ.120 In solchen Fällen ließ Johann keinen Zweifel daran, dass Georg dieses Recht nicht zustünde und er dessen Vorgehen keinesfalls tolerieren werde. „Und weil E.L. des Speierischen abschieds sonder zweifel bericht, so hat E.L. wol zu achten, das ir nit geburt, an orten, do wir und andere der obrigkeit mit ze tun haben, solchs furzunemen.“121 Auch die gegenseitige Bezichtigung, nicht in ausreichendem Maße dafür zu sorgen, dass den Geistlichen im jeweils anderen Landesteil ihre zustehenden Zinsen ausgezahlt werden, ist ein wiederkehrendes Thema. 122 Verschiedenste Fälle von beiden Seiten wurden dabei auch vor das Oberhofgericht gezogen, wo es teilweise zu gütlichen Einigungen, aber auch zu Rechtsurteilen kam.123 Dass man die familiären Bande zu den Vettern nicht völlig abreißen lassen wollte, zeigt der Umstand, dass Georg samt Familie an der Hochzeit Johann Friedrichs mit Sibylle von Jülich-Kleve im Juni 1527 in Torgau teilnahm, während
119 So begründete er auf Landgraf Philipps Protest hin die Verhaftung damit, dass „E.l. haben hyebevorn wol vormerk, das wyr in unserm furstentum und gebyten gar nicht gemeynt, wyder ksl. mt., u. allergst. h., ausgegangen edict und Cristlicher kyrchen ordenung verlaufene monche ader beweybte prister, so sich yres stands und lehens ganz unwyrdig und mit der tat verlustig machen, zu leyden.“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1441 (Georg an Landgraf Philipp, 9. April 1526). 120 Georg hatte den Schulmeister von Buchholz in St. Annaberg gefangengenommen und für etliche Wochen im Gefängnis in Stolpen halten lassen. Er kam schließlich gegen die Eidesleistung frei, sich zukünftig dem Gebiet Herzog Georgs nicht weiter als zehn Meilen zu nähern. Dies bedeutete jedoch, dass er in Buchholz, das sehr nah an der albertinischen Grenze lag, nicht hätte weiterarbeiten können. Johann erhob dagegen Einspruch bei Georg. Vgl. ebd., Nr. 1450 (Johann an Georg, 28. Mai 1527). 121 Ebd., Nr. 1441, Anm. 1 (Johann an Georg, 13. April 1527). Die Ober- und Gerichtsbarkeit von Oberdorla unterstand neben den sächsischen Linien auch dem Erzbischof von Mainz und Landgraf Philipp. 122 Vgl. ebd., Nr. 1498, 1500 (Georg an Johann, 6. und 18. November 1527); Nr. 1507 (Johann an Georg, 28. November 1527). 123 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1559 (Friedrich von Thun und andere kfl. Beisitzer des Oberhofgerichts an Johann, 7. März 1528).
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er es aus religiösen Gründen ablehnte, an der Taufe seines Enkelkindes in Kassel teilzunehmen.124 Das Jahr 1528 gestaltete sich zwischen Ernestinern und Albertinern konfliktreich. Am 25. März 1528 floh die Kurfürstin von Brandenburg zu ihrem Onkel Johann nach Kursachsen, weil ihr Ehemann Kurfürst Joachim von Brandenburg deren Hinwendung zum evangelischen Glauben nicht dulden wollte. In diesem Fall versuchte Herzog Georg zu vermitteln und eine Versöhnung der beiden Eheleute herbeizuführen. 125 Sorgfältig trennte man dieses Thema von einer zweiten, wesentlich ernsteren, zeitgleichen Auseinandersetzung ab, nämlich den Pack’schen Händeln. Obwohl es darüber beinahe zu einem militärischen Konflikt zwischen Kursachsen, Hessen und den Bistümern Bamberg, Würzburg, Mainz und Magdeburg gekommen wäre, der seinen Anfang am Dresdner Hof durch den herzoglichen Rat Otto von Pack mit der Fälschung der Breslauer Bündnisurkunde nahm, gab es keinen Austausch zwischen Johann und Georg in dieser Frage.126 Während sich Georg immer wieder nach dem Grund der Rüstungen bei seinem Schwiegersohn Landgraf Philipp erkundigte, richtete er keine Anfrage diesbezüglich an Johann. Auf der anderen Seite vermied es auch Johann, bei Georg offen nach dessen Mitgliedschaft im Breslauer Bund zu fragen. So kam es, dass erst nach Abschluss der Friedensverträge mit Bamberg, Würzburg und Mainz eine offene Auseinandersetzung stattfand. Mittels einer Gesandtschaft machte Georg am 12. Juni 1528 seinem Unmut über die Geheimniskrämerei Johanns Luft.127 Johann dagegen ließ sich zu keinen emotionalen Ausführungen hinreißen. Er antwortete den Räten ausweichend, indem er darauf verwies, sich erst mit Philipp absprechen zu müssen. Damit betrachtete Georg die Angelegenheit gegenüber Johann wohl als erledigt, indessen er mit Philipp noch wochenlang eine scharfe schriftliche Auseinandersetzung um die Sache und deren grundsätzliche Ursachen führte. Nach einigen Monaten „Funkstille“ gingen Johann und Georg im Oktober 1528 wieder zur Tagesordnung über und widmeten sich den üblichen Streitpunkten, in diesem Fall der Flucht der Nonne Ursula von Münsterberg, einer Nichte von Georgs Mutter Sidonia. Johann wurde aufgefor-
124 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1457 (Wolf von Schönberg berichtete an Kardinal Albrecht über die Hochzeitsfeierlichkeiten in Torgau und die dort geschehenen Auseinandersetzungen zwischen Georg und Philipp bezüglich der Absage zur Taufe, 22. Juni 1527). 125 Vgl. dazu den Exkurs zur Aufnahm der Kurfürstin von Brandenburg. 126 Vgl. Abschnitt 6.4. 127 Die Gesandten waren Graf Hoyer von Mansfeld, Ernst von Schönburg, Christoph von Taubenheim und der Kanzler Simon Pistoris. Vgl. Christian NEUDECKER, Urkunden aus der Reformationszeit, Kassel 1836, S. 30f. Zu deren Instruktion vgl. SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, S. 102, Kurt DÜLFER, Die Pack’schen Händel, Darstellung und Quellen, Marburg 1958, S. 152.
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dert, sie wieder ins Kloster zurückzuschicken, was dieser jedoch ablehnte.128 Zu neuen Auseinandersetzungen zwischen Luther und Georg kam es Ende Oktober 1528, als Georg einen Brief Luthers an Wenzeslaus Linck zugespielt bekam. Dieser Brief, den Luther bereits am 14. Juni geschrieben hatte, stand noch ganz unter dem Eindruck der Pack’schen Händel und der drohenden kriegerischen Auseinandersetzungen. So gibt Luther seinem Freund in Nürnberg zu verstehen, dass er nach wie vor glaubt, dass ein gegen Kurfürst Johann und Landgraf Philipp gerichtetes Bündnis von katholischen Fürsten existiere, denn ein solcher Zusammenschluss entspreche ganz dem Ziel dieser Fürsten, nämlich der Vernichtung des Evangeliums.129 Auf die übliche erste Anfrage Georgs, ob Luther sich zu dem Brief bekenne,130 antwortete dieser, dass er sich ebenfalls einige Angriffe Georgs gegen seine Person habe gefallen lassen müssen und deshalb darum bitte, mit derartigen Zuschriften verschont zu werden. 131 Wie bereits den Briefen Georgs an Philipp anzumerken war, fühlte sich der Herzog von dem unberechtigten Vorwurf, sich mit anderen Fürsten zwecks der gewaltsamen Vernichtung des Evangeliums zusammengeschlossen zu haben, besonders getroffen. So setzte er in den nächsten Wochen alles daran, Gewissheit über diesen Brief zu erlangen. Deshalb wandte er sich am 4. November nicht nur an Johann mit der Aufforderung, als Luthers Landesherr herauszufinden, ob dieser der Autor sei,132 sondern sandte parallel dazu auch seinen Rat Thomas von der Heiden nach Nürnberg, um über den Rat an das Original des Briefes zu gelangen und Informationen über die Umstände der Veröffentlichung einzuholen.133 Johann wandte die übliche Verzögerungstaktik an und schützte zunächst Unwissenheit vor,134 erst ein erneutes Schreiben Georgs, samt der Kopie von Luthers Antwortschreiben,135 veranlasste Johann dazu, seinen Kanzler Gregor Brück zu beauftragen, Luther zu einem Verantwortungsschreiben zu bewegen.136 Georg wurde vom Kurfürsten vertröstet, dass sich Luthers Antwort verzögere, er ihm diese jedoch sofort zuschicken werde, wenn sie bei ihm eintreffe. 137 Am 25. November schließlich 128 Vgl. den Briefwechsel zwischen Herzog Georg, Herzog Heinrich und Johann in dieser Sache in: ABKG, Bd. 3, unter Nr. 1658 (10. Oktober bis 7. Dezember 1528). 129 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1285. Eine deutsche Übersetzung bei Heiko JADATZ, Religionspolitik und Fürstenpolemik, in: Michael BEYER/Jonas FLÖTER/Markus HEIN (Hg.), Christlicher Glaube und weltliche Herrschaft. Zum Gedenken an Günther Wartenberg, Leipzig 2008, S. 59–72, hier S. 65. 130 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1660 (Georg an Luther, 28. Oktober 1528). 131 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1346 (31. Oktober 1528). 132 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1664. 133 Vgl. ebd., Nr. 1663. 134 Vgl. ebd., zu Nr. 1664 (Johann an Georg, nach dem 4. November 1528). 135 Vgl. ebd. (Georg an Johann, 15. November 1528). 136 Vgl. WA Br, Bd. 4, zu Nr. 1356. 137 Vgl. ABKG, Bd. 3, zu Nr. 1664 (Johann an Georg, 20. November 1528).
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erhielt Johann das Verantwortungsschreiben Luthers, in dem er im Wesentlichen bei seiner Antwort vom 31. Oktober blieb, das jedoch gespickt war mit einigen spitzen Formulierungen.138 Um weiteren Ärger zu vermeiden, ordnete Johann an, die Schrift zu mäßigen, ohne jedoch die Grundaussage des Schreibens zu verändern. Luther gegenüber begründete er die Maßnahme dadurch, „damit gedachter unser Vetter derwegen zu weiterm Schreiben und Disputation nit leichtlich möchte geursacht werden“.139 Luther wurde angewiesen, den Entwurf in Reinschrift zu bringen und zu versiegeln, damit Johann ihn dann an Georg weiterleiten kann, 140 was schließlich am 14. Dezember geschah, 141 nachdem Georg sich diesbezüglich erneut an Johann gewandt hatte.142 Wieder hatte Georg es geschafft, die Energien des Kurfürsten in einer Angelegenheit zu binden, von der er eigentlich verschont bleiben wollte. So sah sich Johann über die beschriebenen Schritte hinaus genötigt, ebenfalls einen Rat nach Nürnberg abzufertigen, um dort bei Wenzeslaus Linck Informationen einzuholen.143 Wenn Johann nun hoffte, dass endlich Ruhe einkehren werde, dann hatte er sich getäuscht. Denn nachdem sich Georg nun endgültig sicher war, dass der ihm zugespielte Brieftext authentisch war, brachte er am 19. Dezember eine Flugschrift heraus, mit deren Hilfe er die Anschuldigungen Luthers gegen sich widerlegen wollte.144 So setzte sich eine erneute Spirale in Gang, denn Luther beabsichtigte sofort, nachdem er davon Kenntnis erhalten hatte, eine Gegenschrift, was er Johann am 31. Dezember mitteilte.145 Sowohl aus den Schreiben Georgs als auch aus denen Luthers konnte Johann klar ersehen, wie persönlich und wenig versöhnlich die Auseinandersetzung zwischen beiden geführt wurde, sodass ihm nichts weiter blieb, als Georg nochmals darum zu bitten, ihn mit Dingen, die Luther betreffen, zu verschonen.146 Doch bereits Mitte Januar 1529 gelangte eine 138 139 140 141 142 143
Vgl. ebd. (Luther an Johann, 25. November 1528). WA Br, Bd. 4, Nr. 1362 (Johann an Luther, 2. Dezember 1528). Das veränderte, an Georg versandte Verantwortungsschreiben ebd., Nr. 1356. Vgl. ABKG, Bd. 3, zu Nr. 1676. Vgl. ebd., Nr. 1670 (Georg an Johann, 1. Dezember 1528). Bei dem Rat handelte es sich um Christoph von Taubenheim, der nach Kursachsen berichtete, dass der herzogliche Rat Heiden unbedingt in den Besitz des Originalbriefes gelangen wolle, was Linck ihm jedoch verweigerte. Ohne sich der Hintergründe und der Brisanz des Brieftextes bewusst zu sein, bat der Nürnberger Ratsherr Christoph Scheurl Linck um die Aushändigung des Originals, um es Heiden vorlegen zu können. Als Scheurl sich des Inhalts bewusst wurde, verlangte er von Heiden den Brief zurück, was ihm offensichtlich nur unter großen Mühen gelang. Sicherheitshalber vernichtete Linck den Brief danach. Vgl. JADATZ, Religionspolitik und Fürstenpolemik, S. 67. 144 Vgl. ebd., S. 67f. sowie ABKG, Bd. 3, Nr. 1676 (Georg an Johann, 19. Dezember 1528). Einen Vorabdruck der Flugschrift legte Georg diesem Schreiben bei. 145 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1369. 146 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1681 (Johann an Georg, 30. Dezember 1528).
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erneute Beschwerde Georgs über Luthers Gegenschrift an Johann, natürlich wurde auch diesmal eine Bestrafung des Autors, der Drucker und aller, welche die Schrift verbreiten würden, gefordert. 147 Während Johann in seiner Antwort Georg aufforderte, die durch Friedensverhandlungen längst beigelegten Pack’schen Händel nicht immer wieder aufzugreifen, 148 befahl er Luther, in Zukunft alle Schriften, die sowohl Herzog Georg als auch andere Fürsten und Personen betreffen, zuerst dem Hof zur Prüfung vorzulegen.149 Georg wollte die Angelegenheit jedoch keineswegs auf sich beruhen lassen, so gab er am 22. Januar 1529 eine erneute Entschuldigung heraus, in welcher er sich zunehmend unsachlicher werdend mit Luthers Anschuldigungen auseinandersetzte. In den folgenden Schreiben an Johann machte Georg dann noch einmal seiner ganzen Enttäuschung über das Verhalten seiner Vettern Luft. So warf er Johann vor, dass er bereits zu Zeiten Friedrichs des Weisen von Luther ohne Grund heftig angegriffen worden war. Doch damals wie heute wurde dies durch die Vettern weder verhindert noch hätten sie ihr Missfallen darüber geäußert.150 Auch diesmal habe Georg wohl gesehen, dass Johann nicht geneigt war, etwas zu unternehmen, sodass er selbst gezwungen war, sich in Form seiner Entschuldigungsschreiben gegen die Lügen Luthers zu rechtfertigen.151 Während jeder der Briefe klar zu Tage treten lässt, wie stark Georg sich enttäuscht und in seiner Ehre verletzt fühlte, klingt in den Schreiben Johanns eine zunehmende Genervtheit darüber an, dass der Vetter nicht endlich Ruhe gibt. So lässt sich die Haltung Johanns vereinfacht in den Worten wiedergeben: Ja, es gab in den zurückliegenden Jahren immer wieder Streit in der Sache, aber stets habe man sich nicht anders verhalten als jetzt, sodass er Georgs Unzufriedenheit nicht nachvollziehen könne, zumal er nun Luther bereits bei Strafe verboten hätte, weitere Schmähungen herausgehen zu lassen. Indirekt warf er Georg eine gewisse Mitschuld an der Eskalation vor, weil dieser eilig und ohne Wissen Johanns mit seinen Ausschreiben gegen Luther vorgegangen sei.152 Für ihn sei die Sache damit abgeschlossen, er scheue sich jedoch nicht davor, diese vor einer unparteiischen Kommission verhandeln zu lassen.153 Damit endete eine Auseinandersetzung, die durch Georgs Betreiben ein erstaunliches Ausmaß erreicht hatte und in welcher die bekannten Positionen beider Seiten nochmals bekräftigt wurden. Durch die Reise Kurfürst Johanns 147 Johann wurde von den herzoglichen Räten Heinrich von Schleinitz und Wolf von Schönberg in Weimar aufgesucht. Vgl. ebd., Nr. 1686 (Instruktion der Räte, 13. Januar 1529). 148 Vgl. ebd., Nr. 1687 (Johanns Antwort an die albertinischen Gesandten, 17. Januar 1529). 149 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1373 (Johann an Luther, 18. Januar 1529). 150 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1691 (Georg an Johann, 24. Januar 1529). 151 Vgl. ebd., Nr. 1705 (Georg an Johann, 19. Februar 1529). 152 Vgl. ebd., Nr. 1697 (Johann an Georg, 28. Januar 1529). 153 Ebd., zu Nr. 1705 (Johann an Georg, 22. Februar 1529).
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zum Reichstag nach Speyer Ende Februar kühlte die Angelegenheit schließlich ab. Im Laufe des Jahres 1529 kam es zu keinen weiteren Auseinandersetzungen zwischen beiden Fürsten, im Gegenteil, angesichts der drohenden Gefahr durch die Türken kam es zu zahlreichen einvernehmlichen Verhandlungen über mögliche Abwehrstrategien. Verhandlungen über strittige Themen, wie beispielsweise über die Geleitsfrage, nahm man Ende 1530 wieder auf. Zwar einigte man sich im Vorfeld darauf, die Religionsfrage bei den Verhandlungen ausschließen zu wollen, 154 doch bereits bei der Benennung der Ständevertreter, welche die Verhandlungen führen sollten, kam es zu Streit. So wollte Herzog Georg aus dem Kreis der kurfürstlichen Prälaten Justus Jonas und Wolfgang Reißenbusch nicht akzeptieren, da beide verheiratet seien und Reißenbusch zudem seinen Orden verlassen und damit öffentlich seine Gelübde gebrochen habe. Auch den Grafen Albrecht von Mansfeld, mit dem Georg seit Längerem im Streit lag, wollte er nicht akzeptieren. 155 Nach längerem Briefwechsel kam es schließlich dahingehend zur Einigung, dass Johann drei neue Vertreter benannte und auf seinen Wunsch auch drei herzogliche Vertreter ersetzt wurden.156 Schließlich kam man vom 2. bis 12. Juli 1531 in Grimma zusammen, um noch offene Gebrechen zu beraten. Am Ende stand der Grimmaer Machtspruch vom 17. Juli 1531. Mit dem Vertrag sollten zum einen die aktuellen Streitigkeiten um die Reichung von Zinsen und anderen Abgaben an die Geistlichen im jeweils anderen Territorium geregelt werden und zum anderen die seit Jahrzehnten andauernden Konflikte um die Bergwerke und die Straßennutzung inklusive der Einnahmen aus dem Geleit abgestellt werden. Unter dem Vorbehalt Herzog Georgs, dass er damit keinem kaiserlichen Befehlen zuwiderhandele, verpflichteten sich beide Fürsten, die gaistlichenn zinse vnd ander einkomen, hin vnd wider inn vnnd aus baider irer Chur vnnd furstlichen genaden, furstentumen, inmassen wie es hieuor gehalten, gereicht werden. Auch sollen vnd mogen die filial in aynes jeden furstentumb gelegen, mit irer zugehorung zu den pfarren desselben furstentumbs, dorinn die gelegen sein, zu erhaltung freuntlichs willens, geordent werden, vnd darbey pleiben.157
Von der gemeinsamen, in den letzten Jahren so konfliktbeladenen Verwaltung der Bergwerke nahm man nun Abschied, jeder Fürst sollte in Zukunft die Bergwerke in seinem Herrschaftsgebiet allein bewirtschaften, die Einnahmen wollte man nach wie vor teilen, sodass die Amtleute weiterhin von beiden Linien bezahlt wurden und beiden Seiten Rechnung legen mussten. Alle Streitigkeiten, 154 155 156 157
Vgl. ebd., zu Nr. 1966 (Johann an Georg, 15. Januar 1531). Vgl. ebd., Nr. 1971 (Georg an Johann, 4. Februar 1531). Vgl. ebd., Nr. 1976 sowie alle dieser Nummer zugeordneten Briefe. Ebd., Nr. 2010 (Grimmaer Machtspruch). Mit dem Vertrag wurden auch zahlreiche andere Konflikte bereinigt, wie solche um vermengte Lehen, die Erfurter Lehen und Münzsachen.
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die sich auf die Religion bezogen, wurden im Vertrag explizit ausgeklammert. Auch wenn Georg meinte, der Machtspruch sei zu seinem Nachteil ausgefallen,158 so war er doch bereit, ihn anzuerkennen, da aus seiner Sicht mit dem Vertrag er und der Kurfürst, außer in der Religion, völlig vertragen seien.159 Bis zum Tod Johanns im August 1532 erfolgte zwar ein intensiver Austausch zu den Modalitäten bezüglich der Umsetzung des Grimmaschen Machtspruchs, es kam jedoch zu keinen Auseinandersetzungen mehr zwischen Johann und Georg. Zusammenfassend lässt sich bei Herzog Georg eine starke Emotionalität, besonders in der Frage um die Person Luthers, konstatieren. Die Ursachen dafür sind zweifelsohne in der persönlichen Gewissheit Georgs zu suchen, dass es sich bei den Lehren Luthers um ketzerische Positionen handele. Dem versuchte Johann stets durch nüchterne Sachlichkeit zu begegnen, provozierendes Verhalten versuchte er in dieser Frage zu vermeiden. Darüber hinaus zeigt sich auch bei Johann der Hang, sich einer Entscheidung zu entziehen, indem er unangenehme Angelegenheiten verzögerte und verschleppte. Anders stellte sich dies in Situationen dar, in denen es darum ging, eigene Rechte zu wahren bzw. durchzusetzen. Hier war er durchaus bereit, durch aktives Eingreifen Tatsachen zu schaffen, wohl wissend, dass dies zum Konflikt mit Georg führen würde.
4.3. Schneeberg SCHNEEBERG
Eines der besten Beispiele dafür sind die Auseinandersetzungen auf dem seit der Leipziger Teilung 1485 gemeinsam verwalteten Schneeberg.160 Da die Bergbauregion von Beginn an Zankapfel zwischen beiden Linien war, kam bereits unter Herzog Albrecht der Vorschlag auf, ein jährlich zu Bartholomäi wechselndes Regiment einzurichten, sodass jede Linie stets ein Jahr lang allein verantwortlich war. Im Jahr 1507 wurde dies jedoch von den Ernestinern aufgekündigt, da sie es als nicht praktikabel ansahen, zumal umstrittene Entscheidungen auf diese Weise nie mehr als ein Jahr Bestand hatten. Herzog Georg dagegen wollte am wechselnden Regiment festhalten, was nicht zuletzt der Tatsache geschuldet war, dass zu dem von den Ernestinern angestrebten Zeitpunkt die Albertiner ein Jahr 158 Ebd., Nr. 2013 (Georg an Johann, 20. Juli 1531). 159 Ebd., Nr. 2012 (Georg an Kaiser Karl V., ca. 20. Juli 1531). 160 „Zcum andern sollen wir beide den Sneeperg mit dem Newstetil und alle gebirge, die an dem Sneeperg, und dorumb in einer meil wegis gelegen und begriffen sein, die iszt, mit bau begriffen, angefangen sind, hinfur begriffen und zcu bauen angefangen mogen werden, mit aller bestellung mit allem nutz und versorgung zu gleich in eintrechtigem weßen haben und halten, also das in solchem einer an den andern adir des andern gantze gewalt und macht nichts verandern nach naues machen sall.“ Hermann LÖSCHER (Bearb.), Das erzgebirgische Bergrecht des 15. und 16. Jahrhunderts, II/2. Teil, Freiberg 2005, Nr. 431.
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weniger regiert hätten. Dieser Konflikt wurde insbesondere zu Beginn des Jahres 1508 mit einer solchen Schärfe ausgetragen, dass sich im Reich die Sorge breit machte, es könnte zu bewaffneten Auseinandersetzungen kommen. Zweifelsohne wurden diese bereits bestehenden Konflikte mit dem Aufkommen der reformatorischen Lehre verschärft,161 jedoch sollte nicht verkannt werden, dass insbesondere in Schneeberg bereits in den Jahren zuvor der Boden für Unruhen unter der vornehmlich im Bergbau tätigen Bevölkerung bereitet worden war. Vor allem der 1514 eingesetzte Bergmeister Paul Schmidt, der lange Zeit das volle Vertrauen der Landesherren besaß, jedoch im Gegensatz zur Mehrheit der übrigen Bergbeamten, der städtischen Organe, der Gewerke und Arbeiter stand, hatte für Konfliktstoff gesorgt. Hinzu traten die immer wieder zu Unruhe führenden Sorgen der Bergarbeiter: hohe Arbeitsbelastung bei niedrigem Lohn, lange Arbeitszeiten, Unterdrückung, Übervorteilung und Bevormundung durch die landesherrlichen und Zechenbeamten, schlechte soziale Verhältnisse.162 Während unter dem gemäßigt lutherischen Prediger Nikolaus Hausmann, der in der Zeit von 1519 bis 1521 in Schneeberg wirkte, die Bevölkerung offenbar noch keine Verbindung zwischen der neuen reformatorischen Lehre und sozialen Forderungen, die sich aus ihrer problematischen Situation ergaben, herstellte, änderte sich dies mit dem Prediger Wolfgang Ackermann. Bereits im Frühjahr 1523 hatten die landesherrlichen Räte auf zwei Berghandlungen feststellen müssen, dass in Schneeberg eine latent revolutionäre Stimmung herrschte. Dieser vorhandene Zündstoff brauchte durch die Reformation nur noch angefacht zu werden. 163 Als am 15. November 1523 Ackermann durch einen öffentlichen Anschlag verkündete, er gedenke am Nachmittag eine Predigt zu halten, konnte er sich eines großen Zulaufs der Bevölkerung sicher sein. Daraufhin wurden, unter Protest des Kirchners, zu dieser ungewöhnlichen Stunde die Glocken geläutet und die Massen strömten in die Pfarrkirche. Dort bestieg Ackermann, ohne Erlaubnis des Pfarrers und ohne priesterliches Gewand, die Kanzel und hielt eine 161 Die Konflikte beschreibend, jedoch nicht mehr heutigen wissenschaftlichen Anforderungen genügend vgl. W. KARSTENS, Die sächsisch-hessischen Beziehungen in den Jahren 1524, 1525 und 1526, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde 4 (1885), S. 307–386 sowie stark verkürzt Felician GESS, Die Anfänge der Reformation auf dem Schneeberg, in: Neues Archiv für sächsische Geschichten 18 (1887), S. 31–55. 162 Vgl. Adolf LAUBE, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau, Berlin 1976, S. 215f. 163 Ebd., S. 223. Insbesondere der Abfall der Silberproduktion wirkte sowohl auf die Landesherrn als auch auf die Arbeiter alarmierend. Deshalb kam man auf den Berghandlungen im März und April 1523 einigen Forderungen entgegen, wie beispielsweise der nach Reduzierung der landesherrlichen Regalabgaben. Andere, wie die der Knappschaft um Schichtverkürzungen, die den Arbeitern Zeit für eigene Schürfungen geben sollten, sowie die Errichtung eines eigenen Bruderhauses, das gebrechliche Hauer und Berggesellen versorgen sollte, wurden abgelehnt.
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Predigt, in der er die geistliche Obrigkeit und den geistlichen Stand scharf angriff. Bereits am 24. November 1523 erhielt Johann von Herzog Georg ein Schreiben, in dem er ihn über die Vorkommnisse am Schneeberg in Kenntnis setzte und ihm erklärte, er solle seine Räte für ein auf den 15. Dezember geplantes Treffen in Schneeberg instruieren, wie man gegen den Prediger und seine Unterstützer vorgehen wolle. 164 Johann sah es nicht für nötig an, auf dieses Schreiben zu antworten.165 Wie sich Herzog Georg die Bestrafung des Predigers und derjenigen, die am 15. November widerrechtlich die Glocken geläutet hatten, vorstellte, darin bestand in Weimar sowieso kein Zweifel. Ackermann sollte festgenommen und dem Bischof von Zeitz zur Bestrafung überstellt werden. Seine Komplizen sollten vor die Räte geladen und mit einer Strafe belegt werden, die anderen als Abschreckung dienen sollte. 166 Doch diesen Wünschen Georgs entgegenzukommen, war man keineswegs bereit. Ohne die genaue Instruktion für die Räte Wolf von Weißenbach und Nickel von Ende zu kennen,167 wurden sie wohl von Johann angewiesen, den Prediger vorzuladen und ihn nach einem Verhör lediglich zu verwarnen, mit der Maßgabe, sich in Zukunft aufrührerischer Predigten und Taten zu enthalten. Wohl erst in Schneeberg wurden die ernestinischen Räte dazu gedrängt, dieselben Maßnahmen auch gegen die beiden Glockenläuter zu ergreifen.168 Doch damit hatten die Albertiner nicht einmal ihre Minimalforderung, Ackermann das Predigen zu untersagen, durchsetzen können.169
164 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 569. Aus dem Brief ergibt sich auch der oben beschriebene Ablauf des 15. November. 165 Dies geht aus der Instruktion Herzog Georgs an seine Räte Heinrich von Schönberg und Georg von Harras für die Verhandlungen mit den ernestinischen Räten vom 7. Dezember 1523 hervor. Vgl. ebd., Nr. 576. 166 Vgl. ebd. 167 Adolf LAUBE wies in seiner Dissertation zum erzgebirgischen Bergbau nach, dass nahezu alle Räte, welche die Fürsten bei Berghandlungen vertraten, selbst stark im Bergbau engagiert waren. Vgl. LAUBE, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau, S. 175– 181. Zu Nickel von Ende besonders S. 179f. 168 Vgl. den Bericht Wolf von Weißenbachs und Nickel von Endes an Herzog Johann vom 21. Dezember 1523 in: ABKG, Bd. 1, Nr. 585. 169 Wohl wissend, dass sich die ernestinischen Räte nicht auf eine Gefangennahme und Überstellung Ackermanns an den Zeitzer Bischof einlassen würden, hatte Georg seinen Räten bereits diese Alternative eröffnet. Im Falle einer Totalverweigerung der Kooperation, sollten Schönberg und Harras mit der Weitergabe der Angelegenheit an das Reichsregiment und die Reichsstände drohen. Ebenso kam Georgs Unmut darüber zum Ausdruck, dass die Vettern die jährlich wechselnde Alleinverwaltung torpediert hatten, die Georg nun ein härteres Durchgreifen ermöglicht hätte. Vgl. ebd., Nr. 576.
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Die Situation wurde jedoch zunächst durch die Ankunft des Predigers Georg Amandus entschärft.170 Mit Zustimmung der Richter und Schöppen Schneebergs und mit Wissen des Pfarrers wurde dieser als neuer Prediger angenommen. Seine Anstellung sollte zunächst auf Probe erfolgen und er wurde angewiesen, ohne Angriffe auf die geistliche und weltliche Obrigkeit zu predigen.171 Von ernestinischer Seite war damit die Angelegenheit, ohne sich in weitere Unbequemlichkeiten einlassen zu müssen, erledigt, während Herzog Georg kurze Zeit später die Schneeberger Bevölkerung für ihre Duldung der Ketzerei und des aufrührerischen Predigers abstrafte. Er versagte ihnen eine Getreidelieferung, welche sie aufgrund von Not und Teuerung bei ihm beantragt hatten.172 Zunächst scheint jedoch eine gewisse Ruhe in Schneeberg eingekehrt zu sein. Dies änderte sich, als Amandus Ende März 1524 öffentlich gegen die Obrigkeiten predigte, die sich entgegen dem Willen der Gemeinde gegen evangelische Neuerungen stemmten, womit insbesondere einige Mitglieder des Schneeberger Rats und Herzog Georg gemeint waren. Offenbar hatte die Predigt zu so großer Unruhe in der Bevölkerung geführt, dass man es für besser hielt, davon zunächst nichts an die fürstlichen Höfe dringen zu lassen. Als sich die Räte dann Anfang April zum turnusmäßigen Abhören der Zehntrechnung in Schneeberg trafen, wurden die ernestinischen Vertreter nicht nur mit den fortwährenden Bestrebungen der Albertiner nach Bestrafung der Glockenläuter vom November 1523 konfrontiert, sondern es wurde auch der jüngste Vorfall bekannt. Trotz der recht schweren Vorkommnisse und dem starken Drängen der albertinischen Räte, dagegen strafend einzuschreiten, gelang es Wolf von Weißenbach und Nickel von 170 Amandus stammte aus Landsberg/Lech und hatte sich im Mai 1523 in Wittenberg immatrikuliert. Vgl. FÖRSTEMANN, Album Academiae Vitebergensis, Bd. 1, S. 181. Ob er wirklich auf Empfehlung Luthers und Melanchthons nach Schneeberg gekommen ist, wie er später Kurfürst Johann gegenüber behauptete, ist unklar. Vgl. Siegfried BRÄUER, Der hinkende Prediger von Schneeberg, in Neues Archiv für sächsische Geschichte 68 (1997), S. 67–99, hier S. 68. Bei BRÄUER auch Hinweise zur gottesdienstlichen Auffassung von Amandus, die sich stärker an jene Müntzers anlehnte, denn an die der Wittenberger. Ebd., S. 75f. 171 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 585. Bei einem Zusammentreffen beider Räte im April 1524 behaupteten die Albertiner, entgegen den Berichten der Ernestiner nach Weimar, man habe im Dezember 1523 Ackermann weiteres Predigen verboten und ihn des Schneeberges verwiesen. Zwar bestritten Weißenbach und von Ende diesen Beschluss, doch die Annahme eines neuen Predigers könnte ein Hinweis darauf sein, dass man zumindest ein Predigtverbot ausgesprochen hatte. Oder leistete man sich einen zusätzlichen Prediger? Ackermann scheint Schneeberg jedenfalls nicht umgehend verlassen zu haben und zumindest gelegentlich auch noch gepredigt zu haben. Vgl. ebd., Nr. 631 (Verzeichnis der Handlung auf dem Erzgebirge, 3. April 1524). 172 Vgl. ebd., Nr. 592 (Georg an Richter, Schöppen und Verordnete der Gemeinde und Knappschaft Schneebergs, 1. Januar 1524).
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Ende, sich dem zu entziehen, indem man erklärte, dafür keinen Befehl zu haben. So blieb es dabei, die Stadtoberen und Amandus vorzuladen, zu verhören und schließlich zu verwarnen.173 Auch beim nächsten Treffen der beiderseitigen Räte in der Pfingstwoche 1524 in Schneeberg kam man über ein Verhör und den Befehl, sich aufrührerischer Predigt zu enthalten, nicht hinaus. Im Gegenteil, während sich die Räte über weitere mögliche Maßnahmen gegen Amandus berieten, verließ er ohne Abschied das Verhör. So berichteten Wolf von Weißenbach und Günther von Bünau nach Weimar und Torgau; „er ist aber on abschied von vnss hin wegg gegangen. wiewohl wir Im haben lassen sagen, er sollte harren, wir besorgen, er werde von seinem Fernemen nicht abstehen.“174 Aufgrund dieses Berichts wandte sich Kurfürst Friedrich, der sich zuvor offenbar noch nicht mit den Vorgängen auf dem Schneeberg befasst hatte, an Johann. Weyll die prediger uffn Schneberge der Rethe angeben nach so ungeschickt befunden vnnd das gemein volck durch sein predigt mehr zu auffrur dann christliche gehorsams verursacht so werre guth das ein zeit vonn dannen getan unde darumb bitten wir eurer lieb wollen sich des eigentlich erkunden. wo es dann also, so wollen eurer lieb darob sein das er des Orths hinwegk getan vnnd ein ander mit dem das gemein volck, zu christlicher vndterweisung versorgt ann sein stat verordent werde.175
Friedrich, der nichts so sehr fürchtete wie Aufruhr und Unruhe, war also bereits zu diesem Zeitpunkt der Meinung, dass man Amandus aus Schneeberg entfernen müsse. Dabei war er noch gar nicht über den Fortgang der Ereignisse vor Ort informiert. Denn offenbar dadurch bestärkt, dass sein Tun ohne Konsequenzen blieb, wurden seine Predigten und Angriffe auf die geistliche Obrigkeit immer kühner und direkter. Nachdem es am 26. Mai beinahe zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des Pfarrers und denen von Amandus gekommen wäre, wandten sich die Stadtoberen, unter ausführlicher Beschreibung der Vorkommnisse der letzten Wochen und der derzeitigen Situation, schließlich an Georg und forderten ihn auf, der öffentlichen Ordnung wegen den Prediger zu entfernen. Der Rat habe selbst bereits versucht, sich Amandus’ zu entledigen, indem man ihm kein Gehalt mehr zahle, aber vier Handwerke, der Bergmeister und die Knappschaft hätten sich zusammengeschlossen und würden ihn nun aus eigener Tasche entlohnen.176 173 Vgl. ebd., Nr. 631. 174 LATh-HStA Weimar, Reg. T, Nr. 90, fol. 106 (22. Mai 1524). Der wortwörtlich übereinstimmende Bericht der albertinischen Räte Siegmund von Maltitz, Heinrich von Schönberg, Georg von Carlowitz und Antonius von Kospath, ABKG, Bd. 1, Nr. 660 (18. Mai 1524). 175 LATh-HStA Weimar, Reg. T, Nr. 90, fol. 119 (Friedrich an Johann, 30. Mai 1524). 176 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 676 (Zehntner, Richter und Schöppen zu Schneeberg an Georg, 10. Juni 1524). Offenbar hatten die Schneeberger mit diesem Schritt versucht, das Problem selbst zu lösen. Erst als klar wurde, dass sie damit gescheitert waren, wandten sie
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Am 14. Juni 1524 wurde Johann durch Georg über die Vorfälle in Schneeberg informiert. Da Georg bereits wusste, dass die Schneeberger ihre Beschwerden auch nach Weimar gesandt hatten, forderte er Johann auf, mit ihm gemeinsam den Prediger und dessen Anhänger zu strafen oder alternativ zuzulassen, dass er selbst dies tue.177 Da sich Johann zu diesem Zeitpunkt nicht in Weimar aufhielt, konnte er sich in seinem Antwortschreiben darauf berufen, dass ihm seit der Abreise der Räte aus Schneeberg, wo man doch mit Amandus vereinbart hatte, dass er sich in Zukunft aufrührerischer Predigt enthalten werde, nichts mehr von dort gehört habe. Deshalb müsse er sich erst entsprechend informieren.178 Diese ausweichende Antwort erinnert sehr an den Stil Friedrichs. Und tatsächlich hatten sich beide inzwischen persönlich bei einer Jagd in Schweinitz besprochen.179 Dort war es Johann offenbar gelungen, Friedrich trotz seiner Neigung, Amandus entfernen zu wollen, davon zu überzeugen, dem Drängen Georgs in dieser Frage nicht nachzugeben.180 Doch schon wenige Tage später musste Johann feststellen, dass Georg nicht gewillt war, sich in der Angelegenheit hinhalten zu lassen. Bereits am 20. Juni schickte er ihm Kopien der beiden Schreiben aus Schneeberg zu und forderte nachdrücklich die Gefangennahme und Bestrafung des Predigers. Immerhin, so lautete der Vorwurf an Johann, hätten es seine Räte verhindert, dass dies bereits zu einem früheren Zeitpunkt geschehen wäre. Doch genau damit habe man nur erreicht, dass sich Amandus sicher gefühlt hätte und zu noch kühnerem Tun ermutigt worden wäre. Deshalb sei es nun höchste Zeit, „E.L. wolle yrem erbyten nach sich deshalben mit uns vereynygen und aufs forderlichste neben uns vorfugen, das der predyger
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sich an Georg. Am 12. Juni richteten die beiden Zentner Thomas Mayner und Paul Schmidt ein zweites Schreiben an Georg mit der ausführlichen Beschreibung der Predigt von Amandus. Vgl. Nr. 678. Dieses stellt die Antwort auf Georgs Anfrage nach den Vorfällen vom 26. Mai dar. Vgl. Nr. 675 (Georg an die beiden Zehntner vom Schneeberg, 9. Juni 1524). Vgl. ebd., Nr. 679 (Georg an Johann, 14. Juni 1524). Vgl. ebd., Nr. 681 (Johann an Georg, 17. Juni 1524). Johann und Johann Friedrich befanden sich seit dem 7. Juni in Lochau, wo sie gemeinsam mit Friedrich im nahegelegenen Schweinitz jagten. Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 373, Anm. 474 sowie BRÄUER, Der hinkende Prediger, S. 85, Anm. 65. Das Antwortschreiben an Georg vom 17. Juni hatte Johann auf der Rückreise nach Weimar in Leipzig abgesandt. Das Festhalten an Amandus war zu diesem Zeitpunkt wohl eher taktischen Überlegungen geschuldet. So ging es in erster Linie darum, Herzog Georg in seinen Forderungen nicht nachzugeben, obwohl den Fürsten durchaus bewusst war, dass Amandus für eine unruhige Region wie den Schneeberg nicht der richtige Prediger war. Ob sich eventuell Nikolaus Hausmann, der von Zwickau aus in gutem Kontakt mit seiner ehemaligen Wirkungsstätte stand, für Amandus bei Johann verwendet hat, ist unklar. Vgl. BRÄUER, Der hinkende Prediger, S. 85.
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samt seynen anhengern gefenglichen angenummen, vom Schneberg zu geburlicher ernstlicher straf gefordert und dye andern, so dysem thun nicht anhangen in fridelichem wesen geschutzt und gehanthabt“.181 Ohne Zweifel, diese Vorwürfe erzeugten einen gewissen Druck auf Johann, sodass dieser sich genötigt fühlte, sich vor Georg zu rechtfertigen. So begann er seinen Antwortbrief damit, dass er erklärte, von seinen Räten wohl in Kenntnis gesetzt worden zu sein, dass Amandus an Pfingsten geflüchtet sei, aber dass Georgs Räte beabsichtigt hätten, ihn gefangen zu nehmen, davon wisse er nichts.182 Doch bevor es nötig geworden wäre, sich Georg gegenüber eindeutig zu positionieren, kam Johann der Zufall zu Hilfe. Denn nach seiner Rückkehr nach Weimar hatte er dort nicht nur die Klageschrift der Schneeberger vorgefunden, sondern auch ein an Johann Friedrich gerichtetes Rechtfertigungsschreiben Amandus’, in dem dieser sich über die Verdrehung seiner Worte und Verleumdung beklagte. Und so konnte es Johann als gerechtfertigte Forderung ansehen, von Georg zu verlangen, „das der prediger, pfarner und andere, ehir weiter etwas furgenomen, jegen einander gehort und sunsten ferner erkundung umb die sachen gnomen wurden“.183 Deshalb bitte er Georg, einen Tag für eine Zusammenkunft der Räte auf dem Schneeberg festzulegen. Um diesen Vorschlag noch ehrlicher wirken zu lassen, gab er sogar vor, damit dem Vorschlag der Zehntner, Richter und Schöppen von Schneeberg zu folgen, die freilich zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr mit nur einem Verhör zufrieden waren. Am 25. Juni sandte Johann seinem Bruder eine Kopie von Georgs Schreiben und seiner Antwort.184 Da sich Johann zunächst nach Halberstadt begeben musste, würde sich das Ganze sowieso hinauszögern. Dies war jedoch nicht in Georgs Sinne. Deshalb nutzten seine Räte eine Zusammenkunft der Albertiner und Ernestiner in Wurzen am 5. Juli 1524, um die Angelegenheit wieder zur Sprache zu bringen.185 Allerdings herrschten im Nachhinein unterschiedliche Ansichten darüber, was man bezüglich des Schneeberger Predigers vereinbart hatte. Während die albertinischen Räte Cäsar Pflug und Otto von Pack nach Dresden berichteten, man 181 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 683 (Georg an Johann, 20. Juni 1524). 182 In der Tat findet sich im Bericht Wolfs von Weißenbach und Günthers von Bünau nichts darüber, dass die Albertiner Amandus festnehmen wollten. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. T, Nr. 90, fol. 102–109. Bei den Verhandlungen in Schneeberg ist dieser Aspekt jedoch zweifelsohne zur Sprache gekommen. Sehr wahrscheinlich wusste Johann auch davon. Aber die Forderung nach Festnahme und Bestrafung von Amandus aufgrund seiner reformatorischen Predigt war für Johann unannehmbar. 183 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 687 (Johann an Georg, 23. Juni 1524). 184 Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 35, fol. 2 (Johann an Friedrich, 25. Juni 1524). In diesem Schreiben äußert sich Johann nicht weiter zu der Angelegenheit, die knappen Bemerkungen lassen darauf schließen, dass man sich beim kürzlich erfolgten Treffen hinlänglich auf ein weiteres Vorgehen geeignet hatte. 185 Das Treffen zwischen den Räten Kurfürst Friedrichs und Herzog Georgs war bereits vor längerer Zeit wegen anderer Angelegenheiten angesetzt wurden.
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habe sich darauf verständigt, dass Kurfürst Friedrich einen Tag festlege, an dem die Räte beider Fürsten nach Schneeberg geschickt werden, um dort Amandus und andere zu verhören und die Berichte dann zur Entscheidung an die Fürsten zu übergeben, 186 meinte Friedrich, die ernestinischen Räte Wolfgang Reißenbusch und Hans von Minkwitz hätten lediglich erklärt, man sei daran erinnert worden, dass man das ungeschickte Predigen auf dem Schneeberg nicht weiter gestatten solle.187 Immerhin gewannen die Ernestiner durch dieses Verwirrspiel erneut Zeit, um sich mit Floskeln und dem Vorschützen von Unwissenheit einer Entscheidung zu entziehen. Als Georg am 12. Juni Friedrich bat, ihm möglichst schnell seine Meinung zu den Verhandlungen der Räte bezüglich der Schneeberger Angelegenheit mitzuteilen, da die Entwicklungen keinen weiteren Aufschub duldeten,188 fiel es Friedrich nicht schwer, Georg mit dem Hinweis darauf, dass ihn seine Räte in ganz anderer Art und Weise unterrichtet hätten und er ja bisher überhaupt nicht mit dem Fall vertraut gewesen sei, wiederum zu vertrösten.189 Ob nun mit oder ohne Wissen Friedrichs, ganz offensichtlich war den Räten jedes Mittel recht, um ihren Herrn aus der Sache herauszuhalten und dessen eigene Verwicklung in die Schneeberger Angelegenheiten während der Abwesenheit Johanns zu verhindern. Auch in späteren Berichten leugnete Minkwitz beharrlich, dass eine Verabredung für ein Verhör des Predigers in Wurzen getroffen worden war. Minkwitz erklärte jedoch vielsagend, dass er es mit dem Wissen, dass Georg in der Sache bereits mit Johann in Verhandlungen stand, für unklug gehalten hätte, auch den Kurfürsten hineinzuziehen.190 So blieb Georg nichts weiter, als sein Befremden über das Verhalten der Räte auszudrücken und zu hoffen, dass die Ernestiner die von Johann schriftlich getätigte Zusage, den Prediger und seine Anhänger in Schneeberg zumindest zu verhören, doch noch einhalten würden. 191 Doch in Anbetracht dessen, wie diese Zusage zustande gekommen war, verwundert es kaum, dass sich weder Friedrich noch Johann bemühten, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Sollten die beiden darauf spekuliert haben, Georg durch diese Hinhaltetaktik zum Aufgeben zu bewegen, wurden sie dieser Illusion bereits kurze Zeit später beraubt. Da die albertinischen Grenzgebiete nun immer stärker unter den Einfluss evangelischer Prediger gerieten, entschloss sich Georg, am 8. August 1524 eine Gesandtschaft seiner Räte Heinrich von Schleinitz und Georg von Carlowitz zu Friedrich zu schicken. Die 186 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 691 (Aufzeichnung über Verhandlungen der Ernestinischen und Albertinischen Räte in Wurzen, 5. Juli 1524). 187 Vgl. ebd., Nr. 693 (Friedrich an Georg, 14. Juli 1524). 188 LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 35, fol. 8r (Georg an Friedrich, 12. Juli 1524). 189 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 693 (Friedrich an Georg, 14. Juli 1524). 190 LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 35, fol. 14–15 (Minkwitz an Friedrich bzgl. der Wurzener Abmachungen, 21. Juli 1524). 191 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 694 (Georg an Friedrich, 16. Juli 1524).
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Forderung Georgs an die Vettern war klar; er erwartete, dass sie den kaiserlichen Mandaten nachkommen und die Prediger verjagen, verfolgen oder sonst wie an ihrem Tun hindern sollten. Wohl wissend, dass ohne Nachdruck nicht viel auszurichten war, drohte Georg offen, sich im Zweifelsfall selbst der kaiserlichen Mandate gegen seine Vettern zu bedienen.192 Am 11. August trafen die beiden Gesandten Georgs mit Friedrich in Lochau zusammen. Da sich die Instruktion sowohl an Friedrich als auch an Johann richtete, konnte sich der Kurfürst mit dem Vorwand, er müsse sich zunächst mit dem nicht anwesenden Johann besprechen, einer sofortigen Antwort entziehen. Noch am selben Tag leitete Friedrich eine Kopie der Instruktion an Johann weiter und bat ihn darum, ihm seine Meinung bezüglich einer Antwort an Herzog Georg mitzuteilen und, wenn nötig, auch eine Zusammenkunft beider Räte zu veranlassen. Der Grundton des Schreibens macht jedoch klar, dass Friedrich sich nur ungern mit der Angelegenheit auseinandersetzen wollte, aber hoffte, dass Johann sowohl in der inzwischen eskalierten Allstedter Situation als auch in Schneeberg eine schnelle Lösung herbeiführen kann, sodass man Georg zumindest halbwegs zufrieden zu stellen vermag.193 Doch während Johann zunächst nach Eisenach reiste,194 überschlugen sich die Ereignisse in Allstedt; Schneeberg spielte nur noch eine untergeordnete Rolle. Offenbar die weitere Entwicklung abwarten wollend, zögerten Johann und Friedrich eine Antwort an Georg hinaus. Am 27. August, nachdem Gewissheit darüber herrschte, dass Thomas Müntzer Allstedt freiwillig verlassen hatte, sprach Friedrich wohl beiden Brüdern aus der Seele, wenn er schrieb, dass es nun umso leichter und besser sei, Georg zu antworten.195 Bei den turnusmäßigen Treffen beider Räte auf dem Schneeberg herrschte derweil das altbekannte Muster; die Albertiner traten mit der Weisung Georgs an, Amandus aus Schneeberg auszuweisen, während die Ernestiner dies mit der Aussage blockierten, sie hätten keinen Befehl dazu.196 192 Vgl. ebd., Nr. 708 (Instruktion für Heinrich von Schleinitz und Georg von Carlowitz zu einer Werbung an Kurfürst Friedrich und Johann, 8. August 1524). Anschreiben mit gleichem Datum vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 35, fol. 18. 193 Vgl. NUB, Kap. V, Nr. 16 (Friedrich an Johann, 11. August 1524). 194 Vom 14. bis 21. August 1524. 195 Vgl. FÖRSTEMANN, Zur Geschichte des Bauernkriegs, S. 204 (Friedrich an Johann, 27. August 1524). 196 Vgl. zum Verlauf des Treffens am 22. September in Schneeberg, ABKG, Bd. 1, Nr. 731 und 736. Auf dem Michaelismarkt 1524 kam es ebenfalls zu einem Zusammentreffen der Räte. Friedrich wird zwar später Georg gegenüber behaupten, Friedrich von Thun und Hans von der Planitz hätten dort nochmals ein Treffen auf dem Schneeberg angeboten. In den Mitschriften Dr. Breitenbachs finden sich jedoch keine Hinweise darüber, dass auch kirchliche Dinge, insbesondere den Prediger betreffend, zur Sprache gekommen sind. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 824 (Friedrich an Georg, 3. März 1525).
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Die offizielle Antwort auf Georgs Werbung vom 11. August erging schließlich am 7. Oktober, als Johann und Friedrich ihre Räte Friedrich von Thun und Hans von der Planitz nach Leipzig sandten. Ohne Frage bewegten sich Johann und Friedrich bereits im Grenzbereich zur absoluten Unglaubwürdigkeit, wenn sie bezüglich des Schneeberger Predigers Georg wissen ließen, dass, wäre auf Johanns Angebot „die rete zu schicken, ein tag ernannt worden, so wollten sich s.f.g. mit schikung und verordenunge derselben also erzaigt haben, das an s.f.g., was s.f.g. zufolge angezaigts erbietens zu tun geburt hette, kein mangel gewest seyn sollt“.197 Sollte jedoch seitens Georgs noch die Notwendigkeit bestehen, die Räte wegen eines Verhörs des Predigers zusammenkommen zu lassen, wäre man dazu nach wie vor bereit. Dass die Antwort Georgs darauf nicht eben freundlich ausfiel, verwundert nicht, allerdings lässt sich nicht verhehlen, dass die Taktik der Vettern erste Früchte trug. Resigniert willigte Georg in ein ihm überflüssig erscheinendes Verhör Amandus’ ein.198 Es scheint jedoch, dass dieses nie stattgefunden hat. Die Ernestiner hatten ihr Ziel erreicht, Georg hatte einsehen müssen, dass auf dieser Ebene nichts zu erreichen war.199 Ende Februar 1525 brachten die Schneeberger die Angelegenheit selbst wieder ins Rollen, als sie sich gleichzeitig hilfesuchend an die wettinischen Fürsten wandten. Nachdem sie ihrer Enttäuschung darüber, dass trotz ihrer zahlreichen Bitten in der Vergangenheit nichts passiert war, Luft gemacht hatten, kamen sie zum aktuellen Anlass ihres Schreibens. Als nach Ablauf des ersten Jahres, in dem Amandus nur auf Probe als Prediger angestellt war, die Schneeberger Richter und Schöppen mit einer Verlängerung des Vertrages zögerten, geriet die Bevölkerung in Aufruhr und umstellte am 8. Januar nach der Predigt das Gerichtshaus, um ihre Forderung nach einer Weiterbeschäftigung Amandus’ durchzusetzen. Wie später bekannt wurde, hatten sie bei dieser Gelegenheit auch die Freilassung von Gefangenen erpresst sowie die Rückzahlung von geleisteten Bußgeldern erreicht.200 Auch in diesem Schreiben gaben die Schneeberger an, dass sie sich, um nicht noch weitere Unruhe zu schüren, nicht getraut hätten, die Fürsten anzurufen. Lieber wollten sie die planmäßige Zusammenkunft der Räte abwarten, 197 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 743 (Instruktion Friedrichs und Johanns, 7. Oktober 1524). 198 Vgl. ebd., Nr. 744 (Antwort Georgs auf die Werbung der kursächsischen Räte, 7. Oktober 1524). An sich sah Georg die Verfehlungen von Amandus als ausreichend erwiesen an, um ihn auch ohne nochmaliges Verhör aus Schneeberg zu vertreiben. 199 Dennoch suchte Georg immer wieder das Gespräch mit Johann, um ihn davon zu überzeugen, dass die lutherische Lehre ein Irrweg sei und dem Haus Wettin auch politisch irreversible Schäden zufüge. So beispielsweise auf der Hochzeitsfeier seiner Tochter Magdalene am 6. November 1524 in Dresden. Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 754 (Bericht Johanns an Friedrich über ein Gespräch, das Georg mit dem ernestinischen Rat Friedrich von Thun führte). 200 Dies kam bei den Verhandlungen zwischen den beiderseitigen Räten in Leipzig am 9. März 1525 zur Sprache. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 828.
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um dann zu entscheiden. Bis dahin hätten sie dem Prediger seine Bezahlung zunächst zugesagt. Aber in Anbetracht seiner aufreizenden Predigten und seines schlechten Lebenswandels wäre es ihnen lieber, ihn loszuwerden. Da sie dazu nicht mehr allein fähig seien, benötigen sie die Unterstützung der Fürsten und bitten darum, „das E.F.G. uns auf solchen tage yemandes verstendigs und diser hendel erfaren zuordnen, bei den wir uns rats zu erholen hetten, damit sich nymant unrechtens zu beclagen habe“.201 Dass Georg sich bereits wenige Tage später an Friedrich wandte, ihn um eine Zusammenkunft der Räte in der Sache bat und vorsichtshalber anbot, wenn Friedrich sich durch das Ganze zu sehr beschwert fühle, die Sache allein in die Hand zu nehmen, 202 überrascht nicht weiter. Dass Friedrich jedoch ebenso schnell reagierte und Johann nun konkrete Maßnahmen vorschlug, dagegen schon. So schrieb Friedrich seinem Bruder am 27. Februar, „E.L. wollen bedenken, was villeicht hierinnen zuthun und furzunemen sein soll, ob derselb prediger, weyl er von uns dahin, wie er sich soll haben horen, nit verordent, weggeschafft und damit die aufrur und widerwertigkeit, so sich hinfurder seinthalben erregen und begeben mochten, verhutet blieben“.203 Allerdings überließ Friedrich dem Bruder die letzte Entscheidung darüber. In seinem Antwortschreiben an Georg erwähnte Friedrich selbstverständlich nichts von seinen Überlegungen, einer Vertreibung Amandus’ aus Schneeberg zuzustimmen. Stattdessen schlug er, um weitere Verzögerungen zu vermeiden, vor, die Räte könnten entsprechende Verhandlungen anlässlich des nahenden Hofgerichtstermins in Leipzig führen. 204 Gleichzeitig setzte er Johann von diesem Vorschlag in Kenntnis und forderte ihn auf, seine Räte für das Hofgericht entsprechend zu instruieren, da er davon ausgehe, dass Georg einverstanden sein werde.205 Am 9. und 10. März fanden schließlich die Verhandlungen in Leipzig statt. Johann hatte seine Räte Friedrich von Thun sowie Wolf von Weißenbach gesandt, Friedrich mit Anselm von Tettau einen guten Kenner der Schneeberger Verhältnisse.206 Soweit wir sehen, hatte sich Johann, ohne weitere Absprachen, der Erkenntnis Friedrichs, dass Amandus auf dem Schneeberg nicht länger haltbar sei, angeschlossen. Doch sehr wahrscheinlich hatte nicht der beständige Druck Georgs zu diesem Meinungsumschwung geführt, sondern in erster Linie 201 Ebd., Nr. 816 (Richter und Schöppen an Georg, Johann und Friedrich, 23. Februar 1525). 202 Ebd., Nr. 817 (Georg an Friedrich, 27. Februar 1525). 203 LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 35, fol. 72 (Friedrich an Johann, 27. Februar 1525). 204 ABKG, Bd. 2, Nr. 824 (Friedrich an Georg, 3. März 1525). 205 LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 35, fol. 88 (Friedrich an Johann, 3. März 1525). 206 Neben seiner starken Eigenbeteiligung am erzgebirgischen Silberbaubau, hatte er von 1499 bis 1509 auch das Amt des Hauptmanns von Schneeberg bekleidet. Auf Betreiben Georgs wurde er im Streit mit den Ernestinern 1509 abgesetzt. Vgl. LAUBE, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau, S. 177.
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das offen lästerliche Verhalten des Predigers gegenüber den Fürsten, das die Bevölkerung zusätzlich aufreizte sowie dessen unerfreulicher Lebenswandel.207 Weiter, als die Zustimmung zur Ausweisung des Predigers zu geben, wollte man sich in die Sache jedoch nicht einlassen, wie man ihn loswerden könnte, darüber sollten die Albertiner entscheiden. So berichtete der albertinische Gesandte Dr. Kochel an Georg, dass die Ernestinischen „alsbalde ihr bedenken angezeygit, also das sie vor bequeme und gut ansegen, das man des predigers […] loswerden mochte, alzo das er sich des orts ader auch in aller der churfursten und fursten von Sachsen landen und gebiten nicht halten muste. Wie aber […] solchs fugliche beschen mochte, wolten sie […] von uns horen“.208 So schlugen die Albertiner vor, Amandus festzunehmen und zu bestrafen, was wohl unweigerlich sein Todesurteil bedeutet hätte. Ebenso sollten diejenigen, die gegen den Willen der Richter und Schöppen seine Weiterbeschäftigung mit einer bewaffneten Versammlung vor dem Gerichtshaus im Januar erzwungen hatten, bestraft werden. Dazu sollten die Fürsten einen Tag für die Verhaftung festlegen und zu diesem Berittene auf den Schneeberg schicken, um eventuelle Unruhen in der Bevölkerung zu unterdrücken und Widerstand zu brechen. Durch dieses harte Vorgehen sollte ein abschreckendes Exempel statuiert werden. Die Forderung nach solch drastischen Maßnahmen hatten die Ernestiner wohl nicht erwartet. Offenbar war man davon ausgegangen, dass sich Georg mit einer Ausweisung zufriedengeben würde. Erschreckt erklärten sie, sy bedechten, das man nymand hengen sollte, man hette ine dan zuvore auch gehort; und solde man wider den prediger mit strafe gedenken und hette ine nicht gehort, das wollte sich nicht leyden. So wolte sich auch hiraus erfolgen, das die fursten […] wider ire eygene leute trachten und den schuldigen mit unschuldigen besweren musten.209
Für dieses Mal mussten die ernestinischen Räte jedoch erkennen, dass sie Georg wohl zu lange hingehalten hatten. Sie konnten lediglich das bewaffnete Vorgehen der Fürsten gegen Prediger und Aufrührer abwenden, einigten sich aber mit den Albertinern auf eine Notel, in der den Verantwortlichen von Schneeberg befohlen wurde, Amandus festzunehmen, sodass die Fürsten ihn angemessen bestrafen könnten. Gleiches sollte, jedoch erst nach der Festnahme Amandus’, mit seinen Unterstützern geschehen.210 Allerdings bedurfte die Übereinkunft noch der Zustimmung der Fürsten. Während sich Georg, insbesondere bezüglich des Abschreckungspotenzials, das eine bewaffnete Festnahme der Schuldigen gehabt 207 So beschwerten sich die Schneeberger über zahlreiche nächtliche Aufenthalte von Amandus in Schankhäusern. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 816 (Richter und Schöppen an Georg, Johann und Friedrich, 23. Februar 1525). 208 Ebd., Nr. 828 (Dr. Kochel über die Verhandlungen beiderseitiger Räte in Leipzig, 9./10. März 1525). 209 Ebd. 210 Ebd., Anm. 1.
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hätte, etwas enttäuscht über die Vereinbarung der Räte zeigte, gab er sich aber mit dem Erreichten zufrieden und stimmte dem zu.211 Ganz anders Johann. Besorgt berichtete er am 14. März Friedrich von den Leipziger Abmachungen. Er sei immer der Meinung gewesen, der Prediger müsse erst verhört werden, ehe etwas unternommen werde. Würde er nun festgenommen, sei zu befürchten, dass Georg darauf dringen werde, ihn mit aller Schärfe zu strafen. Von der Gefangennahme der anderen Aufrührer erwarte er nichts als neue Unruhe und Empörung in der Schneeberger Bevölkerung. Deshalb hielte er es für das Beste, bei dem alten Vorschlag zu bleiben, Amandus zunächst zu verhören und, falls er als ungeschickt befunden werde, ihn des Landes zu verweisen.212 Darauf antwortete Friedrich am 17. März, dass ja die Leipziger Abmachungen nur mit fürstlicher Zustimmung in Kraft treten würden. Deshalb solle Johann an Georg schreiben, dass man darauf bestehe, zuvor ein Verhör auf dem Schneeberg anzuberaumen und ihm auch gleich einen Terminvorschlag dafür zu unterbreiten.213 Genau in diesem Sinne antwortete Johann dann auch an Georg. Schließlich hätte er bereits im letzten Sommer den Vorschlag zu einem Verhör gemacht, nur es hätte niemand darauf reagiert. Schlussendlich machte Johann auch einen Terminvorschlag, nämlich den 23. April, an dem sowieso die Räte in Schneeberg zusammengekommen wären.214 Wieder bediente sich Johann der altbekannten Taktik der Verzögerung, mit der sich Friedrich, wie nicht anders zu erwarten, einverstanden erklärte. Diese gewiss unbefriedigende Antwort noch nicht kennend, meldete sich Georg am 29. März erneut. Nachdem er wiederum ein Schreiben der Schneeberger erhalten hatte, drängte er, die Leipziger Beschlüsse umzusetzen.215 Endlich am 23. April trafen sich die Räte, um Amandus zu verhören. Dabei wurden ihm sehr ausführlich alle seine Verfehlungen der letzten Monate vorgehalten, auf die er sich mündlich und später auf eigenen Wunsch auch schriftlich äußern konnte. Amandus reagierte darauf geschickt mit einer Mischung aus Zugeben und Entschuldigen sowie Bestreiten und sich nicht erinnern können.216 Damit lieferte er den ernestinischen Räten, Hans von der Planitz, Wolf von Weißenbach und Hans von Gräfendorf, die perfekte Argumentationsgrundlage, um die Zustimmung zu seiner Verhaftung zu verweigern. So erklärten sie, nach allem, was sie nun gehört haben, hätten sie
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Ebd., Nr. 838 (Georg an Johann, 19. März 1525). Ebd., Nr. 845, Anm. 4 (Johann an Friedrich, 14. März 1525). LATh-HStA Weimar, Reg. N, Nr. 35, fol. 91–92 (Friedrich an Johann, 17. März 1525). ABKG, Bd. 2, Nr. 845 (Johann an Georg, 27. März 1525). Ebd., Nr. 846 (Georg an Johann, 29. März 1525). Vgl. ebd., Nr. 868, S. 124, Anm. 1 (Protokoll über die Verhandlungen beider Räte auf dem Schneeberg, 24./25. April 1525).
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daraus gotteslesterung nicht vormarkt, alleyn was er sich zu den artikeln bekannt, das er das crucifix vorbrant, das keyn amt, es were henkens wert, und das er richter und scheppen mit etlichen reden ufm predigstule angegriffen, so hetten sie zu bedenken, weyl diese stucke nit sonders auf sich hetten, mit was fug er anzunehmen und peinlich zu strafen were.217
So beschloss man, die Einlassungen Amandus’ den Fürsten zur Entscheidung vorzulegen. Bis dahin wurde er angewiesen, am nächsten Sonntag auf der Kanzel der Gemeinde die strittigen Punkte in der Glaubenslehre zu erklären und das Volk gutmütig im rechten Glauben zu unterweisen. Außerdem solle er sich in Zukunft aller Reden, die zu Aufruhr führen, die Obrigkeit angreifen und das Evangelium nicht rein halten, enthalten. Darüber hinaus stehe es in der Entscheidung der Fürsten, ob sie ihn noch länger in Schneeberg dulden wollen oder nicht. Die Ernestiner hatten es wiederum geschafft, sich sowohl der Gefangennahme als auch der Bestrafung Amandus’ entgegenzustellen. Es war klar, dass eine Weitergabe der Angelegenheit an die Fürsten, die in Schneeberg nur im gemeinsamen Einvernehmen eine Entscheidung treffen konnten, wiederum zu langen Verzögerungen führen würde. Infolge des Bauernkriegs ruhte die Sache zunächst, bzw. vermieden es die Schneeberger Verantwortlichen, sich an die Fürsten zu wenden. Doch kaum waren die Aufstände gestillt, liefen bei Georg erneut Beschwerdebriefe der Richter und Schöppen sowie des Zentners Thomas Mayner ein. Diese berichteten am 30. Juni und 1. Juli, dass sich Amandus, wie zu erwarten, nicht an die Anweisungen gehalten hätte. Durch die zahlreichen Verhandlungen der Räte in Schneeberg, die nie zu einer Bestrafung geführt hätten, fühlte er sich in seinem Tun bestätigt. Darüber hinaus verfüge er über einen großen Anhang in der Stadt, zu dem inzwischen auch höher gestellte Persönlichkeiten zählten. Als sich die Richter geweigert hätten, ihn weiterhin zu bezahlen, wäre es fast zum Tumult in der Stadt gekommen. Georg solle endlich einschreiten, sie wüssten sich selbst nicht mehr zu helfen.218 Nach den Erfahrungen des Bauernkriegs hoffte Georg, dass Johann sich nicht weiter weigern würde, in Schneeberg einzuschreiten. So sandte er seinen Amtmann von Annaberg und dem Schellenberg, Antonius von Kospath, mit einem Verhaftungsbefehl für Amandus zu Johann, mit der Bitte, dass dieser ebenfalls jemanden bevollmächtige, der sich sofort gemeinsam mit Kospath nach Schneeberg begeben könne, um Amandus dort festzunehmen. Darauf ließ Johann durch Friedrich von Thun antworten, dass ihm in der jetzigen Situation die Gefahr, dass es durch die Festnahme von Amandus zu Unruhen käme, die auch auf andere Bergstädte übergreifen könnten, größer erscheine als die Gefahr, dass solches durch die Predigten selbst verursacht werde. Deshalb 217 Ebd., Nr. 868. 218 Vgl. ebd., Nr. 1071 (Richter und Schöppen zu Schneeberg an Georg, 30. Juni 1525); Nr. 1072 (Thomas Mayner, Zentner, an Georg, 1. Juli 1525).
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schlage er lediglich ein nochmaliges Verhör vor. 219 Nach dieser Antwort verwundert es wenig, dass Georg es dabei bewenden ließ. Johann, inzwischen Kurfürst, entschloss sich nun jedoch zum Handeln, und zwar eigenmächtig. Wie er später Georg mitteilte, wandte er sich selbst an Luther und bat ihn, einen geeigneten Prediger für Schneeberg auszusuchen.220 Derweil erteilte er dem Zwickauer Schösser Befehl, nach Ankunft des neuen Predigers mit diesem nach Schneeberg zu reisen, dort Amandus seines Amtes zu entheben, ihn aus den ernestinischen Gebieten auszuweisen und den neuen Prediger einzusetzen.221 Bei dieser Aktion war sich Johann völlig darüber im Klaren, dass er sich damit nicht nur gegen Georg, sondern auch gegen die Schneeberger selbst stellte.222 Deshalb setzte er insbesondere bei der Aufnahme und Unterhaltung des neuen Predigers auf die Hilfe des ernestinischen Zentners Paul Schmidt. 223 Schließlich erschien am 11. August 1525 der Amtmann von Zwickau samt neuem Prediger auf dem Berg. Den Schneeberger Oberen war sofort klar, dass es sich um einen Alleingang Johanns, ohne Wissen und Zustimmung Georgs, handelte. So versäumten sie es nicht, den neuen Prediger darauf hinzuweisen, dass seine Annahme des Einverständnisses Georgs bedürfe. Daraufhin wollte der neue Prediger das Amt nicht annehmen und verließ Schneeberg wieder. 224 Johann hingegen, der sich zur selben Zeit mit Georg in Naumburg traf, bewahrte Stillschweigen über seinen beabsichtigten Coup und verabredete stattdessen mit ihm, 219 Vgl. ebd., Nr. 1076 (Antonius von Kospath an Georg, 7. Juli 1525). 220 „Und seind nit in abreden, das wir an doctor Martinum Luther, als wir nechst zu Witennberg gewest, begert, so er doselbst aynen geschickten man wust, der from und der gotlichen schrift gelert, das er denselben furderlich auf den Sneberg verfertigen wolt.“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1122 (Johann an Georg, 22. August 1525). Mit dem Aufenthalt in Wittenberg kann eigentlich nur die Zeit vom 13.– 16. Juli 1525 gemeint sein, als der Kurfürst zur „Erbholdung“ in der Stadt war. 221 Amandus versuchte vergeblich, mit Hilfe zweier Petitionen an Kurfürst Johann im August 1525 seine Ausweisung aus Kursachsen zu verhindern. Vgl. BRÄUER, Der hinkende Prediger, S. 68, 98f. Später war er Prediger und Pfarrer in reußischen Gebieten. Vgl. Reinhold JAUERNIG, Die Einführung der Reformation in den Reußischen Landen, Gotha 1933, S. 175, 186, 271f., 304f. 222 Diese hatten kurz zuvor in einem Schreiben an Johann und Georg noch gefordert, dass der alte katholische Pfarrer wieder sein Amt versehe. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1106 (Richter und Schöppen zu Schneeberg an Johann und Georg, 10. August 1525). 223 Vgl. ebd., Nr. 1108. Gerade bei der Personalie Paul Schmidt hatten die Räte beider Seiten wenig Fingerspitzengefühl bewiesen. Nachdem dieser wegen seiner Unbeliebtheit im April 1522 als Bergmeister abgesetzt werden musste, war er ab dem Frühjahr 1524 als ernestinischer Zentner tätig. Vgl. LAUBE, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau, S. 218–220. Allein seine Unpopularität dürfte nicht gerade förderlich auf die Bereitschaft der Schneeberger gewirkt haben, den neuen Prediger anzunehmen. 224 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1107 (Richter, Schöppen etc. zu Schneeberg an Georg, 11. August 1525; Thomas Mayner, Zentner, an Georg, 11. August 1525).
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den alten Pfarrer wieder in sein Amt einzusetzen. Am 14. August machte Georg seiner Empörung über Johanns Vorgehen Luft. Nicht nur, dass Johann versucht hatte, ohne jede Abrede, allein einen neuen Prediger auf dem Schneeberg einzusetzen, sondern dieser auch noch von Luther, einem von Papst und Kaiser Geächteten und Verdammten, empfohlen worden war, empfand er als unerhört.225 In seinem Antwortschreiben ging Johann auf die Vorwürfe Georgs, dass er zu eigenmächtigem Handeln in Schneeberg nicht berechtigt sei, gar nicht erst ein. Fast schon lapidar teilte er mit, „dieweil vilferig an uns gelangt, wie das volk daselbst aufm Sneberg, das gotliche wort und h. evangelion zu horen, genaigt, und des alten predigers halben manigfeltige clagen an E.L. und uns gelangt“,226 habe er sich entschlossen, einen neuen Prediger zu bestimmen. Kein Wort mehr von der langwierigen Vorgeschichte und den zahllosen gescheiterten Versuchen, die Angelegenheit in den Griff zu bekommen. An Georg richtete er lediglich die Bitte, den nun vorgeschlagenen Prediger anzunehmen, da der alte katholische Pfarrer, den die Schneeberger wiederhaben wollten, ungeschickt in der Predigt sei. Im Laufe des August und September 1525 erfolgte nun ein Schlagabtausch zwischen beiden Fürsten, bei dem es in erster Linie darum ging, wer überhaupt berechtigt sei, Pfarrer und Prediger auf dem Schneeberg zu bestimmen. Johann begründete sein Handeln folgendermaßen: Dieweil wir aber aus der vom Sneberg vorigen handlung mit annehmung und besoldung des alten predigers vormerken, zudem das wir des sonst auch glaubwirdig bericht worden, das der pfarrer der gotlichen schrift nit gelert und derhalben, das gotlich wort zu verkundigen, ungeschigkt, so hat E.L. zu bedenken, das wir nit allain ursach haben, aynen prediger neben ime zu verordnen, zuvorderst diweil es dy vom Sneberg hievor ausserhalb E.L. ader unser bewilligung selbst getan, sunder uns wold auch geburen, nachdem er von u. br. seligen und uns zu der pfarren angenommen und presentirt, inen derselbigen aus angezaigten ursachen widrumb genzlich zu entsetzen.227
Wie sich hier bereits andeutet und im weiteren Schriftwechsel bestätigt wird, hatten Johann und der verstorbene Friedrich vor Jahren den Pfarrer ohne Einverständnis Georgs eingesetzt.228 Da dieser aber, wie zum einen die Notwendigkeit der Annahme eines zusätzlichen Predigers und zum anderen die zahlreichen Beschwerden über ihn zeigten, völlig ungeeignet war, sah es Johann als sein Recht an, ihn seines Amtes zu entheben. Das Recht, ein Urteil über die Eignung 225 226 227 228
Vgl. ebd., Nr. 1112 (Georg an Johann, 14. August 1525). Ebd., Nr. 1118 (Johann an Georg, 17. August 1525). Ebd., Nr. 1123 (Johann an Georg, 22. August 1525). „Und wissen uns wohl zu erinnern, das […] hz. Friderich, kurf., seliger und E.L. den pfarrer des orts belehnet. Welchs aber, weil der Schneberg mit allem, gar nichts ausgeschlossen, uns semtlichen zugleich zusteht, mehr mit der tat, weder mit recht beschehen. Darauf wir auch dasselb die zeit alsbald angefochten; es ist aber mit andern unentschaiden artikeln […] hangen blieben.“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1125 (Georg an Johann, 28. August 1525).
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eines Pfarrers zu treffen, liegt für Georg dagegen in der Hand des zuständigen Bischofs.229 Auf den Vorwurf Georgs, dass der Vorschlag für den neuen Prediger von Luther kam, einem sich in Acht und Bann befindlichen Ketzer, reagierte Johann gelassen. Und wiewol wir uns, doctor Luthers sachen zu vertreten ader dieselbe zu verantwortn, nit annemen anders, dan wie wir E.L. negst angezaigt, das wir nit anders wissen, dann er sey der h. schryft gelert, des lere wir doch nit weyter, dan sofern er die mit gottlicher clarer schryft ergrundet, gemeint wollen haben, so solt doch E.L. ungezweyfelt sein, so wir befinden konten, das daher ander, dann solcher unfride, dovon Christus unser seligmacher selbst gesagt, erfolgte, das es uns nit weniger, dann E.L. ungefellig, auch unleydlich sein solt.230
Schließlich bot Georg, unter der Bedingung, dass Johann von einseitigen Schritten bei der Absetzung des Pfarrers und Berufung eines Predigers in Schneeberg absieht, Verhandlungen an.231 In seinem Antwortschreiben, das einen vorläufigen Schlusspunkt unter die Kontroverse setzte, zeigte sich Johann gern zu Verhandlungen bereit, betonte aber dezidiert seine Rechte auf die Pfarre in Schneeberg. Zwar wolle man sich nichts anmaßen, „dieweyl es aber mit dem pfarner und desselbigen verordenung also gehalten worden, wie wir E.L. negst geschrieben, so wollen wir uns zu E.L. versehen, auch hiemit freuntlich gebeten haben, E.L. wolle ir, was uns deshalben geburt und zusteet nit lassen entgegen sein“.232 Kein einziges Mal zuvor in diesem sich seit Langem hinziehenden Streit hatte man Johann so entschlossen und klar erlebt wie in diesem Briefwechsel. Die Schneeberger blieben derweil sich selbst überlassen. Als die Räte im September zur turnusmäßigen Berghandlung eintrafen, mussten sie feststellen, dass die von Bergmeister und Vertretern aus Gemeinde und Knappschaft neu gewählten Schöppen Anhänger von Amandus waren. Aus diesem Grund bestätigte man die Neuwahl nicht, sondern setzte die alten Schöppen wieder in ihr Amt ein. Offenbar waren sich die Räte in diesem Vorgehen einig, zumindest vermelden die Albertiner in ihrem Bericht an Herzog Georg keine Unstimmigkeiten. Das Thema Neubesetzung der Pfarr- und Predigerstelle wurde gar nicht erst zur Sprache gebracht, sodass Konflikte von vornherein vermieden wurden.233 Für die nächsten Monate liegen uns keine Quellen vor, die Hinweise darauf geben, dass die Fürsten aktiv versucht hätten, geeignete Geistliche für die Schnee229 „Dann wo derselb pfarrer nit tuglich, so hat er u.o. den bischof zu Freyssingen und Naumburgk zu eynem ordentlichen richter […].“ Ebd. 230 Ebd., Nr. 1131 (Johann an Georg, 1. September 1525). 231 Vgl. ebd., Nr. 1132 (Georg an Johann, 4. September 1525). 232 Ebd., Nr. 1133 (Johann an Georg, 6. September 1525). 233 Ebd., Nr. 1141 (Albertinisches Protokoll über die Verhandlung beiderseitiger Räte in Schneeberg, 22. September 1525). Auf ernestinischer Seite waren die bereits bekannten Räte Wolf von Weißenbach und Nickel von Ende anwesend.
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berger zu finden. Daraufhin ergriff man dort selbst die Initiative. Wohl um Weihnachten 1526 berief der Pfarrer, vielleicht auf Druck der Bevölkerung,234 die offenbar unter der mangelnden geistlichen und seelsorgerischen Betreuung litt,235 einen neuen Prediger. Doch schnell kam es auch mit diesem zu Konflikten. Obwohl er anscheinend einen sehr moderaten und ruhigen Predigtstil pflegte, indem er Streitpunkte wie den Gang zur Beichte und die Annahme des Abendmahls unter beiderlei Gestalt in das Gewissen der einzelnen Gläubigen stellte, erregte er trotzdem Anstoß. Nach dem Bericht des ernestinischen Zentners Paul Schmidt an Johann vom 27. März handelte es sich dabei nur um eine sehr kleine, streng altgläubig gesinnte Gruppe innerhalb Schneebergs, die sich jedoch an Herzog Georg gewandt hatte. Georg hatte daraufhin eine harte Schrift an Richter und Schöppen gesandt, in der sie Befehl erhielten, den Prediger in das Pfarrhaus vorzuladen und zu verhören. Der Prediger, den man mit dieser Aktion völlig zu überrumpeln versuchte, wandte sich daraufhin hilfesuchend an den ernestinischen Zentner. Schmidt führte darauf ein vertrauliches Gespräch mit dem Richter, musste aber schnell feststellen, dass dieser gänzlich auf der Seite Georgs war. Da der offensichtliche Plan war, den Prediger mit Hilfe der albertinischen Räte auf der nächsten Berghandlung wieder loszuwerden, und dafür die Bereitschaft bestand, durch eine gewisse Verweigerungshaltung in Bezug auf seine Bezahlung die Sache voranzutreiben, bat Paul Schmidt Johann nun darum, den Schneebergern zu helfen, dass ihnen der Prediger erhalten blieb.236 Bei der nun anstehenden Zusammenkunft der Räte baten die Schneeberger, um die Streitigkeiten bei der Besetzung von Pfarre und Predigtamt ein für alle Mal zu beenden, dass ihnen das Patronatsrecht übertragen werde, wozu die Räte natürlich nicht berechtigt waren. Dafür machten die Ernestiner in wiederum zuvor selten erlebter Deutlichkeit klar, was sie von den Wünschen Georgs, über Prediger, Messe und Abendmahl zu bestimmen, hielten. So erklärten sie Richter, Schöppen und Gemeinde, dass sie in weltlichen Dingen beiden Herren gleichsam gehorsam zu sein hätten, in Dingen des Glaubens jedoch frei seien und Herzog Georg keinerlei Recht dazu hätte, ihnen vorzuschreiben, wie Messe und Sakrament zu feiern 234 Im Frühjahr 1526, als er sich bereits mit dem neuen Prediger im Streit befand, musste er sich von den albertinischen Räten mangelnde Sorgfalt bei der Auswahl des Predigers vorwerfen lassen. So sollte ihm vorgehalten werden, dass er „hinfurder sich wol vorsehen, wann er eynen zum prediger annymt, das er wisse, wue zuvorn und welcher gestalt er gepredigt, und das er ye keinen ausgelaufenen monch ader sunst vorlaufenen priester annehme, wie dann der yetzige von wegen seiner ungeschickten predig solle innegesessen haben“. Ebd., Nr. 1231 (Instruktion der albertinischen Räte zur Verhandlung mit den ernestinischen Räten zu Schneeberg, 4. April 1526). 235 Noch bei einem Treffen der Räte in Wurzen im Januar 1526 kam zur Sprache, dass sich das Volk beklagt, „das es am gotlichen wort mangel het“. Ebd., Nr. 1202 (Albertinischer Bericht über die Verhandlungen beiderseitiger Räte in Wurzen, nach dem 15. Januar 1526). 236 Ebd., Nr. 1225 (Paul Schmidt an Johann, 27. März 1526).
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wären.237 Nachdem sowohl Pfarrer als auch Prediger bezüglich ihrer Streitigkeiten von den Räten verhört worden waren, kam man zu dem Ergebnis, dass beide sich vertragen und mit Fleiß dem Volk Gottes Wort predigen sollen, ohne es zu Aufruhr zu verführen. So blieb alles zunächst beim Alten, woran sich im Laufe des Jahres 1526 auch nichts änderte.238 Erneut in Fahrt kam die Angelegenheit, als Georg erfuhr, dass sich der Prediger Mülfers verheiratet hatte und der neu gewählte Richter auf dem Schneeberg der evangelischen Lehre anhing. Darüber hinaus sollte er dem Prediger aus Joachimsthal, Hans Schlaginhaufen, geholfen haben, ein Haus in Schneeberg zu erwerben. Nun halte dieser deutsche Messen auf dem Schneeberg und lasse die Frauen im Gottesdienst mitsingen. 239 Offenbar spürte Georg, dass ihm die Entwicklungen aus den Händen glitten. Was er nun von den Schneebergern forderte, war ein klares Bekenntnis: „[…] so ist unser ernst beger an euch itzlichen in sonderheit, ir wollet uns anzaygen eyn ydern mit namen, welcher des gehorsams der Christlichen kirchen und unsers befelhs leben will […].“ 240 Mülfers, der sich ja faktisch durch seine Verheiratung selbst seines Amtes enthoben habe, solle, genau wie Schlaginhaufen, dem Bischof zur Bestrafung ausgeliefert werden. Georg drohte für den Fall des Ungehorsams mit scharfen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ehre Gottes, des Gehorsams gegenüber der christlichen Kirche und der kaiserlichen Majestät. In dieser Situation konnten die Schneeberger geschickt die Fürsten gegeneinander ausspielen. So erklärten sie in ihrem Antwortschreiben, dass sie gern den Befehlen Georgs nachkommen würden, aber dagegen steht, dass ihnen immer wieder von den beiderseitigen Räten befohlen wurde, nur die Dinge auszuführen, denen beide Fürsten zugestimmt hätten. Da von Johann keine Zustimmung vorliege, ginge es leider nicht. Im Übrigen trügen sie keine Verantwortung dafür, dass sich ihr Prediger verheiratet und einen Hausstand gegründet hätte.241 Dieses durchaus selbstbewusste Schreiben konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schneeberger in ernster Sorge waren, dass ihnen durch 237 Ebd., Nr. 1237 (Albertinisches Protokoll der Verhandlungen beiderseitiger Räte auf dem Schneeberg, 9. April 1526). 238 Zwar empfingen Knappschaft und Gemeinde bei den Treffen der beiderseitigen Räte gegensätzliche Ermahnungen bezüglich der Messe und des Abendmahls, aber offenbar hatte man sich in Schneeberg damit arrangiert. Ebenso wurde von ernestinischer Seite bei jedem Treffen auf deren alleiniges Pfarrverleihungsrecht verwiesen, was von albertinischer Seite freilich hart bestritten wurde. Vgl. ebd., Nr. 1325 (Albertinisches Protokoll der Verhandlungen beiderseitiger Räte auf dem Schneeberg, 23. September 1526). 239 Vgl. ebd., Nr. 1363 (Thomas Mayner, albertinischer. Zentner, an Antonius Kospath, Amtmann zu Annaberg und Schellenberg, 15. Dezember 1526). 240 Ebd., Nr. 1369 (Georg an Richter, Schöppen und ganze Gemeinde in Schneeberg, 29. Dezember 1526). 241 Ebd., Nr. 1378 (Richter, Schöppen und ganze Gemeinde in Schneeberg an Georg, 1. Januar 1527).
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Georg nicht nur der evangelische Prediger entzogen werden sollte, sondern auch all denjenigen Bestrafung durch den Herzog drohte, die sich zur evangelischen Lehre bekannten. Folgerichtig wandten sie sich am 3. Januar 1527 an Kurfürst Johann und baten ihn darum, ihnen anzuzeigen, wie sie sich weiter verhalten sollten.242 Die Drohungen Georgs hatten zu diesem Zeitpunkt eine besondere Brisanz, da bereits Verhandlungen über den Verzicht Georgs auf Schneeberg gegen die Zahlung einer Entschädigung begonnen hatten.243 Allerdings kamen diese nur schleppend voran. Auf diese Verhandlungen Bezug nehmend, bat Johann seinen Vetter am 8. Januar, dort von Sonderbefehlen abzusehen.244 Den Schneebergern teilte er mit, dass er mit Georg in Verhandlungen stehe und ihn gebeten habe, „dweil sich berurter handlung halben etwas bequemigkait zugetragen, das s.l. mit solchen […] gescheften und geboten an euch […] wollten stillerstehen“.245 Sie selbst sollten sich in der Zwischenzeit ebenfalls ruhig halten und den Forderungen Georgs nicht nachkommen. Da Georg die Schneeberger nach wie vor auch als seine Untertanen ansah, unterließ er es jedoch nicht, ihnen in einem Schreiben vom 19. Januar seine Unzufriedenheit darüber mitzuteilen, dass sie seinen Befehlen nicht nachkämen. Entscheidender ist jedoch seine Drohung, dass er zwar im Moment in Schneeberg nichts ausrichten kann, jedoch, sobald sich einer von ihnen in albertinisches Territorium begibt, diese mit Bestrafung zu rechnen haben. Dem könnten sie jedoch noch durch ein Bekenntnis zur rechten Lehre begegnen.246 Auch wenn sich Georg an dieser Stelle kämpferisch gibt, die Briefe von 29. und 31. Januar 1527 zeugen jedoch davon, dass er inzwischen in dem Streit zur Resignation neigte. So teilte er den Schneebergern mit, dass er, trotz gegenteiliger Beteuerungen ihrerseits, sehr wohl sehe, dass sie mehr der kurfürstlichen Haltung zuneigten statt an den althergebrachten Sachen festzuhalten. Er wisse schon, wer den Prediger bei seiner Eheschließung unterstützt habe und wer ihm freundlich zugetan sei. Außerdem ist ihm klar, dass die Schneeberger den alten katholischen Pfarrer lieber heute als morgen vertreiben würden. Er belasse es aber erstmal bei 242 Ebd., Anm 1 (Richter, Schöppen, Verordnete der Gemeinde und Viertelsmeister an Johann, 3. Januar 1527). Diesem Schreiben fügten sie Kopien von Georgs Brief sowie ihrer Antwort bei. Parallel dazu wandte sich auch der Zentner Paul Schmidt mit der Bitte an Johann, nicht zuzulassen, dass das Evangelium auf dem Schneeberg umgestoßen werde. 243 Neben den beiderseitigen Räten waren zu diesen Verhandlungen Albrecht von Mansfeld und Wolf von Schönburg als Unterhändler bestellt. 244 ABKG, Bd. 2, Nr. 1382 (Johann an Georg, 8. Januar 1527). 245 Ebd., Nr. 1396, Anm. 2 (Johann an Richter, Schöppen und ganze Gemeinde in Schneeberg, 8. Januar 1527). 246 Ebd., Nr. 1391 (Georg an Schöppen und Gemeinde von Schneeberg, 19. Januar 1527).
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den Sachen des vorherigen Briefes.247 Ohne Zweifel stellt die Absicht Georgs, gegen eine Entschädigung seine Anteile am Schneeberg Kurfürst Johann zu überlassen, eine Art Kapitulation dar.248 Sie bildet insofern einen Schlusspunkt unter die jahrelangen Streitigkeiten um das religiöse Schicksal dieser bedeutenden Bergbauregion. Die Taktik Johanns, dem Albertiner in der Frage des evangelischen Predigers nicht entgegenzukommen, hatte sich ausgezahlt. Wenn Johann im Juni 1524 Kurfürst Friedrich davon überzeugte, an dem Prediger Georg Amandus festzuhalten, obwohl dieser sich als notorischer Unruhestifter erwiesen hatte, dann ist dies nicht nur als religiöses Bekenntnis zu werten, sondern auch als eine taktische Entscheidung in Hinblick auf die Wahrung ernestinischer Interessen. Gleiches gilt für die Anpassung Johanns an den lavierenden Politikstil des Bruders, der es Herzog Georg letztlich unmöglich machte, eine ihm genehme Lösung herbeizuführen. Als sich Johann nach seiner Regierungsübernahme zu einem entschiedeneren Handeln entschloss, geriet er damit nicht nur in Gegensatz zu Herzog Georg, sondern auch zu den Schneebergern selbst, die nun ihrerseits die Streitigkeiten zwischen den Fürsten nutzten, um eine einseitige Lösung zu blockieren. An dieser Stelle musste letztlich beiden Fürsten klar werden, wie gering die Handlungsspielräume des Einzelnen aufgrund der divergierenden Interessen im Zweifel waren.
4.4. Mühlhausen und Nordhausen MÜHLHAUSEN UND NORDHAUSEN
Wie soeben gezeigt, waren Gebiete, die einer gemeinsamen Verwaltung von Ernestinern und Albertinern unterstanden, prädestiniert, zu Kristallisationspunkten für die Konflikte zwischen den beiden wettinischen Linien zu werden. Ein Blick auf die beiden Reichsstädte Nordhausen und Mühlhausen, welche die gemeinsame Schutzherrschaft durch die Wettiner einte, soll zeigen, wie sich dort die Verhältnisse mit dem Aufkommen der Reformation entwickelten. Die Ausgangssituationen vor dem Bauernkrieg waren in den beiden Städten sehr unterschiedlich. Nordhausen war mit unter 5.000 Einwohnern deutlich kleiner als Mühlhausen, das mit ca. 7.500 Einwohnern eine der größten und bedeutendsten Städte Mitteldeutschlands zu jener Zeit war. Während Mühlhausen über ein größeres eigenes Territorium verfügte, über das der Rat die Herrschaft ausübte, hatte Nordhausen keinen nennenswerten Grundbesitz außerhalb der Stadtmauern, sodass Getreide und Nahrungsmittel von außerhalb eingeführt werden mussten, während die Bevölkerung hauptsächlich ihren Lebensunterhalt 247 Ebd., Nr. 1401 (Georg an Schöppen und Gemeinde von Schneeberg, 29. Januar 1527). 248 Ebd., Nr. 1402 (Georg an Johann, 31. Januar 1527).
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durch Handel und Gewerbe verdiente. Mühlhausen dagegen kann als Ackerbürgerstadt bezeichnet werden, eine Prägung, die sich die Stadt bis ins 19. Jahrhundert hinein bewahrte. Die Händler und Handwerker, die nur selten überregional tätig waren, verfügten häufig zusätzlich über verhältnismäßig großen Grundbesitz außerhalb der Stadt. Trotzdem lebte die Mehrheit der Bevölkerung in wirtschaftlich eher schwierigen Verhältnissen, da mit der Verlagerung des Handelsschwerpunktes von Erfurt nach Leipzig Mühlhausen seine Zwischenhandelsfunktion verloren gegangen war. Dies führte bald zu sozialen Spannungen in der Stadt. In Nordhausen war die Lage dagegen weniger angespannt, dies zeigen unter anderem die im Frühjahr 1525 vom Rat anberaumten Bürgerversammlungen, bei denen den Bürgern Gelegenheit gegeben wurde, Missstände anzusprechen und deren Abstellung zu fordern. Diese Bürgerbefragungen ergaben jedoch keine nennenswerten Klagen gegen den Rat.249 Auch die Reformation nahm in beiden Städten unterschiedliche Entwicklungen. Während Nordhausen für eine lutherisch gesinnte Reformation in gemäßigten Bahnen steht, nahm in Mühlhausen mit Heinrich Pfeiffer und Thomas Müntzer die Reformation einen spannungsreichen und von Luther abweichenden Weg. Nordhausen versuchte, ähnlich wie die befreundeten Städte Erfurt und Goslar, immer wieder die Mühlhäuser dazu zu bewegen, die aufrührerischen Prediger auszuweisen, doch diese Mahnungen fruchteten wenig. In Nordhausen ist die Einführung der evangelischen Predigt fest mit dem Namen Lorenz Süsse verbunden. Im Februar 1522 präsentierten die Kirchvorsteher der Petrigemeinde den gerade erst ausgetretenen ehemaligen Prior des Nordhäuser Augustinereremitenklosters dem Reichsstift St. Crucis, das die Wahl der Gemeinde bestätigen musste. Dies geschah, trotz Süsses Vergangenheit, ohne Probleme.250 Herzog Georg wurde darüber durch ein Schreiben des Nordhäuser Bürgermeisters informiert,251 ihm blieb nichts als es hinzunehmen, dass ein entlaufener Mönch rechtlich korrekt auf eine Pfarrstelle in Nordhausen gelangt war. Auch in den folgenden Jahren agierte der Stadtrat so geschickt, dass es ihm stets gelang, gemäßigte evangelische Prediger formal korrekt auf eine Pfarrstelle zu bringen.252 In Mühlhausen stellte sich die Situation anders dar. Hier verknüpften sich religiöse mit politischen Forderungen. Unter dem Eindruck des seit Februar 1523 in der Stadt predigenden ehemaligen Zisterziensermönchs Heinrich Pfeiffer253 249 Vgl. Ernst KOCH, Geschichte der Reformation in der Reichsstadt Nordhausen am Harz, Nordhausen 2010, S. 84f. 250 Vgl. KOCH, Geschichte der Reformation in Nordhausen, S. 51. 251 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 308 (Amtmann zu Salza an Georg, 25. Februar 1522). 252 Vgl. KOCH, Geschichte der Reformation in Nordhausen, S. 61f. 253 Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1087 (Rat von Mühlhausen an den Rat von Nordhausen, 11. Februar 1523).
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formierte sich eine Opposition, die nach und nach einen Forderungskatalog zur Beseitigung von politischen und kirchlichen Missständen aufstellte, der auf eine moderate Umgestaltung der bestehenden Verhältnisse hinauslief.254 Natürlich war Herzog Georg durch seine Amtleute bestens informiert über die Vorgänge in Mühlhausen und Nordhausen. Es verwundert kaum, dass sich der Albertiner recht bald schriftlich an sie wandte. So erging an beide Städte am 18. Mai 1523 ein Schreiben, in dem Georg davor warnte, abtrünnigen, der neuen Lehre anhängenden Mönchen und ihren Anhängern zu folgen, da dies gegen kaiserliche Mandate verstoße.255 Einen Tag später schrieb Georg noch einmal direkt an Mühlhausen, da ihm die Klageschrift eines Priesters zugekommen war, der sich darüber beschwerte, dass ihm in seiner Abwesenheit Eigentum entwendet wurde und man sich nun weigere, es ihm wieder zurückzugeben. Georg bringt dies klar mit dem Eindringen der neuen Lehre in Mühlhausen in Zusammenhang und weist den Rat an, dem Priester schleunigst das Seinige zurückzugeben.256 Der Mühlhäuser Rat antwortete am 8. Juni recht allgemein und ausweichend, indem er schrieb, dass er versuchen wolle, dem kaiserlichen Mandat, „so viel mogelich auch nachzugeleben“.257 Trotzdem stand der Rat den meisten Forderungen Pfeiffers und seiner Anhänger ablehnend gegenüber,258 sodass es am 3. Juli 1523 zu einem Aufstand in der Stadt kam, bei dem die Stadtklöster angegriffen und geplündert wurden. Danach sah sich der Rat gezwungen, dem Abschluss des Mühlhäuser Rezesses zuzustimmen, um wieder Ruhe in die Stadt zu bringen. 259 Darin machte man gewisse Zugeständnisse vor allem an das Kleinbürgertum. 260 Doch der Rat versuchte vor allem, die Festlegungen des Rezesses zur Einführung der Reformation zu umgehen. Nach einigen Drohungen gegenüber katholischen Pfarrern gelang es ihm schließlich, auch die Opposition, die offensichtlich durch die mehrheitliche Erfüllung ihrer politischen Forderungen zufriedengestellt war, davon zu überzeugen, dass die evangelischen
254 Zur Entstehungsgeschichte des Mühlhäuser Rezesses vgl. Gerhard GÜNTHER, Der Mühlhäuser Rezess vom 3. Juli 1523, in: Gerhard BRENDLER (Red.), Die frühbürgerliche Revolution in Deutschland. Referat und Diskussion zum Thema Probleme der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland 1476–1535, Berlin 1961, S. 167–183. 255 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 512 (Georg an die Räte von Mühlhausen und Nordhausen, 18. Mai 1523). 256 Ebd., Nr. 513. 257 Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1090. 258 Vgl. GÜNTHER, Der Mühlhäuser Rezess, S. 171–173. 259 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 540 (Herzog Georgs Schilderung der Ereignisse vom 3. Juli in Mühlhausen an Statthalter und Reichsregiment in Nürnberg, 1. August 1523). 260 Der Rezess ist gedruckt in: AGBM, Bd. 2, Nr. 1093. Vgl. auch GÜNTHER, Der Mühlhäuser Rezess, S. 173–178.
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Prediger eine Gefahr für den Frieden in der Stadt bedeuteten. 261 Schließlich wurden Heinrich Pfeiffer und Matthäus Hisolidus im August 1523 aus Mühlhausen ausgewiesen. Der Rat bat stattdessen den Komtur des deutschen Ordens um einen neuen Prediger.262 Pfeiffer, der ohne Verhör und Gerichtsverfahren Mühlhausen verlassen musste, wandte sich einige Zeit später mit einem Schreiben an Herzog Johann. Darin brachte er zum Ausdruck, dass er des Evangeliums halben aus Mühlhausen vertrieben worden sei und bat Johann darum, „mich armen mit einer forschrift zu begnaden“.263 Johann zögerte offenbar nicht, dem Rat von Mühlhausen mitzuteilen, dass sie Pfeiffer wieder aufnehmen sollen, 264 was um die Jahreswende 1523/24 auch geschah. Weiter in die Angelegenheiten Mühlhausens wurde Herzog Johann hineingezogen, als die Bewohner der Stadt, sich auf die Bestimmungen des Rezesses berufend, dem Abt des Klosters Volkenroda die Zahlung seiner Einkünfte verweigerten. Nach mehrmaligen Klagen des Abtes bei Herzog Georg 265 brachte dieser die Angelegenheit vor das Reichsregiment. 266 Johann wurde nun am 22. Februar 1524 von diesem aufgefordert, mit Rat und Bürgermeister von Mühlhausen über die Beschwerden des Abts von Volkenroda und des Landkomturs des Deutschen Ordens zu verhandeln.267 Johann scheint über die ihm zugewiesene Rolle als Schiedsrichter nicht besonders erfreut gewesen zu sein, zumindest wurden die Verhandlungen aus verschiedenen Gründen immer wieder hinausgeschoben. 268 Schließlich kam man am 10./11. August 1524 in Weimar zusammen, um die Streitigkeiten zu beraten und beizulegen. Johann schlug den Parteien einen Abschied vor, der im Wesentlichen darauf hinauslief, die Geistlichen in ihren bisherigen Rechten zu belassen.269 Die beteiligten Parteien baten daraufhin um Bedenkzeit, die ihnen Johann bis zum 28. August
261 Diese Wendung lässt sich wohl darauf zurückführen, dass die Führer der Opposition, die sogenannten Achtmänner, nicht den armen Schichten der Vorstädte entstammten, sondern dem wohlhabenden Kleinbürgertum, dem aber bisher der Zugang zum Rat und damit zur politischen Mitbestimmung verwehrt war. Deren Augenmerk lag wohl in erster Linie auf einer Veränderung der politischen Verhältnisse in der Stadt. 262 AGBM, Bd. 2, Nr. 1099 (Rat zu Mühlhausen an den Landkomtur des Deutschen Ordens, nach Ende August 1523). 263 Ebd., Nr. 1101 (Pfeiffer an Herzog Johann, Anfang November 1523?) 264 Ebd., Anm. 2 (Johann an den Rat von Mühlhausen, 10. November 1523). 265 Vgl. ebd., Nr. 1104a (Abt von Volkenroda an Herzog Georg, 2. Februar 1524). 266 Dies geht aus einem Schreiben Georgs an Johann hervor. Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 615 (11. März 1524). 267 Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1109 (Reichsregiment an Herzog Johann). 268 Vgl. GÜNTHER, Der Mühlhäuser Rezess, S. 181. 269 AGBM, Bd. 2, Nr. 1126b (11. August 1524).
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gewährte. Der Rat von Mühlhausen nahm den von Johann vorgeschlagenen Rezess jedoch nicht an und wollte sich stattdessen lieber an den Kaiser wenden.270 Die Lage in Mühlhausen spitzte sich weiter zu, als Thomas Müntzer sich nach seiner Flucht aus Allstedt im August 1524 nach Mühlhausen wandte. Luther, der wahrscheinlich durch Johanns Hofprediger Wolfgang Stein von dem Gerücht erfahren hatte, dass Müntzer sich nach Mühlhausen abgesetzt hatte,271 versuchte zwar, den Rat und die Gemeinde davor zu warnen, sich auf diesen „falschen geyst und propheten, der in schaffs kleiydern daher gehet und ist inwenig eyn reyssender wolff“ einzulassen,272 doch der Rat war zunächst machtlos. Zwar wandte man sich umgehend an Wolfgang Stein in Weimar, um von diesem zu erfahren, ob Müntzer Kursachsen im Guten verlassen hatte, 273 doch offenbar war die Antwort aus Weimar nicht dazu angetan, um gegen Müntzer verwendet zu werden.274 Nur wenige Wochen nach seiner Ankunft kam es am 19. September 1524 zu einem erneuten Aufstand der Stadtbevölkerung. Dabei wurden die Kirchen gestürmt, Bilder und Reliquien entfernt und zerstört. Bürgermeister und Teile des Rats flohen in das albertinische Amt Salza.275 Mit Hilfe der Bauern aus den zu Mühlhausen gehörenden Dörfern gelang es dem Rat jedoch, wieder Herr der Lage zu werden, was mit dem Beschluss einherging, am 27. September Pfeiffer und Müntzer auszuweisen. In den nächsten Wochen gingen bei Herzog Georg und Landgraf Philipp zahlreiche Klagen sowohl der beiden entflohenen Bürger-
270 Ebd., Anm. 1. 271 Wolfgang Stein begleitete Luther auf seiner Predigtreise in das durch schwärmerische Predigten aufgewiegelte Saaletal im August 1524. 272 Vgl. WA Werke, Bd. 15, S. 238–240. 273 „Sonnabends nach Bartholomaei [27. Aug.] schreibt der Rat an Magistrum Wolfgangum, wie dass sich Thomas Münzer, vor Zeiten Prediger zu Allstedt, in kurzen Tagen in die Stadt Mühlhausen begeben hätte und zu predigen unterstanden, und hange das Volk sehr an ihm, bitten derhalben berichtete zu werden, ob er auch von den Herren und Herzögen zu Sachsen mit Güte abgeschieden wäre. Diese Zeit hat Dr. Martinus an [den] Rat geschrieben und sie vor Müntzer gewarnet, aber er war schon in der Stadt.“ Günther FRANZ (Hg.), Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs, Darmstadt 1963, Nr. 164, Chronik der Stadt Mühlhausen. 274 Die Anfrage des Mühlhäuser Rats wurde von Stein wahrscheinlich an Herzog Johann weitergeleitet. Seine Antwort ist jedoch nicht erhalten. Walter ELLIGER versuchte jedoch anhand verschiedener Anhaltspunkte diese zu rekonstruieren. Vgl. dazu ELLIGER, Müntzer, S. 572–574. 275 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 738 (Amtmann zu Salza an Herzog Georg, 26. September 1524). Nicht zuletzt die Flucht der beiden Bürgermeister, deren anmaßendes Handeln zunächst für Empörung gesorgt hatte, lösten die mehrere Tage andauernden Unruhen aus. Vgl. ELLIGER, Müntzer, S. 577f.
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meister, denen die Wiederaufnahme in die Stadt verwehrt wurde, 276 als auch verschiedener Klöster ein, deren Insassen bedroht oder vertrieben wurden, deren Besitz gestohlen wurde und denen ihre Einkünfte vorenthalten wurden.277 Inzwischen war Heinrich Pfeiffer wiederum nach Mühlhausen zurückgekehrt, der Rat hatte daran nichts ändern können, da er in der Bevölkerung nicht mehr genügend Rückhalt hatte.278 Die Chronik der Stadt liefert ein eindringliches Bild davon, wie sich die Situation in den nächsten Wochen zuspitzte.279 Am 11. Januar 1525 sandte Herzog Georg die Beschwerde des Dominikanerkonvents Mühlhausen an Johann, verbunden mit der Bitte, die Räte zusammenzuschicken, um als Schutzfürsten eine Stellungnahme zu den Vorgängen in der Stadt zu besprechen.280 Kurze Zeit später kamen beiderseitige Räte in Naumburg zusammen. Während Herzog Georg harte Schritte gegen Mühlhausen vorschlug, nämlich der Stadt die Schutzherrschaft aufzukündigen und sie mit Waffengewalt für ihr Tun zu bestrafen,281 verweigerten die ernestinischen Räte dies unter dem Hinweis, dass es „i. kfl. und f.g. nicht geburen wolte, ane irsuchung der von Mulhausen etwas zu tuen, zu schreiben, zu gebiten, aber zu befhelen“. Bisher liege ihnen lediglich die von Georg an Johann übersandte Klageschrift der Dominikanermönche vor, in dieser Sache wäre man gern bereit, über ein Schreiben an den Rat von Mühlhausen zu verhandeln. Als die albertinischen Räte aber auf harte Strafmaßnahmen drängten, stießen sie bei den Ernestinern auf Totalverweigerung. So zeigten sich die Räte am Ende nicht einmal dazu bereit, die Vorschläge Herzog Georgs vor ihre Herrn
276 Vgl. ABKG, Bd. 1, Nr. 745 (Herzog Georg und Landgraf Philipp an Bürgermeister, Rat und Gemeinde zu Mühlhausen, 11. Oktober 1524); Nr. 772 (Herzog Georg an Landgraf Philipp, 28. Dezember 1524). 277 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 774 (Konvent der aus Mühlhausen vertriebenen Dominikaner an Herzog Georg, 5. Januar 1525); Nr. 779 (Amtmann von Salza an Herzog Georg, 9. Januar 1525) sowie AGBM, Bd. 2, Nr. 1147 (Provinzial des Predigerordens zu Sachsen an das Reichsregiment in Esslingen, 11. Januar 1525). 278 Die Mühlhäuser Chronik berichtet, dass in der Abwesenheit Müntzers und Pfeiffers drei ehemalige Mönche das Evangelium unter großem Zulauf der Bevölkerung in Mühlhausen predigten. FRANZ, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs, Nr. 164. 279 Ebd., Nr. 166. 280 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 781. 281 Vgl. ebd., Nr. 787. (Instruktion für die albertinischen Räte zu den Verhandlungen mit den Ernestinern am 6. Februar in Naumburg). Die gleichen Vorschläge unterbreitete Georg auch den Räten Landgraf Philipps, mit denen man sich am 13. Februar in Treffurt traf (ebd., Nr. 788). An den Verhandlungen nahm auch der Rat von Mühlhausen teil. Allerdings erfuhr dieser nichts von den geplanten Strafmaßnahmen gegen die Stadt, in denen sich Georg und Philipp einig waren. Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1159, 1160.
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zu bringen. 282 Hans von der Planitz, der als ehemaliger Gesandter an das Reichsregiment die Konfrontation mit Herzog Georg nicht scheute, berichtete schließlich völlig unverblümt an den Kurfürsten, wie ihre Haltung in Naumburg angekommen war: „Das wyr uns aber mit den herzog Jorgischen yrem ansynnen noch der von Muhlhausen halben nicht voreynigen wolten, trugen sie nicht kleynen misfallen, wie dann yre gewonheyt ist, woe man yrs wyllens nicht geleben will.“283 Als schließlich Thomas Müntzer Ende Februar 1525 ebenfalls nach Mühlhausen zurückkehrte, hatte Pfeiffer mit der vielbeklagten Aufhebung der Klöster in der Stadt bereits die Voraussetzung dazu geschaffen, dass Müntzer Prediger an der Marienkirche werden konnte. Müntzer wurde jedoch nicht vom Rat berufen, sondern in freier Pfarrerwahl der Gemeinde gewählt. Innerhalb kürzester Zeit kam es nun zu weitreichenden Veränderungen in Mühlhausen. So wurde nicht nur eine strenge militärische Ordnung eingeführt, um die Stadt auf den Verteidigungsfall vorzubereiten, sondern auch beschlossen, den alten Rat abzusetzen und einen neuen „ewigen Rat“ zu wählen. Ebenso wurde das alte Kirchenwesen beseitigt und die Säkularisierung eingeleitet.284 Obwohl Herzog Georg aufgrund der beunruhigenden Berichte aus Mühlhausen noch mehrmals versuchte, sich mit Johann über Beratungen bezüglich eines gewaltsamen Eingreifens zu verständigen, gelang ihm dies nicht.285 Von kursächsischer Seite zeigten weder Johann noch Friedrich Interesse daran, die Gewalttätigkeiten rund um Mühlhausen durch frühzeitiges Einschreiten zu unterbinden. Dies hatten auch die betroffenen geistlichen Orden in Mühlhausen bereits registriert. So zeigt ihr Schriftwechsel mit dem Reichsregiment, dass sie lediglich von Herzog Georg und Landgraf Philipp Hilfe erwarteten. 286 Der Aufforderung des Reichsregiments, mit Mühlhausen über eine Entschädigung und die Wiedereinsetzung der Dominikaner und Franziskaner zu verhandeln,287
282 Was sie natürlich dennoch in ihrem Bericht an Kurfürst Friedrich taten. Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1151 (Bericht der ernestinischen Räte über die Verhandlungen in Naumburg) sowie ABKG, Bd. 2, Nr. 802 (Bericht der albertinischen Räte an Herzog Georg). 283 Ebd., Anm. 1 (Hans von der Planitz an Friedrich den Weisen, 9. Februar 1525). 284 Vgl. FRANZ, Quellen zur Geschichte des Bauernkriegs, hier bes. S. 496–498, Nr. 166; ABKG, Bd. 2, Nr. 834 (Bericht des Amtmanns von Salza an Herzog Georg über die Vorgänge in Mühlhausen, nach dem 17. März 1525). 285 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 828, 838. Auch Landgraf Philipp gab seine endgültige Zustimmung zum bereits von Herzog Georgs Räten im Februar 1525 unterbreiteten Vorschlag, Mühlhausen militärisch zu strafen, erst Mitte April 1525. Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1180 (Ratschlag Philipps betreffs Mühlhausen). 286 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 842, Anm. 1, 2. 287 Obwohl Dominikaner und Franziskaner vom Reichsregiment explizit die Einsetzung Georgs und Philipps als kaiserliche Kommissare forderten, die ihnen wieder zu ihren angestammten Rechten verhelfen sollten, richtete das Regiment sein Schreiben mit dem
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gedachten die Fürsten auf einem Tag zu Sondershausen am 23. Mai 1525 nachzukommen. Johann, der beauftragt worden war, den Tag auszuschreiben und die Mühlhäuser vorzuladen, versuchte, die Angelegenheit hinauszuzögern. Am 20. April erhielt er deshalb nicht nur ein Erinnerungsschreiben von Georg, sondern der Vetter sandte, die Verzögerungstaktiken der Ernestiner genau kennend, auch gleich einen Entwurf für die Vorladung Mühlhausens mit. In seinem Brief machte Georg mehr oder minder direkt klar, dass er befürchte, Johann würde ein zu allgemein gefasstes Schreiben ausgehen lassen, das die Mühlhäuser in die Position versetzen könnte, sich durch Vorschützen von Unklarheit über den Verhandlungsgegenstand der Angelegenheit zu entziehen.288 Doch dafür war es nun zu spät. Ende April 1525 erreichten die Unruhen auch Mühlhausen. Während Herzog Georg und Landgraf Philipp ihre Truppen am 15. Mai vor Frankenhausen vereinten, um die Bauern vernichtend zu schlagen, wartete Johann in Weimar weiterhin ab. Schließlich erklärte er sich bereit, mit nach Mühlhausen zu ziehen, um die Stadt, die als Ursprung allen Aufruhrs und aller Empörung angesehen wurde, zu strafen.289 Ob hinter dem Gegenvorschlag Georgs und Philipps, Johann solle lieber in Thüringen bleiben „damit E.L. gehorsamen undertan desto mer trostes und die andern mutwilligen sovil mer ufsehens haben musten“ und stattdessen seinen Sohn Johann Friedrich zu ihnen nach Mühlhausen schicken, wirklich der Wunsch stand, die Geschehnisse in der Region besser unter Kontrolle halten zu können oder eher die Sorge, Johann könnte ein weiteres Vorgehen wiederum verzögern, muss dahingestellt bleiben.290 Johann jedenfalls ging auf den Vorschlag nicht ein, sondern rüstete sich, um, wie ursprünglich geplant, am 22. Mai vor Mühlhausen zu erscheinen.291 Sein Fernbleiben in der Schlacht von Frankenhausen dagegen nahm der Mühlhäuser Rat als Ermutigung,
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Auftrag zur Verhandlung mit Mühlhausen wegen Entschädigung und Wiederaufnahme der Orden auch an Johann. Vgl. ebd. (24. März 1525). „Wann aber in der schrift, so an die von Molhausen ausgehen sall, ursachen, warumb sie gefordert, nit ausgedruckt wyrdet, ist zu besorgen, das yre geschigkten eyn ... ausflucht suchen mochten aus dem, dieweyl den von Molhausen die sachen, darumb sy dahyn abgefertigt, unbewust gewesen, so wer ynen nichts weyters, dann was ynen furgehalten, dasselbe anzuhoren und widerumb hynder sich zu brengen, befolhen, dadurch der tag und handel vergebens seyen und zuruckgehen wurd, und sy dennoch dy weil in irem bossen vornemen bharren mochten.“ Ebd., Nr. 857 (Georg an Johann und Friedrich, 20. April 1525). Der Entwurf für das Vorladungsschreiben, ebd., Anm. 1. Allerdings gab es auch hier einige Meinungsverschiedenheiten, so warf Herzog Georg sowohl Johann als auch Philipp vor, flüchtige Aufständische nicht konsequent genug zu verfolgen, sodass diese ihrer gerechten Strafe entgehen würden. Vgl. bspw. ABKG, Bd. 2, Nr. 1420. AGBM, Bd. 2, Nr. 1465 (Herzog Georg, Herzog Heinrich d. J. und Landgraf Philipp an Johann, 16. Mai 1525). Vgl. ebd., Nr. 1492 (Johann an Herzog Georg, Herzog Heinrich und Landgraf Philipp, 18. Mai 1525).
