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German Pages 747 Year 2016
Historische Forschungen Band 108
Zwischen Reich und Region im Spätmittelalter Governance und politische Netzwerke um Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg
Von Christian Heinemeyer
Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN HEINEMEYER
Zwischen Reich und Region im Spätmittelalter
Historische Forschungen Band 108
Zwischen Reich und Region im Spätmittelalter Governance und politische Netzwerke um Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg
Von Christian Heinemeyer
Duncker & Humblot · Berlin
Die Philosophische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2013/2014 als Dissertation angenommen.
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Fremddatenübernahme: Textforma(r)t Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buch.bücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0344-2012 ISBN 978-3-428-14519-5 (Print) ISBN 978-3-428-14519-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-14519-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Diese Studie wurde im Wintersemester 2013/2014 von der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Nach Februar 2013 erschienene Literatur wurde nicht mehr berücksichtigt. Mein ganz besonderer Dank gilt zuallererst Professor Dr. Ellen Widder, die mich seit meinem Grundstudium in besonderer Weise gefördert hat. Als Wissenschaftlicher Mitarbeiter ließ sie mir stets die Freiräume, meine fachlichen Interessen zu verfolgen. Den Entstehungsprozess dieser Studie hat sie mit Rat, kritischen Anmerkungen, wichtigen inhaltlichen Hinweisen und stetem Zuspruch begleitet. Ebenfalls danken möchte ich Professor Dr. Steffen Patzold. Er erstellte nicht nur das Zweitgutachten, sondern verfolgte auch die Entstehung der Studie mit Interesse und gab nicht zuletzt als Diskussionspartner wertvolle Anregungen. Professor Dr. Claudia Märtl, München, übernahm freundlicherweise das Drittgutachten; für wichtige inhaltliche Hinweise und Anmerkungen bin ich ihr darüber hinaus sehr dankbar. Professor Dr. Ewald Frie, Professor Dr. Klaus Ridder und Professor Dr. Georg Schild bildeten mit den Gutachtern die Prüfungskommission. Sehr profitiert hat diese Studie von den Forschungen des Tübinger Sonderforschungsbereichs 923 Bedrohte Ordnungen. Seinem Sprecher, Professor Dr. Ewald Frie, möchte ich für das mir entgegengebrachte Vertrauen danken. Dr. Miriam Czock, Duisburg-Essen, gab mir konzeptionelle Hinweise in der Frühphase der Arbeit. PD Dr. Mario Müller, Chemnitz, machte mich auf einschlägige Archivalien im Hauptstaatsarchiv Weimar aufmerksam. Oberarchiv rätin Dr. Katja Deinhardt, Weimar, danke ich für wichtige Hinweise im Zusammenhang mit im Thüringischen Hauptstaatsarchiv befindlichen Regestensammlungen. Danken möchte ich auch den Tübinger Kollegen am Seminar für Mittelalterliche Geschichte und am SFB 923, die wissenschaftlich wie freundschaftlich an der Entstehung dieser Studie Anteil genommen haben. Mein besonderer Dank gilt Dr. Iris Holzwart-Schäfer. Ann-Kathrin Heinzelmann und Johannes Hammer unterstützten mich tatkräftig während der Entstehung der Studie, Katharina Moser bei der Erstellung des Registers; ihnen gilt mein herzlicher Dank. Für die Auszeichnung der Studie mit dem Dr. Leopold-Lucas-Nachwuchswissen schaftler-Preis 2015 bin ich der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen, vor allem aber Dr. Frank Lucas, London, zu großem Dank verpflichtet.
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Vorwort
Abschließend gilt mein herzlicher Dank meiner Familie für die Unterstützung, die sie mir bei der Entstehung der Studie hat zuteil werden lassen. Tübingen, November 2015
Christian Heinemeyer
Inhalt Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 A. Forschungsüberblick, eigener Ansatz, Fragestellung und Quellen . . . . . . . . . . . . 20 I.
Forschungsgeschichte und -stand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1. Forschungen zu Politik und Verfassung in Reichs- und Landesgeschichte . 20 a) Forschungen bis in die 1970er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 b) Neuansätze seit den 1970er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 c) Kulturalistische Wende und neue Wege der Politik- und Verfassungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Forschungen zu Außenpolitik und Auswärtiger Politik . . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
II. Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Theoretische Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 III. Analytischer Ausgangspunkt: Die Personenbeziehung Kurfürst Albrechts von Brandenburg und Kaiser Friedrichs III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Forschungen zu Albrecht von Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Forschungen zu Kaiser Friedrich III. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IV. Untersuchungszeitraum, Beispiele und historischer Überblick . . . . . . . . . . . . . . 79 1. Untersuchungszeitraum und Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Kaiser Friedrich III., Albrecht von Brandenburg und das Reich 1470–1475 im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 V. Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 1. Quellensammlungen und gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene: Albrecht von Brandenburg, der Kaiser und die Kurfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 I.
Die Kurfürsten im spätmittelalterlichen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
II. Die Goldene Bulle, die Kurfürsten und der Kaiser: Albrecht wird Kurfürst . . . . 98
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Inhalt 1. Herrschaftsübertragung, Anerkennung und Belehnung . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Goldene Bulle, Kurfürsteneinung und Verwandtschaft: Das politische Netzwerk der Kurfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Interessenlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 4. Erbfolgeregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5. Der Kaiser, die Kurfürsten und die Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 2. Der Reichstag von Augsburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Das Treffen von Niederbaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 4. Die Treffen von Trier und Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 IV. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext . . . . . . . . . . . . . 161 I.
Christian von Dänemark und das Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Netzwerkeinbindung: Christian und Albrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Netzwerkintensivierung: Christian und das Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3. Christian und das Königsprojekt des Herzogs von Mailand . . . . . . . . . . . . . 169 4. Christian und Burgund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 5. Dorothea von Dänemark und das Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 6. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
II. Bedrohung von „außen“: Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475 . . . . . 188 1. Von Trier nach Neuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Das Netzwerk vor Neuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 3. Karl der Kühne und die Verkehrung von Netzwerkeigenschaften . . . . . . . . 194 4. Die Kommunikation zwischen Albrecht von Brandenburg und seiner Frau Anna sowie dem Hausvogt Sebastian von Seckendorff . . . . . . . . . . . . . . . . 198 5. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 D. Politiknetzwerke und Governance auf regionaler und lokaler Ebene . . . . . . . . . 219 I.
Der Stettiner Erbfolgestreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Beistandsaufruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
Inhalt
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3. Kaiser Friedrich III. und der Konflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 4. Kaiserliche Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 5. Verhandlungen und Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 6. Nachspiel bis 1479 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 7. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 1. Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Der Ausgleich des Jahres 1466 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Bischof Georg von Bamberg und Markgraf Albrecht von Brandenburg . 256 b) Netzwerkkonstellationen um die Einigung von 1466 . . . . . . . . . . . . . . . 259 3. Widerstand Nürnberger Lehnsleute und Einschreiten Kaiser Friedrichs III. 268 a) Beschwerde Nürnberger Bürger bei Kaiser Friedrich III. und die Interessen der Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 aa) Interessen Albrechts von Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Interessen der Nürnberger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Befristete Belehnung der Reichsstadt 1470 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 c) Reaktion Albrechts von Brandenburg und die Entwicklungen des Jahres 1471 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 d) Zu Reichsstadt und Territorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 4. Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht von Brandenburg: Bitte um einen Lehnsbrief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 5. Anpassung regionaler Netzwerke: Die Regelungen des Jahres 1474 . . . . . . 287 6. Die Regelungen des Jahres 1475 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 7. Ludwigs von Eyb Durchsetzung als Lehnsherr und das Lehnsverzeichnis von 1487 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 8. Die Brauneckschen Lehen in den Schriften Ludwigs von Eyb . . . . . . . . . . . 299 9. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 10. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren . . . . . . . . . . 308 1. Vorgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 2. Die Reise Albrechts von Brandenburg in die Mark und erste Streitigkeiten in Franken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 3. Der Konflikt um das Geleit zu Heideck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 4. Der Überfall auf Möhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
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Inhalt 5. Politische Netzwerke und Governance um die Vorfälle von Heideck und Möhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 a) Verwalten und Regieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 b) Wissensorganisation in Netzwerken: Das älteste Geleitstraßenverzeichnis der Burggrafschaft Nürnberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 c) Das Geleitnetzwerk von Heideck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 d) Konflikte um Geleit und Gerichtsrechte: Veränderung von Netzwerkkonstellationen und Ebenen politischen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 6. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 1. „Raubrittertum“ und Fehdewesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 2. Wilhelm Zaunrüde auf Guteneck und ein Überfall auf Kaufleute 1472 . . . . 353 3. Der Überfall auf Heinrich Langenmantel 1472 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 4. Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht von Brandenburg gegen Wilhelm Zaunrüde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 5. Gefangennahme und Ende des Wilhelm Zaunrüde 1476 . . . . . . . . . . . . . . . 368 6. Politische Netzwerke und Governance um Wilhelm Zaunrüde . . . . . . . . . . 374 a) Verwaltung, „Straßentruppe“ und Landfriedenssicherung . . . . . . . . . . . 374 b) Städtenetzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 c) Legitimität der Gewaltausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 d) Die Rolle des Kaisers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 e) „Raubritter“ und Fehde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 7. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext . . . . . . . . . . . . . 383 I.
Netzwerke und Stadtgeschichtsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg 1470–1475 . . . . . . . . 387 1. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 2. Die Affäre Niklas Muffel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 3. Verhandlungen vom März 1470 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 a) Kontext und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 b) Beteiligte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 4. Der Reichstag von Nürnberg 1470 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 5. Der Reichstag von Regensburg 1471 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 6. Der Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg 1471 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415
Inhalt
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7. Die Reise des Kurfürsten in die Mark Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 8. Vermittlung des Landkomturs Melchior von Neuneck 1472 . . . . . . . . . . . . 431 a) Das Kommunikationsnetzwerk vom Juni 1472 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 b) Scheitern des Vermittlungsversuchs und Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . 435 9. Vermittlung der Herzöge von Sachsen und der Reichstag von Augsburg 1473 440 10. Der Tod von Jobst Tetzel und neue Vermittlungsbemühungen . . . . . . . . . . . 447 11. Der Reichstag zu Augsburg 1474 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 a) Vorbereitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 b) Verhandlungen in den fränkischen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . 451 c) „Prozess“ gegen Friedrich den Siegreichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 d) Weitere Verhandlungen auf dem Augsburger Tag . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 12. Weitere Verhandlungen des Jahres 1474 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 13. Albrecht von Brandenburg und Nürnberg gemeinsam im Reichskrieg: Das Jahr 1475 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 14. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 15. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 F. Elemente politischer Netzwerke 1470–1475 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 I.
Sieben Dimensionen politischer Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 1. Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476 2. Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 3. Netzwerkstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 4. Institutionalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 5. Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 6. Machtverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 7. Akteursstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490
II. Zusammenfassung: Politiknetzwerke als Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 G. Vergleiche und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 I.
Zum politischen Gefüge des Reiches und seiner Glieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 1. Zu „königsnahen“ und „königsfernen Landschaften“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 2. Kaiser und Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 3. Zu Institutionalisierung und Ausbildung von Reichsorganen sowie „dualistischer Reichsverfassung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505
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Inhalt 4. „Dezentrale Machtgefüge“ und „interterritoriale Systeme“ . . . . . . . . . . . . . 508 5. Außenpolitik und Auswärtige Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 II. Region und Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 1. Hoheits- und Herrschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 a) Hoheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 b) Monopolisierung von Personenbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 2. Zu Geleit, Gewaltausübung und Herstellung von Sicherheit . . . . . . . . . . . . 520 3. Territorium und fürstliche Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 4. Mark Brandenburg und Franken: Zur Herrschaftspraxis Albrechts von Brandenburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 a) Zum „Problem der Doppelherrschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 b) Zum Verhältnis der Territorien zueinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 5. Anmerkungen zur Verwaltungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 a) Verwaltung und „Territorialstaat“: Methodisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 b) Verwaltung als Akteur und Verwaltungsakteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 6. Albrecht von Brandenburg und der „Staat“: Zusammenfassende Betrachtung 545 III. Zu Aspekten des Regierens und der politischen Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 1. Herrschertreffen, mündliche Beratung und Rituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 a) Herrschertreffen und mündliche Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 b) Folgerungen für die Ritualforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552 2. Zur Bedeutung von Normen in politischen Netzwerken . . . . . . . . . . . . . . . 556 3. „Der schwierige Weg zum Ohr des Herrschers“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 4. Höfe und Residenzen als Zentralorte politischen Handelns? . . . . . . . . . . . . 564 5. Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 566 6. Personale Bindungen und Neutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 567 7. Der Herrscher in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 IV. Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 1. Räte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 2. Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 3. Reichsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 4. Geistliche Kollegialinstitute und Höfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578 5. Individuum, „Persönlichkeit“ und Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579
Inhalt
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V. Handlungsleitende Motive und politische Handlungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . 582 1. Ehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583 2. Emotionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 3. Gerüchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 588 4. Geschenke, „Korruption“ und „weiche“ Faktoren der Beeinflussung . . . . . 588 VI. Öffentlichkeit, Kommunikation und Abhängigkeit von Politikfeldern . . . . . . . . 590 1. Politische Öffentlichkeit und Meinungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 2. Formen und Strategien der brieflichen Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . 591 3. Abhängigkeit politischer Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 592 VII. Folgerungen für die brandenburgische und fränkische Landesgeschichte . . . . . 594 H. Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 I.
Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 1. Ungedruckte Quellen und Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 2. Veröffentlichte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 617
II. Literatur und Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 716
Abkürzungs- und Siglenverzeichnis Die in den Anmerkungen sowie bei bibliographischen Nachweisen verwendeten Abkürzungen und Siglen folgen den Regeln des Lexikon des Mittelalters; vgl. hierzu Lex.MA 1 (1980), S. XVII–LXIII. Ansonsten enthält dieses Verzeichnis nur die nicht im Duden. Die deutsche Rechtschreibung (Mannheim u. a. 242006) verzeichneten Abkürzungen. AAG AAMz
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz Annales Academiae Scientiarum Fennicae AASF Allgemeine Deutsche Biographie ADB AK Archiv für Kulturgeschichte angef. angefertigt AÖG Archiv für österreichische Geschichte AU Archiv für Urkundenforschung ausgew. ausgewählt AZ Archivalische Zeitschrift BDLG Blätter für deutsche Landesgeschichte bearb. bearb. Brandenburg-Preußisches Hausarchiv BPH BSt Baltische Studien Cap. Kapitel CHW Colloquium Historicum Wirsbergense CLUDEM Centre luxemburgeois de documentation et d’études médiévales Dizionario Biografico degli Italiani DBI Denkschriften der österreichischen Akademie der Wissenschaften DÖAW Enzyklopädie deutscher Geschichte EDG eingel. eingeleitet erl. erläutert FBPrG Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Frühmittelalterliche Studien FMASt fol. Folio / foliiert Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum seperatim editi Font. iur. Germ. Fontes rerum Austriacarum FontrerAustr FS Festschrift GAG Göppinger Arbeiten zur Germanistik gest. gestorben GGA Göttingische Gelehrte Anzeigen GHAP Geheimes Hausarchiv Plassenburg Germania Sacra GS GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz HA Hauptabteilung
Abkürzungs- und Siglenverzeichnis Historischer Atlas von Bayern HAB Historisches Jahrbuch HJb HJL Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte HRG Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte Hs(s). Handschrift(en) HStA Hauptstaatsarchiv Historische Vierteljahrsschrift HVj Historische Zeitschrift HZ JbffL Jahrbuch für fränkische Landesforschung JBLG Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands JGMODtl LA Landesarchiv Lex.MA Lexikon des Mittelalters LHA Landeshauptarchiv masch. maschinenschriftlich Monumenta Germaniae Historica MGH Mitarb. Mitarbeit MJb Mittellateinisches Jahrbuch MMS Münstersche Mittelalter-Schriften Monumenta Germaniae Paedagogica MonPaed Nachtr. Nachtrag NAG Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen Nachdruck, Neudruck ND NDB Neue deutsche Biographie Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte NdsJb NF Neue Folge Nuova Rivista Storica NRS Nuova serie N. S. Oldenbourg Grundriss der Geschichte OGG o. O. ohne Ort ohne Verfasser o. V. pag. paginiert Phil.-Hist. Kl. Philologisch-Historische Klasse Pariser Historische Studien PHS r recto red. redigiert Rep. Repertorium / Repositur RGG Die Religion in Geschichte und Gegenwart Rheinische Vierteljahrsblätter RhVjbll RI Regesta Imperii RTA Deutsche Reichstagsakten SFB Sonderforschungsbereich StA Staatsarchiv StadtA Stadtarchiv übers. übersetzt v verso Verb. Verbindung Verf.-Lex. Verfasserlexikon
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Abkürzungs- und Siglenverzeichnis
Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen (und Waldeck) Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte VIEG Veröffentlichungen des Instituts für österreichische GeschichtsforVIÖG schung VSWG Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Vorträge und Forschungen VuF Wege der Forschung WdF Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte ZBLG ZfG Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins ZGO ZHF Zeitschrift für Historische Forschung ZRG GA Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung zusammengest. zusammengestellt VHKH
Einleitung Der marggraff ist warlich der alt Albrecht, er ist nit bei uns und hat dannoch unser sachen getreulich nachgedacht, dann wir all selbs bewegen haben und gefellet uns sein rate ganz wol1. Diese Worte Kaiser Friedrichs III. konnten die beiden Räte Kurfürst Albrechts von Brandenburg, Hertnidt vom Stein und Ludwig von Eyb, von ihren Verhandlungen mit Kaiser Friedrich III. im Juli 1473 aus Baden ihrem Herrn überbringen. Nicht nur dem Kaiser – wie dieser Auszug aus der Gesandtschaftskorrespondenz nahelegt –, sondern auch den Zeitgenossen war das besonders enge Verhältnis des Kaisers zum Markgrafen von Brandenburg bewusst. Und Rankes Bewertung, dieser Achill sei seinem Agamemnon nur allzu treu gewesen2, bestimmte lange sein Bild in Forschung und Öffentlichkeit. Mit einer Statue auf der Siegesallee, die ihn neben seinem für reichspolitische Aktivitäten wichtigen Rat Ludwig von Eyb und seinem in der Mark Brandenburg wie ihren Nachbarterritorien aktiven Hofmeister Werner von der Schulenburg zeigt, fand Albrecht von Brandenburg als Sinnbild des Fürsten im Dienste der Kaiserherrschaft auch Eingang in jenen Prachtboulevard im Berliner Tiergarten, mit dem Kaiser Wilhelm II. am Ende des 19. Jahrhunderts den einzigartigen Aufstieg und die Traditionslinien der Hohenzollern bis zum zweiten deutschen Kaiserreich zu versinnbildlichen versuchte3. Als letzter Hohenzoller, der sowohl die fränkischen Besitzungen, die aus der Burggrafschaft Nürnberg hervorgegangenen Markgrafschaften Ansbach und Kulmbach, als auch das Kurfürstentum Brandenburg, das erst 1415 beziehungsweise 1417 in den Besitz der Dynastie gekommen war, in
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Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles, hg. und erl. von Felix Priebatsch, Bd. 1: 1470–1474 (Leipzig 1894), Nr. 643, S. 541. 2 Zitiert nach Ernst Schubert, Albrecht Achilles, Markgraf und Kurfürst von Brandenburg (1414–1486), in: Fränkische Lebensbilder. Neue Folge der Lebensläufe aus Franken, Bd. 4 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe VII, A, Würzburg 1971), S. 130–172, hier S. 143, ohne Nachweis. 3 Vgl. Uta Lehnert, Der Kaiser und die Siegesallee. Réclame royale (Berlin 1998), S. 158– 162. Zu Ludwig von Eyb vgl. Günther Schuhmann, Art. „Eyb, Ludwig der Ältere von“, in: NDB 4 (1959), S. 706 f.; Matthias Thumser, Chronist und ritterlicher Bürokrat. Ludwig von Eyb der Ältere (1417–1502) und seine Schriften aus dem Umkreis des Ansbacher Markgrafenhofes, in: Adelige Welt und familiäre Beziehung. Aspekte der „privaten Welt“ des Adels in böhmischen, polnischen und deutschen Beispielen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, hg. von Heinz-Dieter Heimann (Quellen und Studien zur Geschichte und Kultur Brandenburg-Preußens und des Alten Reiches, Potsdam 2000), S. 155–176. Zu Werner von der Schulenburg vgl. J[ulius] Heidemann, Art. „Schulenburg, Werner von“, in: ADB 32 (1891), S. 674–676.
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Einleitung
seiner Hand vereinte, nahm Albrecht von Brandenburg auch im Geschichtsbild des hohenzollerischen Hauses eine Schlüsselstellung ein4. Ob Kaisertreue oder Eigennutz – das Bild des Hohenzollern, der wegen seiner militärischen Erfolge vom päpstlichen Legaten Eneas Silvius Piccolomini und späteren Papst Pius II. mit dem Beinamen „Achilles“ versehen worden war5, der schon von den Zeitgenossen als wagemutiger Hitzkopf bezeichnet und im Nachhinein zum Hasser der Städte stilisiert wurde, kontrastierte stark mit dem Kaiser Friedrichs III., eines inaktiven, an der Reichspolitik nicht teilnehmenden und machtlosen Kaisers, für den man den Habsburger lange Zeit hielt und der gleichsam den Niedergang des Reiches personifizierte. Längst sind hinter diesen Bildern Meistererzählungen, zeitgebundene Bewertungen und politische Indienstnahmen erkannt worden; somit sind auch diese Bilder ins Wanken geraten, modifiziert, relativiert oder gar revidiert worden. Gleichwohl steht doch eines fest: Bei Kaiser Friedrich III. und Markgraf sowie Kurfürst Albrecht von Brandenburg handelt es sich um zwei der wichtigsten Protagonisten des politischen Lebens im Reich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Eine Studie, die nach den Wirkungszusammenhängen von politischem Handeln, nach Formen des Regierens, nach politischen Akteuren und den Strukturen, in denen sich politisches Handeln vollzog, für die Zeit um 1470 fragt, kommt an beiden nicht vorbei. Ihre Beziehung erscheint geradezu als Ausgangspunkt prädestiniert, um einen Einblick in politisches Handeln und politische Kultur auf regionaler und lokaler, Reichs- und außenpolitischer Ebene in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gleichermaßen zu erhalten, das Verhältnis dieser Ebenen zueinander zu verstehen und sich so den Grundbedingungen von Politik in dieser Zeit zu nähern. Politisches Handeln, Praktiken und Strukturen, in denen sich dieses Handeln vollzieht, sind untrennbar miteinander verschränkt: Politik vollzog sich nicht im 4
Vgl. Frank-Lothar Kroll, Stufen und Wandlungen der Fürstenherrschaft in Branden burg-Preußen, in: Preußens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II., hg. von dems. (München 2000), S. 9–25, hier S. 11 f. Reinhard Seyboth, Die Hohenzollern in Franken und in Brandenburg an der Wende zur Neuzeit, in: Bayreuth und die Hohenzollern vom ausgehenden Mittelalter bis zum Ende des Alten Reiches, hg. von Roderich Schmidt (Ebsdorfergrund 1992), S. 9–31. Wolfgang Neugebauer, Die Hohenzollern, Bd. 1: Anfänge, Landesstaat und monarchische Autokratie bis 1740 (Stuttgart / Berlin / Köln 1996), S. 32–70. 5 Widmungsbrief, in: Aeneas Silvius, Germania, und Jakob Wimpfeling, „Responsa et replicae ad Eneam Silvium“, hg. von Adolf Schmidt (Köln / Graz 1962), S. 125–127, hier S. 125: Tuum in primis avum, Albertum Brandenburgium (quem Theutonicum Achillem vocat) summis de prudentia et re militari laudibus afficit. Zu Eneas Silvius Piccolomini und seinem Werk vgl. Claudia Märtl, Anmerkungen zum Werk des Eneas Silvius Piccolomini (Historia Austrialis, Pentalogus, Dialogus), in: König und Kanzlist, Kaiser und Papst. Friedrich III. und Aenea Silvio Piccolomini in Wiener Neustadt, hg. von Franz Fuchs / Paul-Joachim Heinig / Martin Wagendorfer (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 32, Wien / Köln / Weimar 2013), S. 1–30, insbesondere S. 1, Anm. 4, mit weiterer Literatur.
Einleitung
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luftleeren Raum. Somit stellt sich bei der Frage nach politischem Handeln immer auch ein Bündel weiterer Fragen, etwa nach dem institutionellen Gefüge, nach auf Dauer angelegten Strukturen oder nach dem rechtlichen Rahmen, insgesamt also nach der politischen Ordnung oder Unordnung, letztlich nach dem Staat6. Diese Arbeit nähert sich der Frage nach politischem Handeln weder von der Wirkmächtigkeit einzelner „großer Männer“ der Politik noch vom Staat oder von einem von vornherein festgelegten institutionellen Gefüge aus. Vielmehr bedient sie sich der politikwissenschaftlichen Governance-Perspektive sowie des Ansatzes politischer Netzwerke, um politisches Handeln auf andere Weise zu analysieren, Mechanismen der Politik zu ergründen und beteiligte Akteure – Individuen ebenso wie Gruppen – zu bestimmen. Gleichzeitig bietet diese Herangehensweise einen Analyserahmen, um die Grundelemente der Strukturen, in denen sich politisches Handeln im Spätmittelalter vollzog, zu ermitteln. Deshalb wird zunächst der Forschungsstand zu hierfür wichtigen Grundfragen der spätmittelalterlichen Politik- und Verfassungsgeschichte des Reiches und seiner Glieder sowie zu politischem Handeln nach außen näher betrachtet; ebenso werden die bisherigen Forschungen zu Albrecht Achilles und Kaiser Friedrich III. knapp beleuchtet. Darauf aufbauend wird sodann der gewählte Ansatz im Einzelnen erläutert, einschließlich der zeitlichen Begrenzung und der Beschränkung der Einzeluntersuchungen auf eine Reihe von Fallbeispielen. Nach einem kurzen zusammenfassenden Überblick über die Ereignisgeschichte der Jahre 1470 bis 1475 wird dann die Quellengrundlage näher betrachtet. Es folgt die Untersuchung der einzelnen Beispiele auf den verschiedenen Ebenen – von der Reichspolitik über außenpolitische sowie regionale und lokale Zusammenhänge bis hin zum reichsstädtischen Umfeld. Auf den Beispielen aufbauend sollen anschließend, veranlasst durch die Fragestellung sowie den theoretischen Rahmen dieser Arbeit, in Anlehnung an den Governance-Ansatz Grundelemente politischer Netzwerke und letztlich des politischen Handelns vergleichend ermittelt werden. Die so gewonnenen Ergebnisse sind noch zu vergleichen, in einen umfassenderen Kontext einzuordnen und im Einzelnen mit der bisherigen Forschung abzugleichen, bevor Antworten auf die Fragestellung formuliert werden können. Abschließend werden die wichtigsten Ergebnisse der Arbeit thesenartig knapp zusammengefasst.
6 Stefan Breuer, Der Staat: Entstehung, Typen, Organisationsstadien (Reinbek 1998), S. 4, der in Anlehnung an Carl Schmitt die Voraussetzung des Politischen für die Existenz des Staates betont.
A. Forschungsüberblick, eigener Ansatz, Fragestellung und Quellen I. Forschungsgeschichte und -stand Bei der Analyse des Standes der Forschung zu politischem Handeln und den strukturellen Bedingungen von Herrschaft sind die Ebenen der Landes- und Reichsgeschichte einerseits sowie die der Außenpolitik andererseits – der Forschungstradition folgend – getrennt zu betrachten. 1. Forschungen zu Politik und Verfassung in Reichs- und Landesgeschichte a) Forschungen bis in die 1970er Jahre Die ältere deutsche Rechts- und Verfassungsgeschichte beschrieb das mittelalterliche Reich mit Kategorien des modernen Anstaltsstaats, die sie ihrer Zeit entnahm1. Das Spätmittelalter, insbesondere das 15. Jahrhundert, wurde wegen seiner vermeintlich chaotisch anmutenden politischen Zustände in die Meistererzählung des „Reichsverfalls“2 eingeordnet, es taugte nicht als Forschungsgegenstand zur Legitimierung einer kontinuierlichen Reichsgeschichte und wurde somit gemieden; insbesondere unter Friedrich III. sei von einer „einheitlichen Reichs-
1 Vgl. etwa Paul Roth, Geschichte des Beneficialwesens von den ältesten Zeiten bis ins zehnte Jahrhundert (Erlangen 1850). Rudolph Sohm, Die altdeutsche Reichs- und Gerichtsverfassung, Bd. 1: Die fränkische Reichs- und Gerichtsverfassung (Weimar 1871). Heinrich Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte, 2 Bde. (Systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft 2,1, Leipzig 1887/1892 und Folgeauflagen). Georg von Below, Der deutsche Staat des Mittelalters: ein Grundriß der deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Die allgemeinen Fragen (Leipzig 1914). Otto von Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, 4 Bde. (Berlin 1868–1913, ND Graz 1954), hingegen sprach dem deutschen Reich jede Form der Staatlichkeit ab. Für ihn waren die wesentlichen Elemente der mittelalterlichen Verfassung privatrechtlicher Natur. Zur Forschung des 19. Jahrhunderts Ernst Wolfgang Böcken förde, Die deutsche verfassungsgeschichtliche Forschung im 19. Jahrhundert. Zeitgebundene Fragestellungen und Leitbilder (Schriften zur Verfassungsgeschichte 1, Berlin 1961), hier S. 180–202, 210 f. František Graus, Verfassungsgeschichte des Mittelalters, in: HZ 243 (1986), S. 529–589. 2 Zur Wirkmächtigkeit dieser Meistererzählung bis heute vgl. Bernd Schneidmüller, Konsens – Territorialisierung – Eigennutz. Vom Umgang mit spätmittelalterlicher Geschichte, in: FMASt 39 (2005), S. 225–246, hier S. 239.
I. Forschungsgeschichte und -stand
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geschichte nicht mehr [zu] sprechen“3. Allenfalls konnte es als gute Begründung dafür dienen, dass der „deutsche Staat“ erst verspätet das vermeintliche Ziel des „Nationalstaates“ erreicht habe. Ansätze moderner Staatlichkeit4 rekonstruierte insbesondere die landeshistorische Forschung dagegen in den Territorien5. Die Grundlagen für diese Gewichtsverlagerung zugunsten der Territorien seien bereits viel früher, nämlich in der Zeit des staufischen Kaisers Friedrich II., gelegt worden, in der durch die Übertragung wesentlicher Hoheitsrechte von der Zentralauf die territorialfürstliche Ebene die strukturelle Schwäche des Königtums quasi institutionalisiert und damit vorbestimmt worden sei6. Fortan wurde nicht nur 3 So noch im Jahre 1970 die Bewertung in der 9. Auflage des „Gebhardts“ von Friedrich Baethgen, Schisma und Konzilszeit, Reichsreform und Habsburgs Aufstieg, in: B. Gebhardt, Handbuch der deutschen Geschichte, hg. von Herbert Grundmann, Bd. 1: Frühzeit und Mittelalter (Stuttgart 91970), S. 607–692, hier S. 675. 4 Vgl. Werner Näf, Frühformen des „modernen Staates“ im Spätmittelalter, in: HZ 171 (1951), S. 225–243, hier S. 238. Er betont, dass „der ‚moderne Staat‘ vor allem gekennzeichnet sei durch eine ungemein gesteigerte staatliche Intensität und durch ein ungemein gesteigertes staatliches Bewußtsein“. Zur Entwicklung des Begriffs „moderner Staat“ vgl. Stephan Skalweit, Der „moderne Staat“. Ein historischer Begriff und seine Problematik (Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften. Geisteswissenschaften. Vorträge G 203, Opladen 1975). 5 Ernst Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium im Spätmittelalter (EDG 35, München ²2006), S. 52 f. Gerade über den Begriff „Territorium“ herrschte und herrscht bis heute große Unsicherheit, ebenso über die Frage, ab wann von einem „Staat“ im Bereich der Landesherrschaft gesprochen werden kann. Während die Forschung des 19. Jahrhunderts den Begriff erst nach dem Westfälischen Frieden im Sinne von „Territorialstaat“ verwenden wollte, rückte er nach Schubert um die Jahrhundertwende immer weiter bis ins Spätmittelalter zurück. Vgl. auch Fritz Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart (Stuttgart 71959), S. 8: „Die Territorien sind auf Kosten des Reiches, der königlichen Gewalt sowohl wie besonders des Reichsgutes und der Reichsfinanzen, entstanden.“ Vgl. ferner Hanna Vollrath, Einleitung in die deutsche Ausgabe, in: Joseph Strayer, Die mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates, hg. und übers. von ders. (Köln / Wien 1975), S. IX–XXII, hier S. XXI. 6 Vgl. von Below, Der deutsche Staat des Mittelalters. Wenn es sich um eine Übertragung handelte, mussten diese Rechte ursprünglich allein dem König zustehen. Mit der Frage nach der „Schwäche des deutschen Königtums“ sowie der deutschen „Sonderentwicklung“ beschäftigte sich aus rechtshistorischer Perspektive auch Heinrich Mitteis, Lehnrecht und Staatsgewalt. Untersuchungen zur mittelalterlichen Verfassungsgeschichte (Weimar 1933, ND Darmstadt 1968). Ders., Der Staat des hohen Mittelalters. Grundlinien einer vergleichenden Verfassungsgeschichte des Lehnszeitalters (Weimar 41953, ND Köln / Wien 101980), S. 342– 347, S. 424–435, insbesondere S. 427. Anhand einer europäisch-vergleichenden Analyse entwarf er ein wirkmächtiges Erklärungsmodell. Seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert hätten die Sonderphänomene „Heerschildordnung“, „Leihezwang“ und „jüngerer Reichsfürstenstand“ den „modernen Staat“ auf Reichsebene verhindert. Mitteis’ Kategorien haben in der Forschung große Beachtung gefunden und jede für sich zu kontroversen Debatten geführt. Vgl. hierzu den Überblick bei Karl-Friedrich Krieger, König, Reich und Reichsreform im Spätmittelalter (EDG 14, München 22005), S. 74–84. Mitteis in einigen Punkten folgend, jedoch mit deutlich anderen Prämissen: Hermann Heimpel, Der Staat des abendländischen Mittelalters, in: ders., Deutschlands Mittelalter – Deutschlands Schicksal. Zwei Reden (Freiburger Universitätsreden 12, Freiburg i. Br. 1933), S. 35–55, insbesondere S. 48–55. Ders., Reich und Staat im Deutschen Mittelalter, in: Archiv des öffentlichen Rechts NF 27 (1936), S. 257–283, hier S. 280 f.: Demnach seien „Reich“ und „Staat“ „Institutionen“, die „in unserem deutschen
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A. Forschungsüberblick
ein „Dualismus“ zwischen „Zentralgewalt“ und Territorialfürsten ausgemacht, sondern bis heute gehen Reichs- und Landesgeschichtsforschung bei der Unter suchung von politischem Handeln sowie von Verfassungs- und Herrschaftsstrukturen im Spätmittelalter häufig getrennte Wege7. Seit den 1930er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stellte einer der prominentesten Vertreter der sogenannten „Neuen Verfassungsgeschichte“8, Theodor Mayer, dem Begriff des „Personenverbandsstaats“, mit dem er den Staat des Frühund Hochmittelalters beschrieb, den des „institutionalisierten Flächenstaates“ des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit gegenüber; dieser sollte zwar an den Kategorien von Gebietsherrschaft, einem Verwaltungsapparat, einem Berufsbeamtentum und einer Behördenverfassung gemessen werden, für das 15. Jahrhundert wurde er aber im Wesentlichen nicht näher untersucht9. Lediglich für das 14. Jahrhundert wurde dieser „Territorialstaat“ in einem von Hans Patze herausgegebenen zweibändigen Sammelband anhand einer Vielzahl von Einzelbeispielen aus lanMittelalter […] überhaupt nicht geschieden werden können.“ Die Entwicklung des deutschen Reiches im Mittelalter sei demgemäß nicht als Verfall, sondern im Vergleich zu den „Verfassungen des Auslandes“ als andersartig oder als „deutsches Schicksal“ zu beschreiben. Zur Einordnung des Werkes von Heimpel und den Debatten um seine Rolle im Nationalsozialismus: Ewald Grothe, Zwischen Geschichte und Recht. Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung 1900–1970 (Ordnungssysteme 16, München 2005), S. 235–237, mit weiterer Literatur. 7 Eine gewisse Ausnahme stellt die Untersuchung der Hausmacht des Königs dar. Die Trennung von Landes- und Reichsgeschichte mag im Übrigen forschungsgeschichtlich auch mit der Abfolge verschiedener Interessenschwerpunkte zusammenhängen, vgl. Graus, Verfassungsgeschichte, S. 557. Streng genommen ist hier nur ein Ausschnitt von Landesgeschichte gemeint, nämlich die „Territorialgeschichte“; siehe hierzu näher unten S. 37, Anm. 85. 8 Vgl. Graus, Verfassungsgeschichte, S. 559. Otto Gerhard Oexle, „Staat“ – „Kultur“ – „Volk“. Deutsche Mittelalterhistoriker auf der Suche nach der historischen Wirklichkeit 1918–1945, in: Die deutschsprachige Mediävistik im 20. Jahrhundert, hg. von Peter Moraw / Rudolf Schieffer (VuF 62, Ostfildern 2005), S. 63–101. Steffen Patzold, Die Bischöfe im karolingischen Staat. Praktisches Wissen über die politische Ordnung im Frankenreich des 9. Jahrhunderts, in: Staat im frühen Mittelalter, hg. von Stuart Airlie / Walter Pohl / Helmut Reimitz (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Phil.-Hist. Klasse. Denkschriften 334 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 11, Wien 2006), S. 133–162, hier S. 133–137. 9 Vgl. z. B. Theodor Mayer, Die Ausbildung der Grundlagen des modernen deutschen Staates im Hohen Mittelalter, in: HZ 159 (1939), S. 457–487, hier besonders S. 466. Ders., Die Entstehung des ‚modernen‘ Staates im Mittelalter und die freien Bauern, in: ZRG GA 57 (1937), S. 210–288, hier S. 211–217 und mehrfach. Ders., Geschichtliche Grundlagen der deutschen Verfassung, in: ders., Mittelalterliche Studien. Gesammelte Aufsätze (Lindau / Konstanz 1959), S. 77–97; ursprünglich veröffentlicht als: Festrede, gehalten bei der Reichsgründungsfeier am 18. Januar 1933 (Schriften der hessischen Hochschulen / Universität Gießen 1, Gießen 1933). Vgl. zum Begriffspaar, insbesondere aber zum „Personenverbandsstaat“, Gerd Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter (Darmstadt 1990), S. 5–7. Ferner Graus, Verfassungsgeschichte, zur Bewertung durch die ältere Forschung, wann die „Blütezeit“ des Reiches ihr Ende gefunden habe, vor allem S. 559. Ferner Susan Reynolds, The Historiography of the Medieval State, in: The Routledge Companion to Historiography, hg. von Michael Bentley (London / New York 1997), S. 117–138, hier S. 126.
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desgeschichtlicher Perspektive behandelt10. Modifizierungsversuche der Bezeichnung vom „institutionellen Flächenstaat“ setzten sich nicht durch11; das von Mayer geprägte Begriffspaar dominierte bis weit in die 1980er Jahre hinein, zum Teil gar bis heute, die mediävistische Verfassungsgeschichtsforschung12. Otto Brunner lehnte in seinem 1939 erstmals erschienenen Werk „Land und Herrschaft“ die Rückprojektion moderner Staatsvorstellungen in das Mittelalter hingegen vollends ab13. Seine an österreichischen und bayerischen Quellen entwickelte Lösung der Frage nach Staatlichkeit lag im Begriff des „Landes“, das durch ein „einheitliches Recht, das Landrecht charakterisiert“ sei14. Während er sich noch 1943 ablehnend gegenüber dem Begriff „institutionalisierter Flächenstaat“ äußerte, erkannte er ihn – wohl nicht zuletzt wegen seines durchschlagenden Erfolgs – später an15. 10 Vgl. die diversen Beiträge in: Der deutsche Territorialstaat des 14. Jahrhunderts, 2 Bde., hg. von Hans Patze (VuF 13/14, Sigmaringen 1970/1971), insbesondere Götz Landwehr, Mobilisierung und Konsolidierung der Herrschaftsordnung im 14. Jahrhundert, in: Bd. 2, S. 484– 505. Kritisch zur Verwendung des Begriffs „Territorialstaat“ für das Spätmittelalter Wilhelm Janssen, Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, in: Der Staat 13 (1974), S. 418–428. 11 Hanns Hubert Hofmann, Territorienbildung in Franken im 14. Jahrhundert, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. von Hans Patze, Bd. 2 (VuF 14, Sigmaringen 1971), S. 255–300, hier S. 292, schlug auf der Grundlage seiner Forschungsergebnisse zur fränkischen Geschichte vor, stattdessen vom „Institutionalisierten Personenverbandsstaat“ zu sprechen. Zustimmend zu dieser Begriffsbildung Ernst Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium im späten Mittelalter (EDG 35, München ²2006), S. 58. Vgl. dazu auch Alois Gerlich, Geschichtliche Landeskunde des Mittelalters. Genese und Probleme (Darmstadt 1986), S. 284. 12 Vgl. Steffen Patzold, Episcopus. Wissen über Bischöfe im Frankenreich des späten 8. bis frühen 10. Jahrhunderts (Mittelalter-Forschungen 25, Ostfildern 2008), S. 31. 13 Otto Brunner, Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Südostdeutschlands im Mittelalter (VIÖG 1, Wien u. a. 1939). Anschließend mehrfach in ergänzten Auflagen erschienen, ab der vierten Auflage (Wien 41959) als Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter. Vgl. Max Weltin, Der Begriff des Landes bei Otto Brunner und seine Rezeption durch die verfassungsgeschichtliche Forschung, in: ZRG GA 107 (1990), S. 339–376. Außerdem Bernd Schneidmüller, Spätmittelalterliches Landesbewußtsein: Deutsche Sonderentwicklung oder europäische Forschungslücke? Eine Zusammenfassung, in: Spätmittelalterliches Landesbewußtsein in Deutschland, hg. von Matthias Werner (VuF 61, Ostfildern 2005), S. 393–409. Graus, Verfassungsgeschichte, S. 566–573. Karl Kroeschell, Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte des Mittelalters, in: Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung (Der Staat. Beiheft 6, Berlin 1983), S. 47–77, hier S. 49 f. 14 Brunner, Land und Herrschaft (1939), S. 218. Kritisch: Ernst Schubert, Der rätselhafte Begriff „Land“ im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit, in: Concilium medii aevi 1 (1998), S. 15–28; ursprünglich veröffentlicht in: Soltauer Schriften 4 (1995), S. 23–31. 15 So erwähnt Brunner beispielsweise in der fünften Auflage seines Werkes Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter (Wien 5 1965, ND Darmstadt 1984), S. 113 f.: „Etwas anderes ist das durchaus berechtigte und in letzter Zeit mit so großem Erfolg ergriffene Unternehmen, den geschichtlichen Wurzeln des modernen Staates im Mittelalter nachzugehen. Ich nenne etwa die neueren Untersuchungen über den Ursprung des modernen Souveränitätsbegriffes und Th. Mayers Arbeiten über den ‚insti-
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Die jüngeren Kritiker der „neuen Verfassungsgeschichte“ setzen sich vor allem mit dem politischen und ideologischen Nährboden ihrer begrifflichen, methodischen und inhaltlichen Ausrichtung auseinander16, durch die der Ansatz weder international noch interdisziplinär anschlussfähig ist. Der Fokus der Kritik liegt in diesem Zusammenhang auf den mit den Begriffen „Personenverband“ und „Herrschaft“ verbundenen Konzepten aus dem Umfeld „völkisch-nationaler Denker“ und ihrer nationalsozialistischen Färbung wegen17. Das Konzept des „institutionalisierten Flächenstaates“ scheint dagegen ideologisch weniger verdächtig. Unter der Oberfläche eines vermeintlich klaren Begriffes blieben jedoch terminologische Unschärfen und Unsicherheiten, was etwa unter „Landeshoheit“, „Landesherrschaft“ oder „Territorialstaat“ im Einzelnen zu verstehen ist, bestehen18. Wiederholt wurde so nicht zuletzt aus landeshistorischer Perspektive darauf hingewiesen, dass es „das“ typische Fürstentum, „den deutschen Territorialstaat“ oder auch „den Regelfall eines deutschen Territoriums“ nicht gegeben habe, was bisweilen die Situation weiter verkompliziert und die Bildung einer übergreifenden Terminologie zumindest erschwert, wenn nicht gar unmöglich werden lässt19. So konstatiert Schubert in diesem Zusammenhang, das Begriffspaar „Personenverbandsstaat / Institutionalisierter Flächenstaat“ sei das „letzte konsensgetragene Interpretationsmuster“ gewesen20.
tutionellen Flächenstaat‘. Eine kaum minder wichtige Aufgabe ist die Erforschung des Fortlebens mittelalterlicher Ordnungen und Denkweisen in den neueren Jahrhunderten.“ Vgl. dazu Weltin, Begriff des Landes, S. 370 f. 16 Vgl. insbesondere zur Auseinandersetzung der Forschung mit den Thesen der „neuen deutschen Verfassungsgeschichte“ zur Geschichte des Früh- und Hochmittelalters Patzold, Episcopus, S. 30–34, mit der wesentlichen weiterführenden Literatur. Zur Einordnung insgesamt nun: Grothe, Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung, S. 165–309. 17 Patzold, Episcopus, S. 32. Bernd Schneidmüller, Von der deutschen Verfassungsgeschichte zur Geschichte politischer Ordnungen und Identitäten im europäischen Mittelalter, in: ZfG 53 (2005), S. 485–500. Zur Kritik an Brunners Werk „Land und Herrschaft“ in der jüngeren Forschung, insbesondere im Hinblick auf die „Fehde“, siehe unten D. IV. 1. 18 Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 52–61. 19 Fritz Hartung, Herrschaftsverträge und ständischer Dualismus in deutschen Territorien, in: Die geschichtlichen Grundlagen der modernen Volksvertretung. Die Entwicklung von den mittelalterlichen Korporationen zu den modernen Parlamenten, Bd. 2: Reichsstände und Landstände (WdF 469, Darmstadt 1980), S. 28–46, hier S. 31; ursprünglich veröffentlicht in: Schweizer Beiträge zur allgemeinen Geschichte 10 (1952), S. 163–177. Peter Moraw, Die Entfaltung der deutschen Territorien im 14. und 15. Jahrhundert, in: ders., Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, hg. von Rainer Christoph Schwinges (Sigmaringen 1995), S. 89–126, hier S. 99; ursprünglich veröffentlicht in: Landesherrliche Kanzleien im Spätmittelalter, hg. von Gabriel Silagi, Teilbd. 1 (Münchener Beiträge zur Mediävistik und Renaissance-Forschung 35, München 1984), S. 61–108. 20 Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 58.
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b) Neuansätze seit den 1970er Jahren Auf Reichsebene ging erst mit einem neuen Interesse am Spätmittelalter auch die endgültige Überwindung des Verfallsbildes einher21. An seine Stelle trat nach Moraw22 ein Bündel von Problemen, die die Eigentümlichkeit des Reiches ausmachten, vor allem die der „Kontinuität“, der „Kohärenz“, der „Integration“ und des „Dualismus“. Das von ihm als „dunkles Jahrhundert“23 bezeichnete 15. Jahrhundert, besonders dessen letzten 30 Jahre, offenbarten einen Prozess „modernisierender Verdichtung“, in dessen Verlauf seit langem in der Verfasstheit des Reiches angelegte Konfliktlagen zum offenen Ausbruch gekommen seien und eine Lösung erfahren hätten, die der Frühen Neuzeit den Weg geebnet hätten24; somit handele es sich beim 15. Jahrhundert um eine verfassungsgeschichtliche „Schlüsselperiode“25. Dieser Phase spätmittelalterlicher Verfassungsentwicklung stellte Moraw die der „offenen Verfassung“ seit dem Ende der Staufer gegenüber26. An
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Zum „Aufbau“ einer Verfassungsgeschichtsschreibung seit den 1970er Jahren insbesondere Graus, Verfassungsgeschichte, S. 546, Anm. 46, S. 572 f. 22 Von den diversen einschlägigen Beiträgen von Peter Moraw insbesondere: Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung. Das Reich im späten Mittelalter 1250 bis 1490 (Propyläen Geschichte Deutschlands 3, Berlin 1985), zu Friedrich III.: S. 379–422; ferner auch S. 15–27, 389–394, 416–421. Zu den einzelnen Problemen vgl. ders., Organisation und Funktion von Verwaltung im ausgehenden Mittelalter (ca. 1350–1500), in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Stuttgart 1983), S. 21–65. Ders., Fürstentum, Königtum und Reichsreform im deutschen Spätmittelalter, in: Vom Reichsfürstenstande, hg. von Walter Heinemeyer (Köln / Ulm 1987), S. 185–200. Ders., Königliche Herrschaft und Verwaltung im spätmittelalterlichen Reich (ca. 1350–1450), in: Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. von Reinhard Schneider (VuF 32, Sigmaringen 1987), S. 185–200, hier besonders S. 188–195. Ders., Neue Ergebnisse der deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, in: ders., Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, hg. von Rainer Christoph Schwinges (Sigmaringen 1995), S. 47–72, insbesondere S. 52–71; ursprünglich veröffentlicht in: Lectiones eruditorum extraneorum in Facultate Philosophica Universitatis Carolinae Pragensis factae, fasc. 2 (Prag 1993), S. 29–59. Ders., Das Reich und die Territorien, der König und die Fürsten im späten Mittelalter, in: RhVjBll 63 (1999), S. 187–203. Moraw übt bisweilen heftige Kritik an den von Patze herausgegebenen Sammelbänden zum „Territorialstaat im 14. Jahrhundert“, vgl. Peter Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte im 14. Jahrhundert, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 3 (1977), S. 175–191, hier S. 176. 23 Peter Moraw, Versuch über die Entstehung des Reichstags, in: ders., Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, hg. von Rainer Christoph Schwinges (Sigmaringen 1995), S. 207–242, hier S. 225; ursprünglich veröffentlicht in: Politische Ordnungen und soziale Kräfte im Alten Reich, hg. von Hermann Weber (VIEG. Beiheft 8 = Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches 2, Wiesbaden 1980), S. 1–36. 24 Moraw, Offene Verfassung, S. 26 f. 25 Ders., Versuch, S. 225. 26 Ders., Offene Verfassung, S. 21.
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die Stelle der Vorstellung vom Verfall trat somit eine von Fortschritt und Modernisierung27. Mit dieser neuen Sicht insbesondere auf die Rolle des Königtums im Spätmittelalter konnte Moraw an Forschungen seiner Zeit anknüpfen28, neu aber waren seine konzeptionelle Präzisierung, die „konsequente Geschlossenheit“ des Modells und seine paradigmatische Deutlichkeit29. Die Identifizierung des Bündels von Problemen des Königtums schloss eine Beschreibung des Reiches mit anstaltsstaatlichen Kriterien aus30. In diesem Sinne
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Moraw, Neue Ergebnisse, S. 67. Vgl. ferner ders., Offene Verfassung, S. 26 f. Ders., Die Mark Brandenburg im späten Mittelalter. Entwicklungsgeschichtliche Überlegungen im deutschen und europäischen Vergleich, in: Akkulturation und Selbstbehauptung. Studien zur Entwicklungsgeschichte der Lande zwischen Elbe / Saale und Oder im späten Mittelalter, hg. von dems. (Berichte und Abhandlungen der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Sonderbd. 6, Berlin 2001), S. 13–36, hier S. 24. Ders., Fragen der deutschen Verfassungsgeschichte im späten Mittelalter. Bericht über ausgewählte Neuerscheinungen der Jahre 1969 bis 1974, in: ZHF 4 (1977), S. 59–101, hier S. 63. Die Vorstellung von der „Modernisierung“ des Reiches unterstreicht auch sein Schüler Paul-Joachim Heinig, Kaiser Friedrich III. (1440–1493). Hof, Regierung und Politik, Teile 1–3 (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 17, Köln / Weimar / Wien 1997), S. 3: „In dieser Sicht wird die historische Entwicklung des Reichs im Spätmittelalter nicht als Verfall, sondern als historischer Wandel, ja geradezu als modernisierende Verdichtung begriffen“. Zur Einordnung auch Wolfgang Reinhard, Historiker, „Modernisierung“ und Modernisierung. Erfahrungen mit dem Konzept „Modernisierung“ in der neueren Geschichte, in: Innovation und Originalität, hg. von Walter Haug / Burghart Wachinger (Fortuna Vitrea. Arbeiten zur literarischen Tradition zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert 9, Tübingen 1993), S. 53–69. Ferner Christian Hesse / Klaus Oschema, Aufbruch im Mittelalter – Innovationen in Gesellschaften der Vormoderne. Eine Einführung, in: Aufbruch im Mittelalter – Innovationen in Gesellschaften der Vormoderne. Studien zu Ehren von Rainer Christoph Schwinges, hg. von dens. (Ostfildern 2010), S. 9–33. 28 Vgl. bereits Heinz Angermeier, Königtum und Landfriede im deutschen Spätmittelalter (München 1966), S. 565. Siehe zu seinem Ansatz im Einzelnen auch unten S. 27 f. Vgl. außerdem schon Otto Herding, Das Römisch-deutsche Reich in deutscher und italienischer Beurteilung von Rudolf von Habsburg zu Heinrich VII. (Erlanger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 25, Erlangen 1937), S. 94–97. 29 Vgl. Jürgen Miethke, Vorwort, in: Peter Moraw, Gesammelte Beiträge zur deutschen und europäischen Universitätsgeschichte. Strukturen – Personen – Entwicklungen (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 31, Leiden / Boston 2008), S. vii–xiii, hier S. ix. Krieger, König, Reich und Reichsreform, S. 60. Ebenso: Rainer Christoph Schwinges, Vorwort, in: Peter Moraw, Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, hg. von Rainer Christoph Schwinges (Sigmaringen 1995), S. XIII–XV, hier S. XIV. 30 Vgl. Miethke, Vorwort, S. viii. In jüngerer Zeit sehr deutlich auch Peter Moraw, Vom langen und nur kurze Zeit erfolgreichen Weg zu einem einheitlichen Verfassungsverständnis in der älteren deutschen Geschichte, in: Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, 2. Teil: Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1996 bis 1997, hg. von Hartmut Boockmann / Ludger Grenzmann / Bernd Möller / Martin Staehelin (AAG, Phil.-Hist. Kl., 3. Folge 239, Göttingen 2001), S. 387–405.
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orientierten sich auch Schubert31, Krieger32 und andere mit ihren grundlegenden Arbeiten zur „Rolle des Königtums als verfassungsgestaltendem Faktor“, wobei das „Gesamtphänomen ‚königliche Gewalt‘“33 beziehungsweise die „Wirkungsbreite königlicher Gewalt in der Realität einer ungeschriebenen Verfassung“34 ohne modernstaatliche Vorannahmen, jedoch nicht zuletzt unter Berücksichtigung des Rechts erfasst werden sollte, wie Krieger betonte und an der „Lehnshoheit der deutschen Könige“ in einer rechtshistorischen Studie untersuchte35. Seine Analyse lief sozusagen gegen den Trend der älteren Forschung, indem er die Reichsperspektive zur Ermittlung der Grundlagen „moderner Staatlichkeit“ einnahm36. Auch Schubert knüpfte an „eine der Kernfragen der mittelalterlichen Verfassungsgeschichte“ an, „warum [das Reich] dieses Ziel der Verstaatung trotz immer erneuter Anläufe nicht erreicht hat“37, machte einen Dualismus aber nicht wie die ältere Forschung zwischen „königlicher Zentralgewalt und fürstlichem Partikularismus“ aus, sondern zwischen „Kaiser und Reich“. Ausgesprochen unter Zugrundelegung eines begriffsgeschichtlichen Ansatzes, in der Tat aber durch viel weiter ausgreifende, bisweilen kulturgeschichtliche Analysen gelangte er zu einer differenzierteren Sicht der Verwendung des Begriffspaares; Schubert arbeitete heraus, dass seit der Stauferzeit nicht nur das Königtum, sondern auch das Reich als eigenständige Größe aufgefasst und seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts umfassend rezipiert worden sei, wobei erst unter Kaiser Maximilian von einem wirklichen Dualismus zwischen Kaiser und Ständen zu sprechen sei38; dieser Dualismus habe die „Verstaatung“ des mittelalterlichen Reiches verhindert. Einen anderen Weg war bereits seit Mitte der 1960er Jahre Heinz Angermeier gegangen, der sich nicht zuletzt im Zusammenhang mit Land- und Lehnrecht, Friedenswahrung und der sogenannten „Reichsreform“ mit der „Staatsproblematik in Deutschland“ beschäftigte39. Für ihn bestanden „auch nach 1250 in Deutsch 31 Ernst Schubert, König und Reich. Studien zur spätmittelalterlichen deutschen Verfassungsgeschichte (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 63, Göttingen 1979). 32 Karl-Friedrich Krieger, Die Lehnshoheit der deutschen Könige im Spätmittelalter (ca. 1200–1437) (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte NF 23, Aalen 1979). 33 Ebd., S. 5. 34 Ebd. 35 Ebd., S. 4–6. 36 Ebd., S. 5. Krieger betont, dass die „verfassungsgeschichtliche […] Entwicklung von Reich und Territorien“ nicht zwei voneinander isolierte Vorgänge, sondern ein sich wechselseitig bedingender, dualistischer Prozess sei. 37 Schubert, König und Reich, S. 20. Er zitiert hier Mitteis, Staat des hohen Mittelalters, S. 3. 38 Schubert, König und Reich, S. 14–21; zu den hier relevanten Ergebnissen insbesondere S. 254–276 („Kaiser und Reich“) sowie S. 276–296 („Staatsgedanke und Staatsentwicklung zwischen König und Reich“), S. 297–322 („Königtum und Fürstenmacht“). 39 Angermeier, Königtum und Landfriede, S. 565. Ders., Die Reichsreform 1410–1555. Die Staatsproblematik in Deutschland zwischen Mittelalter und Gegenwart (München 1984).