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Johann um Fürsprache bei Herzog Georg und Landgraf Philipp zu bitten, um auf dem Verhandlungsweg doch noch einen Angriff auf die Stadt zu verhindern.292 Johann leitete die Mühlhäuser Bitte an Georg und Philipp weiter und erbat deren Meinung dazu. Er selbst positionierte sich in seinem Begleitschreiben klar: „Dan wo bei den von Mulhausen durch schleunige und unweitleuftige handelung das erlangt mocht werden, dohin sie sunst mit dem schwert und costen zu dringen, achten wir, es sult nit unbequem sein.“293 Herzog Georg und Landgraf Philipp stimmten dann auch einem Verhör zu und baten Johann, einige seiner Räte dazu zu entsenden.294 Schließlich ergab sich Mühlhausen am 25. Mai und öffnete den Fürsten seine Tore.295 Im Mühlhäuser Sühnebrief vom 29. Mai wurde schließlich die Zukunft der Stadt festgeschrieben: Sie verlor zunächst ihre Reichsfreiheit und wurde von nun an abwechselnd von ihren drei Schutzfürsten verwaltet, wobei Herzog Georg den Anfang machte. Der alte Rat der Stadt wurde wieder eingesetzt und alle Entscheidungen, die vom „ewigen Rat“ getroffen worden waren, rückgängig gemacht. Es kam zur Restitution der Klöster, und der Stadt wurden hohe Strafund Entschädigungszahlungen auferlegt, wobei sie zusätzlich alle ihre Dörfer verlor.296 Während Johann am 30. Mai Richtung Eisenach, Meiningen und Coburg weiterzog, um die nach wie vor unruhigen Gebiete dort zu befrieden,297 schaffte Herzog Georg Tatsachen. Am 2. Juni teilte er den Mühlhäusern mit, dass er darauf bestehe, dass alle reformatorischen Maßnahmen rückgängig gemacht würden und zur alten Kirchenordnung zurückzukehren sei. Um diese Forderung abzusichern, sandte er ihnen auch gleich zwei Priester, die übergangsweise dort wirken sollten.298 Ebenfalls am 2. Juni erging auch an die Reichsstadt Nordhausen der Befehl, die alte kirchliche Ordnung und die Klöster wiederherzustellen.299 Der Rat von Nordhausen antwortete zunächst ausweichend auf die Forderung Georgs. 300 Aber auch Nordhausen musste schließlich die Klöster restituieren, verbunden mit der Rückgabe aller eingezogenen Kleinodien, Privilegien und Vorräte. 301 Ebenso konnten die Nordhäuser Geistlichen, die angesichts der 292 293 294 295 296 297 298 299 300 301
Vgl. ebd., Nr. 1497 (Rat und Achtmänner zu Mühlhausen an Johann, 18. Mai 1525). Ebd., Nr. 1506 (Johann an Herzog Georg und Landgraf Philipp, 19. Mai 1525). Ebd., Nr. 1515 (Herzog Georg und Landgraf Philipp an Johann, 20. Mai 1525). Zu Johanns Aktivitäten zwischen dem 20. und 30. Mai 1525 vgl. den Bericht von Johanns Stallmeister Lorenz Dittrich an Hans von Dolzig, ebd., Nr. 1616 (1. Juni 1525). Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1004 (Sühnebrief der Stadt Mühlhausen, 29. Mai 1525). Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1616, 1657a. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1013 (2. Juni 1525). Dabei handelte es sich um Hieronymus Dungersheim und Theodor Pusch. Vgl. ebd., Nr. 1014 (Herzog Georg an den Rat von Nordhausen). Vgl. ebd., Nr. 1018 (Rat von Mühlhausen an Herzog Georg, 3. Juni 1525). Vgl. AGBM, Bd. 2, S. 242, Nr. 1376, Anm. 1; ABKG 2, Nr. 1127 (30. August 1525).
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Gefahr durch die herannahenden Aufständischen vom Stadtrat gedrängt worden waren, Bürger der Stadt zu werden und sich damit ohne Sonderrechte in die Stadtgemeinde einzugliedern, wieder in den geistlichen Stand zurückkehren.302 Nachdem Herzog Georg diese Maßnahmen, die offenbar ohne jedwede Einwände Kurfürst Johanns geschahen, erfolgreich durchgeführt hatte, gab der Rat von Nordhausen durch vorsichtiges und umsichtiges Handeln wenig Anlass, sich in die Angelegenheiten der Stadt einzumischen. So kam es nach 1525 zu einer deutlichen Festigung der Reformation in der Stadt, daneben hatte jedoch die mittelalterliche Frömmigkeit weiterhin ihren Platz.303 Offenbar gelang es dem Stadtrat, in einem schleichenden Prozess der Reformation zum Durchbruch zu verhelfen, sodass Kurfürst Johann bei einem Besuch im Dezember 1531 feststellen konnte, dass dort das Wort Gottes lauter und rein gepredigt werde.304 Anders in Mühlhausen. Hier versuchte Herzog Georg rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass „wan sych das jar unserer regyrung wyrd enden, als sye alsdan darvon wyderumb abfallen und in dye neuerung der Luteryschen lehr sich eynlassen werden“.305 So bat er Kardinal Albrecht um die Beschaffung eines kaiserlichen Mandats, welches die Rückkehr der Mühlhäuser zur lutherischen Lehre während der Regierung Johanns verbieten sollte.306 Auch Kardinal Albrecht scheute sich nicht, gegenüber Kaiser Karl V. klare Worte zu finden, was geschehen würde, wenn Kurfürst Johann und Landgraf Philipp die Verwaltung und Regierung in Mühlhausen übernähmen: nämlich, dass die alte, löbliche Ordnung wieder aufgegeben würde, lutherische Prediger in die Stadt kämen und die neue Lehre wieder einreiße. Dies gelte es, mit Hilfe des Kaisers zu verhindern.307 Tatsächlich erließ Karl V. am 1. Mai 1526 von Sevilla aus das gewünschte Mandat.308 Am 5. Juni 1526 wechselte schließlich das Regiment auf die Ernestiner. Ebenso wie Georg versuchte auch Johann von Beginn an, seine Interessen durchzusetzen. So unternahm er nicht nur den Versuch, einen ihm genehmen Amtmann und Schultheißen in Mühlhausen einzusetzen,309 sondern suchte auch nach 302 Vgl. KOCH, Geschichte der Reformation in Nordhausen, S. 87f. Allerdings hatten inzwischen auch einige Geistliche die Chance ergriffen, sich zu verheiraten, wie etwa der Propst der Zisterzienserinnen auf dem Frauenberg, der die Äbtissin des Klosters zur Frau nahm. 303 Vgl. ebd., S. 112–115, 181. 304 Vgl. ebd., S. 177f. 305 ABKG, Bd. 2, Nr. 1168 (Instruktion für Georg von Breitenbach zu einer Werbung bei Kardinal Albrecht, 20. November 1525). 306 Vgl. ebd. 307 Vgl. ebd., Nr. 1185 (Kardinal Albrecht an Kaiser Karl V., 12. Dezember 1525). 308 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1031 (Nachgeschichte). Das Mandat erreichte Mühlhausen Ende Juli 1526. 309 Da es unter Herzog Georgs Verwaltung nicht zur Einsetzung eines Amtmannes in Mühlhausen gekommen war und der derzeitige Schultheiß „mit seiner rechnung etzwas irrig
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Möglichkeiten, die Mühlhäuser wieder mit evangelischen Predigern zu versorgen. So befahl Johann, selbst gerade bei den Reichstagsverhandlungen in Speyer gebunden, seinem Rat Nickel von Ende, sich über die Eignung eines Predigers aus Oberweimar zu erkundigen und auch bei Luther anzufragen, ob dieser einen passenden Kandidaten empfehlen könne. Aufgrund der Größe Mühlhausens dachte Johann daran, zwei Prediger dorthin zu senden. Die Nachforschungen der Räte ergaben jedoch, dass der Vorgeschlagene aus Oberweimar als ungeeignet angesehen wurde und man lieber auf Luthers Empfehlung warte.310 Diesem hatte man am 11. Juli geschrieben und ihn gebeten, „dass Ihr furderlich nach einem geschickten, gelahrten und sittsamen Prediger trachten und denselben zu uns anher verordnen sollet“.311 Um keine Zeit zu verlieren, planten die Räte, den Kandidaten Luthers unverzüglich dem Rat und der Gemeinde Mühlhausen zu empfehlen, damit er von ihnen angenommen und unterhalten würde. Johann erklärte sich am 5. August von Speyer aus mit dieser Vorgehensweise einverstanden. 312 Am 8. August 1526 teilte Luther schließlich dem Rat von Mühlhausen mit, dass er ihnen Johann Mantel schicken werde.313 Kurze Zeit später erhielten die ernestinischen Räte vom Eisenacher Amtmann, der mit der Einführung Mantels in Mühlhausen betraut worden war, die Nachricht, dass sich der Rat der Stadt geweigert habe, Mantel anzunehmen. Dieser hätte erklärt, dass sie ausreichend Prediger und gelehrte Leute in der Stadt hätten, die sie auf Befehl aller drei Fürsten angenommen hätten. Würde ihnen nun noch ein zusätzlicher aufgedrängt, hätten sie nicht nur Schwierigkeiten, diesen ebenfalls zu ernähren, sondern trügen Befürchtung, sich großem Ärger auszusetzen. 314 Johann Mantel kehrte schließlich unverrichteter Dinge nach Wittenberg zurück. Offenbar hatte Herzog Georg, der sonst stets durch seinen Salzaer Amtmann Sittich von Berlepsch über alle Vorgänge in Mühlhausen umfassend informiert wurde, von diesem keine Kenntnis erhalten, jedenfalls lässt sich keine Reaktion Georgs darauf nachweisen.315
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und unschigklich befunden, auch bey den leuten nit in gutem willen“, regte Johann bei Georg an, als derzeit regierender Fürst die beiden Ämter in Eigenregie zu besetzen. ABKG, Bd. 2, Nr. 1277 (Instruktion Johanns für Hans von der Planitz und Günther von Bünau zu einer Werbung bei Herzog Georg, 4. Juli 1526). Wie nicht anders zu erwarten, stimmte Georg diesem Vorschlag nicht zu, sondern bestand darauf, dass sich alle drei Fürsten auf einen Amtmann und Schultheißen verständigen müssten. Vgl. ebd., Nr. 1285 (Antwort Georgs auf die ernestinische Werbung, 19. Juli 1526). Vgl. ebd., Nr. 1294 (Ernestinische Räte an Johann, 26. Juli 1526). WA Br, Bd. 4, Nr. 1029. Vgl. ebd. Vgl. ebd., Nr. 1031. Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1031, Nachgeschichte. Auch während seines zweiten Regiments über Mühlhausen versuchte Johann, neue evangelische Prediger einzusetzen. 1529 berichteten die Mühlhäuser selbst über dieses
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Insgesamt hielten sich die Auseinandersetzungen unter den Fürsten bezüglich Mühlhausen in Grenzen. In den 1520er Jahren standen vor allem die gemeinsamen Ziele im Vordergrund, ein erneutes Aufflammen von Unruhen zu verhindern sowie die Rädelsführer und Mitwirkenden von 1525 aufzuspüren und abzuurteilen. Viel Zeit banden auch die zahlreichen Entschädigungsforderungen geistlicher Institutionen und adliger Herren, die im Bauernkrieg Schäden erlitten hatten. Nicht immer war Mühlhausen bereit und in der Lage, diese anzuerkennen und zu begleichen. So oblag es häufig den Fürsten, den Anspruchstellern zu ihrem Recht zu verhelfen, im Zweifel jedoch auch unberechtigte Forderungen abzuwehren. Erst zu Beginn der 1530er Jahre nahm der Druck Kursachsens und Hessens auf Mühlhausen, das Evangelium anzunehmen, deutlich zu. Das durch die Zahlung von Entschädigungen und Strafgeldern finanziell arg in Bedrängnis geratene Mühlhausen versuchte bereits auf dem Reichstag zu Speyer 1526, den Erlass des an die Fürsten zu zahlenden Strafgeldes zu erreichen. Dort lehnten die Fürsten dies einstimmig ab. Am 30. Dezember 1526 verzichtete Landgraf Philipp jedoch auf seinen Anteil der Strafsumme. 316 Außerdem bemühte er sich, auch Johann und Georg dazu zu bewegen, erreichte aber nichts. Als Johann im Jahr 1531 die Mühlhäuser aufforderte, die ihm zustehenden 10.000 fl. endlich auszuzahlen, unterbreitete er ihnen gleichzeitig ein verlockendes Angebot. „Wu sie aber gnaigt, dem evangelion bei inen raum zu geben und demselben mit den ceremonien, so in unserm furstentumb gehalten, nach vormöge der visitationsordenung nachzugehen, so wolln wir uns mit der nachlassung gnediglich erzaigen. Sonst ane das seint wir nicht gnaigt, inen ainich erlassung zu tun.“317 In Anbetracht eines eindeutigen kaiserlichen Mandats und der bevorstehenden Regierung Herzog Georgs sah der Mühlhäuser Rat keine Möglichkeit, auf Johanns Vorschlag einzugehen.318 Auch das „hefftige anhalten“ kursächsischer und hessischer Räte im Dezember 1531, die Reformation in Mühlhausen endlich einzuführen, führte zu keinem Erfolg.319
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Ansinnen Johanns an Herzog Georg und baten um Rat. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1742 (Instruktion des Rates zu Mühlhausen für den Sekretär Johann Amberg an Herzog Georg, 9. Juni 1529). Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 2068 (Erklärung Landgraf Philipps). Ebd., Nr. 2068, Anm. 1, S. 861. JORDAN, Chronik der Stadt Mühlhausen in Thüringen, Bd. 2 (1525–1604), Mühlhausen 1903, S. 7. „Umb Viti hat sich der Churf. von Sachsen gegen einen Erbar Rath ercleret, da sie das Euangelium annehmen wolten, solten sie der 10.000 fl. straffbuhs uberhoben sein, aber der Rath hatt geantworttet, sie hetten ein kayserlich Mandat, daruber konten sie nicht, habens abgeschlagen.“ Im Jahr 1535 versuchte Kurfürst Johann Friedrich erneut, Mühlhausen mit der Zusage, das Strafgeld zu erlassen, dazu zu bringen, sich von der päpstlichen Kirche abzuwenden. Mit Rückendeckung Herzog Georgs versagte sich der Rat auch diesmal diesem Angebot. Vgl. ABKG, Bd. 4, Nr. 2842. Vgl. JORDAN, Chronik der Stadt Mühlhausen, S. 8.
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Insgesamt verlief die Schutzherrschaft und gemeinsame Verwaltung der Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen vergleichsweise konfliktarm. Bis zum Bauernkrieg war es vor allem Herzog Georg, der versuchte, auf die Geschicke der beiden Städte Einfluss zu nehmen, während sich die Ernestiner weitgehend heraushielten. Nach dem Bauernkrieg einte die Fürsten der Wunsch, jeder Form neuen Aufruhrs entgegenzuwirken. Auch wenn die Vorstellungen darüber, wie dies zu geschehen habe, teilweise auseinandergingen und die Zusammenarbeit häufig nicht so funktionierte, wie es sich vor allem Georg gewünscht hätte, einte sie doch der gemeinsame Grundgedanke.320 Auf religiöser Ebene gab es freilich dieses einende Moment nicht, doch Georgs entschlossenes Handeln bezüglich der Wiederherstellung des alten Kirchenwesens und die konsequente Anlehnung Mühlhausens an ihn und den Kaiser erstickten die meist vorsichtigen Maßnahmen Johanns, dem Evangelium in der Stadt einen Weg zu bahnen, bereits im Keim. Direkte Maßnahmen gegen Georgs Schritte zur Rekatholisierung Mühlhausens scheint es nicht gegeben zu haben, was sich wohl darauf zurückführen lässt, dass Johann es als Kurfürst vermeiden wollte, in einen direkten Konflikt mit dem Kaiser zu geraten.
4.5. Die Grafen von Mansfeld DIE GRAFEN VON MANSFELD
Eine interessante Parallele zu den Verhältnissen in Sachsen stellte die Herrschaft der Mansfelder Grafen dar. Auch dort hatte sich ein Teil des Geschlechts der Reformation angeschlossen, während der andere altgläubig blieb. Da die Grafen sowohl mit den Albertinern als auch mit den Ernestinern eng verbunden waren und über lange Zeit in den wettinischen Streitigkeiten als Vermittler herangezogen wurden, sollen an dieser Stelle die Beziehungen zu den Mansfelder Grafen, die sozusagen zwischen den Stühlen saßen, untersucht werden. Zunächst gilt vorauszuschicken, dass auch die Mansfelder Grafen, so wie die mitteldeutschen Bischöfe und viele kleinere Herrschaften, im 15. und 16. Jahrhundert einem starken Mediatisierungsdruck durch die Wettiner ausgesetzt waren. Den Mansfeldern gelang es jedoch, sich zumindest teilweise diesem Druck zu widersetzen. Dabei kam ihnen ihre Mehrfachvasallität zugute, die ihnen mit dem Erzbischof von Magdeburg als Hauptlehnsgeber immer wieder einen Fluchtpunkt bot. Mit der Leipziger Teilung waren die größten Teile der Mansfelder Lehen an die Albertiner gefallen, die daraus das Recht ableiteten, sich in die 320 So beschwerten sich die albertinischen Räte bei Verhandlungen mit den ernestinischen Amtskollegen im Januar 1526 darüber, dass im Kurfürstentum die Verfolgung flüchtiger Aufrührer zu nachlässig durchgeführt würde. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1200 (Instruktion der albertinischen Räte, 12. Januar 1526).
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inneren Angelegenheiten der Grafschaft einzumischen.321 Doch bereits in den Jahren zuvor hatten die Wettiner mit der Ladung der Mansfelder Grafen zu den sächsischen Landtagen und dem Versuch, die Teilnahme der Grafen am Reichstag zu verhindern, begonnen, diese in den Rang eines Landstandes herabzudrücken. 322 Aber auch innerdynastische Streitigkeiten und mehrfache Landesteilungen unter den zahlreichen Nachkommen der Grafen führten zu einer Schwächung ihrer Herrschaft. Dies sollte insbesondere mit dem Aufkommen der Reformation wichtig werden, als auch die religiöse Einheit zerbrach. So blieb ein Teil der Grafen, vor allem vertreten durch Graf Hoyer von Mansfeld, dem katholischen Glauben treu und lehnte sich eng an das Herzogtum Sachsen an, während ein zweiter Teil, vertreten durch Graf Albrecht von Mansfeld, zum evangelischen Glauben übertrat und den Schulterschluss mit Kursachsen suchte. Innerhalb dieser Konstellation waren Konflikte mehr oder minder vorprogrammiert. Besonderen Anlass für Auseinandersetzungen bot dabei immer wieder der sehr umtriebige, aber auch äußerst streitbare Graf Albrecht. 323 Obwohl seit 1522/23 dessen zunehmende Hinwendung zur Reformation zu beobachten war und er nach und nach zu einem wichtigen Rat Kurfürst Johanns aufstieg, blieb er auch für Herzog Georg einer der bedeutendsten Vermittler in den innerwettinischen Streitigkeiten. Ebenso nahm ihn Georg anfangs noch als Vermittler zwischen sich und Martin Luther, der ein Landeskind der Mansfelder war, in Anspruch. 324 Zwar kam Albrecht dabei nicht zum gewünschten Erfolg, der Schriftwechsel zwischen ihm und Georg zeigt jedoch, dass gegenseitiges Vertrauen bestand.325
321 Die Ämter Arnstein, Heldrungen und Morungen wurden durch Sachsen belehnt, ebenso lag die Oberlehnsherrschaft über die Bergwerke und das Bergregal bei den Albertinern. Im Jahr 1518 verhinderte Herzog Georg den Verkauf der Herrschaft Beichlingen an Graf Ernst von Mansfeld, weil dadurch wieder Reichslehen an die Mansfelder gefallen wären. Vgl. Günter WARTENBERG, Mansfeld, in: Anton SCHINDLING/Walter ZIEGLER (Hg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und der Konfessionalisierung, Bd. 6, Münster 1996, S. 78–91, hier S. 81. 322 Lothar BERNDORFF, Die Prediger der Grafschaft Mansfeld, Potsdam 2010, S. 40. 323 Zum Hang Albrechts, sich skrupellos und im Zweifel auch durch Gewalt seinen eigenen Vorteil zu sichern, vgl. Andreas LINDNER, Graf Albrecht von Mansfeld im Blick der Nachwelt, in: Armin KOHNLE/Siegfried BRÄUER (Hg.),Von Grafen und Predigern, Zur Reformationsgeschichte des Mansfelder Landes, Leipzig 2014, S. 95–118. 324 Vgl. den Vermittlungsversuch Albrechts von Mansfeld zwischen Luther und Herzog Georg um die Jahreswende 1522/23 bezüglich der Äußerungen Luthers gegen Georg in seiner Missive an Hartmut von Kronberg. ABKG, Bd. 1, Nr. 467 (Albrecht an Georg). 325 Ebd., Nr. 469 (Georg an Albrecht, 2. März 1523); Nr. 476 (Georg an Albrecht, 12. März 1523).
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Später entwickelte sich jedoch ein Kleinkrieg zwischen dem Mansfelder und Herzog Georg, der nichts unversucht ließ, den altgläubig gebliebenen Grafen den Rücken zu stärken. So führte beispielsweise die Missachtung des Patronatsrechts des Klosters Holzzelle und die eigenmächtige Einsetzung eines lutherischen Pfarrers in Hornburg durch Albrecht und Gebhard zum Eingreifen Georgs, der sofort die katholischen Grafen informierte und diese zum Einschreiten aufforderte.326 Nach dem Bauernkrieg lehnten sich die Grafen Albrecht und Gebhard in ihrer Vorgehensweise bezüglich der Klöster, die ihrer Schutzvogtei unterstanden, eng an Kurfürst Johann an. Keines der zum Teil stark zerstörten Klöster wurde restituiert, den Mönchen und Nonnen wurde die Rückkehr verwehrt, die Besitzungen säkularisiert und als Klosterämter verwaltet. Herzog Georg unterstützte die geflohenen Klosterinsassen, die häufig Aufnahme in den Klöstern seines Territoriums gefunden hatten, nach Kräften, wieder zu ihren alten Rechten zu kommen, während Albrecht im Streitfall auf die Hilfe Kurfürst Johanns setzte.327 In diesem Sinne stellte die Verpachtung des ernestinischen Amtes Allstedt an Albrecht von Mansfeld vor allem einen politischen Schachzug dar. Der am 1. Mai 1526 zwischen Johann und Albrecht geschlossene Vertrag besagte, dass Allstedt für zunächst sechs Jahre und eine jährliche Pacht von 1.000 Gulden an den Mansfelder übertragen wurde. Durch die Verrechnung eines Dienstgeldes von jährlich 400 Gulden verringerte sich dieser Betrag schließlich auf 600 Gulden.328
326 Ebd., Nr. 747 (Georg an die Grafen Günther, Ernst und Hoyer von Mansfeld, 19. Oktober 1524). Nach dem Bauernkrieg verhinderte Graf Gebhard, dem die Schutzvogtei des Klosters Holzzelle oblag, die Rückkehr der Nonnen in das weitgehend zerstörte Kloster. Dessen Besitzungen wurden zu einem gräflichen Amt zusammengefasst. Die geflohenen Nonnen wandten sich ins Herzogtum Sachsen, wo sie Aufnahme im Kloster zum Heiligen Kreuz in Meißen fanden und von Herzog Georg darin unterstützt wurden, Beschwerde gegen Gebhart und Albrecht beim Erzbischof von Magdeburg und Kaiser Karl V. zu führen. Vgl. Günther WARTENBERG, Die Mansfelder Grafen und die Klöster im Mansfelder Land, in: Esther Pia WIPFLER (Hg.), Bete und Arbeite! Zisterzienser in der Grafschaft Mansfeld, Halle 1998, S. 59–72, hier S. 61. 327 Vgl. WARTENBERG, Die Mansfelder Grafen und die Klöster, S. 61–68. Herzog Georg setzte sich bei Kardinal Albrecht dafür ein, dass dieser eine Güteverhandlung zwischen den Grafen Gebhardt und Albrecht sowie den Äbtissinnen von Eisleben und Holzzelle bezüglich der Restitution ihrer Klostergüter führt. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1079. Diese fand am 28. November 1525 in Halle statt. Besonders interessant ist, wen die beiden Grafen als Beistand mitgebracht hatten. So hatte Johann zur Unterstützung Hans von der Planitz und Hieronymus Schurff gesandt, aber auch weitere ihm nahestehende Personen, wie Anarg von Wildenfels, Wolfgang von Anhalt und Justus Jonas waren dabei. Vgl. ebd., Nr. 1176. 328 Vgl. LATh-HStA Weimar, Cop. F 14, 1. Abteilung, 1. Bd., fol. 148rv.
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Am 11. Mai erfolgte die Übergabe des Amtes an die Gesandten des Grafen.329 Es ist sicher kein Zufall, dass Albrecht einen Monat später bei einem Treffen evangelischer Stände in Magdeburg, an dessen Zustandekommen er selbst aktiv mitgewirkt hatte, dem von Kurfürst Johann und Landgraf Philipp von Hessen gegründeten evangelischen Verteidigungsbündnis, dem Torgauer Bund, beitrat.330 Wiederum gut einen Monat später hielt er als Gesandter der Harzgrafen und Rat Kurfürst Johanns mit diesem gemeinsam Einzug in Speyer auf dem Reichstag.331 An der engen Verbindung zwischen Albrecht von Mansfeld und dem sächsischen Kurfürsten konnte unter diesen Umständen kein Zweifel bestehen. So behielt auch Otto von Pack, Herzog Georgs Gesandter auf dem Speyerer Reichstag, die Aktivitäten des Mansfelders im Auge und berichtete nach Dresden.332 Inzwischen war am 3. Juli 1526 Graf Günther von Mansfeld gestorben, seine Vettern Gebhard und Albrecht strebten nun die Übertragung von dessen albertinischen Lehen auf sich an. Auf dem Landtag in Leipzig Anfang November 1526 verweigerte Herzog Georg jedoch vor allem Albrecht die Belehnung. 333 Aus Georgs Sicht hatte Albrecht aufgrund seiner Verhandlungen mit Graf Edzard von Ostfriesland und dessen Sohn Enno, den er sogar beherbergt haben soll, sowie durch seine Anhängerschaft zu Luther die Belehnung verwirkt. Nach Vermittlung der anderen auf dem Landtag anwesenden Harzgrafen erklärte sich Georg zu Verhandlungen, bei denen diese als Richter fungieren wollten, bereit. Albrecht dagegen fühlte sich von dieser Lösung äußerst beschwert.334 Dass die Verhandlungen noch im Rahmen des Landtages stattfanden, ist eher unwahrscheinlich, wenn man sich den weiteren Gang der Dinge anschaut. Dass Herzog Georg sich nicht zuletzt durch Albrechts Verbindungen zu Graf Edzard von Ostfriesland und dessen Sohn in seiner Ehre gekränkt fühlte, zeigt ein Brief seiner Schwiegertochter Elisabeth an ihren Bruder Landgraf Philipp. Darin bittet Elisabeth diesen inständig, auf Kurfürst Johann einzuwirken, keinesfalls Graf Enno von Ostfriesland zu empfangen, wenn man verhindern wolle, dass sich die 329 Vgl. Erich HARTUNG, Die äußere Geschichte des Amtes Allstedt 1496–1515, Jena 1931, S. 29. 330 Am 12. Juni 1526 traten in Magdeburg neben Albrecht von Mansfeld auch Ernst und Franz von Braunschweig-Lüneburg, Philipp von Braunschweig-Grubenhagen, Heinrich von Mecklenburg sowie Wolfgang von Anhalt dem Torgauer Bund bei. Vgl. dazu Abschnitt 6.2. 331 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 90, 188. 332 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1304 (11. August 1526). 333 Der Landtag in Leipzig fand am 4./5. November 1526 statt. Vgl. Woldemar GOERLITZ, Staat und Stände unter den Herzögen Albrecht und Georg 1485–1539, Leipzig 1928, S. 448. 334 Vgl. GOERLITZ, Staat und Stände, S. 277.
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Unstimmigkeiten zwischen Georg und Johann noch stärker zuspitzen. Weiter schreibt sie „Dan e.l. glaub nich, wie tzornich der her vatter auf graf Albrechtt von Mansfelt yst, das der graf von Emden [gemeint ist Enno von Ostfriesland] yst in sein hus geweist. […] Dan der graf yst noch heut betag dest her vattern feintt“.335 Offenbar lastete Georg es seinem ehemaligen Verbündeten im Kampf gegen Groningen in Friesland immer noch schwer an, ihm 1506 in den Rücken gefallen zu sein und sich auf die Seite der Aufständischen gestellt zu haben.336 Vor Kaiser und Reich argumentierte Georg freilich anders. Mit der Ernennung Albrechts von Mansfeld zum Teilnehmer an der Reichsgesandtschaft zum Kaiser auf dem Speyerer Reichstag stand für Georg zu befürchten, dass der Graf diese Gelegenheit nutzen könnte, um sich direkt bei Karl V. für seine Belange stark zu machen und diese dort auch durchzusetzen. So entschloss sich Georg, an König Ferdinand heranzutreten, um diesen dazu zu bringen, seinen Bruder vor Albrecht von Mansfeld zu warnen. Und nachdem wyr gemeltem graf umb deswillen zuforderst, das er wieder den gehorsam der kirchen und ksl. mt. handelt und in diesen landen fast das haubt ist der Lutterischen secten, und sunst umb anderer redelichen ursachen willen etliche gesamte lehen zu leyhen gewegert, das er beschwerung tragen mag und villeycht vormeynt, dieselben bey ksl. mt. durch gut forderung zu erlangen, dieweyl es afterlehen von ksl. mt. seyn, so ist unser freuntlich bitt, s. kgl. w. die wolle bey ksl. mt. das auch, uns zu freuntschaft, ableynen, das er in dem seynen willen auch nicht erlange, sunder das er durch die wege zu gehorsam und gutem gedrungen werde.337
335 ABKG, Bd. 2, Nr. 1355 (Elisabeth an Philipp, 23. November 1526). 336 Daraus entwickelte sich die „Sächsische Fehde“, die von 1514–1517 dauerte. 337 Um zu verdeutlichen, mit welcher Dringlichkeit und welchen Argumenten Georg das Eingreifen Ferdinands erbat, möchte ich hier die entsprechende Passage aus der Instruktion des Gesandten wiedergeben. „S. Kgl. W. wisse, das auf dem Reichstag zu Speyer eyn botschaft verordent zu ksl. mt, under welchen geschickten graf Albrecht von Mansfelt vor eynen vorordent, den wir seiner schiglicheit noch nicht zu tadeln wusten, wenn er alleyn uf die Lutterisch ketzereye nicht so gar vorfließen. Und dieweyl nun derselbe graf neben andern sich uf die reyse erhaeben, werden wir bericht, das er sich fast trostet, yhme und den seynen zu gut an ksl. hof zu erlangen, wie gewonheyt ist und durch gut forderung gescheen mag. Des wir yhme denn wol gunsten, wo wir nicht besorgeten, das ksl. mt. hiraus eyn nochteyl entstehen mocht, so er seyns willens viel bey s. mt. erlanget, das dan gesaget werde: diejenen, die sich noch gehorsam Cristlicher ordenung und s. mt. nicht hielten, erlangeten gleychsoviel gnad und guts, als die gehorsamen; und wurden also die boesen in dem gesterkt und die guten cleynmutig gemacht. Derhalben hetten wir solchs bey s. kgl. w. auch nicht unangereget wollen lassen, ab s. kgl. w. bedecht, ksl. mt. ... darfur zu warnen, welchs durch eyn post, ehr die geschickten hineynquemen, wol gescheen mocht. Und nachdem wyr gemeltem graf umb deswillen zuforderst, das er wieder den gehorsam der kirchen und ksl. mt. handelt und in diesen landen fast das haubt ist der Lutterischen secten, und sunst umb anderer redelichen ursachen willen etliche gesamte lehen zu leyhen gewegert, das er beschwerung tragen mag und villeycht vormeynt, dieselben bey ksl. mt. durch gut forderung zu erlangen, dieweyl es afterlehen von ksl. mt. seyn, so ist unser freuntlich bitt, s. kgl. w. die wolle bey ksl. mt. das auch, uns zu freuntschaft, ableynen, das er in dem seynen
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Diese Zeilen verdeutlichen, wie viel Georg daran lag, zu verhindern, dass Albrecht von Mansfeld durch den Kaiser die gerade verwehrte Belehnung doch noch empfangen könnte. Zu diesem Zeitpunkt konnte er noch nicht wissen, dass man sich auf dem Fürstentag in Esslingen am 19. Dezember 1526 dazu entschieden hatte, das Projekt einer Reichstagsgesandtschaft fallen zu lassen.338 Georg lenkte schließlich auf Bitten aller Harzgrafen ein und belehnte Albrecht, allerdings unter der Voraussetzung, dass er von der neuen Lehre abstehe und die Klöster restituiere.339 Herzog Johann Friedrich hatte derweil bereits auf die Weigerungshaltung Georgs reagiert und dem Mansfelder am 16. November 1526 die erbliche Belehnung mit Allstedt zugesagt, als Ausgleich für die unentgeltlichen Dienste, welche dieser geleistet hatte. Dass dies wohl nicht im Sinne Kurfürst Johanns war, zeigt ein Passus des Vertrags, der bestimmte, dass die Übereignung erst nach dem Tod des Vaters geschehen solle.340 Eine Angelegenheit, die bis in die große Politik hineinspielte, stellten die Streitigkeiten um das Kloster Saalfeld dar. Am 20. November 1526 übergab der Abt des Klosters Saalfeld, Georg von Thun, Albrecht von Mansfeld die im Bauernkrieg stark beschädigte Benediktinerabtei. In Anwesenheit aller verbliebenen Konventsmitglieder verpflichtete sich der Graf im Gegenzug, die Mönche zu versorgen. Georg von Thun wies in der Übergabeurkunde darauf hin, dass es sich beim Saalfelder Stift um ein Reichslehen handele, sagte Albrecht aber zu, sich beim Kaiser um die Belehnung für ihn zu bemühen.341 Graf Albrecht verfolgte
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willen auch nicht erlange, sunder das er durch die wege zu gehorsam und gutem gedrungen werde.“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1365 (Instruktion für Lic. Jakob Loß zu einer Werbung bei König Ferdinand, 21. Dezember 1526). Hoffnungen darauf, dass die persönliche Anwesenheit Albrechts von Mansfeld beim Kaiser etwas ausrichten könne, machten sich auch die Äbtissinnen der Klöster Helfta und Holzzelle. Sie baten Karl V., nach der Schilderung ihrer vergeblichen Versuche, Albrecht, wenn er als Gesandter zu ihm käme, direkt zu befehlen, ihnen das ihrige zurückzugeben. Vgl. ebd., Nr. 1346 (12. November 1526). Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 236 (Kurfürsten und Fürsten an Karl V., 19. Dezember 1526). Vgl. GOERLITZ, Staat und Stände, S. 277. GOERLITZ gibt keinen Anhaltspunkt, wann es zu dieser Belehnung kam. Seine Werbung an König Ferdinand zeigt jedoch, dass Georg nicht sofort eingelenkt hat. HARTUNG, Die äußere Geschichte des Amtes Allstedt, S. 28. In der Tat kam es innerhalb des sechs Jahre laufenden Pachtvertrages über das Amt Allstedt zu Unstimmigkeiten. Johann zeigte sich unzufrieden mit der Amtsverwaltung Albrechts. Als der Vertrag am 1. Mai 1532 endete, verlängerte ihn Johann, trotz Bitten Albrechts, nicht. Kurfürst Johann Friedrich erfüllte 1533 seine Zusage und übertrug den Mansfelder Grafen das Amt Allstedt als erbliches Lehen. Vgl. ebd., S. 32f. Vgl. Johann Adolph VON SCHULTES, Diplomatische Geschichte des Fürstenthums Sachsen Coburg-Saalfeld von den ältesten bis zu den neuesten Zeiten, Coburg 1820,
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bei der Übernahme in erster Linie wirtschaftliche Interessen, denn es waren vor allem die holzreichen Forste, die zum Kloster gehörten, welche ihn interessierten. Das Holz wurde dringend zum Saigern des Mansfelder Kupfererzes im nahegelegenen Leuchtenburg benötigt, wo Albrecht Teilhaber war.342 Natürlich blieb auch Herzog Georg die Übergabe des Stifts an Albrecht nicht verborgen, am 1. März 1527 wandte er sich an König Ferdinand, um diesen dazu zu bewegen, Albrecht das Stift wieder zu entziehen. Nicht nur, dass Georg sich daran störte, „das aller gotz dinst do zcur stort wert vnd dy gotz hausser in wertlichen brauch gnomen vnd zcur brochen werden“, sondern auch der eng mit Georg verbundene Graf Hoyer von Mansfeld hatte Interesse an dem Stift angemeldet. Er hatte geplant, seinen Neffen Ernst dort als Koadjutor einzusetzen, um durch diesen Klosterwesen und rechten Gottesdienst wieder aufrichten zu lassen.343 Nun unterstützte Georg offen den Vorschlag Hoyers, den dieser bereits vor der Einnahme Saalfelds durch seinen Vetter Albrecht an König Ferdinand herangetragen hatte.344 Ferdinand instruierte indes das Reichsregiment, Saalfeld als Reichslehen zu erhalten und dazu einen Exekutor unter Aufsicht Kurfürst Johanns und Herzog Georgs einzusetzen. Albrecht versuchte vergeblich, dies mit dem Hinweis, dass er sich beim Kaiser bereits um die Belehnung bemühe, zu stoppen.345 Kaiser Karl V. dagegen schlug einen völlig anderen Weg ein. Nachdem er vom Tod des Saalfelder Abtes Georg von Thun im März 1527 erfahren hatte, betrachtete er das Reichslehen als erledigt und verlieh am 7. Mai 1527 seinem Rat und Vizekanzler Balthasar Merklin, Propst von Waldkirch, die Abtei Saalfeld. 346 Diese Übertragung rief nun wiederum
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S. 110f., Nr. CX. Die Originalurkunde befindet sich im LATh-StA Meiningen, 4–10–016, Herrschaft Saalfeld/ Urkunden, Nr. 26. Vgl. Uwe SCHIRMER, Die Lehensbeziehungen der Grafen von Mansfeld (1215–1539/40), in: Armin KOHNLE/Siegfried BRÄUER (Hg.), Von Grafen und Predigern, Zur Reformationsgeschichte des Mansfelder Landes, Leipzig 2014, S. 13–44, hier S. 44. Die Leuchtenburger Saigerhandelsgesellschaft wurde 1524 gegründet. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1421 (Georg an König Ferdinand, 1. März 1527). So geschehen auf dem Reichstag in Speyer 1526, wo ihm Ferdinand dies offenbar zusagte. Auf diese Zusage rekurrierend wandte sich auch Hoyer von Mansfeld am 5. März 1527 an Ferdinand. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 52, Anm. 3. Vgl. ebd., S. 52f. (Markgraf. Philipp und das Regiment an Albrecht von Mansfeld, 23. April 1527). LATh-StA Meiningen, 4–10–016, Herrschaft Saalfeld/ Urkunden, Nr. 28, im Druck bei VON SCHULTES, Diplomatische Geschichte, S. 112f., CXII. Karl V. leitete seine Obrigkeit über das Stift Saalfeld davon ab, dass seine Vorgänger als römische Kaiser dieses gestiftet hatten. Die Übergabe wurde dann auch von mehreren Seiten bestätigt: Vgl. LATh-StA Meiningen, 4–10–016, Herrschaft Saalfeld/ Urkunden, Nr. 61, Bestätigung König Ferdinands, LATh-StA Meiningen, 4–10–016, Herrschaft Saalfeld/ Urkunden, Nr. 29, Bestätigung Kardinal Albrechts, LATh-StA Meiningen, 4–10–016, Herrschaft Saalfeld/ Urkunden, Nr. 30, Bestätigung Kurfürst Joachims von Brandenburg.
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Kurfürst Johann auf den Plan. Sich in seinen Rechten als Schutz- und Landesherr beeinträchtigt sehend, nahm er am 28. September 1528 das Stift Saalfeld durch seinen Amtmann von Leuchtenburg, Dr. Johann Reinboth, in Besitz.347 Anfang Oktober 1528 kam es in Weimar zu einem persönlichen Treffen zwischen Johann und Balthasar Waldkirch. Der kaiserliche Vizekanzler, der sich seit dem Frühjahr 1528 in Deutschland aufhielt, um durch zahlreiche Einzelverhandlungen die Grundlage für eine Übereinkunft in der Religionsfrage zu schaffen und die Wahl Ferdinands zum römischen König auf den Weg zu bringen,348 nutzte diese Gelegenheit, um Johann zu bitten, ihm das Stift Saalfeld zu übergeben.349 Auch wenn Johann in späteren Schreiben suggeriert, dass er selbst erst bei diesem Treffen durch Waldkirch von der Belehnung durch den Kaiser erfahren habe, so spricht doch die kurz zuvor erfolgte Einnahme des Stifts eine andere Sprache. Johann wollte noch vor Waldkirchs Eintreffen in Kursachsen Tatsachen schaffen. Bei der Zusammenkunft in Weimar scheint ihm Johann bereits angedeutet zu haben, dass er das Stift Saalfeld nicht als Reichslehen ansehe, versprach Waldkirch aber eine spätere und ausführlichere Antwort. Diese erfolgte schließlich durch Hans von Minkwitz. Ohne Umschweife machte Johann seine Rechte klar, wenn es in der Instruktion gleich zu Beginn heißt, dass es „dermaßen am Tage und wissentlich, dass es unsern achtens weniges oder keines weitern Anzeigens bedürfftig, nehmlich dass das Stifft mit aller Gerechtigkeit zu unserm Fürstenthumb und Landen ohne Mittel gehörig“.350 Vor 200 Jahren hätte der Saalfelder Abt Otto das Kloster den Grafen von Orlamünde verschrieben, über die es dann an die Landgrafen von Thüringen gelangt sei. Seitdem sei das Stift Saalfeld als landsässig zu betrachten, und die nachfolgenden Äbte hätten sich alle entsprechend verhalten, indem sie die Zahlung der Reichsanschläge verweigert hätten und zu den sächsischen Landtagen erschienen seien. Deshalb käme es für Johann nicht in Frage, Balthasar Waldkirch das Stift zu überlassen. Dieser solle indes den Kaiser über die Sachlage informieren, wenn das alles nichts nütze, müsse sich Johann selbst an den Kaiser wenden und „uns derselben darzu weiter gegen Churfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs vernehmen lassen“.351 Offenbar zweifelte Johann überhaupt am Wahrheitsgehalt der 347 Vgl. VON SCHULTES, Diplomatische Geschichte, S. 87. In diesem Zusammenhang darf nicht unerwähnt bleiben, dass von Beginn an Albrecht von Mansfeld als Besitzer des Klosters dem Kurfürsten Schwierigkeiten bereitete. Bereits im Sommer 1527 verweigerte der Mansfelder die Zusammenarbeit mit den kursächsischen Visitatoren in Saalfeld. Vgl. MBW, Nr. 566, 570. 348 Zur Mission Waldkirchs in Deutschland vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 342–387. 349 Ebd., S. 367, Anm. 3. 350 Die Instruktion für Hans von Minkwitz, was er an Balthasar Waldkirch werben soll, vom 17. Oktober 1528 im Druck bei Burcard Gotthilf STRUVE, Neu-Eröffnetes historisch und politisches Archiv, 2. Teil, Jena 1719, S. 100–111. 351 Ebd.
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Behauptung Waldkirchs, der Kaiser habe ihn mit dem Kloster Saalfeld belehnt. Deshalb nutzte Johann im Februar 1529 eine Gesandtschaft zum Kaiser, um Auskunft darüber zu erhalten, ob die Aussagen Waldkirchs auch der Wahrheit entsprechen.352 Indes kam es auf dem Reichstag in Speyer 1529 zu Verhandlungen zwischen Waldkirch und Albrecht von Mansfeld. Offenbar ging es dem kaiserlichen Vizekanzler, nachdem seine Bemühungen gescheitert waren, die Übergabe des Stifts Saalfeld an ihn durchzusetzen, nun vor allem darum, Profit aus der Sache zu schlagen. So konnte Graf Albrecht bald an Johann Friedrich vermelden, dass er hoffe, mit 17.000 Gulden ließe sich die Sache bereinigen. 353 Und in der Tat schloss Waldkirch am 25. April 1529 mit Caspar von Mansfeld, einem Sohn Albrechts, einen Vertrag, in welchem er ihm für die Summe von 16.000 Gulden das Stift auf 98 Jahre überließ, allerdings musste es in dieser Zeit als Reichslehen im Hause Mansfeld verbleiben.354 Auch wenn sich nun eine Überlieferungslücke von nahezu drei Jahren auftut,355 so ist doch klar, dass Johann an dieser Lösung keinen Gefallen haben konnte. Schließlich war diese auf der Basis zustande gekommen, dass es sich um ein Reichslehen handele. Überdies scheint es in der Folgezeit auch zu Unstimmigkeiten mit Graf Albrecht bezüglich dessen Nutzungsverhaltens im Stift Saalfeld gekommen zu sein. All dies führte schließlich dazu, dass sich Johann entschloss, am 19. Februar 1532 dem Grafen Albrecht das Stift abzukaufen und ihm dafür eine jährliche Pension von 2.000 Gulden zu zahlen, die er jedoch jederzeit mit 32.000 Gulden ablösen konnte. 356 Bedenkt man die finanziellen Schwierigkeiten, in welchen sich Johann befand, muss es ihm enorm wichtig gewesen sein, das Stift in seinen Besitz zu bringen. Von Schultes spricht davon, 352 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 518, Anm. 1. Die Anfrage stellte Johann im Rahmen einer Gesandtschaft an den Kaiser, bei der es um einen Einspruch im hessisch-nassauischen Erbfolgestreit ging. Johann nutzte die Gelegenheit, durch seinen Gesandten Christoph Groß auch eigene Belange zur Sprache zu bringen. Freilich war dabei nicht auf schnelle Ergebnisse zu hoffen. Groß erhielt erst am 10. Juni 1529 Audienz beim Kaiser in Barcelona und musste dann bis zum 27. Juli auf eine Antwort warten. 353 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 741 (Albrecht von Mansfeld an Herzog Johann Friedrich, 14. April 1529). 354 Vgl. LATh-StA Meiningen, 4–10–016, Herrschaft Saalfeld/ Urkunden, Nr. 31, im Druck bei VON SCHULTES, Diplomatische Geschichte, S. 115, Nr. CXV. 355 Allerdings findet sich bei BURKHARDT, Kirchen- und Schulvisitationen, S. 119, der Hinweis, dass Graf Albrecht am 9. März 1530 an Johann herantrat, um eine Visitation des Stiftes Saalfeld durch Luther und Melanchthon zu beantragen. Johann schlug dies mit der Begründung ab, dass beide Theologen aufgrund des Augsburger Reichstags gerade verhindert seien. 356 LATh-StA Meiningen, 4–10–016, Herrschaft Saalfeld/ Urkunden, Nr. 33, im Druck bei VON SCHULTES, Diplomatische Geschichte, S. 120–124, Nr. CXVIII.
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dass es aus Angst geschah, die kleine Grafschaft könne sich eventuell nicht gegen die Ansprüche zur Restitution des Klosters wehren, aber es scheint, als hätte Johann mit dem Kauf eine gesichertere Stellung gegenüber den Ansprüchen des Kaisers erreichen wollen. Dies zeigt auch das umfangreiche Verzeichnis darüber, was Johann alles zu übergeben ist.357 Zudem deutet der Wortlaut des sehr ausführlichen Vertrags darauf hin, dass es Schwierigkeiten zwischen Albrecht und Johann gegeben hatte: […] so er [Albrecht] nu solchen Stift ain zeither Inne gehapt, betracht, unnd erwogen hat, das sich zwischenn ihm auch seinenn erbenn, so er solchen Stift Inne habenn, unnd gebrauchenn solt, unndt unnsern ampten, unndt Ambtleuthenn, der gegennhait, allerley nachtbarliche gebrechenn unndt Irrungen zutragenn mochten, die er dan, aus sonderlicher dinstlicher naigung, so er zu unns unnd unnserm Sohn, dem Hochgebornnenn Furstenn, Herrnn Johans Fridrichen, Hertzogen zu Sachsen allewegen getragen, villieber zu meiden, unnd zu vorhutenn, dan das sie furfallenn solten.358
Wirft man einen Blick in die Reichstagsakten von Regensburg 1532, so stellt man fest, dass das Stift Saalfeld nach wie vor als Reichslehen behandelt wurde und in den Anschlägen zur Türkenhilfe auftaucht.359 So blieb bis zu Johanns Tod die Frage, wem die Lehnshoheit über Saalfeld zusteht, ungeklärt. Bezüglich der Grafen von Mansfeld waren Ernestiner und Albertiner Gegenspieler, jede Seite unterstützte die eigenen Parteigänger. Herzog Georg versuchte darüber hinaus, Graf Albrecht von Mansfeld als Anhänger Luthers immer wieder Steine in den Weg zu legen und wählte dazu häufig den Weg über König Ferdinand. Trotzdem wurden die Mansfelder, ebenso wie die anderen Harzgrafen, über viele Jahre als Vermittler in den Streitigkeiten zwischen Albertinern und Ernestinern in Anspruch genommen. Zu Beginn der 1530er Jahre lässt sich jedoch eine deutliche Abkühlung des Verhältnisses zwischen Kurfürst Johann und Albrecht von Mansfeld feststellen, der seit 1525 eine seiner wichtigsten Stützen und Impulsgeber beim Vorantreiben der evangelischen Bündnispolitik gewesen war.
357 VON SCHULTES, Diplomatische Geschichte, S. 124–127, Nr. CXIX. 358 Vgl. ebd., S. 120. Beratungen über die unlauteren und rücksichtslosen Geschäftspraktiken, die Albrecht von Mansfeld bei seinen Unternehmungen an den Tag legte, gab es auch auf einem albertinischen Ausschusstag am 28. März 1530. So wollte man sich darüber verständigen, wie man verhindern könne, dass Albrecht durch seine Zwangsmaßnahmen nicht nur die Bergwerke, die ja albertinische Lehen waren, schädige, sondern auch, wie man die von ihm benachteiligten Händler und Bauern schützen könne. Vgl. StA Leipzig, Tit. (F) II A 1, fol. 130rv. 359 Vgl. RTA JR, Bd. 10,1, S. 462, 516. Dass das Kloster verkauft wurde, war in den Akten bereits vormerkt.
5. DIE KIRCHENPOLITIK JOHANNS NACH 1525
Der Beginn der Alleinregierung Johanns ist gekennzeichnet durch die Ereignisse des Bauernkriegs. Nachdem sich sowohl Friedrich als auch Johann lange Zeit geweigert hatten, die Anzeichen wahrzunehmen, die darauf hindeuteten, dass das Volk im Begriff war, sich gewaltsam gegen die Obrigkeiten zu erheben,1 traf die Ernestiner das Ausmaß der Aufstände nun unvorbereitet.2 Dazu musste Johann schnell einsehen, dass er von seinem bereits schwer erkrankten Bruder keine Hilfestellung mehr zu erwarten hatte3 - vor allem in der Frage nach einem militärischen Eingreifen lag das Heft des Handels von Beginn an in Johanns Händen.4 Trotzdem hoffte auch Johann in erster Linie darauf, den Konflikt in Thüringen durch Verhandlungen und Diplomatie noch friedlich beilegen zu können. In der Tat gelang dies auch partiell, allerdings zeigte sich bald, dass anderenorts ein gewaltsames Einschreiten unabdingbar war. Das lange Hinauszögern der militärischen Option stellte sich nun als Problem heraus: Johann gelang es nur unter größten Schwierigkeiten, Truppen in ausreichender Stärke zu mobilisieren. Angesichts der ernsten Bedrohungslage, welche die eigene Herrschaft einschloss, blieb ihm nichts, als um fremde Hilfe zu bitten und im Schulterschluss mit Herzog Georg und Landgraf Philipp von Hessen ebenfalls militärisch aktiv zu werden. Erste gemeinsame Entscheidungen zur Bekämpfung des Bauernkriegs trafen die Räte Kursachsens, Sachsens, Brandenburgs und Kurmainz’ am 8. Mai 1525 in Naumburg, doch erst am 20. Mai verfügte Johann über ausreichend Truppen, um aus Weimar aufzubrechen und sich der Allianz der anderen Fürsten anschließen zu können. Zu diesem Zeitpunkt war die entscheidende Schlacht bei Bad Frankenhausen freilich schon geschlagen. Nachdem man sich über das Schicksal der Reichsstadt Mühlhausen verständigt hatte, brach Johann zu einem 1
2 3 4
Wie in Abschnitt 4.3. beschrieben, hatte sich Herzog Georg bereits im Februar 1525 dafür ausgesprochen, die Unruhen in Mühlhausen durch ein militärisches Eingreifen zu beenden. Johann hatte sich diesen Vorschlägen versagt. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 787 (Instruktion für die albertinischen Räte zu den Verhandlungen mit den Ernestinern am 6. Februar in Naumburg). Vgl. dazu das Schreiben Johanns an Friedrich den Weisen vom 30. April 1525 in: KOBUCH/ MÜLLER, Der deutsche Bauernkrieg, S. 64. Vgl. AGBM, Bd. 2, Nr. 1183 (Friedrich an Johann, 14. April 1525). Am 10. März 1525 wandte sich Johann an Friedrich mit dem Vorschlag, angesichts der Gefahrenlage, den Untertanen zu befehlen, sich gerüstet zu halten und ein militärisches Aufgebot zu stellen. Vgl. ebd., Nr. 1161. Friedrich stand dem eher ablehnend gegenüber, überließ dem Bruder jedoch die Entscheidung (ebd., Nr. 1162).
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5. KIRCHENPOLITIK JOHANNS NACH 1525
Strafzug durch Thüringen und Franken auf, sowohl zur Bekämpfung kleinerer Aufstandsbewegungen und Bestrafung der Beteiligten als auch, um die wiedergewonnene Macht der Landesherrschaft zu demonstrieren.5 Nachdem der Bauernkrieg eingedämmt war und sich die Lage wieder stabilisiert hatte, begann Johann ohne Zögern und aus tiefster Überzeugung, sowohl die innen- als auch außenpolitischen Weichen zum Aufbau einer evangelischen Landesherrschaft zu stellen. Dabei mussten innerhalb kurzer Zeit verhältnismäßig viele richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden, ohne dass es dafür unmittelbare Vorbilder in der Vergangenheit gab. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, bedurfte es einer Neudefinition der Handlungsmaximen im Rahmen eines klar umrissenen Welt- und Wertesystems, das in der Lage war, jenes zu ersetzen, das mit der Abkehr von der katholischen Kirche seine Gültigkeit verloren hatte. 6 Grundsätzlich bestand sicher kein Zweifel daran, dass das Evangelium die Richtschnur des Handelns darstellen sollte, die Frage ging eher in jene Richtung, wem die Deutungshoheit darüber zukommen sollte. Insbesondere wenn es nun darum ging, politische Entscheidungen zu legitimieren, indem man ihre Vereinbarkeit mit dem Evangelium theologisch absicherte, stellte das Festlegen auf eine autoritative Lehrmeinung eine unabdingbare Voraussetzung dar. Hinzu trat der Umstand, dass der Bauernkrieg bei Kurfürst Johann endgültig zu der Einsicht geführt hatte, dass einer uneinheitlichen Predigt und Lehre immer auch eine potenzielle soziale Sprengkraft innewohnt. Folgerichtig schied das von Johann einige Zeit durchaus interessiert verfolgte Nebeneinander mehrerer heterodoxer evangelischer Strömungen als nicht praktikable Option aus. So setzte sich die wirkmächtigste Kraft durch: Kurfürst Johann legte sich endgültig auf die Lehrmeinung Luthers fest. Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln bereits einzelne Maßnahmen im Sinne einer evangelischen Politik beschrieben wurden, wie beispielsweise die Einführung der Reformation in Weimar, die Weigerung Johanns zur Restitution der Klöster nach dem Bauernkrieg sowie die Vornahme erster Visitationsversuche zur Vereinheitlichung der Lehre, ist dieses Kapitel gezielt der Innen- und Außenpolitik des Kurfürsten gewidmet.
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Vgl. zum Vorgehen der ernestinischen Fürsten im Bauernkrieg Volker GRAUPNER, Die ernestinischen Fürsten im Thüringer Bauernkrieg, in: Günter VOGLER (Hg.), Bauernkrieg zwischen Harz und Thüringer Wald, Stuttgart 2008, S. 283–298. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 294.
INNENPOLITIK
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5.1. Innenpolitik 5.1.1. Reform der Universität Wittenberg INNENPOLITIK
Eine der ersten Aufgaben, welche überhaupt an den neuen Kurfürsten herangetragen wurden, war die Reform der Universität Wittenberg. Diese befand sich im Frühjahr 1525 in einer sehr angespannten Lage. Sowohl Luther und Melanchthon als auch Spalatin bereitete diese Situation Sorgen. Ungeklärte Fragen zur Besoldung der Professoren führten dazu, dass diese immer häufiger die Gelegenheit wahrnahmen, Stellenangebote an anderen Orten anzunehmen. So drängte beispielsweise Nürnberg Melanchthon, die Stelle des Rektors am dortigen Gymnasium zu übernehmen.7 Infolgedessen verließen immer mehr Studenten Wittenberg. Offenbar war auch Friedrich der Weise auf diese Problematik aufmerksam geworden, sodass er kurz vor seinem Tod von Luther und Melanchthon ein Gutachten darüber einforderte, wie die Universität sowohl personell als auch finanziell auszustatten sei, um ihren Erhalt zu sichern.8 Da Friedrich am 5. Mai 1525 starb, kam es nicht mehr dazu, ihm die Denkschrift vorzulegen. Johann, der sich bislang wenig um die Belange der Universität gekümmert hatte, kam nun die Aufgabe zu, deren Erhalt zu sichern. Noch in den Wirren des Bauernkrieges erreichten sowohl ihn als auch seinen Sohn von Luther am 20. Mai 1525 abgefasste Briefe, denen er die Denkschrift beilegte.9 In dem Begleitschreiben an Johann Friedrich erklärte er, dass er zwar einsähe, dass E.F.G. in diesen Läuften viel anders zu schaffen hat, aber weil der Verzug hie auch fährlich ist, sintemal es nun lange genug gehangen und zerrüttet Ding ist, darzu täglich Personen wegziehen und gefördert werden, die man nicht leichtlich wieder zusammenbringen kann, also, dass sich unsere Nachbaren schon freuen, als sei mit dem Kurfürsten Wittenberg auch dahin und nun gar aus, wolle die Not erfordern, so man will eine Schule hie behalten, bei Zeiten dazu tun, denn es ja Schade wäre, dass solche Schule, da das Evangelium auskommen ist in alle Welt, so zugehen sollte, und man doch allenthalben Leute bedarf und niemand irgend dazu tut dass sie erzeuget wurden.10
Offenbar plagte Luther die Sorge, dass man am Hofe kein ausreichendes Interesse mehr an der Universität habe, denn er warnte Johann Friedrich davor, den 7 8 9
Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 857, Anm. 3 (Luther an Spalatin, 16. April 1525). Die Denkschrift ist verlorengegangen, vgl. ebd., Nr. 870, Anm. 1. Luther hatte zunächst gezögert, den Fürsten die Denkschrift vorzulegen, solange diese noch durch den Bauernkrieg gebunden waren. Vgl. ebd., Nr. 869 (Luther an Spalatin, 15. Mai 1525). Doch in Anbetracht des Ernstes der Lage entschied er sich wenige Tage später um. 10 Ebd., Nr. 870 (Luther an Johann Friedrich. 20. Mai 1525). Ebenso wie die Denkschrift ist auch der Begleitbrief an Johann nicht mehr erhalten. Aus dem Schreiben geht jedoch eindeutig hervor, dass Luther auch an Johann geschrieben hat.
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„großen Hofschranzen“ zu gehorchen, die nur verächtlich über die Universitätsangehörigen redeten.11 Es ist nicht anzunehmen, dass Luther auch Johann gegenüber einen solch derben Ton anschlug, doch zweifelsohne wird er auch hier klar seine Befürchtungen und Forderungen herausgestellt haben. Die Vorschläge jedenfalls, die den Fürsten zum Erhalt der Universität unterbreitet wurden, waren gut abgestimmt. In dem Begleitschreiben an Spalatin, der die Übermittlung der Briefe und Denkschriften übernahm, versicherte Luther dem Freunde, dessen Änderungen und Erweiterungen berücksichtigt zu haben.12 Die Antworten Johanns und Johann Friedrichs ließen keinen Zweifel daran, dass diese im Moment andere Sorgen hatten, doch scheinen die beiden darüber hinaus zu dem Schluss gekommen zu sein, dass es nötig wäre, schnellstmöglich zumindest die Ängste der Wittenberger zu zerstreuen, dass man kein Interesse mehr an der Universität habe. Von Eisenach aus versicherte Johann, dass er nicht die Absicht hege, die Universität untergehen zu lassen. Im Moment sei er jedoch durch den Bauernkrieg gebunden und müsse in die Zukunft vertrösten. Bis dahin solle Luther Sorge dafür tragen, dass alle Angehörigen der Universität gute Arbeit leisten. 13 Johann Friedrich antwortete Luther am 1. Juni ebenfalls in diesem Sinne. Sein Vater wäre geneigt, die Universität zu erhalten, jedoch müsse man für weitere Maßnahmen die Rückkehr der Fürsten in die Kurlande abwarten.14 Eine Stellungnahme oder gar Zusage zu den vorgebrachten Vorschlägen beinhalteten die am 6. Juni 1525 von Spalatin überbrachten Bescheide, die tags zuvor in Torgau eingegangen waren, freilich nicht. So zunächst ihrer schlimmsten Befürchtungen ledig, versicherten Luther, Melanchthon, Jonas und Bugenhagen ihr Entgegenkommen. Doch Johann war in den folgenden Wochen in zahlreiche politische Geschäfte so eingespannt, dass das Thema Universität keine Priorität besaß, zumal es in seinem näheren Umfeld offenbar niemanden gab, der damit eingehender befasst war bzw. sich verantwortlich fühlte. Auch Luther ließ die Angelegenheit mehr als drei Monate lang ruhen, obwohl es durchaus Gelegenheit gegeben hätte, sie wieder in das Blickfeld des Kurfürsten zu rücken.15 Erst im September 1525 11 Ebd. „Wo nun je E.F.G. dazu tun wollen, bitte ich untertäniglich, E.F.G. wolle fleißig darzu helfen, und nicht gehorchen, ob etliche große Hofschranzen würden verachtlich von Schreibern reden, dann E.F.G. wohl siehet, wie man die Welt nicht allein mit Gewalt jetzt regieren kann, sondern muss gelehrte Leute haben, die mit Gottes Wort helfen […].“ 12 Ebd., Nr. 871 (Luther an Spalatin, 20. Mai 1525). 13 Ebd., Nr. 880 (Johann an Luther, 1. Juni 1525). 14 Ebd., Nr. 881 (Johann Friedrich an Luther, 1. Juni 1525). 15 Beispielsweise als sich Johann zur „Erbholdung“ vom 13. bis 16. Juli 1525 in Wittenberg aufhielt. Ebenso bei seiner Fürsprache zur Berufung Spalatins als Pfarrer nach Altenburg. Ebd., Nr. 904 (Luther an Kurfürst Johann, 20. Juli 1525).
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wurde Johann von Spalatin und Luther an seine einstige Zusage, der Universität aufzuhelfen, erinnert. Am 16. September erhielt Johann ein Schreiben von Luther, mit der Bitte, Hans von Dolzig oder sonst jemanden nach Wittenberg zu entsenden bzw. sich schriftlich zu äußern.16 Kurz zuvor scheint bereits Spalatin auf dem Landtag in Altenburg, der Anfang September stattfand, Johann mit der Problematik noch einmal in aller Deutlichkeit konfrontiert zu haben, denn die Lage in Wittenberg hatte sich inzwischen weiter zugespitzt. Dieses harte Drängen bewog Johann schließlich dazu, Spalatin nach Torgau zu bestellen, wo dieser sich bereits aufhielt, als Luthers Brief eintraf.17 Am Hof scheint man ihm freie Hand gelassen zu haben, immerhin hatte er sich bereits seit geraumer Zeit mit den drängendsten Problemen in Wittenberg befasst. So stammt nicht nur der Entwurf der Instruktion von ihm selbst, sondern auch die Reinschrift ist mit seinen Korrekturen versehen.18 Am 17. September stellte ihm Johann das Beglaubigungsschreiben19 an die Universität aus und übergab ihm gleichzeitig die Instruktion20 für die Verhandlungen, die er in Wittenberg zur Verbesserung der Universität führen sollte. In erster Linie sollten die Besoldungen der Professoren neu geregelt werden, um ein weiteres Abwandern von Lehrkräften zu verhindern. Mit der Einstellung von zwei zusätzlichen Lehrern sollte der Rhetorikunterricht verbessert werden, ebenso sollten die Juristen dazu angehalten werden, fleißiger Vorlesungen zu halten.21 Natürlich war klar, dass eine bessere Besoldung der Universitätsangehörigen eine erhebliche Belastung für die kurfürstliche Kammer darstellen würde. Schon in Wittenberg versuchte Spalatin deshalb zu ermitteln, welche finanziellen Spielräume möglich wären, würde man die durch unbesetzte Stellen freigewordenen Einkünfte des Allerheiligenstifts nutzen. Dass diesbezüglich in Torgau bereits Vorbesprechungen zwischen dem Kurfürsten und Spalatin stattgefunden hatten, belegt ein Schreiben Johanns, das er Spalatin nach Wittenberg mitgab. Darin forderte er die Entscheidungsträger des Stifts auf, „personen nicht belehent, auch nicht sonderlich arm noch zu studirn geschickt oder geneigt […] ein gutlichen abschid geben“ und […] „an ir stat furder niemandts mer aufnemen, domit dieselben zins aus verleihung Gotts 16 Ebd., Nr. 921 (Luther an Johann, 15. September 1525). 17 Aller Wahrscheinlichkeit nach hielt sich Johann zu diesem Zeitpunkt auch in Torgau auf. Entgegen WA Br, Bd. 3, Nr. 921, Anm. 2., wo man ihn auf einem Treffen mit Landgraf Phillip in Treffurt vermutet. Vgl. dazu Ekkehart FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes und seiner Verfassung 1524/29 – 1531/35, Tübingen 1962, S. 26, Anm. 48. 18 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 922. 19 Ebd. 20 Vgl. Walter FRIEDENSBURG (Hg.), Urkundenbuch der Universität Wittenberg, Teil 1, Magdeburg 1926, Nr. 139. 21 Ebd., Nr. 139.
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gnaden hinfurder in bessere und furtreglichere wege angewandt werden“.22 In Wittenberg kam Spalatin vorerst zu dem zufriedenstellenden Ergebnis, dass die Einnahmen mehr als ausreichend wären.23 In den ersten Oktobertagen 1525 hielt Johann ein ausführliches Schreiben Spalatins zur Universitätsreform in den Händen, in dem ihm vorgeschlagen wurde, das Vermögen des Allerheiligenstifts für die Versorgung der Universität zu nutzen. Dazu solle Johann zunächst Hans von Minkwitz und Johann von Dolzig nach Wittenberg senden, die sich dort durch Einsicht in die Register der beiden Chöre des Stiftes einen Überblick darüber verschaffen sollten, was alles aus deren Vermögen bezahlt werden könnte. Der Brief enthielt die Versicherung, dass „wenn man mer vleis dabei haben will das einkummen einzubringen, das man in kurz, ob gott will, die cammern gar kann ledig machen und die universiteth fast ganz domit bestellen und besolden, allein man habe denn gnedigen und unverzuglichen vleis darbei“. 24 Um diese Schätzungen zu veranschaulichen, stellte Spalatin heraus, wie viele Leute bisher im Stift versorgt wurden und wie viele noch übrig waren.25 Auch der Bitte Luthers, dem Kurfürsten nach der Universitätsreform zu einer ebenso dringenden Neuordnung der Besoldung von Pfarrern, Predigern, Kaplänen und anderen im kirchlichen Dienst Stehenden zu raten,26 kam Spalatin in seinem Schreiben nach. E.cf. g. bitt ich unterteniglich zu wissen, das doctor Martinus vor allen ding fur notig achtet, das E. cf.g. aller pfarren guter in iren furstentumben zu sich nehmen und der pfarrer, prediger, caplan und dergleichen kirchendiener dovn bestellen, und sonderlich das E.cf. g. zu Wittenberg anfahen; dann ehr solichs beschee, sei kein ordnung wider mit cerimonien noch anderm bestendiglich furzunemen. Zur visitation erbeut sich doctor Martinus unterteniglich und gutwilliglich.27
22 Karl PALLAS (Hg.), Urkunden, das Allerheiligenstift zu Wittenberg betreffend, 1522–1526, in: Archiv für Reformationsgeschichte 12 (1915), S. 1–46, 81–131, hier Nr. 52 (Kurfürst Johann an Propst, Dekan und Kapitel der Stiftskirche sowie den Dekan des kleinen Chors zu Wittenberg, 17. September 1525). Nahezu gleichlautend in den Vorschlägen Spalatins vom Oktober 1525, welche Anweisungen im Zuge der Säkularisation an das Allerheiligenstift zu richten seien. Vgl. FRIEDENSBURG, Urkundenbuch der Universität Wittenberg, Nr. 144, Punkt 4. 23 Vgl. HÖSS, Spalatin, S. 286. 24 FRIEDENSBURG, Urkundenbuch der Universität Wittenberg, Nr. 141 (Spalatin an Johann, 1. Oktober 1525). 25 Nach einem von Spalatin 1520 erstellten Verzeichnis wurden aus dem Vermögen des Allerheiligenstifts 81 Personen bezahlt. Einem Verzeichnis vom 24. April 1525 zufolge waren davon noch 39 Personen verblieben. Vgl. PALLAS (Hg.), Urkunden des Allerheiligenstifts, Nr. 51 mit zahlreichen Anmerkungen zu den verbliebenen Personen. 26 WA Br, Bd. 3, Nr. 927 (Luther an Spalatin, 28. September 1525). 27 FRIEDENSBURG, Urkundenbuch Universität Wittenberg, Nr. 141.
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Luther und Spalatin zogen in den Angelegenheiten einer reformatorischen Neuordnung offensichtlich an einem Strang, es lässt sich aber nicht sagen, von wem die Idee stammte, das Allerheiligenstift zur Finanzierung der Universität heranzuziehen.28 Die Vorschläge kamen gut an bei Johann, auch wenn er über die wiederholten und energischen Forderungen Luthers und Spalatins bereits verärgert war, da er sie als Misstrauen gegen die von ihm getätigte Zusage, die Universität nicht untergehen zu lassen, deutete.29 Nun, da konkrete Vorschläge insbesondere zur weiteren Finanzierung der Hochschule vorlagen, reagierte Johann schnell. Noch vor dem 11. Oktober fertigte er Hans von Dolzig und Hans von Gräfendorf mit umfassender Instruktion nach Wittenberg ab.30 Den wichtigsten Punkt der Instruktion stellt ohne Zweifel der Befehl des Kurfürsten dar, das Stiftsvermögen einzuziehen und unter kurfürstliche Verwaltung zu stellen.31 Dabei bediente man sich der bereits von Spalatin vorgebrachten Argumentation, dass die verbliebenen Mitglieder des Kapitels nicht mehr dazu in der Lage seien, die dem Stift zustehenden Gelder und Zinsen korrekt einzuziehen. Dies nimmt Johann zum Anlass, die Kirchengüter des Stifts einzunehmen und selbst verwalten zu lassen, sodass diese Dinge wieder ordnungsgemäß durchgeführt werden. Dementsprechend sollten die beiden Räte das Vermögen einziehen, ordnen und dann jemanden bestellen, der sich um die Verwaltung der Güter kümmert. Darüber hinaus wurde eine Neuordnung des Gottesdienstes in der Stiftskirche verfügt, über deren genaue Gestalt die Wittenberger Theologen entscheiden sollten. Auch Besoldungsfragen und Streitigkeiten zwischen Universitätsangehörigen und der Stadt Wittenberg wurden in der Instruktion angesprochen. Rechtliche Bedenken, das Stift zu säkularisieren, hatte offenbar keine Seite, war es doch seit seiner Zusammenlegung mit der Universität 1507 mit dieser aufs engste verbunden. Alle zwölf Stiftsherren, die vom Kurfürsten ernannt wurden, waren gleichzeitig Professoren an der Universität. Damit 28 Luther hatte sich bereits 1523 dafür ausgesprochen, dass die Obrigkeit stark verkleinerte bzw. verlassene Klöster und Stifte an sich nehmen und verwalten solle, um zu verhindern, dass die Güter in unrechtmäßige Hände gelangten. Vgl. WA Werke, Bd. 12, S. 12f. „Ordnung eins gemeinen kastens. Radschlag wie die geistlichen gutter zu handeln sind.“ 29 Offensichtlich war Luther und Spalatin die Verärgerung gegen sie am Hof schon zu Ohren gekommen. Bereits in dieser Schrift entschuldigten sie sich für ihr hartes Drängen. Vgl. ebd., Anmerkungen. Am 31. Oktober entschuldigte sich Luther in einem persönlichen Schreiben noch einmal bei Johann und bekundete, dass nicht Misstrauen, sondern die Angst vor Verzögerung ihn zu seinem Verhalten veranlasst hätte. Der Eindruck, dass Luther glaubte, dass ohne Druck nichts passiert wäre, drängt sich aber auf. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 937 (Luther an Johann). 30 Am 11. Oktober schrieb Luther an Nikolaus Hausmann, dass die Räte des Kurfürsten eingetroffen seien. Vgl. ebd., Nr. 931. 31 Vgl. FRIEDENSBURG, Urkundenbuch der Universität Wittenberg, Nr. 143.
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wurde ein großer Teil der Lehrenden ursprünglich aus zum Stift gehörenden Pfründen bezahlt. In den Augen der Theologen und kurfürstlichen Räte scheint es der logische Schluss gewesen zu sein, die freigewordenen Gelder für nicht mehr besetzte Stellen von Kanonikern, Vikaren, Kaplänen und Chorknaben allesamt der Universität zufließen zu lassen und damit die kurfürstliche Kammer zu entlasten. Es steht außer Frage, dass Spalatin in Sachen Universitätsreform die treibende Kraft war. Der Instruktion wurden zusätzlich seine Vorschläge beigefügt, welche Anweisungen man nach Wittenberg bezüglich der Säkularisation des Allerheiligenstifts zu richten hätte.32 Johann setzte ihn am 11. Oktober 1525 darüber in Kenntnis, dass er Dolzig und Gräfendorf nach Wittenberg gesandt habe und ihm die Ergebnisse nach deren Rückkehr mitteilen werde.33 Als kurfürstlicher Rat nimmt Hans von Dolzig hier eine maßgebliche Rolle ein. Mit Spalatin seit seiner Zeit als Rent- und späterer Hofmeister Kurfürst Friedrichs gut bekannt, wurde er von diesem auch vorgeschlagen, alle nötigen Schritte zur Säkularisierung des Allerheiligenstifts einzuleiten. Dolzig war bereits im Vorfeld von Spalatin informiert worden, dass er ihn beim Kurfürsten vorgeschlagen habe34 und später, nachdem er erfahren hatte, dass Dolzig und Gräfendorf nach Wittenberg verordnet worden waren, legte er ihm ans Herz, den Rhetoren 60 fl. pro Jahr zu gewähren.35 Am 25. Oktober teilte Dolzig Spalatin mit, was die kurfürstlichen Räte bei ihren Verhandlungen mit Luther, dem Propst Justus Jonas, dem Pfarrer Johannes Bugenhagen und Melanchthon erreicht hatten. Nachdem man sich auf die Gehälter aller Universitätsgelehrten geeinigt hatte, legte man einen Verwalter für das Stiftsvermögen fest. Dazu wurde Christoph Blank bestimmt, der auch zuvor schon das Vermögen verwaltet hatte. Er war von nun an nicht nur dafür zuständig, die Gelder sowohl an die Angehörigen der Universität als auch an verbliebene Stiftsmitglieder auszuzahlen, denen die Beibehaltung ihres bisherigen Einkommens zugesagt wurde, sondern auch dafür, die rückständigen Zahlungen anzumahnen. „Auf nastkunftiges quartal Lucie haben alle personen der angemelten vorordnung nach iren anfang der empfahlung von Blancken zu gewarten und die hof-besoldung, aus der camer folgeth, sein aufhoren, auch die juristen facultet.“36 Dolzig konnte Spalatin versichern, dass alles in seinem Sinne geschehen sei.
32 Ebd., Nr. 144. 33 Ebd., Nr. 143, Anm. 1. 34 Spalatin an Dolzig, 5. Oktober 1525, gedruckt in: Paul DREWS, Spalatiniana, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 19 (1899), S. 69–98, hier S. 79. Warum Johann statt Hans von Minkwitz Hans von Gräfendorf mit nach Wittenberg sandte, ist nicht bekannt. 35 Ebd., S. 81 (Spalatin an Dolzig, 9. Oktober 1525). 36 FRIEDENSBURG, Urkundenbuch der Universität Wittenberg, Nr. 147 (Dolzig an Spalatin, 25. Oktober 1525).
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Mit dem Ergebnis der Maßnahme konnten zunächst alle Beteiligten zufrieden sein. Die kurfürstliche Kammer war nahezu vollständig entlastet, die Professoren bezogen nun ein Gehalt, das ihnen ein Auskommen in Wittenberg sicherte. Auch wenn sich bald herausstellte, dass es nicht einfach war, rückständige Gelder einzutreiben, und damit zeitweilig auch die Besoldungen ins Stocken gerieten, hatte man zunächst eine tragfähige Regelung gefunden. Der Einfluss Johanns bei diesem Prozess erscheint als sehr gering. Luther und Spalatin präsentierten ihm nicht nur fertige Lösungsansätze, sondern auch gleich dazu das passende Personal; alle Fäden hatten sie bereits im Hintergrund gesponnen. Sicherlich hatten sie guten Grund dazu, denn unter Friedrich waren dringend anstehende Reformen immer wieder in die Zukunft verschoben worden.37 Nun stand mit dem neuen Kurfürsten alles auf dem Spiel, denn es bestand dringender Handlungsbedarf. Mit etwas Nachdruck brachten sie schließlich Johann dahin, wo sie ihn haben wollten; er, der weder ein ausgewiesener Kenner der Universitätsangelegenheiten war noch in Finanzdingen sehr versiert, stimmte allen Vorschlägen seiner Berater zu.
5.1.2. Kursächsische Landesvisitationen Nachdem, wie wir im Abschnitt zu den ersten Visitationen gesehen haben, Kurfürst Johann und zahlreiche kursächsische Beamte und Theologen in den Jahren 1525 bis 1527 bereits einige Erfahrungen bei lokal begrenzten Visitationen gesammelt hatten, welche die Notwendigkeit aufgezeigt hatten, eine einheitliche und grundlegende Visitationsordnung zu erarbeiten, entstand in monatelangen Beratungen und Diskussionen „der Unterricht der Visitatoren an die Pfarrherrn im Kurfürstentum Sachsen“. 38 Die Erarbeitung eines solchen Textes, der versuchte, Ordnungsstrukturen zu beschreiben, war notwendig geworden, da man im Laufe der Zeit festgestellt hatte, dass die Visitationsinstruktion des Kurfürsten als Rechtsgrundlage nicht ausreichte. Maßgeblich beteiligt an der Ausarbeitung waren neben den Theologen Melanchthon, Luther, Bugenhagen, Spalatin und Agricola auch zahlreiche kurfürstliche Juristen.39 Hier ist in erster Linie an den Kanzler Gregor Brück, aber auch an Benedikt Pauli und Hieronymus Schurff zu denken. Am Ende dieses Prozesses sollte ein Dokument stehen, dessen Formulierungen zur evangelischen Lehre möglichst von allen ernestinischen Theologen 37 In diesem Sinne äußerte sich auch Luther Johann gegenüber: „[…] darumb hielt ich an, das nicht durch uberflussig gescheffte verzogen wurde, wie denn vielen und viel mal bei vorigem unserm gnedigsten herrn geschehen.“ WA Br, Bd. 3, Nr. 937 (Luther an Johann, 31. Oktober 1525). 38 Vgl. EKO, Bd. 1, S. 36–40. 39 Vgl. ebd. sowie MICHEL, Der „Unterricht der Visitatoren“, S. 160.
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mitgetragen wurden und auch kirchenrechtlichen Standards genügten. So gliedert sich der endgültige Text des „Unterrichts der Visitatoren“ in 18 Artikel, denen eine Vorrede Luthers vorangestellt ist, in welcher er auf die biblische Grundlage und Tradition von Visitationen verweist, ihren Verfall unter der alten Kirche beschreibt und schließlich auf die Notwendigkeit der Wiederbelebung unter Kurfürst Johann überleitet und diese legitimiert. Da haben wir des gewissen wollen spielen und zur liebe ampt (welchs allen christen gemein und geboten) uns gehalten, und demütiglich mit bitten angelangt, den durchleuchtigsten hochgebornen fürsten und herrn, hernn Johans, herzog zu Sachsen […] unsern gnedigsten herrn, als den landsfürsten und unser gewisse weltliche oberkeit, von got verordnet, das s.k.f.g. aus christlicher liebe und umb gotts willen, dem evangelio zu gut, und den elenden christen in s.k.f.g. landen, zu nutz und heil, gnediglich wollten etliche tüchtige personen zu solchem ampt fordern und ordnen, welchs denn s.k.f.g. also gnediglich, durch gottes wolgefallen, gethan und angericht haben.40
Alle Belange ließen sich freilich nicht regeln, und dies war auch gar nicht angedacht. So wurden im „Unterricht der Visitatoren“ keine Regelungen zu den finanziellen Verhältnissen in den Gemeinden getroffen, da man die Erfahrung gemacht hatte, dass es jeweils einer individuellen Lösung vor Ort bedurfte. Auch zu einigen anderen Fragen, die sich nach Ansicht der Autoren auch anderswo konkret regeln ließen, enthält der Text keine ausführlichen Bestimmungen. So war mit dem Erscheinen des „Unterrichts der Visitatoren“ der Weg frei für eine erste ordentliche und landesweite Kirchen- und Schulvisitation in Kursachsen. Diese kündigte Kurfürst Johann seinen Amtleuten, Schossern und Städten am 6. September 1528 an.41 Zeitlich gestaffelt von Ende Oktober 1528 bis Mitte Mai 1529 begannen schließlich die verschiedenen Visitationskommissionen ihre Arbeit in den sechs Visitationsbezirken. Als Instruktion wurde diejenige aus dem Jahr 1527 in leicht abgewandelter Form verwendet.42 Insgesamt bedeutete diese Visitation für alle Beteiligten einen enormen Kraftakt; Pfarrer, Professoren und kurfürstliche Beamte waren für Monate darin gebunden und standen an ihren eigentlichen Arbeitsplätzen nicht zur Verfügung. Doch die Visitationsprotokolle, die zum Teil unhaltbare Zustände in einzelnen Städten und Dörfern dokumentieren, zeigten dem Kurfürsten an, dass man beim Aufbau einer funktionierenden und handlungsfähigen Landeskirche noch ganz am Anfang stand. So lagen im Kurkreis, der als erster Visitationsbezirk durch Luther, Hans Metzsch, Dr. Benedikt Pauli und Hans von Taubenheim besucht wurde,43 die Schulen fast völlig 40 41 42 43
EKO, Bd. 1, Unterricht der Visitatoren, S. 149–174, hier S. 150f. Ebd., S. 174f. Vgl. ebd., S. 142–148. Vgl. ebd., S. 41. Hier begann die Visitation am 22. Oktober 1528 und endete Ostern 1529. Visitiert wurden die Ämter Wittenberg, Seida, Schweinitz, Lochau, Herzberg, Schlieben,
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darnieder. Die für den Schuldienst auf den Dörfern zuständigen Küster fehlten meist ganz, in den Städten kamen die zuständigen Stadtschreiber ihren Aufgaben bei der Unterrichtung der Kinder nur ungenügend nach. Ebenso schockierte die Visitatoren der sittliche Verfall und die teilweise Verrohung sowohl der Bevölkerung als auch der Pfarrer in einzelnen Gemeinden.44 Allerdings blieb häufig mangels geeigneter Geistlicher nichts anderes übrig, als die alten Pfarrer, die zwar ihrem Bekenntnis nach lutherisch waren, aber insgesamt weit hinter den bereits bescheidenen Anforderungen der Visitatoren zurückblieben, vorerst in ihren Ämtern zu belassen. Meist unterstellte man sie der Aufsicht eines geschickteren Nachbargeistlichen und räumte ihnen Zeit zur Besserung ein, denn man war sich darin einig, dass umfassende Entlassungen ohne die Möglichkeit einer adäquateren Neubesetzung noch größeren Schaden angerichtet hätten.45 Auch wenn sich die Lage in den einzelnen Landesteilen Kursachsens recht unterschiedlich darstellte, so lassen sich doch einige Probleme, mit denen die Visitatoren an vielen Orten konfrontiert waren, verallgemeinern. Insgesamt war die Anzahl an geschickten Geistlichen in allen Landesteilen zu niedrig, nahezu überall war die Bevölkerung, was Predigt und Seelsorge anbetraf, unterversorgt. Die häufig ausnehmend schlechte wirtschaftliche Situation der Geistlichen führte dazu, dass diese ihren Pflichten nur ungenügend nachkamen, nicht zuletzt, weil sie gezwungen waren, ihren Lebensunterhalt durch andere Erwerbsquellen zu sichern. Im besten Fall stellte dies Ackerbau und Viehwirtschaft dar, im schlimmsten Fall betrieben die Geistlichen Schankwirtschaften, eine dem Lebenswandel der Pfarrer meist wenig zuträgliche Betätigung.46 Insbesondere dort, Liebenwerda, Bitterfeld, Gräfenhainichen, Düben, Belzig und Torgau (gehörte eigentlich nicht zum Kurkreis, wurde jedoch hinzugezogen.) 44 Vgl. BURKHARDT, Kirchen- und Schulvisitationen, S. 37–41. 45 Vgl. ebd. Angesichts der Unwissenheit und Ungelehrtheit sowohl der Pfarrer als auch des einfachen Volkes entschloss sich Luther 1529 zur Herausgabe des kleinen Katechismus, der gegenüber dem „Unterricht der Visitatoren“ als vereinfachte Einführung in den christlichen Glauben gedacht ist. Wie schockierend die Verhältnisse auf Luther gewirkt haben müssen, zeigen seine Ausführungen in der Vorrede, wo es heißt „Hilff, lieber Gott, wie manchen iamer habe ich gesehen, das der gemeine man doch so gar nichts weis von der Christlichen lere, sonderlich auff den dörffern, und leider viel Pfarherr fast ungeschickt und untüchtig sind zu leren, und sollen doch alle Christen heissen, getaufft sein und der heiligen Sacrament geniessen; können widder Vater unser, noch den Glauben odder die Zehen gebot, leben dahin, wie das liebe vihe und unvernünfftige seue, und nu das liebe Evangelium komen ist, dennoch fein gelernt haben, aller Freiheit meisterlich zu missebrauchen.“ Vgl. WA Werke, Bd. 30/1, S. 243–402, hier S. 346f. 46 In Zusammenhang mit dem bereits erwähnten unsittlichen Lebenswandel scheint auch der übermäßige Alkoholgenuss der Geistlichen ein sehr verbreitetes Problem gewesen zu sein. Für den Visitationsbezirk Franken beschreibt Burkhard diesen Umstand mit den einfachen Worten: „Saufen war an der Tagesordnung“. Vgl. BURKHARDT, Kirchen- und Schulvisitationen, S. 54, Anm. 1.
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wo es noch eine nennenswerte Anzahl an katholischen Geistlichen gab, etwa in der Umgebung von großen Klöstern, zeigte sich die Bevölkerung der lutherischen Lehre gegenüber nach wie vor schwankend und unsicher.47 In einigen Gegenden begegneten die Pfarrer dieser Unsicherheit in der Bevölkerung nicht etwa durch klare und reine Predigt des Evangeliums, sondern indem sie wahlweise deutsche und lateinische Messe lasen oder das Abendmahl, je nach Bedarf, unter einerlei oder beiderlei Gestalt feierten.48 Immer wieder sahen sich die Visitatoren auch dem Problem gegenüber, dass adlige Patronatsherren ihnen das Recht zur Visitation absprachen, da sie meinten, der Kurfürst habe nicht „in die Gewissen hinein zu regieren“. So gestaltete sich die Arbeit beispielsweise in der Herrschaft der Reußen und bei den Herren von Gera besonders schwierig. Diese sahen die Visitation des Kurfürsten in ihren Gebieten als Bevormundung an und weigerten sich, den Anordnungen der Visitatoren Folge zu leisten. 49 Nach der Abreise Kurfürst Johanns zum Reichstag nach Speyer im März 1529 setzte sich Kurprinz Johann Friedrich zwar für ein härteres Vorgehen gegen die Reußen und die Herren von Gera ein, wollte aber keine eigenmächtigen Entscheidungen treffen.50 Nach zahlreichen Rücksprachen mit seinem Vater beschloss man schließlich im März, die Visitation abzubrechen, und Johann verfügte am 19. April, dass in dieser Angelegenheit bis zu seiner Rückkehr nichts mehr zu unternehmen sei.51 Mit der Beendigung der Besuche vor Ort war die Arbeit jedoch noch lang nicht getan, so zeigt sich am Beispiel Georg Spalatins, dass ihn die Nacharbeiten noch bis in den Sommer 1529 hinein beschäftigten. Es mussten Visitationsprotokolle verfasst oder zumindest korrigiert und kommentiert werden, und darüber hinaus blieben die jeweiligen Visitatoren für Kurfürst Johann stets die ersten Ansprechpartner, wenn es zu Problemen bezüglich der Umsetzung der von ihnen angeordneten Maßnahmen kam.52 Die wesentlichsten Maßnahmen, die zu treffen waren, betrafen die Umgestaltung der Pfarreien und der Filialverhältnisse, um 47 So beispielsweise in Altenburg, wo die Mehrheit der Geistlichen, die für die Seelsorge der Stadtbevölkerung zuständig waren, dem Bergerkloster angehörte. Vgl. ebd., S. 44f. 48 Vgl. ebd., S. 59. 49 Offenbar rechnete Johann damit, dass es in den reußischen Herrschaften, die sich bis dahin erfolgreich der Einführung der Reformation widersetzt hatten, zu Schwierigkeiten kommen würde. Deshalb wies er die Visitatoren am 28. Dezember 1528 gesondert an, auch die Herren von Gera und die Reußen von Plauen zu Greiz zur Visitation zu laden. Trotz dieses Befehls des Kurfürsten, den er in einem Schreiben vom 21. Februar 1529 erneuerte, weigerte sich Heinrich Reuß XIII. von Plauen dem nachzukommen. Vgl. JAUERNIG, Die Einführung der Reformation in den Reußischen Landen, S. 80–84. 50 Vgl. ebd., S. 90f. (Johann Friedrich an Johann, 17. März 1529). 51 Vgl. ebd., S. 93. 52 Vgl. Rudolf HERRMANN, Die Kirchenvisitationen im Ernestinischen Thüringen vor 1528, in: Beiträge zur Thüringischen Kirchengeschichte 3 (1933), (Fortsetzung zu Bd. 1), S. 1–69, hier S. 25–28.
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eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit Geistlichen zu gewährleisten. Dabei kam es auch zu Zusammenlegungen oder Schließungen von stark baufälligen Kirchen. Sollte es notwendig geworden sein, einen Pfarrer zu entlassen, musste man dafür sorgen, dass die Gemeinde bald Ersatz bekam, was sich bei erwähntem Mangel an geeigneten Personen nicht selten als schwierig darstellte. Außerdem musste der alte Pfarrer abgefunden und versorgt werden. Wobei eines der nächsten Probleme benannt ist: Die Visitatoren hatten sich zum Ziel gesetzt, die Einkommensverhältnisse der Geistlichen festzulegen und zu sichern. Dabei ging es im Wesentlichen um die Sicherung der Einkünfte der Pfarre, aber auch um die Verbesserung oder auch erst die Einrichtung von Gemeinen Kästen, aus denen schließlich die Geistlichen, Küster, Schulmeister etc. bezahlt werden sollten. Natürlich gab es daneben noch zahlreiche ortsspezifische Einzelfragen zu lösen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann. Einen guten Überblick über die allgemeinen Probleme bietet die Verordnung Kurfürst Johanns an die Ritterschaft und den Adel, worauf zukünftig zu achten sei. So beschäftigen sich lediglich die ersten beiden Punkte mit der Lehre, in denen es knapp heißt: „1. Die von der Ritterschaft und dem adel sollen mit ernst und vleis darob sein, das gottes wort vor allen dingen lauter, rein und treulich gepredigt werde. 2. Sie sollen ob der visitation ordnung und cerimonien vleissig halten.“53 Ganze neun Artikel nehmen sich der Frage der Finanzierung an, weitere elf Artikel beschäftigen sich mit Anweisungen zu einem christlichen und sittlichen Lebenswandel. So heißt es beispielsweise unter Punkt 15: „Das man das unordentlich tag und nachtgeschrei der drunkenpolt abschaffe“ oder unter Punkt 19 darauf drängt, dass das Singen von Schandliedern in der Öffentlichkeit zum Schutz der Jugend verboten werde.54 Die drei letzten Punkte geben Anweisungen hinsichtlich der Bestrafung derjenigen, die gegen diese Verordnung handeln. Allen Beteiligten war jedoch klar, dass mit dieser ersten landesweiten Visitation in erster Linie eine Bestandsaufnahme und bestenfalls eine Grundlage für den Aufbau einer evangelischen Landeskirche geschaffen worden war. Vieles war auf den Weg gebracht worden, die nächsten Schritte mussten die Gemeinden jedoch selbst tun.55 Doch gerade dies sollte zum Problem werden, denn schon bald stellte man fest, dass die von den Visitatoren angeordneten Maßnahmen
53 EKO, Bd. 1, S. 175. 54 Vgl. ebd. 55 Es gibt einige Hinweise darauf, dass zwischen den beiden großen landesweiten Visitationen 1528/29 und 1532/33 durchaus lokale Visitationen durchgeführt wurden. Vgl. BURKHARDT, Kirchen- und Schulvisitationen, S. 42, 103 sowie WA Br, Bd. 6, Nr. 1791, 1794, 1805.
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allzu häufig nur ungenügend oder gar nicht umgesetzt worden waren. 56 Dies führte dazu, dass auch drei Jahre nach der ersten landesweiten Visitation die Zustände in vielen Regionen unhaltbar waren, was eine erneute Visitation unumgänglich machte.57 Auch die Stände baten durch einen von ihnen auf dem Landtag von Zwickau 1531 eingesetzten Ausschuss darum, die landesweiten Kirchen- und Schulvisitationen fortzuführen.58 Diese Forderung stand in engem Zusammenhang mit der von den Landständen geforderten Sequestration der Klostergüter in Kursachsen. Doch es sollte noch mehr als ein Jahr vergehen, bis sich Johann schließlich kurz vor seinem Tod an Luther, Jonas, Melanchthon, Benedikt Pauli und den Wittenberger Amtmann Hans Metzsch wandte, um diese um Vorschläge zu bitten, wann und durch wen die Visitation in den einzelnen Kreisen des Kurfürstentums vorgenommen werden soll. Zuvor zählte er zahlreiche Missstände auf, über welche ihn nahezu täglich Klagen von Geistlichen erreichen. „Weil uns dann solchs nicht zu geringer Befrembdung, auch Beschwerunge unser Gewissen tuet gereichen und wir uff des verordenten Ausschuß gemeiner unser Landschaft untertänigs beschehen Bitten, die Visitation wiederumb zu verordenen, genädiglich bewilliget […].“59 Ebenso ordnete Johann an, die Instruktion von 1528 heranzuziehen und anhand deren zu entscheiden „ob die in einem ader mehr Artikeln und welcher Gestalt zu andern, zu mindern ader zu mehren sein soll“..60 Darüber sollten die Wittenberger auch mit dem alten Kanzler Gregor Brück beraten.61 Dass zwischen dem Ersuchen der Stände um Durchführung einer erneuten Visitation und dem Auftrag Kurfürst Johanns zur Planung einer solchen so viel Zeit verging, könnte damit zusammenhängen, dass die Realisie-
56 Anordnungen Kurfürst Johanns, die infolge der landesweiten Visitation 1528/29 ausgingen, sind gedruckt in: EKO, Bd. 1, S. 175–178. Oft waren es auch kleine Dinge, mit denen Johann versuchte, die allgemeine Situation zu verbessern. So ordnete er am 6. Februar 1530 an, dass in allen Städten und Flecken, wo Schulmeister sind, den armen Schülern wieder wie früher gestattet werde, vor den Türen zu singen, um sich Almosen zu ihrem Studium zu verdienen, da man beobachtet habe, dass viele Eltern aufgrund der Kosten ihre Kinder nicht zur Schule schicken und dadurch langfristig ein Mangel an Studierenden entstehen könnte. Vgl. ELA, Nr. 372. 57 Dies zeigte sich besonders in den Gegenden rund um die Saale in Thüringen, die 1529 nach 1527 bereits das zweite Mal visitiert wurden, ohne dass sich merkliche Verbesserungen eingestellt hatten. Vgl. BURKHARDT, Kirchen- und Schulvisitationen, S. 82–94. 58 Vgl. ELA, Nr. 225. Diese Bitte wurde auf einem Ausschusstag am 5. März 1531 in Torgau vorgebracht. 59 WA Br, Bd. 6, Nr. 1952 (um den 12. August 1532). 60 Ebd. 61 Das entsprechende Schreiben an Brück aus der kurfürstlichen Kanzlei datiert auf den 12. August 1531. Vgl. WA Br, Bd. 6, Nr. 1952.
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rung der Sequestration zunächst vorrangig behandelt wurde.62 Die neue Visitationsinstruktion fußte auf der von 1527, war jedoch in vielen Punkten erweitert und verschärft worden. Für diese Umarbeitung zog man erfahrene Theologen und Visitatoren wie Georg Spalatin heran.63 So erarbeitete dieser ein 21 Punkte umfassendes Gutachten. Einige seiner Vorschläge wie beispielsweise, dass Geistliche, die einen unsittlichen Lebenswandel pflegten, abgesetzt werden konnten, katholische Messen in den Klöstern verboten und Abweichungen vom Glauben härter bestraft wurden, fanden Eingang in die neue Instruktion.64 Aber auch die Stände reichten über den Landtagsausschuss ihre Änderungsvorschläge ein, die Johann Friedrich schließlich in die Instruktion aufnehmen ließ.65 Insgesamt vermittelt die Instruktion den Eindruck, als wäre die Zeit der Schonung all derjenigen, die sich bei der vorherigen Visitation als nur mäßig geschickt und geeignet erwiesen hatten, vorbei. Die endgültige Fassung ging am 19. Dezember 1532 den ernannten Visitatoren zu. Kurfürst Johann hatte mit der Planung und Durchführung von Visitationen, die nicht unter der Leitung einer geistlichen Obrigkeit standen, die ihm von Luther und Hausmann zugedachte Rolle des Notbischofs angenommen und dazu einen entscheidenden Schritt hin zum landesherrlichen Kirchenregiment getan.66 Michael Beyer beschrieb den Charakter der Kirchenvisitationen folgendermaßen: Das Kirchengut der lokalen Kirchgemeinden wurde durch wiederholte Visitationen in relativer Einheitlichkeit seiner Bestimmung für Kirche, Schule und Armenfürsorge zugeordnet und überwacht. Insofern ist die Visitation ein Instrument frühneuzeitlicher Staatsbildung, zumal sich ihre Ordnungsaufgabe nicht nur auf die Vermögen, sondern auch auf die Gewährleistung einheitlicher Gottesdienstordnungen und die Durchsetzung einer strengen Sittenzucht erstreckte.67
Kurfürst Johann Friedrich nutzte dieses von seinem Vater geschaffene Fundament, baute darauf auf und erweiterte die Grundlagen der kirchlichen Verwaltung. 62 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass auch finanzielle Erwägungen eine Rolle spielten. Wie bereits zuvor angedeutet, band eine sich über Monate hinziehende landesweite Visitation nicht nur personelle Ressourcen, sondern war darüber hinaus äußerst kostspielig. 63 Neben Spalatin arbeiteten auch Jonas und Bugenhagen, die später Visitatoren des Kurkreises waren, an der Instruktion mit. Vgl. EKO, Bd. 1, S. 50. 64 Das Gutachten ist gedruckt in: Björn SCHMALZ, Georg Spalatin und sein Wirken in Altenburg (1525–1545). Beucha 2009, S. 120–122. Die Instruktion selbst, die Kurfürst Johann Friedrich am 19. Dezember 1532 erließ, ist gedruckt in: EKO, Bd. 1, S. 183–186. 65 Vgl. EKO, Bd. 1, S. 50, BURKHARDT, Kirchen- und Schulvisitationen, S. 120. 66 Vgl. EKO, Bd. 1, S. 149–151 (Luthers Vorrede zum Unterricht der Visitatoren) PRELLER, Nicolaus Hausmann, S. 365–377 (Zweites Gutachten Hausmanns zur Förderung der Reformation). 67 Michael BEYER, Martin Luther und das Kirchengut, Leipzig 1984, S. 228.
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5.1.3. Täuferpolitik Parallel zu diesen Bestrebungen nach Vereinheitlichung und landesherrlichem Kirchenregiment ging Kurfürst Johann streng gegen abweichende evangelische Lehren in Kursachsen vor. Während man Menschen, die sich nach wie vor schwankend zur lutherischen Lehre zeigten oder im katholischen Glauben verharrten, als Schwache ansah und ihnen Zeit zur Besserung zugestand, sahen sich insbesondere die Täufer in vielen Territorien bald harten Verfolgungen ausgesetzt. So unterstellte man den Täufern zuallererst politische und aufrührerische Ziele, die denen der aufständischen Bauern von 1525 sehr ähnlich waren. Nach Auffassung der Fürsten diente ihnen dabei das Evangelium lediglich als Deckmantel ihrer eigentlich umstürzlerischen Intentionen. Selbst wenn dies nicht der Fall war, passten die heterogenen religiösen Konzepte der Wiedertäufer, denen jedoch die Ablehnung der Kindstaufe gemein war, nicht zu dem von Kurfürst Johann nach dem Bauernkrieg eingeschlagenen Weg, die Reformation auf die Wittenberger Lehre zu kanalisieren und festzulegen.68 Nicht nur, dass sich die Wiedertäufer auf die Schriften von Karlstadt und Müntzer bezogen, sie lehnten auch das sich gerade im Aufbau befindliche institutionalisierte evangelische Kirchenwesen ab. 69 Mit dem Fortgang der Reformation höchst unzufrieden, kritisierten sie an Luther, dass er sich zu schwer von überkommenen katholischen Vorstellungen losreißen könne und deshalb die evangelischen Ideen weder konsequent zu Ende gedacht noch die notwendigen Umwälzungen unbeirrt und vollständig vorgenommen habe. Sie warfen ihm, wie auch Zwingli, vor, die Bibel als Macht- und Herrschaftsinstrument zu missbrauchen, um sich kirchenpolitisch durchzusetzen.70 Zudem war für Johann reichsrechtlich von großer Relevanz, dass er mit der konsequenten Umsetzung des Täufermandats von 1529 versuchen wollte, seine
68 Insbesondere mit der Schaffung des Amtes des Superintendenten wurde dafür Sorge getragen, dass kein Adliger und keine städtische Obrigkeit mehr die Möglichkeit hatte, einen von der lutherischen Lehre abweichenden Prediger zu bestellen. Ebenso stellte man mit der Überwachung der Prediger durch die Superintendenten sicher, dass diese das Evangelium rein und treu predigen und Verstöße sofort an den Kurfürsten weitergemeldet wurden. Vgl. Helmar JUNGHANS, Die Ausbreitung der Reformation von 1517 bis 1539, in: DERS. (Hg.), Das Jahrhundert der Reformation in Sachsen, Leipzig 22005, S. 37–67, hier S. 53. 69 In Franken und Thüringen verbreitete sich das in erster Linie von Hans Hut geprägte Täufertum, das stark von den Lehren Karlstadts, Müntzers und der Zwickauer Propheten beeinflusst war. Vgl. dazu Gottfried SEEBAß, Müntzers Erbe, Werk, Leben und Theologie des Hans Hut, Gütersloh 2002, S. 167–195. 70 Vgl. Hans-Jürgen GOERTZ, Die Täufer – Geschichte und Deutung, München 1980, S. 48.
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eigene Position gegenüber Kaiser und König zu stärken und die lutherische Lehre in den Stand der Rechtgläubigkeit zu versetzen.71 Die täuferischen Lehren, die ab Mitte des Jahres 1526 durch den Buchführer Hans Hut in die fränkischen Gebiete Kursachsens einsickerten,72 waren tatsächlich unruhestiftender Natur, da ihre Anhänger auf unterschiedliche Art und Weise den Sturz der weltlichen und geistlichen Obrigkeiten erwarteten oder anstrebten. So sagten die ersten Männer und Frauen, die im Coburger Raum in Haft genommen wurden, aus, dass sie für die Aufhebung und Vernichtung der bestehenden Regierung und die Anbahnung eines gerechten christlichen Bruderreiches eintraten. Mal erwartete man die Niederwerfung der Fürsten durch die heranziehenden Türken, mal war man bereit, sein Hab und Gut zu verkaufen, nach Mühlhausen zu ziehen, um sich dort zu sammeln und dann selbst vereint gegen die Obrigkeit zu kämpfen.73 Als Zeichen für dieses gemeinsame Ziel hatten sie die Wiedertaufe empfangen. Obwohl die abgelegene und dünn besiedelte Region rund um Königsberg in Franken sehr günstige Bedingungen für konspirative Bewegungen bot,74 wurden die Amtleute, die nach dem Bauernkrieg durch strenge Mandate des Kurfürsten zur besonderen Kontrolle der Bevölkerung angehalten waren, bald auf die Um71 Schon Anfang 1528 machte Herzog Georg einen Unterschied zwischen der lutherischen Lehre und den „verdampten Irrungen“, mit denen er die Wiedertäufer meinte. Daran zeigt sich, dass auch in der Außenwirkung ein erster Schritt hin zur Abgrenzung von Luthers Lehre gegen den sogenannten Wildwuchs der Reformation bereits vollzogen war. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1526 (Herzog Georg an die Bischöfe von Meißen und Merseburg, 3. Januar 1528). 72 Hans Hut stammte aus Franken und lebte vor 1517 als Küster in Bibra bei Meiningen. Er war Buchbinder und betätigte sich nebenbei als Buchführer. Diese Tätigkeit veranlasste ihn auch zu zahlreichen Reisen. In den Jahren vor dem Bauernkrieg kam Hut mit den Ideen waldensisch-taboritischer Sektenkreise in Berührung, die im westlichen Sachsen und in der Gegend um Zwickau besonders verbreitet waren. Seine Predigten waren stark von den Ideen Müntzers beeinflusst. Pfingsten 1526 empfing Hut in Augsburg durch Hans Denck seine eigene Wiedertaufe. Danach kehrte er nach Franken zurück und predigte dort im täuferischen Sinne. Hut scheint sich in den Dörfern seiner Heimat zunächst hauptsächlich an Bauern gewandt zu haben, die, ebenso wie er selbst, am Bauernkrieg teilgenommen hatten und sich nun vor der Obrigkeit verstecken mussten. Diese konnte er mit seinen Lehren über das drohende Gericht über die Gottlosen, womit die geistliche und weltliche Obrigkeit gemeint war, das schon bald beginnen sollte und an dem sie mitwirken wollten, begeistern. Vgl. SEEBAß, Müntzers Erbe, S. 204–226, Gerhard ZSCHÄBITZ, Zur Mitteldeutschen Täuferbewegung nach dem großen Bauernkrieg, Berlin 1958, S. 51–65. 73 Vgl. Georg BERBIG, Die Wiedertäufer im Amt Königsberg i. Fr. i. J. 1527/28, in: Deutsche Zeitschrift für Kirchenrecht 13 (1903), H. 3, S. 291–353, hier S. 293f.; Paul WAPPLER, Die Täuferbewegung in Thüringen 1526–1584, Jena 1913, Nr. 1c. 74 Das Amt Königsberg gehörte zur Pflege Coburg, war aber als Enklave bereits im Würzburgischen gelegen.
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triebe der Wiedertäufer aufmerksam. Im Februar 1527 ließ Kuntz Gotsmann, der Amtmann von Königsberg, unterstützt von seinem würzburgischen Amtskollegen, einige Personen festnehmen und verhören, weil sie „auf rurig zu sein vermeint haben“.75 Kurfürst Johann wurde schließlich durch ein Schreiben der Verordneten von Coburg am 17. Februar 1527 informiert. Darin heißt es: Genedigster herr ewern churf. gn. geben wir in unterthenigkeit zuerkennen, das in euer churf. gn. Amt und dem gericht Konigsperg etliche burger und bauers menner zu gefenknus auf anregen des amtmans zu Bromberg, was an ine etlicher heimlicher meuterei und aufrur halb gelangt, angenommen und peinlich befragt sein.76
Die Anstifter, die von den Gefangenen benannt worden sind, seien zwar inzwischen flüchtig, man plane jedoch, die anderen als Aufrührer zu verurteilen und entsprechend zu bestrafen. Da diese aber angeben, verführt worden zu sein und deshalb um Gnade und Barmherzigkeit bitten, wünsche man von Johann weitere Anweisungen.77 In dem Schreiben findet sich kein Wort darüber, dass mit der Anstiftung zum Aufruhr die Wiedertaufe einherging. Dies konnte der Kurfürst lediglich den mitgesandten Verhörprotokollen entnehmen. Es scheint jedoch, als wäre Johann in diesem Zusammenhang nicht das erste Mal mit dem Thema ‚aufrührerische Aktivitäten in Verbindung mit Wiedertaufe‘ konfrontiert worden. Offensichtlich lagen bereits Anweisungen des Kurfürsten zum Umgang mit Wiedertäufern vor, wenn der Amtmann Gotsmann in seinem Schreiben an die Verordneten von Coburg erwähnt, dass ihm Rat und Gemeinde von Königsberg gemäß „aufgebot und erinderung meins gstg. herren diese neue tauf und bese misshandlung zu verdilgen und auszureuten“ geholfen hätten, die Schuldigen ausfindig zu machen und festzunehmen.78 Dies ist nicht unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass Hans Hut bald nach seiner eigenen Wiedertaufe durch Hans Denck Pfingsten 1526 in Augsburg, in seine fränkische Heimat zurückkehrte und von dort aus seine täuferische Propaganda begann.79 Die Reaktion Johanns auf die Mitteilung der Coburger Verordneten zeigt, dass er wohl der Meinung gewesen war, dass die Strafen, mit denen man bisher gegen Aufrührer vorgegangen war, ausreichendes Abschreckungspotenzial gehabt hätten. Zumindest hatte er nicht mit weiteren Schwierigkeiten gerechnet. Nun allerdings musste er entscheiden, ob die angedrohte Todesstrafe auch angewandt oder den Gesuchen der Gefangenen um Gnade stattgegeben werden sollte. In diesem Fall enthielt sich Johann indirekt der Entscheidung, indem er 75 Vgl. BERBIG, Die Wiedertäufer im Amt Königsberg, Nr. 7a (Verzeichnis der Urgericht, 12. Februar 1527). 76 Ebd., Nr. 5 (Bericht der Verordneten zu Coburg an Johann, 17. Februar 1527). 77 Vgl. ebd. 78 Ebd., Nr. 2 (6. Februar 1527). 79 Vgl. SEEBAß, Müntzers Erbe, S. 204–226.
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seine Beamten in Coburg anwies, sich nach dem Bischof von Würzburg zu richten, es sei denn, es würden sich noch Umstände ergeben, die es rechtfertigten, das Leben der Gefangenen zu schonen.80 Nach den übrigen Wiedertäufern solle man fleißig fahnden und sie gefangen nehmen. Man solle den Gefangenen zwar klarmachen, dass sie durch ihr Verhalten sowohl ihr Hab und Gut im Kurfürstentum als auch ihr Leben verwirkt hätten, wenn jedoch für sie gebürgt wird, sie angeben, verführt worden zu sein und von ihrem Irrtum abstehen zu wollen, dann solle man sie wieder freilassen. In diesen Fällen stand also für Johann die Anwendung der Todesstrafe oder auch die Ausweisung aus Kursachsen gar nicht zur Diskussion. Die Freilassung war allerdings mit einer auf unbestimmte Zeit verordneten Schamstrafe verbunden, die unter anderem das sonntägliche Aufstellen vor der Kirche im Büßergewand und das öffentliche Bekennen ihres Irrtums beinhaltete. 81 Grundsätzlich ordnete Johann für die Pflege Coburg an, dass in Zukunft niemandem, außer den verordneten Pfarrern, Predigern und Kaplänen, gestattet sein sollte, zu predigen und die Sakramente zu spenden. Zuwiderhandlungen sollten sofort angezeigt und bestraft werden, auch das Dulden und Decken von Winkelpredigten stand zukünftig unter Strafe. Ebenso sollten ohne Wissen der Obrigkeit keine Versammlungen oder Festlichkeiten wie Kindstaufen mehr abgehalten werden. Die Strategie lautete also Abschreckung und öffentliche Bloßstellung, jedoch verbunden mit der Belehrung im rechten Glauben durch einen geschickten Prediger82 und einer noch strengeren Beobachtung der Bevölkerung durch die Obrigkeit. Am 23. April 1527 erhielt Johann schließlich die Nachricht, dass einer der kursächsischen Gefangenen, Beutelhans genannt, gemäß der Anweisung, so wie 80 „[…] so begeren wir doch ir wollet von erst vornemen und horen, was die wurtzburgischen wider die Iren als die muller suchen werden, und wo dieselben nicht genaigt, berurten die iren zu todt richten zulassen, sundern wurden zu anderwege straf suchen, so ist uns auch nicht entgegen, das den unsern baiden des lebens verschonung geschehe. Und im anderwege mit ernst gestraft werden, wollten aber dieselben suchen, die iren zum tod zustrafen, so ist uns auch nicht ungefellig das gegen den baiden als denen so mit guetem vorbedacht streflich unchristlich und boslich gehandelt, [wo sie auf iren bekenntnussen beharn] nach recht mit dem schwerd, domit diesem und dergleichen bossenwerk ein forcht und scheuch gemacht gehandelt werden. Es were dan das es aus sonderlichen ursachen, der wir nit wissen haben, dafur angesehen wurde, das den armen menschen, zu diesem mal mit verschonung des lebens barmherzigkeit erzaigt und für anderwege gestraft sulten werden.“ BERBIG, Die Wiedertäufer im Amt Königsberg, Nr. 10 (Kurfürst Johann an die Verordneten von Coburg, 26. Februar 1527). 81 Ebenso ordnete Johann „zu mehrer forcht und abschouch“ an, dass diejenigen, welche die Schamstrafe annehmen, jeden Monat für ein bis zwei Tage wiederum gefangen genommen werden und durch Bürgschaft erneut ausgelöst werden müssen. Vgl. ebd. 82 So baten der Bürgermeister und der Rat von Königsberg die Verordneten von Coburg auch darum, ihnen den Coburger Prediger Balthasar Döring zu schicken, um ihn vor dem Volk predigen zu lassen. Vgl. ebd., Nr. 20 (5. April 1527).
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der Bischof von Würzburg zu verfahren, hingerichtet worden war. Den zweiten Gefangenen, den Schreiner Wolf, habe man noch verschont, da seine Ehefrau und einige Freunde für ihn um Gnade gebeten hätten. Aus Mitleid mit der Ehefrau, die vier kleine Kinder habe und schon einmal Witwe geworden sei, sowie in Anbetracht der Tatsache, dass sich der Schreiner zuvor nichts zuschulden habe kommen lassen, gewährte der Amtmann einen Aufschub. Nun läge es am Kurfürsten darüber zu entscheiden, ob die Todesstrafe in eine Schamstrafe umgewandelt werden könne.83 Laut den späteren Aussagen Hans Huts in Augsburg, scheint dieser Bitte jedoch nicht stattgegeben worden zu sein.84 Trotz dieser harten Vorgehensweise sickerte innerhalb kurzer Zeit das Täufertum auch nach Nordthüringen ein. Zahlreiche Anhänger Hans Huts machten sich auf den Weg in jene Gebiete, wo die Lehren Müntzers und Karlstadts im Gedächtnis der Menschen noch überaus präsent waren und seit dem Bauernkrieg die Begeisterung für Luther merklich abgeflaut war. Ihre Predigten fanden hier bald eine interessierte Zuhörerschaft. Sich dieser Gefahr durchaus bewusst, erließ Kurfürst Johann schon am 31. März 1527 die gleichen Bestimmungen, die seit Ende Februar in der Pflege Coburg galten, für alle Ämter in Franken und Thüringen.85 Insbesondere in der Gegend um Erfurt hatte der Täuferapostel Hans Römer, ein Kürschner aus Eisenach, großen Zulauf. Am 2. Dezember 1527 setzte der Erfurter Rat die Amtleute der Nachbargebiete darüber in Kenntnis, „wie sich etliche leyhen jn unserm gepiethe zu Alich und Rorborn zu predigen und anderweit zu tauffen vnterstanden haben sollen“. 86 Herzog Georg wandte sich sofort an Johann, 87 woraufhin ihn dieser darüber informierte, dass ihm schon in der Fastenzeit solche Vorkommnisse aus dem Amt Königsberg gemeldet worden waren. Zugleich unterrichtete er den Vetter über die bereits vorgenommenen Hinrichtungen und Schamstrafen sowie über den Erlass entsprechender Mandate, die er nun erneuern werde.88 Die Erneuerung des Täufermandats erfolgte am 17. Januar 1528. Es enthielt die gleichen Bestimmungen wie die Mandate aus dem Februar/März 1527, allerdings mit dem Zusatz, dass sowohl Erwerb und Handel als auch das
83 Vgl. Paul WAPPLER, Die Stellung Kursachsens und des Landgrafen Philipp von Hessen zur Täuferbewegung, Münster 1910, Anhang 1, Nr. 1 (Die Verordneten von Coburg an Kurfürst Johann, 23. April 1527). Offenbar hatte auf den Amtmann die Vorstellung der Ehefrau im Beisein ihrer Kinder großen Eindruck gemacht, denn auch die Amtleute setzten sich nun bei Johann dafür ein, „die arme kyndt mer dan sein Person [der Schreiner] hirin mit gnaden ansehen vnd bewegen“ und deshalb die Todes- in eine Schamstrafe umzuwandeln. 84 Vgl. WAPPLER, Die Stellung Kursachsens, S. 4, Anm. 1. 85 Vgl. ebd., S. 3. 86 Vgl. ebd., Anhang 1, Nr. 2 (Erfurter Rat an den Schosser Ambrosius Tietz in Weimar). 87 Ebd., Anhang 1, Nr. 3 (Georg an Johann, 11. Dezember 1527). 88 Ebd., Anhang 1, Nr. 4 (Johann an Georg, 16. Dezember 1527).