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land noch sehr bedeutsame Ansatzpunkte für die Ausbildung einer monarchischen Gewalt“, insgesamt aber sei durch eine bewusste „Nicht-Vereinigung von Landrecht und Lehnrecht […] in der königlichen Gewalt“ der Staat in modernem Verständnis bis zum 15. Jahrhundert nicht gewollt gewesen40. In der Folge aber orientierte sich die Forschung unter dem Einfluss der Morawschen Ansätze beträchtlich in eine von der Sozialgeschichte41 dominierten Richtung. In den Blick gerieten dabei insbesondere die an politischem Handeln beteiligten Gruppen, die es im Wege der Prosopografie zu analysieren gilt42. Dieser Ansatz, der etablierten prosopografischen Früh- und Hochmittelalterforschung Tellenbachs43 entlehnt, von Moraw ursprünglich auf die Verwaltungsgeschichte angewandt44, strahlte weit in die verschiedensten Teilbereiche der Forschung zum
Ders., König und Staat im deutschen Mittelalter, in: BDLG NF 117 (1981), S. 166–182. Vgl. Peter Moraw, Rez. zu: Heinz Angermeier, Die Reichsreform 1410–1555. Die Staatsproblematik in Deutschland zwischen Mittelalter und Gegenwart (München 1984), in: GGA 224, 3–4 (1992), S. 277–296. Siehe auch oben S. 26, Anm. 28. 40 Angermeier, Königtum und Landfriede, S. 565. 41 Michael Borgolte, Sozialgeschichte im Mittelalter. Eine Forschungsbilanz nach der deutschen Einheit (HZ. Beiheft 22, München 1996), S. 160–163. 42 Peter Moraw, Personenforschung und deutsches Königtum, in: ders., Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, hg. von Rainer Christoph Schwinges (Sigmaringen 1995), S. 1–9; ursprünglich veröffentlicht in: ZHF 2 (1975), S. 7–18. Bereits Moraws unveröffentlichte Habilitationsschrift beschäftigte sich mit dem Thema: König, Reich und Territorium im späten Mittelalter. Prosopographische Untersuchungen zur Kontinuität und Struktur königsnaher Führungsgruppen (Habil. phil. Heidelberg 1971 masch.); sie war mir nicht zugänglich. Teile der Einleitung seiner Studie erschienen als: ders., Gedanken zur politischen Kontinuität im deutschen Spätmittelalter, in: FS Hermann Heimpel, Bd. 2 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 36, Göttingen 1972), S. 45–60. Vorbereitend ders., Beamtentum und Rat König Ruprechts, in: ZGO 116 (1968), S. 59–126. Ders., Deutsches Königtum und bürgerliche Geldwirtschaft um 1400, in: VSWG 55 (1968), S. 289–328. Ders., Kanzlei und Kanzleipersonal König Ruprechts, in: AfD 15 (1969), S. 429–531. Vgl. außerdem ders., Kaiser Karl IV. im deutschen Spätmittelalter, in: HZ 229 (1979), S. 1–24, besonders S. 6, Anm. 11. 43 Moraw, Beamtentum und Rat König Ruprechts, S. 61. Vgl. Gerd Tellenbach, Zur Bedeutung der Personenforschung für die Erkenntnis des früheren Mittelalters (Freiburger Universitätsreden NF 25, Freiburg i. Br. 1957). Zusammenfassend: Borgolte, Sozialgeschichte, S. 192–196. In der Rückschau bezog sich Moraw stärker auf die althistorische Forschung und weniger auf Tellenbach, vgl. Peter Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung des späten Mittelalters, in: Mittelalterforschung nach der Wende 1989, hg. von Michael Borgolte (HZ. Beiheft 20, München 1995), S. 453–484, hier S. 460. Zu seinem Verhältnis zur Tellenbach-Schule siehe unten S. 32, Anm. 60. 44 Moraw, Beamtentum und Rat König Ruprechts. Ders., Kanzlei und Kanzleipersonal König Ruprechts. Aus jüngeren, vorwiegend verwaltungshistorischen Arbeiten in der Folge Moraws sei nur genannt Christian Hesse, Amtsträger der Fürsten im spätmittelalterlichen Reich. Die Funktionseliten der lokalen Verwaltung in Bayern-Landshut, Hessen, Sachsen und Württemberg 1350–1515 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 70, Göttingen 2005).
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Spätmittelalter aus, so nicht zuletzt in die Domkapitelforschung45 sowie in die Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte46. Als zentrale Schaltstellen spätmittelalterlicher Politik erkannte man zunächst die Residenzen47, später die Höfe, die es vor allem sozialhistorisch zu untersuchen galt48. Aus der Überzeugung, dass „das Königtum […] das gesamte Mittelalter hindurch prinzipiell die einzige auf das Gesamtreich bezogene Kraft […], die einzige
45 Gerhard Fouquet, Das Speyerer Domkapitel im Späten Mittelalter (ca. 1350–1540). Adlige Freundschaft, fürstliche Patronage und päpstliche Klientel, Teil 1 (Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte 57, Mainz 1987). Sein Ansatz fußt ganz wesentlich auf der Weiterentwicklung des Morawschen Instrumentariums zu Stiftskirchen, vgl. Peter Moraw, Über Typologie, Chronologie und Geographie der Stiftskirche im deutschen Mittelalter, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift (Veröffentlichungen des Max-PlanckInstituts für Geschichte 68 = Studien zur Germania Sacra 14, Göttingen 1980), S. 9–37. Ders., Hessische Stiftskirchen im Mittelalter, in: Aus Geschichte und ihren Hilfswissenschaften. FS Walter Heinemeyer, hg. von Hermann Bannasch / Hans-Peter Lachmann (VHKH 40, Marburg 1979), S. 425–458, hier vor allem S. 427. In Fortführung des Morawschen Ansatzes unter Berücksichtigung jüngerer Forschungen auch Oliver Auge, Stiftsbiographien. Die Kleriker des Stuttgarter Heilig-Kreuz-Stifts (1250–1552) (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 38, Leinfelden-Echterdingen 2002), hier S. 28–37. 46 Besonderes Interesse erfuhren Universitäten als Ausbildungsorte des „politischen Führungspersonals“, insbesondere der gelehrten Juristen, vgl. die gesammelten Beiträge von Peter Moraw, Gesammelte Beiträge zur deutschen und europäischen Universitätsgeschichte. Strukturen – Personen – Entwicklungen (Education and Society in the Middle Ages and Renaissance 31, Leiden / Boston 2008). Zahlreiche Einzelstudien aus landes- wie aus reichshistorischer Sicht beschäftigen sich nicht zuletzt mit Universitätsbesuchern, Karrieremustern und Aufstiegschancen, den sozialen Implikationen universitärer Bildung im Spätmittelalter sowie der politischen Bedeutung von gelehrten Räten, vgl. als Überblick die Beiträge in: Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts, hg. von Rainer Christoph Schwinges (ZHF. Beiheft 18, Berlin 1996). Ebenso die Arbeit von Moraws Schüler Rainer Christoph Schwinges, Deutsche Universitätsbesucher im 14. und 15. Jahrhundert: Studien zur Sozialgeschichte des Alten Reiches (VIÖG 123: Abt. Universalgeschichte = Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reichs 6, Stuttgart 1986). 47 Vgl. zum Residenzenansatz den grundlegenden Beitrag von Hans Patze / Gerhard Streich, Die landesherrlichen Residenzen im spätmittelalterlichen Deutschen Reich, in: BDLG NF 118 (1982), S. 205–220. 48 Zur Hofforschung Peter Moraw, Was war eine Residenz im deutschen Spätmittelalter?, in: ZHF 18 (1991), S. 461–468, hier S. 461. Vgl. auch Werner Paravicini, Vorwort, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich: Ein dynastisch-topographisches Handbuch, 1. Teilbd.: Dynastien und Höfe (Residenzenforschung 15,1, Stuttgart 2003), S. IX–XV. Ders., Getane Arbeit, künftige Arbeit: Fünfundzwanzig Jahre Residenzen-Kommission, in: Städtisches Bürgertum und Hofgesellschaft: Kulturen integrativer und konkurrierender Beziehungen in Residenz- und Hauptstädten vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, hg. von Jan Hirschbiegel (Residenzenforschung 25, Ostfildern 2011), S. 11–22. Außerdem Werner Rösener, Der mittelalterliche Fürstenhof. Vorbilder, Hofmodelle und Herrschaftspraxis, in: Mittelalterliche Fürstenhöfe und ihre Erinnerungskulturen, hg. von Carola Fey / Steffen Krieb / Werner Rösener (Formen der Erinnerung 27, Göttingen 2007), S. 21–41. Ders., Leben am Hof. Königs- und Fürstenhöfe im Mittelalter (Ostfildern 2008).
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A. Forschungsüberblick
Bühne politischen Handelns“49 beziehungsweise der „einzige Mittelpunkt zentraler ‚staatlicher‘ Existenz“50 gewesen sei, bestand dabei ein besonderes Interesse am Königshof. Auch die Bildung von Reichsinstitutionen, insbesondere im 15. Jahrhundert, wurde einer sozialhistorischen Analyse unterzogen51. Die Frage nach Verfassungsstrukturen wurde somit durch die nach Personen- und Gruppenbeziehungen weitgehend ersetzt52. Im Hinblick auf die Bestimmung der Wirksamkeit des Königtums im Raum, also des Kohärenzproblems, entwickelte Moraw in den 1970er Jahren ein Modell53, das unter den Begriffen „königsnaher“, „königsferner“ und „königsoffener Landschaften“ prominent geworden ist54. Damit maß er „den deutschen König mit dem landesgeschichtlichen Maßstab“55, je nach seiner „Einwirkungsweise“ unterschied er verschiedene Zonen des Reiches56. Diese Einwirkungsmöglichkeiten wurden am Interesse von Gruppen, im Wesentlichen der Eliten dieser Re-
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Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 5. Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 473. 51 Vgl. Moraw, Versuch. Gabriele Annas, Hoftag – Gemeiner Tag – Reichstag. Studien zur strukturellen Entwicklung deutscher Reichsversammlungen des späten Mittelalters (1349– 1471), 2 Bde. (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 68, Göttingen 2004), zu ihrem Ansatz insbesondere S. 210–217. 52 Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 178 f. 53 Zum Modellcharakter seiner Forschungen vgl. die theoretische Reflexion bei Moraw, Personenforschung, S. 3. Ferner auch die grundsätzlichen Ausführungen zur Bedeutung von Modellen für historisches Arbeiten ders., Kontinuität, S. 56. Ferner allgemein ders., Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 460. 54 Moraw, Offene Verfassung, S. 21. Ders., Wesenszüge der ‚Regierung‘ und ‚Verwaltung‘, des deutschen Königs im Reich (ca. 1350–1450), in: Histoire comparée de l’administration (IVe –XVIIIe siècles), hg. von Werner Paravicini / Karl Ferdinand Werner (Beihefte der Francia 9, München / Zürich 1980), S. 149–167, hier S. 150. Das Modell kann heute als die vorherrschende Lehrmeinung zur Beschreibung der politischen Gestalt des spätmittelalterlichen Reiches gelten, wie ein Blick in jüngere Lehrbücher zeigt, vgl. Malte Prietzel, Das Heilige Römische Reich im Spätmittelalter (Darmstadt 2004), S. 13. Krieger, König, Reich und Reichsreform, S. 2. 55 Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 184. 56 Sehr übersichtlich in: Peter Moraw, Zentrale und dezentrale Machtgefüge im spätmittelalterlichen Reich, in: Bericht über den 19. österreichischen Historikertag in Graz veranstaltet vom Verband Österreichischer Geschichtsvereine in der Zeit vom 18. bis 23. Mai 1992 (Veröffentlichungen des Verbandes Österreichischer Historiker und Geschichtsvereine 28, 1993), S. 117–120, hier S. 118: „Königsnah“: „Franken mit dem Hauptort Nürnberg, das Mittelrhein-Untermain-Gebiet mit Frankfurt, Teile Schwabens zeitweilig mit der Mitte in Augsburg und schwindend das Mittelelbe-Saale-Gebiet“. „Königsoffen“: „Oberrhein, schwächer der Niederrhein“. „Politisch königsfern“: „Territorien der rivalisierenden Großdynastien und der nichtkönigsdominierten Kurfürsten“. Das Modell der „königsnahen“ und „königsfernen Landschaften“ findet auch in der Frühen Neuzeit Anwendung, vgl. Michael North, Reich und Reichstag im 16. Jahrhundert. Der Blick aus der angeblichen Reichsferne, in: Der Reichstag 1486–1613: Kommunikation – Wahrnehmung – Öffentlichkeiten, hg. von Maximilian Lanzinner / Arno Strohmeyer (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 73, Göttingen 2006), S. 221–236, hier S. 221–223. 50
I. Forschungsgeschichte und -stand
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gionen, am Königtum und ihrer gegenseitigen Durchdringung gemessen; die gedankliche Keimzelle war dabei die systematische Erfassung der an der königlichen Verwaltung beteiligten Personen, zunächst nur unterschieden zwischen denen aus den Hausmacht-Territorien stammenden und sonstigen, wobei durch die Hausmacht-Problematik das Kontinuitätsproblem schon in der Frühphase der Morawschen Betrachtungen einbezogen wurde57. Die Verbindung der Landschaften mit dem König beziehungsweise seinem Hof ergab sich durch sogenannte „Kraftlinien“58. Weniger rezipiert wurde der ursprünglich zweite Teil von Moraws Theorie der „königsnahen“ und „königsfernen Landschaften“, und zwar die Anlehnung an die Systemtheorie, die in seinen späteren Schriften – wenn überhaupt – dann nur abgeschwächt und unverbunden mit den „königsnahen“ und „königsfernen Landschaften“ vorkommt59. Auch wenn er im Einzelnen diesen Aspekt nicht breiter ausführte, so ist doch erkennbar, dass seine Absichten denen Rolf Sprandels und dessen im Jahre 1972 erstmals veröffentlichten Versuch der Einbeziehung des soziologischen Systembegriffs zur „Übersetzung [historischer Sachverhalte] in neue Denkgewohnheiten“ ebenso wie zur Förderung der geschichtswissenschaftlichen 57
Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 185. Zentral der Entwurf Moraw, Beamtentum und Rat König Ruprechts, S. 59–61. Zum Elitenphänomen ders., Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Territorien – Dynastien – Machtkonstellationen. Eine Skizze, in: Coburg 1353. Stadt und Land Coburg im Spätmittelalter. FS zur Verbindung des Coburger Landes mit den Wettinern vor 650 Jahren bis 1918, hg. von Reinhardt Butz / Gert Melville (Schriftenreihe der Historischen Gesellschaft Coburg 17, Coburg 2003), S. 83–96, hier S. 91: „Zum Hof gehörte eine möglichst kompakte Gruppe von Königsdienern oder Fürstendienern, die ihrerseits kleine Einzel-Eliten bildeten.“ Ernst Schubert, Franken als königsnahe Landschaft unter Karl IV., in: BDLG NF 114 (1978), S. 865–890, hier S. 889, kommt zum Begriff der „Königsnähe“ in Bezug auf Franken zur Zeit Karls IV. zu anderen Ergebnissen: „Das von der Königsnähe geprägte regionale Profil kann nicht territoriale Eigenarten und Differenzierungen verbergen, die von den Herrschaftsinteressen der jeweiligen Großen ausgehen; weiterhin ist Königsnähe kein einheitlicher Begriff, sondern unterliegt in Franken auch manchen Schattierungen verdichteter oder gelockerter königlicher Einflußzonen […].“ 58 Peter Moraw, Franken als königsnahe Landschaft im späten Mittelalter, in: BDLG NF 112 (1976), S. 123–138, hier S. 124. 59 Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 185 f. In einem Beitrag zur „Organisation und Funktion von Verwaltung im späten Mittelalter“ aus dem Jahre 1983 steht das Konzept der „königsnahen“ und „königsfernen Landschaften“ allein, S. 24 f. In dem jüngeren Beitrag ders., Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 88, stehen Systeme verschiedenster Art und die verschiedenen königsbezogenen Landschaften unverbunden nebeneinander. Dabei hatte Moraw in den 1970er Jahren sogar betont, dass durch die Personenforschung erst die Möglichkeit bestünde, „mit ihrer Öffnung zur Sozialgeschichte offenbar leichter als andere Ansätze, kritisch geprüfte Anregungen aus dem Bereich der systematischen Sozialwissenschaften zu nutzen, vielleicht auf die Dauer auch die Sozialwissenschaften ihrerseits anzuregen, von vorindustriellen Zusammenhängen bessere Kenntnis zu nehmen.“ Ders., Personenforschung, S. 2. Vgl. grundlegend auch ders., Kontinuität, S. 53–59. Ferner Paul-Joachim Heinig, Die Vollendung der mittelalterlichen Reichsverfassung, in: Wendemarken in der deutschen Verfassungsgeschichte, hg. von Reinhard Mußgnug (Der Staat. Beiheft 10, Berlin 1993), S. 7–43, hier S. 8.
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A. Forschungsüberblick
„Selbstreflexion“ nahestanden60. So unterschied Moraw ein „Regierungssystem des Königs“, ein „politisches System des Königs“61 und ein „politisches Gesamt 60 Rolf Sprandel, Mentalitäten und Systeme. Neue Zugänge zur mittelalterlichen Geschichte (Stuttgart 1972). Zum geistigen Umfeld, in dem sich Sprandel bewegte, ebd., S. 7 f. (Zitat S. 7), zum Systembegriff S. 113–124. Ferner ders., Verfassungsgeschichtsschreibung aus der Sicht des Mittelalters, in: Gegenstand und Begriffe der Verfassungsgeschichtsschreibung (Der Staat. Beiheft 6, Berlin 1983), S. 105–123, insbesondere S. 105 f. sowie 122 f. Zu Sprandel Borgolte, Sozialgeschichte, S. 161 f. Joseph Morsel, Soziale Kategorisierung oder historische Phantasmagorie? Erkundungen zum historischen Gebrauch von mittelalterlichen sozialen Kategorien, in: Wirtschaft – Gesellschaft – Mentalitäten im Mittelalter. FS Rolf Sprandel, hg. von Hans-Peter Baum / Rainer Leng / Joachim Schneider (Beiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte 107, Stuttgart 2006), S. 211–237. Sehr erhellend auch der Vergleich des Morawschen Modells mit der Verfassungsgeschichte Sprandels, deren Deutungen bisweilen voneinander abweichen, vgl. Rolf Sprandel, Verfassung und Gesellschaft im Mittelalter (Paderborn 1975), etwa S. 272 (zur Reichsidee). Instruktiv auch der Forschungsüberblick ebd., S. 11–23, insbesondere S. 22. Sprandel beruft sich in diesem Zusammenhang auf Max Weber und seine „Idealtypenlehre“ sowie die „systemtheoretische Methode“: „Danach lassen sich Staatsverfassungen, Gesellschaftsordnungen usw. als Systeme oder Teilsysteme von zusammenhängenden Normen begreifen, die spezifische Leistungen für die Menschen, die sie tragen, zu erbringen haben, die sich in einem Prozeß zunehmender Spezialisierung und Differenzierung befinden und dabei mehr Komplexität (Umweltbeherrschung) und Reflexivität (Selbststeuerungsvermögen) gewinnen.“ In der Selbstreflexion Moraws über die ihn beeinflussenden Forschungstraditionen einige Jahre später kommt Sprandel allerdings nicht vor, vgl. Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 453–462. Hier nimmt er nur indirekt auf ihn, einen Schüler Gerd Tellenbachs, Bezug: „Man kannte natürlich die Schule Gerd Tellenbachs, die aber wegen ihrer frühen Hochspezialisierung in der hier skizzierten Richtung wohl weniger wirksam wurde, als man sich dies heute im Rückblick vorstellen mag. Dafür gab es auch disziplininterne Gründe.“ Ebd., S. 460. Ähnliches auch in: ders., Die deutschen Könige des späten Mittelalters und das Oberrheingebiet – personengeschichtlich betrachtet –, in: ZGO (1993), S. 1–20, hier S. 2. Vgl. auch Hagen Keller, Das Werk Gerd Tellenbachs in der Geschichtswissenschaft unseres Jahrhunderts, in: FMASt 28 (1994), S. 374–397, hier vor allem S. 390–394. Moraw nannte als die wesentlichen, ihn prägenden Historiker Werner Conze, Erich Maschke, Ahasver von Brandt sowie Hermann Heimpel. Bestätigt fühlte er sich nachträglich von den Franzosen Raymond Cazelles und Robert-Henri Bautier, Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung. Vgl. Raymond Cazelles, La société politique et la crise de la royauté sous Philippe de Valois (Bibliothèque Elzévirienne. Nouvelle série. Études et documents, Paris 1958), insbesondere S. 265: „Les origines du personnel politique“, mit einer an der lokalen, sozialen und intellektuellen Herkunft der an der Königsherrschaft beteiligten Gruppen interessierten Untersuchung. Zu Cazelles vgl. Werner Paravicini, Raymond Cazelles (1917– 1985), in: Francia 13 (1985), S. 959–962. Dieser entwickelte bereits früh die Vorstellung, dass im 14. Jahrhundert im Umkreis des Königs politische Gruppen wirken, anstatt Institutionen. 61 Als Beispiel der konkreten Analyse eines „politischen Systems“ die Studie von Moraws Schülerin Sabine Wefers, Das politische System Kaiser Sigmunds (VIEG 138. Abteilung Universalgeschichte = Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches 10, Stuttgart 1989), vor allem S. 1–4, 223–231. Wefers geht es um die Frage „nach den Zielen, Mitteln und Wegen des Königs auf der einen Seite und nach den Anforderungen, Erwartungen und Bedürfnissen, die das Reich an den König herantrug“ (S. 2). Sie versucht eine klare Gegenüberstellung und Abgrenzung von König und Reich. Dabei lehnt sie ihre Betrachtung an systemtheoretische Erwägungen an und integriert Ansätze der politikwissenschaftlichen und soziologischen Krisenforschung, die davon ausgehen, dass „die Vergrößerung des Innovationspotentials unter dem Druck der Krise […] für die Erforschung politischer Ent-
I. Forschungsgeschichte und -stand
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system des Reiches“, das er von weiteren Systemen wie „Kirche“, „Wirtschaft“ und „Wissenschaft“ noch weiter abgrenzte62. Somit hatte dieses Modell nach Moraw selbst nicht nur eine „geographische, sondern auch eine historische und eine systematisch-analytische Dimension“63. Allerdings wurde durch die Vernachlässigung dieser System-Komponente das Modell der „königsnahen“ und „königs fernen Landschaften“ in gewisser Weise zu einem geografischen Modell rück entwickelt64 – in dieser Form ging es später in die Lehrbücher ein65. wicklungsprozesse ein Phänomen von besonderer Wichtigkeit [ist]“ (S. 2); in solchen Krisensituationen würden neue und an die Umwelt angepasste Organisationsstrukturen entwickelt, vgl. auch Martin Jänicke, Die Analyse des politischen Systems aus der Krisenperspektive, in: Politische Systemkrisen, hg. von dems. (Neue Wissenschaftliche Bibliothek 65: Soziologie, Köln 1973), S. 14–50. Wefers übertrug später ihren systemtheoretisch orientierten Ansatz auf das Problem spätmittelalterlicher Außenpolitik; siehe dazu unten S. 49. Wie Wefers baut auch etwa Heinz-Dieter Heimann, Zwischen Böhmen und Burgund. Zum Ost-Westverhältnis innerhalb des Territorialsystems des Deutschen Reiches im 15. Jahrhundert (Dissertationen zur mittelalterlichen Geschichte 2, Köln / Wien 1982), hier S. 1 f., auf der Vorstellung vom „politischen System“ im Sinne von Moraw auf; er untermauert dies jedoch nicht mit Modellen aus Nachbarwissenschaften. Volker Press führte den Begriff des „Politischen Systems“ in die Forschung der Frühen Neuzeit ein, vgl. dazu: Anton Schindling, Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als trikonfessionelles politisches System, in: Die Reiche Mitteleuropas in der Neuzeit. Integration und Herrschaft. Liber memorialis Jan Pirożyński, hg. von Adam Perłakowski / Robert Bartczak / Anton Schindling (Kraków 2009), S. 47–67, hier S. 52. 62 Peter Moraw / Volker Press, Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte des Heiligen Römischen Reiches im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit (13.–18. Jahrhundert). Zu einem Forschungsschwerpunkt, in: ZHF 2 (1975), S. 95–108, hier S. 97. Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 186. 63 Moraw, Franken als königsnahe Landschaft, S. 125. 64 Zur Rückführung des Landschaftsbegriffs in eine geografische Dimension auch: Peter Moraw, Politische Landschaften im mittelalterlichen Reich – Probleme der Handlungsdichte, in: Landschaften im Mittelalter, bearb. von Ralf-Gunnar Werlich, hg. von Karl-Heinz Spieß (Stuttgart 2006), S. 153–166, hier S. 160: „Nur leise sage ich, daß ich im Kern alle diese Fragen als politische Fragen ansehe. So habe ich auch bei meinem Landschaftsbegriff nicht auf das Adjektiv ‚politisch‘ verzichten wollen, obwohl das heute manche für unmodern halten.“ In diesem Zusammenhang geht es ihm um die Unterordnung der Geografie unter das „Politische“, vgl. ebd., S. 164. Ebenso Moraw in der Rückschau in: Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 461: „Geschichte und Geographie rückten einander näher.“ Interessant auch die ursprünglich nicht getroffene Unterscheidung zwischen „politisch“ und „geographisch königsfernem“ Raum, vgl. Moraw, Zentrale und dezentrale Machtgefüge, S. 118. Ferner ders., Franken als königsnahe Landschaft, S. 124, Anm. 7: „Da es bei der Königsnähe im hier gemeinten Kontext vor allem um Personen geht, ist der Landschaftsbegriff im Sinne der geschichtlichen Landeskunde nicht streng wörtlich zu nehmen. Er dient eher der Abgrenzung gegenüber Nachbarbereichen.“ 65 Beispielhaft seien hierfür jüngere Lehrbücher genannt, vgl. Krieger, König, Reich und Reichsreform, S. 2. Prietzel, Das Heilige Römische Reich, S. 11–13: Der Titel des Unterkapitels lautet „Geografische Fakten, politische Folgen.“ Die Bestimmung dieser Landschaften über das personale oder Gruppenelement wird indes nicht wahrgenommen. Aber auch in anderen Bereichen ist Moraw verkürzt wahrgenommen worden, etwa bei seiner Unterscheidung von „königsnahen Landschaften“ des Spätmittelalters und „Königslandschaften“, vgl. Moraw, Franken als königsnahe Landschaft, S. 125 f. Aber Prietzel, Das Heilige Römische Reich, S. 13. Hierzu auch Schubert, Königsnahe Landschaften, S. 865. Allerdings ist zu
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A. Forschungsüberblick
Das Kohärenzproblem als Bestandteil der Schwäche der „Zentralgewalt ergab sich somit wesentlich aus dem Auseinanderfallen vom „politischen System des Königs“ und dem des Gesamtreichs66. Moraw ersetzte in diesem Punkt also die Vorstellung der älteren Forschung von der Konzentration von Hoheitsrechten auf territorialer Ebene zulasten des Königtums durch eine Sicht auf Systeme. Erst in seiner Rezeption67 wurde auch die klassische Itinerarforschung, die zunächst im Rahmen der landesherrlichen Residenzbildung eine Renaissance erfahren hatte und dann auf das Königtum68 übertragen worden war, auch in das Modell der „königsnahen“ und „königsfernen Landschaften“ eingebaut69. Moraw integrierte später in sein Modell das von Alois Gerlich70 geprägte Konzept „interterritorialer Systembildungen“, das bei ihm unter „dezentralen bemerken, dass auch Moraw sein Modell im Einzelnen nicht immer einheitlich beschrieb, vgl. etwa Moraw, Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 89: „selbstregulierende politische Systeme“. 66 Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 186. 67 Beispielsweise Prietzel, Heiliges Römisches Reich, S. 13. 68 Ellen Widder, Itinerar und Politik. Studien zur Reiseherrschaft Karls IV. südlich der Alpen (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 10, Köln / Weimar / Wien 1993), zu Forschungsgeschichte und Ansatz insbesondere S. 13–19. 69 So vor allem Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 813–817. Damit wurde in gewisser Weise wieder an der älteren Forschung angeknüpft vgl. Theodor Mayer, Das deutsche Königtum und sein Wirkungsbereich, in: ders., Mittelalterliche Studien. Gesammelte Studien (Konstanz 1959, ND Sigmaringen 1972), S. 28–44; ursprünglich veröffentlicht in: Das Reich und Europa. Gemeinschaftsarbeit deutscher Historiker, hg. von dems./Walter Platzhoff (Leipzig ²1943), S. 54–60. Allerdings hatte bereits Moraw selbst im Jahre 1968 ganz beiläufig im Zusammenhang mit der „Personenforschung“ geschrieben: „Unter weiteren möglichen Wegen ist die Itinerarforschung hervorzuheben. Ein entsprechender Versuch ist beabsichtigt.“ Ders., Beamtentum und Rat König Ruprechts, S. 60. 70 Alois Gerlich, Interterritoriale Systembildungen zwischen Mittelrhein und Saar in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, in: ders., Territorium, Reich und Kirche. Ausgewählte Beiträge zu mittelrheinischen Landesgeschichte, hg. von Christiane Heinemann / Regina Schäfer / Sigrid Schmitt (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 74, Wiesbaden 2005), S. 365–400; ursprünglich veröffentlicht in: BDLG NF 111 (1975), S. 103– 137. Zuvor bereits ders., Habsburg – Luxemburg – Wittelsbach im Kampf um die deutsche Königskrone. Studien zur Vorgeschichte des Königtums Ruprechts von der Pfalz (Wiesbaden 1960), S. XII. Gerlich wies darauf hin, dass schon Albert Werminghoff, Ludwig von Eyb der Ältere (1417–1502). Ein Beitrag zur fränkischen und deutschen Geschichte im 15. Jahrhundert (Halle a.d.S. 1919), S. 58, von „Interterritorialität“ gesprochen hatte; vgl. den Hinweis bei Eduard Ziehen, Mittelrhein und Reich im Zeitalter der Reichsreform 1356–1504, Bd. 1: 1356–1491 (Frankfurt a. M. 1934), S. 163. Zum Begriff „System“ ders., Geschichtliche Landeskunde, S. 303–311, hier S. 303: „Mit ‚System‘ ist nicht ein determinierter Ablauf von Entwicklungen bis hin zu einem unveränderlichen Endzustand gemeint; dies kann nicht in einer Gesetzmäßigkeit verstanden werden, wie sie naturwissenschaftlichen Methoden eigen ist. Die Variabilität menschlichen Wollens und die oft anzutreffende Unberechenbarkeit im Handeln von einzelnen, Verbänden und Schichten lassen nie ein festes Netz von Koordinaten zu, in das man Einzelfaktoren oder Trends einordnen und so ein für allemal festlegen könnte.“ Vgl. außerdem Ernst Schubert, Die Landfrieden als interterritoriale Gestaltung, in: Landfrieden. Anspruch und Wirklichkeit, hg. von Arno Buschmann / Elmar Wadle (Veröffentlichungen der Görres-Gesellschaft NF 98, Paderborn u. a. 2002), S. 123–152.
I. Forschungsgeschichte und -stand
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Handlungsgefügen“, „politischen Landschaften“ sowie „zentralen und dezentralen Machtgefügen“ firmiert71. Damit werden 14 „mittelgroße, in der praktischen Territorialpolitik erlebbare Raumgebilde“ oder – in Fortführung des Systemgedankens – „selbstregulierende politische Systeme“, unterschieden. Durch die ihnen innewohnenden Kräfteverhältnisse könnten „eindeutig von einer Hegemonialmacht bestimmte Räume“, „durch den Kampf um die Hegemonie bezeichnete Räume“ und „Räume mit kleinteiligen Kräftespielen, öfter unter auswärtiger Dominanz“ voneinander abgegrenzt werden72. Prägende Ordnungsfunktion hatten in diesen Räumen die Vielzahl von Fürstenhöfen73. Ebenso seien in diesen Räumen inter dynastische Verflechtungen zustande gekommen74. Dies sei der Bezugsrahmen der Vielzahl „kleinerer Mächte“ gewesen, da „dem spätmittelalterlichen Deutschland […] Handeln aus der Nähe gemäß“ gewesen sei75. Damit legte Moraw vor, was er Jahre zuvor als Entwurf einer „verfassungsgeschichtlichen Territorialgrammatik“ gefordert hatte, deren Grundlage eine Zusammenstellung „typische[r] oder wiederkehrende[r] Situationen, Konstellationen und Abläufe“ darstellen sollte76. Anscheinend entwickelte Moraw diese Ausdifferenzierung seines Modells unter dem Einfluss einer sich verändernden Umgebung angesichts eines wiedervereinigten Deutschlands und eines werdenden Europas nach dem Ende der „Systemkonkurrenz“, bei dem es die Rolle der Regionen erst noch
71
Vgl. Moraw, Zentrale und dezentrale Machtgefüge, passim. Ders., Regionen und Reich im späten Mittelalter, in: Regionen und Föderalismus. 50 Jahre Rheinland-Pfalz, hg. von Michael Matheus (Mainzer Vorträge 2, Stuttgart 1997), S. 9–29, hier S. 22–26. 72 Moraw, Zentrale und dezentrale Machtgefüge, S. 118. Ders., Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 89 f.: „Sie [die Systeme] standen im einfachsten Fall unter der Leitung einer Führungsmacht (auch der König war natürlich ein Systemführer), seltener ging es um die Rivalität zweier annähernd gleichstarker Vormächte. Sehr selten fällt eine passive Landschaft auf, in der sich Schwache untereinander in Schach hielten und kein stärkerer von außen eingriff.“ 73 Moraw, Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 90. 74 Moraw, Regionen und Reich, S. 22–26. Ders., Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 89. Ders., Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 19; ders., Brandenburg im späten Mittelalter. Entwicklungsgeschichtliche Überlegungen im deutschen und europäischen Vergleich, in: Im Dienste von Verwaltung, Archivwissenschaft und brandenburgischer Landesgeschichte. 50 Jahre Brandenburgisches Landeshauptarchiv. Beiträge der Festveranstaltung vom 23. Juni 1999, hg. von Klaus Neitmann (Quellen, Findbücher und Inventare des Brandenburgischen Landeshauptarchivs 8, Frankfurt a. M. u. a. 2000), S. 83–99, hier S. 88 f. Es ging Moraw um „Räume mittlerer Größe – in mehreren Tagen beritten durchquerbar“. Dies sei „der natürliche Erfahrungs- und Handlungsraum des kontinentalen europäischen Mittelalters.“ Die 14 abgegrenzten politischen Landschaften sollten „in hohem Maß politisch selbsttragend und selbstregelnd beschaffen sein. Sie bedurften weiträumigen Denkens nur selten“. 75 Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 471. Ders., Zentrale und dezentrale Machtgefüge, S. 119. 76 Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 177–191. Noch in ders., Organisation und Funktion von Verwaltung, S. 25, ohne die einschlägigen Bezeichnungen.
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A. Forschungsüberblick
zu finden galt77. Sein Modell insgesamt, insbesondere die Berücksichtigung der „deutschen Kontinuitäts- und Kohärenzfrage“ hingegen, war ganz offensichtlich von der persönlichen Lebenserfahrung Moraws geprägt, insbesondere durch den „bewußt oder unbewußt wahrgenommene[n] Einfluß des Zeitalters der Teilung“78. Bei der Ausbildung der Landesherrschaft innerhalb der Territorien spricht Moraw vom „Bündelungsmodell“79. Landesherren hätten Rechte unterschiedlicher 77
Moraw, Regionen und Reich. Die Bedeutung von Europa scheint in Moraws Werk Wandlungen unterworfen zu sein. Grundlegend: Ders., Über Entwicklungsunterschiede und Entwicklungsausgleich im deutschen und europäischen Mittelalter. Ein Versuch, in: ders., Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten Mittelalters, hg. von Rainer Christoph Schwinges (Sigmaringen 1995), S. 293–320, hier besonders S. 298 f.; ursprünglich veröffentlicht in: Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen. FS Wolfgang von Stromer, hg. von Uwe Bestmann / Franz Irsigler, Teil 2 (Trier 1987), S. 583–622: Er unterscheidet hier ein „Älteres“ von einem „Jüngeren“ Europa, wobei er den weit überwiegenden Teil Deutschlands zu letzterem zählt. „Das ‚Ältere Europa‘ entspricht dem historisch bevorzugten Süden und Westen des Kontinents, das ‚Jüngere Europa‘ der historisch benachteiligten Mitte, dem Norden und Osten.“ Später noch: Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 463. Zweifellos hat eine übergreifend europäische, nicht zuletzt im Erkenntnisinteresse über Deutschland und das Reich hinausweisende Perspektive in Moraws Werk – insbesondere seit den 1990er Jahren – zunehmend an Bedeutung gewonnen, vgl. exemplarisch ders., Deutschland und der Westen Europas vornehmlich im späteren Mittelalter, in: Deutschland und der Westen Europas im Mittelalter, hg. von Joachim Ehlers (VuF 56, Stuttgart 2002), S. 533–561. Ders., Das Reich im mittelalterlichen Europa, in: Heilig – Römisch – Deutsch. Das Reich im mittelalterlichen Europa, hg. von Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter (Dresden 2006), S. 440–450, hier besonders S. 446–450. Ders., Europa im späten Mittelalter. Einige Grundlagen und Grundfragen, in: Europa im späten Mittelalter. Politik – Gesellschaft – Kultur, hg. von Rainer Christoph Schwinges / Christian Hesse / Peter Moraw (HZ. Beiheft 40, München 2006), S. 3–10. 78 So Moraw selbst im Jahre 1992 bei seiner Auseinandersetzung mit Angermeiers Werk zur Reichsreform, Moraw, Rez. zu: Angermeier, S. 279 f. Angermeiers Geprägtheit ordnet er als „föderalistische Neigungen“ der älteren Generation ein. Vgl. auch Peter Moraw, Das Hauptstadtproblem in der deutschen Geschichte, in: Damals 24 (1992), S. 246–271, insbesondere S. 250: „Seit dem 12. Jahrhundert gab es aus den genannten und aus anderen Gründen eigentlich drei Deutschland, wie dies in nicht sehr abgewandelter Form bis heute der Fall sein dürfte. Es waren das westlich-rheinische Deutschland, von dem die deutsche Geschichte den Anfang genommen hatte, dann das südliche Deutschland, das als Nachbar des lange Zeit führenden Mittelmeerraums eigenständige Beziehungen zur damals modernsten Gegenwart besaß, und das östliche Deutschland, das durch die mittelalterlichen Siedlungsbewegungen neu entstanden ist.“ Vgl. zum Gedanken der „politischen Kontinuität“ bereits ders., Kontinuität, S. 45 ff. Zur forschungsgeschichtlichen Verortung ebenso ders., Fürsten am spätmittelalterlichen deutschen Königshof, in: Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, hg. von Cordula Nolte / Karl-Heinz Spieß / Ralf-Gunnar Werlich (Residenzenforschung 14, Stuttgart 2002), S. 17–32, hier S. 18. Ders., Reich im mittelalterlichen Europa, S. 441. Ders., Europa im späten Mittelalter, S. 4. Ders., Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 457–463. Ders., Über gelehrte Juristen im deutschen Spätmittelalter, in: Mediaevalia Augiensia. Forschungen zur Geschichte des Mittelalters, hg. von Jürgen Petersohn (VuF 54, Stuttgart 2001), S. 125– 147, hier S. 128. 79 Moraw, Entfaltung der deutschen Territorien, S. 100 und insgesamt. Ders., Offene Verfassung, S. 183–201.
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Herkunft und Qualität gesammelt, zusammengefasst und in ein „Ganzes“ umgewandelt80; „Landesherrschaft kann man als Höhepunkt adeliger Herrschaft auffassen“81. Sie sei „am besten aufzufassen als ein Bündel von Einzelrechten in der Hand eines Herrn“82. Mit den dieser Sicht zugrunde liegenden Prämissen bewegt sich Moraw unausgesprochen in den Bahnen der älteren Forschung zum Ausbau der Landesherrschaft und setzt sich gleichzeitig ausgesprochen von Brunner ab83. Gleichzeitig stellt er neben die Betrachtung von Rechten weitere Elemente wie die Verwaltung, dynastische Politik oder finanzielle Aspekte84. Bei der Beschreibung seines Gesamtmodells bediente sich Moraw wiederholt des Bildes von „Stockwerken“. „Landesgeschichte als Territorialgeschichte [sei] nur ein Stockwerk verfassungsmäßiger Existenz im Gebäude deutscher Vergangenheit […], neben anderen Etagen ‚darüber‘ und ‚darunter‘“85. Gleichzeitig nennt er Papst, Großdynastien und Kurfürsten „obere Instanzen“, die „unteren Etagen“ hingegen „Fundamente territorialer Existenz“86. Diese umschreibenden Charakterisierungen legen nahe, dass die verschiedenen Elemente seines Modells hierarchisch geordnet sein sollen: „Viele Dynastien und die meisten reichsfürstlichen Bischöfe ragten bestenfalls ‚auf den Zehenspitzen stehend‘ in das Machtgebäude höchsten Ranges hinauf.“ Die dezentralen Systeme hingegen seien „in hohem Maß 80 Vgl. auch die Zusammenfassung bei Werner Hechberger, Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter. Zur Anatomie eines Forschungsproblems (Mittelalter-Forschungen 17, Ostfildern 2005), S. 458–462. Er bezeichnet dieses Modell zur Entstehung der Landesherrschaft als „herrschende Lehre“; vgl. dagegen Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 52. 81 Moraw, Entfaltung der deutschen Territorien, S. 99. 82 Ebd. 83 Hechberger, Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, S. 251, 460. Es fällt auf, dass Moraw selbst diese Kontinuitätslinie nicht herstellt, vgl. hierzu auch ebd., S. 459. Vgl. bereits Theodor Mayer, Fürsten und Staat. Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Mittelalters (Weimar 1950); zur Frage des hohen Adels als Träger von „Hoheitsrechten“ im Sinne „autogene[r] hochadlige[r] Immunität“, S. 278 mit weiterer Literatur. Zu Brunner: Moraw, Entfaltung der deutschen Territorien, S. 100 f. 84 Moraw, Entfaltung der deutschen Territorien, S. 100, mit dem Hinweis: „Daß dem, der hat, hinzugegeben wird, beschreibt schließlich auch erfolgreiche Landesherrschaft.“ Außerdem nennt er „politisch-militärische[n] Erfolg, damit auch kaum verhüllte Gewalt, Unermüdlichkeit beim Streben nach dem Erwerb immer neuer Güter und Rechte, auch ganz kleiner, durch alte und neue Mittel, z. B. durch Lehnsrecht und durch Geld, schließlich dynastische Planungen, die Gunst des biologischen Zufalls und andere unkalkulierbare Umstände. […] Man konnte sich durch Königsdienst oder durch Widerstand gegen den König territorial verbessern.“ 85 Moraw, Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 89. Ders., Landes geschichte und Reichsgeschichte, S. 177. In diesem Zitat wird auch die Verwendung des Begriffs „Landesgeschichte“ bei Moraw deutlich, nämlich als „Territorialgeschichte“; hierzu ferner ebd., S. 175. Zur forschungsgeschichtlichen Einordnung der Begriffe vgl. Luise SchornSchütte, Territorialgeschichte – Provinzialgeschichte – Regionalgeschichte. Ein Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte der Landesgeschichtsschreibung, in: Civitatum communitas. Studien zum europäischen Städtewesen. FS Heinz Stoob, hg. von Helmut Jäger / Franz Petri / Heinz Quirin (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 21/1, Köln 1984), S. 390–416. 86 Moraw, Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 89.
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politisch selbsttragend und selbstregelnd“ gewesen und hätten ein Eingreifen von außen, auch des Königs, normalerweise nicht benötigt87. Vor dem Hintergrund dieses weitreichenden Ansatzes von Moraw stimmen seine Ergebnisse mit denen von Angermeier, Schubert und Krieger auch nur teilweise überein, wie exemplarisch am Dualismusproblem deutlich wird. So sieht Moraw anders als Schubert und dessen Gegenüberstellung von „Kaiser und Reich“ mehrere Dualismen, zwischen König und Papsttum, zwischen Kurfürsten und König oder zwischen König und sich formierenden Reichsständen88; das Reich aber sei „vom Königtum nicht ablösbar“ gewesen89. Aus dem werdenden Dualismus und dem „dualistischen Ringen“ um die Reichsverfassung hätten sich die Reichsinstitutionen, wie sie im Jahre 1495 auf dem Reichstag zu Worms entgegentreten, gebildet90. Dualismus ist somit nach Moraw ein eher auf Gruppen und Gruppenkonstellationen bezogenes Phänomen; gesellschaftliche Auseinandersetzung bewirkt demnach Institutionalisierung und erscheint somit als Teil von Modernisierung91. Betrachtet man allerdings Moraws verfassungsgeschichtliches Erklärungsmodell insgesamt mit seinen hierarchischen Schichtungen, so fällt auf, dass er mit Perspektivwechseln arbeitet, etwa zwischen Königtum und Territorien, zwischen Flächenhaftigkeit und Punktförmigkeit von Herrschaft, zwischen zentralen und dezentralen Systemen. Gleichzeitig orientiert sich sein Ansatz zur Erklärung des Ausbaus und der Intensivierung von Landesherrschaft an der älteren Forschung. So wird im Grunde die Trennung der klassischen Verfassungsgeschichte in Landes- und Reichsgeschichte in sein Erklärungsmodell überführt, um „Tatbestände“ zu beschreiben, „die gleichsam zwischen Landesgeschichte und Reichsgeschichte schweben“92. Auch hierin knüpft er in der kategorialen Zuschreibung von Verfassung und politischem Handeln somit wie Krieger und entgegen Schubert implizit an die ältere Verfassungsgeschichtsschreibung an93. Gemeinsames Verdienst dieser Forschergeneration seit den 1970er Jahren ist es indes, die Reichsgeschichte des Spätmittelalters überhaupt einer verfassungsgeschichtlichen Betrachtung zugänglich gemacht zu haben94. 87 Moraw, Zentrale und dezentrale Machtgefüge. Ders., Brandenburg im späten Mittelalter (2000), S. 88. 88 Moraw, Offene Verfassung, S. 149–169, 416–421. Ders., Organisation und Funktion von Verwaltung, S. 22–24. Schubert, König und Reich. Zu Kriegers Verständnis von Dualismus siehe oben S. 27. 89 Moraw, Offene Verfassung, S. 157. 90 Ebd. 91 Krieger, König, Reich und Reichsreform, S. 59, 103 f. 92 Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 185. 93 Moraw setzt sich mit der älteren Forschung vor allem durch den Vorwurf, anstaltsstaatlich zu denken, auseinander. Mit Brunner setzt er sich stärker in Bezug auf die „Fehde“ sowie auf die „Begriffskritik“ auseinander. Zur Fehde vgl. Peter Moraw, Staat und Krieg im deutschen Spätm ittelalter, in: Staat und Krieg. Vom Mittelalter bis zur Moderne, hg. von Werner Rösener (Göttingen 2000), S. 82–112, hier S. 111. Zur „Begriffskritik“ vgl. ders., Fragen der deutschen Verfassungsgeschichte, S. 60 f. 94 Graus, Verfassungsgeschichte, S. 546, 573.
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Schließlich gilt es zu betonen, dass diese Erklärungs- und Deutungsansätze im Wesentlichen an Beispielen des 13. und 14. Jahrhunderts entwickelt wurden. Erst später wurden sie ohne nähere Prüfung auch in das 15. Jahrhundert, bisweilen gar bis weit in die Frühe Neuzeit hinein ausgedehnt95. c) Kulturalistische Wende und neue Wege der Politik- und Verfassungsgeschichte Im Zuge des sogenannten „cultural turn“ der Geschichtswissenschaft wurde die sozialhistorische um eine kulturhistorische Dimension erweitert. Dabei geht es vor allem zum einen um Fragen von Familie, Dynastie sowie sozialen Bindungsformen wie Verwandtschaft und Freundschaft96. Zum anderen haben sich 95 Auch Moraw ging zunächst von der Herrschaft Karls IV. und Ruprechts aus, dehnte sein Modell dann zeitlich nach vorne und hinten aus und ergänzte es im 15. Jahrhundert um die „Verdichtungsphase“, die in seinem Werk aber einen erheblich kleineren Teil ausmacht. Die zeitliche Eingrenzung der Verwendbarkeit seines Modells bleibt unscharf. Dies spiegelt sich etwa in seinen landeshistorischen Betrachtungen und in seinem systematisierenden Zugriff der Jahre nach 1470 wider, vgl. beispielhaft Moraw, Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 35: „Wir kommen zum Schluß. Es heben sich nun ganz klar drei Phasen der ‚europäisierten‘ brandenburgischen Geschichte seit dem früheren 12. Jahrhundert ab. Sie können jeweils für sich betrachtet und für sich in Deutschland und Europa vergleichend betrachtet werden: Die Aufbauzeit der Askanier, die am fruchtbarsten mit dem gleichzeitigen Schicksal Meißens und Schlesiens, auch Böhmens, verglichen werden mag, dann die zweite, hier vor allem angesprochene (sagen wir jetzt: eine Zeit der Krisen und des sich fortsetzenden Zurückbleibens) vom Ende der Askanier bis zum Tod Albrechts Achilles und drittens die Zeit seit etwa 1470 als neuer Aufbruch, der hier nicht mehr zur Debatte steht.“ Albrecht von Brandenburg starb allerdings erst im Jahre 1486. Zur Rezeption des Morawschen Modellgebäudes siehe oben S. 28 f., 31 ff. 96 Schon Moraw wies wiederholt auf die Bedeutung der Dynastien für die politisch-soziale Ordnung hin, vgl. nur ders., Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 86–94. Ders., Zentrale und dezentrale Machtgefüge, S. 118. Cordula Nolte, Familie, Hof und Herrschaft. Das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440–1530) (Mittelalter-Forschungen 11, Ostfildern 2005). Heinz-Dieter Heimann, Hausordnung und Staatsbildung. Innerdynastische Konflikte als Wirkungsfaktoren der Herrschaftsverfestigung bei den wittelsbachischen Rheinpfalzgrafen und den Herzögen von Bayern. Ein Beitrag zum Normenwandel in der Krise des Spätmittelalters (Quellen und Forschungen aus dem Gebiet der Geschichte NF 16, Paderborn u. a. 1993). Jörg Rogge, Herrschaftsweitergabe, Konfliktregelung und Familienorganisation im fürstlichen Hochadel. Das Beispiel der Wettiner von der Mitte des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 49, Stuttgart 2002). Klaus Oschema, Freundschaft und Nähe im spätmittelalterlichen Burgund. Studien zum Spannungsfeld von Emotion und Institution (Norm und Struktur 26, Köln / Weimar / Wien 2006). Claudia Garnier, Amicus amicis – inimicus inimicis. Politische Freundschaft und fürstliche Netzwerke im 13. Jahrhundert (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 46, Stuttgart 2000). Karl-Heinz Spieß, Familie und Verwandtschaft im deutschen Hochadel des Spätmittelalters. 13. bis Anfang des 16. Jahrhunderts (VSWG. Beiheft 111, Stuttgart 1993). Klaus van Eickels, Vom inszenierten Konsens zum systematisierten Konflikt. Die englisch-französischen Beziehungen und ihre Wahrnehmung an der Wende vom Hoch- zum Spätmittelalter (MittelalterForschungen 10, Stuttgart 2002).
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Forschungszweige zu Repräsentation und symbolischer Kommunikation97 sowie zur Konfliktforschung etabliert98. Außerdem sind insbesondere handlungsleitende Motive, etwa die Bedeutung ritterlicher Ehre für politisches Herrscherhandeln99, sowie eine perspektivisch geweitete Adelsgeschichte100 verstärkt Gegenstand geschichtswissenschaftlicher Betrachtungen geworden; Pionierfunktion mit großer 97
Politische Versammlungen und ihre Rituale. Repräsentationsformen und Entscheidungs prozesse des Reichs und der Kirche im späten Mittelalter, hg. von Jörg Peltzer / Gerald Schwedler / Paul Töbelmann (Mittelalter-Forschungen 27, Ostfildern 2009). Gerald Schwedler, Herrschertreffen des Spätmittelalters. Formen – Rituale – Wirkungen (Mittelalter-Forschungen 21, Ostfildern 2008). Für die Frühe Neuzeit ist hervorzuheben Barbara Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider. Verfassungsgeschichte und Symbolsprache des Alten Reiches (München 2008), zur Frage der Verfassung des Alten Reiches vgl. S. 12–21. Zu staatlicher Verfasstheit im Hohen Mittelalter sowie zu Konfliktführung vgl. die diversen Beiträge in: Gerd Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde (Darmstadt 1997). Zu symbolischer Kommunikation ders., Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter (Darmstadt 2003). Jüngerer Überblick ders./Barbara Stollberg-Rilinger, Spektakel der Macht? Einleitung, in: Spektakel der Macht. Rituale im Alten Europa 800–1800, hg. von dens./Jutta Götzmann / Matthias Puhle (Darmstadt 2008), S. 15–19. Aus der großen Zahl jüngerer Beiträge und Einzelstudien zu Teilbereichen seien hervorgehoben: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. von Gerd Althoff (VuF 51, Stuttgart 2001). Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Heinz Duchhardt / Gert Melville (Norm und Struktur 7, Köln 1997). Daneben etwa: Institutionalität und Symbolisierung. Verstetigungen kultureller Ordnungsmuster in Vergangenheit und Gegenwart, hg. von Gert Melville (Köln / Weimar / Wien 2001). Edward Muir, Ritual in early modern Europe (New approaches to European history 11, Cambridge 1997). Gerrit Jasper Schenk, Zeremoniell und Politik. Herrschereinzüge im spätmittelalterlichen Reich (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 21, Köln / Weimar / Wien 2003). Die Liste dieser Arbeiten ließe sich beliebig fortsetzen. 98 Zur Konfliktforschung über die oben in S. 40, Anm. 97 genannte Literatur hinaus auch der Überblick bei Steffen Patzold, Konflikte im Kloster. Studien zu Auseinandersetzungen in monastischen Gemeinschaften des ottonisch-salischen Reiches (Historische Studien 463, Husum 2000), S. 25–51. Ders., Konflikte als Thema in der modernen Mediävistik, in: Hans-Werner Goetz, Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung (Darmstadt 1999), S. 198–205. Ferner bereits: Bernd-Ulrich Hergemöller, „Pfaffenkriege“ im spätmittelalterlichen Hanseraum. Quellen und Studien zu Braunschweig, Osnabrück, Lüneburg und Rostock, Bd. 1 (Städteforschung. Reihe C: Quellen 2, Köln / Wien 1988), S. 3–13. 99 Knut Görich, Die Ehre Friedrich Barbarossas. Kommunikation, Konflikt und politisches Handeln im 12. Jahrhundert (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne, Darmstadt 2001). Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. von Klaus Schreiner / Gerd Schwerhoff (Norm und Struktur 5, Köln / Weimar / Wien 1995). 100 Nicht zuletzt Werner Paravicini, Interesse am Adel. Eine Einleitung, in: Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa, hg. von Otto Gerhard Oexle / Werner Paravicini (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 133, Göttingen 1997), S. 9–25. Werner Rösener, Adelsherrschaft als kulturhistorisches Phänomen. Paternalismus, Herrschaftssymbolik und Adelskritik, in: HZ 268 (1999), S. 1–34. Joseph Morsel, La noblesse contre le prince. L’espace social des Thüngen à la fin du Moyen Âge (Franconie, v. 1250– 1525) (Beihefte der Francia 49, Stuttgart 2000). Joachim Schneider, Spätmittelalterlicher deutscher Niederadel. Ein landschaftlicher Vergleich (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 52, Stuttgart 2003). Die Forschungsgeschichte zur Adelsforschung insgesamt reflektierend Hechberger, Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter.
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Resonanz hatten in diesem Zusammenhang allerdings zunächst Forschungen weniger zum Spätmittelalter als vielmehr zum Früh- und Hochmittelalter ebenso wie zur Frühen Neuzeit, wobei Gerd Althoff101 und Barbara Stollberg-Rilinger102 als führende Vertreter zu nennen sind. Besonderer Erwähnung bedarf auch das Konzept der „Ordnungskonfigurationen“, das Bernd Schneidmüller und Stefan Weinfurter am Beispiel des 12. und 13. Jahrhundert etablierten, um Konzepte gesellschaftlicher Geordnetheit und „Methoden des Kategorisierens und Abstrahierens“ gleichermaßen zu erfassen103. Unter dem prägenden Einfluss zunehmender Europäisierung104 tritt nach Schneidmüller somit an die Stelle der „deutschen Verfassungsgeschichte“ die Betrachtung „politischer Ordnungen und Identitäten“105. 101
Vgl. neben den in S. 40, Anm. 97 genannten Arbeiten aus jüngerer Zeit auch Gerd Althoff, Einleitung, in: Frieden stiften. Vermittlung und Konfliktlösung vom Mittelalter bis heute, hg. von dems. (Darmstadt 2011), S. 9–18. Ders., Rechtsgewohnheiten und Spielregeln der Politik im Mittelalter, in: Gewohnheit, Gebot, Gesetz: Normativität in Geschichte und Gegenwart: Eine Einführung, hg. von Nils Jansen / Peter Oestmann (Tübingen 2011), S. 27–52. Ders., Kommunikation des Königs mit den Fürsten, in: Ritualisierung politischer Willensbildung. Polen und Deutschland im hohen und späten Mittelalter, hg. von Wojciech Falkowski (Quellen und Studien Deutsches Historisches Institut Warschau 24, Wiesbaden 2010), S. 31–45. 102 Neben den in S. 40, Anm. 97 genannten Studien vgl. auch Barbara Stollberg-Rilinger, Die Welt als Symboluniversum. Überlegungen zur symbolischen Kommunikation in Vormoderne und Moderne, in: Religiosità e civiltà: le comunicazioni simboliche, secoli IX–XIII: atti del convegno internazionale, Domodossola, Sacro Monte e Castello di Mattarella, 20–23 settembre 2007, bearb. von Elisabetta Filippini, hg. von Giancarlo Andenna (Mailand 2009), S. 23–48. Dies., Einleitung, in: Herstellung und Darstellung von Entscheidungen: Verfahren, Verwalten und Verhandeln in der Vormoderne, hg. von ders. (ZHF. Beiheft 44, Berlin 2010), S. 9–34. Den Wert dieses Ansatzes für eine moderne Verfassungsgeschichte betonen: FranzJosef Arlinghaus / Bernd Ulrich Hucker / Eugen Kotte, Einleitung, in: Verfassungsgeschichte aus internationaler und diachroner Perspektive, hg. von dens. (München 2010), S. 7–14, hier insbesondere S. 7–10. 103 Die Autoren gehen von einem tiefgreifenden Wandel im Denken und Leben vom 12. zum 13. Jahrhundert aus, vgl. Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter, Ordnungskonfigurationen. Die Erprobung eines Forschungsdesigns, in: Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. von dens. (VuF 64, Ostfildern 2006), S. 7–18. 104 Der europäische Blick als mediävistische Untersuchungsperspektive wurde seit den 1990er Jahren nicht zuletzt von Michael Borgolte hervorgehoben, vgl. ders., Mediävistik als vergleichende Geschichte Europas, in: Mediävistik im 21. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der internationalen und interdisziplinären Mittelalterforschung, hg. von Hans-Werner Goetz / Jörg Jarnut (MittelalterStudien 1, München 2003), S. 313–323. 105 Schneidmüller, Von der deutschen Verfassungsgeschichte, S. 499 f. Er weist in diesem Zusammenhang auf die Vorbelastung des Begriffs „Ordnung“ durch das nationalsozialistische Regime hin, erläutert in gleichem Zuge aber auch seine Vorzüge, insbesondere seine Verwendung durch die Zeitgenossen; außerdem „vermag der Ordnungsbegriff gelebte und gedachte, tatsächliche und imaginierte, überwundene und erhoffte Wirklichkeiten miteinander zu verschränken.“ Vgl. bereits Hans Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum Ende des älteren deutschen Reiches 1806 (München ²1990), S. 84, der den „Staat“ als „politische Ordnung“ definiert. Zum Begriff der Verfassungsgeschichte in der Mittelalter- und Frühneuzeitforschung Michael Hochedlinger, Verfassungs-, Verwaltungsund Behördengeschichte der Frühen Neuzeit. Vorbemerkungen zur Begriffs- und Aufgaben-
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Als „Neue Politikgeschichte“, „Historische Politikforschung“, „Kulturgeschichte des Politischen“ sowie „Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte“ hat sich die Forschung in jüngerer Zeit auch wieder verstärkt explizit der „Geschichtsschreibung der Politik bzw. des Politischen“106 zugewandt und dazu sozial- und kulturhistorische Ansätze fruchtbar gemacht107. Dabei handelt es sich nicht zubestimmung, in: Herrschaftsverdichtung, Staatsbildung, Bürokratisierung. Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Frühen Neuzeit, hg. von dems./Thomas Winkelbauer (VIÖG 57, Wien / Köln / Weimar 2010), S. 21–85, hier S. 59–68. 106 Luise Schorn-Schütte, Historische Politikforschung. Eine Einführung (München 2006), S. 11. Vgl. auch Bernhard Jussen, Um 2005. Diskutieren über Könige im vormodernen Europa. Einleitung, in: Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Frühmittelalter bis in die Neuzeit, hg. von dems. (München 2005), S. XI–XXIV. Achim Landwehr, Diskurs – Macht – Wissen. Perspektiven einer Kulturgeschichte des Politischen, in: AK 85 (2003), S. 71–117. Thomas Mergel, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 574–606. Thomas Nicklas, Macht – Politik – Diskurs. Möglichkeiten und Grenzen einer Politischen Kulturgeschichte, in: AK 86 (2004), S. 1–26, mit kritischen Anmerkungen insbesondere zu Landwehr und Mergel. 107 Diese Themen wurden und werden in jüngerer Zeit von mehreren Forschungsprojekten erschlossen; nicht zuletzt sind in diesem Zusammenhang zum einen zu nennen der Bielefelder Sonderforschungsbereich 584 „Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte“ (2001–2012): Der SFB 584 beschäftigte sich mit der Historisierung des „Politischen“, also der Frage nach den „diskursiven und semantischen Grenzziehungen, die [die Akteure] jeweils vorgenommen haben, und nach den kommunikativen Strategien, die sie dabei benutzt haben.“ Vgl. [o. V.], Konzeption und Grundbegriffe des SFB, in: http://www.uni-bielefeld.de/geschichte/forschung/sfb584/research_program/conception.html [Stand: 7. Februar 2013]; ebenso zu nennen ist das Internationale Graduiertenkolleg 1067 „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“ der Universitäten Frankfurt / Main, Innsbruck, Bologna, Trient und Pavia. Das Anliegen des IGK liegt darin, „unter Einbeziehung der Verfahren der historischen Semantik, der historischen Anthropologie und der historisch arbeitenden politischen Theorieforschung die Erkenntnisstandards der Sozial- und die Traditionen der Ideengeschichtsschreibung zu einem eigenständigen Forschungsfeld zu verbinden, in dem das Wechselverhältnis von Sprache und politischer Wahrnehmungsmöglichkeit stärkere Berücksichtigung erfährt […].“ Das IGK blickt hierzu auf die „Kommunikation über das Politische“ und die „politischen Sprachen der Zeitgenossen“ mithilfe theoretischer Anleihen aus der Cambridge School, der Systemtheorie, der Begriffsgeschichte und der Diskursanalyse, vgl. Luise Schorn-Schütte, Fortsetzungsantrag für eine 2. Förderphase des Internationalen Graduiertenkollegs 1067 „Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert“ (2009), online abrufbar: http://www. geschichte.uni-frankfurt.de/igk /Kolleg/Sammelmappe1.pdf, S. 9 [Stand: 16. Oktober 2012]. Weitere jüngere Publikationen dieser Forschungsrichtung: Schorn-Schütte, Historische Politikforschung; Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung, hg. von Ute Frevert / Heinz-Gerhard Haupt (Historische Politikforschung 1, Frankfurt a. M./New York 2005); Politik und Kommunikation. Zur Geschichte des Politischen in der Vormoderne, hg. von Neithard Bulst (Historische Politikforschung 7, Frankfurt a. M./New York 2009); Politische Redekultur in der Vormoderne. Die Oratorik europäischer Parlamente in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Jörg Feuchter / Johannes Helmrath (Frankfurt a. M./New York 2009); Barbara Stollberg-Rilinger, Einleitung: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, in: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hg. von ders. (ZHF. Beiheft 35, Berlin 2005), S. 9–24; dies., Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte, in: ZRG GA 127 (2010), S. 1–32. Wolfgang Reinhard, Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte. Historische Grundlagen europäischer politischer Kulturen, in: Jahrbuch für europäische Geschichte 1 (2000), S. 115–131.
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letzt um „eine Wendung der Politikgeschichte […] ins Kommunikative oder Diskursive“, wie insbesondere das in jüngerer Zeit stark gestiegene Interesse an einer „Geschichte politischer Kommunikation“ verdeutlicht108. Einen „political return“ innerhalb des „cultural turn“ fordert Oliver Auge109, der im südlichen Ostseeraum mit einem Instrumentarium von fünf Koordinaten – „Raum“, „Finanzen“, „Fürst, Familie und Dynastie“, „verfassungsrechtliche Stellung“ sowie „fürstliches Rangbewußtsein und dynastische Repräsentation“ – „Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter“ ermittelt. Er fragt nach dem „Bündel wie auch immer gearteter Herausforderungen, die sich einem Fürsten zu unterschiedlichen Zeiten und unter unterschiedlichen Bedingungen stellten […].“110 „Fürstliche Politik“ stehe „in diesem abstrakten Sinn für die bewußte, d. h. aktive, oder auch unbewußte, sprich: passiv-antwortende, in ihrem Ergebnis sowohl erfolgreiche als auch fehlgehende Suche nach solchen Handlungsspielräumen, ohne daß sich daraus zwangsläufig eine höhere Zielorientierung im Sinn einer konstruierten Territorialpolitik oder dynastischen Räson ergeben müßte.“111 Auge selbst versteht seinen Ansatz als Anknüpfung an die von Moraw geforderte „Territorialgrammatik“, die er freilich unter Berücksichtigung landeshistorischer Grundfragen weiterentwickelt; letztlich führt er mit seinem Instrumentarium einen neuartigen und systematischeren Zugriff auf die Parameter des Vergleichs fürstlicher Politik ein112. Sein landeshistorischer Ansatz zur Versöhnung von sozial- und kulturhistorischen mit „klassisch“ verfassungs- und politikgeschichtlichen Ansätzen hat bisher in der Forschung zur spätmittelalterlichen Reichsgeschichte kein Äquivalent113.
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Jussen, Einleitung, S. XIV f. Vgl. ebenso die Ausführungen zum Programm des IGK „Politische Kommunikation“, S. 42, Anm. 107. 109 Oliver Auge, Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter. Der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit (Mittelalter-Forschungen 28, Ostfildern 2009). Zum Forschungsstand vgl. S. 2–6; zum Ansatz insbesondere S. 6–10. 110 Auge, Handlungsspielräume, S. 8. 111 Ebd., S. 8 f. 112 Zu den Problemen und Chancen vergleichender Landesgeschichte vgl. Schneider, Niederadel, S. 13 f. 113 Schon Alfred Haverkamp, Einführung, in: Friedrich Barbarossa. Handlungsspielräume und Wirkungsweisen des staufischen Kaisers, hg. von dems. (VuF 40, Sigmaringen 1992), S. 9–47, hier S. 11, verwendete den Begriff „Handlungsspielräume“ zur Analyse von Politik, jedoch unter anderen definitorischen Vorzeichen als Auge. Er definiert: „Mit dem Zentralbegriff ‚Handlungsspielräume‘ sind die Rahmenbedingungen des jeweiligen kaiserlichen Handelns und Wirkens hervorgehoben.“ Dieser Zentralbegriff wird gleichberechtigt neben den Begriff „Wirkungsweisen“ gestellt. Kritik an dieser Definition übt Görich, Ehre Friedrich Barbarossas, S. 8 f. Die Schwäche des Ansatzes sieht Görich vor allem in der Aufgliederung politischen Handelns auf der Ebene der Reichspolitik nach „räumlich übergreifenden Sachbereichen wie Kirchen-, Wirtschafts-, Städtepolitik und dergleichen mehr“, hinter der er eine allzu rationalisierende Rekonstruktion herrscherlichen Handelns vermutet.
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Wenn Moraw im Jahre 1995 bemerkt, dass „keine einheitliche Lehrmeinung zum Thema ‚Reichsverfassung des späten Mittelalters‘ besteht“, so ist ihm vor dem Hintergrund der verschiedenen, hier als unverbunden nebeneinander stehend festgestellten Ansätze zwar im Grundsatz zuzustimmen, angesichts der beherrschenden Wirkung von Teilen seines eigenen Modellgebäudes und des Ausbleibens einer offenen Kontroverse über Widersprüche erscheint diese Charakterisierung allerdings als übermäßig problematisierend114. So ist seit der „sozialhistorischen Wende“ auch die Frage nach dem „Staat“115 in der deutschen116 Forschung eher in den Hintergrund gerückt, ganz im Gegensatz 114
Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 454. Zur Prominenz der Arbeiten Moraws vgl. Peter Johanek, Zu neuen Ufern? Beobachtungen eines Zeitgenossen zur deutschen Mediävistik von 1975 bis heute, in: Die deutschsprachige Mediävistik im 20. Jahrhundert, hg. von Peter Moraw / Rudolf Schieffer (VuF 62, Ostfildern 2005), S. 139–174, hier S. 151. 115 Zur Begriffsgeschichte von „Staat“ vgl. Wolfgang Mager, Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffs (AAMz 9, Wiesbaden 1968). Paul-Ludwig Weinacht, Staat. Studien zur Bedeutungsgeschichte des Wortes von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert (Beiträge zur politischen Wissenschaft 2, Berlin 1968). Hans Boldt / Werner Conze / Görg Haverkate / Diethelm Klippel / Reinhart Koselleck, Art. „Staat und Souveränität“, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. von Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck, Bd. 6 (Stuttgart 1990), S. 1–154, insbesondere S. 4–98. Zusammenfassend auch: Eberhard Isenmann, Art. „Staat. A. Westen“, in: Lex.MA 7 (1995), Sp. 2151–2156. 116 Anderen Periodisierungsgewohnheiten geschuldet, berücksichtigen internationale Studien die Zeit zwischen 1300 und 1500 teilweise mit, allerdings schwerpunktmäßig aus der Perspektive der Frühen Neuzeit; diese konzentrieren sich überwiegend nicht auf das Reich, sondern meist stärker auf die traditionell als „fortschrittlicher“ angesehenen südlichen und westlichen Teile Europas; aus zahlreichen jüngeren Arbeiten vgl. besonders das groß angelegte internationale Projekt „The Origins of the Modern State in Europe“ beziehungsweise „Genèse / Origines de l’État moderne“, dessen Ergebnisse hauptsächlich in sieben Bänden publiziert wurden: The Origins of the Modern State in Europe 13th to 18th Centuries, 7 Bde. (Oxford 1995–2000). Vgl. ferner L’État moderne: genèse: bilans et perspectives, hg. von JeanPhilippe Genêt (Paris 1990). Ders., La genèse de l’État moderne. Les enjeux d’un programme de recherche, in: Actes de la recherche en sciences sociales 118 (1997), S. 3–18. Wim Blockmans, Les origines des États modernes en Europe, XIIIe –XVIIIe siècles. Etat de la question et perspectives, in: Visions sur le développement des États Européens. Théories et historiographies de l’État moderne, hg. von dems./Jean-Philippe Genêt (Collection de l’École française de Rome 171, Paris 1993), S. 1–14, hier S. 2. Nicolas Offenstadt, L’„histoire politique“ de la fin du Moyen Âge. Quelques discussions, in: Être historien du Moyen Âge au XXIe siècle (Histoire ancienne et médiévale 98, Paris 2008), S. 179–198, hier S. 182, 188–192. Außerdem Thomas Ertman, Birth of the Leviathan. Building States and Regimes in Medieval and Early Modern Europe (Cambridge 1997), den insbesondere die unterschiedlichen Entwicklungen der europäischen Staaten in der Frühen Neuzeit interessieren. Power and Persuasion. Essays on the Art of State Building in Honour of W. P. Blockmans, hg. von Peter Hoppen brouwers / Antheun Janse / Robert Stein (Turnhout 2010). Empowering Interactions. Political Cultures and the Emergence of the State in Europe 1300–1900, hg. von Wim Blockmans / André Holenstein / Jon Mathieu (Farnham 2009). John Watts, The Making of Polities. Europe, 1300–1500 (Cambridge 2009), S. 420, steht mit seiner Verdichtungserzählung Moraws Arbeiten nahe; siehe hierzu auch oben S. 25. Zu Italien die Beiträge in: The Italian Renaissance
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zur Früh- und Hochmittelalter-117, aber auch der Frühneuzeitforschung118, die die Debatte um den Staat unvermindert lebhaft führen. So verwundert es nicht, dass auch in der Geschichtsschreibung zum Spätmittelalter bisweilen verschiedene Aussagen zum Thema „Staat“ zu finden sind. So stellte Schubert im Jahre 1979 fest, dass „Staat“ „ein erst in der Frühen Neuzeit in Europa allgemein sichtbares Ergebnis vorwiegend spätmittelalterlicher Verfassungsprozesse“ meine; deshalb sprach er von „staatliche[m] Werden“119. Hanisch hingegen vertrat im selben Jahre die genau entgegengesetzte Ansicht, indem er seit der Herrschaft Kaiser Karls IV. „modernstaatliche Elemente“ im spätmittelalterlichen Reich erkennen wollte120. State, hg. von Andrea Gamberini / Isabella Lazzarini (Cambridge 2012). Insbesondere für die Zeit ab 1500 ferner bereits Charles Tilly, Reflections on the History of European StateMaking, in: The Formation of National States in Western Europe, hg. von dems. (Studies in Political Development 8, Princeton 1975), S. 3–83, hier S. 74, der den Zusammenhang zwischen der Herausbildung von Armeen und der Entstehung des modernen Staates in West europa betont; vgl. außerdem die weiteren Beiträge in diesem Band. 117 Vgl. Christoph Meyer, Zum Streit um den Staat im frühen Mittelalter, in: Rechts geschichte 17 (2010), S. 164–175. Der frühmittelalterliche Staat – europäische Perspektiven, hg. von Walter Pohl / Veronika Wieser (DÖAW 386 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 16, Wien 2009). Staat im frühen Mittelalter, hg. von Stuart Airlie / Walter Pohl / Helmut Reimitz (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Phil.-Hist. Klasse. Denkschriften 334 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 11, Wien 2006), darin insbesondere Walter Pohl, Staat und Herrschaft im Frühmittelalter: Überlegungen zum Forschungsstand, in: ebd., S. 9–38. Gerd Althoff, Die Ottonen. Königsherrschaft ohne Staat (Stuttgart / Berlin / Köln ²2005), hier vor allem S. 243–247. Hans-Werner Goetz, Moderne Mediävistik. Stand und Perspektiven der Mittelalterforschung (Darmstadt 1999), S. 180–185. Die jüngeren Forschungstendenzen zur Staatsdebatte fasst nun zusammen: Andrea Stieldorf, Marken und Markgrafen. Studien zur Grenzsicherung durch die fränkisch-deutschen Herrscher (MGH Schriften 64, Hannover 2012), S. 1–6. Ferner Patzold, Episcopus, S. 535–543. 118 Vgl. Der wiederkehrende Leviathan. Staatlichkeit und Staatswerdung in Spätantike und Früher Neuzeit, hg. von Peter Eich / Sebastian Schmidt-Hofner / Christian Wieland (Heidelberg 2011). Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, hg. von Ronald G. Asch / Dagmar Freist (Köln / Weimar / Wien 2005). Daneben sind die zahlreichen einschlägigen Studien von Wolfgang Reinhard zu nennen, vgl. etwa ders., Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart (München ³2002). Vgl. insgesamt auch den Überblick über die jüngeren Bewertungstendenzen zu den Fragen von „Staatsbildung“ und „Staatlichkeit“ in der Frühen Neuzeit bei Dagmar Freist, Einleitung: Staatsbildung, lokale Herrschaftsprozesse und kultureller Wandel in der Frühen Neuzeit, in: Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, hg. von Ronald G. Asch / Dagmar Freist (Köln / Weimar / Wien 2005), S. 1–47, hier S. 9 f. Nun: Joachim Bahlcke, Landesherrschaft, Territorium und Staat in der Frühen Neuzeit (EDG 91, München 2012), S. 59–101. Reinhard Blänkner, „Absolutismus“ und „frühmoderner Staat“. Probleme und Perspektiven der Forschung, in: Frühe Neuzeit – Frühe Moderne? Forschungen zur Vielschichtigkeit von Übergangsprozessen, hg. von Rudolf Vierhaus u. a. (Veröffent lichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 104, Göttingen 1992), S. 48–74, hier S. 48–53. Sowohl der jüngeren internationalen Literatur zu „Staatsbildung“ zwischen 1300 und 1500 sowie in der Frühen Neuzeit liegen häufig die Vorstellungen von „Modernisierung“ und „Verdichtung“ zugrunde. 119 Schubert, König und Reich, S. 19. 120 Wilhelm Hanisch, Der deutsche Staat König Wenzels, in: ZRG GA 92 (1979), S. 21–59.
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A. Forschungsüberblick
Moraw wiederum sprach von „Staatlichkeit“121. Diese definierte er nicht näher, stellte aber fest, das Reich im Spätmittelalter sei zwar kein „Staat“, aber auch kein „Nicht-Staat“ gewesen122. Kritisch wurde hierzu angemerkt, dass er damit weitere undefinierte Begriffe in die Debatte eingeführt habe123. Wenn überhaupt, dann betrachtete Moraw den Hof als Vorstufe des Staates, wobei wiederum an anderer Stelle mit „Staat“ doch die Territorien bezeichnet wurden124. In anderen jüngeren Arbeiten, etwa von Heimann zu „Hausordnung und Staatsbildung“125, wird der Staatsbegriff wiederum in einem weiten Sinne für das Spätmittelalter angewendet. Graus schließlich stellt – das Kernproblem der Debatte um die Verwendbarkeit des Begriffs „Staat“ zusammenfassend – fest, längst sei die Forschung vom sorglosen Umgang abgekommen und der Begriff werde deshalb vielfach – Miss verständnissen vorbeugend – in Anführungsstriche gesetzt, umgekehrt hätten „Versuche, den Begriff zu eliminieren, nachdrücklich vor Augen geführt, daß ein solches Unterfangen sinnlos“ sei126. 121 Peter Moraw, Kaiser Karl IV. 1378–1978. Ertrag und Konsequenzen eines Gedenkjahres, in: Politik, Gesellschaft, Geschichtsschreibung. FS František Graus, hg. von Herbert Ludat / Rainer Christoph Schwinges (AK. Beiheft 18, Köln 1982), S. 224–318, hier S. 266 f. Ders., Bestehende, fehlende und heranwachsende Voraussetzungen des deutschen Nationalbewußtseins im späten Mittelalter, in: Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter, hg. von Joachim Ehlers (Nationes 8, Sigmaringen 1989), S. 99–120, hier S. 99. Außerdem ders., Staat und Krieg, S. 84. Zuvor bereits in: ders., Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 178. In diesem Sinne auch Sabine Wefers, Sigismund und das Maß an Staatlichkeit, in: Sigismund von Luxemburg. Ein Kaiser in Europa, hg. von Michel Pauly / François Reinert (Mainz 2006), S. 17–24, hier S. 17. Bereits Näf, Frühformen, S. 238, sprach von „Staatlichkeit“. 122 Die Höfe „stellen bei uns die Kraftzentren dar, die vor der Kräftekonzentration des (modernen) Staates bestanden und die diejenigen Aufgaben, die wir heute staatlich nennen, in der vorstaatlichen Zeit übernommen haben oder hätten übernehmen sollen“. Und weiter: „Der Staat (und seine Vorläufer) war in Deutschland vergleichsweise arm, daran muß man sich gewöhnen, gerade wegen seiner Akkumulationsschwäche und infolgedessen wegen der Unzulänglichkeit seiner Eliten.“ Schließlich: „Je stärker Patronagewirtschaft etabliert war, umso besser funktionierte der ‚Staat‘.“ Moraw, Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 90 f. Eine weitere Facette findet sich in: ders., Die Stunde der Stellvertreter. Hinter der Schranke wird aufgeschrieben: Beginn von Verwaltung und Staat in Europa, in: Das 14. Jahrhundert. Abschied vom Mittelalter, hg. von Michael Jeismann (München 2000), S. 44–50, hier S. 48: „Der Hof jedenfalls war das Zentrum von Staatlichkeit und Staat im mittelalterlichen Europa.“ Ferner ders., Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 473. Schließlich ders., Aufruhr in der Stadt. Bürgerkämpfe im Spätmittelalter, in: Aufstände, Unruhen, Revolutionen. Zur Geschichte der Demokratie in Deutschland, hg. von Hans Sarkowicz (Frankfurt a. M./ Leipzig 1998), S. 7–24, hier S. 16: „Das Alte Reich war in gewisser Hinsicht ein Rechtsstaat, wobei weniger sie Silbe ‚Recht‘ als die Silbe ‚Staat‘ in Anführungszeichen zu setzen ist.“ Ferner Peter Moraw, Zur staatlichen-organisatorischen Integration des Reiches im Mittelalter, in: Staatliche Vereinigung. Fördernde und hemmende Elemente in der deutschen Geschichte, hg. von Wilhelm Brauneder (Der Staat. Beiheft 12, Berlin 1998), S. 7–28, hier S. 7. 123 Krieger, König, Reich und Reichsreform, S. 57. 124 Moraw, Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 94. 125 Heimann, Hausordnung und Staatsbildung, S. 18. Außerdem Johannes Merz, Fürst und Herrschaft. Der Herzog von Franken und seine Nachbarn 1470–1519 (München 2000), S. 19. 126 Graus, Verfassungsgeschichte, S. 584.
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2. Forschungen zu Außenpolitik und Auswärtiger Politik Eine weitere Untersuchungsebene von politischem Handeln sowie politischer Strukturen ergibt sich durch die Frage nach Außenpolitik127. Die Forschung hat lange über die Möglichkeit der Existenz von Außenpolitik im Spätmittelalter gestritten. So konnte die ältere staatszentrierte Forschung unproblematisch von Außenpolitik im Mittelalter sprechen128. Mit der Erschütterung der Vorstellung vom Staat als einheitlichem Gebilde neuzeitlicher Prägung erhoben sich Zweifel an der Existenz von Außenpolitik für die Zeit zwischen 500 und 1500. Insbesondere der Mangel oder sogar das Fehlen von staatlicher Souveränität habe außenpolitisches Handeln ausgeschlossen129. Aber auch die Universalität des römischen Imperiums und seine Funktion als Rahmen aller Regna dienten als Argumente, Außenpolitik als Kategorie abzulehnen130. Die jüngere Forschung hingegen tendiert – von der modernen Staatsvorstellung abstrahierend und in unterschiedlichem Maße euphorisch – wieder eher zur Annahme von Außenpolitik im Mittelalter, wenn auch über die Angemessenheit der Begriffsverwendung im Einzelnen unterschiedlich befunden wird131. So sind nach Berg, dessen Arbeiten programmatisch für dieses Forschungsfeld sind, „durchaus […] in Anbetracht des wachsenden Bewußtseins von ‚innen‘ und ‚außen‘ bzw. von ‚Fremdsein‘ und der sich entwickelnden Vorstellungen von Souveränität auswärtige Beziehungen zwischen den Herrschern im mittelalterlichen Europa feststellbar“; es habe ein wahrnehmbares Bestreben nach der Schaffung eines „europäischen Gleichgewichts“ gegeben132. Auch Moraw betonte die Unterscheidung zwischen „Reichsangehörigen“ und „Auswärtigen“ und machte sie von der An-
127
Einen Überblick über die Forschung bis zur zweiten Hälfte der 1990er Jahre bietet Dieter Berg, Deutschland und seine Nachbarn 1200–1500 (EDG 40, München 1997), S. 1–4, 47–58. 128 Siehe zu den damit verbundenen Vorstellungen vom Staat oben S. 20 ff. 129 Strayer, Die mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates, S. 25 mit weiterer Literatur. Differenzierter: Werner Maleczek, Die diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich in der Zeit von 1430–1474 (Diss. phil. Innsbruck 1969 masch.), S. XXIV. 130 Helmut G. Walther, Einleitung, in: „Bündnissysteme“ und „Außenpolitik“ im späteren Mittelalter (ZHF. Beiheft 5, Berlin 1988), S. 9–11, insbesondere S. 9. 131 Zur zeitlichen Begrenzung des Phänomens vgl. Martin Kintzinger, Westbindungen im spätmittelalterlichen Europa. Auswärtige Politik zwischen dem Reich, Frankreich, Burgund und England in der Regierungszeit Kaiser Sigmunds (Mittelalter-Forschungen 2, Stuttgart 2000), S. 17–19. Zur kritischen Reflexion über die Begrifflichkeiten mahnt: Paul-Joachim Heinig, Konjunkturen des Auswärtigen. „State formation“ und internationale Beziehungen im 15. Jahrhundert, in: Außenpolitisches Handeln im ausgehenden Mittelalter. Akteure und Ziele, hg. von Sonja Dünnebeil / Christine Ottner unter Mitarb. von Anne-Katrin Kunde (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 27, Wien / Köln / Weimar 2007), S. 21–57, hier S. 22–24. Vgl. ferner Peter Johanek, Zusammenfassung, in: Gesandtschaftsund Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. von Rainer Christoph Schwinges (VuF 60, Ostfildern 2003), S. 365–376. 132 So insbesondere Berg, Deutschland und seine Nachbarn, S. 48.
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erkennung des deutschen Königtums als „Quellpunkt der Legitimität aller Herrschaft und Obrigkeit“ abhängig133. Insbesondere Berg134, Kintzinger135 und Wefers136 haben zur theoretischen Fundierung von Außenpolitik im Spätmittelalter beigetragen; zahlreiche Studien137 und Sammelwerke138 zu verschiedenen Teilaspekten spätmittelalterlicher 133
Moraw, Organisation und Funktion von Verwaltung, S. 23. Ferner ders., Gelehrte Juristen im Dienst der deutschen Könige des späten Mittelalters (1273–1493), in: Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. von Roman Schnur (Berlin 1986), S. 77–147, hier S. 81: „[…] es gab endlich weiterhin Elemente einer ‚internationalen‘ oder ‚übernationalen‘ Stellung des Königs, vor allem insofern, als er als einziger Herr seines Ranges nicht nur keinen Kaiser zu respektieren genötigt war, sondern selbst immer wieder diese zumal in Nord- und Nordosteuropa nach wie vor beachtete Rolle einzunehmen vermochte.“ 134 Dieter Berg, England und der Kontinent. Studien zur auswärtigen Politik der anglo normannischen Könige im 11. und 12. Jahrhundert (Bochum 1987). 135 Kintzinger, Westbindungen, S. 17–24. Kintzinger folgend findet auch in dieser Studie der Aspekt der Außenpolitik von Städten keine Berücksichtigung, vgl. ebd., S. 17, Anm. 48; siehe im Übrigen unten S. 386, Anm. 11. Von Kintzingers zahlreichen weiteren Veröffentlichungen beispielhaft ders., Europäische Diplomatie avant la lettre? Außenpolitik und internationale Beziehungen im Mittelalter, in: Aufbruch im Mittelalter – Innovationen in Gesellschaften der Vormoderne. FS Rainer Christoph Schwinges, hg. von Christian Hesse / Klaus Oschema (Ostfildern 2010), S. 245–268. 136 Sabine Wefers, Zur Theorie der Außenpolitik des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter, in: Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13. bis 16. Jahrhundert), hg. von Dieter Berg / Martin Kintzinger / Pierre Monnet (Europa in der Geschichte. Schriften zur Entwicklung des modernen Europa 6, Bochum 2002), S. 359–370. Dies., Versuch über die „Außenpolitik“ des spätmittelalterlichen Reiches, in: ZHF 22 (1995), S. 291–316. 137 Vgl. beispielsweise Petra Ehm, Burgund und das Reich. Spätmittelalterliche Außenpolitik am Beispiel der Regierung Karls des Kühnen (1465–1477) (PHS 61, München 2002), S. 15–17. Arnd Reitemeier, Außenpolitik im Spätmittelalter. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Reich und England 1377–1422 (Veröffentlichungen des Deutschen Histo rischen Instituts London 45, Paderborn u. a. 1999). Christina Lutter, Politische Kommunikation an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Republik Venedig und Maximilian I. (1495–1508) (VIÖG 34, Wien / München 1998). Schwedler, Herrschertreffen, S. 35 f. Für das 16. Jahrhundert verwendet etwa Maximilian Lanzinner, Friedenssicherung und politische Einheit des Reiches unter Kaiser Maximilian II. (1564–1576) (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 45, Göttingen 1993), S. 195–222, die Kategorie „äußere Politik“. 138 Außenpolitisches Handeln im ausgehenden Mittelalter: Akteure und Ziele, hg. von Sonja Dünnebeil / Christine Ottner unter Mitarb. von Anne-Katrin Kunde (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 27, Wien / Köln / Weimar 2007). Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13. bis 16. Jahrhundert), hg. von Dieter Berg / Martin Kintzinger / Pierre Monnet (Europa in der Geschichte. Schriften zur Entwicklung des modernen Europa 6, Bochum 2002). Ferner: Der Weg in eine weitere Welt. Kommunikation und „Außenpolitik“ im 12. Jahrhundert, hg. von Hanna Vollrath (Neue Aspekte der Mittelalterforschung 2, Berlin 2008). Rechtsformen internationaler Politik. Theorie, Norm und Praxis vom 12. bis 18. Jahrhundert, hg. von Michael Jucker / Martin Kintzinger / Rainer Christoph Schwinges (ZHF. Beiheft 45, Berlin 2011). Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. von Rainer Christoph Schwinges (VuF 60, Ostfildern 2003). In den letzten zwei Jahrzehnten hat in diesem Zusammenhang auch die „Diplomatie-
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Außenpolitik, etwa zum Gesandtschaftswesen oder zu konkreten Trägern von Außenpolitik, haben in jüngster Zeit darüber hinaus den Nutzen der Kategorie Außenpolitik an Einzelbeispielen grundsätzlich erwiesen und das methodische Instrumentarium ausdifferenziert. Eine einheitliche Theorie der spätmittelalterlichen Außenpolitik hat die Forschung bislang allerdings nicht entwickelt139. Nach Wefers ist Außenpolitik „das gemeinsame Handeln der Reichsangehörigen im Namen von König und Reich zur Interessenswahrung oder zur Abwendung einer Gefahr für das Ganze“140. Aufgabe des Königs sei es gewesen, die Reichsmitglieder von der Unabdingbarkeit seines Vorgehens zu über- und bei den Reichsfürsten ein Problembewusstsein zu erzeugen141. Wefers betont somit die Wechselbeziehungen zwischen „außenpolitischen Anforderungen“ und der „Entwicklung der Reichsverfassung“142. Einen anderen Akzent setzt Berg; für ihn ist Außenpolitik „jede politische Aktion eines Herrschers, die über die Grenzen des eigenen Machtbereichs hinaus weist und höchst unterschiedliche Ziele – wie Sicherung der Expansion des eigenen Herrschaftsraumes, die Förderung sozio-ökonomischer Ziele, die Realisierung herrschaftsideologischer Konzeptionen oder ähnliches – unter Verwendung eines geeigneten Instrumentariums politischer Kommunikation verfolgte“143. Seine Blickrichtung ist somit weniger auf den Wechselbezug von innen und außen, sondern auf den Außenbezug herrscherlichen Handelns, auf die Formen außenpolitischen Wirkens und ihrer Zielgerichtetheit bezogen. Kintzinger spricht bei seiner Analyse von politischem Handeln nach außen unter Kaiser Sigmund „grundlegend von […] auswärtiger Politik“144, während er den Begriff der „Außenpolitik“ im Sinne von Wefers und Berg „im ganzen erst für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts“ annimmt145. Er selbst definiert – zwischen den beiden Definitionsangeboten vermittelnd – „auswärtige Politik“ als eine „über die Grenzen des eigenen Herrschaftsgebiets, des eigenen Reichs, hinausgreifende Politik des Königs, der Fürsten oder ihrer Vertrauten“146. geschichte“ eine Renaissance erfahren, vgl. Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, hg. von Claudia Zey / Claudia Märtl (Zürich 2008). Nun: Stéphane Péquignot, Europäische Diplomatie im Spätmittelalter. Ein historiographischer Überblick, in: ZHF 39 (2012), S. 65–95. 139 Vgl. Christine Ottner, Einleitung, in: Außenpolitisches Handeln im ausgehenden Mittelalter. Akteure und Ziele, hg. von Sonja Dünnebeil / Christine Ottner unter Mitarb. von Anne-Katrin Kunde (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 27, Wien / Köln / Weimar 2007), S. 9–20, hier S. 9 f. 140 Wefers, Versuch, S. 299. Wefers entwickelt ihr Modell aus der Systemtheorie, vgl. ebd., S. 295. Siehe auch oben S. 32 f., Anm. 61. 141 Vgl. ebd., S. 315. 142 Wefers, Versuch, S. 291 f. 143 Berg, England, S. 4. 144 Kintzinger, Westbindungen, S. 21. 145 Ebd., S. 18. 146 Ebd., S. 21 f.
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Während bei all diesen Ansätzen die Außenpolitik des Reiches gemeint ist, wird in jüngster Zeit von landeshistorischer Seite vereinzelt vorgeschlagen, politisches Handeln eines jeden Fürsten des Reiches nach außen, also auch zum territorialen Nachbarn, als Außenpolitik aufzufassen147. 3. Folgerungen Die Geschichte politischen Handelns, politischer Strukturen, der Verfasstheit des Reiches und seiner Glieder sowie der jeweils an der Politik Beteiligten wird von der Forschung bis heute trotz vielfach anders lautenden Bekundungen zumeist auf den Ebenen der Landesgeschichte, der Reichsgeschichte und in außenpolitischen Zusammenhängen entweder getrennt voneinander untersucht oder durch Perspektivwechsel von einer jeweils anderen Ebene aus analysiert. So haben sich zu jeder dieser Perspektiven unterschiedliche Forschungstraditionen entwickelt. Während erst in jüngerer Zeit die Außenpolitik oder Auswärtige Politik des Reiches wieder als tauglicher Untersuchungsgegenstand gilt, haben die Politik- und Verfassungsgeschichte des Reiches und der Territorien längere Traditionen. Seit der sozialhistorischen Wende der 1970er Jahre sind Modelle zur Beschreibung der Verfasstheit des Reiches und seiner Glieder im Spätmittelalter prominent geworden, die ursprünglich vornehmlich an Beispielen des 13. und 14. Jahrhunderts entwickelt wurden, später auch auf das 15. Jahrhundert und jüngere Zeiten übertragen wurden. Von der Betrachtung vom Reich als Staat im modernen Sinne verschob sich das Interesse insbesondere zur Erforschung der an der Herrschaft des Königs interessierten Gruppen zur Analyse von „zentralen und dezentralen Machtgefügen“, zu „politischen Systemen“ und zu Fragen der Herrschaftspraxis. An die Stelle der Vorstellung vom Verfall des spätmittelalterlichen Reichs trat die von seiner Modernisierung. Die kulturalistische Erweiterung der sozialgeschichtlichen Ansätze brachte eine Vielzahl neuer Fragestellungen und Einsichten; im Zuge einer neuen Politikgeschichte kehrt nun auch zunehmend das Politische in den Blick der Forschung zurück. Allerdings sind auch zahlreiche der im Zusammenhang mit der Kulturgeschichte benutzten Ansätze nicht am 15. Jahrhundert entwickelt worden, sondern wurden häufig älteren Epochen entlehnt, die von einer viel stärkeren Quellenarmut geprägt sind als das 15. Jahrhundert. Insgesamt fällt auf, dass die Gültigkeit von Modellen der Politik- und Verfassungsgeschichte im 15. Jahrhundert bisweilen mit dem Hinweis abgesichert wird, dass, wenn das Modell nicht mehr passe, eben die Neuzeit beginne. Auch wenn das 15. Jahrhundert jüngst verstärkt Gegenstand des Forschungsinteresses ge
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Auge, Handlungsspielräume, S. 356. Ähnlich auch Merz, Fürst und Herrschaft, S. 18 f.
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worden ist, so kann es insgesamt doch immer noch als vergleichsweise schlecht erforscht gelten148. Gleichzeitig verdeutlicht die Betrachtung der Forschungen zu allen drei Ebenen, auf denen sich politisches Handeln vollzog, wie sehr das von Auge in Bezug auf „fürstliche Politik“ erkannte unverbundene Nebeneinander verschiedener Ansätze auch in der Zusammenschau der Reichs- und Landesgeschichte sowie von Außenpolitik zutrifft. Für die Verfassungsgeschichte des Reiches und ihrer Orientierung zu einer „Art Strukturgeschichte der Gesellschaft“ benannte bereits im Jahre 1986 František Graus die Gefahr, dass sie dann „weitgehend mit einer entpersonalisierten Allgemeingeschichte“ verschwimme149. So forderte er die Erforschung der „‚einschlägigen‘ Fragen der klassischen Verfassungsgeschichte“ in einem „breiteren Rahmen“, und zwar unter Abbau der „verhängnisvollen ‚Parzellierung‘ der Geschichte in umgrenzte Teilgebiete“150. Will man diese Forderungen nach einer Verknüpfung der verschiedenen Forschungsstränge bei der Beobachtung politischen Handelns und der Betrachtung der spätmittelalterlichen Verfassungsgeschichte unter gleicher Berücksichtigung von Landes- und Reichsgeschichte sowie der außenpolitischen Ebene erfüllen, so ist ein Ansatz zu wählen, der nicht a priori den Blick auf eine der drei Perspektiven verengt. Er sollte weder von vornherein eingeschränkt nur Verfassung im klassischen Sinne noch allein ihr Gegenteil betrachten, sondern das Nebeneinander verschiedenster Akteure unterschiedlicher Herkunft, Beschaffenheit und Organisation integrieren, verschiedene Interaktionsmuster abbilden und individuelle Strukturen zulassen, also modern gesprochen „staatliche“ und „nichtstaatliche“ Strukturen gleichermaßen berücksichtigen151. Ebenso sollte ein solcher Ansatz die verschiedenen, bisher von der Forschung unverbunden nebeneinander stehenden Ansätze aus Landes-, Reichs- und außenpolitischer Geschichtsschreibung sowie der „Wenden“ integrieren und aufeinander beziehen – so erst werden sie einer umfassenden Betrachtung zugänglich gemacht. Mithilfe eines solchen Ansatzes wäre ebenso nach den Spezifika der politischen Geschichte des 15. Jahrhunderts wie nach der Tragfähigkeit der etablierten Ansätze zu fragen, die ursprünglich für andere Epochen erarbeitet wurden.
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So auch Merz, Fürst und Herrschaft, S. 18. Graus, Verfassungsgeschichte, S. 587. 150 Ebd. 151 Schon Graus, Verfassungsgeschichte, S. 557, stellte die verschiedenen Blickrichtungen von Reichs- und Landesgeschichte bei der Betrachtung verfassungshistorischer Themen heraus. 149
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A. Forschungsüberblick
II. Eigener Ansatz 1. Theoretische Vorüberlegungen Die moderne Vorstellung vom Staat wurde maßgeblich geprägt von der sogenannten Drei-Elemente-Lehre, die Georg Jellinek152 um 1900 im Rahmen seiner „Allgemeinen Staatslehre“ etablierte153. Demnach zeichnet sich ein Staat durch ein Staatsgebiet, ein Staatsvolk und die effektive Ausübung von Staatsgewalt aus154. Im Zeichen einer zunehmend globalisierten und transnational geprägten Welt und der damit einhergehenden Abschwächung von staatlicher Autonomie in den Außenbeziehungen einerseits ebenso wie des staatlichen Machtmonopols in den Binnenbeziehungen155, des Bedeutungszuwachses nichtstaatlicher Akteure sowie von Phänomenen wie „schwacher“, „fragiler“ oder „prekärer“ Staaten156 bezie-
152 Vgl. Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, bearb. von Walter Jellinek (Berlin 31914), hier S. 394–434. Ferner Jens Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre (Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 28, Tübingen 2000), S. 145 f. Zur DreiElemente-Lehre nach wie vor Dietmar Kettler, Die Drei-Elemente-Lehre. Ein Beitrag zu Jellineks Staatsbegriff, seiner Fortführung und Kritik (Diss. jur. Münster 1995), S. 21–40. Ferner die Beiträge in: Die normative Kraft des Faktischen. Das Staatsverständnis Georg Jellineks, hg. von Andreas Anter (Staatsverständnisse 6, Baden-Baden 2004). 153 Vgl. Reinhold Zippelius, Allgemeine Staatslehre. Politikwissenschaft. Ein Studienbuch (München 152007), S. 39–77. Zur Bedeutung der Jellinekschen Definition, insbesondere in Bezug auf seine Verwendung durch Juristen und Geisteswissenschaftler bis heute, Frank Nullmeier, Formen der Staatlichkeit. Zu einer Analytik politischer Einheiten, in: Was bleibt vom Staat? Demokratie, Recht und Verfassung im globalen Zeitalter, hg. von Nicole Deitelhoff / Jens Steffek (Staatlichkeit im Wandel, Frankfurt a. M. 2009), S. 35–56, hier S. 35 f. Neben Jellinek hat auch Max Weber die moderne Staatsvorstellung wesentlich mitgeprägt, vgl. hierzu Friedbert W. Rüb, Staatlichkeit, Staatszerfall, „künstliche Staaten“ und Staatsbildung. Konzeptionelle Überlegungen zu Problemen und Perspektiven des Staates aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: Staatszerfall und Governance, hg. von Marianne Beisheim / Gunnar Folke Schuppert (Schriften zur Governance-Forschung 7, Baden-Baden 2007), S. 28–56, hier S. 31 f. 154 Die Drei-Elemente-Lehre hat für die Anerkennung von Staaten im Völkerrecht eine wesentliche Bedeutung: Andreas von Arnauld, Völkerrecht (Heidelberg u. a. 2012), S. 24–36. Kay Hailbronner / Marcel Kau, Der Staat und der Einzelne als Völkerrechtssubjekte, in: Völkerrecht, hg. von Wolfgang Graf Vitzthum (Berlin / New York 52010), S. 156–261, hier S. 176– 178; zur in jüngerer Zeit vorgetragenen Kritik an der Drei-Elemente-Lehre: ebd., S. 178. 155 Vgl. hierzu Christoph Knill, Policy-Netzwerke. Analytisches Konzept und Erscheinungsform moderner Politiksteuerung, in: Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerkforschung, hg. von Johannes Weyer (Lehr- und Handbücher der Soziologie, München / Wien 2000), S. 111–134, hier insbesondere S. 111 f. 156 Zu den Phänomenen „schwacher“, „fragiler“ beziehungsweise „prekärer“ Staatlichkeit: Staatszerfall und Governance, hg. von Marianne Beisheim / Gunnar Folke Schuppert (Schriften zur Governance-Forschung 7, Baden-Baden 2007). Fragile Staatlichkeit. „States at Risk“ zwischen Stabilität und Scheitern, hg. von Ulrich Schneckener (Internationale Politik und Sicherheit 59, Baden-Baden 2006). Prekäre Staatlichkeit und internationale Ordnung, hg. von Stefani Weiss / Joscha Schmierer (Wiesbaden 2007). In diesem Zusammenhang wird
II. Eigener Ansatz
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hungsweise der Herausbildung von „Räumen begrenzter Staatlichkeit“157 erscheint das Modell des „modernen Staates“ zunehmend problematisch158. Seit geraumer Zeit werden in der Politik- und in anderen Sozialwissenschaften sowie in den Rechtswissenschaften als Reaktion auf diese veränderten Rahmenbedingungen unter dem Begriff „Governance“ Formen des Regierens, „jedoch unter dem besonderen Gesichtspunkt der Kontingenz und Unwahrscheinlichkeit seiner neuzeitlich-staatlichen Spielarten“ in den Blick genommen159; „Regieren“ umfasst somit „Herrschaft, nicht allein in Staat und Politik, sondern überall dort,
auch über die Renaissance der Herrschaftsform des „Imperiums“ nachgedacht, vgl. Herfried Münkler, Die Renaissance des Empire als Herrschaftsform und seine Bedeutung für die internationalen Beziehungen heute, in: ebd., S. 30–41. Anmerkungen aus mediävistischer Perspektive dazu bei: Bernd Schneidmüller, Kaiser sein im spätmittelalterlichen Europa. Spielregeln zwischen Weltherrschaft und Gewöhnlichkeit, in: Spielregeln der Mächtigen. Mittelalterliche Politik zwischen Gewohnheit und Konvention, hg. von Claudia Garnier / Hermann Kamp (Darmstadt 2010), S. 265–290, hier S. 265. 157 Vgl. das Forschungsprogramm des an der Freien Universität Berlin angesiedelten Sonderforschungsbereichs 700 „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“: Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl, Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von dens. (Schriften zur Governance-Forschung 10, Baden-Baden 2007), S. 13–37. 158 Utz Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt. Die Weiterentwicklung von Begriffen der Staatslehre und des Staatsrechts im europäischen Mehrebenensystem (Jus publicum 112, Tübingen 2004), insbesondere S. 725–747. Zur Kritik an Jellineks Modell als treffende Charakterisierung des „modernen Staates“ vgl. ebd., S. 725: „Betrachtet man zunächst den Begriff des Staates, so kommt man auch für eine aktuelle Begriffsbestimmung nicht an der Drei-Elemente-Lehre von Georg Jellinek vorbei. Vor diesem Fixpunkt haben jedoch zunächst netzwerkartige, personenbezogene Herrschaftsstrukturen unter zunehmender Einbeziehung territorialer Elemente die Herrschaftsorganisation charakterisiert und den nicht-modernen Staatsbegriff ausgefüllt. Die Entwicklungsgeschichte des Staatsbegriffes zeigt, daß der territorialbezogene Nationalstaat einen bestimmten historischen Entwicklungspunkt festschreibt und dem Staatsbegriff zuweist.“ Vgl. Udo Di Fabio, Der Staat als Institution. Zur Kontingenz der modernen Staatsidee, in: Freiheit und Eigentum. FS Walter Leisner, hg. von Josef Isensee / Helmut Lecheler (Schriften zum öffentlichen Recht 800, Berlin 1999), S. 225–234. 159 Vgl. das Grundsatzpapier des SFB 700: Bernd Ladwig / Tamara Jugow / Cord Schmelzle, Governance, Normativität und begrenzte Staatlichkeit (SFB-Governance Working Paper Series 4, Berlin 2007), S. 4. Risse / Lehmkuhl, Regieren ohne Staat?, S. 13–37. Außerdem Arthur Benz / Nicolai Dose, Governance – Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches Konzept?, in: Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung, hg. von dens. (Governance 1, Wiesbaden ²2010), S. 13–36, zum Mehrwert der Governanceperspektive insbesondere S. 28–33. Ferner die Beiträge in: Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, hg. von Gunnar Folke Schuppert (Schriften zur Governance-Forschung 1, Baden-Baden ²2006). Zu den verschiedenen GovernanceDefinitionen, die heute in den Sozialwissenschaften Verwendung finden, vgl. Sybille de la Rosa / Matthias Kötter, Governance(-forschung) im Kontext der Disziplinen, in: Transdisziplinäre Governanceforschung. Gemeinsam hinter den Staat blicken, hg. von dens./ Ulrike Höppner (Schriften zur Governance-Forschung 13, Baden-Baden 2008), S. 11–33, hier S. 11–13.
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wo in der Gesellschaft individuelle Interaktionen und soziale Transaktionen systematischen Handlungsmustern, festen Regeln, Ordnungen“ folgen160; somit treten „institutionalisierte Modi der sozialen Handlungskoordination zur Herstellung und Implementierung kollektiv verbindlicher Regelungen beziehungsweise zur Bereitstellung kollektiver Güter für eine bestimmte soziale Gruppe“ hervor161. In den Blick geraten neben allein hierarchisch gedachten Formen des Regierens durch staatliche Institutionen nicht zuletzt Phänomene wie „weiche“ Steuerungsmechanismen162, alternative Formen der Gewaltausübung163 oder auch „Ressourcen des Regierens“ wie „Wissen“164 sowie Fragen der Geltung von Normen ohne staatliche Normgeber165. Zunehmend wird das Governance-Konzept in historisch arbeitenden Diszi plinen zu Kenntnis genommen. So werden Phänomene wie „Recht ohne Staat“, „globale normative Ordnungen“ oder „Global Governance“ auch in der Vergangenheit ermittelt166. In jüngster Zeit findet das Governance-Konzept auch in der
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Rainer-Olaf Schultze, Art. „Governance“, in: Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe, Bd. 1, hg. von Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze (München 4 2010), S. 342–344. 161 Risse / Lehmkuhl, Regieren ohne Staat?, S. 13. 162 Gerhard Göhler, „Weiche Steuerung.“ Regieren ohne Staat aus machttheoretischer Perspektive, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur Governance-Forschung 10, Baden-Baden 2007), S. 87–108. 163 Sven Chojnacki / Željko Branović, Räume strategischer (Un-)Sicherheit: Ein Markt für nicht-staatliche Gewaltakteure und Gelegenheiten für Formen von Sicherheits-Governance, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur Governance-Forschung 10, Baden-Baden 2007), S. 181–204. 164 Sebastian Conrad, Wissen als Ressource des Regierens in den deutschen und japanischen Kolonien des 19. Jahrhunderts, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur GovernanceForschung 10, Baden-Baden 2007), S. 134–153. 165 Gunnar Folke Schuppert / Matthias Kötter, Rechtssicherheit jenseits des Staates?, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur Governance-Forschung 10, Baden-Baden 2007), S. 64–85. Die Liste weiterer Themenkreise ließe sich beliebig fortsetzen, wie ein Blick in die Flut jüngerer Arbeiten der Governance-Forschung verdeutlicht. 166 Beispielhaft seien aus rechtshistorischer Perspektive erwähnt: Thomas Duve, Katholisches Kirchenrecht und Moraltheologie im 16. Jahrhundert: Eine globale normative Ordnung im Schatten schwacher Staatlichkeit, in: Recht ohne Staat? Zur Normativität nichtstaatlicher Rechtsetzung, hg. von Stefan Kadelbach / Klaus Günther (Normative Orders 4, Frankfurt a. M. 2011), S. 147–174. Stefan Kadelbach / Klaus Günther, Recht ohne Staat?, in: ebd., S. 9–48. Aus frühneuzeitlicher Sicht und auf geistliche Territorien bezogen, vgl. Wolfgang Wüst, Macht, Ökonomie und das Phänomen stiftischer „Vielregiererei“. Typen geistlicher Hof- und Regierungsprogramme, in: Höfe und Residenzen geistlicher Fürsten. Strukturen, Regionen und Salzburgs Beispiel in Mittelalter und Neuzeit, hg. von Gerhard Ammerer u. a. (Residenzenforschung 24, Ostfildern 2010), S. 109–133, hier S. 118 f. Vgl. außerdem Mareike Menne, Der geistliche Fürst „turnt“. Ausblick auf Konzepte, Probleme und Perspek-
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mittelalterlichen Geschichte Beachtung167. So wurde jüngst für das Spätmittelalter, insbesondere für „Heinrich VII. und die Welt um 1300“ ein Bündel weitergehender vergleichender und interdisziplinärer Forschungen gefordert, die über die Betrachtung der Herrschaftspraxis weit hinausgehen und im Rahmen einer „Kulturgeschichte politischen Handelns im weitesten Sinne mit ihren Trägern, Feldern und Formen“ auch den „modernen Debatten um Governance ganz neue Impulse geben“ könnten168. Bisher noch nicht versucht wurde, den Governance-Ansatz für die Politik- und Verfassungsgeschichte des 15. Jahrhunderts fruchtbar zu ma-
tiven einer Öffnung und Kontextualisierung, in: Geistliche Fürsten und Geistliche Staaten in der Spätphase des Alten Reiches, hg. von Bettina Braun / Mareike Menne / Michael Ströhmer (Epfendorf 2008), S. 263–275, hier S. 268–272. Auf frühneuzeitliche Rechnungsbücher bezogen: Wolfgang Wüst, Rechnungsbücher und Governance: Zählen, Zahlen und Regieren in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zahlen und Erinnerung. Von der Vielfalt der Rechnungsbücher und vergleichbarer Quellengattungen, hg. von Helmut Flachenecker / Janusz Tandecki (Publikationen des Deutsch-Polnischen Gesprächskreises für Quellenedition 5, Toruń 2010), S. 225–250. Im Hinblick auf die Erforschung „kolonialer Räume“ Nadin Heé / Ulrike Schaper, Herrschaftsraum und Raumbeherrschung: Raum in der deutschen und japanischen Kolonialherrschaft, in: Transdisziplinäre Governanceforschung. Gemeinsam hinter den Staat blicken, hg. von Sybille de la Rosa / Matthias Kötter / Ulrike Höppner (Schriften zur Governance-Forschung 13, Baden-Baden 2008), S. 37–57. Ebenso die historisch angelegten Beiträge in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur Governance-Forschung 10, Baden-Baden 2007). 167 Vgl. zur Anwendung des Governance-Modells auf die Beschreibung der politischen Ordnung des Frankenreichs des achten und neunten Jahrhunderts als „Räume begrenzter Staatlichkeit“ Steffen Patzold, Bischöfe als Träger der politischen Ordnung des Frankenreichs im 8./9. Jahrhundert, in: Der frühmittelalterliche Staat – europäische Perspektiven, hg. von Walter Pohl / Veronika Wieser (DÖAW 386 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 16, Wien 2009), S. 255–268, hierzu insbesondere S. 258. Jüngst auch ders., Human Security, Staatlichkeit und Governance im Frühmittelalter. Zur Fragwürdigkeit der Scheidung von Vormoderne und Moderne, in: Geschichte und Gesellschaft 38 (2012), S. 406–422, hier S. 412–415. Außerdem ist auf das Teilprojekt B 10: Institutionen und Modi von Governance im Übergang von der antiken zur mittelalterlichen Staatlichkeit: „Rule of law“, Sicherheit und Ordnung in frühmittelalterlichen Reichsbildungen, innerhalb des SFB 700 „Govern ance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ hinzuweisen, vgl. http://www.sfb-governance.de/ teilprojekte/projektbereich_b/b10/index.html [Stand: 10. Juni 2011]. Klaus Kremb, Macht und Gegenmacht im mittelalterlichen Mehrebenensystem – Das römisch-deutsche Königtum R ichards von Cornwall als Beispiel prekärer Staatlichkeit im Interregnum, in: Richard von Cornwall. Römisch-deutsches Königtum in nachstaufischer Zeit, hg. von Jürgen Keddigkeit / Klaus Kremb / Anton Neugebauer (Beiträge zur pfälzischen Geschichte 25 = Veröffent lichungen der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften in Speyer 109, Kaiserslautern 2010), S. 267–280. 168 Ellen Widder, Heinrich VII. und die Welt um 1300. Traditionelle Ansätze, neue Überlieferungen und das Governance-Konzept, in: Europäische Governance im Spätmittelalter. Heinrich VII. von Luxemburg und die großen Dynastien Europas, hg. von Michel Pauly (Publications du CLUDEM 27, Luxembourg 2010), S. 531–547, zum Governance-Konzept insbesondere S. 531–535, zu den Forschungsaufgaben innerhalb der Mittelalterlichen Geschichte S. 547.
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chen169. Mit ihm sich ihren zentralen Problemen zu nähern, könnte erhebliche neue Möglichkeiten eröffnen: Erstens verspricht der Ansatz Chancen und neue Einblicke in Bezug auf die Frage nach dem Staat, da seine Existenz weder von vornherein angenommen noch ausgeschlossen wird170. So wurde jüngst für das Frankenreich des achten und neunten Jahrhunderts festgestellt, dass die Frage nicht mehr laute, ob es „ein Staat“ gewesen sei, sondern „welche Formen von Governance […] in diesem Reich [existierten]“171. Damit wird der Blick frei auf eine Vielzahl verschiedener Akteure, die politisches Handeln trugen, ebenso auf die Formen des Regierens, und zwar un abhängig davon, ob es modern-staatliche Institutionen gab oder nicht, sowie insgesamt auf die jeweiligen Strukturen, in denen sich politisches Handeln vollzog172. Gleichzeitig – zweitens – kommt der Governance-Ansatz ohne wertende Vorstellungen von „Verfall“, „Modernität“, „Modernisierung“, „Defizit“ oder Ähnlichem aus, da politisches Handeln und die Verfasstheit nicht an den Kategorien des modernen Anstaltsstaates gemessen werden173. Drittens werden unter der Governance-Perspektive Akteure und Strukturen gleichermaßen in den Blick genommen174, wodurch sie einen Rahmen bietet, mehr oder minder nebeneinander stehende sozialgeschichtliche, kultur- und in klassischem Sinne verfassungshistorische Fragestellungen miteinander zu verbinden. Viertens ist der Ansatz weder von vornherein hierarchisch noch betont er rein horizontale Strukturen175. Er ist vielmehr geeignet, „mehrere Ebenen miteinander 169
Ulf Christian Ewert, Der Fürst als Unternehmer. Agency-Problematik und Wandel der Governance-Struktur in den portugiesischen Entdeckungsfahrten, in: Hofwirtschaft. Ein ökonomischer Blick auf Hof und Residenz in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Gerhard Fouquet / Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung 21, Ostfildern 2008), S. 143–170, hier S. 146, legt seiner wirtschaftshistorischen Untersuchung Modelle der „Neuen Institutionenökonomik“ zugrunde. Er scheint insgesamt einen anderen Governance-Begriff zu verwenden; vgl. Benz / Dose, Governance, S. 17 f. 170 Risse / Lehmkuhl, Regieren ohne Staat?, passim. 171 Patzold, Bischöfe (2009), S. 258. 172 Dass mit Governance auch traditionell als „staatlich“ bezeichnete Strukturen, etwa Verwaltung, in neuem Lichte untersucht werden können, verdeutlicht Werner Jann, Regieren als Governance Problem: Bedeutung und Möglichkeiten institutioneller Steuerung, in: Regieren zu Beginn des 21. Jahrhunderts, hg. von dems./Klaus König (Neue Staatswissenschaften 9, Tübingen 2008), S. 1–28. 173 Risse / Lehmkuhl, Regieren ohne Staat?, S. 25 f. 174 Ebd., S. 20. 175 Tanja A. Börzel, Regieren ohne den Schatten der Hierarchie: Ein modernisierungstheoretischer Fehlschluss?, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur Governance-Forschung 10, Baden-Baden 2007), S. 41–63, hier S. 42–45. Cord Schmelzle, Governance und Legitimität, in: Transdisziplinäre Governanceforschung. Gemeinsam hinter den Staat blicken, hg. von Sybille de la Rosa / Matthias Kötter / Ulrike Höppner (Schriften zur Governance-Forschung 13, Baden-Baden 2008), S. 162–186, hier S. 162.