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Lesen entsprechender Bücher und Schriften von nun an verboten seien.89 Ebenso erließ Johann am 1. März 1528 an die Landstände den Befehl, sich gerüstet zu halten, um einem Aufruhr des von den Wiedertäufern verführten Volkes entgegentreten zu können.90 Etwa um diese Zeit wurde auch in Westthüringen das Problem der Wiedertaufe virulent. Hier waren seit Ende des Jahres 1526 einzelne Täufer aufgetreten, die sich aber zunächst meist an Erntehelfer, Köhler oder andere vereinzelt im Wald lebende Personen wandten. Ab dem Jahr 1528 nahm die Verbreitung des Täufertum in Westthüringen stark zu, insbesondere in zum ehemaligen Kloster Reinhardsbrunn gehörenden Zella St. Blasii und rund um Eisenach. Auch in diesen Gebieten setzte Johann zunächst darauf, dass diejenigen, die sich der Gefangennahme nicht durch Flucht entzogen hatten, 91 durch Widerruf ihres Irrtums, Verhängung einer Bußstrafe und rechte christliche Unterweisung wieder auf freien Fuß kamen.92 Schwieriger wurde die Situation um 1530, als man feststellen musste, dass die üblichen Mechanismen nicht mehr ausreichten, da einige Wiedertäufer, die bereits ihren Irrtum widerrufen hatten, nun der Lehre erneut anhingen und sich nicht mehr bereit zeigten, von dieser abzustehen. Als sich schließlich in Reinhardsbrunn sechs Täufer, trotz mehrmaligen Verhörs und wiederholter Unterweisung durch den Gothaer Superintendenten Friedrich Mykonius, weigerten, von der wiedertäuferischen Lehre abzulassen, entschied sich Kurfürst Johann, gemäß dem kaiserlichen Wiedertäufermandat vom 23. April 1529 zu handeln93 und ließ sie am 18. Januar 1530 öffentlich hinrichten.94 Damit hatte Johann nicht nur ganz im Sinne des Kaisers, sondern auch der 89 Vgl. BERBIG, Die Wiedertäufer im Amt Königsberg, Nr. 21. Herzog Georg erließ ein entsprechendes Mandat im Dezember 1527 (ABKG, Bd. 2, Nr. 1525). 90 Vgl. BERBIG, Die Wiedertäufer im Amt Königsberg, Nr. 22 (Johann an den Rat von Gotha, 1. März 1528). Die Zustellung des Befehls scheint jedoch sehr schleppend verlaufen zu sein, da der Gothaer Rat ihn wohl erst am 5. April durch einen Fußboten erhielt. So konnte der von Johann vorgegebene Zeitrahmen, bis Ostern (12. April) zum Abschluss der Rüstungen zu kommen bzw. das Geld zur Anwerbung von Knechten einzuziehen, nicht eingehalten werden. 91 Die Festnahmen des Grafen von Henneberg im Juni 1528 nahmen auch in Kursachsen einige Täufer zum Anlass, sich dem Zugriff der Obrigkeit durch Flucht zu entziehen. Teilweise ließen sie dabei ihre Kinder zurück, um deren Unterbringung und Versorgung sich kurfürstliche Beamte kümmern mussten. Vgl. das Schreiben des kurfürstlichen Verwalters von Reinhardsbrunn an Kurfürst Johann bei WAPPLER, Die Täuferbewegung in Thüringen, Nr. 31a, 2. September 1528). 92 Vgl. WAPPLER, Die Stellung Kursachsens, Anhang 1, Nr. 6 (Schriften betreffend die Handlung mit den zu Reinhardsbrunn gefangen gehaltenen Wiedertäufern 1530). 93 Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 153. 94 Vgl. WAPPLER, Die Stellung Kursachsens, Anhang 1, Nr. 6 sowie WAPPLER, Die Täuferbewegung in Thüringen, S. 49.
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Wittenberger Theologen gehandelt. Als Friedrich Mykonius kurze Zeit später an der Verhältnismäßigkeit der vollzogenen Todesurteile zweifelte, wurde er von Melanchthon scharf zurechtgewiesen, dass es darum gehe, den Anfängen zu wehren. Denn nach Ansicht der Wittenberger Theologen sei nicht nur das Vertreten aufrührerischer, sondern auch gotteslästerlicher Artikel ein Verbrechen, das von der Obrigkeit mit dem Tod bestraft werden müsse. Dabei bezog sich Melanchthon auf den Zwickauer Propheten Nikolaus Storch und auf Thomas Müntzer, die zunächst auch nur mit geringfügigen Handlungen begonnen hätten, um dann für großen Lärm und Aufruhr zu sorgen.95 Auch Luther machte in seiner Auslegung des 82. Psalms im März 1530 deutlich,96 wofür er die Täufer hielt, nämlich für Ketzer, Gotteslästerer und Aufrührer, welche die Obrigkeit, deren Regiment und die öffentliche Ordnung angreifen. Die lange von Luther vertretene Ansicht, dass niemand zum Glauben gezwungen werden könne, hatte sich dahingehend gewandelt, dass nun ein jeder als gotteslästerlicher Ketzer galt, der gegen die Artikel des öffentlichen Glaubens, die sich klar auf die Schrift gründeten und in der ganzen Welt von der ganzen Christenheit geglaubt würden, lehrte.97 Die Auffassung der Wittenberger Theologen, dass die Obrigkeit nicht nur für die Bestrafung von aufrührerischen, sondern auch von gotteslästerlichen Ketzern zuständig sei, resultierte nicht zuletzt daraus, dass sich Ende der 1520er Jahre das Wesen des Täufertums verändert hatte. War anfangs vor allem das Erreichen von politischen und sozialen Umwälzungen das gemeinsame Ziel, so konzentrierte man sich nun im Wesentlichen auf theologische Fragen, wie die nach der Erbsünde und der Rechtmäßigkeit der Kindstaufe. Dabei traten umstürzlerische und aufrührerische Elemente völlig in den Hintergrund.98 Infolgedessen brachten die Superintendenten von Eisenach und Gotha, Menius und Mykonius, im April 1530 auch eine Schrift heraus, in welcher sie die Lehre der Wiedertäufer theologisch widerlegten.99 95 96 97 98
Vgl. CR, Bd. 2, S. 17f. (Melanchthon an Friedrich Mykonius, Ende Februar 1530). Vgl. WA Werke, Bd. 31/1, S. 183–218. Vgl. WAPPLER, Die Stellung Kursachsens, S. 17. Zumindest traf dies auf diejenigen Täuferapostel zu, die sich im Kursächsischen und Hessischen aufhielten. Im Schwäbischen dagegen traten auch 1529 noch Täufer auf, die in den Augen der Obrigkeit Ziele verfolgten, welche die Bevölkerung zu neuen Aufstandsbewegungen animierten. Auch vor diesem Hintergrund blieb man in Sachsen stets wachsam und misstrauisch gegenüber den Täufern. Vgl. WAPPLER, Die Täuferbewegung in Thüringen, S. 72f. 99 Aufgrund der zahlreichen Verhöre und Unterweisungen, die Menius und Mykonius in ihrer Eigenschaft als Superintendenten mit inhaftierten Wiedertäufern geführt hatten, waren sie mit deren Lehre besonders vertraut. Der Titel des gemeinsam geplanten Buches lautete „Der Widdertauffer lere und geheimnis aus heiliger schrifft widderlegt“ mit einer Vorrede Luthers. Vgl. VD 16, M 4603.
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Auch Kurfürst Johann drängte bald darauf, klare Regeln im Umgang mit den Täufern und deren Bestrafung zu schaffen. Auf einem Tag zu Schmalkalden am 22. Dezember 1530, zu dem Johann alle protestantischen Stände sowie die Mitglieder des Magdeburger Bundes eingeladen hatte, um die Weichen für ein evangelisches Verteidigungsbündnis zu stellen, 100 wurde auch die Frage der Täuferbestrafung diskutiert. Als grundsätzliches Ziel strebte er eine gesamtprotestantische Täuferordnung an, da sich nicht alle evangelischen Stände nach dem kaiserlichen Täufermandat von 1529 richteten. Den Hintergrund dazu bildeten nicht nur die vermehrt auftretenden Fälle der Wiedertaufe, sondern auch der Wille, sich klar gegen die Täufer und deren Lehre abzugrenzen.101 Deshalb sollten zu diesem Thema besondere Verhandlungen geführt werden,102 woraufhin sich Johann an die theologische Fakultät der Universität Wittenberg wandte und diese beauftragte, ein entsprechendes Gutachten zu erstellen. Diesem Auftrag kam Philipp Melanchthon im Januar/Februar 1531 nach. 103 Wie bereits im Jahr zuvor Melanchthon gegenüber Mykonius und Luther in seiner Auslegung des 82. Psalms, bezogen die Wittenberger auch in ihrem Gutachten klar dahingehend Stellung, dass sie der Obrigkeit ans Herz legten, mit schärfsten und rigorosesten Mitteln gegen die Täufer vorzugehen. Da der Kurfürst ja bereits vor Jahren durch sein Mandat vom 17. Januar 1528 eine klare Rechtslage geschaffen habe, müsse er sich nun nicht scheuen, diejenigen zu bestrafen, die sich entgegen seiner Anweisungen haben verführen lassen. Auch sei es gut, die Mandate zu erneuern und nochmals zu verschärfen. Die Bestrafung solle sich darin unterscheiden, wie stark und bewusst sich die Beschuldigten auf die täuferische Lehre eingelassen hätten. So seien Anstifter und ‚Wiederholungstäter‘ sowie Anhänger und Verführte, die aufrührerische Artikel vertreten oder das öffentliche Predigtamt ablehnen, zum Tode zu verurteilen. Lediglich diejenigen, die aus Unverstand geirrt hätten, könne man nach Unterweisung und Buße wieder zu Gnaden annehmen. Ansonsten sei der Herrscher verpflichtet, in einer Art und Weise gegen Gotteslästerung und 100 Vgl. dazu Abschnitt 6.6. 101 Vgl. Gottfried SEEBAß, Die Reformation und ihre Außenseiter, Göttingen 1997, S. 315. 102 So heißt es unter Punkt 5 des Abschieds von Schmalkalden: „[…] nachdem die sect der widertheufer nit uffhörn will und dann uß derselben rotiern, conventikel und lern vill unrats und beschwerung zu besorgen steet, wie auch in teglicher erfarung funden wurt, so söllen sich auch die rätt, wie obstatt, zusamenzuverordnen, mitainander underreden und vergleichen, wie dieselben widertheufer, dieweil ir ubertrettung nit gleich ist, underschidlich mit gott und gutem gewissen sollen und mögen gestrafft werden.“ Ekkehart FABIAN, Die Schmalkaldischen Bundesabschiede 1530–1532, Tübingen 1958, S. 14. 103 SEEBAß, Die Reformation und ihre Außenseiter, S. 316, Anm. 141 richtet sich mit dieser Datierung gegen die von Wappler, Die Stellung Kursachsens, S. 25 vertretene These, dass besagtes Gutachten von Johann erst im Zuge weiterer Festnahmen im Amt Hausbreitenbach im Oktober 1531 in Auftrag gegeben wurde. Inzwischen folgt man der Datierung von Seebaß.
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Aufruhr vorzugehen, dass er damit Furcht bei den Untertanen schaffe.104 Schließlich zeigte Luther in einer Nachschrift an, dass er mit den Ausführungen Melanchthons völlig einverstanden war. Zwischenzeitlich spitzte sich die Lage in Eisenach und dem Amt Hausbreitenbach besonders zu, weil in dieser Gegend nicht nur aus Franken, sondern auch aus Hessen täuferisches Gedankengut einsickerte. Hinzu trat der Umstand, dass die Wiedertäufer im nahen Hessen ein Rückzugsgebiet fanden, um sich der Verfolgung in Kursachsen zu entziehen. Landgraf Philipp hatte 1528 einem der wichtigsten Täuferapostel in Hessen, Melchior Rinck, die Möglichkeit geboten, seine Lehre vor den Theologen der Universität Marburg zu rechtfertigen. Da es ihm nicht gelang, seine Artikel anhand der Bibel zu beweisen, wurde er aus Hessen ausgewiesen.105 Dies hinderte Rinck jedoch nicht daran, weiterhin im kursächsisch-hessischen Grenzgebiet zu predigen.106 Daraufhin wurde er gefangengenommen, aber, trotz Drucks Kurfürst Johanns, ohne weitere Strafe wiederum mit der Auflage, sich aus hessischem und kursächsischem Gebiet fernzuhalten, freigelassen. 107 So dauerte es nicht lange, bis Rinck erneut an seinen alten Wirkungsstätten auftauchte und dort mit großem Erfolg predigte. Daher nimmt es nicht wunder, dass im Amt Hausbreitenbach unter den Verhafteten im Jahre 1531 einige der Gefangenen ‚Wiederholungstäter‘ waren, die der wiedertäuferischen Lehre bereits einmal abgeschworen hatten.108 Gleichzeitig mit der Übersendung der zum Teil unter Folter 104 Vgl. CR, Bd. 4, S. 737–740, Nr. 2425. Aufgrund des Bundesabschieds von Schmalkalden gab auch Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach bei seinen Theologen ein Gutachten in Auftrag, welches schließlich von Johannes Brenz erstellt wurde. Vgl. Karl SCHORNBAUM, Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, Bd. II: Markgraftum Brandenburg (Bayern, I. Abteilung), Leipzig 1934, Nr. 240 (8. Februar 1531). Zu Parallelen und Unterschieden in Bezug auf das Wittenberger Gutachten vgl. SEEBAß, Die Reformation und ihre Außenseiter, S. 313–318. 105 Vgl. WAPPLER, Die Täuferbewegung in Thüringen, S. 53 sowie die Akten dazu unter Nr. 30. Das Verhör an der Marburger Universität fand am 17./18. August 1528 statt. 106 Am 10. März 1529 teilten die hessischen Räte dem in Speyer weilenden Landgrafen Philipp mit, dass man vom Schultheiß von Hersfeld Nachricht habe, dass Rinck dort sehr aktiv wiedertaufe. Vgl. Günther FRANZ (Bearb.), Urkundliche Quellen zur hessischen Reformationsgeschichte, Bd. 4: Wiedertäuferakten 1527–1626, Marburg 1951, Nr. 8. 107 Johann hatte seinen Amtmann von der Wartburg, Eberhard von der Tann, deshalb zu Verhandlungen mit Landgraf Philipp gesandt. Nachdem dieser ihm mitgeteilt hatte, dass Philipp nicht gedenke, Melchior Rinck hart zu bestrafen, schrieb Johann an Philipp, dass er dann wenigstens erwarte, dass der Landgraf ihn verpflichte, auch das Kurfürstentum auf ewig zu meiden. Vgl. WAPPLER, Die Stellung Kursachsens, Anhang 1, Nr. 5 (4. Dezember 1529). 108 Vgl. ebd., Anhang 1, Nr. 7 (Akten der von Hausbreitenbach nach Eisenach überführten und dort am 9., 10., und 11. Oktober 1531 verhörten Wiedertäufer).
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erlangten Geständnisse fragten der Amtmann von Hausbreitenbach und der Schultheiß von Eisenach bei Kurfürst Johann an, wie sie nun weiter mit diesen Gefangenen verfahren sollten.109 Trotz der klaren Voten des Kaisers und der Wittenberger Theologen zögerte Johann zunächst, sie hinrichten zu lassen, zumal ihm diese Vorgehensweise anderthalb Jahre zuvor in Reinhardsbrunn auch Kritik eingebracht hatte.110 Deshalb ordnete er an, die Gefangenen weiterhin zu befragen, um zu erkunden „ob sie zu auffrur gepredigt oder geleret, solchs offentlich oder jn geheym, vnd ob sie jchtes gethan, das sich zu auffruhre ziehen möchte“.111 Johann scheute sich also, die Gefangenen einzig aufgrund ihres abweichenden Glaubens zum Tode zu verurteilen, und hoffte wohl darauf, dass man diesen auch gewaltsame Absichten gegen Obrigkeit und öffentliche Ordnung entlocken könne, was ihm Fug und Recht gegeben hätte, das Todesurteil auszusprechen. Ebenso sollte man sich bei Landgraf Philipp erkundigen, wie dieser beabsichtige, die Gefangenen zu strafen. Obwohl Johann zugestand, sich denen gegenüber großzügig zu zeigen, die bereit waren, Buße zu tun und sich von der wiedertäuferischen Lehre loszusagen,112 blieb das Dilemma bestehen, dass die Mehrzahl der inhaftierten Täufer auf ihrer Lehre beharrte. So neigte der Kurfürst immer stärker dazu, diese nicht über lange Zeit im Gefängnis zu belassen, sondern lieber schnell mit dem Schwert zu richten.113 Da jedoch im Amt Hausbreitenbach die Hälfte der Gerichtsbarkeit dem Landgrafen von Hessen zustand, kam es in dieser Frage schnell zu Unstimmigkeiten, da Philipp der Meinung war, dass es unzulässig wäre, die Täufer, ausschließlich deshalb, weil sie eine andere Lehre vertraten, am Leib zu strafen. Deshalb waren aus seiner Sicht der Entzug des Eigentums und der Landesverweis die schwersten möglichen Strafen. So verhandelten im Auftrag Johanns der Amtmann auf der Wartburg, Eberhard von der Tann, und der hessische Rat Ludwig von Boyneburg zunächst in Schmalkalden über diese Frage. Da sich Johann durch die lange Haftzeit finanziell beschwert sah, bot Philipp ihm an, die Hälfte der bisher entstandenen Kosten zu übernehmen. Ebenfalls von hessischer Seite stammte der etwas eigenartige Vorschlag, im Amt Hausbreitenbach eine groß angelegte Inhaftierungswelle zu starten und die Gefangenen dann untereinander aufzuteilen, sodass jeder Fürst mit seinem Teil verfahren könne, wie er es für richtig hielt.114 Auf einem zwischen dem 6. und 13. Dezember 1531 statt109 Vgl. ebd., Anhang 1, Nr. 8 (12. Oktober 1531). 110 Vgl. ebd., S. 24f. 111 Ebd., Anhang 1, Nr. 9 (Instruktion Johanns an den Amtmann auf der Wartburg, den Schultheißen und den Pfarrer von Eisenach, 22. Oktober 1531). 112 Vgl. ebd., Anhang 1, Nr. 10. 113 Vgl. ebd., Anhang 1, Nr. 12, Nachschrift 3 (Eberhard von der Tann an Johann, 25. November 1531). 114 Ebd. „Aber S.F.G. hadt sich aber erbotten, den vncosten halb zutragen, der vf die gefangene biß hier ergangen were, vnd ist von einem fürschlag geredt, der sich doch auch aus allerley bedencken nit wol schicken
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findenden Bundestag in Nordhausen kam es erneut zu Verhandlungen zwischen kursächsischen und hessischen Räten in der Frage nach der Bestrafung von Täufern, ohne dass eine Einigung erzielt werden konnte.115 Zum gleichen Ergebnis führten die Beratungen, die man über den Umgang mit dem Täuferapostel Melchior Rinck führte. Dieser war am 11. November 1531 in Vacha verhaftet worden, also auf dem Gebiet des Landgrafen von Hessen. Am 25. November berichtete der Amtmann von der Wartburg Kurfürst Johann über die Gefangennahme Rincks und die von ihm eingeleiteten Maßnahmen: „[…] so hab ich gedachten Amptman, meinem brueder [geschrieben], er woll mir hochgedachtes M.G.F. vnd hern gemuet hierjn zuerkhennen geben vnd den Ringken kheines wegks ohne mein vorwissen außkhummen lassen, dan dieweill er E. Ch. G. landt und lewt beschedigt.“116 Die Vereinbarung der Räte in Nordhausen ging dahin, dass der hessische Kanzler Feige zugesagt hatte, bezüglich Melchior Rincks direkt beim Landgrafen vorstellig zu werden und den Kursächsischen die Antwort zukommen zu lassen. Als diese ausblieb, wandte sich Johann am 21. Dezember 1531 selbst an Landgraf Philipp. In dem Schreiben weist der Kurfürst darauf hin, dass es sich bei Rinck nicht nur um einen besonders eifrigen Verfechter und Lehrer des Wiedertäufertums handele, sondern auch um einen Gesetzesbrecher, der trotz des von Philipp ausgesprochenen Landesverweises, der sich sowohl auf Hessen als auch auf Kursachsen erstreckte, nun dort wieder umherzog und predigte. Um die Bevölkerung vor ihm zu schützen, sei es unabdingbar, ihn gemäß des kaiserlichen Mandats von 1529 mit dem Tode zu strafen. Dieses Mandat habe er auch durch seine Räte und Gelehrten prüfen lassen, das entsprechende Gutachten, das zum selben Ergebnis kommt, übersendet er beiliegend. Darüber hinaus habe er dem Amtmann Eberhard von der Tann Befehl erteilt, sich bei Bedarf nach Hessen zu begeben, damit Rinck im Prozess auch das vorgehalten werden könne, womit er sich im Kurfürstentum strafbar gemacht hätte.117 Doch Landgraf Philipp hatte sich bereits anders entschieden: Am 3. Januar 1532 teilte er Johann mit, dass Rinck an will. Dieweil derselben widertauffer zue Haußbraittenbach mehr vnd nit gefangen sein, das Ire Ch. vnd F.G. dieselben auch einziehen vnd nach anzalh der personen sollten teilen lassen, vnd einem jeden Fursten alsdann frey stehen, wie er seinen antheil straffen lassen wolt ader nit.“ 115 WAPPLER, Die Stellung Kursachsens, Anhang 1, Nr. 13 (Bericht Eberhards von der Tann über die Zusammenkunft der kursächsischen und hessischen Räte in Nordhausen). 116 Ebd., Anhang 1, Nr. 12. 117 Vgl. ebd., Anhang 1, Nr. 16. „Dieweil dan vorgenanter Melchior Rinck als der beschwerlichn vnd vorfurischen secten des widdertauffs ain furgenger vnd lehrer, hieuor durch E.L. aus jren vnd vnsern landen vorweiset vnd dermas (wie wir bericht) veruphedet worden, das er sich nit widerumb heruber den Westerwald jn E.L. ader vnder land begeben solt, So seint wir demnach zu E.L. der freuntlichn zuuersicht, sie werde in betrachtung solcher seiner nichthaltung vnd sonst seiner vnchristlichn lahre vnd handellung halben, als ain alter aufrurer vnd furgenger in E.L. vnd vnsere land vnuerstendige leuthe bildet, gegen jme peinliche straff furwenden lassen, damit E.L. vnd vnsere, auch andere land vnd leut seinen halben gesichert mogen werden vor derglaichen vncristlicher vorfurung […].“
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einen Ort gebracht worden sei, der weit genug weg von seinem und Johanns Fürstentum entfernt liege, um dort nochmals Schaden anrichten zu können. Dort solle er Zeit seines Lebens gefangen gehalten werden. Diesen Schritt begründete der Landgraf folgendermaßen: „[…] vnd konnen noch zur Zeit in vnserm gewissen nit finden, jmandts des glaubens halben, wo wir nit sonst gnugsam vrsache der verwirckung haben mogen, mit dem schwert Richten zulassen. Dan so es di meinung haben solt, musten wir keinen Judden noch Papisten, die Christum am hochsten Blasphemiren, bei vns dulden vnd sie dergestalt Richten lassen […].“118 Trotzdem werde er dieser Sekten wegen ein scharfes Aufsehen über sein Land haben, sodass sich diese nicht weiter ausbreiten. Sich der Tatsache bewusst, dass Landgraf Philipp das Recht hatte, in seinen Landen so zu strafen, wie er es mit Gott und Gewissen vereinbaren konnte, musste Johann diese Entscheidung akzeptieren. „Dieweil wir aber vormergken, das E. L. berurter vnser gelerten vberschigkten bedengken nach dergestalt zu straffen beschwert, […] so können wir E. L. jn dem auch nicht maß geben.“ 119 Allerdings möchte er, dass sich bezüglich der anderen inhaftierten Wiedertäufer der Amtmann von der Wartburg und der hessische Vogt des Amtes Hausbreitenbach auf eine angemessene Strafe einigen, „dan wo die ketzer vnd vorechter des worts gots nicht solten gestrafft werden, so wurd wider die geschrieben recht, die man jn alle wege zu halten schuldig, gehandelt“. 120 Am gleichen Tag teilte Johann seinem Amtmann Eberhard von der Tann mit, dass er sich bei den Verhandlungen mit den hessischen Beamten an die Vorgaben und Befehle Johanns halten solle, allerdings „wo du bey den hessischen jhe nicht erhalten mochtest, das gegen denselbigen wiederteuffer gepurlich straff furgenohmen wurd, so lassen wirs jm vorigen ratschlag beruhen“.121 Ein späteres Schreiben Johann Friedrichs an Landgraf Philipp legt nahe, dass einige Wiedertäufer doch noch auf Befehl des Kurfürsten zu Tode kamen.122 Ob man dabei auf den Vorschlag von Schmalkalden zurückkam, sich die Gefangenen aufzuteilen und sie entsprechend der eigenen Vorstellungen abzuurteilen, wie Wappler meint, muss aufgrund fehlender Quellen offenbleiben.123 118 119 120 121 122
Ebd., Anhang 1, Nr. 19. Ebd., Anhang 1, Nr. 20 (Johann an Philipp, 15. Januar 1532). Ebd. Ebd., Anhang 1, Nr. 21 (15. Januar 1532). Vgl. ebd., Anhang 1, Nr. 30 (Kurfürst Johann Friedrich an Landgraf Philipp, 25. Mai 1533). Auch zwischen Johann Friedrich und Landgraf Philipp dauerten die Auseinandersetzungen bezüglich der richtigen Bestrafung von Täufern an. In diesem Schreiben erinnert Johann Friedrich, wie sich dazumal sein Vater von seinen Theologen und Rechtsgelehrten hat ein Gutachten erstellen lassen, um in Sachen Todesstrafe nichts gegen das Gewissen vorzunehmen. „Nach dem aber die selben Theologen sambt den rechts vorstendigen S.F.G. [Johann] mit anzaigung genugsamer vrsachen, wie wir dan ire bedencken nochmals bey uns haben, des berichtet, das S.G. gemelte widertauffer wol vnd mit sichern gewissen zu tode mochten strafen lassen, szo seindt irer etzliche auf S.F.G. befel getodt vnd zu tode gestrafft worden.“ 123 Vgl. WAPPLER, Die Stellung Kursachsens, S. 36f.
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Wie ist also die Täuferpolitik Johanns einzuordnen und zu bewerten? Prinzipiell kann gesagt werden, dass die stärksten Verfolgungen der Täufer in katholischen Territorien stattfanden. In den meisten evangelischen Gebieten ging man dagegen sehr viel zurückhaltender vor. Richten wir unseren Blick zunächst in die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach, die sich Kursachsen angesichts der Streitigkeiten, die sich bei den Verhandlungen zu einem evangelischen Verteidigungsbündnis um die Abendmahlsfrage mit Hessen und den oberdeutschen Städten entsponnen hatten, theologisch besonders verbunden fühlte. 124 Die Einstellung der führenden Theologen in Brandenburg-Ansbach gegenüber den Täufern war eine eher nachsichtige. So wurden dort weder Todesurteile gefällt noch Leibesstrafen vollzogen. Die Weigerung von Täufern, ihrer Lehre abzuschwören und zu widerrufen, wurde meist mit Landesverweis bestraft.125 Nach außen versuchte man dagegen den Spagat, sich einerseits die Freiheit zu wahren, mit der geübten milden Praxis fortzufahren, sich dabei aber andererseits nicht in direkten Gegensatz zu den kaiserlichen Mandaten und den schärferen Ansichten der Wittenberger Theologen zu bringen. An der geübten Praxis änderten derartige diplomatische Überlegungen jedoch nichts.126 Wie bereits gesehen, wurde auch in der Landgrafschaft Hessen mit den Täufern in der Art und Weise verfahren, dass man sowohl die Todes- als auch Leibesstrafen ablehnte. Dies machte Landgraf Philipp bereits in einem Erlass aus dem Jahr 1528 klar, wo festgelegt wurde, dass Täufer, die nicht widerrufen wollen, zwar des Landes verwiesen werden sollen, ihnen jedoch der Erlös aus dem Verkauf ihres Hab und Guts zustehe. Philipp begründete dies damit, dass man „weder irer leibe nach guts begere“. 127 Später wurden die Verordnungen zwar hinsichtlich der Verfügungsgewalt über das Hab und Gut verschärft, aber auch in einer Ordnung des Landgrafen aus dem Jahr 1531 sind ausschließlich Bußstrafen, Strafen an Hab und Gut und Landesverweise vorgesehen. 128 Die Reichsstadt 124 Vgl. dazu die Abschnitte 6.5. und 6.6. 125 Auch wenn Markgraf Georg 1535 einen Amtmann anwies, einen Wiedertäufer gütlich und peinlich zu befragen und ihn im Falle der Verweigerung des Widerrufs auszupeitschen, ehe man ihn des Landes verweist, hat Gottfried SEEBAß bei der Analyse der Schornbaumschen Quellensammlung zur Geschichte der Wiedertäufer keinen Fall gefunden, in dem Leibesstrafen angewandt wurden. Vgl. SEEBAß, Die Reformation und ihre Außenseiter, S. 318 sowie SCHORNBAUM, Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, Nr. 369 (Instruktion Markgraf Georgs vom 2. Dezember 1535). 126 Vgl. dazu das im Zuge des Schmalkaldener Bundesabschieds entstandene Gutachten vom 8. Februar 1531 bei SCHORNBAUM, Quellen zur Geschichte der Wiedertäufer, Nr. 240 sowie SEEBAß, Die Reformation und ihre Außenseiter, S. 313–318. 127 Vgl. FRANZ, Wiedertäuferakten, Nr. 7. 128 Vgl. WAPPLER, Die Stellung Kursachsens, Anhang 1, Nr. 18. Auch mehrfach rückfällige Täufer sollen nach der Buße wieder in Gnaden angenommen werden, ab dem dritten Mal müssen sie jedoch ungeachtet ihrer Vermögens- und Familienverhältnisse die Hälfte
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Nürnberg versuchte zwar, jedwede täuferische Regung bereits im Keim zu ersticken, bei der Bestrafung von Täufern begnügte man sich jedoch damit, nicht Bußwillige ohne weitere Strafe aus der Stadt zu verweisen.129 Diese drei Beispiele mögen genügen, um die recht isolierte Stellung Kurfürst Johanns bezüglich seiner Bereitschaft, Todesurteile zu verhängen und Leibesstrafen anzuwenden, unter seinen protestantischen Nachbarn zu zeigen. Auch wenn es sich zahlenmäßig nur um wenige Hinrichtungen handelt, zu denen sich Kurfürst Johann sicher nicht leichtfertig entschied, so stellt sich doch die Frage danach, weshalb man eben in Kursachsen nicht auch den nachsichtigeren Weg anderer protestantischer Stände beschritt. Dabei spielte sicher eine entscheidende Rolle, dass man die Schuld an den verheerenden Bauernunruhen 1525 klar darin sah, dass es im Kurfürstentum keine einheitliche Predigt gab. Dies bezog sich sowohl auf die bis zum Bauernkrieg noch vorhandene katholische Predigt als auch auf die sogenannten „Schwärmer“, die zwar im evangelischen Sinne predigten, jedoch abweichend von den Ansichten der Wittenberger Theologen. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, dass das Auftreten von abweichenden Lehren bei der Obrigkeit stets die Angst beförderte, es könne zu neuen Unruhen kommen, zumal die ersten Täuferbewegungen in Franken dieser Annahme Vorschub leisteten. So waren alle Maßnahmen Johanns zunächst darauf gerichtet, durch die verhängten Strafen ein hohes Maß an Abschreckung zu bewirken.130 Später schien es aufgrund des ungünstigen Reichstagsabschieds von 1529 und der aufgrund des Abendmahlstreits schleppend verlaufenden Bündnisverhandlungen der Evangelischen dem Kurfürsten offenbar angebracht, sich stärker am Kaiser zu orientieren und sich dessen Mandaten nicht zu widersetzen, zumal ein solches Vorgehen inzwischen auch von seinen führenden Theologen abgesegnet worden war.
ihrer Habe verkaufen. Der Erlös wird dem gemeinen Kasten ihrer Gemeinde zugeschlagen. Wiedertäufer, die sich nicht zu Widerruf und Buße bereit zeigen, sollen des Landes verwiesen werden, je nach Schwere der Schuld sollen dabei auch die Erbgüter eingezogen werden. 129 Zur Täuferpolitik Nürnbergs vgl. Hans-Dieter SCHMID, Täufertum und Obrigkeit in Nürnberg, Nürnberg 1972. Hier waren es vor allem die führenden Theologen Osiander und Linck, die, entgegen den Bestrebungen einiger Nürnberger Juristen, die Verhängung der Todesstrafe ablehnten und sich mit dieser Ansicht beim Rat durchsetzten konnten. 130 So schrieb Johann an die Verordneten von Coburg, wenn die beiden Gefangenen aus Königsberg gestraft würden „nach recht mit dem schwerd, domit diesem und dergleichen bossenwerk ein forcht und scheuch gehandelt werden“. BERBIG, Die Wiedertäufer im Amt Königsberg, Nr. 10 (26. Februar 1527).
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5.1.4. Sequestrationen Trotz aller Entschlossenheit Johanns, die Ausbreitung des Evangeliums zu fördern, trieb ihn dabei auch die Frage um, wie der angestrebte Aufbau eines evangelischen Kirchen- und Schulwesens zu finanzieren sei, ohne die kurfürstliche Kammer zu belasten. Dabei mangelte es keineswegs an finanziellen Ressourcen, sondern eher an Möglichkeiten, sich diese, ohne reichsrechtlich in Schwierigkeiten zu geraten, nutzbar zu machen. So sollten viele Jahre vergehen, ehe man eine Lösung in dieser Frage fand. Dabei wurde schon bald mit dem Fußfassen der Reformation in Kursachsen das Problem augenfällig, wie man mit verlassenem, nicht mehr benutztem Kirchengut umgehen sollte. Auch Luther erkannte schnell, dass diese Frage einer gesonderten Lösung bedurfte, wenn er bereits 1523 in einem Schreiben an die Gemeinde Leisnig darauf hinwies, dass durch das Verlassen oder Sichverkleinern der Klöster die Gefahr sehr ernst sei, dass ohne geordnete Verwaltung und Aufsicht die Güter in unrechtmäßige Hände kämen.131 Bereits an dieser Stelle schlug Luther vor, dass die Obrigkeit die Klöster an sich nehmen und verwalten solle. Dabei sollten die verbliebenen Klosterinsassen weiterhin versorgt werden und diejenigen, die das Kloster verlassen wollten, abgefunden werden. Alle darüber hinausgehenden Einkünfte sollten in die Gemeinen Kästen fließen. 132 Dieser Vorschlag des 131 „[…] als habe gott und die wellt der müncherei und geisterei satt, und musse anders werden, ist der halben dennoch hie auffzusehen, das sölcher lediger stiffte gutter nicht inn die rappüße kömen, und ein iglicher zu sich reisse was er erhasscht. Darumb hab ich gedacht, in der zeit furzukumen, so viel mir gepürt und zustehet, mit Christlichem radt und vermanung, denn sintemal ich’s doch mus gethan haben, wenn die kloster und stifft ledig werden, münch und nonnen sich wenigern, und alles was dem geistlichen stand zu abbruch und verkleinerunge geschehen mag, so will ich auch das nicht auff mir ligen lassen, so etliche geitzige wenste wurden solche geistliche güter zu sich reissen, und mich als denen, der ursach datzu geben hette, zum schein furwenden.“ WA Martin Luthers Werke, Bd. 12, S. 12. „Ordnung eins gemeinen kastens. Radschlag wie die geistlichen gutter zu handeln sind.“ 132 „Doch ist das mein radt, das die obrickeit solcher kloster güter zu sich neme, und die ubrigen personen so drinnen bleiben, davon versorge, bis sie aussterben, auch reichlicher und milder, denn sie villeicht vorhin versorgt gewesen sind, damit man ihe spüre, das nicht der geitz dem geistlichen gut, sondern christlicher Glaube den klostereien feind sei, und hie ist nicht allererst Bäbstliche oder Bisschofflliche laube zu suchen, odder bann und vermaledeiung zu fürchten, denn ich auch dis schreibe allein den ihenigen, so das Evangelion verstehen, und solchs zu thun mechtig sind inn ihren landen, stetten und obrigkeitten. Auffs ander, die gütter solcher kloster, so die obrickeit zu sich nimpt, sollten dreyerlei weiß gehandelt werden: Die erste, das man die personen so drinnen bleiben versorgt, wie itzt gesagt, Die ander, das man den personen so aus gehen, ettwas redlichs mit gebe, damit sie ettwas ansahen und sich in einen stand begeben kunden, ob sie schon nichts haben hinein bracht, denn sie verlassen gleich wol die narung ihrs lebenlang, wenn sie ausgehen, und sind betrogen, hetten die weil sie im kloster gewesen, ettwas anders
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Reformators war keine gänzlich neue Idee, sie fußte auf der Tatsache, dass weltliche Eingriffe in die Klosterverwaltung keine Seltenheit mehr waren und mit dem Rechtsinstrument der Vogtei schon lange ihren Ausdruck gefunden hatten.133 Bereits im 14. Jahrhundert war in den wettinischen Territorien die Einbindung aller Klöster und Komtureien in das entstehende Territorium abgeschlossen. So waren diese sowohl zum Landtagsbesuch und zur Stellung von Heerwagen verpflichtet als auch zur Besteuerung ihrer Klosteruntertanen. Damit einher ging die Einführung einer landesherrlichen Aufsicht über die Klostergüter, welche die Verpflichtung der Klöster zur Rechnungslegung und die Bindung aller Besitzveränderungen an landesherrliche Zustimmung umfasste. Kam es in den Klöstern zu Misswirtschaft, behielt sich der Landesherr die Einsetzung weltlicher Klosterverwalter vor.134 Obwohl also Luther mit seinen Vorschlägen nichts anderes forderte, als den bereits eingeschlagenen Weg nun konsequent zu Ende zu gehen, wurden sie zunächst nicht umgesetzt. Denn weder Kurfürst Friedrich noch Herzog Johann wagten es, einen solchen Eingriff in das Kirchengut vorzunehmen. Dass dies zwangsläufig dazu führte, dass insbesondere Teile verlassener Klöster zweckentfremdet wurden, scheint dabei eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben. Manche Klöster beschritten deshalb von vornherein den Weg, dass sie ihren Besitz freiwillig dem Landesherrn oder einem Adligen übergaben. So baten beispielsweise im Mai 1524 die letzten vier Augustinereremiten in Neustadt an der Orla Herzog Johann darum, das Kloster zu übernehmen und die verbliebenen alten Mönche bis an ihr Lebensende zu versorgen. Johann sagte ihnen dies zu und übernahm das Kloster durch seinen Amtmann von Arnshaugk in landesherrliche gelernet. Aber den ienigen, so hinein bracht haben, ist billich fur gott, das man widder gibt, ihe eins teils, denn hie soll Christlich liebe und nicht menschlicher recht scherffe richten, und soll iemand schaden odder verlust tragen, das soll uber das kloster und nicht uber die personen gehen, denn das kloster ist ursach ihres irthumbs. Aber die dritte weise ist die biste, das man alles ander lasse zum meinen gutt eins gemeinen kastens gelangen, daraus man nach Christlicher liebe gebe und leihe allen, die im lande dürfftig sind, es sei eddel odder burger damit man auch der stiffter testament und willen erfülle, denn wie wol sie geirrt und verfuret sind, das sie es zu klöstern geben haben, ist dennoch iah ihr meinung gewesen, gott zu ehren und zu dienst geben, und haben also gefeilet.“ Ebd., S. 13 133 Das Instrument der Vogtei beruhte auf einer Einrichtung, die auf die Zeit Karls des Großen zurückging. Dahinter stand der Gedanke, dass die weltliche Gewalt der Kirche Schutz zu gewähren hatte. Deshalb stellte man den Klöstern und Stiften in einem Herrschaftsbereich einen adligen Schutzvogt zur Seite, der unter Umständen auch in die Vermögensangelegenheiten seines „Mündels“ eingreifen konnte. Vgl. Hans LEHNERT, Kirchengut und Reformation, Erlangen 1935, S. 13. Im Zuge des Ausbaus der Landesherrschaft dehnten die Wettiner, von einigen Klöstern, über welche sie tatsächlich die Vogteirechte hatten, diese auf alle Klöster in ihren Territorien aus. 134 Vgl. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 253f.
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Verwaltung.135 Mit diesem Schritt handelte Johann ganz im Sinne der von Luther vorgeschlagenen Lösung und machte wiederum bereits vor seiner Alleinregierung klar, dass er zu einer Neuordnung der kirchlichen Verhältnisse bereit war.136 Im Jahr 1525 übergab der Präzeptor des Antoniterordens in Mitteldeutschland Wolfgang Reißenbusch das Kloster Eicha an Johann, der es mit dessen Zustimmung an Hans von Minkwitz verkaufte.137 Der Bauernkrieg brachte vor allem in Thüringen nicht nur eine Zuspitzung der Lage, sondern auch die Wende im Umgang mit dem Klostergut mit sich. Zahlreiche Klöster wurden geplündert und verwüstet, die verbliebenen Mönche, denen es im besten Fall gerade noch gelungen war, ihre wichtigsten Urkunden und Kleinodien bei kurfürstlichen Amtleuten oder Stadträten in Sicherheit zu bringen, mussten aus den Klöstern fliehen.138 Mit der Entscheidung Kurfürst Johanns, den Mönchen nach dem Bauernkrieg die Rückkehr in ihre Klöster zu verweigern, war der Weg frei, diese planmäßig in landesherrliche Pflege zu nehmen und durch weltliche Beamte verwalten zu lassen.139 Dabei schob man die bisherigen rechtlichen Bedenken beiseite und nutzte die Gelegenheit auch dazu, die kurfürstliche Kasse zu sanieren. So versuchte Johann ab 1526 durch einige vertraute Räte wie Nickel von Ende, Johann Riedesel und Hans von Gräfendorf, systematisch Wertgegenstände und Kleinodien aus unter landesherrlicher Ver135 Vgl. Enno BÜNZ, Martin Luthers Orden in Neustadt an der Orla. Das Kloster der Augustiner-Eremiten und seine Mönche, Jena 2007, S. 94–98. 136 Im November 1523 hatte Luther dem Kurfürsten das Wittenberger Augustinerkloster zur Übernahme angetragen, da zu diesem Zeitpunkt nur noch er und der Prior Eberhardt Brisger darin lebten. Das Kloster war in große finanzielle Not geraten, weil die Zinsen ausblieben und sich Luther und sein Gefährte nicht dazu in der Lage fühlten, diese einzutreiben. Friedrich hatte dieses Ansinnen abgelehnt. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 688, Luther an Kurfürst Friedrich. 137 Vgl. Uwe SCHIRMER, Zur Geschichte von Kloster Eicha und Umgebung (13. bis 16. Jahrhundert), in: Lutz HEYDICK/Uwe SCHIRMER (Hg.), Kloster Eicha. Wallfahrts-, Antoniter-, Reformations-, und Ortsgeschichte, Beucha 1997, S. 25–48 sowie im gleichen Band Johannes HERRMANN, Kloster Eicha in der Reformationszeit, S. 67–99. 138 Kurz vor dem Sturm auf das Kloster Reinhardsbrunn wurden auf Befehl Herzog Johanns die Unterlagen mit den Privilegien des Klosters und die Kleinodien nach Weimar in Sicherheit gebracht. Der Abt von Georgenthal überantwortete die Kleinodien und wahrscheinlich die wichtigsten Urkunden den Amtmännern von Gotha und Wachsenburg zum Schutz. Vgl. BAETHCKE, Die Auflösung des Klosters St. Georgenthal, S. 4f., 31. 139 Vgl. ebd., S. 12–34 für Reinhardsbrunn und Georgenthal. Den Mönchen bot man eine Abfindung an, um ein Handwerk erlernen und einen Hausstand gründen zu können. Wer dies nicht wollte, musste sich zwangsläufig in ein Kloster im Herzogtum Sachsen begeben. Am 17. September 1525 übertrug der Abt von Georgenthal alle Güter und Rechte am Kloster auf Kurfürst Johann und erhielt im Gegenzug eine lebenslange Versorgung.
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waltung stehenden Klöstern einzuziehen und zu veräußern. 140 Auch die umfangreichen Bemühungen, Güter und Wertgegenstände, die sich die Bevölkerung im Bauernkrieg unrechtmäßig angeeignet hatte, wiederzubeschaffen, liefen am Ende meist darauf hinaus, dass diese nicht wieder dem Klostergut zugeschlagen wurden, sondern in kurfürstliche Hände fielen.141 Gleiches gilt für Kleinodien und Wertgegenstände, welche die Äbte und Mönche bei ihrer Flucht aus den Klöstern mitnahmen.142 Zugleich nutzten zahlreiche Adlige aus dem Umfeld des Kurfürsten die Chance, ehemaliges Klostergut in ihren Besitz zu bringen. 143 Selbst wenn viele dieser Vorgänge unter höchster Geheimhaltung stattfanden und nur wenige Räte und Beamte Johanns in die einzelnen Vorgänge eingeweiht waren, so nimmt es doch nicht wunder, dass die Einnahme und Verwaltung der zum Teil sehr umfangreichen und gewinnträchtigen Kloster- und Stiftsgüter durch kurfürstliche Beamte großen Argwohn bei katholischen Obrigkeiten auslöste. Nicht ohne Grund wurde Kurfürst Johann von Luther dazu gedrängt, die Klöster und Stifte, die ihm nun zugefallen waren, geordnet zu verwalten und deren Einkünfte einer bestimmungsgemäßen Verwendung, also vornehmlich 140 Vgl. Alfred HILPERT, Die Sequestration der geistlichen Güter in den kursächsischen Landkreisen Meißen, Vogtland und Sachsen 1531 bis 1543, in: Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen 22 (1912), S. 1–136, hier S. 4. Nickel von Ende hatte gemeinsam mit Hans von Gräfendorf 1526 eine erste Besichtigung der Thüringer Klöster durchgeführt, die einer Bestandsaufnahme dienen sollte. So wurde beispielsweise das Kloster Bürgel in der Zeit vom 17. bis 19. März besucht. Vgl. Rudolf WOLFRAM (Bearb.), Regesten zu Urkunden von Stadt und Kloster Bürgel (mit Remse) auf die Zeit 1455–1569, Bürgel 1994, S. 226f., Nr. 581. Außerdem MÜLLER, Johann Rietesel, S. 226 sowie Uwe SCHIRMER, Der ernstinische und albertinische Landadel in der Zentralverwaltung der Kurfürsten und Herzöge von Sachsen (1525–1586), in: Martina SCHATTKOWSKY (Hg.), Die Familie von Bünau. Adelsherrschaften in Sachsen und Böhmen vom Mittelalter bis zur Neuzeit, Leipzig 2008, S. 191–214, hier S. 200. 141 Vgl. BAETHCKE, Die Auflösung des Klosters St. Georgenthal, S. 8. Nach dem Ende des Bauernkriegs befahl Kurfürst Johann den Bauern alles, was sie im Kloster Reinhardsbrunn gestohlen hatten, wieder zurückzubringen. Die zahlreichen Wertgegenstände, welche die Bauern tatsächlich zurückbrachten, wurden jedoch nicht beim Klosterverwalter in Reinhardsbrunn abgeliefert, sondern auf dem Weimarer Schloss. 142 Vgl. WOLFRAM, Regesten zu Urkunden von Stadt und Kloster Bürgel, S. 229f., Nr. 587– 589. 143 So gelangte Nickel von Ende in den Besitz des Klosters Georgenthal, vgl. BAETHCKE, Die Auflösung des Klosters St. Georgenthal, S. 37f., wahrscheinlich ab 1528 verwaltete er auch das Kloster Reinhardsbrunn, vgl. POLACK, Reinhardtsbrunn, S. 80. Hans von Minckwitz erwarb das Kloster Eicha, vgl. SCHIRMER, Zur Geschichte von Kloster Eicha, S. 41f., Anarg von Wildenfels bekam vom Kurfürsten Besitzungen der Klöster Cronschwitz und Mildenfort übertragen, vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. Rr. S. 1–316, Nr. 2185, fol. 4rv, 6. November 1527 und Albrecht von Mansfeld übernahm das Kloster Saalfeld, vgl. VON SCHULTES, Diplomatische Geschichte, S. 110f., Nr. CX.
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dem Unterhalt von Pfarr- und Schulmeisterstellen, zuzuführen.144 Die Umsetzung dieser Forderung zog sich jedoch hin. Mit der ersten Landesvisitation 1528/29, die sich auch zum Ziel gesetzt hatte, die Einkommensverhältnisse der Pfarrer zu regeln, unternahm man schließlich den Versuch, sich systematisch einen Überblick über die Eigentumsverhältnisse und Einkünfte der Klöster zu verschaffen. Auf dem Augsburger Reichstag 1530 bezog Kaiser Karl V. erstmals Position in der Frage des Kirchenguts, wenn er die Protestanten dazu aufforderte, dieses sofort zu restituieren oder einer Sequestration durch ihn zuzustimmen. In diesem Zusammenhang unterbreiteten die ständischen Vermittler Georg Truchseß von Waldburg und Hieronymus Vehus den Evangelischen den Vorschlag, noch bestehende Klöster bis zu einem allgemeinen Konzil unangetastet zu lassen, die Güter der aufgehobenen von kaiserlichen Verordneten zu sequestrieren.145 Ohne Zweifel wäre Johann durch eine solche Vorgehensweise von dem Vorwurf, sich selbst an den Gütern bereichern zu wollen, befreit gewesen. Die Gefahren, die sich daraus ergaben, lagen aber ebenfalls auf der Hand. Es ist kaum anzunehmen, dass den Landesherrn auf diejenigen Klostergüter, die einmal unter kaiserlicher Verwaltung standen, jemals wieder Zugriff gewährt worden wäre. So stand zu befürchten, dass man am Ende die Klostergüter als Finanzierungsgrundlage für das Pfarr- und Schulsystem dauerhaft verlor. Deshalb erklärte sich Johann zwar bereit, die erledigten geistlichen Güter durch allein dem Kaiser verpflichtete vertrauenswürdige Personen verwalten zu lassen, diese müssten jedoch ortsansässig sein. Eventuelle Überschüsse sollten sicher hinterlegt werden. Diese Regelung sollte für zwei Jahre Bestand haben. Wenn in dieser Zeit kein Konzil zur Klärung der Religionsfrage zustande käme, wäre die Regelung hinfällig.146 Alle Ausgleichsverhandlungen scheiterten jedoch, sodass es zu keiner Lösung des Problems der Kirchengüter auf Reichsebene kam. Nach Beendigung des Reichstags wurden jedoch Gerüchte in Umlauf gebracht, dass insbesondere Kurfürst Johann und Herzog Johann Friedrich am negativen Ausgang der
144 „Nu aber inn E.C.f.g. furstenthum Bepstlich und geistlicher zwang und ordnung aus ist, und alle kloster und Stifft E.C.f.g. als dem obersten heubt inn die hende fallen, komen zu gleich mit auch die pflicht und beschwerde, solche ding zu ordenen. Denn sich’s sonst niemand annimpt noch annehmen kann noch sol.“ WA Br, Bd. 4, Nr. 1052 (22. November 1526). 145 Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 387. Erst nachdem Karl V. zu seinem großen Missfallen feststellen musste, dass die ständischen Ausgleichsverhandlungen in der Religionsfrage zu keinem Ergebnis gekommen waren, brachte er am 8. September die Frage nach dem Schicksal der Kirchengüter überhaupt erst auf. Der Vermittlungsvorschlag stammt vom 11. September 1530. 146 Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 183 (Bedenken vom 7. September 1531).
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Einigungsgespräche Schuld trügen, weil sie die Klöster nicht hätten hergeben wollen.147 Dessen ungeachtet musste innerhalb des eigenen Territoriums eine tragfähige Lösung gefunden werden. Den Anstoß dazu gab der Landtag von Zwickau im Januar 1531. Hier kamen durch Kurfürst Johann auch die kursächsische Haltung auf dem Reichstag von Augsburg bezüglich der Sequestration der geistlichen Güter und die umlaufenden Gerüchte darüber zur Sprache.148 Die Landstände zeigten sich ob dieser Entwicklung sehr besorgt und sahen dringenden Handlungsbedarf, da bereits viel Gerede und viele Gerüchte um die Klosterverwaltung entstanden seien. Der Kurfürst solle bedenken, dass gerade diese Angelegenheit sowohl bei hohen als auch bei niederen Ständen große Aufmerksamkeit erregt und aus dem sich ‚am ehesten mocht unterstanden werden‘, dass etwas im Argen und Unguten gegen den Kurfürsten und seine Mitverwandten vorgenommen werde, weshalb sie bitten, dass der Kurfürst die Klöster, wie er sich vor dem Kaiser erboten, sequestrieren oder sonst hinterlegen möge, damit Land und Leuten keine beschwerliche Auflage, dem göttlichen Worte keine Schmach und Verkleinerung zugemessen werde.149
Deshalb schlugen die Stände die Einsetzung eines Landtagsausschusses vor, der sich um die Realisierung der Sequestration kümmern sollte, womit sich Johann einverstanden erklärte.150 Am 5. März kamen Kurfürst und Landtagsausschuss in Torgau zusammen, um, neben zahlreichen anderen Fragen, die Einzelheiten zur Durchführung der Sequestration zu besprechen. Hierbei bat der Ausschuss darum, einige aus den Ständen zur Feststellung und Besserung der Verwaltung dieser Güter durch Inventarisierung und Ergänzung des mit dem Bauernaufruhr Abgekommenen zu wählen, die die Verwalter anstellen, absetzen und jährlich zweimal von ihnen Rechnung legen lassen, den Überschuss in besondere Kasten der Landkreise legen und nichts an den Gütern bis auf ein ‚künftig Concil‘ verändern, es sei denn, dass man die Erträge zu einem Kriege bedürfe. Alles was von den Gütern zum gemeinen Kasten nicht geschlagen ist, soll zu Kirchen- und Schulzwecken (Besoldungen) verwandt werden […].151
147 „Zu dem andern vermerke ich aus E.L. schreiben, das mir die schult geben wirt, als hab ich zu Auspurck geweret, das man das nit angenommen, das doch gar nit wieder die schrieft und zu frieden und einickeit gedinet hette, und sollte allein des eigennutzes der geistlichen gutter halben beschehen sein und doran der fel sein, das dieselbigen man nit wieder geben wolt […].“ MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 132– 135 (Johann Friedrich an Elisabeth, 8. Oktober 1530) sowie ELA, Nr. 399 (Antragen des Kurfürsten an die Landschaft, 25. Januar 1531). 148 Vgl. ebd. 149 ELA, Nr. 403 (Antwort der Prälaten, Ritterschaft und Städte, 28. Januar 1531). 150 Zur Zusammensetzung des Ausschusses vgl. ebd., Nr. 404. 151 Ebd., Nr. 418.
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Johann zeigte sich grundsätzlich einverstanden mit den Vorschlägen des Ausschusses, war jedoch darauf bedacht, den Landständen keinen zu weitreichenden Einfluss einzuräumen. So behielt sich der Kurfürst vor, die Hälfte der 16 Sequestratoren selbst zu bestimmen, in Form von kurfürstlichen Räten, die restlichen acht waren landständische Vertreter. Die Vereidigung der Klosterverwalter sollte ausschließlich auf den Kurfürsten erfolgen. Eine Einbeziehung der Landstände war nicht vorgesehen, was die Ausschussvertreter ebenso wie den Umstand, dass der Kurfürst bereits aus der Kammer bezahlte Abfindungen für Ordenspersonen zurückerstattet haben wollte, kritisierten.152 Offenbar ohne jegliche weitere Diskussion ließ Johann schließlich die Instruktion ausfertigen, welche die Durchführung der Sequestration regelte.153 So begann man am 8. Juni 1531 mit der Sequestration in Kursachsen. Die Maßnahmen liefen zunächst schleppend an, vor allem die Rückführung von entwendetem Gut stellte sich schwieriger und langwieriger heraus als zuvor gedacht. Aber auch die Prüfung der Klosterrechnungen war zu aufwendig, als dass sie von den Sequestratoren sofort bei der ersten Besichtigung durchgeführt werden konnte, sodass die Arbeit immer wieder unterbrochen wurde. Auf einem Ausschusstag vom 19. Februar 1532 in Torgau verlangte der Ausschuss der Landstände die Ernennung zusätzlicher Personen, um die Rechnungsprüfungen in den Klöstern durchführen zu können.154 Zwar sagte Kurprinz Johann Friedrich dem Ausschuss in dieser Frage seine Unterstützung zu, aber zu Lebzeiten Johanns scheint die Sequestration nicht weiter vorangekommen zu sein. Erst nach Johanns Tod veranlasste Johann Friedrich die Fortführung und eine erste Rechnungsprüfung im November 1532.155 Kurfürst Johann war in den letzten Monaten vor seinem Tod in Sachen Sequestration der geistlichen Güter den entscheidenden Schritt gegangen und hatte alle notwendigen Maßnahmen veranlasst. Da es in diesem Zusammenhang vor allem auch auf die Wahrung finanzieller Interessen Johanns ankam, war er darauf bedacht, den Ständen keine zu starke Kontrolle und Aufsicht zuzubilligen. Das Ziel, den Verdacht vom Kurfürsten zu nehmen, er bereichere sich am Kirchen152 Vgl. ebd., Nr. 425. Replik des Ausschusses. Der Kritikpunkt bzgl. der alleinigen Vereidigung auf den Kurfürsten wurde vor Übergabe wieder gestrichen. Auch der Kritikpunkt zur Rückvergütung bereits gezahlter Abfindungen wurde übergangen. In der Instruktion findet sich der Passus wieder, dass der Kurfürst sich vorbehalte, bereits gezahlte Aufwendungen insbesondere für die lebenslangen Pensionen der Äbte von Georgenthal, Reinhardsbrunn und Bürgel aus dem Klostervermögen zu decken. 153 Vgl. HILPERT, Die Sequestration der geistlichen Güter, S. 9–11. 154 Vgl. ebd., S. 17–20; ELA, Nr. 472. Die Verhandlungen bezüglich der weiteren Vorgehensweise bei der Sequestration wurden mit Johann Friedrich, der den bereits erkrankten Johann vertrat, offenbar zum größten Teil mündlich geführt. 155 Vgl. HILPERT, Die Sequestration der geistlichen Güter, S. 20f.
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gut, konnte durch die Maßnahmen jedoch nicht erreicht werden.156 Während Johann noch daran gelegen war, vor Kaiser und Reich die Rechtmäßigkeit und Billigkeit der Maßnahmen aufzuzeigen, scheint Johann Friedrich nach dem erfolgreichen Abschluss des Schmalkaldischen Bundes darin keine Notwendigkeit mehr gesehen zu haben, zumal auch zwei Jahre nach dem Augsburger Reichstag das angestrebte Konzil zur Klärung der Religionsfrage noch immer in weiter Ferne lag.
5.2. Außenpolitik AUßENPOLITIK
Gleichzeitig mit der Vornahme zahlreicher innenpolitischer Maßnahmen musste sich Johann nach der Regierungsübernahme auch in das außen- und reichspolitische Geschehen einarbeiten. Obwohl nahezu vor und nach jedem Reichstagsbesuch persönliche Treffen zwischen Johann und seinem Bruder Friedrich stattgefunden haben, auf denen man sich sehr wahrscheinlich über Ziele und Ergebnisse austauschte, hat Johann selbst nach 1498 nur noch zweimal eine Reichsversammlung besucht.157 Dementsprechend fehlte es ihm an Erfahrung auf dem diplomatischen Parkett und er war auf die Hilfe und Kenntnisse erfahrener Räte angewiesen. Insofern stellten die drei Reichstage, welche Johann im Laufe seiner Alleinregierung besuchte, für ihn eine besondere Herausforderung dar, zumal nun, nach jahrelangem indifferenten Verhalten, immer mehr Stände auf eine Lösung der Religionsfrage drängten.
5.2.1. Der Reichstag zu Speyer 1526 Der Reichstag 1526 kann als Wende in der kursächsischen Reichspolitik gesehen werden. Auch wenn Sicherheitsdenken und Friedenswahrung nach wie vor die wichtigsten außenpolitischen Grundprämissen bildeten, so machte doch Johann durch sein offenes, für jedermann sichtbares Bekenntnis zum Evangelium den 156 Unter Punkt 9b, der später gestrichen wurde, wandten die Stände auf dem Ausschusstag in Torgau 1531 kritisch ein, durch eine ausschließliche Vereidigung der Klosterverwalter auf den Kurfürsten würde „der verdacht, so angezaigter gutter halben, s.kf.g. zur unbillichait aufferlegt, nit abwandt“. ELA, Nr. 425. 157 Die beiden Ausnahmen bilden der Reichstag in Köln 1505 und der Reichstag in Worms 1521, zu dem Johann und Johann Friedrich dem Kurfürsten für eine kurze Zeit hinterher reisten. Vgl. den diesbezüglichen Schriftwechsel Johanns mit Friedrich bei Carl Eduard FÖRSTEMANN (Hg.), Neues Urkundenbuch zur Geschichte der evangelischen Kirchen-Reformation, Hamburg 1842, Kap. 1, Nr. 7–17. Zum Kölner Reichstag vgl. RTA MR, Bd. 8,2, S. 1139.
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anwesenden Reichsständen unmissverständlich klar, dass es unmöglich sein würde, die religiösen Veränderungen der letzten Jahre einfach rückgängig zu machen. Hinzu trat der Umstand, dass Johann, anders als sein Bruder Friedrich, nun nicht mehr allein stand, sondern sich an andere Fürsten, insbesondere den jungen Landgrafen Philipp von Hessen, anlehnen konnte. Nachdem der Reichstag zu Augsburg Ende 1525 wegen zu geringer Beteiligung gescheitert war, schrieb Kaiser Karl V. für den 1. Mai 1526 erneut eine Reichsversammlung nach Speyer aus. Das offizielle Schreiben dazu erreichte Kursachsen am 23. März 1526, 158 aber natürlich war man schon im Vorfeld darüber informiert,159 sodass bereits im Februar und März erste Absprachen mit anderen evangelischen Fürsten zum Besuch des Reichstags erfolgten. Vor allem das einheitliche Auftreten der lutherisch gesinnten Fürsten lag Johann dabei besonders am Herzen. Am 9. April konnte Johann schließlich Philipp von Hessen mitteilen, dass die Rüstung des Gefolges zum Reichstag nun feststehe. Außerdem bat er den Landgrafen darum, ihm in Speyer ein gutes Quartier zu besorgen.160 Da Johann bereits kurze Zeit später seinen eigenen Furier nach Speyer sandte, um die Quartiere zu bestellen,161 ist diese Bitte wohl in erster Linie als Bekräftigung der Verabredung zwischen Johann und Philipp, den Reichstag persönlich zu besuchen, zu werten. Natürlich musste den Evangelischen viel daran gelegen sein, dass sich Johann als neuer Kurfürst offen zum Evangelium bekennend in Speyer persönlich zeigte. Da sich jedoch abzeichnete, dass der Kaiser in absehbarer Zeit nicht nach Deutschland kommen würde, verschob Johann, trotz Philipps Drängen, möglichst zeitig in Speyer zu erscheinen, seine Anreise. Ihm erschien das Ziel, sich zunächst mit allen dem Evangelium zugewandten Ständen ins Einvernehmen zu setzen, um vor Kaiser und Reichstag „für einen Mann“ zu stehen,162 wichtiger als die von Philipp vorgebrachte Argumentation, durch eine frühe Anwesenheit in 158 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 61 (Einberufung des Reichstags, erlassen durch das Reichsregiment in Esslingen, 1. Februar 1526). 159 Als Gesandte Kursachsens hatten Philipp von Feilitzsch und Hans von Minkwitz den Reichstag in Augsburg besucht. Sie unterrichteten Kurfürst Johann am 2. Januar 1526 über den Beschluss, den Reichstag zu verschieben. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 45. Zu weitergehenden Beratungen wurde ein Ausschuss eingesetzt, der schließlich im Abschied vom 9. Januar 1526 Ort und Datum des neuen Reichstages festsetzte. Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 255. 160 Walter FRIEDENSBURG, Der Reichstag zu Speier 1526 in Zusammenhang der politischen und kirchlichen Entwicklung Deutschlands im Reformationszeitalter, Berlin 1887, S. 287. 161 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 85, S. 335, Nr. 90, Anm. 1. 162 Zu den Verhandlungen, die Johann diesbezüglich Mitte Juni 1526 in Magdeburg führte vgl. Abschnitt 6.3.
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Speyer Anfeindungen der Katholischen entgegenzutreten.163 Für den Vorschlag des Landgrafen, durch eine Gesandtschaft an den Kaiser sich diesem gegenüber „mit den allerbesten christlichen ehrlichen fugen auf alles der geistlichen oder ander unser widerwertigen angeben, das, wie uns anlangt, bey ksl. Mt. alßo solt gescheen sein, [zu] verantworten und entschuldigen“,164 zeigte sich Johann jedoch offen. So ließ er im Mai 1526 eine Instruktion der Evangelischen an den Kaiser entwerfen.165 In Anbetracht des bevorstehenden Reichstages entschied er jedoch, den Plan fallen zu lassen und die Ergebnisse der Speyerer Reichsversammlung abzuwarten. Als endlich im Juni 1526 Nachrichten kursierten, dass die Reichstagsverhandlungen bereits begonnen hätten,166 machte sich nicht nur Landgraf Philipp unverzüglich auf den Weg, auch Johann verfügte umgehend seinen Rat Philipp von Feilitzsch nach Speyer.167 Er selbst brach schließlich, nach Abschluss der üblichen Vorbereitungen für eine solche Reise, am 8. Juli 1526 von Weimar aus auf. Zuvor hatte er seinem Gefolge strenge Verhaltensmaßregeln eingeschärft. Der Befehl zeigt deutlich, wie wichtig es Johann war zu demonstrieren, dass evangelischer Glaube und gottgefälliges Handeln eine Einheit bilden. So verfügte er:
163 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 86 (Landgraf Philipp an Johann, 5. Mai 1526). Nachdem Johann dem Landgrafen zwei Mal geantwortet hatte, dass ihn wichtige Sachen hindern würden, schnellstmöglich nach Speyer zu kommen, versuchte Philipp, mit angeblichen Gerüchten den Druck auf Johann zu erhöhen. „Zum andern, kompt uns gleublich fur, das da oben in landen ein gemein geschrey sey, eure L. solt mit den bauern in bundtnus stehen und sich ir hauptman zu sein anmaßen. Wiewol nu uns in der warheit bewust, das hieran nichts ist, so will doch umb solches argwons und verdachts willen vonnotten sein, eure L. nehmen iren anzugk desto furderlicher, domit solich geschrey und einbildung eurer L. kein ungelimpf gepere.“ Ebd., Nr. 88 (Philipp an Johann, Ende Juni/Anfang Juli 1526). 164 Ebd., Nr. 86 (Landgraf Philipp an Johann, 5. Mai 1526). 165 Vgl. ebd., Nr. 82 (Instruktionsentwurf, ca. Mai 1526). In der Instruktion geht es ausschließlich darum, sich beim Kaiser gegen vermeintliche Anschuldigungen, die Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel als Gesandter der Katholischen hervorgebracht haben könnte, abzuwehren und richtig zu stellen. 166 Der Reichstag wurde am 25. Juni offiziell eröffnet. Zu den dann stattfindenden Verhandlungen, an denen Kursachsen keinen Anteil hatte, vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 260–265. 167 Da Feilitzsch in aller Eile von Magdeburg aus, wo Johann sich Mitte Juni noch zu Bündnisverhandlungen aufhielt, abgefertigt wurde, vergaß er die Mitnahme der kurfürstlichen Vollmacht. Aus diesem Grund wollte man ihn in Speyer zunächst nicht zu den Reichstagsverhandlungen zulassen. Auf das Versprechen hin, die Vollmacht innerhalb von vier Wochen vorzulegen, wurde ihm jedoch die Teilnahme gewährt. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 119, S. 433f. (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker, 3. Juli 1526). Kurfürst Johann sandte ihm die Vollmacht am 9. Juli 1526 nach. Vgl. ebd., Nr. 97f.
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Erstlich, dieweil man sich cristlich genannt und dem evangelio anhengig berumbt ader genannt will haben, derhalben alles das zu vermeiden, so wider Gottes ehre und sein gebott sein mag, in sonderheit die gemeinen, offentlichen, unbeschemten, leichtfertigen laster des gotsschwerens, des zutrinckens und der hurerei, daran dan dem nechsten anleitung des ergermus zugefugt wirdet, auch andere anhangene leichtfertige rede und unzucht nachzulassen. 168
Begleitet wurde Johann von seinem Sohn Johann Friedrich sowie den Herzögen Ernst und Franz von Braunschweig-Lüneburg. Als Räte sollten Graf Albrecht von Mansfeld, Friedrich von Thun, Hans von Minkwitz, Christoph von Taubenheim, Gregor Brück und Christian Beyer den Kurfürsten unterstützen. Als Prediger begleiteten Johann Agricola und Georg Spalatin den Zug.169 Am 20. Juli hielt Johann mit großem Gefolge Einzug in Speyer. Man erwartete ihn bereits mit Spannung, zumal unter den Reichstagsteilnehmern das Gerücht die Runde gemacht hatte, dass sich Kursachsen und Hessen in den gleichen Farben kleiden würden und auf dem rechten Ärmel die Anfangsbuchstaben V D M J E gestickt hätten. 170 Auch das demonstrative Nichteinhalten der Fastengebote durch Philipp von Hessen war natürlich nicht unbeachtet und unkommentiert geblieben.171 In den bisherigen Verhandlungen hatte man sich bis dahin in der Fürstenkurie dahingehend geeinigt, entgegen der Proposition172 die Missbräuche im Glauben doch zu behandeln und dazu einen interkurialen Ausschuss zu bilden. Dieser Plan stieß jedoch bei den Kurfürsten auf Widerstand, da sie dadurch ihre führende Position in Gefahr sahen.173 Lediglich Johann, der am 24. Juli erstmals an einer 168 Ebd., Nr. 89 (3. Juli 1526). 169 Ebd., Nr. 90. 170 Die Abkürzung steht für Verbum Domini manet in aeternum und stammt aus 1. Petr. 1, 25. 171 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1282 (Bericht Ottos von Pack an Herzog Georg, 16. Juli 1526). So meinte Pack gegenüber seinem Herrn, dass das Essen von Fleisch an verbotenen Tagen Philipps auch von „den evangelischen verkerlich ausgelegt“ werde. Nach seiner Ankunft schloss sich auch Kurfürst Johann der Praxis Philipps an, freitags und samstags Fleisch zu essen. Alle Versuche, die beiden Fürsten davon zu überzeugen, sich an die Fastengebote zu halten und die öffentliche evangelische Predigt einzustellen, schlugen fehl. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 120, S. 487f. (Protokoll der Kurpfälzer Räte, 27. Juli 1526). 172 Die Proposition des Kaisers entsprach weitgehend der des Reichstages von 1525. Allerdings fehlen 1526 als Beratungsgegenstände des Reichstags die kirchlichen Missbräuche und deren Abstellung sowie die Beschwerden gegen den heiligen Stuhl in Rom. Vgl. ebd., Nr. 71. 173 Zu den schwierigen Verhandlungen über die Bildung eines Ausschusses unter Einbeziehung der Städte vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526 S. 320–335. Doch bestand auch bei den Kurfürsten die Bereitschaft, sich die bereits in Worms 1521 formulierten Gravamina erneut vorzunehmen und über Mittel und Wege zur Abstellung zu
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Sitzung der Kurfürsten teilnahm, war anderer Meinung. In einem schriftlichen Gutachten vom 27. Juli befürwortete er nicht nur die Bildung eines Ausschusses, sondern auch die Einbeziehung der Städte. Auch wenn Johann sich hierin noch für seine abweichende Haltung entschuldigte und um Geduld bat, da er noch neu und unerfahren als Kurfürst sei, machte er doch damit gleich zu Beginn der Verhandlungen klar, dass er nicht gewillt war, sich einfach der Meinung der Majorität zu unterwerfen. 174 Diese Haltung findet sich ebenso in einem Gutachten der kurfürstlichen Räte, aus dem deutlich hervorgeht, dass sich Kursachsen keinesfalls damit zufrieden geben würde, ausschließlich die äußerlichen kirchlichen Missbräuche zu bekämpfen, ohne die Lehren anzugehen, die gegen das göttliche Wort sind. Auch der Grund, weshalb man so entschieden für die Bildung eines großen Ausschusses focht, kommt in dem Gutachten zum Ausdruck: Sich seiner isolierten Stellung im Kurfürstenrat völlig bewusst, hoffte man, durch die Einbeziehung der anderen Stände ausreichend Unterstützung für die eigene Position zu finden.175 Schließlich mussten die Kurfürsten dem Druck der Fürstenkurie nachgeben, sodass sich letztlich die kursächsische Ansicht durchsetzte. Am 31. Juli standen schließlich die 21 Mitglieder des Ausschusses fest, die evangelische Seite konnte sich gut vertreten fühlen.176 Diese Entwicklung kam dem kaiserlichen Bruder Erzherzog Ferdinand alles andere als gelegen. Während die ihm am vordringlichsten erscheinende Frage nach der Gewährung der Türkenhilfe bisher unbehandelt geblieben war, fanden die Stände immer wieder Anlass, sich dem Wormser Edikt und den kirchlichen Missständen zuzuwenden, also jenen Themen, die auf dem Reichstag in Abwesenheit des Kaisers überhaupt nicht besprochen werden sollten. So legte Ferdinand am 1. August den Kurfürsten die vom Kaiser erstellte Zusatzinstruktion vor,177 die ausdrücklich jede Änderung an Herkommen und Lehre der Kirche
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diskutieren. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 162 (Gutachten des Kurfürstenrats über die Missbräuche und die Beschwerden der Deutschen Nation, 20. Juli 1526). Das Gutachten Johanns ist gedruckt in: ebd., Nr. 136. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 163 (Vorschläge der kursächsischen Räte zur Beantwortung der Frage der Missbräuche im Kurfürstenrat, nach dem 20. Juli 1526). Das Gutachten nimmt direkten Bezug auf die Stellungnahme des Kurfürstenrats zu den Gravamina vom 20. Juli. Die Vorschläge stammen wahrscheinlich von Gregor Brück. Im letzten Abschnitt kommt man wiederum auf die Option zurück, eine Gesandtschaft an den Kaiser zu senden. Diese von allen Ständen getragene Botschaft sollte den Kaiser dann um ein freies, christliches Konzil bitten. Zu den Mitgliedern des Ausschusses vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 265, Anm. 95 sowie FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 334–336. Kursachsen war durch Gregor Brück vertreten. „Und sey demnach an ire liebden und gemeine stendt unser gnedig und ernstlich gesinnen, beger und bevelh, das sy mitlerzeit auf solhen kunftigen unssern und des Reichs tag zu Speyr gar nichts furnemen, handlen,
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untersagte und auf der Exekution des Wormser Edikts bestand. Auf Seiten der Kurfürsten hatte offenbar niemand mit dieser Entwicklung gerechnet, sodass sie zunächst nur in der Form reagierten, dass sie darauf drangen, auch die anderen Stände zu informieren sowie eine Abschrift der Nebeninstruktion forderten.178 Bereits am nächsten Tag wurde dem Ausschuss, der sich erstmalig zu Beratungen zusammengefunden hatte, die Instruktion ebenfalls eröffnet. Die Empörung war groß, nicht nur über das ergangene Verbot, sich in Religionssachen zu beraten, sondern auch über die späte Mitteilung darüber. Um ihrem Protest über diesen Umgang Ausdruck zu verleihen, überlegten zahlreiche Stände, aus Speyer abzureisen, so auch Kurfürst Johann.179 Doch statt abzureisen, unterstützte Johann am 4. August im Kurfürstenrat die Meinung von Kurpfalz und der Vertreter des Erzbischofs von Köln, den Ausschuss über die neue Instruktion und eine Antwort der Stände darauf beraten zu lassen, während sich Mainz, Trier und Brandenburg dieser Ansicht entgegenstellten.180 Zu Einigkeit konnte man jedoch in einem Punkt gelangen, nämlich darüber, dass man sich in einer so wichtigen Angelegenheit, wie der Einheit des Glaubens, nicht das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lassen wollte. So beschloss man, Ferdinand und die kaiserlichen Kommissare wissen zu lassen, dass man die in der Instruktion berührten Punkte bisher noch nicht diskutiert hätte, wenn es jedoch soweit sei, sich ein jeder Stand des kaiserlichen Begehrens bewusst wäre und so handeln würde, wie er es gegen Gott und den Kaiser verantworten könne. Auch wenn diese Antwort aus heutiger Sicht nicht ohne eine gewisse Chuzpe zu sein scheint, macht doch ein Blick in das Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker aus dem Kurfürstenrat vom 4. August deutlich, dass es sich in erster Linie um eine Verlegenheitslösung handelte.181 Dennoch schloss sich die ebenfalls uneinige Fürstenkurie
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verneuen noch beschlissen, das unsers hl. cristlichen glaubens oder den loblichen gesetzen oder alt herkomen der kirchen lere, ordnung, ceremonien und gebreuchen zu abbruch entgegen und wider seie, sonder dieselben inhalt unserer mandat und verbotsbrieff, so wir mit irem rat, vorwissen und bewilligung auf baiden reichstagen in Wormbs und Nurnberg beslossen und außgeen haben lassen, allenthalben im Reich, iren aigen furstenthumben, landen, obrigkaiten und gebieten vestiglichen handthaben, volziehen und zu halten gebiethen […].“ RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 62 (Instruktion [Nebeninstruktion] Karls V., 23. März 1526). Zur Reaktion der einzelnen kurfürstlichen Vertreter vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 119, S. 452f. (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker, 1. August 1526). Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 375. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 119, S. 454f. (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker, 4. August 1526). „Nach vill gehabter underrede und als sich meine gnedigsten herrn, die churfursten, des nit haben mogen vergleichen, haben sie sich zuletzt diser meynung vereint, nemlich, das den ksl. commissarien ein gemein antwort gegeben wurde, das man ir, der commissarien, erinnern der ksl. instruction des artickels halber, den glauben belangend, und das davon nichts gehandelt werden soll etc., gehort und vernommen. Und weren die churfursten und stend noch nit an denselbigen artickel kommen. So sich aber denselben fur handen
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dieser Entscheidung der Kurfürsten an.182 Lediglich die Städte bezogen klar Position und zeichneten mit ihrer Stellungnahme schließlich den Weg für den weiteren Fortgang des Reichstags vor. Sie hielten sich nicht damit auf, durch Interpretation der kaiserlichen Worte auszuloten, welche Spielräume den Ständen jetzt noch für Verhandlungen über den christlichen Glauben blieben.183 Für sie stand fest, dass Karl V. bis zu einem von ihm beim Papst vermittelten Generalkonzil nichts anderes wünschte als den Vollzug des Wormser Edikts. Da jedoch klar sei, dass dies den Städten aufgrund neuer zu befürchtender Unruhen unmöglich ist, schlugen sie eine Gesandtschaft zum Kaiser vor. Diese sollte Karl V. von der Unmöglichkeit, das Edikt zu exekutieren, und der Notwendigkeit eines Nationalkonzils unterrichten.184 Wie wir gesehen haben, war der Gedanke einer Gesandtschaft an den Kaiser nicht neu, nicht nur die Städte hatten diese Option bereits mehrfach ins Spiel gebracht,185 auch im Umfeld Johanns war diese Option schon mehrmals in Erwägung gezogen worden, wenn auch zum Teil anders intendiert. Das städtische Gutachten gelangte zunächst an den Ausschuss, der offenbar ohne zu zögern die darin enthaltenen Vorschläge aufnahm. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Lösung im Moment den uneinigen Reichsständen am meisten entgegenkam. So beauftragte man den Trierer Kanzler Dr. Ludwig Förster mit der Abfassung eines Gutachtens zur weiteren Vorgehensweise.186 Darin wurden zwei große Aufgaben genannt: zum einen die Abfassung einer Instruktion für die zum Kaiser zu sendende Gesandtschaft, die darum bitten sollte, das Wormser Edikt aufzuheben und ein Konzil abzuhalten. Zum anderen die Erarbeitung von Vereinbarungen, wie der Friede im Reich bis zum Zusammentreten eines solchen Konzils wiederhergestellt und erhalten werden könne.187 Auf Grundlage dieser Vorschläge nahm der Ausschuss seine Beratungen auf. Wie wenig die Reichsstände daran interessiert waren, die Konflikte, welche sich rund um die Glaubensfrage aufgetan hatten, zu verschärfen, zeigt sich daran, wie schnell man sich auf eine friedenssichernde Zwischenlösung einigte. Die vom Kurfürstenrat be-
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nemmen, wollten sie ksl. Mt. begern erinnert und ingedenckt sein und sich darin ein yder erzceigen und halten, das sie gegen Gott und ir Mt. verantworten wissen zu vermogen.“ Ebd., S. 455. Vgl. ebd., S. 455f. Diesen Weg schlugen insbesondere die Kurpfälzer Räte ein. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 142 (Bedenken der Kurpfälzer Räte über das weitere Vorgehen im Anschluss an die Nebeninstruktion Karls V., 3. August 1526). Das Gutachten der Reichsstädte ist gedruckt in: FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 552–554, Beilage 11 (4. August 1526). Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 129, 134. Vgl. ebd., Nr. 119, S. 457 (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker, 6. August 1526). Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 388.
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züglich der Nebeninstruktion Karls V. ins Spiel gebrachte Verantwortungsformel drängte sich dabei nahezu auf. Schon am 7. August einigte man sich darauf, dass sich ein jeder Reichsstand bis zu einer Entscheidung durch ein Konzil in den Dingen, die den Glauben und die kirchlichen Einrichtungen beträfen, so verhalten solle, wie er es vor Gott und dem Kaiser verantworten könne.188 Für die Instruktion an den Kaiser sollten zunächst alle Ausschussmitglieder eigene Vorschläge einreichen, 189 später beschränkte man sich offenbar auf die Vorschläge von Kursachsen und Kurpfalz.190 Zwar fanden diese in dem Entwurf,191 den der Ausschuss kurze Zeit später präsentierte, keinen Niederschlag, trotzdem konnte nun in konkrete Verhandlungen um den Wortlaut der Instruktion eingetreten werden. In dieser Phase scheinen einigen kursächsischen Räten generelle Bedenken bezüglich einer Reichsgesandtschaft an den Kaiser und der dort zu stellenden Forderungen gekommen zu sein. Selbst wenn ein Konzil zustande käme, wäre man überhaupt bereit, jede Entscheidung, die dort getroffen würde, anzuerkennen? Die Wahrscheinlichkeit, dass die anwesenden Theologen sich mehr der kirchlichen Tradition als dem Evangelium verpflichtet fühlen würden, wäre hoch. Wäre es deshalb nicht besser, bereits auf dem Reichstag zu versuchen, Vorschläge zur Beseitigung des kirchlichen Zwiespalts zu erarbeiten, die dann dem Kaiser zur Genehmigung vorgelegt werden könnten?192 Auch der alte Gedanke, eine Sondergesandtschaft der Evangelischen zum Kaiser zu schicken, stand wieder im Raum.193 Davon riet jedoch Gregor Brück in einem Gutachten ab und wies darauf hin, dass es von evangelischer Seite ohnehin nicht sehr viel mehr zu sagen gäbe, als die Instruktion beinhalte, und man die Vorteile, welche die vom Reichstag beschlossene Verantwortungsformel unzweifelhaft mit sich brächte, nicht leichtfertig aufs Spiel setzen sollte.194 Brück bewies großen Weitblick, wenn 188 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 145 (Bedenken des großen Ausschusses über das weitere Vorgehen, 7. August 1526). 189 Vgl. ebd., Nr. 119, S. 458 (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker, 6. August 1526). 190 Vgl. ebd., Nr. 147 (Vorschläge der kursächsischen Räte zur Abfassung der Instruktion an den Kaiser). 191 Vgl. ebd., Nr. 148 (Bedenken des großen Ausschusses über die Instruktion der Reichsstände an Karl V., vor 12. August 1526). 192 Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 400f. 193 Der ehemalige Hofprediger Georg Spalatin hatte ein Gutachten erstellt, in welchem er den Instruktionsentwurf einer scharfen Kritik unterzog. Nicht zuletzt dieser Ratschlag scheint beim Kurfürsten zu erheblichen Zweifeln an einer allgemeinen Gesandtschaft geführt zu haben. Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 401–408; HÖSS, Georg Spalatin, S. 309–311. 194 Es ist nicht absolut gewiss, dass das Gutachten von Gregor Brück stammt, es weisen jedoch zahlreiche Indizien darauf hin. Sehr sicher wurde es als Reaktion auf die von
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er auf die Bedeutung der Verantwortungsformel hinwies und davor warnte, den Blick allzu weit über das derzeit politisch Machbare hinaus zu richten. Die unterschiedlichen Meinungen seiner Räte, die intern am 13. August ausführlich diskutiert wurden, ließen Johann zögern. Während alle anderen Kurfürsten am 14. August im Kurfürstenrat der Instruktion grundsätzlich zustimmten, ließ Johann durch seine Räte um Bedenkzeit bitten. „Will er nit bergen, das syn kfstl. Gn. gester uber dem handl gesessen, hab sich des Turcken, auch instruction halber nit entlich entschliessen mogen, mit bitt, damit syn kfstl. Gn. nit zu verargen und […] biß auf nehest Dornstag [16. August] zyt zuzugeben.“ 195 Als der Kurfürstenrat am 17. August erneut zu Beratungen zusammentrat, hatte sich Johann entschieden: Er stimmte der Instruktion zu, machte jedoch unmissverständlich klar, dass seine weitere Verhandlungsbereitschaft davon abhänge, ob die Forderung nach Suspendierung des Wormser Edikts in der Instruktion erhalten bleibe.196 Damit war auch gleichzeitig der größte Streitpunkt unter den Ständen berührt. Während sich die meisten für eine Aussetzung des Wormser Edikts starkmachten, sperrten sich in erster Linie die Bischöfe dagegen, ohne dass man einen Ausgleich erzielen konnte. Da Erzherzog Ferdinand am 17. August den Ständen zu erkennen gegeben hatte, dass er aufgrund der Türkengefahr noch höchstens eine Woche in Speyer bleiben könne, bis dahin aber Ergebnisse erwarte, mussten die Verhandlungen nun unter zeitlichem Druck zu Ende geführt werden. Deshalb einigte man sich darauf, eine Kommission einzusetzen, die sich um die Endredaktion des Instruktionsentwurfes kümmern sollte.197 Am 20. August lag schließlich ein KomSpalatin vertretenen Ansichten verfasst. Der erfahrene Kanzler warnt darin auch vor den Gefahren, die einer eigenen Gesandtschaft innewohnen. „Und so wir dan vil des gewissens halben mit ksl. Mt. disputirn wolten und ksl. Mt. vormergkte, das unser nit vil ader sonderlichs starck weren, mochten wir erlangen, das ksl. Mt. etlichen [von] den andern bevelhen wurde, uns zu uberziehen.“ RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 150. 195 Ebd., Nr. 119, S. 462 (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker). Die anderen Kurfürsten nutzten die Gelegenheit, ihre Verbesserungswünsche bzgl. der Instruktion einzubringen. So machte der brandenburgische Gesandte klar, dass sie der Forderung nach Aussetzung des Wormser Edikts nicht zustimmen werden. 196 „Solt der artickel außgelassen, were vergeblich, auf andere artickel syn gemut zu verstendigen. Wo aber das verglichen, wolt sich syn kfstl. Gn. furter ires gemuts auch vernemen zu lassen.“ Ebd., Nr. 119, S. 465 (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker). 197 Die Kommission sollte aus zwei kurfürstlichen und zwei fürstlichen Räten bestehen. Leider lassen sich nun die Verhandlungen bis zur endgültigen Fassung der Instruktion vom 20. August aufgrund fehlender Quellen nicht mehr verfolgen. Insgesamt erscheint es jedoch sehr schwer nachvollziehbar, dass man die Erarbeitung der endgültigen Fassung in die Hände von nur vier Personen legte, obwohl es doch augenscheinlich am 17. August sowohl in der Kurfürsten- als auch in der Fürstenkurie noch große inhaltliche Unstimmigkeiten, insbesondere in Bezug auf das Wormser Edikt gegeben hatte. In
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promiss vor, über dessen Zustandekommen wir keine Informationen haben. Der wichtigste Punkt, die Forderung nach Außerkraftsetzung des Wormser Edikts, war dahingehend verändert wurden, dass man nun lediglich die Aussetzung der Strafen bei Verstoß verlangte. Andere Formulierungen und Forderungen wurden dagegen völlig gestrichen, so etwa die Möglichkeit des Kaisers, bei Nichtzustandekommen eines Konzils selbst Mittel zur Überwindung der Glaubensspaltung zu ergreifen sowie die Notwendigkeit der Beteiligung des Papstes bei der Einberufung eines Konzils.198 Entscheidend war jedoch, dass in den Sitzungen des Kurfürsten- und Fürstenrats am 20. August alle ihr Placet gaben.199 So gab es in dieser Angelegenheit nur noch eine Entscheidung zu fällen, nämlich die, welche Personen als Gesandte an den Kaiser ernannt werden sollten. In Anbetracht der Bedeutung der Sache neigte man zunächst dazu, Personen fürstlichen Ranges zu ernennen. Zwischen den Kurfürsten einigte man sich schnell auf den sächsischen Vorschlag, eine Gruppe von sechs Personen zu senden, die jeweils aus drei geistlichen und drei weltlichen Vertretern bestehen sollte. Dass es sich bei einem der weltlichen Vertreter um einen städtischen Gesandten handeln sollte, zeigt, dass Kursachsen eine paritätische Besetzung der Botschaft besonders wichtig war.200 Dieser Plan stieß bei den Fürsten jedoch auf den Einwand, dass eine solch hochrangig besetzte Gesandtschaft erhebliche Kosten verursachen würde, wie insbesondere der erst kürzlich aus Spanien zurückgekehrte Pfalzgraf Friedrich aus eigener Erfahrung zu berichten wusste. So einigte man sich schließlich auf Marquard vom Stein, Graf Albrecht von Mansfeld, Dr. Johann Fabri und Jakob Sturm. Nachdem sich am 17. August die Stände vom Gesandtschaftsthema befreit hatten, war Raum entstanden, sich den ebenfalls noch offenen Fragen zur Türkenhilfe, der Finanzierung der Reichsbehörden sowie den Maßnahmen zur Sicherung des Reichsfriedens zuzuwenden. Dabei spielte jedoch lediglich die Frage nach der Gewährung der Türkenhilfe noch eine größere Rolle. Auf Drängen Ferdinands, für den dieser Punkt die eigentlich wichtigste Entscheidung des Reichstags darstellte, war bereits am 5. August ein gesonderter Ausschuss einberufen worden, um sich damit zu beschäftigen. Einerseits war klar, dass ein weiterer Vormarsch der Türken eine Gefahr für das gesamte Reich darstellen welcher Art und Weise man diese beilegte, lässt sich nicht nachweisen. Vgl. dazu FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 412–415. 198 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 151 (Endgültige Fassung der Instruktion). 199 Ebd., Nr. 119, S. 468f. (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker, 20. August 1526). 200 „Wie die schickung abzufertigen, acht, das ein sonderlich botschaft abgefertiget und damit allenthalben gleicheit gehalten. Sy fur gut angesehen, das ein geistlicher und weltlicher furst bewegen, das die geistlichen ein praelaten und sunst einen und die weltlichen ein [Fürsten], graven und ein von stetten.“ Vgl. ebd., Nr. 119, S. 473 (Protokoll des Mainzer Sekretärs Andreas Rucker, 22. August 1526).
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würde, andererseits war man sich der Bedeutung der Hilfsgelder als Druckmittel durchaus bewusst. Die Kurfürsten machten schnell klar, dass für sie eine Hilfsleistung in Form von ständigen Geldzahlungen auch bzw. gerade aufgrund der ungeklärten Religionsangelegenheiten nicht in Frage käme. Allerdings wäre man bereit, bereits zugesagte schnelle Hilfen zu leisten, jedoch nicht in Form von Geld, sondern in Form von Fußvolk. Schließlich einigte man sich darauf, 10.000 Mann an Fußknechten und darüber hinaus 4.000 Reiter zu bewilligen. Mit diesen Zusagen wurde der ungarische Gesandte abgefertigt, man selbst plante, binnen kurzer Zeit eigene Gesandte zum ungarischen König zu senden, um die Lage zu sondieren und alle Modalitäten zu besprechen. 201 Die Diskussionen zur Türkenhilfe zeigen, dass man bereit war, sich an Zusagen zu halten und notwendige Hilfe zu leisten, jedoch sollten die Mittel effektiv eingesetzt und nicht zum Fenster hinausgeworfen werden. Mit der Verlesung des Abschieds am 27. August 1526 endete der Speyerer Reichstag,202 Johann war mit seinem Gefolge bereits zwei Tage zuvor abgereist. Auch wenn die Ergebnisse dieses Reichstages, auch in Anbetracht der Tatsache, dass die projektierte Gesandtschaft zum Kaiser letztendlich nicht zustande kam,203 sehr dürftig waren, konnte Johann trotz allem zufrieden sein. Er selbst hatte sich als entschlossener, evangelischer Fürst präsentieren können, der seine Positionen und Forderungen klar herausgestellt hatte. Obwohl die beschlossene Verantwortungsformel stärker eine Verlegenheitslösung denn eine bewusst herbeigeführte Entscheidung war, verschaffte sie doch den evangelischen Territorien in den nächsten Jahren einen gewissen Spielraum zum Aufbau einer Landeskirche. Hinzu trat die Gewissheit, dass die Mehrheit der Stände kein Interesse an einer Verschärfung der Situation hatte und die Friedenssicherung im Reich als vordringlichstes Ziel ansah.
201 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 176, 178 (Instruktion und Nebeninstruktion für Graf Georg von Wertheim, Philipp von Feilitzsch und Veit Auerbacher an König Ludwig von Ungarn). 202 Vgl. ebd., Nr. 221. 203 Vgl. ebd., Nr. 236 (Kurfürsten und Fürsten an Karl V. bzgl. der zu Speyer beschlossenen Gesandtschaft, 19. Dezember 1526). In diesem Schreiben, das im Rahmen des Fürstentages in Esslingen entstand, entschuldigten sich die Fürsten beim Kaiser dafür, die geplante Gesandtschaft nicht abfertigen zu können, da das Geleit des französischen Königs bereits ausgelaufen und damit die Reise für die Gesandten nach Spanien zu gefährlich sei. Man wolle aber auf einem Reichstag in Regenburg 1527 erneut darüber beraten. Karl V. antwortete auf dieses Schreiben erst am 20. Mai 1527 und teilte mit, dass es in so wichtigen Sachen des Reiches besser wäre, ihm schriftlich Bescheid zu geben, als ihm Botschafter zu schicken. Für die Bearbeitung des Anliegens mache dies keinen Unterschied. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, Nr. 372.
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5.2.2.
Der Reichstag zu Speyer 1529
Nachdem Johann den Reichstag in Speyer 1526 nahezu unbedrängt verlassen konnte, war die Situation drei Jahre später eine völlig andere. So war es im Zuge der Pack’schen Händel,204 die das Reich an den Rand eines Religionskriegs geführt hatten, 1528 zur Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Kursachsen und seinem wichtigsten evangelischen Partner Hessen gekommen. Auch wenn inzwischen mit Friedensverhandlungen die Krise, die sich um das von Otto von Pack erdichtete Breslauer Bündnis entsponnen hatte, friedlich beendet werden konnte, so hatte durch die Ereignisse nicht nur die Reputation Philipps Schaden genommen, sondern die der gesamten evangelischen Partei. Hinzu kam, dass nun zahlreiche katholische Stände eine wesentlich stärkere Frontstellung gegen die Evangelischen bezogen als zuvor. So stand der Speyerer Reichstag von Beginn an unter negativen Vorzeichen. Als am 10. Januar 1529 das Ausschreiben zu einem Reichstag nach Speyer in Kursachsen eintraf, war dies keine Überraschung. Bereits seit Monaten war man über die Absicht, einen neuen Reichstag auszuschreiben, informiert.205 Da der Termin des Reichstages mit dem 21. Februar recht kurzfristig gesetzt war, begann Johann sofort mit den Planungen. Auch wenn der Kurfürst nach außen hin den Anschein erwecken wollte, als wäre ihm ein so kurzfristiger Aufbruch sehr ungelegen und unangenehm, steht außer Zweifel, dass von Beginn an ein persönlicher Reichstagsbesuch für ihn feststand.206 Zu groß waren die Befürchtungen auf evangelischer Seite, der Reichstag könnte dazu genutzt werden, negative Beschlüsse gegen sie zu fassen. 207 Deshalb wurde noch im Januar festgelegt, 204 Zu den Pack’schen Händeln vgl. Abschnitt 6.4. 205 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 373f. (Hans von der Planitz an Kurfürst Johann, 1. November 1527). Planitz saß zu dieser Zeit als Vertreter Kursachsens im Reichsregiment in Speyer. Dieses war von Ferdinand damit beauftragt wurden, ein Reichstagsausschreiben zu entwerfen. Am 13. Oktober 1527 sandte Ferdinand den von ihm überarbeiteten Entwurf, mit der Bitte um Drucklegung, zurück. Mit dem Hinweis, dass das Einverständnis des Kaisers noch ausstehe, sollten im Druck Ort und Termin freigelassen werden. Vgl. ebd., S. 369, Nr. 1381. 206 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 492f., Nr. 1578, 1581, 1589, Schreiben Johanns an Hans von der Planitz. Während Johann in seinem ersten Schreiben vom 22. Januar 1529 Planitz noch darum bat, beim Reichsregiment die Ungelegenheit Speyers wegen der dort herrschenden Seuche anzubringen, forderte er ihn in den folgenden Schreiben vom 24. und 27. Januar bereits auf, beim Rat Quartier zu bestellen bzw. dem gerade entsandten kursächsischen Furier in Speyer behilflich zu sein. 207 So schrieb Landgraf Philipp am 27. Januar 1529 an Johann, dass ihre Anwesenheit es den Widersachern erschweren würde, Entscheidungen entgegen dem Wort Gottes zu treffen. Zudem würde ein persönlicher Besuch des Reichstages bewirken, dass auch die anderen Evangelischen mutiger und fester auftreten würden. Vgl. ebd., Nr. 1589a.
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welche Räte mit nach Speyer zu nehmen sind.208 Auch die Entscheidung darüber, diesmal weniger repräsentativ und ohne großes Gefolge zu reisen, wurde bald getroffen.209 Bevor Johann schließlich Ende Februar 1529 zum Reichstag aufbrach, gab er dem in Kursachsen verbleibenden Johann Friedrich ausführliche Instruktion für die Regierung des Landes während seiner Abwesenheit.210 Als Johann am 13. März in Speyer einritt, wurde er mit allen Ehren vom König und den anwesenden Fürsten empfangen. Bereits kurze Zeit später, am 15. März, eröffnete König Ferdinand den Reichstag. Da die Eröffnung traditionell mit einer Messe gefeiert wurde, musste sich Johann gleich zu Beginn entscheiden, ob er daran teilnehmen wollte oder nicht. Schließlich erschien er am 15. nicht wie befohlen um 7 Uhr auf dem Rathaus, um von dort mit den Ständen zur Domkirche zu ziehen. Stattdessen ließ er sich durch Hans von Minkwitz und Gregor Brück beim König damit entschuldigen, dass er sich zunächst mit Mainz über die Umfrage beraten müsse, um später die Verhandlungen nicht ins Stocken zu bringen. Natürlich handelte es sich dabei um eine Ausrede, die von Ferdinand erst „nach langem bedenken und etzwas spitizen worten“ akzeptiert wurde.211 Erst nach der Messe fand sich Johann zur Verlesung der Proposition ebenfalls auf dem Rathaus ein. Die nun vorgetragene, aus dem königlichen Umfeld stammende, aber als kaiserliche Willenserklärung ausgegebene Proposition zeigt deutlich, wie stark Ferdinand noch immer durch die Provokation der Pack’schen Händel verstimmt war: Durch die klare Forderung nach Einhaltung und Durchsetzung des Wormser Edikts bis zur Einberufung eines allgemeinen und freien Konzils durch Kaiser und Papst legte sie in der Religionsfrage eine für die deutschen Stände überraschende Härte an den Tag.212 Der im Jahr 1526 von den Ständen ausgehandelte 208 Vgl. ebd., S. 496, Nr. 1599. Es handelte sich mit Albrecht von Mansfeld, Friedrich von Thun, Ludwig von Boyneburg, Hans von Minkwitz, Christoph von Taubenheim, Gregor Brück, Christian Beyer, Kuntz Gotsmann und Hans von Dolzig um die gleichen Personen wie beim Reichstag 1526. Da nach Ansicht Johanns die Predigten Johann Agricolas beim letzten Mal in Speyer gut angekommen waren, sollte dieser auch diesmal mitziehen. Ebd., Nr. 1597. Außerdem hatte Johann Philipp Melanchthon als theologischen Berater mitgenommen. 209 Vgl. ebd., S. 507, Nr. 1654 (Johann an Albrecht von Mansfeld, 11. Februar 1529) sowie Nr. 1675 (Johann an Ernst von Lüneburg, 15. Februar 1529). 210 Vgl. ebd., S. 517, Nr. 1735a,b (24. Februar 1529). Dass Johann Friedrich nicht mit zum Reichstag reiste, war wohl in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass in Kursachsen gerade die erste ordentliche Visitation der Kirchen- und Schulsachen stattfand. 211 Vgl. ebd., S. 547. Verschiedene Berichte über die Eröffnung des Reichstags. 212 Zur Proposition Ferdinands vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 104. Zu der These, dass die Ereignisse um die Pack’schen Händel Ferdinand überhaupt erst die Entschlossenheit verliehen hätten, die gefälschte Proposition auf dem Reichstag anzubringen, vgl. Ekkehard FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes und seiner Verfassung 1524/29– 1531/35, Tübingen 1962, S. 37.
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Kompromiss spielte keine Rolle mehr, er wurde vom Kaiser aufgehoben. 213 Damit gab es im Grunde für die Stände überhaupt keine Grundlage für Verhandlungen mehr, da bereits in der Proposition festlegt worden war, wie bis zum Konzil zu verfahren sei. Entsprechend erschüttert zeigten sich insbesondere die evangelischen Stände. Selbst mit etwas Abstand lässt sich Johanns Bestürzung darüber noch herauslesen, wenn er am 17. März an Johann Friedrich schrieb, die Proposition sei „yn aller warheit eynen solchen schwer mandat, als ich und alle stende noch nie erfahren haben“.214 Auch wenn Johann der Mission des sich seit Frühjahr 1528 in Deutschland aufhaltenden Reichsvizekanzlers Balthasar Waldkirch von Beginn an skeptisch gegenübergestanden hatte, ließ sich jedoch nicht bestreiten, dass dieser den Evangelischen ganz andere, wesentlich versöhnlichere Mitteilungen im Namen des Kaisers gemacht hatte.215 In der Tat war es der Auftrag Waldkirchs gewesen, eine entgegenkommende Haltung gegenüber den evangelischen Ständen einzunehmen. Auch der von ihm im September 1528 ausgearbeitete Entwurf für eine Reichstagsinstruktion hatte als Ziel den Vergleich und die Einigung der Stände vorgesehen. Da jedoch sein Entwurf, den er zur Genehmigung an den Kaiser nach Spanien gesandt hatte, nicht rechtzeitig zum Reichstag zurück war,216 ließ er es nun kritiklos zu, dass Ferdinand nicht nur seinen Entwurf als den des Kaisers ausgab, sondern auch, dass er seinen Vorschlägen wesentlich entgegen war. 213 „Damit aber in kunftig zeit derselbig artikl nit weiter nach aines jeden gefallen angenomen und ausgelegt und das, so bisher unserem glaubn zuwider daraus verfolgt ist, verhuet werde, so hebt ir ksl. m. angezeigten artikl, wie der in gedachtem abschid begriffen ist, hiemit auf, cassirt und vernicht denselbn jetzo alsdann und dann als jetzo, alles aus ksl. machtvolkomenheit.“ RTA JR, Bd. 7,2, S. 1134. 214 RTA JR, Bd. 7,1, S. 563, Nr. 1875. 215 Vgl. ebd., S. 354, Nr. 1217 (Johann an Nürnberg, 13. Juli 1528). Anfang Oktober 1528 kam es zu einem Treffen zwischen Waldkirch und Johann in Weimar. Diese Gelegenheit nutzte der Kurfürst auch, um seine eigenen Wünsche bzgl. Regalienverleihung und Bestätigung des jülich-sächsischen Ehevertrags vorzubringen. Vgl. S. 365–367, Nr. 1350, 1351. Zur Antwort Karls V. auf Johanns Wünsche vgl. S. 509, Nr. 1673. Vgl. auch Waldkirchs Verhandlungen mit Straßburg und Ulm. Nr. 1175, Nr. 1261. Auch dem Landgrafen Philipp von Hessen scheint Waldkirch eine milde Haltung des Kaiser gegenüber den Evangelischen angezeigt zu haben. 216 Der Entwurf Waldkirchs wurde offenbar ohne größere Veränderungen genehmigt und am 25. Dezember 1528 zurückgesandt. Wann die „echte“ kaiserliche Proposition Deutschland erreichte, lässt sich nicht mehr ausmachen, wahrscheinlich wurde sie vernichtet. Das Wissen um diese Proposition ergibt sich aus einer Kopie von Waldkirchs Vorschlag, den dieser offenbar dem Reichsregiment übergeben hatte. Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 72. Vielleicht erklärt sich daraus auch, dass viele Fürsten sofort ahnten, dass die Proposition von Ferdinand und nicht vom Kaiser ausging. Es ist gut möglich, dass ihre Vertreter am Reichsregiment ihnen die Existenz eines alternativen Vorschlags angezeigt hatten.
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Nach der Verlesung der Proposition hatten die einzelnen Stände Gelegenheit, sich zu Beratungen zurückzuziehen, die jedoch auf den folgenden Morgen vertagt wurden. Während der Kurfürstenrat beschloss, für weitere Verhandlungen noch auf den Trierer Kurfürsten zu warten, schlug die Fürstenkurie vor, in der Zwischenzeit über die Bildung eines Ausschusses für weitere Verhandlungen zu beraten. Dieser Vorschlag wurde sowohl von den Kurfürsten als auch von den Städten gebilligt.217 Am 18. März wurden die Verhandlungen schließlich aufgenommen, zunächst galt es, dem König und den kaiserlichen Kommissaren eine Antwort auf die Proposition und Vollmachten zu geben. Neben dem Wunsch, der Kaiser möge ungeachtet der von ihm angeführten Entschuldigungen für sein Fernbleiben sich bemühen, aufgrund der „groß und merglich beschwerung“ so bald wie möglich persönlich ins Reich zu kommen, sahen es die Kurfürsten und Fürsten als notwendig an, zuerst über den Glauben zu sprechen, ehe man sich über die Türkenhilfe beraten wollte.218 Damit machten die Reichsstände gleich zu Beginn klar, welches Thema für sie die größte Relevanz besaß. Ohne Zweifel spielten auch gewisse Ermüdungserscheinungen in Bezug auf die seit Jahren ständig hervorgebrachten Forderungen Ferdinands nach einer beständigen finanziellen Hilfe für seinen Kampf gegen die Türken eine Rolle. Um die in der Instruktion gestellten Punkte ordentlich verhandeln zu können, hatte man sich entschlossen, einen Ausschuss zu bilden. Diesem sollten insgesamt 21 Personen angehören, von denen 18 stimmberechtigt waren. Johann gehörte diesem Ausschuss, in dem die Evangelischen deutlich in der Unterzahl waren, persönlich an.219 So konnte er lediglich auf die Stimme der Städte fest rechnen, da im Fürstenrat die Vertreter seiner Glaubensbrüder Hessen und Brandenburg-Ansbach aufgrund der Abwesenheit ihrer Herren keine Berücksichtigung gefunden hatten.220
217 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 558 (Verschiedene Berichte über die Verhandlungen des 16. März 1529). 218 „[…] und aber kff, ff und stende den artikel unsern h. glauben antreffend, als der die sele berurt, zum treffenlichsten und wichtigsten achten und dermaß das, wo derselbig nit einmutig verglichen, das aller ander punkten halber nichts fruchtbarlichs konde oder mocht geratschlacht oder beschlossen werden.“ RTA JR, Bd. 7,1, S. 565, Nr. 1774. 219 Dem Ausschuss gehörten an: die Kurfürsten von Sachsen und Trier persönlich, Mainz, Köln und Pfalz durch je zwei Vertreter, die jedoch jeweils nur eine Stimme hatten. Von der Fürstenbank persönlich: der Erzbischof von Salzburg, der Bischof von Augsburg, Herzog Ludwig von Bayern, Markgraf Philipp von Baden. Vertreter sandten die Städte Würzburg und Konstanz sowie die Herzöge von Bayern und Braunschweig-Wolfenbüttel. Die übrigen Prälaten, Grafen und Städte entsandten ebenfalls Vertreter. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 565f. 220 Philipp von Hessen traf am 18. März in Speyer ein, Georg von Brandenburg-Ansbach erst Ende März/Anfang April.
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Da Ferdinand zunächst nicht bereit war, sich mit der Vorziehung des Religionsartikels einverstanden zu erklären, fand man schließlich den Kompromiss, die Religionsfrage und die Türkenhilfe zusammen zu behandeln und nur über beide gemeinsam Beschluss zu fassen.221 So konnte der Ausschuss noch am 19. März seine Arbeit aufnehmen und sich sofort der Religionsfrage widmen. Während man sich schnell über die Forderung nach einem Generalkonzil oder zumindest nach einer Nationalversammlung einig wurde, gestaltete sich die Frage nach einer Interimsregelung schwieriger. Dies muss auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass man sich für die Einberufung eines Generalkonzils auf eine Frist von drei Jahren verständigt hatte, also einer ebenso langen Zeit, wie nun bereits die Speyerer Verantwortungsformel von 1526 in Kraft war, deren Auslegung durch einzelne Stände nicht nur bei König Ferdinand für Verdruss gesorgt hatte.222 Da für dieses Problem innerhalb einer großen Runde keine Möglichkeit zur Einigung gesehen wurde, bildete man einen vierköpfigen Unterausschuss, dem der Mainzer Kanzler Kaspar von Westhausen, Gregor Brück, der Salzburger Rat Nikolaus Ribisen und der bayerische Rat Leonhard von Eck angehörten.223 Über die anschließend in diesem Unterausschuss geführten Beratungen existieren keine Protokolle, erst bei der Präsentation eines ersten Vorschlags224 vor dem Ausschuss am 22. März sehen wir das Ergebnis der Arbeit. 225 Das von den Verordneten verfolgte Ziel galt offensichtlich nicht der Beibehaltung der Speyerer Klausel, sondern der Abmilderung der in der Proposition geforderten Durchsetzung des Wormser Edikts. Die weitere Ausbreitung der Reformation sollte jedoch in jedem Fall unterbunden werden. Der Ausschuss beriet in mehreren Umfragen den Vorschlag zwei Tage lang durch, wobei sich herauskristallisierte, 221 Vgl. ebd., S. 570–572 (Beratungen der Stände am 19. März 1529). 222 Die evangelischen Fürsten und die Städte waren dagegen mit dem klaren Ziel nach Speyer gekommen, für die Beibehaltung der Speyerer Klausel zu kämpfen. Diese Haltung bekräftigten die Städte nochmals in ihrer Instruktion für ihre beiden Ausschussvertreter Jakob Sturm und Christoph Tetzel. Sie sollten keinesfalls der Aufhebung der Verantwortungsformel von 1526 zustimmen. Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 109 (Instruktion vom 20. März 1529). 223 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 572–574. 224 Der Vorschlag des Unterausschusses ist nicht erhalten. Da den Evangelischen auch der Wunsch, Abschriften davon anfertigen zu können, verwehrt wurde, existieren auch keine Kopien. Vgl. Johannes KÜHN, Die Geschichte des Speirer Reichstags 1529, Leipzig 1929, S. 71. 225 Aus diesem Grund wissen wir nicht, inwieweit es Gregor Brück möglich war, den Standpunkt der Evangelischen zur Geltung zu bringen. Lediglich in dem Bericht des Städtegesandten aus Memmingen, Ehinger, findet sich der Hinweis, dass Brück überstimmt wurde. Da jedoch im Unterausschuss die Städte nicht vertreten waren, kann es sich ebenso gut um seine persönliche Meinung angesichts des ungünstigen Ergebnisses handeln. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 585.
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dass lediglich Kurfürst Johann und die Städtevertreter den Vorschlag grundsätzlich ablehnten. Sowohl das Festhalten am Wormser Edikt als auch die Forderung nach Duldung der Messe und das Verbot der Zwinglischen Lehren war für sie unannehmbar. Johann wurde nicht müde, zu betonen, dass es unter dem Wormser Edikt keinen Frieden geben könne.226 Auch wenn Baden und Kurpfalz sich kompromissbereit zeigten und versuchten, Mittelwege zu finden, konnte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Mehrheit der Ausschussmitglieder bereit war, die Vorlage des Unterausschusses, abgesehen von einigen wenigen Änderungen, anzunehmen und zur Beschlussfassung dem gesamten Reichstag vorzulegen. Am 23. März wurde im Ausschuss schließlich noch darüber beraten, ob dem Kaiser das Recht zustehe, einen von der Reichstagsmehrheit gefassten Beschluss einfach außer Kraft zu setzen, worüber keine Einigkeit erzielt werden konnte. Danach vertagte sich der große Ausschuss wegen des Osterfestes bis zum 29. März.227 Insbesondere die Gesandten der Städte nutzten die Zeit, um sich intensiv mit den heimischen Obrigkeiten auszutauschen, wie man sich angesichts des ungünstigen Votums des Unterausschusses weiter verhalten solle.228 Kursachsen und Hessen beauftragten inzwischen ihre Räte, ein Gutachten über den Vorschlag des großen Ausschusses zur Glaubensfrage zu erstellen. Dieses wurde in einer Sondersitzung der Evangelischen am 1. April vorgestellt.229 Zunächst stellten die Räte klar, dass die zu erwartende Beschlussfassung dahin gehen werde, das Wormser Edikt wieder in Kraft zu setzen. Damit könnten sich die Evangelischen in keinem Fall einverstanden erklären, da dies den Frieden gefährden und 226 Vgl. ebd., S. 586. 227 Zuvor wurde jedoch ein neuer Unterausschuss eingesetzt, der aufgrund alter Reichstagsbeschlüsse Vorschläge zur Gewährung von Türkenhilfe unterbreiten sollte. Der Ausschuss bestand wiederum aus vier Personen, auch diesmal war Gregor Brück für Kursachsen vertreten. Am 29. und 30. März wurde schließlich im großen Ausschuss über die Türkenhilfe beraten. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 595f., 614, 617f. 228 Der Nürnberger Rat hatte bereits nach Verlesung der Reichstagsproposition von seinen Predigern und Juristen ein Gutachten darüber eingefordert, wie man sich verhalten solle, falls auf dem Reichstag die Wiedereinführung des alten Kirchenwesens und der alten Zeremonien gefordert werden sollte. Darin wird geraten, auf keinen Fall Beschlüssen zuzustimmen, die das Evangelium verleugnen. Sollte man damit nicht durchdringen, wird geraten, gegen die Beschlüsse zu protestieren und die Türkenhilfe zu verweigern. Ebenso wird für diesen Fall eine evangelische Gesandtschaft an den Kaiser vorgeschlagen, um dieses Handeln vor ihm zu rechtfertigen. Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 110. Mit der Anweisung, die Gutachten unter den Evangelischen bekannt zu machen, wurden diese am 24. März nach Speyer gesandt. 229 Daran nahmen neben kursächsischen und hessischen Räten teil: Gesandte des Herzogs von Jülich und des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, der lüneburgische Kanzler Forster sowie die Städtevertreter von Straßburg, Augsburg, Nürnberg und Ulm. Vgl. KÜHN, Die Geschichte des Speirer Reichstags, S. 86.
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zu noch größerem Aufruhr führen würde, als man es bereits im Bauernkrieg gesehen hatte. Punkt für Punkt gingen die Räte den Entwurf durch und setzten auseinander, weshalb die Vorschläge als nicht akzeptabel abgetan werden müssten.230 Endlich lief das Gutachten darauf hinaus, dass man sich darin einig war, dass es überhaupt unmöglich sei, den einst einhellig in Speyer 1526 bewilligten Abschied einfach per Mehrheitsentscheid wieder abzuschaffen, da es sich hierbei um Gewissensdinge handele, denen man vor Gott verantwortlich sei. Diese könnten nur einstimmig entschieden werden und nicht per Mehrheit. Sollte es nach diesen Einwänden aber dazu kommen, dass sich die Gegner auf die Propositon des Kaisers berufen, so sei darauf folgendermaßen zu antworten: Die Proposition lasse sowieso keinen Spielraum für die Beratungen der Stände und stehe deshalb im Gegensatz zum Reichstagssausschreiben, in welchem Verhandlungen zur Erhaltung des Friedens und der Einigkeit im Reich bis zur Einberufung eines Konzils gefordert werden. Aus diesem Grund hege man Zweifel daran, dass der zweite Artikel der Proposition wirklich der Ansicht des Kaisers entspreche. Bestehe nun die Reichstagsmehrheit darauf, müsse man den Kaiser informieren. Sollte keines der Argumente zum Erfolg führen, bliebe den Evangelischen keine Wahl, als eine gemeinsame Protestation zu überreichen, in welcher mit den im Gutachten genannten Gründen gerechtfertigt werde, weshalb man beim Speyerer Abschied von 1526 bleiben werde. Damit war der Fahrplan der Evangelischen für den Gang der weiteren Verhandlungen beschlossen,231 auch wenn nicht alle von vornherein mit einem solch scharfen Vorgehen einverstanden waren.232 Für die Evangelischen war es nun wichtiger denn je, fest zusammenzustehen und in jedem Fall zu verhindern, dass sie durch Uneinigkeit isoliert und damit zu leichten Opfern der Gegner wurden. So war es vor allem Landgraf Philipp, der hoffte, durch erneute Religionsgespräche endlich eine Einigung zwischen Lutheranern und Zwinglianern im Abendmahlsstreit herbeiführen zu können. Auch in der Umgebung Johanns und bei ihm selbst scheint in dieser Zeit klar gewesen zu sein, wie enorm wichtig die innere Einheit der Evangelischen ist. Mit dieser Ansicht konnte man aber nicht zu den kursächsischen Theologen durchdringen. Bereits in Speyer begann Melanchthon den Plan, sich mit den Zwinglianern zu vereinigen, zu vereiteln. Am 3. April schließlich trat seit Bildung des großen Ausschusses das erste Mal wieder der gesamte Reichstag zusammen. Der Ausschuss stellte den versammel230 Das Gutachten vgl. ebd., Nr. 118. 231 Im Prinzip beinhaltete das Nürnberger Gutachten vom März 1529 die gleichen Vorschläge, das der sächsisch-hessische Räte war allerdings stärker auf die gegenwärtige Reichstagssituation zugeschnitten. 232 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 631.