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[zu] verbinden […]“176. Damit könnte er genaueren Aufschluss geben über die inneren Zusammenhänge der verschiedenen Ebenen, auf denen politisches Handeln bisher von der Forschung untersucht worden ist. Fünftens ist die Verwendung der Governance-Perspektive nicht beschränkt auf Landes- oder Reichsgeschichte beziehungsweise Außenpolitik. Sie stellt vielmehr einen Zugang dar, Regierungsformen überall dort zu untersuchen, wo sie vorkommen, und zwar in verschiedenen Räumen mit einer Vielzahl ganz unterschiedlicher Akteure. Damit wird gleichzeitig ein Vergleichsrahmen geschaffen, in dem diese Formen des Regierens und politischen Handelns insgesamt sowie Herrschaftstechniken auf verschiedenen Ebenen in Beziehung gesetzt werden können. Mit Governance wird sechstens bewusst kein „Begriff der zu verstehenden Epoche“ verwendet, um spätmittelalterliches politisches Handeln sowie die Strukturen, in denen sich dieses Handeln vollzog, konzeptionell zu erfassen177. Damit werden weder in ihrem Kern vielschichtige und Wandlungen unterworfene zeitgenössische Wörter mit vermeintlich eindeutigen Bedeutungsinhalten gefüllt178, noch wird den Zeitgenossen unterstellt, dass sie bei politischem Handeln den modernen Staat sowie ein Ideal von Landesherrschaft vor Augen gehabt oder etwa eine tiefergehende „Territorialpolitik“ stets zielstrebig verfolgt hätten – ebenso wenig wird dies von vornherein ausgeschlossen179; die Rekonstruktion von Regierungsformen und politischem Handeln ist dementsprechend analytisch zu verstehen. Achtens entspricht die Untersuchung von Governance-Formen und -Strukturen genau der Forderung in der jüngeren Mediävistik, „Ordnungskonfigurationen“ beziehungsweise „politische Ordnungen“ näher zu betrachten180. Schließlich – neuntens – bietet der Governance-Begriff eine Perspektive, die verfassungs- und politikhistorische Forschung zum Spätmittelalter an interdisziplinäre Debatten um Formen des Regierens und politischen Handelns anschlussfähig zu machen181. Somit verspricht dieser Ansatz, sich sowohl politischem Handeln als auch gleichermaßen den Strukturen, in denen sich dieses Handeln vollzog, auf neue Weise 176
Widder, Governance-Konzept, S. 532. Diesen Vorteil betont auch Renate Mayntz, Einleitung, in: Über Governance. Institutionen und Prozesse politischer Regelung (Frankfurt a. M. 2009), S. 7–11, hier S. 9. 177 Kroeschell, Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte, S. 70: Er betont, dass die Verwendung von Quellenwörtern zur Beschreibung mittelalterlicher Phänomene nicht weiterführt. Kroeschell plädiert dagegen für eine „aktualisierende ‚Übersetzung‘“. 178 Vgl. etwa Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 59–61, zur Vielschichtigkeit der Bedeutung von „Land“. 179 Auge, Handlungsspielräume, S. 6. Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 5. 180 Schneidmüller / Weinfurter, Ordnungskonfigurationen, passim. Schneidmüller, Von der deutschen Verfassungsgeschichte, S. 499 f. De la Rosa / Kötter, Governance(-forschung) im Kontext der Disziplinen, S. 23 f. 181 Vgl. de la Rosa / Kötter, Governance(-forschung) im Kontext der Disziplinen, passim.
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zu nähern182. Elemente des Governance-Ansatzes zu einer solchen Analyse im 15. Jahrhundert zu berücksichtigen, setzt allerdings voraus, die Spezifika dieser Zeit näher zu betrachten. Heinz Quirin stellte für das 15. Jahrhundert vor allem im Hinblick auf die „neu sich durchsetzenden Kräfte der Nationalstaaten und der Territorien“183 fest, dass man bei einem Erklärungsversuch des politischen Handelns dieser Zeit rasch bemerke, „wie alles, auch räumlich, zeitlich oder sachlich zuweilen voneinander recht Entferntes, doch zusammengehört, wie große Ereignisse sich auch im Unscheinbaren abbilden und andererseits Vorgänge, die nach unserem Urteil kaum Gewicht haben, sich im Großen auswirken“184. Die Forschung hat sich in diesem Zusammenhang wiederholt der Vorstellung vom „Netzwerk“ bedient. So charakterisiert Heribert Müller die „Verfassungswirklichkeit“ des Reiches als ein sich als „gestaltete Verdichtung darbietendes Netzwerk“185. Ebenso erscheint der Begriff „Netzwerk“ häufiger in Forschungen zu Neutra lität und personalen Bindungen, wobei dann meist Einzelkonstellationen betrachtet werden186. Moraw stellte aus landesgeschichtlicher Perspektive für die „politischen Landschaften“ fest, dass „sie zwar in erster Linie politisch abgegrenzt“ seien, dass diese „politische[n] Einheit[en]“ aber „untrennbar mit sozialen Netzwerken verknüpft“ seien187. Vornehmlich sind Netzwerkkonzepte in der mediävistischen Forschung bisher allerdings in anderen Bereichen als der Politik- und Verfassungsgeschichte zur Anwendung gekommen, und zwar vor allem in folgenden drei Dimensionen: Erstens zur Beschreibung eines Ordnungsgefüges von Personen, zweitens eines von 182
Widder, Governance-Konzept, S. 531–535. Heinz Quirin, Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach als Politiker. Ein Beitrag zur Vorgeschichte des Süddeutschen Städtekriegs, in: JbffL 31 (1971), S. 261–308, hier S. 262. 184 Ebd. 185 Heribert Müller, Um 1473. Warum nicht einmal die Herzöge von Burgund das Königtum erlangen wollten und konnten, in: Die Macht des Königs. Herrschaft in Europa vom Früh mittelalter bis in die Neuzeit, hg. von Bernhard Jussen (München 2005), S. 255–274, hier S. 271. 186 Vgl. z. B. Claudia Garnier, Politik und Freundschaft im spätmittelalterlichen Reich, in: Freundschaft oder „amitié“? Ein politisch-soziales Konzept der Vormoderne im zwischen sprachlichen Vergleich (15.–17. Jahrhundert), hg. von Klaus Oschema (ZHF. Beiheft 40, Berlin 2007), S. 35–66, hier S. 37: Sie betont zunächst die Bedeutung von Freundschaft in unterschiedlichen Netzwerkformen, analysiert jedoch hauptsächlich Zweierkonstellationen. Diese Ansätze basieren im Wesentlichen auf folgendem grundlegenden Aufsatz von Gerd Althoff, der genau diese Betrachtung der Strukturen von Netzwerken und ihrer Funktion innerhalb eines „politischen Systems“ fordert: Gerd Althoff, Verwandtschaft, Freundschaft, Klientel. Der schwierige Weg zum Ohr des Herrschers, in: ders., Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde (Darmstadt 1997), S. 185–198, hier S. 198. 187 Peter Moraw, Hessen und Thüringen in der deutschen und europäischen Geschichte – Von den Anfängen bis zur Reformation, in: Hessen und Thüringen – Von den Anfängen bis zur Reformation. Eine Ausstellung des Landes Hessen. Ausstellungskatalog (Marburg / Wiesbaden 1992), S. 17–23, hier S. 17. 183
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Orten und drittens eines wirtschaftlichen Ordnungsgefüges188. Seitdem Wolfgang Reinhard189 in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Wert sozialwissenschaftlicher Netzwerkanalyse für die Geschichtswissenschaft herausstellte, wurde sie vor allem im Rahmen sozialgeschichtlicher Erforschung von Eliten, insbesondere in Stadt, Kirche, Universität, Wirtschaft und im Adel angewendet190. Dabei scheinen sozialwissenschaftliche Netzwerkbetrachtung und geschichtswissenschaftliche Prosopografie häufiger unreflektiert gleichgesetzt zu werden, obwohl sie keineswegs zwangsläufig dasselbe meinen müssen191. Daneben wurde
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Vgl. Stephan Selzer / Ulf Christian Ewert, Netzwerke im europäischen Handel des Mittelalters. Konzepte – Anwendungen – Fragestellungen, in: Netzwerke im europäischen Handel des Mittelalters, hg. von Gerhard Fouquet / Hans-Jörg Gilomen (VuF 72, Ostfildern 2010), S. 21–48. Zur Verwendung von Netzwerkkonzepten in der historischen Forschung insgesamt nun: Peter Hertner, Das Netzwerkkonzept in der historischen Forschung. Ein kurzer Überblick, in: Netzwerke in der funktional differenzierten Gesellschaft, hg. von Michael Bommes / Veronika Tacke (Wiesbaden 2011), S. 67–86. 189 Wolfgang Reinhard, Freunde und Kreaturen. „Verflechtung“ als Konzept zur Erforschung historischer Führungsgruppen. Römische Oligarchie um 1600 (Schriften der Philosophischen Fakultät der Universität Augsburg: Historisch-sozialwissenschaftliche Reihe 14, München 1982). 190 Unter zahlreichen Einzelstudien seien hervorgehoben die frühneuzeitliche Arbeit von Mark Häberlein, Brüder, Freunde und Betrüger. Soziale Beziehungen, Normen und Konflikte in der Augsburger Kaufmannschaft um die Mitte des 16. Jahrhunderts (Colloquia Augustana 9, Berlin 1998), zur Methode insbesondere S. 20–40; daneben für das Spätmittelalter Fouquet, Domkapitel. Sven Rabeler, Niederadlige Lebensformen im späten Mittelalter. Wilwolt von Schaumberg (um 1450–1510) und Ludwig von Eyb d. J. (1450–1521) (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IX. Reihe: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 53, Würzburg 2006), hier vor allem S. 30. Außerdem sei auf die bezüglich der Methode durchaus kritischen Bemerkungen zu Reinhards theoretischem Fundament hingewiesen, vgl. ebd., S. 203–210. Robert Gramsch, „Seilschaften“ von universitätsgebildeten Klerikern im deutschen Spätmittelalter – Beziehungsformen, Netzwerkstrukturen, Wirkungsweisen, in: Verwandtschaft, Freundschaft, Bruderschaft. Soziale Lebens- und Kommuni kationsformen im Mittelalter, hg. von Gerhard Krieger (Akten des Symposiums des Mediävistenverbandes 12, Berlin 2009), S. 176–188, hier S. 177, 184 f. Vgl. auch den jüngst erschienenen zusammenfassenden Überblick von Selzer / Ewert, Netzwerke im europäischen Handel, S. 21–48; zur Verwendung sozialwissenschaftlicher Netzwerkbegriffe in der mediävistischen Forschung S. 21–24. Sehr instruktiv ist auch die Zusammenfassung von Mark Häberlein, Netzwerkanalyse und historische Elitenforschung. Probleme, Erfahrungen und Ergebnisse am Beispiel der Reichsstadt Augsburg, in: Wissen im Netz. Botanik und Pflanzentransfer in europäischen Korrespondenznetzen des 18. Jahrhunderts, hg. von Regina Dauser u. a. (Colloquia Augustana 24, Berlin 2008), S. 315–328. 191 Vgl. zur Prosopografie Peter Csendes, Einleitung, in: Stadt und Prosopographie. Zur quellenmäßigen Erforschung von Personen und sozialen Gruppen in der Stadt des Spät mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. von dems./Johannes Seidl (Forschungen zur Geschichte der Städte und Märkte Österreichs 6, Linz 2002), S. 7–12, insbesondere S. 8 f. Jürgen Petersohn, Personenforschung im Spätmittelalter. Zu Forschungsgeschichte und Methode, in: ZHF 2 (1975), S. 1–5. Ursula Vones-Liebenstein, Welchen Beitrag leistet die Prosopographie zur Theologischen Mediävistik?, in: What is „Theology“ in the Middle Ages? Religious Cultures of Europe (11th –15th Centuries) as reflected in their Self-Understanding, hg. von Mikołaj Olszewski (Archa Verbi. Yearbook for the study of Medieval Theology. Subsidia 1, Münster
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ein der Geografie entnommener Netzwerkbegriff in der Stadtgeschichtsforschung zur Ordnung zum Beispiel von „Städtelandschaften“ fruchtbar gemacht192. Die jüngere Wirtschaftsgeschichte versucht, unter Einbeziehung wirtschaftswissenschaftlicher Theorien der sogenannten „Neuen Institutionenökonomik“ den Blick von hierarchisch-strukturierten und modern anmutenden Unternehmen weg und auf durch Fernhandelsnetzwerke strukturierte Handelsräume und spezifisch unternehmerische Organisationsformen zu lenken193. In unmittelbar politischem beziehungsweise verfassungshistorischem Zusammenhang, zur Analyse von Formen des Regierens, hat die Vorstellung vom Netzwerk für das Spätmittelalter bisher somit weniger Beachtung gefunden. Nun bedient sich auch die Governance-Forschung zur Analyse politischen Handelns zunehmend Netzwerkkonzepten und hat unter dem Paradigma des „Politik netzwerks“ diese ihren Bedürfnissen angepasst194. Unter diesem Blickwinkel ist 2007), S. 695–723, hier S. 701: Sie unterscheidet zwischen Prosopografie „zur möglichst vollständigen Erfassung aller greifbaren Daten zu Menschen“ und solcher von Führungsschichten, wobei es bei letzterer um die Ermittlung des Verbindenden der einzelnen Elemente dieser Gruppen gehe. 192 Vgl. Selzer / Ewert, Netzwerke im europäischen Handel, S. 24. Gabriel Zeilinger, Das Netz wird dichter. Neue Veröffentlichungen zu alteuropäischen Städtelandschaften, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 25 (2007), S. 89–99. Siehe hierzu im Einzelnen unten E. I. 193 Vgl. Selzer / Ewert, Netzwerke im europäischen Handel, S. 24–29. Die maßgeblich von Douglass C. North geprägte Forschungsrichtung der „Neuen Institutionenökonomik“ versteht unter „Institution“ formale und informelle Regeln und die Mittel ihrer Durchsetzung, die das Verhalten des Einzelnen durch Sanktionen in Tauschprozessen beschränken. Untersucht werden nicht nur Bildung und Veränderung solcher Institutionen, sondern auch ihre Rückwirkung auf Prozesse des Marktes. Vgl. Rudolf Richter / Eirik G. Furubotn, Neue Institutionenökonomik. Eine Einführung und kritische Würdigung, übers. von Monika Streissler (Neue ökonomische Grundrisse, Tübingen 32003), S. 2–51. 194 Die soziologische und politikwissenschaftliche Literatur zu Politiknetzwerken ist mittlerweile kaum noch zu überblicken, vgl. Volker Schneider, Die Analyse politischer Netzwerke: Konturen eines expandierenden Forschungsfeldes, in: Politiknetzwerke. Modelle, Anwendungen und Visualisierungen, hg. von dems. u. a. (Wiesbaden 2009), S. 7–27. Patrick Kenis / Jörg Raab, Politiknetzwerke als Governanceform: Versuch einer Bestandsaufnahme und Neuausrichtung der Diskussion, in: Governance in einer sich wandelnden Welt, hg. von Gunnar Folke Schuppert / Michael Zürn (Politische Vierteljahresschrift. Sonderheft 41, Wiesbaden 2008), S. 132–148. Risse / Lehmkuhl, Regieren ohne Staat?, S. 24. Einen Überblick liefern außerdem folgende jüngere Einzelstudien und Sammelbände: Politiknetzwerke. Modelle, Anwendungen und Visualisierungen, hg. von Volker Schneider u. a. (Wiesbaden 2009). Alexander-Kenneth Nagel, Politiknetzwerke und politische Steuerung. Institutioneller Wandel am Beispiel des Bologna-Prozesses (Staatlichkeit im Wandel 12, Frankfurt a. M. u. a. 2009), zum Konzept insbesondere S. 18–68. Ders., Der Bologna-Prozess als Politiknetzwerk. Akteure, Beziehungen, Perspektiven (Wiesbaden 2006), hier vor allem S. 7–54. Beide letztgenannten Arbeiten entstanden im Umfeld des Bremer Sonderforschungsbereichs 597 „Staatlichkeit im Wandel“, der entlang territorialer und funktionaler Achsen die „multiple Zerfaserung von Staatlichkeit“ des klassischen Nationalstaates in Zeiten der Globalisierung untersucht, vgl. http:// www.sfb597.uni-bremen.de/ [Stand: 12. Juni 2011]. Vgl. ferner Klaus Schubert, Art. „PolicyNetzwerk“, in: Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe, Bd. 2, hg. von Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze (München 42010), S. 743 f. Eva Sørensen / Jacob Tor-
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Politikgestaltung als ein Prozess zu verstehen, „an dem eine Vielzahl staatlicher und privater Akteure mit breiter Streuung über verschiedene Handlungsebenen und funktionale Bereiche beteiligt sind“195. Unter Berücksichtigung verschiedener Definitionen können Politiknetzwerke als in einzelnen Politiksektoren bestehende Verhandlungssysteme zwischen einer Vielzahl staatlicher und privater Akteure bezeichnet werden, die durch Institutionen, eingeschliffene Verhaltensmuster und Tauschprozesse zwischen den Akteuren einen gewissen Grad an interaktiver und struktureller Stabilität erlangen196. Somit ist ein Politiknetzwerk ein analytisches Konstrukt, das unter der Perspektive definiert wird, wie für einen begrenzten Regelungsgegenstand kollektiv verbindliche politische Entscheidungen hergestellt werden können. Im Zentrum der Betrachtung politischer Netzwerke stehen Akteure, Strukturen und Handeln197. So interessieren etwa die Formen der Beziehungen der Akteure untereinander – ob sie etwa einseitig sind oder auf Gegenseitigkeit beruhen beziehungsweise welche verschiedenen Inhalte sie prägen –, der Grad ihrer Verfestigung, ebenso die Machtverhältnisse sowie die Regeln, die diese Netzwerke und die das Handeln in ihnen strukturieren. Ein Vorteil der Beschreibung von Strukturen als Politiknetzwerke ist die Unvoreingenommenheit, und zwar dass weder Hierarchien noch Gleichordnungen postuliert werden; ebenso eignet sich die Perspektive des Politiknetzwerks nicht nur zur Beschreibung politischer Mechanismen zwischen Akteuren, etwa von Organisationen, sondern auch zur Analyse der Strukturierung von Akteuren selbst, beispielsweise einer Verwaltungsbehörde198. Aber nicht nur ihre jeweilige Struktur, sondern auch das Verhalten der Beteiligten – etwa spezifische Interaktionsmuster – und ihre Strategien, ihr Wissen und die ihr Handeln beeinflussenden Parameter, ihre Ressourcen, Informationen über andere Netzwerkteilnehmer und über lokale Bedingungen sind in Politiknetz fing, Introduction: Governance Network Research: Towards a second Generation, in: Theories of Democratic Network Governance, hg. von dens. (New York 2008), S. 1–24, hier S. 8–11. Zum Stand der Forschung in der Soziologie vgl. Dorothea Jansen, Einführung in die Netzwerkanalyse. Grundlagen, Methoden, Forschungsbeispiele (Wiesbaden 32006), S. 11–13, 37– 49. Christian Stegbauer, Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Einige Anmerkungen zu einem neuen Paradigma, in: Netzwerkanalyse und Netzwerktheorie. Ein neues Paradigma in den Sozialwissenschaften, hg. von dems. (Netzwerkforschung 1, Wiesbaden 2008), S. 11–20. Johannes Weyer, Einleitung. Zum Stand der Netzwerkforschung in den Sozialwissenschaften, in: Soziale Netzwerke. Konzepte und Methoden der sozialwissenschaftlichen Netzwerk forschung, hg. von dems. (Lehr- und Handbücher der Soziologie, München / Wien 2000), S. 1–34. Zur Einführung auch Klaus Schubert, Art. „Netzwerkanalyse“, in: Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe, Bd. 2, hg. von Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze (München 42010), S. 651. Rüb, Staatlichkeit, S. 42, spricht vom „Staat als Netzwerk“. 195 Knill, Policy-Netzwerke, S. 112. 196 Vgl. ebd. Nagel, Politische Steuerung, S. 19–22. 197 Franz Urban Pappi, Policy-Netzwerke: Erscheinungsformen moderner Politiksteuerung oder methodischer Ansatz?, in: Policy-Analyse. Kritik und Neuorientierung, hg. von Adrienne Héritier (Politische Vierteljahresschrift. Sonderheft 24, Opladen 1993), S. 84–94, passim. Nagel, Politische Steuerung, passim. 198 Pappi, Policy-Netzwerke, S. 84.
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werken von Interesse199. Ebenso vielfältig können auch die Formen ihrer Mitgliedschaft und ihre jeweiligen Motivationen dafür sein – von individuellen Interessenlagen200 bis hin zu Zwangsmitgliedschaften. Mit Politiknetzwerken geraten außerdem verdeckte, auf den ersten Blick unbeteiligte Akteure in den Fokus, die im Hintergrund Einfluss auf Entscheidungen nehmen können oder nur Hilfs- und Verbindungsfunktionen für andere Akteure erfüllen201. Politiknetzwerke umfassen somit nicht nur tatsächlich Handelnde, sondern auch potenziell Eingebundene, nicht nur Kooperationspartner, sondern auch Akteure mit gegensätzlichen Zielen202. Außerdem können die jeweiligen Regelungsgegenstände ganz unterschiedlich sein, von der Lösung eines Konflikts bis hin zum kooperativen Erstreben eines gemeinsamen Ziels203. Um dieser Vielgestalt von Politiknetzwerken gerecht zu werden und alle erdenklichen Netzwerke analytisch erfassen zu können, unterscheidet Frans van Waarden204 sieben Dimensionen: Akteure, Funktion, Struktur und Institutionalisierung von Netzwerken, Verhaltensregeln, Machtbeziehungen und Akteursstrategien205. Zusammengenommen ergeben diese sieben Dimensionen ein Analyseraster, mit dem sich die verschiedensten Formen des Regierens, der politischen Organisation und der Steuerung erkennen, ordnen und darstellen lassen. Die Netzwerkanalyse im Allgemeinen ebenso wie der Forschungszweig der Politiknetzwerke sind allerdings nicht unumstritten206. Abgesehen von den Fundamentalkritikern, die Politiknetzwerke als Analysekategorie grundsätzlich verwerfen, herrschen selbst unter den Netzwerkforschern Uneinigkeit und Bedenken insbesondere hinsichtlich ihrer Definition, der an sie gestellten Minimalanforde 199
Nagel, Politische Steuerung, S. 27–29. Interesse könnte dabei als „subjektiv empfundene und verhaltensorientierende Ziele und Bedürfnisse von einzelnen und Gruppen in einem sozialen Umfeld“ aufgefasst werden, vgl. Jürgen Weber, Die Interessengruppen im politischen System der Bundesrepublik Deutschland (Stuttgart u. a. 1977), S. 31. Außerdem Wolfgang Reinhard, Power Elites and State Building (The Origins of the Modern State in Europe 13th to 18th Centuries D, Oxford 1996), S. 5. Vgl. zur historischen Entwicklung des Interessenbegriffs, insbesondere aus der Bedeutung „dabei sein“ seit dem 13. Jahrhundert, vornehmlich aus politikwissenschaftlicher Perspektive Peter Massing, Art. „Interesse“, in: Lexikon der Politikwissenschaft. Theorien, Methoden, Begriffe, Bd. 1, hg. von Dieter Nohlen / Rainer-Olaf Schultze (München 42010), S. 418–423, hier S. 419. Außerdem Ernst Wolfgang Orth / Reinhart Koselleck, Art. „Interesse“, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. von Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck, Bd. 3 (Stuttgart 1982), S. 305–365, hier S. 305–310. 201 Pappi, Policy-Netzwerke, S. 85 f. 202 Schneider, Analyse politischer Netzwerke, S. 12. 203 Nagel, Politische Steuerung, S. 28. 204 Frans van Waarden, Dimensions and types of policy networks, in: European Journal of political Research 21 (1992), S. 29–52. 205 Ebd., S. 32. Vgl. zu den Dimensionen im Einzelnen unten F. I. 206 Dorothea Jansen / Klaus Schubert, Netzwerkanalyse, Netzwerkforschung und Politikproduktion. Ansätze zur „cross-fertilization“, in: Netzwerke und Politikproduktion. Konzepte, Methoden, Perspektiven, hg. von dens. (Marburg 1995), S. 9–23, hier S. 13–18. 200
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rungen sowie ihres Wesens als statische, Prozesse nicht abbildende Gebilde207. Jüngere Forschungen hingegen betonen, dass durch mehrere „Messungen“ der Struktur des Netzwerks in einem umgrenzten Zeitraum sehr wohl der Wandel von Netzwerken bestimmbar sei208. Außerdem steht eine zu weite Definition und damit verbunden eine zu breite Verwendung des Netzwerk-Begriffs unter dem Verdacht der Beliebigkeit209. Deshalb unterscheidet die Governance-Forschung die Verwendung von Netzwerk-Konzepten in drei Perspektiven210: als heuristische oder metaphorische211, um die „Komplexität moderner Steuerungsarrangements begrifflich zu bewältigen“212, als deskriptive213, um unter Verwendung netzwerktheoretischer Konzepte und netzwerkanalytischer Methoden eine Strukturbeschreibung politischer Prozesse zu leisten, und schließlich als essentialistische Perspektive214, in der Netzwerke als tatsächliche Entitäten, sozusagen als eine eigenständige Steuerungsform zwischen Markt und Staat gelten. In dieser Perspektivenaufteilung spiegelt sich in gewisser Weise auch die umstrittene Frage wider, wie Politiknetzwerke einzuordnen sind, ob sie etwa als reine Analysekategorie, als Methode oder gar als Modell zu gelten haben215. Umgekehrt hebt die jüngere politikwissenschaftliche Forschung hervor, dass sich das Konzept politischer Netzwerke besonders eignet, um zwanglos mit anderen Modellen angereichert zu werden216. Bei der Betrachtung von Governance-Formen im 15. Jahrhundert könnte die Einbeziehung der Perspektive politischer Netzwerke nützlich sein217. Zum einen 207
Vgl. die Kritik zusammenfassend Nagel, Politische Steuerung, S. 21–23. Vgl. Nagel, Politische Steuerung, S. 104–106. 209 Selzer / Ewert, Netzwerke im europäischen Handel, S. 32–38. 210 Vgl. Nagel, Politische Steuerung, S. 19–22. Auch Knill, Policy-Netzwerke, S. 113. Kenis / Raab, Politiknetzwerke, S. 133 f. 211 Vgl. Nagel, Politische Steuerung, S. 22–26. Hier findet sich auch eine ausgewogene Betrachtung zur teilweise scharfen Kritik am analytischen Ertrag dieser Perspektive. 212 Ebd., S. 22. 213 Ebd., S. 26–51. 214 Vgl. ebd., S. 51–68. Kenis / Raab, Politiknetzwerke, S. 133 f. 215 Knill, Policy-Netzwerke, S. 124. Schneider, Analyse politischer Netzwerke, S. 10 f. 216 Vgl. Nagel, Politische Steuerung, S. 22. Ferner Delia Schindler, Die Rolle von Ideen und Deutungsmustern in der Politik: Wissenspolitologische Perspektive auf Netzwerke, in: Qualitative Netzwerkanalyse. Konzepte, Methoden, Anwendungen, hg. von Betina Hollstein / Florian Straus (Wiesbaden 2006), S. 99–123. 217 Zum Nutzen der Berücksichtigung von Ansätzen und Methoden aus der historisch arbeitenden Politikwissenschaft bei der Bearbeitung geschichtswissenschaftlicher Fragestellungen im Allgemeinen: Reinhard Blänkner, Überlegungen zum Verhältnis von Geschichtswissenschaft und Theorie politischer Institutionen, in: Die Eigenart der Institutionen. Zum Profil politischer Institutionentheorie, hg. von Gerhard Göhler (Baden-Baden 1994), S. 85–122. Ders., Historizität, Institutionalität, Symbolizität. Grundbegriffliche Aspekte einer Kulturgeschichte des Politischen, in: Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, hg. von Barbara Stollberg-Rilinger (ZHF. Beiheft 35, Berlin 2005), S. 71–96, hier S. 76. Luise Schorn-Schütte, Politische Kommunikation als Forschungsfeld. Einleitende Bemerkungen, in: Die Sprache des Politischen in actu: Zum Verhältnis von politischem Handeln und politischer Sprache von der Antike bis ins 20. Jahrhundert, hg. von Angela de Benedictis (Schriften zur politischen Kommunikation 1, Göttingen 2009), S. 7–18. 208
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wird mit Politiknetzwerken an etablierte Konzepte von Netzwerken in der mediävistischen Forschung angeknüpft; so werden diese Konzepte erst für eine politik- und verfassungshistorische Betrachtung nutzbar gemacht; diese werden umgekehrt um eine Ebene des Politischen erweitert218. Gleichzeitig ermöglicht es der analytische Rahmen von Politiknetzwerken, eine Vielzahl verschiedener Momente, die politisches Handeln beeinflussen und Formen des Regierens ausmachen, beispielsweise handlungsleitende Motive, Wissen oder auch Rechtsnormen sowie Verflechtungen verschiedener politischer Fragen, gemeinsam zu betrachten und aufeinander zu beziehen. Damit sind Politiknetzwerke als analytischer Rahmen und Perspektive geeignet, nicht zuletzt sozialgeschichtliche, kulturhistorische sowie im „klassischen“ Sinne verfassungshistorische Ansätze – wie von der jüngsten Forschung219 gefordert – zusammenzuführen. Dieser Ansatz ist außerdem weder allein prosopografisch noch biografisch, sodass nicht von vornherein eine Entscheidung für oder gegen die Erforschung von Gruppen oder Individuen getroffen wird, sondern unvoreingenommen nach den Wirkungszusammenhängen politischen Handelns zwischen einer Anzahl von Akteuren je nach Sachzusammenhang gesucht wird. Der hier verfolgte Ansatz ist somit mehr als eine reine Sozialgeschichte politischer Eliten, aber auch nicht reine Institutionengeschichte in klassischem Sinne, sondern stellt den Versuch dar, über die Rekonstruktion spezifischer Steuerungs- beziehungsweise Regierungsformen gleichzeitig Personen-, Gruppen- und Institutionenperspektiven miteinander zu verbinden und sich auch der Frage des Zusammenhangs von Territorium, personalen Bindungen, institutioneller Verfasstheit, Gewaltdurchsetzung, Gruppenzugehörigkeit und politischer Konzeptionen sowie handlungsleitenden Parametern auf eine neue Weise zu nähern. Überlieferungslücken und Quellenmangel schließen jedoch eine quantitative Betrachtung nach den Methoden der Netzwerkanalyse von vornherein aus220. Außerdem wäre sie nicht nur grundsätzlich ahistorisch, sondern würde auch eine methodische Verengung bedeuten. Deshalb wird der Ansatz politischer Netzwerke in dieser Arbeit als ein ausschließlich historisch-qualifizierendes Analyseinstrument und -raster verwendet, nicht als quantifizierende Methode oder gar als geschlossenes Modell221. Ob sich darüber hinaus Netzwerke als eigene Steue 218 Zur Analyse von „Politiknetzwerken“ in anderen Epochen: Hertner, Netzwerkkonzept in der historischen Forschung, S. 80 f. 219 Auge, Handlungsspielräume, S. 6–10. 220 Hertner, Netzwerkkonzept in der historischen Forschung, S. 70 f., mit Überlegungen, wie das in den Sozialwissenschaften zunehmend beachtete Konzept der „qualitativen Netzwerkanalyse“ auf die Geschichtswissenschaft übertragen werden könnte; vgl. ferner die Beiträge in: Qualitative Netzwerkanalyse. Konzepte, Methoden, Anwendungen, hg. von Betina Hollstein / Florian Straus (Wiesbaden 2006). 221 In diesem Sinne spricht Mechthild Leutner, Kooperationsnetzwerke und Akteure im semi-kolonialen China, 1860–1911, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur GovernanceForschung 10, Baden-Baden 2007), S. 154–177, hier S. 156, von „politikwissenschaftlichen
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rungsformen ausmachen lassen, darf von vornherein weder angenommen noch ausgeschlossen werden. Allerdings bereitet eine solche Einbeziehung des Analyserasters der Politiknetzwerke sowie des Governance-Ansatzes für eine Untersuchung von politischem Handeln im 15. Jahrhundert auch Schwierigkeiten, und zwar insbesondere in dreierlei Hinsicht: Zunächst erscheint die in der Governance- und Politiknetzwerkforschung übliche Unterscheidung von „öffentlichen“ und „privaten“ Akteuren für das Spätmittelalter problematisch222. Bei genauerer Betrachtung liegt allerdings beim Governance-Ansatz beziehungsweise bei Politiknetzwerken die Betonung auf der Vielgestalt der Akteure und ihrer jeweiligen Organisation – letztlich also auf der Offenheit des Konzeptes –, nicht aber auf der Abgrenzung zwischen als „öffentlich“ und „privat“ zu qualifizierenden Beteiligten, sodass die Unterscheidung in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden kann223. Somit erscheint der hier gewählte Ansatz bei genauerem Hinsehen auch in Bezug auf die Frage nach der Existenz „öffentlicher“ und „privater“ Sphären eher als Chance und weniger als Problem. Über die damit zusammenhängende Frage nach der Existenz von „Öffentlichkeit“ im Spätmittelalter hat sich die Forschung weitgehend darauf verständigt, unter Vorbehalt die Existenz von politischen „Teilöffentlichkeiten“ anzunehmen, die es immer wieder herzustellen gilt224.
Kategorien“ als „analytische[n] Kategorien und Orientierungshilfe zugleich“. Vgl. auch Ulrik Brandes / Volker Schneider, Netzwerkbilder: Politiknetzwerke in Metaphern, Modellen und Visualisierungen, in: Politiknetzwerke. Modelle, Anwendungen und Visualisierungen, hg. von Volker Schneider u. a. (Wiesbaden 2009), S. 31–58. 222 Vgl. zum Problem der Unterscheidung von „öffentlich“ und „privat“ Oschema, Emotion und Institution, S. 90–103. Außerdem Peter von Moos, Das Öffentliche und das Private im Mittelalter. Für einen kontrollierten Anachronismus, in: Das Öffentliche und Private in der Vormoderne, hg. von Gert Melville / Peter von Moos (Norm und Struktur 10, Köln / Weimar / Wien 1998), S. 3–83, hier S. 5–19, der die Anwendung eines „kontrollierten Anachronismus“ vorschlägt. Vgl. zudem den jüngst erschienenen Beitrag von Martin Kintzinger / Bernd Schneidmüller, Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter – Eine Einführung, in: Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter, hg. von dens. (VuF 75, Ostfildern 2011), S. 7–20, hier S. 8–11. Arié Malz, Der Begriff „Öffentlichkeit“ als historisches Analyseinstrument. Eine Annäherung aus kommunikations- und systemtheoretischer Sicht, in: Kommunikation im Spätmittelalter. Spielarten – Wahrnehmungen – Deutungen, hg. von Romy Günthart / Michael Jucker (Zürich 2005), S. 13–26. Ferner Carl A. Hoffmann, „Öffentlichkeit“ und „Kommunikation“ in den Forschungen zur Vormoderne. Eine Skizze, in: Kommunikation und Region, hg. von dems./Rolf Kießling (Forum Suevicum 4, Konstanz 2001), S. 69–110; Nikolas Jaspert, Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter. Zusammenfassung, in: Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter, hg. von Martin Kintzinger / Bernd Schneidmüller (VuF 75, Ost fildern 2011), S. 433–449, hier S. 438 f. 223 In diesem Sinne auch Risse / Lehmkuhl, Regieren ohne Staat?, S. 26 f. 224 Kintzinger / Schneidmüller, Politische Öffentlichkeit, S. 12 f. In Bezug auf das 15. Jahrhundert, insbesondere auf den Hof Kaiser Friedrichs III., vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1345.
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Problematisch erscheint außerdem das „Politische“ beziehungsweise der Inhalt von „Politik“225. Oschemas226 Vorschlag folgend, sich angesichts der Probleme, die die Verwendung des Begriffs „Politik“ im Spätmittelalter bereite, auf eine „flexibilisierte methodische Grundlage“ einzulassen, sind mit „Politik“227 in diesem Zusammenhang zum einen alle auf „Governance bezogenen Handlungen und Handlungszusammenhänge“228 gemeint; insbesondere mit Blick auf die Politiknetzwerke umfasst „Politik“ zum anderen alle „Strukturen, Institutionen, Akteure / Akteurinnen, die verbindliche Entscheidungen über überindividuelle Ordnungen und Normen treffen, sowie […] [das], was damit interagiert oder in Konflikt gerät“229. Somit ist das Politische in einem weiteren Sinne230 mehr dimensional zu verstehen231.
225 Klaus Oschema, Die Öffentlichkeit des Politischen, in: Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter, hg. von Martin Kintzinger / Bernd Schneidmüller (VuF 75, Ostfildern 2011), S. 41–86, hier S. 52–56. Insgesamt herrscht sowohl in der Politikwissenschaft selbst als auch in der Forschung zur mittelalterlichen Geschichte rege Diskussion und Unsicherheit, was unter dem Politischen zu verstehen ist; umfassende Definitionen finden sich hingegen nur selten, vgl. hierzu Oschema, Öffentlichkeit des Politischen, S. 52–56. Oschema sieht in den Kom ponenten „öffentliche Angelegenheiten“ sowie „Verbindung mit der Organisation des Staates“ das Substrat der heutigen Beschäftigung mit der Definition des Politischen. Dies führe zu gegensätzlichen Schlüssen, nämlich zum einen dass Politik im Mittelalter zwangsläufig immer auch mit Öffentlichkeit verbunden gewesen sein müsse, zum anderen dass es unangemessen sei, für das Mittelalter überhaupt von Politik zu sprechen. 226 Oschema, Öffentlichkeit des Politischen, S. 55. 227 Hier werden das „Politische“ und „Politik“ synonym verwendet, vgl. Schorn-Schütte, Historische Politikforschung, S. 131 f., Anm. 45. Ute Frevert, Neue Politikgeschichte: Konzepte und Herausforderungen, in: Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung, hg. von ders./Heinz-Gerhard Haupt (Historische Politikforschung 1, Frankfurt a. M./New York 2005), S. 7–26, hier S. 8–26. Christoph Dartmann, Politische Interaktion in der italienischen Stadtkommune (11.–14. Jahrhundert) (Mittelalter-Forschungen 36, Ostfildern 2012), S. 20, spricht von Politik als „bewusst anachronistische[r] Kategorie“. 228 So Risse / Lehmkuhl, Regieren ohne Staat?, S. 20 f. 229 Schorn-Schütte, Historische Politikforschung, S. 116. 230 Bei dem hier definierten Politikbegriff handelt es sich um einen weiten beziehungsweise überzeitlichen, wie Christina Antenhofer, Akteurinnen und Akteure, Netzwerke, Institutionen der politischen Kommunikation. Einleitung, in: Werkstatt politische Kommunikation. Netzwerke, Orte und Sprachen des Politischen, hg. von ders./Lisa Regazzoni / Astrid von Schlachta (Schriften zur politischen Kommunikation 6, Göttingen 2010), S. 229–238, hier S. 229 f., betont. Sie unterscheidet von diesem einen epochenspezifischen Politikbegriff, der eigentlich Erkenntnisziel und somit a priori nicht festzustellen sei. Vgl. auch Lisa Regazzoni, Sprachen als Ort politischen Handelns. Einleitung, in: ebd., S. 13–22, hier S. 13. 231 „Politik“ umfasst damit gleichermaßen die Elemente „Polity“, „Politics“ und „Policy“, wie sie in der Governance-Forschung als Governance-Struktur, Governance-Prozess und Governance-Inhalt ihren Niederschlag finden, vgl. Michael Zürn, Governance in einer sich wandelnden Welt – eine Zwischenbilanz, in: Governance in einer sich wandelnden Welt, hg. von Gunnar Folke Schuppert / Michael Zürn (Politische Vierteljahresschrift. Sonderheft 41, Wiesbaden 2008), S. 553–580, hier S. 555 f.
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Schließlich stellt sich auch die Frage nach „Institutionen“232. Wenn in der Politik- und Verfassungsgeschichte von Institutionen die Rede ist, so ist in der Regel von einem „handfesten“ oder engen Institutionenbegriff auszugehen233 – man denke an staatliche Institutionen. Im Sinne von Politiknetzwerken und alternativen Regierungsformen sind hingegen potenziell andere Organisationsformen denkbar, die ebenfalls einen hohen Grad an Institutionalisierung erreichen können, nicht aber deckungsgleich mit staatlichen Institutionen moderner Prägung sein müssen234. 232 Vgl. zu „Institution“ als Analysekategorie innerhalb der Geschichtswissenschaft Gert Melville, Institutionen als geschichtswissenschaftliches Thema. Eine Einleitung, in: Institutionen und Geschichte. Theoretische Aspekte und mittelalterliche Befunde, hg. von dems. (Norm und Struktur 1, Köln / Wien 1992), S. 1–24. Dagegen Oschema, Öffentlichkeit des Politischen, S. 54–56. Oschemas radikale Ablehnung der Einbeziehung von Institutionen und Institutionalisierungsprozessen scheint der spätmittelalterlichen Wirklichkeit nur unzureichend gerecht zu werden. Damit wird seine Politikdefinition statisch und rein auf die normative Kraft des Faktischen im Sinne einer Verfestigung von Machtstrukturen beschränkt. Nun insgesamt auch Karl-Siegbert Rehberg, Institutionelle Analyse und historische Komparatistik. Zusammenfassung der theoretischen und methodischen Grundlagen und Hauptergebnisse des SFB 537 „Institutionalität und Geschichtlichkeit“, in: Dimensionen institutioneller Macht. Fallstudien von der Antike bis zur Gegenwart, hg. von Gert Melville / Karl-Siegbert Rehberg (Köln / Weimar / Wien 2012), S. 417–443. 233 Vgl. Gerhard Göhler, Politische Institutionen und ihr Kontext. Begriffliche und konzeptionelle Überlegungen zur Theorie politischer Institutionen, in: Die Eigenart der Institutionen. Zum Profil politischer Institutionentheorie, hg. von dems. (Baden-Baden 1994), S. 19– 46, hier S. 20 f. Für diese Institutionen im engeren beziehungsweise „klassischen“ Sinne liefert Joseph Strayer eine Definition. Demnach sei die Institution überpersönlich und auf eine relative Dauerhaftigkeit ausgerichtet; es handele sich um Gebilde, die „Wechsel in der Führung und Schwankungen im Grad der Zusammenarbeit zwischen den Untergruppen überdauern, Institutionen, die einen gewissen Grad von Spezialisierung und damit eine rationellere Bewältigung der politischen Angelegenheiten ermöglichen, Institutionen, die das Gefühl der politischen Identität der Gemeinschaft stärken.“ Vgl. Strayer, Die mittelalterlichen Grundlagen des modernen Staates, S. 4. Für Strayer ist mit dem Aufkommen solcher Institutionen ein „Wendepunkt zur Staatsbildung“ erreicht. 234 Insgesamt erscheint die Verwendung des Begriffs „Institution“ in den verschiedenen Disziplinen vielfältig und bisweilen unscharf, vgl. Gerhard Göhler, Institution, in: Politische Theorie. 22 umkämpfte Begriffe zur Einführung, hg. von dems./Mattias Iser / Ina Kerner (Wiesbaden 2004), S. 209–226, hier S. 210–214. Zu den unterschiedlichen Bedeutungen von „Institution“ in Ökonomie, Soziologie und Politikwissenschaft vgl. ebd., S. 215–220. Ferner ders., Einleitung, in: Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht, hg. von dems. (Baden-Baden 1995), S. 8–21. Ders., Einleitung: Politische Ideengeschichte – institutionentheoretisch gelesen, in: Politische Institutionen im gesellschaftlichen Umbruch. Ideengeschichtliche Beiträge zur Theorie politischer Institutionen, hg. von dems./Kurt Lenk / Herfried Münkler / Manfred Walther (Baden-Baden 1990), S. 7–20, hier vor allem S. 8–11. Will man Institutionen im Sinne der Verfassungsgeschichte, also z. B. den Reichstag, in ihrer Entstehung erklären, so wird man danach fragen müssen, an welchem Punkt die durch die Betrachtung von Politiknetzwerken ermittelten Strukturen und solche im „klassischen“ Sinne kongruent werden oder sind. Ist dies nicht der Fall, wird man von Institutionalisierung und Institution im Sinne von Organen (noch) nicht sprechen können. Umgekehrt bedeutet dies aber sehr wohl, dass Institutionalisierung jenseits klassischer „Organe“ fortherrschen kann. Kongruenz wird beispielsweise erreicht, wenn die tatsächliche Interaktion und Bindungsstruktur
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Daneben ist bei der Einbeziehung des Analysekonzepts der politischen Netzwerke sowie des Governance-Ansatzes in die Betrachtung der Geschichte des 15. Jahrhunderts die in der mediävistischen Forschung etablierte Unterscheidung zwischen landes-, reichs- und außenpolitischen Ebenen zu berücksichtigen. Will man nämlich über die Gestalt und das Verhältnis dieser Ebenen zueinander Aus sagen treffen, so ist von ihnen auszugehen. Dabei sei festgehalten, dass im Folgenden mit Landesgeschichte stets nur der Ausschnitt gemeint ist, der klassisch als Territorialgeschichte bezeichnet wird235, und Außenpolitik nur auf das Reich bezogen wird, nicht auch auf das politische Handeln von Fürsten über ihren Herrschaftsbereich hinaus innerhalb des Reiches236. An die Stelle der jeweiligen methodischen Eigenheiten und perspektivischen Verengungen dieser Ebenen im Sinne der Forschung treten bei dieser Analyse der Governance-Ansatz sowie das Analysekonzept politischer Netzwerke. Dementsprechend hat die Einteilung in Ebenen eine allein organisatorische Funktion. Um das schon von Moraw beschriebene „Schweben“ von „Tatbeständen“ zwischen Landesgeschichte und Reichsgeschichte – sowie zusätzlich auch der Ebene der Außenpolitik – analytisch zu fassen, soll in diesem Sinne weniger stetig die Perspektive zwischen diesen Polen gewechselt, ebenso wenig das „politische System“ eines Königs absolut beschrieben, sondern stattdessen die Perspektive erweitert werden. So ist der analytische Ausgangspunkt die Personenbeziehung zweier wesentlicher politischer Akteure im Reich, wobei der eine der König beziehungsweise Kaiser selbst, der andere ein Kurfürst ist. Von dieser personalen Bindung ausgehend, werden dann auf den verschiedensten Ebenen Politiknetzwerke, in die potenziell beide, zumindest aber einer von ihnen direkt eingebunden ist, betrachtet und jeweils die Rolle des anderen mitberücksichtigt. Mithilfe dieser Politiknetzwerke und Governance-Formen soll einer Vielzahl verschiedener Fragestellungen nachgegangen werden. 2. Fragestellung Diese Arbeit fragt nach politischem Handeln, nach Formen des Regierens, den Strukturen, in denen sich politisches Handeln vollzog, und nach den Akteuren, die an der Politik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts beteiligt waren. Dabei bedient sie sich des Governance-Ansatzes sowie des Analyserasters politischer Netzmit der normativ gedachten Ebene übereinstimmt. Nach dem Konzept des „Institutionenwandels“ reicht es hingegen nicht aus, dass sich Institutionen einfach verändern, vielmehr muss ein neuer „Status des Institutionengefüges“ erreicht werden; vgl. hierzu Gerhard Göhler, Einleitung, in: Institutionenwandel, hg. von dems. (Leviathan. Sonderheft 16, Opladen 1997), S. 7–17, hier S. 8. Zum Institutionenwandel in Netzwerken vgl. ferner Nagel, Politische Steuerung, S. 87–95. 235 Siehe hierzu im Einzelnen oben S. 22, Anm. 7, S. 37, Anm. 85. 236 Siehe hierzu näher oben A. I. 2.
II. Eigener Ansatz
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werke. Aus der Betrachtung von Forschungsgeschichte und -stand ergeben sich konkretere Fragen und Problemkreise, zu denen dieser Ansatz Antworten beizutragen verspricht. So ist zunächst nach dem seit den 1970er Jahren von der Forschung entwickelten Erklärungsmodell zur Beschreibung des politischen Gefüges von Reich und Territorien zu fragen. Anhand der Analyse politischen Handelns unter der Perspektive von Governance und Politiknetzwerken ist zu klären, wie sich die verschiedenen Ebenen zueinander verhalten, ob sie etwa hierarchisch angeordnet oder so abgeschlossen sind, wie es die Forschung annimmt. Gleichzeitig ist zu überprüfen, wie sich „dezentrale und zentrale Machtgefüge“ in der Praxis politischen Handelns und der strukturellen Verflechtung zeigen. Ebenso ist nach der Wirksamkeit des Königtums im Raum sowie nach den Mechanismen und Techniken königlicher Herrschaft und den spezifischen Formen des Regierens insgesamt zu fragen, umgekehrt nach dem Interesse von Reichsmitgliedern am Königtum und der konkreten Interaktion zwischen Kaiser und Reichsmitgliedern. Daneben lässt der Ansatz auch Aussagen über den Institutionalisierungsgrad von Strukturen unterschiedlicher Art zu; damit verbunden ist die Frage nach dem Institutionencharakter von „Reichsorganen“ sowie nach ihrer Entstehung. Ebenso könnte der hier verfolgte Ansatz Aspekte politischer Strukturen und des Regierens innerhalb der Territorien erhellen wie beispielsweise der Territorial verwaltung oder der Durchsetzung von Gewalt. Auch nach Bedingungen der und Motivationen für die Intensivierung territorialer Herrschaft ist in diesem Rahmen zu fragen, ohne von vornherein eine höhere Zielorientierung von politischem Handeln vorauszusetzen oder auszuschließen237. Zudem ist nach den an politischem Handeln insgesamt Beteiligten zu fragen, nach ihren jeweiligen Möglichkeiten, den personalen Bindungen dieser Akteure untereinander, nach den Orten politischen Handelns sowie nach den Formen und Regeln, unter denen sich dieses Handeln vollzog – zum Beispiel nach Techniken der Konfliktlösung ebenso wie nach handlungsleitenden Kategorien oder Bedingungen des Informationsaustauschs. Gleichzeitig wird der Blick geöffnet auf „alternative“ Akteure und Prozesse, die mit möglicherweise „staatlichen“ Strukturen Hand in Hand gehen. Somit könnte schließlich anhand der Veränderungen von Governanceformen eine Aussage über den Wandel von Staatlichkeit im 15. Jahrhundert getroffen werden238.
237
Auge, Handlungsspielräume, S. 8. Siehe auch oben S. 43. Vgl. zum Zusammenhang vom Wandel der Governanceformen und dem Wandel der Staatlichkeit Zürn, Governance in einer sich wandelnden Welt, S. 569 f. 238
70
A. Forschungsüberblick
III. Analytischer Ausgangspunkt: Die Personenbeziehung Kurfürst Albrechts von Brandenburg und Kaiser Friedrichs III. Ausgegangen wird in dieser Studie von zwei Akteuren, deren politisches Handeln sich potenziell auf verschiedenen Ebenen vollzog. Fragt man nach der Politik im Reich der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, so geraten Kaiser Friedrich III. und Markgraf beziehungsweise Kurfürst Albrecht von Brandenburg in den Blick. Jeder für sich und ihre Beziehung zueinander bieten als analytischen Ausgangspunkt für die Rekonstruktion politischer Netzwerke und die Betrachtung verschiedener Formen von Governance besondere Vorzüge. Hierfür spricht zum einen ihr besonders enges Verhältnis, das bis heute vielfach gedeutet und unterschiedlich bewertet, insgesamt aber nicht umfassend untersucht oder erklärt wurde, zum anderen die vergleichsweise sehr gute Quellenlage, die für das politische Handeln der beiden festzustellen ist. Mit Kaiser Friedrich III. wird zudem der zumindest in Bezug auf den Rang führende Akteur im Reich in den Blick genommen239. Dass außerdem gerade Albrecht von Brandenburg eine zentrale Rolle in der Politik der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts einnahm und dies nicht zuletzt aus dem Aufbau eines besonders gut funktionierenden „Informationsnetzes“ oder „Kommunikationsnetzes“240 folgte, erkannte die Forschung bereits. Auch im „kaiserlichen Informationssystem“241 habe Albrecht eine Schlüsselposition eingenommen. Weiß spricht sogar davon, Albrecht habe ein „dichtes Netz politischer und dynastischer Beziehungen zu zahlreichen Reichsständen“ unterhalten242. Somit hat die Forschung den Markgrafen bereits in Verbindung mit Netzwerken gebracht, ohne aber diese im Einzelnen näher oder systematischer zu betrachten. Gleichzeitig wird mit Albrecht von Brandenburg ein Fürst untersucht, der seit dem Jahre 1470 durch die Vereinigung seiner fränkischen Territorien mit der Mark Brandenburg über mehrere, weiter voneinander entfernte Herrschaftsschwerpunkte verfügte. Diese „Doppelherrschaft“ bietet einen besonderen analytischen Mehrwert, denn hier kann die Herrschaft eines Fürsten in mehreren Regionen des Rei 239
Zwar handelt Kaiser Friedrich III. streng genommen bei den im Folgenden untersuchten Beispielen vielfach in Wahrnehmung königlicher Rechte. Die von der Forschung häufig insbesondere bei der Betrachtung der politischen Theorie vernachlässigte Unterscheidung zwischen Regnum und Imperium ist für die folgenden Betrachtungen allerdings von nur nachrangiger Bedeutung, vgl. Peter Moraw, Politische Sprache und Verfassungsdenken bei ausgewählten Geschichtsschreibern des deutschen 14. Jahrhunderts, in: Geschichtsschreibung und Geschichtsbewußtsein im späten Mittelalter, hg. von Hans Patze (VuF 31, Sigmaringen 1987), S. 695–726, hier S. 706 f.; Schubert, König und Reich, S. 29–34. 240 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1112. 241 Vgl. ebd., S. 1109. 242 Dieter J. Weiß, Die ersten Hohenzollern in der Mark (1415–1499), in: Preußens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II., hg. von Frank-Lothar Kroll (München 2000), S. 26–51, hier S. 48.