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ten Ständen die Ergebnisse seiner Arbeit vor, sowohl in der Frage der Religion als auch in Bezug auf die Türkenhilfe und Unterhaltung der Reichsbehörden. Ohne große Diskussionen beschloss man, die Ergebnisse am nächsten Tag den Schreibern der Stände zu diktieren, sodass am 5. April innerhalb der einzelne Kurien darüber beraten werden konnte, ehe man am 6. April erneut im Gesamten zusammentreffen wollte. Zuvor fertigten die kursächsischen und hessischen Räte am 5. April ein Gutachten an, in dem die Strategie für die Beratungen am nächsten Tag festgelegt wurde. Offensichtlich hatte die prinzipielle Einigkeit der Evangelischen über das weitere Vorgehen in der Religionsfrage einen gewissen Optimismus befördert. Während das am 1. April beratende Gutachten letztendlich ein Worst-CaseSzenario durchspielte, spiegelt dieses nun die Hoffnung wider, in großer Runde doch noch zu erreichen, was ihnen im Ausschuss verwehrt blieb. So glaubte man, durch schlüssige Argumentation und Verweigerung der Türkenhilfe die anderen soweit unter Druck setzen zu können, dass diese von sich aus einlenken würden.233 So gestärkt ließ Johann am 6. April im Kurfürstenrat die kursächsische Ansicht ausführlich darstellen und gab überdies zu bedenken, dass sein Bruder, Kurfürst Friedrich, das Wormser Edikt nie bewilligt, sondern mehrmals dagegen protestiert habe. Auch das im Ausschussentwurf den Evangelischen gewährte Schlupfloch, das Wormser Edikt nur in Anwendung bringen zu müssen, wenn dies ohne Gefährdung von Ruhe und Ordnung möglich sei, stellte für Kursachsen kein Entgegenkommen dar. Schließlich pflegte man die neue Lehre aus Gewissensgründen und duldete sie nicht nur, um Aufruhr zu vermeiden.234 Dementsprechend verweigerte Johann die Zustimmung zum Glaubensartikel des Ausschussgutachtens, im Fürstenrat taten es ihm Hessen, Anhalt, die Gesandten von Lüneburg, Markgraf Georg, Friedrich Trott für den Bischof von Osnabrück und Paderborn sowie Graf Georg von Wertheim gleich.235 Nach stundenlangen Diskussionen einigte man sich schließlich am nächsten Tag darauf, das Gutachten an den Ausschuss zurückzuverweisen und zu versuchen, durch Modifikationen, die jedoch die Grundtendenz des Ganzen nicht verändern sollten, doch noch ein 233 „Dan die rete achten es dorvor, dweil ein mirglicher abgang an der eilenden hilf und unterhaltunge etc. bescheen wird, wo dißer teil sich dorvon aussundern solt, so werden sie sunder zweifel von dem begriff abstehen, da sie sunst desta vester dorob halten oder alle anzeige und beschwerunge stilschweigende ubergehen wurden, sie im ausschos bereit ane auch wole erfunden, als solt das mehrer dorin zu schließen haben. Und dordurch wird man den andern teil dohin treiben konnen, das sie die vorgemelten beschwerungen werden mussen zu gemut fassen und dissem teil selbst anbietung tun, wie doch dem irsten artikel solt maß zu finden sein etc.“ RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 119. 234 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 660f. 235 Vgl. ebd., S. 661–663. Zur Rede des lüneburgischen Kanzlers Forster im Fürstenrat vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 121.
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einhelliges Votum zu erzielen. 236 Obwohl also klar war, dass die Reichstagsmehrheit sich mit den Vorschlägen des Ausschusses in der Glaubensfrage zufrieden zeigte, war die Bereitschaft, einen, wenn auch eingeschränkten, Kompromiss zu finden, noch nicht völlig erloschen. Schenkt man den überlieferten Berichten Glauben, dann geschah dies in erster Linie als Entgegenkommen an Kurfürst Johann. 237 Für die Evangelischen, die in der Reichsversammlung an ihrer Forderung nach Beibehaltung des Speyerer Abschieds von 1526 festgehalten hatten, war an dieser Stelle klar, dass sie ihre Anliegen nicht würden durchsetzen können, weshalb sie bereits in die Rücküberweisung der Vorschläge in den Ausschuss nicht einwilligten. Folgerichtig begann man auch zu sondieren, welche Stände bereit wären, sich im Fall des Falles zu einer Protestation und Appellation zu vereinigen. Hier lag die Initiative klar bei Landgraf Philipp, der jedoch im Einvernehmen mit Kursachsen handelte.238 Gleichwohl war Johann selbst Mitglied im Ausschuss und hatte damit Gelegenheit, in die Dinge einzugreifen. Die Beratungen erfolgten am 8. und 9. April. Da sich die Quellenlage für die Ausschusssitzungen sehr schwierig gestaltet, hat Johannes Kühn, der Bearbeiter der Akten des Speyerer Reichstages 1529, versucht, anhand von Pfälzer Hofratsprotokollen, die teilweise uneindeutig oder zweideutig datiert sind, die Verhandlungen nachzuvollziehen. 239 Bei allen Schwierigkeiten steht aber fest, dass Kursachsen und die Städte mit ihrer Forderung nach Festhalten am Speyerer Abschied zwar isoliert waren, die Kurpfalz jedoch eine vermittelnde Position einnahm. Das Problem innerhalb des Ausschusses bestand allerdings nicht nur darin, dass diejenigen, die eine Revision des Glaubensartikels anstrebten, in der Minderheit waren, sondern auch aus unterschiedlichen Motivationen heraus handelten. Während Kurfürst Johann mit aller Kraft dagegen kämpfte, das Wormser Edikt und die katholische Messe in seinen Landen anerkennen zu müssen, was zwangsläufig bedeutet hätte, die eigene Lehre zu verurteilen, richteten sich die Pfälzer Vorschläge in erster Linie gegen die Möglichkeiten des selbstherrlichen Eingreifens des Kaisers in landesherrliche Angelegenheiten, die der Ausschussentwurf ermöglicht hätte. Ebenso wollte man die Einflussmöglichkeiten der Geistlichen, insbesondere in der Jurisdiktion, be236 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 667f. 237 „Damit aber ein einhelliger gleicher beschluß in allen sachen bescheen mocht, und ir kfl. und f.g. des nit fuglich oder annemlich wege haben finden oder erdenken mugen, haben ir kfl. und f.g. dem kurfursten von Sachsen zugeben und bewilliget, dem handel milterung und weg (doch der substanz ihres ratschlags unabbruchlich) zu gedenken und solichs den stenden furzuhalten.“ Ebd., S. 668. 238 Am 8. April schrieben die Ulmer Städtegesandten Besserer und Schleicher nach Hause, dass Landgraf Philipp nach ihnen hatte schicken lassen, um ein Zusammengehen der Fürsten mit den Städten, die ebenfalls beim Speyerer Abschied bleiben wollten, zu sondieren. Vgl. ebd., S. 683f. 239 Vgl. für das folgende: KÜHN, Die Geschichte des Speirer Reichstags, S. 140–148.
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schränkt wissen. Dass sich aus dieser Haltung auch Vorteile für die evangelische Position ergaben, bleibt unbestritten. Nachdem am 8. April die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen werden mussten, legten sowohl Kursachsen als auch Kurpfalz für den nächsten Tag ihre Änderungswünsche genauestens formuliert vor. Während der kursächsische Vorschlag, der von Johann persönlich übergeben wurde, kurz und knapp ausfiel und sich im Wesentlichen an die Speyerer Formel von 1526 anlehnte,240 waren die Pfälzer Eingaben umfangreicher und detaillierter. Aufgrund der Quellenlage bleibt unklar, ob die Vorschläge im Ausschuss überhaupt diskutiert oder lediglich „spotlich verlacht“ wurden.241 Bis auf kleinere Abänderungen und Entschärfungen, die in erster Linie von den Pfälzern angeregt worden waren, zeigte sich die katholische Mehrheit des Ausschusses nicht bereit, den Entwurf umzuarbeiten. Als dieser in seiner neuen Fassung am 10. April vor der Reichsversammlung verlesen wurde, war man sich darüber einig, dass es sich um marginale Änderungen handelte. 242 Dementsprechend meldete sich Kursachsen sofort zu Wort und erklärte, man könne dem Ausschussbedenken in der Glaubensfrage hier genauso wenig wie im Ausschuss zustimmen.243 Wiederum vertagte sich der Reichstag auf den übernächsten Tag, um den Ständen die Möglichkeit zur Abschrift und Beratung der Änderungen zu lassen. 244 Ohne Zweifel nutzten die Evangelischen den 11. April, um zusammenzukommen und 240 Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 124. Der kursächsische Vorschlag gestand jedoch zu, „das diejenigen, so bisanher bei den hergebrachten kirchenordenungen und breuchen plieben, nun hinfuran bei denselbign bis zu dem kunftigen concilio vorharren und ire undertanen auch dazu halten mugen“. Diese Formel schloss jedoch eine wichtige Forderung Kursachsens ein: Die bisher katholischen Stände mögen, also können, beim alten Glauben bleiben, sie müssen es aber nicht. Bei einer Verpflichtung auf das Wormer Edikt wäre dies unumgänglich gewesen. 241 Nach einem Bericht des Konstanzer Städtegesandten, der jedoch nicht im Ausschuss zugegen war. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 685. 242 Vgl. ebd., S. 690f. KÜHN fasst die wesentlichen Änderungen folgendermaßen zusammen: „In kaum einem der den Evangelischen wesentlichen Punkte war man ihnen entgegengekommen. Einige neue Formeln, die die landesherrlichen Grenzen fester zogen und das Hinübergreifen geistlicher Ansprüche in andere Territorien erschwerten, kamen auch ihnen zugute. Im übrigen blieb bestehen, dass das Wormser Edikt die Grundregel war, dass auch die vorläufig davon befreiten Evangelischen die Messe dulden sollten. In politischer Beziehung war der kaiserliche Befehl in die Form einer Ständeabmachung übergeführt, andererseits die weltlichen Fürsten den Weisungen des Kammergerichts in einem Grade unterstellt, der ihren Gewohnheiten und Anschauungen zuwiderlief.“ Vgl. KÜHN, Die Geschichte des Speirer Reichstags, S. 147f. 243 Bereits im Ausschuss hatten am 9.April Kursachsen und die Städte dagegen gestimmt. Vgl. Hans VIRCK (Hg.), Politische Correspondenz der Stadt Strassburg im Zeitalter der Reformation, Bd. 1, 1517–1530, Straßburg 1882, S. 334 (Jacob Sturm und Mathis Pfarrer an den Straßburger Rat, 9. April 1529). 244 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 691. Um welchen kursächsischen Rat, der im Auftrag und Beisein Johanns Einspruch erhob, es sich dabei handelte, kann nur spekuliert werden. Wahrscheinlich ist jedoch, dass es Gregor Brück war.
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über das Vorgehen am nächsten Tag zu beraten. Dabei kam man zu dem Ergebnis, dass es unumgänglich sei, nochmals in aller Klarheit der Reichsversammlung den eigenen Standpunkt darzulegen. Dazu erarbeiteten die kursächsischen Räte eine Eingabe an den Reichstag,245 die am 12. April von Gregor Brück vorgetragen wurde, nachdem sowohl die Kurfürsten als auch die Fürsten die Änderungen des Ausschusses gebilligt hatten. Die Eingabe trug die Unterschriften Kurfürst Johanns, Markgraf Georgs von Brandenburg, Landgraf Philipps von Hessen, Fürst Wolfgangs von Anhalt sowie des lüneburgischen Kanzlers Johann Forster. Die Ausführungen enthielten nichts Neues, es wurde lediglich mit großem Ernst, sehr ausführlich und peinlich genau die Form wahrend, erneut dargestellt, dass man sich in Dingen, die Gottes Ehre und das Seelenheil betreffen, keinem Mehrheitsbeschluss beugen könne. Mögliche Konsequenzen, die ein Scheitern weiterer Ausgleichsverhandlungen mit sich brächten, wurden nicht angesprochen, im Gegenteil, man betonte, in allen anderen Dingen guten Willens zur Zusammenarbeit zu sein. Als Basis für weitere Gespräche ließ Johann nochmals seinen Änderungsvorschlag für den Religionsartikel verlesen. Damit drang man jedoch nicht durch, ohne weitere Diskussionen delegierte der Reichstag die Entscheidung darüber, was weiterhin geschehen solle, an den Ausschuss.246 Dieser beriet sich am Nachmittag des 12. April und kam zu dem Schluss, dass weitere Diskussionen überflüssig wären, da keine Seite weitere Argumente geliefert hätte. Deshalb könne man dem König sowohl das von der Ständemehrheit gebilligte Ausschussgutachten als auch den evangelischen Änderungsvorschlag zur Beschlussfassung übergeben. Diese Entscheidung teilte man den Evangelischen, verbunden mit der ausdrücklichen Bitte, die Übergabe der Änderungsvorschläge zu bewilligen, mit. Darauf antwortete Hans von Minkwitz im Namen aller Evangelischen, dass man eigentlich gehofft hatte, dass der Änderungsvorschlag nochmals diskutiert werde, man aber darin einwillige, diesen nun König Ferdinand und den kaiserlichen Kommissaren zu übergeben. Erstmals ließen die Fürsten hier auch öffentlich die Möglichkeit einer Protestation durchscheinen, wenn es zu keiner Einigung käme. „Solt aber das nit bescheen und die weg gesucht werden, das iren gewissen zu entgegen, so wurden sie geursacht, ir weiter notturft gemeinen stenden anzuzeigen.“247 Ohne Zweifel, an diesem Punkt war klar, dass es keine Aussicht mehr auf eine gütliche Einigung gab. Die Städtevertreter schrieben offen an ihre Räte, dass es 245 Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 127. Offenbar war auch von lüneburgischer und markgräflich-brandenburgischer Seite eine Eingabe erarbeitet worden, die jedoch wesentlich emotionaler und religiös intendierter war. Dieser zog man dem nüchternen und sehr formalen Entwurf Kursachsens vor. Vgl. KÜHN, Die Geschichte des Speirer Reichstags, S. 151f. 246 RTA JR, Bd. 7,1, S. 708f. 247 Ebd., S. 723.
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wohl zur Protestation kommen werde und es für diesen Fall das Beste wäre, wenn sich die protestierenden Stände zu ihrem eigenen Schutz zu einem Bündnis zusammenschließen würden.248 Auch aus Johanns Schreiben an seinen Sohn Johann Friedrich vom 13. April spricht die Ernüchterung über den Ausgang der Verhandlungen und die heftig auf ihrer Meinung verharrenden Pfaffen. Zwar hoffe er, „die pfaffen werden sich eyns andern bedencken, so aber nicht, seyn wyr alle auff diessem teil bedacht, noch eynne anczeigonng mit eynner protestacion dorwider zcu thuen“.249 Dass es zu nichts Anderem mehr kommen würde, außer zur Protestation, zeigt wohl der Schluss des Briefes am deutlichsten, wenn Johann meint, er würde Johann Friedrich dann alles Weitere zu Hause erzählen. Er rechnete also nicht mehr mit weiteren Verhandlungen, sondern mit einem schnellen Ende. Dies zeigt auch der Umstand, dass man sich bereits auf die Protestation vorzubereiten begann. Am 13. April fertigte Gregor Brück den Entwurf für eine solche an. Dieser Entwurf wurde später korrigiert und umgearbeitet als erste Protestation übergeben. Auffällig ist vor allem der Punkt, der offenbar unter den Evangelischen noch umstritten war. Sollte man den gesamten Reichstagsabschied ablehnen, also auch Türkensteuer und die Unterhaltung der Reichsbehörden verweigern, oder lediglich gegen den Religionsartikel protestieren? Zunächst ging Brück wohl davon aus, dass man den gesamten Abschied zurückweisen werde, in der Endfassung setzte sich schließlich die vorsichtige Haltung Johanns und Markgraf Georgs durch und ließ den Punkt ganz unerwähnt. Nachdem sich die Stände schließlich am 17. April, entsprechend den Entwürfen des großen Ausschusses, darauf geeinigt hatten, König Ferdinand in seinen Forderungen zur Türkenhilfe nicht entgegenzukommen, 250 beschloss dieser, den Reichstag nun so schnell wie möglich zu beenden. Deshalb ließ er am 19. April die Stände und Städte sowie die kaiserlichen Kommissare auf dem 248 So beispielsweise Jakob Sturm am 12. April nach Straßburg. Er bat um Instruktion, wie er sich auf das Antragen Landgraf Philipps verhalten solle, sich bereits in Speyer zu einem Verteidigungsbündnis mit Hessen, Sachsen, Brandenburg-Ansbach sowie den verwandten Reichsstädten zu verabreden. Vgl. ebd., S. 716f. 249 Ebd., S. 732. 250 Nachdem die Stände am 16. April eine Abordnung zu Ferdinand gesandt hatten, um ihn zu befragen, wie er die Türkenhilfe zu verwenden zu gedenke und welche Rüstungen er selbst einbringen wolle, wurde schnell klar, dass Ferdinand nicht an eine von den Reichsständen verwaltete eilende Hilfe dachte, die im Falle eines Angriffs der Türken zum Zuge kommen sollte, sondern Truppen erwartete, die ihm dabei behilflich sein sollten, bereits durch die Türken eingenommene Gebiete zurückzuerobern. Dies schloss über kurz oder lang eine permanente finanzielle Unterstützung ein. Die Stände waren jedoch weder zur Unterstützung der Offensivpläne noch zu länger währenden Hilfszahlungen bereit. Vgl. KÜHN, Die Geschichte des Speirer Reichstags, S. 168–172. Vgl. auch RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 135. Die offizielle Antwort des Reichstages auf die Forderungen Ferdinands.
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Rathaus zusammenkommen, um, wie erwartet, die von der Mehrheit des Reichstags beschlossenen Punkte zu bestätigen. Die Einwände Kursachsens und der anderen evangelischen Stände ließ man auf sich beruhen. Darauf waren die Evangelischen gefasst gewesen. Nun sollte ihre vorbereitete Protestation zum Zuge kommen. Doch noch ehe man sich zu einer Vorgehensweise entschließen konnte, verließen der König und die kaiserlichen Kommissare bereits wieder das Rathaus. Graf Albrecht von Mansfeld und Johann Forster, die geschickt wurden, um deren Weggang zu verhindern, wurden abgewiesen. So blieb nichts, als ausschließlich den Ständen gegenüber zu protestieren.251 Gut möglich, dass Johann danach selbst noch das Wort ergriff und sich an die versammelten Stände wandte, um darzulegen, dass es für ihn keine andere Möglichkeit gebe, als sich mit einer Protestation gegen die für die Evangelischen ungünstigen Beschlüsse zu wehren. Die Ankündigung, dies öffentlich und in Druckform zu tun, wurde von der Mehrheit als Drohung empfunden.252 Auch weitere Verhandlungen wurden als unnötig erklärt und die baldige Abreise angekündigt. Gut möglich, dass Ferdinand bereits bei der Ankündigung einer möglichen Protestation am 12. April alarmiert war, denn damit beschritt Johann einen Weg, den sein Bruder Friedrich bereits auf dem Nürnberger Reichstag 1524 zu gehen versucht hatte.253 Diesmal war der Druck, allein durch die persönliche Anwesenheit Johanns und die Tatsache, dass Kursachsen sich nicht mehr allein gegen die Mehrheitsbeschlüsse stellte, wesentlich höher. Entsprechend rasch fiel die Reaktion Ferdinands aus. Noch am selben Nachmittag legten er und die kaiserlichen Kommissare den Ständen eine Stellungnahme zur Protestation der evangelischen Fürsten vor. Darin wurde die Protestation rundweg abgelehnt und auch die Argumente, weshalb sich die Evangelischen an den Speyerer Abschied von 1526 gebunden sahen, als nicht schlüssig abgetan. Sie endete mit der Aufforderung, sich zu besinnen und den Reichstagsbeschlüssen anzuschließen.254 Johann und die ihm glaubensverwandten Fürsten scheinen davon keine Kenntnis gehabt 251 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 776–778. 252 Vgl. ebd., S. 778f. Allerdings erwähnt lediglich das Protokoll des Kurmainzer Rats Valentin von Tetleben und ein Bericht der Kölner Gesandten an ihre Heimatstadt die Rede Johanns nach der Verlesung der Protestation. Deshalb kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es diese wirklich gegeben hat. 253 Vgl. RTA JR, Bd. 4, Nr. 261. Damals hatte der kursächsische Gesandte Philipp von Feilitzsch im Namen Friedrichs des Weisen, der bereits abgereist war, gegen den Reichstagsabschied und die Revision der Entscheidungen des 2. Nürnberger Reichstages von 1523 protestiert. Insofern war nun sechs Jahre später eine parallele Situation entstanden. Auch 1524 hatte man sich mit der Forderung, die Protestation in den Abschied aufzunehmen, nicht durchsetzen können. 254 Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 140.
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zu haben. Auch sie nutzten den Nachmittag, um sich zu beraten. Die Weigerung des Königs und der kaiserlichen Kommissare, der Verlesung der Protestation beizuwohnen, war eine Überraschung gewesen, die es erforderlich machte, Ferdinand auf anderem Wege den eigenen Standpunkt darzulegen. Im Prinzip blieb jedoch nur die Möglichkeit, ihm ein schriftliches Exemplar der Protestation zu überreichen. Deshalb ersuchte man ihn um eine Audienz am nächsten Morgen, die auch gewährt wurde. Diesen Termin konnte man jedoch nicht halten, denn bei den Beratungen des Vortages war man offenbar zu dem Schluss gekommen, nicht die von Gregor Brück erarbeitete Protestation, die man verlesen hatte, zu übergeben, sondern den sehr viel ausführlicheren und stärker theologisch betonten Entwurf des markgräflichen Kanzlers Georg Vogler.255 Wie genau es zu diesem Umschwung kam, lässt sich quellenmäßig nicht fassen, aber offenbar konnte sich nun die markgräflich-brandenburgische Position durchsetzen, die zuvor nicht zum Zuge gekommen war. Allerdings bedurfte der Entwurf noch zahlreicher Umarbeiten und Änderungen, teilweise wurden Abschnitte aus der Brückschen Protestation hineingearbeitet. Unter diesen Umständen war es unmöglich, dem König am Morgen des 20. April ein fertiges Exemplar zu überreichen. Deshalb bat man um Aufschub der Frist. Ferdinand gewährte diese, allerdings mit der Erwartung, dass am Nachmittag die Fürsten selbst zu einem Gespräch bei ihm erscheinen würden. Als dann nur die Räte der Fürsten erschienen, um die „erweiterte“ Protestation zu übergeben, verweigerte der König die Annahme und sandte sie den Fürsten durch seine Diener zurück. Ferdinand wollte sich lediglich noch zu persönlichen Gesprächen mit den Fürsten bereit zeigen, den Austausch von schriftlichen Stellungnahmen sah er als sinnlos an.256 Während der König die Konfrontation also nicht scheute, war es der Mehrheit der Stände offenbar unangenehm, den Reichstag mit einem offenen Dissens zu beenden. Deshalb entschloss sich diese zu einem erneuten Vermittlungsversuch. Am Nachmittag des 20. April trafen Markgraf Philipp von Baden und Herzog Heinrich von Wolfenbüttel in der Herberge Johanns ein, um ein letztes Mal zu versuchen, eine Einigung mit den Protestierenden herzustellen. Dazu legten die beiden Fürsten weitreichende Vorschläge vor, die dem bisher ausgehandelten Entwurf für einen Abschied in der Religionssache faktisch zuwiderliefen. Im Wesentlichen hätten die Evangelischen damit ihren Standpunkt wahren kön-
255 Ebd., Nr. 143. 256 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 789. Die evangelischen Fürsten lehnten ein persönliches Zusammentreffen mit dem König wiederum ab, weil dieser tags zuvor eine Schrift „fast in gestalt einer angemasten weisung“ hatte verlesen und übergeben lassen. Die Bitte der Fürsten, ihre Beschwerden zu hören, hatte er dagegen abgelehnt und war fortgegangen. So stellte der lüneburgische Kanzler Johann Forster die Ereignisse in einem Brief gegenüber Bugenhagen am 3. Mai 1529 dar.
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nen.257 Das einzig Schwerwiegende, das man ihnen auferlegte, wäre die Verurteilung der zwinglischen Abendmahlslehre gewesen. Doch damit lief man bei den kursächsischen Ratgebern Philipp Melanchthon und Gregor Brück offene Türen ein. Vor allem Melanchthon machte keinen Hehl daraus, was er von den Zwinglianern hielt. Unter diesen Umständen wird es nicht schwierig gewesen sein, auch Johann zur Annahme der Kompromissvorschläge und damit zur Möglichkeit eines einheitlichen Reichstagsabschieds zu bewegen. Zumal er sich der Unterstützung des Markgrafen und auch der Städte, die nicht der zwinglischen Lehre zuneigten, sicher sein konnte. Trotzdem wollte man nicht entscheiden, ohne zuvor mit ihnen gesprochen zu haben. Zwar baten diese, wie den ganzen Reichstag über, geschlossen beim Abschied von 1526 zu bleiben, doch größeren Widerstand leisteten sie nicht. Diese Zurückhaltung lässt sich wohl einerseits damit erklären, dass vor allem Straßburg der Meinung war, dass ihre Abendmahlslehre keineswegs abweichend wäre, und andererseits damit, dass die Städte an keiner Spaltung der Evangelischen interessiert sein konnten, die sie in eine gefährliche Isolation getrieben hätte. 258 So übergab man am Morgen des 21. April die durch sächsische Hand leicht veränderten Vermittlungsvorschläge zur Beratung an die Stände.259 Sicher hätte hier die große Stunde der Stände schlagen können, indem man sich durch Annahme des Vorschlags offen gegen den Willen des kaiserlichen Statthalters durchgesetzt hätte, um damit geschlossen den Reichstag zu beenden. Doch wäre dies die Absicht der Mehrheit gewesen, hätte man einen solchen Abschied bereits zu einem früheren Zeitpunkt erzielen können. Gewiss gab es Stände, die sich, sozusagen in allerletzter Sekunde, zu einem Einlenken bereit erklärt hätten, für die Mehrheit galt dies jedoch nicht. Leider wissen wir nicht, welche Prämissen Markgraf Philipp von Baden und Herzog Heinrich von Wolfenbüttel im Vorfeld für die Vermittlung gestellt worden waren, vielleicht hatten einige gehofft, dass ein gewisser Druck, gutes Zureden und kleinere Zugeständnisse ausreichen würden, um die Evangelischen zur Anerkennung des Mehrheitsvotums zu überreden. Es ist jedenfalls höchst unwahrscheinlich, dass die beiden Vermittler mit solch umfangreichen Konzes257 In dem Vermittlungsvorschlag bekannte man sich zum Speyerer Abschied von 1526, regte jedoch einige „meßigung und deklaration“ an, da es zu Missverständnissen gekommen sei, die seither einige neue Lehren und Sekten nach sich gezogen hätten. So sollte jeder Stand bis zu einem Konzil bei seinem bisherigen Glauben bleiben können, alle weiteren Neuerungen in der Religion sollten jedoch ausgeschlossen sein. Zu diesen Einschränkungen hatte sich Johann bereits früher bereit gezeigt. 258 Aus diesen Gründen rieten die Reichstagsgesandten Straßburgs ihren Herren auch zur Annahme der Vermittlung, nicht ohne den Hinweis, dass sie glauben, dass damit auch unnötige Diskussionen vermieden werden könnten. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 804. 259 Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 147.
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sionen ins Rennen geschickt wurden. Entsprechend fielen die Reaktionen aus. Sowohl Ferdinand und die kaiserlichen Oratoren, denen der Vermittlungsvorschlag zuerst vorgestellt wurde, als auch die Stände lehnten ihn ab. Bei all diesen Beratungen, die sich offenbar am Vormittag des 22. April lange hinzogen, war keiner der evangelischen Stände zugegen. Wie wenig man sich insbesondere vonseiten Ferdinands versprach, zeigt allein die Tatsache, dass vor allem Johann immer wieder das Ersuchen des Statthalters nach einem persönlichen Treffen ablehnte.260 Dies sorgte bei ihm für eine erhebliche Verstimmung, trotz deren die Stände darauf drangen, er möge sich dafür einsetzen, dass wenigstens die Veröffentlichung der Protestation verhindert und bis zu einem Konzil ein allgemeiner Frieden vereinbart würde. Daraufhin wurde beschlossen, eine Delegation in die Herberge Johanns mit dem Angebot zu schicken, den Widerspruch der Protestierenden zum Reichstagsabschied dadurch zu dokumentieren, dass man ihre Namen wegließ und diese im Gegenzug auf die Veröffentlichung der Protestation verzichteten.261 Da sich die Evangelischen gerade für die Abreise aus Speyer vorbereiteten, antworteten sie nicht sofort, sondern erst in einem Schreiben am nächsten Tag. Darin wiesen sie den Anspruch der Mehrheit auf die Unterordnung der Minderheit erneut zurück und stellten klar, dass die Protestation ein anerkanntes Rechtsmittel sei, dessen Ausschluss aus dem Abschied nur die Veröffentlichung nach sich ziehen könne. Den angebotenen Frieden nahmen sie jedoch gern an. Am 25. April verließ die Mehrzahl der Fürsten und Stände Speyer, nachdem die Evangelischen sich zu einer Appellation an den Kaiser entschlossen hatten. Mit diesem Rechtsmittel wollten sie sich, nachdem sie mit der Protestation die Gültigkeit der Mehrheitsbeschlüsse für ihre Person und ihre Lande bestritten hatten, davor schützen, dass diese vollstreckt wurden, ehe der Kaiser darüber entschieden hatte. Trotz intensiver Verhandlungen hatten die Evangelischen in Speyer keines ihrer Ziele erreichen können. Auch wenn wohl niemand ernsthaft damit gerechnet hatte, dass in der Religionsfrage eine Einigung zwischen den Ständen erzielt hätte werden können, so hatte man doch zumindest darauf gesetzt, die Beibehaltung der Beschlüsse von Speyer 1526 durchsetzen zu können. Da schlussendlich selbst die Aufnahme der Protestation in den Reichstagsabschied 260 Dieses Verhalten begründete man in einem Schreiben an den König vom 23. April damit, dass man sich nicht vorstellen könne, was ein persönliches Gespräch gebracht hätte, nachdem Ferdinand es nicht nur abgelehnt hatte, der Verlesung der Protestation beizuwohnen, sondern auch die Annahme der schriftlichen Fassung verweigerte. So hätte der Kaiser die Fürsten auf einem Reichstag niemals behandelt. Zum anderen hätten weitere Verhandlungen sowieso wenig Sinn, jetzt wo die Mehrheit den Vermittlungsvorschlag nicht gebilligt hätte. Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 157. 261 Vgl. ebd., Nr. 151.
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verwehrt wurde, war die Aufnahme von Bündnisverhandlungen zum eigenen Schutz die logische Konsequenz für die evangelischen Stände. Für Kurfürst Johann stellte lediglich die Friedenszusage der Reichstagsmehrheit gegenüber den protestierenden Ständen eine gewisse Milderung des negativen Reichstagsabschieds dar,262 da damit die unmittelbare Gefahr eines Angriffs auf die Protestanten zunächst gebannt war. Nun setzte der Kurfürst all seine Hoffnungen in die Entscheidung des Kaisers.
5.2.3. Der Reichstag zu Augsburg 1530 Nach den Rückschlägen der letzten Jahre ließ sich der Augsburger Reichstag hoffnungsvoll an. Nach mehr als neun Jahren Abwesenheit beabsichtigte der Kaiser, ins Reich zurückzukehren, kurz nachdem er sich am 24. Februar 1530 in Bologna zum Kaiser hatte krönen lassen. Per Ausschreiben vom 21. Januar 1530 forderte er die deutschen Stände in sehr freundlich gehaltenen Worten auf, sich bis zum 8. April zu einem Reichstag nach Augsburg einzufinden. Sofort nach dem Eingang des kaiserlichen Ausschreibens, das in der Religionsfrage das Ziel der Wiederherstellung der christlichen Einheit proklamierte und dafür anbot, dass jede Seite ihre Auffassungen über Glauben und Missbräuche vor dem Kaiser zu Gehör bringen könne,263 beauftragte Kurfürst Johann seine Räte, ein Gutachten zum Besuch des Reichstages auszuarbeiten. Darin legte man sich nicht nur dahingehend fest, dass eine persönliche Teilnahme des Kurfürsten unumgänglich sei, sondern auch, wer ihn begleiten sollte. Denn die Reichsversammlung in Anwesenheit des Kaisers bot Johann nicht nur die Möglichkeit, den Empfang der noch immer ausstehenden Belehnung voranzutreiben, sondern man betrachtete diese Zusammenkunft auch als eine Art Ersatz für ein Konzil bzw. eine Nationalversammlung. 264 Deshalb veranlasste Johann umfassende Vorbereitungen, insbesondere der Darstellung des Glaubens maß er natürlich größte Bedeutung bei. Zudem regte der erfahrene Kanzler Gregor Brück an, die kursächsischen Auffassungen schriftlich auszuarbeiten, da er es als sehr unwahrscheinlich ansah, dass den mitreisenden Theologen gestattet werde, dem Kaiser die Glaubensartikel
262 RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 164. 263 Das Ausschreiben im Druck in: UBGRA, Bd. 1, Nr. 1. Kurfürst Johann erhielt sein Exemplar des Ausschreibens, das wie alle anderen auch, von Speyer aus an die deutschen Stände versandt worden war, am 11. März 1530. 264 Vgl. ebd., Nr. 3. So lautete die Empfehlung zur Teilnahme „Item dieweil dauon gehandelt vnnd beschlossen sol werden, so den glauben belangend, weil dieser reichstag an stat ains concilij stat oder Nacional haben wirdet.“
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vorzutragen.265 Johann folgte diesem Ratschlag und beauftragte die Wittenberger Theologen Luther, Jonas, Bugenhagen und Melanchthon damit, ihm klare Handreichungen zu geben, wie es sich mit den zwiespältigen Artikeln des Glaubens sowie den äußerlichen Kirchenbräuchen und Zeremonien verhielt und welchen Verhandlungsspielraum er und die Glaubensverwandten diesbezüglich in Augsburg hätten.266 Mit den sogenannten Torgauer Artikeln, welche die Theologen daraufhin erarbeiteten, stellten sie die Weichen für die kursächsische Verständigungspolitik in Augsburg. Denn statt die zwiespältigen Artikel des Glaubens zu thematisieren, beschränkte man sich darauf, lediglich die strittigen Zeremonien zu behandeln. Dies hatte den Vorteil, dass man damit nicht über den Glauben an sich streiten musste, sondern nur über Missbräuche und Irrlehren, die im Laufe der Zeit von Menschen eingeführt worden waren. Für die Darstellung der Glaubensinhalte erachtete man die Schwabacher Artikel für ausreichend.267 Gleichzeitig bemühte sich Johann aktiv, befreundete Fürsten ebenfalls zur persönlichen Teilnahme am Reichstag zu bewegen.268 Vor allem Landgraf Philipp stand der Erwartungshaltung, die Kursachsen an den Reichstag hegte, äußerst kritisch gegenüber. Während Johann und seine Räte glaubten, der Reichstag biete die Chance, sich mit dem Kaiser zu verständigen, ohne vom eigenen Glauben abstehen zu müssen, sah Philipp von Hessen keine Basis für eine Einigung, da aus seiner Sicht dem Kaiser in Glaubensangelegenheiten überhaupt keine Entscheidungsbefugnis zukam. So standen die Protestanten im Vorfeld des Augsburger
265 Vgl. ebd., Nr. 11. Die mitreisenden Theologen sollten Melanchthon, Jonas und Bugenhagen sein. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1538. 266 „[…] Das wir aller der artickel halbenn, Darumb sich angezaigter Zwispalt, baide Im glauben vnnd auch In andern eußerlichenn kirchen breuchen vnd Ceremonien, erheldet, Zum furderlichsten dermassenn gefast werdenn, damit wir vor anfang solchs Reichstags bestenndiglich vnnd grundtlich entslossen sein, ob oder welcher gestalt, auch wie weith wir vnnd andere Stende, so die Raine leher bei Ihnen angenomen vnnd zugelassennn, mit Got, gewissen vnnd gutem fug, auch on beswerlich ergerniß handlung leidenn mugen vnd konnen.“ UBGRA, Bd. 1, Nr. 12 (Johann an die Wittenberger Theologen, 14. März 1530) sowie MBW, Nr. 879, 880, 881, 883. 267 Vgl. Johannes von WALTER, Der Reichstag zu Augsburg, in: Lutherjahrbuch 12 (1930), S. 1–90, hier S. 24f. Zu der strittigen Frage, worum es sich bei den Torgauer Artikeln überhaupt handelte vgl. Theodor BRIEGER, Die Torgauer Artikel, in: DERS. (Hg.), Kirchengeschichtliche Studien: Hermann Reuter zum 70. Geburtstag gewidmet, Leipzig 1888, S. 267–320. 268 Vgl. die Schreiben Johanns an Philipp von Hessen, Ernst von Lüneburg, Heinrich von Mecklenburg, Wolfgang von Anhalt, Georg von Brandenburg-Ansbach. In diesem Schreiben, das gleichlautend an die verschiedenen Fürsten geschickt wurde, verbreitete Johann auch die kursächsische Ansicht, dass dieser Reichstag ein Konzil ersetzen sollte. UBGRA, Bd. 1, Nr. 6 (13. März 1530).
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Reichstages vor der Problematik, nicht nur in der Lehre, sondern auch in ihrer Auffassung bezüglich der kaiserlichen Machtbefugnisse gespalten zu sein. Allerdings hatte sich Johann zu diesem Zeitpunkt längst auf eine von den anderen evangelischen Ständen unabhängige Verständigungspolitik mit Kaiser und Ständemehrheit festgelegt. So hatte er sich bereits vor dem Eintreffen des Reichstagsausschreibens entschlossen, mittels einer eigenen Gesandtschaft an den Kaiser seinen religiösen Standpunkt darzulegen in der Hoffnung, durch dessen Einsicht einerseits und kursächsisches Entgegenkommen andererseits eine Chance zur Verständigung zu haben. Dieser Plan war auf dem Tag zu Arnstadt am 2. Februar 1530 gefasst worden und wurde von den dort anwesenden Grafen Wilhelm von Neuenahr und Wilhelm von Nassau unterstützt.269 Letzterer bot die Vermittlung seines Bruders, des Großkämmerers Heinrich von Nassau, an, um die kursächsischen Angelegenheiten in privater Verhandlung dem Kaiser persönlich vortragen zu können. So sandte Johann am 26. März 1530 seinen Rat Hans von Dolzig dem Kaiser entgegen.270 In dieser Phase drohte die evangelische Solidarität vollends zu zerbrechen, nachdem die Bündnisbestrebungen der protestierenden Stände des Reichstags von Speyer 1529 durch den von Kursachsen und Brandenburg-Ansbach proklamierten Bekenntniszwang gescheitert waren und man sich im Januar 1530 auf dem Tag zu Nürnberg mit den verbliebenen evangelisch gesinnten Ständen nicht auf eine erneute gemeinsame Gesandtschaft an den Kaiser hatte einigen können.271 Indem sich Johann nun für diesen Sonderweg entschied, leistete er ohne Zweifel den entstandenen Differenzen weiteren Vorschub und zeigte klar an, dass er, im Gegensatz zu den vorherigen Reichstagen, nicht mehr darauf setzte, mithilfe evangelischer Geschlossenheit zu einer grundsätzlichen Lösung zu gelangen. Insbesondere das Verhältnis zum wichtigsten Bündnispartner Hessen hatte inzwischen einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Die Bereitschaft Philipps, die Geschlossenheit der Protestanten unter Einschluss der Anhänger Zwinglis zu wahren, 272 fand bei Johann so wenig Anklang, dass er nun sogar bereit war, 269 Den Tag zu Arnstadt hatte Johann einberufen, um Streitigkeiten zwischen den Grafen von Mansfeld zu schlichten. Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 623. 270 Vgl. UBGRA, Bd. 1, Nr. 16 (Instruktion Johanns für Hans von Dolzig betreffend dessen Werbung an die Grafen Wilhelm von Nassau und Wilhelm von Neuenahr, 16. März 1530). Die beiden Grafen sollten Dolzig auf der Reise begleiten und über Heinrich von Nassau den Kontakt zum Kaiser herstellen. Obwohl die Grafen darauf gedrungen hatten, dass Johann ihnen zusätzlich den alten Kanzler Gregor Brück mitschickt, lehnte Johann dies ab. Vgl. RTA JR, Bd. 8,2, S. 623f. 271 Vgl. Abschnitt 6.6. 272 Zur Haltung Landgraf Philipps gegenüber der Zwinglischen Abendmahlslehre vgl. CR, Bd. 2, S. 96–100.
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Hessen gänzlich ziehen zu lassen.273 Er war entschlossen, lieber den Altgläubigen, soweit es eben möglich war, entgegenzukommen, als sich den Zwinglianern zu nähern. Doch die Hoffnungen, die man in die Sondergesandtschaft Hans von Dolzigs gesetzt hatte, zerschlugen sich rasch. Zwar erreichte er Innsbruck noch vor dem Eintreffen des Kaisers, doch auf Vorverhandlungen wollte der sich nicht einlassen. Im Gegenteil, in seiner Antwort an Johann, welche die Grafen von Nassau und Neuenahr überbringen sollten, zeigte sich Karl V. verärgert darüber, dass Kursachsen mit der Nichtbeachtung des Wormser Edikts und seinem Zusammengehen mit Gleichgesinnten zur Verschlimmerung des religiösen Zwiespalts beigetragen hatte. 274 Gegen diese Vorwürfe rechtfertigte sich Johann in sehr ausführlicher Form,275 er musste jedoch einsehen, dass der Kaiser nicht ohne Weiteres bereit sein würde, die lutherischen Neuerungen in Kursachsen zu akzeptieren. Auch die Option, Karl V. selbst entgegenzureisen, um persönlich mit ihm zu verhandeln, wurde bald verworfen. So blieb Johann nichts, als sich wieder in die schutzbringenden Bündnisbestrebungen der Evangelischen einzureihen. Damit begann die Wartezeit auf den Kaiser in Augsburg. Zu den Verhandlungen in Augsburg hätte Johann Luther gern dabei gehabt, doch von Beginn an war klar, dass dieser bestenfalls bis Nürnberg mitreisen könne, um von dort aus als Berater zur Verfügung zu stehen. Deshalb wandte sich Johann am 7. April 1530 an den Nürnberger Rat und bat diesen, als dem „gotlichen wort von hertzenn gewugen“, darum, Luther im Geheimen für die Dauer des Reichstages aufzunehmen.276 Doch dieser Plan scheiterte an der Absage Nürnbergs vom 13. April 1530, in der es hieß, man könne Luther weder aufnehmen noch sicheres Geleit durch Nürnberger Gebiet gewähren. Man sehe sich an das nach wie vor geltende Wormser Edikt gebunden.277 Unter diesen Umständen war 273 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 523–525 (Instruktion Johanns zum Tag von Nürnberg für Christian Beyer, ca. 27. Dezember 1529). 274 Vgl. UBGRA, Bd. 1, Nr. 79 (Instruktion des Kaisers, 24. Mai 1530). 275 Vgl. ebd., Nr. 80 (Antwort Johanns an die Grafen von Nassau und Neuenahr, 31. Mai 1530). 276 Das Schreiben Johanns an den Nürnberger Rat ist gedruckt in: Theodor KOLDE, Nürnberg und Luther vor dem Reichstage zu Augsburg 1530, in: Theodor BRIEGER (Hg.), Kirchengeschichtliche Studien: Hermann Reuter zum 70. Geburtstag gewidmet, Leipzig 1888, S. 251–263, hier S. 256f. „[…] vnnd ob wir inen [Luther] woll nachdem die ausschreibung dauon nichts meldet Jegen Ausgpurg nicht mit vnns nehmen durffen, wolten wir doch den sachen zu guet vndd forderung, inen in gehaim gern dermassen an ein gelegen sicher ort, neher dann inn vnnsern landen wissen, domit wir vnns nach gelegenhait der furfallendenn hendel, vnnd derselbigen sachen, seins rats dester furderlicher erholenn mochten, wenn wir dann kaynen ort wissen mogen, do eher sicherer vnnd neher zuerraichenn, dann zu Nurmberg.“ 277 Seine ablehnende Antwort sandte der Nürnberger Rat nicht schriftlich, sondern schickte Michel von Kaden direkt zum Kurfürsten nach Coburg. Druck der ausführlichen In-
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Johann gezwungen, Luther in Coburg zurückzulassen. 278 Obwohl damit feststand, dass er als unmittelbarer Berater ausfiel, genehmigte Johann ihm jedoch die Rückreise nach Wittenberg nicht, sondern bestand darauf, dass er auf der Veste Coburg verblieb. Da nichts gegen die Mitnahme der anderen Theologen, Melanchthon, Spalatin, Jonas und Agricola sprach, wurde ihnen unter Führung Melanchthons die Aufgabe zuteil, den Kurfürsten zu beraten. Bereits bei der Ankunft in Augsburg sah man sich mit einer Schrift Johann Ecks konfrontiert, in der er anhand von 404 Artikeln versucht hatte, den evangelischen Glauben als häretisch darzustellen.279 Diese Provokation machte den Plan Melanchthons, sich zunächst nur auf die Kampfbahn der strittigen Zeremonien zu begeben, zunichte. Als Antwort auf Ecks Artikel kam nur ein klares Glaubensbekenntnis in Frage. Am 11. Mai 1530 sandte Kurfürst Johann Luther die von Melanchthon umgearbeiteten Torgauer Artikel mit der Bitte um Durchsicht und Redaktion zu. Die Meinung Luthers war ihm wichtig, auch in der Frage nach dem durch den Kaiser angedrohten Predigtverbot.280 Luther antwortete am 15. Mai und erklärte, dass ihm die Arbeit Melanchthons wohl gefalle, es ihm jedoch nicht zustünde, etwas daran zu ändern oder zu verbessern, da er selbst „so sanfft und leise nicht tretten kann“.281 Zum Thema Predigtverbot empfahl er, man solle versuchen, den Kaiser dazu zu bewegen, sich ein eigenes Bild von der evangelischen Predigt zu machen und erst dann zu urteilen. Einem Verbot solle er sich in des Kaisers Stadt nicht widersetzen, hier gehe Gewalt vor Recht.282 Johann entschied sich jedoch, bis zur Ankunft des Kaisers in Augsburg seine Prediger
278
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struktion Kadens ebd., S. 257–261. Da Kaden erst am 16. April in Coburg eintraf, hatte Johann inzwischen seine Bitte am 15. April erneuert. Vgl. Theodor KOLDE (Hg.), Analecta Lutherana, Briefe und Actenstücke zur Geschichte Luthers, Gotha 1883, S. 119f. Die Antwort Johanns auf die Absage Nürnbergs an Michel von Kaden vgl. KOLDE, Nürnberg und Luther, S. 261–263. Daraus geht hervor, dass Kaden auf Drängen einiger Räte Johanns, die Absage auch Luther persönlich erteilen musste. Im Gegensatz zum fürstlichen Umfeld scheint dieser darüber weniger verärgert gewesen zu sein. Vgl. auch WA Br, Bd. 5, Nr. 1546 (Luther an Nikolaus von Amsdorf, 18. April 1530). Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1561 (Melanchthon an Luther, 4. Mai 1530). Ebd., Nr. 1564 (Johann an Luther, 11. Mai 1530). Ebd., Nr. 1568 (Luther an Johann, 15. Mai 1530). Vgl. ebd. Während diese Antwort sehr kurz ausfiel, sandte Luther am 20. Mai nochmals ein ausführliches Schreiben an Johann, in dem er ihm Mut für die anstehenden Dinge zusprach und betonte, dass all die Mühen, die der Kurfürst nun für das Evangelium auf sich nehmen müsse, ein Zeichen dafür seien, wie gnädig Gott ihm sei. Vgl. ebd., Nr. 1572 (Luther an Johann, 20. Mai 1530).
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weiter öffentlich auftreten zu lassen,283 womit er dem Ratschlag des Kanzlers Gregor Brück folgte.284 Kurze Zeit später traten Brandenburg-Ansbach und Nürnberg mit der Bitte an Johann heran, man möge ein Bekenntnis für alle Evangelischen ausarbeiten. Dazu überließ man Melanchthon die bereits in der Markgrafschaft und in Nürnberg geleisteten Vorarbeiten.285 Während Johann den Markgrafen Georg ganz auf seiner Seite wusste, hielt er Nürnberg, noch sichtlich verärgert über die Verweigerung der Aufnahme und des Geleits für Luther, hin. Mit der Aussage, der Kurfürst möge es nicht, wenn bei solchen Verhandlungen zu viele Räte beteiligt seien, ließ man die Nürnberger Gesandten lange auf Einblick in die Entwürfe zur Augustana warten.286 Ohne Zweifel wollte Johann sichergehen, dass durch Einwirken von außen nichts in die Bekenntnisschrift gelangte, was Kursachsen von seinem Verständigungskurs abbringen konnte. Dies betraf insbesondere den Hang, die Tragweite der evangelischen Lehre zu verharmlosen und diese als kompatibel zur römisch-katholischen Auffassung darzustellen. Selbst Luther bekam erst nach der Übergabe an den Kaiser das Bekenntnis in seiner fertigen Gestalt zu Gesicht. Auch die endgültige Entscheidung darüber, das Bekenntnis nicht nur in kursächsischem, sondern im Namen aller lutherischen Fürsten und Stände abzufassen, fiel sehr spät. Erst am 15. Juni 1530 vermeldeten die Nürnberger Gesandten an ihre Bürgermeister und den Rat, dass sich Philipp Melanchthon habe vernehmen lassen, „es möchte dieselbe Vorrede und Beschluss vielleicht nicht allein in des Churfursten, sondern in gemein in aller vereinigten Lutherischen Fürsten und Stände Namen gestellt werden“.287 Dass man mit dieser extrem vorsichtigen Haltung nicht ausschließlich auf Gegenliebe stieß, versteht sich von selbst. Insbesondere von Landgraf Philipp wusste man, dass er nicht gewillt war, die Religionsfrage durch den Kaiser entscheiden zu lassen, sondern auf ein allgemeines Konzil
283 UBGRA, Bd. 1, Nr. 80 (Antwort Johanns auf des Kaisers Instruktion, 31. Mai 1530) sowie sein Bericht an Luther darüber vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1579 (1. Juni 1530). 284 Vgl. UBGRA, Bd. 1, Nr. 71 (Bedenken Gregor Brücks, 10. oder 11. Mai 1530). 285 Vgl. CR, Bd. 2, S. 56 (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 20. Mai 1530). „Ew. W. Prediger Rathschlag, den wir vor wenig Tagen des Churfursten Canzler, anstatt seiner Churf. G. zugestellt, hat Philipus Melanchton übersehen, und darzu gesagt, dass der den Ihrem nit widerwärtig, sondern fast dieselb Meinung.“ 286 Vgl. CR, Bd. 2, S. 51, 53, 62, 78. In zwei Briefen berichteten die Nürnberger Gesandten am 17. Mai nach Hause, dass sie über den Kanzler Brück bezüglich der Einsichtnahme in die Glaubensartikel vertröstet wurden. Am 24. Mai vermeldeten sie, dass Luther die ihm zur Begutachtung zugesandten Artikel inzwischen zwar zurückgesandt habe, aber Dr. Brück wolle noch ein Vor- und Nachwort ausarbeiten, ehe sie ihnen ausgehändigt würden. Erst am 31. Mai konnten sie vermelden, dass ihnen der Ratschlag zugestellt worden war. 287 CR, Bd. 2, S. 105.
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drang.288 Da Kursachsen wiederum davon ausging, dass der Reichstag den Ersatz für ein Konzil darstellen sollte, wurde die Forderung danach zunächst nicht in die Confessio aufgenommen. Doch Philipp verhandelte geschickt und zog auch die Nürnberger auf seine Seite, die ebenfalls nicht komplett davon überzeugt waren, dass der Kaiser über diese Sachen zu richten habe.289 Während sich also im Vorfeld in erster Linie innerevangelische Auseinandersetzungen abspielten, sollte sich mit dem Eintreffen des Kaisers die Frage entscheiden, welchen Weg er in der Religionsfrage einschlagen würde. Am 15. Juni 1530 war es endlich soweit, Karl V. ritt in Augsburg ein. Doch bereits am Abend wurden Kurfürst Johann, Landgraf Philipp, Markgraf Georg und die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg in die Gemächer Karls V. beordert, wo er ihnen in Anwesenheit König Ferdinands eröffnete, dass er die Einstellung der evangelischen Predigt fordere. Nach hitzigen Diskussionen erbaten sich die deutschen Fürsten eine Bedenkzeit bis zum nächsten Tag. Am Morgen des 16. Juni beratschlagten sich die Fürsten und Räte zunächst, ehe sie sich zu erneuten Verhandlungen zum Kaiser begaben, wobei sich Johann von seinem Sohn Johann Friedrich vertreten ließ.290 Auch hier konnte keine Einigung erzielt werden, die evangelischen Fürsten waren sich darüber einig, dass die Einstellung der Predigt um ihrer Seelen willen nicht in Frage kam. Beim Kaiser erregte zudem die Nichtteilnahme der evangelischen Fürsten an der Fronleichnamsprozession am selben Tag weiteren Unwillen.291 Der Aufforderung des Kaisers, sich schriftlich zu äußern, kam man am 17. Juni nach. Die Stellungnahme war vom erfahrenen kursächsischen Kanzler Gregor Brück verfasst worden und führte klar und ausführlich aus, weshalb ein an sie gerichtetes Predigtverbot für die Evangelischen inakzeptabel sei.292 Dennoch war man bereit, den eingeschlagenen Weg der Verständigungspolitik weiterzugehen, Melanchthon finden wir bald in Verhandlungen mit dem kaiserlichen Sekretär Valdés, über den es möglich schien, die größten Missver288 Vgl. CR, Bd. 2, S. 51f. Der Nürnberger Gesandte Kress berichtete an Bürgermeister und Rat, dass er am 16. Mai mit Landgraf Philipp gesprochen habe. Auf die Frage des Landgrafen, wie man sich zu den Artikeln des Glaubens stelle, erklärten die Nürnberger, dass sie erst einmal den Auftrag hätten, beim Kurfürsten und beim Markgrafen zu sondieren. Philipp erklärte dagegen, dass man zwar mit dem Kaiser über den Glauben reden und verhandeln könne, doch die Reichsstände darüber nicht zu richten oder urteilen hätten. Er empfahl den Nürnbergern, sich dieser Ansicht anzuschließen. Das gegenwärtige Verhältnis zwischen Johann und Philipp schätzte Kress mit den Worten „sie stehen nit so gar wohl mit einander“ als eher schlecht ein. 289 Luther kritisierte diese Haltung stark. 290 Vgl. CR, Bd. 2, S. 106f. (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 16. Juni 1530). 291 Vgl. UBGRA, Bd. 1, Nr. 93. 292 Vgl. ebd., Nr. 98 (Schreiben der evangelischen Fürsten an Kaiser Karl V., 17. Juni 1530).
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ständnisse und Vorurteile zur evangelischen Lehre auszuräumen. 293 Offenbar vermittelte Valdés beim Kaiser dann dahingehend, dass nicht nur die evangelische, sondern auch die katholische Predigt eingestellt werden sollte, womit sich auch die katholischen Stände einverstanden erklärten.294 Aus einem Bedenken Melanchthons geht jedoch hervor, welch harte Überzeugungsarbeit er bei Johann und den anderen evangelischen Fürsten zuvor hatte leisten müssen.295 Es bedurfte scharfer Worte und der Mahnung, das große Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren, um deren Einverständnis zu erlangen. Item. das scandalum sei wie gros es woll, die predig nach zu lassen, so ists viel grosser scandalum die Sach zerrutten. Diß zu verhuten, ist nicht unrecht, die predigt abzustellen. Und auf diser meinung beharre ich, das ich wollt, das die fursten die sach nicht zu hart und scharff furnemen, sonder liessen die predig auff K. M. suchung oder mandat beruwen.296
Es scheint, als wäre Johann, nachdem er auf den Speyerer Reichstagen 1526 und 1529 mutig mit der evangelischen Predigt vorangegangen war, dieses Zugeständnis besonders schwer gefallen. So geht wohl die Verständigung auf ein allgemeines Predigtverbot in erster Linie auf Melanchthon zurück. Trotzdem war Johann nach diesem hart erkämpften Kompromiss bezüglich der Bereitschaft des Kaisers, sich gütlich zu einigen, guter Dinge.297 Schließlich konnte am 20. Juni der Reichstag mit einem Gottesdienst eröffnet werden, zu dem keiner der Fürsten fehlte. In der Eröffnungsrede, die Pfalzgraf Friedrich im Auftrag des Kaisers hielt, wurde zwar noch einmal die Ankündigung des Reichstagsausschreibens, dass eines jeden Meinung und Gutdünken betreffs des Glaubens angehört werde, bekräftigt, allerdings machten die Katholischen schnell klar, dass sie keineswegs gewillt waren, ihre Glaubensinhalte schriftlich niederzulegen und diskutieren zu lassen, wie es dem Gedanken einer Nationalversammlung entsprochen hätte.298 293 Vgl. Friedrich SCHIRRMACHER (Hg.), Acten und Briefe zu der Geschichte des Religionsgesprächs zu Marburg 1529 und des Reichstages zu Augsburg 1530, Gotha 1876, S. 71f. sowie CR, Bd. 2, S. 122. Bereits bei diesen Verhandlungen ging es Melanchthon darum, die Unterschiede zwischen Katholischen und Evangelischen als möglichst gering darzustellen. 294 Vgl. WALTER, Der Reichstag zu Augsburg, S. 42f.; CR, Bd. 2, S. 113. 295 Verwiesen sei hier auch auf den starken Widerstand Brandenburg-Ansbachs gegen ein Predigtverbot. Vgl. UBGRA, Bd. 1, Nr. 96 (Georg Voglers Bedenken zur Abstellung der Predigten, 16. Juni 1530). 296 Vgl. ebd., Nr. 100 (Melanchthons Bedenken über die Frage, ob die Predigten dem Verlangen des Kaisers gemäß einzustellen seien, 17. Juni 1530). 297 „[…] und wie Rietesel mir, Kressen, entdeckt, will der Churfürst je noch dafür achten, Kais. Maj. werde ein gut Gemüth haben.“ CR, Bd. 2, S. 113f. (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 19. Juni. 1530). 298 Vgl. CR, Bd. 2, S. 122. (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 21. Juni 1530).
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Damit musste man sich auf kursächsischer Seite eingestehen, dass eine Rückkehr zur alten Forderung nach einem allgemeinen Konzil, wie es Landgraf Philipp von Beginn an wollte, unumgänglich war. So, wie sich die Entwicklung des Reichstages abzeichnete, wurde es immer notwendiger, dass sich die Evangelischen klar positionierten. Eine erste Gelegenheit dazu stellten die Beratungen über die Tagesordnungspunkte des Reichstags dar. Johann und weitere Fürsten drangen darauf, dass die Türkenhilfe, welche eigentlich zuerst behandelt werden sollte, hintangestellt wurde, um ein Pfand für die Religionsverhandlungen in der Hand zu behalten.299 Außerdem überlegte man, wie man verhindern könne, dass die evangelische Bekenntnisschrift sang- und klanglos in einem Ausschuss, der mehrheitlich von Katholiken besetzt war, einfach abgefertigt wurde. So reifte nach und nach der Entschluss einer öffentlichen Verlesung des Bekenntnisses. Johann zeigte sich zunächst skeptisch, da er Melanchthons Ansinnen, dem Wunsch des Kaisers entgegenzukommen, die Sache vertraulich und ohne viel Aufhebens durch öffentliche Verhöre und Disputationen zu klären, wohlwollend gegenüberstand.300 Zumindest ist nicht davon auszugehen, dass Melanchthon die Verhandlungen mit den kaiserlichen Sekretären eigenmächtig führte. Am 18. Juni 1530 erhielt er durch Valdés den Auftrag, für den Kaiser ein kurzes Verzeichnis der Artikel anzufertigen, in denen sich lutherische und katholische Lehre schieden. Wie zuvor mündlich besprochen worden war, sollten darin lediglich vier Punkte, die sich auf reine Äußerlichkeiten bezogen, zur Sprache kommen. 301 Natürlich musste Melanchthon für die Übergabe solcher Artikel zunächst die Zustimmung des Kurfürsten und des Kanzlers Brück einholen.302 Dort fanden seine Pläne jedoch keinen Anklang, möglicherweise trug sein Vortrag sogar dazu bei, dass sich Johann nun endgültig darauf festlegte, mit der Verlesung des 299 Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 382. 300 Inwieweit die kursächsischen Räte und Herzog Johann Friedrich diese Politik mittrugen, ist fraglich. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1600 (Melanchthon an Luther, 25. Juni 1530). 301 Dabei handelte es sich um das Abendmahl in beiderlei Gestalt, die Priesterehe, die Privatmesse sowie das Schicksal der Klöster. Vgl. WALTER, Der Reichstag zu Augsburg, S. 40f. 302 Vgl. CR, Bd. 2, S. 122f. (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 21. Juni 1530). An welchem Tag Melanchthon mit Kurfürst Johann und Brück über seine Pläne reden wollte, geht aus dem Bericht nicht klar hervor. Unstrittig ist, dass Melanchthon am 18. Juni die Antwort des päpstlichen Legaten und des Kaisers auf seine Vorschläge erhielt. Die nachfolgende Formulierung lässt jedoch offen, ob Melanchthon, sozusagen in indirekter Rede, eine sofortige Rücksprache zusagte, oder gemeint ist, dass er am heutigen Tage, also an dem, an welchem der Brief geschrieben wurde, dies tun wollte. Da jedoch die Nürnberger Gesandten stets gut informiert waren, ist es unwahrscheinlich, dass sie am 21. noch nichts von einer am 18. ausgesprochenen Ablehnung der Pläne durch den Kurfürsten und Brück gewusst haben sollen. Wahrscheinlich hatte Melanchthon erst das „kurze Verzeichnis“ ausgearbeitet und es dann zur Rücksprache übergeben.
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Augsburger Bekenntnisses den öffentlichen Weg zu beschreiten, wozu man sich noch am 21. Juni entschloss. Denn trotz der zahlreichen Umarbeiten, welche die Augustana bis zur Übergabe am 25. Juni noch erfuhr, einerseits, um die Wünsche der Mitbekennenden zu berücksichtigen und andererseits, um zahlreichen Passagen die Schärfe zu nehmen, verdeckte sie am Ende nicht, dass die Unterschiede im Glauben sich nicht auf Äußerlichkeiten beschränkten. Nun galt es, den Kaiser zu überzeugen, dass öffentlich verlesen werden durfte. Nachdem dies zunächst abgelehnt wurde, kam man am 25. Juni in der Kapitelstube der Kaiserpfalz zusammen, um vor den anwesenden Fürsten und dem Kaiser die Confessio Augustana durch Christian Beyer auf deutsch verlesen zu lassen.303 Während für die deutschen Fürsten wohl manches daran so neu wie erhellend war, wird der Kaiser kaum etwas von den deutschen Ausführungen verstanden haben. Ihn interessierte mehr die Frage, welche Rolle er in der Bewertung der Rechtmäßigkeit des vorgelegten Bekenntnisses spielen sollte. Dabei kamen ihm die Vorstellungen der katholischen Stände, das Bekenntnis an hochgelehrte, redliche, schiedliche und nicht gehässige Personen zur Begutachtung zu übergeben, nicht unbedingt zu passe.304 Er stellte sich dagegen vor, selbst als Richter gegen die Confessio Augustana aufzutreten, während den katholischen Ständen die Aufgabe zufallen sollte, strittige Glaubensfragen zu widerlegen.305 Dies setzte zum einen voraus, dass die katholischen Stände geschlossen als Partei gegen die Evangelischen auftraten, und zum anderen, dass die Evangelischen bereit wären, den Kaiser und dessen Wertmaßstäbe als Richter zu akzeptieren. So weit sollte es aber gar nicht kommen, denn die Altgläubigen wollten sich nicht zum Werkzeug des Kaisers machen lassen und sich den Weg eigener Vermittlung offen halten.306 So wurde der Gedanke eines Prozesses durch ein Verfahren ersetzt, das auf gütliche Verhandlungen und Gespräche setzte: Die Confessio sollte durch vom Kaiser bestellte Gelehrte beantwortet, für Missbräuche und Gravamina ein Ausschuss eingesetzt werden.307 Auch den Katho-
303 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1603 (Johann an Luther). Der Kurfürst setzte Luther kurz und sachlich über die Ereignisse seit der Ankunft des Kaisers in Kenntnis. Eine Beschreibung der Vorverhandlungen für die öffentliche Verlesung auch CR, Bd. 2, S. 127–130 (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 25. Juni 1530). 304 Vgl. Theodor BRIEGER, Handlung zu Augsburg Anno 1530 der Religion und glaubens halber, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 12 (1891), S. 124–187, hier S. 126f. (Die katholischen Stände an den Kaiser, 27. Juni 1530). 305 Vgl. ebd., S. 127–130 (Der Kaiser an die katholischen Stände, 5. Juli 1530). 306 Vgl. ebd., S. 130–133 (Die katholischen Stände an den Kaiser, 7. Juli 1530). 307 Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 383f.
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lischen erschien die Konzilslösung, die ein verbindliches Urteil schaffen würde, als die beste.308 Schließlich musste der Kaiser einsehen, dass der von den katholischen Fürsten vorgeschlagene Weg der einzig gangbare war, lediglich den Konzilsplan wünschte er als Notlösung zurückgestellt zu sehen.309 Damit folgte Karl V. den Wünschen der Mehrheit der deutschen Stände, deren Absichten durchaus auf eine friedliche Lösung des Konflikts zielten, und nicht den Vorschlägen des päpstlichen Legaten.310 Wie ein Brief Johanns an Luther vom 4. Juli 1530 zeigt, war der Kurfürst über diese Diskussionen des Kaisers mit der katholischen Reichstagsmehrheit ausgezeichnet und sozusagen ‚just in time‘ informiert. So schrieb er, dass ihm eine vertraute Person mitgeteilt hätte, dass der Kaiser beabsichtige, das Richteramt in Glaubenssachen einzunehmen. Was die Annahme dieses Vorschlags durch die Katholischen zur Folge gehabt hätte, war ihm vollkommen bewusst. Man hätte die Evangelischen ersucht, den Vorschlag ebenfalls anzunehmen und so wir mit unsern freunden solchs abschlagen wurden, gedechte ihre Mt. zu mandirn, das alle sachen widderumb zu vorigem standt geordnet vnd gericht sollten werden. […] Wo wir aber vnd die andern unser freundt die berurt sachen zu vorigen stand widderumb zu bringen uns wegern und ihr Mt. mandat nicht volge thun wurden, so müste ihr Mt. mit der that darzu thun.311
Zwar wusste der Vertrauensmann auch zu berichten, dass der kaiserliche Vorschlag eher zwiespältig aufgenommen worden war, doch die Entwicklung bereitete dem Kurfürsten Sorgen, was er Luther gegenüber offen bekannte, gekoppelt an das Begehren, dessen Meinung dazu zu hören. Was Johann in diesem Schreiben nicht erwähnte, war der Umstand, dass er nur zwei Tage zuvor eine politische Niederlage beim Kaiser erlitten hatte: Am 2. Juli erhielt er die Erlaub308 BRIEGER, Handlung zu Augsburg, S. 132 (Die katholischen Stände an den Kaiser, 7. Juli 1530). „Die Churfursten Fursten vnd Stende bedenckhen auch, das die funff Chur vnd Fursten ain gemain Concilium mit kainem fueg abslagen mögen, vnd ist demnach der Churfursten Fursten vnd Stende vnterthenigs ansuechen Ir Kay. Mt. wolle sampt Bebstlicher Heiligkait sollich Concilium zum furderlichsten es muglich ist ausschreiben vnd zehalten verfuegen.“ 309 UBGRA, Bd. 2, Nr. 110 (Antwort Karls V. auf das Bedenken der katholischen Stände). „Erst zu Letstn, so man befunde, das sollichs ie nit volgen wurde, vnnd ain Concilium zehallten enntlich von notten sein wurt, das durch Ire Mt. dasselb gemain Consillium auch alsdann vnd nit Ehr furgenomen vnnd an ain gelegne Malstat so furderlich als muglich ist, ausgeschriben, vnnd daselbs gehalltn werden, des dann Ir Mt., also souil an Ir sein wirdt, zethun auch genaigt vnnd willig ist.“ 310 WALTER, Der Reichstag zu Augsburg, S. 59. 311 WA Br, Bd. 5, Nr. 1622 (Johann an Luther, 4. Juli 1530). Johann wusste also schon an dem Abend davon, an dem der Kaiser in einer Unterredung mit den katholischen Fürsten diesen Vorschlag erstmals zur Sprache brachte. Schriftlich legte Karl V. diesen den katholischen Ständen erst am 5. Juli vor. Vgl. BRIEGER, Handlung zu Augsburg, Nr. 2.
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nis, seine Anliegen bezüglich der offiziellen Belehnung mit der Kur und der Bestätigung der Ehe zwischen seinem Sohn Johann Friedrich und Sibylle von Jülich-Kleve vorzutragen. Karl V. war jedoch weder zu dem einen noch zu dem anderen bereit, solange Johann dem Luthertum anhing. Von dieser schroffen Haltung des Kaisers überrascht, forderte Johann von seinen Räten Gutachten darüber, wie er sich weiter verhalten sollte. Auch Spalatin, der als ehemaliger Sekretär Friedrichs des Weisen bestens damit vertraut war, möglichst diplomatisch zu antworten, ohne sich in weitergehende Schwierigkeiten zu bringen, fertigte dazu eine Denkschrift an. Darin riet er dem Kurfürsten, dem Kaiser jeden Dienst zu erweisen, den er mit seinem Gewissen und Gott vereinbaren könne. Die Frage der Religion müsse jedoch ausgeklammert bleiben, da die Lehre, wie sie in der Confessio Augustana bekannt und in Kursachsen gepredigt werde, vom Fürsten selbst als christlich und recht empfunden werde. Ein Widerstandsrecht gegen den Kaiser, um die evangelische Lehre in den eigenen und fremden Landen zu schützen, lehnte Spalatin mit der Begründung ab, dass das Wort Gottes sich nur durch die Hand Gottes erhalten könne und keineswegs durch das weltliche Schwert. Folgerichtig nahm er in Kauf, dass im Zweifelsfall das Evangelium und seine Anhänger sich selbst überlassen wurden. Darumb laß ich mir gefallen, das mein Gned. Herr auf kai. Mat. erfordern zu irer gelegenheit alle, die dise lere getriden haben, ein ieden fur sich selbs bekennen lassen. Dann es tocht je nicht, das unser armen schweis halben seine Chfl. Gl. zusampt iren kindern, gemaheln, Landen und Leuten in fare irer Lande vnd Furstlichen wirden gesetzt solten werden.312
Diese defensive Haltung zeigt, dass Melanchthon in seinem ängstlichen Bestreben, den Frieden um nahezu jeden Preis zu erhalten, nicht allein dastand. Zumindest in Bezug auf die Ablehnung eines Widerstandsrechts gegen den Kaiser befand man sich ganz auf der Linie Luthers, der sich bereits im März 1530 dazu verneinend geäußert hatte und somit dem Kurfürsten als gläubigen Christen eigentlich nur die Wahl ließ, vom Kaiser begangenes Unrecht zu erdulden, ohne seine Untertanen davor zu schützen.313 Auch in einem zweiten Gutachten, das von einem unbekannten kursächsischen Theologen in Augsburg verfasst wurde, findet sich diese Auffassung. 314 Seine Weigerung, von der lutherischen Lehre abzustehen, wie er es dem Kaiser am 21. Juli schriftlich mitteilte, 315 bezahlte Kurfürst Johann damit, dass er vom Kaiser niemals offiziell belehnt wurde. In die Situation, sich zwischen aktivem Widerstand und Passivität gegenüber kaiserlicher Waffengewalt entscheiden zu müssen, kam er nicht. 312 313 314 315
Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 121. Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 158. Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 124. Vgl. ebd., Nr. 129. Die Antwort folgte dem Gutachten Spalatins.
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So lässt sich unschwer nachvollziehen, dass die Stimmung im evangelischen Lager gedrückt war.316 Melanchthon, der sich durch seine Verhandlungen mit den kaiserlichen Sekretären bereits auf einem guten Weg gesehen hatte, die Angelegenheit gütlich beilegen zu können, konnte keine Genugtuung darin sehen, dass man die Verlesung der Confessio Augustana durchgesetzt hatte. Obwohl er selbst wusste, dass man sich darin sehr milder Formulierungen bedient hatte, die immer wieder das Ziel hatten, über die Unterschiede zwischen beiden Konfessionen hinwegzutäuschen, glaubte er nun, dass man zu scharfe Töne angeschlagen und die Gegner beleidigt hätte. Bedrückt machte er sich Gedanken, in welchen Punkten es möglich wäre, den Katholischen entgegenzukommen, um die Verhandlungen wieder in Gang zu bringen. Darüber erhoffte er sich von Luther Aufschluss. 317 Aus einer Haltung der Ängstlichkeit und Verzweiflung heraus zeigte sich Melanchthon im Laufe des Juli zu immer mehr Zugeständnissen bereit. In einem demütigen Schreiben bat er den päpstlichen Legaten Campeggio, doch zu bedenken, dass man lediglich kleine Zugeständnisse fordere, diese jedoch die Einheit der Kirche und den Frieden wahren könnten.318 Obwohl Campeggio ablehnte,319 muss es den Katholischen in diesem Moment vorgekommen sein, als wären die Evangelischen bereit, für den Frieden jeden Preis zu zahlen. Aus Justus Jonas’ Briefen wissen wir, dass zwar alle zu den Beratungen herangezogenen evangelischen Theologen dazu bereit waren, Melanchthon eine kurze Darstellung darüber ausarbeiten zu lassen, in welchen Fragen man nachgeben könne und in welchen nicht, Jonas aber selbst die Befürchtung hegte, dass die Zugeständnisse zu weitgehend seien.320 Auch Luther hielt den Spielraum für Verhandlungen für ausgereizt und sah die kursächsische Aufgabe nach Verlesung und Übergabe der Augustana als erfüllt an, sodass er die Seinigen zur Abreise vom Reichstag aufforderte.321 Kurfürst Johann scheint den Entwicklungen bald wieder zuversichtlich gegenübergestanden zu haben. So konnte Justus Jonas bereits am 8. Juli an Luther berichten, dass Johann guter Dinge sei und darauf vertraue, dass Gott die Dinge 316 Vgl. CR, Bd. 2, S. 216f. (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 20. Juli 1530). 317 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1604 (Melanchthon an Luther, 26. Juni 1530). 318 Vgl. MBW, Nr. 952 (4. Juli 1530). Am 8. Juli traf er im Heilig Kreuzkloster mit Campeggio zu einer Unterredung zusammen. 319 Vgl. ebd., Nr. 959 (Melanchthon an Veit Dietrich, 8. Juli 1530). 320 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1618 (Jonas an Luther, 30.? Juni 1530). 321 Vgl. ebd., Nr. 1648 (Luther an Jonas, Spalatin, Melanchthon und Agricola, 15. Juli 1530). Als Außenstehender hatte Luther wohl den objektivsten Blick auf die Verhandlungen. Bereits am 9. und 13. Juli mutmaßte er in seinen Briefen nach Augsburg, dass man bestenfalls zu einer politischen, jedoch keinesfalls religiösen Entscheidung kommen werde. Auch, dass man sich auf ein Konzil einigen würde, hielt Luther für äußerst unwahrscheinlich. Ebd., Nr. 1635, 1642.
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wohl richten werde.322 Eine Haltung, die Luther sicher zu schätzen wusste, nicht zuletzt hatte er Melanchthon aufgrund seiner Ängstlichkeit und Nachgiebigkeit mangelndes Gottvertrauen vorgeworfen. Als Johann die Antwort Luthers samt dessen Argumentationshilfen, weshalb die Rolle des Kaisers als Richter in Glaubensdingen abzulehnen sei,323 erhielt, hatte sich das Ganze bereits erledigt. Viel zu tun gab es während der Wartezeit auf die Confutatio für die kursächsischen Reichstagsteilnehmer nicht. Von den Ausschussberatungen zur Behandlung der Gravamina waren sie ausgeschlossen, diese fanden im innerkatholischen Kreis statt. 324 Für Diskussionsstoff sorgte sicherlich die Übergabe des Glaubensbekenntnisses der Städte Straßburg, Konstanz, Memmingen und Lindau.325 Zwar wäre Straßburg unter bestimmten Bedingungen durchaus bereit gewesen, sich dem Augsburger Bekenntnis anzuschließen, und auch Philipp von Hessen bemühte sich lange Zeit, eine Einigung zwischen dem zwinglischen und lutherischen Abendmahlsverständnis herbeizuführen, doch vergebens. Vor allem Melanchthon machte in Augsburg Stimmung gegen die Anhänger Zwinglis und sorgte dafür, dass jeder Vermittlungsversuch ins Leere lief.326 So kamen die vier genannten Städte am 9. Juli 1530 der Forderung des Reichstagsausschreibens nach Bekenntnis des Glaubens selbstständig nach und übergaben dem kaiserlichen Vizekanzler die Confessio Tetrapolitana. Eine öffentliche Verlesung wurde ihnen nicht gewährt.327 Auch das Fortschreiten der Arbeiten an der Confutatio, die kaiserlichen Änderungswünsche daran und die Umarbeitungen wurden mit Sicherheit mit gespanntem Interesse verfolgt.328 Doch insgesamt erlahmte langsam die Geduld und das Interesse der Fürsten. Am 28. Juli beschwerte sich Johann in einem Brief an seinen Rat Nickel von Ende darüber, dass inzwischen enorme Kosten aufgelaufen seien, aber man weder in der Frage der Religion noch bezüglich der Belehnung mit der Kur zu einem Ergebnis gekommen sei.329 322 323 324 325 326 327 328
329
Vgl. ebd., Nr. 1630 (Jonas an Luther, 8. Juli 1530). Vgl. ebd., Nr. 1633 (Luther an Kurfürst Johann, 9. Juli 1530). Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 384. Allerdings erwähnte keiner der Wittenberger Theologen diesen Umstand in den Briefen an Luther. Vgl. CR, Bd. 2, S. 108–110 (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 16. Juni 1530). Vgl. UBGRA, Bd 2, Nr. 115. Am 15. Juli schrieb Kurfürst Johann an Luther, dass sich seit der Übergabe der Augustana nichts ereignet hätte und sich die Antwort der Katholischen wohl noch hinziehen werde, da man hört „als sollten sie Ires teils der sachenn unnthereinander selbst etwas Irrig sein.“ WA Br, Bd. 5, Nr. 1650. Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 133. Die Schlussbemerkung des Kurfürsten, dass er wünsche, dass von Ende ihm auf der Rückreise nach Coburg entgegenkomme, lässt sich dahingehend werten, dass sich Johann mit Plänen zur baldigen Abreise aus Augsburg trug. Vgl. auch CR, Bd. 2, S. 242 (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 31. Juli 1530).
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Am 3. August konnte dann nach wochenlanger Wartezeit endlich die Confutatio verlesen werden: Nun hatten beide Seiten den eigenen Standpunkt in der Glaubensfrage vorgetragen. Jetzt konnten gemäß den Vereinbarungen, die Kaiser und altgläubige Mehrheit Anfang Juli getroffen hatten, die Ausgleichsverhandlungen unter Führung Karls V. beginnen. Doch zunächst gab es wieder zahlreiche Schwierigkeiten zu überwinden. Natürlich forderten die Protestanten, dass ihnen eine Kopie der Confutatio übergeben wurde, auf die sie sich bereit erklärten zu antworten.330 Dies war jedoch keineswegs im Sinne des päpstlichen Legaten. So warnte er den Kaiser bereits im Vorfeld vor der Übergabe einer Abschrift, weil dies nur zu Diskussionen mit den Protestanten führen würde, etwas, das man in jedem Fall vermeiden wollte. So blieb dem Kaiser nichts, als an die Übergabe unzumutbare Bedingungen zu knüpfen, die faktisch einer Ablehnung gleichkamen. 331 Auch musste der Kaiser einsehen, dass im Moment der Konzilsweg versperrt war, nachdem ihm der Papst auf sein Ansuchen um dasselbige geantwortet hatte, dass er einem Konzil nur zustimmen würde, wenn man sicherstelle, dass die Protestanten danach zur alten Religion zurückkehren würden. So lief bereits am 6. August alles auf den ursprünglichen Vorschlag der katholischen Fürsten hinaus, auf ständische Vermittlung zu setzen. Dazu wurde ein großer Ausschuss berufen, dem alle katholischen Kurfürsten bzw. deren Gesandte sowie zahlreiche Bischöfe, Äbte, Herzöge und Grafen angehörten. 332 Als Sprecher fungierte Kurfürst Joachim von Brandenburg. Da die in der Confutatio niedergelegte Theologie als nicht verhandelbar galt, strebte man eine Verständigung auf 330 Vgl. CR, Bd. 2, S. 251f. (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 4. August 1530). 331 Vgl. BRIEGER, Handlung zu Augsburg, S. 156–158, Bedenken der katholischen Stände bezüglich der Aushändigung der Confutatio an die Evangelischen, 4. August 1530). So forderte man, dass die Evangelischen die Confutatio als endgültigen kaiserlichen Urteilsspruch anerkannten und auf eine Erwiderung verzichteten. Ebenso wurde ihnen die Veröffentlichung untersagt. Die Protestanten regierten darauf trotzig mit der Aussage, „das durch sie und Ire verordente, souil Inn solcher eil gescheen mag, der schrifft souil behalten, das sie dafur hielten, wa es zusamen gepracht, si wollten Inn der Substanz und haupptpunckten allen effect vnnd Innhalt haben aus derselben“, dass es für die Erarbeitung einer Reaktion ausreichen würde. Vgl. UBGRA 2, Nr. 138 (Bericht über das, was in den Tagen nach der Antwort des Kaisers vom 5. August geschah, 5.–9. August 1530). 332 Namentlich handelte es sich dabei um die Kurfürsten Albrecht von Mainz und Joachim von Brandenburg, die Vertreter der Kurfürsten von Köln, Trier und Pfalz, den Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Straßburg und Speyer, ein Vertreter des Bischofs von Regensburg, die Herzöge Georg von Sachsen, Heinrich von Braunschweig, Albrecht von Mecklenburg, ein Rat Herzog Johanns von Jülich, der badische Kanzler Vehus, Georg Truchseß von Waldburg für Österreich, der Abt von Weingarten und Graf Martin von Öttingen. Vgl. Eugène HONÉE, Der Libell des Hieronymus Vehus zum Augsburger Reichstag 1530, Münster 1988, S. 55.
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Grundlage der Gravamina an, was die Protestanten mit dem Einwand, dass auch ihnen ein Abweichen von ihrem Bekenntnis unmöglich sei, ablehnten.333 Trotzdem ebnete dieser Ausschuss, der am 14. August aufgelöst wurde, den Weg zu den eigentlichen Religionsgesprächen. So einigte man sich auf Vorschlag der Evangelischen, einen kleineren, gemeinsamen Ausschuss von sachverständigen und zum Frieden geneigten Personen zur gütlichen Beratung der strittigen Artikel einzusetzen.334 Von kursächsischer Seite gehörten diesem paritätisch besetzten Vierzehnerausschuss Herzog Johann Friedrich, Melanchthon und Gregor Brück an, der Wortführer der evangelischen Abgeordneten war.335 Schnell kam bei den Verhandlungen zur Sprache, wie sich die Protestanten das weitere Vorgehen vorstellten. Sie forderten, sowohl die Confessio als auch die Confutatio, die ihnen ja nicht ausgehändigt worden war, sollten „furhannden genommen; mocht man die beide, worinen gleicheit oder ungleicheit, gegeneinannder ersehen unnd ferrer, wie man sich vergleichen mocht, underre“.336 Schließlich fand man als Kompromiss die Lösung, dass man Artikel für Artikel der Augustana durchging und wo es Unterschiede gab, die Confutatio nochmals verlas. Über die Gespräche wurde Stillschweigen vereinbart, Details sollten nicht nach außen dringen. Erst nachdem man zwei Tage lang über den ersten Teil der Confessio Augustana beraten hatte, legte man einen Zwischenbericht vor, in dem man den Stand der Verhandlungen darlegte.337 Als man am 18. August dazu überging, die Punkte 22 bis 28 der Confessio zu beraten,338 gerieten die Gespräche ins Stocken und drohten am 22. August zu scheitern. Auch innerhalb des protestantischen Lagers selbst geriet man in eine Krise, die eine klare Position Johanns unabdingbar machte. Da die sieben evangelischen Vertreter im Ausschuss mehrheitlich aus Kursachsen und Brandenburg-Ansbach kamen, wurden die eingebrachten Vermittlungsvorschläge, die zu einem Konsens
333 UBGRA, Bd. 2, Nr. 139 (Antwort der evangl. Fürsten und Städte auf des gegenteiligen Ausschusses, 9. August 1530). 334 UBGRA, Bd. 2, Nr. 142 (Antwort der evangelischen Fürsten und Städte auf des Gegentheils Antrag vom 11. August, 13. August 1530). 335 Zur Zusammensetzung des Ausschusses vgl. ebd., Nr. 143 sowie HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 56f. 336 HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 212 (Bericht des badischen Kanzlers Vehus, was man am 16. August im Vierzehnerausschuss verhandelte). 337 Dieser Zwischenbericht wurde offenbar gemeinsam von Spalatin, Melanchthon und Sebastian Heller, dem brandenburg-ansbachschen Kanzler, verfassst. Am ersten Verhandlungstag war auch Georg Spalatin als Protokollführer der Evangelischen bei den Verhandlungen zugegen, er wurde jedoch auf Antrag der Katholischen ausgeschlossen. Vgl. HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 64. 338 Dabei handelte es sich um folgende Punkte: Laienkelch, Priesterehe, Messe, Beichte, Fasten- und Feiertage, Klosterwesen, bischöfliche Jurisdiktion.
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mit den Katholiken führen sollten, in erster Linie von deren Autorität getragen.339 Nun zeigte sich jedoch, dass Hessen, Lüneburg, Nürnberg und Reutlingen diese als zu weitgehend empfanden und sich durch Alleingänge und fehlende Rücksprachen übergangen fühlten.340 Deshalb forderten sie, die Verhandlungen als gescheitert anzusehen und sich auf keine weiteren Gespräche einzulassen. An diesem Punkt machte jedoch Kurfürst Johann seine Autorität geltend und setzte die Fortführung der Vermittlungsgespräche durch.341 Ein weitergehender Dissens wurde mit der Zusage verhindert, von nun an keine weiteren Zugeständnisse mehr zu machen. Außerdem wandte sich Johann umgehend mit der Bitte an Luther, seine Meinung zu den gemachten Zugeständnissen abzugeben.342 Am 24. August wurden die Verhandlungen schließlich fortgesetzt. In der Hoffnung, in einem engen Kreis von Experten ließe sich schneller und besser ein Konsens erzielen, hatte man den Ausschuss auf nun nur noch je drei Mitglieder verkleinert. Für Kursachsen verhandelten nach wie vor Gregor Brück und Philipp Melanchthon, Johann Friedrich musste sich zurückziehen. 343 Nach den Unstimmigkeiten im evangelischen Lager hatte Johann diese nun mit dem eindeutigen Befehl entsandt, über die bisherigen Zusagen unter keinen Umständen hinauszugehen. 344 Ebenso dachte man auch darüber nach, die Religionsver339 Der hessische Landgraf Philipp war in der Nacht vom 6. zum 7. August heimlich aus Augsburg abgereist, nachdem ihm der Kaiser die Erlaubnis zur Heimreise verwehrt hatte. Zwar eröffneten sich durch die Abreise des wenig kompromissbereiten Landgrafen für die Evangelischen größere Handlungsspielräume, doch schädigte dessen ungebührliches Vorgehen auch das Ansehen des gesamten evangelischen Lagers. Vor allem die Kursachsen hatten stets größten Wert auf korrektes Verhalten gegenüber dem Kaiser gelegt. 340 Die noch sehr vorsichtig formulierte Kritik der Nürnberger in CR, Bd. 2, S. 301f. (23. August 1530). „Und wir finden in summa, dass Sachsen und Marggraf entlich gern vertragen und vergleicht sein wollten. Was sie dazu verursacht, können wir nicht wissen. Gott gebe seine Gnad, dass es mit gutem Gewissen sein möge.“ 341 Der Vorschlag, die Gespräche in einem kleineren Ausschuss fortzusetzen, stammte von den katholischen Ständen. Wohl in Anbetracht der Unstimmigkeiten im evangelischen Lager reagierten die Protestanten zunächst ablehnend auf diesen Vorschlag, ehe sich vor allem Kurfürst Johann mit seiner Ansicht zur Weiterführung der Gespräche durchsetzte. Vgl. HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 76 sowie S. 255, Anm. 1; UBGRA, Bd. 2, Nr. 162 (Bericht des markgräflichen Kanzlers über die Bildung des Sechserausschusses, 23. und 24. August 1530). 342 Das Schreiben Johanns vom 22. August 1530 ist nicht überliefert. Allerdings gibt uns das erhaltene Begleitschreiben Johanns an den Schosser Arnold von Falkenstein sowie der Antwortbrief Luthers Aufschluss über Datierung und Anliegen des Schriftstücks. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1697, Anm. 1. 343 Zur Zusammensetzung des Ausschusses vgl. HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 280. 344 Melanchthon kritisierte dies als politische Schwäche Johanns und Johanns Friedrichs, vgl. MBW, Nr. 1046 (Melanchthon an Luther, 26. August 1530).
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handlungen abzubrechen und lieber eine politische Lösung bis zu einem Konzil anzustreben. Trotzdem versuchte Melanchthon in einem Gutachten vom 24. August auszuloten, wie man unbeschadet des Glaubensbekenntnisses bestimmten Forderungen vonseiten der Katholiken genügen könne. Doch damit konnte er im eigenen Kreis nicht durchdringen, zu sehr war er bereits in Gegensatz zu den anderen evangelischen Ständen geraten.345 Johann muss an diesem Punkt gespürt haben, dass eine weitere Fortsetzung der Verhandlungen nicht fruchtbar gewesen wäre. Zu groß waren die Spannungen im eigenen Lager, sein wichtigster Theologe und Verhandlungsführer besaß keinen Rückhalt mehr.346 Ohne das Votum Luthers abzuwarten, entschied Johann, keinen weiteren Gesprächen zuzustimmen. Auch der Versuch Herzog Heinrichs von Braunschweig, ihn bei einem gemeinsamen Abendessen am 29. August 1530 dazu zu bewegen, neuen Ausschussverhandlungen zuzustimmen, scheiterten.347 Wohl erst am 30. August trafen Luthers Briefe in Augsburg ein. Sein Urteil, das er sowohl dem Kurfürsten als auch den Freunden gegenüber kommunizierte, war eindeutig: Lasst euch auf nichts weiter ein und wartet das Konzil ab, alle jetzigen Zugeständnisse der Katholischen seien nur List und Tücke.348 Folgerichtig bat Johann am 31. August beim Kaiser um die Erlaubnis, Augsburg verlassen zu dürfen.349
345 Am 1. September 1530 schrieb Melanchthon an Luther „Non credas, quanto in odio sim Noricis et nescio quibus aliis propter restitutam episcopis iurisdictionem.“ WA Br, Bd. 5, Nr. 1710, Anm. 29. Im August 1530 schrieb Landgraf Philipp an seine Räte in Augsburg „Greift dem vernünftigen, weltweisen, verzagten, ich darf nit wohl mehr sagen, Philippo in die Würfel!“ Ebd., Nr. 1709, Anm. 2. 346 Als Hinweis, dass Johann bereits nach den Streitigkeiten am 22. August nicht mehr an eine Einigung glaubte, kann die Bemerkung Spalatins vom 23. August gesehen werden, dass man Rückreisevorbereitungen treffe. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1692 (Spalatin an Luther), ebenso CR, Bd. 2, S. 320 (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 23. August 1530). 347 Vgl. HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 84. 348 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1697 (Luther an Kurfürst Johann); Nr. 1698 (Luther an Spalatin); Nr. 1699 (Luther an Melanchthon); Nr. 1700 (Luther an Justus Jonas). Alle Briefe vom 26. August 1530. 349 Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 170. Die Bitte Johanns und die abschlägige Antwort des Kaisers werden hier auf den 31. August datiert. Etwas ungenauer in der Datumsangabe CR, Bd. 2, S. 339 (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 4. September 1530). Aus dem Schreiben geht hervor, dass Johann seine Räte Graf Albrecht von Mansfeld und Hans von Minkwitz zum Kaiser sandte.
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Ohne Zweifel hatte Johann lange Zeit hinter der Kompromissbereitschaft Melanchthons gestanden,350 doch die schroffe Ablehnung, welche die Verbündeten den Plänen des kursächsischen Theologen entgegenbrachten, zwangen ihn, Melanchthon Einhalt zu gebieten. Jedes weitere Entgegenkommen hätte die ohnehin bereits stark zerstrittenen Evangelischen nur noch weiter gespalten. Aufgrund mangelnder Quellen haben wir keinen Einblick in die Entscheidungsfindung Johanns. Da sein Sohn Johann Friedrich ebenfalls in Augsburg zugegen war, fehlen uns Briefe, die über den Gang der Verhandlungen berichtet hätten.351 Auch die Hilfe Luthers suchte Johann zunächst nicht, erst als die Situation zu eskalieren drohte, wandte er sich am 22. August ratsuchend an ihn. Nach dem Scheitern der ständischen Ausgleichsverhandlungen lag die Sache nun wieder beim Kaiser, dem es völlig unverständlich war, weshalb es zu keiner Verständigung gekommen war.352 Wie sollte er nun reagieren? Da ihm nicht nur die katholische Ständemehrheit, sondern auch sein Bruder Ferdinand zu verstehen gegeben hatten, dass sie an einer gewaltsamen Lösung des Religionskonflikts nicht interessiert seien, sah Karl V. nur die Möglichkeit, sich selbst in Verhandlungen mit den Evangelischen zu begeben. So ließ er die Protestanten am 7. September zu sich kommen und hielt ihnen vor, dass sie sich schismatisch verhielten und dabei wären, eine neue Sekte aufzurichten. Er sei jedoch bereit, in Verhandlungen mit ihnen einzutreten sowie, unter der Voraussetzung, dass sie bis dahin zum katholischen Glauben zurückkehrten, ihrem Wunsch nach einem Konzil entgegenzukommen.353 Zu diesen Vorschlägen gewährte der Kaiser den Protestanten zwei Tage Bedenkzeit, bevor sie am 9. September erneut zu ihm vorgelassen wurden. Die von Brück vorgetragene Reaktion war abweisend: Der Wahrheit entsprechend erklärte er, dass sie in den Ausschüssen bereits bis zum Äußersten gegangen seien, weshalb weitere Verhandlungen keinen Sinn hätten. Er bekräftigte die Forderung nach einem Konzil, wobei eine Rücknahme der 350 Noch am 30. August hatte sich Johann, wie auch Markgraf Georg und Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg, mit dem besonders umstrittenen Zugeständnis Melanchthons nach Restitution der bischöflichen Gewalt einverstanden erklärt, während die Städte, mit Nürnberg als Wortführer, streng dagegen waren. Vgl. MBW, Nr. 1053 (Melanchthon an Joachim Camerarius, 31. August 1530) sowie Nr. 1051, 1052. 351 Johann Friedrich verließ Augsburg erst kurz vor seinem Vater am 12. September 1530. Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 196. 352 Am 31. August wurde er mittels zweier Berichte ausführlich von den katholischen Ständen über den Verlauf und das Scheitern der Verhandlungen informiert. Vgl. HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 85–90. 353 Die Aufzeichnung der am 7. September gehaltenen Reden und Gegenreden findet sich bei Carl E. FÖRSTEMANN (Hg.), Des Canzlers Dr. Brück geschichte der Religionshandlungen auf dem Reichstage zu Augsburg im Jahr 1530, Halle 1831, S. 135–139. Die im Namen des Kaiser gehaltene Eingangsrede in: UBGRA, Bd. 2, Nr. 179. Zusammenfassend dazu HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 98–100.
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bisher erfolgten Reformen aber völlig indiskutabel wäre. An Maßnahmen, die der Wahrung des Friedens bis zu einem zukünftigen Konzil dienten, wolle man dagegen gern mitarbeiten.354 Kurfürst Johann drängte nun immer stärker auf die Abreise aus Augsburg. Dabei spielten neben finanziellen Erwägungen und dem Bewusstsein, dass der Punkt, um zu einer gütlichen Einigung zu kommen, längst überschritten war, auch die sich immer weiter verstärkenden Spannungen im evangelischen Lager eine entscheidende Rolle. Wenn wir dem Mitte September 1530 entstandenen inoffiziellen Schreiben des Nürnberger Gesandten Hieronymus Baumgartner an den Nürnberger Stadtschreiber Lazarus Spengler 355 Glauben schenken, muss sich Johann einer negativen Stimmung gegenübergesehen haben, die völlig ausweglos war. Sicherlich etwas überzeichnend, jedoch sehr anschaulich gibt Baumgartner ein vielsagendes Stimmungsbild wieder. Während der Theologe Johannes Brenz als ungeschickt und grob beschrieben wird, erscheint der markgräfliche Kanzler Sebastian Heller als furchtsamer Ratgeber, der seinen Herrn ganz „irr und kleinmüthig“ mache.356 Den größten Unmut hatte jedoch Melanchthon auf sich gezogen, der Wittenberger Theologe war im evangelischen Lager inzwischen äußerst unbeliebt. 357 Nicht zuletzt bestätigt Baumgartner in seinem Schreiben die schwierige Lage Johanns, der nur noch von ängstlichen und kopflosen Theologen umgeben sei, die ihm keinen vernünftigen Rat mehr erteilen würden. Lediglich Gregor Brück sei noch der einzig Verständige im kurfürstlichen Lager, aber auch ihn hätte man inzwischen soweit beeinflusst, dass er aus Sorge heraus handele.358 Ohne Zweifel, eine weitere Eskalation war für Johann nur durch sofortige Abreise zu verhindern. Dieses Vorhaben wurde jedoch dadurch erschwert, dass die Katholischen noch nicht bereit waren, jede Einigung verloren zu geben. So übergab Georg Truchseß von Waldburg am 10. September während eines geheimen Treffens in der Augsburger Moritzkirche Gregor Brück und Philipp Melanchthon den Entwurf für einen friedlichen
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Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 184. Vgl. CR, Bd. 2, S. 363–365 (13. September 1530) sowie S. 372–373 (15. September 1530). CR, Bd. 2, S. 363. Am 15. September bat Baumgartner Spengler sogar darum, dass dieser Luther um Hilfe ansuche. Luther müsse Melanchthon Einhalt gebieten und den Kurfürsten warnen. Damit einher ging die Einschätzung Baumgartners, dass bisher kein anderer auf dem Reichstag dem Evangelium einen solchen Schaden zugefügt hätte wie Melanchthon. Vgl. CR, Bd. 2, S. 372. 358 „Der Churfürst hat in diesem Handel niemand verständiges denn den einigen Doctor Brucken. Den hat man aber dahin gebracht, dass er nun auch mit Sorgen handelt, dieweil er von niemand keinen Beistand hat. Denn die andern Sächsischen Theologi dürfen wider den Philippum nit öffentlich reden, denn er den Kopf dermaßen gestreckt, dass er neulich gegen den Lüneburgischen Canzler gesagt: wer sagen darf; dass die nächst übergebnen Mittel nicht christlich, der tüg´s als ein Bösewicht.“ CR, Bd. 2, S. 364f.
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Reichstagsabschied bis zur Einberufung eines Konzils. 359 Dieser Verhandlungsvorschlag der katholischen Seite beinhaltete die wohl weitgehendsten Zugeständnisse, die man bisher an die Evangelischen gemacht hatte.360 Diese diplomatische Aktion zwang Kurfürst Johann dazu, sowohl seine Abreise erneut zu verschieben als auch sich im eigenen Lager nochmals mit der Frage auseinandersetzen zu müssen, ob man sich auf Grundlage dieses Vorschlags auf weitere Gespräche einlassen sollte. Nach offenbar kontroversen Diskussionen entschied man sich am 13. September, den Vorschlag rundherum als nicht annehmbar abzulehnen, auch wenn vor allem aus kursächsischem und markgräflichem Umfeld auf eine differenziertere Antwort gedrungen worden war. 361 Daraufhin wandte sich der enttäuschte Truchseß direkt an Markgraf Georg, der ihm in der Form entgegenkam, dass er von seinen Theologen einen Gegenvorschlag ausarbeiten ließ, welcher direkten Bezug auf den katholischen nahm.362 Auch wenn diesmal die markgräflichen Theologen federführend waren, wäre natürlich ein solcher Vorschlag niemals ohne die Zustimmung der Kursachsen publik gemacht worden.363 Diese Initiative Markgraf Georgs bot Johann die Möglichkeit, dem durchaus in der kursächsischen Delegation vorhandenen Wunsch nachzukommen, den Dialog nicht abreißen zu lassen, ohne jedoch bei den verhandlungskritischen hessischen, lüneburgischen und städtischen Vertretern wiederum in die 359 Bei Truchseß von Waldburg handelte es sich um einen Rat König Ferdinands von Böhmen. Das Treffen in der Moritzkirche hatte der badische Kanzler Vehus, der wie Brück und Melanchthon auch, in den beiden Ausschüssen im August mitgearbeitet hatte, arrangiert. 360 Der Vorschlag ist gedruckt in: HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 310–314. 361 Der markgräfliche Kanzler berichtet uns dazu: „Sind gleichwol in demselben Rath die mainung vnd stim bede unter den Rethen vnd Theologis gespalten vnd vngleich gnug gewest, in dem etzlich fur nutzlich angesehen, das man von artickeln zcu artickeln handlen, die beschwerung erwegen, dieselben her Jorgen Truchsessen vnd dem Badnischen Cantzler widerumb antzeigen vnd ferner auch vnsers thails furschleg thon; Etzlich aber, das man sich in kein handlung noch disputation weder wenig oder vil nit einlassen, sonder mit dem besten fugen abschlegig anthwurt geben sollt. Welcher letzter mhainung furgetzogen hatt, vnd darauff her Jorg Truchsessen ein abschlegige anthwort gegeben worden ist.“ UBGRA, Bd. 2, Nr. 188. 362 Markgraf Georg befand sich zu dieser Zeit in intensiven Verhandlungen mit König Ferdinand um die Restitution einiger an Österreich verlorengegangener Gebiete, sodass ihm nichts ferner lag, als den königlichen Rat Truchseß zu brüskieren. Vgl. HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 125 sowie den Bericht des markgräfllichen Kanzlers Dr. Heller in: UBGRA, Bd. 2, Nr. 188. 363 Der markgräflich-brandenburgische Gegenvorschlag vom 14. September ist gedruckt in: HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 325–329. Just zu dieser Zeit entstanden auch Gutachten kurfürstlicher Theologen zum katholischen Vermittlungsvorschlag. Während Justus Jonas und Georg Spalatin die Vorschläge einer harten Kritik unterzogen, (vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 189, 190), war Melanchthon kompromissbereit. Vgl. ebd., Nr. 191.
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Schusslinie zu geraten, zumal alle weiteren Verhandlungen nun zwischen Markgraf Georg und Truchseß geführt wurden.364 Gleichwohl bereitete Johann weiterhin für jedermann sichtbar seine Abreise vor. Abgesehen von dem Umstand, dass er den Entschluss zur Heimfahrt bereits drei Wochen zuvor gefasst hatte, mag auch die Tatsache, dass er den Gang der Verhandlungen damit zu beschleunigen versuchte, eine Rolle gespielt haben. Allen Beteiligten war klar, dass die Abreise des wichtigsten protestantischen Fürsten das Aus für alle weiteren Ausgleichsversuche bedeutet hätte.365 So versuchte der Kaiserhof auch mit allen Mitteln, Johann daran zu hindern, Augsburg zu verlassen. Nach zähen Verhandlungen machte ihm der Kaiser schließlich die Zusage, dass er spätestens am 23. September den Reichstag verlassen dürfe. 366 Damit war auch klar, bis zu welchem Zeitpunkt eine Einigung über einen Reichstagsabschied zuwege gebracht werden musste. Am 20. September präsentierten die beiden katholischen Unterhändler, Truchseß und Vehus, den evangelischen Ständen den Entwurf eines Reichstagsabschieds. Darin wurde ihnen in Bezug auf die Glaubensartikel, bei denen keine Einigung erzielt werden konnte, ein Moratorium angeboten. In diesem Zeitraum könnten sie sich überlegen, ob man nicht doch noch zu einer Einigung kommen könne. Intern, jedoch vor Zeugen, wurde den Protestanten zugesagt, dass jeder Antrag um Verlängerung des Moratoriums vom Kaiser günstig beschienen werde, sodass man dieses bis zur Einberufung eines Konzils ausdehnen könne. Gegen diesen Vorschlag, der den Protestanten de facto den angestrebten politischen Anstand gewährte, wurden von ihnen keine Bedenken erhoben. Schwierigkeiten bereiteten jedoch die ersten Punkte des Abschieds, in denen jene Artikel festgehalten werden sollten, in denen man zu einer Einigung gekommen war bzw. in welchen man uneins war. Aus taktischen Gründen hatte man bei der Erarbeitung der Augustana darauf verzichtet, alle Kritikpunkte aufzuzeigen. Nun stellte sich den evangelischen Theologen jedoch die Frage, was mit jenen Themen geschehen sollte, die bisher unbesprochen geblieben waren. Dazu zählten nicht unbedeutende Fragen wie etwa die nach dem Primat des Papstes, dem Fegefeuer und der Anzahl der Sakramente. Diese bisher undiskutierten Fragen mussten also auch irgendwie Eingang in den Abschied finden. So entstand bei den Verhandlungen zum Reichstagsabschied die kuriose Situation, dass sich die Intentionen vom Beginn des Reichstages umkehrten: Während nun 364 Vgl. ebd., Nr. 199 (Bericht des markgräflichen Kanzlers Dr. Heller). 365 „Wiewohl nun der Churfürst dem Marggrafen solchs alles abgeleinet, und keineswegs bleiben wollen, hat er doch, als er zum dritten Mal mit dem Herzogen von Lunenburg und seinen Räthen bei Kais. Maj. gewest, im Ende bewilligt, bis auf Freitag nächst künftig hie zu bleiben, oder wo hierin nichts gehandelt, und die Kais. Maj. keinen Abschied geben würd, wollt er alsdann ohne ferner Urlaub, wie er auch anderst nicht weiter und ferner bewilligen könnt, wegreiten.“ CR, Bd. 2, S. 381 (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 19. September 1530). 366 Vgl. dazu FÖRSTEMANN, Dr. Brück auf dem Reichstag zu Augsburg, S. 161–173.
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die Katholischen darauf bedacht waren, die Unterschiede möglichst wenig zur Geltung zu bringen, sahen es die Evangelischen als unabdingbar an, dass gerade diese im Abschied ausreichend berücksichtigt wurden. Bis zum Nachmittag des 22. September entspannen sich auf beiden Seiten noch zahlreiche Aktivitäten, um den Reichstagsabschied in eine Form zu bringen, die zur Annahme geführt hätte.367 Doch alle Diplomatie war vergebens, in der bischöflichen Pfalz erklärten die Evangelischen schließlich durch Gregor Brück, dass der Inhalt des Abschieds für sie inakzeptabel sei.368 Am 23. September reiste Johann schließlich mit seinem Gefolge ab. Die Räte, die er in Augsburg zurückließ, wurden ausschließlich zu Verhandlungen über einen friedlichen Anstand bis zu einem freien Konzil, auf dem alle theologischen Streitfragen geklärt werden sollten, ermächtigt.369 Die Fortsetzung der Einigungsgespräche nach seiner Abreise wünschte Johann nicht. Stattdessen entspannen sich emsige diplomatische Bemühungen einiger katholischer Stände,370 die gegen die Politik Kurfürst Joachims von Brandenburg gerichtet waren, der mit Drohungen und Konfliktszenarien versuchte, die Evangelischen doch noch zur Annahme des Abschieds vom 22. September zu bewegen.371 Auf der anderen Seite bemühten sich die kursächsischen Räte im Auftrag Johanns darum,
367 Zwar beteiligte sich Johann des Öfteren an den Beratungen, die auch in seiner Herberge stattfanden, aber die offizielle Bekanntgabe der Ergebnisse an die Vermittler Vehus und Truchseß überließ er Markgraf Georg. „Gleichwohl hat sich der Churfürst alsbald entschuldigt, dass er eigner Person, wo Hr. Georgen diese Meinung angezeigt sollt werden, nicht dabei sein könnt; bitte aber Marggraf Georgen, dass er Hr. Georgen in sein Herberg bescheiden.“ CR, Bd. 2, S. 387 (Nürnberger Gesandte an Bürgermeister und Rat, 22. September 1530). Der Reichstagsabschied, der am 22. September 1530 vorgetragen wurde, ist gedruckt in: HONÉE, Vehus zum Augsburger Reichstag, S. 347–352 sowie bei UBGRA, Bd. 2, Nr. 206. 368 Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 207. Die Gründe für die Ablehnung des Abschieds vgl. ebd., Nr. 212. 369 Vgl. ebd., Nr. 217. Als Bevollmächtigte Johanns wurden die Räte Graf Albrecht von Mansfeld, Hans von der Planitz, Christoph von Taubenheim und Hans von Dolzig zurückgelassen. 370 Dies betraf den Pfälzischen Kurfürsten Ludwig und den Pfalzgrafen Friedrich vgl. ebd., Nr. 219, 220. Auch die geistlichen Kurfürsten zeigten sich unzufrieden mit der Antwort Joachims, bei näheren Sondierungen wurde jedoch klar, dass zumindest Kurköln im Zweifelsfall hinter dem Kaiser stehen würde. Vgl. ebd., Nr. 224 (Albrecht von Mansfeld an Kurfürst Johann, 26. September 1530). Zu den Gesprächen mit Mainz und Trier vgl. Nr. 235 (Albrecht von Mansfeld an Kurfürst Johann, 1. Oktober 1530). 371 Vgl. FÖRSTEMANN, Dr. Brück auf Reichstag zu Augsburg, S. 190–192 (Vortrag Kurfürst Joachims im Namen des Kaisers an die Evangelischen, 23. September 1530) sowie S. 199f. Vgl. auch die Verhandlungen Joachims mit Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach zur Annahme des Reichstagsabschieds in: UBGRA, Bd. 2, Nr. 225.
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herauszufinden, wie hoch die Bereitschaft einiger katholischer Stände wäre, dem Kaiser in gewalttätige Verwicklungen gegen die Evangelischen zu folgen.372 Nach dem Scheitern aller Einigungsbemühungen musste der Kaiser nun die Entscheidung darüber treffen, wie ein neuer Abschied aussehen sollte. Selbst unentschlossen, folgte er schließlich der Ständemehrheit, die sich anstatt eines friedlichen Anstands für einen repressiven Abschied einsetzte. Auch die bisher gemeinsame Basis aller Stände, die theologischen Streitfragen einem Konzil anheimzustellen, geriet langsam ins Wanken. Wiederum bemühten sich einige nicht an einer Konfrontation interessierte katholische Stände um Vermittlung, doch ihre Vorschläge wurden von der evangelischen Seite sehr kritisch aufgenommen. 373 Zwar legte Johann den badischen Kompromissvorschlag 374 den Wittenberger Theologen zur Prüfung vor,375 aber auch diese bestätigten nur die vom Kurfürsten bereits gefasste Meinung: die Unmöglichkeit weiterer Zugeständnisse und das Misstrauen gegenüber der altgläubigen Konzilsauffassung. 376 Zwar diente der erste Vorschlag für einen Reichstagsabschied vom 22. September als Grundlage für die endgültige Fassung vom 19. November, doch die milde Septemberfassung wurde durch Ergänzungen und Überarbeitungen dahingehend verändert, dass reichsrechtlich der Zustand von 1521 wiederhergestellt wurde. Auch wenn der Kaiser versicherte, dass er keinen Religionskrieg anstrebe, der Versuch der Evangelischen, den Einschluss in den Landfrieden gegen Zusicherung der Türkenhilfe und Zahlung der Reichsanschläge zu erlangen, schlug fehl.377 So war Ende Oktober absehbar, dass es ebenso wenig wie es zu einem religiösen Ausgleich gekommen war, einen politischen Frieden geben würde. 372 Vgl. ebd., Nr. 231 (Christoph von Taubenheim an Johann, 29. September 1530); Nr. 224 (Albrecht von Mansfeld an Kurfürst Johann, 26. September 1530). 373 Vgl. ebd., Nr. 241 (Schreiben der kurfürstlichen Räte aus Augsburg an Johann, 6. Oktober 1530). Darin schildern die Räte in großer Ausführlichkeit den weiteren Gang der Verhandlungen. Zudem übersandten sie dem Kurfürsten den badischen Kompromissvorschlag mit der Bitte um Prüfung und Erteilung weiterer Befehle. 374 Vgl. ebd., Nr. 236 (Vorschlag des Markgrafen von Baden zur Erlangung eines friedlichen Abschieds, 3. Oktober 1530). 375 LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 14, fol. 20–21 (Johann an Gregor Brück, 12. Oktober 1530). „Und ist unser beger, ir wollet dieselben mittelh und anders, was die Religion thut belangen mit doctor Martino und philippo bewegen, und beratschlagen, was wir den unseren wiederumb schreiben sollen.“ In dem Schreiben stellt Johann auch heraus, dass er nach wochenlangen erfolglosen Verhandlungen eigentlich zu keinem Entgegenkommen mehr bereit ist. 376 Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 254 (Kurfürst Johann an die Räte in Augsburg, 15. Oktober 1530). Die von den Wittenberger Theologen gestellte Notel wurde offenbar in aller Eile in den Brief des Kurfürsten nach Augsburg eingearbeitet. Denn Brück selbst schickte sie erst am 15. in Wittenberg los, auch unser Brief ist auf denselben Tag datiert. 377 Vgl. zu den Verhandlungen über den Einschluss einer solchen Landfriedensklausel ebd., Nr. 255–263.
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Deshalb waren bereits Planungen angelaufen, die Räte der evangelischen Stände am 14. November in Nürnberg zusammenkommen zu lassen, um dort über eine Gesandtschaft zum Kaiser zu beraten, die bei ihm persönlich einen politischen Anstand erwirken sollte. Darüber informierte Johann seine Räte in Augsburg am 2. November und bat sie, innerhalb einer bestimmten Frist ihre Meinung darüber kundzutun.378 Doch Johann trieb inzwischen eine zusätzliche Sorge um: Insbesondere Herzog Ludwig von Bayern hatte ihn vertraulich darüber informiert, dass Karl V. plane, unmittelbar nach Beendigung des Reichstages nach Köln zu reisen und dort seinen Bruder Ferdinand zum römischen König wählen zu lassen. Es ging das Gerücht um, dass Johann von der Wahl ausgeschlossen werden sollte. Da ihm, trotz mehrmaligen Ansuchens beim Kaiser, die offizielle Belehnung mit den Kurlanden und die Bestätigung der Heirat seines Sohnes Johann Friedrich verwehrt geblieben war, machte sich die Angst breit, dass nun die Kurfürstenwürde an sich in Frage gestellt wurde. Immer wieder forderte Johann deshalb die Räte auf, sich weiterhin um die Belehnung zu bemühen, auch, um im Vorfeld der Wahl herauszufinden, ob man ihn „also vor einen churfursten zuhalten ader nit zuhalten bedacht sey“.379 Am Ende blieb den Evangelischen nur die Totalverweigerung gegenüber sämtlichen Beschlüssen des Reichstages.380 Allerdings konnten sich die wenigen verbliebenen Partner wiederum nicht einhellig auf diesen Schritt einigen: Markgraf Georg von Brandenburg-Ansbach, der bereits seit Wochen eine erhöhte Kompromissbereitschaft gezeigt hatte, lehnte ausschließlich die Religionsartikel ab, bewilligte aber alle anderen Punkte des Abschieds. Die Bilanz dieses letzten von Johann besuchten Reichstags war ernüchternd. Nicht nur, dass der Dissens im evangelischen Lager nun öffentlich sichtbar ge378 „Dorumb wollet eur bedenken, wie ir di sachen vnd alle vmbstend vermerken werdet, auch wofur Ir solche schickung ansehet, aufzaichen vnd solchs den Reten, so wir uf bestimbten tag zu Nurenberg haben werden, und sonderlich unserm Rat Hansen von Minckwitz Ritter, zu seinen handen zuerkennen geben, domit sich dieselbn in der beratschlagung dester bas darnach haben zuachten vnd ie solchs nit vnderlassn.“ UBGRA, Bd. 2, Nr. 285. 379 Ebd., Nr. 302 (Johann an Hans von der Planitz, 15. November 1530). In diesem Schreiben spricht Johann erstmals klar die Befürchtung aus, dass man ihm aufgrund seiner Religion die Kurwürde streitig machen könnte. Damit befand er sich in einer ähnlichen Lage, wie sein Bruder Friedrich der Weise 10 Jahre zuvor, als ebenfalls das Gerücht von der Aberkennung der Kurwürde umging. 380 Vgl. ebd., Nr. 298 (Endliche Antwort der Botschaften und Räte der evangelischen Fürsten und ihrer Verwandten auf die kaiserlicher Antwort, 12. November 1530). Kurze Zeit später reisten die kursächsischen Räte schließlich aus Augsburg ab, nachdem sie nach Übergabe der obigen Schrift nicht noch einmal, wie sie erwartet hatten, zum Kaiser gebeten wurden. Am 17. November 1530 berichteten sie dem Kurfürsten bereits aus Nürnberg von ihrer Abreise. Vgl. ebd., Nr. 304.