III. Analytischer Ausgangspunkt
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ches untersucht werden, die von der Forschung traditionell als strukturell vollkommen verschieden bezeichnet werden243. Im Folgenden sind deshalb die bisherigen Forschungen zu beiden Persönlichkeiten, zu ihrem politischen Wirken sowie zu ihrem Verhältnis zueinander näher zu behandeln. 1. Forschungen zu Albrecht von Brandenburg Mit Albrecht von Brandenburg als Person244, mit seiner Familie245, seinem Hof246, seinem Botenwesen247, seiner Politik als Landesfürst und seiner Rolle als Reichspolitiker sowie den territorialen Grundlagen seiner Herrschaft248 hat sich 243 Vgl. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 72–76, die insbesondere durch eine Analyse der dynastisch-familiären Entwicklungen die Erlangung der Mark Brandenburg „bei allen Vorteilen, die der Gewinn der Kurmark den Zollern brachte, […] zugleich [als] problematische Errungenschaft“ beschreibt. 244 Vgl. zu seiner Jugend Georg Schuster / Friedrich Wagner, Die Jugend und Erziehung der Kurfürsten von Brandenburg und Könige von Preußen, Bd. 1: Die Kurfürsten Friedrich I. und II., Albrecht, Johann, Joachim I. und II. (Monumenta Germaniae Paedagogica 34, Berlin 1906), S. 109–160. 245 Vgl. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft. Hier findet sich auch ein guter Überblick über die jüngere und ältere Literatur zu Albrecht von Brandenburg und zu den Hohenzollern, vgl. S. 403–433. Außerdem dies., Die markgräfliche Familie am Hof zu Berlin und Ansbach 1470–1486 – Versorgung – Wohnstrukturen – Kommunikation, in: Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, hg. von ders./Karl-Heinz Spieß / Ralf-Gunnar Werlich (Residenzenforschung 14, Stuttgart 2002), S. 147–169. Im Erscheinen begriffen ist die Arbeit von Katrin Bourrée, Dynastie als Herrschaftspraxis. Das Beispiel der Hohenzollern (Diss. phil. Münster 2010), die mir nicht zugänglich war. 246 Vgl. Hans Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter (Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte der Mark Brandenburg, Leipzig 1908), S. 92–100. Hartmut Boockmann, Hof und Hofordnung im Briefwechsel des Albrecht Achilles von Brandenburg, in: Höfe und Hofordnungen 1200–1600. 5. Symposium der ResidenzenKommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Holger Kruse / Werner Paravicini (Residenzenforschung 10, Sigmaringen 1999), S. 315–320. Reinhard Seyboth, Art. „Brandenburg (-Ansbach und -Kulmbach)“, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Ein dynastisch-topographisches Handbuch, Teilbd. 1: Dynastien und Höfe, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel / Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15,1, Ostfildern 2003), S. 773–781. Zur Dynastie auch ders., Art. „Hohenzollern, Brandenburg. Linie, bis ca. 1500“, in: ebd., S. 117–122. Ders., Art. „Hohenzollern, Fränk. Linie“, in: ebd., S. 112–117. Auf die Regierung Albrechts von Brandenburg als Vorgeschichte zu seinem eigentlichen Untersuchungsgegenstand blickt auch: ders., Die Markgraftümer Ansbach und Kulmbach unter der Regierung Markgraf Friedrichs des Älteren (1486–1515) (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 24, Göttingen 1985). 247 Vgl. Robert Walser, Lasst uns ohne nachricht nit. Botenwesen und Informationsbeschaffung unter der Regierung des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg. Diss. phil. München 2004, online in: http://edoc.ub.uni-muenchen.de/2796/1/Walser_Robert.pdf [Stand: 6. Februar 2013]. 248 Vgl. Karl-Heinz Ahrens, Residenz und Herrschaft. Studien zu Herrschaftsorganisation, Herrschaftspraxis und Residenzbildung der Markgrafen von Brandenburg im späten Mittel-
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A. Forschungsüberblick
die Forschung überwiegend aus landesgeschichtlicher Perspektive intensiv beschäftigt249; dies hat zu einer Fülle von „Lebensbildern“ geführt. Seit Ranke250 zieht sich durch diese Darstellungen mehr oder weniger deutlich das Bild vom erfolgreichen Landesherrn und nimmermüden Freund seiner Fürstengenossen sowie Feind der Städte. Besonders aber genoss Albrecht als stets kaisertreuer Fürst ein großes Interesse in der Debatte um Droysens251 These von der Reichstreue als Ursprung des preußischen Staates und hohenzollerischer Größe, wie sie der Forschung des 19. Jahrhunderts aus ihrem Interesse zur Legitimation der kleindeutschen Lösung am Herzen lag. Widerspruch löste diese Sicht bereits bei Hintze aus, der feststellte, Albrecht sei „die glänzendste Erscheinung unter den zeitgenössischen deutschen Fürsten, aber nirgend eigentlich Meister der Lage und der beherrschende Mittelpunkt der Ereignisse“ gewesen252. alter (Europäische Hochschulschriften. Reihe III: Geschichte und ihre Hilfswissenschaften 427, Frankfurt a. M. u. a. 1990). Außerdem Moraw, Brandenburg im späten Mittelalter (2000), S. 83–99. Ders., Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 13–36. 249 Vgl. Ernst Schubert, Albrecht Achilles, Markgraf und Kurfürst von Brandenburg (1414–1486), in: Fränkische Lebensbilder. Neue Folge der Lebensläufe aus Franken, Bd. 4 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe VII, A, Würzburg 1971), S. 130–172. Quirin, Albrecht als Politiker. Die jüngste Arbeit aus diesem Bereich stammt von Mario Müller, Besiegelte Freundschaft. Die brandenburgischen Erbeinigungen und Erbverbrüderungen im späten Mittelalter (Schriften zur politischen Kommunikation 8, Göttingen 2010). Vgl auch ders., Fürstliche Erbverbrüderungen und Erbeinungen im späteren Mittelalter: Das Beispiel Brandenburg, in: Werkstatt politische Kommunikation. Netzwerke, Orte und Sprachen des Politischen, hg. von Christina Antenhofer / Lisa Regazzoni / Astrid von Schlachta (Schriften zur politischen Kommunikation 6, Göttingen 2010), S. 257–271. 250 Leopold von Ranke, Zwölf Bücher Geschichte, Bd. 1 und 2: Genesis des Preußischen Staates (Leopold von Ranke’s Sämmtliche Werke 25/26, Leipzig 1876), S. 135–141. Vgl. daneben auch Hans Prutz, Preußische Geschichte, Bd. 1: Die Entstehung Brandenburg-Preußens (von den ersten Anfängen bis 1655) (Stuttgart 1900), S. 147–171, hier insbesondere S. 169–171. 251 Johann Gustav Droysen, Geschichte der Preußischen Politik, 2. Teil: Die territoriale Zeit, 1. Abt. (Berlin 1857), S. 389–511. In diesem Sinne besonders pointiert: Ludwig Hahn, Kurfürst Friedrich der Erste von Brandenburg, Burggraf zu Nürnberg, der Ahnherr des Preußischen Königshauses. Ein deutsches Fürstenbild (Berlin 1859), S. III–V. Vgl. Wolfgang Hardtwig, Von Preußens Aufgabe in Deutschland zu Deutschlands Aufgabe in der Welt. Liberalismus und borussianisches Geschichtsbild zwischen Revolution und Imperialismus, in: HZ 231 (1980), S. 265–324, hier S. 274–278. Ferner Lothar Gall, Bismarcks Preußen, das Reich und Europa, in: HZ 234 (1982), S. 317–336, hier S. 318. Zur Einordnung insgesamt auch: Wolfgang Neugebauer, Preußen in der Historiographie. Epochen und Forschungsprobleme der Preußischen Geschichte, in: Handbuch der Preußischen Geschichte, Bd. 1: Das 17. und 18. Jahrhundert und große Themen der Geschichte Preußens, hg. von dems. (Berlin / New York 2009), S. 3–109. 252 Otto Hintze, Die Hohenzollern und ihr Werk. Fünfhundert Jahre vaterländischer Geschichte (Berlin 61915), S. 92, insgesamt zu Albrecht S. 92–106. Diese ablehnende Haltung gegenüber dem älteren Bild ist als Forschungstendenz zu Beginn des 20. Jahrhunderts anzusehen, so vgl. zum Beispiel auch Reinhold Koser, Die Politik der Kurfürsten Friedrich II. und Albrecht von Brandenburg. Eine vergleichende Charakteristik, in: HohenzollernJahrbuch 13 (1909), S. 101–124, hier S. 124. Ders., Geschichte der brandenburgischen Politik bis zum Westfälischen Frieden von 1648 (Geschichte der brandenburgisch-preußischen
III. Analytischer Ausgangspunkt
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Der jüngeren Forschung blieb allerdings verborgen, dass schon lange vor Hintze im Jahre 1854 der damalige Jenaer Student Carl August Hugo Burkhardt in einer handschriftlich vorliegenden, unveröffentlichten Preisarbeit für Droysens Historische Gesellschaft mit dem Titel „Die Politik des Markgrafen Albrecht Achill. Historisch-kritisches Fragment“ den Politiker Albrecht von Brandenburg erheblich differenzierter beurteilt hatte253. Offensichtlich geprägt durch sein eigenes zeithistorisches Umfeld des Deutschen Bundes vertrat er die These, Albrecht habe die Zentralgewalt gestützt, sich also kaisertreu verhalten, jedoch nur, solange es seinen „Sonderinteressen“ genützt habe. Damit nahm er schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen die Ansicht der Forschung vorweg, die sich zur Bewertung des Brandenburgers heute durchgesetzt hat. Burkhardts Betrachtungen mündeten in eine Engführung der historischen Persönlichkeiten Albrechts Achill und des preußischen Königs Friedrichs des Großen, bei der insbesondere die „deutsche Einheitsidee“ als Verbindungsglied zwischen beiden fungierte254. Politik 1, Stuttgart / Berlin 1913), S. 112–168, insbesondere S. 167 f. Zu Hintze vgl. Grothe, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 55–80, 133–149, zur Renaissance von Hintze nach 1945: ebd., S. 385–406. 253 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 860 [pag.]. Dieser Arbeit sind zwei weitere Bände mit Quellenmaterial zuzuordnen, siehe unten S. 89. Vor seinem Studium war Burkhardt als Postbeamter tätig, später wurde er Archivdirektor des Geheimen Haupt- und Staatsarchivs in Weimar; die Preisarbeit brachte ihm die vorzeitige Promotion an der Universität Jena ein, vgl. Dagmar Blaha / Frank Boblenz, Carl August Hugo Burkhardt (1830– 1910). Vorstand des Ernestinischen Gesamtarchivs 1859–1907 und des Geheimen Haupt- und Staatsarchivs in Weimar 1862–1907, in: Lebensbilder Thüringer Archivare, hg. vom Vorstand des Thüringer Archivarverbandes (Rudolstadt 2001), S. 28–37, hier S. 28 f. Zu Burkhardt außerdem Wolfgang Leesch, Die deutschen Archivare 1500–1945, Bd. 2: Biographisches Lexikon (München u. a. 1992), S. 96. Die Beachtung, die Burkhardt mit seinen Arbeiten zu Teil wurde, verdeutlichen auch die Erwerbungen der Bibliothek der Historischen Gesellschaft. So handelte es sich bei dem achten Buch, das überhaupt für die Bibliothek angeschafft wurde, um sein „Kaiserliches Buch des Markgrafen Albrecht Achill“, vgl. Die Bibliothek der Historischen Gesellschaft von Johann Gustav Droysen 1860–1884. Eine Büchersammlung in der Zweigbibliothek Geschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, verzeichnet und kommentiert von Wolfgang Eric Wagner unter Mitarb. von Mirjam Eisenzimmer u. a. (Berlin 2008), S. 45. 254 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 860, S. 394 f.: „Die deutsche Einheitsidee, wenngleich etwas getrübt vom Einfluss der Landesinteressen, bleibt eine Zierde Hohenzollernscher Politik. Albrecht allein war der Mann des 15. Jahrhunderts, der unter den schwierigsten Verhältnissen die Splitter des geborstenen Stammes zusammenfügte, und die Grundlagen desjenigen deutschen Staates legte, dessen Unterthanen an den grossen Thaten eines Friedrich des Grossen noch heute zeren. – Der Ahne Albrecht war es, der zwischen Dornen und Disteln die herrliche Blume emporspriessen liess, den der jetzige Preussische Staat wohl als den ersten Begründer ansehen kann, dass auch der Philosoph von Sanssouci in wahrer Verehrung das treffliche Wort über ihn ausgesprochen hat: Le Courage d’Albert, qu’on surnomme l’achille, n’est pour ses Descendans qu’une leçon utile.“ Das Zitat Friedrichs des Großen stammt aus einem 1736 verfassten Brief an Voltaire, Œuvres Poétiques de Frédéric II Roi de Prusse, Tome I, hg. von Johann D. E. Preuß (Œuvres de Frédéric le Grand 10, Berlin 1849), S. 61–67, hier S. 61. Die Blumenmetapher ist auf das Hohelied 2,2 zurückzuführen. Burkhardt wird sich wohl außerdem an den Beschreibungen des markgräflichen Rates Ludwig von Eyb in seinen Denkwürdigkeiten über die fränkische Herrschaft der Hohen zollern
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A. Forschungsüberblick
Aber nicht nur die Frage der „Einheit“, sondern auch das Thema „Reform“ wurde von Burkhardt geschickt eingeflochten und verdeckt auf die Gegenwart bezogen. Das 15. Jahrhundert wurde bei ihm geradezu zum Prototypen für die ihn umgebenden politischen Umstände einer fehlenden übergeordneten Staatsgewalt, denn das Charakteristische dieses Jahrhunderts sei gewesen, „dass die Reichs gewalt, von der die Lösung aller grossen Fragen ausgehen sollte, fast ohne Bedeutung geworden war, dass sie überall auf oppositionelle Elemente stiess“255; deshalb habe Albrecht Achill mehr aus Schlauheit als aus Ergebenheit den Kaiser gestützt und den Erhalt des Reiches gesichert. Im ersten und bis heute einzigen Versuch einer umfassenden Biografie Albrechts von Brandenburg in Form einer Monografie, die allerdings unvollendet blieb und über die Jugendjahre des Markgrafen nicht hinauskam, verhalf Kanter der Rankeschen Deutung der Kaisertreue zu großer Wirkung bis weit ins 20. Jahrhundert256. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Betrachtung Heinz Quirins zu „Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach als Politiker“ aus dem Jahre 1971257. Er versucht, spätmittelalterliche Politik als Machtpolitik zu kennzeichnen und am Beispiel der Politik Albrechts von Brandenburg Kategorien, in seinen Worten „Leitelemente“258, zu erkennen, die sich zum Beispiel mit „Umklammerung“, „Blockbildung“ und „Gleichgewicht der Kräfte“ oder auch „diplomatischer Technik“ beschreiben lassen; diese Elemente erhielten ihre eigene Dynamik durch
orientiert haben: Dann nachdem der herrschaft aufkomen bißher gestanden ist und noch [stet], so sein sie zwischen dorn und distel auff gewachsen, als rosen oder gut plumen zwischen dorn und distel aufwachsen; Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, in: Ludwig von Eyb der Ältere (1417–1502). Schriften. Denkwürdigkeiten, Gültbuch, Briefe an Kurfürst Albrecht Achilles 1473/1474, Mein Buch, hg. von Matthias Thumser (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. I. Reihe: Fränkische Chroniken 6, Neustadt a. d. A. 2002), S. 57–114, hier S. 113. 255 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 860, S. 20. 256 Erhard Waldemar Kanter, Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg, Burggraf von Nürnberg. Ein Zeit- und Lebensbild (Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hauses Hohenzollern 10, 2. Reihe: Biographien II, Berlin 1911). Außerdem Erich Frhr. von Guttenberg, Art. „Albrecht Achilles“, in: NDB 1 (1953), S. 161–163. Das Fehlen einer „umfassenden“ Biografie beklagte bereits Matthias Thumser, Hertnidt vom Stein (ca. 1427–1491). Bamberger Domdekan und markgräflich-brandenburgischer Rat. Karriere zwischen Kirche und Fürstendienst (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IX. Reihe: Dar stellungen aus der fränkischen Geschichte 38, Neustadt a.d.A. 1989), S. 23, Anm. 5. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts machten wohl mehrere Historiker den Versuch, Albrecht von Brandenburg umfassend biografisch zu erfassen; dies scheiterte allerdings mehrfach, vgl. Kanter, Albrecht Achilles, S. VIII: „Tod, Krankheit und Arbeitshäufung hat die Meisten [Autoren] gezwungen, nach den ersten Vorarbeiten auf eine Fortführung des Werkes zu verzichten.“ Siehe ferner unten die Anmerkungen zu den Quellensammlungen von Burkhardt und Bayer, S. 88 ff., insbesondere Anm. 328. 257 Quirin, Albrecht als Politiker. 258 Ebd., S. 262–264.
III. Analytischer Ausgangspunkt
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die individuelle Entscheidung der einzelnen Akteure259. Daraus leitet Quirin ab, dass die Biografie die adäquate Darstellungsform des Historikers für politisches Handeln im 15. Jahrhundert sei, da erst sie die individuelle Größe des einzelnen Akteurs innerhalb dieser Leitelemente durchscheinen lasse260. In jüngster Zeit hat die Forschung Albrecht Achill wiederentdeckt. Im Rahmen einer internationalen Tagung im September 2011 in Ansbach wurden wesentliche Ergebnisse und laufende Arbeiten über ihn vorgestellt261. Angeregt wurden diese Forschungen nicht zuletzt durch das (Wieder-)Auffinden verloren geglaubter Archivalien in der jüngeren Vergangenheit262. Diese Untersuchungen zu Albrecht Achilles liegen außerdem im Trend eines neuen Interesses an den Hohenzollern und der preußischen Geschichte im Allgemeinen; dabei ist eine solche Beschäftigung nicht den mit der preußischen Geschichte verbundenen politischen und ideologischen Belastungen der Vergangenheit verpflichtet; vielmehr dient sie unter anderen Vorzeichen zum einen der Vergewisserung des eigenen Herkommens mit all seinen Widersprüchen, zum anderen der Konstruktion eines neuen Geschichtsbewusstseins und der damit verbundenen Übersetzung der Geschichte in die erlebte Gegenwart nach ihren jeweiligen Bedürfnissen263. Gerade zum 300. Geburtstag von Friedrich dem Großen ist auch das Interesse an den Ursprüngen des „preußischen Staates“ neu erwacht, wie zahlreiche wissenschaftliche264 und populäre265 Publikationen sowie Sonderausstellungen und andere Veranstaltungen266 zum „Großen Kurfürsten“ und seinen
259
Ebd., S. 265. Ebd., S. 266. 261 Die vom Historischen Verein für Mittelfranken e. V., dem Staatsarchiv Nürnberg sowie dem Institut für Europäische Geschichte, TU Chemnitz, veranstaltete Tagung hatte den Titel „Albrecht Achilles (1414–1486), Kurfürst von Brandenburg – Burggraf von Nürnberg“. Sie fand vom 23. bis 25. September 2011 im Schloss Ansbach statt. Vgl. vorerst: http://hsozkult. geschichte.hu-berlin.de/termine/id=17110 [Stand: 6. Februar 2013]. 262 Vgl. zur Überlieferung unten A. V. 263 Vgl. Wolfgang Neugebauer, Wozu preußische Geschichte im 21. Jahrhundert? (Lectiones Inaugurales 2, Berlin 2012). Ders., Geschichte Preußens (Hildesheim / Zürich / New York 2004), S. 8–10. 264 Beispielhaft seien erwähnt: Ewald Frie, Friedrich II. (Reinbek 2012). Johannes Kunisch, Friedrich der Große (München 2011). 265 Vgl. nur die Sonderausgaben großer deutscher Magazine, so etwa Preußen. Die eigenwillige Supermacht. Zum 300. Geburtstag von Friedrich dem Großen (Stern Extra, Hamburg 2012). 266 Unter der Dachmarke „Friedrich300“ fand eine Fülle von Veranstaltungen statt, vgl. http://www.friederisiko.de / Dachmarke-Friedrich300.html [Stand: 7. Februar 2013]. Erwähnt seien die Ausstellung „Friederisiko“ der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg im Neuen Palais und Park Sanssouci Potsdam, 28. April bis 28. Oktober 2012, vgl. http://www.friederisiko.de / Ausstellung.html [Stand: 7. Februar 2013]; ebenso die auf die Rezeption Friedrichs des Großen konzentrierte Ausstellung „Friedrich der Große – verehrt, verklärt, verdammt…“ des Deutschen Historischen Museums Berlin, 21. März bis 26. August 2012, http://www.dhm.de/ausstellungen/friedrich-der-grosse/ [Stand: 7. Februar 2013]. 260
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A. Forschungsüberblick
Vorfahren zeigen. In diesem Zusammenhang erscheint Albrecht Achill neben den anderen hohenzollerischen Größen mit Beinamen „Alkibiades“, „Cicero“, „Hektor“ oder „Nestor“, die zwar ehrgeizig und zielstrebig gewesen seien, in ihrer Zeit aber „mitnichten von politischem oder historischem Gewicht“267. Sie haben einen festen Platz in einer Aufstiegsgeschichte, die ihren Höhepunkt in Friedrich dem Großen finden sollte; der Beitrag Albrechts Achill an diesem Werk sei die Trennung der Mark Brandenburg von den fränkischen Besitzungen, die Verlagerung des Herrschaftsschwerpunktes nach Brandenburg, Friedensbemühungen und die Idee der „sparsamen Verwaltung“ gewesen268. 2. Forschungen zu Kaiser Friedrich III. Das Interesse der Forschung an Kaiser Friedrich III. ist in den letzten Jahren ebenfalls stark gestiegen. In älteren Studien wurde von ihm das Bild von des „Heiligen Römischen Reiches Erzschlafmütze“269 gezeichnet, dem man das seines Sohnes Maximilian I. als eines agilen und machtpolitisch erfolgreichen Herrschers gegenüberstellte. So habe Maximilian das Reich in die Moderne geführt, indem er dessen strukturelle Probleme, die Friedrich in über 50-jähriger Herrschaftszeit – der längsten eines deutschen Königs und römischen Kaisers im Mittelalter überhaupt – nicht zu lösen vermocht hatte, rasch überwand270. Erste Nuancierungen dieses Negativbildes unternahm Alphons Lhotsky, der allerdings in einer auf die Person des Kaisers verengten Perspektive an der Beurteilung grundsätzlich festhielt271. Im Zuge der editorischen Neubearbeitung des Urkundenmaterials Kaiser Friedrichs III. und angesichts der Tatsache, dass mit bis zu 13.000 publizierten Urkunden nur ein Bruchteil der herrscherlichen Urkundentätigkeit erfasst ist – derzeit ist von 40.000 Urkunden und Briefen die Rede, die in europäischen Archiven
267
Die Hohenzollern. Preußische Könige, deutsche Kaiser, hg. von Uwe Klußmann / Norbert F. Pötzl (München 2011), vgl. insbesondere Georg Bönisch, Vom Fels zum Meer. Eine Burg auf der Schwäbischen Alb war der Ursprungsort der Zollern, deren Nachkommen zu Kurfürsten in Brandenburg und zu preußischen Königen aufstiegen, in: ebd., S. 17–33. 268 Vgl. Bönisch, Vom Fels zum Meer, S. 25 f. 269 Zitiert nach Alphons Lhotsky, Art. „Friedrich III.“, in: NDB 5 (1961), S. 484–487, hier S. 486, ohne Nachweis. 270 Vgl. stellvertretend für die ältere Forschung Baethgen, Konzilszeit, S. 673–692. Auf die Person des Kaisers fokussiert vgl. auch G[eorg] Voigt, Art. „Friedrich III.“, in: ADB 7 (1878), S. 448–452. Zum Negativbild Friedrichs III. in der älteren Forschung vgl. Hartmut Boockmann, Das fünfzehnte Jahrhundert in der deutschen Geschichte, in: Mittelalterforschung nach der Wende 1989, hg. von Michael Borgolte (HZ. Beiheft 20, München 1995), S. 485–511, hier S. 500 f. 271 Alphons Lhotsky, Kaiser Friedrich III. Sein Leben und seine Persönlichkeit, in: ders., Aufsätze und Vorträge, hg. von Heinrich Koller / Hans Wagner, Bd. 2: Das Haus Habsburg (Wien 1971), S. 119–163, insbesondere S. 161; ursprünglich veröffentlicht in: Friedrich III. Kaiserresidenz Wiener Neustadt (Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums NF 29, Wien 1966), S. 16–47. Vgl. auch Lhotsky, Friedrich III. (NDB), S. 484–487.
III. Analytischer Ausgangspunkt
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verstreut liegen272 –, erfolgte auch die pragmatische Umdeutung des Friedrich-Bildes. In Herrschaftstechnik und Verwaltung effizienter als seine Vorgänger, durch die Vereinigung der österreichischen Erblande und eine ambitionierte Heirats politik die Hausmacht der Habsburger dauerhaft sichernd, legte er den Grundstein für das habsburgisch dominierte Kaisertum der Frühen Neuzeit273. Diese Neudeutung konkretisierend, sind in den letzten Jahren zahlreiche Einzelaspekte zu Herrschaftstechnik und -praxis274, zum Verhältnis von Friedrich III. zu seinem Sohn275, zu seinen Beziehungen zu einzelnen Reichsmitgliedern276, seiner Außen-
272 Dies geht aus der Projektbeschreibung zur Regestierung der Urkunden Friedrichs III. bei den Regesta Imperii hervor, vgl. http://www.regesta-imperii.de/unternehmen/abteilungen/ xiii-friedrich-iii.html [Stand: 7. Februar 2013]. 273 Vgl. Heinrich Koller, Kaiser Friedrich III. (Gestalten des Mittelalters und der Renaissance, Darmstadt 2005), S. 238–278. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 16. Zur Bewertung auch S. 1317–1346. 274 Vgl. die jüngsten Arbeiten von Bernhard Diestelkamp / Heinrich Koller, Kaiser Friedrich III. in rechtsgeschichtlicher Perspektive. Kritik und Entgegnung, in: ZHF 33 (2006), S. 257–266. Harm von Seggern, Das Botenwesen Friedrichs III. (1440–1493). Eine europäische Besonderheit?, in: Vergleichende Perspektiven. Perspektiven des Vergleichs. Studien zur europäischen Geschichte von der Spätantike bis ins 20. Jahrhundert, hg. von Helga Schnabel-Schüle (Trierer Historische Forschungen 39, Mainz 1998), S. 67–122. Daniel Luger, Kaiser Friedrich III. und Triest. Beiträge zur Kulturgeschichte der Verwaltung im Spätmittelalter (M. A. phil., Wien 2010 masch.), online abrufbar unter: http://othes.univie.ac.at/ 11036/1/2010–09–06_0001877.pdf [Stand: 6. Februar 2013]. Ortolf Harl / Alois Niederstätter, Kaiser Friedrich III. als Nachfolger Caesars: Zwei Inschriften zur Befestigung von Tergeste / Trient, in: Beruf(ung) Archivar. FS Lorenz Mikoletzky, Teil 2 (Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 55, Wien 2011), S. 699–725. Christian Jörg, „In Leitmudikeit und Trubsel“. Gestaltungsmöglichkeiten, Inszenierungselemente und symbolische Kommunikation in den Trauerfeierlichkeiten der Reichsstadt Frankfurt für Kaiser Friedrich III. (1493), in: Integration und Konkurrenz: symbolische Kommunikation in der spätmittelalterlichen Stadt, hg. von Stefanie Rüther (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Werte systeme 21, Münster 2009), S. 81–110. Christine Magin, Schriftlichkeit und Aktenverwaltung am Kammergericht Kaiser Friedrichs III., in: Als die Welt in die Akten kam. Prozeßschriftgut im europäischen Mittelalter, hg. von Susanne Lepsius / Thomas Wetzstein (Rechtsprechung. Materialien und Studien 27, Frankfurt a. M. 2008), S. 349–387. Zahlreiche Einzelaspekte zur Herrschaft Friedrichs III. werden auch beleuchtet durch diverse Beiträge in: König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert, hg. von Franz Fuchs / Paul-Joachim Heinig / Jörg Schwarz (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 29, Köln / Weimar / Wien 2009). 275 Susanne Wolf, Die Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians (1486–1493). Grundlagen und Probleme habsburgischer Reiseherrschaft am Ende des Mittelalters (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 25, Köln 2005). KarlFriedrich Krieger, Der Hof Friedrichs III. von außen gesehen, in: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. von Peter Moraw (VuF 48, Stuttgart 2002), S. 163–190. 276 Vgl. z. B. Gerhard Fouquet, Lübeck als Reichsstadt. Die Zeit Friedrichs III., in: Von Menschen, Ländern, Meeren. FS Thomas Riis, hg. von dems. u. a. (Tönning 2006), S. 277– 305. Holger Vogelmann, Friedrich III. (1440–1493) und die Reichsstadt Ravensburg. Aspekte von Leistung und Gegenleistung in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung 120 (2002), S. 131–159.
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A. Forschungsüberblick
politik277 und seinem Bild in der zeitgenössischen Historiografie278 untersucht worden. Ein erster Versuch, diese Forschungen zu Kaiser Friedrich III. zusammenfassend biografisch zu erfassen, musste vorläufig bleiben279. Paul-Joachim Heinig verfolgt in seiner monumentalen Abhandlung zu „Hof, Regierung und Politik“ Kaiser Friedrichs III. neben einer Analyse des gesamten Hofes Friedrichs III. als „einzigem Zentrum des Reiches im Zeitalter der offenen Verfassung des Reiches“ und „Schnittpunkt von König und Reich“280 den Ansatz, die königliche Wirksamkeit zwischen 1471 und 1474 durch die Betrachtung des Itinerars, die Erfassung der an der kaiserlichen Politik interessierten Personengruppen sowie der Urkundenstreuung im politischen Raum zu ermitteln281. Heinig bewegt sich damit weitgehend in den Bahnen des Erklärungsmodells seines Lehrers Moraw282. In diesem Rahmen unternimmt Heinig Analysen von Personenkonstellationen, so auch die von Albrecht und Friedrich283. Sich vor allem wegen der Informationsfülle in der politischen Korrespondenz Albrechts auf Exemplarisches beschränkend, geht es ihm hier um die „pragmatische Offenlegung der markgräflichen Rolle im politischen System des Habsburgers während eines fest umrissenen Zeitraums“284; auf breiter Quellengrundlage bestätigt er die wichtige Rolle des Brandenburgers für die Politik des Habsburgers im Allgemeinen.
277 Heinig, Konjunkturen des Auswärtigen, S. 28: Er sieht bei Friedrich III. „Indizien eines außenpolitischen Systems“. 278 Vgl. z. B. König und Kanzlist, Kaiser und Papst. Friedrich III. und Aenea Silvio Piccolomini in Wiener Neustadt, hg. von Franz Fuchs / Paul-Joachim Heinig / Martin Wagendorfer (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 32, Wien / Köln / Weimar 2013). Franz Fuchs / Karl-Friedrich Krieger, Aller tugent ist er ein faß – ein Lobgedicht auf Kaiser Friedrich III. (1440/1452–1493), in: Verstehen durch Vernunft. FS Werner Hoffmann, hg. von Burkhardt Krause (Wien 1997), S. 99–112. Daneben auch die Edition: Der Bericht des Johannes Roth über die Kaiserkrönung von Friedrich III., hg. von Agostino Sottili, in: ders., Humanismus und Universitätsbesuch: Die Wirkung italienischer Universitäten auf die Studia Humanitatis nördlich der Alpen (Education and society in the Middle Ages and Renaissance 26, Leiden u. a. 2006), S. 413–461. 279 Vgl. Koller, Friedrich. Zum Forschungsstand vgl. ebd., S. 30–32. Vgl. als Überblick außerdem Paul-Joachim Heinig, Friedrich III. (1440–1493), in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters. Historische Portraits von Heinrich I. bis Maximilian I. (919–1519), hg. von Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter (München 2003), S. 495–517. Als älterer Überblick heranzuziehen ist Roderich Schmidt, Friedrich III. 1440–1493, in: Kaisergestalten des Mittelalters, hg. von Helmut Beumann (München 1984), S. 301–331. 280 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 16. 281 Ebd., S. 818–873. 282 Siehe näher oben S. 25 f., 28 ff. 283 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1098–1136. 284 Ebd., S. 1100; insgesamt zu seiner Vorgehensweise vgl. auch S. 1098 f. sowie die Einleitung des ersten Bandes, S. 1–18.
IV. Untersuchungszeitraum, Beispiele und historischer Überblick
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IV. Untersuchungszeitraum, Beispiele und historischer Überblick 1. Untersuchungszeitraum und Beispiele Eine umfassende Politiknetzwerkgeschichte nach der Reichsmatrikel von 1521 würde die Untersuchung von ca. 82.000 Einzelverbindungen, je nach Politiknetzwerk sogar von unendlich vielen Konstellationen erfordern285; für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts ist mit ähnlichen Zahlen zu rechnen. Deshalb hat die Untersuchung beispielhaft vorzugehen. Dies entspricht dem hier verfolgten Ansatz, da nicht nur politische Netzwerke jeweils auf einen Regelungsgegenstand bezogen sind, etwa einen Konflikt, eine politische Herausforderung oder die Durchsetzung von Einzelinteressen; auch Governance-Formen können nur anhand von Beispielen rekonstruiert werden. Außerdem zwingt der außerordentliche Umfang der Überlieferung zur Beschränkung286. Darüber hinaus verlangt der Versuch, politisches Handeln auf verschiedenen Ebenen des Reiches ohne vorherige Verengung auf einen landes-, reichs- oder außenpolitischen Blickwinkel zu untersuchen, auch nach einer zeitlichen Beschränkung. So ist ein dem Forschungstrend der jüngeren politischen und Verfassungsgeschichte entgegengesetzter Weg einzuschlagen. Mit der Analyse eines überschaubaren Zeitraums wird dagegen an ältere Traditionen angeknüpft, etwa an Heinigs Werk zur Herrschaft Kaiser Friedrichs III. in den Jahren 1470 bis 1475, vor allem aber an Quirins Habilitationsschrift zur „Reichspolitik König Friedrichs III. von den Trierer Verträgen bis zum Beginn des Süddeutschen Städtekrieges 1445–1448.“287 Mit einer zeitlichen Begrenzung und der Beschränkung auf ausgewählte Fallbeispiele sollte es außerdem möglich sein, nicht lediglich allgemeine Entwicklungstendenzen allgemeinen politischen Wirkens und Wandels zu beschreiben, sondern bis in die letzten Feinheiten politischen Handelns vorzudringen und von hier aus erst auf größere Entwicklungen zu schließen288. Ein 285
Vgl. Quellensammlung zur Geschichte der Deutschen Reichsverfassung in Mittelalter und Neuzeit, bearb. von Karl Zeumer (Quellensammlungen zum Staats-, Verwaltungs- und Völkerrecht 2, Tübingen 21913), S. 313. Als Knoten wird hier ein Eintrag in der Matrikel betrachtet; so ergeben sich bei 405 möglichen Bindungspartnern 81.810 potenzielle Bindungen. 286 Siehe hierzu im Einzelnen unten A. V. 287 Heinz Quirin, Studien zur Reichspolitik König Friedrichs III. von den Trierer Verträgen bis zum Beginn des süddeutschen Städtekrieges (1445–1448) (Habil. phil. Berlin 1963 masch.). Vgl. auch Moraw / Press, Probleme der Sozial- und Verfassungsgeschichte, S. 99, die sich in ihrem programmatischen Aufsatz aus „forschungsökonomischen Gründen“ gegen eine „Histoire Totale“ des Alten Reiches wandten. Zur Problematik insgesamt auch Wilhelm Janssen, Landesgeschichte im Nachkriegsdeutschland, in: HJL 50 (2000), S. 403–421, hier S. 421. 288 Vgl. zum Spannungsverhältnis von Mikro- und Makroperspektive als Grundkonstante historischen Arbeitens aus der überreichen Literatur Karlheinz Blaschke, Sächsische Landesgeschichte zwischen landschaftlicher Grundlegung und nationalgeschichtlichem Horizont, in: Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme – Analyse – Perspektiven, hg. von
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zeitlich begrenzter Schnitt durch die Geschichte politischen Handelns und politischer Strukturen durch alle Ebenen des Reiches hindurch wird auf diese Weise erst möglich. Wo es geboten und für die Analyse unabdingbar erscheint, wird der Untersuchungszeitraum im Einzelfall ausgeweitet. Nicht nur die besonders große Zahl mehr oder weniger gleichzeitig ablaufender, ungleich intensiver und auf unterschiedlichen Ebenen stattfindender Konflikte und Prozesse ebenso wie das Datum der Herrschaftsübernahme in der Mark Brandenburg durch Albrecht Achilles, sondern auch die besonders gute Quellenlage für diesen Zeitraum legen eine Beschränkung auf die Jahre von 1470 bis 1475 nahe. Hierbei handelt es sich um eine Zeit, in der Friedrich III. sich nach längerem Rückzug in seine Erblande persönlich wieder dem Binnenreich zuwandte, und gleichzeitig um eine Phase, in der das Reich von vielen Konflikten im Inneren erschüttert wurde und von äußeren Einflüssen bedroht war289. Im Folgenden sollen also der Governance-Ansatz und das Analyseraster politischer Netzwerke auf verschiedene Beispiele aus dem Umkreis Kaiser Friedrichs III. und Albrechts von Brandenburg angewendet werden, um dann in einem zweiten Schritt zunächst Grundelemente politischer Netzwerke um 1470 näher zu benennen und schließlich die so gewonnenen Ergebnisse auf den Forschungsstand zum Wesen spätmittelalterlicher Politik zu beziehen. Bei der Auswahl der Beispiele ist von ihrer klassischen Zuordnung zu einer „landes“- bzw. „regional“und „lokalhistorischen“, einer „reichshistorischen“ und einer „außenpolitischen“ Ebene auszugehen, der auch der Aufbau dieser Studie folgt290. Geboten erscheint außerdem die besondere Berücksichtigung von Reichsstädten. Denn insbesondere ihre direkte Abhängigkeit vom König, so unterschiedlich sie zu verschiedenen Zeiten in der Praxis auch ausgeprägt war, sowie ihre Sonderstellung innerhalb der spätmittelalterlichen Reichsverfassung versprechen, gleichermaßen Einsichten in
Werner Buchholz (Paderborn u. a. 1998), S. 145–159, hier S. 157 f. Jussen, Einleitung, S. XXI. Dagegen Giorgio Chittolini, The „Private“, the „Public“, the State, in: The Origins of the State in Italy, 1300–1600, hg. von Julius Kirshner (The Journal of Modern History 67. Supplement, Chicago 1995), S. 34–61 hier S. 60; ursprünglich veröffentlicht als: Il ‚privato‘, il ‚publico‘, lo Stato, in: Origini dello Stato. Processi di formazione statale in Italia fra medioevo ed età moderna, hg. von dems./Anthony Molho / Pierangelo Schiera (Annali dell’ Istituto Storico Italo-Germanico 39, Bologna 1994), S. 553–589. Richard van Dülmen, Historische Anthropologie (Köln / Weimar ²2001), S. 103–106. Ausgewogen: Bernd Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter, in: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. FS Peter Moraw, hg. von Paul-Joachim Heinig u. a. (Historische Forschungen 67, Berlin 2000), S. 53–87, hier S. 64. 289 Vgl. Koller, Friedrich, S. 168–247. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 14–18. Siehe auch den Überblick unten A. IV. 2. 290 Siehe hierzu näher oben A. I. 3.
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politisches Handeln in städtischem Kontext ebenso wie in das Verhältnis von König und Reich insgesamt zu gewähren291. Zunächst wird die Einbindung Albrechts von Brandenburg in den Kreis der Kurfürsten mit der Übernahme der Mark Brandenburg im Jahre 1470 untersucht, um anschließend die Interaktion der Kurfürsten untereinander und mit dem Kaiser in den Jahren 1473 und 1474 zu betrachten. Das darauf folgende Kapitel ist Netzwerken in außenpolitischem Kontext gewidmet. Dabei werden zunächst die Rolle Albrechts von Brandenburg bei der Einbindung König Christians von Dänemark in das Netzwerk des Reiches und die anschließenden politischen Aktivitäten um Kaiser Friedrich III., König Christian und Kurfürst Albrecht analysiert. Danach wird die Entwicklung des Beziehungsgeflechts zwischen Christian von Dänemark, Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. im Erhebungsprojekt des Herzogs von Mailand zum König der Lombardei beleuchtet; es folgt die Betrachtung des Bedeutungsverlusts des Dänenkönigs für die reichsund außenpolitischen Netzwerke während des Reichskrieges gegen Karl den Kühnen 1474/75. Anschließend werden politische Netzwerke im Zusammenhang mit diesem Reichskrieg als Abwehr einer Gefahr von außen betrachtet, wobei das Reichsnetzwerk an sich, die Interaktionsversuche Karls des Kühnen sowie die Rückwirkungen auf das politische Handeln Albrechts von Brandenburg im Reich und seinen Territorien während des Krieges in den Blick genommen werden. Auf lokaler und regionaler Ebene stehen vier Beispiele im Zentrum der Untersuchung. Zunächst wird mit dem sogenannten „Stettiner Erbfolgestreit“ ein Regionalkonflikt im Nordosten des Reiches, in einer klassischerweise als „königsfern“ bezeichneten Region, untersucht. Danach wird mit dem Streit um die Braun eckschen Lehen ein Regionalkonflikt in Franken betrachtet, wobei insbesondere die Rolle von fürstlichen Räten innerhalb von Politiknetzwerken zu berücksichtigen ist. Mit dem Streit um das Geleit zu Heideck und den Überfall auf Möhren im fränkisch-bayerischen Grenzgebiet werden Beispiele regionaler und lokaler Herrschaftsabgrenzung mithilfe politischer Netzwerke analysiert. Sodann erlauben die Aktivitäten des „Raubritters“ Wilhelm Zaunrüde im Großraum Franken und Bayern Einblicke insbesondere in regionale und lokale Netzwerke unter besonderer Berücksichtigung von Verwaltungshandeln und Herrschaftsausübung sowie Landfriedenssicherung. Reichsstädten als politischen Akteuren ist das letzte Beispiel zu den Beziehungen Albrechts von Brandenburg zur Reichsstadt Nürnberg zwischen 1470 und 1475 gewidmet.
291 Vgl. Krieger, König, Reich und Reichsreform, S. 41. Eberhard Isenmann, Reichsstadt und Reich an der Wende vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit, in: Mittel und Wege früher Verfassungspolitik. Kleine Schriften 1, hg. von Josef Engel (Spätmittelalter und Frühe Neuzeit. Tübinger Beiträge zur Geschichtsforschung 9, Stuttgart 1979), S. 9–223. Karl S. Bader / Gerhard Dilcher, Deutsche Rechtsgeschichte. Land und Stadt – Bürger und Bauer im Alten Europa (Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft, Berlin u. a. 1999), S. 414–418.
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A. Forschungsüberblick
Angesichts des gewählten Ansatzes und der Anzahl von für einen engen Zeitraum untersuchten Beispielen werden sich inhaltliche Wiederholungen in verschiedenen Zusammenhängen nicht vermeiden lassen. Auch wenn jedes Beispiel eine eigene umfangreiche Untersuchung verdienen würde, zwingt die Fragestellung doch zur Beschränkung. Deshalb sind die Beispiele nicht als Einzelstudien mit dem Anspruch umfassender Darstellung, sondern als ausgewählte Fallbeispiele unter der übergeordneten Fragestellung zu verstehen. Durch die Fragestellung sowie den theoretischen Rahmen dieser Arbeit ver anlasst, werden – nach einem kurzen zusammenfassenden Überblick über die Ereignisgeschichte der Jahre 1470 bis 1475 und der Vorstellung der relevanten Quellen – zunächst die Beispiele auf den verschiedenen Ebenen – von der Reichspolitik über außenpolitische sowie regionale und lokale Zusammenhänge bis hin zu Politiknetzwerken in reichsstädtischem Umfeld – analysiert. Anschließend werden auf den Beispielen aufbauend in Anlehnung an den Governance-Ansatz sowie die Analyseperspektive politischer Netzwerke vergleichend Grundelemente politischer Netzwerke ermittelt, bevor die gewonnenen Ergebnisse dann im Einzelnen mit der bisherigen Forschung abgeglichen und Antworten auf die Fragestellung formuliert werden. 2. Kaiser Friedrich III., Albrecht von Brandenburg und das Reich 1470–1475 im Überblick Als sich Kaiser Friedrich III. nach etwa 25-jähriger Abwesenheit seit 1470/71 wieder persönlich dem Binnenreich zuwandte, war die politische Situation des Reiches geprägt von großer Dynamik, großer Bedrohung von außen und Konflikten im Inneren292. Im Westen und Südwesten des Kernreiches hatte Kaiser Friedrich III. vor allem mit den Eidgenossen und mit den erstarkenden burgundischen Herzögen zu rechnen293. Dabei verfolgten die Herzöge von Burgund neben einer aggressiven territorialen Expansionspolitik auch den Plan der Standeserhöhung zu einem Königreich Burgund, die mit einer verwandtschaftlichen Verbindung zum Haus Habsburg bekräftigt werden sollte294. Mit den Verhandlungen von Trier im Jahre 1473 wurden diese Pläne konkret und Herzog Karl der Kühne erreichte den Höhepunkt seiner Macht; nach dem Scheitern der Verhandlungen wurde diese Machtfülle 292
Vgl. insgesamt Koller, Friedrich, S. 168–247. Vgl. etwa Hartmut Boockmann / Heinrich Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform (1410–1495) (Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte 8, Stuttgart 102005), S. 102–120. 294 Vgl. zum Folgenden Joachim Leuschner, Deutschland im späten Mittelalter (Deutsche Geschichte 3, Göttingen 21983), S. 209–219. Koller, Friedrich, S. 179–187. Heinz Thomas, Deutsche Geschichte des Spätmittelalters 1250–1500 (Berlin / Köln / Mainz 1983), S. 474–478, 481–488. 293
IV. Untersuchungszeitraum, Beispiele und historischer Überblick
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allerdings in den militärischen Auseinandersetzungen im Neusser Krieg rasch wieder zunichte gemacht. Bis zur endgültigen Niederlage Burgunds sollte es indes noch dauern295. In diesem Zusammenhang hatten sich auch die Konstellationen im Südwesten umgekehrt, und Herzog Sigmund von Tirol ging in einer Koalition mit den Eidgenossen, der sogenannten „Ewigen Richtung“, gegen Burgund vor296. Im Osten setzte sich nach dem Tode Georgs von Podiebrad, des Königs von Böhmen, im Jahre 1471 mit dem Thronfolgestreit zwischen Vladislav, dem Sohn des polnischen Königs Kasimir, und des ungarischen Königs Matthias Corvinus – der Konflikt hatte sich aus der Frage der Besetzung des ungarischen Königtums weiterentwickelt – fort297. Nicht nur in der Kölner Stiftsfehde, sondern in so gut wie allen Konflikten von reichspolitischer Dimension innerhalb des Kernreiches wurden diese Problemkreise zunehmend mit dem Dauerkonflikt um Pfalzgraf Friedrich den Siegreichen vermischt, der sich gegen die Regeln der Goldenen Bulle des Kurfürstentums bemächtigt hatte und die starke sogenannte „wittelsbachische“ oder „antikaiserliche Partei im Reich“ anführte298. Die Auseinandersetzung um Friedrich den Sieg reichen sollte dann im Reichstag von Augsburg 1474 ihren Höhepunkt finden, auf dem ihm der Prozess gemacht wurde und der mit seiner – gleichwohl letztlich wirkungslosen – Verurteilung endete299. Gleichzeitig war das Reich dauerhaft der Gefahr durch die einfallenden Türken ausgesetzt, was Kaiser Friedrich III. zur Organisation entsprechender Abwehrmaßnahmen veranlasste, wie die Beratungen auf dem „Großen Christentag“ von Regensburg 1471 verdeutlichen300. In diesem Zusammenhang und vor dem Hintergrund der „Reichsreform“ erging nun auch ein neuer Reichslandfriede, der jeden im Wege der Fehde verfolgten Anspruch für nichtig erklärte301. Die Beziehungen zwischen Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. hatten Phasen unterschiedlicher Intensität durchlebt; noch in den 1460er Jahren hatte sich der Kaiser von ihm distanziert und sich der „wittelsbachischen“ beziehungsweise „ungarischen Partei“ im Reich zugewandt302; Albrecht hatte zwar noch hier und da dem Kaiser Informationen zugespielt, größere Spannungen waren allerdings unübersehbar303. Im Vorfeld der neuerlichen Hinwendung des Kaisers zum Binnenreich nach 25-jähriger Abwesenheit wurden auch die Beziehungen 295
Vgl. Koller, Friedrich, S. 190–205. Schmidt, Friedrich III., S. 323 f. Vgl. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 116 f. Zu den Eid genossen auch ebd., S. 110 f. Leuschner, Deutschland, S. 215. 297 Vgl. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 107–110. Thomas, Deutsche Geschichte, S. 470–473. 298 Vgl. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 101. 299 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1156–1173. 300 Vgl. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 122 f. 301 Vgl. Schmidt, Friedrich III., S. 322. 302 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1099. 303 Vgl. ebd., S. 1103 f. 296
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A. Forschungsüberblick
zwischen ihm und Albrecht wieder intensiviert304. Dabei brachten vor allem die Entwicklungen der Konflikte im Westen und Osten die beiden zueinander gleichwie ihre Abneigung gegenüber Friedrich dem Siegreichen; Albrecht erfüllte Aufgaben im Dienste des Kaisers als Heerführer und Richter. Geht man von der Urkundentätigkeit Friedrichs III. für Albrecht von Brandenburg aus, so zeigen sich daneben kaiserliche Interventionen in Regionalkonflikte etwa um das Herzogtum Pommern-Stettin, um die Frage der Brauneckschen Lehen sowie um die Ansprüche Albrechts von Brandenburg auf den Weißenburger Forst305. Schließlich ging es auch um die Anerkennung Albrechts von Brandenburg als Kurfürst, der 1470 seinem Bruder Friedrich als Markgraf von Brandenburg folgte. Genau diese Fragen werden im Folgenden – nach der Vorstellung der Quellenlage – auf der Grundlage von Governance und Politiknetzwerken behandelt.
V. Quellen Wie bereits angedeutet, gestaltet sich die Quellenlage im Untersuchungszeitraum für Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht von Brandenburg äußerst günstig. Dem Untersuchungsgegenstand entsprechend eignen sich vor allem Quellen, die den Gruppen Urkunden, „verwaltungstechnisch-pragmatisches Schriftgut“306 sowie Korrespondenz zuzuordnen sind. Abhängig von der Blickweite des jeweils untersuchten Beispiels und von der Bedeutung für den Einzelfall werden auch erzählende Quellen herangezogen. 1. Quellensammlungen und gedruckte Quellen Zunächst sind die politisches Handeln vermittelnden Quellen Friedrichs III. und ihre editorische Aufarbeitung zu betrachten. In den 1840er Jahren legte Joseph Chmel307 ein Regestenwerk zu den Urkunden Kaiser Friedrichs III. vor, das jedoch 304
Vgl. zur Einteilung der Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. in Phasen der Hinwendung und Abwendung vom Binnenreich ebd., S. 821. Heinig unterteilt: 1440–1444 (außerhalb der Erblande), 1445–1470 (in den Erblanden), 1471–1475 (außerhalb der Erblande), 1476–1485 (in den Erblanden), 1485/86–1493 (außerhalb der Erblande). 305 Vgl. ebd., S. 1098–1135. 306 Vgl. hierzu Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 22 f. Zur „pragmatischen Schriftlichkeit“ grundlegend Hagen Keller, Pragmatische Schriftkultur im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen. Einführung zum Kolloquium in Münster, 17.–19. Mai 1989, in: Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen, hg. von dems./Klaus Grubmüller / Nikolaus Staubach (MMS 65, München 1992), S. 1–7. Christel Meier, Einführung, in: Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur, hg. von ders./Volker Honemann / Hagen Keller / Rudolf Suntrup (MMS 79, München 2002), S. XI–XIX, hier S. XII. 307 Regesta chronologico-diplomatica Friderici IV. Romanorum Regis (Imperatoris III.), Auszug aus den im k. k. geheimen Haus-, Hof- und Staats-Archive zu Wien sich befindenden Reichsregistraturbüchern vom Jahre 1440–1493, von Joseph Chmel, Abt. 1–2 (Wien 1838, ND Hildesheim 1962).
V. Quellen
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äußerst lückenhaft blieb. Seit den 1970er Jahren werden nun im Rahmen eines Projektes der Regesta Imperii die Urkunden Friedrichs III. in Regestenform neu bearbeitet; dieses Vorhaben, das wegen der Materialfülle – wie bereits angedeutet, geht man derzeit von etwa 40.000 überlieferten Urkunden und Briefen aus – nach Archiven und Bibliotheken aufgebaut ist, hat bisher 27 Hefte hervorgebracht; im Internet kann außerdem über eine „work-in-progress-Version“ der jeweils aktuelle Bearbeitungsstand abgerufen werden308. Die besonders günstige Quellenlage resultiert außerdem aus einem glücklichen Überlieferungszufall, dem sogenannten „Taxregister“, das mittlerweile als Edition vorliegt309. Dabei handelt es sich um ein Kanzleibuch eines Taxators aus der „römischen Kanzlei“, die seit 1470 an Erzbischof Adolf von Mainz verpachtet war. Es diente der Rechnungslegung gegenüber dem Kanzler. Die Forschung geht davon aus, dass die Einträge im Taxregister so gut wie lückenlos die gesamte Urkundenproduktion der kaiserlichen Kanzlei für das Binnenreich in den Jahren 1471 bis 1474 abbilden310. Das Unternehmen zur Edition der Reichstagsakten dagegen ist derzeit in seiner Älteren Reihe erst bis zum Reichstag von Regensburg im Jahre 1471 vorgedrungen311. Deshalb ist zu allen sich anschließenden Versammlungen bis 1475 auf das an vielen Stellen verstreute Material von Urkunden und Korrespondenz zurückzugreifen. Die Quellen zur politischen Geschichte Albrechts von Brandenburg sind, verglichen mit denen anderer Reichsfürsten, außergewöhnlich reich und zudem gut erschlossen312. Wesentliche, mit ihm in Verbindung stehende verfassungsge 308 Aus allen bereits erschienenen Bänden wird direkt, aus der work-in-progress-Datenbank nur ausnahmsweise zitiert, vgl. http://f3.regesta-imperii.de/ [im Folgenden zitiert: RI Friedrich III.-Online + Nummer]. Für alle Nachweise aus der Internetdatenbank gilt der Stand vom 15. Oktober 2012. Quellennachweise finden sich im Folgenden häufig in Form von Regestenverweisen, da in den allermeisten Fällen wenn überhaupt eine modernen Grundsätzen nur unzureichend genügende Edition aus dem 19. Jahrhundert vorliegt. Insbesondere bei philologischer Argumentation wird jedoch im Einzelfall auf die Edition zurückgegriffen und ihre jeweilige Zuverlässigkeit diskutiert. Nach Archiven und Bibliotheken geordnet erscheinen im Rahmen der Regesta Imperii neben den Regesten Friedrichs III. nur die Regesten Ludwigs des Bayern. 309 Das Taxregister der römischen Kanzlei 1471–1475 (Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien, Hss. „weiss 529“ und „weiss 920“), bearb. von Paul-Joachim Heinig, 2 Teile (Regesten Kaiser Friedrichs III. Sonderbd. 2, Wien u. a. 2001) (im Folgenden zitiert als: RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister). 310 Vgl. hierzu Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 854–862, vor allem S. 862. 311 Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 8. Abt., 2. Hälfte: 1471, hg. von Helmut Wolff (RTA. Ältere Reihe 22, Göttingen 1999). Ferner ist zu berücksichtigen der Band für die vorhergehende Zeit: Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 8. Abt., 1. Hälfte: 1468–1470, hg. von Ingeborg Most-Kolbe (RTA. Ältere Reihe 22, Göttingen 1973). 312 Vgl. den Überblick über die Quellen in Briefform bei Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 23–26. Die Überlieferungschance politischer Korrespondenz scheint wohl allein schon abhängig von Inhalt, Aussteller und Empfänger sehr stark zu variieren; ebenso konnte die Überlieferungschance mit der Zunahme von schriftlicher Kommunikation durchaus abnehmen; vgl. zur Überlieferung von Briefen Irmtraut Schmid, Briefe, in: Die archivalischen
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A. Forschungsüberblick
schichtliche Dokumente wurden von Minutoli313 in einer nicht unproblematischen Edition314 vereinigt. Darüber hinaus besteht die einmalige Chance, auf die von Priebatsch315 Ende des 19. Jahrhunderts teils in Regestenform, teils als Abdruck Quellen. Mit einer Einführung in die Historischen Hilfswissenschaften, hg. von Friedrich Beck / Eckart Henning (Köln / Weimar / Wien 52012), S. 125–134, hier S. 130 f. Arnold Esch, Überlieferungs-Chance und Überlieferungs-Zufall als methodisches Problem des Historikers, in: HZ 240 (1985), S. 529–570. Zu den Überlieferungsbedingungen reichsstädtischer brieflicher Kommunikation vgl. Franz Fuchs / Reiner Scharf, Nürnberger Gesandte am Hof Kaiser Friedrichs III., in: Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, hg. von Claudia Zey / Claudia Märtl (Zürich 2008), S. 301–330, hier S. 306 f. Ferner Wolfgang Wüst / Carina Untheim, Frankens Städte und Territorien als Kulturdrehscheibe. Kommunikation in der Mitte Deutschlands in Mittelalter und Neuzeit, in: Frankens Städte und Territorien als Kulturdrehscheibe. Kommunikation in der Mitte Deutschlands, hg. von Wolfgang Wüst (Mittelfränkische Studien 18, Ansbach 2008), S. 9–16, hier S. 9–11, mit weiteren Hinweisen. Zur Kommunikationsform Brief insgesamt Jörg Rogge, muterliche liebe mit ganzen truwen allecit. Wettinische Fami lienkorrespondenz in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Adelige Welt und familiäre Beziehung. Aspekte der „privaten Welt“ des Adels in böhmischen, polnischen und deutschen Beispielen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, hg. von Heinz-Dieter Heimann (Quellen und Studien zur Geschichte und Kultur Brandenburg-Preußens und des Alten Reiches, Potsdam 2000), S. 203–239, hier S. 203–209. Ders., Herrschaftsweitergabe, S. 15. Siehe ferner die unten in S. 86 f., Anm. 315 genannte Literatur. 313 Das kaiserliche Buch des Markgrafen Albrecht Achilles. Kurfürstliche Periode von 1470–1486. Mit einem aus Archivalien des Plassenburger Haus- und Staatsarchivs bearbeiteten Commentare, als Beitrag zur Charakteristik dieses Fürsten, hg. von Julius von Minutoli (Berlin 1850). 314 Vgl. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 23. Die Edition genügt modernen Maßstäben nicht und ist in einigen Punkten fehlerhaft. 315 Politische Correspondenz des Kurfürsten Albrecht Achilles, hg. und erl. von Felix Priebatsch, 3 Bde. (Leipzig 1894–1898). Briefe als Quellen politischer Kommunikation sind in jüngerer Zeit stärker in das Interesse der Forschung gerückt; vgl. hierzu Christina Anten hofer / Mario Müller, Briefe in politischer Kommunikation. Einführung, in: Briefe in politischer Kommunikation vom Alten Orient bis ins 20. Jahrhundert, hg. von dens. (Schriften zur politischen Kommunikation 3, Göttingen 2008), S. 9–30. Joseph Morsel, Brief und schrift. Überlegungen zu den sozialen Grundlagen schriftlichen Austauschs im Spätmittelalter am Beispiel Frankens, in: ‚Textus‘ im Mittelalter. Komponenten und Situationen des Wort gebrauchs im schriftsemantischen Feld, hg. von Ludolf Kuchenbuch / Uta Kleine (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 216, Göttingen 2006), S. 285–321, hier S. 298–312. Jüngst hat sich Müller mit der Kommunikation der Markgrafen auseinandergesetzt, vgl. Mario Müller, Diplomatisches Wissen und Informationsauslese im 15. Jahrhundert. Brandenburgische Gesandteninstruktionen und -berichte zum böhmischen und ungarischen Hof, in: Vorbild, Austausch, Konkurrenz. Höfe und Residenzen in der gegenseitigen Wahrnehmung, hg. von Anna Paulina Orlowska / Werner Paravicini / Jörg Wettlaufer (Mitteilungen der Residenzen-Kommission. Sonderheft 12, Kiel 2009), S. 34–60, zur Gattung S. 39–41. Ders., Herrschermedium und Freundschaftsbeweis. Der hohenzollerische Briefwechsel im 15. Jahrhundert, in: Das Mittelalter 9 (2004), S. 44–54. Ders., Besiegelte Freundschaft, S. 197– 216. Zuvor schon: Cordula Nolte, Pey eytler finster in einem weichen pet geschrieben. Eigenhändige Briefe in der Familienkorrespondenz der Markgrafen von Brandenburg (1470–1530), in: Adelige Welt und familiäre Beziehung. Aspekte der „privaten Welt“ des Adels in böhmischen und deutschen Beispielen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, hg. von Heinz-Dieter Hei mann (Quellen und Studien zur Geschichte und Kultur Brandenburg-Preußens und des Alten
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des Wortlauts zusammengetragene „Politische Correspondenz“ zurückgreifen zu können, die mit Albrechts Belehnung mit der Mark im Jahre 1470 einsetzt und bis zu seinem Tode im Jahre 1486 reicht. Diese Zusammenstellung unterschiedlichster Korrespondenz mit etwa 2200 Nummern ist bis heute nicht vollständig, nicht einmal in Teilen systematisch ausgewertet worden316; das Material gewährt Einblicke zum einen in die Kommunikation zwischen Familienangehörigen – hier ergibt sich aus der räumlichen Distanz der beiden Herrschaftsschwerpunkte Franken und Mark Brandenburg ein Sonderfall im Vergleich zu anderen Familien317 –, zum anderen in die Korrespondenz mit dem Kaiser und politischen Freunden, aber auch Feinden, den Städten und weiteren Reichsangehörigen sowie außerhalb des Reiches befindlichen Empfängern318. Von besonderem Quellenwert sind nicht zuletzt die Schreiben, die der überwiegend in Franken residierende Albrecht mit seinen Räten sowohl in der Mark Brandenburg als auch am kaiserlichen Hofe austauschte und die einen Blick auf interne Diskussionen und Reflexionen zulassen319. Da Reiches, Potsdam 2000), S. 177–202. Grundlegend auch Christina Antenhofer, Briefe zwischen Süd und Nord. Die Hochzeit und Ehe von Paula de Gonzaga und Leonhard von Görz im Spiegel der fürstlichen Kommunikation (1473–1500) (Schlern-Schriften 336, Innsbruck 2007), S. 213–226. Siehe außerdem oben die in S. 85 f., Anm. 312 genannte Literatur. 316 Bis in jüngste Zeit wird auf dieses Forschungsdesiderat hingewiesen, vgl. zuletzt Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 23; vgl. auch Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 831 f., 875, 1098, Anm. 860, der die Auswertung der Überlieferung zu Albrecht von Brandenburg unter „modernen Fragestellungen“ forderte. Peter Moraw, Der Harem des Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach (†1486), in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittel alter und früher Neuzeit. 6. Symposium der Residenzenkommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung 11, Stuttgart 2000), S. 439–448, hier S. 440 f.: „Das Corpus insgesamt stellt anscheinend einen für unsere soziale Etage einmaligen Textvorrat innerhalb des sonst mit ‚menschennahen‘ Quellen nicht gerade verwöhnten deutschen Mittelalters dar. Es ist erstaunlich, daß die Forschung davon so lange kaum Gebrauch gemacht hat.“ Den Wert der markgräflichen Briefe für die politische Geschichte stellt heraus: ders., Regionen und Reich, S. 25. 317 Vgl. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 23. Siehe auch oben S. 70 f. 318 Vgl. zu den Besonderheiten der brandenburgischen Kanzlei Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 24–26. Friedrich Wagner, Kanzlei- und Archivwesen der fränkischen Hohenzollern von Mitte des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts, in: AZ 10 (1885), S. 18–53; 13 (1888), S. 95–106. Kurt Wagner, Das brandenburgische Kanzlei- und Urkundenwesen zur Zeit des Kurfürsten Albrecht Achilles 1470–1486 (Diss. phil. Berlin 1911). Ludwig Lewinski, Die brandenburgische Kanzlei und das Urkundenwesen während der Regierung der beiden ersten hohenzollerschen Markgrafen (1411–1470). Ein Beitrag zur Verwaltungspraxis in der Mark Brandenburg im 15. Jahrhundert (Diss. phil. Straßburg 1893). Felix Priebatsch, Die brandenburgische Kanzlei im Mittelalter, in: AZ NF 9 (1900), S. 1–27. Friedrich Holtze, Die märkischen Kanzler bis 1650, in: FBPrG 2 (1889), S. 245–252. Zur Gattung der Fürstenkorrespondenz vgl. Julian Holzapfl, Fürstenkorrespondenz, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich, in: Hof und Schrift, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirsch biegel / Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15,3, Ostfildern 2007), S. 299–328. 319 Zur besonderen „Glaubwürdigkeit“ der markgräflichen Korrespondenz: Ehm, Burgund und das Reich, S. 18 f. Zur Gattung der Gesandtschafts- und Reiseberichte vgl. Jörg Wettlaufer, Gesandtschafts- und Reiseberichte, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Hof und Schrift, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel / Jörg Wett laufer (Residenzenforschung 15,3, Ostfildern 2007), S. 361–372.