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worden war, auch der Plan Johanns, sich in Anwesenheit des Kaisers mit den Katholischen auf eine Reform der Kirche zu einigen, war fehlgeschlagen. Selbst das Erreichen eines politischen Anstands war unmöglich gewesen. Daraus ergab sich für Kursachsen eine außerordentliche Gefahrenlage, die schließlich doch noch den Weg zu einem evangelischen Verteidigungsbündnis ebnete. Als Fazit der Reichstagsbesuche Johanns lässt sich sagen, dass er von Beginn an bereit war, die Führungsrolle innerhalb des evangelischen Lagers einzunehmen und auszufüllen. Damit verbunden war stets eine friedenssichernde und kaisernahe Politik, die jedoch nicht bei allen Glaubensverwandten auf ungeteilte Zustimmung stieß. Solange sich Kurfürst Johann darum bemühte, dass auf den Reichstagen alle evangelischen Stände „für einen Mann“ standen, ließen sich die Meinungsverschiedenheiten nach außen kaschieren, auch wenn bereits in Speyer 1529 die Trennung von den zur Abendmahlslehre Zwinglis neigenden Städten im Raum stand. Der Ausschluss dieser Städte von einem evangelischen Verteidigungsbündnis, den maßgeblich Johann, gestützt von Markgraf Georg, betrieben hatte, sowie das gestörte Vertrauensverhältnisses zu Hessen führten dazu, dass im Vorfeld des Augsburger Reichstags die evangelische Einheit bereits zerbrochen war. Dies veranlasste Johann dazu, einen von den anderen evangelischen Ständen unabhängigen Sonderweg zu beschreiten. Dieser vor allem auf eine beharrliche Verständigungspolitik ausgerichtete Weg war jedoch zum Scheitern verurteilt, gerade weil es unmöglich war, ihn im Alleingang zu gehen. So hatte die Entscheidung, sich im ausschlaggebenden Moment, nämlich in Anwesenheit des Kaisers, nicht mehr als geeintes und erstarkendes protestantisches Lager zu präsentieren, zur Folge, dass die Evangelischen die größte Niederlage auf einem Reichstag seit 1521 hinnehmen mussten. Immerhin führte dies in Kursachsen zu der Einsicht in die Notwendigkeit eines gesamtevangelischen Bündnisses.
6. DIE BÜNDNISPOLITIK KURFÜRST JOHANNS SEIT 1524
6.1. Vorgeschichte VORGESCHICHTE
Als Ausgangspunkt für die ersten Bündnisbestrebungen kann der widersprüchliche Reichstagsabschied von Nürnberg 1524 gesehen werden. Mit dem Beschluss, sowohl das Wormser Edikt soweit wie möglich durchzusetzen, als auch sich auf ein Nationalkonzil in Speyer vorzubereiten, das eine Interimsregelung bis zu einem fernen Generalkonzil schaffen sollte, wurden drei inkompatible Elemente verknüpft.1 Dass diese Regelung keineswegs zur rechtlichen Klärung der Situation beitragen konnte, wurde bereits von den Zeitgenossen erkannt. So äußerte sich Luther sehr treffend zu den Reichstagsbeschlüssen: man solle mit myr handeln nach der acht, zu Wormbs aus gangen, und dasselbige gepott ernstlich volfurten und doch daneben auch das widdergepot annemen, das man auff kunfftigen reichs tag zu Speyer soll aller erst handeln, was gut und böse sey ynn meyner lere. Da bin ich zugleich verdampt und aufs kunfftig gericht gespart.2
Für Kurfürst Friedrich, der vorzeitig aus Nürnberg abgereist war, hatte der kursächsische Gesandte Philipp von Feilitzsch gegen den Abschied protestiert und vergeblich versucht, die Aufnahme des Protests oder wenigstens die Streichung seines Namens aus dem Abschied zu erreichen. 3 Auch Johann glaubte nicht daran, dass man von einem Nationalkonzil viel zu erwarten hätte, da kaum damit zu rechnen wäre, dass unparteiische Leute nach Speyer kämen. Trotzdem hielten er und die Räte es für angebracht, sich für den Speyerer Tag zu rüsten und Gelehrte der Universitäten Wittenberg und Erfurt über Luthers Lehre beraten zu lassen.4 Während Johann also trotz aller Zweifel die Chance nutzen wollte, den evangelischen Standpunkt zu festigen, lehnte Friedrich dies ab und setzte lieber auf direkte Verhandlungen mit Statthalter und Kaiser.5 Andere evangelisch gesinnte Reichsstände dagegen bereiteten sich ausführlich auf das Nationalkonzil 1 2 3 4
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Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 218f. WA Werke, Bd. 15, S. 254. Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 228. Vgl. RTA JR, Bd. 4, Nr. 273, Anm. 1 (Johann an Friedrich, 25. Juli 1524). „Und wiewol wir nit achten konnen, das leichtlich leute zu finden sein werden, die unparteisch, entzweder nur zu seher Luterisch oder zu gar widerpartisch, dorumb auch wenig nutzlicher oder guter ratschlege jeen Speier komen werden, so zweifeln wir doch nit, E.L. werden woll bedenken und uns nach Gelegenhait zu erkennen geben, was dorin zu thun oder furzunehmen sein will.“ Damit will er auch einverstanden sein. Das Bedenken der Räte sandte er auf einem extra Zettel mit. Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 229f.
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6. DIE BÜNDNISPOLITIK KURFÜRST JOHANNS SEIT 1524
vor, so beispielsweise Brandenburg-Ansbach und Nürnberg. Zwischen diesen beiden kam Ende August 1524 auf dem Windsheimer Tag auch erstmals die Frage nach einem Bündnis zur Sprache.6 Dazu sah man sich durch das Handeln einiger weltlicher und geistlicher Fürsten in Süddeutschland veranlasst, die sich im Sommer 1524 unter Leitung des päpstlichen Legaten Kardinal Campeggio zum Regensburger Bund zusammengeschlossen hatten, um einerseits das Speyerer Nationalkonzil zu verhindern und andererseits das Wormser Edikt von 1521 durchzusetzen.7 Nach Kursachsen drangen diese Nachrichten aus dem Fränkischen wohl in erster Linie durch die sächsischen Räte Hans von der Planitz, der offenbar in die Pläne zur Verhinderung einer geistlichen Übermacht im Reichsregiment eingeweiht war, und Albrecht von Mansfeld, der über den Mansfelder Kupferbergbau und Saigerhandel über exzellente Verbindungen nach Nürnberg verfügte. In Kursachsen wurden konkretere Überlegungen jedoch erst im November 1524 angestellt. Albrecht von Mansfeld hatte im Gefolge Herzog Johanns die Hochzeitsfeierlichkeiten von Herzog Georgs Tochter Magdalene mit Joachim II. von Brandenburg am 6. November 1524 in Dresden besucht. Auf der Rückreise am 13. November informierte Johann den Mansfelder Grafen in Altenburg über ein Gespräch zwischen Herzog Georg und Friedrich von Thun.8 Darin hatte Georg nachdrücklich vor der Gefahr eines militärischen Vorgehens des Kaisers gegen Kursachsen gewarnt, das zum Ziel habe, sie der Kurwürde zu entsetzen.9 Auch wenn diese Gerüchte bereits seit längerer Zeit kursierten, so scheint Johann den Vorfall in Dresden zum Anlass genommen zu haben, sich mit seinen Räten über mögliche Abwehrstrategien zu beraten. Vielleicht spielte auch der Umstand eine Rolle, dass gerade an jenem Wochenende das längst gescheiterte Projekt eines Nationalkonzils in Speyer hätte stattfinden sollen. 10 Nach einigen Tagen Bedenkzeit reichte Graf Albrecht ein Gutachten ein, das uns auch über den Inhalt 6
Der Windsheimer Tag war ursprünglich dazu gedacht, eine Solidarisierung der weltlichen fränkischen Kreisstände gegen die Geistlichen und deren Pläne für die Besetzung des Reichsregiments und des Kammergerichts zu planen. Nun nutzte ihn Markgraf Casimir auch zur Koordination des Speyerer Tages. 7 Vgl. Ekkehart FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes und seiner Verfassung 1524/29 – 1531/35, Tübingen 1962, S. 21. 8 Zur Teilnahme Johanns und Albrechts an der Hochzeit in Dresden und deren gemeinsame Rückreise bis Altenburg vgl. Siegfried BRÄUER, Die Vorgeschichte der kursächsischen Bündnisüberlegungen und Luthers Stellungnahme vom 11. Januar 1525, in: Günter VOGLER (Hg.), Martin Luther, Leben-Werk-Wirkung, Berlin 1983, S. 193–221, hier S. 205– 208. Das Datum des Gesprächs zwischen Johann und Albrecht geht aus dem späteren Gutachten des Grafen hervor. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 1, fol. 80r. 9 Vgl. ABKG, Bd. 1, S. 767. 10 Die Stände waren ursprünglich in einem Mandat des Reichsregiments vom 18. April 1524 für den 11. November 1524 nach Speyer eingeladen worden.
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des vorausgegangenen Gesprächs informiert.11 Darin schlug der Mansfelder vor, Johann solle sich zunächst mit anderen Fürsten, die ebenfalls dem Evangelium anhingen, ins Verständnis setzen, um mit ihnen zu beraten, wie man einer gewaltsamen Unterdrückung des Wortes Gottes begegnen könne. Die Landesherren seien es ihren Untertanen schuldig, das Wort Gottes zu schützen und zu erhalten, es bedürfe nur jemandes, der den Anfang dazu mache. Leidenschaftlich setzte Albrecht auseinander, dass man dafür Sorge tragen müsse, dass niemand aus Furcht vom Evangelium abstehen müsse und Prediger es ohne Angst rein und klar verkündigen könnten. Deshalb müssten die Obrigkeiten alles unternehmen, um das gemeine Volk zu schützen. 12 Die Ausführungen Mansfelds verfehlten ihren Eindruck auf Johann nicht. In einem an den Grafen gerichteten Schreiben gestand er, dass er die Ratschläge hin und her bedacht habe, am Ende aber zu dem Schluss gekommen sei vnd konnen doch aus ursachen so in dieser eingelegten schrifft13 begrieffen sein, welche wir auch tzu einer erinnerung halben tzu schicken wollen, bey vns noch nicht wol ermessen, das sichs wolle thun lassen dieser sachen halben verstentnis tzemachen, so wusten wir auch vf diese stunde nicht, bey welchen fursten vnd wie mit bequemlichkeit ansuchung tzuthun sein möchte, dan ir sehet allenthalben wie man den dingen gnaigt ist. Begern derhalben an euch gnedigklich Ir wollet vns auf dis alles euer meynung vnd gutdüncken ferner tzuerkennen geben […].14
Wir sehen also, dass Johann zwar grundsätzlich mit den Vorschlägen Mansfelds einverstanden war, er aber zahlreiche Vorbehalte hatte, die sich aus den Quellen nicht näher benennen lassen. Folgen wir den weiteren Ereignissen, scheint ihm Mansfeld wohl Philipp von Hessen als einen geeigneten Ansprechpartner unter den Fürsten vorgeschlagen zu haben. Gewiss als Vermittler agierend, richtete der Graf Anfang Januar 1525 ein Schreiben mit der Bitte um eine Unterredung in Bündnisfragen an den Landgrafen.15 Einige Wochen später griff Philipp die Anfrage auf und regte bei Johann Friedrich ein Treffen in Kreutzburg an der Werra an.16 Daran nahm am 20. März 1525 neben Johann und Philipp von Hessen auch Johann Friedrich 11 Das Gutachten Albrechts befindet sich im LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 1, fol. 80r– 82v. Im Druck bei BRÄUER, Vorgeschichte der kursächsischen Bündnisüberlegungen, S. 218–220. 12 Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 1, fol. 80r–82r, 17. November 1524). 13 Diese fehlt in der Akte. 14 LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 1, fol. 83. Im Druck bei BRÄUER, Vorgeschichte der kursächsischen Bündnisüberlegungen, S. 221. 15 Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 23, Anm. 36. 16 Philipp von Hessen an Johann Friedrich, 7. März 1525. Vgl. dazu Walter FRIEDENSBURG, Zur Vorgeschichte des Gotha-Torgauischen Bündnisses der Evangelischen 1525–1526, Marburg 1884, S. 40f.
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teil.17 Natürlich wusste Kurfürst Friedrich von dieser Zusammenkunft, Johann hätte in einer solchen Angelegenheit niemals hinter dem Rücken des Bruders und ohne dessen Zustimmung gehandelt.18 Wenn man aber bedenkt, dass Philipp zu diesem Zeitpunkt gerade erst zum evangelischen Glauben gefunden hatte, lässt sich nachvollziehen, dass dieses Treffen nicht das Ziel hatte, sich zu einem Verteidigungsbündnis zu verabreden. Es diente wohl eher dazu, die Ernsthaftigkeit und Beständigkeit der religiösen Neigungen des jungen Landgrafen zu prüfen.19 Etwas anderem hätte der stets vorsichtige Friedrich auch niemals zugestimmt. Dies schließt natürlich nicht aus, dass Johann bei dieser Gelegenheit auch Philipps Bündnisgeneigtheit vorsichtig sondierte.20 Bei diesem ersten Treffen scheint es zunächst geblieben zu sein, zumal mit dem Bauernkrieg und dem Tod Friedrichs des Weisen für Johann andere Themenfelder in den Fokus rückten. Die Mühlhäuser Abrede vom 30. Mai 1525 zwischen Herzog Georg, Landgraf Philipp und Kurfürst Johann brachte den Bündnisgedanken jedoch wieder auf die Tagesordnung. Denn die Abrede beinhaltete auch, dass sich jeder der Fürsten verpflichtete, auch andere Fürsten dazu zu werben, neue Erhebungen der Bauernschaft oder des gemeinen Mannes dauerhaft und wirksam zu unterdrücken.21 Die Anwesenheit seines Neffen Otto von Braunschweig-Lüneburg im Juni 1525 in Weimar nutzte Johann, um dieser Verpflichtung aus der Mühlhäuser Abrede nachzukommen. Ein gemeinsames Antwortschreiben Ottos und seines mitregierenden Bruders Ernst an den Onkel 17 Begleitet wurden die Fürsten von Anselm von Tettau, Christoph von Falkenstein, Georg von Ebeleben und Hans von Berlepsch. Hierbei handelte es sich zweifellos nicht um die „erste Riege“ der kursächsischen Räte. Vgl. BRÄUER, Vorgeschichte der kursächsischen Bündnisüberlegungen, S. 215, Anm. 122. 18 Vgl. ebd., Anm. 3. Johann hatte am 14. März das Schreiben Philipps an Friedrich den Weisen mit dem Hinweis weitergeleitet, dass er damit einverstanden sei. Auch die von Luther am 27. März 1525 in einem Brief an Spalatin ausgedrückte Freude über das Treffen der Weimarer Fürsten mit Landgraf Philipp zeigt, dass die Aktivitäten Johanns am Kurfürstenhof bekannt waren. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 849. 19 Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass noch im Juli 1523 das Gerücht umging, dass Landgraf Philipp einer antireformatorischen Koalition angehöre, die gewaltsame Aktionen gegen die Sachsen vorbereite, um ihnen die Kurwürde zu nehmen. Vgl. WÜLCKER/VIRCK, Planitzberichte, S. 501–504 (Planitz an Friedrich, 27. Juli 1523). Als Beweis seiner Eifrigkeit in Glaubensdingen legte Philipp in Kreutzburg den Weimarer Herzögen ein Schreiben an seinen Schwiegervater Herzog Georg vor, mit dem er versucht hatte, diesen ebenfalls zum Evangelium zu bekehren. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 830 (11. März 1525). 20 Damit lassen sich auch spätere Aussagen Philipps vereinbaren, dass Kursachsen zuerst in der Bündnisfrage an ihn herangetreten sei. Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 24, Anm. 38. 21 Die Mühlhäuser Verabredung ist gedruckt in: ABKG, Bd. 2, Nr. 1006.
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vom 28. Juli zeigt jedoch, dass Johann den Gedanken an ein evangelisches Schutzbündnis nicht aus den Augen verloren hatte. So hatte Johann von seinem Neffen wissen wollen, ob er sich „so künftig Gottes Worts und der evangelischen Wahrheit halben Widerwärtigkeit und Empörung sich zutrügen, mit Hilfe und Beistand von ihnen zu vertrösten hätte, und ob sie noch geneigt wären, sich deswegen oder sonst wie in Bündnisse einzulassen, falls der Kurfürst und andere die aufgerichtet hätten oder noch aufrichten würden“.22 Auf die positive Rückmeldung und die Nachfrage der beiden Fürsten, ob ein solches Bündnis bereits bestünde, antwortete Johann am 5. August, dass er sie, sobald es dazu käme, entweder durch persönliche Einladung oder durch Zusendung einer Abschrift der Urkunde informieren werde.23 Es ist davon auszugehen, dass Johann auch bei einem Treffen mit Markgraf Casimir von Brandenburg-Ansbach vom 6. bis 8. August 1525 in Saalfeld seine Absichten diesbezüglich ansprach. Es scheint jedoch, als wären sie hier nicht auf fruchtbaren Boden gefallen.24 Diese Bestrebungen Johanns zeigen jedoch klar, dass er zum einen dem Vorschlag Albrechts von Mansfeld nach wie vor positiv gegenüberstand und nun auch Anstrengungen zur Umsetzung unternahm, sowie zum anderen, dass er sich keine Illusionen zur Bedeutung der Mühlhäuser Abrede machte. Er nahm den Vertrag als das, was er auch war: ein temporärer Maßnahmenkatalog, um derzeit akute Gefahren effektiv abzuwehren. Mit Sicherheit war sich aber Johann darüber im Klaren, dass Herzog Georg erwartete, dass der Bauernkrieg zur Läuterung und Einsicht Johanns bezüglich der lutherischen Lehre, die er als Wurzel des Aufruhrs sah, geführt hatte.25 Dass Georg nun seine antievangelische Politik umso inten22 Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 62f., Anm. 2. 23 Ebd. Otto und Ernst von Lüneburg waren die beiden ältesten Söhne von Johanns jüngerer Schwester Margarethe und Herzog Heinrich dem Mittleren von Braunschweig-Lüneburg. Beide hatten gemeinsam ab 1512 in Wittenberg studiert, wo Friedrich der Weise ihnen Spalatin als Mentor zur Seite gestellt hatte. Hier waren sie frühzeitig mit den Lehren Luthers in Berührung gekommen. Im Jahr 1520 war ihnen von ihrem Vater Heinrich, der wegen der Hildesheimer Stiftsfehde ins Exil nach Frankreich geflohen war, die Regierung über das Fürstentum Lüneburg übertragen worden. Nach der Flucht des Vaters kehrte ihre Mutter samt den jüngeren Kindern nach Kursachsen zurück. 24 Die Antwort, die Johann von Casimir in Saalfeld bezüglich eines Beitritts zur Mühlhäuser Abrede erhalten hatte, gibt Herzog Georg in einem Schreiben an Kardinal Albrecht und Kurfürst Joachim wieder. Casimir hatte wegen der Mitgliedschaft seines Vaters im Schwäbischen Bund Bedenken, sich an Sachsen und Hessen zu binden. Es ist anzunehmen, dass er dementsprechend einem evangelischen Bündnis noch wesentlich reservierter gegenüberstand, auch wenn er sich selbst seit geraumer Zeit im fränkischen Raum um ein einheitliches Vorgehen insbesondere mit den Städten bemühte, um die Rechte der Bischöfe einzuschränken. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1113 (14. August 1525). 25 Herzog Georg hatte längere Zeit versucht, die Ernestiner über Johann zu einer Abkehr von Luther zu bewegen. Man muss Georg zugestehen, dass diese Bemühungen von einer ehr-
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siver fortführen würde, stand außer Frage. Genau dies geschah bereits mit dem Abschied von Dessau im Juli 1525. Auf diesem Treffen Georgs mit Kardinal Albrecht, Kurfürst Joachim von Brandenburg und den Herzögen Erich und Heinrich von Braunschweig, das eigentlich der vertragsgemäßen Erweiterung der Mühlhäuser Abrede und damit der Landfriedenssicherung dienen sollte, kamen die versammelten Fürsten zudem überein, mit Johann und Philipp auch über die Ausrottung der lutherischen Sekte und den Erhalt der alten kirchlichen Ordnung verhandeln zu wollen. 26 Mit dieser Verabredung, welche die fünf Fürsten in Dessau trafen, war der erste Schritt hin zu einem Konfessionsbündnis getan. Noch setzte man darauf, auch Johann und Philipp zu gewinnen, selbstverständlich unter der Bedingung, beide von der lutherischen Lehre abzubringen. Zu diesem Zwecke sollte Herzog Heinrich von Braunschweig Landgraf Philipp den Dessauer Abschied mitteilen und ihn überzeugen, sich diesem anzuschließen. Herzog Georg, der das Gleiche bei Johann tun wollte, war sich sicher, dass ein Einknicken Philipps auch beim Kurfürsten einen Sinneswandel bewirken würde. 27 Natürlich sollte durch diese Vorgehensweise Druck auf beide ausgeübt werden. Bei einer Zusammenkunft vom 11. bis 13. August in Naumburg wurde Johann schließlich von Georg über die beschlossene Erweiterung der Mühlhäuser Abrede informiert. Obwohl für Johann sofort feststand, dass ein Beitritt zu den Dessauer Vereinbarungen für ihn undenkbar war, bat er um Bedenkzeit, um sich mit Markgraf Casimir abstimmen zu können.28 Natürlich war dies nur ein Vorwand – vielmehr ging es darum, sich mit dem Landgrafen ins Einvernehmen zu setzen.29 So sandte Johann seinen Kämmerer Hans von Gräfendorf unverzüglich nach Hessen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Überraschenderweise hatte man dort noch gar keine Kenntnis von der Dessauer Abrede.30 Es schien
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lichen Sorge um das Seelenheil der Vettern motiviert waren. Auch im Juni 1525 unternahm Georg in einem Schreiben an Johann nochmals den Versuch, ihn vom Irrweg der Lutherischen abzubringen. „Wyr besorgen wol, das leute seyn mogen, dye E.L. dareyn furen und darnach darynnen lassen stecken. Weyl wyr aber wyssen, das E.L. von Christlichem geblut und von tugentlichen Christlichen eldern herkummen, die ane zweyfel das wort gottes also gutwyllig gehort, als wyr ytzt umbeher mogen, dye auch wyder das evangelium und dye Chrystliche kyrche nye gestrebt, so vorhoffen wyr genzlichen, E.L. werde in derselbygen fustappen bleyben und sych leychtfurtge leut, dye das h. evangelium zu yrem nucz in yrem vorstand felschlychen deuten, nicht auf andere wege leyten noch furen lassen.“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1066 (27. Juni 1525). Vgl. ebd., Nr. 1089 (Abschied von Dessau, 19. Juli 1525). Vgl. ebd., Nr. 1093 (Herzog Georg an Herzog Heinrich von Braunschweig, 24. Juli 1525). Vgl. ebd., Nr. 1113. Dennoch setzte Johann Markgraf Casimir von den Dessauer Beschlüssen umgehend in Kenntnis. Vgl. das Schreiben Johann Friedrichs an Casimir vom 17. August 1525, gedruckt in: VON DER LITH, Erläuterung der Reformations-Historie, S. 111f. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1145 (Heinrich von Braunschweig an Georg, 30. September 1525). In diesem Schreiben teilte der Braunschweiger Georg mit, dass es trotz mehrmaliger
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dringend angeraten, in dieser Angelegenheit zusammenzukommen. So verabredete man ein Rätetreffen für den 14. September in Treffurt. Dort sollte es in erster Linie darum gehen, eine gemeinsame Antwort auf das Ansuchen Georgs an Johann und Philipp, dem Dessauer Bund beizutreten, zu geben. Die Antwort wurde mit einer Beschwerde eröffnet, dass Philipp nicht über die Dessauer Beschlüsse informiert worden war. Man wäre gern bereit gewesen, gemeinsam gegen alle, „die boslich und unchristlich handeln und wider die oberkeiten sich emporten“ vorzugehen und dem entgegenzuwirken. „Das wir aber die Lutherischenn secten, als angegeben wurzel der unchristlichen begangen ufrhur, zu beschließen und auszureuten helfen solten […] uns als Christlichen fursten nicht gepuren wil, uns auch unmoglich were.“31 Ferner schlug man ein Religionsgespräch vor, zu dem alle Fürsten ihre Gelehrten schicken könnten. „Und was dan befunden, das am allermeisten dem wort gottes gleich were, das man dasselbig furgehen ließ; was aber am meisten darwider were, das solichs nachpliebe bis auf einen mehrern Christlichern und entlichen beschlus.“ 32 In seinem Antwortschreiben lehnte Herzog Georg dies ab.33 Durch die Reichstagsankündigung Kaiser Karls V. und der Zusendung des Ausschreibens auf Martini nach Augsburg, welches in Kursachsen Anfang September 1525 eintraf, wurden die evangelischen Fürsten veranlasst, ihr weiteres Vorgehen zu koordinieren. Nun war es Landgraf Philipp, der die Initiative ergriff und seinen Kammermeister Rudolf von Waiblingen zu Johann sandte. In dieser Werbung verlieh Philipp seiner Befürchtung Ausdruck, dass der Reichstag dazu genutzt werden könnte, das Evangelium zu unterdrücken und damit weitere Gefahren wie Aufruhr unter dem gemeinen Volk zu provozieren. Um dies zu verhindern, bat er Johann, den Reichstag persönlich zu besuchen und dazu die Herzöge von Lüneburg, Pommern, Mecklenburg und „wen sunst E.L. vor gut und dem wort gottes anhengig zu sein ansehn thete“ ebenfalls dazu aufzufordern. Philipp werde sich ebenfalls um die persönliche Teilnahme diverser Fürsten bemühen. Wenn man dann in Augsburg wäre, müsse man sich besprechen und zu einer Einigung kommen, die man auch den Reichsstädten mitteilt. So könne man geschlossen die Zustimmung zu Beschlüssen, die Gottes Wort entgegen seien, Versuche bisher noch nicht zu einer Unterredung zwischen ihm und Philipp gekommen sei. Auch Georg selbst hatte das Thema bisher bei seinem Schwiegersohn nicht anklingen lassen. Vgl. Nr. 1099 (Instruktion für Christoph von Taubenheim zu einer Werbung bei Philipp, 26. Juli 1525). 31 Ebd., Nr. 1139 (Johann und Philipp an Georg, 15. September 1525). 32 Ebd. 33 Georg antwortete auf das Schreiben am 2. Oktober 1525. Zunächst rechtfertigte er sich dafür, Philipp nicht über die Dessauer Beschlüsse informiert zu haben, damit, dass Herzog Heinrich von Braunschweig dies übernehmen sollte. Dass diese gegenüber den Mühlhäuser Beschlüssen verändert seien, läge daran, dass die anderen Fürsten dies so sehen. Vgl. ebd., Nr. 1146.
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verweigern. Zum Schluss erging die Aufforderung an Johann, seine Meinung dazu mitzuteilen und alles geheim zu halten.34 Johann erteilte Waiblingen daraufhin die Antwort, dass er bereits in Erwägung gezogen habe, persönlich nach Augsburg zu reisen, jedoch beabsichtige, zur Eröffnung zunächst einen Rat zu senden, um zu sehen, wie viele Fürsten überhaupt anwesend wären.35 Der Aufforderung, bei den von Philipp erwähnten Fürsten um persönliche Teilnahme zu werben, komme er gern nach. Außerdem übersende er ihm die Ansbacher theologischen Gutachten, die Markgraf Casimir in Ankündigung des Speyerer Nationalkonzils sowohl von katholischen als auch evangelischen Theologen hatte anfertigen lassen. Verbunden mit der Bitte, diese geheim zu halten, solle Philipp seine Meinung dazu mitteilen. Zudem habe Johann Nachricht, dass die Städte eine Botschaft zum kaiserlichen Statthalter Erzherzog Ferdinand abordnen wollen, um über ihn beim Kaiser zu erreichen, auf dem Reichstag doch über Religionsangelegenheiten verhandeln zu dürfen. 36 Obwohl Johann sofort nach Nürnberg geschrieben hatte, um „vertreuliche unterrichtung“ zu erhalten, war die Antwort von Bürgermeister und Rat während Waiblingens Aufenthalt in Kursachsen noch nicht eingetroffen.37 Offenbar kurz nach Erhalt der Antwort beauftragte Johann den Grafen Albrecht von Mansfeld damit, ein Gutachten dar34 Vgl. Christoph VON ROMMEL (Hg.), Urkundenband zur Geschichte Philipps des Großmüthigen, Bd. 3, Gießen 1830, S. 10–13 (Instruktion für Rudolf von Waiblingen an Kurfürst Johann). 35 Am 21. bzw. 22. Oktober 1525 erteilte er seinem Vertreter am Reichsregiment in Esslingen, Philipp von Feilitzsch, Befehl und Vollmacht, sich als kursächsischer Gesandter um den Martinstag zum Reichstag nach Augsburg zu begeben. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 97a, b. Bis auf den Befehl, seine Anwesenheit bei den kaiserlichen Vertretern anzuzeigen und herauszufinden, welche Stände bereits in Augsburg eingetroffen waren, hatte er noch keine weiteren Instruktionen. Diese folgten erst mit der Anreise Hans von Minkwitz’ im November. Vgl. ebd., Nr. 97d, e. 36 Vgl. ebd., Nr. 48 (13. Oktober 1525). „So gelangt uns landmersweis ahn, das sich die reichssteten, welche itzt neulich zu Speier die iren beisamen gehabt, davon unterred sollen haben, wie ein botschaft zu dem Ehg. von Osterreich und folgends an ksl. Mt. ein schrift durch die post in Hispanien geschickt und untertenigklich gebeten sold werden, in den mandaten, damit Kff., Ff. und stende zu dem reichstage erfordert, sovil das gotlich wort anlanget, veranderung zu thun und zu gestaten, das auf angezaigtem reichstage von ceremonien und anderm, das sich nach dem evangelion geburt, gehandelt muge werden.“ Zum Abschied der Reichsstädte in Speyer vgl. ebd., Nr. 27 (9. September 1525). 37 Die Antwort Nürnbergs ist auf den 21. Oktober 1525 datiert. Vgl. ebd., Nr. 29 (Nürnberg bestätigte darin die Information und legte die Gründe der Städte für diesen Schritt dar: Man sei der Meinung, dass aufgrund des scharfen Reichstagsausschreibens, welches die Durchsetzung des Wormser Edikts fordere und den Ständen gleichzeitig verbiete, über Religionsangelegenheiten zu beratschlagen und zu beschließen, es zu keinerlei Beruhigung der Situation kommen werde. Das Gegenteil sei der Fall, neuer Aufruhr im Volk sei zu befürchten. Deshalb sei es unabdingbar, dass der Kaiser den Ständen das Recht einräume, die Religionssachen in Augsburg zu verhandeln.
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über einzureichen, welche Chancen er einer solchen Botschaft einräume. In dem undatierten Gutachten geht Mansfeld davon aus, dass die Botschaft zwar zustande komme, aber in der Kürze der noch bis zum Reichstag verbleibenden Zeit nicht mit einer Antwort des Kaisers zu rechnen sei. Dies habe den Vorteil, dass man unter dem Hinweis, noch auf die Stellungnahme des Kaisers warten zu wollen, den Reichstag hinausschieben könne. Hinzu käme, dass durch das Ansuchen der Städte Karl V. gezwungen sei, sich mit der lutherischen Lehre näher auseinandersetzen zu müssen. Wan dan dy Kff. Ff. und andere stende, wy dan dy vom adel sonder zweifel der mhererteyl des auch mit einigk sein wurden, ksl. Mt. des glaubens halb mit grundlichem bericht ersuchen wurden, mit erbietung, sovil des leib und gut belanget, zu pillicher, undertheniger wilfarung zu sein. Aber deweil der glaub von nymands dan von Got darfliessen must, wurde sonder zweifel solhs bei ksl. Mt. hochlich bewogen und zu anderm gut bewegt und gefurt werden, durdurch mocht vil blütvergiessen und anderer merglicher nachteil und verderb, so sich begeben mocht, verhuetet werden.38
Damit bekräftige Albrecht von Mansfeld wiederholt gegenüber Johann seine Auffassung, dass ein Zusammengehen aller evangelischen Fürsten und Stände unbedingt nötig sei, um sich der Übermacht der Geistlichen entgegenzustellen.
6.2. Das Gotha-Torgauer Bündnis DAS GOTHA-TORGAUER BÜNDNIS
Nach einem weiteren Schriftwechsel Johanns mit Landgraf Philipp einigte man sich darauf, den Kurprinzen Johann Friedrich zu einer persönlichen Unterredung auf den 8. November 1525 nach Friedewald zu schicken.39 Aus der Instruktion Johanns an seinen Sohn geht hervor, dass sich das Ansinnen Philipps bezüglich einer persönlichen Teilnahme des Kurfürsten am Reichstag geändert hatte. Offenbar hatte Philipp Johann vor nicht näher benannten geheimen Händeln gewarnt, die dazu führen könnten „wo wir eigner person auf den Reichstag kämen und nit thun wolten, was man gern sähe, das wir nit mochten widerumb sicher davon kommen.“ 40 Johann Friedrich sollte nun herausfinden, um welche Art von Händeln es sich 38 RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 29, Anm. 2. In dem Gutachten gibt Albrecht auch Detailwissen über die Botschaft an Ferdinand preis, das in dem Schreiben Nürnbergs an Johann nicht zur Sprache kommt. In der Tat war Albrecht, der in regem Kontakt zu den Nürnbergern stand, bereits am 3. Oktober 1525 in ausführlicher Form über die Beschlüsse des Städtetages informiert worden. Vgl. ebd., Nr. 53, Anm. 5. 39 Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 27, Anm. 53. 40 Vgl. Leopold VON RANKE, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd. 6, München 1926, S. 103. Bei solchen besorgniserregenden, aber nicht weiter spezifizierten Mitteilungen handelt es sich um eine Spezialität Philipps, der man häufig in seinen Briefen an Johann begegnet.
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drehe und ob Philipp selbst beabsichtige, den Reichstag zu besuchen, beziehungsweise welche Vollmacht er seinen Räten zu erteilen gedenke. Selbstverständlich sollte Johann Friedrich auch die Pläne der Reichsstädte zur Sprache bringen und herausfinden, was der Landgraf davon hielt.41 Bei Johann schwingt diesbezüglich eine gewisse Zurückhaltung mit, wenn er seinen Sohn instruiert, Philipp auch anzuzeigen „was von etlichen derhalben fur gutt angesehen, und das sie rhaten, solche schickung solt zu underlassen sein“.42 Dennoch zeigte sich Johann offen für eine Verständigung mit verschiedenen Fürsten, Grafen und Städten bezüglich des Evangeliums. Bei den Besprechungen in Friedewald offenbarte Philipp schließlich seine konkreten Pläne, in welcher Art und Weise Hessen und Kursachsen, die aus seiner Sicht ohne Zweifel die Führung der Angelegenheit übernehmen sollten, in Augsburg handeln müssten. Der Landgraf präferierte dabei eine schrittweise Strategie: Zunächst sollten sich der hessische und der kursächsische Gesandte treffen, um sich „zu unterreden und des evangeliums halben zu vereynigen.“ Sei dies geschehen, könne man die Gesandten des Pfalzgrafen, der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg sowie des Markgrafen von Baden hinzuziehen. Erst wenn auch diese einstimmig darin übereingekommen wären, des Evangeliums halben „für einen Mann stehen“ zu wollen, sollten die Trierer Gesandten informiert werden. Wenn diese ebenfalls Zustimmung signalisieren würden, seien sie aufzunehmen und in alle Beratungen einzubeziehen. Im Falle einer ablehnenden Haltung der Trierer sollte man durch Unterhändler an die Gesandten der Städte Nürnberg, Augsburg, Ulm und Straßburg herantreten, ihnen die Vereinigung der Fürsten anzeigen und sich über einen gemeinsamen Standpunkt verständigen. Die Städte sollten ihrerseits versuchen, auch andere Städte, die dem Evangelium zuneigten, in die Vereinigung mit einzubeziehen. Um auch die in Augsburg anwesenden Grafen anzusprechen und um einen eventuell für die Verhandlungen mit den Städten benötigten Unterhändler zur Hand zu haben, forderte Philipp schließlich Johann auf, Graf Albrecht von Mansfeld nach Augsburg zu senden. So gestärkt wollte man geschlossen vor den Statthalter und die kaiserlichen Kommissare treten, um diesen anzuzeigen, wie stark man durch die ausgegangenen Mandate belastet sei.43 Zu 41 Auch Philipp war bereits, wahrscheinlich ebenfalls Ende Oktober 1525, von den Nürnbergern über die Pläne der Städte informiert worden. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 30 (Jakob Rorer, Sekretär Nürnbergs an den hessischen Kanzler Johann Feige, 8. November 1525). In diesem Schreiben, aus dem hervorgeht, dass es bereits zuvor eine Information gab, zeigt Rorer dem hessischen Kanzler an, dass die Botschaft gescheitert sei. Philipp leitete es am 25. November an Johann weiter. 42 Vgl. ebd., Nr. 50. Es ist unklar, wen Johann damit meint. 43 Selbst eine Instruktion dafür wurde bereits in Friedewald entworfen, wobei Johann Friedrich offenbar zustimmte, den letzten Nürnberger Abschied als Richtschnur für weitere
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welchem Ergebnis all diese Bestrebungen führen sollten, fasste Philipp in einem Satz zusammen: „Aus dem were zu hoffen, das solche beschwerliche und schwinde mandate, sovil das hl. evangelium belangen thut, mit gotlicher hulf in anderunge mochte gefurdt und von der sachen ferner gehandelt werden.“44 Aus diesen Ausführungen wird klar, dass der Landgraf in Augsburg nichts dem Zufall überlassen wollte und beabsichtigte, dabei äußerst strategisch vorzugehen. Dieser Augsburger Reichstag hatte in seinen Augen nur einen einzigen Zweck: das koordinierte Zusammengehen aller evangelisch gesinnten Stände und die Bekanntmachung von deren Forderungen gegenüber Ferdinand und den kaiserlichen Kommissaren. Dazu war es überhaupt nicht notwendig, dass die Fürsten selbst nach Augsburg kamen, im Gegenteil, für die Art von Sondierungsgesprächen, die Philipp anstrebte, war die Anwesenheit der mit entsprechenden Vollmachten ausgestatteten Räte völlig ausreichend. Der Landgraf plante stattdessen ein gesondertes Treffen aller, die sich in Augsburg einig waren, um den Weihnachtstag 1525 herum.45 In einem Schreiben vom 21. November zeigte sich Johann einverstanden mit dem von Philipp und Johann Friedrich ausgehandelten Aktionsplan, allerdings mit der Einschränkung, dass dieser nur zum Tragen käme, falls wirklich jegliche Beratungen über die neue Lehre und die Gravamina der weltlichen gegen die geistlichen Stände verboten würden.46 In der Tat beinhaltete die Instruktion, die Johann am 14. November 1525 an Hans von Minkwitz und Philipp von Feilitzsch ausgestellt hatte, dass Minkwitz sich in der Religionssache an die Absprachen von Friedewald halten sollte. Allerdings erweiterte Johann die Vollmacht insofern, dass Minkwitz zunächst nicht nur mit den Gesandten des Landgrafen, sondern auch mit denen der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach verhandeln sollte. Auch die später immer wieder erhobene Forderung Kursachsens, einem gemeinsamen politischen Handeln müsse ein gemeinsames Bekenntnis vorausgehen, klingt das erste Mal an, wenn Johann Minkwitz instruiert, sich in Augsburg mit den land- und markgräflichen Verhandlungen heranzuziehen, obwohl Kursachsen dagegen protestiert hatte. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 95a sowie KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 253. 44 RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 51 (Bedenken Landgraf Philipps über ein Bündnis in Religionssachen, 8. November 1525). 45 Vgl. ebd. Zu diesem Treffen sollten dann nicht nur Gesandte und Vertreter geschickt werden. 46 Vgl. ebd., Nr. 53. „Weil aber bei Ihnen selbst [gemeint sind die Reichsstädte] und andern mehr befunden, das ksl. ausgangen mandat ein andern verstand, dan villeicht von eur L., uns und andern mehr dafur geacht, in sich halten sol, so achten wir nhumals an noth, von der maynung, wie sich eur L. mit unserm son jungst unterred, zu Augsburg zu handeln.“ Offenbar hatte Johann kurz zuvor die Nachricht vom Scheitern der Städtebotschaft an Erzherzog Ferdinand erhalten. Das Scheitern wurde damit begründet, dass sie das Ausschreiben bzgl. des Verbots „von den eingefallen neuerungen und leeren wider die alten cristlichen gepreuch“ zu verhandeln, falsch verstanden hatten. Vgl. ebd., 5/6, Nr. 30.
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Gesandten über das Ansbacher Religionsgutachten zu besprechen. Philipp teilte er mit, dass er eine Klärung der Streitpunkte durch die Gesandten wünsche.47 Derweil setzte Johann seine Bemühungen fort, auch andere Stände für die Friedewalder Abreden zu gewinnen. So hielten sich Ende November sowohl Herzog Heinrich von Mecklenburg als auch Fürst Wolfgang von Anhalt in Torgau auf. In beiden Fällen gelang es ihm, die Verhandlungen zu einem positiven Abschluss zu bringen.48 In Augsburg selbst tat sich dagegen wenig. Die kursächsischen Gesandten Philipp von Feilitzsch und Hans von Minkwitz waren am 10. bzw. 19. Dezember in der Reichsstadt eingetroffen und mussten feststellen, dass außer Erzherzog Ferdinand und den beiden kaiserlichen Kommissaren kein weiterer Fürst anwesend war, sodass der Reichstag noch nicht eröffnet werden konnte. Am 24. Dezember sandten die beiden einen ersten Zwischenbericht nach Sachsen.49 Von besonderem Interesse sind dabei die Angaben Minkwitz’, der mit den Religionsverhandlungen betraut war. 50 So berichtet er, dass er bereits sowohl mit Markgraf Casimir als auch mit dem hessischen Gesandten Balthasar Schrautenbach gesprochen hätte. Dabei wären auch die Fortschritte bei der Gewinnung weiterer Mitstreiter zur Sprache gekommen. Verabredungsgemäß hatte Landgraf Philipp versucht, die Kurfürsten von Trier und Pfalz zu gewinnen, was jedoch noch nicht geglückt sei. Schrautenbach ließ Minkwitz gegenüber aber durchblicken, dass er „zu Tryer nit guten trost hat“. In der Nachschrift des Briefes findet sich schließlich die entscheidende Information, nämlich die, wie sich Markgraf Casimir zu den vorgeschlagenen Bündnisplänen stellte. Was Minkwitz in viele Worte kleidete, lässt sich ebenso leicht wie schnell formulieren: Casimir lehnte, wie bereits im Sommer in Saalfeld, ein Bündnis als unnötig ab. Bezüglich des Planes aller Evangelischen, Ferdinand darum zu bitten, die Religionsangelegenheiten verhandeln zu dürfen, hegte er insofern Bedenken, als er selbst auf dem Reichstag als kaiserlicher Kommissar fungierte und für ihn keineswegs feststand, dass dies überhaupt verboten sei.51
47 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 97d, 53. 48 Vgl. ebd., Nr. 53, Anm. 4. Am 26. November teilte Johann Landgraf Philipp mit, dass Herzog Heinrich sich der gemeinsamen Sache anschließe und seinem Gesandten in Augsburg entsprechende Befehle erteilen werde. Fürst Wolfgang erteilte seinerseits dem kursächsischen Gesandten Hans von Minkwitz Vollmacht. Vgl. ebd., Nr. 102a. 49 Sowohl Minkwitz als auch Feilitzsch berichteten an Johann, dass Erzherzog Ferdinand darauf drang, den Kurfürsten persönlich kennenzulernen. Vgl. ebd., Nr. 41, 42. 50 Über die Friedewalder Vereinbarungen war nur Hans von Minkwitz informiert. Vgl. ebd., S. 72. 51 RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 42. Minkwitz hatte den Bericht an Johann bereits fertig, als Casimir ihn zu sich beorderte, um ihm seine Meinung bzgl. der Friedewalder Abreden zu eröffnen.
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Auch wenn sich Nürnberg52 und Graf Georg von Wertheim offen für die sächsisch-hessischen Pläne gezeigt hatten, konnte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass mit dem Rückzug des Brandenburgers bereits fünf Tage nach dem Eintreffen des kursächsischen Gesandten klar wurde, dass es zumindest in Augsburg unmöglich wäre, die Friedewalder Abreden umzusetzen. Auch die äußerst optimistischen Einschätzungen insbesondere Philipps, welche Fürsten für ein Bündnis zu gewinnen seien, hatten einen gehörigen Dämpfer erhalten. Sicher ist diese Entwicklung auch in Zusammenhang damit zu sehen, dass der schlechte Besuch des Reichstages, die sich abzeichnende Verschiebung und die Diskussion über den Handlungsspielraum in der Religionsfrage einigen Ständen die Notwendigkeit, sich auf ein Bündnis einzulassen, als zu gering erscheinen ließ. Die Berichte Minkwitz’ und Schrautenbachs zeigen jedoch, dass bei den Trägern der Pläne selbst kein Zweifel bestand und diese ausgezeichnet und sehr eng zusammenarbeiteten. So nimmt es nicht wunder, dass sehr bald nach dem Beschluss, den Reichstag auf den 1. Mai 1526 nach Speyer zu verschieben, Kursachsen und Hessen ihre Aktivitäten fortsetzten. Entschlossen voranzugehen, vereinbarten Johann und Philipp ein Treffen für den 27. Februar 1526 in Gotha. Dazu lud man auch die Reichsstadt Nürnberg ein, deren Gesandte sich in Augsburg so zugänglich gezeigt hatten.53 Es kann als sicher gelten, dass beide Fürsten keine Kenntnis davon hatten, dass der Nürnberger Rat bereits Ende Dezember 1525 mit der Anweisung an seine Gesandten in Augsburg, die kursächsischen und hessischen Räte in der Bündnisangelegenheit zu vertrösten, da man erst die Ergebnisse des Reichstages abwarten wolle, einen Rückzieher unternommen hatte.54 Dementsprechend fiel nun auch die Antwort Nürnbergs aus. In einem sehr ausführlichen Schreiben legte man die Gründe dar, weshalb man im Moment nicht in ein Bündnis willigen könne.55 Wir haben keine Zeugnisse darüber, welche Wirkung diese Absage auf Johann und Philipp hatte. In einem Vorschlag der Räte beider Fürsten heißt es jedoch, den Nürnbergern sei in jedem Fall schriftlich zu antworten, und zwar „mit radt der hl. geschrift gelerten und verstendigen“.56 Auch wenn dies in der Absicht geschehen sollte, mit theologisch fun-
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Einige Tage später gab Casimir dem hessischen Gesandten Schrautenbach die gleiche Antwort. Ebd., Nr. 43. Auf seiner Reise nach Augsburg hatte Minkwitz in Nürnberg Station gemacht und dem Rat den Friedewalder Aktionsplan vorgelegt. Am 18. Dezember zeigte Nürnberg seinen Gesandten in Augsburg an, dass man mit den Plänen einverstanden sei und sie sich entsprechend verhalten sollten. Vgl. ebd., Nr. 43, Anm. 2. Die Einladung vgl. ebd. (4. Februar 1526). Vgl. ebd., Anm. 1. Vgl. ebd. (15. Februar 1526). Diese Aufgabe sollte Luther zukommen, dem aber sehr wahrscheinlich weder die Hintergründe des Bündnisses noch der Bündnistext bekannt gemacht wurden. Johann und
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dierten Argumenten die Bedenken der Stadtoberen zu zerstreuen, war man sich doch darüber im Klaren, dass es besser sei, „beschließlich weither nichts bey inen dißmals [zu] such[en], sunder das das alles in ir weither nachdencken [zu]stelle[en].“57 An dem Plan einer nun ausschließlich kursächsisch-hessischen Zusammenkunft in Gotha wurde aber festgehalten. Das Anliegen dieses Treffens kennen wir aus einem Bedenken der kursächsischen und hessischen Räte. Das Hauptziel war klar formuliert: sich im Namen Gottes zum Schutz von Land und Leuten sowie Leib und Gut zu vereinigen. Hierbei sollte es sich jedoch nur um den ersten Schritt handeln, da man davon ausging, mit diesem Vorangehen anderen Fürsten, Herren und Städten die Scheu zu nehmen, sich ebenfalls anzuschließen. Allerdings gaben die Räte zu bedenken, dass es so kurz vor dem Speyerer Reichstag schwer werden könnte, andere zu einer größeren Zusammenkunft zu überreden. Schlussendlich fügte man eine Vorschlagsliste an, wer zum Beitritt in ein Bündnis geworben werden sollte. Auch hier zeigt sich insbesondere bei denen, die von Landgraf Philipp angesprochen werden sollten, eine äußerst optimistische Haltung bezüglich der möglichen Mitstreiter.58 Was die Räte in ihrem Gutachten bereits andeuteten, wurde auch Johann schnell bewusst: In der Kürze der Zeit würde es ein äußerst schwieriges Unterfangen werden, mit jeder Partei einzeln zu verhandeln. Wiederum war es Graf Albrecht von Mansfeld, der einen Ausweg bereitzuhalten schien. Dieser hatte Philipp ging es um eine rein theologische Legitimation eines Bündnisses unter Aussparung der politischen Argumente. Vgl. dazu WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 110–114. 57 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 58 (Bedenken der kursächsischen und hessischen Räte über die Aufrichtung eines Bundes, Gotha, Ende Februar 1526). 58 Vgl. ebd. Kurfürst Johann sollte mit den Markgrafen von Brandenburg-Ansbach, den Herzögen von Liegnitz, Preußen, Lüneburg, Pommern, Mecklenburg, Philipp von Braunschweig-Gubenhagen, den Grafen Wilhelm und Berthold von Henneberg, Fürst Wolfgang von Anhalt, den sechs Städten der Oberlausitz sowie mit Magdeburg, Nürnberg, Erfurt und Nordhausen verhandeln. Landgraf Philipp mit Pfalz und allen Herzögen von Bayern, die zur Pfalz gehören, Trier, Markgraf Philipp von Baden, Erich und Heinrich von Braunschweig, dem Bischof von Osnabrück, den Grafen in Franken, in Westfalen, im Westerwald und in der Wetterau sowie den Städten Frankfurt, Worms, Speyer und Straßburg. Da man sich der Bündnisbereitschaft Heinrichs von Mecklenburg und der Lüneburger Herzöge bereits sicher sein konnte, wurden diese ebenfalls zu weitergehenden Beratungen mit den Städten Hamburg und Lübeck herangezogen. Als weitere Beratungspunkte auf dem Treffen in Gotha werden in dem Gutachten der Umgang mit dem Mainzer Ratschlag und die Unterstützung der Stadt Erfurt bei der Einführung der Reformation genannt. In der Tat trafen am 4. März 1526 der kursächsische Rat Anarg von Wildenfels und der hessische Rat Sigmund von Boyneburg mit einer Kredenz ihrer Fürsten zur Einführung des Evangeliums in Erfurt ein. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1216 (Georg von Werthern an Dietrich von Werthern, 8. März 1526) sowie Nr. 1235 (Philipp von Reibisch, Amtmann zu Herbsleben an Georg, 8. April 1526).
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bereits im Vorjahr den Kurfürsten versucht zu animieren, ein Aufnahmegesuch an den Lippeschen Bund zu stellen, dessen Mitglied er selbst war. Nun brachte er in Gotha diese Option erneut zur Sprache.59 Die Vorteile einer Mitgliedschaft Johanns lagen auf der Hand. Nicht nur, dass darin nahezu alle Fürsten Norddeutschlands, die man in Gotha als potenzielle Kandidaten für das eigene Vorhaben ins Auge gefasst hatte, Mitglieder waren, darüber hinaus boten die bereits gefestigten Strukturen des Bundes eine optimale Grundlage, um schnelle und effektive Verhandlungen führen zu können. Nachdem mit Herzog Heinrich von Mecklenburg am 15. Dezember 1525 ein weiterer mit Johann befreundeter und vertrauter Fürst dort aufgenommen worden war, ließ auch er sich überreden, sich um seine Aufnahme zu bemühen.60 Bereits kurz nach den Vereinbarungen von Gotha kam es schließlich am 12. März 1526 in Halberstadt zur Zusammenkunft der Lippeschen Bundesmitglieder, um dort über die Aufnahme Johanns zu beraten. Die Hoffnungen zerschlugen sich allerdings, als die Gesandten Erichs von Braunschweig-Calenberg und Heinrichs von Wolfenbüttel, welche sich auch im Dessauer Bund engagierten, die Aufnahme verhinderten.61 Offenbar sehr überrascht von dieser Entwicklung schrieb Johann am 21. März an Heinrich von Mecklenburg, dass er, hätte er geahnt, dass es so kommen würde, weder diesem noch den Pommernfürsten den Eintritt in den Bund geraten oder empfohlen hätte. Auch wenn in diesen Zeilen eine gewisse Enttäuschung mitschwingt, so war sich Johann offenbar sicher, dass die Ablehnung, die ausschließlich durch Gesandte zustande gekommen war, sich noch ändern lassen würde, wenn die Fürsten persönlich zusammenkämen. So habe ihm Graf Albrecht von Mansfeld geschrieben, dass ein neuer Tag auf den 13. Mai
59 Zur Anwesenheit Albrechts von Mansfeld in Gotha vgl. die Information des albertinischen Rats Georg von Breitenbach an Herzog Georg über das Treffen Johanns und Philipps in Gotha. „Es ist aber uber das nymand von herschaft aldo, dan graf Albrecht v. Manßfelt.“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1214 (4. März 1526). 60 Am 15. Dezember 1525 waren neben Heinrich von Mecklenburg, der diesen Schritt mit Johann abgesprochen hatte, auch die Herzöge Georg I. und Barmin IX. von Pommern aufgenommen worden. Am 31. Dezember 1525 schrieben Albrecht von Mansfeld und Philipp von Braunschweig-Grubenhagen an Heinrich von Mecklenburg, dass sie bei Johann „die Wege gesucht, dadurch dieser gewilligt, sich zu euch und zu uns in die Lippesche Einung zu begeben“. Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 74, Anm. 1. 61 Dass diese Entwicklung für Johann überraschend kam, macht allein der Umstand klar, dass man kurz zuvor bei den Absprachen in Gotha noch davon ausgegangen war, dass es möglich wäre, die beiden Braunschweiger Fürsten für die eigene Sache gewinnen zu können. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 58. Auch scheint er keine Informationen darüber gehabt zu haben, dass Heinrich als Abgesandter des Dessauer Bundes zum Kaiser nach Spanien gereist war, um diesen davon zu überzeugen, hart gegen die Lutheraner vorzugehen.
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1526 nach Magdeburg anberaumt worden sei „als ich meine, da sollen die Fürsten in eigner Person hinkommen, die da bei dem Wort Gottes stehen wollen.“62 Wir wissen nicht genau, was bis zu diesem 13. Mai passierte, das geplante Treffen der Lippeschen kam jedoch nicht zustande. Stattdessen trafen sich auf Einladung Johanns am 11. Juni in Magdeburg einige Fürsten und Herren, die dem Evangelium zuneigten. Zuvor wurde dem in Gotha abgesprochenen Bündnis zwischen Kursachsen und Hessen eine feste Form gegeben. Am 2. Mai unterzeichneten Johann und Philipp in Torgau den von der kursächsischen Kanzlei ausgearbeiteten Bündnisvertrag.63
6.3. Magdeburger Bündnis MAGDEBURGER BÜNDNIS
Kaum nach Kassel zurückgekehrt, erhielt Philipp offenbar Informationen über eine Reise Herzog Heinrichs von Wolfenbüttel zum Kaiser nach Spanien und deren Ausgang.64 In dem Wissen, dass auch das Mainzer Domkapitel Gesandte zu Kaiser und Papst deputiert hatte, hielt der Landgraf es für dringend geboten, 62 Ebd., S. 75, Anm. 4. 63 Vgl. ebd., Nr. 60. Nach einer sehr langen Einleitung, die der Rechtfertigung und Erklärung der Notwendigkeit dieses Bündnisses dient, folgt der eigentliche recht kurze Bündnistext. „Alßo wo die obberurten widersacher und ir anhang von wegen des gotlichen worts und der dinge, ßo demselbigen nach wider die vorgedachten mißpreuch in unsern furstenthumben und landen furgenomen und gehalten werden, oder auch andere sachen zum schein wolten furgewandt werden, da es doch berurts gotlichen worts halben im grunde gemeint wurde und unser yeder umb soliche furgewendte scheinsachen, inmassen wie oben berurt, erkenthnus und weysung dulden konten, das wir leip und gut, land und leuth und alles vermogen beyeinander zu setzen, auch einer dem andern, der daruber angegriffen, ubertzogen oder beschwert wolt werden, aufs sterckst, ßo wir ummer vermogen, auf unser aigen kosten und scheden zutziehen und zu hilf und errettung komen wollen, doch in alwege unser vertrauen nit auf uns oder dieselbigen unser land und leuth, sunder zu und auf Got den Almechtigen nach seinem gotlichen willen durch uns als einem wercktzeugk und instrument, dem auch wenig ist, mit vielen oder wenigen wider die vheinde zu siegen, zu wircken, demutiglich und mit andacht gesetzt und gestelt haben, alles mit treuer, christlicher und rechter meynung und an alles geverde.“ 64 Offenbar war die vom Dessauer Bund zu Weihnachten 1525 in Leipzig beschlossene Mission Herzog Heinrichs den Evangelischen lange verborgen geblieben. Heinrich war im Februar 1526 nach Spanien aufgebrochen, um dem Kaiser die Lage im Reich darzulegen und ihn um geeignete Maßnahmen im Kampf gegen die Evangelischen zu bitten. Karl V. gewährte ihm in Sevilla Audienz und man beschloss, alle katholischen Fürsten durch Mittelsmänner persönlich oder schriftlich anzusprechen und aufzufordern, an ihrem Glauben festzuhalten. Dabei wurde Heinrich als Unterhändler für den sächsischen Kreis bestimmt. Sofort nach seiner Rückkehr aus Spanien im April 1526 begann Heinrich mit seinen Werbungen im Namen des Kaisers. Wahrscheinlich hatte Philipp nun darüber Informationen erhalten. Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, S. 74–76; FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 82–88.
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dass auch die Evangelischen dem Kaiser gegenüber Stellung bezögen, da es ihnen sonst „bey seiner Mt. einen grossen argwon, verdacht und unwillen, auch eine hohen unglimpf bringen und geperen wurde“.65 Sofort wandte er sich an Johann und bat diesen, keine Zeit verstreichen zu lassen, sondern seine Räte anzuweisen, unverzüglich eine Instruktion für eine solche Gesandtschaft auszuarbeiten, die der Kurfürst dann Markgraf Casimir, der Stadt Nürnberg, den Lüneburger Herzögen und anderen, bei denen er es als sinnvoll erachte, vorlegen solle. Das geballte Einwirken der Katholischen auf den Kaiser muss auch auf Johann einen bedrohlichen Eindruck gemacht haben. So zögerte er nicht, seine Räte die von Philipp geforderte Instruktion erstellen zu lassen. Ob der überlieferte Entwurf, der im bewährten kursächsisch-defensiven Stil gehalten ist,66 das war, was sich Landgraf Philipp als Gegengewicht zu den offenbar massiven Klagen der katholischen Partei vorgestellt hatte, muss offen bleiben. Indes entschied Johann, anstatt aufwendige Einzelverhandlungen zu führen, die unmittelbar bevorstehende Magdeburger Zusammenkunft zu nutzen, um dort allen anwesenden Ständen den Vorschlag einer Botschaft an den Kaiser zu unterbreiten. Das von den kursächsischen Räten ausgearbeitete Verzeichnis gibt Aufschluss, welche Punkte noch in Magdeburg verhandelt werden sollten. So knüpfte man an die bereits für den Augsburger Reichstag beschlossenen Abreden von Friedewald an und erklärte, dass es nun auch in Speyer unumgänglich wäre, dass sich die evangelischen Stände einig seien. So lief der Magdeburger Tag – zu dem ohnehin nur diejenigen Stände geladen waren, deren evangelischer Gesinnung man sich sicher sein konnte – in erster Linie darauf hinaus, sich gegenseitiger Einigkeit zu versichern, ohne bereits Details oder gar eine Strategie für Speyer zu besprechen. Die Kursächsischen erhofften sich, dass man damit einverstanden wäre, die Planung der Einzelheiten dem Kurfürsten, seinen Räten und Gelehrten zu überlassen. Auf dem Weg nach Speyer oder auch erst dort, sollte ihnen dann die erarbeitete Vorgehensweise bekannt gemacht werden.67 Zum Abschluss der Verhandlungen wurde den Geladenen der Torgauer Bündnisvertrag zwischen Johann und Landgraf Philipp vorgelegt „und wo ire furstl. gn. auch darein willigen und schließen wollten, als unser genedigster her sich genzlich vorsehen, auch fruntlich biten thete, sold alsdan solch bundnus durch ein vorschreibung inmassen mit unsern genedigst und genedigen herrn wie gemelt auch aufgericht und volzogen werden“.68 65 RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 86 (Philipp an Johann, 5. Mai 1526). 66 Vgl. ebd., Nr. 82 (Instruktionsentwurf, ca. Mai 1526). Zu den parallel stattfindenden Reichstagsvorbereitungen Johanns und Philipps vgl. Abschnitt 5.2.1. 67 Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, Beilage II, S. 500–504. Für den Fall, dass die Stände sich mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden erklärten, sollte alternativ ein Treffen der Räte zu Beratungen vereinbart werden. Johanns Räte ließen jedoch keinen Zweifel daran, dass sie dies als den schlechteren Weg ansahen. Vgl. S. 502. 68 Ebd., S. 503f.
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Schaut man sich die Gewichtung der einzelnen Abschnitte des Gutachtens an, gewinnt man nicht den Eindruck, als wäre die Erweiterung des Torgauer Bündnisses das vordringlichste Anliegen des Magdeburger Treffens gewesen. Viel wichtiger erscheint die gegenseitige Zusage der Unterstützung in Speyer, „vor ainen man zu stehen“ und in diesem Zusammenhang freie Hand für die weiteren Planungen zu bekommen. Gut möglich, dass diese Gewichtung bereits auf den reduzierten Teilnehmerkreis abgestimmt war, denn zu Johanns Enttäuschung war nicht nur Markgraf Casimir nicht erreichbar gewesen, sondern auch die Herzöge von Pommern und die Bischöfe von Osnabrück und Paderborn hatten ihr Kommen abgesagt.69 Nachdem man offenbar zwei Tage lang diskutiert und beraten hatte, unterzeichneten schließlich alle Teilnehmer des Treffens am 12. Juni 1526 die Beitrittserklärung zum Torgauer Bund. Schaut man sich die Namen der Unterzeichner an, Johann von Sachsen, Kurprinz Johann Friedrich, Ernst und Franz von Braunschweig-Lüneburg, Philipp von Braunschweig-Grubenhagen, Heinrich von Mecklenburg, Wolfgang von Anhalt und Graf Albrecht von Mansfeld, wird schnell klar, dass es sich dabei um einen Kreis von Personen handelte, der mit Johann engstens verwandt, verschwägert oder befreundet war.70 Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass deren Beitritt ohnehin den kursächsischen Erwartungen entsprach, zumal all diejenigen, welche den Plänen skeptisch gegenüberstanden, gar nicht erst angereist waren. Damit stand die Bereitschaft der Unterzeichner, in Speyer geschlossen aufzutreten, außer Frage. Bezüglich einer Gesandtschaft an den Kaiser einigte man sich darauf, zunächst die Ergebnisse des Reichstages abzuwarten, der bereits begonnen hatte.71 Nach Abschluss der Verhandlungen trat überraschenderweise die Stadt Magdeburg an die Teilnehmer mit dem Wunsch heran, ebenfalls in das Bündnis aufgenommen 69 Vgl. ebd., S. 90f. Ebenso blieben die Grafen von Henneberg aus. Neben Johann selbst waren es in erster Linie Heinrich von Mecklenburg und Albrecht von Mansfeld gewesen, die sich um das Zustandekommen des Magdeburger Tags bemüht hatten. 70 In einem Schreiben vom 18. Juni 1526 teilte Johann dem Landgrafen Philipp den Ausgang der Magdeburger Verhandlungen mit. „Wollen E.L. nit bergen, dass wir auf denselben Sonntag zu Abend (Sonntag nach Bonifacii, 9. Juni) neben unserm l. Sohn Herz. Johann Friedrich und unserm jungen Vettern Herz. Franciscus von Luneburg zu Magdeburg (eingekommen sind), dahin sich die hochgebornen Fursten unsere l. Vettern und Schwäger auf unser hievor getanes freundliches Ansuchen und Schreiben, als Herzog Philips und Herzog Ernst Gevettern von Braunschweig und Luneburg, Herzog Heinrich von Mekelburg, Fürst Wolf von Anhalt und Graf Albrecht von Mansfeld neben uns auch begeben, die haben wir nach allerlei Unterredung und gehabten bedenken dahin bewogen, dass sie sich neben E.L. und uns, so viel das göttlich Wort und was demselben anhangt belangen thut, in unsere vorige freundliche aufgerichtete und angenommene Verständniß auch eingelaßen und begeben, dieselbig auch so bald auf die Zeit neben uns vollzogen untersigelt und mit aigener hand unterschrieben haben.“ Vgl. VON RANKE, Deutsche Geschichte, Bd. 6, S. 106f. 71 Am 12. Juni fertigte Johann von Magdeburg aus Philipp von Feilitzsch als seinen Gesandten ab.
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zu werden. Dazu schrieb Johann an Landgraf Philipp, da man ja wisse, „das sie dem gotlichen Wort aus Gottes Gnaden wol genaigt und demselben anhengig, auf ir untertheniges Suchen Bitten und Erbieten inn diese christliche Verständniß genommen, das sie mit sonderlicher Freud und untertheniger Danksagung vermarckt“. 72 So konnte Johann das von ihm initiierte Treffen durchaus als erfolgreich ansehen. Einen Fürsten hatte er jedoch noch auf seiner Liste, von dem er sicher glaubte, ihn ebenfalls für den Torgauer Bund gewinnen zu können: den Herzog Albrecht von Preußen.73 Noch ehe Johann zum Reichstag nach Speyer aufbrach, entsandte er seinen Rat Hans von Gräfendorf nach Königsberg, um dort Verhandlungen mit Albrecht zu führen. Offenbar war dessen Instruktion stark an das Gutachten der kursächsischen Räte für das Magdeburger Treffen angelehnt. Neben der Nachricht, dass Albrecht sich aus verschiedenen Gründen gegen eine Teilnahme an einer Gesandtschaft an den Kaiser aussprach, konnte Gräfendorf dem Kurfürsten melden, dass der Preußenherzog einem Bündnis nicht abgeneigt sei, jedoch eine weitere Zusammenkunft, die er für Michaelis in Breslau vorschlug, für notwendig hielt.74 Nach einigen Schwierigkeiten und Verhandlungen in Breslau und Torgau kam das Bündnis schließlich am 10. März 1527 zustande.75 72
VON RANKE, Deutsche Geschichte, Bd. 6, S. 107. Magdeburg wurde zunächst nur mit einer
feierlichen Erklärung aufgenommen, die eigentliche Bündnisurkunde wurde ihnen erst später zugestellt. 73 Bei Albrecht von Preußen handelt es sich um einen Spross der Hohenzollern der Brandenburg-Ansbacher Linie. Er ist der Bruder der Markgrafen Casimir und Georg von Brandenburg-Ansbach. Als Kind für eine geistliche Laufbahn bestimmt, war er der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens, bevor er mit der Einführung der Reformation 1525 das Ordensland in ein säkulares Herzogtum umwandelte. 74 Vgl. Stephan STOY, Erste Bündnisbestrebungen evangelischer Stände, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Altertumskunde 14 (1889), S. 5–270. Beilage 1 (Antwort auf das Anbringen Hans von Gräfendorfs, Königsberg, 5. Juli 1526). Gräfendorf wurde am 11. Juni 1526 direkt aus Magdeburg nach Königsberg abgefertigt. Dort vertrat er auch Kurfürst Johann bei der Hochzeit Albrechts von Preußen mit Dorothea von Dänemark am 1. Juli. Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 29. 75 Vgl. STOY, Erste Bündnisbestrebungen, Beilage III (Bündnisurkunde zwischen Herzog Albrecht von Preußen und Landgraf Philipp) sowie Beilage II (Bericht Hans von Minkwitz’ über den Breslauer Tag, 7. Oktober 1526) u. Beilage IV (Instruktion Herzog Albrechts von Preußen für Eck von Reppichau als Gesandten an Johann, 13. November 1526). In erster Linie war es wohl Philipp, der Bedenken gegen den Eintritt Albrechts in das Bündnis hegte. Zum einen waren ihm die Mittel, welche Albrecht im Falle eines Angriffs zusagte, zu gering und zum anderen lagen seine Gebiete viel zu weit weg, um effektive Hilfe leisten zu können. Noch im Januar 1527 berichtete Johann Friedrich nach direkten Verhandlungen mit Philipp dem Vater: „[…] mich deucht der buntnus sein so fil, das s.l. will zu schwer werden.“ Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 60, Anm. 4 (Johann Friedrich an Johann, 31. Januar 1527). Johann konnte dem jedoch entgegensetzen, dass die Aufnahme Albrechts mit großer Wahrscheinlichkeit der Türöffner zu den Brandenburg-Ansbacher Markgrafen
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So lässt sich zusammenfassen, dass Johann, als er am 8. Juli nach Speyer aufbrach, dies in der Gewissheit tat, alles in seiner Macht Stehende getan zu haben, um eine verbindliche Einigkeit unter den in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Fürsten zu schaffen. Engagiert und zielstrebig hatte er darauf hingearbeitet, möglichst viele Fürsten für das Torgauer Bündnis zu gewinnen. Dabei kann zwar nicht übersehen werden, dass in vielen Fällen wichtige Impulse von außen, in erster Linie von Philipp von Hessen und Albrecht von Mansfeld, kamen – von einem passiven und abwartenden Verhalten, welches die Handlungsmaxime Friedrichs des Weisen gewesen war, ist jedoch bei Johann wenig zu spüren. Gut ein Jahr nach dem Tod des Bruders lässt sich am Vorabend des Speyerer Reichstags mit Fug und Recht sagen, dass Johann aktive und konsequente evangelische Einigungspolitik betrieben hatte und mit seiner Zielstrebigkeit dem energiegeladenen und ungestümen jungen Landgrafen in nichts nachstand. Gestärkt durch die Erfolge der letzten Wochen und eine sorgfältige Planung des Reichstagsbesuches stand einem selbstbewussten und bestimmten Auftreten in Speyer nichts im Wege. In der Tat sehen wir Johann im Kurfürstenrat entsprechend agieren. Immer wieder gelang es ihm, sich trotz isolierter Stellung Gehör zu verschaffen und seine Ansichten durchzusetzen.76 Dieser Erfolg resultierte ohne Zweifel auch aus Johanns bestimmter, aber bescheidener Art des Auftretens, in dem wohl einige Stände einen wohltuenden Gegensatz zum herrischen Habitus Ferdinands sahen. Dass der Reichstag daneben die Gelegenheit bot, mit anderen Ständen in Kontakt zu treten und hinsichtlich der evangelischen Bündnisbestrebungen zu verhandeln, war von vornherein klar. Besonders wichtig erschien dabei der Pfälzer Kurfürst, auf den insbesondere Philipp sehr hoffte. Doch dessen Werbungen waren umsonst, Kurfürst Ludwig lehnte das Angebot des Landgrafen ab. Auch Johann, der auf Bitten Philipps an den Kurfürsten herantrat, konnte das Blatt nicht wenden.77 sowie anderen Herrschern Nordeuropas sein würde. Vgl. STOY, Erste Bündnisbestrebungen, S. 62–77. 76 Vgl. dazu Abschnitt 5.2.1. 77 In einem Memorial, das auf den 2. bis 4. August 1526 datiert ist, schlug Philipp unter anderem vor, Johann möge beim Pfälzer Kurfürsten anregen, die Einigung, die Kursachsen mit Kurpfalz bereits früher einmal eingegangen war, zu erneuern. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. E, Nr. 106, fol. 87–88. Mit dem Zusammenschluss, auf den Philipp hier anspielt, kann nur der Kontrabund gemeint sein. Als Gegengewicht zum Schwäbischen Bund gegründet, war Kursachsen diesem 1515 beigetreten. Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 203. Dass sich Johann und Philipp von der Absage nicht entmutigen ließen, zeigt ein Schreiben Ludwigs von der Pfalz aus dem Jahre 1527, in dem er erneut ein Angebot zu „einer weitern zusamenvorbindung“ ablehnt und dabei an die bereits auf dem Reichstag in Speyer 1526 erteilte Absage erinnert. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 130 (Kurfürst Ludwig an Johann und Philipp, 16. August 1527).
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Offener zeigten sich dagegen die oberdeutschen Reichsstädte. Die ersten Initiativen gingen dabei von den Städten selbst und Landgraf Philipp aus. Noch ehe Johann in Speyer eintraf, befand sich der Hesse bereits im Dialog mit Straßburg, Ulm, Frankfurt, Augsburg und vor allem mit Nürnberg. Nachdem die Nürnberger es ein halbes Jahr zuvor abgelehnt hatten, an der Besprechung Johanns und Philipps in Gotha teilzunehmen, wollten sie sich nun, wenn auch nur bei ungünstigem Ausgang der Reichstagsverhandlungen, den Weg in ein Bündnis mit den Fürsten offen halten. Die Einladung Albrechts von Mansfeld an die Städte zu einem Gastmahl am 25. Juli kann durchaus als eine indirekte Werbung Kursachsens um diese verstanden werden.78 Direkte Verhandlungen führte man erst wieder ab Mitte August, als sich abzeichnete, dass keine Lösungen auf dem Reichstag zu erzielen wären. So bestellten Johann und Philipp am 12. August die Gesandten der Städte Augsburg, Nürnberg und Straßburg zu sich, um ihnen erneut ein Bündnis vorzuschlagen. Alle Gesandten berichteten darüber nach Hause, nicht ohne den Hinweis, dass es in Anbetracht der Entwicklungen das Beste wäre, wenn auch nicht für sofort, so doch für später, die Option auf einen Zusammenschluss nicht auszuschlagen. Die meisten Städte, insbesondere Nürnberg, blieben jedoch bei ihrer eher vorsichtigen Haltung und wollten zunächst abwarten, welche Ergebnisse die vom Reichstag beschlossene Gesandtschaft an Kaiser Karl V. bringen würde.79 Allerdings verabredete man, sich zur nächsten Fastenmesse in Frankfurt/Main zu weiteren Beratungen treffen zu wollen. Für Johann und Philipp war damit jedoch Ende August 1526 endgültig klar, dass die erhoffte Erweiterung des Torgauer Bündnisses auf dem Reichstag nicht zu erreichen sein würde. Konsequenterweise reisten denn auch der Landgraf am 21. August und Johann am 25. August aus Speyer ab.80 Bereits kurz nach dem Ende des Speyerer Reichstags am 27. August machte im Reich eine Nachricht die Runde, welche für kurze Zeit den Fokus der Stände ganz und gar auf die Türkengefahr lenkte. König Ludwig II. von Ungarn war am 29. August in der Schlacht von Mohács gefallen. Die Türken standen nun in Ungarn, also unmittelbar vor den Grenzen des Reichs. Eilends berief das Reichsregiment für den 1. Dezember 1526 einen Fürstentag nach Esslingen, um dort über eine schnelle Türkenhilfe zu beraten. Nie zuvor hatte dieses Notfallgremium getagt, das seine Existenz der Wormser Regimentsordnung von 1521 78 Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 308–314. 79 „Also nemlich, das nit abgeschlagen werde, sunder dass angehenckt pleib stan byss dass die botschaft, die zu keis. Maj. von reichstenden in Hispanien verordnet, widder anheyms khom und wass do gehandlett werdt zu erwarthen.“ STOY, Erste Bündnisbestrebungen, S. 110, Anm. 1. Vgl. dazu auch den Briefwechsel zwischen Nürnberg, Ulm und Straßburg im Dezember 1526. RTA JR, Bd. 7,1, S. 2. 80 Vgl. FRIEDENSBURG, Reichstag zu Speier 1526, S. 460f. Die oben erwähnten Verhandlungen mit dem Pfälzer Kurfürsten führte Johann sehr wahrscheinlich erst nach der Abreise Philipps, ebd., S. 456, Anm. 2.
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verdankte. Da neben der Türkenhilfe auch die in Speyer beschlossene Gesandtschaft an den Kaiser verabschiedet werden sollte, fanden sich alle Fürsten entweder persönlich oder durch Vertreter nahezu rechtzeitig in Esslingen ein, sodass die Verhandlungen am 10. Dezember beginnen konnten.81 Für Johann waren Hans von Minkwitz und Christoph Groß deputiert, ebenso reiste Albrecht von Mansfeld, der als Gesandter an den Kaiser vorgesehen war, nach Esslingen.82 Unabhängig von den Ergebnissen zur Türkenhilfe mussten die Kursächsischen ernüchtert zur Kenntnis nehmen, dass lediglich das Scheitern der Gesandtschaft an den Kaiser verkündet wurde. Aufgrund des unzureichenden Geleits, welches der französische König ausgestellt hatte, schätzte man die Gefahren für eine solche Mission als zu hoch ein und sagte sie deshalb ab. Zwar vermutete Hans von Minkwitz als zusätzlichen Grund den mangelnden Eingang der notwendigen Gelder,83 doch Johann war überzeugt davon, dass es die Katholischen gewesen seien, die den Plan einer reichsständischen Gesandtschaft hintertrieben und vereitelt hätten.84 Auch wenn objektiv betrachtet die Erfolgsaussichten einer Gesandtschaft an den Kaiser sehr gering waren, so schien sie im Moment doch die einzige Möglichkeit, die Stände aus ihrer Handlungsunfähigkeit in der religiösen Frage zu befreien. So verwundert es kaum, dass nun durch Johann und Philipp die bereits im Mai 1526 ins Auge gefasste Option einer evangelischen Sonderbotschaft wiederbelebt wurde. Rasch konnte man die Nürnberger für diesen Plan gewinnen, diese wiederum warben auch bei anderen Städten dafür.85 Während Land81 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, S. 100f. Da sich aber das Fürstengremium bezüglich der Türkenhilfe allein für nicht beschlussfähig hielt, schrieb das Reichsregiment einen neuen Reichstag für den 1. April 1527 nach Regensburg aus. 82 Vgl. ebd., S. 907 sowie MBW, Nr. 514 (Melanchthon an Joachim Camerarius, 28. November 1526). Camerarius, ein enger Freund Melanchthons, sollte Albrecht von Mansfeld als Lateindolmetscher nach Spanien begleiten. Vgl. ebd., Nr. 500. 83 Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. E, Nr. 107, fol. 90–91 (Hans von Minkwitz an Johann, 18. Dezember 1526). 84 Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. E, Nr. 108, fol. 73–75 (Johann an Hans von Minkwitz, 21. Dezember 1526) sowie RTA JR, Bd. 7,1, S. 7f., 26. In der Tat waren die Gründe für die Absage sehr fadenscheinig. So war nicht nur die Abreise der Gesandten mutwillig verzögert worden, auch der Gefahr, dass zu wenig Geld eingehen würde, hatte man in Speyer klar vorgebeugt, indem man die Reichsstädte Nürnberg und Augsburg wie üblich verpflichtet hatte, für diesen Fall die nötigen Mittel vorzustrecken. 85 Vgl. den diesbezüglichen Schriftwechsel zwischen Johann, Philipp und Nürnberg im Dezember 1526 und Januar 1527 in: ebd., S. 4–7. In diesem Zusammenhang wurde zwischen Johann und Philipp auch der Gedanke ventiliert, die Türkenhilfe ganz zu verweigern bzw. nur mit einer Protestation zu hinterlegen. Vgl. ebd., S. 7f. Während Philipp daran festhielt und auch bei den Städten in Frankfurt für diese Vorgehensweise warb, hinterlegte Johann die geforderte Hilfe im Januar 1527. Zur gleichen Zeit verhandelte Johann Friedrich im
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graf Philipp sich persönlich für das Zustandekommen der evangelischen Botschaft engagierte, sehen wir auf kursächsischer Seite den mit Nürnberg verbundenen Albrecht von Mansfeld als Vermittler.86 Das Zusammengehen mit den Städten, das wohl in erster Linie als Projekt Landgraf Philipps angesehen werden muss, aber auch von Johann, wie wir im Falle Magdeburgs gesehen haben, mitgetragen wurde, gewann immer mehr an Bedeutung. Als sich am 12. April 1527 die Städte Augsburg, Nürnberg, Straßburg und Ulm zu Beratungen in Frankfurt am Main einfanden, trat ihnen der hessische Rat Balthasar von Schrautenbach, der auch für Kursachsen zu handeln ermächtigt war, zur Seite.87 Entschlossen, die Angelegenheit zu einem guten Ende zu führen, legte dieser den Städten sogleich einen Bündnisentwurf vor. Doch die Intentionen der Städte hatten sich seit Speyer nicht verändert. Nach wie vor war man bemüht, die Verbindung zu den beiden Fürsten nicht abreißen zu lassen, sich auf konkrete Zusagen oder gar ein Bündnis einzulassen, lag jedoch nicht in ihrer Absicht. So kann es nicht verwundern, dass alle Städtegesandten lediglich die Anweisung hatten, Beschlüsse auf „Hintersichbringen“ zu fassen.88 Eine Antwort sollte auf dem Regensburger Reichstag erteilt werden. Doch wiederum siegte die Vorsicht. Auf dem Regensburger Reichstag im Frühjahr 1527 wiesen alle vier Städte ihre Vertreter an, die Frankfurter Absprachen auf sich beruhen zu lassen und das Bündnis nicht auszufertigen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Reichstag schwach besucht war, denn außer dem kaiserlichen Statthalter Philipp von Baden war kein einziger Fürst persönlich erschienen, drohten keine negativen Beschlüsse hinsichtlich des Evangeliums.89
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Auftrag Johanns direkt mit Landgraf Philipp über eine Gesandtschaft nach Spanien. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 60. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 5 (Hieronymus Ebner und Caspar Nützel an Albrecht von Mansfeld, 11. Januar 1527); STOY, Erste Bündnisbestrebungen, Beilage XI (Nürnberg an Albrecht von Mansfeld, 13. Februar 1527). Johann hatte Philipp mitgeteilt, dass seine Räte in anderen Geschäften gebunden seien, sodass es nicht möglich wäre, jemanden nach Frankfurt zu schicken. Philipp war zwar nicht sehr erbaut von dieser Absage, kam aber dem Wunsch Johanns nach, seinen Gesandten Schrautenbach auch in kursächsischem Namen zu ermächtigen. Vgl. STOY, Erste Bündnisbestrebungen, S. 161. Ein Teil des Bündnisentwurfs ist gedruckt in: RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 14. Vgl. dazu auch FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 338, Exkurs X; STOY, Erste Bündnisbestrebungen, S. 162–170, Beilage XVI (Bericht des Augsburger Gesandten Wagner über den Frankfurter Tag, 13. April 1527). Johann sandte aufgrund der Nachrichten vom schwachen Besuch des Reichstags erst gar keinen eigenen Gesandten nach Regensburg. Der kursächsische Beisitzer im Reichregiment, Philipp von Feilitzsch, vertrat Kursachsen allein und erstattete Bericht. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 58 (Johann an Herzog Heinrich von Mecklenburg, 1. Mai 1527); S. 75 (Johann an Philipp von Feilitzsch, 16. Mai 1527).
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Dies mag es für die Städte umso leichter gemacht haben, ein Bündnis mit den Fürsten erneut auszuschlagen. Trotzdem kann dabei nicht von einer negativen Entwicklung gesprochen werden, denn mit den Verhandlungen in Speyer 1526 und Frankfurt 1527 waren ohne Zweifel die ersten wichtigen Schritte hin zu einer späteren Verständigung getan.
6.4. Die Pack’schen Händel DIE PACK’SCHEN HÄNDEL
In der Zwischenzeit erlitt allerdings das bis dahin ungetrübte kursächsischhessische Vertrauensverhältnis durch die sogenannten Pack’schen Händel 1528 einen empfindlichen Rückschlag. Ihnen kommt nicht nur insofern eine besondere Bedeutung zu, als die Ereignisse zwischen Februar und Juni 1528 das Vertrauen in den wichtigsten evangelischen Partner, Landgraf Philipp, so stark erschütterten, dass die Ressentiments, die daraus rührten, noch Jahre später zu spüren waren, sondern dass auch ein Paradigmenwechsel Johanns in der Bündnispolitik eintrat. So nahm an dieser Stelle durch die erstmalige Einwirkung der Theologen auf die Entscheidung des Kurfürsten und seiner Räte in einer rein politischen Frage eine Entwicklung ihren Lauf, die zweifelsohne in eine zunehmende Behinderung einer aktiven gesamtprotestantischen Bündnis- und Reichspolitik durch theologische Prädispositionen mündete.90 In der Forschung und der Literatur hat diese Wendung Johanns wenig Beachtung gefunden, vielmehr konzentrierte man sich auf Otto von Pack und Landgraf Philipp und stritt ausführlich darüber, wen von beiden eine größere moralische Schuld träfe und wer die größeren Vorteile aus der Fälschung des Breslauer Bündnisses gezogen habe. Die Frage danach, wer letztlich wen in welcher Form animiert hatte, erregte die Gemüter sehr lange Zeit und soll deshalb hier nicht erneut diskutiert werden.91 Vielmehr soll der Fokus auf Johann gerichtet sein, denn es kann als sicher gelten, dass im Zuge der Verwicklungen Charakterzüge Philipps wahrgenommen wurden, die sowohl vom Kurfürsten selbst als auch von seinem Umfeld als nicht vertrauenswürdig beurteilt wurden, was schließlich dazu führte, dass Johann 90 Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 114. 91 Man beachte dazu insbesondere die Einleitung bei Hilar SCHWARZ, Landgraf Philipp von Hessen und die Pack’schen Händel, Leipzig 1884, S. 1–4 in Bezug auf die Arbeit von Stephan EHSES, Geschichte der Packschen Händel, Freiburg 1881. Sowie knapp 80 Jahre später FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 33–37, außerdem Exkurs XI–XIV in Bezug auf die Arbeiten von Kurt DÜLFER, Die Packschen Händel. Darstellung und Quellen, Marburg 1958 und Johannes KÜHN, Landgraf Philipp von Hessen. Der politische Sinn der sogenannten Packschen Händel 1528–1928, in: Staat und Persönlichkeit, 1928, S. 107–129.
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zunehmend auf individuelle statt auf gesamtprotestantische Lösungen in der Religionsfrage setzte. Ebenso kann die Zeit der Pack’schen Händel als Paradebeispiel für die Auswirkungen des schlechten Verhältnisses zu Herzog Georg und dem damit einhergehenden Mangel an offener Kommunikation gesehen werden. Ihren Ausgangspunkt fanden die Pack’schen Händel in dem Anliegen Philipps, den geächteten und vertriebenen Herzog Ulrich von Württemberg zur Restitution seiner Lande zu verhelfen. Dabei standen, neben persönlichen Beziehungen Philipps zu Ulrich, in erster Linie politische und religiöse Beweggründe im Vordergrund. Aufgrund zahlreicher Vergehen Ulrichs, vor allem jedoch wegen eines Überfalls auf die Reichsstadt Reutlingen im Jahre 1519, wurde er von den Ständen des Schwäbischen Bundes 1520 aus Württemberg vertrieben. Das Gebiet übergab man an Kaiser Karl V., der es durch seinen Bruder Ferdinand verwalten und damit faktisch zu einem Teil der österreichischen Erblande der Habsburger werden ließ.92 Als nun Mitte der 1520er Jahre die Absicht Karls V., seinen Bruder Ferdinand zum römischen König wählen zu lassen, immer deutlicher zutage trat, fürchteten die deutschen Stände die Etablierung eines habsburgischen Erbkaisertums, dessen Einflusses, zumal im Besitz der württembergischen Gebiete, man sich nicht mehr würde entziehen können. Für Philipp war darüber hinaus von großer Bedeutung, dass sich Ulrich inzwischen dem Evangelium zugewandt hatte und keinen Zweifel daran ließ, dass er bei seiner Wiedereinsetzung als Herzog von Württemberg die Reformation dort einführen würde. Obwohl an seiner Vertreibung nicht unschuldig und von fragwürdigem Charakter, begann Philipp ab 1526 unter den oben beschriebenen Vorzeichen bei befreundeten Fürsten für die Unterstützung der Restitution zu werben.93 Seine wichtigsten Ansprechpartner waren dabei die Kurfürsten von Sachsen und der Pfalz. Mit Philipps Hilfe sollte Ulrich wieder hoffähig gemacht werden. Dazu hielt sich der Herzog nun regelmäßig in Hessen auf, wo Philipp ihn unterhielt.94 92 Zur Problematik der Vertreibung Ulrichs von Württemberg durch den Schwäbischen Bund und die Preisgabe des Herzogtums an Kaiser Karl V. vgl. Jakob WILLE, Philipp der Großmüthige von Hessen und die Restitution Ulrichs von Wirtemberg 1526–1535, Tübingen 1882, S. 4–18. 93 Der Auftritt Ulrichs auf dem Reichstag in Speyer 1526 und dessen Ausführungen über die negativen Folgen, die eine Wahl Ferdinands zum römischen König nach sich ziehen würde, scheinen für Philipp den Ausschlag gegeben zu haben, sich aktiv für eine Restitution Ulrichs einzusetzen. 94 In einem Brief vom 31. Juli 1534 schreibt Ulrich an Philipp: „Wir wissen uns aber wol zuerindern, was und wie lang E.L. uns und die unsern sidther dem ersten reichstag zu Speir underhalten, nit mit geringen costen, mit futter und mal, mit gelt, das E.L. uns geben hab, desgleichen auch mit cleidungen.“ WILLE, Die Restitution Ulrichs von Wirtemberg, S. 334.
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Jede Gelegenheit wurde genutzt, um das Anliegen des Herzogs in Erinnerung zu bringen. Dabei sehen wir Johann stark in deren Pläne involviert. Neben Zusammenkünften Anfang Dezember 1526 in Eisenach95 sowie im Juni 1527 in Marburg,96 wurde auch die Hochzeit Johann Friedrichs mit Sibylle von Kleve im Juni 1527 in Torgau genutzt, um mit zahlreichen Fürsten über Maßnahmen zur Lösung der württembergischen Frage zu verhandeln. 97 Zumindest was die Hochzeit seines Sohnes anbelangt, hat es den Anschein, als wäre es Johann lieber gewesen, wenn Ulrich von Württemberg nicht teilgenommen hätte.98 Natürlich blieb dem Reichsregiment das Treiben des Hessen nicht verborgen. Sowohl im September als auch im November 1527 forderte dieses Philipp auf, den mit der Reichsacht belegten Ulrich nicht weiter bei sich zu beherbergen, da man sonst nicht umhin käme, die Acht auch auf den Landgrafen auszuweiten.99 Nun, da es hart auf hart zu kommen schien, wandte er sich hilfesuchend sowohl an Johann als auch an seinen Schwiegervater Herzog Georg. Während ihm Johann und Johann Friedrich Unterstützung zusagten,100 warnte Herzog Georg ihn davor, sich weiterhin durch Ulrich in Schwierigkeiten zu bringen, und riet, lieber den Anweisungen des Reichsregiments Folge zu leisten.101 Nicht nur die drohende Acht des Reichsregiments gegen Philipp, sondern auch weitere mittel- und unmittelbare Drohungen einiger katholischer Fürsten gegen die Evangelischen hatten dazu geführt, dass die politische Lage Ende 95
Vgl. STOY, Erste Bündnisbestrebungen, S. 188, Anm. 3. Offenbar bat Landgraf Philipp nach dieser Zusammenkunft Herzog Johann Friedrich direkt, für die Sache Ulrichs von Württemberg einzutreten, während Johann unter Hinweis auf sein Interesse an der Belehnung mit den böhmischen Lehen versuchte, eine geplante kursächsisch-hessischkurpfälzischische Gesandtschaft an König Ferdinand zugunsten Ulrichs zu verzögern. 96 Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 42–44. Kurfürst Johann reiste im Juni 1527 zur Taufe von Philipps erster Tochter Agnes (* 31. Mai 1527) nach Marburg. Laut Spalatin war Johann einer der Taufpaten. Vgl. STRUVE, Neu-Eröffnetes historisch- und politisches Archiv, 3. Teil, S. 113. 97 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 60. 98 „Es hat auch der landgr. von Hessen den hz. von Wirthenbergk mit dohin gein Torgaw bracht, den nimand, dan er allein, gerne gesehen, und wiewol der churf. s.f.g. under augen geschrieben und dovor gebeten, hat er doch denselbigen gast s. kfl. g. des ungeacht ins haus bracht […].“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1457 (Wolf von Schönberg zu Glauchau und Waldenburg an Kardinal Albrecht, 22. Juni 1527). 99 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 131 (5. September 1527); S. 167 (29. November 1527). 100 Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 32. 101 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1486 (Georg an Philipp, nach 1. Oktober 1527). Auch in den nächsten Wochen drehte sich der Schriftwechsel zwischen Philipp und Georg mehrheitlich darum, wie sich der Landgraf am Besten gegenüber dem Reichsregiment verhalten solle. Georg blieb bei seiner Empfehlung, dass sich sein Schwiegersohn nicht den Anweisungen des Regiments widersetzen sollte. Vgl. ebd., Nr. 1511, 1520 sowie ABKG, Bd. 3, Nr. 1532, 1536.
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1527/Anfang 1528 äußerst angespannt war. 102 Landgraf Philipp trug sich in dieser Situation offenbar mit dem Gedanken, der Vollstreckung der Reichsacht zuvorzukommen, indem er sich durch Angriffe auf die Gebiete der Würzburger und Mainzer Bischöfe ein Unterpfand verschaffen wollte. Diese Pläne teilte er Johann im Geheimen mit.103 Nicht zuletzt diese Überlegungen ließen viel Raum für Spekulationen über die Rolle Ottos von Pack in Bezug auf die Urheberschaft der gefälschten Breslauer Bündnisurkunde. Fest steht, dass es Pack war, der dem Landgrafen seine Vermittlerdienste in dem seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen Hessen und Nassau um die Herrschaft in Katzenelnbogen anbot, worauf Philipp einging.104 Schließlich traf Pack Anfang Januar 1528 in Hessen ein.105 Bei einer der ersten Zusammenkünfte mit Philipp muss dieser ihm nun von einem Bündnis, das im Mai 1527 zwischen Ferdinand, Herzog Georg, Joachim von Brandenburg, Albrecht von Mainz und den Bischöfen von Würzburg und Bamberg geschlossen worden sein soll, erzählt haben. Das Ziel dieses Bündnisses sollte es sein, die lutherische Ketzerei gänzlich auszurotten und alle Satzungen und Ordnungen der alten Kirche überall wieder einzuführen. Zunächst sollte Johann Zapolya mit vereinten Kräften aus Ungarn vertrieben und Ferdinand dort eingesetzt werden. Dann wollte man dem Kurfürsten von Sachsen auf Befehl des Kaisers gebieten, dass er uns Martinum Luther, den Erzketzer soll überreichen, samt allen erzketzerischen 102 Vgl. SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, S. 17f. sowie DÜLFER, Die Packschen Händel, Quelle 77 (spätere Rechtfertigung Philipps, welche Ursachen dazu geführt hatten, dass ihm das Breslauer Bündnis absolut plausibel erschien, Juni 1528). 103 Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, Exkurs XII. Fabian bezieht sich dabei auf ein undatiertes Schreiben Philipps an Johann, in welchem Philipp einen solchen Präventivschlag ankündigt. Vgl. dazu auch RTA JR, Bd. 7,1, S. 167, Anm. 4. Wie man auch immer diese Ankündigung Philipps werten will, sie zeigt, dass seine Überlegungen, in welche Richtung ein Erstschlag im Fall des Falles zu richten sei, bereits Ende 1527 recht weit gediehen waren. Es erscheint fraglich, ob Johann ähnliche „Planspiele“ verfolgte. 104 „Mir wirt auch angeczeiget, wie das e.l. diner doctor pock mir woll kann forderlich sein in der nassaechssen sach; nu ist mein frundtlich bit an e.l., wol mir obgenanten doctor forderlich zuschicken, vff das er mir in der selbigen sach geraten sey, auch das mir e.l. euer gut bedüncken vnd rat mit deilen woll bei dissem docktor.“ ABKG, Bd. 2, Nr. 1485 (Philipp an Georg, 1. Oktober 1527). Hilar Schwarz vermutet, dass Pack diesen Vorschlag an Philipp über dessen Schwester Elisabeth herantrug. Vgl. SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, S. 19f. Herzog Georg, den Pack ebenfalls darüber informiert hatte, dass er für Philipp als Vermittler zur Verfügung stehe, sagte die Entsendung seines Rates umgehend zu. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1486 (Georg an Philipp, nach dem 1. Oktober 1527). 105 Vgl. ebd., Nr. 1520, Anm. 1. Georg teilte Philipp am 23. Dezember 1527 mit, dass Pack in drei Tagen zu ihm aufbrechen werde. Aufgrund einer Krankheit Packs sei ein früheres Kommen nicht möglich gewesen.
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Predigern, Pfaffen, ausgelaufen Mönchen, Nonnen und andern Geistlichen, die ihren Habit, Religion und geistlich Wesen verändert haben, und dass er die Einrichtungen der katholischen Kirche wieder einführe. Würde Johann dies ablehnen, so sollten König Ferdinand und Erzbischof Albrecht in seine sächsischen, meißnischen und thüringischen Lande, die Bischöfe von Bamberg und Würzburg in die fränkischen einfallen und den Kurfürsten und seine Nachkommen für immer verjagen. Ebenso sollte es mit Landgraf Philipp gehalten werden.106 Auch wenn Philipp die Details des Plans wohl erst bei seinem Aufenthalt in Dresden erfahren haben wird, so scheint ihm doch Pack bereits jetzt sehr genau den Inhalt des Bündnisses beschrieben zu haben. Offenbar war der herzoglich-sächsische Rat mit einem gewissen Plan nach Hessen gereist. So klingt es nahezu wie eine Vorschau auf die kommenden Ereignisse, wenn er am 1. Januar 1528 schreibt: Ich lass euch vertrauter meinung in geheim wissen, das sich alle sachen ubel anlassen, und wo Got nicht Gnade gibt, so haben wir einen gewissen krieg uff den Sommer. […] Im widerziehen will ich euch, will Got, besuchen und weytern bericht tun, die sachen wollen sich nicht schryben lassen, aber daruf gedenkt, wo ich nicht gute mer bringen werde, so mogt ir wohl den harnasch von der wand nehmen.107
Wie man auch immer diese Nachricht und deren Aufnahme durch Philipp bewerten möchte, sie scheint ihm nicht unrecht gekommen zu sein. Sie passte nur allzu gut in seine persönlichen Absichten, der Verhängung der Reichsacht zuvorzukommen und die Restitution Ulrichs von Württemberg voranzutreiben. Pack scheint dies gewusst oder zumindest mit sehr sicherem Instinkt geahnt zu haben. Immerhin fühlte er sich sicher genug, um von Philipp für die Beschaffung der Originalbündnisurkunde die nicht unverdächtige und sehr hohe Summe von 10.000 Gulden zu fordern. Die Entscheidung, Herzog Georg nicht auf die Vorwürfe anzusprechen, scheint schnell getroffen worden zu sein. 108 Stattdessen traf er sich eilig mit Kurfürst Johann in Eisenach, wo er ihn sicher über die Enthüllungen Packs informierte. 109 Noch gab es jedoch keine Gewissheit, da bisher keine Beweise vorgelegt worden waren. So reiste Philipp Mitte Februar 1528 Pack nach Dresden hinterher, um in den Besitz der Urkunde zu gelangen. Zwar konnte ihm Pack dort unter fadenschei106 Vgl ABKG, Bd. 3, Nr. 1609. 107 DÜLFER, Die Packschen Händel, Quelle 3 (Otto von Pack an Sittich von Berlepsch). Im weiteren Verlauf des Briefes warnt Pack den Hauptmann von Salza vor Philipp von Hessen, der ihn „geferde und sere geferde“. 108 Ebd., Quelle 4 (Philipp an Herzog Georg, 2. Februar 1528). Philipp bat Georg, ihm Pack so bald wie möglich wieder als Ratgeber zur Verfügung zu stellen. Ansonsten bewegte sich der Brief in den seit Monaten üblichen Bahnen. 109 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 61 (Treffen zwischen Johann, Johann Friedrich und Philipp vom 5. bis 7. Februar in Eisenach).
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nigen Begründungen lediglich eine Kopie zur Abschrift vorlegen, dies reichte jedoch aus, um Philipp von der Wahrheit der im Raum stehenden Behauptungen zu überzeugen. Jedenfalls begab sich der Landgraf, ohne mit Herzog Georg, der ja sein Schwiegervater war und an dessen Hof er sich gerade aufhielt, Rücksprache zu halten, unverzüglich zu Johann, um ihn genauer über die drohende Gefahr zu informieren.110 Offenbar schenkte Johann den Einlassungen Philipps rückhaltlos Glauben, vielleicht überzeugten ihn auch die bereits vom Landgrafen ergriffenen militärischen Maßnahmen von der Ernsthaftigkeit der Lage.111 Darüber hinaus war in Eisenach ohnehin beschlossen worden, dass Johann Friedrich und Hans von Dolzig Ende Februar 1528 nach Hessen reisen sollten, um dort an weitere Informationen zu gelangen. Diese flossen jedoch nur spärlich, sodass Johann Friedrich dem Vater mitteilte, dass Philipp darauf bestehe, sich mit ihm am 6. März in Weimar zu treffen, um sich über die Abwehr der drohenden Gefahren zu verständigen.112 Über die Motivation Philipps, dem erdichteten Bündnis trotz aller Ungereimtheiten Glauben zu schenken, ist viel geschrieben worden. Was aber trieb Johann dazu, sich der Ansicht des Landgrafen anzuschließen? Darüber lässt sich nur spekulieren. Ohne Zweifel schätzte man auch am kursächsischen Hof die allgemeine politische Lage 1527/1528 prekärer ein als noch in den Jahren zuvor. Aus zahlreichen Briefen wissen wir, dass Philipp ein Meister darin war, mögliche Gefahren besonders drastisch und überspitzt darzustellen. Dabei gilt zu bedenken, dass er sich mit seiner explizit antihabsburgischen Politik in den letzten Jahren in eine viel exponiertere Stellung gebracht hatte, als es die stets gegenüber dem Kaiser äußerst vorsichtig agierenden Brüder Friedrich und Johann jemals
110 Am 18. Februar hielt sich Philipp gemeinsam mit Ulrich von Württemberg in Altenburg auf. Vgl. Carl BURKHARDT, Neue Forschungen zu Luthers Leben, Luther in den Packschen Händeln, in: Zeitschrift für kirchliche Wissenschaft und kirchliches Leben 3 (1882), S. 585–600, hier S. 598, Anm. 1. In einem späteren Verhör in Kassel gab Otto von Pack zu Protokoll, ungefähr am Dienstag nach Exaudi, also ebenfalls am 18. Februar, Philipp früh morgens in Dresden die Abschrift der Bündnisurkunde gezeigt zu haben. Vgl. Wilhelm HOFFMANNs, Sammlung ungedruckter und zu den Geschichten, auch Staats-Lehn- und andern Rechten des Heil. Römischen Reichs gehöriger Nachrichten, Documenten und Urkunden, Erster Theil, Halle 1736, S. 87. 111 Bereits am 4. März wandte sich König Ferdinand an Georg, um ihm mitzuteilen, dass er von mehreren Personen erfahren habe, dass Philipp stark rüste, Ritterschaft und Untertanen aufgeboten habe, um die Mainzer Gebiete am Main zu besetzen. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, Quelle 6 sowie ABKG, Bd. 3, Nr. 1562. 112 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 61. Es wurden jedoch auch weitere Verhandlungen, die nichts mit dem vermeintlichen Breslauer Bündnis zu tun hatten, geführt. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1555 (Johann Friedrich und Philipp an Georg, 29. Februar 1527).
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getan hätten.113 Ganz offensichtlich hatte Philipp Johann gegenüber auch behauptet, in Dresden das Original gesehen zu haben.114 Allerdings muss offen bleiben, ob er Johann die von seinem Sekretär angefertigte Abschrift zeigte. Wie dem auch sei, Johann ließ sich offenbar von den Argumenten und dem Handlungswillen des Landgrafen überzeugen und mitreißen. So forderte er am 1. März 1528 nicht nur die kursächsischen Stände auf, sich gerüstet zu halten,115 sondern vereinigte sich nach Verhandlungen vom 6. bis 9. März in Weimar mit Philipp zu einem Offensivbündnis, das vorsah, den Gegner präventiv anzugreifen, um sich dadurch einen taktischen Vorteil zu verschaffen. Schaut man sich den Weimarer Vertrag näher an, wird schnell klar, dass die Verhandlungen sehr intensiv und vor allem sehr zielgerichtet geführt worden sein müssen. Angesichts der bemerkenswert genauen Festlegungen in zahlreichen Punkten kann kein Zweifel bestehen, dass beide Seiten zum Handeln entschlossen waren. So wurden neben Truppenstärke und Details zur Aushebung und Rekrutierung dieser, auch der späteste Beginn der Offensive vereinbart. 116 Auch der Tatsache, dass sowohl Kursachsen als auch Hessen faktisch von den Breslauer Bündnispartnern eingekreist waren und die beiden Fürsten, nur auf sich allein gestellt, eigentlich keine Chance hatten, war man sich sehr bewusst. Hier legten beide Seiten wiederum einen bemerkenswerten Optimismus bezüglich der Bereitschaft der Partner aus 113 Ein kurzer Überblick zu den Motiven der antihabsburgischen Politik Philipps findet sich bei Dieter STIEVERMANN, Reich, Religion und Territorium in der Politik des Landgrafen Philipp, in: Inge AUERBACH (Hg.), Reformation und Landesherrschaft, Marburg 2005, S. 159–175. 114 Der entsprechende Passus im Weimarer Bündnisvertrag lautet: „[2] Zu dem andern dieweil wir landgraff Phillips ain recht besigelt und gehantzeichent originall der vorangezeichenten unser widderwertigen vereinung und buntnus gesehen, gelesen und abschreiben lassen, haben wir uns zu kreftiger anzeigung im falh der notturft bewilliget, allen muglichen vleis furzuwenden, damit solch original zu unser baider handen mochte gebracht werden.“ Georg MENTZ, Zur Geschichte der Packschen Händel, in: Archiv für Reformationsgeschichte 1 (1903/04), S. 172–191, hier S. 175. Auch aus späteren Briefen zwischen Johann und Johann Friedrich geht hervor, dass Philipp ihnen erklärt hatte, das Original gesehen zu haben: „Dann so sein lieb das original selb dort nicht gesehen, wie unns sein lieb zu weymar erstmals anzaigte, so were uns Inn warheit angste und wang darbey.“ LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 128 rv (Johann an Johann Friedrich, 25. Mai 1528). 115 Vgl. ELA, Nr. 353. Als Begründung für die Rüstung wurde der Reichstagsbeschluss von Augsburg angegeben. Ob der von Burkhardt diesem Ausschreiben zugeordnete Nachtrag über die Einziehung von Geldmitteln zwecks Anwerbung und Besoldung fremder Knechte wirklich dazu gehört, erscheint aufgrund des angegebenen Verwendungsgrundes, nämlich der Bekämpfung der Türken und der Befreiung Wiens, als höchst zweifelhaft. 116 Für den Zug, dessen Beginn auf den 1. Juni festgesetzt wurde, sollten 6.000 Reiter und 20.000 Fußknechte aufgebracht werden. Vgl. MENTZ, Geschichte der Packschen Händel, S. 175f., Artikel 3, 4.
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dem Torgauer Vertrag, aber auch anderen, wie dem König von Polen oder den Herzögen von Pommern, die Gegner in Schach zu halten, an den Tag.117 Andere Fürsten, wie Herzog Georg118 und die Kurfürsten von der Pfalz und Trier,119 sollten in Verhandlungen dazu bewogen werden, sich nicht in den Konflikt einzumischen. Darüber hinaus wurden Festlegungen zur gegenseitigen Absicherung getroffen, so beispielsweise darüber, was geschehen sollte, falls es zu Unstimmigkeiten zwischen beiden Partnern käme.120 Besondere Beachtung verdient auch der Punkt, der sich mit der Finanzierung der Unternehmung beschäftigt. Immerhin 600.000 Gulden wurden als Kosten für den Zug veranschlagt, eine Summe, die wohl keiner von beiden ohne Weiteres aufbringen konnte. Deshalb legte man fest, dass man, neben den üblichen Finanzierungsmaßnahmen wie Verpfändung von Ländereien und Kreditaufnahme bei den befreundeten Reichsstädten, nicht nur beim König von Dänemark um finanzielle Unterstützung bitten wollte, sondern dass „wir auch zu disser furfallenden notturft aus bewegenden ursachen die stift und kirchen kleinot angreifen“.121 Damit waren alle wichtige Punkte festgelegt, in mancherlei Hinsicht schimmern in dem Vertrag jedoch klar die vor allem von Philipp getragenen Ziele und Intentionen durch.122 Er kann mit Sicherheit als die treibende Kraft bezeichnet werden. Doch dies alles sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Johann, obwohl er seit Kenntnisnahme des Breslauer Bündnisses etwa einen Monat Zeit 117 Ebd., S. 176f. „[5] […] derhalben ist abgeret, das furderlich ain botschaft zu unserm freuntlichen lieben oheim dem fursten zu Preussen sal gevertiget werden mit bevel, inhalts der instruction und neben anhengung disses handels S.L. freuntlichen anzusuchen und zu bitten, mit dem konige zu Polen zu handeln und S.K.W. zu bewegen, damit S.W. sich freuntlichen erzeigen wollten und neben andern, die S.K.W. solt angezeigt werden, den kfen. von Brandenburg, wu sich derselbige widder uns und unser undertanen zu handeln begeben wurde, zu uberzihen, auch desgleichen den kg. von Ungern und Behaim, ob es zu erhalten muglich were. […] auch hz. Heinrichen (von Mecklenburg) und hz. Ernsten (von Braunschweig-Lüneburg) ansuchen, mit den fursten von Pomern zu handeln und J.L. zu vermugen, damit sie neben inen beiden, auch dem kg. von Polen, wu solchs erlangt wurde, den kfen von Brandenburg uberzihen tetten.“ 118 In einer Nebenabrede zum Weimarer Vertrag beschloss man darüber hinaus, die Erbeinung, die zwischen den beiden sächsischen Häusern und Hessen bestand, außer Kraft zu setzen. Sie sollte erst wieder zum Zuge kommen, wenn man sich mit Herzog Georg oder seinen Kindern wieder soweit vertragen hätte, dass von ihnen keine Gefahr mehr gegen das göttliche Wort ausginge. Vgl. ebd., S. 181–184. 119 In der Formulierung bezüglich der Pfalz und Triers ist jedoch zu spüren, dass zumindest Philipp bei ihnen die Hoffnung hegte, neben Neutralität eventuell auch Unterstützung zu erfahren. Vgl. ebd., S. 177f., Artikel 8. 120 Vgl. ebd., S. 178f., Artikel 9, 10, 11, 14, 15. 121 Ebd., S. 179, Artikel 13. 122 Dies betrifft insbesondere den Plan, zu versuchen, unter Einbeziehung der Städte, die wie Philipp selbst auch, dem Schwäbischen Bund angehörten, diesen zu sprengen. Vgl. ebd., S. 178, Artikel 8.
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hatte, die Angelegenheit zu bedenken, zu überprüfen und mit seinen Räten zu diskutieren, sich den Plänen des Landgrafen zunächst vorbehaltlos anschloss.123 Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, davon zu sprechen, dass er von Philipp überrumpelt worden sei. Darüber hinaus verfügte Johann, trotz der religiösen Differenzen, bei der Mehrzahl der Reichsstände über eine sehr gute Reputation sowie über enge verwandt- und freundschaftliche Netzwerke, die es ihm in dem angesprochenen Zeitrahmen durchaus möglich gemacht hätten, entsprechende Erkundigungen einzuholen. Es ist fraglich, ob der Weimarer Vertrag dann in dieser Form zustande gekommen wäre.124 So können wir jedoch davon ausgehen, dass nicht nur uneingeschränktes Vertrauen, sondern auch ein gewisses Maß an Euphorie und Wagemut das Handeln des Kurfürsten zu diesem Zeitpunkt bestimmt haben müssen. Doch schon kurz nach der Abreise Philipps, der sich, gemeinsam mit dem von Johann verordneten kursächsischen Rat Albrecht von Mansfeld, sofort nach Franken begab, um dort mit Georg von Brandenburg-Ansbach und Nürnberg zu verhandeln, wich diese arglose Entschlossenheit. Erste Zweifel an den Weimarer Absprachen wurden bei Johann offenbar durch den Umstand gesät, dass diese nicht bei allen seinen Räten auf ungeteilte Zustimmung trafen.125 Nicht zuletzt wird in den Diskussionen auch argumentiert worden sein, dass mit diesem offensiven Vorgehen komplett mit den bisherigen politischen und diplomatischen Leitlinien seit dem Auftreten Luthers vor mehr als zehn Jahren gebrochen werden sollte. So einigte man sich zunächst darauf „umb versicherung willen unser beider gewissen […] Doctor Luther den handel nach der leng vertrewlicher meinung anzuzeigen.“126 Dazu ließ
123 Unter den kursächsischen Räten scheint Albrecht von Mansfeld der stärkste Verfechter der Angriffspläne Philipps von Hessen gewesen zu sein. Vgl. MBW, Nr. 710 (Melanchthon an Joachim Camerarius, 15. September 1528). 124 Insbesondere in der Literatur, die zum Ziel hat, Landgraf Philipp als das Opfer des skrupellosen Betrügers Otto von Pack darzustellen, neigt man sehr dazu, die Gefahren, welche vor allem Kursachsen und Hessen von Seiten König Ferdinands und einigen katholischen Ständen drohten, stark zu überspitzen. Es steht jedoch außer Frage, dass in dieser Zeit zahlreiche Spekulationen und Gerüchte diesbezüglich kursierten. Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1242 (Luther an Friedrich Mykonius, 20. März 1528). Genau diesen wird sich auch Philipp Johann gegenüber bedient haben. Freilich hätten nähere Recherchen Johanns ergeben, dass beispielsweise das sicherste Zeichen für einen bevorstehenden Angriff, nämlich Truppenanwerbungen durch die Katholischen, fehlte. Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 115, Anm. 3. 125 Es ist davon auszugehen, dass insbesondere der Kanzler Gregor Brück sich gegen diese Offensivmaßnahmen aussprach. Weshalb er seinen Einfluss nicht bereits bei den Verhandlungen mit Landgraf Philipp geltend machen konnte, muss ungeklärt bleiben. 126 Christian Gotthold NEUDECKER, Merkwürdige Aktenstücke aus dem Zeitalter der Reformation, Abt. 1: [Zeit: 1522–1548], Nürnberg 1838, S. 33–40 (Instruktion für einen
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man ihn nach Altenburg kommen, wo am 19. und 20. März ein Landtagsausschuss tagte.127 Dort setzte man Luther sowohl vom Breslauer Bündnis als auch vom Weimarer Vertrag in Kenntnis. Obwohl Luther bereits an dieser Stelle klar seine Ablehnung gegen einen Präventivschlag deutlich machte, sah Johann keine Veranlassung, eine ausführliche Stellungnahme von ihm zu fordern. Dies sollte sich wenige Tage später ändern, als Albrecht von Mansfeld von seiner Mission in Franken zurückkehrte. Denn dessen Bericht beinhaltete nicht nur die Nachricht, dass man bei Nürnberg und Brandenburg-Ansbach nicht die erhoffte Unterstützung gefunden hatte, sondern auch den Vorschlag Philipps, dessen ungeachtet den geplanten Zug bereits auf vier Wochen nach Ostern, also auf Mitte Mai, vorzuverlegen.128 Aufgeschreckt von Philipps vehementem Vorwärtsdrängen auf der einen und Luthers kategorischer Ablehnung eines Präventivschlags auf der anderen Seite, sah sich Johann zum Handeln veranlasst. Bald nach dem Treffen mit Mansfeld befahl Johann, dass sich Luther unverzüglich nach Torgau begeben solle, wo dieser am 27. März eintraf.129 Hier kam es zu mündlichen Verhandlungen mit den Räten und vielleicht auch Johann selbst. Infolgedessen erhielt Luther den Befehl, ein schriftliches Gutachten zu erstellen. Dieses reichte er am 28. März über den Kanzler Gregor Brück ein.130 Zunächst benannte Luther klar den Sinn seines Gutachtens, nämlich, „dass mein gnädigster Herr ein sicher gut Gewissen habe gegen der widerwärtigen Fürsten Frevel (wo es
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Gesandten an Philipp, undatiert (sehr sicher zwischen dem 28. März und 2. April 1528 anzusetzen), S. 37. Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1241 (Luther an Spalatin, 18. März 1528). Nürnberg war nach wie vor nicht bereit, sich in ein Bündnis mit den beiden Fürsten zu begeben, sagte aber zunächst Hilfe bei der Anwerbung von Truppen zu. Auch diese Zusage zog man später zurück. Markgraf Georg lehnte, entgegen dem Votum seiner Räte, jedwede Unterstützung ab. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 80–84. Den Plan, einen Präventivschlag früher als vereinbart zu starten, begründete Philipp mit der Unmöglichkeit der langfristigen Geheimhaltung und mit Kostenminimierung. Ebd., S. 92. Vgl. BURKHARDT, Luther in den Packschen Händeln, S. 598, Anm. 4. Albrecht von Mansfeld war bereits am 17. März 1528 wieder in Weimar, wo er den Kurfürsten, der sich zunächst in Altenburg und dann in Torgau aufhielt, jedoch nicht antraf. Das Treffen zwischen Albrecht von Mansfeld und Johann in Torgau muss also nach dem 20. März stattgefunden haben. Vgl. dazu auch NEUDECKER, Merkwürdige Aktenstücke, Instruktion für einen Gesandten an Philipp, S. 33. „Graf Albrecht von Mansfelt sei itzt zu unns anher gegen Torgaw kommen, vnd hab bericht gethan, wie sich die sachen zu Nurmberg und bei unserem oheim Marggraf Georgen von Brandenburg zugetragen.“ Das Gutachten selbst ist nicht datiert. Die Datierung auf den 28. März 1528 gilt heute als wissenschaftlich anerkannt. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 164.