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A. Forschungsüberblick
neben finden sich in weiteren Editionen, so bei Raumer320, Riedel321, Burkhardt322, Bachmann323 und Steinhausen324 sowie teilweise für die vorkurfürstliche Zeit auch bei Höfler325, Korrespondenzen zum Reich und zu Brandenburg326; auch diese Editionen entsprechen modernen Grundsätzen nur teilweise327. Die Einbeziehung der politischen Korrespondenz erlaubt unmittelbare Einsichten in die Motivation herrscherlichen Handelns bei Albrecht und seinen Korrespondenzpartnern. Zu erwarten ist außerdem ein direkter Einblick „von unten“ in die Personenbindung zwischen Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. Über die quellenkritische Bewertung des Materials muss im jeweiligen Einzelfall befunden werden, da es für generelle Aussagen zu unterschiedlich ist. Wohl für die Betrachtung des Markgrafen Albrecht von Brandenburg in dieser Zeit erstmals herangezogen wird darüber hinaus eine unveröffentlichte handschriftliche Sammlung von Abschriften und Regesten, die der spätere Weimarer Archivar Carl August Hugo Burkhardt in der Mitte des 19. Jahrhunderts vornehmlich aus bayerischen Archiven zusammentrug und die heute im Hauptstaatsarchiv Weimar liegt328. Diese mindestens 1400 Schreiben umfassen in der Hauptsache die 320 Codex diplomaticus Brandenburgensis continuatus. Sammlung ungedruckter Urkunden zur Brandenburgischen Geschichte, hg. von Georg Wilhelm von Raumer, Teil 1 (Berlin / Stettin / Elbing 1831), Teil 2 (Berlin / Elbing 1833). 321 Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hg. von Adolph Friedrich Riedel, 41 Bde. (Berlin 1838–1869). 322 Das Funfft Merckisch Buech des Churfuersten Albrecht Achilles, hg. von Carl August Hugo Burkhardt (Quellensammlung zur Geschichte des Hauses Hohenzollern I, Jena 1857). 323 Briefe und Acten zur österreichisch-deutschen Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrichs III., hg. von Adolf Bachmann (FontrerAustr, 2. Abt.: Diplomata et acta 44, Wien 1885). Urkundliche Nachträge zur österreichisch-deutschen Geschichte im Zeitalter Kaiser Friedrichs III., hg. von dems. (FontrerAustr, 2. Abt.: Diplomata et acta 46, Wien 1892). 324 Deutsche Privatbriefe des Mittelalters, Bd. 1: Fürsten und Magnaten, Edle und Ritter, hg. von Georg Steinhausen (Denkmäler der deutschen Kulturgeschichte, 1. Abt.: Briefe, Berlin 1899). 325 Das kaiserliche Buch des Markgrafen Albrecht Achilles. Vorkurfürstliche Periode 1440– 1470. Mit einem historischen Commentare, hg. von Constantin Höfler (Quellensammlung für fränkische Geschichte 2, Bayreuth 1850). 326 Vgl. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 23. 327 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, S. VIf. Vgl. auch Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 23. Mit Blick auf die Editionen von Riedel und Raumer bereits: Joachim Lehmann, Die Register der brandenburgischen Kanzlei 1411–1470. Ein Beitrag zur Quellenkunde und Registraturführung des Spätfeudalismus (Diss. phil. Berlin 1973), S. 173–181, 187. 328 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1510–1513 (Regestensammlung Burkhardt). Für den Hinweis auf diese Quellenzusammenstellung bin ich Herrn PD Dr. Mario Müller, Chemnitz, zu Dank verpflichtet. Die Bände enthalten den Titel: „Gesammelt von Burkhart aus bayerischen und anderen Archiven 1854–1847.“ Sie sind durchgehend foliiert und folgendermaßen aufgebaut: F 1510: fol. 1–340, 1422 September 3–1460 Dezember 21 [bis 1450 nur vereinzelte Schreiben]; F 1511: fol. 341–689, 1460–1462 August 5 [Schwerpunkt 1461–1462]; F 1512: fol. 690–1027, 1462 August 9–1471 September 10 [zu 1465 vergleichsweise wenig]; F 1513: fol. 1028–1361, 1471 Oktober 8–1522 Februar 15 [ab 1482 nur noch ver-
V. Quellen
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markgräfliche Korrespondenz von 1422 bis 1553, wobei der Schwerpunkt auf der Herrschaft des Markgrafen Albrecht Achilles liegt. Daneben sind zwei weitere unveröffentlichte Quellenzusammenstellungen von Burkhardt überliefert, die wohl im Zusammenhang mit der Ausarbeitung seiner bereits erwähnten ungedruckten Preisarbeit entstanden. Die eine enthält sehr knappe Briefregesten von 1438 bis 1487, deren Anlage darauf hindeutet, dass es sich um das Arbeitsexemplar Burkhardts handelt329; die zweite enthält „Archivalien aus dem Plassenburger Archiv zu Bamberg“, etwa 700 Dokumente aus den Jahren 1449 bis 1474330. Diese Arbeiten sind von hoher Genauigkeit und in ihrem Wert für die Forschung zur Reichs- wie zur Regionalgeschichte des 15. Jahrhunderts unschätzbar. Die beiden Bände werden – ebenso wie seine Monografie – hier, soweit zu sehen, erstmals verwendet. Während Burkhardt diese beiden Zusammenstellungen wohl in seiner Zeit als Student in Jena verfasste, konnte er seine Arbeit am vierbändigen Quellenwerk erst in seiner Zeit als zweiter Konservator im Archiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg fertigstellen, nachdem er zuvor auch in Berlin bei Leopold von Ranke studiert hatte331. Auch im Nachlass des Weimarer Archivars Victor Bayer finden sich Vor arbeiten zu einer Geschichte über Markgraf und Kurfürst Albrecht Achill. Neben einzelte Schreiben]. Zu Burkhardt vgl. neben dem oben S. 73, Anm. 253, Gesagten: Blaha / Boblenz, Burkhardt, S. 28–37, besonders S. 28 f.; diese Quellensammlung zu Albrecht Achilles wird dort allerdings nicht erwähnt. Burkhardt hatte anscheinend von Droysens „Histo rischer Gesellschaft“ einen Auftrag für eingehendere Studien zur Geschichte des Markgrafen Albrecht Achill erhalten. Dazu hatte er sich zunächst mit den Beständen des Plassenburger Archivs beschäftigt. Aus den Vorworten späterer Veröffentlichungen geht hervor, dass er auf der Grundlage seines gesammelten Quellenmaterials die Veröffentlichung einer umfassenden Sammlung über Albrecht von Brandenburg plante, jedoch durch den häufigen Wechsel seiner beruflichen Posten nicht zur Bearbeitung kam, vgl. Carl August Hugo Burkhardt, Vorwort, in: Correcturen und Zusätze zu Quellenschriften für Hohenzollrische Geschichte, Bd. 1: Das Kaiserliche Buch des Markgrafen Albrecht Achilles, hg. von Constantin Höfler (Jena 1861), S. Vf. Diese Arbeit entstand zur Korrektur der fehlerhaften Arbeit Minutolis. Ebenso ders., Vorwort, in: Funfft Merckisch Buech, hg. dems., S. I–IV. Kanter, Albrecht Achilles, S. 142, Anm. 2, benutzte zumindest den zweiten Band der Burkhardtschen Sammlung [F 1511]. 329 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 861 (Regestensammlung Burkhardt), Titel: „Regesten zu den Archivalien aus dem Plassenburger und weimarischen Archive sowie aus dem Berliner Haus- und Staatsarchive, dem Dresdner Staatsarchive Bibliotheken etc., Jena am 1.1.1855“; nachträgliche Foliierung. 330 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 862 (Regestensammlung Burkhardt), Titel: „Archivalien aus dem Plassenburger Archiv zu Bamberg, gesammelt vom Verfasser, 13.12.1854“; durchgängige Seitenzählung. 331 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1510 (Regestensammlung Burkhardt), Titel. Vgl. Blaha / Boblenz, Burkhardt, S. 28. Aber auch inhaltliche Spuren seiner Nürnberger Tätigkeit am Germanischen Nationalmuseum, wo er mit der Ordnung des Adelsarchivs der Giech von Thurnau beschäftigt war, sind in der Quellensammlung zu finden; so erscheinen im zweiten Bande auffallend viele Dokumente mit Bezug zu den Giech von Thurnau, vgl. nur HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1511 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 649r; 654r; 655r; 678r.
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A. Forschungsüberblick
umfangreichen bibliografischen Zusammenstellungen und Auswertungen sowie ersten Skizzen zu einem Manuskript zu Albrecht Achill vor 1470, also in „markgräflicher Zeit“, sind dort auch „Regesten zur Geschichte des Markgrafen Albrecht Achill in seiner Zeit“ überliefert332. Diese schätzungsweise 20.000 Regesten und Abschriften von Korrespondenzen, Urkunden und anderen Dokumenten sind in Form von Einzelzetteln überliefert333. Sie umfassen die Jahre 1410 bis 1486, sind also entgegen dem Titel keineswegs auf das Wirken des Markgrafen und Kurfürsten Albrecht beschränkt, sondern decken vielmehr einen Großteil der hohenzollerischen Geschichte im 15. Jahrhundert ab. Es handelt sich wohl zum überwiegenden Teil um bereits an anderer Stelle veröffentlichtes Material, jedoch vereinzelt auch um eigene Archivfunde Bayers, der im Übrigen auch Burkhardts Regesten kannte und verarbeitete334. Damit dringt die mit Albrecht Achill in Verbindung 332 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1474a–t (Regestensammlung Bayer). Die Vorarbeiten Bayers dürften in Zusammenhang stehen mit seiner Veröffentlichung: Die Jugendzeit des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg. 1410–1440, in: FBPrG 11 (1898), S. 3–102. 333 Diese Größenordnung wird bestätigt durch die Schätzung von Eberhard Holtz, Einleitung, in: Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller / Paul-Joachim Heinig, Heft 10: Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken des Landes Thüringen, bearb. von dems. (Wien u. a. 1996), S. 9–22, hier S. 21 f. Die Regestensammlungen sowohl von Bayer als auch von Burkhardt blieben bei der Bearbeitung der Regesten Kaiser Friedrichs III. unberücksichtigt und sollen zu gegebener Zeit mit den an den Originalen gewonnenen Ergebnissen des Regestenprojekts abgeglichen werden. Bei dem Bestand handelt es sich um 20 ungebundene Einzelbündel folgenden Inhalts: a) Übersicht über sein Leben und die Geschichte des Markgrafen und Kurfürsten Albrecht Achilles (1414–1486) [beschränkt sich jedoch auf die „markgräfliche“, d. h. vorkurfürstliche Zeit]; b) Bibliographische Notizen zur Geschichte des Markgrafen und Kurfürsten Albrecht Achill; c) Auszüge und Notizen aus urkundlichen und darstellenden Werken zur Geschichte des Markgrafen und Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg und seiner Zeit, XV saec.[hauptsächlich Exzerpte], d) Regesten zur Geschichte des Markgrafen Albrecht Achill in seiner Zeit 1410–1429; e) 1430–1439; f) 1440–1445; g) 1446–1449; h) 1450– 1452; i) 1453–1455 [enthält auch mindestens ein Schreiben zu 1468 sowie zahlreiche zu 1467]; k) 1456–1459; l) 1460–1461; m) 1461; n) 1464–1474; o) 1470–1471; p) 1472–1473; q) 1474– 1477; r) 1478–1480; s) 1481–1486 (93); t) 1417–1488 [sehr ungeordnet]. Es handelt sich um Abschriften, Regesten von Originalen und Regesten von Regesten. Weder Zählung der Regesten noch Foliierung vorhanden. In der Regel ist die Ordnung innerhalb der Bündel chronologisch, allerdings wird dies nicht konsequent durchgehalten. Trotz dieser teilweise willkürlichen Zählung wird im Folgenden nach Bündeln und Datum zitiert. 334 Burkhardts Arbeiten müssen in seinen Besitz gelangt sein. Wie der Handschriftenvergleich der Randbemerkungen in der vierbändigen Burkhardtschen Quellensammlung (HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1510–1513) mit den Regesten Bayers zeigt, scheint Bayer Burkhardts Arbeiten komplett durchgearbeitet und kommentiert zu haben. Bayer erhielt die vier Bände aber wohl nicht direkt von Burkhardt, sondern kaufte sie im November bzw. Dezember 1874 aus dem Nachlass von Riedel, wie ein Hinweis im ersten Bande nahelegt – bei ihm handelt es sich um Adolph Friedrich Johann Riedel; vgl. zu ihm Wolfgang Neugebauer, Die preußischen Staatshistoriographen des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Das Thema „Preußen“ in Wissenschaft und Wissenschaftspolitik des 19. und 20. Jahrhunderts, hg. von dems. (FBPrG NF. Beiheft 8, Berlin 2006), S. 17–60, hier S. 47 f. Wolfgang Ribbe, Archivare als brandenburgische Landeshistoriker. Drei Lebensbilder aus drei Genera-
V. Quellen
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stehende Überlieferung rein quantitativ in Dimensionen der eines Kaiser Friedrichs III. vor. Bayers Arbeiten wurden außer von ihm selbst im Rahmen eines Beitrags zur „Jugendzeit“335 des Markgrafen von der Forschung seitdem inhaltlich weder herangezogen noch systematisch ausgewertet. Alle diese Sammlungen von Quellen stellen die Forschung zu den Hohenzollern im 15. Jahrhundert auf ein neues Fundament – aber auch vor ungeahnte Heraus forderungen. Insbesondere bereichern sie den Blick auf die Herrschaft des Markgrafen Albrecht von Brandenburg vor 1470, also in vorkurfürstlicher Zeit, und legen damit in einigen Fällen die Vorgeschichte für nach 1470 fortlaufender Vorgänge offen; aber auch im Hinblick auf die Diskussion, ob Albrecht Achill als Markgraf vor 1470 andere, nicht zuletzt aggressivere politische Strategien verfolgte als während seiner Herrschaft als Kurfürst, ist dieser Quellenbestand von großem Wert. Schon jetzt ist absehbar, dass sich mit der Übernahme der brandenburgischen Kurwürde das Kommunikationsverhalten des Fürsten – zumindest quantitativ betrachtet – nicht wesentlich veränderte – dies verdeutlicht allein schon die Masse der Schreiben, die aus der Zeit vor 1470 in diesen Quellensammlungen überliefert ist. Die ungedruckten Sammlungen sind zwar untereinander, aber auch mit gedruckten sowie mit den Regesta Imperii an vielen Stellen redundant, jedoch stellen nicht zuletzt sowohl die Archivfunde Burkhardts für die vorkurfürstliche Zeit als auch ihre Gesamtaufbereitung im Hinblick auf Albrecht Achill durch tionen, in: JBLG 55 (2004), S. 100–121. Friedrich Holtze, Art. „Riedel, Adolf Friedrich Johann“, in: ADB 28 (Leipzig 1889), S. 514–517. Auch in den übrigen drei Bänden ist der Name Bayers erwähnt. Bayer kannte die Sammlung wohl nicht vor 1872, jedenfalls zitiert er sie in seiner Dissertation aus demselben Jahre nicht, vgl. ders., Die Historia Friderici III Imperatoris des Enea Silvio de’ Piccolomini. Eine kritische Studie zur Geschichte Kaiser Friedrichs III. (Prag 1872). Wie Riedel an die Arbeit gekommen war, könnte folgendermaßen erklärt werden: Offensichtlich erkannte Burkhardt früh, dass sein angehäuftes Material nicht schnell zur Veröffentlichung kommen würde; deshalb publizierte er Korrekturen zu bereits ediertem Material sowie kleinere Ausschnitte aus seinen Sammlungen, vgl. bereits aus dem Jahre 1457: Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt; 1861 dann erschien: ders., Correcturen und Zusätze. Die hiermit begründete Reihe „Quellensammlungen zur Geschichte des Hauses Hohenzollern“ hat nie Folgebände erlebt, vgl. Bibliographische Übersicht über die Werke, Abhandlungen, Aufsätze und Ausgaben C. A. H. Burkhardts, zusammengest. von Johannes Trefftz, in: Freundesgaben für Carl August Hugo Burkhardt zum siebenziegsten Geburtstag 6. Juli 1900 (Weimar 1900), S. 195–209. Getreu seinem Vorsatz, seine Ergebnisse anderen Wissenschaftlern zugänglich zu machen, gab er aber wohl seine vier Bände an Riedel weiter, der gerade seinen „Codex diplomaticus Brandenburgensis“ bearbeitete. Eine exemplarische Durchsicht aller in Frage kommender Bände dieses Druckes brachte zwar keine Bezugnahmen, man wird aber davon ausgehen können, dass sich Riedel dankbar der Burkhardtschen Regesten bediente, um die jeweiligen Originale aufzuspüren. Ob Burkhardt seine Bände jemals nach ihrer Überstellung an Riedel wiedersah, ist ungewiss, erscheint aber angesichts der Eintragungen Bayers als eher unwahrscheinlich. Die Preisarbeit und die damit in Verbindung stehenden zwei weiteren Quellenbände scheint Burkhardt hingegen nicht weitergegeben zu haben, sondern überließ sie im Jahre 1883 dem Geheimen Haupt- und Staatsarchiv in Weimar, vgl. HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 860, Titelblatt. 335 Victor Bayer, Die Jugendzeit des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg. 1410– 1440, in: FBPrG NF 11 (1898), S. 3–102.
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A. Forschungsüberblick
Bayer Arbeiten von hohem Wert dar. Die Ergründung ihrer genauen Abhängig keiten, der Abgleich mit der Überlieferung und die Edition dadurch zu erschließender, bisher nicht zugänglicher Dokumente ist somit ein drängendes Desiderat; für diese Arbeit konnten nur Stichproben vorgenommen werden336. Vor dem Hintergrund dieser unveröffentlichten Sammlungen sind auch manche einschlägige gedruckte Editionen des 19. Jahrhunderts, vor allem die von Priebatsch, kritischer zu sehen, als es die Forschung bisher tun konnte. So werden bei ihm bisweilen unter einer Nummer zahlreiche Schreiben in einem Sammelregest verarbeitet, aus dem sich die dahinter verborgenen Quellen quantitativ und qualitativ nicht einschätzen lassen. Außerdem ergibt der Vergleich seiner Regesten mit dem Quellenwortlaut teilweise inhaltliche Fehler337. Auch die „autoritative“ Wirkung des Regestenwerkes darf nicht unterschätzt werden, da in der vom Editor verwendeten Sprache bisweilen weitreichende Deutungs- und Schematisierungsleistungen aufscheinen, die so manche Wertung der Forschung maßgeblich beeinflussten, bei näherem Hinsehen aber nicht immer mit der Quellengrundlage übereinstimmen müssen. Auch folgt Priebatsch bei seiner Auswahl im Hinblick auf die „Politische Correspondenz“ vornehmlich den Vorstellungen von Politik des 19. Jahrhunderts, die heutigen Konzepten des Politischen nicht mehr entsprechen. Anscheinend willkürlich berücksichtigt er aber auch Schreiben „privater“ Natur – die Kriterien seiner Auswahl bleiben dem Benutzer verborgen. Dies gilt auch für die ausgewerteten unveröffentlichten Abschriften- und Regestensammlungen – die inhaltliche Analyse der Sammlung und der Abgleich mit den Biografien der Bearbeiter legen indes nahe, dass an vielen Stellen die Dokumente mehr oder minder willkürlich, je nach eigenem Forschungsinteresse und bereits fertig gestellten Arbeiten, zusammengetragen wurden338. Nur bei Bayer ist der Wille erkennbar, jedes verfügbare Schreiben zu Kurfürst Albrecht von Brandenburg zu edieren. Priebatsch scheint an dem informell geknüpften „Regestierungsnetzwerk“339 des 19. Jahrhunderts zwischen Burkhardt, Riedel und Bayer nicht teilgenommen zu haben, wodurch ihm wohl ein Teil der Überlieferung entging. 336
Bei weiteren Arbeiten sind nicht zuletzt die oben S. 88 ff. gewonnenen Ergebnisse zum Schicksal insbesondere der Burkhardtschen Sammlung zu berücksichtigen. Somit wird es nötig sein, die beiden Quellensammlungen von Burkhardt mit dem Druck von Riedel und der Kartei von Bayer sowie den Regesta Imperii zu vergleichen. Der stichprobenartige Abgleich der im Staatsarchiv Bamberg befindlichen Überlieferung mit den Burkhardtschen Regesten hat Übereinstimmungen ergeben, die nahelegen, dass zumindest ein Gutteil der bei ihm verzeichneten Dokumente mit dem heutigen Bestand des Geheimen Hausarchivs Plassenburg übereinstimmen, vgl. etwa StA Bamberg, GHAP Nr. 4572–4574 sowie Nr. 7161 und HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1510 (Regestensammlung Burkhardt). 337 Sie sind an entsprechender Stelle markiert. 338 Für Burkhardt siehe oben S. 89, Anm. 331. Bei Bayer finden sich auffallend viele Schreiben mit päpstlichem Bezug. Dies wird mit dem Thema seiner bereits 1872 veröffentlichten Dissertation zusammenhängen, vgl. ders., Historia Friderici. 339 Dazu siehe oben S. 90 f., Anm. 334.
V. Quellen
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Im Falle der zusätzlich herangezogenen erzählenden Quellen ist es insbesondere die umfangreiche süddeutsche Städtechronistik, deren Nichtberücksichtigung das Bild allzu sehr verzerrt hätte und auf deren Informationsfülle eine Untersuchung, die sich unter anderem auch mit Städten als politischen Akteuren beschäftigt, nicht verzichten kann340. Sie sind in aller Regel über die Editionsreihe der Chroniken der deutschen Städte341 zugänglich. Ähnlich verhält es sich mit erzählenden Quellen insbesondere niederadliger Provenienz, etwa Ludwigs von Eyb, dessen Schriften in einer modernen Edition von Thumser vorliegen342. Quellenkritische Anmerkungen sind hierbei wegen der Vielfalt der verwendeten Dokumente im jeweiligen Einzelfall zu machen. 2. Ungedruckte Quellen Ein überaus großer Teil der Überlieferung zur Geschichte des Markgrafen und Kurfürsten Albrecht von Brandenburg kann mit den besprochenen Editionen und ungedruckten Sammlungen erschlossen werden. Dieses Material wird hier durch ungedrucktes ergänzt, wobei sein Umfang je nach Beispiel sehr unterschiedlich ist. Ebenso wird dort auf Originale zurückgegriffen, wo Regesten und Editionen mangelhaft oder wo Abschriften fehlerhaft zu sein scheinen, weiterhin dort, wo der Inhalt die Berücksichtigung von Originalen notwendig macht343. Die archivalische Überlieferung zur Geschichte Albrechts von Brandenburg folgt seinen Herrschaftsschwerpunkten, der Mark Brandenburg und Frankens. Gerade aus seiner Herrschaftszeit sind zahlreiche Hinweise auf die systematische Sammlung und Bündelung von Dokumenten überliefert, wobei sich Tangermünde für die Mark, im fränkischen Oberland die Plassenburg sowie im fränkischen Unterland Ansbach als zentrale Überlieferungsorte entwickelten344. Seit ihrer Einrichtung wurden diese Bestände mehrfach verändert und verlagert sowie sowohl 340 Grundlegende Anmerkungen zur Quellengattung bei Peter Johanek, Einleitung, in: Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit, hg. von dems. (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 47, Köln / Weimar / Wien 2000), S. VII–XIX, hier S. IX–XVII. Siehe ferner unten S. 361, Anm. 679, S. 369, Anm. 724. 341 Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, 37 Bde. (Leipzig, Bde. 33–36 Stuttgart / Gotha, Bd. 37 Bremen 1862–1968). 342 Ludwig von Eyb der Ältere (1417–1502). Schriften. Denkwürdigkeiten, Gültbuch, Briefe an Kurfürst Albrecht Achilles 1473/1474, Mein Buch, hg. von Matthias Thumser (Veröffent lichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. I. Reihe: Fränkische Chroniken 6, Neustadt a.d.A. 2002). 343 Zur Bedeutung von Archivmaterial trotz vorliegender Editionen vgl. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 24. Zitate aus ungedrucktem Quellenmaterial folgen den Richtlinien für die Edition landesgeschichtlicher Quellen, hg. von Walter Heinemeyer (Marburg / Hannover ²2000), S. 21–24, 31–39. 344 Otto-Karl Tröger, Die Archive in Brandenburg-Ansbach-Bayreuth. Ihr organisatorischer Aufbau und ihre Einbindung in Verwaltung und Forschung (Diss. phil. Regensburg 1988), S. 25–30.
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A. Forschungsüberblick
jeweils intern umgruppiert als auch durch gegenseitige Abgaben, die zunächst der jeweiligen hohenzollerischen Herrschaftsorganisation, später äußeren politischen Einflüssen geschuldet waren, verändert. Heute ist die hohenzollerische Überlieferung überwiegend in Berlin, Nürnberg und Bamberg konzentriert. Als besonders ergiebig erwiesen sich für diese Untersuchung zunächst die Bestände des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz zu Berlin. Neben auf die Mark Brandenburg bezogener Überlieferung finden sich hier insbesondere klassisch als „Haussachen“ qualifizierte Dokumente345. Die Bestände des „Brandenburg-Preußischen Hausarchivs“ sind durch ihre Gliederung in „Personalreposituren“ einzelner Fürsten besonders gut erschlossen346. Die fränkische Überlieferung befindet sich heute überwiegend in den Staats archiven Bamberg und Nürnberg, wobei seit geraumer Zeit Bestandsbereinigungen und Neuverzeichnungen mit dem Ziel, den Stand von 1791 wiederherzustellen, im Gange sind347. Neben dem heute im Staatsarchiv Bamberg befindlichen „Geheimen Hausarchiv Plassenburg“, das ursprünglich das Hausarchiv der Hohenzollern in Franken war und beiden Markgrafschaften gemeinschaftlich insbesondere als Urkundenarchiv diente, steht der umfangreiche Bestand „Fürstentum Brandenburg-Ansbach“ des Staatsarchivs Nürnberg348. Neben diesen Überlieferungskernen der hohenzollerischen Überlieferung werden bei dieser Arbeit je nach Fallbeispiel weitere Archive berücksichtigt. Für die Beispiele aus dem Norden des Reiches wurden Bestände des Landesarchivs Greifswald, des Landeshauptarchivs Schwerin und des Hauptstaatsarchivs Hanno 345 Vgl. zur Geschichte des markgräflich brandenburgischen Archivs seit dem 15. Jahrhundert Melle Klinkenborg, Geschichte des Geheimen Staatsarchivs vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, bearb. von Jürgen Kloosterhuis (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz. Arbeitsberichte 13, Berlin 2011), hier vor allem S. 1–24. Udo Dräger / Joachim Lehmann, Zur Geschichte und Auflösung des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs, in: Archivmitteilungen 19 (1969), S. 230–237. 346 Übersicht über die Bestände des Brandenburg-Preußischen Hausarchivs zu Berlin-Charlottenburg, bearb. von Ludwig Dehio / Erwin Hölk / Kurt Jagow in: Mitteilungen der Preußischen Archivverwaltung 27 (1936), S. 1–7, 11 f., 30 f. Ferner Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 24. 347 Gerhard Rechter, Getrennte Einheit. Die Archive der zollerischen Fürstentümer in Franken, in: Umbruch und Aufbruch. Das Archivwesen nach 1800 in Süddeutschland und im Rheinland, hg. von Volker Rödel (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg. Serie A, Heft 20, Stuttgart 2005), S. 59–76. 348 Zur jüngeren Bestandsentwicklung im StA Nürnberg Daniel Burger, Neu bearbei tetes Findbuch im Staatsarchiv Nürnberg: Fürstentum Brandenburg-Ansbach – Geheimes Archiv, Herrschaftliche Bücher, in: Nachrichten aus den Staatlichen Archiven Bayerns 57 (2009), S. 31 f. Bamberg: Gerhard Rechter, Zur künftigen Tektonik der brandenburg-bayreuthischen Schriftgutüberlieferung im Staatsarchiv Bamberg, in: Bewahren und Umgestalten. Aus der Arbeit der Staatlichen Archive Bayerns, hg. von Hermann Rumschöttel / Erich Stahleder (Mitteilungen für die Archivpflege in Bayern. Sonderheft 9, München 1992), S. 159– 176. Stefan Nöth, Das Geheime Hausarchiv Plassenburg, in: Die Plassenburg. Zur Geschichte eines Wahrzeichens, hg. von Günter Dippold / Peter Zeitler (CHW-Monographien 8, Lichtenfels 2008), S. 109–116, hier S. 109.
V. Quellen
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ver herangezogen349. Für Franken zeigten sich zum einen der Bestand „Reichsstadt Nürnberg“ im Staatsarchiv Nürnberg, der den überwiegenden Teil der reichsstädtischen Überlieferung enthält, sowie im Staatsarchiv Bamberg der Bestand „Hochstift Bamberg“ als wertvolle Ergänzung350. Als besonders ergiebig erwiesen sich zum anderen ausgewählte Bestände des Stadtarchivs Nürnberg, insbesondere solche zu einzelnen Patrizierfamilien351. Angesichts der Quellenmassen, der geografisch weiten Streuung der Fallbeispiele sowie der Untersuchungsperspektive muss darauf verzichtet werden, weitere städtische oder adlige Archive heranzuziehen. Die Auswertung der gesichteten Bestände sowie ihr Abgleich mit den unveröffentlichten Regestensammlungen und dem gedruckten Material lässt indes diese Auswahl vertretbar erscheinen und bestätigt, dass die wesentlichen, für die Fragestellung relevanten Bestände hier berücksichtigt sind.
349 Vgl. Heiko Wartenberg, Archivführer zur Geschichte Pommerns bis 1945 (Schriften des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 33, München 2008), zum Landesarchiv Greifswald S. 41–96; zum Landeshauptarchiv Schwerin S. 232– 248. 350 Der Bestand „Hochstift Bamberg“ wird derzeit neu verzeichnet mit dem Ziel der Rekonstruktion der historischen Fonds zum Zeitpunkt der Säkularisation. Während der Bestand der Registratur Lehenhof bereits neu aufgestellt worden ist, steht dies beim Bestand „Archiv des Hochstifts Bamberg“ noch aus, in den der überwiegende Teil der Überlieferung von Lehnssachen vor 1580 einzuordnen ist. Deshalb ist in dieser Arbeit sowohl auf den neu verzeichneten Bestand „Lehenhof“ als auch auf den Altbestand „Bamberger Lehenhof“ zurückzugreifen. Für wichtige Hinweise habe ich in diesem Zusammenhang Herrn Oberarchivrat Dr. Klaus Rupprecht, Staatsarchiv Bamberg, zu danken. 351 Vgl. zur reichsstädtischen Überlieferung im Zusammenhang mit den kommunalen Institutionen: Ernst Pitz, Schrift- und Aktenwesen der städtischen Verwaltung im Spätmittelalter. Köln – Nürnberg – Lübeck. Beitrag zur vergleichenden Städteforschung und zur spät mittelalterlichen Aktenkunde (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln 45, Köln 1959), S. 147–283. Carla Meyer, Die Stadt als Thema. Nürnbergs Entdeckung in Texten um 1500 (Mittelalter-Forschungen 26, Ostfildern 2007), S. 58–88.
B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene: Albrecht von Brandenburg, der Kaiser und die Kurfürsten I. Die Kurfürsten im spätmittelalterlichen Reich Der Kreis der sieben Kurfürsten, dessen Herausbildung in ihrem Ablauf bis heute umstritten ist1, bestimmte als „oligarchisches“2 Element, als Zusammenfassung von Fürsten, die, abgeleitet aus dem Königswahlrecht, Mitverantwortung für das Reich besaßen und in ihrem Einfluss auf das politische System alle anderen Reichsmitglieder weit überragten, die Reichspolitik des Spätmittelalters wesentlich mit3. Nicht nur durch die Vorrechte, die ihnen die Goldene Bulle von 1 Vgl. aus der überreichen Literatur zum Problem Thomas Ertl, Alte Thesen und neue Theorien zur Entstehung des Kurfürstenkollegiums, in: ZHF 30 (2003), S. 619–642; FranzReiner Erkens, Kurfürsten und Königswahl. Zu neuen Theorien über die Entstehung des Kurfürstenkollegiums (MGH Studien und Texte 30, Hannover 2002); ders., Vom historischen Deuten und Verstehen. Noch einmal zu einer neueren Theorie über die Entstehung des Kurfürstenkollegiums, in: ZRG GA 122 (2005), S. 327–351; Ernst Schubert, Königsabsetzung im deutschen Mittelalter. Eine Studie zum Werden der Reichsverfassung (AAG. Phil.-Hist. Kl. 3. Folge 267, Göttingen 2005), S. 229–253; nun auch Alexander Begert, Die Entstehung und Entwicklung des Kurkollegs. Von den Anfängen bis zum frühen 15. Jahrhundert (Schriften zur Verfassungsgeschichte 81, Berlin 2010), zum Forschungsstand S. 13–21. Jüngst hierauf kritisch Franz-Reiner Erkens, Anmerkungen zu einer neuen Theorie über die Entstehung des Kurfürstenkollegs, in: MIÖG 119 (2011), S. 376–381. 2 Dieter Karasek, Konrad von Weinsberg. Studien zur Reichspolitik im Zeitalter Sigismunds (Nürnberg 1967), S. 124. 3 Vgl. Axel Gotthard, Cardo imperii – Das Kurfürstenkollegium im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Reichsverband, in: Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356–1806. Aufsätze, hg. von Evelyn Brockhoff / Michael Matthäus (Frankfurt a. M. 2006), S. 130–138, hier S. 130. Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 17 und öfter; Ziehen bezeichnet das Spätmittelalter gar als „Kurfürstenzeit“. Der einzige, wenn auch in manchen Aspekten sehr straffe Überblick über die Kurfürsten und ihre Bedeutung als Gremium in der Politik des Spätmittelalters insgesamt von Ernst Schubert, Die Stellung der Kurfürsten in der spätmittelalterlichen Reichsverfassung, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 1 (1975), S. 97–128, zu Grundfragen insbesondere S. 97–110 bzw. für den hier relevanten Zeitrahmen S. 119–128. Angermeier, Die Reichsreform, S. 17. Unberücksichtigt bleiben muss die Rolle der Kurfürsten bei der Reichsreform in dieser Zeit, vgl. hierzu ebd., S. 131–144. Zu früheren Zeiten auch: Christiane Mathies, Kurfürstenbund und Königtum in der Zeit der Hussitenkriege. Die kurfürstliche Reichspolitik gegen Sigmund im Kraftzentrum Mittelrhein (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 32, Mainz 1978). Ferner Sebastian Knake, „Mietekiese“ der Kurfürsten. Korruption bei römischdeutschen Königswahlen 1346–1486, in: Korruption. Historische Annäherungen an eine historische Grundfigur politischer Kommunikation, hg. von Niels Grüne / Simona Slanička (Göttingen 2010), S. 387–407. Barbara Stollberg-Rilinger, Die zwei Schwerter des Kurfürsten, in:
I. Die Kurfürsten im spätmittelalterlichen Reich
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1356 bestätigt hatte, also im Wesentlichen das Recht der Königswahl, das den König beziehungsweise Kaiser in Abhängigkeit von den Kurfürsten brachte, wollte er seinen Sohn vivente imperatore zu seinem Nachfolger machen, sondern auch durch die gewohnheitsrechtliche Teilhabe an reichspolitischen Angelegenheiten im Wege der Zustimmung durch Willebriefe hätten die Kurfürsten die Handlungsfähigkeit des Königs eingeschränkt und gleichzeitig ihre eigene Stellung gestärkt4; sie hätten – so die Forschung – in der „chronischen Krise der spätmittelalterlichen Zentralgewalt“5 auch das reichspolitische Machtvakuum ausgefüllt6. Einerseits werden sie als „Systemführer“7, als „Hauptträger des Metasystems der Systemführer“8 bezeichnet und als aktiv reichspolitisch Gestaltende den als „Mitläufern“9 beschriebenen Fürsten gegenübergestellt, die das Reich zusammengehalten hätten; andererseits interessieren besonders die handlungsleitenden Motive der Kurfürsten, dass nämlich ihr Orientierungshorizont lange auf ihr kleinräumig-regionales Umfeld beschränkt und überregional höchstens von dynastischen Beziehungen, nicht aber von kontinuierlichen Reichsinteressen geprägt gewesen sei10. Schwäche und Abwesenheit des Kaisers vom Kernreich, die mit der langen Abwesenheitsphase Friedrichs III. ihren Höhepunkt fand, habe die Herausbildung stabilerer Formen der Konfliktbewältigung, namentlich des Reichstags und seiner Vorläufer, begünstigt11. Gleichwohl habe mit der Rückkehr des Habsburgers in die Reichspolitik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Kurfürstenherrlichkeit in ihrer dominierenden Rolle einen ersten Höhepunkt überschritten. Als Indizien hierfür wurden die Fürstenkonkordate von 1447 ebenso ins Feld geführt wie der ausbleibende Widerstand gegen die 1474 gegen Friedrich den Siegreichen verhängte Reichsacht12. Aber nicht alle Kurfürsten – so die Forschung – hätten gleichberechtigt und mit gleicher Intensität an der Reichspolitik teilgenommen. Vielmehr habe es sich um eine Vierergruppe, bestehend aus den rheinischen Kurfürsten, den Erzbischöfen von Köln, Mainz und Trier sowie dem Pfalzgrafen bei Rhein, gehandelt, die aktive
Symbolik in Zeiten von Krise und gesellschaftlichem Umbruch. Darstellung und Wahrnehmung vormoderner Ordnung im Wandel, hg. von Elisabeth Harding / Natalie Krentz (Symbolische Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme 33, Münster 2011), S. 179–241. 4 Moraw, Versuch, S. 231–233. 5 Eher aus frühneuzeitlicher Perspektive Axel Gotthard, Säulen des Reiches. Die Kurfürsten im frühneuzeitlichen Reichsverband, Teilbd. 2: Wahlen. Der Kampf um die kurfürstliche „Präeminenz“ (Historische Studien 457, Husum 1999), S. 655 f. 6 Vgl. Moraw, Versuch, S. 217, 225. 7 Gotthard, Säulen des Reiches, S. 655. 8 Moraw, Versuch, S. 232. 9 Ebd., S. 232. 10 Gotthard, Säulen des Reiches, S. 655. 11 Vgl. Moraw, Versuch, S. 226 f. Ders., Organisation und Funktion von Verwaltung, S. 54–57. 12 Vgl. Gotthard, Säulen des Reiches, S. 656.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
Politik betrieben habe13. Im zweiten Teil der folgenden Ausführungen soll diese Binnendifferenzierung des Kurfürstenkollegiums an der kurfürstlich-kaiserlichen Interaktion zwischen 1470 und 1474 überprüft werden. Zuvor soll es vor allem um die Herrschafts- und Kurübertragung 1470 in Brandenburg im Lichte der Goldenen Bulle sowie der kurfürstlichen Einungsdokumente gehen. Dabei ist auch der Ansatz zu überprüfen, der allen älteren Bewertungen zugrunde liegt, dass nämlich das Kollegium der Kurfürsten der Zentralgewalt König oder Kaiser gegenüberzustellen sei. Dazu bedarf es einer Analyse des Netzwerkes der Kurfürsten unter Einbeziehung des Kaisers, der zu diesem Zeitpunkt in die aktive Politik des Reiches zurückkehrte.
II. Die Goldene Bulle, die Kurfürsten und der Kaiser: Albrecht wird Kurfürst 1. Herrschaftsübertragung, Anerkennung und Belehnung Im Jahre 1470 wurde der damalige Markgraf von Ansbach und Kulmbach sowie Burggraf von Nürnberg mit der Markgrafschaft Brandenburg belehnt und rückte somit für seinen älteren Bruder Friedrich in den Kreis der Kurfürsten auf. Die Hohenzollern waren erst seit 1411 zunächst erbliche Verwalter, seit 1415 dann vollgültige Landesherren und Kurfürsten in der Mark gewesen14. Überprüft man die verfassungsgeschichtliche Entwicklung der Hohenzollern als Kurfürsten an der Goldenen Bulle, dem „Hauptdokument“15 des Kurfürsten 13 Axel Gotthard, „Als Furnembsten Gliedern des Heiligen Reichs“. Überlegungen zur Rolle der rheinischen Kurfürstengruppe in der Reichspolitik des 16. Jahrhunderts, in: RhVjbll 59 (1995), S. 31–78. Gotthard bezieht auch die Rolle der Kurfürsten im Spätmittelalter ein, er stützt sich allerdings auf die ältere, oben genannte Literatur zum Thema. Zu den Problemen bei der Behandlung des mittelalterlichen Kurkollegs aus frühneuzeitlicher Perspektive vgl. auch die Ausführungen zu den jüngeren Theorien zur Königswahl bei Erkens, Anmerkungen, S. 377. Mathies, Kurfürstenbund, S. 1, leitet die herausgehobene Stellung der rheinischen Kurfürsten aus ihrer Bedeutung bei der Königswahl nach den Regeln der Goldenen Bulle ab. Vgl. außerdem die Ausführungen von Peter Moraw, Die kurfürstliche Politik der Pfalzgrafschaft im Spätmittelalter, vornehmlich im späten 14. und im frühen 15. Jahrhundert, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 9 (1983), S. 75–97, hier vor allem S. 75–77. An Gotthard orientiert sich Julia Dücker, Reichsversammlungen im Spätmittelalter. Politische Willensbildung in Polen, Ungarn und Deutschland (Mittelalter-Forschungen 37, Ostfildern 2011), S. 163, insbesondere Anm. 21. 14 Vgl. Heidelore Böcker, Die Festigung der Landesherrschaft durch die hohenzollernschen Kurfürsten und der Ausbau der Mark zum fürstlichen Territorialstaat während des 15. Jahrhunderts, in: Brandenburgische Geschichte, hg. von Ingo Materna / Wolfgang Ribbe (Berlin 1995), S. 169–230, hier S. 169–171. 15 Vgl. Moraw, Versuch, S. 232. Zur Goldenen Bulle in jüngerer Zeit insbesondere Bernd Schneidmüller, Die Aufführung des Reichs. Zeremoniell, Ritual und Performanz in der Goldenen Bulle von 1356, in: Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356–1806. Aufsätze, hg. von Evelyn Brockhoff / Michael Matthäus (Frankfurt a. M. 2006),
II. Albrecht wird Kurfürst
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amtes, so sind Abweichungen von und Widersprüche zu ihren Regelungen zu erkennen. Der Vater Friedrichs II. von Brandenburg, Kurfürst Friedrich I., hatte diesem durch die Disposition vom 7. Juni 1437 die Markgrafschaft Brandenburg sowie die damit verbundene Kurwürde übergeben und so Friedrichs II. älteren Bruder Johann übergangen; dieser wurde in das fränkische Territorium verwiesen16. Hierbei handelte es sich offensichtlich um einen Verstoß gegen die Kapitel 7 und 25 der Goldenen Bulle, die eine Übertragung von Kur und Herrschaft auf den ältesten Sohn vorsahen17; trotzdem wurde diese Übertragung am 19. Juni 1442 von S. 76–93. Ders., Inszenierungen und Rituale des spätmittelalterlichen Reichs, in: Die Goldene Bulle. Politik – Wahrnehmung – Rezeption, Bd. 1, hg. von Ulrike Hohensee u. a. (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Berichte und Abhandlungen. Sonder bd. 12, Berlin 2009), S. 261–297. Ders., Monarchische Ordnungen – Die Goldene Bulle von 1356 und die französischen Ordonnanzen von 1374, in: Die Welt des Mittelalters. Erinnerungsorte eines Jahrtausends, hg. von Johannes Fried / Olaf B. Rader (München 2011), S. 324–335. Aus rechtsgeschichtlicher Perspektive: Winfried Dotzauer, Überlegungen zur Goldenen Bulle Kaiser Karls IV. unter besonderer Berücksichtigung des rechtlichen Hintergrundes, in: Landesgeschichte und Reichsgeschichte. FS Alois Gerlich, hg. von dems. u. a. (Geschichtliche Landeskunde 42, Stuttgart 1995), S. 165–193. Mit vornehmlichem Blick auf die Frühe Neuzeit: Maximilian Lanzinner, Die Goldene Bulle im Verfassungsleben des Alten Reiches, in: Verfassungsänderungen, hg. von Helmut Neuhaus (Der Staat. Beiheft 20, Berlin 2012), S. 45–87. Grundlegend zum Entstehungsprozess: Bernd-Ulrich Hergemöller, Fürsten, Herren und Städte zu Nürnberg 1355/56. Die Entstehung der „Goldenen Bulle“ Karls IV. (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen A 13, Köln / Wien 1983). Übergreifend einordnend auch Peter Moraw, Gesammelte Leges fundamentales und der Weg des deutschen Verfassungsbewußtseins (14. bis 16. Jahrhundert), in: Literarische Formen des Mittelalters. Florilegien, Kompilationen, Kollektionen, hg. von Kaspar Elm (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 15, Wiesbaden 2000), S. 1–18. 16 Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hg. von Adolph Friedrich Riedel, Teil 3: Sammlung für allgemeine Landes- und kurfürstliche Hausangelegenheiten, Bd. 1 (Berlin 1859), Nr. 141, S. 223–232; ferner auch Johannes Schultze, Die Mark Brandenburg, Bd. 3: Die Mark unter Herrschaft der Hohenzollern (1415–1535) (Berlin 1963), S. 44 f. 17 Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. vom Jahre 1356. Text, bearb. von Wolfgang D. Fritz (MGH Font. iur. Germ. 11, Weimar 1972), Cap. VII, S. 61, Z. 17–21: […] ut, postquam iidem principes electores seculares et eorum quilibet esse desierit, ius, vox et potestas electionis huiusmodi ad filium suum primogenitum legitimum laicum, illo vero non extante, ad eiusdem primogeniti primogenitum similiter laicum, libere et sine contradictione cuiuspiam devolvatur. Cap. XXV, S. 82 f., Z. 28–4: […] sed, ut pocius in sua perfecta integritate perpetua permaneant, primogenitus filius succedat in eis, sibique soli ius et dominium competat, nisi forsitan mente captus, fatuus seu alterius famosi et notabilis defectus existeret, propter quem non deberet seu posset hominibus principari. Übersetzung in: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. von 1356. Auf Grund der Textausgabe von Karl Zeumer eingel. und hg. von Adalbert Erler (Studientexte der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz 2, Mainz 1948), Cap. VII, S. 42, Cap. XXV, S. 84. Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250–1500), ausgew. und übers. von Lorenz Weinrich (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittelalters 33, Darmstadt 1983), S. 344–349. Zum siebten Kapitel: Karl Zeumer, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1. Teil: Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 2, Weimar 1908), S. 42–51.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
Kaiser Friedrich III. durch die Belehnung Friedrichs II. von Brandenburg kommentarlos gebilligt18. Nun, im Jahre 1470, als Friedrich II. aus gesundheitlichen Gründen, nicht zuletzt aber wohl auch aus einer Stimmung allgemeiner Resignation und Amtsmüdigkeit heraus, zurücktrat19, waren Johann von Brandenburg und die beiden Söhne des Kurfürsten Friedrich bereits verstorben, sodass als einziger Nachfolger innerhalb des brandenburgischen Hauses nur noch sein jüngerer Bruder Albrecht übrig blieb20. Die Übertragung einer weltlichen Kur zu Lebzeiten des Inhabers kannte die Goldene Bulle aber ebenso wenig wie das Verfahren, mit dem die Markgrafen von Brandenburg die Übergabe durchführten. Friedrich von Brandenburg wies nämlich am 1. Oktober 1470 seine Räte an, dem Kaiser die Mark als Reichslehen samt Kur und Erzkämmereramt aufzulassen21. Mit mehreren Urkunden hatte Friedrich jedoch bereits im April die Markgrafschaft und die damit verbundenen Vorrechte im Reich an Albrecht übergeben22; die Belehnung durch den Kaiser fand dann
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Eberhard Holtz, Die Goldene Bulle Karls IV. im Politikverständnis von Kaiser und Kur fürsten während der Regierungszeit Friedrichs III. (1440–1493), in: Die Goldene Bulle. Politik – Wahrnehmung – Rezeption, Bd. 2, hg. von Ulrike Hohensee u. a. (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Berichte und Abhandlungen. Sonderbd. 12, Berlin 2009), S. 1043–1070, hier S. 1059 f. Er deutet auch die Übergabe von 1470 als Rechtsbruch der Goldenen Bulle, analysiert sie aber nicht im Einzelnen. Andere Nichtbeachtungen der Goldenen Bulle, mit Schwerpunkt auf der Frühen Neuzeit, bei Lanzinner, Goldene Bulle, S. 65. 19 Vgl. Adolph Friedrich Riedel, Über den Krankheitszustand des Kurfürsten Friedrich II. und seine Niederlegung der kurfürstlichen Würde, in: Märkische Forschungen 6 (1858), S. 194–235. Schultze, Mark Brandenburg, S. 92–98. Zu den Gründen des Markgrafen insbesondere S. 95 f. Über die Frage der möglichen geistigen Verwirrung des Kurfürsten ebd., S. 92–94. Offensichtlich waren schon zuvor die Wirksamkeit und der Einfluss des Kurfürsten Friedrich stark geschwunden; so konnte er wohl schon im Jahre 1467 am kaiserlichen Hofe praktisch nichts mehr durchsetzen, vgl. die Bitten an seinen Bruder Albrecht von Brandenburg, für ihn beim Kaiser in Sachen Stettiner Erbfolgestreit tätig zu werden, StA Bamberg, GHAP Nr. 3494. 20 Die Goldene Bulle sah die Nachfolge des ältesten Sohnes vor. Kurfürst Friedrichs II. ältester Sohn Johann war 1454 im Alter von nur zwei Jahren verstorben. Somit griff auch die Regelung der Goldenen Bulle, dass, wenn der Sohn ausfällt, der Sohn des Sohnes rechtmäßiger Nachfolger ist, nicht. Aber auch der jüngere Bruder des verstorbenen Erben, Erasmus, war bereits 1465 kinderlos gestorben; nach der Goldenen Bulle wäre er nun rechtmäßiger Nachfolger gewesen. So lag ein Fall vor, der in der Goldenen Bulle nicht vorgesehen war. Damit wird wohl auch die drohende Rechtsunsicherheit nach dem Tode Markgraf Friedrichs II. von Brandenburg die brandenburgischen Markgrafen zur vorzeitigen Kurübertragung an den Bruder Albrecht Achilles zu Lebzeiten Kurfürst Friedrichs II. unter Anwendung erbrechtlicher Gewohnheiten bewogen haben. 21 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/1, Nr. 384, S. 537 f. (Bevollmächtigung von Räten Kurfürst Friedrichs von Brandenburg, dem Kaiser die Mark Brandenburg aufzulassen und die Belehnung Albrechts von Brandenburg zu empfehlen, 1470 Oktober 1). 22 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/1, Nr. 369, S. 517–521 (Erklärung des Markgrafen Albrecht über die Ausstattung seines Bruders und dessen Angehöriger, 1470 April 2); Nr. 371, S. 523–525 (Erklärung des Kurfürsten, dass er die Regierung in der Mark Brandenburg seinem Bruder abtrete, 1470 April 2).
II. Albrecht wird Kurfürst
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ohne Widerspruch am 12. Dezember desselben Jahres statt23. Anscheinend waren die Vorverhandlungen bereits seit Mitte Juni 1470 gelaufen24. Bereits vor der eigentlichen Übertragung der Mark Brandenburg auf Albrecht durch den Kaiser seien die Räte Albrechts auf dem Reichstag in Nürnberg behandelt worden nach dem standt, der ewern gnaden gepüret nach ordenunge als einem kurfursten25. Gleichzeitig plante Albrecht schon mit seinen Räten intern, nach dem Reichstag stellvertretend und im Namen der Kurfürsten beim Kaiser in Fragen von gemeinsamem Interesse politisch aktiv zu werden26. Albrecht schrieb in Instruktionen an seine Räte am kaiserlichen Hofe, sie mögen den Kaiser vom handel zwischen den Brüdern unterrichten27. Außerdem habe Friedrich von Brandenburg bereits die übrigen vier kurfursten am Reyn schriftlich vom Herrschaftsübergang benachrichtigt28 und die Herzöge von Sachsen seien bei der Übertragung anwesend gewesen29. Albrecht wies zudem seine Räte an, seine Beziehung zum Kaiser bei diesem als willig undertenig dienste herauszustellen sowie darauf zu verweisen, dass wir uns bißher in allen seinen gescheften unverspart leibs und guts bei und neben seinen k. gnaden als ein gehorsamer furste erzaigt und 23 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/1, Nr. 385, S. 538–540. Regest: RI Friedrich III., 10, Nr. 310, S. 199; ebd., Heft 20: Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken der Bundesländer Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie des Archiwum Państwowe w Szczecinie / Staatsarchivs Stettin für die historische Provinz Pommern, bearb. von Elfie-Marita Eibl (Wien u. a. 2004), Nr. 169, S. 135. 24 Vgl. die Instruktion Albrechts von Brandenburg an seine Gesandten Martin Hayden und Stephan Scheuch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 54, S. 132–136 (1470 Juni 10). Lehnseid: StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 132, Geheimes Archiv, Herrschaftliche Bücher, Nr. 44, fol. 133r. Ende Juli 1470 schreiben Ludwig von Eyb und Georg von Absberg an Albrecht von Brandenburg aus der Mark Brandenburg mit einer Schilderung über die Verhältnisse in der Mark Brandenburg, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 75, S. 157–161. 25 Es handelt sich um die Sitzordnung der Gesandten während der Messe in St. Sebald zu Nürnberg, vgl. Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 104, S. 125–129, hier S. 125. Auch zu den darauf folgenden Verhandlungen heißt es: Item nach der messe sein wir nach unser ordenung mit den keyserischen auf das [rat]hawß gangen und aber durch hern Heinrich, marschalck, in der ordenung, als ewern gnaden gepüret, als curfursten zu sitzen gefordert worden. Zur Bedeutung von Rang- und Sitzstreitigkeiten im Kontext der Kurfürsten vgl. Gabriele Annas, Kaiser, Kurfürsten und Auswärtige Mächte. Zur Bedeutung der Goldenen Bulle im Rahmen von Rangstreitigkeiten auf Reichsversammlungen und Konzilien des 15. Jahrhunderts, in: Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356–1806. Aufsätze, hg. von Evelyn Brockhoff / Michael Matthäus (Frankfurt a. M. 2006), S. 106–129. StollbergRilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 40–46. 26 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 97,4, S. 180. 27 Schreiben vom 10. Juni 1470 bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 54, S. 132. 28 Schreiben vom 26. Mai 1470 in: ebd., Nr. 46, S. 126. 29 Es handelt sich wohl um das Treffen von Friedrich von Brandenburg, Albrecht von Brandenburg, Kurfürst Ernst von Sachsen sowie der Herzöge Albrecht und Wilhelm von Sachsen in Gera (geplant für Schleiz) um den 6. Mai, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 32, 33, S. 116. Das Schreiben seines Bruders Friedrich an seine Mitkurfürsten zur Anzeige der Herrschaftsübertragung bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 35, S. 118.
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bewisen haben, das wollen wir nu hinfur biß in unsern tod als ein gehorsamer kurfurste auch thon […]30 . Albrecht leitet seine Eignung für die Übernahme Brandenburgs und die Ausübung der Kurwürde somit vornehmlich aus seiner Kaisertreue ab. In einem Schreiben an die vier rheinischen Kurfürsten vom 26. Mai 1470 verkündete Albrecht die Übernahme des Kurfürstentums und die Übergabe der Einungsurkunde, mit der er um Aufnahme in die Kurfürsteneinung bat31. Die Legitimation, um Aufnahme in die Einung zu bitten, leitete er aus der Würde seines Bruders und des bei der Übertragung anwesenden Kurfürsten von Sachsen ab, die im Sinne von Fürsprechern fungierten, nicht aber aus seiner eigenen verfassungsrechtlichen Stellung als Kurfürst auf der Grundlage einer förmlichen Belehnung durch den Kaiser gemäß der Goldenen Bulle; daher wird der Kaiser in diesem Schreiben auch nicht erwähnt. Die Kurfürsten, darunter auch Friedrich der Siegreiche, erklärten sich in Antwortschreiben ohne Widerspruch zur Aufnahme Albrechts in die Kurfürsteneinung bereit32. Interessant erscheint, dass Albrecht auch den zwar von den anderen Kurfürsten, nicht aber vom Kaiser und ihm selbst bis dahin als Kurfürsten anerkannten Pfalzgrafen Friedrich den Siegreichen angeschrieben hatte, der ihm wohlwollend antwortete33. Aus einem Schreiben Albrechts von Brandenburg an seinen älteren Bruder Friedrich vom Juli 1470 geht hervor, wie er nun sein Verhältnis zu den übrigen Kurfürsten ansah: so schreiben uns alle kurfursten unsern titel und erbieten sich grosser freuntschaft gein uns, und der pfalzgraf sovil als der andern dolig einer 34. Die Rolle der Herzöge von Sachsen bei der Herrschaftsübertragung beschränkte sich allerdings bei genauerer Betrachtung der Ereignisse der ersten Jahreshälfte 1470 nicht auf ihre persönliche Anwesenheit bei der eigentlichen Übertragungshandlung35. Denn das gemeinsame Vorgehen war anscheinend im Vorfeld zwischen der brandenburgischen und der sächsischen Seite besprochen und abgestimmt worden, wie eine Niederschrift aus der Kanzlei Herzog Wilhelms von Sachsen nahelegt36. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass seit der Altenburger Teilung von 1445 die sächsische Herrschaft geteilt war. Während in den thüringischen und fränkischen Teilen Herzog Wilhelm regierte, herrschten in den öst 30
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 54, S. 132. Ebd., Nr. 46, S. 126. 32 Die Antwortschreiben der Kurfürsten, ebd., Nr. 47, S. 127; Nr. 49, S. 128; Nr. 53, S. 131 f. 33 Ebd., Nr. 47, S. 127. Zur Frage der Anerkennung Friedrichs des Siegreichen durch die Kurfürsten, den Kaiser und den Brandenburger vgl. Bernhard Rolf, Kurpfalz, Südwestdeutschland und das Reich 1449–1476. Die Politik des Pfalzgrafen und Kurfürsten Friedrich des Siegreichen (Diss. phil. Heidelberg 1978), S. 42. Ferner Henry Cohn, The Government of the Rhine Palatinate in the Fifteenth Century (Oxford 1965), S. 27–42. Außerdem Schubert, Stellung der Kurfürsten, S. 122 f. 34 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 70, S. 152. 35 Die Beziehungen zwischen Albrecht von Brandenburg und den Wettinern harren einer Untersuchung unter modernen Fragestellungen, siehe näher unten S. 118, Anm. 125. 36 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 29, S. 114. 31
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lichen Herrschaftsteilen Ernst und Albrecht gemeinsam. Ernst hatte aber den Regeln der Goldenen Bulle entsprechend als der Ältere die Kurwürde allein inne37. In reichspolitischen Angelegenheiten traten alle drei Herzöge von Sachsen vielfach geschlossen auf38. Herzog Wilhelm scheint in der Frage der Kurübertragung eine bisweilen koordinierende Funktion übernommen zu haben, wie seine Korrespondenz mit Markgraf Albrecht im Jahre 1470 nahelegt39. Schon seit Januar 1470 war ein Treffen der Brandenburger und der Sachsen in Lichtenfels geplant worden, das dort ab dem 26. März stattgefunden haben könnte40. Im Rahmen dieses Treffens wurden wahrscheinlich auch die Details zur Herrschaftsübertragung in der Mark Brandenburg besprochen und für den eigentlichen Vorgang ein weiteres Treffen in Aussicht genommen. Dieses wurde dann auf Ende April nach Zeitz angesetzt, später auf den 6. Mai nach Schleiz verlegt41. In der Korrespondenz zwischen Herzog Wilhelm von Sachsen und Albrecht von Brandenburg scheint die Frage der Kurübertragung schon spätestens Mitte Februar 1470 aufgetreten zu sein, wobei Albrecht von Brandenburg aus der anstehenden Übertragung offensichtlich kein Geheimnis machte, schließlich beauftragte er den sächsischen Rat Asmus von Eberstein, seinem in Erfurt weilenden Herrn mitzuteilen, er wolle bei seiner Zusammenkunft ihn auch zur Kurübertragung um Rat fragen42. Tatsächlich scheint die Herrschaftsübertragung allerdings dann am 6. Mai in Gera und nicht in Schleiz stattgefunden zu haben43. Diese Verschiebungen ergaben sich aus davon unabhängigen Zwängen sowohl auf brandenburgischer als auch auf sächsischer Seite. Dabei handelte es sich insbesondere um solche politische Themen, die wichtiger und drängender schienen; insbesondere Albrechts
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Rogge, Herrschaftsweitergabe, S. 213. Eberhard Holtz, Art. „Wilhelm III. (der Tapfere)“, in: Sächsische Biografie, online in: http:// saebi.isgv.de/biografie / Wilhelm_III._%28der_Tapfere%29,_Herzog_von_Sachsen_%2814251482 %29 [Stand: 7. Februar 2013]. Zu Herzog Wilhelm dem Tapferen außerdem Gerhard Lingelbach, Herzog Wilhelm III. von Sachsen – der Tapfere – und der Landtag zu Weißensee im Jahr 1446, in: Recht – Kultur – Finanzen. FS Reinhard Mußgnug, hg. von Klaus Grupp / Ulrich Hufeld (Heidelberg 2005), S. 531–542. 39 So werden im Folgenden bei der Betrachtung der Rolle Sachsens als Kurfürstentum innerhalb der Reichspolitik immer alle drei Herzöge berücksichtigt. Zur Bedeutung Herzog Wilhelms von Sachsen für die Regierung Albrechts von Brandenburg auch in anderen Zu sammenhängen siehe auch näher unten S. 140 f., 315 ff., 322 f., 324, 327, 336 ff., 440 ff., 509 f. 40 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 4, S. 100; Nr. 8, S. 103. Dass es ein Treffen vor dem 12. April in Lichtenfels gegeben haben muss, legt folgendes Schreiben nahe, ebd., Nr. 30, S. 115. Das Treffen scheint vom 25. auf den 26. März verlegt worden zu sein, vgl. ebd., Nr. 24, S. 112. Herzog Wilhelm von Sachsen war in jenen Tagen in Erfurt, konnte Lichtenfels also unproblematisch erreichen; ebenso der Kurfürst, der vom 25. bis zum 29. März in Bamberg nachgewiesen werden kann, vgl. ebd., Nr. 26, S. 113. 41 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 4, S. 100; Nr. 8, S. 103; Nr. 13, S. 106; Nr. 16, S. 107 f.; Nr. 18, S. 108; Nr. 20, S. 110; Nr. 22, S. 110 f.; Nr. 23, S. 111 f.; Nr. 24, S. 112. 42 Ebd., Nr. 16, S. 107 f. 43 Ebd., Nr. 35, S. 118. 38
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von Brandenburg Konflikte in Franken44 bestimmten hier den politischen Kalender maßgeblich – ebenso die folgenden innerbrandenburgischen beziehungsweise die brandenburgisch-pommerschen Konflikte45. Die Übertragungsurkunde sowie eine Erklärung über die Ausstattung des Kurfürsten Friedrich durch seinen Bruder waren ebenso bereits am 2. April 1470 ausgestellt worden wie eine Urkunde, mit der fränkische Amtsträger, also Hauptleute und Amtmänner, Kastner, Bürgermeister und Einwohner von Plassenburg, Kulmbach, Hof, Bayreuth und Wunsiedel – d. h. allesamt aus dem Oberland stammend – für den Vertrag zwischen den Brüdern bürgten46. Auf die Plassenburg zog sich der zurückgetretene Kurfürst dann auch später zurück. Wie der Vergleich der Zeugenlisten nahelegt, entstanden die Dokumente zu verschiedenen Zeitpunkten, sodass von mehrtägigen Verhandlungen vor dem 2. April ausgegangen werden kann47. Diese Verhandlungen fanden wahrscheinlich in Abwesenheit der beiden Brüder statt; dass sie in Franken stattfanden, wie Riedel meint, geht aus den Quellen nicht zwingend hervor48. Allerdings beschwerte sich schon am 3. April Kurfürst Friedrich förmlich über die magere Ausstattung, die ihm sein Bruder fortan zu gewähren gedachte, und die in einem der Dokumente, das auf den Vortag datiert ist, festgeschrieben worden war49. Anscheinend hatten sich seine Gesandten bei den Verhandlungen mit 44
Siehe hierzu weiter unten S. 401 f. Zu den Konflikten der Markgrafen von Brandenburg mit den Herzögen von Pommern siehe unten D. I. 46 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/1, Nr. 370, S. 521–523. Vgl. Poli tische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 36, S. 118. 47 Die Zeugen- bzw. Stellvertreterlisten der auf denselben Tag ausgestellten Urkunden sind verschieden. Während die Bürgschaft ohne Zeugen auskommt, ist vor allem der Vergleich der Übertragungsurkunde mit der Urkunde zur Ausstattung aufschlussreich. Auf Seiten Albrechts von Brandenburg erscheinen von neun beziehungsweise zehn genannten Personen nur Johann Volker, Sekretär Albrechts von Brandenburg, sein Rat Peter Knorr und sein Kanzler Georg von Absberg unter den Zeugen in beiden Dokumenten; die übrigen sechs beziehungsweise sieben Vertreter entstammen zumeist dem fränkischen Regionaladel. Auch für Kurfürst Friedrich erscheinen gleichbleibend drei Vertreter, Graf Gottfried von Hohenlohe, Friedrichs Kammermeister Georg von Waldenfels sowie Heinrich Hobeck. Nur in der Urkunde zur Ausstattung Friedrichs treten noch weitere Zeugen auf, unter anderem Inhaber von Hofämtern in der Mark und brandenburgische Geistliche. Diese Beobachtungen legen den Verdacht nahe, dass jeweils drei Vertreter in Abwesenheit von Kurfürst und Markgraf die Verhandlungen um die Dokumente führten und stets anwesend waren. Ebenso kann vermutet werden, dass beide Schreiben nicht am 2. April, sondern zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden; der 2. April 1470 ist vielmehr als Schlusspunkt der Verhandlungen zwischen den Markgrafen anzusehen. Nach dem Inhalt der Urkunden erscheint folgende Reihenfolge der Entstehung logisch: 1) Die Urkunde mit der Übertragungshandlung, 2) die Bürgschaft der Vertreter von regionalem Adel und Städten, 3) die Urkunde zur Ausstattung des Kurfürsten durch den Markgrafen. Zu den Zeugenlisten in markgräflich-brandenburgischen Urkunden des 15. Jahrhunderts: Lewinski, Kanzlei und Urkundenwesen, S. 91–99. 48 Riedel, Krankheitszustand, S. 220. 49 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/1, Nr. 372, S. 525–527. 45
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seinem Bruder nicht durchsetzen können. Zur Klärung dieser Angelegenheit bat Kurfürst Friedrich seinen Bruder nun, persönlich mit ihm in Hof am 29. April zusammenzutreffen; auf diesem Treffen wurde dann anscheinend ein Ausgleich erzielt – wobei sich die Ausstattungsmodalitäten des bisherigen Kurfürsten wohl nicht oder nur geringfügig änderten, wie sich aus einem Schreiben Albrechts an Sebastian von Seckendorff vom Mai desselben Jahres ergibt50. Um diese Einigung zwischen dem Kurfürsten und seinem Bruder und Nachfolger zu erzielen, wurde auch die bereits erwähnte Zusammenkunft mit den sächsischen Herzögen um eine Woche verschoben – die Brandenburger waren sich offensichtlich der Modalitäten ihrer eigenen Herrschaftsübertragung nicht oder nicht mehr einig gewesen51. Auch der Ton im Vorfeld der Verhandlungen zu Hof – insbesondere eines Antwortschreibens Albrechts an seinen Bruder – lässt vermuten, mit welcher Unnachgiebigkeit er sein Interesse hier verfolgte und gleichzeitig seinem Bruder persönliches wie finanzielles Unvermögen vorwarf52. Somit lässt sich vor der eigentlichen persönlichen Herrschaftsübertragung in Gera am 6. Mai 1470 ein längeres Aushandlungsverfahren zwischen den brandenburgischen Brüdern wahrscheinlich machen53. Das Bild der insbesondere durch die ältere preußische Forschung suggerierten Einmütigkeit innerhalb des brandenburgischen Akteurs ist angesichts dieser Entwicklungen zwischen Albrecht und Friedrich von Brandenburg zu relativieren. Der Ablauf der Herrschaftsübertragung insgesamt zeigt sich folgendermaßen: Die brandenburgischen Markgrafen machten offensichtlich zunächst nach eigenem Belieben – vor allem aber nach Belieben Albrechts von Brandenburg – den Führungswechsel untereinander aus und führten ihn durch. Informell zeitgleich, formell aber erst nach der innerbrandenburgischen Einigung wurden der Kurfürst beziehungsweise die Herzöge von Sachsen eingebunden; danach baten sie bei den übrigen Kurfürsten um Aufnahme in die Kurfürsteneinung und erst im letzten Schritt den Kaiser um die Lehnsübertragung. Dass sich die Kurfürsten zunehmend als Admissionsinstanz zu ihrem eigenen Gremium verstanden, hatte sich bereits seit dem Kurverein von 1424 herauskristallisiert. Offensichtlich war zu Beginn der 1470er Jahre der Konsens der Mitkurfürsten zur Legitimierung der Zugehörigkeit gegenüber der Anerkennung durch den Kaiser vorrangig54. 50
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 37, S. 119. Ebd., Nr. 32, S. 116. 52 Ebd., Nr. 31, S. 115 f. Auch später noch war das Verhältnis zwischen den Brüdern nicht frei von Widersprüchen vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 70, S. 151 f.; Nr. 74, S. 156; Nr. 76, S. 161; StA Bamberg, GHAP Nr. 4461. 53 Zum Treffen in Gera und den neben der Herrschaftsübertragung verhandelten Themen, insbesondere den Grenzstreitigkeiten zwischen den Brandenburgern und den Sachsen, vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, unter Nr. 30, S. 115, Anm. 4. 54 Vgl. Alexander Begert, Böhmen, die böhmische Kur und das Reich vom Hochmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Studien zur Kurwürde und zur staatsrechtlichen Stellung Böhmens (Historische Studien 475, Husum 2003), S. 243 f., der für die Zeit um 1424 feststellt: „Mindestens genauso wichtig wie die königliche Belehnung war damit der Konsens der Kollegen, war die Aufnahme in den Kurverein für die Legitimation eines Kurfürsten.“ 51
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Die Forschung hat bisher nur die Rechtmäßigkeit der Übertragung noch zu Lebzeiten im Hinblick auf die Regelungen der Goldenen Bulle untersucht. Dass den Zeitgenossen, nicht zuletzt den Kurfürsten, eine Übertragung von Kurfürstenwürde und Erzkämmereramt und die damit verbundene Aufnahme in die Kurfürsteneinung noch zu Lebzeiten zumindest als Unregelmäßigkeit bewusst war, legt der Umstand nahe, dass das gesamte Verfahren nach dem Tode Friedrichs II. von Brandenburg im Jahre 1471 noch einmal wiederholt wurde. Albrecht von Brandenburg und Ernst von Sachsen baten umgehend nach dem Tode Friedrichs von Brandenburg neuerlich bei allen Kurfürsten um Aufnahme Albrechts, wie das Antwortschreiben Johanns von Trier vom 14. Februar 1471 an Ernst von Sachsen nahelegt55. Auch die Eile, mit der Albrecht seinen Rang als Kurfürst zu behaupten versuchte, wird dadurch deutlich, dass zwischen dem Tode Friedrichs II. in Neustadt an der Aisch und dem Antwortschreiben des Erzbischofs von Trier, der auf der Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz weilte, nicht mehr als vier Tage lagen56. Die Aufnahme in die Kurfürsteneinung hatte nicht nur reichspolitische Bedeutung. In einem Schreiben Albrechts von Brandenburg an Bischof Friedrich von Lebus aus dem September 1471, in dem sich Albrecht unter anderem mit seiner Huldigung durch die brandenburgischen Landstände befasste, geht der zu jenem Zeitpunkt für ihn bestehende Rechtsstatus hervor: nu haben wir unsere regalia empfangen und unser gewer gebraucht in kurfirstenlichem stand und wesen im kayserlichem hofe. wir sein von allen churfursten zugelassen und aufgenommen; uns ist auch zugesagt in die aynung des collegiums der churfursten eynganck zu lassen, wann und an welchem end wir des begern, als wir dann an unserm hineinreyten zu Sachsen thon wollen57.
Hier stellte Albrecht also seine Aufnahme in die Kurfürsteneinung erst in Aussicht; die wohlwollenden Antworten der übrigen Kurfürsten wurden lediglich als Zulassung in den Kreis der Kurfürsten gesehen. In der Tat wurde erst diese „zweite“ Aufnahme in einer Urkunde festgehalten, die am 7. November 1471 vom Erzbischof von Trier, Pfalzgraf Friedrich dem Siegreichen und Herzog Ernst von Sachsen in Dresden ausgestellt wurde58. Allerdings wurde Albrecht schon seit der 55
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 127, S. 209. Vgl. Dieter Kerber, Herrschaftsmittelpunkte im Erzstift Trier. Hof und Residenz im späten Mittelalter (Residenzenforschung 4, Sigmaringen 1995), S. 316. 57 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 221, S. 274 f. Zu dem sich anschließenden Besuch Albrechts in der Mark vgl. Schultze, Mark Brandenburg, S. 115–117. 58 Vgl. zum einen die die Aufnahme Albrechts dokumentierende Urkunde vom 7. November 1471, in: Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 3, S. 7–9, zum anderen das Schreiben des Kurfürsten Albrecht in Betreff seiner Aufnahme in die Kurfürsteneinung, ebenfalls vom 7. November 1471 ebd., Nr. 4, S. 9–11. Minutolis Datierung scheint in diesem Falle korrekt zu sein, wie der Inhalt, nämlich die Nennung des Todes seines älteren Bruders, Friedrichs II., am 10. Februar 1471 nahelegt; bei Friedrich Wagner, Berichtigungen und Nachträge zu Minutoli: Das kaiserliche Buch des Markgrafen Albrecht Achilles, in: Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde 18/8 (1881), S. 309–350, hier S. 314–316, ist keine Korrektur vermerkt. 56
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ersten Aufnahme in den Kreis der Kurfürsten und seit der Belehnung durch den Kaiser als voll handlungsfähiger Kurfürst angesehen; dies verdeutlicht zum einen ein Blick auf seine Titulatur in Königsurkunden und in der Korrespondenz mit anderen Reichsfürsten in der Zeit zwischen der ersten und der zweiten Aufnahme59. Zum anderen bezog sich Albrecht von Brandenburg selbst darauf, dass ihn Städte in der Mark bereits als Kurfürsten angeschrieben hätten60. Außerdem sah er offensichtlich auch noch nach der Aufnahme von 1471 die erste Aufnahme aus dem Jahre 1470 als Beginn seiner Mitgliedschaft in der Kurfürsteneinung an, wie sein Schreiben aus Köln an seine Räte am Hofe in Ansbach aus dem Mai 1472 verdeutlicht61. Diesen Eindruck von der offensichtlichen Unklarheit, wie mit der brandenburgischen Herrschaftsübergabe zu Lebzeiten umzugehen sei, unterstreicht der Inhalt der Dresdner Urkunde, die voller Merkwürdigkeiten ist. Die vorzeitige Abdankung des Markgrafen Friedrich zugunsten seines Bruders wird schlicht verschwiegen. Einziger Anhaltspunkt für die vorzeitige Amtsübergabe ist die Titulierung Friedrichs ausschließlich als Markgraf ohne den Zusatz des Kurfürsten, den jetzt Albrecht trägt62. Nach Friedrichs Tode sei Kurfürst Albrecht als sein erb und nachkomen auf seine Bitte in die Einung aufgenommen worden63. Interpretierte man die einzelnen Aspekte der Aufnahme in die Kurfürsteneinung scharf, so ergäbe sich das Bild, dass Friedrich zwar abgedankt hatte, bis zu seinem Tode aber vollwertiges Mitglied in der Einung blieb, nun jedoch als Markgraf und nicht als Kurfürst. Mit der Abdankung wurde aber Albrecht als neuer Kurfürst per brieflicher Zustimmung der Mitkurfürsten und in persönlicher Anwesenheit auf genommen. Dann hätte es formal gleichzeitig zwei brandenburgische Mitglieder im Kurverein gegeben, was dem Einungsvertrag und ebenso auch der Formulierung im Schreiben Friedrichs von Brandenburg an seine Mitkurfürsten wider 59
Vgl. etwa folgende Urkunden: Des Heiligen Römischen Reichs Teutscher Nation Reichs Tags Theatrum, wie selbiges unter Keyser Friedrichs V. allerhöchsten Regierung von anno 1440 bis 1493 gestanden und was auf selbigem in Geist und weltlichen Reichs-Händeln berahtschlaget, tractiret und geschlossen worden, hg. von Johann Joachim Müller, Teil 5 (Jena 1713), S. 504–506 (1470 Dezember 12); ebd., S. 506–508: daß Ir dem vorgenanten unsern lieben Oheim und Churfürsten Marggrave Albrechten […], (1470 Dezember 17). In der Korrespondenz finden sich in der Anrede keine Veränderungen vor der endgültigen Aufnahme in den Kreis der Kurfürsten und danach, vgl. folgende Schreiben: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 73, S. 155, und ebd., Nr. 192, S. 258, oder auch Nr. 228, S. 279. 60 Ebd., Nr. 221, S. 275. Vgl. Herbert Helbig, Die brandenburgischen Städte des 15. Jahrhunderts zwischen Landesherrschaft und adligen Ständen, in: Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, hg. von Wilhelm Rausch (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 3, Linz 1974), S. 227–244. 61 „Weil er (Kurfürst Albrecht) sonst mit Niemand andrem in Händel verwickelt werden könne, weder mit H. Otto noch mit dem Pfalzgrafen, mit dem er seit Exaudi in der Kurfürsteneinung sei, suchte Martin Mair hier Unwillen zu stiften, damit seine Mühle nicht still stehe“, Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 340, S. 364. Der Sonntag Exaudi fällt im Jahre 1470 auf den 3. Juni, das Schreiben des Pfalzgrafen zur Aufnahme war am 1. Juni 1470 ausgestellt worden, vgl. ebd., Nr. 47, S. 127. 62 Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 3, S. 9. 63 Ebd.
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spräche, Albrecht möge an seiner statt aufgenommen werden. Mit Kategorien des Rechts lassen sich diese Diskrepanz zwischen Norm und Praxis in der Dresdner Urkunde ebenso wie die deutlichen Widersprüche in der Korrespondenz nicht erklären. Da sich in der Korrespondenz keinerlei Spuren einer Bitte zur Aufnahme durch Albrecht finden lassen, nach Ausweis der Urkunde aber eine solche vorlag, kann nur vermutet werden, dass die Kurfürsten seiner Bitte folgten und nachträglich Normalität herstellten64. In den Quellen finden sich im Kontext der brandenburgischen Herrschaftsübertragung schließlich nur zwei Bezüge auf die Goldene Bulle. Der erste erscheint im Juni 1470 in einer Instruktion des Markgrafen Albrecht an seine Gesandten beim Kaiser, Martin Hayden und Stephan Scheuch. Albrecht von Brandenburg befahl ihnen, zu ihren Verhandlungen mit dem Kaiser in Sachen Kurübertragung eine Abschrift der Goldenen Bulle neben den im April 1470 entstandenen Dokumenten der Kurübertragung mitzunehmen65. Die Räte sollten auf diese Weise wohl für alle Eventualitäten gewappnet sein. Der einzige explizite Rückgriff auf die Goldene Bulle durch Albrecht von Brandenburg selbst findet sich erst im September 1471, also geraume Zeit nach dem Tode Kurfürst Friedrichs. Städte in seinem Territorium hätten ihn in ihren Schriften an ihn bezeichnet mit unsern titel als einem churfursten und irem rechten naturlichen erbherrn. auch so zaigt es die guldin bull ane66. Die Goldene Bulle wurde somit erst von den Brandenburgern in die Argumentation der Herrschaftslegitimierung einbezogen, als nach Friedrichs Tod die Rechtsverhältnisse unkompliziert geworden waren67. Zwar wird die Tatsache, dass der Kurfürst erst im Frühjahr 1472 die persönliche Huldigung der Mark entgegennahm, stark der politischen Agenda in seinem süddeutschen Herrschaftsschwerpunkt geschuldet gewesen sein68; angesichts der zeitlichen Abfolge der 64
Albrechts Schreiben vom selben Tage ist wohl erst nach der Ausstellung der Urkunde entstanden, vgl. Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 4, S. 9–11. 65 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 54, S. 133–136, hier S. 135. 66 Ebd., Nr. 221, S. 275. 67 Diese faktische Normalisierung des Rechtsverhältnisses nach dem Tode Kurfürst Friedrichs ergab sich aber wohl weniger aus Albrechts Erbschaft als vielmehr aus der Belehnung durch den Kaiser, denn damit war auch nach den Regeln der Goldenen Bulle das Kurfürstentum Brandenburg rechtmäßig wieder neu ausgegeben worden; siehe zum Problem oben S. 105. Dieser Befund zur Verwendung der Goldenen Bulle deckt sich mit Ergebnissen, die Ralf Mitsch, Der Konflikt zwischen Kaiser Friedrich III. und Pfalzgraf Friedrich I., dem Siegreichen, aus der Sicht zeitgenössischer Geschichtsschreiber, in: Granatapfel. FS Gerhard Bauer, hg. von Bernhard Dietrich Haage (GAG 580, Göppingen 1994), S. 207–252, hier S. 237 f., anhand der zeitgenössischen Historiografie in Bezug auf den Streit um die rechtmäßige Stellung Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen gewinnt. 68 Siehe unten S. 401 f. So erhält die Beschreibung der „zögerlichen Einnahme“ der Mark eine differenzierte Interpretation, vgl. Schubert, Albrecht Achilles, S. 164. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass Albrecht von Brandenburg rasch nach der Übernahme der Kurwürde von seinem Bruder noch Mitte des Jahres 1470 Ludwig von Eyb und Georg von Absberg in die Mark schickte, um sich ein Bild von der Lage zu machen und Regierung und Verwaltung zu ordnen, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 51, S. 128–130; Nr. 58, S. 138f; Nr. 60, S. 140 f.
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Herrschaftsübertragung erscheint es jedoch auch aus dieser Perspektive logisch, erst nachdem die Rechtsverhältnisse entwirrt waren, die Mark auch persönlich in Besitz zu nehmen. Wenn die Übertragung der Kurwürde auf Albrecht von Brandenburg von der Goldenen Bulle in dieser Form nicht vorgesehen und ebenso die Herrschaftsgrundlage angesichts der Regelungen der Dispositio Friedrichs I. von 1437 fragwürdig waren, wie ist dann die Einmütigkeit und Lautlosigkeit der Übertragung der brandenburgischen Kurwürde zu erklären? Eine Antwort auf diese Frage wird dadurch noch weiter erschwert, dass in direktem zeitlichen Umfeld zu der Übertragung weitere Konflikte um die rechtmäßige Ausübung von Kuren angesiedelt sind, die vor allem vom Kaiser im Einzelfall vollkommen gegensätzlich behandelt wurden. So versuchte bereits seit dem Beginn der 50er Jahre Friedrich von der Pfalz im Wege der Arrogation die Kurwürde von seinem minderjährigen Adoptivsohn, seinem Neffen Philipp von der Pfalz, dauerhaft zu übernehmen69; dies führte 1470 zum Reichskrieg und schließlich 1474 zum Prozess gegen Friedrich den Siegreichen, den Albrecht von Brandenburg zeitweise als Kammerrichter leitete70. Kaiser Friedrichs III. Antwortschreiben auf das Anerkennungsersuchen Philipps von der Pfalz für die Kur seines Onkels, dass „die Pfalzgrafschaft samt Erztruchsessenamt und Kurfürstentum unmittelbares Lehen von Kaiser und Reich sei und es sich nicht gebühre, sie ohne kaiserliche Zustimmung zu verändern“71, hätte er eigentlich auch an Albrecht von Brandenburg senden müssen. Im Jahre 1471 begann dann Herzog Johann V. von Sachsen-Lauenburg den Titel eines Herzogs von Sachsen zu führen, womit er die Ansprüche auf die sächsische Kurwürde, die bereits sein Vater bei der Wahl Friedrichs III. zum König beansprucht hatte, noch einmal unterstrich72. In diesem Falle erwirkten die sächsischen Herzöge auf dem Tag zu Regensburg ein kaiserliches Verbot der unrechten Führung von Titeln gegen Herzog Johann73. Auch wenn in den Folgejahren kuriose Ausnahmen74 von diesem Verbot gestattet wurden, war doch die kaiserliche Grundhaltung durch das Verbot klar zum Ausdruck gekommen. 69 Vgl. Holtz, Goldene Bulle, S. 1054–1059. In Bezug auf die Goldene Bulle auch Rolf, Kurpfalz, S. 59–71. 70 Vgl. Karl-Friedrich Krieger, Der Prozeß gegen Pfalzgraf Friedrich den Siegreichen auf dem Augsburger Reichstag vom Jahre 1474, in: ZHF 12 (1985), S. 257–286, hier S. 258–265. Siehe hierzu im Einzelnen unten E. II. 11. c). 71 Holtz, Goldene Bulle, S. 1058. 72 Vgl. ebd., S. 1060 f. 73 Vgl. Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller / Paul-Joachim Heinig, Heft 11: Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken des Freistaates Sachsen, bearb. von Elfie-Marita Eibl (Wien 1998), Nr. 407, S. 220 f. 74 Vgl. Holtz, Goldene Bulle, S. 1061, der ein Beispiel aus Lübeck aus dem Jahre 1473 anführt.
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So stellt sich nunmehr erneut die Frage, warum in Albrechts Fall die Goldene Bulle im Konsens übergangen, in den übrigen Beispielen aber doch streng befolgt wurde. Der offensichtliche Widerspruch zwischen Geltungsanspruch von Normen, nämlich der Goldenen Bulle oder auch des Einungsvertrages von 1446, und der Rechtswirklichkeit ist frappierend; so ist zunächst nach der Rolle von Rechtsnormen im politischen und im Rechtsleben zu fragen. Möglicherweise wird der Widerspruch gemildert, wenn man diese Dokumente weniger als „Verfassungsdokumente“ von modern normativem Geltungsanspruch, sondern vielmehr als Dokumente auffasst, die das Netzwerk der Kurfürsten konfigurierten und entsprechend der bestehenden Umstände verwendet oder auch vernachlässigt werden konnten75. Hierzu ist ein Blick auf die das Netzwerk konfigurierenden Dokumente, in einem zweiten Schritt auf andere Ordnungsfaktoren wie Verwandtschaftsbeziehungen notwendig. 2. Goldene Bulle, Kurfürsteneinung und Verwandtschaft: Das politische Netzwerk der Kurfürsten Die Goldene Bulle setzte den Kreis der Netzwerkteilnehmer exklusiv auf sieben Kurfürsten fest und regelte über die Königswahl hinaus auch die besonderen Privilegien gegenüber anderen Fürsten, ihre Regalien, die Aufgaben der einzelnen Kurfürsten, die Rituale und Zeremonien sowie die Stellvertretung des Königs im Reich. Daneben schrieb sie auch – indes nur indirekt – das Verhältnis des Gremiums zum König fest. Dieses Verhältnis tritt besonders bei der Frage der Erbfolge der weltlichen Kurfürsten und bei der Ausführung von Ritualen hervor76. Auch ein Kurfürst war zunächst Lehnsmann des Kaisers und erhielt seine Herrschaftslegitimation durch das Reichsoberhaupt. Bei der Kandidatenwahl hatte der König beziehungsweise Kaiser im Falle regulärer Herrschaftsübertragungen per definitionem keinerlei Entscheidungsspielraum, er musste die personale Bindung mit dem ältesten Sohn oder nach dessen Tode mit dessen ältestem Sohn, gegebenenfalls im 75
Siehe hierzu auch unten G. III. 2. Die Goldene Bulle, bearb. Fritz, insbesondere Cap. II, S. 53–56, Cap. III, S. 56 f., Cap. IV, S. 57–59, Cap. VI, S. 60, Cap. VII, S. 60–62, Cap. XI, S. 66 f., Cap. XIX, S. 75 f., Cap. XXI, S. 77 f. Vgl. vor allem für die Zeit bis 1400, teilweise auch für die Folge Claudia Garnier, Die Ordnung des Reiches. Die Position des Herrschers in der Goldenen Bulle in der Wahrnehmung bis 1400, in: Die Goldene Bulle. Politik – Wahrnehmung – Rezeption, Bd. 1, hg. von Ulrike Hohensee u. a. (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Berichte und Abhandlungen. Sonderbd. 12, Berlin 2009), S. 197–240, hier insbesondere S. 202, 216– 220 und 237–240. Bernd-Ulrich Hergemöller, Die Goldene Bulle – Karl IV. und die Kunst des Möglichen, in: Kaiser Karl IV. Staatsmann und Mäzen, hg. von Ferdinand Seibt (München 1978), S. 143–146, hier S. 144, 146. Hergemöller unterstreicht für ihre Entstehung die Bedeutung der Goldenen Bulle als Kompromiss zwischen Kurfürsten und Kaiser. Außerdem Moraw, Offene Verfassung, S. 247. 76
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Wege der Vormundschaft durch den ältesten Bruder des Verstorbenen, eingehen77. Nach den Regeln der Goldenen Bulle konnte der König im Falle des Todes eines weltlichen Kurfürsten ohne Nachkommen das Lehen als heimgefallenes Reichslehen betrachten und zusammen mit der Kur neu ausgeben78. Wenn auch die tatsächliche Politik in der Regel anders ausgesehen haben mag, so war doch die schriftliche Konfiguration des Netzwerkes zunächst einmal reziprok. Genau hieraus folgt nämlich der äußerlich als Starrsinn wirkende Gleichmut Friedrichs III. in den Konflikten zur Herrschaftsnachfolge in den weltlichen Kurfürstentümern seiner Zeit, vor allem im Falle Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen. Der Kaiser fungierte hier als Kontrollinstanz der Netzwerkzugehörigkeit. Im Konflikt mit Friedrich dem Siegreichen wurde die Norm angewendet, im Falle Albrechts von Brandenburg nicht. Daneben prägte der Gedanke der Einung die Zusammenarbeit der Kurfürsten als Ausdruck ihres solidarischen Verhältnisses untereinander. Der Einungs gedanke hatte sich erstmals im 1338 geschlossenen Kurverein von Rhense urkundlich niedergeschlagen79. Vor allem im 15. Jahrhundert handelten die Kurfürsten häufiger als Gremium80. Im Jahre 1470 galt die Einung des Jahres 1446, die ihrerseits weitestgehend dem Frankfurter Kurverein von 1427 entsprach81. Die Einung von 1446 war ursprünglich von den rheinischen Kurfürsten vereinbart worden, Brandenburg und Sachsen waren nachträglich beigetreten82. Hierbei handelte es sich zunächst um ein schlichtes Fürstenbündnis, dem ein eidlich bewehrter Ver 77
Die Goldene Bulle, bearb. Fritz, Cap. VII, S. 60–62. Mit Ausnahme der besonderen Nachfolgeregelung für den König von Böhmen; vgl. ebd., Cap. VII, S. 62. 79 So der Forschungsstand. Vgl. Begert, Böhmische Kur, S. 242. Allerdings ist das 12. Kapitel der Goldenen Bulle bisher nicht hinreichend berücksichtigt worden, denn es sieht jährliche Zusammenkünfte der Kurfürsten, wenigstens zu Beginn auch unter Beteiligung des Königs, vor; der Zusammenhang von Einungsgedanke und Goldener Bulle müsste gesondert untersucht werden. Zum Wesen von Einungsverträgen allgemein nun auch Müller, Fürstliche Erbverbrüderungen, S. 259–262. 80 Vgl. E[rnst] Schubert, Art. „Kurfürsten“, in: Lex.MA 5 (1991), Sp. 1581–1583. Ders., Stellung der Kurfürsten, der die Entwicklung des Einungs- und Korporationsgedankens im Spätmittelalter nachzeichnet; für unseren Untersuchungszeitraum vgl. insbesondere ebd., S. 121–128. Zum Einungsgedanken vgl. auch Ernst Bock, Monarchie, Einung und Territorium im späteren Mittelalter. Ein Beitrag zur deutschen Verfassungsgeschichte, in: HVj 24 (1929), S. 557–572. 81 Vgl. Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 2, S. 1–7. Der Kurverein von 1446 wurde im Jahre 1460 unverändert in Nürnberg feierlich erneuert, vgl. Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 29. Quirin, Reichspolitik, S. 7 f. 82 Vgl. Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 26. Die letzte Erneuerung der Kurfürsteneinung von 1446 fand im Jahre 1461 in Nürnberg statt, vgl. Regesten zur Geschichte Friedrich’s I. des Siegreichen, Kurfürsten von der Pfalz, angefertigt von Karl Menzel, in: Quellen zur Geschichte Friedrich’s des Siegreichen, Bd. 1: Matthias Kemnat und Eikhart Artzt. Regesten (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte 2, München 1862), S. 209–499, Nr. 145, S. 356 (1461 März 1). GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Mark als Reichsstand, Nr. 69 (1461 März 6). In diesem Zusammenhang traten Friedrich der Siegreiche und Bischof Diether von Mainz der Einung bei. 78
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trag zugrunde lag, in dem sich alle Kurfürsten unter Ausschluss des nicht an der Reichspolitik aktiv teilnehmenden böhmischen Königs amicitia beziehungsweise freuntschaft zusicherten83. Dieses Fürstenbündnis setzte sich zusammen aus „horizontale[n] Bündnisstrukturen, also [aus] Netzwerke[n …], die von weitgehend gleichwertigen Partnern geknüpft wurden“84. Leitgedanke war die kurfürstliche Solidarität. Hierzu diente ein für horizontale Bündnisse typisches Verfahren zum friedlichen Austrag von Streitigkeiten mithilfe von Vermittlern85. Im Unterschied aber zu „gewöhnlichen“ Fürstenbündnissen sollten die Vermittler aus dem Kreise der übrigen, am Streit unbeteiligten Kurfürsten stammen. Außerdem sicherten sich die Kurfürsten gegenseitig Hilfe bei Übergriffen Dritter zu, wer der were nymants ausgenomen86 . Normalerweise wurden bei gewöhnlichen Bündnissen in Ausnahmeklauseln wenigstens ausdrücklich der Kaiser oder ein anderer Lehnsherr beziehungsweise Bündnispartner ausgenommen; wurde eine solche Klausel nicht vereinbart, galt dies als schwerer Treuebruch gegenüber dem Kaiser, wie es sich am Bündnis von Albrecht Achilles mit Herzog Wilhelm von Sachsen im Jahre 1449 in einer Phase unterkühlter Beziehungen zwischen dem Brandenburger und dem Kaiser beispielhaft zeigen lässt87. Dass nun nicht nur stillschweigend die Ausnahmeklausel weggelassen, sondern expressis verbis niemand ausgenommen wurde, zeigt das Bewusstsein der Kurfürsten in ihrer Rolle als geschlossenes und untereinander solidarisches Gremium gegenüber dem Kaiser. Der ausdrücklichen Nichtausnahme stand eine sehr allgemein gehaltene Klausel gegenüber, dass ältere Einungen mit Dritten ausgenommen seien88. Dieser Vorbehalt erscheint in älteren Vorgängereinungen nicht; er kann jedoch nicht über den besonders offensiven Ton hinwegtäuschen. Als Orte, an denen die Einung ihre Tage abhalten sollte, wurden Mainz, Worms, Aschaffenburg und Frankfurt am Main festgelegt89. Neben den Zielen der kurfürstlichen Solidarität und friedlichen Konfliktregelung stand außerdem ein reichspolitischer Auftrag: Die Kurfürsten gaben sich selbst die Aufgabe, über die Erhaltung des Reiches zu wahren und jedem, der das Reich schmelen, abzubrechen, oder dem reyche entfrembden, oder das reych zu entbinden gedachte, geschlossen entgegenzutreten beziehungsweise den Kaiser in dieser Sache anzurufen90. Eine Koordinierungsfunktion des Bündnisses hatte ein
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Vgl. Garnier, Amicus amicis, S. 75. Vgl. auch die ausführliche Darstellung des Kur vereins von 1446 bei Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 60 f. Zur Rolle Böhmens vgl. Begert, Böhmische Kur, S. 174–274. 84 Vgl. Garnier, Amicus amicis, S. 75. 85 Vgl. Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 2, S. 3. 86 Ebd., Nr. 2, S. 4, 6. 87 Vgl. Schubert, Albrecht Achilles, S. 148. 88 Vgl. Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 2, S. 7. 89 Ebd., Nr. 2, S. 6. 90 Vgl. ebd., Nr. 2, S. 5.
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gemayner, dessen Funktion jahresweise im Wechsel unter den Mitgliedern des Kollegiums wechselte91. Das Bündnis war in der Tradition des Binger Kurvereins von 1424 „perpetuierend konzipiert“92, d. h. es wurde ohne zeitliche Begrenzung abgeschlossen. Die einzige Möglichkeit zur Veränderung der Zusammensetzung der Bündnisbeteiligten war von Todes wegen eines Mitgliedes vorgesehen93; wenn aber der nachkome und erbe des Verstorbenen kein Interesse an der Aufnahme hatte, sollte das Bündnis ohne diesen Kurfürsten nach denselben Regeln fortgesetzt werden. Auch wenn – so die Forschung – von diesem Einungsvertrag keine historische Wirkung ausgegangen sei, habe er doch die rechtliche Grundlage für kurfürstliche Politik bis zum Kurverein von Gelnhausen von 1502 gebildet, wodurch streng genommen der Einungs- durch den Korporationsgedanken ersetzt worden sei94. Dass die Einung der Kurfürsten nicht nur symbolischen Charakter hatte, verdeutlicht ein Schreiben Albrechts von Brandenburg an den Statthalter95 und seine Räte in Ansbach vom Februar 1472, in dem er einige der „ihm verwandten Fürsten“ aufzählt, namentlich den Pfalzgrafen, mit dem er in kurfürstlicher Einung, den Erzbischof von Mainz, mit dem er verbündet, und den Bischof von Würzburg, dessen Mann er sei, Wiewol vns der itzundig her nichts gelihen hat96. Die Bedeutung der Einung für die Selbst- und Fremdwahrnehmung der Kurfürsten spricht auch aus dem Satz Albrechts: Auch ist der Churfursten sach nur ein halbes ding ausserhalb der eynung97. Daneben bestanden weitere Einzelbündnisse der Kurfürsten untereinander, so zum Beispiel zwischen Pfalzgraf Friedrich dem Siegreichen und Adolf von Mainz seit 1466 oder zwischen Friedrich dem Siegreichen und Kurfürst Ernst sowie Herzog Albrecht von Sachsen 146998, die jedoch wohl hinter der Kurfürsteneinung zurücktraten und deshalb an dieser Stelle in ihrer Gesamtheit nicht weiter verfolgt werden sollen.
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Vgl. ebd., Nr. 2, S. 6. Vgl. auch Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 60. Vgl. Begert, Böhmische Kur, S. 243 f. 93 Vgl. Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 2, S. 6 f. 94 Vgl. Schubert, Stellung der Kurfürsten, S. 125. 95 Während längerer Abwesenheitsphasen ernannte Albrecht von Brandenburg aus der Reihe seiner Räte ein Kollegium von Stathalltern, die die Regierungsgeschäfte in Ansbach erledigen sollten, Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 31, S. 65–68, hier S. 65. Vgl. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 352–366. Siehe zu ihrer Rolle im Einzelnen auch unten S. 312 ff. 96 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 25, S. 52–58, hier S. 57. Albrecht Achilles wies in diesem Zusammenhang aber darauf hin, er habe von den Vorgängern des amtierenden Bischofs und vom Stift Lehenschaft […], das wollen wir halten. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 293, S. 324–326, hier S. 326, insbesondere Anm. 2. 97 Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 143, S. 163. 98 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1147, 1159. 92
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Als drittes konstitutives Merkmal der Netzwerkstrukturen sind die verwandtschaftlichen Bindungen der Kurfürsten zu betrachten99. Friedrich II. von Brandenburg war verheiratet mit Katherina von Sachsen, der Tochter Friedrichs I. und Schwester Friedrichs II. von Sachsen, der seinerseits Vater des Kurfürsten Ernst von Sachsen war100. Albrecht von Brandenburg war über seine Gemahlin Anna mit Kurfürst Ernst von Sachsen verschwägert101; in erster Ehe war Albrecht von Brandenburg allerdings mit Margarethe, der Schwester des Trierer Erzbischofs Johanns II. von Baden, verheiratet gewesen102. Der Mainzer Erzbischof Adolf II. von Nassau war ein Sohn des Grafen Adolf II. von Nassau-Idstein und dessen Frau Margarethe von Baden103. Sie war die Schwester Jakobs von Baden, des Vaters von Albrechts von Brandenburgs Ehefrau und ihres Bruders, des Erzbischof Johanns von Trier104. Dieses Beziehungsgeflecht verband die Erzbischöfe von Mainz und Trier sowie die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg in einem Netzwerkkomplex. Eine wichtige Brückenfunktion nahm hierbei das Haus Baden ein105. In 99 Zur Bedeutung verwandtschaftlicher Bindungen vgl. insgesamt Spieß, Verwandtschaft, S. 7–14, zu ihrer politischen Bedeutung vor allem auch ebd., S. 494–531. 100 Vgl. Europäische Stammtafeln. NF, hg. von Detlev Schwennicke, Bd. I,1: Die fränkischen Könige und die Könige und Kaiser, Stammesherzoge, Kurfürsten, Markgrafen und Herzoge des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (Frankfurt a. M. 1998), Tafel 129, 153. 101 Europäische Stammtafeln, I,1, Tafeln 129, 153. 102 Ebd., Tafel 129. Dass verwandtschaftliche Bindungen über den Tod eines Beteiligten hinaus im Bewusstsein politischer Akteure Nähe bedeuten konnten, verdeutlicht ein Schreiben Albrechts von Brandenburg an Markgraf Johann aus dem Jahre 1477, in dem der Kurfürst erklärte, man möge auf vnser swester vnd dochter kinder zu Brunsweig vnd Meckelburg zur Bewertung politischer Konstellationen Rücksicht nehmen. Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hg. von Adolph Friedrich Riedel, Teil 3: Sammlung für allgemeine Landes- und kurfürstliche Hausangelegenheiten, Bd. 2 (Berlin 1860), Nr. 160, S. 192–197, hier S. 194. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 268, S. 281 f., hier S. 281 (1477 Januar 27). Von Albrechts Schwestern kommen Cäcilie (gest. 1449), Magdalena (gest. 1454) und Dorothea (gest. 1491) infrage. Von ihnen lebte zu diesem Zeitpunkt nur noch Dorothea, Gattin Heinrichs von Mecklenburg; aus ihrer Ehe gingen drei Töchter hervor, von denen zu diesem Zeitpunkt nur noch Elisabeth, Äbtissin von Kloster Ribnitz, lebte. Aus der Ehe von Cäcilie mit Wilhelm von Braunschweig-Wolfenbüttel waren drei Kinder hervorgegangen, außer der Nonne Sophia jedoch keine Tochter. Aus der Ehe von Magdalena mit Friedrich dem Frommen von Braunschweig-Lüneburg waren drei Kinder hervor gegangen, darunter eine Tochter, Margareta, Gattin Heinrichs von Mecklenburg-Stargard; aus dieser Ehe gingen Kinder hervor. Eigene Enkel in den genannten Häusern hatte der Kurfürst zu diesem Zeitpunkt nicht. Vgl. ebd.; Europäische Stammtafeln. NF, hg. von Detlev Schwennicke, Bd. I,3: Die Häuser Oldenburg, Mecklenburg, Schwarzburg, Waldeck, Lippe und Reuß (Frankfurt a. M. 2000), Tafeln 303 f. 103 Europäische Stammtafeln, I,1, Tafeln 61, 62. 104 Europäische Stammtafeln. NF, hg. von Detlev Schwennicke, Bd. I,2: Přemysliden, Aska nier, Herzoge von Lothringen, die Häuser Hessen, Württemberg und Zähringen (Frankfurt a. M. 1999), Tafel 267. 105 Vgl. zur Bedeutung Badens für die Reichspolitik im 15. Jahrhundert Konrad Krimm, Baden und Habsburg um die Mitte des 15. Jahrhunderts. Fürstlicher Dienst und Reichsgewalt im späten Mittelalter (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen 89, Stuttgart 1976), S. 69–80, 91–98, 101–115.
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diesem Teilnetzwerk ergibt sich eine größere Zentralität Albrechts als die seines Bruders Friedrich, wenn man direkte Beziehungen in derselben Generation höher bewertet. Den zweiten Netzwerkkomplex in verwandtschaftlicher Hinsicht bildeten Friedrich der Siegreiche und sein Bruder Ruprecht von der Pfalz, Erzbischof von Köln. Sie waren Söhne Kurfürst Ludwigs III. von der Pfalz106. Ihre Schwester Mechthild war mit Erzherzog Albrecht VI. von Österreich verheiratet, dem Bruder Kaiser Friedrichs III.107; Friedrich und Ruprecht von der Pfalz waren also die Brüder der Schwägerin des Kaisers. Über seine Schwestern Margarethe und Katharina war Kaiser Friedrich außerdem mit dem ersten Netzwerkkomplex verwandt. So waren Margarethe mit Friedrich II. von Sachsen, dem Vater von Kurfürst Ernst, und Katharina mit Karl I. von Baden, dem Bruder des Trierer Erzbischofs Johann, verheiratet108. So ergibt sich aber auch eine Verbindung zwischen Friedrich von Brandenburg über seine Frau Katherina von Sachsen, der Schwester Friedrichs II. von Sachsen und Schwägerin Margarethes von Habsburg, zum Hause Habsburg. Markgraf Albrecht von Brandenburg nun war mit der Tochter der Schwester des Kaisers verheiratet; daneben war er auch über seine erste Frau Margarethe, der Schwägerin Katharinas von Habsburg, ihrerseits eine Schwester Kaiser Friedrichs III., mit Habsburg verwandt109. Verbunden wurden beide Netzwerkkomplexe durch Vertreter der Häuser Habsburg, Sachsen und Baden. In beiden Netzwerkkomplexen hatte Albrecht eine höhere Zentralität als sein Bruder Friedrich; die größere verwandtschaftliche Nähe zu den Kurfürsten und zum Kaiser konnte seine Aufnahme begünstigen beziehungsweise eine Verdichtung des Netzwerks bewirken. Im Moment der Herrschaftsübertragung bestand somit das Netzwerk der Kurfürsten aus sechs Teilnehmern mit unterschiedlichen Merkmalen. Die einzigen Kurfürsten mit vollkommen unbestrittener Position waren Erzbischof Johann von Trier und Herzog Ernst von Sachsen. Der König von Böhmen nahm in jenen Tagen an der Reichspolitik nicht teil, vielmehr war die Besetzung des böhmischen Thrones nach dem Tode Georgs von Podiebrad sogar umstritten und führte zum Gegenkönigtum Matthias’ Corvinus gegen Vladislav II.110 Adolf von Mainz war zwar bereits seit dem Ende der Mainzer Stiftsfehde 1463 allgemein anerkannt, seine Belehnung durch Kaiser Friedrich III. erfolgte jedoch erst 1470 im Zuge einer Reise
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Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 93. Ebd., Tafel 42. Albrecht VI. war 1463 gestorben. 108 Ebd., Tafeln 42, 153; I,2, Tafel 267. Hierzu ferner auch: Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 63. Zu den sächsischen Verbindungen vgl. Karlheinz Blaschke, Geschichte Sachsens im Mittelalter (München 1990), S. 286. 109 Europäische Stammtafeln, I,1, Tafeln 42, 129. 110 Vgl. Begert, Böhmische Kur, S. 217–228, zur Rolle im Kurverein S. 243–252. Jörg K. Hoensch, Geschichte Böhmens. Von der slavischen Landnahme bis zur Gegenwart (München 3 1997), S. 162–169. 107
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Adolfs in die österreichischen Erblande111. Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen rechtmäßige Stellung als Kurfürst war stark umstritten, da er mit dem Mittel der Arrogation die Herrschaft unter Auslassung seines Neffen Philipp an sich gerissen hatte; dieser Zustand war von den übrigen Kurfürsten nach und nach anerkannt worden, vom Kaiser allerdings bis zu Friedrichs des Siegreichen Tod im Jahre 1476 nicht112. Der Erzbischof von Köln, Ruprecht von der Pfalz, der durch seinen Bruder Friedrich den Siegreichen maßgeblich bei der Erlangung des Erzbischof stuhls unterstützt worden war, wurde wie sein Bruder vom Kaiser zunächst nicht anerkannt; seine Belehnung erfolgte erst auf dem Reichstag in Regensburg im August 1471113. Somit waren zum Zeitpunkt der Herrschaftsübertragung in Brandenburg formal nur Erzbischof Johann von Trier und Herzog Ernst von Sachsen sowie jüngst auch Erzbischof Adolf von Mainz unzweifelhaft anerkannte und aktiv an der Reichspolitik teilnehmende Kurfürsten. Der Wechsel in der brandenburgischen Kur fügte sich also in eine Kette von Veränderungen der Netzwerkeigenschaften von Mitgliedern des Kurfürsten kollegiums. Die Belehnung Adolfs von Mainz, der Wechsel in Brandenburg sowie die Belehnung des Kölners bedeuteten dann eine Veränderung und Stärkung des Kurfürstenkollegiums im Hinblick auf die rechtmäßige Stellung seiner Mitglieder. Auffallend ist, dass diese Maßnahmen in zeitlicher Nähe zur neuerlichen Hinwendung des Kaisers zum Binnenreich standen und dass in der Folge verstärkt gegen den nach kaiserlicher Auffassung unrechtmäßig regierenden Friedrich von der Pfalz vorgegangen werden sollte114. Am Beginn dieser Entwicklung, zu deren Anstoß der Kontakt mit dem Kaiser nötig war, ist die Reise Erzbischof Adolfs von Mainz in die habsburgischen Erblande, seine Belehnung und die Übertragung der kaiserlichen Kanzlei, die zuvor der Bischof von Passau geführt hatte, zu sehen115. Auf der Rückkehr nach Mainz besuchte Adolf Albrecht von Brandenburg an seinem fränkischen Hof und riet ihm, auch zum Kaiser zu ziehen, um die Belehnung rechtmäßig vollziehen zu lassen116. Ob diese Reise des Mainzers nur der Belehnung und Übertragung der Kanzleileitung oder doch zur Vorbereitung der Rückkehr des Kaisers ins Reich dienen sollte, ist unklar117. Als Friedrich III. 1471 mit seiner Reise zum Reichs 111 Vgl. Paul-Joachim Heinig, Die Mainzer Kirche im Spätmittelalter (1305–1484), in: Handbuch der Mainzer Kirchengeschichte, Bd. 1/1: Christliche Antike und Mittelalter, hg. von Friedhelm Jürgensmeier (Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 6, Würzburg 2000), S. 416–554, hier S. 542. Zur Mainzer Stiftsfehde vgl. ebd., S. 536–540. 112 Vgl. zur Anerkennung durch Papst und Kurfürsten Rolf, Kurpfalz, S. 40–43. 113 RI Friedrich III., 7, Nr. 337, S. 193 f. Vgl. Ellen Widder, Karriere im Windschatten. Zur Biographie Erzbischof Ruprechts von Köln (1427–1478), in: Vestigia Monasteriensia. Westfalen – Rheinland – Niederlande, hg. von ders./Mark Mersiowsky / Peter Johanek (Studien zur Regionalgeschichte 5, Bielefeld 1995), S. 29–72, hier S. 64 f. Rolf, Kurpfalz, S. 51. 114 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1105. 115 Ebd., S. 1145 f. 116 Ebd., S. 1105, 1148. 117 Vgl. ebd., S. 1145 f.
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tag in Regensburg die Bühne der aktiven Politik wieder vollends betrat, schien das Kurfürstenkollegium wenigstens teilweise gefestigter. 3. Interessenlagen Die reibungslose Herrschaftsübertragung ist aber nicht nur mit den jeweiligen Netzwerkstrukturen und der Hinwendung des Kaisers zum Binnenreich zu erklären, sondern auch mit den jeweiligen Interessen, die die Teilnehmer bei der Problemlösung verfolgten und die eine Aufnahme als Kurfürst trotz der Abweichungen von der Goldenen Bulle begünstigten. Zum Teil bezeugen sie die Quellen direkt, teilweise machen Netzwerkkonstellationen bestimmte Interessenlagen plausibel. Kaiser Friedrich III. und Albrecht von Brandenburg standen – wie bereits mehrfach beschrieben – in engem freundschaftlichem Verhältnis. Friedrich konnte nur Nutzen an einem starken Mitglied des Kurfürstenkollegiums haben, das sich über Jahrzehnte durch Treue ausgezeichnet hatte; deshalb war gerade die Kaisertreue das Leitmotiv in Albrechts schriftlicher Bitte um die Belehnung118; sein Bruder Friedrich von Brandenburg dagegen hatte sich von der Reichspolitik abgewandt und ganz auf die Herrschaft in der Mark konzentriert119. Sowohl Adolf von Mainz als auch Johann von Trier hatten ein starkes Interesse daran, gegenüber Friedrich dem Siegreichen einen weiteren Partner in der Kurfürstenriege zu haben120. Adolf von Mainz nämlich hatte bereits zu Beginn der 1460er Jahre in der Mainzer Stiftsfehde sich der Übermacht Friedrichs des Siegreichen gegenübergesehen, verdankte schließlich seine letztlich schnelle Durchsetzung dann doch dem Kurswechsel des Pfalzgrafen. Gleichwohl hatte dies Adolf zu Zugeständnissen gezwungen, die seinen Handlungsspielraum gegenüber Friedrich dem Siegreichen einengten; dies führte nicht nur zur Anerkennung des Pfalzgrafen als Kurfürst durch Adolf, sondern der Mainzer Erzbischof wurde sogar zu einem von jenem Pfälzer diktierten Bündnis mit der Kurpfalz genötigt121. 118 Siehe oben S. 101 f. die Ausführungen zum Ersuchen Albrechts an den Kaiser in Bezug auf seine Belehnung. 119 Schultze, Mark Brandenburg, S. 53–106. Im Übrigen hatte Kaiser Friedrich im Jahre 1452 bereits den brandenburgischen Markgrafen von der Goldenen Bulle abweichend die Teilung des Kurfürstentums erlaubt, Klaus Neitmann, Die Hohenzollern-Testamente und die brandenburgischen Landesteilungen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Brandenburgische Landesgeschichte und Archivwissenschaft. FS Lieselott Enders, hg. von Friedrich Beck / Klaus Neitmann (Weimar 1997), S. 109–125, hier S. 111. 120 Vgl. etwa Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1105, 1147. 121 Ebd., S. 1146 f. Kai-Michael Sprenger, Die Mainzer Stiftsfehde 1459–1463, in: Lebenswelten Johannes Gutenbergs, hg. von Michael Matheus (Mainzer Vorträge 10, Stuttgart 2005), S. 107–141, hier insbesondere S. 136–141. Eberhard Holtz, Friedrich I., Kurfürst von der Pfalz (1449–1476), in: Deutsche Fürsten des Mittelalters. Fünfundzwanzig Lebensbilder, hg. von dems./Wolfgang Huschner (Leipzig 1995), S. 370–382, hier S. 376 f. Zum Bündnis Adolfs von Mainz und Friedrichs des Siegreichen vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1147, 1159.