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not sein würde sich zu wehren)“,131 eine Aussage, die klar die Intention Johanns herausstellt, welche ihn bewogen hatte, Luthers theologischen Rat zu den Weimarer Beschlüssen einzuholen. Man strebte eine Art Selbstvergewisserung an, denn am Weimarer Hof war offensichtlich inzwischen die Frage, inwieweit sich ein Angriff auf die Anhänger des Breslauer Bündnisses überhaupt mit dem Evangelium vereinbaren lasse, zum wichtigsten Diskussionspunkt geworden. Zweifel an der Existenz des Breslauer Bündnisses hegte man zu diesem Zeitpunkt in keiner Form, Luther gab lediglich zu bedenken, dass die Schuld der Gegner noch nicht erwiesen sei.132 Da es aber die Pflicht der weltlichen Obrigkeit sei, ihre Untertanen vor allem Bösen zu schützen, sei es völlig in Ordnung, sich durch Rüstungen auf einen Kriegsfall vorzubereiten und sich gegebenenfalls zur Wehr zu setzen. Allerdings könne sich Luther nicht vorstellen, dass die Pläne der feindlichen Fürsten mit Wissen des Kaisers, dem Johann als Kurfürst einzig verpflichtet sei, geschehen wären.133 Über die rechtmäßigen Mittel der Protestation und Appellation wäre es zudem möglich, die Widersacher nicht nur öffentlich ins Unrecht zu setzen, sondern noch dazu Zeit zu gewinnen. Ein eigener Angriff würde die Sache jedoch ins Gegenteil verkehren, man würde sich selbst ins Unrecht setzen und den Feinden allen Grund geben, sich berechtigt zur Wehr zu setzen. „Angreifen aber und mit Krieg solchem Rat der Fürsten zuvorkommen wollen, ist in keinem Weg zu raten, sondern aufs allerhöhest zu meiden. Denn da stehet Gottes Wort: ‚Wer das Schwert nimmet, der soll durchs Schwert umbkommen.‘“134 Darüber hinaus könne dem Evangelium keine größere Schande entstehen, als dass dessen Anhänger einen Fürstenaufruhr provozieren würden. Wo aber mein gnädiger Herr der Landgraf nicht wollt folgen, sondern fort fahren, ist mein gnädigster Herr nicht schuldig zu halten das Verbündnis; denn man muss Gott gehorsam 131 WA Br, Bd. 4, Nr. 1246. Auch Philipp gegenüber rechtfertigte er die Hinzuziehung Luthers später damit, dass er aufgrund der großen religiösen Relevanz des Plans, reinen Gewissens in einen Erstschlag gehen wollte. Vgl. NEUDECKER, Merkwürdige Aktenstücke, S. 33. 132 Ob man inzwischen auch im Besitz einer Abschrift des Breslauer Bündnisses war, ist fraglich. Es scheint nahezu unmöglich, dass der Kanzlei und den Räten Johanns die Ungereimtheiten darin, die später auch Herzog Georg klar als Zeichen einer Fälschung herausstellt, nicht aufgefallen sein sollen. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1609. Ausschreiben Herzog Georgs vom 24. Mai 1528, besonders die kritischen Anmerkungen Simons Pistoris. 133 „Aufs ander findet sich’s in der Tat, und keinen Zweifel lässt, dass solcher Feindsfürsten Anschlag hinter und ohn Wissen, Willen und Befehl Kais. Maj. furgenommen wird, weil sie selbs bezeugen, dass sie wollen solchen Befehl allererst nach solchem gehalten Rat und Rotterei ausbringen; daran man wohl greifen muss, dass solchs Furnehmen weder aus göttlicher noch menschlicher Ordnung, sondern aus neidischem, aufrührischen, bösen Grund fließt, dazu sie Kais. Maj. als zum Schanddeckel brauchen wollen.“ WA Br, Bd. 4, Nr. 1246. 134 Ebd.
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sein mehr denn Menschen. […] So aber mein gnädiger Herr der Landgraf oder die zu Magdeburg wurden angegriffen, ist mein gnädigster Herr aus Verpflicht der Verbündnis schuldig, wie für S.K.F.G. selbs, ihnen beizustehen und obgesagter Weise zu handeln; denn Gott will Treue und Glauben gehalten haben.135
Damit war das Votum des wichtigsten kursächsischen Theologen klar: Vorbereitung und Verteidigung ja, selbst den Erstschlag ausführen, nein. Dieses Urteil, das offenbar mit der inzwischen herrschenden Grundstimmung am kurfürstlichen Hof zusammentraf, konnte von Johann nicht ignoriert werden. Er musste Philipp darüber Mitteilung machen, dass unter diesen Umständen ein Präventivschlag für ihn nicht mehr in Frage kam und er den diesbezüglichen Teil der Weimarer Abrede als hinfällig ansah. Aus diesem Grund fertigte Johann seinen Rat Hans von Dolzig nach Hessen ab. Die Instruktion an ihn spiegelt deutlich wider, dass man sich der Brisanz dieses Rückziehers völlig bewusst war.136 Deshalb sollte Dolzig zunächst ausführlich darüber berichten, was Johann bisher gemäß den Weimarer Abreden alles veranlasst hatte. Darin zeigt sich, dass er trotz der Verunsicherung, die ihn inzwischen ergriffen hatte, keineswegs untätig gewesen war. So hatte er Rittmeistern und Hauptleuten Aufträge zur Anwerbung von Truppen erteilt und sich darum bemüht, Geldmittel für den geplanten Zug zu beschaffen. Die Herzöge Heinrich von Mecklenburg und Ernst von Braunschweig-Lüneburg sowie Vertreter der Stadt Magdeburg waren für den 4. April nach Wittenberg zu Besprechungen eingeladen worden. Darüber hinaus hatte er einen Gesandten zum Herzog von Preußen geschickt, der auch Vollmacht hatte, mit dem König von Polen zu verhandeln.137 Ebenso waren Gesandte an die Fürsten von Schlesien und die Städte der Oberlausitz abgegangen, Graf Albrecht von Mansfeld war kurz zuvor zum Herzog von Jülich aufgebrochen. Nach all diesen Vollzugsmeldungen begann Johann dann langsam auf das Wesentliche der Gesandtschaft hinzuleiten. Nachdem er nochmals darum bat, 135 Ebd. 136 Die undatierte Instruktion ist gedruckt in: NEUDECKER, Merkwürdige Aktenstücke, S. 33–40. Ihre Entstehungszeit lässt sich jedoch rekonstruieren. Da Luthers Gutachten bereits vorlag, bewegen wir uns zeitlich nach dem 28. März. Dazu kündigte er die Zusammenkunft mit den Herzögen von Mecklenburg und Braunschweig-Lüneburg für den 4. April in Wittenberg an. Das heißt, dass die Instruktion wohl zwischen dem 29. März und 2. April entstanden sein muss. Dies deckt sich auch mit dem Vormerk des hessischen Kanzlers Nordeck, wann diese übergeben und vorgetragen wurde, nämlich am 9. April. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, Quelle 20. Hier wird jedoch nur der kurze Passus der Instruktion wiedergegeben, in dem es um die Beschaffung der Breslauer Originalurkunde geht. 137 Dabei handelte es sich um Caspar von Minkwitz. Dieser reiste zunächst zu Friedrich von Liegnitz und danach zu Albrecht von Preußen. Dieser riet von Verhandlungen mit den König von Polen ab. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 94.
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zur eigenen Absicherung die Originalurkunde des Breslauer Bündnisvertrages zu beschaffen, erklärte er, dass er Luther in der Sache, „das wir wider unnsere veinde, so sich wider unns und unser baider land verpunden, den ersten Angriff thun möchten“,138 um Rat ersucht habe. Dieser habe inzwischen ein Gutachten erstellt, das er dem Landgrafen in Kopie übersende. Entsprechend dem dort erteilten Ratschlag bitte er den Landgrafen, von den Weimarer Vereinbarungen abzustehen und einen Präventivschlag vorerst zu unterlassen.139 Sich weiterhin zu rüsten, um auf einen möglichen Angriff der Gegner vorbereitet zu sein, sah Johann, in Übereinstimmung mit dem lutherischen Gutachten, als recht und billig an. Dies zeigt auch ein Schreiben an den Bürgermeister und Rat von Mühlhausen, in welchem Johann darauf drang, dass seinem Befehl zur Rüstung nachgekommen werde.140 Zu weitergehenden Maßnahmen und einer Beschleunigung der Kriegsvorbereitungen, wie es Philipp Anfang April 1528 durch seinen Gesandten Otto Hund forderte, ließ sich Johann jedoch nicht drängen.141 In Kassel lösten die Mitteilungen aus Kursachsen Überraschung und Unverständnis aus. Philipp sah in dem Gutachten Luthers in erster Linie eine unerwünschte Einmischung, die Johann so stark zu beeinflussen drohte, dass er vertragsbrüchig wurde. Dies galt es in jedem Fall zu verhindern. Deshalb verfasste Philipp in aller Eile eine Entgegnung auf Luthers Gutachten, die er Dolzig mitgab, als dieser am 11. April wieder aus Kassel abreiste.142 Ganz offensichtlich ging Philipp dabei von der falschen Grundannahme aus, dass Luther nicht von der Echtheit des Bündnisses überzeugt sei. Deshalb rechtfertigte sich Philipp zunächst diesbezüglich, wenn er schreibt, dass er den Bündnisvertrag nicht nur gelesen habe und im Begriff sei, das Original an sich zu bringen, sondern dass es keinen Anlass gäbe, „jegen dem ein solchs ufzubringen, der mein nähster Freund ist von wegen meiner Schwester und seiner Tochter, wann ich nit die gewisse Wahrheit wußt? Dann ich muss ja offentlich bekennen, dass er mir viel mehr geholfen hat, dann der Churfürst“.143 Dann kommt Philipp zur eigentlichen Aussage des lutherischen Gutachtens, nämlich der Ablehnung eines Präventivschlags. Mit der bildlich gestellten Frage, ob es denn besser sei, das Haus erst brennen zu lassen und dann zu löschen oder lieber dafür zu sorgen, dass es gar nicht erst brenne, versuchte der Landgraf darzulegen, dass 138 NEUDECKER, Merkwürdige Aktenstücke, S. 36f. 139 Vgl. ebd., S. 37f. 140 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1581 (1. April 1528). Wie in seinem Rüstungsbefehl vom 1. März berief sich Johann auch hier wiederum auf die Beschlüsse des Augsburger Reichstages. 141 Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 94f. Ganz offensichtlich hatten sich Heinrich von Mecklenburg und Ernst von Braunschweig-Lüneburg dieser Ansicht angeschlossen. 142 WA Br, Bd. 4, S. 425–429, Nr. 1246, Nachgeschichte. 143 Ebd., S. 425. Der hier genannte Freund ist Herzog Georg. Die geleistete Hilfe ist eine Anspielung auf den Vormundschaftsstreit in Hessen nach dem Tod von Philipps Vater und die Rolle Kursachsens dabei.
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man als Landesherr seiner Pflicht, die Untertanen zu schützen, im Zweifelsfall besser nachkomme, wenn man sie vor Unheil bewahrt, als sie im Nachgang davon zu befreien. Da es nicht allein darum gehe, auf Gott zu vertrauen, sondern sich auch seines Verstandes zu bedienen, der den Menschen schließlich von Gott gegeben wurde, läge es doch auf der Hand, dass es das einzig Vernünftige sei, einem Angriff der Gegner zuvorzukommen. Deshalb könne der Weimarer Vertrag gar nicht Gott zuwider sein. Immer wieder spielt Philipp darauf an, dass er zwar den Argumenten Luthers folgen könne, aber dieser eben nicht in alle Belange Einblick hätte und als einfacher Christ zu anderen Entscheidungen kommen könne als die Obrigkeit, in deren Händen der Schutz der Untertanen liege. Mit diesen Ausführungen sah der Landgraf das Gutachten Luthers als widerlegt an.144 Daneben ließ er am 12. April zwei weitere Schreiben nach Kursachsen abgehen: eines an Johann und eines an Johann Friedrich. Während er Johann gegenüber seinen Ärger zügelte und versuchte ihn, durch die nochmalige Versicherung der Echtheit des Breslauer Bündnisses und einen Appell an Ehre und Verantwortung zum Festhalten an den Weimarer Beschlüssen zu bewegen, machte er in dem Schreiben an Johann Friedrich seinem Unmut Luft. So sprach er den Verdacht offen aus, dass es im Umkreis Johanns Räte gäbe, die gegen den Weimarer Vertrag seien. Speziell spielte er auf den Kanzler Brück an, der sich seiner Meinung nach Luthers bediene, um seine eigenen Absichten durchzusetzen.145 Die Offenheit, die Philipp Johann Friedrich gegenüber an den Tag legte, lässt darauf schließen, dass der Kurprinz bisher wohl ganz auf der Seite des Landgrafen gestanden hatte.146 So wundert es nicht, wenn dieser seinen Brief mit 144 Zum Abschluss ließ Philipp jedoch anklingen, dass er selbst bereits über die Möglichkeit nachgedacht hätte, den Gegner mit dem Wissen um ihr Bündnis zu konfrontieren und darüber in Verhandlungen einzutreten. Diesen Gedanken hätte er jedoch verworfen, da diese Vorgehensweise nicht nur zeitlichen Verzug und Unkosten bedeuten würde, sondern man den Zusagen der Gegner ohnehin nicht vertrauen könne. Interessant sind dabei auch die Bedingungen, die der Landgraf an eine gütliche Einigung knüpfen würde: Neben dem Abstehen von gewaltsamen Maßnahmen, würde er den vollen Kostenersatz für seine Rüstungen und die Zusicherung der Gegner verlangen, das Evangelium jedermann frei predigen zu lassen! Ebd., S. 429. 145 „Mich dunckt, der cantzler fider die pfeyl und Luter muß sie schiessen.“ Das Schreiben Philipps an Johann Friedrich ist gedruckt in: WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 120, Anm. 29. 146 Besonders bezeichnend ist der Umstand, dass man Philipp in vielen Gerüchten, die sich im Reich bezüglich seiner Absichten verbreiteten, stets im Verbund mit dem Kurprinzen Johann Friedrich, nicht aber mit Johann selbst sah. Offensichtlich glaubte man Johann noch ganz im Fahrwasser seines Bruders Friedrich und konnte sich nur vorstellen, dass die Pläne vom jugendlichen Wagemut der beiden jungen Fürsten getragen wurden. Zu den umlaufenden Gerüchten vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 109f.
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der Aufforderung schließt: „Forder die sach got, deym vater landt und leuten selbst zu gut. ich halt, so der Lutter recht bericht werde, so wirt er auch woll recht dun.“147 So sehr Johann auch zur lutherischen Besonnenheit und Friedensmahnung neigte, die Vorwürfe Philipps, er lasse sich von außen derart stark beeinflussen, dass er seinen vertraglich festgehaltenen Pflichten nicht mehr nachkommen wolle, werden ihn schwer getroffen haben, zumal die Argumente Philipps nicht von der Hand zu weisen waren. In dieser ziemlich verzwickten Lage blieb Johann nichts übrig, außer Philipp zunächst zu versichern, dass er, „soverr es anders nit wider gott ist“, 148 am Weimarer Bündnis festhalten werde. Zum Ausgleich schlug er Besprechungen am 28. April vor, bei denen auch Luther und Melanchthon anwesend sein sollten. Inzwischen hatten auch die katholischen Fürsten Kenntnis von den umfangreichen Rüstungen Philipps und Johanns. Konkret vermutete man, dass die Stifte Magdeburg und Halberstadt in großer Gefahr seien, angegriffen zu werden.149 Auf welchem Tiefpunkt sich zu dieser Zeit die Beziehungen zwischen den Ernestinern und Albertinern befanden, zeigt der Umstand, dass sich Herzog Georg zwar zur Klärung immer wieder an Philipp wandte, es jedoch keinen einzigen Kontakt diesbezüglich zu Johann gab.150 Zwar scheint Georg dem Vetter noch weniger als seinem Schwiegersohn kriegerische Absichten zugetraut zu haben, doch ein klärender Dialog kam nicht zustande.151 147 WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 120, Anm. 29. 148 Ebd., S. 121 sowie LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 21, fol. 10 (Schreiben Johanns an Philipp, 16. April 1528). Johann bezieht sich direkt auf die Berichterstattung Dolzigs tags zuvor. 149 Kardinal Albrecht und seine Räte wandten sich diesbezüglich mehrmals an Georg und andere Fürsten des Dessauer Bundes. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1584 (Kardinal Albrecht an Herzog Georg, 21. April 1528); Nr. 1589 (Erich von Braunschweig an Herzog Georg, 27. April 1528). 150 Die Antworten des Landgrafen fielen stets so aus, dass er die Gerüchte als unwahr und verleumderisch zurückwies. Trotz zahlreicher Nachrichten verschiedener Fürsten über Philipps Rüstungen, schenkte Georg Philipps Beteuerungen vollen Glauben. Noch am 4. Mai, als Antwort auf eine erneute Warnung Ferdinands, dass sowohl Philipp als auch Johann weitgehende Rüstungen vorgenommen hätten, teilte ihm Georg mit, dass Johann nicht in Rüstungen stehe und er zu den umgreifenden Gerüchten über Philipp noch mal Erkundigungen einziehen werde. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1591 (Georg an König Ferdinand, 4. Mai 1528). Auch der Umstand, dass der mit der Aufklärung der Gerüchte betraute Gesandte Herzog Georgs, Christoph von Taubenheim, den Landgrafen ausgerechnet bei Johann in Weimar antraf, scheint keinen weiteren Argwohn erregt zu haben. Vgl. ebd. (Georg an König Ferdinand, 7. Mai 1528). 151 Vgl. ebd., Nr. 1593 (Herzog Georg an Herzog Wilhelm von Bayern, 8. Mai 1528). Auf die vertrauliche Anfrage des Bayernherzogs bezüglich der Gerüchte über umfangreiche Rüstungen antwortete Georg, dass alle Nachbarn in Sorge seien, aber er nicht erwarte, dass Johann etwas anfängt. Das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen Ernestinern
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Johann indes bereitete sich gründlich auf das Treffen mit Philipp vor. Er hatte nicht nur die Theologen Luther, Melanchthon und Bugenhagen nach Weimar gebeten, sondern diese bereits eine Erwiderung auf die Einlassungen Philipps zu Luthers erstem Gutachten erstellen lassen. Das Gutachten, das Luther und Melanchthon ausarbeiteten,152 wich kaum von dem Luthers aus dem März 1528 ab. Entsprechend war es recht allgemein und kurz gehalten. Generelle Mahnungen zum Erhalt des Friedens, die mit Bibelstellen unterfüttert waren, mündeten in der Aufforderung, zunächst mit den Breslauer Bündnispartnern Verhandlungen zu führen, um deren Absichten herauszufinden. „Auch so ists widder alle welltliche recht, welche doch von Gott und inn der schrifft bestettigt sind, das man iemand angreiffe oder straffe, ehe denn er verhoret, verklagt und antwort geben hat.“153 Falls die Gegner nicht bereit seien, von ihrem Bündnis abzustehen, ergebe sich daraus das Recht zu Rüstungen und defensiver Gewaltanwendung, um den Schutz der Untertanen gewährleisten zu können. Die Rechtmäßigkeit einer offensiven Vorgehensweise wurde nach wie vor bestritten. Da offensichtlich war, dass Landgraf Philipp auch die finanzielle Seite des Unternehmens sehr wichtig war, bezogen die beiden Theologen abschließend auch dazu Stellung. Zwar räumten sie ein, dass Johann und Philipp die Erstattung ihrer Kosten durch die Bündnisfürsten zustände, sie diese aber nicht einfordern würden, denn „so hatts doch ein schein, als wolt man sich zu ihn nottigen und den fride nicht lauter meinen, so man hart drauff drunge“.154 Weshalb Bugenhagen zu den Verhandlungen hinzugezogen und auch von ihm eine schriftliche Einlassung erbeten wurde, muss ungeklärt bleiben.155 Ohne Zweifel, Johann ging es darum, dass die Ausführungen seiner Theologen bei Philipp zu den gleichen Einsichten führten wie bei ihm selbst. So musste der Landgraf, als er Ende April in Weimar eintraf, schnell einsehen, dass er gegen die Voten der Theologen keine Chance hatte. Um zu verhindern, dass Kursachsen sich komplett aus den Verpflichtungen des Weimarer Vertrags verabschiedete, würde er sich kompromissbereit zeigen müssen. So kam es am 30. April 1528 auf Betreiben Johanns zur Modifikation der Abreden vom 9. März.156 Als wichtigster Punkt kann dabei gelten, dass man vor einem Angriff mit den
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und Albertinern hatte sich seit Aufnahme der geflohenen Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg in Kursachsen am 26. März und der Weigerung Johanns, diese umgehend zu ihrem Ehemann zurückzuschicken, nochmals verschlechtert. WA Br, Bd. 4, S. 431–433, Nr. 1246. Ebd., S. 432. Ebd., S. 433. Das wesentlich umfangreichere, aber von den Empfehlungen her gleichlautende Gutachten Bugenhagens ist gedruckt in: BURKHARDT, Luther in den Packschen Händeln, S. 593–597. Der Weimarer Vertrag vom 30. April 1528 ist gedruckt in: MENTZ, Geschichte der Packschen Händel, S. 184–191.
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Gegnern verhandeln wollte, um auf diesem Wege Friedensversicherungen zu erhalten, die eventuelles gewalttätiges Eingreifen unnötig machen würden. Erstmals werden in diesem Zusammenhang diejenigen namentlich benannt, denen ein Präventivschlag gelten sollte: dem Erzbischof von Mainz und Magdeburg sowie den Bischöfen von Bamberg und Würzburg. Insbesondere die Formulierung, wann man zu einem Angriff berechtigt sei, zeigt deutlich das Kompromisshafte der Abrede: „[5.] Und im fal, wo wir den angesunnen fride und die versicherung desselben uber den gesuchten vleis bei inen nicht bestendiglichen der notturft nach erlangen mechten, alsdann den angriff tetlichs furnehmens aus gedrungner gegenwehre ihres furnehmens durch hulf gotlicher gnaden gegen inen zu gebrauchen furzuwenden.“157 Dies beinhaltet keineswegs die völlige Aufgabe der Absicht, als erstes anzugreifen. Man hatte sich lediglich auf eine sehr weitläufige Interpretation des Begriffs der Notwehr geeinigt. So sollte bereits die Weigerung der Gegner, umfassende Versicherungen bezüglich der Wahrung des Friedens abzugeben, als eine Art Angriff gewertet werden. 158 Die weiteren Bestimmungen zur militärischen Vorgehensweise, die in vielen Punkten die Absprachen vom 9. März erweiterten und präzisierten, machen jedoch deutlich, dass Johann versucht hatte, sich aus seiner misslichen Gewissenslage zu befreien, indem er die Kriegsführung im Wesentlichen dem Landgrafen überließ. Trotzdem verpflichtete er sich zu weiteren Rüstungen und der Bereitstellung von Truppen. 159 Ausführlich wurden die Werbungen an die Bischöfe vorbereitet, wobei genaustens festgelegt wurde, wer, wann, wo und wie lange sich aufhalten sollte. Auch der Gedanke, eine Sondergesandtschaft an den Kaiser nach Spanien zu schicken, wurde nun wiederbelebt. Am Ende stellte sich noch die Frage nach der Kostenerstattung. Hier konnte sich zunächst Kursachsen mit der Ansicht seiner Theologen durchsetzen, dass das Eintreiben der Kosten wohl ein 157 Ebd., S. 185f. 158 Legitimierte folgende Formulierung Luthers und Melanchthons diese Vorgehensweise? „Wo sich nu die bundsfursten vernemen liessen, das sie ihrem verbundnis wollten nachkomen und nicht davon abstehen und nicht fride haben, So achten wir solchs als ein abgesagte fehde und als weren sie im offentlichen werck. Als denn ists zeit, sich zu weren und schirmen.“ WA Br, Bd. 4, zu Nr. 1246, S. 432. Auch Eike Wolgast tut sich mit der Interpretation dieses Satzes schwer. „Eine Ablehnung dieser Forderung [Auflösung des gegnerischen Bündnisses, D.v.OB] war einer Kriegserklärung und der erfolgten Eröffnung von Feindseligkeiten gleichzusetzen. Der Weg zur Gewaltanwendung in der Defensive war dann frei, die Frage des präventiven Kriegs stellte sich nicht mehr.“ Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 121. 159 Ein Schreiben Johanns an Markgraf Georg belegt, dass man nach wie vor davon überzeugt war, dass v.a. die Geistlichen etwas zur Vernichtung der Evangelischen planten. „Und wiewol wir auch allerlai bedenken und sorgfeldigkeit derwegen haben, scheint es doch nach vielen Umständen, die mitzuteilen zu lang und sorglich were, dass die hendel der geistlichen und irer anhenger... sich mit der bundnis fast vorgleichen.“ RTA JR, Bd. 7,1, S. 219 (Johann an Markgraf Georg, 18. April 1528).
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schlechtes Licht auf sie werfen würde, und man einigte sich deshalb vorerst darauf, diese untereinander zu bestreiten. Beide Fürsten hatten, um ein Auseinanderbrechen des Weimarer Bündnisses zu verhindern, Kompromisse machen müssen. So war die für Johann inzwischen moralisch untragbare Option des Angriffskriegs nicht wirklich vom Tisch, 160 während Philipp, weniger von Gewissensbissen gequält, Zugeständnisse in dem ihm außerordentlich wichtigen Punkt der Finanzierung hatte machen müssen. Die Frage danach, ob man zuvor mit den Gegnern verhandeln solle oder nicht, war für ihn wahrscheinlich kaum noch relevant, zumal die Nachricht von den umfangreichen Rüstungen und Truppenanwerbungen Kursachsens und Hessens im Reich bereits die Runde gemacht hatte und somit ein Überraschungscoup, wie ihn der Landgraf ursprünglich ins Auge gefasst hatte, sowieso nicht mehr möglich war. Vor diesem Hintergrund muss auch die Stellungnahme Luthers und Melanchthons zu den Modifikationen vom 30. April gesehen werden.161 Wenn es dort im ersten Absatz heißt, „erstlich gefellt uns fast wohl, das der angrieff von dieser seitten nach bleibe, denn damitt sindt unsere gewissen deste sicherer, als die wir nicht angefangen noch ursach sindt, blutt zuvergießen“,162 ist dies wohl in erster Linie als Mahnung zu sehen, sich der Möglichkeit des Erstangriffs zu enthalten, auch wenn man vordergründig hinter den Vereinbarungen steht. Zweifellos setzten die Wittenberger ihre Hoffnungen auf die angestrebte Gesandtschaft an den Kaiser und die Verhandlungen mit den Gegnern. Diese Taktik versprach zumindest einen Zeitgewinn, zumal die Erfolgsaussichten eines Erstangriffs in dem Maße sanken, je öffentlicher und breiter die Angelegenheit ausgetragen wurde. Den Theologen wird in Weimar aber klar geworden sein, dass ein unnachgiebiges Beharren auf der eigenen Position zwangsläufig zum Dissens zwischen Johann und Philipp geführt hätte. Die Gefahren, die sich daraus für die noch äußerst schwache Position der Evangelischen im Reich ergeben hätten, wären kaum abzuschätzen gewesen. Unverhoffte Hilfe erfuhren die Theologen jedoch noch während ihres Aufenthaltes in Weimar durch das Eintreffen eines Mandats, welches vom Reichsregiment im Namen des Kaisers am 16. April 1528 ausgegangen war. Unter Androhung des Verlusts aller Privilegien und Regalien bei Verstoß, gebot der Kaiser den Ständen im Reich die Wahrung des allgemeinen Landfriedens. Jegliche Rüstungen wurden untersagt, bereits angeworbene Truppen sollten entlassen 160 Dülfer bringt es sehr gut auf den Punkt, wenn er meint, die Änderungen vom 30. April wären eher taktischer denn prinzipieller Natur gewesen, die sehr wahrscheinlich die kursächsische Zustimmung so nicht gefunden hätten, wären bereits Zweifel an der wirklichen Existenz des Breslauer Bündnisses aufgekommen. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 106. 161 WA Br, Bd. 4, S. 434f., Nr. 1246. 162 Ebd., S. 434.
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werden.163 Mit dieser reichsrechtlichen Absicherung im Rücken fiel es Luther und Melanchthon wohl nicht schwer, Johann gegenüber ihren Standpunkt unmissverständlich klar zu machen.164 Sie forderten den Kurfürsten auf, sich in jedem Fall an die Anweisungen des Regiments zur Friedenswahrung zu halten, da man sonst nicht nur das eigene Gewissen gegenüber Gott beschweren, sondern sich auch juristisch ins Unrecht setzen würde. Denn „so ist ihe solch mandat von unser ordenlicher von gott eingesatzter Oberkeit khomen, welcher man gehorsam schuldig ist, sonderlich weil da nichts boses, sondern eitel gutes und fride gebotten und nicht das unser oder ihres, sondern das gemein gut des Reichs gesucht wirt und uns angebotten“.165 Um zu unterstreichen, wie ernst es ihnen damit war, drohten sie Johann, Kursachsen zu verlassen, sollte er sich den Befehlen des Kaisers widersetzen.166 Ganz im Sinne ihrer bisherigen Gutachten und Stellungnahmen rieten Luther und Melanchthon dazu, eine stattliche Botschaft an das Reichsregiment zu schicken, um dort den eigenen und des Landgrafen Gehorsam anzuzeigen sowie das schändliche Tun der Breslauer Bundesfürsten bekanntzumachen. Am 2. Mai begaben sich Luther und Melanchthon gemeinsam mit Johann auf die Rückreise nach Torgau, von wo aus sie am 6. Mai weiter nach Wittenberg fuhren, jedoch nicht, ohne nochmals auf ihn Einfluss zu nehmen. Offensichtlich waren sich die beiden Theologen vor ihrer Abreise nicht hundertprozentig sicher, 163 Zu dem Mandat vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 921, Nr. 957. Neben den dort genannten Fundorten befindet es sich auch in LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 33, fol. 3. Es wurde zeitgleich mit der Absage des Regensburger Reichstags verschickt. Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 52. Es ist nicht überliefert, wann die Schreiben in Weimar eintrafen. Es kann jedoch als sicher gelten, dass die Beschlüsse Johanns und Philipps vom 30. April zustande kamen, ohne dass man Kenntnis davon hatte. Auch aus einer späteren Denkschrift der kursächsischen Räte zum weiteren Verlauf der Verhandlungen mit dem Regiment geht dies hervor. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 23v, undatiert. 164 WA Br, Bd. 4, S. 447–450, Nr. 1258 (Luther und Melanchthon an Johann, ca. 1./2. Mai 1528). Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses Schreiben noch in Weimar abgefasst wurde. Dafür spricht nicht nur der Umstand, dass Melanchthon es auf kursächsischem Kanzleipapier niederschrieb, vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 123, Anm. 45, sondern auch, dass das Mandat des Reichsregiments eben in diesen beiden Tagen in Weimar eingegangen sein wird. Nordhausen beispielsweise quittierte den Empfang am 1. Mai. Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 52. 165 WA Br, Bd. 4, Nr. 1258, S. 448f. 166 „Und da gott fur sei, wenn es ja solt inn solchem bosen gewissen und ungehorsam furgenomen unnd volnzogen werden, so soltt es uns doch ewiglich iamern, das wir als dann musten vnnd gezwungen wurden, widder E.c.f.g. als unsern aller liebsten herrn, von dem wir so veterlich und hertzlich biß her sind erneret, beschirmet und mit trefflichen grossen wolthaten vnnd gnaden uberschutt gewesen, reden vndd zeugen, Da zu, wie ich, Martinus fur E.c.f.g. zu Aldenburg bedingt, das wir E.c.f.g. land meiden unnd unß weg thon musten umb des Evangelii willen, auff das nicht auff das selbige unschuldige wort Gottes aller solcher unglimpff mitt gutem schein falle.“ Ebd., S. 449.
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ob ihre bisherigen Einlassungen die gewünschte Wirkung auf den Kurfürsten gehabt hatten, wenn sie schreiben: Doch mügen wir aus billicher und schuldiger sorge, so wir tragen gegen E.k.f.g., nicht lassen, E.k.f.g. untertheniglich zu bitten und zuermanen, weil wir heüt von hinnen zu haus werden zihen, vnd gleich eine denck zeddel hinder uns lassen, angesehen, das E.k.f.g. mit vielen geschefften alle stunde uberfallen und auch sonst der Satan uns listiglich sucht, damit wir dem fride ungerne odder ihe noch lass und langsam nachtrachten und annemen.167
In dieser Erinnerung bitten sie Johann schließlich kurz und bündig um drei Dinge: erstens, die Chance, den Frieden zu erhalten, nicht vorübergehen zu lassen, und so bald wie möglich eine Botschaft an das Reichsregiment sowie König Ferdinand abzufertigen.168 Zweitens, dem Landgrafen Einhalt zu gebieten „dass s.f.g. nicht zu seer eile und solche gottliche mittel nicht verieuche und zuerstrewe“ 169 , und drittens, nicht zu hart auf die Erstattung der Rüstungskosten zu drängen. Ein inhaltlich identisches Schreiben mit etwas anderem Wortlaut erging zeitgleich an Johann Friedrich.170 Die Mahnungen der Wittenberger Theologen fielen bei Johann auf fruchtbaren Boden. Zwar setzte er vereinbarungsgemäß seine Rüstungen fort, doch der Gegensatz zwischen der kursächsischen Friedensneigung und den nach wie vor offensiven Plänen des Landgrafen traten nun immer offener zutage. Während Philipp drängte, zur Erfüllung der vertraglichen Voraussetzungen für eine militärische Operation ihm Ausschreiben und Werbung an das Reichsregiment so schnell wie möglich zugehen zu lassen, um diese nach Speyer zu senden, rang Johann offenbar um jede Formulierung in den Schriftstücken. Insbesondere die Instruktionen für die Gesandtschaften an das Reichsregiment und König Ferdinand, in welche er seine größten Hoffnungen zu einem gütlichen Ausgleich setzte, bereiteten ihm Kopfzerbrechen. So schrieb Johann am 11. Mai an seinen Sohn: „Uns sind in der handlung, wie e.l. wissen, allerlei bedenken zugefallen, die wir e.l. hiermit freundlicher meinung anzeigenn. Und sonderlich ob in des Königs zu Böhmen Instruktion etwas wie das zu der andren Instruktion, so an das Regiment gestelt zu setzen und zu schreiben,
167 WA Br, Bd. 4, S. 451, Nr. 1259 (ca. 6. Mai 1528). 168 Die entsprechenden Instruktionen waren bereits in Weimar angefertigt worden. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 166. 169 WA Br, Bd. 4, Nr. 1259, S. 451. 170 Vgl. ebd. Johann Friedrich hatte krankheitsbedingt nicht an den Besprechungen in Weimar teilgenommen, sondern war in Torgau geblieben. Auch in diesem Schreiben äußerten Luther und Melanchthon die Sorge, Johann könne aufgrund vielfältiger Geschäfte und Aufgaben übersehen, dass die Angelegenheit durch das Mandat des Reichsregiments eine von Gott gefügte Wendung genommen hätte, der man sich nicht verschließen dürfe.
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dienstlich sein sold.“171 Johann Friedrich wiederum hatte sich seinerseits Gedanken gemacht und dem Vater Änderungsvorschläge unterbreitet, die dieser als „dem handel dienstlich“ befand.172 Auch für die Instruktionen zur Aufnahme von Verhandlungen mit den Bischöfen von Würzburg und Bamberg hatte sich Johann Änderungen überlegt, 173 auch wenn sein eigentliches Ansinnen war, die Gesandtschaften solange hinauszögern, bis man wisse, wie sich König und Regiment zur Angelegenheit stellen würden.174 Zunächst sandte Johann aber am 9. Mai Johann Friedrich, begleitet von den Räten Anarg von Wildenfels, Hans von Minkwitz und Kuntz Gotsmann, zu Philipp nach Kassel, um diesen, nun auch durch das Mandat des Reichsregiments bestätigt, endgültig von seinen Angriffsplänen abzubringen. Doch erst einmal beschäftigte Vater und Sohn die Gesandtschaft an den Bischof von Würzburg, der Johann, entgegen seiner ursprünglichen Bedenken und dem Beschluss seiner Räte, doch noch zeitnah zugestimmt hatte.175 Diese geriet
171 LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 3r (Johann an Johann Friedrich, Torgau, 11. Mai 1528). 172 Die Kredenz und sehr wahrscheinlich auch die Instruktion für die Gesandten an König Ferdinand, Christoph von Taubenheim und Hans von der Planitz, wurden schließlich am 12. Mai erstellt. Die beiden wurden beauftragt, alle unterstellten landfriedensbrecherischen Absichten Landgraf Philipps und des Kurfürsten selbst zurückzuweisen. Die von ihnen gerade getätigten Rüstungen seien Notwehr gegen ein Bündnis, dem auch der König angehören soll. Zwar könne man dessen Mitgliedschaft kaum glauben, zumal er als Statthalter doch Handhaber des Landfriedens sei, trotzdem fordere man ihn auf, die Gefahr abzuwenden und dafür zu sorgen, dass alle beim Recht bleiben könnten. Denn alle anderen Vorhaben wären dazu angetan, die Ordnung des Reichs zu zerrütten und die Türkenpläne des Kaisers zu durchkreuzen. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 295f. Am 21. Mai trugen die beiden kursächsischen Räte Ferdinand ihre Werbung vor. Am 24. Mai erteilte der König die Antwort, dass das beschriebene Bündnis nicht existiere und er deshalb Johann ersuche, seine Rüstungen einzustellen. Vgl. ebd., S. 302 sowie DÜLFER, Die Packschen Händel, Nr. 48. 173 LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 3v, Johann an Johann Friedrich, 11. Mai 1528). „Wir bedenken auch, ob den reten, so gegen Bamberg und Würzburg sollen geschickt werden, zu befehlen sei, die nachteil etwas zu lindern und nicht so scharfe wort wie sie gestellt sind zu gebrauchen.“ 174 Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 21 (Denkschrift der Räte an Johann zur weiteren Vorgehensweise, undatiert, um den 12. Mai 1528). 175 LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 7r (Johann an Johann Friedrich, Torgau, 13. Mai 1528). „Nun wissen wir uns zuerinnern als e.l. nechst von uns abgeschieden, das wir in zweifel gestanden, ob gut sein sollte, dass die schickung zu den Bischöfen eher beschehe, denn man verständigt werde, was das Regiment zu tun und zu verfügen geneigt. Wir bedenken aber, dass nicht ungut sein möge, dass die schickung fürderlich und wie ab-geredet, zu den beiden Bischöfen, als Würzburg und Bamberg beschehe und darauf gehandelt wird, dass sie vorschreibung des friedens tun, vor sich, ihre landschaft und capitel, wiedann e.l. ein ungefährlich notel alhie zugestellt ist worden.“
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zu einem Verwirrspiel,176 das den Gedanken nahelegt, dass Johann auf diesem Umweg versucht hatte, den Aufbruch der Gesandtschaft soweit hinauszuzögern, um doch zuvor Bescheid über den Ausgang der Verhandlungen mit Regiment und König Ferdinand zu erhalten.177 Trotz allem, als die Räte am 25. Mai endlich in Würzburg eintrafen, hatte man weder Nachricht aus Speyer noch aus Prag. Philipp, der noch immer zum Krieg entschlossen war, hatte bereits seine Truppen an der Grenze zu Würzburg zusammengezogen, um so den Druck zur Abgabe der Friedensversicherung zu erhöhen. Doch inzwischen musste dem Landgrafen klar sein, dass er dabei nicht mehr mit der Hilfe von Johann rechnen konnte. Denn nicht nur das Fehlen der Originalurkunde des Breslauer Bündnisses, sondern auch die Zurückweisung der von den Gesandten vorgebrachten Beschuldigungen durch die Bischöfe hatten Johann mehr als skeptisch gemacht. So stellte er sich die Frage, wie es ohne handfeste Beweise überhaupt möglich sein sollte, die Bischöfe ihrer Schuld zu überführen. Die Briefe an Johann Friedrich zeigen ebenso, dass der Zweifel an deren Schuld bereits stark an Johann nagte.178 176 Wie mit Philipp in Weimar abgesprochen, begaben sich Wolf von Weißenbach und Ewald von Brandenstein am 15. Mai nach Römhild, um sich dort mit den hessischen Gesandten zu treffen. Als sie jedoch in Römhild ankamen, lag dort keine Instruktion für sie vor und der Bote, der ihnen mitteilen sollte, dass sie auf Bescheid von Johann Friedrich warten sollten, traf ebenfalls nicht ein. So reisten sowohl die hessischen als auch die kursächsischen Räte unverrichteter Dinge am 16. Mai wieder ab. Weißenbach und Brandenstein begaben sich nach Altenburg, um von Johann weitere Anweisungen zu erhalten. Dieser sandte sie umgehend zurück nach Römhild, um dort auf Bescheid aus Kassel, wo Johann Friedrich inzwischen eingetroffen war, zu warten. Über die hessischen Räte, die inzwischen ebenfalls wieder beim Landgrafen eingetroffen waren, hatte Johann Friedrich Kenntnis über die Angelegenheit erhalten und unverzüglich Hans von Minkwitz und Kuntz Gotsmann, die ihn nach Kassel begleitet hatten, als Gesandte benannt. Diese reisten schließlich nach Würzburg, während Johann den beiden anderen abschrieb. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 53 (Johann an Johann Friedrich, Altenburg, 19. Mai 1528); Reg. H, Nr. 19 fol. 570 (Johann an Johann Friedrich, Eisenberg, 20. Mai 1528); Reg. H, Nr. 19, fol. 70 (Johann an Johann Friedrich, Jena, 21. Mai 1528). 177 Es klingt doch recht verdächtig wenn Johann am 19. Mai schreibt: „Und wiewohl solche schrift an Herrn Wolf einen Tag vor e.l. abreisen bei einem eigenen Boten weg gefertigt, so vermerken wir doch, dass sie ihm nicht zukomen. wie aber der bote sich gesäumt, können wir nachdem er zu uns noch nicht wiederkommen ist, nicht wissen.“ LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 53r (Johann an Johann Friedrich, Altenburg, 19. Mai 1528). 178 So bat Johann in einem Schreiben vom 23. Mai Johann Friedrich darum, „dass e.l. samt den Räten die sachen in guter achtung haben wollen, damit wir nicht weiter umgeführt werden, sonderlich ob die Bischöfe aus dem, das sie des handels unschuldig, die friedsverschreibung, wir gesucht, zu tun und des kosten halben, als die unserem oheimen und uns kein ursache zu der Rüstung gegen hätten, beschwert wären“. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 111r (Johann an Johann Friedrich, Weimar, 23. Mai 1528).
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Ebenso ließen Alleingänge Philipps das Vertrauen Johanns in den Landgrafen schwinden. Als besonders ärgerlich empfand er die Veröffentlichung des Breslauer Bündnisses gegenüber den hessischen Ständen und Herzog Georg ohne vorherige Absprache. 179 So machte Johann seinem Ärger gegenüber Johann Friedrich Luft: Es befremdet uns solchs, das es dermaßen und hinter uns und e.l., auch so zeitlich geschehen ist, nicht wenig. Wissen auch nicht, wofür wir es ansehen oder haben sollen. Wiewohl es aber geschehen, und nun nicht mehr verhindert werden kann, so müssen wir es dem Almächtigen Gott befehlen, in Hoffnung, der werde diese sachen zu seinem lobe und willen und nicht nach der Menschen anschlege ausführen […].180
Die nun nach und nach aus Speyer, 181 Würzburg, 182 Dresden, 183 und Prag 184 eintreffenden Antworten enthielten neben Unschuldsbeteuerungen die Vernei179 Obwohl dies durch Philipp bereits am 17. Mai 1528 geschehen war (vgl. dazu den Brief an Herzog Georg in ABKG, Bd. 3, Nr. 1602), erlangte Johann Friedrich offenbar erst am 20. Mai darüber Kenntnis. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 29–30 (Johann Friedrich an Johann, Kassel, 20. Mai 1528). Ohne Frage handelte es sich dabei um eine Reaktion Philipps auf Johanns Verzögerungshaltung bezüglich des in Weimar vereinbarten öffentlichen Ausschreibens. Auch Johann Friedrich gegenüber musste sich Johann immer wieder dafür rechtfertigen, dass er dieses zurückhielt. 180 LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 84r (Johann an Johann Friedrich, Weimar, 22. Mai 1528). 181 Am 19. Mai traf die hessisch-sächsische Gesandtschaft beim Reichsregiment in Speyer ein, um dort ihre Absichten und Forderungen offenzulegen. Hierbei drehte es sich in erster Linie um die Auflösung des Breslauer Bundes, einer Friedensversicherung aller Gegner, die durch verschiedene Bürgen abgesichert werden sollte und die Erstattung der Kosten. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 123. Das Regiment ließ daraufhin verlauten, dass man sofort mit all denjenigen, die als Bündnispartner genannt wurden, in Verhandlungen treten werde. Bis dahin sei sowohl von einem Angriff als auch von weiteren Rüstungen abzusehen. Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 299f. 182 Sowohl in Bamberg als auch in Würzburg gab man an, von einem Breslauer Bündnis nichts zu wissen und den Vertrag, den die Räte in Kopie mitführten, nicht zu kennen. Deshalb fand man sich auch nicht zu den geforderten Zusicherungen, die sich mit denen deckten, die Hessen und Kursachsen vor dem Reichsregiment geltend gemacht hatten, bereit. Die gegebenen Instruktionen sahen aber offenbar nicht direkt den Fall vor, dass behauptet wurde, das Bündnis gäbe es gar nicht. Aus diesem Grund kam es wohl zu unterschiedlichen Reaktionen der Gesandten. Während dem Bamberger Bischof daraufhin ein Schreiben ausgehändigt wurde, das einer Kriegserklärung gleich kam, verzichteten die Räte, die nach Würzburg abgesandt worden waren mit der Begründung, erst mit ihren Herren über diese Antwort beraten zu müssen, darauf. Vgl. ebd., S. 131, bes. Anm. 1. 183 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1606 (Herzog Georg an Philipp, 21. Mai 1528). Georg hatte sich gleichzeitig auch an Johann gewandt, in der Hoffnung, dass dieser sich mit einer Entschuldigung begnüge. In seiner Antwort betonte Johann zwar seinen Friedenswillen,
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nung der Existenz des Breslauer Bündnisses. Am 31. Mai drohte Johann dem Landgrafen schließlich damit, aus dem Weimarer Bund auszutreten, wenn dieser weiterhin beabsichtige, Krieg zu führen.185 Auch die Nachrichten über die Friedensverhandlungen mit den Stiften Magdeburg und Halberstadt ließen die Hoffnung, einen bewaffneten Konflikt abwenden zu können, für Johann immer greifbarer werden. So hatten in seinem Auftrag Graf Albrecht von Mansfeld und Fürst Wolfgang von Anhalt, die selbst Stiftsverwandte in Magdeburg und Halberstadt waren, mit der dortigen Ritterschaft und den Ständen über einen „Nichtangriffspakt“ verhandelt. Bereits am 5. Mai konnte Albrecht von Mansfeld Johann das Ergebnis erster Sondierungsgespräche mitteilen; die Mehrheit der Stände sei nicht gewillt, sich an einem Angriff ihres Herrn, dem Erzbischof von Magdeburg und Mainz, auf die Evangelischen zu beteiligen. Auf Befehl Kardinal Albrechts hatten sich diese jedoch zum 9. Mai gerüstet im Feldlager in Staßfurt versammelt, wohin sich auch Albrecht von Mansfeld und Wolfgang von Anhalt begaben. Dort nutzten die beiden die mehrheitlich friedlich gesinnte Stimmung der versammelten Stände und unterbreiteten ihnen den Vorschlag, kriegerische Maßnahmen abzuwenden, indem man eine Friedensversicherung abgebe und danach wieder heimziehe. 186 Am 20. Mai wollte man sich erneut, jedoch ungerüstet, in Staßfurt treffen, um abschließend zu verhandeln.187 Zu diesem Landtag entsandte Johann seine Räte
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machte Georg aber auch klar, dass es für ihn manchen guten Grund gebe, an die Existenz des Breslauer Bündnisses zu glauben. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 151. Die Antwort Ferdinands an die kursächsischen Gesandten Taubenheim und Planitz vom 24. Mai bei DÜLFER, Die Packschen Händel, Quelle 48. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 137f., Anm. 1. Diese Drohung ist mit Sicherheit in Zusammenhang mit den Nachrichten zu sehen, die von König Ferdinand aus Prag kamen. So teilte der kursächsische Gesandte Hans von der Planitz am 22. Mai Gregor Brück mit, dass er inzwischen große Zweifel an der Kopie des Breslauer Bündnisses habe: „Ich byn in dieser sachen gancz vorirret, das ich ungewiß bin, was ich deshalb gleuben sall.“ Deshalb bat er Brück „auffs hochste, wollet ye helffen und ratten, damit keyn tetlicher zugriff ader begynnen vom lantgraven werde vorgenomen“. SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, S. 101, Anm. 6 und 7. Der Vorschlag beinhaltete die Verpflichtung, niemanden wegen des Wort Gottes angreifen zu helfen. Im Gegenzug sollte ihnen durch die Anhänger des göttlichen Worts versichert werden, beide Stifte nicht anzugreifen. Bei einem Angriff auf ihren Herrn, Kardinal Albrecht, oder die beiden Stifte wollen sie aber ihrer Pflicht zur Verteidigung nachkommen. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1601, Anm. 1. Vgl. ebd., Nr. 1599. Dompropst, Dechant und Kapitel zu Magdeburg an Herzog Georg, 15. Mai 1528). Die Absender des Schreibens berichten Herzog Georg erschrocken über diese Entwicklung. Da der in Mainz weilende Kardinal Albrecht ihnen bei Schwierigkeiten befohlen hätte, sich an Herzog Georg zu wenden, bitten sie nun um Rat und Hilfe, die ihnen möglichst bis zum nächsten Treffen in Staßfurt zukommen soll.
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Wolfgang von Anhalt und Kaspar von Minkwitz. Albrecht von Mansfeld bestand gegen den Widerstand der Kapitel darauf, in eigenem Namen an den Verhandlungen teilzunehmen. Wahrscheinlich erhoffte er sich als landständischer Teilnehmer größere Einflussmöglichkeiten auf die Ritterschaft zu haben, als als offizieller Botschafter Kursachsens. Auch wenn sich am Ende die Stände nicht dazu entschließen konnten, ohne Einwilligung des Erzbischofs eine schriftliche Friedenszusicherung abzugeben, so wurde doch schnell klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es dazu kommen würde.188 Inzwischen war auch Landgraf Philipp zu der Erkenntnis gekommen, dass sich das Zeitfenster für einen militärischen Überraschungscoup geschlossen hatte, auch wenn er sich die Option als Druckmittel durchaus offen zu halten gedachte.189 Aber bereits die Offenlegung des Wissens um das Breslauer Bündnis gegenüber zahlreichen Fürsten und dem Reichsregiment zeigt, dass nun die Stunde der offenen Verhandlungen gekommen war. Schon zuvor hatte Philipp in das Angebot von Trier und Pfalz eingewilligt, in der Angelegenheit zu vermitteln.190 Diese erreichten schließlich, nachdem die direkten Verhandlungen mit den Bischöfen von Würzburg und Bamberg gescheitert waren, dass man am 1. Juni zu Gesprächen in Schmalkalden zusammenkam. 191 Johann, der zunächst seine Teilnahme für unnötig hielt, da sich bereits einige seiner Räte beim Landgrafen aufhielten, reiste am 2. Juni auf persönliche Bitte Philipps und der vermittelnden Kurfürsten doch nach Schmalkalden. Längst nicht mehr von der Richtigkeit der Angaben Ottos von Pack überzeugt, behielt er es sich vor, in der Frage der Kostenerstattung eigene Wege zu gehen, während er die Forderung des Landgrafen nach einer Friedensversicherung seitens der Bischöfe mittrug. Die unterschiedliche Auffassung Sachsens und Hessens in puncto Kostenerstattung hatte sich seit der Warnung der Wittenberger Theologen, allzu hart auf eine Übernahme durch die Gegner zu dringen, wie ein roter Faden durch die Beziehungen 188 Im Vorfeld des Landtages hatte Herzog Georg den Ständen der Stifter deutlich gemacht, dass er ihr eigenmächtiges Handeln in dieser Angelegenheit sehr befremdlich fand, und sie davor gewarnt, sich ohne Wissen des Kardinals und des Kaisers in irgendeiner Weise zu verpflichten. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1601 (Georg an Fürsten, Grafen, Herren und Ritterschaft der Stifte Magdeburg und Halberstadt, 17. Mai 1528). 189 So hatte sich Philipp nach längeren Verhandlungen mit dem pfälzischen Marschall Wilhelm von Habern bereit gefunden, die Waffen mindestens bis zum 1. Juni 1528 ruhen zu lassen. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 140. 190 Vgl. SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, Beilage 1, S. 161f. (Landgraf Philipp an die Kurfürsten von Trier und Pfalz, 16. Mai 1528). Johann hatte seine Zustimmung zur Vermittlung der beiden Kurfürsten am 13. Mai erteilt. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 7 (Johann an Johann Friedrich, Torgau, 13. Mai 1528). 191 Den Vorschlag zu einem Treffen in Schmalkalden hatte Philipp unterbreitet. Vgl. SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, Beilage 1, S. 161f.
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gezogen. Während Johann in dieser Frage eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legte, nahm Philipp eine völlig andere Position ein: Je weiter eine militärische Option in die Ferne rückte, desto stärker konzentrierte er sich auf die Frage des Kostenersatzes. In Anbetracht der Tatsache, dass Philipps Truppen in Herrenbreitungen auf hessischem Boden Lager bezogen hatten und damit über die ohnehin erheblichen Kosten hinaus auch den eigenen Untertanen große Lasten entstanden, entspann sich schnell nach Johann Friedrichs Ankunft in Kassel eine harte Diskussion um die Kostenfrage.192 Diese gipfelte schließlich darin, dass Philipp forderte, Sachsen solle ihm die Hälfte der Kosten für seine Rüstungen erstatten, da er sich andernfalls gezwungen sehe, die Gegner zum Ersatz heranzuziehen. Dabei ließ er keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit in dieser Sache, sodass Johann Friedrich, der keine Vollmacht hatte, darüber zu entscheiden, dem Vater riet, auf die Forderung einzugehen.193 Um die Friedensverhandlungen mit den Bischöfen nicht zu gefährden, ging Johann auf diese Forderung ein, allerdings unter der Bedingung, die eigenen Kosten zu verrechnen.194 Diese Zusage spiegelt Johanns unbedingten Friedenswillen und seine Angst drastisch wider, das Evangelium könnte in etwas hineingezogen werden, das gegen Gott und das Gewissen wäre, insbesondere wenn man bedenkt, dass er zu diesem Zeitpunkt weder die Einlassungen der Bischöfe noch Ferdinands kannte. Doch diese Zusage reichte Philipp nicht. Er wollte, dass die vermeintlichen Breslauer Bündnispartner ihm seine Kosten in vollem Umfang ersetzten. Immerhin wahrte man zumindest nach außen hin die Einigkeit bezüglich der Existenz des Breslauer Bundes. Dieses geschlossene Auftreten führte dazu, dass den Bischöfen von Bamberg und Würzburg eine Friedensversicherung und die Zusage der Kosten-
192 Johann war von vornherein bereit, Philipp in der Kostenfrage entgegenzukommen. So sollte Johann Friedrich in Kassel herausfinden, inwieweit dem Landgrafen für seine Rüstungen höhere Kosten entstanden waren als den Kursachsen. Diese sollten ihm ausgeglichen werden. Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 24v–25r (Denkschrift der Räte an Johann zur weiteren Vorgehensweise, undatiert, um den 12. Mai 1528). 193 LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 19, fol. 29r–30v (Johann Friedrich an Johann, 18. Mai 1528). 194 Ebd., fol. 70v–71r (Johann an Johann Friedrich, Jena, 21. Mai 1528). „[…]und s.l. zu rechten freundlichen willen gewand sein, so wollten wir jo nicht gern das etwas vorgenommen werden sollte, das vor Gott und der Welt beschwerung, auf ihn legen möcht, und darum soll an dem unser halben nicht mangel sein, wie s.l. des kostens halben in den überschickten zetteln vorgeschlagen, sondern, geben e.l., wo sich die sachen zum frieden und dasselben verschreibung zutragen werden gegen s.l. von unser wegen, dasselbig als zubewilligen hiermit vollkommen gewalt und macht. Doch als was wir unsers teils auch scheinlich oder beweislich auf den handel gewandt und ferne bis zu entlichen vertrag werden wenden müssen, wollen wir uns zu unserem oheim freundlich versehen, s.l. werde dasselbig wiederum auch rechnen und so hoch er sich erstrecket abziehen lassen.“
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erstattung als einziger Ausweg erschien, den drohenden Ausbruch des Krieges zu verhindern. Da sowohl die Evangelischen als auch die beiden Bischöfe in der Frage nach der Echtheit des Breslauer Bündnisses jeweils auf ihren Meinungen beharrten, musste dieser Punkt unentschieden bleiben. Auf Vorschlag von Trier und Pfalz verständigte man sich darauf, dass das Bündnis durch einen Dritten erdichtet worden sein müsse, da dies durch Sachsen und Hessen nicht geschehen sein könne.195 Schließlich war man am 5. Juni soweit, dass es mit beiden Bischöfen zum Abschluss eines Friedensvertrags kam. 196 Darin einigte man sich, bis zu einem zukünftigen Konzil sich entsprechend des Abschieds des Speyerer Reichstags von 1526 zu verhalten sowie dafür Sorge zu tragen, dass der kaiserliche Landfriede gewahrt bliebe.197 Zusätzlich bestanden Hessen und Sachsen darauf, dass in die Friedenversicherung auch diejenigen miteinbezogen wurden, welche die Vertragspartner unterstützt und beraten hatten. Auf besonderen Wunsch des Landgrafen wurde auch der Passus aufgenommen, dass keiner in dieser Angelegenheit weitere Hilfe beim Schwäbischen Bund suchen solle. 198 Durch zwei Sonderverträge wurde die Frage der Kostenübernahme geregelt. Während Johann auf den Ersatz seiner Rüstungskosten verzichtete, 199 verpflichteten sich Bamberg und Würzburg gegenüber Landgraf Philipp zur Erstattung.200 Damit waren nach Ansicht der vertragschließenden Parteien die Händel umfassend und
195 Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 141. 196 Vgl. SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, Beilage 2, S. 162–165. 197 „[…] obangezaygter irrungen und sachen, auch dieser ytzigen empörung wegen gegen unsern freunden und vettern, dem churfursten von Sachsen und landtgraven, irer liebden ritterschaft, landt und leuthen in ungutem nichts ymmermere zuuben, noch ire liebden, dero landt, leuth und ritterschaft, undterthanen und verwanten von dem gots wort, dergleichen herwiderumb unsere freunde und vettern Sachsen und Hessen obgedacht unsere freunde die bischove Bambergk und Wirtzburgk sampt den iren nit zudringen undterstehn helfen oder rathen, sonder die ding bey dem gemaynen abschiede uf dem reichstage zu Speyr gemacht, also daß ein ide obrigkheyt sich in demselbigen biß zu eynem kunftigen concilio dermassen halten, wie er solchs gegen got und key. mt. getrauet zuverantworten, bestehn und dem geleben, auch sich ydertheyl demselbigen gemeß erzeygen, den andern bey dem seynen in seynem furstenthumb und gepiethe in vermoge des key. landfriedens ruhig pleyben lassen und daruber in ungutem und mit der that nit furnemen.“ Ebd., S. 164. 198 Ebd., S. 164f. 199 SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, Beilage 2B, S. 165f. „[…] bekennen wir fur uns und unser erben und nachkomen hiemit gegen menniglich, daß wir gegen obgemelten unsern freunden, den bischoven von Bamberg und Wirtzburg, auch iren nachkomen der unkosten und scheden halben, darein wir neben unserem oheymen dem landtgravendieser sachen halben komen seyn, keyn vorderung thun, sonder unß der hiemit gentzlich wollen verziehen und begeben haben und ire liebden, noch derselben nachkomen ytzt und kunftiglich darumb nit anziehen, alles getreulich und ungeverlich.“ 200 Ebd., Beilage 2C, S. 166.
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abschließend beigelegt. Folgerichtig führte Philipp sein Heer von der hessisch-würzburgischen Grenze fort. Bei den Verhandlungen in Schmalkalden waren ebenfalls Vertreter des Erzbischofs Albrecht von Mainz zugegen gewesen. Wie wir gesehen haben, hatte dieser sich in besonderem Maße bedroht gefühlt und ebenfalls umfangreiche Rüstungen vorgenommen. Als ihm nun die in Schmalkalden ausgehandelten Vertragsbedingungen bekannt wurden, die er selbst als unannehmbar ansah, rechnete er fest mit dem Ausbruch des Krieges, zumal Philipp die aus der Würzburger Grenzregion abgezogenen Truppen in der Nähe des Mainzer Gebietes stationierte. 201 Erst im letzten Augenblick erreichten die Pfälzer und Trierer Vermittler die Zustimmung Erzbischof Albrechts zu einem Friedensvertrag. Dieser wurde am 11. Juni 1528 in Anwesenheit Albrechts und Philipps abgeschlossen, während Johann weder zugegen noch durch Räte vertreten war. Die hier getroffenen Bestimmungen deckten sich mit denen, in die auch Bamberg und Würzburg eingewilligt hatten. Hinzu kam die Nebenabrede, dass der Mainzer Erzbischof auf die geistliche Jurisdiktion in Kursachsen und Hessen verzichtete, dafür garantierten die beiden Fürsten die Auszahlung aller Einkünfte an die Geistlichen. Mit diesen drei Friedensverträgen war die akute Kriegsgefahr gebannt. Johann hingegen bekam nun den ganzen Zorn Herzog Georgs über den Lauf der Händel zu spüren. Die herzoglichen Räte, die am 10. Juni bei Landgraf Philipp gewesen waren, um den Namen des Fälschers des Breslauer Bündnisses zu erfahren, machten auf der Rückreise auch in Kursachsen Station.202 Die Instruktion, nach welcher die Gesandten Johann gegenüber handeln sollten, war gespickt mit Vorwürfen und Beschwerden gegen den Vetter.203 Zum einen zeigte Georg sich verwundert darüber, dass Johann eine Gesandtschaft an König Ferdinand
201 An diesem Punkt war wohl die Wahrscheinlichkeit am höchsten, dass es doch noch zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen würde. Erzbischof Albrecht hatte die Unterstützung des königlichen Statthalters in Württemberg, Georg Truchsess von Waldburg, angefordert. Philipp bat Johann um Unterstützung durch Knechte und Reiter, sodass dieser mit der Entlassung seiner Truppen noch einige Tage wartete, um ihm im Notfall zur Hilfe kommen zu können. 202 Bei den Räten handelte sich um Graf Hoyer von Mansfeld, Ernst von Schönburg, Christoph von Taubenheim und den Kanzler Simon Pistoris. Sie trafen mit Philipp am 10. Juni in der Nähe von Fulda zusammen. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1616 (Instruktion für die Gesandtschaft an Landgraf Philipp, 3. Juni 1528). Mit Johann trafen sie am 12. Juni in Eisenach zusammen. Vgl. Christian NEUDECKER, Urkunden aus der Reformationszeit, Kassel 1836, S. 30f. 203 Zur Instruktion für die Gesandtschaft an Kurfürst Johann vom 4. Juni 1528 vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 152 sowie SCHWARZ, Die Pack’schen Händel, S. 102.
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habe abgehen lassen,204 er selbst jedoch, obwohl der Weg der Räte durch herzogliches Territorium führte, nicht informiert wurde. Dadurch hätte man die Angelegenheit viel früher aufklären können und Johann wäre die Peinlichkeit erspart geblieben, sich mit solch erdichteten Märchen an den König zu wenden. Zum anderen warf Georg Johann und seinen Räten vor, kriegslüstern und regelrecht begierig darauf gewesen zu sein, unbegründeten Anschuldigungen gegen ihn Glauben zu schenken. Ansonsten wären ihnen mit Sicherheit die Fehler in der Kopie aufgefallen. Zudem verwahrte er sich dagegen, dass Johann und Philipp verbreiten würden, er hätte sich mit anderen gegen das Evangelium verbunden. Er habe ihm seine an den Landgrafen gerichtete Entschuldigung mit der Bitte, sie an seinem Hof zu verlesen, ebenfalls zugeschickt. Dies sei aber nicht geschehen. Johann möge ihm doch melden, was ihn bewogen habe, so unfreundlich gegen ihn zu handeln. Auch wenn die Dinge durch die Friedensverträge mit den Bischöfen inzwischen eine andere Wendung genommen hatten, spürte Johann wohl, dass sich Georg in erster Linie persönlich verletzt und angegriffen fühlte. Immerhin handelte es sich bei Johann und Philipp um seine nächsten Verwandten und Nachbarn. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass das Verhältnis zwischen den beiden sächsischen Territorien seit Jahren stark angespannt war. Auch konnte Johann nicht wissen, dass sich Georg, trotz der offensichtlichen Kriegsvorbereitungen der beiden Fürsten, stets gegenüber Ferdinand und Kardinal Albrecht schützend vor sie gestellt und mögliche kriegerische Absichten verneint hatte.205 So bediente sich Johann der altbewährten Taktik gegenüber den Albertinern und antwortete den Räten ausweichend, indem er darauf verwies, sich erst mit Philipp absprechen zu müssen. In der Tat sehen wir bereits am 16. Juni kursächsische Räte bei Philipp in Grünberg, wo unter anderem auch die Weigerung des Landgrafen, den inzwischen gefangen genommenen Otto von Pack auszuliefern, besprochen wurde.206 204 Herzog Georg hatte durch den königlichen Hofmeister Wilhelm Truchseß von Waldburg Mitteilung über die Gesandtschaft Johanns an Ferdinand erhalten. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1611. 205 Besonders bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass sich im April/Mai 1528 Herzogin Elisabeth von Sachsen, die Schwiegertochter Georgs und Schwester Philipps, offenbar über längere Zeit am Hofe Johanns aufhielt. Vgl. André THIEME (Hg.) Die Korrespondenz der Herzogin Elisabeth von Sachsen, Bd. 1, Leipzig 2010, Nr. 128–133. Anhand ihres Briefwechsels lässt sich nachweisen, dass sie zu dieser Zeit mit Otto von Pack in Verbindung stand. Es scheint, als hätte Pack versucht, sie für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Vgl. ebd., Nr. 126, 127. 206 DÜLFER, Die Packschen Händel, Quelle 84 (Auszug der Antwort Philipps an die kursächsischen Räte Anarg von Wildenfels und Hermann von Hoff, 16. Juni 1528). Otto von Pack war am 25. Mai 1528 von Philipp in Berka in Gewahrsam genommen worden. Pack versuchte nun nicht nur, seine Freilassung zu erwirken, sondern täuschte mit allerlei
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Johann, der an den Querelen, die sich vor allem zwischen Herzog Georg und Philipp um die weitere Vorgehensweise im Fall Ottos von Pack abspielten, weitgehend unbeteiligt war, versuchte sich letzte Sicherheit über die Urheberschaft und die Intention des Breslauer Bündnisses durch die Entsendung seines Rates Anarg von Wildenfels nach Kassel zu verschaffen.207 Bei seiner Befragung versicherte Pack Wildenfels gegenüber, dass alle seine Angaben der Wahrheit entsprächen und er im Besitz der von Ferdinand und Kurfürst Joachim besiegelten Originalurkunde sei. Ebenso gab er zu, dass er derjenige gewesen sei, durch den Philipp von der drohenden Gefahr unterrichtet worden war. Mit dieser Aussage war der wichtigste Zweck erfüllt, den Landgraf Philipp mit der Gefangennahme und Befragung Packs erreichen wollte: Der latent im Raum stehende Verdacht, Philipp könnte selbst an der Erdichtung des Bündnisses beteiligt gewesen sein, war ausgeräumt. Diese Erkenntnis reichte Johann als Entschuldigung für Philipps Handeln aus. So riet er dem Landgrafen dazu, diese Strategie auch bei der Vorstellung Packs am 12. Juli in Kassel anzuwenden.208 Offenbar war man zu dem Konsens gelangt, dass es kontraproduktiv wäre, sich auf ein weitläufiges Verfahren einzulassen, anstatt sich auf den Beweis zu konzentrieren, selbst gutgläubig in die Angelegenheit hineingeraten und nicht an der Fälschung beteiligt gewesen zu sein. 209 Die in Kassel erschienenen Räte der beschuldigten katholischen Fürsten hatten freilich anderes im Sinn: Sie forderten die Auslieferung oder zumindest ein rechtliches Verfahren gegen Pack, in welchem dieser des Verrats und der Fälschung überführt und damit ihre eigene Unschuld bewiesen werden sollte. So ließen diese auf dem Kassler Tag auch nichts unversucht, ihre Anschuldigungen zu erhärten, Pack habe das Siegel Herzog Georgs missbraucht und ein Majestätsverbrechen begangen, indem er Anlass zur Versammlung von Truppen ohne Wissen des Kaisers gegeben habe.210 Da Pack jedoch hartnäckig leugnete und Landgraf Philipp alle weitergehenden
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Tricks auch verstärkte Aktivitäten zur Beschaffung des Originals der Breslauer Bündnisurkunde vor. Vgl. ebd., Quellen 50–53, 55–60, 63–68. Ebd., Quelle 90 (Instruktion Johanns für Anarg von Wildenfels zu einer Werbung an Philipp, 23. Juni 1528). Ebd., Quelle 87 (Einladungsschreiben Philipps für den Kasseler Vorstellungstag, 22. Juni 1528). „Nachdem es di notturft erfordert, den man, von dem uns das ausgangen bunthnus so glaublich angelangt ist, uf einem namhaftigen tag furczustellen und die jhenigen, so in solchem bundtnus angeczogen czum teil zu beschreiben, jre rethe zu schicken und von ime selbst aygentlich anzuhoren, wie es seinem bericht nach ein gestalt darumb haben sol, und auch dabeneben zu vornemen, was sachen uns hochlich verursacht, solchem bundtnus glauben zu geben, so haben wir demnoch einen tag furgenomen, nemlich uf schirstkonftigen montagk nach Margarethe, denselbigen alhie czu Cassel furzustellen.“ Ebd., Quelle 107 (Gutachten Kursachsens für Philipp über die Gestaltung des Kassler Vorstellungstages). Vgl. auch ebd., S. 156, Anm. 2. Als Vertreter Johanns waren in Kassel Friedrich von Thun und Eberhard von der Thann anwesend. Ebd., Quelle 109 (Protokoll der Kassler Verhandlungen, 20. bis 24. Juli 1528).
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Forderungen der fürstlichen Gesandten ablehnte, kam man vorläufig zu keinem Ergebnis. Noch einmal auf der Kippe stand die friedliche Beilegung der Pack’schen Händel, als König Ferdinand den Schwäbischen Bund in die Verhandlungen einschaltete.211 Philipp, dessen Ziel es immer gewesen war, diesen aus der Angelegenheit herauszuhalten, sah sofort die Gefahr neuer Auseinandersetzungen und rüstete sich für den Ernstfall. Am 4. Dezember versicherte Johann ihm seine Hilfe im Falle eines Krieges und teilte mit, dass er bereits ein Bereitschaftsmandat erlassen habe. 212 Wiederum bedurfte es der Vermittlung durch die Pfalz. Ein offizielles Ende fanden die Pack’schen Händel mit dem Wormser Vertrag vom 30. Dezember 1528. Darin wurde festgelegt, dass Philipp der Aufhebung der Friedensverträge mit den Bischöfen zustimmte, der Schwäbische Bund dafür auf seine Forderung nach Rückzahlung der geleisteten Entschädigungen und der Auslieferung Packs verzichtete.213 Johann war an den Verhandlungen nicht beteiligt, zumal ihn sowieso nur die Frage nach der Aufhebung der Friedensverträge berührte. Er schloss sich den Bestimmungen jedoch freiwillig an.214 Bei diesem gütlichen Ausgang der über ein Dreivierteljahr dauernden Verwicklungen spielte mit Sicherheit eine entscheidende Rolle, dass weder das Reichsregiment noch der Kaiser Sachsen und Hessen für ihr Verhalten zur Verantwortung zogen. Es blieb einzig bei einem unfreundlich abgefassten Schreiben des Kaisers an die Weimarer Verbündeten im November 1528. Trotzdem waren die Nachwirkungen dieser Auseinandersetzungen, die an den Rand eines Religionskrieges geführt hatten, auf dem Reichstag in Speyer noch deutlich spürbar. Ekkehard Fabian geht in seiner Darstellung zur Entstehung des Schmalkaldischen Bundes sogar so weit, dass er meint, erst die Pack’schen Händel hätten König Ferdinand überhaupt die Entschlossenheit verliehen, die gefälschte Proposition auf dem Reichstag anzubringen.215 Diese unerwartet harte 211 Der Schwäbische Bund versuchte zu erreichen, dass man die mit den Bischöfen geschlossenen Verträge rückgängig machte und die an Philipp geflossenen Entschädigungen zurückgezahlt werden. Hinzu trat die Forderung, Otto von Pack auszuliefern. 212 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1673 (Johann an seine Amtleute, 13. Dezember 1528). Neben anderen Mitteilungen wiederholte Johann in diesem Schreiben seinen kürzlich erteilten Rüstungsbefehl an die Amtleute und Schriftsassen. Sie sollten sich unverzüglich bereit machen. Johann würde keine Entschuldigung gelten lassen. 213 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 445–447. 214 In seinem Namen waren jedoch in Worms Gregor Brück und Hans von Minkwitz anwesend. Sie haben den Vertrag auf „Hintersichbringen“ angenommen. Vgl. ebd., S. 447. 215 FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 37. „Man kann nicht genug hervorheben, wie sehr dieser Speyerer Reichstag unter dem frischen Eindruck des Landgräflichen Bischofszuges von 1528 stand, den Ferdinand als ein willkommenes Druckmittel benutzte, um die sonst gern gemeinsam gegen ihn opponierenden Reichsstände zu spalten. Ihre Mehrheit, insbesondere die geistlichen Fürsten, die im Jahr zuvor
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Proposition und die von der Reichstagsmehrheit angestrebte Kassierung der Speyerer Verantwortungsformel von 1526 zwang die evangelischen Stände wiederum zur Einigkeit. Nun wurde das seit langer Zeit bestehende Problem der Zerrissenheit der Evangelischen in der Abendmahlsfrage besonders virulent. Denn die Mehrheit der oberdeutschen Städte neigte zur Lehre Zwinglis, was den Gegnern immer wieder Gelegenheit bot zu versuchen, sie von den lutherischen Ständen zu trennen. 216 Deshalb wurde es nun umso wichtiger, den Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli beizulegen. Die Straßburger, die wohl die Gefahr am deutlichsten vor sich sahen, waren wahrscheinlich auch die Ersten, die an die Fürsten herantraten und darum baten, eine Trennung des evangelischen Lagers nicht zuzulassen.217 Besonders Landgraf Philipp bemühte sich nun darum, durch ein Religionsgespräch die Streitigkeiten aus der Welt zu schaffen. So konnte Hans von Minkwitz an den in Kursachsen verbliebenen Johann Friedrich am 30. März 1529 berichten, dass wohl Luther und Melanchthon mit Zwingli und Ökolampad in Nürnberg wegen des Sakraments zusammenkommen werden. Minkwitz zeigte sich guter Hoffnung, dass, wenn man erst mal verhandeln würde, auch eine gute Lösung zustande käme.218 Zumindest an diesem Punkt zeigte sich Melanchthon, vielleicht auch nur auf Druck der Fürsten, noch offen für Gespräche. 219 In einem Gutachten vom 5. April 1529 legten kursächsische und hessische Räte schließlich fest, dass „Was des verstendnus halber mit den stedten bedacht, muntlich und uf guet vertrauen in geheim zu reden.“220
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gesehen hatten, welchem Schicksal sie mit knapper Not entgangen waren, hat der König damit zur Bewilligung des bedrohlichen Speyerer Reichsabschiedes von 1529 bewogen, […].“ So beinhalteten die am 22. März 1529 von einem Unterausschuss erarbeiteten Vorschläge für eine Übergangslösung bis zu einem allgemeinen oder Nationalkonzil unter anderem die Regelung, die Zwinglischen Lehren zu verbieten. Vgl. KÜHN, Die Geschichte des Speirer Reichstags, S. 71. Vgl. Hans VIRCK (Hg.), Politische Correspondenz der Stadt Strassburg im Zeitalter der Reformation, Bd. 1, 1517–1530, Straßburg 1882, S. 323f. (Jacob Sturm an den Stadtschreiber Peter Butz, 24. März 1529). „[…] wir wollen mittler zit bi Sachsen und Hessen nichts underlossen, ob wir erhalten mochten, das sie sich von uns nit trennen liessen, dohin dan des gegenteils anschlag allie göt und gericht ist.“ Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 621f. Dabei gilt zu bedenken, dass Melanchthon zwar mit der Problematik des Abendmahlsstreits vertraut war, insbesondere durch seine Bekanntschaft zu dem Basler Oekolampad, doch bisher war er in der Sache eher Zuschauer denn Akteur gewesen. Ihn selbst nahm die drohende Spaltung der Evangelischen sehr mit, er steht aber fest zu den Ansichten Luthers. Vgl. Walther KÖHLER, Zwingli und Luther, Ihr Streit über das Abendmahl nach seinen politischen und religiösen Beziehungen, Bd. 2, Gütersloh 1953, S. 20–22. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 109.
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Die sich anschließenden Reichstagsverhandlungen ließen schnell klar werden, dass sich die Forderung der Evangelischen nach Beibehaltung des Speyerer Abschieds von 1526 nicht durchsetzen lassen würde. Nun galt es umso mehr, die eigenen Kräfte zu sammeln. Entsprechend den Festlegungen des Gutachtens vom 5. April begannen Landgraf Philipp und Kurfürst Johann spätestens am 8. April damit, nicht nur zu sondieren, wer sich zu einer Protestation und Appellation bereit finden würde, sondern warben wiederum aktiv für ein Zusammengehen in einem Verteidigungsbündnis. Zunächst sollte ein Kernbündnis mit sechs Mitgliedern geschlossen werden, dem die Fürsten von Kursachsen, Hessen und Brandenburg-Ansbach sowie die Städte Ulm, Straßburg und Nürnberg angehören, wobei man von vornherein eine Erweiterung angestrebte. Selbst über die anvisierte Truppenstärke hatte man sich bereits verständigt.221 Die Städte erhielten von ihren Räten die Erlaubnis, die Vorschläge auf „Hintersichbringen“ anzunehmen. Nachdem am 19. April die Protestation verlesen und am nächsten Tag schriftlich übergeben worden war, stand den Verhandlungen für das angestrebte Bündnis eigentlich nichts mehr im Wege. Trotzdem kam der Entschluss noch einmal ins Wanken, als die von der Ständemehrheit bestellten Vermittler Markgraf Philipp von Baden und Herzog Heinrich von Wolfenbüttel ihre Kompromissvorschläge vorlegten, um doch noch zu einem gemeinsamen Reichstagsabschied zu kommen. Plötzlich zeigte sich Johann, der zuvor in allen Sitzungen betont hatte, dass die Abendmahlsdifferenz keinesfalls zur Trennung mit den Städten führen würde, geneigt, die Vermittlungsvorschläge anzunehmen, die weitgehende Zugeständnisse der katholischen Stände, aber auch die Verurteilung der zwinglischen Abendmahlslehre beinhalteten.222 Ohne Zweifel wurde Johann vor allem von Philipp Melanchthon und Gregor Brück darin bestärkt, die Vermittlungsvorschläge anzunehmen. Damit folgte man höchst pragmatisch den seit Jahrzehnten bestehenden Leitlinien kursächsischer Außenpolitik, die darauf 221 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 683f. (Die Ulmer Verordneten Bernhard Besserer und Daniel Schleicher an die 5 Geheimen der Stadt, 8. April 1529) sowie ebd., S. 695f. (Antwort auf ein verlorengegangenes Schreiben des Nürnberger Gesandten Christoph Kreß, in welchem er über die Angebote Kursachsens und Hessens in seine Heimatstadt berichtet hatte, 10. April 1529) sowie VIRCK, Politische Correspondenz Straßburgs, S. 336 (Jacob Sturm und Mathis Pfarrer an die Dreizehn von Straßburg, 12. April 1529). „[…] deshalben so hat m.g, h. der landgrave mit mir, Jacob Sturmen, rede gehabt und vermeint, der sachen von nöten sein, das Sachsen, Brandenburg und er mit Nurnberg, Ulme und Straszburg ein abrede hie uf hindersichbringen thäten, und das mittler zeit si sich bi andern fursten und stetten irer art, derglichen die von richsstetten under sich selbs, den verstand zu erweitern, rede und handlong fürnämen, domit nit, so man also on verstand abzühe, jemants durch des andern stillsitzen und zusöhen vergwaltiget und uberzückt würde.“ 222 Die von den Protestanten bereits überarbeiteten Vermittlungsvorschläge in RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 147.
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abzielten, einen Bruch mit dem Kaiser und der Ständemehrheit zu vermeiden. Nun war die Chance, zu einem Ausgleich zu kommen, in greifbare Nähe gerückt. Auch wenn die Befürchtung, gegen den Reichstagsabschied protestieren zu müssen, bereits seit längerer Zeit im evangelischen Lager im Raum gestanden hatte, wissen wir, dass beispielsweise Melanchthon am Ende tief schockiert war von diesem Schritt.223 Damit manifestierte sich der Bruch innerhalb des Reiches. So überrascht es nicht, dass man danach strebte, sich im letzten Moment doch noch zu verständigen. Jedenfalls wird zumindest den Politikern die Preisgabe einer von ihnen wahrscheinlich nicht vollends durchschauten Abendmahlslehre leichter erschienen sein, im Gegensatz zum Verlust von Friede und Einigkeit.224 Mit dem Wissen darum, welches Gewicht die Einheit des Bekenntnisses für Kursachsen noch gewinnen sollte, haben viele Historiker bereits hier ein „Umkippen“ Johanns sehen wollen.225 Dabei kommt meist nicht zur Sprache, dass sich auch Georg von Brandenburg-Ansbach und Philipp von Hessen mit den Vermittlungsvorschlägen einverstanden erklärt haben.226 So könnte man ihnen genauso den Vorwurf machen, dass sie die zwinglischen Städte „geopfert“ hätten. Selbst Straßburg sah offenbar in einem gemeinsamen Reichstagsabschied eine größere Chance zu dauerhaftem Frieden als in Bündnisverhandlungen und stimmte ebenfalls zu.227 Damit soll nicht gesagt sein, dass Johann nicht der entschiedenste Fürsprecher für eine Einigung mit der Reichstagsmehrheit gewesen wäre, allerdings dem Kurfürsten zu unterstellen, er hätte willentlich die Trennung der evangelischen Stände herbeigeführt, halte ich für nicht nachweisbar. Vielmehr trug er sich mit der Hoffnung, durch einen friedlichen Abschied allzu weitreichende Bündnisverhandlungen unnötig zu machen. 223 Zu Melanchthon in Speyer vgl. Martin GRESCHAT, Philipp Melanchthon, Theologe, Pädagoge und Humanist, Gütersloh 2010, S. 90–94. 224 Außerdem ging man davon aus, dass sich die Theologen in dem von Philipp von Hessen angeregten Religionsgespräch in dieser Frage noch einigen würden. Es ist kaum anzunehmen, dass Kurfürst Johann darüber im Bilde war, wie verhärtet die Fronten zwischen den lutherischen und zwinglischen Theologen bereits waren. 225 Walther Köhler, der den Umschwung Kursachsens in Speyer eingehend analysiert hat, äußert sich zum entscheidenden Moment wie folgt: „Alles in allem: Kursachsen bleibt bis zur entscheidenden Sitzung des Reichstages am 19. April bei der Stange. Dann aber fällt es um. In der Besprechung vom 20. April. Warum? Man möchte sagen: Kursachsen verliert das Interesse, da es sieht, dass alle Einigkeit unter den Evangelischen doch nichts nützt, da der Gegner unerbittlich bleibt. Damit aber wird der konfessionelle Riß im Reiche Tatsache, es droht der Kampf mit dem Kaiser, dem als der zuständigen Obrigkeit man sich zu Gehorsam verpflichtet fühlt.“ KÖHLER, Zwingli und Luther, Bd. 2, S. 30. 226 Vgl. dazu auch die jeweiligen Aktenaufschriften der überlieferten Kopien der Vermittlungsvorschläge, RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 147. 227 Zu der Ansicht, Kursachsen wäre umgekippt vgl. vor allem FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 42f.
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Nachdem die Initiative schließlich an der Weigerung Ferdinands scheiterte, die Vorschläge anzunehmen, wurden folgerichtig die bereits begonnenen Bündnisverhandlungen zwischen den Evangelischen wieder aufgenommen und am 22. April ein vorläufiges Bündnisabkommen geschlossen.228 Die Frage Ekkehart Fabians, aus welchen Gründen die Fürsten in Speyer nicht gleich einen Bündnisvertrag, sondern lediglich ein vorläufiges Bündnisabkommen vereinbarten, das erst auf dem Tag von Rodach endgültig beschlossen werden sollte, lässt sich auch weniger auf eine sächsische Schuld akzentuiert beantworten. 229 Denn erstens hatten alle drei Städtevertreter von vornherein von ihren Herren lediglich die Erlaubnis, auf „Hintersichbringen“ zuzustimmen, und zweitens hatte man Markgraf Georg von Brandenburg zwar fest in das Bündnis eingeplant, doch er blieb auch in Speyer der bisherigen Linie treu und sagte nichts fest zu.230 Wozu aber hätten Kursachsen und Hessen für sich allein einen Bündnisvertrag schließen sollen? Beide Fürsten waren bereits seit 1526 durch den Torgauer Bund im Einverständnis. So war es nur logisch, zunächst ein vorläufiges Abkommen zu entwerfen, das jede Partei zu Beratungen mit nach Hause nehmen konnte. Dieser Entwurf, in dem mit keinem Wort die Notwendigkeit, sich auf ein bestimmtes Bekenntnis festzulegen, erwähnt wird, regelte in erster Linie, wie sich jeder im Falle eines Angriffs zu verhalten habe: Nochdem sich die sachen und hendel allenthalben und sonderlich auf itztgehaltenem RT dergestalt ereugen und zutragen, dadurch hochlich zu besorgen, das sollichs wenig zu fridden und einigkeit im reich dienstlich, soll auf den tag davon geredt und gehandelt werden, wie und in welcher gestalt zu furfallender notturft, das got verhuten wolle, einer dem andern, so der oder dieselbigen von wegen des gotlichen worts wollten uberzogen vergwaltiget oder beschwert werden, soll hilf und beistand leisten […].231
Wie präsent nach wie vor die Rüstungen und Angriffspläne Philipps und Johanns im Rahmen der Pack’schen Händel vom Vorjahr waren, zeigt die Tatsache, dass in dem Abkommen auch der Fall bedacht wurde, dass es aus diesem Grund nochmals zu Auseinandersetzungen käme.232 Aus dieser Erfahrung heraus wur228 Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 152. 229 Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 42. 230 „Es sollen auch Sachsen und Hessen mit mgf. Georgen von Brandeburg fleißige handlung furwenden, damit s.f.g. in diße einung vermocht und mit zu dem tage zu Rotach verordnen tette, aus vielen ursachen, di weiter zu bedenken.“ RTA JR, Bd. 7,2, S. 1323, Nr. 152. 231 Ebd., S. 1321f., Nr. 152. 232 „Und nachdem auch darauf zu gedenken, das der jegenteil zu einer ursach andere wege dan das gotlich wort zum anfang irer gefasten geschwindigkeit furwenden wurden, als nemlich der zug, so fur einem jar durch den churfursten und fursten vorgenet oder sonst als auf ungehorsam furgnommen oder aber andere ursachen furfielen, doraus doch vermutung mocht gefast werden, als wurde es zu einem schein dargetan und doch im grunde des gotlichen worts halben gemeint, sold derhalben zusamen geschickt werden und von demselbigen geredt, gehandelt, was gut dorin zu tun sein solt.“ RTA JR, Bd. 7,2, S. 1322f., Nr. 152.
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den erstmalig als mögliche Gegner auch der Schwäbische Bund, das Reichsregiment und das Kammergericht benannt. Auch wenn es in Speyer bereits zu lebhaften Diskussionen um den Zwiespalt in der Abendmahlsfrage gekommen war, so gibt es aus meiner Sicht keinen Grund anzunehmen, dass Johann nicht hinter den Verabredungen gestanden hätte.233 Allerdings erfuhren die negativen Bestimmungen des Reichstagsabschieds noch in Speyer eine gewisse Milderung, indem die Reichstagsmehrheit gegenüber den protestierenden Fürsten am 24. April eine Friedenszusage abgab.234 Damit war die unmittelbare Gefahr eines Angriffs katholischer Stände auf die Protestanten zunächst gebannt.
Exkurs: Die Aufnahme der Kurfürstin von Brandenburg in Sachsen EXKURS: DIE AUFNAHME DER KURFÜRSTIN VON BRANDENBURG
Um nochmals deutlich zu machen, in welch angespannte politische Lage die Verwicklungen der Pack’schen Händel fielen, soll der Blick kurz weg von den Bündnisverhandlungen auf einen Vorfall gerichtet werden, der sich zeitgleich ereignete: die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg nach Sachsen. Mit der Bereitschaft Johanns, seine Nichte, die aufgrund ihres evangelischen Bekenntnisses vor ihrem Ehemann Joachim I. geflohen war, bei sich aufzunehmen, brach zugleich ein größeres Konfliktfeld auf. Nicht nur, dass die Rückkehr Elisabeths zu ihrer Herkunftsfamilie für Kurfürst Joachim einen erheblichen Ehrund Prestigeverlust darstellte, er schaltete auch unverzüglich Herzog Georg, den Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Mainz sowie Erzherzog Ferdinand zur Vermittlung ein. Dabei verlieh die Tatsache, dass es sich bei den genannten Personen um Mitglieder des vermeintlichen Breslauer Bündnisses handelte, der Angelegenheit eine besondere Brisanz. Elisabeth wurde 1485 in Kopenhagen als Tochter des dänischen Königs Johann und seiner Frau Christina, einer Schwester Herzog Johanns, geboren. Seit dem 10. April 1502 war sie mit Kurfürst Joachim I. von Brandenburg verheiratet. Bereits zu Beginn der 1520er Jahre scheint der eheliche Friede gestört gewesen zu sein, da Joachim immer wieder außereheliche Verhältnisse unterhielt.235 Dieser 233 Vgl. RTA JR, Bd. 7,1, S. 819. Auch hier nochmals der Hinweis darauf, dass man insbesondere durch die Versicherungen Straßburgs davon ausging, dass sich die Streitigkeiten um das Abendmahl in einem Religionsgespräch beilegen ließen. Vgl. auch VIRCK, Politische Correspondenz der Stadt Strassburg, Bd. 1, S. 349, Anm. 1 (Artikel vom sacrament des altars der Zwinglianer meinungen, entstanden nach dem 14. April 1529). 234 RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 164. 235 Den größten Wirbel verursachte dabei die Affäre mit Katharina Hornung, der Ehefrau von Joachims Rüstmeister. Seit einem Hoffest im März 1525 war sie dessen Mätresse.
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Umstand machte bald auch an anderen Höfen die Runde, 1526 sprach Herzog Georg sogar offen sein Missfallen gegen den Ehebruch Joachims aus.236 Etwa ab 1523/24 begann Elisabeth, sich der evangelischen Lehre zuzuwenden. Sehr wahrscheinlich war sie damit über ihren Bruder König Christian II. von Dänemark in Berührung gekommen. Seit seiner Flucht aus Dänemark pflegte er intensive Kontakte nach Kursachsen, wo er zeitweise sogar in Wittenberg wohnte. Insbesondere während seiner Aufenthalte in Weimar bei Herzog Johann hatte Christian Gelegenheit, Bekanntschaft mit einem evangelisch gesinnten Hof zu machen.237 Da er ebenfalls Hilfe bei seinem Schwager Joachim von Brandenburg suchte, hielt er sich auch sehr häufig am Brandenburger Hof auf. So hatte Elisabeth über ihren Bruder, der persönlich mit Luther bekannt war, also direkten und diskreten Zugang zu dessen Schriften.238 Den entscheidenden Schritt wagte sie kurz vor Ostern 1527. Während sich Joachim I. auf einer Reise nach Schlesien befand, empfing sie das Abendmahl unter beiderlei Gestalt. Wir haben keine Informationen darüber, wer der Geistliche war, der es ihr reichte, und wie dieser an den Brandenburgischen Hof gelangt war. Wahrscheinlich spielte auch dabei Christian II. eine wichtige Rolle. Ihr Tun blieb jedoch nicht unbemerkt, offenbar gleich nach seiner Rückkehr erhielt Joachim Kenntnis davon. Daraufhin wurde Elisabeth zu Ostern 1527 zunächst vom Abendmahl ausgeschlossen und von verschiedenen Seiten hart bedrängt, vom evangelischen Später schaltete sich auch Luther in die Angelegenheit ein; Wolf Hornung reichte Beschwerde beim Reichsregiment gegen Joachim ein. Zu diesen Vorgängen vgl. Gerhard EBELING, Luthers Seelsorge an seinen Briefen dargestellt, Tübingen 1997, S. 143–155. Noch 1529 machte sich Kurprinz Johann Friedrich gegenüber Hans von Minkwitz über diese Liebschaft Joachims lustig, als er ihm schrieb, Joachim werde zum Reichstag nach Speyer wohl den Bischof von Lebus als Vertreter schicken, da „der marggraff von huren aus der harniskammer nit kommen [kan].“ Vgl. das Schreiben bei MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 113 (Johann Friedrich an Hans von Minkwitz, 22. März 1529). 236 Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1373 (Instruktion für Hans von Schönberg zu einer Werbung bei Kurfürst Joachim. 237 So war Christian II. beispielsweise im Februar 1524 in Weimar zugegen, als Nikolaus Hausmann den Fürsten sein Konzept zur Reformation Zwickaus vorstellte. Vgl. FRÖHLICH, Die Einführung der Reformation in Zwickau, S. 24, 50f. 238 Christian II. von Dänemark war am 14. April 1523 mit seiner Frau Isabella, einer Enkelin des Kaisers, in die Niederlande geflohen. Bei seinen Plänen zur Rückeroberung Dänemarks, für die er jedoch nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, suchte er seit Mitte 1523 verstärkt die Hilfe Kursachsens und Kurbrandenburgs. Da Friedrich der Weise es vorzog, den nicht unverschuldet aus Dänemark vertriebenen Christian auf Distanz zu halten, lebte dieser zeitweise als Privatmann in Wittenberg. Dort machte er mit Luther und dessen Lehre Bekanntschaft und schloss sich dieser an. Vgl. LUDOLPHY, Friedrich der Weise, S. 274–279.
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Glauben abzustehen. Allerdings räumte Joachim ihr eine Bedenkzeit bis Michaelis, also dem 29. September 1527, ein. Über diese Vorgänge war Johann gut informiert, denn kurz vor Ablauf dieser Frist sandte er seinen Rat Hans von Minkwitz nach Brandenburg, der ganz offensichtlich in der Angelegenheit vermitteln sollte. Am 15. Oktober schilderte Elisabeth dann in einem ausführlichen Bericht an Johann, was geschehen war, nachdem Minkwitz abgereist war.239 Sofort danach schickte ihr Gemahl seinen Beichtvater und zwei weitere Herren zu ihr, denen sie Mitteilung darüber machen sollte, wie sie sich nach Ablauf der Bedenkzeit entschieden hätte. Dabei machte man ihr unmissverständlich klar, dass der Kurfürst erwarte, dass sie am Allerheiligenfest am Abendmahl nach alter Gewohnheit teilnehme, da er sich sonst mit anderen Mitteln gegen sie behelfen müsste. So bedrängt antwortete Elisabeth, dass sie in so einer ernsten Angelegenheit keine schnelle Entscheidung treffen könne und der Kurfürst ihr zudem in Anwesenheit ihres Bruders, ihres Sohnes und ihrer Schwiegersöhne eine verlängerte Bedenkzeit bis Ostern 1528 zugesagt hätte. Daraufhin gab Joachim ein Gutachten bei den drei Landesbischöfen, den Äbten von Lehnin, Zinna und Chorin sowie drei Doktoren der Rechtswissenschaft in Auftrag, um darüber entscheiden zu lassen, wie weiter mit der Kurfürstin zu verfahren sei, wenn sie sich nicht vom Evangelium abwende. „Seyn liebe haben sych furder bey in erkunden, op man mych durch der sache halben vom leben zum dote muchte bryngen, haben seyn liebe sich furder befraget, wo dys nit geschen kunde, op seyn liebe vmb sulche vrsache wyllen sych offentlich von myr muchte scheyden lassen.“240 Weiter berichtete Elisabeth, dass das Gremium es zwar als nicht notwendig empfunden habe, sie in dieser Form zu strafen, jedoch vorgeschlagen habe, sie lebenslänglich gefangen zu halten. Ihr Bruder und ihr Sohn haben diesen Ratschlag auch den Ständen angezeigt, die sich daraufhin an den Kurfürsten wandten und ihn eindringlich davor warnten, ohne ihr Einverständnis tätlich gegen die Kurfürstin vorzugehen. Danach habe Joachim Elisabeth wissen lassen, dass er ihr bis Ostern Bedenkzeit gewähre.241 Wie man dem Schreiben entnehmen kann, hatte Joachim ausschließlich auf Druck der brandenburgischen Stände nachgegeben. Er selbst war entschlossen, mit schärfsten Maßnahmen gegen seine Frau vorzugehen. Noch genoss Elisabeth durch die Fürsprache und das Engagement ihres Bruders und ihres Sohnes einen gewissen Schutz, doch kaum jemand wusste so gut wie Kurfürst Johann, in welch schwacher Position sich Christian von Dänemark befand, der seit seiner Vertreibung ganz und gar auf die Gunst seiner Verwandten angewiesen war. 239 Der Brief ist gedruckt in: Adolph Friedrich RIEDEL (Hg.), Codex Diplomaticus Brandenburgensis, III. Hauptteil, Sammlung für allgemeine Landes- und kurfürstliche HausAngelegenheiten, 3. Bd., Berlin 1861, S. 359–362. 240 Ebd., S. 361. 241 Ebd., S. 361f.
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Deshalb scheint sehr bald der Entschluss gefasst worden zu sein, dass die Flucht für Elisabeth der einzig gangbare Weg sei, sich der Bedrohung durch ihren Mann zu entziehen. Es ist davon auszugehen, dass Christian II. bei der Organisation dieser die treibende Kraft war, da er sich vermutlich sehr viel freier bewegen konnte als seine Schwester.242 Und welches Ziel lag sowohl räumlich als auch geistig näher als Kursachsen? Hatte Johann als evangelischer Fürst und naher Verwandter nicht geradezu die Pflicht, der um ihres Glaubens willen bedrängten Nichte beizustehen? Als Johann am 14. Februar 1528 Elisabeth sein Angebot unterbreitete, nach Kursachsen zu kommen, waren die Verhandlungen bereits abgeschlossen: Wir sind glaublich bericht, wie das sich e. L. beschwerung der sachen halben, das ewangelium belangende, nit myndern sonen, vnd wye woll wyr wissen, auch selbst woll abnemen konnen, wie beschwerlich es fur der welt sein will, das e. L. sich hinwegk wenden sollten, nach dem wyr aber bedenken, das offt aus aynner not tugent zu machen, auch vnder tzwayen bosenn das geringste zu kiesen, vnnd viel vnd grossers yst der selen speise (welches da yst, gotes wort horen) zu mangeln, dan der leiblichen speis, so wollen wyr vnns hiemit gegen e. L. aus cristlicher pflicht vnd als der vetter erboten haben, das wyr e. L. als der freundt yn dem vnsern vnnd so es e.L. gefelligk, zu colditz gern beherbergen werdenn.243
Johann bat sie, ihm anzuzeigen, wann sie kommen könne, dann würde er alles entsprechende organisieren. Der Brief schließt mit der Ermahnung, auch in ihrem eigenen Interesse diese Absprachen geheim zu halten und das Schreiben zu vernichten.244 Als schließlich feststand, dass Kurfürst Joachim am 24. März 1528 zu einem Besuch bei Herzog Erich von Braunschweig aufbrechen würde, verließ Christian bereits einige Tage zuvor das kurfürstliche Schloss in Cölln an der Spree, um sich nach Kursachsen zu begeben. Elisabeth floh in der Nacht vom 24. auf den 25. März zusammen mit ihrem Türknecht und einer adligen Jungfrau. Christian II. und einer der wichtigsten Hofräte Johanns, Hans von Dolzig, erwarteten sie an der sächsischen Grenze. Unverzüglich begaben sie sich nach Torgau, wo sie am Vormittag des 26. März eintrafen. In seinem Schreiben an Herzog Georg vom 28. März musste Joachim zugeben, dass er mit einem solchen Verhalten weder von seiner Frau noch von ihrem Bruder gerechnet hätte. Auch wenn es gelungen war,
242 Die Wahrscheinlichkeit, dass Joachim den Handlungsspielraum seiner Frau deutlich eingeschränkt hat, ist, schaut man sich die Vorgehensweise gegenüber seiner Mätresse Katharina Hornung an, welche die Hilfe Luthers suchte, um zu ihrem Mann zurückkehren zu können, sehr hoch. Vgl. EBELING, Luthers Seelsorge, S. 146. 243 RIEDEL, Codex Diplomaticus Brandenburgensis, Bd. III, 3, S. 363. 244 Vgl. ebd.
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die Fluchtpläne geheim zu halten, war für Joachim von Beginn an klar, dass sich die beiden nach Kursachsen begeben hatten.245 Da Elisabeth sich nun in Sicherheit befand, bestand keine Notwendigkeit mehr zur Geheimhaltung. Im Gegenteil, Johann war nun darauf bedacht, dass die weiteren Verhandlungen über das Schicksal der Fürstin eine gewisse Öffentlichkeit erhielten. So bereitete er ihr einen feierlichen Empfang in Torgau, bei dem auch Johann Friedrich, Franz von Braunschweig-Lüneburg und Wolfgang von Anhalt zugegen waren.246 Gleichzeitig veranlasste er sie, mit Hilfe des Wittenberger Juristen Benedikt Pauli ein Schreiben aufzusetzen, in dem sie die Gründe, weshalb sie ihren Mann verlassen hatte, und ihre Anliegen darlegte. Das erste Schreiben, das an Johann selbst gerichtet war, wurde ihm noch am 26. März 1528 übergeben. Darin erklärte Elisabeth, dass ihr ohne Schuld von ihrem Mann „vielmals und durch mannigfaltige Wege und Weise Beschwerung und merkliche Kümmernis fürgestanden“.247 Obwohl sie lange auf Besserung gehofft habe, sei es von Tag zu Tag schlimmer geworden, sodass sie schließlich Gewissen, Seelenheil, Leib und Ehre in Gefahr gesehen habe. Genaueres wäre sie gern bereit, ihm im Vertrauen anzuzeigen. Auch ihre mehrfachen Angebote zu öffentlichem Verhör und die Gesuche ihres Bruders und seiner Gesandten seien erfolglos geblieben. Deshalb hoffe sie, Johann fühle sich durch ihre Entscheidung, die zur Errettung ihrer Seele und aus menschlicher Furcht gefallen sei, nicht beschwert. Der Brief schloss mit der Bitte, Johann möge sich ihrer als elende und bekümmerte Freundin annehmen und sie nach seinem Willen und Gefallen unterhalten. Die Beschwerden und Rechtfertigungen Elisabeths übersandte Johann zusammen mit einem eigenen Schreiben, in dem er Verhandlungen über die Angelegenheit anbot, am 27. März an Kurfürst Joachim.248 In den nächsten Tagen wurden darüber hinaus auch Schreiben mit ähnlichem Inhalt an Herzog Georg von Sachsen und Erzbischof Albrecht von Magdeburg geschickt.249 245 ABKG, Bd. 3, Nr. 1571. 246 Diese Absicht gelang auch, in seinem Antwortschreiben auf Joachims Brief vom 28. März erwähnt Georg, dass er bereits vor Ankunft der Nachricht Joachims, von Elisabeths Aufenthalt in Torgau gewusst habe. Vgl. ebd. Dies könnte sich daraus erklären, dass sich eventuell zu diesem Zeitpunkt auch Georgs Schwiegertochter Herzogin Elisabeth von Sachsen am kursächsischen Hof aufhielt. Vgl. THIEME, Die Korrespondenz der Herzogin Elisabeth von Sachsen, Nr. 128–133. 247 Das Schreiben ist gedruckt in: Rudolf VON JACOBI, Die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg, in: Hohenzollern Jahrbuch 13 (1909), S. 155–196, hier S. 185. 248 Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1583. Am gleichen Tag traf Luther in Torgau ein, um mit Johann und den kursächsischen Räten über die Rechtmäßigkeit der Angriffspläne des Kurfürsten und Landgraf Philipps zu beraten. Vgl. BURKHARDT, Luther in den Packschen Händeln, S. 598, Anm. 4.
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Unmittelbar nachdem die Flucht der Kurfürstin bemerkt worden war, begannen die Verhandlungen über deren Rückkehr. Dabei waren die Forderungen Joachims klar: Er erwartete, dass Johann seine Frau unverzüglich samt Begleitung und Habe nach Brandenburg zurückschicke. Deshalb entsandte er seine Räte Bischof Georg von Lebus und Ratzeburg sowie Achim und Bernhard von Arnim nach Torgau. Vorsichtshalber wandte sich Joachim am 28. März auch an Herzog Georg, um ihn für den Fall, dass Johann seinen Forderungen nicht nachkäme, um Rat und Beistand zu bitten.250 Während sich Georg noch zuversichtlich zeigte, dass Johann Elisabeth zurückschicken werde,251 erteilte Joachim dem Verhandlungsangebot Johanns eine Absage. Er fühlte sich davon brüskiert, dass man seiner Frau zur Flucht verholfen hatte, und stellte in Johanns Bedenken, ob dessen Verhalten den Erbeinungsverträgen gemäß sei.252 Die brandenburgischen Räte erreichten derweil in Torgau nichts. Johann ließ sich nicht auf deren Forderung ein, die Kurfürstin sofort wieder mit nach Brandenburg zu nehmen. Sein Handeln begründete er damit, dass er mit Elisabeth nicht unbillig freundliches Mitleid trage, dass er mit deren Frau Mutter unter einem Herzen gezielt und gelegen sei, und dass er keinen Gefallen davon tragen könne, wenn diese seine nächste gesippte Freundin nun erst in ihren mehreren Tagen und Jahren dergestalt zu Armut, Elend und Betrübnis gedeihen sollte.253
Wiederholt bot er Verhandlungen an. Joachim wiederum wollte sich dazu erst bereit zeigen, wenn seine Frau und die von ihr entwendeten Gegenstände, insbesondere die Kleinodien sowie Türknecht und Jungfrau wieder bei ihm wären. Herzog Georg gegenüber äußerte er den Verdacht, dieser Anschlag wäre nur unternommen worden, um ihn „Inn Ir Sect, vnd ketzerischen newrunge, zu bewegen“.254 Allerdings wäre er bereit, die Gemahlin wieder aufzunehmen, wenn es Georg gelänge, sie von ihrem unchristlichen Verhalten abzubringen. Johann wurde schnell bewusst, in welch engem Einvernehmen Kurfürst Joachim und Herzog Georg in der Angelegenheit standen und dass es äußerst ungünstig wäre, zwei benachbarte Fürsten gegen sich aufzubringen. Deshalb sah sich er sich veranlasst, obwohl es bis dahin keine Einmischung Georgs gegeben 249 Zum Schreiben an Georg vom 2. April 1528 vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1574. Jeweils der letzte Absatz wurde verändert. Herzog Georg wurde von Elisabeth gebeten, anderen Aussagen über ihre Flucht keinen Glauben zu schenken und ihr mit Rat und Tat zur christlichen und guten Beilegung des Konflikts beizustehen. Dazu erwartete sie seine Rückantwort. 250 Vgl. ebd., Nr. 1571. 251 Vgl. ebd., Nr. 1571 (Georg an Joachim, 1. April 1528). 252 Vgl. ebd., Nr. 1582 (Joachim an Johann, 30. März 1528). 253 VON JACOBI, Die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg, S. 170. 254 ABKG, Bd. 3, Nr. 1580 (Joachim an Georg, 8. April 1528).
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hatte, seinen Rat Christoph von Taubenheim am 13. April 1528 mit einer Werbung an den Vetter zu senden.255 Durch Überlassung von Abschriften des bisherigen Schriftwechsels mit Joachim brachte Johann Georg zunächst auf den Stand der Dinge. Außerdem versicherte er, dass er keinesfalls gewillt sei, der Erbeinung und anderen bestehenden Verträgen zuwider zu handeln. Sollte aber Joachim sich trotzdem unfreundlich gegen ihn erzeigen, erwarte er Rat und Hilfe von Georg. Zudem möge er helfen, den beschwerlichen Handel auf christlichem und gutem Weg zu lösen, ohne möglichen Verunglimpfungen Glauben zu schenken.256 Taubenheim kehrte mit der Antwort zurück, dass Georg betrübt sei über die Auseinandersetzung der Eheleute, aber glaube, dass Joachim im Recht sei bzw. das Recht auf seiner Seite habe. Elisabeth sei schlecht beraten und verführt worden. Diplomatisch fügte er jedoch hinzu, dass Johann daran gewiss keine Schuld trage. Deshalb täte er gut daran, Elisabeth dazu zu bringen, sich ihrem Mann gegenüber wieder gehorsam zu zeigen. Er selbst wolle das Seinige für eine Aussöhnung tun.257 Etwa zur gleichen Zeit schrieb Georg an Joachim, dass Johanns Verhalten ganz und gar nicht der Erbeinung entspreche und es nötig wäre, die anderen Mitglieder zu befragen bzw. nötigenfalls zusammenkommen zu lassen. Joachim solle Johann darüber informieren, dass er bereit sei, Elisabeth wieder aufzunehmen, wenn sie ihm in der Frage des Abendmahlsgenusses gehorsam sei. Ihre Furcht tat Georg als „weybliche blodigkeyt“ ab, gab aber zu bedenken, dass Joachim es wohl kaum ohne Verhandlungen erreichen werde, dass sie zurückkomme.258 Johann nahm indessen das Heft des Handelns wieder in die Hand und bat Joachim durch eine Gesandtschaft, einem Treffen der beiderseitigen Räte zur Verhandlung der Angelegenheit zuzustimmen. Ein solches wurde für den 28. April 1528 in Jüterbog vereinbart.259 Derweil hatte Mitte April 1528 der „vnfall“ zwischen Kurfürst Joachim und seiner Ehefrau Elisabeth im Reich bereits weite Kreise gezogen, gepaart mit dem Gerücht, dass der brandenburgische Kurfürst bereit wäre, die Rückkehr der Kurfürstin auch mit Gewalt zu erzwingen. Deshalb sahen sich sowohl Herzog Georg als auch König Ferdinand über Georg veranlasst, Joachim vor Tätlichkeiten zu warnen, um in den gegenwärtigen gefährlichen Zeiten Auseinandersetzungen zu vermeiden. Der bevorstehende Reichstag in Regensburg wäre eine gute Gelegenheit, mit der Unterstützung befreundeter Fürsten die Sache zu einem 255 Etwa zeitgleich reiste Christian II. von Dänemark nach Prag zu König Ferdinand, um dort in der Angelegenheit seiner Schwester zu vermitteln. Vgl. ABKG, Bd. 3, Nr. 1586. 256 Vgl. ebd., Nr. 1583. 257 Vgl. ebd., Nr. 1583. 258 Vgl. ebd., Nr. 1580 (Georg an Joachim, 17. April 1528). 259 Vgl. ebd., Nr. 1585 (Joachim an Georg, 26. April 1528).
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positiven Ende zu bringen.260 Georg stufte die Gefahr, dass es zu Gewalttätigkeiten zwischen den Fürsten kommen könnte, offenbar so hoch ein, dass er seine Warnung nicht durch einen gewöhnlichen Boten, sondern durch seinen Rat Hans von Schönberg überbringen ließ.261 Dieser ließ seinen Herrn kurz darauf wissen, dass Joachim nicht plane, die Rückkehr Elisabeths mit Gewalt zu erzwingen. Die Chancen, dass das geplante Treffen in Jüterbog erfolgreich verlaufe, schätzte er als gering ein, da Joachim vor allem verlange, dass Elisabeth das Abendmahl nicht unter beiderlei Gestalt nehme. Da ihm aber im Geheimen zugetragen wurde, dass sie dies in Torgau tue, glaube er nicht an eine Einigung.262 Am 28. April 1528 trafen sich schließlich je drei Räte der beiden Kurfürsten, um über die Bedingungen zur Rückkehr Elisabeths zu verhandeln. Dabei unterbreiteten Johanns Räte folgende Vorschläge, zu deren Annahme sich Joachim innerhalb von 14 Tagen gegenüber Johann äußern sollte. So sei Elisabeth bereit zurückzukehren, wenn Joachim es will und 1. ihren Unterstützern und Begleitern die Sicherheit von Leib und Gut zusagt; 2. versichert, der Gemahlin ehelich zu Bett und zu Tisch beizuwohnen und sich auch sonst gegen sie freundlich zu verhalten, wie er es vor Gott und Welt schuldig ist. 3. Die Gemahlin soll ihrem fürstlichen Stand gemäß unterhalten werden. 4. Der Gemahlin soll erlaubt werden, einen Prediger zu haben, der ihr das göttliche Wort predigt, sowie das Abendmahl nach der Einsetzung Christi zu empfangen, so oft sie es wünscht.263 Für den Fall, dass Joachim nicht bereit sei, seine Gemahlin unter diesen Bedingungen wieder zu sich zu nehmen, schlug Johann vor, ihr entweder für ihren standesgemäßen Unterhalt das Leibgut zur Nutzung zukommen zu lassen oder aber mit unparteiischen Nachbarn, so beispielsweise den Fürsten der Erbeinung, weiter zu verhandeln. Sollte auch dabei keine Einigung erzielt werden, sollte ein Ausschuss der beiderseitigen Landstände endgültig entscheiden. Wie Hans von Schönberg bereits gemutmaßt hatte, sah sich Joachim nicht in der Lage, die Vorschläge anzunehmen. Was seine Frau anbelange, wolle er die Sache Gott und der Zeit befehlen, über Johanns Verhalten in der Angelegenheit wolle er sich weiter mit seinen Freunden beraten.264 Zur Beilegung der Streitig260 Vgl. ebd., Nr. 1585, 1586 (Herzog Georg an Joachim; König Ferdinand an Herzog Georg). 261 Dies ist gewiss in Zusammenhang mit den Gerüchten, über umfangreiche Rüstungen Johanns und Philipps, zu sehen, welche diese im Rahmen der Pack’schen Händel tatsächlich vornahmen. 262 Vgl. ebd., Nr. 1585 (Hans von Schönberg an Georg, 26. April 1528). 263 Vgl. ebd., Nr. 1590. 264 Vgl. ebd., Nr. 1590 (Joachim an Georg, 2. Mai 1528).
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keiten mit Hilfe der erbeinigen Fürsten kam es, trotz Drängens Herzog Georgs, nie. Offenbar hatte sich mit der Gewissheit, dass Elisabeth nun fest im evangelischen Glauben verwurzelt war, die Sache für Joachim erledigt. Obwohl im Mai 1528 durch König Ferdinand und Herzog Georg nochmals Besorgnis darüber geäußert wurde, dass es zu Streitigkeiten zwischen Johann und Joachim kommen könnte, hatte der brandenburgische Kurfürst wohl niemals ein gewaltsames Vorgehen gegen Johann in Erwägung gezogen.265 Dass der Streit damit zwischen den Fürsten im Wesentlichen ausgestanden war, zeigt auch das Schreiben Johanns an Joachim von Brandenburg im Vorfeld des Augsburger Reichstages 1530. Wie allgemein üblich, bat der Kurfürst seine unmittelbaren Nachbarn darum, während der eigenen Abwesenheit Familie und Land in Schutz zu nehmen. Dabei werden namentlich nicht nur die minderjährigen Kinder Johanns erwähnt, sondern auch „vnnser liebe Muhmen di marggrefin“.266 Hätten hierzu noch andauernde Differenzen zwischen Kursachsen und Brandenburg bestanden, wäre mit Sicherheit eine solche Formulierung nicht in Frage gekommen. Allerdings stellte das Verhalten Johanns eine Ehrverletzung gegenüber Joachim von Brandenburg dar. Es ist nicht auszuschließen, dass sich die besonders harte Haltung Joachims gegenüber den evangelischen Ständen auf dem Reichstag in Augsburg 1530 auch aus dieser Erfahrung heraus speiste.267 Elisabeth blieb bis zum Tod ihres Mannes in Kursachsen und lebte, dem kursächsischen Hof folgend, abwechselnd in Weimar, Torgau und Wittenberg. Da ihr Mann ihr kein Geld zugestand, kam sie schnell in große wirtschaftliche Bedrängnis und war gezwungen, Schulden für ihren Lebensunterhalt zu machen. Erst ihre Söhne gestanden ihr ab 1535 eine angemessene Leibrente zu. Trotz dieses Entgegenkommens konnte sie sich nicht entschließen, nach Brandenburg zurückzukehren. Samt ihres nun möglichen kleinen Hofstaates ließ sie sich schließlich auf einem Schloss in der Nähe von Prettin nieder, das ihr Kurfürst Johann Friedrich zur Verfügung gestellt hatte. Elisabeth starb am 11. Juni 1555. In ihrem fünf Jahre zuvor verfassten Testament verfügte sie, dass ihre Söhne Joachim II. und Johann aus Dankbarkeit für alles, was die kursächsischen Fürsten für sie getan hätten, dafür Sorgen tragen sollten, dass Kurfürst Johann Friedrich aus der Gefangenschaft entlassen werde.268
265 Vgl. ebd., Nr. 1593 (Georg an Wilhelm von Bayern, 8. Mai 1528); Nr. 1595 (König Ferdinand an Georg, 10. Mai 1528). 266 Vgl. UBGRA, Bd. 1, Nr. 20 (Johann an Joachim von Brandenburg, 17. März 1530). 267 Vgl. Abschnitt 5.2.3. 268 Vgl. VON JACOBI, Die Flucht der Kurfürstin Elisabeth von Brandenburg, S. 182.
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6.5. Die Verhandlungen des Jahres 1529 DIE VERHANDLUNGEN DES JAHRES 1529
Die relative Sicherheit, welche die Friedenszusagen der Ständemehrheit in Speyer 1529 mit sich brachte, bewirkte bei Johann, dass er sich den religiösen Bedenken der Theologen bezüglich den zur Lehre Zwinglis neigenden Städten öffnete. Ohne Zweifel kam es nun zu einem Umschwung im Denken des Kurfürsten. Inwieweit Melanchthon bereits in Speyer über das Zustandekommen eines Bündnisentwurfs informiert wurde, lässt sich schwer sagen, aber spätestens auf dem Heimweg wird er davon Kenntnis erlangt haben.269 Von nun an setzte er alles daran, diese von ihm unerwünschte Entwicklung zu bekämpfen. Kaum nach Wittenberg zurückgekehrt, sandte er am 14. Mai ein Gutachten an Herzog Johann Friedrich, in dem er erklärte, dass er zwar grundsätzlich zum Dialog bereit sei, in diesem Fall aber keinen Sinn in einem Religionsgespräch sähe. Er habe sich in dieser Frage auch mit Luther besprochen, der ganz seiner Meinung sei. Da er aber befürchte, dass eine Weigerung der Wittenberger Theologen nur die Sympathien Landgraf Philipps für Zwingli stärken würde, bräuchte man einen guten Vorwand. Deshalb bitte er Johann Friedrich untertänig, er möge beim Kurfürsten darum ansuchen, dass ihm dieser keine Urlaubsgenehmigung erteile. So könne er sich beim Landgrafen elegant aus der Affäre ziehen. 270 Auch nach Nürnberg streckte er seine Fühler aus, wenn er am 17. Mai Lazarus Spengler und Hieronymus Baumgartner schrieb, dass sie das Bündnis hintertreiben sollten.271 Die Antwort Johanns auf das Ansuchen Melanchthons überrascht. Auch dem Kurfürsten scheinen inzwischen Zweifel gekommen zu sein. So stimmte er Melanchthon dahingehend zu, dass er ebenfalls glaube, dass „so von diesen Dingen soll disputiert werden und Unterredung gehalten werden, dass allerlei weitere Unrichtigkeit und Beschwerung daraus erfolgen möchte“.272 Deshalb entsprach er ohne Weiteres der Bitte 269 WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 127, geht davon aus, dass Melanchthon nicht zu den Verhandlungen in Speyer hinzugezogen worden war. Dafür spricht auch Melanchthons eigene Darstellung. Vgl. MBW, Nr. 782 (Melanchthon an Camerarius, 17. Mai 1529). 270 Vgl. CR, Bd. 1, Nr. 607 (Philipp Melanchthon an Johann Friedrich, 14. Mai 1529). Dazu heißt es in einem beilegten Gutachten Melanchthons über das geplanten Religionsgespräch, ebd., Nr. 608. „Item, es ist nicht gut, dass der Landgraf viel mit den Zwinglern zu thun habe; er hat sonst mehr Lust zu ihnen, denn gut ist. Denn die Sache ist dermaßen, dass sie spitzige Leute, dafür ich den Landgraven auch halte, sehr anficht, und fället die Vernunft leichtlich auf das, das sie begreift, sonderlich wenn gelehrte Leute darzu stimmen, die der Sache aus der Schrift eine Gestalt machen, als denn viel gelehrte Leute jetzund dem Zwingel anhangen. Aber mir ist diese Sache also angelegen, und habe mich, so viel möglich, darum erkundet, und beruhe darauf, dass ichs mit den Straßburgern nicht halten will mein Leben lang, und weiß, dass Zwingel und seine Gesellen unrecht vom Sacrament schreiben.“ 271 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 76f. sowie CR, Bd. 1, Nr. 610, 611 (17. Mai 1529). 272 CR, Bd. 1, Nr. 612 (Johann an Melanchthon, 19. Mai 1529).
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Melanchthons, ihm keinen Urlaub zu gewähren. Doch damit nicht genug, er schlug auch vor, den Landgrafen einfach auszutricksen: Und weil jetzt eben vorfället, dass wir unsern Canzler etlicher Sachen halben gen Nürnberg abfertigen, so wollen wir die Sache durch in dermaßen anrichten, dass durch die von Nürmberg und etlichen andern Städten bei uns gesucht werde, Doctor Martinum, Euch und andre dahin zu verordnen, damit von denselben des Sacraments halben geredt und gehandelt möchte werden, und zu Nürnberg Tag angesetzt, weil unserm Ohem, dem Landgrafen, gegen Nürnberg zu reisen unsers Achtens ungelegen, so möchte die Sache in seinem Abreisen desto fruchtbarlicher gehandelt werden, und dass darauf gedacht würde, wie die Papisten dahin desto ehr zu bewegen sein möchten.273
Johann misstraute also Philipp und seinen großangelegten Bündnisplänen und setzte in Zusammenarbeit mit Nürnberg darauf, lieber ohne ihn zu einer Verständigung mit den Altgläubigen zu kommen. Johann Friedrich dagegen hatte zwar die Bitte Melanchthons wunschgemäß an den Vater weitergeleitet und mit Sicherheit auch die Argumentation des Wittenbergers zur Kenntnis genommen, geteilt hat er diese Bedenken jedoch nicht. So geht aus einem von ihm erstellten Gutachten hervor, das offensichtlich kurz nach dem Speyerer Reichstag entstanden ist, dass es ihm nach dem Reichstagsabschied und der Protestation umso notwendiger erschien, sich mit den religionsverwandten Ständen schleunigst zu einem Bündnis zu vereinigen. Dafür entwickelte er konkrete Pläne, welche weder die Oberländischen noch die Schweitzer Städte ausschlossen.274 Klar treten bei Johann Friedrich die religiösen 273 Ebd. Melanchthon hatte sowohl in Speyer als auch in seinem Gutachten an Johann Friedrich darauf gedrungen, dass bei einem Gespräch über das Abendmahl auch Katholiken dabei sein müssten. Diese sollten dann als Schiedsrichter auftreten, was natürlich nur aus dem Grund geschehen sollte, um den Anschein zu vermeiden, man würde mit den Zwinglianern konspirieren. Dass diese Forderung dem Landgrafen völlig absurd und unannehmbar erscheinen musste, lässt sich leicht denken. Die Nürnberger kamen dem Wunsch Johanns, ein solches Religionsgespräch bei sich in die Wege zu leiten, jedoch nicht nach. Vgl. KÖHLER, Zwingli und Luther, Bd. 2, S. 34. Der Kanzler Christian Beyer wurde zu dieser Zeit zu Gesprächen nach Nürnberg über die bereits in Speyer projektierte evangelische Gesandtschaft zum Kaiser gesandt. Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 15f. (Instruktion Johanns an Hans von Sternberg, Christian Beyer und Kuntz Gotzmann zum Nürnberger Tag, vor dem 23. Mai 1529). Zu den Zielen der Gesandtschaft zusammenfassend: Vgl. KOHNLE, Reichstag und Reformation, S. 376– 378. 274 Das Gutachten bei MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 122–126. Es ist undatiert, weist jedoch seinem Inhalt nach stark darauf hin, dass es zwischen Mai und Juli 1529 entstanden sein muss. In dem sehr ausführlichen Gutachten klingt die Frage nach dem Bekenntnis überhaupt nur ein einziges Mal an, und zwar in sehr allgemeiner Art und Weise, was meiner Meinung nach klar zeigt, dass Johann Friedrich eine Einigung mit den Schweizer Städten als unproblematisch ansah. „Nachdem die von Cocznitz, die von Sant Gallen
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hinter den militärisch-strategischen Interessen zurück, wenn er sich dazu äußert, wie der Hauptmann und die Kriegsräte im Fall des Falles zusammenzuarbeiten hätten. Dass er aber Landgraf Philipp, mit dessen stürmischer Art er im Frühjahr 1528 selbst Bekanntschaft gemacht hatte, in der Position als Hauptmann durchaus kritisch sah, machte er klar, wenn er sich dafür aussprach, niemanden zu verordnen, der „zu ihehe oder poltern wer“.275 In Anbetracht seiner umfangreichen und detaillierten Ausführungen geht man sicher nicht fehl in der Annahme, dass Johann Friedrich sich selbst für den geeigneteren Kandidaten hielt und sich vielleicht mit seinen Überlegungen diesbezüglich empfehlen wollte. Von tiefem Misstrauen gegenüber Landgraf Philipp ist auch das von Luther am 22. Mai an Johann gerichtete Schreiben geprägt. Darin warnt er eindringlich davor, sich erneut mit Philipp in ein Bündnis zu begeben, nachdem man im Jahr zuvor nur mit knapper Not und Gottes Hilfe einer Katastrophe entkommen war. Diesmal käme es noch schlimmer, da nun auch diejenigen beteiligt werden sollten, die wider Gott und das Sakrament streben. Aus Luthers Sicht zeigten diese Bestrebungen, die doch klar vom Landgrafen ausgingen, dass man ihm nicht trauen könne.276 Auch in einem weiteren Gutachten, dessen Verfasser nicht nur Luther selbst, sondern auch die übrigen Wittenberger Theologen waren, wurde Johann dringend davon abgeraten, sich erneut in ein Bündnis einzulassen, das man als unmöglich und umsonst ablehnte.277 Während sich Luther und Melanchthon auch nach außen klar positionierten,278 gab Johann seine Zweifel Philipp gegenüber noch nicht preis, sondern betrieb auf Anregung des Landgrafen die Hinzuziehung Markgraf Georgs für den Tag zu Rodach.279 Doch Johanns eigentliche Intention zeigt sich ganz klar in der Instruktion Hans von Minkwitz’ für diese Zusammenkunft, auf der es zum Bündnisschluss
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und andere sthette, die mit den aitgenossen in verbuntnus stehen, ihn die prodestacion auch eingelassen haben, wer, so es sunsten for gut bedacht, mit denselbigen zu handelen, das sie forder mit der gemainen aitgenossenschaft handelten, nachdem sie sich zu dem wort gottes bekennen, das sie sich in solches versthennus auch ainlissen.“ Ebd., S. 125. Ebd., S. 123. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1424. In diesem Gutachten wurden auch Verhandlungen zur Beilegung des Abendmahlstreits mit den Zwinglianern klar abgelehnt. So heißt es: „Dass sich jene auff erkentnis erbieten, nützt nichts; denn wir wissen und halten, das sie unrecht haben, und mogen solchs nicht mit yhnen yn zweifel odder erkentnis setzen.“ RTA JR, Bd. 8,1, S. 78 (ca. 22. Mai 1529). So arbeitete Melanchthon Ende Mai 1529 an einer Streitschrift gegen die Sakramentierer, (vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1426 [Luther an Spalatin, 28. Mai 1529]), und wandte sich, genau wie Luther auch, direkt an Philipp von Hessen. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1438 (Luther an Philipp, 23. Juni 1529); CR, Bd. 1, Nr. 619 (Melanchthon an Philipp, 22. Juni 1529). Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 79f. (20.–30. Mai 1529). Markgraf Georg sagte schließlich zu, Gesandte zu schicken.
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kommen sollte.280 Darin heißt es, dieser solle sich zuerst mit Nürnberg, das mit den anderen Städten in besserem Verständnis stünde, unterreden, wie man sich bezüglich des Abendmahlstreits einigen könne. Offenbar setzte man darauf, dass auch die Nürnberger Seite Bedenken hegte, sich mit den Zwinglischen Städten einzulassen. Deshalb sollte Minkwitz fleißig erkunden, „was der von Nurmberg entlich gemut dorinnen sey, ob irer geschickten bevelch dohin stehe, das sie den handel abschlagen oder etwo auf ein bequeme maß handeln sollen, und ihnen in diesem Fall vertraulich anzeigen, dass uns dergleichen beschwerung und bedenken seit dem Speyrer Reichstag auch zugefallen.“281 Aber da nun mal die anderen Städte auch anwesend wären, müsste man sich gut überlegen, wie „entweder der handel fueglich abgeschlagen ader dißmals in aynen verzugk bracht und volgends stilschweigends in ruhe gestelt mocht werden.“282 Vielleicht hätte ja Nürnberg dazu einen guten Vorschlag, es solle jedoch keinesfalls der Eindruck entstehen, die Kursachsen seien diejenigen, die sich nicht an die Absprachen von Speyer halten wollten. Dennoch seien alle Verhandlungen lediglich auf „hintersichbringen“ zu beraten. Auf keinen Fall solle es zu verbindlichen Abschlüssen kommen.283 In diesem Punkt kam es Johann sehr entgegen, dass ihm Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg am 22. Mai mitgeteilt hatte, dass es ihm unmöglich sei, einen Gesandten nach Rodach zu schicken und Kursachsen ihn deshalb vertreten solle.284 Diesen Umstand sollte nun Minkwitz als Ausrede nutzen, um verbindliche Ergebnisse zu verweigern. Ebenso könnten eventuelle Unsicherheiten Markgraf Georgs von Brandenburg dem gleichen Zweck dienen. Dann gebe Got genade, das die gelerten des irrigen artigkels halben um Jacobi zusamenkemen und die zwinglischen sich weisen liessen, so het das vorstentnus darnach dester weniger beschwerung auf ime. Beschehe es aber nicht, als wir hören, das es unsere gelerten für ein vorgebenliche handlung achten, so kondten darnach leichtlich ursachen zu verzugk
280 Die Anwesenden am 7. und 8. Juni 1529 in Rodach waren: Hans von Minkwitz (für Kursachsen und Ernst von Lüneburg), Caspar von Seckendorf (Brandenburg-Ansbach), Sigmund von Boyneburg, Johann Nordeck (Hessen), Matthes Pfarrer (Straßburg), Christoph Kress, Christoph Tetzel, Georg Hüpler (Nürnberg), Bernhard Besserer, Daniel Schleicher, Conrad Antinger (Ulm). Vgl. J. J. MÜLLER, Historie von der evangelischen Stände Protestation und Augsburger Confession, Jena 1705, S. 235. 281 RTA JR, Bd. 8,1, S. 89f. (Instruktion Hans von Minkwitz’). 282 Ebd., S. 90. 283 In diesem Zusammenhang sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass auch alle anderen Gesandten lediglich Vollmacht dazu hatten, Beschlüsse auf „hindersichbringen“ zu bewilligen. Vgl. ebd., S. 84–93, die jeweiligen Instruktionen der Gesandten. Dagegen FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 54, der die Weisung Johanns, nicht in einen Bündnisschluss zu willigen, als von Nürnberg und Kursachsen geplante Boykottmaßnahme des Treffens von Rodach beschreibt. 284 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 91, Anm. 7 (Ernst von Braunschweig-Lüneburg an Johann).
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ader entlichen unverweisslichen abschlag furgewent werden, das sich itzunder dermassen nicht thun lassen, so der stete botschaften vorryten und der tag nicht abgeschryben.285
Darüber hinaus sollte Minkwitz dafür sorgen, dass alle in Rodach geführten Verhandlungen lediglich in Richtung eines Defensivbündnisses gingen und man sich, soweit möglich, an dem Bündnistext von Magdeburg orientieren sollte. Anhand dieser Instruktion kann kein Zweifel bestehen, dass Johann inzwischen nicht mehr gewillt war, die Bündnisverhandlungen zu einem positiven Abschluss zu bringen. Dabei ist es bezeichnend, dass als Begründung für dieses Verhalten die Bedenken Luthers und der anderen Wittenberger Theologen angegeben werden.286 Doch noch wollte man dies nicht offen zeigen. Schließlich beriet man in Rodach einen von Nürnberg verfassten Vorschlag für einen Bündnistext, den jeder Deputierte mit nach Hause nehmen und dort diskutieren lassen sollte.287 Abschließend wurde ein neuer Tag zu Schwabach beschlossen. Bis dahin verfolgte Johann einen Zickzackkurs, offenbar in der Hoffnung, eine Entzweiung mit dem Landgrafen zu vermeiden und doch seine eigenen Vorstellungen weitestgehend durchsetzen zu können. So schrieb er nach der Rückkehr Hans von Minkwitz’ aus Rodach Briefe an Philipp und Markgraf Georg, in denen er vorschlug, sich mit ihnen am 7. Juli persönlich in Saalfeld zu treffen, um sich weitergehend zu beraten.288 Während sich Markgraf Georg dafür offen zeigte, jedoch wegen starker Arbeitsbelastung nur die Schickung von geheimen Räten zusagen konnte,289 machte Philipp unmissverständlich klar, dass er ein solches Treffen als unnötig ansehe und bereits ahne, worum es Johann in Wirklichkeit gehe. Deshalb bat er ihn auf einem gesonderten Zettel inständig: „E.L. mögen sich von niemand bereden lassen, wegen der Sakramentsfrage, die hoffentlich bald zu gutem ende und vereinigung gelangen soll, das Bündnis mit den Städten abzulehnen. Dan Gottes gericht und gnaden seind wunderbar, wer heute fällt, kann morgen stehen und umgekehrt.“290 Obwohl das Einladungsschreiben Philipps zum Marburger Religionsgespräch verloren gegangen ist, lässt die Reaktion Johanns darauf schließen, dass es zu eben dieser Zeit oder sogar mit diesem Schreiben an den Kurfürsten versandt wurde. Vom 23. Juni 1529 datiert ein Schreiben Luthers an den Landgrafen, in welchem 285 Ebd., S. 92. 286 Ebd., S. 90. 287 Die Rodacher Notel ist gedruckt in: ebd., S. 97–112. Zum Verlauf der Verhandlungen vgl. den Bericht des Straßburger Gesandten Mathis Pfarrer bei VIRCK, Politische Correspondenz der Stadt Strassburg, Bd. 1, S. 369–373. 288 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 119 (Johann an Philipp von Hessen und Markgraf Georg von Brandenburg, 14. Juni 1529). 289 Vgl. ebd., S. 120 (Markgraf Georg an Johann, 17. Juni 1529). 290 Ebd., S. 119f. (Landgraf Philipp an Johann, 17. Juni 1529).
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dieser seine Teilnahme am Marburger Religionsgespräch zusagte, ohne jedoch zu verhehlen, dass er selbst schwere Bedenken dagegen hege, aber vom Kurfürsten gebeten wurde, „E.f.g. zü güt der sachen gute antwort zu geben“.291 Offenbar hatte sich Johann nach den freimütigen Äußerungen Philipps dazu entschieden, die Pläne der Wittenberger Theologen, die Einigungsbemühungen im Abendmahlsstreit zu boykottieren, nun doch nicht zu unterstützen. Nahezu gleichzeitig versuchte er aber, sich für sein Vorhaben, die zwinglischen Städte von einem Bündnis auszuschließen, Rückendeckung bei den Magdeburger Bündnispartnern zu holen. Diesen schrieb er am 17. Juni 1529, dass er ein Treffen am 8. August in Zerbst vorschlage, da er nicht vorhabe, die in Speyer projektierte Vereinigung einzugehen, ohne die Magdeburger Bündnispartner davon in Kenntnis zu setzen.292 Nachdem sowohl Landgraf Philipp als auch Markgraf Georg gegenüber Johann erklärt hatten, dass sie am Tag zu Saalfeld nicht persönlich teilnehmen könnten, sagte man die Zusammenkunft zwar nicht ab, entsandte aber lediglich Vertreter.293 Wie wenig sich Johann von diesem Rätetreffen versprach, zeigt allein der Umstand, dass er, anders als Brandenburg und Hessen, seinem Gesandten Hans von Minkwitz weder ein Gutachten über die Rodacher Notel noch eine Instruktion zu Verhandlungen über das Bündnis mitgab. Minkwitz wurde lediglich mit dem Auftrag abgefertigt, über eine fürstliche Zusammenkunft zu verhandeln. 294 Doch die generellen Gegensätze bezüglich der Vereinbarkeit von abweichendem Bekenntnis und Bündnis lassen sich hervorragend aus den Instruktionen Brandenburg-Ansbachs, das in dieser Frage voll hinter den Ansichten
291 WA Br, Bd. 5, Nr. 1438. Es existieren mehrere Fassungen dieses Antwortschreibens Luthers an Philipp. Aller Wahrscheinlichkeit nach, wurde Luther das Einladungsschreiben mit einem ebenfalls verlorenen Begleitschreiben Johanns zugesandt. Seine Antwort sollte er zunächst zur Prüfung und Einarbeitung von Änderungswünschen an den Hof senden. So sagte Luther zwar in der ursprünglichen Version seine Teilnahme in Marburg zu, erwähnte aber nichts davon, dass ihn der Kurfürst darum gebeten hatte. So ist davon auszugehen, dass es einem Änderungswunsch Johanns bzw. seiner Räte entsprach, wenn Luther dies in der redigierten Version erwähnt. Vgl. Beilage zu Nr. 1438, S. 103–105. 292 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 117. Die gleichlautenden Schreiben gingen an Herzog Heinrich von Mecklenburg, Ernst von Braunschweig-Lüneburg, Philipp von Braunschweig-Grubenhagen, Fürst Wolf von Anhalt, die Grafen Gebhard und Albrecht von Mansfeld sowie die Stadt Magdeburg. Ebenso wurde Bischof von Erich von Osnabrück angeschrieben. 293 Für Kursachsen anwesend: Hans von Minkwitz, für Hessen: Siegmund von Boyneburg, für Brandenburg-Ansbach: Kaspar von Seckendorff, vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 133. 294 Vgl. ebd., S. 200, Anm. 5. Offenbar gelang es Minkwitz dies geschickt zu überspielen, denn in einem Schreiben vom 16. Juli wunderte sich Markgraf Georg gegenüber Johann darüber, dass man über die Rodacher Beschlüsse in Saalfeld gar nicht verhandelt hätte.
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Kursachsens stand, und Hessens herauslesen. Während Markgraf Georg seinen Gesandten klar anwies, darauf zu dringen, das wir, die Kf. Ff. und ander stende, so in der hilflichen verstendtnus miteinander begriffen sein, uns vor oder neben ufrichtung solcher verstentnus entlich und ainhelligclich miteinander vergleichen, wie es in unser aller und eins yegclichen obrigkeit in sachen unsern heyligen christlichen glauben und desselben ceremonien betreffend […] bis uf ein gemein, frey, christlich concilion oder nationalversammlung gehalten werden soll.295
In welche Richtung diese Einigung bezüglich der Lehren gehen sollte, zeigte man unmissverständlich an, indem man erklärte, die kursächsischen Theologen sollten eine entsprechende Ordnung ausarbeiten.296 Wie anders dagegen liest sich die Instruktion des Landgrafen, der sich des Hauptstreitpunkts völlig bewusst war. So wurde Siegmund von Boyneburg bereits in Punkt eins angewiesen, wie er auf die wahrscheinliche Ablehnung eines Bündnisses durch Kursachsen und Brandenburg mit den Städten wegen des Abendmahlstreits reagieren sollte. Dabei kommt die pragmatische und undogmatische Haltung Philipps zum Ausdruck: Nochdem an dem articul nicht so hoch vortreffenlich vil, also das unser glaube und seligkait entlich doran gelegen were, und dorzu die von Straßburgk mit uns so gar uneynig des articuls nit seien, sundern dieselben auch ebensowole als wir Christum im nachtmal sein bekennen, das wir uns derohalben und aus weithern nachfolgenden ursachen von Straßburgk nicht sundern.297
Der Gegensatz zwischen den Fürsten hätte kaum größer sein können. So überrascht es nicht, dass der Tag zu Saalfeld keine weiteren Beschlüsse brachte, außer dass ein persönliches Treffen der Fürsten für den 24./25. August in Naumburg in Aussicht genommen wurde. Den Tag zu Schwabach, der in Rodach ebenfalls für den 24. August angesetzt worden war, wollte man dagegen auf den 16. Oktober verschieben.298 Diese Verzögerungstaktik ging zweifelsohne von kursächsischer Seite aus. Während der Verhandlungen in Saalfeld hatte sich Johann nach Wittenberg begeben, um dort mit seinen Theologen zu Beratungen über die Abfassung eines Bekenntnisses zusammenzukommen, dessen Annahme als Grundlage
295 RTA JR, Bd. 8,1, S. 122 (Instruktion Markgraf Georgs von Brandenburg für Kaspar von Seckendorf zum Tag zu Saalfeld, 2. Juli 1529). 296 Ebd., S. 122f. Auf diesen Punkt dringt Georg jedoch nicht an vorderster Stelle, sondern erst in Punkt 5 der Instruktion. 297 Ebd., S. 126 (Instruktion Landgraf Philipps von Hessen für Siegmund von Boyneburg zum Tag zu Saalfeld, vor dem 4. Juli 1529). 298 Vgl. ebd., S. 132f. (Abschied des Saalfelder Tags, 8. Juli 1529).
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für die weiteren Bündnisbestrebungen dienen sollte.299 Diese Zusammenkunft kann als die Geburtsstunde der Schwabacher Artikel gesehen werden, die im Laufe der Zeit in Zusammenarbeit mit brandenburg-ansbachischen Theologen ihre endgültige Form erhielten.300 Die Verwunderung Markgraf Georgs über die spärlichen Ergebnisse von Saalfeld und seine Aufforderung, ihm nachträglich das kursächsische Bedenken zur Rodacher Notel zuzuschicken, um sich untereinander austauschen zu können, trug wohl dazu bei, die bereits von Johann und den Wittenberger Theologen projektierte Ausarbeitung eines lutherischen Bekenntnisses zu beschleunigen. Sicher hatte auch Hans von Minkwitz bei seiner Rückkehr darüber Bericht erstattet, dass dies ganz im Sinne Brandenburg-Ansbachs wäre.301 Die Reaktion Philipps fiel in klarerer Art und Weise aus. Er schrieb am 18. Juli einen erbosten Brief an Johann, in dem er sich über dessen Verzögerungstaktik bitter beschwerte. Zumindest seine Räte hätten ausreichende Instruktion gehabt, um alles Notwendige, auch ohne die persönliche Anwesenheit der Fürsten, zu beschließen. Bezüglich des bestehenden Zwiespalts in der Abendmahlsfrage verweist er auf die beigefügte Instruktion.302 Offen wirft Philipp Johann unredliches Verhalten gegenüber den Städten vor, auf die man erst mit dem Wunsch nach einem Bündnis zugegangen sei und die man nun, da es zu konkreten Verhandlungen und Beschlüssen kommen solle, vor den Kopf stoße. Diese Art der Politik sei er nicht bereit mitzutragen und halte deshalb an dem Tag zu Schwabach am 24. August fest. 303 Selbstverständlich musste sich Johann derartigen 299 Vgl. Hans VON SCHUBERT, Bekenntnisbildung und Religionspolitik, Gotha 1910, S. 52. Die Anwesenheit des Hofes in Wittenberg ist belegt durch ein Schreiben Luthers an Amsdorf vom 10. Juli 1529. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1445. 300 Die 17 Artikel sind gedruckt in: WA Luthers Werke, Bd. 30/3, S. 86–91. 301 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 199f. (Markgraf Georg an Johann, 16. Juli 1529) sowie die Instruktion Markgraf Georgs für Kaspar von Seckendorf zum Tag zu Saalfeld in: ebd., S. 122. Somit lässt sich die lange umstrittene Entstehungszeit der sogenannten Schwabacher Artikel wohl in diesen Zeitraum datieren. Ausführlich dazu Theodor KOLDE, Der Tag von Schleiz und die Entstehung der Schwabacher Artikel, in: Otto ALBRECHT (Hg.), Beiträge zur Reformationsgeschichte, Festschrift für D. Köstlin, Gotha 1896, S. 94–115 sowie VON SCHUBERT, Bekenntnisbildung und Religionspolitik, S. 1–63. 302 Gemeint ist die Instruktion, die sein Rat in Saalfeld dabei hatte. Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 126–128. 303 „Dorzu were es nit wenig schimpflich, wir wissen auch nicht, woevor es bei den stedten angesehen werden wollte, nochdem auff E.L. begeren wir von E.L. und unsertwegen irstlich an die stedte gesonnen haben, das sie sich mit uns in ein verstentnus lossen wollten; so es nun so weith kommen, das es zu tagen und handlungen gelangt ist, das izo ursachen zu sonderung ader villeicht – als sie es ansehen muchten – zu ausflucht und weigerung des, das wir vorhin bei inen begert und gesucht haben, vorgenommen werden solten. Es konnen auch E.L. bedenken, das es uns, als der wir die Handelung bei den stedten gethon, fast beschwerlich were und zu misfallen, das wir uns auch hiernehst E.L. halber nit so leichtlich in einiche
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Vorwürfen des Landgrafen stellen. Bereits einen Tag nach Eingang von Philipps Schreiben in Torgau erfolgte die Antwort: Natürlich sei man sich dessen bewusst, dass in Speyer mit den Städten ein Bündnis und auch dessen ungefährer Inhalt verabredet wurde, aber nach dem Treffen von Rodach hätten sich noch Fragen ergeben, die zwingend einer Absprache bedürfen. Zwar habe er aus Philipps Schreiben schon vernommen, dass dieser darin keine Probleme sehe, er gehe jedoch davon aus, dass auch seine Befindlichkeiten Beachtung fänden, zumal diese sich nicht schriftlich verhandeln ließen. Johann bekräftigte, dass ihm ein geschlossenes Auftreten der Fürsten sehr wichtig sei, da jede Uneinigkeit nicht förderlich für die weiteren Verhandlungen wäre. Bei dieser Gelegenheit ließ Johann auch gleich anklingen, welche Alternative er bevorzuge, sollte man sich mit den Städten nicht einigen können. Solt aber gleichwol daran mangel furfallen, als wir uns nicht vorsehen wollen, so ist es gleichwol nicht Unsere Absicht, Uns vom Mgf. und E.L. als Unseren Freunden, mit denen wir ohnehin bereits in erblichen und andern freuntlichen vortregen miteinander stehen, zu trennen, sundern uns gegen E.L. in alwegen freuntlichen und den stetten gnediglich zu ertzaigen, was wir auch von E.L. hoffen.304
Will heißen, einem Fürstenbündnis stehe auch ohne die Städte nichts im Wege, zumal sich ja die kurfürstlichen, mark- und landgräflichen Theologen einig wären.305 Dessen ungeachtet hätten es die Räte in Saalfeld als gut angesehen, sich nochmals zu persönlichen Unterredungen am 24. August zu treffen. Johann bat darum, dass auch Philipp erscheine und derweil die Städte über die Verschiebung des Tags zu Schwabach informiere. Von besonderem Interesse ist der Abschluss des Schreibens, an welchem sich die unterschiedlichen Strömungen im Umfeld Johanns gut ablesen lassen. Während das ursprüngliche Konzept vorsah, Philipp bei weiterer Ablehnung einer persönlichen Zusammenkunft und Einigung zum Verhalten im Abendmahlsstreit zu drohen, dass man die Zusage für Schwabach zurückziehen bzw. die dort gefassten Beschlüsse blockieren würde, schwächte man den Entwurf dann dahingehend ab, dass man die Angelegenheit in diesem Fall auf sich beruhen lassen müsste. Zu dieser Änderung vermerkte Gregor Brück, dass nun auch Johann
handelung meher begeben wurden, gereichte.“ RTA JR, Bd. 8,1, S. 203 (Philipp an Johann, 18. Juli 1529). 304 Ebd., S. 204. 305 „Wir wissen nichts davon, dass sich des Mgf., E.L. und unsere Gelehrten bisher in sachen, den glauben berurendt, yemals miteinander getzwaiet, hoffen und bitten zu Gott, dass er sie und uns in christlicher aynigkait des glaubens und seiner eingesetzten sacrament halben furder gnediglichen erhalten wolle.“ Ebd. Zur Idee eines fürstlichen Separatbundes vgl. auch KOLDE, Der Tag von Schleiz und die Entstehung der Schwabacher Artikel, S. 97f.
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Friedrich, Wildenfels, Minkwitz, Dolzig und der Kanzler Beyer damit einverstanden seien.306 Der ausführliche Briefwechsel zwischen den beiden Fürsten in den nächsten Wochen lässt die Uneinigkeit bezüglich des weiteren Vorgehens stark zutage treten. Während Johann entgegen dem ausdrücklichen Wunsch Philipps307 den Städten die Verschiebung des Schwabacher Tags mitteilte,308 setzte der Landgraf darauf, durch das Heraufbeschwören einer militärischen Bedrohung von außen die innere Einheit wieder herzustellen.309 Doch beide kannten einander inzwischen gut genug, um zu wissen, welche Absichten jeder verfolgte, zumal Philipp die seinigen immer wieder deutlich hervorhob. Ebenso machte er klar, dass er von Johann klare Stellungnahmen fordere und ihm das ständige Lavieren des Kurfürsten als unsinnig und kontraproduktiv erscheine und ihn deshalb sehr erbose.310
306 Im sehr wahrscheinlich von Brück mit Zustimmung Johanns erarbeiteten Konzept stand ursprünglich: „Dann sollten wir uns zuvor miteinander nicht unterreden und […] vergleichen und der tag zu Schwabach [entgegen dem Bedenken der Räte in Saalfeld] seinen furgang behalten, so bitten wir E.L. fruntlich, die wolle es unsernthalben nicht unfruntlich, sundern zu unser notturft vermerken, so wir eintweder fur uns selbst allein den von Nurmberg unser entschuldigung zu erkennen geben oder so wir gegen Schwabach schicken und unser rete doselbst nicht entlich und schließlich sich werden vergleichen konnen, wiewoll wir sunst an uns in kainem, das Got dem Almechtigen zu lobe und uns und den unsern zugut erspriessen sold, gern wolten ainichen verzugk oder mangel sein lassen.“ RTA JR, Bd. 8,1, S. 205, Anm. b-b. Im Brief selbst lautet der Abschlusssatz: „Falls E.L. die persönliche Zusammenkunft dieser wichtigen Sachen halben abschlagen, müssten wir das furderlich dem Mgf. mitteilen und unsersteils die sachen darbey bleiben lassen.“ 307 Vgl. ebd., S. 206–208 (Philipp an Johann, 1. August 1529). Sichtlich verstimmt bot Philipp in diesem Schreiben jedoch an, sich etwa eine Woche vor Schwabach treffen zu können, allerdings würde er wegen wichtiger Landesangelegenheiten wiederum nur Räte schicken können. „Persönlich dorthin zu kommen, hindern Uns nicht nur unsicherhait und ungelegenhait der malstat […] sondern andere wichtige Sachen, an denen Uns und Unserem Land ebensoviel oder mehr gelegen ist, derowegen wir der zeit andere unsere hern und freund zu uns beschaiden haben.“ 308 Vgl. ebd., S. 208f. (Johann an Philipp, 9. August 1529; Johann an Markgraf Georg, 9. August 1529) sowie S. 209f. (Johann und Markgraf Georg an Straßburg, Ulm und Nürnberg, 10. August 1529). 309 Vgl. ebd., S. 205f. (Philipp an Johann, 26. Juli 1529) sowie S. 234f. (Philipp an Johann 24. August 1529). Johann sah jedoch keinen weitergehenden Handlungsbedarf und wiegelte die Gefahr eines Angriffs, die Philipp versucht hatte heraufzubeschwören, ab. Ebenso wich er den konkreten Fragen nach Partnerschaft bei einem Angriff aus. Er benannte auch keinen kursächsischen Mittelsmann in der Nähe der hessischen Grenze. Lediglich persönlichen Gesprächsbedarf machte er wiederholt geltend, S. 237f. (Johann an Philipp, 4. September 1529). 310 Besonders bezeichnend hierfür der Brief Philipps an Johann vom 14. September 1529. Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 241f.
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So kam es trotz intensiver Korrespondenz bis zum Tag von Schwabach zu keiner Annäherung beider Positionen. Ebenfalls nach einigem Hin und Her verständigte sich Johann schließlich mit Markgraf Georg darüber, sich vom 3. bis 7. Oktober in Schleiz zu treffen.311 Die ohnehin offene Weigerung Philipps, sich mit Johann und Georg persönlich zu beraten, wurde durch diesen Termin dahingehend manifestiert, dass es dem Landgrafen aufgrund des für den 29. September angesetzten Marburger Religionsgesprächs, in welches er nach wie vor große Hoffnungen setzte, ohnehin nicht möglich sein würde, sich in Schleiz einzufinden. So möchte man glauben, dass es Johann inzwischen sowieso das Liebste gewesen wäre, die Beratungen über ein lutherisches Bekenntnis als Voraussetzung für einen Bündnisabschluss ganz und gar ohne hessische Beteiligung zu führen. Auch Markgraf Georg konnte sich dieses Eindrucks nicht erwehren.312 Trotzdem bemühte sich Johann Ende September 1529 mit teils eigenhändigen Schreiben verstärkt darum, Philipp doch noch zum persönlichen Erscheinen in Schleiz zu überreden.313 Inzwischen hatten sich in Marburg mit Luther und Melanchthon sowie mit Zwingli und Oekolampad die wichtigsten Vertreter der beiden strittigen Abendmahlsauffassungen eingefunden.314 Schnell kristallisierte sich bei den Gesprächen heraus, dass man bei allen Punkten, die über diese eine Frage hinausgingen, Einigkeit erzielen konnte.315 So verwundert es nicht, dass sich Landgraf Philipp danach in seiner Erkenntnis bestärkt fühlte, dass die unbedingte Forderung Kursachsens und Brandenburg-Ansbachs nach Einigkeit im Abendmahlsverständnis für das Seelenheil keine Bedeutung hätte, jedoch für die Bündnisfrage tödlich wäre.316 Ohnehin hatte für den Landgrafen das Marburger Religionsgespräch von vornherein eine viel stärkere politische denn religiös-theologische 311 Auch diesmal gingen die Verzögerungen und Änderungswünsche bezüglich des Termins und des Orts von Johann aus. Vgl. ebd., S. 234 (Johann an Georg, 19. August 1529, Absage des ursprünglich geplanten Treffens für den 24.8. in Schleiz), S. 236 (Georg an Johann, 3. September 1529, neuer Terminvorschlag für den 2. Oktober in Schweinfurt), S. 239 (Johann an Georg, 10. September 1529, Bitte um anderen Tagungsort, vorzugsweise Schleiz oder Arnstadt). 312 Ebd., S. 242f. (Georg an Johann, 16. September 1529, widerwillige Zusage des Markgrafen, sich in Schleiz zu treffen). „Wir haben warlich kurtz halben der zeit nit gern gehört, das E.L. die malstatt zu Schweinfurt waigern, da dem Lgf. Arnstadt oder Schleiz jetzt gleich so wenig als vor gelegen sein und dadurch die persönliche Zusammenkunft und die Schickung nach Schwabach abermals verhindert werden könnte. Zu was nachteils uns, den Kf. und Ff., auch zu was verdryes das den erbern stetten raichen mocht, haben E.L. nit schwer zu bedenken.“ 313 Ebd., S. 246–248 (Johann an Philipp, 23. und 24. September 1529). 314 Zu den Anwesenden beim Marburger Religionsgespräch, das vom 1. bis 4. Oktober 1529 stattfand, vgl. KÖHLER, Zwingli und Luther, Bd. 2, S. 63–66. 315 Zum Verlauf des Marburger Religionsgesprächs vgl. ebd., S. 66–163. 316 Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 65.
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Bedeutung. So bildeten die in den Marburger Artikeln zusammengefassten Konsenspunkte für ihn eine tragfähige Grundlage für alle weiteren Verhandlungen. Ohne die Ergebnisse von Marburg überhaupt abzuwarten, bekräftigten dagegen Johann und Georg in Schleiz ihre prinzipielle Einigkeit darüber, das Bekenntnis vor den Bündnisabschluss zu stellen. Auf der Grundlage eines kursächsischen Bedenkens zur Rodacher Notel317 und unter Berücksichtigung der von Markgraf Georg dazu gemachten Anmerkungen 318 hatte der Ansbacher Kanzler Georg Vogler eine gemeinsame Instruktion für den Schwabacher Tag ausgearbeitet, die nun in Schleiz diskutiert und korrigiert wurde. Domit man sich nhun mit nyemants in solche voraynigung durch angezaigte gemayne wort einlasse, der mit denn bundtsverainigten nicht eins glaubens ist, auch aynerlay tauf und sacrament itzo und kunftigklich heldet, will not sein – wie Mgf. Jorg von Brandenburg bedacht hat –, die artigkel, darauff berurte aynigkait des glaubens und christentumbs rughet, erstlich gegeneinander zu bekennen, und welcher standt solchs in aynem ader mehrern artigkeln zu thun beschwert, mit dem sold man sich in kain vorstentnus lassen.319
Zwar waren, wie abgesprochen, auch die hessischen Räte Boyneburg und Kolmatsch anwesend – an den Beratungen über den Entwurf Voglers nahmen diese jedoch nicht teil.320 Sie bekamen am Ende lediglich eine Kopie der Instruktion und ein Antwortschreiben Johanns und Georgs zur Vorlage an Landgraf Philipp überreicht. Darin machten die beiden Fürsten unmissverständlich klar, wie wichtig ihnen der Abendmahlsartikel sei und wie wenig Verständnis sie dafür hatten, dass Philipp diesen so gering schätzte.321 Ebenso konnten sie sich die Bemerkung nicht verkneifen, dass vielleicht eine einhellige Meinungsfindung möglich gewesen wäre, hätte sich der Landgraf nicht jedem persönlichen Treffen verweigert. Nun müssten sie ihm jedoch mitteilen, dass sie in keiner Weise bereit wären, sich „in ain solch verstentnus zu lassen mit den, so den gemelten irrthumb des sacraments
317 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 254–268. 318 Vgl. ebd., S. 268–272. 319 Ebd., S. 255 (Kursächsisches Bedenken zur Rodacher Notel, ca. 23. Juli 1529). Vgl. dazu auch S. 254, Anm. 1 sowie S. 255, Anm. 3. 320 Vgl. ebd., 8,1, S. 272–295 (Instruktion für die kursächsischen und brandenburgischen Räte für die Verhandlungen mit Nürnberg und auf dem Schwabacher Konvent am 16. Oktober 1529). 321 „Und ir kfl. und fl. G. wusten den retten des Lgf. zu Hessen gnediger und guter mainung nit zu pergen, das ir kfl. und fl. G. hoch befremdlich were, wie der Lgf. darauf kumen oder gefurt mocht sein, das S. fl. G. den artikel so gering oder leycht wuegen, dann ir kfl. und fl. G. hetten je auf die gehaltne reichstegen zu Speier, auch sunst nit anders vernomen, wann das S. fl. G. prediger den artikl fur gros irrig und beswerlich angezogen hetten.“ RTA JR, Bd. 8,1, S. 299–304 (Antwort Johanns und Georgs an die hessischen Räte in Schleiz, ca. 4. Oktober 1529), hier S. 303.
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halben itzt und kunftigclich verwandt sein wurden, noch auch mit denen, welche die furnembsten artikl des christenthumbs mit inen nit ainhellig bekennen wolten“.322 Damit waren alle Weichen für die Verhandlungen in Schwabach gestellt. Landgraf Philipp reagierte in der Instruktion für seine Räte Siegmund von Boyneburg und Georg von Kolmatsch entsprechend:323 In Schwabach sollten sich Kursachsen und Brandenburg-Ansbach endgültig dazu bekennen, ob Ulm und Straßburg in ein evangelisches Bündnis aufgenommen werden sollten oder nicht. Noch einmal versuchte er, einer Weigerung der beiden Fürsten zu begegnen, indem er ein Verteidigungsbündnis unter Ausnehmung der Abendmahlsfrage vorschlug. Dass es sich dabei lediglich um einen rhetorischen Kniff handeln sollte, zeigt allein die Tatsache, dass die hessischen Räte den Ulmer und Straßburger Gesandten im Geheimen zur Annahme dieser Modifikation mit der Begründung raten sollten, dass sie allein wegen des Abendmahls sicher von niemandem angegriffen werden würden.324 Sollte man sich auch dazu nicht bereit finden, wären alle weiteren Verhandlungen sinnlos, die im Magdeburger Bund bereits beschlossenen Verteidigungsmaßnahmen würden dann völlig ausreichen. Ein nachträglicher Beitritt von Brandenburg-Ansbach und Nürnberg wäre jedoch problemlos möglich.325 Doch zu derartigen Beratungen kam es nicht. Mit den durch Kursachsen und Brandenburg-Ansbach bereits klar formulierten Bündnisvoraussetzungen und -modalitäten, den sogenannten Schwabacher Artikeln, hatte man Ulm und Straßburg völlig überrascht. Bereits nach der Übergabe der entsprechenden Schriftstücke in Nürnberg am 15. Oktober beschlich die beiden Städtevertreter das Gefühl, dass man nicht vorhabe, in ihrem Sinne zu verhandeln.326 So erklärten sie, dass ihre Herrschaften ihnen ohne das nötige Vorwissen um die Artikel keine ausreichende Instruktion erteilen konnten. Entsprechend einigte man sich auf einen neuen Tag in Schmalkalden am 15. Dezember.327 Ein zeitweiliges Abrücken von dieser harten Haltung gegenüber den Städten wurde allerdings notwendig, als Johann wenige Tage später die Nachricht aus 322 Ebd. 323 Vgl. ebd., S. 307–313 (Instruktion Philipps für seine Räte zum Schwabacher Konvent, 11. Oktober 1529). 324 Ebd.; S. 309f. 325 Ebd.; S. 307f. 326 Vgl. ebd., S. 313f. (B. Besserer und D. Schleicher an den Rat von Ulm, 16. Oktober 1529). „Aber es seind der zwayer fursten Sachsen und Brandenburg botschaften hie, die haben mit Nurmperg gehandelt und uns disezwu beyliegenden schriften ubergeben, und haben die von Nurmperg gesagt, sy wissen umb diese handlung gar nichtz. Wir glaubens aber nit. […] Doch hab ich Ber. Besserer gesagt, ich sich wol, das wir in die verstendtnus nit gehörn. Wir achten auch, das uff disem tag der verstentnus halb nichts beschlossen werd.“ Als sächsischer Vertreter war Hans von Minkwitz anwesend. 327 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 314–316 (Abschied des Schwabacher Konvents, 19. Oktober 1529).
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Nürnberg erreichte, dass die Mitglieder der Gesandtschaft an den Kaiser zur Übergabe der Protestation gegen den Reichstagsabschied von Speyer 1529 in Piacenza verhaftet worden waren.328 Entgegen aller Hoffnungen hatte der Kaiser nicht nur für das Anliegen der Protestanten kein Verständnis gezeigt, sondern hatte durch die Gefangennahme der Gesandten die Reichsstände brüskiert.329 Unter diesen Umständen schien es höchst ratsam, sich so schnell wie möglich zu besprechen und auch die Bündnisfrage neu zu verhandeln.330 Noch bevor Philipp von Hessen einen entsprechenden Vorschlag an Johann herantrug, hatte dieser bereits den geplanten Tag zu Schmalkalden auf den 28. November 1529 vorverlegt, allerdings ohne in seinem Einladungsschreiben erneute Bündnisverhandlungen zu erwähnen.331 Es waren Nürnberg und Hessen, die dieses Thema auf die Tagesordnung setzten. 332 Dass Philipp bezüglich der Aufnahme der oberländischen Städte in ein evangelisches Verteidigungsbündnis nicht locker lassen würde, musste Johann ohnehin klar sein. 333 Doch durch die Initiative 328 Die Gesandtschaft der Protestierenden war am 14. Juli 1529 von Nürnberg aus zum Kaiser aufgebrochen. Am 12. September 1529 erlangten Hans Ehinger und Alexius Frauentraut Audienz beim Kaiser und es wurde ihnen die Möglichkeit gegeben, die mitgebrachten Schriftstücke einzureichen. Ebd., S. 143f. Eine Antwort erhielten die Gesandten erst am 12. Oktober 1529. 329 Lazarus Spengler brachte es wohl in seinem Schreiben an den ansbachschen Kanzler Georg Vogler auf den Punkt. „Dann ist es nit beschwerlich, ungeschickt und zum ungnedigsten furgenomen, das ain röm. kaiser, der unser herr ist, der vordersten stende im reich pottschaften, die allain umb gnedige verhore zum undterthenigsten ansuchen, sich mit vernunftigen christenlichen ursachen entschuldigen und alles glimpfs erpieten, […] zu verhaft annehmen. […] Mir zweifelt auch gar nit, wann die Reichsstände sonst nit starnplindt wern, inen sollt dieser handel billich zu hertzen geen, nit unsern, sondern auch irnhalben. Dann was schutz, schirms und trosts sollen wir uns doch bey ainem solchen herrn versehen?“ Ebd., S. 320 (28. Oktober 1529). 330 Vor allem aus einem Schreiben Johanns an den Rat von Nürnberg geht hervor, wie überrumpelt man ob der kaiserlichen Vorgehensweise war. „Das unseren Gesandten solche beschwerungen widerfaren, hetten wir uns, sonderlich in erwegung aller umbstende, weniger dan gar nicht vorsehen.“ Ebd., S. 338 (1. November 1529). 331 Vgl. ebd., S. 348–350. Johann spricht in den Einladungsschreiben lediglich über Verhandlungen zum Schicksal der Appellationsgesandtschaft und Abstimmung darüber, wie man sich bzgl. der geforderten Türkenhilfe verhalten solle. 332 So leitete Nürnberg die Information Johanns über das vorgezogene Treffen in Schmalkalden an Ulm weiter, wiederum mit Bitte um Weiterleitung nach Straßburg, und fügte wohl eigenmächtig hinzu, „wir bitten E.W., ir pottschaft nicht nur wegen der Verhaftung der Gesandten, darumb der tag gen Schmalkalden von Kf. gekurtzt und angesatzt ist, sonder auch der vorsteenden verstandtnuss halben, wie E.W. wissen, abzufertigen und den Tag gewisslich zu besuchen“. RTA JR, Bd. 8,1, S. 351 (8. November 1529). 333 Da sich nun alle kursächsischen Hoffnungen, der Kaiser habe ein gnädigeres Ansinnen mit den Evangelischen als sein Bruder Ferdinand, zerschlagen hatten und nach Philipps Ansicht Gott ihnen die Gnade erwiesen habe, die bösen Absichten Karls V. offen zutage
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Nürnbergs war er nun genötigt, die Frage bereits Ende November in Schmalkalden zu erörtern.334 Eilig wandte sich Johann an den alten Kanzler Gregor Brück, um ihm mitzuteilen, dass er auf dem Tag von Schmalkalden benötigt werde und sich deshalb am 18. November in Torgau einfinden solle. Zuvor sollte sich Brück jedoch mit Luther, Bugenhagen und Melanchthon treffen, da Johann einen Ratschlag bezüglich der Unterschiede beim Sakrament mit den Oberländern wünschte. So wollte er wissen, ob villeicht diese verstentnus aus dem, das man desselben vornemlichsten artikels mit dem sacrament noch nit entlich uff dißmall entschlossen, auf ain zeyt einzugehn sein oder ob sye alß schwach bruder zü dülden und wye es allenthalben soll gehalten werden, dyewyll nicht dye ganz commun villeicht in dem irtumb – zuweylen etzlich auß der gemeyn, eyns teyles vom rad, und das eyn kirch anders hilt dan dye ander –, ob derhalben eyn unterschid zu machen, wie es domit uff alle fell, dye sye woll bewegen werden, zu halten sein solt.335
Die Theologen sollten dazu ein Gutachten erstellen, das Brück dann mit nach Torgau bringen sollte. Diese nach den mit Markgraf Georg in Schleiz getroffenen harten Absprachen bemerkenswerten Zeilen zeugen davon, wie bedrohlich Johann die politische Großwetterlage nach der gescheiterten Gesandtschaft an den Kaiser für die Protestanten einschätzte. Offenbar so ernst, dass er vorsichtig die Möglichkeiten eines Entgegenkommens auslotete.336 Doch schon im Begleitschreiben zum Gutachten für Johann machten die Wittenberger Theologen unmissverständlich klar, was sie von der Bündnispolitik ihres Fürsten ganz allgemein hielten. Auch wenn es dafür schon zu spät war, denn immerhin bestanden bereits die Verteidigungsbündnisse von Torgau und Magdeburg, plädierten die Theologen dafür, sich überhaupt keinem Bündnis anzuschließen, da jeder für seinen Glauben allein einstehen müsse. Aufgrund des Evangeliums solle es niemals zu Blutvergießen kommen und schon gar nicht aus
zu legen, stand für den Landgrafen die Weigerung, ein Bündnis mit den oberländischen Städten einzugehen, weniger denn je zuvor zur Debatte. Ebd., S. 354 (Philipp an Johann, 11. November 1529). 334 Am 9. November 1529 stellte Nürnberg den Kurfürsten mit seinem Schreiben vor vollendete Tatsachen: „Obwohl E. Kfl. G. schreyben allain von der sachen, die verhaften potschaften in Ytalien belangende, meldung thuet, achten wir doch dafür, E. kfl. G. maynung sey, auch in der andern sachen, die vorsteenden verstendtnus belangende, auff dieselben zeit handlung zu pflegen, wie wir auch sollichs Straßburg und Ulm durch eylende potschaft verkündigt und Mgf. Georg von Brandenburg und Lgf. Philipp von Hessen […] auch alßpaldt zu wissen gemacht haben.“ Ebd., S. 353. 335 Ebd., S. 363 (Johann an Gregor Brück, 14. November 1529). 336 Alle im obigen Zitat gemachten Kompromissvorschläge wurden im Konzept vom Kanzler Christian Beyer eigenhändig ergänzt, vgl. ebd.
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einer Bündnisverpflichtung heraus. Deshalb solle der Kurfürst auf Gott vertrauen, der die Gefahr schon abwenden werde.337 Da das eigentliche Originalgutachten, in dem Luther für die Wittenberger Theologen antwortete, verloren gegangen ist, müssen wir auf die Umarbeitung Brücks zu einer Denkschrift zurückgreifen.338 Doch auch darin zerstoben alle möglichen Kompromissvorschläge. Das von Johann vorgebrachte Argument, dass man die Pflicht zur Nachsicht mit den Schwachen, aber Belehrbaren, habe, wischten die Theologen damit vom Tisch, dass Zwingli und seine Anhänger nicht als Schwache, sondern als Verstockte und damit als Ketzer anzusehen seien. Der von Philipp von Hessen betriebenen Relativierung der Wichtigkeit einer einheitlichen Abendmahlslehre hielten die Theologen Jakobus 2, 10 entgegen: „Wer in einem irrt, irrt im Ganzen.“ Der Feststellung, dass es in den oberdeutschen Städten auch rechtgläubige Christen gebe, trat man mit dem Argument entgegen, dass der Vertragsabschluss mit den Häuptern der Städte zustande komme, welche den Irrtum in ihrem Machtbereich dulden würden.339 Gregor Brück, der offenbar hinsichtlich der Ablehnung eines Bündnisses mit den Städten ganz auf der Seite der Wittenberger Theologen stand, verstärkte wohl einige der Argumente noch mit weiteren Bibelzitaten, während er sich bei der grundsätzlichen Frage danach, ob man sich überhaupt in ein evangelisches Verteidigungsbündnis begeben sollte, an einem früheren Gutachten Bugenhagens orientierte, wo dies mit Einschränkungen bejaht wurde.340 Wohlahnend, dass es mit Ulm und Straßburg zu keiner Einigung kommen würde, rieten die kursächsischen Räte Johann dazu, darauf hinzuwirken, dass die Beratungen um das Schicksal der Gesandten und die entsprechende Reaktion der Protestierenden darauf als Allererstes abzuhandeln seien. So sollte vermieden werden, dass diese durch Uneinigkeiten bei den Bündnisverhandlungen überschattet würden.341 Zu diesem Zeitpunkt hatte man noch keine Kenntnis dar337 Ebd., S. 364 (Luther, Melanchthon, Jonas und Bugenhagen an Johann, 18. November 1529). Dieses Begleitschreiben zählt ohne Zweifel zu den Ratschlägen, die Eike Wolgast völlig zu Recht als die Situation eklatant verkennend charakterisiert. Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und Politik, S. 140f. 338 RTA JR, Bd. 8,1, S. 365–374 (Bedenken, worumb mit den sacramentirern kain bundtnus zu machen). 339 Vgl. dazu WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und Politik, S. 142. 340 Vgl. ebd., S. 136–139. 341 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 378–380. Das Dokument hat keine Verfasserangabe. VON SCHUBERT, Bekenntnisbildung und Religionspolitik, S. 118, Anm. 1, nimmt dagegen Hans von Planitz als Verfasser an. „[…] das dieselb sach in der handlung die erste sey und der andern biß nach endung und schliessung derselbigen geschwigen solt werden, ap sich der andern sachen halben, das freuntlich verstendtnus betreffent, yhe wolt ein spaltung zutragen, damit des ersten gemelten haubtartikels halben kein zuruttung eingefurth.“
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über, dass die Gesandten vom Kaiser inzwischen freigelassen worden waren und sich auf dem Weg nach Schmalkalden befanden. So trafen die Kursächsischen, anders als erwartet, auf die inzwischen in Schmalkalden anwesenden Gesandten, deren Berichte und Erzählungen man zunächst anhörte.342 Trotz der Planänderung hätte nichts dagegen gesprochen, nun direkt darüber zu beraten, wie man dem Kaiser in dieser Angelegenheit weiter gegenübertreten wolle. 343 Doch noch bevor es dazu kam, wurden die Städte Nürnberg, Ulm und Straßburg344 mit dem Befehl zu den Fürsten beordert, dass man nun doch zuerst über das projektierte evangelische Bündnis sprechen wolle. Dort wurden sie durch den kursächsischen Rat Hans von Minkwitz aufgefordert, Stellung zu den Schwabacher Artikeln zu nehmen. Wie nicht anders zu erwarten, lehnten Ulm und Straßburg es ab, in die von Kurfürst Johann und Markgraf Georg vorgegebenen Glaubensartikel einzuwilligen. Auch die umgehend von Landgraf Philipp eingeleiteten Vermittlungsversuche, die im Wesentlichen darauf hinausliefen, den Abendmahlsartikel einfach auszunehmen, scheiterten. Dass sich Kursachsen und Brandenburg-Ansbach überhaupt auf Verhandlungen einließen, lag wohl einzig und allein daran, dass die Nürnberger nun erklärten, nur zu einem Bündnis bereit zu sein, wenn auch Ulm und Straßburg einbezogen würden. Die Überraschung darüber, dass sich Nürnberg nicht von den anderen Städten trennen lassen wollte, ist der Reaktion der Räte deutlich anzumerken, wenn es heißt: Aber zum andern hett sich der Kf. und Mgf. Georg versehen gehabt, wo gleich bede stett in die verzeichenten artikel nit bewilligt und sich also abgesondert, solt doch Nurmberg der meynung gewest sein, sich mit iren kfl. und fl.G., auch den andern, so der pundtnus zu Magdenburg verwandt, einzulassen, welches auch die ursach gewest, derhalben S. kfl. G. diesen tag eygner person besucht.345
So kam man wohl oder übel zu einem Abschied, der das Scheitern des Bündnisprojekts verkündete.346
342 Die Eröffnungsrede hielt Hans von Minkwitz im Namen Kurfürst Johanns am 28. November. Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 403. 343 In dem Wissen, dass ein Vorgehen entsprechend dem Bedenken der kursächsischen Räte, vieles an Unmut hätte abwenden können, vermerkte man später auf dem Schriftstück: „Ein bedenken, warauf unser gnedigster her der Kf. zu Sachsen die handlung aufm tag zu Schmalkalden im 29. jhar hette furnhemen sollen“, Ebd., S. 378. 344 In Schmalkalden waren auch Vertreter der Städte Konstanz, Heilbronn und Memmingen anwesend, da diese ebenfalls gegen den Reichstagsabschied von Speyer 1529 protestiert hatten. Vgl. ebd., S. 401f. (Anwesenheitsliste). 345 RTA JR, Bd. 8,1, S. 413 (1. Dezember 1529). Die Nürnberger Gesandten gaben gleichzeitig zu erkennen, dass der Rat nicht geneigt sei, dem Magdeburger Bündnis beizutreten. 346 Vgl. ebd., S. 417–423.
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Jetzt wäre es an der Zeit gewesen, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, wie man sich nach der gescheiterten Gesandtschaft dem Kaiser gegenüber positionieren wollte. Allerdings weigerte sich Johann nun, mit Städten zu verhandeln, die sich nicht bzw. noch nicht zu den Schwabacher Artikeln bekannt hatten. Mit dieser Haltung löste Johann bei allen Anwesenden großes Unverständnis aus und isolierte Kursachsen selbst von denjenigen, die seine harte Haltung in der Bündnisfrage mitgetragen hatten.347 Trotzdem setzte Johann durch, dass auch den Vertretern von Konstanz, Memmingen und Heilbronn, die ebenfalls Vollmacht für Reutlingen, Lindau und Kempten hatten, die Schwabacher Artikel zur Annahme, als Voraussetzung für weitere Verhandlungen, vorgelegt wurden.348 Irritiert ob dieser Wendung antworteten die Städte, ohne Wissen und Einverständnis ihrer Herren nicht in die Artikel willigen zu können. So lief alles darauf hinaus, eine neue Zusammenkunft für den 6. Januar 1530 in Nürnberg zu vereinbaren.349 Einzig war man sich darin einig, dass den vom Kaiser zurückgekehrten Gesandten zu danken sei und ihnen als Geschenk die Pferde überlassen wurden. Wie lässt sich das Verhalten Johanns gegenüber den Städten erklären? Versteifte er sich nach dem Scheitern der Bündnisverhandlungen auf eine starrköpfige Blockadepolitik?350 Zunächst ist festzuhalten, dass alle Einlassungen von der Überzeugung getragen waren, dem einzig wahren Abendmahlsverständnis anzuhängen. Ohne Zweifel kam nach der Ablehnung Ulms und Straßburgs ein gewisser Unmut auf, dass diese in der Abendmahlsfrage derart unbelehrbar seien, immerhin hatten sie selbst den Vorschlag Kursachsens, nochmals mit ihren Herren über die Annahme der Schwabacher Artikel zu verhandeln, nicht einmal auf „Hintersichbringen“ annehmen wollen.351 Zudem hatte Nürnberg gewisse Zweifel an der Rechtgläubigkeit der anderen Städte gesät. So vermerkte Christian Beyer zu deren Ansuchen, sich zunächst mit ihren Herren bereden zu müssen, 347 Vgl. u.a. das Bedenken des markgräflichen Kanzlers Vogler, weshalb es notwendig sei, alle protestierenden Städte in die Verhandlungen einzubeziehen. Ebd., S. 433 (2. Dezember 1529). 348 „Obwohl die Kf. und Ff. auf ksl. Mt. ungnädige Antwort verrrer ze handlen genaigt weren, so herfordere doch irer kfl. und fl. G. unvermydenliche notturft, erstlich ze wissen, ob die Städte in den artiklen des christenthumb mit iren kfl. und fl. G. ains gleichen sinns und verstands syen, derhalben sy die artikel in schrift stellen lassen, welhe, so die Städte copyen begerent, ihnen zugestelt werden sollen.“ Ebd., S. 427. (Vortrag Brücks in Anwesenheit Johanns vor den Städten, 3. Dezember 1529). 349 Vgl. ebd., S. 432–434 (Abschied von Schmalkalden, 4. Dezember 1529). 350 VON SCHUBERT, Bekenntnisbildung und Religionspolitik, S. 123, 131 sieht in dem sächsischen Verhalten gegenüber den Städten kein Ehrenblatt der sächsischen Reformationspolitik und glaubt, Johann hätte sich verrannt. 351 Vgl. Vermittlungsvorschlag Kursachsens und Brandenburg-Ansbachs durch Nürnberg (RTA JR, Bd. 8,1, S. 412) sowie die Reaktion Ulms und Straßburgs darauf, ebd., S. 414f.
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„die von Nurnberk haben sich horen lassen, das die stet fast alle sacramentisch weren“.352 So in den eigenen Ansichten bestärkt, lautete schlussendlich wohl das Credo, „das wir mit gutem gewissen mit den misshelligen in kain verstentnus und gleichsowenig in weiter schickung zum kaiser bewilligen mochten“.353 So lässt sich wohl zusammenfassen: „Am Anfang 1529 hatte man ein Bündnis, aber kein Bekenntnis, am Ende ein Bekenntnis, aber kein Bündnis.“354 Kurfürst Johann hatte in Schmalkalden die politische Einheit dem Bekenntnis geopfert. Was bezüglich eines Verteidigungsbündnisses, das sich noch in der Planung befand, zu akzeptieren gewesen wäre,355 wurde durch seine Forderung, die Städte aus einem bereits laufenden Prozess wie der Appellationsgesandtschaft auszuschließen, ad absurdum geführt.356 Der Zorn Landgraf Philipps darüber kann als gerechtfertigt angesehen werden, stellte doch diese Entscheidung eine nicht unerhebliche Schwächung der Protestierenden von Speyer dar. Philipp, der die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen in erster Linie bei Gregor Brück sah, glaubte, von nun an seine eigenen Wege gehen zu müssen.357 Demzufolge waren die nächsten Monate bis zum Augsburger Reichstag maßgeblich von offen zutage tretenden Differenzen zwischen den einzelnen Ständen sowie dem Bestreben geprägt, jeweils für sich selbst die beste Lösung zu erzielen. So hegten Kursachsen, Brandenburg-Ansbach und Nürnberg die eigenartig irrationale Hoffnung, der Kaiser würde ihre Weigerung, sich mit den „Sakramentierern“ in ein Bündnis zu begeben, positiv honorieren. 358 Diese 352 Ebd., S. 428, Anm. 5. 353 Ebd., S. 425f. 354 Hans VON SCHUBERT, Bündnis und Bekenntnis 1529/1530, in: Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte 16 (1908/09), S. 1–35, hier S. 23. 355 Allerdings ist auch hier die Weste Kursachsens nicht schneeweiß. Der immer wieder von den Städten erhobene Vorwurf, man habe in Speyer mit Wissen um ihre Sakramentslehre das Bündnis an sie herangetragen und auch in Rodach keine Einschränkungen gemacht, ist durchaus berechtigt. Auch der Umstand, dass man dem Marburger Religionsgespräch von vornherein keine Bedeutung und damit keine Chance zur Einigung zumaß, kann nicht unbeachtet bleiben. 356 Insbesondere das Bedenken des markgräflichen Kanzlers Vogler bringt hier alle relevanten Argumente. Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 433. Die nun ausgeschlossenen Städte hegten die Angst, ohne Rückendeckung der Fürsten nun beim Kaiser für ihr Verhalten auf dem Reichstag in besondere Ungnade zu fallen. Vgl. ebd., S. 436 (Ulmer Gesandte gegenüber den Ältern zu Nürnberg, 9. Dezember 1529). 357 VON SCHUBERT, Bekenntnisbildung und Religionspolitik, S. 136. 358 Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 438 (Lazarus Spengler an Georg Vogler, 12. Dezember 1529). Es scheint, als habe es hier eine Verzerrung zwischen Innen- und Außenwahrnehmung gegeben. Es deutet nichts darauf hin, dass der Kaiser sich vor der Übergabe der Augsburger Bekenntnisschriften überhaupt dessen bewusst war, dass es einen theologischen Dissens bezüglich des Abendmahlsverständnisses zwischen den Evangelischen gab. Die
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Hoffnung wurde zweifelsohne von dem Glauben genährt, dass der Kaiser den Evangelischen so negativ gesinnt war, weil er zum einen von einem nicht deutschen, katholischen Umfeld beeinflusst wurde und zum anderen über keine authentischen Informationen zur wahren evangelischen Lehre verfügte. Wäre es aber möglich, Karl V. umfassend zu informieren, hätte dieser sicher ein Einsehen und würde sich sehr viel milder gegenüber den Evangelischen zeigen.359 Währenddessen ging Landgraf Philipp nicht davon aus, dass den Kaiser theologische Feinheiten interessierten. Ihm ging es eher darum, politische Realitäten zu schaffen. Welche Macht inzwischen von ihnen ausging, sollte Karl V. anhand der Türkenhilfe aufgezeigt werden. So beabsichtige Philipp, diese so lange zurückzuhalten, bis der Kaiser die Zusicherung gegeben habe, den Frieden zu halten und die Evangelischen ihres Glaubens wegen unbedrängt zu lassen. Dabei war klar, dass ein solches Druckmittel nur seine volle Wirkung entfalten konnte, wenn alle Evangelischen geschlossen auftreten würden. Keinesfalls sollte der Kaiser von der Zerrissenheit der evangelischen Stände Kenntnis erlangen.360 In diesem Zusammenhang bietet seine Vorgehensweise bei Johann bezüglich der Türkenhilfe einen besonderen Einblick, wie Philipp die Verhältnisse am kursächsischen Hof wahrnahm. Während Johann selbst ein Schreiben erhielt, in dem er von Philipp unbestimmt dazu befragt wurde, wie er es mit der Türkenhilfe zu halten gedenke, 361 erhielten gleichzeitig drei weitere Personen in Johanns
Einschätzung Landgraf Philipps, dass es bei einem Angriff auf die Protestanten ausschließlich darum gehen würde, das Evangelium, egal welcher Ausprägung, zu vernichten und eine Rückkehr zum katholischen Glauben zu erzwingen, muss als sehr viel realistischer angesehen werden. 359 Ein beredtes Zeugnis davon gibt der Brief Nürnbergs an den Gesandten Michel von Kaden von 15. September 1529. „Wir erfuhren durch ain vertraute person, die wohl kundig... das ime vom ksl. hof neulicher tag auß Hispanien geschryben, als ob die sachen durch haymliche practica der gesalbten bey ksl. Mt. räten dermassen bestellt sey, euch als die gesandten aintweder gar nit zu hörn oder aber mit ainer höflichen, glimpfigen antwurt abzufertigen, damit ye der handel, darumb ir seyt abgefertigt, an ksl. Mt. person nit gelang, in besorknus, wann die ksl. Mt. der ursachen, so uns und andere zum protestiren bewegt hab, bericht empfhae, das ir Mt. ir gemüete endern und zum wenigisten aller gewalt und thatliche handlung, der sich der widertayl verhofft, in rue gestellt werde.“ Ebd., S. 448f. 360 Auch Straßburg teilte diese Ansicht. Bereits am 6. Dezember 1529 bat Jakob Sturm den Landgrafen darum, bei der geplanten Zusammenkunft Anfang Januar 1530 in Nürnberg „doruff handlen zu lassen, domyt bey ksl. Mt. durch sondere schickung oder schryben nit verstanden werde, welchermossen man sich zertrent hat“, denn das würde allen Teilen vielerlei Nachteil bringen. Außerdem solle Philipp auf eine einhellige Antwort bei der Türkenhilfe hinarbeiten, und zwar dermaßen, „das wir unß nit mit unserm eygen schwerdt umbbrechten.“ Ebd., S. 520f. 361 Ebd., S. 510 (Philipp an Johann, 9. Dezember 1529). Philipp legte dem Schreiben einen Zettel bei, die Angelegenheit doch Luther vorzulegen.
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Umfeld Post: Johann Friedrich,362 Luther363 und Gregor Brück.364 Ihnen allen unterbreitete Philipp seinen Vorschlag, nämlich dem Kaiser mittels der Türkenhilfe eine Friedenszusage abzupressen, und bat sie darum, Johann in diesem Sinne zu raten. Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass der Landgraf sich an jene Personen wandte, von denen er glaubte, dass diese den größten Einfluss auf den Kurfürsten hätten. Tatsächlich legte Johann, der sich eigentlich bereits entschieden hatte, die Türkenhilfe zu leisten,365 die Angelegenheit Luther vor. Dieser äußerte sich ganz im Sinne des Kurfürsten, indem er dessen Haltung bestärkte, sich erneut Frieden suchend an den Kaiser zu wenden, anstatt diesen zu reizen, indem man eine trotzige Antwort gibt.366 Auch Brück und Johann Friedrich erteilten Landgraf Philipp eine ablehnende Antwort, sodass auch in puncto Türkenhilfe alle Hoffnungen auf ein gemeinsames Vorgehen starben. Wie weit man sich trotz regen Austauschs seit der Schmalkaldener Zusammenkunft von Landgraf Philipp inzwischen entfernt hatte, zeigt die Instruktion, die Johann seinem Kanzler Christian Beyer für den Tag zu Nürnberg am 6. Januar 1530 ausstellte. So heißt es in der Instruktion: Will sich jedoch der Lgf. von den anderen Städten nit sondern mit der schickung oder hat er sich villeicht alberait mit inen verbunden, halten wir Teilnahme seiner Räte bey stellung und ratschlagung der instruction für unnötig, da er nit bedacht were, mit uns und den unsern zu schicken. […] Wer aber Straßburg und den anderen, die im Sakrament ein
362 Ebd., 8,1, S. 515. Das ursprüngliche Schreiben an Johann Friedrich ist nicht erhalten, das Anliegen Philipps geht jedoch aus der Antwort Johann Friedrichs vom 18. Dezember 1529 hervor. 363 Ebd., S. 510f. (Philipp an Luther, 9. Dezember 1529). So bat Philipp, dass Luther doch den oben angezeigten Weg vorschlagen möchte, falls der Kurfürst bei ihm Rat in dieser Sache sucht. 364 Ebd., S. 517f. Auch hier ist das ursprüngliche Schreiben Philipps nicht erhalten, wiederum ist Brücks Antwort (Gregor Brück an Philipp, 24. Dezember 1529) heranzuziehen. 365 Ebd., S. 511–513 (Johann an Philipp, 9. Dezember 1529). Die Anfrage Philipps und Johanns Schreiben überschnitten sich. Das Thema Türkenhilfe war in Schmalkalden zur Sprache gekommen und Philipp hatte Johann um eine Stellungnahme gebeten. Da Johann dort mündlich nur vage geantwortet und den Landgrafen auf eine schriftliche Antwort vertröstet hatte, ging dieser offenbar davon aus, dass Johann sich zunächst besprechen wolle. Dies nahm er wohl zum Anlass, sich an die wichtigsten Ratgeber Johanns zu wenden. 366 Vgl. ebd., S. 515–517 (24. Dezember 1529). Auch Luther nährte in seinem Gutachten die Hoffnung, eines eigentlich den Protestanten wohlgesinnten Kaisers. „Und dieweil (wie die schrift sagt) des koniges hertze yn Gottes handen stehtet, ists wohl muglich, das sich des keisers rat durch Gottes gnade seit Anwesenheit der protestierenden Botschaft bei I. Mt. geändert habe und dieser so schwinde nicht fahren werde.“ Ebd., S. 516.
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mißvorstandt haben, anhängt, soll nicht zugelassen werden: dann es ist gleich eins, denn irtumb des sacraments bekennen und sich mit dennselben in Bündnis zu begeben.367
Offensichtlich setzte Johann inzwischen so sehr darauf, beim Kaiser direkt eine positive Klärung zu erzielen, dass er glaubte, nicht nur auf die Städte, sondern auch auf den Hessen verzichten zu können. In Nürnberg, wo die Verhandlungen weitgehend ergebnislos geführt wurden, offenbarten sich zwischen den wenigen verbliebenen Partnern, die bereit waren, die Schwabacher Artikel anzunehmen,368 weitere Differenzen. So forderten die Vertreter Georgs von Brandenburg-Ansbach nicht nur eine Gesandtschaft zum Kaiser und König Ferdinand, sondern sie lehnten nun das in den Schwabacher Artikeln bejahte Widerstandsrecht gegen den Kaiser ab. In den Wochen zuvor hatte es darüber harte Auseinandersetzungen mit Landgraf Philipp gegeben,369 in die Kursachsen nicht involviert war. Zwar hatte Beyer für diesen Fall keinen Befehl, sah sich jedoch gezwungen, in die Diskussion einzugreifen. Obwohl er seine Antwort als persönliche Meinung deklarierte, steht außer Zweifel, dass Beyer hier die offizielle kursächsische Ansicht referierte,370 wenn er erklärte, dass man sich bei einem Angriff des Kaisers durchaus dessen erwehren könne und diesen nicht tatenlos über sich ergehen lassen müsse, denn „ksl. Mt. wer in dem falh nicht ein rechte oberkeit, sonder fur ein vheindt zu achten, wue er die Ff. und ander magistrat, der gewaldt auch von Got were, mit gewaldt zu der papisterey wollte dringen“. 371 Beyer, der schnell merkte, in welchem Gegensatz er sich zu Brandenburg und Nürnberg befand, versuchte sich zurückzuziehen, indem er die Diskussion darüber den Gelehrten anheimstellte. Trotzdem musste er sich in zahlreiche Diskussionen mit Vogler, Brenz und Spengler einlassen. Schließlich wusste er sich nicht mehr zu helfen und ließ Wenzeslaus Link rufen, der jedoch ebenfalls die Ansicht von Spengler und Brenz teilte. Lediglich Osiander zeigte an, dass er anderer Meinung sei und versprach, Beyer dazu ein Gutachten zu erstellen. Nachdem man schließlich am 11. Januar 1530 sowohl den Instruktionsentwurf für eine Gesandtschaft an den Kaiser als auch an den König fertig hatte, reichten die Nürnberger ein Bedenken ein, weshalb sie es für besser hielten, die 367 RTA JR, Bd. 8,1, S. 523–525 (Instruktion Johanns für Christian Beyer, ca. 27. Dezember 1529). 368 Die oberdeutschen Städte hatten auf einem Tag in Biberach am 1. Januar 1530 beschlossen, die Annahme des Schwabacher Bekenntnisses abzulehnen. Lediglich Heilbronn und Reutlingen entschieden sich zur Annahme und erteilten Nürnberg Vollmacht, sie auf dem Dreikönigstreffen zu vertreten. Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 79f. 369 Ausführlich zum Sinneswandel Nürnbergs und Brandenburgs bei VON SCHUBERT, Bekenntnisbildung und Religionspolitik, S. 189–224. 370 Ebd., S. 223. 371 RTA JR, Bd. 8,1, S. 550.
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Gesandtschaften vorerst zurückzuhalten.372 Christian Beyer, sichtlich verärgert über das Nürnberger Verhalten, musste es schließlich geschehen lassen, dass man auseinanderging, ohne irgendetwas beschlossen zu haben.373 Johann reagierte auf die Resultate von Nürnberg umgehend: Am 27. Januar richtete er ein Schreiben an die Wittenberger Theologen und befahl ihnen, sich binnen drei Wochen zum Widerstandsrecht gegen den Kaiser zu äußern. 374 Kurze Zeit später, am 2. Februar 1530 beschloss er auf einer Tagung in Arnstadt, gemeinsam mit den Grafen von Nassau und Neuenahr eine eigene Gesandtschaft an den Kaiser in die Wege zu leiten, um vor dem Augsburger Reichstag unabhängig von den anderen evangelischen Ständen für die kursächsischen Belange zu werben.375 So muss zusammenfassend festgestellt werden, dass 1530, kurz vor dem Augsburger Reichstag, das evangelische Lager zerrissen und gespalten war wie nie zuvor.
6.6. Der Schmalkaldische Bund DER SCHMALKALDISCHE BUND
Daran änderte auch der Augsburger Reichstag nichts. Im Gegenteil, das Fazit, das Johann nach dieser Reichsversammlung ziehen musste, war ernüchternd. Die sich bereits seit Schwabach abzeichnende Trennung von den Zwinglianern war nun endgültig besiegelt, die evangelische Einheit öffentlich sichtbar zerbrochen. Ebenso hatte der Dissens im eigenen Lager einen Höhepunkt erreicht. Die Verbündeten standen Melanchthons Verständigungspolitik mit großem Misstrauen gegenüber, Hessen strebte nach wie vor die Gemeinschaft mit den Zwinglianern an, und Markgraf Georg scherte durch die Annahme des Reichstagsabschieds ebenfalls aus. Die Hoffnungen, die Kursachsen in eine Verständigung mit den Altgläubigen gesetzt hatte, wurden bitter enttäuscht. Einmal mehr
372 Vgl. ebd., S. 555 (Nürnberger Bedenken, warumb nutzer sein mag, die schickung zu ksl. Mt. noch der zeit und zuvor ehe der neher RT erscheynt anzustellen). 373 Ebd., S. 560 (Abschied des Nürnberger Tages, 12. Januar 1530). 374 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1522, sowie Ergänzungen ebd., Bd. 13, S. 120f. Bereits in dieser Anfrage legte man den Wittenberger Theologen nahe, gemäß der bisherigen kursächsischen Linie eine das Widerstandrecht gegen den Kaiser billigende Stellungnahme abzugeben. Wieder war es Gregor Brück, der die Wünsche der Politik an die Theologen herantrug. Trotzdem billigten weder Luther noch Melanchthon in ihren Gutachten ein solches Widerstandsrecht. 375 Vgl. UBGRA, Bd. 1, Nr. 16 (Instruktion Johanns für Hans von Dolzig, betreffend dessen Werbung an die Grafen Wilhelm von Nassau und Wilhelm von Neuenahr, 16. März 1530) sowie RTA JR, Bd. 8,2, S. 623f.
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hatte sich die Unmöglichkeit gezeigt, sich gemeinsam auf eine Reform der Kirche zu einigen. Und doch gaben die gescheiterten Augsburger Religionsverhandlungen den entscheidenden Anstoß zur Gründung des Schmalkaldischen Bundes. Denn mit der Verlagerung der Glaubensfrage zur Landfriedensfrage und der Ablehnung des Kaisers, den Evangelischen als Gegenleistung zur Türkenhilfe den Frieden zuzusichern, hatte sich eine völlig neue Bedrohungslage ergeben. Wohl zu keinem Zeitpunkt seit dem Wormser Reichstag 1521 war man sich so sicher, dass der Kaiser und einige katholische Stände dazu entschlossen waren, das Evangelium mit militärischen Mitteln zu bekämpfen.376 So kam es, dass Landgraf Philipp sofort nachdem ihm bekannt wurde, dass Johann den Reichstagsabschied nicht angenommen hatte und aus Augsburg abgereist war, die Initiative ergriff und sich an ihn wandte.377 Er bat Johann, seinen Sohn in einen grenznahen hessischen Ort zu schicken, um sich über Maßnahmen zur Abwehr der drohenden Gefahren zu verständigen. Ebenso sollte Johann in die Wege leiten, dass sich die Theologen nochmals zusammensetzen, um den Abendmahlsstreit endgültig beizulegen, denn durch die Trennung habe man in Augsburg beim Kaiser und den Katholischen den Eindruck hinterlassen, „unser sach sey so irrig und ungewiß, dos wir unther einander uns selbst nit vergleichen konthen“:378 Bezeichnend ist hier der Umstand, dass Philipp sein Anliegen absicherte, indem er wiederum parallel Johann Friedrich, 379 Gregor Brück 380 und Luther381 schrieb. An diese trug Philipp seine Johann gegenüber allgemein geschilderten Bitten expliziter heran. Der Kurprinz sollte sich beraten und bedenken, wie einem Angriff der Gegner zu begegnen sei.382 Währenddessen bat er Gregor Brück, an seinen Friedenswillen appellierend, die Gelehrten dahin zu bringen, dass der Sakramentsstreit beigelegt werde: „[…] so wendet vleis fur, das euere gelerten auf christliche, leidliche mittel furderlich gedencken und die sach zu einmutigem christlichem verstande khommen lassen.“383 Ebenso sollte Brück sich dafür einsetzen, dass 376 Insbesondere Kurfürst Joachim von Brandenburg tat sich durch kriegerische Reden hervor. 377 FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, Beilage Nr. 1 (Landgraf Philipp an Kurfürst Johann, 2. Oktober 1530). Alle folgende Beilagenhinweise beziehen sich auf die 1. Auflage von 1956. Der 2. Auflage, mit der ich ansonsten gearbeitet habe, wurden andere Quellen beigefügt. 378 Ebd. 379 Ebd., Beilage Nr. 2 (Landgraf Philipp Johann Friedrich, 2. Oktober 1530). 380 Ebd., Beilage Nr. 3 (Landgraf Philipp an Gregor Brück, 2. Oktober 1530). 381 Dieses Schreiben ist verloren. Seine Existenz leitet sich aus dem Antwortbrief Luthers vom 15. Oktober 1530 ab. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1735, S. 651. 382 FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, Beilage Nr. 2. 383 Ebd. Beilage Nr. 3.
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der Augsburger Reichstagsabschied, die Confutatio und die evangelische Apologia in den Druck gelangen. Auch wenn Philipp seine Anliegen in dringlichen Worten darstellte, konnte er Johann nicht mitreißen. Sowohl in Schreiben vom 3. als auch vom 5. Oktober stellte Johann heraus, dass er nicht zu blindem Aktionismus bereit war.384 Man sollte die vom Kaiser eingeräumte Bedenkzeit dagegen nutzen zu beratschlagen, ob und in welchen Punkten man doch entgegenkommen könnte. In Übereinstimmung mit Nürnberg, das Johann auf seiner Rückreise von Augsburg besucht hatte, nahm er nach wie vor eine Verständigungsposition ein.385 Entsprechendes erwartete er auch von Philipp, wenn er schreibt: „[…] ist an e.l. unser freuntlich bit, die wolle die sachen und nottel der beschehenen furslege und negst verlesenen abschiedts uffs eusserst beradtslagen und erwegen lassen, wes wir uns allerseyts und sunderlich der closter und monche halben mit goth und gewissen ferner erbieten mugen oder nit.“386 Lediglich in der Frage zur Beilegung der Abendmahlsstreitigkeiten erklärte Johann, dass ihn eine Übereinkunft der Theologen sehr freuen würde. So zeigte sich die kursächsische Seite, zumindest Philipp gegenüber, entschlossen, alle weiteren Verhandlungen über Bündnis und Verteidigung beiseite zu lassen und einen Konsens mit dem Kaiser zu suchen. Auch auf schärfste Kritik und Warnungen des Landgrafen,387 dass die Katholischen die Verhandlungen nur zum eigenen Zeitgewinn nutzen wollten, um dann umso effektiver gegen die Evangelischen vorgehen zu können,388 reagierte Johann nur ausweichend.389 Wie 384 Ebd., Beilage Nr. 4 (Johann an Philipp, 3. Oktober 1530); Beilage Nr. 5 (Johann an Philipp, 5. Oktober 1530). 385 „So haben wir uns negst in unserm durchzihen zu Nurmbergk mit den losungshern und ezlichen andern des radts daselbst davon untherredt, das sy furderlich durch ire gelerten und prediger, auch andere, den die sachen zuvertrauen, sollten beradtslagen lassen, in welchen stücken wir allerseyts umb fridens willen nochmaln entweichen kunten oder nit.“ Ebd., Beilage Nr. 4. 386 Ebd. 387 Ebd., Beilage Nr. 6 (Landgraf Philipp an Kurfürst Johann, 9. Oktober 1530). „Und wir glauben gentzlich, wan man sich zu Augsburg nit so weich gehalten und zur unterhandlung uf solliche mittel begeben het, es wurde wol eine sollich geschwinder abschidt verplieben sein, und anzweifel durch dieselb weichmutigkeit haben wir solchen abschidt verursacht und sehen derhalben nochmals fur gut an, das wir uns nit weither begeben, sondern am wort hart hielten und bestunden.“ 388 „Dan im selbigen abschidt verleibt, das man uß dem Euangelio und der geschrift unser opinion und des glaubens bekentnus widderlegt und abgelent, dortzu mit gar wolbedachten listen angehengt haben, das wir uns mit inen etlicher artikel verglichen wilchs inen zu irem furtell hoch dinlich. Item di uberigen artickel wollen sie als die langkmutigen tollerirn und solchs zum schein ihres gelimpfs, damit sie ir furtel ja weith such, alßo do es bis auf den Aprill aufgeschoben; mitler zeit konnen sie beim Weyda [Johann Zapolya, D.v.O.B.] und dem Turcken fridden suchen und nach anschickung der selbigen sachen sich dan mit uns desto sicherer zu ernst begeben.“ Ebd. 389 In seinem Antwortschreiben vom 13. Oktober gab Johann vor, gerade seine eingeweihten Räte nicht am Hof zu haben. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 14, fol. 22–23.
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tief das Misstrauen gegenüber Philipp saß, zeigt ein Schreiben des alten Kanzlers Gregor Brück an Johann. Darin verdächtigte er den Landgrafen, auf dem Rücken des Evangeliums seine eigenen politischen Forderungen um die Restitution Ulrichs von Württemberg und im Erbfolgestreit um die Grafschaft Katzenelnbogen durchsetzen zu wollen. Brück mutmaßte, dass Philipp sowieso nicht in einen Friedensschluss mit dem Kaiser und den katholischen Ständen willigen würde, ehe diese nicht befriedigt wären.390 Doch die Ernüchterung nach dem Augsburger Reichstag war zu groß, um einzig auf eine Verhandlungslösung zu setzen. Bereits auf der Rückreise von Augsburg hatte Johann in Nürnberg darauf gedrängt, sich erneut mit der Frage des Widerstandsrechts gegenüber dem Kaiser auseinanderzusetzen. Alle evangelischen Städte sollten ihre theologischen Ratgeber konsultieren, um dann auf einer gemeinsamen Tagung daraus eine gesamtevangelische Stellungnahme zu entwerfen.391 Auch intern erarbeitete man einen Maßnahmenkatalog, wie man sich nach dem ungnädigen Abschied von Augsburg verhalten sollte. Der Inhalt dieses Ratschlags, der von Hans von Dolzig und Gregor Brück erarbeitet wurde, überrascht zunächst, zeigt aber auch deutlich, dass man keineswegs in dem naiven Glauben verharrte, das Ruder durch Verhandlungen mit dem Kaiser noch einmal herumreißen zu können, wie man dem Landgrafen gegenüber vorgab.392 Hans von Dolzig hatte bereits am 30. September 1530 von Augsburg aus ein Gutachten, die militärischen Optionen anbelangend, an den Kurprinzen Johann Friedrich gesandt, 393 Gregor Brück, der dann das Gesamtgutachten mit dem Titel „Ratschlag eines ungefarlichen Bedenckens notturfftiger und verursachter bestellung auff den ungnedigen kay. m. abschied zu Augsburg […], unsern heiligen glauben belangend“ abfasste, steuerte die politischen Überlegungen bei.394 Die Berechtigung zum Widerstand
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Die vielen Korrekturen im Konzept zeigen jedoch, dass man sich diese Antwort nicht leicht gemacht hat. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, Beilage Nr. 7 (Gregor Brück an Johann, 15. Oktober 1530). „[…] dan es sith mich sein schreiben schir dafhur an, das er auch zu eynem fridelichen anstande nit werde willen haben, es bewilligen der keyser und alle stende, das sy das ewangelion hinfurder nit verfolgen wollen; damit villeicht s.f.g. unther dem schein des ewangelii, dieweil er sich eins anhangs vertrostet, Wirtenberg und Nassaw auch mit hinausgefurt mochten werden.“ Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 165. Dieser Anregung Johanns entsprechend, schrieb Nürnberg am 1. Oktober 1530 die Städte Heilbronn, Reutlingen, Windsheim, Weißenburg und Kempten an. Auch Luthers Antwortbrief auf das Schreiben Landgraf Philipps deutet darauf hin, dass man eigentlich zu keinen weiteren Zugeständnissen in der Religionsfrage bereit war, wenn es heißt: „So finde ich auch die unsern (Gott lob) noch also gesinnet, das sie nicht geneigt, viel zu weichen […].“ WA Br, Bd. 5, Nr. 1735, S. 651 (15. Oktober 1530). Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 114f. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 48, fol. 129–143. Das Gutachten ist stark gegliedert und beschäftigt sich in erster Linie mit militärischen Fragen, so beispielsweise, welche
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stillschweigend voraussetzend, wurde im Gutachten vorgeschlagen, zunächst die Landstände über die gefährliche Situation zu unterrichten sowie eine Zusammenkunft aller Konfessionsverwandten einzuberufen, um zu beraten, ob nicht doch ein Präventivschlag in Frage käme. Die Verfasser des Gutachtens sprachen sich am Ende klar dafür aus.395 Daneben wurden im Herbst 1530 verschiedene juristische Gutachten eingeholt, die das Recht auf Gegenwehr theoretisch legitimieren sollten. 396 Allein die Tatsache, dass Johann derartige Gutachten und Ratschläge in Auftrag gab, belegt, dass man noch bevor man Kenntnis vom endgültigen Reichstagsabschied hatte eine militärische Option nicht mehr ausschloss. Als schließlich Graf Albrecht von Mansfeld um den 22. Oktober 1530 mit schlechten Nachrichten in Torgau eintraf, erlangten die getroffenen Vorbereitungen weiteres Gewicht. Der kursächsische Rat war auf eigene Faust aus Augsburg abgereist, als sich abzeichnete, welch bedrohliche Situation sich für die protestantischen Stände aus dem neu formulierten Reichstagsabschied, der schließlich am 19. November 1530 publiziert wurde, ergeben würde. Darin wurde erklärt, dass bis zu einem Konzil im Reich alle religiösen Neuerungen verboten seien und durch verschiedene Maßnahmen die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der früheren Ordnung ermöglicht werden sollte. Gegen Übergriffe jeglicher Art konnte am Reichskammergericht auf die Acht prozessiert werden. Dies bedeutete eine Modifizierung des Landfriedens, die alle Protestanten, Zwinglianer und Anhänger der Confessio Augustana, außerhalb der Reichsfriedensordnung stellte. Von der im Abschiedsentwurf vom 22. September eingeräumten Annahmefrist bis zum 15. April 1531 war nun keine Rede mehr.397 Da im Angesicht der Gefahr Optionen durchgespielt wurden, die man zuvor konsequent abgelehnt hatte, suchten der Kurfürst und seine Räte die theologische Absicherung ihrer Pläne. So bestellten sie Luther, Melanchthon, Jonas und wahrscheinlich Spalatin nach Torgau ein, wo zwischen dem 26. und 28. Oktober über die Frage des Widerstandsrechts gegen den Kaiser beraten wurde.398 Dabei scheint es zu harten Auseinandersetzungen gekommen zu sein, bei denen jedoch schlussendlich die juristisch geschulten Räte des Kurfürsten die Oberhand behielten. So legten die Räte den Wittenberger Theologen einen „zetel“ mit einem Verzeichnis der Fälle vor, in denen dem positiven Recht nach die Ausübung des
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Personen als Hauptleute zu gebrauchen wären, welche Schlösser im Fall des Falles genutzt werden könnten etc. Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 166. Das Gutachten wurde am 23. Oktober 1530 durch Brück bei Johann Friedrich eingereicht, also noch bevor man Kenntnis von der Verschärfung des Reichstagsabschieds hatte. Vgl. ebd., S. 166f. Vgl. RTA JR, Bd. 10,1, S. 87. Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 175, Anm. 16.
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Widerstands gestattet war. Luther erarbeitete daraufhin eine Erklärung, in der er zwar nach wie vor auf die Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem Kaiser aus theologischer Sicht verwies, jedoch Rechtsbestimmungen, die ein Widerstandsrecht erlauben, anerkannte. Trotz Druckes war es den kursächsischen Räten zwar nicht gelungen, eine theologische Sanktionierung des Widerstandsrechts zu erreichen, Luther gestand ihnen jedoch die Kompetenz in dieser Frage zu.399 Damit war der Weg frei, um erneut in Bündnisverhandlungen eintreten zu können, zu denen Johann inzwischen von Philipp wiederum aufgefordert worden war.400 Das Verhalten des Kaisers, der insbesondere mit der eigenmächtig betriebenen Königswahl seines Bruders Ferdinand das sächsisch-kurfürstliche Selbstverständnis stark verletzt hatte, veranlasste Johann schließlich zu unverzüglichem Handeln.401 Bereits am 27. Oktober verließ ein erstes Schreiben an die Nürnberger Losunger die Torgauer Kanzlei. Wohl wissend, dass sich Nürnberg als Reichsstadt schwer mit dem Gedanken tat, Widerstand gegen den Kaiser zu leisten, wollte Johann jedes Missverständnis vermeiden und brachte in dem Schreiben die beschlossene kursächsische Linie in dieser Frage unumwoben zur Sprache: Und wiewol wir uns erynnern, das vor ainem jar allerlay ratschleg bescheen und gestalt, was sich mit got und gewissen der gegen und notwehr halben fugen und die oberkait von wegen irer undertanen schuldig sein sollten oder nit, so haben wir auf den abschid, den wir negst mit euch und etlichen andern des rats zu Nurmbergk genomen, die selbig sachen mit bericht aller umbstende, […] durch etliche unsere wegerste gelarten und andere verstendigen beratschlagen lassen, daraus wir gleichwol befinden, das wir und andere oberkaiten, wo es nach dem willen des Almechtigen dahin geraichen solt, […] die not und gegenwehr zu thun verpflicht und uns allerseits fugen und geburen wolle.402
Es folgten Schreiben nach Hessen,403 Lüneburg404 und Brandenburg-Ansbach.405 Während man die Städte für den 13. November nach Nürnberg einlud, wurde ein weiterer Verhandlungstag für den 28. November nach Schmalkalden einberufen. Dort sollten die Fürsten in eigener Person zur Beschlussfassung erscheinen.
399 Ausführlich dazu ebd., S. 173–180. 400 Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 119 (Philipp an Johann, 20. Oktober 1530). 401 Vgl. Gabriele HAUG-MORITZ, Zwischen Kooperation und Konfrontation – Der Schmalkaldische Bund und seine Führungsmächte, in: Der Schmalkaldische Bund und die Stadt Schmalkalden, Schmalkalden 1996, S. 89–99, hier S. 90. 402 FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, Beilage Nr. 8 (Johann an Hieronymus Ebner und Christoph Tetzel, 27. Oktober 1530). 403 Vgl. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 14, fol. 46r–47v (28. Oktober 1530). 404 Vgl. ebd., fol. 48r–49v (28. Oktober 1530). 405 Vgl. ebd., fol. 51r–52r (29. Oktober 1530).
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Vor allem die Nürnberger zeigten sich überrascht bezüglich der weitgehenden Absichten Johanns. Zwar hatte man ihn mehrmals darum gebeten, ein Treffen in Nürnberg einzuberufen, jedoch stets mit der Absicht, dort über Vermittlungsverhandlungen mit dem Kaiser zu reden.406 Das klare Ja Kursachsens zum Widerstandsrecht gegen den Kaiser und das Verlangen, auch die Bekenner der Tetrapolitana einzuladen, gingen ihnen wohl zu weit, sodass sie den Tag zu Nürnberg aufgrund seiner Kurzfristigkeit zunächst absagten. Ebenso wurde der Tag zu Schmalkalden nochmals verschoben, nämlich auf den 22. Dezember 1530.407 In Schmalkalden nun sollten die Weichen für ein neues Bündnis gestellt werden, denn Johann hatte nicht nur die protestations- und appellationsverwandten Stände samt den Städten, die den Augsburger Reichstagsabschied nicht angenommen hatten, eingeladen, sondern auch die Mitglieder des Magdeburger Bundes.408 Nachdem man die zeitlich drängende Frage danach, wie man sich zur Wahl Ferdinands zum deutschen König stellen sollte, behandelt hatte, trat man in die Verhandlungen über ein christliches Verständnis ein. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde klar, dass sowohl Brandenburg-Ansbach als auch Nürnberg nicht bereit waren, einem Bündnis beizutreten, da sie den Verzicht auf die übliche Ausnehmung des Kaisers theologisch und rechtlich für unzulässig hielten. Alle restlichen Teilnehmer einigten sich schnell auf einen Bündnisentwurf der Fürsten, dem sofort zugestimmt oder innerhalb von sechs Wochen zu- oder abgeschrieben werden konnte.
406 Ebd., fol. 37r (Schreiben Nürnbergs an Johann, 21. Oktober 1530). Kurze Zeit später sandte Nürnberg Michel von Kaden in dieser Angelegenheit nach Torgau. Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, Beilage 9 (Instruktion für Hans von Minkwitz zu der am 13. November 1530 in Nürnberg angesetzten Tagung). Darin wird Bezug auf den Besuch von Kadens in Torgau genommen. 407 Dieser Termin wurde von Kursachsen mehrmals verschoben. Zunächst sagte man mit der Begründung, man wolle erst das Ende des Reichstags in Augsburg abwarten, den geplanten 28. November ab. Als neuer Termin wurde der 25. Januar 1531 vorgeschlagen. Als jedoch am 27. November die Einladung Karls V. zur Königswahl in Köln eintraf, verlegte Johann den Tag nochmals, diesmal auf den 22. Dezember, um sich über die eine Woche später geplante Königswahl abstimmen zu können. Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 138–142. 408 Johann wurde von den Räten Gregor Brück, Hans von der Planitz, Albrecht von Mansfeld und dem Kanzler Christian Beyer begleitet. Die sonst mit diesen Angelegenheiten betrauten Räte Hans von Dolzig, Hans von Minkwitz, Christoph von Taubenheim und Christoph Groß hielten sich zeitgleich mit Kurprinz Johann Friedrich in Köln auf, um gegen die Wahl Ferdinands zum römischen König zu protestieren. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 76.
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So hatte es kurz den Anschein, als könnte nun ein Bündnis zustande kommen, ohne dass die leidige Frage nach dem Bekenntnis nochmals aufs Tapet gebracht werden müsste. Die Forschungen von Gabriele Haug-Moritz belegen jedoch, dass Johann und seine Räte auch in Schmalkalden das Ziel hatten, eine Bekenntnisgemeinschaft auf der Basis der sächsischen Konfession zu formen.409 So hat sich im Weimarer Hauptstaatsarchiv eine Urkunde erhalten, die wohl als Abschlussdokument zu den Bündnisberatungen vorgesehen war und alle Abreden in rechtsverbindlicher Form dokumentieren sollte. In eben dieser Urkunde kommt zum Ausdruck, dass insbesondere bei der Gewinnung neuer Bündnispartner die Prämisse gelten sollte, „sich mit unns unnser schriftlich gestolten bekantnus des glaubens und der lehre [zu] vergleichen“.410 Danach wurde detailliert aufgelistet, wer Verhandlungen mit welchen Ständen aufzunehmen hatte. Auch die Verhandlungsrichtlinien Kursachsens sahen als wichtigsten Punkt vor, die Bekenntniseinheit in Schmalkalden anzustreben. 411 Hatte der Reichstag in Augsburg die Trennung und Uneinigkeit der Evangelischen offenbart, so wollte Johann den geplanten Bündnisabschluss dazu nutzen, um der „gantzen welt die ainigkeit (zu) offenbaren“.412 Nachdem man ein Jahr zuvor die Städte an gleicher Stelle vor den Kopf gestoßen hatte, war Johann offenbar zuversichtlich, dass deren Einverständnis, überhaupt wieder in Verhandlungen einzutreten und erneut nach Schmalkalden zu kommen, auch deren Bereitschaft bedeutete, das kursächsische Abendmahlsverständnis als verbindlich anzunehmen. Als Jakob Sturm, durch Hans von der Planitz dazu befragt, zu verstehen gab, dass sich seit Augsburg in den Ansichten zum Abendmahl nichts verändert hätte und auf die Tetrapolitana verwies,413 musste sich Johann entscheiden, ob er entweder die Bekenntnisfrage offenlassen und damit der Bündnisfrage nachordnen oder, wie in den vergangenen zwei Jahren, das Bekenntnis über das Bündnis stellen wollte. 414 Eine 409 Zur Begrifflichkeit „Bekenntnisgemeinschaft“ vgl. Gabriele HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, 1530–1541/42, Leinfelden-Echterdingen 2002, S. 98f. 410 HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 133f. Mit dem Beleg, dass es Kurfürst Johann und seine Räte waren, die nach der Bekenntniseinheit strebten, widerlegt HaugMoritz die von Ekkehart Fabian vertretene These, dass es der Ansbachsche Kanzler Georg Vogler gewesen sei, der noch nach dem Ausscheiden aus den Bündnisverhandlungen auf die Bekenntnisfrage gedrungen habe. Aber auch Fabian musste bereits einräumen, dass die Frage nach der Motivation Voglers sich nur schwerlich beantworten lässt. Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 159f. 411 Vgl. HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 135. 412 Ebd., S. 100. 413 „[…] fritag am morgen beruft uns Planitz; hielt uns im bisin Brandenburg und Nurmberg für des sacraments halber, wes wir uns zu Augsburg vernemen lossen; gaben wiür antwort und stölten den Brandenburgischen den artikel unser confession zu.“ FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 160. 414 HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 136.
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Entscheidung für den zweiten Punkt hätte ohne Zweifel ein erneutes Scheitern der bereits so weit gediehenen Bündnisverhandlungen nach sich gezogen. In Anbetracht des Ausgangs des Augsburger Reichstages und des sich zuspitzenden Konflikts mit dem Hause Habsburg in der Frage der Königswahl, ließ er es diesmal jedoch nicht soweit kommen.415 Wie der Abschied vom 31. Dezember 1530 ausweist, hatte man von ainer cristlichen verstentnus zur gegenwär und rettung gewaltigs uberzugs gehandelt und ein notel gestellt, wölliche von den churfursten, fursten, graffen und den baiden stetten Maidenburg und Bremen alsbald bewilligt und angenomen, darin aber etlich der gemelten stett ir zu- oder abschreiben thun söllen, […], nemblich in sechs wochen den nechsten nach dato diss receß dem churfursten zu Sachsen.416
Als die Sechswochenfrist am 11. Februar 1531 abgelaufen war, hatten sich bis auf Kempten und Heilbronn alle oberländischen Städte für das Bündnis entschieden. So siegelten insgesamt 17 Mitglieder417 den auf den 27. Februar 1531 datierten und von der kursächsischen Kanzlei ausgestellten ersten Schmalkaldischen Bundesvertrag.418 Insgesamt erlahmten nach den Beschlüssen von Schmalkalden die kursächsischen Aktivitäten. So verzögerte Johann aus unklaren Gründen die Gesandtschaft an Brandenburg-Ansbach und Nürnberg, um diese doch noch zum Beitritt
415 Ebd. 416 Der Abschied ist gedruckt in: Ekkehart FABIAN, Die Schmalkaldischen Bundesabschiede 1530–1532, Tübingen 1958, S. 11–23, hier S. 12. Der Abschied wurde vom Ansbachschen Kanzler Georg Vogler entworfen, was als klares Indiz dafür gelten kann, dass man große Hoffnungen hegte, Markgraf Georg doch noch für das Bündnis gewinnen zu können, wie es dann auch im Abschied festgeschrieben wurde. Nachdem klar wurde, dass die Bestrebungen Kursachsens nach Bekenntniseinheit nicht umsetzbar sein würden, nahm Gregor Brück noch einige Änderungen am Voglerschen Abschiedsentwurf vor. Diese beziehen sich insbesondere auf den Abschnitt über die Gewinnung weiterer Bündnispartner, dessen Eigenart von rechtlich verbindlich in sondierend-unverbindlich geändert wurde. Vgl. HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 136f. 417 Die Gründungsmitglieder waren: Kurfürst Johann von Sachsen, Herzog Ernst von Braunschweig-Lüneburg-Celle, Herzog Philipp von Braunschweig-Lüneburg-Grubenhagen, Landgraf Philipp von Hessen, Fürst Wolfgang von Anhalt, Grafen Albrecht und Gebhard von Mansfeld, Magdeburg, Bremen, Straßburg, Konstanz, Ulm, Reutlingen, Memmingen, Lindau, Biberach und Isny. 418 Der Vertrag ist gedruckt in: FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, Quelle 1. Die Besiegelung durch die einzelnen Mitglieder erfolgte erst nach und nach. Der 27. Februar ist wohl das Datum, an dem Johann von der endgültigen Absage Brandenburg-Ansbachs und Nürnbergs zum Beitritt erfuhr und dementsprechend die Beurkundung anweisen ließ. Vgl. ebd., S. 177f.
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zu überreden.419 Ebenso scheint man keine Sondierungsgespräche mit möglichen Beitrittskandidaten geführt zu haben.420 Wiederum erst auf Drängen Landgraf Philipps entschloss sich Johann am 21. Februar 1531, einen zweiten Bundestag für Ende März 1531 nach Schmalkalden auszuschreiben, um dort über die weitere Ausgestaltung des Bündnisses zu beraten.421 Denn mit dem Bundesvertrag vom 27. Februar 1531 besaß der Schmalkaldische Bund zwar einen äußeren Rahmen und seine förmliche Entstehung konnte damit als abgeschlossen gelten, doch seine innere Ausgestaltung und Festigung stand noch ganz am Anfang. Für Kurfürst Johann war die Tagung in Schmalkalden im Dezember 1530 das einzige und letzte Treffen der Bündner, an dem er persönlich teilnahm. Danach vertraten ihn stets Herzog Johann Friedrich und seine Räte. Auch wenn der Kurprinz vor allem in der Anfangszeit streng an die Instruktionen Johanns gebunden war, so ist doch der Schmalkaldener Bund viel stärker mit seiner Person verknüpft als mit der seines Vaters.422 Dennoch muss bis mindestens zum Ende des Jahres 1531 die kursächsische Politik als die Johanns und nicht Johann Friedrichs angesehen werden. Insofern verwundert es nicht, dass das Thema eines einheitlichen Bekenntnisses, um das Johann stets gerungen hatte, noch nicht endgültig erledigt war. Aus dem „Verzeichnis der Handlung zu Schmalkalden“ 423 geht hervor, dass Johann Friedrich direkt nach seiner Ankunft am Dienstag, dem 28. März, ein Treffen zwischen ihm, Herzog Ernst von Lüneburg und Landgraf Philipp mit den beiden Städten Magdeburg und Bremen arrangierte, „zuvor und eher sie die oberlandischenn Stete und die vonn Lübeck erfordertenn, sich des artigkels halbenn das heilig hochwirdig sacrament belangende zu unterreden, welchs also geschehn und auf volgenden dornstagk aufm Rathaus zusamen kommen“. 424 Offenbar glaubte man, sich gegenüber den Glaubensgenossen erklären zu müssen, weshalb man nun doch mit der Aufnahme der oberländischen Städte einverstanden war, nachdem man sich zuvor stets an der abweichenden Sakramentslehre gestoßen hatte. So teilte Hans von Minkwitz auf 419 FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 168f. und HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 138, Anm. 82, begründen die mehr als einmonatige Verzögerung unterschiedlich, wobei Haug-Moritz einräumt, dass man nur spekulieren kann. 420 Vgl. HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 137, Anm. 73. Informell stand Christian Beyer mit seinem Schwager Jacob Grappe in Lübeck über das vereinbarte Bündnis in Kontakt, die Verhandlungen führten jedoch Philipp von Hessen und Ernst von Braunschweig-Lüneburg. Ebd., S. 139, Anm. 89. 421 Das Ausschreiben ist gedruckt in: Ekkehart FABIAN, Die Beschlüsse der oberdeutschen Schmalkaldischen Städtetage, Teil 1: 1530/31, Tübingen 1959, S. 123f. 422 Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 81. 423 LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 48, fol. 73–79. 424 Ebd., fol. 73r.
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erwähnter Sitzung den Anwesenden mit, „weil aber doctor butzer mitlerzeit bei doctor martino luther gewest auch etzlich brief an Inn unnd philippo melanchton geschriebenn, darinnen ehe seib anzaigt, das sie sich mit diesen tayl des obgemelten Irtumbs [der Sakramentslehre] halben, vast verglichen“, wäre man nun der Ansicht, durchaus mit den oberländischen Städten verhandeln zu können.425 Es blieb jedoch die Frage offen, wie man sich zu den Schweizer Städten Bern, Zürich und Basel stellen sollte. Im Dezember 1530 hatte Kursachsen die Aufnahme von Verhandlungen mit diesen zwar befürwortet, allerdings unter der Bedingung, dass sich die Schweizer ebenfalls zur Confessio Augustana oder zur Tetrapolitana bekannten. 426 In Schmalkalden setzten sich die oberländischen Städte für deren Aufnahme in den Bund ein. Allerdings sahen sich die eidgenössischen Städte, mit denen Straßburg im Auftrag der Fürsten Verhandlungen geführt hatte, darin beschwert, dass sie „des hochwirdigen sacraments halben ir bekentnis anzaigen sollten“ und hielten es für ausreichend, sich ganz allgemein zum evangelischen Glauben zu bekennen.427 Auch diesmal verfingen die zuvor von Landgraf Philipp schon häufig vorgebrachten Argumente zur finanziellen und militärischen Potenz der Schweizer bei Kursachsen nicht. Über die mit der Aufnahme Straßburgs und seiner konfessionsverwandten Städte zugestandenen Kompromisslinie hinaus wollte man sich nicht bewegen.428 Auch auf der Frankfurter Versammlung zwischen dem 5. und 11. Juni 1531 wurde das Thema nochmals virulent. Die oberländischen Städte blockierten mit hessischem Einverständnis das weitere Voranschreiten einer in erster Linie von Kursachsen forcierten Verfassungsgebung, indem sie ihre Zustimmung zum sächsischen Verfassungsentwurf von der Aufnahme der eidgenössischen Städte abhängig machten. Johann reagierte darauf, indem er versuchte, die nach der Niederlage der evangelischen Eidgenossen in Kappel am 11. Oktober 1531 stark geschwächten evangelischen Reichsstädte 429 von den Verhandlungen weitgehend auszuschließen. So erging die Einladung für den am 6. Dezember 1531 stattfindenden Bundestag in Nordhausen nicht an die oberdeutschen Städte. Dort sollten die Verhandlungen zur Bundesverfassung soweit vorangetrieben werden, dass man sie kurze Zeit später den Städten in Frankfurt nur noch zum 425 426 427 428
Ebd., fol. 73v. Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 165f. LATh-HStA Weimar, Reg. H, Nr. 48, fol. 76r. Im Bundesvertrag heißt es deshalb, anders als im hessischen Burgrechtsvertrag mit den Schweizer Städten, der als Muster diente, „unser hailig glauben“. Mit unserem Glauben ist jedoch nicht die Auslegung Zwinglis gemeint. Vgl. HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 101. 429 Bei der Schlacht von Kappel handelte es sich um eine Auseinandersetzung zwischen den evangelischen und katholischen eidgenössischen Orten. Der Sieg der fünf katholischen Orte gegen Zürich in Kappel ließ den Plan Zwinglis scheitern, die gesamte Eidgenossenschaft der Reformation zuzuführen.
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Beschluss vorzulegen gedachte. 430 Dieser Plan scheiterte jedoch. Stattdessen folgten noch zahlreiche weitere Treffen der Bündner, bis man schließlich vier Jahre später, im Dezember 1535, zum endgültigen Abschied einer Bundesverfassung kam.431 Mit den sich verdichtenden Nachrichten eines bevorstehenden Reichstages rückten auch andere Fragen in den Fokus der Bundesgenossen.432 So einigte man sich nicht nur über die Beschickung des Reichstages, sondern beschloss auch Richtlinien für die Erstellung von aufeinander abgestimmten Reichstagsinstruktionen, um dadurch dem Kaiser und den Reichständen die Geschlossenheit der protestantischen Gruppe vor Augen zu führen.433 Daneben versuchte Johann, in Vergleichsverhandlungen mit dem Kaiser zu einem friedlichen Einvernehmen zu kommen.434 Insbesondere zwischen Oktober 1531 und Februar 1532 wurden in „exklusiver mainzisch-sächsischer Kooperation“ sowohl die Inhalte der künftigen Verhandlungen besprochen und die eigenen Positionen abgesteckt als auch festgelegt, dass die Religionsverhandlungen getrennt von den Reichstagsverhandlungen geführt werden sollten. 435 Hessen informierte man erst, als alle Weichen gestellt waren. Eine Auseinandersetzung mit der ablehnenden Haltung des Landgrafen zu Vergleichsverhandlungen hatte man damit geschickt umgangen. Da die ungeschriebenen Gesetze politischen Handelns besagten, dass sich derjenige ins Unrecht setzt, der 430 Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, S. 233. 431 Die erste Schmalkaldische Bundesverfassung vom 23. Dezember 1535 ist gedruckt in: ebd., Quelle 2, S. 357–376. 432 Vgl. RTA JR, Bd. 10,1, S. 213f. Ausschreiben des Reichstags für den 14. September 1531 nach Speyer, ebd., S. 242–244, Prorogation und Verlegung des Reichstags durch Karl V. von Speyer nach Regenburg auf den 6. Januar 1532. Schließlich wurde der Reichtag am 17. April 1532 in Regensburg eröffnet. 433 Vgl. ebd., S. 111f., S. 246–250 (Gutachten evangelischer Räte über die Beschickung des Reichstages in Regensburg). Schließlich wurde auch ein gemeinsamer Kredenzbrief Johanns, Philipps von Hessen und Ernst von Braunschweig für den Reichstag in Regensburg erstellt. Ebd., S. 292f. 434 Erst nach langem Zögern und massivem Druck seines Bruders Ferdinand hatte sich Karl V. dazu entschlossen, das Vermittlungsangebot der Kurfürsten Albrecht von Mainz und Ludwig von der Pfalz anzunehmen und durch diese Kontakt zu den Protestanten herzustellen. Auf einem Treffen am 30. August/1. September 1531 in Schmalkalden legten die Mainzer und Pfälzer Gesandten den Vertretern von Kursachsen, Hessen, Magdeburg, Straßburg, Ulm und Nürnberg ihre Vermittlungsvorschläge vor. Diese wurden durch Kursachsen und Hessen Anfang Oktober 1531 übereinstimmend abgelehnt. Danach änderte sich die Vorgehensweise und die Verhandlungen wurden nur noch mit Kursachsen geführt. Die Verhandlungen im Namen Johanns führte zumeist Gregor Brück. Vgl. ebd., S. 103–106, 110–114. 435 HAUG-MORITZ, Zwischen Kooperation und Konfrontation, S. 93.
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nicht gesprächsbereit ist, blieb Hessen nichts anderes übrig, als die von Kursachsen ausgehandelten Vorbedingungen als Gemeinschaftsbeschluss darzustellen.436 Als Ergebnis schrieb Johann für weitere Ausgleichsgespräche eine Tagung auf den 30. März 1532 in Schweinfurt aus, an der alle protestantischen Fürsten und Städte teilnehmen sollten.437 Es war das erste Mal, dass die Mehrheit der Evangelischen als Bündnispartner agierte. Ebenso sollte die Zusammenkunft genutzt werden, um erneut über die Bundesverfassung zu verhandeln. In Vertretung des bereits schwer erkrankten Johann reiste Kurprinz Johann Friedrich nach Schweinfurt, 438 wo ihm und den anderen Evangelischen am 1. April 1532 die vom Kaiser gebilligten Vermittlungsvorschläge vorgelegt wurden.439 Dort betrieb Johann Friedrich sofort, was Gregor Brück in den Vorverhandlungen nicht hatte erreichen können: die Anerkennung der Wahl Ferdinands zum römischen König nicht mit der Religionsfrage zu verquicken. Schließlich musste Karl V. auf diese Forderung Johann Friedrichs eingehen.440 Nach der Übergabe der Vermittlungsvorschläge traten die Evangelischen in Beratungen ein. Von Beginn an zeigten sich auch untereinander große Unstimmigkeiten,441 doch das gemeinsame Ziel, unter dem einenden Dach der Confessio zu einem allgemeinen Friedensschluss zu kommen, bewirkte immerhin, dass die internen Probleme nicht nach außen drangen. Am 9. April 1532 übergaben die Evangelischen ihre Gegenvorschläge, die darauf hinausliefen, dass sie eine vollständige rechtliche Gleichstellung mit den Altgläubigen verlangten und eine Legalisierung der weiteren Ausbreitung der Reformation im Reich anstrebten.442 Daraufhin legten die Unterhändler einen ersten Vertragsentwurf vor, 443 der von 436 Vgl. ebd., S. 94. 437 RTA JR, Bd. 10,3, S. 1183–1186. 438 Eine ausführliche Übersicht über die Kosten des gut einmonatigen Aufenthalts Johann Friedrichs in Schweinfurt gibt sein Reisebuch. Als wichtigste Räte begleiteten ihn Hans von Minkwitz, Hans von Dolzig, Gregor Brück, Anarg von Wildenfels und, als einziger Theologe, Georg Spalatin. Vgl. ebd., S. 1119–1136. 439 Ebd., S. 1262–1264. 440 Vgl. ebd., S. 190–195. Die Frage nach der Wahlopposition war für Kursachsen von äußerster Bedeutung. Von Anfang an stand eine Approbation der Wahl gegen die Gewährung eines Religionsfriedens nicht zur Diskussion. Kurfürst Johann beabsichtigte sogar, das im Oktober 1531 in Saalfeld geschlossene Bündnis der Wahlgegner, dem auch die bayrischen Herzöge angehörten, in Schweinfurt weiter zu beraten und eventuell durch England und Frankreich zu erweitern. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. 441 Vgl. zur Weigerung Hessens, mit Brandenburg-Ansbach und Nürnberg im Plenum zu beraten und damit die Gründung von drei Unterausschüssen zu erzwingen ebd., S. 1264 (Landgraf Philipp an Dr. Johann Feige, 2. April 1532) sowie ebd., S. 1321 (Landgraf Philipp an Johann Feige, 28. April 1532). 442 RTA JR, Bd. 10,3, S. 1269–1277. 443 Ebd., S. 1283–1288 (11. April 1532).
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den Evangelischen ebenfalls mit einem Vertragsentwurf beantwortet wurde.444 Danach gerieten die Verhandlungen ins Stocken, die kaiserlichen Vermittler waren zu einem weiteren Entgegenkommen nicht bevollmächtigt und innerhalb des protestantischen Lagers herrschte ebenfalls Uneinigkeit darüber, wie man weiter vorgehen sollte.445 Deshalb bat Johann Friedrich am 1. Mai 1532 die kaiserlichen Vermittler um einen Abschied und damit um die Beendigung der Tagung.446 Bevor man jedoch auseinander ging, wurden nochmals Änderungsund Gegenvorschläge für einen Vertragsentwurf ausgetauscht, ehe man sich auf den 3. Juni 1532 vertagte.447 In dem Schreiben, in welchem Johann Friedrich dem Vater seine baldige Rückkehr ankündigte, äußerte er sich verhalten optimistisch, in der Religionsfrage zu einer Einigung zu gelangen.448 Johann solle bereits die Wittenberger Theologen nach Torgau befehlen, dass diese sich anhand der Akten ein Urteil bilden und Richtlinien für den weiteren Fortgang der Verhandlungen aufstellen können.449 Schon in Schweinfurt hatte es innerhalb der kursächsischen Delegation unterschiedliche Auffassungen zum Einschluss zukünftiger Anhänger des Evangeliums in einen Friedensvertrag gegeben. Während Herzog Johann Friedrich und Gregor Brück dafür eintraten, dass die vereinbarten Vergünstigungen auch für alle künftigen Anhänger des Evangeliums gelten müssten, war Spalatin der Ansicht, dass es unverantwortlich sei, jetzt ein Friedensangebot zugunsten künftiger Anhänger auszuschlagen. 450 Die Gutachten der Wittenberger Theologen bestärken nicht nur die Ansicht Spalatins, Luther sprach sich in einem Gutachten
444 Ebd., S. 1299–1314 (17. April 1532). 445 Brandenburg-Ansbach und Nürnberg liebäugelten sogar mit der Option, sollte es zu keinem allgemeinen Friedensschluss kommen, über einen Sonderfrieden für sich zu verhandeln. Vgl. ebd., S. 1296–1299 (Bürgermeister und Rat von Nürnberg an Bernhard Baumgartner und Leo Schürstab, 16. April 1532), Anm. 6 zur Reaktion Ansbachs auf den Nürnberger Vorstoß. 446 Ebd., S. 1323. 447 Vgl. ebd., S. 1340–1352. Die Änderungsvorschläge der kaiserlichen Vermittler vom 6. Mai und die Gegenvorschläge der Protestanten vom 7. Mai sind zum Vergleich nebeneinander abgedruckt. 448 Zweifelsohne hatte es der kursächsische Vorschlag, die Verhandlungen zur Religionsfrage vom parallel in Regensburg stattfindenden Reichstag abzutrennen, was mit dem Ausschluss der nicht kompromissbereiten Stände und päpstlichen Vertreter einherging, überhaupt erst möglich gemacht, die Standpunkte so weit anzunähern, dass es Grund zu Optimismus gab. 449 Ebd., S. 1339 (Johann Friedrich an Johann, 7. Mai 1532); MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 139, Nr. 24. Am 9. Mai brach der Kurprinz in Schweinfurt auf. 450 Vgl. HÖSS, Georg Spalatin, S. 358f.
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vom 6. Mai sogar für die nahezu uneingeschränkte Bewilligung der Vermittlervorschläge aus.451 So abgesichert billigte auch Kurfürst Johann die Vorschläge. In dem Wissen, dass ein so weitgehendes Entgegenkommen bei den anderen Protestanten keinen Anklang finden würde, brachen Johann Friedrich und Gregor Brück zu der für den 3. Juni in Nürnberg angesetzten Verhandlungsrunde auf. In der Tat waren viele der Religionsverwandten überrascht und entsetzt über Luthers Ratschläge. 452 Wie nicht anders zu erwarten, wehrten sich vor allem Hessen und Lüneburg am heftigsten gegen die Annahme des inzwischen vom Kaiser gebilligten Vertragsentwurfs vom 6. Mai. 453 Aber auch BrandenburgAnsbach und Nürnberg sprachen sich gegen eine Versöhnungspolitik um jeden Preis aus.454 Am 7. Juni wurden schließlich die Verhandlungen mit den kaiserlichen Vermittlern wieder aufgenommen, doch je länger man sich um einzelne Punkte und Formulierungen stritt, desto unwahrscheinlicher wurde ein Kompromiss. Johann Friedrich teilte seinem Vater bereits am 15. Juni mit, dass sich die Verhandlungen noch schwieriger als in Schweinfurt gestalteten und man vermutlich zu keinem Ergebnis kommen werde.455 Ende Juni erkannten auch die Vermittler, dass eine weitere Diskussion um die Schweinfurter Vorschläge nicht mehr zielführend war. Also einigte man sich darauf, diese endgültig zu verwerfen und erarbeitete stattdessen eine allgemein gehaltene Erklärung, die schließlich 451 Vgl. WA Br, Bd. 6, Nr. 1933, S. 307–311. 452 „Ferrer so will auch eurer Gn. ich nit verhalten, das sich vermuge des negsten schweinfurdischen abeschied unsere der sachen vorwandte, wes uff der baider churfursten furgeschlagene mittel alhie in ferrer handelung zu thun oder zu lassen sein solt, mit radtschlegen verfast gemacht, welche alle alhie seind zusamengetragen worden, die dann einander gancz widerwertig und nit uberainstimen. Dan alle und vhast der mherertail seind des vermugens, das dasjhenige, so Dr. Martinus und die andern gelerten zu Wittembergk in irem radtschlag und bedencken zugelassen, mit Got und gewissen nit bewilliget noch angenomen muge werden.“ RTA JR, Bd. 10,3, S. 1439–1442 (Johann Friedrich an Johann, 9. Juni 1532). 453 Landgraf Philipp vermutete sogar, dass Luther bewusst fehlinformiert wurde und auf diese Weise sein Gutachten zustande gekommen sei. „Dan wir konten wol abenemen, waruf Luthers meynung im selbigen rathschlag gefolgt, nemlich das man den Luther eingebildet und vorgemalet hat, als stehe unser gemut dahin, das wir meher zu krieg, ufrur und blutvergeißen dan zum vertrage und fridden lust hetten.“ Ebd., S. 1401f. (Philipp an Siegmund von Boyneburg und Dr. Johann Walter, 4. Juni 1532). Wie bereits in Schweinfurt hatten die hessischen Gesandten auch in Nürnberg keine Vollmacht, sich auf einen Friedensschluss einzulassen. Vgl. ebd., S. 1402 (Johann Friedrich an Johann, 4. Juni 1532); RTA JR, Bd. 10,2, S. 930 (Johann an Johann Friedrich, 11. Juni 1532). 454 „Und wiewol E. Gn. mir negst doctor Martinus und des probstes zu Wittemberg [Justus Jonas] ferner bedenken berurter vorigen kais. Mt. artickel halben uberschickt, die es dafur angesehen, als sollten dieselbigen artickel zu bewilligen gewest sein, so hat doch kein gesandter der mitverwanten und weder die marggrevischen, noch die von Nurmberg, ap sie wol auch sere gelinde in dieser handlung sein, dieselbigen artickel dafur mugen ansehen, das sie ane verletzung gotlicher glori anzunemen gewest weren.“ MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 142, Nr. 27 (Johann Friedrich an Johann, 9. Juli 1532). 455 RTA JR, Bd. 10,3, S. 1465.
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beide Seiten akzeptierten.456 Im sogenannten Nürnberger Anstand nahm man keinen Bezug mehr auf den ursprünglichen Entwurf eines Friedensvertrags, der das Zusammenleben der Konfessionsparteien durch genau formulierte Einzelbestimmungen gesetzlich bis zu einem Konzil geregelt hätte, sondern vereinbarte lediglich einen allgemeinen Landfrieden und die Einstellung aller Religionsprozesse.457 Die wenig euphorische Mitteilung Johann Friedrichs an seinen Vater über die Einigung weist darauf hin,458 dass man sich dessen bewusst war, nur einen äußerst wackligen Minimalkonsens gefunden zu haben.459 Dennoch konnte dieser Friedensschluss, der zwar ohne Kurfürst Johanns Zutun zustande gekommen war, ihm in seinen letzten Lebenstagen eine Genugtuung sein. Seine und die Ansicht der Wittenberger Theologen, die historische Chance zum Friedensschluss mit dem Kaiser zu nutzen, ohne die Königswahl Ferdinands anerkennen zu müssen, hatte sich durchgesetzt. Dass man im Gegenzug die geforderte Türkenhilfe leistete, schien dabei nur allzu selbstverständlich.460 Auch wenn wir an dieser Stelle nur einen kurzen Einblick in die Gründungsund Konsolidierungsphase des Schmalkaldischen Bundes nehmen konnten, so lässt sich doch sagen, dass sich Kursachsen durch das Bündnis als wirkmächtige Handlungsgemeinschaft zahlreiche Chancen eröffneten. Vor allem Johann Friedrich konnte durch seine Stellung als Kurfürst und Landesherr von Martin Luther diese voll ausschöpfen, nicht zuletzt, weil er auch über die Möglichkeit verfügte, außerbündisch zu agieren. Dies zeigte sich bereits in den Jahren 1531/32, als die sächsischen Fürsten Konfessionspolitik sowohl im Rahmen des
456 Vgl. ebd., S. 1491–1494 (Entwurf der kaiserl. Unterhändler für einen allgemeinen Frieden im Reich, 4. Juli 1532) sowie ebd., S. 1495 (Änderungsvorschläge der Protestanten, 7. Juli 1532). 457 Ebd., S. 1511–1517 (Abschied der Nürnberger Verhandlungen – Nürnberger Anstand – 24. Juli 1532). 458 Ebd., S. 1518 (Johann Friedrich an Johann, 27. Juli 1532). 459 Zu den Problemen des Abschieds im Hinblick auf die Nichteinbeziehung der altgläubigen Stände und der Suspension der Religionsprozesse, vgl. Rosemarie AULINGER, Die Verhandlungen zum Nürnberger Anstand 1531/32 in der Vorgeschichte des Augsburger Religionsfriedens, in: Heinrich LUTZ/Alfred KOHLER (Hg.), Aus der Arbeit an den Reichstagen unter Kaiser Karl V., Göttingen 1986, S. 194–227. 460 Obwohl die Türkenhilfe von den meisten evangelischen Ständen als Druckmittel für die Aufrichtung eines allgemeinen Friedens benutzt wurde, stand auch für Kursachsen bereits vor Abschluss der Verhandlungen fest, dass man diese gewähren würde. Schon Anfang Juni 1532 riet Johann Friedrich dem Vater im Angesicht der näher rückenden Türken Rüstungsmaßnahmen vorzunehmen. Vgl. RTA JR, Bd. 10,3, S. 1439–1442 (9. Juni 1532).
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Schmalkaldischen Bundes als auch in direkten Verhandlungen mit den kaiserlichen Vermittlern betrieben.461
461 Allgemein zu den Optionen Kursachsens Reichspolitik als Konfessionspolitik auf zwei Handlungsebenen zu betreiben vgl. HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 585f. In Bezug auf die Ausgleichsverhandlungen in Schweinfurt und Nürnberg vgl. DIES., Zwischen Kooperation und Konfrontation, S. 92–99.
7. DER EINFLUSS DER WITTENBERGER THEOLOGEN AUF DAS POLITISCHE HANDELN JOHANNS
DER EINFLUSS DER WITTENBERGER THEOLOGEN
Besonders in Kursachsen, aber auch in vielen anderen Ländern Europas, standen im 16. Jahrhundert Politik und Theologie in einer so engen Verbindung, dass kaum noch eine „religionsfreie“ Entscheidung gefällt werden konnte. 1 Die Theologen wurden immer wieder zur Selbstvergewisserung und -korrektur herangezogen. Diese Aussage hat vor allem für Kursachsen eine besondere Berechtigung, denn unter Kurfürst Johann wurde den Voten und Gutachten der führenden Wittenberger Theologen ein hoher Stellenwert zugemessen, sie beeinflussten teilweise die Entscheidungsfindung des Kurfürsten maßgeblich. Dieser Befund ist jedoch nicht von Beginn an zutreffend. Es brauchte eine gewisse Zeit, ehe die Theologen Einfluss auf die Entscheidungen der sächsischen Kurfürsten gewannen, bis weit in die 1520er Jahre wurde Religionspolitik im Rahmen von Realpolitik betrieben. Dies hat zweifelsohne seine Ursache in der Entwicklung und dem Fortschreiten der reformatorischen Bewegung in Kursachsen. In welchen politischen Fragen hätte sich Kurfürst Friedrich der Weise auch Rat von Luther holen sollen? In dieser Zeit handelte es sich bei ihm um einen Theologen, der an der kursächsischen Universität in Wittenberg lehrte und durch seine Kritik an der römischkatholischen Lehre in die Schusslinie von Kirche und Reich geraten war. In seinem Selbstverständnis als christlicher Herrscher sah es Friedrich der Weise als seine Pflicht an, ihn als Landesvater vor ungerechtfertigter und vorschneller Verurteilung zu schützen. Luther war also in den Augen des Kurfürsten eher Schutzbefohlener denn Ratgeber. Auch die aus politischen und taktischen Gründen stets durch Friedrich gewahrte Distanz zu Luther schloss eine Einmischung in politische Entscheidungsprozesse von vornherein aus. Luther selbst scheute nicht davor zurück, sich zu politischen Themen zu äußern. So widmete er sich in seiner Schrift „Von weltlicher Obrigkeit, wie weit man ihr Gehorsam schuldig sei“, dem Fragenkomplex, inwieweit sich das Christsein und die Ausübung eines weltlichen Amtes miteinander vereinbaren ließen. Insgesamt hatte Luther klar definierte Vorstellungen von den Aufgaben, welche die Obrigkeit wahrzunehmen hatte. Diese Ansichten stießen bei Johann durchaus auf reges Interesse, allerdings wurden sie zunächst nicht als politische Richtschnur angesehen.
1
Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 11.
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Auch das Handeln Luthers hatte zweifelsohne bereits unter Kurfürst Friedrich politische Dimensionen, ohne dass er sich jedoch der Konsequenzen bewusst war, um nicht zu sagen, unter Verkennung der politischen Realitäten. Offenbar zog Luther aus seinem Aufenthalt auf der Wartburg und den dortigen Möglichkeiten zum ausführlichen Studium der Bibel und deren Übersetzung eine große Glaubensgewissheit, die mit einem gestärkten Selbstbewusstsein einherging. Die politischen Konsequenzen, die er mit seiner mehr oder minder erzwungenen Erlaubnis zur Rückkehr von der Wartburg nach Wittenberg hätte verursachen können, scheinen ihm dabei weder bewusst noch von Belang gewesen zu sein. Die umfangreichen Versicherungen, die er jedoch auf Wunsch des Kurfürsten abgeben musste, dass er ohne dessen Wissen und Willen nach Wittenberg zurückgekehrt sei, zeigen aber, als wie brisant Friedrich die Sache politisch einstufte.2 Dass kurz darauf im Reich tatsächlich Gerüchte umgingen, man könne Friedrich die Kurwürde aufgrund seines Ungehorsams gegenüber einem kaiserlichen Mandat aberkennen, zeigt nur, dass die Lage von ihm durchaus richtig eingeschätzt wurde. 3 Ebenso zeugt die im Zuge dieser Entwicklung erstmals an die Wittenberger Theologen ergangene Aufforderung, eine theologische Auskunft zur Zulässigkeit einer Notwehr gegen den Kaiser abzugeben, von der Besorgtheit des kurfürstlichen Hofes.4 2
3 4
Vgl. WA Br, Bd. 2, zu Nr. 455, S. 458f. (Instruktion Friedrichs für Hieronymus Schurff, 7. März 1522, S. 459–462. Entschuldigungsbrief Luthers. Auf Wunsch des Kurfürsten änderte Luther diesen nach einem Konzept von Spalatin noch einmal, S. 467–470. Friedrich hatte eigentlich gehofft, dass mit der Ruhigstellung Luthers auch die Möglichkeit bestünde, auf reichspolitischer Ebene günstige Veränderungen zu erwirken. Schließlich kapitulierte er vor Luthers, dem religiösen Zweck dienenden Drängen. Sicherlich wirkte sich der Umstand günstig aus, dass Luthers Entschlossenheit, in Wittenberg Ruhe und Ordnung wiederherzustellen, dem Ansinnen des Kurfürsten entsprach. An den entscheidenden ersten Schritten, die vorgenommenen religiösen Veränderungen in der Stadt wieder rückgängig zu machen, hatte Luther jedoch keinen Anteil. Am 09. April 1522 berichtete er Johann über diese Gerüchte. Die Frage danach, wer diese Gutachten in Wittenberg in Auftrag gab, ist in der Sekundärliteratur unterschiedlich beantwortet worden. So meint Johannes BECKER, Kurfürst Johann von Sachsen und seine Beziehungen zu Luther, S. 23 ohne weitere Belege, dass aufgrund der großen Zurückhaltung Friedrichs nur Johann der Auftraggeber gewesen sein kann. Sicher ist, dass sich Friedrich und Johann über die dem Kurfürstentum drohenden Gefahren ausgetauscht haben. Ob dies jedoch Johann, der in reichspolitische Fragen wenig involviert war, dazu veranlasste, in Wittenberg zur Zulässigkeit des Widerstands gegen den Kaiser anzufragen, erscheint doch sehr unwahrscheinlich. Ob wiederum Kurfürst Friedrich es jemals in Betracht gezogen hätte, egal ob mit oder ohne theologische Absicherung, Widerstand gegen den Kaiser zu leisten, ist ebenfalls äußerst fraglich. Sehr wahrscheinlich befand sich der Auftraggeber der Gutachten im Umfeld des Kurfürsten, sodass es sich mutmaßlich um Georg Spalatin handelte, der die Gutachten wahrscheinlich als Diskussionsgrundlage mit dem Kurfürsten und den Räten begriff. Hätte er sie lediglich zur eigenen
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Im Wesentlichen beschränkte sich die Ratgebertätigkeit Luthers lange Zeit darauf, Empfehlungen zur Besetzung von evangelischen Predigerstellen auszusprechen. Doch auch hier folgte man ihm nicht blind, wie 1522 die Ablehnung Gabriel Zwillings als Prediger in Altenburg zeigt.5 Auch der Weimarer Hof trat in diesen Fragen gern an Luther heran, behielt sich aber ebenfalls vor, Entscheidungen über die Besetzung von Predigerstellen auch ohne Luthers Wissen und Zutun zu treffen.6 Da sowohl Herzog Johann als auch Johann Friedrich im Gegensatz zum Kurfürsten in direktem Kontakt zu Luther standen, nutzten sie diesen auch regelmäßig, um Anfragen zur Auslegung von Bibelstellen oder zur Klärung von theologischen Sachverhalten an ihn zu richten. 7 Mit dem Aufkommen von schwärmerischer Predigt in Thüringen suchten vor allem Johann Friedrich und Gregor Brück zur theologischen Einordnung und Bewertung dieser Lehren den Rat Luthers. Insbesondere in Bezug auf die Person Karlstadts instrumentalisierte Herzog Johann Friedrich die auch von Rivalität und Missgunst geprägten Äußerungen Luthers nach dessen Predigtreise im August 1524 für seine eigenen Absichten. 8 Schon seit einiger Zeit hatte sich um ihn und den Kanzler Gregor Brück ein Kreis gebildet, der ein härteres Vorgehen gegen die sogenannten schwärmerischen Prediger forderte, sich damit jedoch bisher nicht bei Herzog Johann hatte durchsetzen können.9 Schließlich ließ sich Johann, der sich kurz zuvor noch bei Kurfürst Friedrich für eine Disputation zwischen Luther, Karlstadt, Melanchthon, Strauss und Müntzer stark gemacht hatte,10 überzeugen, Karlstadt und einige seiner engsten Anhänger aus Kursachsen auszuweisen.11 Ohne Zweifel nutzten Johann Friedrich die negativen Berichte Luthers über Karlstadt, die nicht zuletzt unter dem Eindruck der Streitigkeiten in Jena und Orlamünde entstanden waren, um die Entscheidung des Vaters zu beeinflussen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Initiative zur Ausweisung Karlstadts Vergewisserung angefordert, wären sie wohl nicht durch ihn ins Deutsche übertragen worden. Vgl. WA Br, Bd. 12, Nr. 4222, WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 101. 5 Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 484, S. 503. 6 So wurde Jakob Strauss im Januar 1523 auf Betreiben Johanns als Prediger an die Georgenkirche in Eisenach berufen, ohne dass es einen Hinweis darauf gibt, dass Luther in das Verfahren involviert war. Vgl. Abschnitt 3.3. 7 Vgl. WA Br, Bd. 2, Nr. 393 (31. März 1521); Nr. 431 (17. September 1521); Nr. 461 (18. März 1522). 8 Vgl. Luthers Äußerungen dazu in seiner Schrift „Wider die himmlischen Propheten, von den Bildern und Sakrament“, WA Luthers Werke, Bd. 18, S. 86, 99. 9 Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 754 Beilage (Johann Friedrich an Veit Warbeck, 17. August 1524). 10 Vgl. FÖRSTEMANN, Zur Geschichte des Bauernkriegs, S. 198–200 (Johann an Friedrich, 24. August 1524). 11 Neben Karlstadt wurden auch seine Anhänger Gerhard Westerburg und Martin Reinhard ausgewiesen.
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wohl vom streng lutherisch gesinnten Kreis um Johann Friedrich ausging, Luther diesem Ansinnen jedoch Schützenhilfe leistete. Dass Herzog Johann durchaus unabhängig von Luther agierte, zeigen die ersten Visitationen in Thüringen Anfang des Jahres 1525. Angesichts der unruhigen Lage entschloss er sich dazu, mit einer systematischen Überprüfung der Prediger zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt stand Luther dem Unternehmen Visitation noch äußerst skeptisch gegenüber, da er nach wie vor vom Erfolg einer selbstständigen Gemeindeorganisation und der Durchsetzungskraft des wahren Evangeliums überzeugt war, während sich offenbar am Weimarer Hof bereits die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass die reformatorische Bewegung einer obrigkeitlichen Regulierung bedürfe. Entsprechend entschied sich Johann, ohne den Kontakt nach Wittenberg zu suchen, den Eisenacher Prediger Jakob Strauss beratend hinzuzuziehen und ihm schließlich die Aufgabe des Visitators zu übertragen. Strauss kann sicherlich nicht als Gegenspieler Luthers bezeichnet werden, aber er wurde von ihm durchaus kritisch beäugt. Insgesamt agierten die Fürsten bis 1525 politisch weitgehend unabhängig von der Meinung Luthers und der Wittenberger Theologen. Mit dem Bauernkrieg und damit unmittelbar in der Zeit der Regierungsübernahme Johanns änderte sich die Ausgangslage grundlegend. Hatte Friedrich der Weise mit seiner beharrlichen Neutralitätspolitik, die von einer noch indifferenten und offenen Position der Reichsstände und Reichsspitze zur evangelischen Lehre und dem von Luther vertretenen Postulat des Glaubens auf eigene Gefahr gestützt wurde, noch die Möglichkeit gehabt, bekennendes Handeln zu vermeiden und hartnäckige Gerüchte um den drohenden Entzug der Kurwürde stoisch auszusitzen, forderten nun die Gewalttätigkeiten des Bauernkriegs eine eindeutige Positionierung. Da diese in den Augen der Zeitgenossen in direktem Zusammenhang mit der reformatorischen Lehre standen, musste sich Kurfürst Johann gewahr werden, dass nun die Zeit der Neutralität und des passiven Duldens vorüber war. Nicht zuletzt sorgte auch der klare Standpunkt Herzog Georgs und seine daraus resultierende Politik dafür, dass eine ebenso klare Positionierung dafür oder dagegen nun unumgänglich wurde.12 Dieser Umstand traf Johann jedoch keineswegs unvermittelt, in vielen Punkten hatte er sich bereits in der Zeit vor Friedrichs Tod für eine deutlichere Bekenntnispolitik in Bezug auf das Evangelium ausgesprochen. Man denke hier beispielsweise an seine Ablehnung, den Bischof von Merseburg in Visitationsangelegenheit zu unterstützen,13 sein Plädoyer für eine ausführliche Vorbereitung 12 Dies wurde nicht zuletzt mit dem Vorhaben Herzog Georgs, Kurfürst Johann in das Dessauer Bündnis vom Juli 1525 einzubeziehen, augenfällig. Vgl. ABKG, Bd. 2, Nr. 1089 (Abschied von Dessau, 19. Juli 1525). 13 Vgl. NUB, Kapitel 3, Nr. 8 (Johann an Friedrich, 18. April 1524).
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auf das Speyerer Nationalkonzil zur Festigung des evangelischen Standpunkts,14 bis hin zu dem Entschluss, in Thüringen eigenständig erste Visitationsmaßnahmen vorzunehmen.15 Auch die Sondierungsgespräche mit Philipp von Hessen bezüglich eines Bündnisses zum Schutz des Wortes Gottes lassen sich in die Reihe von Maßnahmen einordnen, die belegen, dass Johann seit spätestens 1524 eine offen reformatorische Politik verfolgte.16 So kann kein Zweifel daran bestehen, dass sich Johann mit der Übernahme der Regierung im Mai 1525 aus tiefster Überzeugung und durchaus geplant zum offenen evangelischen Handeln entschied. Diese Entscheidung, die nicht nur weitreichende innenpolitische Konsequenzen mit sich brachte, sondern vor allem auch auf reichspolitischer Ebene dazu angetan war, das Kurfürstentum in unruhiges Fahrwasser zu bringen, bedurfte insbesondere in dieser schwierigen Anfangszeit einer steten theologischen Ab- und Versicherung. Die Abkehr vom bisher gültigen Welt- und Wertesystem bedingte, dass von nun an keine Entscheidung mehr getroffen werden sollte, die nicht im Einklang mit dem Evangelium stand. In dieser neuen Situation suchte Johann für seine Entscheidungen eine theologische Absicherung, nicht zuletzt im Rahmen der Selbstvergewisserung in Zeiten großer Unsicherheit.17 Folgerichtig erfolgte nun auch die Abkehr Johanns von seiner bisher schwankenden Position in Bezug auf eine als autoritativ geltende evangelische Lehre in Kursachsen. Nicht zuletzt unter dem Einfluss des Kurprinzen Johann Friedrich und des Kanzlers Gregor Brück legte er sich nun endgültig auf die Lehrmeinung Luthers fest. Das von Johann einige Zeit durchaus interessiert verfolgte Nebeneinander mehrerer heterodoxer evangelischer Strömungen stellte keine Option mehr dar, zumal es auch nicht praktikabel war. Allerdings bedeutete die Festlegung auf Luther und der Drang danach, Rechtssicherheit, gemessen am Maßstab des Evangeliums zu gewinnen, nicht, dass die Wittenberger Theologen von nun an auch Einfluss auf das alltägliche politische Geschehen erlangt hätten. Überhaupt sollten noch drei Jahre ins Land gehen, ehe sich der Kurfürst und seine Räte der Theologen auch als politischer Ratgeber bedienten. Bis dahin beschränkte sich ihre Bedeutung auf Fragen, die innere Angelegenheiten Kursachsens betrafen, wie die Reform der Universität Wittenberg18 oder die Planung und Vorbereitung der ersten landesweiten Visita-
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Vgl. RTA JR, Bd. 4, Nr. 273, Anm. 1 (Johann an Friedrich, 25. Juli 1524). Vgl. den Exkurs zu den ersten evangelischen Visitationen in Thüringen. Vgl. BRÄUER, Vorgeschichte der kursächsischen Bündnisüberlegungen, S. 215, Anm. 122. Damit unterschied sich die Situation Kurfürst Johanns grundlegend von der Herzog Georgs. Fest im katholischen Glauben verwurzelt und sich in religiösen Fragen auf einer Linie mit König, Kaiser und Ständemehrheit wissend, bedurfte Herzog Georg nur selten einer theologischen Absicherung. Vgl. VOLKMAR, Reform statt Reformation, S. 100f. 18 Vgl. Abschnitt 5.1.1.
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tionen.19 Dabei nahmen sie eher den Status von theologisch gebildeten Fachberatern ein, die gemeinsam mit den juristischen Räten des Kurfürsten an einer möglichst optimalen Lösung arbeiteten. Daneben sah sich Luther auch als moralische Instanz für den Kurfürsten, wenn er ihn beispielsweise 1525 dazu aufforderte, eine Visitation der Stadträte und Beamten vorzunehmen, um der Misswirtschaft in der Verwaltung ein Ende zu bereiten.20 Auch der Vorwurf, den Luther Ende 1526 erhob, dass Johann die Ausplünderung des Klosterbesitzes durch den Adel zuließe, bekräftigt dies.21 Am außenpolitischen Geschehen zeigten Luther und die Wittenberger Theologen zwar Interesse, doch war ihr Anteil daran sehr gering. Allerdings lassen sich insbesondere in der Bündnispolitik durchaus erste Tendenzen der Fürsten ausmachen, sich der Autorität Luthers zu bedienen, um die Bedenken anderer zu überwinden. Dass man dabei keineswegs daran interessiert war, den Theologen einen allzu umfassenden Einblick in politische Pläne zu gewähren, zeigt der Umstand, dass man beispielsweise 1526 in dem Bemühen, Nürnberg für den Beitritt zu einem Verteidigungsbündnis zu gewinnen, Luther nur jene Unterlagen zugänglich machte, die der Sache dienlich waren.22 Der entscheidende Umschwung erfolgte in den Auseinandersetzungen um die Pack’schen Händel 1528. Erstmals stellte sich ernsthaft die Frage, welche konkreten militärischen Maßnahmen zum Schutz des Evangeliums gerechtfertigt wären. Aufgeschreckt von der Mitteilung Landgraf Philipps über ein Bündnis, das im Jahr zuvor in Breslau zwischen König Ferdinand und zahlreichen katholischen Fürsten zur Vernichtung des Evangeliums geschlossen worden sein sollte, vereinigte sich Johann am 9. März 1528 mit Philipp zu einem Offensivbündnis. Spätestens bis zum 1. Juni 1528 wollte man den militärischen Absichten der 19 Gegen Ende 1526 gewann die Diskussion zwischen Luther und Johann an Bedeutung, bei den Visitationen nicht nur, wie der Kurfürst es anstrebte, die Lehre der Prediger und Pfarrer zu überprüfen, sondern auch deren finanzielle Situation. Schließlich konnte Luther Johann von der Notwendigkeit, auch die wirtschaftlichen Aspekte der Pfarreien einer Prüfung zu unterziehen, überzeugen. Vgl. WA Br, Bd. 3, Nr. 944 (Johann an Luther, 7. November 1526); Nr. 950 (Luther an Johann, 30. November 1526). An der Ausarbeitung des „Unterrichts der Visitatoren“ 1527/28 waren natürlich auch die Wittenberger Theologen maßgeblich beteiligt. Vgl. BUCHWALD, Lutherana, S. 4. 20 BRECHT, Martin Luther, Bd. 2, S. 256; WA Br, Bd. 3, Nr. 937 (Luther an Johann, 31. Oktober 1525). 21 BRECHT, Martin Luther, Bd. 2, S. 256. 22 Vgl. RTA JR, Bd. 5/6, Nr. 58 (Bedenken der kursächsischen und hessischen Räte über die Aufrichtung eines Bundes, Gotha, Ende Februar 1526). Vermutlich wurde Luther lediglich der Nürnberger Absagebrief für ein Bündnis sowie der sogenannte Mainzer Ratschlag als Grundlage für seine Argumentation zugänglich gemacht. Es scheint, als hätte er weder Kenntnis über die Bündnisintention noch den -text gehabt. Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 110–113.
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Gegner durch einen eigenen Angriff zuvorkommen. 23 Diesen folgenschweren Vertrag gingen Johann und Philipp ohne jede Absprache oder Rückfrage mit ihren Theologen ein. Doch offenbar kamen bald danach am kurfürstlichen Hof erste Zweifel bezüglich der Rechtmäßigkeit eines solchen Präventivkrieges auf. Wahrscheinlich tat man nun das, was man vor Abschluss des Vertrages versäumt hatte, man beratschlagte darüber, wie sinnvoll es ist, sich in der reichsrechtlich wenig gesicherten Position, in der man sich gerade befand, selbst zum Aggressor zu machen. Nicht nur, dass ein solches Vorgehen in der kursächsischen Politik der letzten Jahrzehnte beispiellos gewesen wäre, ein Angriffskrieg hätte eine unbestreitbare Schwächung der eigenen Rechtsposition dargestellt. Da alle vereinbarten Maßnahmen jedoch vordergründig auf den Schutz des Evangeliums gerichtet waren, fassten Johann und seine Räte den Beschluss, diese durch Luther theologisch absichern zu lassen. Entsprechend begründete man dem Landgrafen gegenüber diesen Schritt mit der religiösen Relevanz des Bündnisses.24 Die von Luther zunächst mündlich und später auch schriftlich erteilten Ratschläge bestätigten nur die Unsicherheit des Kurfürsten, der Reformator hielt jedes präventive, militärische Vorgehen für verboten und mit der obrigkeitlichen Pflicht zur Friedenswahrung für unvereinbar. 25 Dass Luthers Votum sofort Eingang in das politische Handeln Johanns fand, ist zweifelsohne damit zu begründen, dass er mit seinen Ausführungen die allgemeine Stimmungslage am kurfürstlichen Hof traf.26 Luther hatte nun theologisch fundiert etwas bestätigt, dessen man sich im Umkreis des Kurfürsten bereits bewusst gewesen war: dass die Pläne weder politisch noch theologisch haltbar waren. Davon galt es nun, den entschlossenen und zu schnellem Handeln drängenden Landgrafen Philipp zu überzeugen. Allerdings zerschlug sich die Hoffnung schnell, dass dieser den Argumenten Luthers einen ähnlich hohen Stellenwert beimessen würde. Kurfürst Johann war gefangen zwischen der mittlerweile bestimmenden Erkenntnis, mit einem Angriffskrieg gegen das Evangelium zu handeln, und der Verbundenheit zu seinem wichtigsten Mitstreiter im Reich. Schließlich gelang es Kursachsen durch das Spielen auf Zeit, einen überraschenden militärischen Angriff zu vereiteln.
23 Der Weimarer Bündnisvertrag im Druck bei MENTZ, Geschichte der Packschen Händel, S. 173–184. Eine ausführliche Beschreibung zum Fortgang der Pack’schen Händel findet sich in Abschnitt 6.4. 24 Vgl. die Instruktion an den sächsischen Gesandten Johann von Dolzig, im Druck bei NEUDECKER, Merkwürdige Aktenstücke, S. 33–40. 25 Vgl. WA Br, Bd. 4, Nr. 1246, S. 421–424. 26 Inzwischen hatte man auch aus Nürnberg und Brandenburg-Ansbach die Nachricht erhalten, dass diese entgegen den Erwartungen nicht bereit waren, die Pläne Philipps und Johanns zu unterstützen. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 80–84.
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In der Gesamteinschätzung scheint das häufig lancierte Urteil, dass Luther es gewesen sei, der ein militärisches Abenteuer des Kurfürsten verhindert habe, übertrieben.27 In den Auseinandersetzungen um die Weimarer Verträge kamen Luther zwei Aufgaben zu, die ihm im Wesentlichen von den kursächsischen Räten zugewiesen worden waren: Erstens dienten seine Voten dem Kurfürsten als Selbstvergewisserung und zweitens benutzte man Luther, um dem Landgrafen Philipp gegenüber den Ausstieg aus dem vorschnell gefassten Entschluss zu einem Angriffskrieg im Nachhinein zu legitimieren.28 Damit bewegte man sich in den seit Jahren vorgezeichneten Bahnen. Das wirklich Entscheidende an dieser Situation war der Umstand, dass man im Laufe der Verhandlungen zu der Erkenntnis kam, dass Landgraf Philipp nicht nur politische Realitäten anders bewertete als Johann, sondern dass die Richtschnur des Evangeliums für ihn einen wesentlich geringeren Stellenwert hatte als für den Kurfürsten.29 Die Weigerung, die Autorität Luthers bei der Auslegung des Evangeliums anzuerkennen, war das eigentlich Verstörende. Philipp schob die Argumente Luthers einfach zur Seite, indem er ihm mangelnde Informiertheit vorwarf und ihm als Theologen das Recht absprach, in politischen Fragen autoritativ zu urteilen.30 Damit nahm Philipp für sich in Anspruch, das Evangelium entsprechend seinen Zwecken selbst auszulegen.31 Genau diese Vorgehensweise schürte jedoch das Misstrauen Johanns und seiner wichtigsten Räte gegen den Landgrafen, lag doch die Vermutung nahe, dass ihm eigene Vorteile wichtiger wären als das reine Evangelium. So scheint es, dass die Theologen in der Tat durch die Pack’schen Händel einen stärkeren Einfluss, insbesondere in der Bündnisfrage und deren Ausgestaltung, erlangten. Dies ist aus meiner Sicht in erster Line eine Folge des Vertrauensverlusts gegenüber Philipp oder anders gesagt: Das abnehmende Vertrauen in Philipp bedingte das zunehmende Vertrauen in die Wittenberger Theologen. 27 Auch Melanchthon befeuerte dieses Urteil, wenn er im September 1528 an seinen Freund Joachim Camerarius schreibt, dass er und Luther es gewesen seien, die den Kurfürsten von einem Kriege abgehalten hätten. Vgl. MBW, Nr. 710. 28 Auch Landgraf Philipp selbst vermutete, dass hinter der Entscheidung, sich von den Weimarer Vereinbarungen zurückzuziehen, in erster Linie Gregor Brück stand und man Luther lediglich vorschob. Vgl. das Schreiben Philipps an Johann Friedrich, gedruckt in: WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 120, Anm. 29. 29 Vor allem FABIAN betont, dass Landgraf Philipp sich bereits vor den Enthüllungen Ottos von Pack zum Breslauer Bündnis mit dem Plan trug, die Bistümer Mainz und Würzburg anzugreifen, um sich für den Fall, dass man die Reichsacht wegen seiner Unterstützung Ulrichs von Württemberg gegen ihn vollstrecken würde, ein Faustpfand zu sichern. Vgl. FABIAN, Die Entstehung des Schmalkaldischen Bundes, Exkurs XII, S. 339f. 30 Vgl. WA Br, Bd. 4, S. 425–429, Nr. 1246, Nachgeschichte 31 Hier zeigt sich deutlich einer der großen Gegensätze zwischen Landgraf Philipp und Kurfürst Johann. Während sich Philipp durchaus dazu in der Lage fühlte, ein theologisches Gutachten Luthers selbst zu widerlegen, hätte sich Johann dies als Laie niemals angemaßt.
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Dies setzte sich in der Frage, ob die zur Lehre Zwinglis neigenden oberdeutschen Städte in ein evangelisches Verteidigungsbündnis aufzunehmen seien, fort. Schon lange war von den kursächsischen Theologen der Zwiespalt in der Abendmahlsfrage kontrovers diskutiert worden. Dabei zogen die Wittenberger sehr bald Parallelen zwischen den Lehren Zwinglis, Oekolampads und Karlstadts. Da man Karlstadt in erster Linie als Aufrührer betrachtete, fiel die Ablehnung für deren Abendmahlsauffassung von Beginn an äußerst stark aus.32 Für Kurfürst Johann, der ohne Zweifel davon Kenntnis hatte, wie man in Wittenberg zum zwinglischen Abendmahlsverständnis stand,33 traten diese Bedenken zugunsten der Bestrebungen Kursachsens, auf dem Reichstag in Speyer 1529 durch ein geschlossenes Auftreten aller Evangelischen die Beibehaltung des Abschieds von 1526 zu erkämpfen, jedoch zunächst in den Hintergrund. Trotz eines für die Protestanten negativen Reichstagsabschieds, verschaffte ihnen aber die Friedenszusage der Ständemehrheit vom 24. April 1529 zunächst eine relative Sicherheit. Unter dieser Voraussetzung gelang es den Wittenberger Theologen, den Kurfürsten davon zu überzeugen, dass der Abschluss eines evangelischen Verteidigungsbündnisses, wenn überhaupt, nur unter der Voraussetzung eines einheitlichen Bekenntnisses tolerierbar sei.34 Dabei ließ man zu keinem Zeitpunkt einen Zweifel daran aufkommen, dass es sich beim offiziellen kursächsischen Abendmahlsverständnis um das einzig wahre und christliche handele. Wiederum scheint es, als wären dem Kurfürsten die Bedenken seiner Theologen gerade recht gekommen, um die äußerst ambitionierten Bündnispläne des Landgrafen auszubremsen.35 Immerhin hatte der Reichstag in Speyer auch gezeigt, dass es durchaus eine kompromissbereite Ständemehrheit gab, deren entgegenkommende Haltung man nicht durch umfangreiche militärische Allianzen aufs Spiel setzen wollte. Ebenso hielt man wohl eine Abgrenzung von Philipp 32 Besonders in den Briefen Melanchthons fällt auf, wie stark man die Verbindung zwischen Karlstadt, Zwingli und Oekolampad zog. Da das Verhältnis der Wittenberger Theologen zu ihrem ehemaligen Kollegen Karlstadt nicht nur von religiösen Differenzen, sondern ebenfalls in erheblichem Maße von Konkurrenz und Missgunst geprägt war, fiel das Urteil entsprechend negativ aus. Später verfestigten die Visitationen im Saaletal, in denen sich zeigte, wie stark der Einfluss der Karlstadtschen Lehren nach wie vor auf die Bevölkerung war, das negative Bild. Vgl. MBW, Nr. 368, 372, 384. 33 Vgl. ebd., Nr. 595 (Gutachten Melanchthons, Ende September 1527), Nr. 645 (Gutachten Melanchthons, Januar 1528). 34 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1424 (Luther an Johann, 22. Mai 1529). Die Argumente Luthers sind hier vor allem getragen von dem Misstrauen gegenüber Landgraf Philipp, der ohne Zweifel die Verhandlungen mit den oberdeutschen Städten vorangetrieben hatte. 35 Dass es am kursächsischen Hof durchaus auch andere Meinungen gab, zeigt ein Gutachten von Herzog Johann Friedrich aus dieser Zeit. Darin unterstützt er voll und ganz die Bündnispläne Philipps, die nicht nur die oberländischen, sondern auch die Schweizer Städte einbezogen. Vgl. MENTZ, Johann Friedrich, Bd. 1, S. 122–126.
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auch deshalb für notwendig, weil das Misstrauen, das dessen Verhalten in den Pack’schen Händeln hervorgerufen hatte, noch äußerst präsent war.36 Obwohl sich Johann damit festgelegt hatte, verfolgte er in den nächsten Monaten einen äußerst geschickten Zickzackkurs, der darauf hinauslief, sich weder völlig mit Philipp von Hessen zu überwerfen noch die eigenen Interessen hintanzustellen. Dass Georg von Brandenburg-Ansbach und der Stadtrat von Nürnberg die Bedenken Johanns teilten, erleichterte sein Vorgehen. So kam Johann, wenn es nützlich schien, dem Landgrafen ein Stück entgegen, sobald sich jedoch abzeichnete, dass Entscheidungen anstanden, zog er sich auf die Urteile seiner Theologen zurück.37 Damit betrieb Johann eine höchst eigene Politik, die zunächst für die Durchsetzung der kursächsischen Prämissen recht erfolgreich war. Als sich die politische Lage jedoch mit der Gefangennahme einer evangelischen Gesandtschaft durch den Kaiser wieder zuspitzte, 38 versuchte Johann durch vorsichtige Kompromissvorschläge die Möglichkeiten einer Annäherung an die zum zwinglischen Abendmahlsverständnis neigenden Städte auszuloten. In die Details der vorangegangenen Verhandlungen, die stets deren Ausschluss zum Ziel hatten, nicht eingeweiht, sahen allerdings die Wittenberger Theologen in den Vorschlägen des Kurfürsten nichts anderes als ein gefährliches Entgegenkommen.39 Vor diesem Hintergrund formulierten sie ein Gutachten, in dem jede Art von Bündnisschluss abgelehnt und der Ratschlag erteilt wurde, allein auf Gott zu 36 Der Reichstag in Speyer hatte gezeigt, dass viele Stände v.a. Philipp wegen der 1528 erfolgten Rüstungen und der unter massivem militärischen Druck zustande gekommenen Friedensverträge äußerst argwöhnisch gegenüberstanden. So wurde in dem Bündnisentwurf von Speyer auch der Fall bedacht, dass es aufgrund dessen nochmals zu Auseinandersetzungen kommen könnte. Vgl. RTA JR, Bd. 7,2, Nr. 152. Wie oben gesehen, hegten aber auch Luther und einige kursächsische Räte noch lange erhebliches Misstrauen gegen den Landgrafen. 37 Beispielhaft für ein Entgegenkommen sei das Marburger Religionsgespräch. Obwohl sowohl Luther und Melanchthon als auch Kurfürst Johann dieses ablehnten und ursprünglich planten, es zu boykottieren, änderte Johann nach einem erbosten Schreiben Philipps seine Meinung und bat Luther, doch teilzunehmen. Luther musste seine Zusage so konzipieren, dass deutlich wurde, dass seine Teilnahme auf Wunsch des Kurfürsten erfolgte. Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1438. Währenddessen verhinderte Johann, dass es auf einem Treffen sächsischer, hessischer und ansbachscher Räte in Saalfeld zu einer Beschlussfassung über den Bündnisentwurf von Speyer bzw. der Rodacher Notel kam, in welche die zwinglischen Städte einbezogen waren. Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 200, Anm. 5. 38 Ende Oktober 1529 erhielt Johann die Nachricht, dass die Gesandten, die dem Kaiser die Protestation der Evangelischen gegen den Reichstagsabschied von 1529 übergeben sollten, in Piacenza verhaftet worden waren. In dieser Notlage lotete Johann die Möglichkeiten für ein bisher strikt abgelehntes Zusammengehen mit den Städten Ulm und Straßburg neu aus. 39 Vgl. MBW, Nr. 841 (Melanchthon an Camerarius, 16. November 1529).
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vertrauen.40 Dieser die politische Lage eklatant verkennende Ratschlag sowie die Ausrichtung Kursachsens auf die immer irrationaler werdende Hoffnung, den Kaiser doch noch von der Rechtmäßigkeit der evangelischen Lehre überzeugen zu können,41 führte Ende November 1529 in Schmalkalden in ein politisches Desaster. Mit seiner Haltung, den oberländischen Städten nicht nur Bündnisverhandlungen zu verweigern, sondern sie auch von den Beratungen über das weitere Vorgehen in Bezug auf die gescheiterte Gesandtschaft an den Kaiser auszuschließen, isolierte sich Johann vollends. Das Ergebnis war eine Spaltung der evangelischen Stände vor dem Augsburger Reichstag, die Kursachsen maßgeblich verursacht hatte. Daran änderte auch der Reichstag nichts, der für Kursachsen ganz im Zeichen der von Melanchthon getragenen Ausgleichspolitik mit den Katholischen stand. Im Gegenteil, dessen Bereitschaft, den Katholischen um des Friedens und der Einheit willen große Zugeständnisse zu machen, stieß bei einigen evangelischen Ständen auf schroffe Ablehnung.42 Um eine weitere Zuspitzung des Konflikts im eigenen Lager zu verhindern, entschied Johann gegen den Willen Melanchthons, die Verhandlungen abzubrechen. Die Bedrohungslage, die sich nun aus dem Abschied und der Weigerung des Kaisers, den Evangelischen als Gegenleistung für die Zahlung der Türkenhilfe den Frieden zuzusichern, ergab, veranlasste ein Umdenken. Die unrealistischen Gutachten der Wittenberger Theologen wurden zur Seite geschoben, während man militärische Optionen durchspielte, die man bislang abgelehnt hatte. 43 Nachdem allerdings von Brandenburg-Ansbach und Nürnberg im Januar 1530 ein Widerstandsrecht gegen den Kaiser in Frage gestellt worden war, sollten sich auf Befehl Kurfürst Johanns vom 27. Januar 1530 nun auch die Wittenberger Theologen dazu äußern. In diesem Schreiben, das maßgeblich von Gregor Brück verantwortet wurde, signalisierte man Luther und seinen Kollegen bereits, sich entsprechend der bisherigen politischen Haltung Kursachsens positiv zum 40 So lehnten Luther und seine Kollegen in einem Gutachten vom November 1529 nicht nur ein Bündnis mit den zwinglischen Städten ab, sondern ganz allgemein jede Form eines Verteidigungsbündnisses. Vgl. RTA JR, Bd. 8,1, S. 365–374 (Bedenken, worumb mit den sacramentirern kain bundtnus zu machen). 41 Vgl. ebd., S. 438, 448f. In diesem Zusammenhang lehnte man auch das von Landgraf Philipp als Druckmittel empfohlene Zurückhalten der Türkensteuer ab. Auch dazu wurde Luther von Johann um ein Gutachten gebeten, das sich wiederum mit dem von der Politik bereits beschlossenen Weg deckte. Vgl. ebd., S. 515–517 (Gutachten Luthers, 24. Dezember 1529). 42 Den größten Streitpunkt stellte das Zugeständnis der Restitution der bischöflichen Jurisdiktion dar. Neben Hessen hatten v.a. die Städte große Vorbehalte dagegen. Vgl. MBW, Nr. 1051, 1052, 1053. 43 Vgl. dazu ein von Hans von Dolzig und Gregor Brück erarbeitetes Gutachten vom 23. Oktober 1530. LATh-HStA Weimar, Reg. H 48, fol. 129–143.
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Widerstandsrecht zu äußern.44 Noch kamen Luther und Melanchthon allerdings weder dieser Forderung nach, noch akzeptierten sie die ihnen von den juristischen Räten an die Hand gegebenen Argumente.45 Angesichts der Hoffnungen, die man in den bevorstehenden Reichstag in Augsburg setzte, blieb dieses politisch unwillkommene Votum jedoch ohne Folgen.46 Erst Ende Oktober 1530, nach dem Fehlschlag des Augsburger Reichstags, bestellte man die Wittenberger nach Torgau ein und rang ihnen mithilfe zahlreicher juristischer und verfassungsrechtlicher Gutachten sowie unter eindringlicher Darstellung der gegenwärtigen Bedrohungslage ihr Einverständnis dazu ab, derartige Fragen den Politikern zu überlassen. Damit hatte man keineswegs eine theologische Sanktionierung des Widerstandsrechts erreicht, doch scheint es, als sei eine Kompetenzübertragung in diesem Punkt als völlig ausreichend empfunden worden. Ohnehin scheint man sich im Umfeld des Kurfürsten schon lange darüber im Klaren gewesen zu sein, dass ein Verteidigungsbündnis, das nicht bei einem Angriff des Kaisers auf die Evangelischen zum Tragen kam, wenig Sinn gehabt hätte. Folgerichtig war in keinem Vertragsentwurf ein solcher Ausschluss jemals vorgesehen. So scheint es, als wäre die Entscheidungsfindung zum Widerstandsrecht bereits abgeschlossen gewesen, noch ehe die Wittenberger Theologen in Torgau eintrafen.47 Das Einverständnis Luthers, sich unter bestimmten Umständen auch gegen den Kaiser zur Wehr setzen zu können, sollte wohl in erster Linie dazu genutzt werden, um die in diesem Punkt schwankenden Stände leichter überzeugen zu können. Entsprechend machte man beispielsweise den Nürnbergern auch nur bestimmte Ausschnitte des Gutachtens zugänglich.48
44 Vgl. WA Br, Bd. 5, Nr. 1522, sowie Ergänzungen ebd., Bd. 13, S. 120f. Bereits Ende September 1529 wurde Johannes Bugenhagen in Abwesenheit Luthers und Melanchthons diese Frage zur Beantwortung vorgelegt. Bugenhagen äußerte sich dabei ganz im Sinne der sächsischen Räte und bejahte ein Wiederstandsrecht gegen den Kaiser. Vgl. WOLGAST, Die Wittenberger Theologie und die Politik, S. 136–139. 45 Das Gutachten in WA Br, Bd. 5, Nr. 1536. In einem Brief an Hieronymus Baumgartner in Nürnberg bezeichnet Melanchthon die Argumente der Juristen als spitzfindig. Vgl. MBW, Nr. 870 (Ende Februar/Anfang März 1530). 46 Allerdings war man bemüht, das „offizielle“ Gutachten Luthers nicht nach außen dringen zu lassen. Während Melanchthon sein Votum an Lazarus Spengler nach Nürnberg sandte, durfte Luthers nicht geschickt werden. Vgl. ebd., Nr. 873 (Melanchthon an Joachim Camerarius, März 1530). 47 Vgl. Die Aussagen Luthers dazu in WA Br, Bd. 6, Nr. 1772 (Luther an Link, 15. Januar 1531) sowie Melanchthon an seinen Freund Camerarius in MBW, Nr. 1111, 1120. 48 Vgl. ebd., Nr. 1125 (15. Februar 1530). Melanchthon kritisiert in diesem Schreiben an Camerarius, dass die kursächsische Regierung das Gutachten Luthers nur unvollständig verbreitet hätte.
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Nachdem die Frage nach dem Widerstandsrecht weitgehend unabhängig von der Ansicht der Theologen entschieden worden war, 49 forderte die politische Lage, die sich durch das energische Bestreben Kaiser Karls V., seinen Bruder Ferdinand zum König wählen zu lassen, noch einmal verschärfte, ebenfalls ein Abrücken vom bis dahin sowohl von Theologen als auch von Kurfürst und Räten nahezu einmütig vertretenen Grundsatz, die oberländischen Städte als Sakramentsschwärmer von einem evangelischen Verteidigungsbündnis auszuschließen. Dass man sich diese Entscheidung keineswegs leicht gemacht hatte, zeigen die kursächsischen Unterlagen und Verhandlungsinstruktionen für das Treffen in Schmalkalden Ende Dezember 1530. Daraus geht hervor, dass Johann und seine Räte bis zuletzt um ein einheitliches Bekenntnis als Voraussetzung für den Bündnisschluss gekämpft hatten.50 Am Ende stellte man jedoch die offensichtlich als politische Notwendigkeit erkannte Gründung des Schmalkaldischen Bundes, der nach dem Willen Kurfürst Johanns öffentlich die Einigkeit der protestantischen Städte demonstrieren sollte, über die theologischen Bedenken.51 So lässt sich zusammenfassen, dass Luther und seine Wittenberger Kollegen durchaus wichtige Ansprechpartner für die kurfürstlichen Räte waren, um sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob sich ihr politisches Handeln im Rahmen des Evangeliums bewegte. Es muss jedoch einschränkend gesagt werden, dass die Bahnen, auf denen sie sich zu bewegen hatten, eng vorgegeben waren. Zum einen entschieden die Politiker, welche Fragen den Theologen überhaupt zur Begutachtung vorgelegt werden sollten, und zum anderen erwartete man oftmals, dass bereits eingeschlagene bzw. anvisierte Wege sanktioniert wurden. Schlussendlich kristallisierte sich jedoch heraus, dass die realpolitischen Verhältnisse es notwendig und auch möglich gemacht hatten, sich gegen die eigenen Theologen zu stellen.
49 Nachdem das Gutachten Luthers mit dem gewünschten Votum vorlag, wurden die Wittenberger Theologen nicht mehr zum Widerstandsrecht befragt. Vgl. MBW, Nr. 1111 (Melanchthon an Camerarius, 1. Januar 1531). 50 Vgl. zum Bündnisschluss und dem Streben Kursachsens nach Bekenntniseinheit die ausführlichen Forschungen von HAUG-MORITZ, Der Schmalkaldische Bund, S. 133–137. 51 Vgl. ebd., S. 100. Wohl in dem Bewusstsein, wie ablehnend die Wittenberger Theologen einem Bündnis mit den sogenannten Sakramentsschwärmern gegenüberstanden, wurden diese zu den Verhandlungen zum Schmalkaldischen Bund weder befragt noch hinzugezogen. Vgl. MBW, Nr. 1134 (Melanchthon an Camerarius, 7. März 1531).
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SCHLUSSBETRACHTUNG
Insgesamt deutet alles darauf hin, dass man am Weimarer Hof bereits vor dem Tod Kurfürst Friedrichs des Weisen willens war, die reformatorische Bewegung mithilfe obrigkeitlicher Regulierung in geordnete Bahnen zu lenken. So wurden in Thüringen sowohl mit den ersten Visitationen als auch mit der vereinzelten Übernahme geistlicher Güter in landesherrliche Verwaltung Maßnahmen erprobt, die später auf das gesamte Kurfürstentum ausgedehnt werden sollten. Mit dem Beschluss zur Ausweisung Karlstadts, Reinhards und Westerburgs im Herbst 1524, der keineswegs alternativlos war, kam es zu einer ersten landesherrlichen Machtdemonstration, 1 die deutlich werden ließ, dass die Weimarer Fürsten danach strebten, das Kirchenregiment wieder in die eigenen Hände zu nehmen, nachdem man zugunsten einer freien Ausbreitung des Evangeliums jahrelang nahezu komplett auf landesherrliche Einflussnahme verzichtet hatte. Der Bauernkrieg und der Tod Friedrichs des Weisen führten schließlich zu einer Beschleunigung der Entwicklungen. Zum einen hatten die Bauernunruhen, die stark in Zusammenhang mit der evangelischen Lehre standen, gezeigt, wie notwendig eine Regulierung war, und zum anderen waren die chaotischen Verhältnisse, welche durch Kampfhandlungen, Plünderungen und Vertreibungen entstanden waren, dazu angetan, Tatsachen im Sinne einer neuen Kirchenordnung zu schaffen. Einen entscheidenden Schritt stellte dabei die konsequente Weigerung Johanns dar, im Bauernkrieg verwüstete und verlassene Klöster zu restituieren sowie geflohenen oder vertriebenen Klosterinsassen die Rückkehr zu erlauben. Die Bedeutung dieser Maßnahme lässt sich ausgezeichnet anhand der Entwicklungen in jenen Landesteilen Kursachsens aufzeigen, die nicht vom Bauernkrieg betroffen waren. Dort zog sich nicht nur die Auflösung und Abwicklung der Klöster teilweise noch Jahrzehnte hin,2 sondern die ersten Visitationen legen auch Zeugnis davon ab, welch starken Einfluss insbesondere größere Klöster weiterhin auf die Bevölkerung ausübten.3 Insofern lässt sich zweifelsfrei 1
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JOESTEL, Ostthüringen und Karlstadt, S. 136. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Ausweisung Gerhard Westerburgs zu sehen, der während seines anderthalb Jahre währenden Aufenthalts in Jena weder öffentlich gepredigt noch gelehrt hatte. Vgl. dazu das Rechtfertigungsschreiben Westerburgs an Herzog Johann vom 26. November 1524, im Druck bei STEITZ, Dr. Gerhard Westerburg, S. 37–39. So lebten beispielsweise in Lichtenberg bei Prettin noch bis ca. 1540 Antonitermönche. Vgl. SCHIRMER, Zur Geschichte von Kloster Eicha und Umgebung, S. 43. Vgl. dazu die Situation in Altenberg bei der Visitation 1528/29, wo sich unter dem seelsorgerischen Einfluss der Augustinermönche des Bergerklosters noch beträchtliche Teile
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sagen, dass dieser Schritt Kurfürst Johanns vor allem in Thüringen der Stärkung des Evangeliums diente, auch wenn man sich dessen rechtlicher Brisanz durchaus bewusst war. Aus diesem Grund veranlasste man einige Äbte dazu, Erklärungen abzugeben, in welchen diese versicherten, freiwillig auf die Rückkehr in ihr Kloster zu verzichten.4 Die Notwendigkeit zu einem aktiven und raschen Handeln ergab sich auch daraus, all jenen Kräften entgegenzutreten, die darauf gehofft hatten, die reformatorischen Neuerungen nach dem Regierungsantritt Johanns wieder rückgängig machen zu können. Dabei galt es, sich den Widerständen sowohl von innen als auch von außen zu stellen. Denn obwohl sich das Evangelium in den letzten Jahren an zahlreichen Orten im Kurfürstentum den Weg gebahnt hatte, wurde bald offenbar, dass die kirchlichen Verhältnisse vielerorts unbefriedigend waren. Bereits die ersten lokal begrenzten Visitationen, die Johann in den Jahren 1525 bis 1527 durchführen ließ, offenbarten die Problematik, dass evangelische Predigt lediglich den Oberbegriff dessen darstellte, was Prediger unterschiedlichster Couleur dafür hielten: So reichte die Bandbreite von geschickten Predigern, die sich an den Schriften Luthers orientierten, über jene, die sich im Zuge der „schwärmerischen“ Bewegungen den Ansichten anderer Reformatoren wie Karlstadt und Müntzer anschlossen oder selbst Ideen entwickelten, bis hin zu jenen, die nur vermeintlich evangelisch predigten, ohne den Sinn verstanden zu haben oder wiedergeben zu können. Ohne Zweifel waren sich Johann und seine wichtigsten Räte im Sommer 1525 darüber einig, dass die Ideale Luthers von der freien Gemeindeorganisation und der universellen Durchsetzungskraft des wahren Evangeliums in der Praxis gescheitert waren. Allerdings machte man, in Abgrenzung zu Herzog Georg, für Krieg und Aufruhr nicht die lutherische Lehre an sich verantwortlich, sondern den Umstand, dass zu viele unterschiedliche Lehrmeinungen nebeneinander existierten, was zu einer erhöhten Gewaltbereit-
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der Bevölkerung zum katholischen Glauben hingezogen fühlten, obwohl in der Stadt seit geraumer Zeit auch evangelisch gepredigt wurde. BURKHARDT, Kirchen- und Schulvisitationen, S. 44f. So unterschrieb Abt Michael von Bürgel bei der Besichtigung seines Klosters durch Nickel von Ende und Hans von Gräfendorf am 17. März 1526 eine solche Erklärung, in der es heißt, dass er dem Kurfürsten und seinen Räten gelobe, ihnen niemals den Vorwurf zu machen, gewaltsam aus dem Kloster verdrängt worden zu sein. Nicht dorthin zurückkehren zu wollen, entspräche seinem freien Willen. Vgl. WOLFRAM, Regesten zu Urkunden von Stadt und Kloster Bürgel, S. 227, Nr. 582. In Anbetracht der Tatsache, dass Abt Michael, wie die Visitation von 1528 zeigte, dem katholischen Glauben treu blieb und weder seine „Kappe“ ablegte noch das Lesen der Messe einstellte, lässt sich vermuten, dass er wohl nicht freiwillig verzichtet hatte. Offenbar hatten ihn die Räte Johanns mit einigen Zugeständnissen gelockt. Vgl. ebd., S. 235, Nr. 601.
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schaft des stark verwirrten und verunsicherten gemeinen Mannes geführt hatte.5 Dem galt es nicht nur durch Strafen und Sühnemaßnahmen entgegenzutreten, sondern vor allem durch die Vereinheitlichung von Lehre und Gottesdienst. Dabei lieferten die Appelle Nikolaus Hausmanns an Kurfürst Johann, anstelle des untätigen Naumburger Bischofs das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, um die eingerissenen Missstände abzustellen, den nötigen theologischen Rückhalt für die angestrebte obrigkeitliche Regulierung der reformatorischen Bewegung.6 Dass Luther, dessen Lehrmeinung nun in Kursachsen für allgemein- und alleingültig erklärt wurde, diesen Plänen nach einer obrigkeitlichen Lehraufsicht skeptisch gegenüberstand, spielte dabei keine Rolle. So setzte man ab Beginn des Jahres 1526 die Visitationen nach dem „Weimarer Modell“ fort, bei welchen man Lehre und Lebenswandel der Geistlichen überprüfte, ohne sich Besoldungsfragen zu widmen, wie Luther es forderte. Es ist davon auszugehen, dass diejenigen Theologen, die dabei als Visitatoren herangezogen wurden, der Idee einer obrigkeitlichen Lehraufsicht positiv gegenüberstanden. Auch wenn Johann als Fürst die Möglichkeit nutzte, per Befehl die Reformation in seinen Landen einzuführen, wie er es beispielsweise am 17. August 1525 in Weimar tat, so stützte er sich in allen Fragen, die Lehre, Lehraufsicht, Gestaltung des Gottesdienstes und des Gemeindelebens anbelangten, sowie bei der Auswahl geeigneter Prediger, die es überhaupt erst ermöglichten, Kirche und Gemeinde im reformatorischen Sinne zu gestalten, auf die kursächsischen Theologen. Hierbei wirkte es sich insgesamt äußerst positiv aus, dass die von Johann angestrebten innenpolitischen Ziele, nämlich die Ausbreitung des Evangeliums in Kursachsen voranzutreiben, die Reinhaltung der lutherischen Lehre durch das Zurückdrängen katholischer und abweichender evangelischer Predigt zu sichern und erste Strukturen für den Aufbau einer Landeskirche sowie eines leistungsfähigen Kirchen- und Schulwesens zu schaffen, sich im Wesentlichen mit jenen seiner führenden Theologen deckten. Allerdings trugen rechtliche Unsicherheiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen Fürst und Theologen bezüglich der Vorgehensweise dazu bei, dass sich zunächst viele Maßnahmen verzögerten oder über einen langen Zeitraum hinzogen. So war Johann darauf bedacht, sich zunächst in grundsätzlichen Fragen zu einigen, die häufig in Zusammenhang mit finanziellen Interessen standen, ehe er die Ausgestaltung und Umsetzung der Maßnahmen weitgehend frei den Wittenberger Theologen und seinen juristischen Räten überließ. Auch wenn man durch die seit dem späten Mittelalter geübte Praxis des 5
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Nikolaus Hausmann liefert in seinem zweiten Gutachten vom Mai 1525 dazu die perfekte Argumentationsgrundlage. Ohne Umschweife illustriert er am Beispiel Zwickaus die Folgen uneinheitlicher Predigt, die sich leicht auf das ganze Kurfürstentum übertragen ließen: Unsicherheit in der Bevölkerung und Spaltung der Gemeinde, Umstände, die zwangsläufig zu Unruhe und Aufruhr führen. Vgl. PRELLER, Nicolaus Hausmann, S. 363–379. Vgl. ebd.
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landesherrlichen Kirchenregiments durchaus über Erfahrungen mit Eingriffen in Kirchengut und Frömmigkeitsformen verfügte und man dies nun gewissermaßen konsequent ausbaute, agierte man vorsichtig und behutsam. Der Tatendrang und unbedingte Gestaltungswille, wie ihn Philipp von Hessen mit der Einberufung der Homberger Synode im Oktober 1526 und der kurz darauf erarbeiteten Kirchenordnung für Hessen an den Tag legte,7 war Kurfürst Johann fremd. Auch in dieser Hinsicht fielen die Ansichten Luthers nach einer behutsamen und schrittweisen Vorgehensweise bei der Einführung der Reformation günstig mit der Haltung und dem Wesen des Kurfürsten zusammen. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass sich Johann über seinen eigenen Glauben hinaus keinerlei theologische Kompetenz zumaß.8 So sah er sich als Laie als nicht ausreichend kompetent an, um zu eigenständigen Beurteilungen und Bewertungen religiöser Lehr- und Streitfragen zu kommen. Entsprechend kritisch standen er 7
8
Nach dem Speyerer Reichstag 1526 lud Landgraf Philipp die hessischen Stände nach Homberg, um sich dort gemeinsam über die Grundsätze zur Einführung der Reformation in der Landgrafschaft zu einigen. Bei dieser Gelegenheit sollten die Altgläubigen von der Überlegenheit der evangelischen Lehre überzeugt und damit die Grundlage geschaffen werden, welche die Obrigkeiten zur Vornahme von reformatorischen Maßnahmen legitimierte. Nachdem in Homberg die Einführung der Reformation mit großer Mehrheit beschlossen worden war, setzte man einen Ausschuss ein, der eine Reformationsordnung, welche die Ausgestaltung des evangelischen Kirchenwesens regeln sollte, ausarbeitete. Luther, dem die Kirchenordnung zur Begutachtung übersandt wurde, lehnte diese mit der Begründung ab, dass es für ein solches von oben verordnetes Regelwerk zu früh sei und man damit die Menschen überfordern würde. Philipp nahm den Rat Luthers an und setzte die Kirchenordnung nicht in Kraft, sondern beschritt den kursächsischen Weg, die Reformation schrittweise über Visitationen einzuführen. Vgl. dazu grundlegend Wilhelm SCHMITT, Die Homberger Synode und ihre Vorgeschichte, Homberg 1926. Als einzige Punkte der Kirchenordnung wurde die sofortige die Säkularisierung der hessischen Klöster und die Gründung der Universität Marburg als Ausbildungsstätte für evangelische Geistliche umgesetzt. Vgl. Wilhelm WOLFF, Die Säkularisierung und Verwendung der Stifts- und Klöstergüter in Hessen-Kassel unter Philipp dem Großmütigen und Wilhelm IV. Ein Beitrag zur deutschen Reformationsgeschichte, Gotha 1913. So zeigt der Inhalt des von Johann eigenhändig angelegten Betbüchleins, dass es vor allem populäre, evangelische Volksschriften waren, an denen er sich im Glauben orientierte. Vgl. Forschungsbibliothek Gotha, Memb. II 150. Einen Gegensatz dazu bildeten die benachbarten Fürsten Herzog Georg von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen. Sowohl Georg, der tatsächlich aufgrund seiner zunächst angestrebten geistlichen Karriere über eine umfassendere theologische Bildung verfügte als die Mehrheit der weltlichen Fürsten, als auch Landgraf Philipp, der sich durch die eigene Lektüre der Heiligen Schrift selbstbewusst dazu in der Lage fühlte, auch persönlich Stellung zu theologischen Sachfragen zu nehmen, versuchten, Luther auf Augenhöhe zu begegnen. Auch die intensiven Auseinandersetzungen, die Georg und Philipp um den evangelischen Glauben führten, zeugen davon, dass sich beide durchaus ein eigenes theologisches Urteilsvermögen zutrauten.
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und seine Berater den theologischen Urteilen Landgraf Phillips gegenüber, der sich auch nicht scheute, Luther zu widersprechen.9 Vor allem in der Außen- und Reichspolitik sollte jedoch das Bündnis zwischen diesen beiden sehr ungleichen Fürsten von entscheidender Bedeutung für Kurfürst Johann und Kursachsen werden. Objektiv betrachtet verband beide bis auf den Umstand, Vorreiterpositionen beim Aufbau einer evangelischen Landesherrschaft einzunehmen, wenig. Zwar waren Hessen und Sachsen seit langer Zeit durch eine Erbeinung miteinander verbunden, allerdings war es im Zuge des hessischen Erbfolgestreits zu einer Entfremdung mit Kursachsen gekommen. Erst mit der Hinwendung Philipps zur lutherischen Lehre im Sommer 1524 näherte man sich wieder an und wurde schließlich zu Bündnispartnern. Doch allein der Alterunterschied zwischen beiden Männern, der immerhin fast 36 Jahre betrug, bedingte gravierende Unterschiede in Temperament, Politikverständnis und Wesensart. Während Johann einen ruhigen und abwägenden, bisweilen auch abwartenden Politikstil pflegte, lässt sich das Handeln Philipps in dieser Zeit als äußerst aktiv, ambitioniert und streckenweise als riskant und rastlos charakterisieren. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass auch der Lebensstil Philipps wenig Anklang am kursächsischen Hof fand. Zwar war Johann den Geselligkeiten und Belustigungen der Zeit durchaus nicht abgeneigt,10 seine Lebensführung lässt sich jedoch als fromm und sittlich tadellos beschreiben.11 Dem gegenüber standen die sexuellen Ausschweifungen des jungen Landgrafen, die in späteren Jahren in einer verhängnisvollen Doppelehe und Krankheitssymptomen, die von Geschlechtskrankheiten herrührten, ihren Ausdruck fanden.12
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Vgl. beispielsweise die Reaktion Philipps auf die ablehnende Haltung Luthers bezüglich eines Präventivschlags im Rahmen der Pack’schen Händel 1528, WA Br, Bd. 4, Nr. 1246 (Nachgeschichte); S. 425–429 (Philipp an Luther, ca. 11. April 1528). 10 So nahmen Johann und seine Familie regelmäßig an den Fastnachtsfeierlichkeiten, die häufig an Turniere und Schützenfeste gekoppelt waren, in verschiedenen ernestinischen Städten teil. Vgl. STEPHAN, Friedrich der Weise, S. 486, Anm. 871, 865. Auch die regelmäßigen und teilweise ausgedehnten Jagdaufenthalte auf den Schlössern Heldburg und Hummelshain spielten im gesellschaftlichen Leben eine große Rolle. So frönte man dort, häufig gemeinsam mit anderen Fürsten, nicht nur der Jagd, sondern auch dem Entenschießen und dem Würfelspiel. Die mitunter extrem hohen Ausgaben für Speisen und Getränke zeigen, dass man leiblichen Genüssen äußerst zugetan war. Vgl. Eduard FRITZE, Die Veste Heldburg, Jena 1903, S. 3, FÖRSTEMANN, Hofstaatsrechnungen, S. 39, 59. 11 Diese sittliche Erhabenheit, die im schroffen Gegensatz zu anderen Fürsten stand, unterstrich auch Georg Spalatin in der Lebensbeschreibung Johanns, wenn er hervorhebt, „das dieser Churfürst bis auf sein erst ehelich Beilager nie keines Weibs sei schuldig worden“. STRUVE, Neu-Eröffnetes Historisch- und Politisches Archiv, 3. Teil, S. 46. 12 Zur Doppelehe Philipps von Hessen vgl. Stephan BUCHHOLZ, Die Doppelehe des Landgrafen, in: Ursula BRAASCH-SCHWERSMANN (Hg.), Landgraf Philipp der Großmütige 1504–
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In der Außen- und Bündnispolitik vertrat Johann klare Grundsätze, die sich mit denen Landgraf Philipps nur bedingt deckten. So stellte das Streben nach Anerkennung des Evangeliums lutherischer Prägung ebenso wie die Friedenssicherung und das Ziel, einen Bruch mit dem Kaiser und den Ständen des Reichs zu vermeiden, die Leitlinien des politischen Handelns Johanns dar. Die die kursächsische Bündnispolitik bestimmende Forderung Johanns, dass dem Abschluss eines evangelischen Bündnisses ein einheitliches Bekenntnis vorhergehen müsse, folgte seiner Überzeugung, dass es sich bei der Lehre Luthers um die einzig wahre und richtige handele. Zweifellos nutzte man nach den Pack’schen Händeln diese Prämisse auch geschickt dazu, um die ambitionierten Pläne des dogmatisch flexiblen Landgrafen, eine möglichst umfassende und starke evangelische Partei im Reich zu begründen, auszubremsen. Denn spätestens die Ereignisse 1528 hatten die Absicht des Hessen, mithilfe des Evangeliums (antihabsburgische) Politik zu machen, klar hervortreten lassen. Diese Bestrebungen war Johann lange nicht bereit mitzutragen, zumal sie seinen friedenswahrenden Intentionen klar widersprachen. Doch obwohl ihm seine herausragende Stellung als Kurfürst im Reich zahlreiche Verhandlungsspielräume gewährte und seine ausgezeichnete Reputation unter den Reichsständen manches Entgegenkommen ermöglichte,13 musste Johann bis zur Gründung des Schmalkaldischen Bundes immer wieder die Erfahrung machen, dass die Zusammenarbeit mit dem jungen Landgrafen alternativlos war. Doch sowohl das innerevangelische Scheitern um ein einheitliches Bekenntnis als auch die Tatsache, dass es trotz hoher Verhandlungs- und Kompromissbereitschaft Johanns nicht möglich gewesen war, auf den Reichstagen mit der katholischen Ständemehrheit zu einer dauerhaften und friedlichen Lösung in der Religionsfrage zu kommen, die eine Reform der Kirche einschloss, bedingten, dass sich am Ende Philipp von Hessen mit seiner Forderung nach politischer Einheit aller Evangelischen in Form eines Verteidigungsbündnisses durchsetzte. Vor diesem Hintergrund wirken die vergeblichen Bestrebungen Johanns, die Aufnahme der Städte, die dem Abendmahlsverständnis Zwinglis zuneigten, zu verhindern, engstirnig und dogmatisch, seine langen Verzögerungstaktiken, um den weitreichenden Bestrebungen Philipps entgegenzuwirken, unentschlossen und hemmend. 1567. Hessen im Zentrum der Reform, Begleitband zu einer Ausstellung des Landes Hessen, Marburg 2004, S. 113–116. 13 Zweifelsohne partizipierte Johann dabei auch von der ausgezeichneten Reputation, die sich Friedrich der Weise während seiner Regentschaft bei den Reichsständen erarbeitet hatte. Offenbar gelang es Johann, dieses positive Bild auch auf sich selbst zu übertragen, sodass sein Ansehen im Reich durch die Verwicklung in die Pack’schen Händel kaum Schaden nahm, da man offenbar den Gerüchten, dass es sich bei den Angriffsplänen um ein Vorhaben der beiden jungen Fürsten Landgraf Philipp und Herzog Johann Friedrich gehandelt habe, Glauben schenkte. Vgl. DÜLFER, Die Packschen Händel, S. 109f.
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Obwohl sich Johann nach dem Scheitern der genuin kursächsischen Ziele gezwungen sah, mit dem Schmalkaldischen Bund eine Bündnisform einzugehen, die man so nicht gewünscht hatte, bedeutete dies keineswegs, dass man sich aus der Gestaltung des Bündnisses zurückzog. Ganz im Gegenteil. Allerdings wurde diese Aufgabe zunehmend von Kurprinz Johann Friedrich wahrgenommen, sodass Johann insbesondere in der Bündnisfrage sowohl im Schatten Philipps von Hessen als auch Johann Friedrichs steht. Dies ist zweifellos Teil der Erklärung, weshalb Johann bisher so wenig (positive) Beachtung in der Forschung fand. Waren es also unter den Fürsten vor allem Landgraf Philipp von Hessen als Verbündeter und Herzog Georg von Sachsen als Gegenspieler diejenigen, welche das Handeln Johanns maßgeblich beeinflussten, kam innerhalb der Regierung einem überschaubaren Personenkreis die Hauptverantwortung für die Kirchenpolitik Johanns zu. Eine herausragende Rolle spielte dabei Gregor Brück, der ohne Zweifel als erfahrener Kanzler und Mittelsmann zwischen den Wittenberger Theologen und dem kurfürstlichen Hof die Leitlinien kursächsischer Kirchenpolitik maßgeblich bestimmte. Gemeinsam mit den in Reichsangelegenheiten nicht minder erfahrenen Hans von Minkwitz, Hans von Dolzig und Christoph von Taubenheim stand Brück für eine konsequent evangelische Politik, die sich jedoch an der vorsichtigen und nüchternen Haltung Friedrichs des Weisen orientierte und den Blick selten über das politisch Machbare hinaus richtete. Kurprinz Johann Friedrich, Graf Albrecht von Mansfeld und der „junge“ Kanzler Christian Beyer, denen ein ebenfalls nicht zu unterschätzender Einfluss auf die Entscheidungsfindung Johanns eingeräumt werden kann, vertraten dagegen eher ambitioniertere und visionäre Ziele, die den Vorstellungen eines Philipp von Hessen näherstanden. So gehen die ersten aktiven Bündnisbestrebungen Kursachsens mit anderen evangelischen Ständen klar auf die Initiative Albrechts von Mansfeld zurück. 14 Im Allgemeinen gelang es jedoch Gregor Brück, sich mit seinen Ansichten, teilweise gestützt von den Wittenberger Theologen, bei Johann durchzusetzen. Beim Aufbau evangelischer Strukturen in Kursachsen waren es in erster Linie die Visitatoren, auf die Johann seine Kirchenpolitik stützte, da sie auch nach Abschluss der Visitation für den Kurfürsten erste Ansprechpartner blieben, wenn es zu Problemen bezüglich der Umsetzung der angeordneten Maßnahmen kam. Auch wenn Kurfürst Johann in vielen Fragen der Reichs- und Außenpolitik aufgrund mangelnder Erfahrung und in Anbetracht der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen in besonderem Maße auf die Hilfe erfahrener Räte angewiesen war, steht für mich außer Frage, dass Johann an allen religions- und bündnispolitischen Entscheidungen persönlichen Anteil hatte. Um sich selbst ein 14 Vgl. dazu die Abschnitte 6.1.–6.3.
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Bild machen zu können, ließ er dafür, wie andere Fürsten der Zeit auch, zu schwierigen Fragen von verschiedenen Seiten Gutachten einholen. Dass sich dadurch Entscheidungsprozesse mitunter unverhältnismäßig in die Länge zogen, kritisierte Kurprinz Johann Friedrich immer wieder.15 Ohne Zweifel waren die innen- und außenpolitischen Fragen der Religionspolitik eine Herzensangelegenheit Johanns, in welche er das Gros seiner Kraft und Zeit investierte.16 Die Klagen der Stände auf dem Landtag 1531 über die schlechte Haushaltsführung des Fürsten und die Reformabsichten des Kurprinzen Johann Friedrich von Regierung und Verwaltung zeigen jedoch, dass Johann darüber die ihm ohnehin lästige Verwaltungsarbeit sowie ordnungs- und finanzpolitische Fragen während seiner Regierungszeit stark vernachlässigte. Es ist davon auszugehen, dass er diese Felder ohne größere Kontrolle seinen Räten und Beamten überließ. Offenbar erleichterte ihm ein gewisses Maß an Vertrauensseligkeit und Leichtgläubigkeit die Abgabe der Verantwortung in diesen Bereichen zusätzlich. Dass unter diesen Umständen Misswirtschaft und Bereicherung Tür und Tor geöffnet waren, versteht sich von selbst. Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass es sich bei Kurfürst Johann um einen selbstbewussten und entschlossenen Kirchenpolitiker handelt, der seine politischen und religiösen Grundsätze hart verfochten hat. Dennoch beschränkt sich seine historische Anerkennung bis heute darauf, das im Rahmen der Reformationsbewegung Erreichte gesichert und ausgebaut zu haben. Da man jedoch gerade in der sächsischen Reformations- und Landesgeschichtsschreibung seit Langem davon ausgeht, dass die Förderung der Reformation sowieso ganz objektiv im Interesse des Territorialstaates lag,17 betrachtete man diese Leistung Johanns offenbar als selbstverständlich. So wurde seine kurze Alleinregierung von gut sieben Jahren lediglich als Bindeglied zwischen den langen und ereignisreichen Regentschaften seines Vorgängers Friedrichs des Weisen und seines Nachfolgers Johann Friedrichs des Großmütigen betrachtet. Und obwohl Kurfürst Johann nach dem Prestige- und Vertrauensverlust Landgraf Philipps aufgrund seiner aggressiven Vorgehensweise in den Pack’schen Händeln mehr denn je für die Glaubwürdigkeit der evangelischen Sache stand, wurde der Hesse in der
15 So beispielsweise in einem Schreiben Johann Friedrichs an Hans von Dolzig vom 14. Oktober 1530. Vgl. UBGRA, Bd. 2, Nr. 252. 16 So nimmt die Sorge um den Erhalt des Evangelium großen Raum im zweiten Testament Johann vom 25. August 1529 ein. Vgl. LATh-HStA Weimar, Urkunde 679, fol. 1r–16r. 17 Vgl. Karlheinz BLASCHKE, Wechselwirkungen zwischen der Reformation und dem Aufbau des Territorialstaates, in: DERS., Beiträge zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Sachsens, Leipzig 2002, S. 435–452.
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Geschichtswissenschaft zum eigentlichen Führer der evangelischen Reichsstände stilisiert.18 Hinzu tritt der Umstand, dass man aus den unbestreitbaren Defiziten, die es während der Regierung Johanns in Verwaltung und Landesorganisation gab, Rückschlüsse auf seine Befähigung als Regent allgemein zog. Zu Unrecht maß man ihm bei der politischen Entscheidungsfindung kaum Bedeutung zu und schätzte den Einfluss, welchen die Wittenberger Theologen auf das Regierungshandeln Johanns ausübten, als viel zu hoch ein. So formte sich im Laufe der Zeit ein verzerrtes Bild von Johann, das ihn als unentschlossenen, blassen und fremdbestimmten Herrscher zeigt, der lediglich vom Vermächtnis Friedrichs des Weisen partizipierte. Ich hoffe, dass es mir im Rahmen dieser Arbeit gelungen ist, dieses Bild ein Stück weit zu revidieren und die Leistung Johanns, die er in seiner kurzen Regierung unter Nutzung der Erfahrung seiner juristischen Räte, der Autorität der Wittenberger Theologen sowie seiner Machtposition innerhalb des Reichs vollbracht hat, ausreichend zu würdigen.
18 Als besonders eindruckvolles Beispiel kann dabei die Ansicht Walter Heinemeyers gelten. Vgl. Walter HEINEMEYER, Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen – politischer Führer der Reformation, in: DERS., Philipp der Großmütige und die Reformation in Hessen, Marburg 1997, S. 175–184. Im Gegensatz dazu vgl. den wesentlich kritischeren Beitrag von Wilhelm Ernst WINTERHAGER, Philipp als politische Persönlichkeit, in: BRAASCH-SCHWERSMANN (Hg.), Landgraf Philipp der Großmütige 1504–1567, S. 1–15.
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS Anm. Bd. Bearb. c.f.G. d. Ä. d. J. ders. dies. Diss. E./Ew. E.L. ebd. f./ff. fl. fol. Gn. H. Hg. hz. Kap. kfl./kurf. ksl. masch. Mgf. Mt. N.F. o. D. r Reg. röm.-dt. S./Sp. s.l. v
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1. Ungedruckte Quellen Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar (Ernestinisches Gesamtarchiv) Reg. Bb, Nr. 4280, 4257, 4267 Reg. D, Nr. 54, 313 Reg. E, Nr. 106, 107, 108 Reg. H, Nr. 1, 2, 14, 19, 21, 33, 48 Reg. Ji, Nr. 97, 126, 132, 135, 162, 166, 173, 192 Reg. Kk, Nr. 1453 Reg. N, Nr. 17, 19, 35 Reg. Rr, S. 1–316, Nr. 12, 226, 344, 964, 1099, 1165, 1378, 1380, 1538, 1972, 2137, 2099, 2139, 2185 Reg. T, Nr. 90 Kopialbuch F. 14 Urkunden Nr. 674, 675, 676, 678, 679, 5424, 5425 Forschungsbibliothek Schloss Friedensstein Gotha Chart. B 1561 Stadtarchiv Leipzig Tit. (F) II A 1
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Ortsregister ORTSREGISTER
Das Register enthält alle im Text- und Fußnotenteil aufgeführten Orte. Geographische Landschaftsbezeichnungen sowie territoriale Bestandteile in Herrschaftstiteln wurden nicht aufgenommen. Ortsnennungen, die lediglich bibliographischen Angaben zugehören, wurden ebenfalls nicht erfasst. Aachen 36, 76 Allstedt 49, 64–66, 118–134, 145, 147, 151, 160–165, 178, 225, 254, 270, 280, 283 Altenburg 24, 34, 49, 55f., 60, 64, 72, 75, 79f., 84, 87, 92, 108, 112, 167, 182, 196, 208f., 214, 217, 292f., 300, 380, 407, 411, 423, 487 Annaberg-Buchholz 45, 132, 199, 220, 240 Arnstadt 354, 456, 468 Augsburg 57, 68, 73, 76, 78f., 88, 99, 101f., 107, 110, 137, 198, 286, 350f., 308, 322f., 325f., 341, 352–377, 385f., 388–391, 395, 399–401, 408, 445, 464, 468–476, 495f. Ballstedt 92 Bamberg 424 Berka 72, 430 Biberach 467, 476 Borna 160, 214 Bremen 476f. Breslau 101f., 397, 490 Bürgel 194, 321, 324, 500 Coburg 48f., 58, 61, 86, 88, 93, 100, 207, 274, 305–308, 317, 355f., 365 Colditz 48f., 54f., 440 Colmar 73 Cölln an der Spree 440 Cronschwitz 43, 321 Dessau 195, 384
Dresden 32f., 56, 77, 83, 98, 189, 230, 238, 253, 255, 281, 380, 406–408, 424 Eicha 25, 103f., 111, 320f. Eilenburg 48f., 85, 148–151, 225 Eisenach 62–64, 77, 132f., 152, 163, 171–182, 200, 202, 210, 212, 254, 274, 292, 308–312, 404, 406f., 429, 487 Erfurt 72f., 104, 109, 120, 135, 143, 197, 201f., 220, 267, 308, 379, 392 Felsberg 74 Frankfurt/Main 13, 36, 76, 84, 86, 97, 137, 168, 173, 392, 399–402, 478 Friedebach 101, 189 Friedewald 101, 387–391, 395 Georgenthal 73, 88, 180, 193, 320f., 324 Gotha 73, 85, 108, 180, 207, 236, 309f., 391–394, 399, 490 Gräfenhainichen 48f., 143, 299 Grimma 25, 32f., 48f., 220, 245 Grünberg 430 Hall in Tirol 172–174 Halle 34, 42, 118, 280 Halberstadt 41, 124–126, 252, 393, 416, 425 Heilbronn 462f., 467, 471, 476 Holzzelle 280, 283 Homberg 502
ORTSREGISTER
Hottelstedt 92 Innsbruck 38, 79, 99, 227, 355 Jena 25, 49, 53, 67, 109, 156, 163f., 205, 216f., 487, 499 Jerusalem 38 Jüterbog 114f., 119, 443f. Kahla 163, 205 Kapellendorf 49, 72 Kassel 71, 74f., 80, 90, 241, 394, 407, 414, 422f., 427, 431 Kemberg 169–171 Köln 39, 60f., 76, 85f., 99, 102, 135, 325, 376, 474 Königsberg in Franken 107, 305–307, 317 Königsberg 397 Konstanz 339, 365, 462f., 476 Kopenhagen 140, 437 Leipzig 32, 36, 54, 80, 83, 108, 135, 137f., 182, 220f., 251, 255–258, 267, 281, 394 Leisnig 49, 235, 318 Lindau 365, 463, 476 Linz 38 Lochau 10, 25, 49, 53, 97f., 115, 119, 122–124, 130, 132, 151, 169, 189, 251, 254, 298 Löwen 38, 85 Magdeburg 41, 237, 281, 326f., 392, 394–398, 401, 412, 416, 425f., 450f., 460, 476f., 479 Mailand 38 Mainz 71f., 173, 241, 330, 337, 374, 394, 405, 407, 425, 429, 492 Mallerbach 66, 120–125, 130 Marburg 74f., 80, 312, 404, 450f., 456f., 502 Marienthal 117 Memmingen 340, 365, 462f., 476 Meißen 25, 31f., 40, 49, 280
533 Merseburg 40 Mühlhausen 74, 133, 221, 237, 266– 278, 305, 414 Naumburg 40, 42, 44, 76f., 81, 190f., 208, 225, 229, 231, 233, 260, 271f., 289, 384, 452 Naundorf 120f., 124 Neumark 92, 96 Neustadt an der Orla 163, 205, 319 Nordhausen 76, 221, 266–268, 274f., 278, 314, 392, 429, 478 Nürnberg 77f., 93, 97, 102, 108–110, 120, 146, 151, 182, 224–229, 242f., 268, 291, 317, 330, 339, 341, 348, 354– 358, 368, 370, 376, 379f., 386–388, 391f., 395, 399f., 410f., 433f., 446f., 449f., 455, 457–484, 490f., 495f. Orlamünde 49, 64, 72, 135f., 154–166, 178, 205, 285, 487 Ottmannshausen 92 Plauen 49 Prag 111, 118, 423–425, 443 Reutlingen 368, 403, 463, 467, 471, 476 Regensburg 99f., 287, 400f., 426, 443, 479, 481 Reinhardsbrunn 180, 193f., 309, 313, 320f., 324 Rochlitz 34 Rodach 436, 448–454, 464 Rom 45, 84f., 135–139, 199, 227, 328 Römhild 423 Saalfeld 49, 72, 102, 107, 189, 193, 224f., 283–286, 321, 383, 390, 450– 455, 480, 494 Schleiz 456f., 460 Schmalkalden 75, 110, 311–316, 426, 429, 458–466, 473–479, 495, 497 Schneeberg 78, 81, 87, 132, 161, 182, 185, 221, 230, 232, 246–266
ORTSREGISTER
534 Schwabach 450, 452–458, 468 Schweinfurt 100, 107f., 166, 456, 480– 482 Schweinitz 9f., 25, 49, 123, 251, 298 Seegrehna 145, 168 Speyer 68, 78, 98–100, 102, 107, 110, 169, 207, 215, 236–239, 245, 276f., 281f., 284, 286, 300, 312, 325–352, 354, 359, 366, 377, 379f., 386, 391f., 395–403, 421, 423f., 432, 435–438, 446f., 449, 451, 454, 459, 462, 464, 479, 489, 493f., 502 Staßfurt 425 Straßburg 110, 167, 338, 341, 347, 350, 365, 388, 392, 399, 401, 434f., 437, 446, 449, 452, 455, 458–466, 476, 478f., 494 Torgau 10, 25–27, 32, 36, 45f., 48f., 52– 54, 56, 60, 93, 98f., 103, 11 ,117, 170, 195f., 206f., 217, 239f., 250, 292f., 299, 302, 323–325, 390, 394, 397, 404, 411, 420–422, 426, 440–445, 454, 460, 472– 474, 481, 496 Treysa 74 Ulm 110, 338, 341, 388, 399, 401, 434, 449, 455, 458–464, 476, 479, 494 Vacha 314
Venedig 38 Weida 43f., 49, 216 Weimar 17, 24, 28f., 46, 49f., 53–67, 70–74, 78f., 81–83, 86, 88f., 91f., 96– 98, 105, 109, 111, 116, 118f., 121–123, 128–133, 145f., 154, 163–166, 171, 173–187, 191–193, 196–214, 225, 232, 328, 244, 248–251, 269f., 273, 285, 289f., 320f., 327, 338, 382, 407–411, 416f., 419–424, 438, 445, 501 Wilsnack in der Prignitz 25 Wittenberg 10, 13, 22f., 25, 48f., 54f., 59–61, 64f., 68, 78, 85, 94, 96f., 103f., 108f., 113f., 135f., 140–163, 168, 170, 173, 177, 179, 193, 196f., 204–206, 212, 217, 223, 249, 260, 276, 291–298, 311, 356, 375, 383, 413, 420, 438, 445f., 452f., 485f., 488, 493 Worms, 39, 57, 60, 62, 76, 78, 102, 105, 140, 222, 224, 325, 392, 432, Würzburg 173, 241, 339, 422–424, 428f. Wurzen 42, 234, 252f., 263 Zeitz 72, 83f., 115, 117, 188, 190f., 233 Zwickau 26, 46, 56f., 79, 81f., 115–118, 167, 182–197, 208, 223, 232, 251, 260, 302, 305, 323, 438, 501
Personenregister PERSONENREGISTER
Das Register verzeichnet mit Ausnahme von Johann dem Beständigen und Martin Lurther die Namen aller im Textteil erwähnten Personen. Alle im Fußnotenteil erwähnten historischen Persönlichkeiten wurden ebenfalls erfasst. Jedoch ist darauf verzichtet worden, die Namen der Personen aufzunehmen, auf die im Fußnotenteil nur im Kontext der Forschungsdiskussion rekurriert wird. Ebenso wurden alle Personennamen, die lediglich in bibliographischen Angaben erscheinen, nicht verzeichnet. Ackermann, Wolfgang 247–249 Adam von Fulda 21 Adolf von Anhalt, Bischof von Merseburg 87, 101, 105, 137, 210, 221, 227, 305, 488 Agricola, Johann 197, 201, 297, 328, 337, 356, 364 Albrecht, Erzbischof von Magdeburg und Mainz 72, 226, 240f., 275, 278, 280, 284, 366, 383f., 404–406, 416, 418, 425, 429f., 437, 441, 479, Albrecht, Graf von Mansfeld 98, 102, 245, 265, 279–287, 321, 328, 334, 337, 348, 369, 374f., 380f., 386–388, 392f., 396, 398–401, 405, 410–413, 425f., 451, 472, 474, 476, 505 Albrecht VII., Herzog von Mecklenburg 366 Albrecht der Beherzte, Herzog von Sachsen 32, 37, 83, 219, 246 Albrecht von Preußen 101, 111, 392, 397, 413 Albrecht von Sachsen, Bruder Johanns 32, 34, 37 Amandus, Georg 132, 229, 232, 249– 262, 266 Amsdorf., Nikolaus von 139, 141, 143, 146, 149, 208, 356, 453 Anna von Gilsa 90 Anna von Mecklenburg Landgräfin von Hessen, 74f., 80, 90
Antinger, Conrad 449 Barmin IX., Herzog von Pommern 385, 392f. Baumgart, Martin 184–186 Baumgartner, Hieronymus 371, 446, 481, 496 Beckmann, Otto 143 Berlepsch, Hans von 80, 181, 200, 282 Berlepsch, Sittich von 180, 276, 406 Besserer, Bernhard 344, 434, 449, 458 Beyer, Christian 98, 108–111, 141– 145, 148f., 195, 328, 337, 355, 361, 447, 455, 460, 463, 466–468, 474, 477, 505 Blank, Christoph 296 Bodenstein, Andreas Karlstadt, Andreas Boyneburg, Ludwig von 75, 80, 90, 98, 102, 313, 337 Boyneburg, Sigmund von 392, 449, 451f., 457f., 482 Brambach, Urban 122 Brandenstein, Ewald von 98, 423 Brenz, Johannes 312, 371, 467 Brück, Gregor 56, 62–64, 66, 68, 70, 77, 98f., 102, 104–111, 128, 141, 151, 156, 165, 170f., 175, 177, 181, 191, 193–195, 204, 206, 210f., 213, 216, 224–226, 234, 242, 297, 302, 328f., 332, 337, 340f., 345–350, 354, 357f.,
536 360, 367f., 370–375, 410f., 415, 425, 432, 434, 454f., 460f., 464, 466, 468f., 471f., 474, 476, 479–482, 487, 489, 492, 495, 505 Buchführer, Michael 156 Bugenhagen, Johannes 217, 292, 296f., 303, 349, 353, 417, 460f., 496 Bünau, Günther von 74f., 80, 98, 217, 236, 238, 250, 252, 276 Bünau, Heinrich d. Ä. von 53 Bünau, Rudolf., von 74, 80 Cajetan, Thomas 57, 137, 198 Camerarius, Joachim 370, 400, 410, 446, 492, 494, 496f. Campeggio, Lorenzo 364, 380 Carlowitz, Georg von 132, 250, 254 Casimir, Markgraf von BrandenburgAnsbach 192, 231, 380, 383f., 386, 390f., 395–397 Caspar, Graf von Mansfeld 286 Christian II. von Dänemark 111, 119, 140, 186, 438f., 440, 443 Christine von Sachsen, Schwester von Johann 33 Denck, Hans 305f. Dietz, Ambrosius 88 Dölsch, Johann 139, 141–143, 147– 149 Dolzig, Hans von 22f., 48–51, 68, 96– 100, 102, 107, 111, 200, 274, 293– 297, 337, 354f., 374, 407, 413f., 416, 440, 455, 468, 471, 474, 480, 491, 495, 505f. Döring, Balthasar 307 Draco, Johannes 214 Dungersheim, Hieronymus 56, 153, 274 Ebeleben, Georg von 133, 382 Eck, Johann 61, 137f., 221, 356 Eck, Leonhard von 340
PERSONENREGISTER
Egranus, Johannes 115, 117f., 139, 182 Ehinger, Hans 340, 459 Einsiedel, Hugold von 109, 145, 147f., 150f., 200 Eisermann, Johann 143, 149 Elisabeth von Bayern, Mutter Johanns 32f., 37 Elisabeth, Kurfürstin von Brandenburg 10, 417, 437–445 Elisabeth von Rochlitz, Herzogin von Sachsen 90, 236–238, 281f., 323, 405, 430, 441 Ende, Heinrich von 46, 71, 76, 81–84 Ende, Nickel von 10, 23, 81, 86–89, 92–94, 96, 98, 207, 233f., 248f., 262, 276, 320f., 365, 500 Enno II., Graf von Ostfriesland 281f. Erasmus von Rotterdam 21 Erich, Bischof von Osnabrück 396, 451 Ernst, Graf von Mansfeld 119f., 279f. Ernst I., Herzog von BraunschweigLüneburg 54, 281, 328, 337, 353, 370, 383, 396, 409, 413f., 449, 451, 476f., 479 Ernst von Magdeburg, Erzbischof 21, 23, 34, 41, 72, 100 Ernst von Sachsen, Kurfürst, Vater Johanns 9, 31, 33f., 37 Fabri, Johann 334 Falkenstein, Arnold von 88, 93, 368 Falkenstein, Christoph von 87, 382 Feige, Johann 102, 314, 388, 480 Feilitzsch, Fabian von 46, 71f., 79, 81, 84–86, 105 Feilitzsch, Philipp von 76f., 101, 326f., 335, 348, 379, 386, 389f., 396, 401 Ferdinand, röm.-dt. König 99, 102, 107, 110f., 227, 229, 282–285, 287, 329f., 333–340, 346–351, 358, 370,
PERSONENREGISTER
372, 376, 386f., 389f., 398, 403–407, 410, 416, 421–423, 425, 427, 429–432, 436f., 443–445, 459, 467, 473f., 479f., 483, 490, 497 Franz, Herzog von BraunschweigLüneburg 21, 60, 161, 193, 281, 328, 396, 441 Friedrich II. von Liegnitz 392, 413 Friedrich der Weise, Kurfürst von Sachsen 9–14, 17f., 20–29, 31, 34– 54, 56f., 59–62, 66, 68–87, 90–94, 96–98, 100f., 105, 109, 113f., 117– 160, 162, 164, 167, 171, 178, 180f., 183, 188–190, 196–199, 210, 212f., 219–232, 244, 250–258, 261, 266, 272, 289, 291, 296f., 319f., 325f., 343, 348, 376, 379, 382f., 398, 415, 438, 485–489, 499, 505–507 Friedrich, Herzog von Sachsen, Georgs Bruder 41 Friedrich d. J., Herzog von Sachsen, Georgs Sohn 41 Friedrich III., röm.-dt. König 34,38 Friedrich II., Pfalzgraf 226, 334, 359, 374 Forster, Johann 341, 343, 346, 348f Forster, Valten 23 Förster, Ludwig 331 Gebhard, Graf von Mansfeld 280f., 451, 476 Georg, Graf von Wertheim 63, 173, 335, 343, 391 Georg I., Herzog von Pommern 393 Georg der Bärtige, Herzog von Sachsen 18, 20, 29, 31f., 41–45, 56, 73–80, 87, 90, 98, 105, 122, 129, 132, 137, 146, 151f., 169, 193f., 210, 219– 287, 289, 305, 308f., 328, 366, 380, 382–385, 393, 403–409, 412, 414, 416, 424–426, 429–431, 437f., 440– 445, 488f., 500, 502, 505
537 Georg, Markgraf von BrandenburgAnsbach 312, 316, 339, 341, 343, 346f., 353, 357f., 370, 372–377, 397, 410f., 418, 435f., 448–457, 460, 462, 467, 476, 494 Glapio, Johann 62, 105 Glatz, Kaspar 162, 164, 167 Glitzsch, Konrad 154–157 Göde, Henning 72f., 104, 139 Goldacker, Diezmann 214f. Gotsmann, Kuntz 102, 306, 337, 422f. Gräfendorf, Hans von 88, 91, 98, 128, 216, 231, 258, 295f., 320f., 384, 397, 500 Grau, Johannes 205f. Greifenklau, Richard von, Erzbischof von Trier 84, 339, 390, 409, 426 Groß, Christoph 236, 286, 400, 474 Günther, Franz 114f. Günther, Graf von Mansfeld 280f. Haferitz, Simon 65, 120, 132 Haubitz, Asmus von 216f. Hausmann, Nikolaus 114, 182–195, 247, 251, 295, 303, 438, 501 Heinrich, Graf von Nassau 354 Heinrich II., Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 20, 102, 230f., 327, 349, 366, 384f., 393f., 434 Heinrich I., Herzog von Braunschweig-Lüneburg 34, 383 Heinrich V., Herzog von Mecklenburg 281, 353, 390, 393, 396, 401, 409, 413f., 451 Heinrich der Fromme, Herzog von Sachsen 24, 74f., 80, 90, 208, 242 Heinrich Reuß XIII. von Plauen 68, 300 Heller, Sebastian 367, 371–373 Herren von Gera 68, 300 Hirschfeld, Bernhard von 200
538 Hisolidus, Matthäus 209, 211, 269 Hofer, Nikolaus 117 Hornung, Katharina 437, 440 Hornung, Wolf 438 Hoyer, Graf von Mansfeld 80, 241, 279f., 284, 429 Hund, Burkhard 67, 178, 212f. Hund, Otto 414 Hundt, Hans 38 Hüpler, Georg 449 Hut, Hans 304–306, 308 Innocenz VIII., Papst 45 Isserstedt, Ernst von 53f. Joachim I., Kurfürst von Brandenburg 10, 226, 241, 284, 366, 374, 383f., 405, 431, 437–445, 469 Joachim II., Kurfürst von Brandenburg 77, 230, 380, 445 Johann Ernst, Herzog von Sachsen-Coburg 19, 46, 52 Johann Friedrich I., Kurfürst von Sachsen 9, 12, 18f., 21–17, 29, 31f., 37, 39, 41, 52–69, 76, 82, 87, 89, 92, 94f., 98–112, 119, 121f., 124–126, 134, 154, 161, 163–166, 171, 174– 178, 180, 186, 189, 191, 193, 199– 201, 204–211, 227, 237–240, 251f., 273, 277, 283, 286, 291f., 300, 303, 315, 322, 324f., 328, 337f., 347, 358, 360, 363, 367f., 370, 376, 381, 384, 387–389, 396f., 400, 404, 406–408, 415, 421–427, 433, 438, 441, 445, 448, 466, 469, 471, 474, 477, 480– 483, 487f., 504–506 Johann von Schönberg, Bischof von Naumburg 40, 72, 76 Jonas, Justus 111, 139, 141f., 149, 245, 280, 292, 296, 302f., 353, 356, 364f., 369, 372, 461, 472, 482 Julius II., Papst 45
PERSONENREGISTER
Kaden, Michel von 355f., 465, 474 Karl V., röm.-dt. König, Kaiser 58, 99, 102, 110, 246, 275, 280, 282–284, 322, 326, 331f., 335, 355, 358, 362f., 370, 376, 387, 394, 399, 403, 465, 479f., 483 Karlstadt, Andreas 63–67, 106, 114, 118, 133–173, 178, 193, 197, 209– 211, 221, 304, 308, 487, 493, 499f. Katharina, Schwester Karls und Ferdinands 60 Kemmerlin, Ulrich 35 Knaut, Ciliax 122f. Kolmatsch, Georg von 457f. Konrad von Thüngen, Bischof von Würzburg 307f., 405f., 418, 422, 426–429 Kospath, Antonius von 233, 259, 264 Kress, Christoph 358f., 449 Krosner, Alexius 54–56, 59 Leo X., Papst 84, 139 Link, Wenzeslaus 467, 496 Ludwig V., Kurfürst von der Pfalz 330, 374, 390, 398f., 403, 409, 426, 479 Ludwig X., Herzog von Bayern 339, 376 Margarethe von Sachsen, Tochter Johanns 9f., 116 Margarethe von Anhalt 10, 27, 46, 53 Margarethe von Österreich, Großmutter Johanns 33f., 37 Margarethe von Sachsen, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg 32, 383 Maria von Sachsen, Tochter Johanns 9f. Maximilian I., röm.-dt. König, Kaiser 13, 22, 36, 38f., 41, 69, 73, 79, 220 Melanchthon, Philipp, 10, 22, 106f., 110f., 118, 133, 141–143, 146f., 148,
PERSONENREGISTER
157, 164f., 182, 197, 201, 208, 216f., 236, 249, 286, 291f., 296f., 302, 310– 312, 337, 342, 350, 353, 356–372, 400, 417–421, 433–435, 446–448, 456, 460f., 468, 472, 487, 492–497 Menius, Justus 310 Metzsch, Hans 94, 98, 170, 195, 216, 298, 302 Metzsch, Konrad 116 Miltitz, Karl von 84–86 Minkwitz, Caspar von 98, 103, 413, 426 Minkwitz, Georg von 103, 111 Minkwitz, Hans von 9f., 58, 69, 87, 96, 100–104, 107, 111, 253, 285, 294, 296, 320, 326, 328, 337, 346, 369, 386, 389–391, 397, 400, 422f., 432f., 438f., 448–453, 455, 458, 462, 474, 477, 480, 505 Mochau, Anna von 145 Müntzer, Thomas 63–66, 114–134, 161f., 164, 171, 178, 182f., 193, 202, 209–211, 234, 249, 254, 267, 270– 272, 304f., 308, 310, 487, 500 Mutian, Conrad 21, 53f., 139 Mykonius, Friedrich 198f., 200f., 214, 309–311, 410 Nordeck, Johann 413, 449 Ökolampad, Johannes 433 Osiander, Andreas 317, 467 Oswald, Johann 152 Otto I., Herzog von BraunschweigLüneburg 54, 56, 193, 382f. Pack, Otto von 90, 98, 234, 241, 253, 281, 328, 336, 402–407, 410, 426, 430–432, 492 Pauli, Benedikt 98, 297f., 302, 441 Peraudi, Raimund 44, 210 Pfarrer, Mathis 345, 434, 450
539 Pfister, Johann 63f. Philipp I., Herzog von BraunschweigGrubenhaben 193, 281, 392f., 396, 451, 476 Philipp I., Markgraf von Baden 182, 339, 349f., 375, 388, 392, 401, 434 Philipp I., Landgraf von Hessen 18, 20, 67, 74, 78, 80, 90f., 95, 99, 101f., 106, 108, 230–232, 235–238, 240– 242, 270–275, 281f., 289, 312–316, 326–328, 336, 338f., 342, 344, 346f., 353f., 357f., 360, 365, 368f., 381f., 384–436, 441, 444, 446–448, 450– 482, 489–495, 502–505 Philipp, Pfalzgraf und Bischof von Freising und Naumburg 40, 190 Planitz, Christoph von der 98 Planitz, Hans von der 80, 98, 102, 111, 146, 216f., 226, 228f., 234, 236, 238, 254f., 258, 272, 276, 280, 336, 374, 376, 380, 382, 422, 425, 461, 474 Pfeiffer, Heinrich 267–272 Pfeffinger, Degenhart 96, 105 Pistoris, Simon 241, 412, 429 Reinboth, Johann 72f., 285 Reinhard, Martin 67, 163f., 166, 487, 499 Reißenbusch, Wolfgang 85, 98, 111, 245, 253, 320 Reppichau, Eck von 397 Reuber, Johann 143 Ribisen, Nikolaus 340 Richard von Greifenklau, Kurfürst von Trier 84, 339, 390, 392, 409, 426 Riedesel, Johann, 10, 56, 88, 89–96, 195, 198, 203, 320 Rinck, Melchior 312, 314 Römer, Hans 308 Rorer, Jakob 388 Rucker, Andreas 327, 330–334
540 Sachsen, Johann von der 72f., 77, 98, 194, 206, 225 Schade, Sebastian 71, 92, 201 Schertzer, Vitus 198 Schleinitz, Heinrich von 132, 244, 254 Schleinitz, Johann VII., Bischof von Meißen 101, 151, 222, 226f., 234, 305 Schleinitz, Vincenz von 40 Scheurl, Christoph 109, 243 Schleicher, Daniel 344, 434, 449, 458 Schrautenbach, Balthasar 101, 390f., 401 Schurff., Augustinus 10, 143, Schurff., Hieronymus 104, 141, 143, 149, 216f., 236, 280, 297, 486 Schwabs, Hans 121 Schwarzburg, Günther von 68 Schwarzburg, Heinrich von 236 Schwenckfeld, Kaspar von 171 Seckendorf., Caspar von 449, 451– 453 Sidonia, Herzogin von Sachsen 32, 241 Sibylle, Herzogin von Jülich und Kleve 57f., 240, 363, 404 Sophia, Herzogin von Mecklenburg 23, 36f., 52 Soranus, Laurentius 194f. Spalatin, Georg 9, 14, 19, 21f., 35, 37f., 53–55, 57, 59f., 64, 68, 85, 97f., 100, 104, 106, 115, 117f., 124, 129f., 134f., 138–141, 143, 146, 157, 162, 167–169, 173, 177, 200, 204, 208, 214, 217, 228, 291–297, 300, 303, 328, 332f., 356, 363f., 367, 369, 372, 382f., 404, 472, 480f., 486, 503 Spengler, Lazarus 371, 446, 459, 464, 467, 496 Spieß, Hans 88 Stamberger, Balthasar 88, 203
PERSONENREGISTER
Stein, Wolfgang 28, 59, 63f., 106, 114, 118, 126, 163f., 166, 173f., 175, 196– 208, 270 Storch, Nikolaus 146, 193, 209, 310 Straßen, Michael von der 214 Strauss, Jakob 62–64, 67, 106, 126, 133, 135, 164, 172–182, 192, 197, 202, 209, 211–213, 487f. Stübner, Markus 146, 193, 209 Sturm, Jakob 334, 340, 345, 347, 433f., 465, 475 Tann, Eberhard von der 312–315 Thun, Friedrich von 46, 71–84, 91, 98,100, 105, 206, 225, 230, 233f., 240, 254–256, 259, 328, 337, 380, 431 Thun, Georg von, Abt von Saalfeld 283f. Taubenheim, Christoph von (kursächsischer Rat) 10, 75, 80, 98, 100, 111, 243, 328, 337, 374f., 422, 425, 443, 474, 505 Taubenheim, Christoph von (herzoglich-sächsischer Rat) 111, 231, 241, 385,416, 429 Taubenheim, Hans von 51, 298 Tetleben, Valentin von 348 Tetzel, Johann 199 Tetzel, Christoph 340, 449, 473 Trott, Friedrich 343 Ulrich, Herzog von Württemberg 102, 403f., 406f., 471, 492 Valdés, Alfonso de 358–360 Vehus, Hieronymus 322, 366f., 372– 374 Vogel, Heinrich 211 Vogler, Georg 349, 359, 457, 459, 463f., 467, 475f.
PERSONENREGISTER
Vogt, Jakob 139 Voit, Johann 32, 91, 198–201, 203, 207f. Waiblingen, Rudolf von 385f. Waldburg, Georg Truchseß von 322, 366, 371f., 429f. Waldkirch, Balthasar von 102, 284– 286, 338 Warbeck, Veit 21, 28, 59–65, 68, 137, 161, 177, 204, 208, 487 Weigand von Redwitz, Bischof von Bamberg 205, 226, 405f., 418, 422, 424, 426–429 Weißenbach, Wolf von 46, 71, 74–76, 79–84, 87, 98, 116, 118, 233f., 248– 250, 252, 256, 258, 262, 423 Weitolshausen, Balthasar von Schrautenbach, Balthasar Westerburg, Gerhard 67, 166, 487, 499 Westhausen, Kaspar von 340 Wild, Stephan 143 Wildenfels, Anarg von 69, 77, 98, 100, 203, 280, 321, 392, 422, 430f., 455, 480
541 Wilhelm, Graf von Nassau 354f., 468 Wilhelm II., Graf von Neuenahr 354f., 468 Wilhelm II., Landgraf von Hessen 74f. Wilhelm III., Herzog von Sachsen 43 Wilhelm IV., Herzog von Bayern 416, 445 Wilhelm IV., Graf von Henneberg 181, 309, 392, 396 Witzel, Georg 212 Wolfgang von Sachsen, Johanns Bruder 37 Wolfgang, Fürst von Anhalt-Köthen 193, 280f., 346, 353, 390, 392, 396, 425f., 441, 476 Wysensehe, Heinrich 176 Zehentner, Johannes 34 Zeiss, Hans 65, 122–124, 129f., 133 Zeyner, Wolfgang 116 Zwilling, Gabriel 141, 146–148, 225, 487 Zwingli, Huldrych 172, 304, 433, 456, 461, 478, 493