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Auch Johann von Trier hatte ähnliche Motive, sich in der Region „MittelrheinMain“ gegenüber der „ersten Hegemonialmacht der Landschaft“ durchzusetzen oder wenigstens zu behaupten122; denn Friedrich der Siegreiche hatte nach Heinig die beiden Erzbischöfe in die zweite Reihe der Bedeutung verbannt123. Als urkundliche Belege mögen die zahlreichen kaiserlichen Interventionen genügen, die die rheinischen Erzbischöfe gegen den Pfalzgrafen erwirkten124. Albrechts von Brandenburg Beziehungen zu Kurfürst Ernst und dessen Bruder Herzog Albrecht von Sachsen hatten sich seit den ausgehenden 1460er Jahren merklich verbessert, zumal auch sie von den unsteten Verhältnissen in der Nachfolge auf dem böhmischen Königsstuhl nach dem Tode Georgs von Podiebrad nach einer regionalen Ordnungsmacht suchten, die Albrecht zu gewährleisten versprach125. Dem zunehmend engen Verhältnis entsprach, dass Albrecht die Herrschaftsübergabe in Brandenburg mit den sächsischen Herzögen und Kurfürsten im Vorfeld abgesprochen hatte und diese sogar beim Übertragungsakt anwesend gewesen waren126. Mit der Platzierung seines Bruders Ruprecht von der Pfalz auf dem Stuhl des Kölner Erzbischofs kontrollierte Friedrich der Siegreiche de facto zwei Kurfürstenwürden127. Es handelte sich hierbei um eine wiederkehrende Bestrebung von weltlichen Kurfürsten, durch die Besetzung eines geistlichen Kurfürstentums Mehrheiten im Kollegium zu beeinflussen und ihre Macht zu steigern128; man denke nur an die Bestrebungen Herzog Ernsts von Sachsen, seinen Sohn Albrecht als Nachfolger Diethers von Isenburg auf dem Mainzer Erzbischofsstuhl zu etablieren129. Das Verhältnis zwischen Kurfürst Friedrich dem Siegreichen und Kaiser Friedrich III. war dauerhaft vergiftet, und der Kaiser verhinderte einen Frieden im Weißenburger Krieg, der seit Januar 1469 entbrannt war, im Dezember 1470 zum 122
Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1144, 1156. Vgl. ebd., S. 1156. 124 Vgl. ebd., S. 1159. 125 Eine moderne Studie unter aktuellen Fragestellungen zu diesem Themenkomplex steht aus. Vgl. immer noch Hellmut Kretzschmar, Die Beziehungen zwischen Brandenburg und den wettinischen Landen unter den Kurfürsten Albrecht Achilles und Ernst. 1464–1486, in: FBPrG 35 (1923), S. 21–44, und 37 (1925), S. 204–244, hier insbesondere (1923), S. 40–44. Benno Liebers, Albrecht Achilles von Brandenburg und die Wettiner (Diss. phil. Halle-Witten berg 1924 masch.), S. 33–119, der allerdings auf der Grundlage problematischer Quelleninterpretationen vielfach zu fragwürdigen Wertungen kommt. 126 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 16, S. 107 f. 127 Vgl. Ellen Widder, Kirche, Dynastie und Landesherrschaft. Die Kurpfalz im Spätmittelalter, in: Mittelalter. Der Griff nach der Krone. Die Pfalzgrafschaft bei Rhein im Mittelalter, hg. von Volker Rödel (Schätze aus unseren Schlössern 4, Regensburg 2000), S. 75–84, hier S. 81. 128 Friedrich der Siegreiche hatte bereits in den 50er Jahren versucht, seinen Bruder Ruprecht auf den Trierer Erzbischofsstuhl zu bringen, vgl. Holtz, Friedrich I., S. 373. 129 Vgl. Enno Bünz, Die Kurfürsten von Sachsen bis zur Leipziger Teilung (1423–1485), in: Die Herrscher Sachsens. Markgrafen, Kurfürsten, Könige. 1089–1918, hg. von Frank-Lothar Kroll (München 2007), S. 39–54, hier S. 50. 123
II. Albrecht wird Kurfürst
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Reichskrieg gegen Friedrich den Siegreichen unter Führung des Grafen Ludwig von Veldenz werden und mit der vollständigen militärischen Niederlage Ludwigs von Veldenz enden sollte130. Für eine aktive kurfürstliche Politik im Sinne des Kollegiums schied Friedrich der Siegreiche somit aus, die Erzbischöfe von Mainz und Trier wie auch der Herzog von Sachsen verhielten sich ihm gegenüber abwartendvermittelnd. Das Verhältnis zwischen Kaiser und Kurfürst war so gespannt, dass zeitweise der Name Friedrichs des Siegreichen in Anwesenheit des Kaisers nicht ausgesprochen werden durfte131. Die Ablehnung, Ruprecht von der Pfalz mit Köln zu belehnen, stellte ein wichtiges Faustpfand für den Kaiser dar132. Friedrich von Brandenburg hatte Friedrich den Siegreichen 1453 zusammen mit den Kurfürsten von Sachsen, Köln und Trier anerkannt133; Albrecht von Brandenburg hatte dies in seiner vorkurfürstlichen Zeit jedoch nicht getan. Die schriftliche Bitte Albrechts um Anerkennung seiner Nachfolge in Brandenburg an Friedrich den Siegreichen bot nun auch dem Pfalzgrafen die Chance, von einem seiner ärgsten politischen Gegner im Reich de facto als Kurfürst anerkannt zu werden; mehr noch: Ließ man diesen Fall zu und wurde er vom Kaiser geduldet, konnte Friedrich der Siegreiche auch auf die eigene Anerkennung hoffen. Genau genommen war die Anerkennung Albrechts als Kurfürst also gegenseitig und versprach, Friedrichs des Siegreichen Netzwerkmöglichkeiten zu festigen und zu vergrößern, die des Kaisers hingegen zu schwächen. Dass Friedrich dem Siegreichen die Vergleichbarkeit seiner Rechtslage mit der Albrechts von Brandenburg wohl klar war, ihm aber in dieser Situation an einer Duldung des offensichtlichen Rechtsbruchs aus eigenen Interessen lag, lässt ein Vergleich der Antwortschreiben der übrigen Kurfürsten an Albrecht mit dem Friedrichs des Siegreichen erahnen. Während beispielsweise der Erzbischof von Trier seine Freude äußerte und sich bereit erklärte, Albrecht in die Einung aufzunehmen, sah sich Friedrich der Siegreiche genötigt zu schreiben: […] uf das schreiben von eur liebe und auch dem hochgebornen fursten, unserm lieben oheim, eurem bruder, herrn Fridrich, marggrave zu Brandenburg, das kurfurstenthum und der kurfursten eynung antreffen, ist unser antwort gutlich, das daran an uns, so vil uns gepurt, nicht gebruchs sein solle134 .
Friedrich hielt es also für nötig, ausdrücklich den gebruch, einen Fehler, Mangel oder Schaden, gar einen Rechtsbruch, also eine Unregelmäßigkeit bei der Übertragung der Herrschaft, auszuschließen. So verwundert es auch nicht, dass Friedrich der Siegreiche später, im Jahre 1474 nach seiner Verurteilung auf dem Augsburger Reichstag, in einer Protestschrift unter anderem auf die Anerken 130
Vgl. Holtz, Friedrich I., S. 378. Zur Kurpfalz auch Moraw, Pfalzgrafschaft im Spätmittelalter, S. 94 f. 131 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1157. 132 Vgl. ebd., S. 1256 f. 133 Vgl. Rolf, Kurpfalz, S. 42. 134 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 47, S. 127.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
nung durch die übrigen Kurfürsten als Herrschaft legitimierendes Element Bezug nahm135. Es liegt somit nahe, in der eigenen Anerkennung durch Albrecht das Interesse Friedrichs des Siegreichen an der stillschweigenden Duldung zu sehen. Diese Anerkennung wirkte sich aber offensichtlich nicht auf die Beziehung zwischen dem neuen brandenburgischen Kurfürsten und dem Kaiser aus. 4. Erbfolgeregelung Im Zusammenhang mit der Herrschaftsübertragung der Hohenzollern im Jahre 1470 bedarf noch eine Urkunde Kaiser Friedrichs III. besonderer Berücksichtigung, die nur zwei Tage nach der Belehnung Albrechts von Brandenburg, am 14. Dezember 1470, ausgefertigt wurde136. Mit ihr bestätigte der Kaiser für den Fall des erbenlosen Todes des Kurfürsten Albrecht oder des Aussterbens seiner Erben Friedrich dem Älteren und dessen Erben in gesammeter hand die Nachfolge an den nun bei Kurfürst Albrecht konzentrierten Besitzungen. Mit Friedrich wurde nicht nur der gerade erst zurückgetretene Kurfürst, sondern gleichzeitig auch der ältere Bruder des neuen Kurfürsten Albrecht in die Erbfolge eingesetzt. Auf den ersten Blick wirkt diese Regelung widersprüchlich, nicht nur, weil Friedrich ja gerade erst zurückgetreten war, sondern insbesondere weil Friedrichs Söhne bereits gestorben waren und somit ein Fürst in der Erbfolge bedacht wurde, der als Erbe für die Kontinuität der Hohenzollern als Kurfürsten von Brandenburg scheinbar nichts beizutragen hatte. Wenn diese Regelung bisher von der Forschung überhaupt berücksichtigt wurde, dann wurde sie wegen dieser Widersprüche höchstens mit gewisser Verwunderung als „seltsamer“ Vorgang beiläufig erwähnt137. Ihren Sinn erhält die Bestimmung erst, wenn man zum einen bedenkt, dass von Albrechts von Brandenburg Brüdern neben dem älteren Friedrich kein weiterer mehr lebte, dass also mit dem Tode Albrechts und seiner Erben tatsächlich das hohenzollerische Haus aussterben und die gemeinsame Erbverbrüderung mit den Herzögen von Sachsen und den Landgrafen von Hessen greifen würde138. Zum anderen lohnt ein Blick auf die Söhne Albrechts von Brandenburg zu diesem Zeit 135 Regesten zur Geschichte Friedrich’s I., angef. Menzel, S. 479–491, hier S. 486. Neben den Kurfürsten nennt er die pfälzischen Untertanen sowie den Papst, die seiner Herrschaft zugestimmt hätten. Mitsch, Konflikt, S. 209. Mitsch arbeitet nicht zuletzt heraus, wie sehr die propfälzische Historiografie die Zustimmung der pfälzischen Untertanen als Herrschaft legitimierend betonte. 136 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/1, Nr. 386, S. 541. 137 Schultze, Mark Brandenburg, S. 97. 138 Müller, Erbeinung, S. 142 f., 292–295. Die Erbverbrüderung vom 29. Juli 1457 ist vom Kaiser allerdings nicht bestätigt worden. Vgl. Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hg. von Adolph Friedrich Riedel, Teil 2: Urkundensammlung zur Geschichte der auswärtigen Verhältnisse der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, Bd. 5 (Berlin 1848), Nr. 1784, S. 22–26 (eingeordnet unter Nr. 1786).
II. Albrecht wird Kurfürst
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punkt. Von seinen drei 1470 lebenden Söhnen war der älteste, Johann Cicero, erst 15 Jahre alt139; die nachgeborenen Söhne Friedrich und Siegmund waren zehn und zwei Jahre alt140. Nach der Goldenen Bulle, die für die Kurfürsten ein Mindestalter von 18 Jahren vorschrieb, hätte es zu diesem Zeitpunkt im Falle von Albrechts Tod eines Vormundes für seinen Sohn Johann Cicero bedurft141. Dieser, folgt man den Regeln der Goldenen Bulle weiter, hatte in Analogie zur regulären Erbfolge der „ältere Bruder des verstorbenen Erstgeborenen“ zu sein142. Es ist davon aus zugehen, dass in Kombination dieser Regelungen der Goldenen Bulle und den Bestimmungen von 1470 zur Erbfolge im Falle des Todes Albrechts von Brandenburg Markgraf Friedrich die Vormundschaft über Johann Cicero übernehmen sollte. Umso plausibler erscheint dies, wenn man bedenkt, dass nur noch drei Jahre bis zur Volljährigkeit Johann Ciceros zu überbücken waren. So erklärt sich, warum hier mit Markgraf Friedrich ein wahrscheinlich kranker, söhneloser und schon zurückgetretener Kurfürst als Erbe eingesetzt wurde. Außerdem muss für Albrecht von Brandenburg das Risiko, den zurück getretenen Friedrich im Erbfalle zu reaktivieren, beherrschbar erschienen sein. Schon am 17. Mai 1470 hatte er nämlich seinen Sohn Johann Cicero zum Statt halter in der Mark bestellt; er sollte fortan die Regierungsgeschäfte der Mark führen, und zwar unterstützt von fränkischen und brandenburgischen Räten143. Im „Regentschaftsrat“ finden sich unter anderem genau die drei Räte – Graf Gottfried von Hohenlohe, Georg von Waldenfels und Heinrich Hobeck – wieder, die von Seiten des Markgrafen Friedrich schon in den Verhandlungen um die Herrschaftsübertragung vor dem 2. April 1470 anscheinend die gesamte Zeit über anwesend waren; sie wurden nun unterstützt von weiteren Räten, darunter ebenso langjährige Räte des Markgrafen Friedrich wie etwa Friedrich Sesselmann, Bischof von Lebus und markgräflicher Kanzler144. Damit saßen in dem „Regentschaftsrat“ um den Markgrafen Johann Cicero weitgehend dieselben Leute, die zuvor Markgraf Friedrich gedient hatten. In der Situation des Erbfalls wären die Regierungsgeschäfte bis zur Volljährigkeit Johann Ciceros wohl einfach weitergelaufen – formal nicht mehr unter der Führung Albrechts von Brandenburg, sondern seines auf der Plassenburg sitzenden älteren Bruders Friedrich. Man wird Markgraf Friedrich somit wohl eher lediglich zur Erfüllung der Vormundschaftsfunktion bei einem möglichen Tode des amtierenden Kurfürsten vorgesehen haben, weniger hingegen als tatsächlichen Erben.
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Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 129; Schultze, Mark Brandenburg, S. 109. Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 129. 141 Die Goldene Bulle, bearb. Fritz, Cap. VII, S. 61 f. 142 Ebd., Cap. VII, S. 61 f. 143 Schultze, Mark Brandenburg, S. 109 f. Riedel, Krankheitszustand, S. 231. 144 Holtze, Märkische Kanzler, S. 246 f. Die fränkischen Räte Ludwig von Eyb und Georg von Absberg hingegen sollten nur kurze Zeit in der Mark bleiben und „Aufbauarbeit“ leisten, vgl. Schultze, Mark Brandenburg, S. 110. 140
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
Angesichts dieser offensichtlich auf die Vormundschaftsfrage ausgerichteten Regelungen drängt sich der Vergleich mit der Pfalzgrafschaft auf. Friedrich der Siegreiche nämlich hatte – wie bereits erwähnt – die Vormundschaft für seinen Neffen Philipp übernommen und sich im Wege der römisch-rechtlichen Arrogation der pfälzischen Kur bemächtigt. Ohne eine solche Regelung, wie sie hier zwischen den brandenburgischen Markgrafen getroffen und vom Kaiser gebilligt wurde, hätte beim Tode Albrechts von Brandenburg noch zu Zeiten der Minderjährigkeit Johann Ciceros eine instabile Regierung durch einen Vormund von außen gedroht; der Fortbestand der Hohenzollern als Kurfürsten von Brandenburg schien somit bedroht. Diese Maßnahme zur Sicherung der dynastischen Kontinuität stand jedoch in eindeutigem Widerspruch zur Intention der Goldenen Bulle, die ganz auf die Primogenitur ausgerichtet war. Ihre – nicht ganz eindeutige – Wendung, dass beim Ausfall der Erben des Erstgeborenen in zwei Generationen die Kur ad fratrem seniorem laicum per veram paternalem lineam descendentem145 fallen sollte, womit nach dem Primogenitur-Prinzip der nächstälteste Bruder des Erstgeborenen ge meint war, interpretierte die brandenburgische Seite, gleichsam von der Intention entkoppelt, in ihrem Sinne wohl ganz wörtlich dahin, dass als frater senior ein jeder ältere Bruder folgen konnte – und dies war der zurückgetretene Kurfürst Friedrich ja zweifellos146. Somit lässt sich festhalten, dass die Hohenzollern noch nach der eigentlichen Herrschaftsübertragung in der Mark, die mit der Belehnung Albrechts von Brandenburg ihren äußeren Abschluss erfahren hatte, zur Sicherung ihrer Herrschaft und von Kaiser Friedrich III. gebilligt wesentliche Regelungen der Goldenen Bulle sehr flexibel in ihrem Sinne auslegten und in diesem Falle im offenen Widerspruch zu ihr handelten. Bezieht man das oben gewonnene Ergebnis zum Zustand des Kurfürstengremiums im Jahre 1470 ein, so musste wohl auch Kaiser Friedrich III. ein Interesse daran haben, in der brandenburgischen Kur die Möglichkeit unklarer Verhältnisse wie etwa in der Pfalz zu verhindern. Dies erklärt die Lautlosigkeit, mit der diese im Erbfalle weitreichende und grundlegend wichtige Regelung nur zwei Tage nach Abschluss der Herrschaftsübertragung scheinbar nebenbei getroffen wurde. Aus der Perspektive der Markgrafen erweist sich die Regelung von 1470 als eine den momentanen Verhältnissen geschuldete Maßnahme; sie deutet im Übrigen bereits auf die sogenannte Dispositio Achillea hin, mit der Kurfürst Albrecht im Jahre 1473 kurz vor der Volljährigkeit des Markgrafen Johann Cicero die Aufteilung der Mark Brandenburg und der fränkischen Territorien unter seinen Söhnen für die Zeit nach seinem Tode festsetzte147.
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Die Goldene Bulle, bearb. Fritz, Cap. VII, S. 61 f. Ebd., Cap. VII, S. 61 f. 147 Wolfgang Neugebauer, Art. „Dispositio Achillea“, in: HRG 1 (22008), Sp. 1087 f., mit weiterer Literatur. 146
II. Albrecht wird Kurfürst
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5. Der Kaiser, die Kurfürsten und die Normen Nach der Untersuchung der Herrschaftsübertragung in der Mark Brandenburg im Jahre 1470 sind drei Punkte hervorzuheben: erstens der Ablauf der Herrschaftsübertragung und die Bedeutung sowie Gestalt der Kurfürsteneinung, zweitens die Rolle des Kaisers und drittens die Frage nach der Geltung von Normen, hier insbesondere der Goldenen Bulle. Festgehalten werden kann, dass im Jahre 1470 das Kurfürstenkollegium keine geschlossene Handlungseinheit vollständig legitimierter Mitglieder im Sinne der Regelungen der Goldenen Bulle und der Einungsverträge darstellte. Vielmehr reihte sich die Herrschaftsübertragung in Brandenburg in eine Kette von Handlungen ein, die zur Sicherung der Kurfürstenwürden in Mainz, Köln und Brandenburg beitrug. Dies verlief parallel zu der Rückkehr des Kaisers ins Reich. Im Falle Albrechts von Brandenburg hatten alle aktiven Kurfürsten ein Interesse an der Erhöhung Albrechts von Brandenburg, Freund wie Feind; und auch der Kaiser brauchte Albrecht bei seiner Rückkehr ins Reich. Auch wenn die Herrschaftsübernahme in der Goldenen Bulle nicht vorgesehen war, nützte sie doch allen; so kann man die Lautlosigkeit der Übertragung nachvollziehen und erklären. Daneben begünstigten die verwandtschaftlichen Netzwerkeigenschaften Albrechts von Brandenburg, dessen Position zentraler war als die seines Bruders, die reibungslose Herrschaftsübertragung. Die Rolle Kaiser Friedrichs III. bei der Stabilisierung des Kurfürstenkollegiums als Netzwerk, wie sie hier gezeigt wurde, passt nicht recht ins Bild des schwachen Kaisers, der zurückgezogen in den Erblanden das Reich vernachlässigte und der gegenüber Friedrich dem Siegreichen seine eigenen Interessen nicht habe durchsetzen können. Vielmehr waren die Netzwerkbeziehungen in dieser Situation durch die gegenseitigen Interessen reziprok: Mit der Rückkehr des Kaisers ging eine Stärkung der Rechtsposition der Kurfürsten einher; umgekehrt bereitete diese Stärkung politisches Handeln durch den Kaiser vor. So erklärt sich auch, warum Albrecht bei dieser Umgehung bestehender Normen im Gegensatz zu seinen Bemühungen in den Jahren vor 1470, in denen er mit anderen Mitteln vergeblich sein reichspolitisches Gewicht zu erhöhen versucht hatte, nun erfolgreich war148. Schließlich ist noch einmal über das Verhältnis der hier relevanten Normen im Verhältnis zur Praxis nachzudenken. Dass sich Normbildung beziehungsweise „Verrechtlichung“ im weitesten Sinne und alternative Lenkungsformen beziehungsweise Governance nicht widersprechen, zeigt die jüngere Governancefor
148 Vgl. zur Bedeutung des kaiserlichen Landgerichts Nürnberg in diesem Kontext zuletzt: Klaus Frhr. von Andrian-Werburg, Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach und das kaiserliche Landgericht Burggraftums Nürnberg, in: JbffL 60 (2000), S. 56–66, hier insbesondere S. 63. Zur Forschungsdiskussion über die Bedeutung des kaiserlichen Land gerichts für die Politik des Markgrafen siehe unten S. 395, Anm. 48.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
schung149. Vielleicht muss die Norm immer im Zusammenhang mit der Struktur, dem Netzwerk, und den darin handelnden Akteuren betrachtet werden. Für den Kaiser stellte die Goldene Bulle ein Instrument dar, Netzwerkverbindungen zu kappen und Netzwerkteilnehmer zu isolieren. Er konnte sie einerseits als Rechtfertigung für den eigenen Standpunkt einsetzen, andererseits aber auch, indem er sich über ihre Regeln hinwegsetzte, konkrete politische Ziele verfolgen beziehungsweise auf Netzwerkpartner Rücksicht nehmen. Allerdings fand dies seine Grenze in der Interessenüberschneidung anderer, zum Beispiel einer Mehrzahl der Kurfürsten, die ein Mitglied wenigstens teilweise zu legitimieren halfen, obwohl die Goldene Bulle dies nicht vorsah. An dem Umgang mit schriftlichen Normen bei der Anerkennung Albrechts von Brandenburg kann außerdem beobachtet werden, dass bei Interessenüberschneidung aller Beteiligter die Regelungen einer Norm ausgeblendet werden konnten. Besonders deutlich wird dieser flexible Umgang mit der Goldenen Bulle auch im Falle der innerbrandenburgischen Erbregelung. An der Anweisung von Kurfürst Albrecht an seine Räte, die am kaiserlichen Hof mit den Verhandlungen zur Kurübertragung betraut waren, die Goldene Bulle mitzuführen, wird deutlich, dass das Rechtsdokument bei den Verhandlungen mit dem Kaiser wahrscheinlich sehr wohl eine Rolle spielte. Wohl alle Beteiligten hatten Inhalt und Konsequenzen der in ihr enthaltenen Regelungen vor Augen; ihre Bindung aber hing wesentlich von den Konstellationen und Interessenlagen der einzelnen Akteure ab, man konnte sie durch Überschneidung von Interessen flexibel für sich nutzen. Verbindet man also die Frage nach dem Geltungsanspruch von normativen Texten mit Vorstellungen von interesse-geleiteten Netzwerken, so wird der Gegensatz von Norm und Praxis wenigstens plausibler.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474 Die Beziehungen der einzelnen Kurfürsten zum Kaiser waren bereits Gegenstand ausgiebiger Betrachtungen150, jedoch in unterschiedlichem Maße: Während an der Stellung der Erzbischöfe von Trier, Mainz und Köln sowie des Pfalzgrafen bei Rhein und des Markgrafen von Brandenburg reges Interesse bestand, hat nicht nur die landesgeschichtliche Forschung Kurfürst Ernst von Sachsen – wohl verursacht durch die schlechte Presse, die er wegen der Leipziger Teilung von 1485 149
Vgl. Zürn, Governance in einer sich wandelnden Welt, S. 564 f. Vgl. zu den Beziehungen Kaiser Friedrichs III. zu Friedrich dem Siegreichen Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1156–1173; zu Albrecht von Brandenburg ebd., S. 1098–1136; zum Erzbischof von Mainz ebd., S. 1145–1152; zum Erzbischof von Trier ebd., S. 1152–1156; zum Erzbischof von Köln ebd., S. 1249–1287 mit den dort angegebenen Verweisen auf die einschlägige ältere Literatur. Zu den Beziehungen zum König von Böhmen vgl. Begert, Böhmische Kur, S. 178–228. 150
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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in der preußischen Historiografie genoss – bisher weniger Aufmerksamkeit geschenkt, nicht zuletzt im Vergleich zu seinem Bruder Herzog Albrecht von Sachsen151. Auch die Bedeutung des Kurfürsten von Sachsen in der kurfürstlichen oder Reichspolitik wurde offensichtlich als nicht besonders hoch eingeschätzt, wie Heinig152 nahelegt, der ihm – anders als den übrigen Kurfürsten – nicht einmal ein eigenes Unterkapitel widmet. Außerdem haben ältere Studien im Verhältnis und der Bedeutung der Verbindungen der Kurfürsten untereinander eine räumliche Binnendifferenzierung vorgenommen, indem sie die Rolle der vier „rheinischen“ Kurfürsten für frühere153 und spätere Zeiten154 als den hier behandelten Zeitraum, aber auch insgesamt heraushoben155. Während der König von Böhmen156 über lange Zeit bekanntermaßen nicht an der aktiven Kurfürstenpolitik teilnahm, vermutete man als Grund für die Binnendifferenzierung unter den übrigen Kurfürsten, dass „Sachsen und Brandenburg weit weg“ gewesen seien und die territoriale Nachbarschaft, wirtschaft 151 Vgl. Bünz, Kurfürsten von Sachsen, S. 52 f. Außerdem insbesondere die jüngeren Arbeiten André Thieme, Albrecht der Beherzte. Stammvater der albertinischen Wettiner (Erfurt 2008); mit einem Schwerpunkt auf die spätere Herrschaftszeit von Ernst und Albrecht von Sachsen Rogge, Herrschaftsweitergabe, S. 213–246; zu älteren Forschungen zu Albrecht von Sachsen auch der Überblick bei André Thieme, Einleitung, in: Herzog Albrecht der Beherzte (1443–1500). Ein sächsischer Fürst im Reich und in Europa, hg. von dems. (Köln / Weimar / Wien 2002), S. 1–12, hier S. 3–6. Karlheinz Blaschke, Herzog Albrecht der Beherzte – ein sächsischer Fürst im Reich und in Europa, in: Herzog Albrecht der Beherzte (1443–1500). Ein sächsischer Fürst im Reich und in Europa, hg. von André Thieme (Köln / Weimar / Wien 2002), S. 13–26, hier S. 16–23. Jörg Rogge, Die Wettiner. Aufstieg einer Dynastie im Mittelalter (Ostfildern 2005), S. 171–184. Im Übrigen Brigitte Streich, Politik und Freundschaft. Die Wettiner, ihre Bündnisse und ihre Territorialpolitik in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Kontinuität und Zäsur. Ernst von Wettin und Albrecht von Brandenburg, hg. von Andreas Tacke (Schriftenreihe der Stiftung Moritzburg 1, Göttingen 2005), S. 11–33. 152 Kurfürst Ernst bzw. die Herzöge von Sachsen werden allgemein in den Kapiteln „Das Mittelelbe-Saale-Gebiet“ sowie „Der Norden des Binnenreichs“ mitbehandelt, vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1287–1316. Auf Herzog Albrecht den Beherzten beschränkt arbeitet André Thieme, Herzog Albrecht der Beherzte im Dienste des Reiches. Zu fürstlichen Karrieremustern im 15. Jahrhundert, in: Herzog Albrecht der Beherzte (1443–1500). Ein sächsischer Fürst im Reich und in Europa, hg. von dems. (Köln / Weimar / Wien 2002), S. 73–101, dagegen Parallelen zu Albrecht von Brandenburg heraus und betont die wichtige reichs politische Bedeutung des Herzogs schon in jungen Jahren. Eine vergleichbare Neubewertung der Rolle Kurfürst Ernsts von Sachsen steht aus; vorerst K[arlheinz] Blaschke, Art. „Ernst, Kfs. v. Sachsen“, in: Lex.MA 3 (1986), Sp. 2178 f. 153 Vgl. Moraw, Versuch, S. 226. Auch Claudia Garnier, Wie vertraut man seinem Feind? Vertrauensbildung und Konsensfindung der rheinischen Kurfürsten um 1400, in: FMASt 39 (2005), S. 271–291, hier S. 275. Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 49–79. 154 Vgl. z. B. Gotthard, Rheinische Kurfürstengruppe. 155 Aber auch von landesgeschichtlicher Seite wird die Bedeutung der rheinischen Kurfürsten im jeweiligen Einzelfall stark betont, so z. B. Friedhelm Jürgensmeier, Diether von Isenburg-Büdingen und Adolf II. von Nassau, in: Gutenberg. aventur und kunst. Vom Geheimunternehmen zur ersten Medienrevolution (Mainz 2000), S. 564–571, hier S. 566. 156 Vgl. zu Böhmen Ulrich Kühne, Geschichte der böhmischen Kur in den Jahrhunderten nach der Goldenen Bulle, in: AU 10 (1928), S. 1–110.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
liche Aspekte, ja schlicht die Kooperation benachbarter Landesherren den Mittelrhein als Kraftzentrum begünstigt hätten, sodass regionale Aspekte eine wie auch immer definierte Reichspolitik überlagert hätten157. Im Falle Brandenburgs sei mit der Herrschaftsübertragung auf Albrecht, der seinen Herrschaftsschwerpunkt in seinen fränkischen Gebieten hatte, das Kurfürstentum in die Stellung eines Nebenlandes gerückt, da die Mark ja von Albrechts Sohn Johann verwaltet worden sei158. Aber auch aus dem Einungsvertrag von 1446 wurde die Dominanz der rheinischen Kurfürsten abgelesen. Nicht zuletzt aus den vereinbarten Tagungsorten der Einung, nämlich Mainz, Worms, Aschaffenburg und Frankfurt am Main159, hat die Forschung die Dominanz der rheinischen Kurfürsten in diesem Bündnis erkennen wollen160; mehr noch, dieser Kurverein sei der „Höhepunkt“ in der politischen Organisation der rheinischen Kurfürsten gewesen. Obwohl von dem Verein keine historische Wirkung ausgegangen sei, habe er jedoch die rechtliche Grundlage für kurfürstliche Politik bis zum Kurverein von Gelnhausen im Jahre 1502 gebildet161. Es erstaunt, dass die Bewertung der Politik von fast sechzig Jahren auf der Grundlage einer Klausel eines Bündnisvertrages geschieht, deren Inhalt nicht einmal ansatzweise tatsächlich umgesetzt wurde, denn schließlich fand ein solcher Tag in all den Jahren an den vorgegebenen Orten wohl bis 1460 nur dreimal, danach anscheinend gar nicht mehr statt162. Weitere Zweifel am Gehalt der These für die hier unter 157 Vgl. Gotthard, Rheinische Kurfürstengruppe, S. 32–78; Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 49–79, im Einzelnen außerdem S. 80–165. Ziehen führt sogar für die östlichen Kurfürstentümer Sachsen, Böhmen und Brandenburg den Begriff der „Elbkurfürstentümer“ ein und stellt ihn als Ausdruck einer loseren Gruppe der rheinischen Kurfürsten gegenüber. Zwischen den rheinischen und den elbischen Kurfürstentümern habe eine territoriale Berührung weitgehend gefehlt; letztere seien jünger und in ihnen hätten die Voraussetzungen für eine stetige und starke kurfürstliche Reichspolitik gefehlt, vgl. ebd., S. 47. Vorsichtiger Thieme, Albrecht der Beherzte. Stammvater, S. 64–75, der von „Zurückhaltung“ der sächsischen Herzöge spricht. 158 Vgl. Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 46 f. 159 Kaiserliches Buch. Kurfürstliche Periode, hg. von Minutoli, Nr. 2, S. 6. 160 Vgl. Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 60. 161 Vgl. Schubert, Stellung der Kurfürsten, S. 125. Zum Kurverein siehe auch oben S. 111 ff. 162 Diesem Schluss liegt folgende Auswertung zugrunde: Bei Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 26 f., finden sich zwei Treffen von Frankfurt am Main (1456) sowie zwei weitere in Frankfurt im März und Mai 1457. Anhand des Itinerars der Erzbischöfe von Trier ergibt sich für den Zeitraum zwischen 1456 und 1502 ein ernüchterndes Bild: Erzbischof Jakob nahm am Kurfürstentreffen in Frankfurt im Februar 1456 teil, bevor er im Mai desselben Jahres starb; die Kurfürsten von der Pfalz, von Brandenburg und Sachsen entsandten lediglich Räte auf den Frankfurter Tag, vgl. Regesten zur Geschichte Friedrich’s I., angef. Menzel, S. 264 f. Regesten der Erzbischöfe zu Trier von Hetti bis Johann II. 814–1503, bearb. von Adam Goerz (Trier 1861, ND Aalen 1969), S. 204: 28. Mai. Auf einem Tag in Frankfurt im August 1456 fehlte der bereits am 21. Juni gewählte, jedoch erst Ende Oktober vom Papst bestätigte Erzbischof Johann von Trier, vgl. Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 26 f.; Regesten der Erzbischöfe von Trier, bearb. Goerz, S. 204 f. Ein Tag zu Nürnberg – abweichend von der nach der Kurfürsteneinung bestimmten Orte – im Dezember 1456 wurde mangels Teilnehmer vertagt, vgl. Regesten zur Geschichte Friedrich’s I., angef. Menzel, S. 267; Erzbischof Johann war hier nicht anwesend.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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suchten Jahre kommen bei der quantitativen Auswertung der Empfänger von Königsurkunden und weiteren königlichen Dokumenten in den Jahren 1470 bis 1475 auf: Albrecht von Brandenburg erhielt 152, die Herzöge von Sachsen 59, die Erz bischöfe von Trier 38, von Mainz 19 und der Pfalzgraf 20 beziehungsweise der Erzbischof von Köln 7163; ein erstes Indiz also, dass Kaiser Friedrich III. besonders Albrecht von Brandenburg und die sächsischen Kurfürsten und Herzöge begünstigte.
Auch den Tag zu Frankfurt im März 1457 besuchte Johann von Trier nicht, Krimm, Baden und Habsburg, S. 110. Folgt man Kerber, Herrschaftsmittelpunkte, S. 29, 302, so war Johann wohl auch bei dem Treffen im Mai 1457 in Frankfurt nicht anwesend. Er berücksichtigt dabei folgende Urkunde: LHA Koblenz, Abt. 1 Erzstift und Kurfürstentum Trier, A Urkunden der geistlichen und staatlichen Verwaltung, Nr. 8347: 1457 Mai 27, Frankfurt am Main. Ausgestellt von den Erzbischöfen von Mainz und Köln sowie den Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen wird die Aufnahme Johanns von Trier in die Kurfürsteneinung bestätigt; aus ihr geht nicht hervor, ob Johann von Baden in Frankfurt anwesend war. Eine andere Quelle geben wieder: Des Heiligen Römischen Reichs Teutscher Nation Reichs Tags Theatrum, wie selbiges unter Keyser Friedrichs V. allerhöchsten Regierung von anno 1440 bis 1493 gestanden und was auf selbigem in Geist und weltlichen Reichs-Händeln berahtschlaget, tractiret und geschlossen worden, hg. von Johann Joachim Müller, Teil 1 (Jena 1713), S. 592–595; Historia Trevirensis diplomatica et pragmatica, inde a translata Treveri praefectura praetorio Galliarum, ad haec usque tempora: e genuinis scripturis eruta, atque ita digesta, ut non solum jus publicum particulare archiepiscopatus et electoratus Trevirensis in suis fontibus plenissime exhibeat, sed et historiam civilem et ecclesiasticam Germaniae, ejusque singularia jura publica ac privata illustret, von Johann Nikolaus von Hontheim, Bd. 2 (Augsburg / Würzburg 1750), S. 429 f.; Das Teutsche Reichs-Archiv, hg. von Johann Christian Lünig, Bd. 16: Des Teutschen Reichs-Archivs Spicilegii Ecclesiastici. Fortsetzung des I. Theils / von Ertz-Stifftern / Auch Teutschem und Johanniter-Orden (o. O. o. J.), Nr. 51, S. 221 f. Das in beiden Urkunden beschriebene Verfahren, dass nämlich Johann von Trier vor Markgraf Friedrich von Brandenburg in Anwesenheit der Räte der übrigen Kurfürsten die entsprechende Eidesleistung zur Aufnahme in die Kurfürsteneinung erbracht habe, spricht eher dafür, dass dies zuvor in anderem Rahmen, nicht aber auf entsprechendem Tag zu Frankfurt geschah. Im sich anschließenden Zeitraum von 1457 bis 1474 war Johann möglicherweise ein einziges Mal am 16. August 1468 in Frankfurt, wo aber anscheinend kein Treffen mit den rheinischen Kurfürsten stattfand; vgl. hierzu Kerber, Herrschaftsmittelpunkte, S. 313, vor allem auch Anm. 29. Vom 1. bis 16. Dezember 1474 mit Unterbrechungen ist er ebenfalls in Frankfurt nachgewiesen, wobei es sich um ein Treffen mit Kaiser Friedrich III., der dort vom 25. November bis zum 16. Dezember bezeugt ist, und nicht um ein Treffen der Einung handelte; vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1379. 1486 vom 20. Januar bis zum 20. März war Johann wieder in Frankfurt, hierbei handelte es sich um den Aufenthalt zur Königswahl Maximilians I.; vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1385: Der Kaiser ist vom 30. Januar bis zum 28. März dort nachgewiesen. 1489 vom 15. Juli bis zum 29. Juli war Johann wieder in Frankfurt, auch hierbei handelte es sich um einen Reichstag, nicht um ein Einzeltreffen der rheinischen Kurfürsten; vgl. Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I., Bd. 3: 1488–1490, 2. Halbbd., bearb. von Ernst Bock (RTA. Mittlere Reihe, Göttingen 1973), S. 1018. Vgl. ferner Dieter Kerber, Die Itinerare der Trierer Erzbischöfe – Ansätze zur Residenzbildung, in: RhVjbll 56 (1992), S. 112–147, hier S. 132. 163 Dies ergab eine Auswertung der Ergebnisse der work-in-progress-Datenbank der Regesten Friedrichs III. Wie bereits oben S. 103, Anm. 39, beschrieben, sind hier alle an die Herzöge von Sachsen gerichteten Dokumente eingerechnet, die mit dem Kurfürstentum in Verbindung stehen.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
Es gilt im Folgenden, diese Differenzierung anhand einer Analyse des Netzwerks der Kurfürsten sowie der Netzwerkeigenschaften unter Einbeziehung des Kaisers zu überprüfen. Insbesondere soll das Politiknetzwerk unter dem Blickwinkel der besonderen Rolle des Brandenburgers zum einen als vertikaler Partner zum Kaiser und zum anderen als horizontaler Partner innerhalb der Kurfürsteneinung betrachtet werden. Eine lückenlose Aufarbeitung der Strukturen und Interessenlagen würde den Rahmen indes überschreiten; daher wird die Betrachtung auf wesentliche Ausschnitte konzentriert: Auf den Reichstag von Augsburg (1473), das Treffen in Niederbaden (1473), die Zusammenkunft mit Karl dem Kühnen in Trier (1473) sowie die Verhandlungen in der Kölner Stiftsfehde (1473). Bei dieser Untersuchung bietet sich als Darstellungsform nach genauerer Vorstellung der Netzwerkteilnehmer und ihrer jeweiligen Eigenschaften und Interessen eine chrono logische Abfolge in der Beschreibung der Zusammenkünfte an. 1. Beteiligte Zunächst ist über die bereits oben gemachten Anmerkungen hinaus ein kurzer Blick auf die Netzwerkteilnehmer und ihre Stellung in den Jahren 1470 bis 1475 zu richten164. Adolf von Nassau, Kurfürst und Erzbischof von Mainz, hatte sich zwar in der Mainzer Stiftsfehde gegen Diether von Isenburg durchgesetzt, seine Möglichkeiten blieben jedoch stets begrenzt165; nicht nur die Kriegsfolgen und die chaotischen Verhältnisse im Erzstift infolge der Stiftsfehde, insbesondere die überaus hohe Verschuldung, sondern auch die ihn umgebenden Mächte, namentlich die erfolgreichen Landgrafen von Hessen, das pfälzisch geprägte Domkapitel sowie Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche schränkten seine Handlungsmöglichkeiten stark ein166. Adolfs Versuche, die Folgen seiner eigenen Einsetzung innerhalb des Erzbistums in den Griff zu bekommen, werden als gescheitert bewertet167. Seine schwache Position, die nur auf der Legitimation durch Kaiser und Papst fußte, habe er durch Herrschernähe und Dienst im Auftrage des Kaisers zu kompensieren versucht168. Der übermächtige Friedrich der Siegreiche hatte ihn am Ende der sechziger Jahre zu einem Freundschaftsbündnis genötigt, ebenso zu einem ähnlichen Bündnis mit Karl dem Kühnen im November 1469169. Diese offensichtliche Entfernung von der kaiserlichen Partei hatte seinen Ruf am Hofe 164
Siehe auch oben B. II. 3. Vgl. Friedhelm Jürgensmeier, Erzbistum Mainz, in: Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, hg. von Erwin Gatz (Freiburg i. Br. 2003), S. 400–426, hier S. 416. 166 Vgl. Heinig, Mainzer Kirche, S. 541 f. Jürgensmeier, Diether und Adolf, S. 564. 167 Vgl. Friedhelm Jürgensmeier, Das Bistum Mainz. Von der Römerzeit bis zum II. Vatikanischen Konzil (Beiträge zur Mainzer Kirchengeschichte 2, Frankfurt a. M. 1988), S. 163. Ders., Diether und Adolf, S. 566. 168 Heinig, Mainzer Kirche, S. 541. 169 Ebd., S. 542. 165
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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Friedrichs III. anscheinend nicht dauerhaft geschmälert, denn Erzbischof Adolf von Mainz – wohl aufgrund kaiserlichen Willens und wenn auch erst nach Wiederholung des früheren Loyalitätsrevers – wurden im Jahre 1470 die römische Kanzlei übertragen sowie das kaiserliche Kammergericht verpachtet170. Erzbischof Adolfs Rolle am Hofe Kaiser Friedrichs III. und in der Reichspolitik wird als zurückhaltend171, gleichzeitig auch als „Sonderfall“172 beschrieben, da er in seiner Zeit als Kanzler nicht nur als Urkundenempfänger für sich und sein Erzstift, sondern auch als Vermittler für den Urkundenempfang seiner regionalen Klientel wie auch anderer ihm zugewandter Reichsangehöriger fungierte. Für das Reich habe er indes eine „Integrationsfunktion“ besessen. Zusammen mit Albrecht von Brandenburg habe er nach Heinig173 eine „Säule“ bei der Rückkehr des Kaisers ins Reich gebildet, wie die Treffen von Villach und Graz deutlich machten174. Während seines Besuchs in Kärnten wurde der Mainzer Erzbischof nicht nur mit den Regalien belehnt, sondern erhielt auch – wohl aus politischen und weniger aus finanziellen Motiven175 – die Pacht der kaiserlichen Kanzlei übertragen176. Bereits auf seiner Rückreise besuchte Adolf Kurfürst Albrecht in Ansbach und unterrichtete ihn von den Vorgängen am kaiserlichen Hof. Er versicherte ihm außerdem seine fruntschaft und beteuerte, auch weiterhin gut marggrefisch sein und bleiben zu wollen177. Auch in den Folgejahren sei das Verhältnis der beiden Kurfürsten das engste innerhalb des exklusiven Kreises der Königswähler geblieben. Johann von Baden, Erzbischof und Kurfürst von Trier, verdankte seine Stellung vor allem seinen verwandtschaftlichen Beziehungen sowie dem Kaiser und dem Papst178; 170 Ebd., S. 542. Ders., Hof, Regierung, Politik, S. 98, 658. Ernst Schubert, Der Mainzer Kurfürst als Erzkanzler im Spätmittelalter, in: Der Mainzer Kurfürst als Reichserzkanzler. Funktionen, Aktivitäten, Ansprüche und Bedeutung des zweiten Mannes im Alten Reich, hg. von Peter Claus Hartmann (Geschichtliche Landeskunde 45, Stuttgart 1997), S. 77–97, hier S. 90–95. 171 Vgl. Friedhelm Jürgensmeier, Art. „Adolf, Graf von Nassau-Wiesbaden-Idstein“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. 1448–1648. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz (Berlin 1996), S. 4–6, hier S. 5. 172 Vgl. Heinig, Mainzer Kirche, S. 542. 173 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1106. 174 Jürgensmeier, Diether und Adolf, S. 566, sieht die Rückkehr Friedrichs III. ins Binnenreich als Folge der Übernahme der Kanzlei durch Adolf von Mainz an, leider ohne weitere Nachweise. 175 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 662. 176 Ebd., S. 1148–1150. Von der Übertragung der Kanzlei auf den Mainzer Erzbischof war Albrecht bereits im August 1470 unterrichtet worden; vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 89, S. 171 f., hier S. 171. 177 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 68, S. 147. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1106, Anm. 883. 178 Vgl. zu ihm Wolfgang Seibrich, Art. „Johann, Markgraf von Baden“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. 1448–1648. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz (Berlin 1996), S. 341–343. Bernhard Schneider, Erzbistum Trier, in: Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, hg. von Erwin Gatz (Freiburg i. Br. 2003), S. 747–768, hier S. 755. Kerber, Herrschaftsmittelpunkte, S. 19–33 (zu seiner Person). Außerdem Rudolf Holbach, Stiftsgeistlichkeit im Spannungsfeld von Kirche
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
durch die Verzahnung kurtrierischer und badischer Politik179 habe er innere wie äußere Widerstände rasch überwunden, sich – gemeinsam mit den übrigen rheinischen Kurfürsten – besonders um die Sicherheit und die Wirtschaft im Rheinland gekümmert, er sei „vorsichtig taktierend“ mit dem Sinn für das Machbare auf die Konsolidierung seines Territoriums bedacht gewesen180. Der Kölner Erzbischof Ruprecht von der Pfalz hatte „Karriere im Windschatten“181 seines Bruders Friedrich des Siegreichen gemacht, von dem er sich erst als Folge seines Regalienempfangs von Kaiser Friedrich III. auf dem Reichstag von Regensburg 1471 emanzipieren konnte182. Nach anfänglich gelungenen Reformen183 in geistlichen und weltlichen Dingen verhinderte allerdings die Kölner Stiftsfehde, in der sich Ruprecht, das Kölner Domkapitel, der Stiftsadel und die Stiftsstädte unüberbrückbar gegenüberstanden, eine dauerhafte Konsolidierung von Herrschaft und Finanzen184. Mit der Benennung Karls des Kühnen zum Schirmherrn des Kölner Erzstiftes erhielt der Konflikt eine reichs-, ja außenpolitische Dimension, die sich in zahlreichen Verhandlungsinitiativen des Kaisers sowie anderer Kurfürsten und in der Belagerung von Neuss durch Karl den Kühnen 1474 äußerte185. Friedrich der Siegreiche übte eine Hegemonialstellung an Mittelrhein und Untermain aus, bedrängte nicht nur seine direkten Nachbarn, sondern war zusammen mit Karl dem Kühnen die umstrittenste Herrscherfigur seiner Zeit186. Der vom und Welt. Studien zur Geschichte des Trierer Domkapitels und Domklerus im Spätmittelalter, 2 Teile (Trierer Historische Forschungen 2, Trier 1982), S. 31, 52–54. Ferdinand Pauly, Aus der Geschichte des Bistums Trier. Die Bischöfe bis zum Ende des Mittelalters, Bd. 2 (Ver öffentlichungen des Bistumsarchivs Trier 18, Trier 1969), S. 132 f. 179 Vgl. Krimm, Baden und Habsburg, S. 99–101, 194–197. 180 Vgl. Kerber, Herrschaftsmittelpunkte, S. 41–51, 61. 181 Widder, Karriere, S. 70 und der Titel des Aufsatzes. Vgl. ferner Wilhelm Janssen, Geschichte des Erzbistums Köln, Bd. 2: Das Erzbistum Köln im späten Mittelalter 1191–1515, 1. Teil (Köln 1995), S. 277–291, hier insbesondere S. 278–287. ders., Das Erzbistum Köln, Bd. 2: Vom Spätmittelalter bis zum Kölnischen Krieg (Kehl a.R. 1995), S. 19 f. Erwin Gatz, Erzbistum Köln, in: Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, hg. von dems. (Freiburg i. Br. 2003), S. 273–290, hier S. 280. Franz Bosbach, Art. „Ruprecht, Pfalzgraf bei Rhein“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. 1448–1648. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz (Berlin 1996), S. 605–607. 182 Bosbach, Ruprecht, S. 606. 183 Vgl. Bernhard Neidiger, Erzbischöfe, Landesherren und Reformkongregationen. Initiatoren und treibende Kräfte der Klosterreformen des 15. Jahrhunderts im Gebiet der Diözese Köln, in: RhVjbll 54 (1990), S. 19–77, hier S. 52–64. 184 Vgl. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 117. 185 Vgl. Bosbach, Ruprecht, S. 606 f. 186 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1156–1173. Holtz, Friedrich I., S. 378. Zu den Verhältnissen insgesamt auch Leuschner, Deutschland, S. 214–216. Jörg Schwarz, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche, der Regensburger Christentag 1471 und die Konzepte der Kon frontation, der Kooperation und der Kompensation, in: Fürsten an der Zeitenwende zwischen Gruppenbild und Individualität. Formen fürstlicher Selbstdarstellung und ihre Rezeption (1450–1550), hg. von Oliver Auge / Ralf-Gunnar Werlich / Gabriel Zeilinger (Residenzforschung 22, Ostfildern 2009), S. 263–289, hier insbesondere S. 263–270.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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Kaiser wegen der Usurpation im Wege der Arrogation nicht anerkannte Pfalzgraf beanspruchte eine königsgleiche Stellung und intervenierte in zahlreichen Konflikten, ja führte eine antikaiserliche Koalition an187. In den hier zu analysierenden Jahren erreichten die kaiserlich-pfälzisch-brandenburgischen Beziehungen einen weiteren Tiefpunkt, eine Kommunikation zwischen ihnen bestand in dieser Zeit praktisch nicht188. Nach seiner Niederlage im Weißenburger Krieg gab es seit 1473 Ausgleichsverhandlungen mit dem Kaiser, die schließlich ein Jahr später in einen Prozess gegen den Pfalzgrafen mündeten, den Albrecht von Brandenburg zeitweise als Kammerrichter leitete und der mit einem Achturteil endete189; das Urteil wurde nicht vollstreckt. Wie bereits im Zusammenhang mit der Kurübertragung in Brandenburg angedeutet, regierten in Sachsen Ernst und Albrecht gemeinschaftlich: der ältere Ernst als Kurfürst, der jüngere Albrecht als Herzog190. In den thüringischen und fränkischen Teilen regierte Herzog Wilhelm, der Onkel von Ernst und Albrecht. Ihr besonderes Augenmerk galt der Konsolidierung ihrer eigenen Herrschaft, die seit dem Ende des Bruderkrieges 1451 in einer stetigen Aufwärtsbewegung war und vor allem finanziell auf festen Fundamenten stand191. Neben ihrem innerterritorialen Engagement stellten sie eine wichtige Ordnungsmacht mit Orientierung nach Norden und Osten dar, insbesondere die Nachfolge in Böhmen weckte ihr Interesse. Mit Albrecht von Brandenburg unterhielten die sächsischen Herzöge im Untersuchungszeitraum einen dichten Korrespondenzverkehr192. Nach außen handelten sie vielfach geschlossen „und vertraten so gemeinsam die Interessen des Gesamthauses Wettin“193. Nach dieser Vorstellung der Netzwerkteilnehmer soll dieses Geflecht nun an unterschiedlichen Beispielen mehrerer Treffen der Jahre 1473 und 1474 genauer untersucht werden.
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Zu den Beziehungen in den Jahren 1470–1475 vgl. Rolf, Kurpfalz, S. 114–160. Aus sieben Jahren, 1470–1476, kennen wir lediglich sieben Schreiben, vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1157. 189 Vgl. Krieger, Prozeß gegen Pfalzgraf Friedrich, S. 257–259, 276–286; siehe im Einzelnen unten E. II. 11. c). 190 Vgl. Blaschke, Geschichte Sachsens, S. 291. 191 Vgl. Bünz, Kurfürsten von Sachsen, S. 51. 192 Dies verdeutlicht der Blick ins Register von Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1. Siehe außerdem etwa unten D. III. 3. 193 Vgl. Holtz, Wilhelm. 188
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
2. Der Reichstag von Augsburg Der Reichstag von Augsburg, zu dem Albrecht von Brandenburg ausnahmsweise erschien, lässt eine Betrachtung des Kurfürstennetzwerkes in günstiger Weise zu194. Nach seiner Ankunft vertrat Albrecht zunächst den Kaiser und fungierte nach dessen Ankunft am 25. April als sein Sprecher195. Neben dem Kaiser und Albrecht von Brandenburg waren auf diesem Tag auch der sächsische Kurfürst196 sowie die Erzbischöfe von Trier197 und Mainz198 anwesend, ferner auch Erzherzog Maximilian; die beiden letzteren erreichten Augsburg zusammen mit dem Kaiser199. Auf dem Reichstag wurde eine Reihe von Angelegenheiten verhandelt, die auch Albrecht direkt betrafen. So vermittelten im Streit zwischen ihm und Herzog Ludwig von Bayern-Landshut die sächsischen Herzöge als kaiserliche Kommissare200, wie bereits zuvor auf einer Versammlung in Halle zwischen Albrecht von Brandenburg und den Sachsen vereinbart worden war201. Über Streitgegenstand und Verlauf der Schlichtungsverhandlungen gibt die Korrespondenz detailreich Aufschluss: Es ging unter anderem um den Schutz einer Kirche, um Behinderungen bei der Jagd, um Gerichtsrechte, den Bruch des markgräflichen Landfriedens, Übergriffe des Bayern auf Untertanen des Markgrafen und weitere Regalien fragen202. Den schlecht vorbereiteten Räten schien der Markgraf von Brandenburg in den Verhandlungen überlegen, und Albrecht zweifelte rasch an der Ernsthaftigkeit der Verhandlungsbereitschaft des Landshuters, der persönlich auf dem 194 Die kaiserliche Ladung erreichte Albrecht Achilles und den Kurfürsten von Sachsen am 12. März 1473 auf einem Treffen in Halle; vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1112. Die Meldung der Ankunft am Lech erfolgte am 10. April 1473; vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 552, S. 496. Den Inhalt der brandenburgischen Korrespondenz zu den folgenden Treffen von Augsburg, Trier und Köln wertete bereits Walser in Teilen aus; er kommt aber, abgesehen von der Referierung des Korrespondenzinhalts, aus politikgeschichtlicher Perspektive zu keinen nennenswerten Ergebnissen, vgl. Walser, Botenwesen, S. 243–269. 195 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1112–1114. 196 Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 552, S. 496. 197 Am 21. Mai ist Johann von Baden dort nachgewiesen; vgl. Kerber, Herrschaftsmittelpunkte, S. 318. 198 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 558, S. 499. 199 Ebd. In dem Schreiben werden ferner der Bischof von Augsburg und Herzog Hans von Bayern genannt. 200 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1113. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 564, S. 505. Zur kaiserlichen Kommission insgesamt Ralf Mitsch, Die Gerichts- und Schlichtungskommissionen Kaiser Friedrichs III. und die Durchsetzung des herrscherlichen Jurisdiktionsanspruchs in der Verfassungswirklichkeit zwischen 1440 und 1493, in: Das Reichskammergericht. Der Weg zu seiner Gründung und die ersten Jahrzehnte seines Wirkens (1451–1527), hg. von Bernhard Diestelkamp (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 45, Köln / Weimar / Wien 2003), S. 7–77, hier S. 7–15. Siehe dazu außerdem unten D. I. 4. 201 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 555, S. 497. 202 Zu den Inhalten umfassend siehe unten E. II. 9.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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Reichstage nicht erschien203. Verhandlungsführung und Verlauf sollen aber im Einzelnen hier nicht weiter interessieren204. Für die Netzwerkbetrachtung wichtiger ist die Benennung Sachsens als Schlichter, die folgendermaßen zu erklären ist: Albrecht war in zweiter Ehe mit Anna von Sachsen verheiratet, der Tochter Herzog Friedrichs II. und Schwester Kurfürst Ernsts und Amalias von Sachsen. Amalia war ihrerseits mit Ludwig dem Reichen verheiratet, sodass Albrecht von Brandenburg und Ludwig von Bayern-Landshut über ihre sächsischen Ehefrauen miteinander in verwandtschaftlichen Beziehungen standen205. Somit handelte es sich um ein typisches Phänomen, dass Streitschlichter im Sinne vormoderner Vorstellung von Neutralität gleiche personale Bindungen zu beiden Streitparteien unterhielten206. Mit Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen handelte es sich außerdem um die Schwager der Streitparteien; nach Spieß207 traute man dem Schwager bei der Streitschlichtung besonderen Einfluss auf die Parteien zu. Somit handelte es sich um die Benennung eines klassischen Vermittlers, die nur nachrangig mit der Stellung der Sachsen und des Brandenburgers als Kurfürsten zusammenhing, sondern maßgeblich davon geprägt war, dass es sich um einen Regionalstreit unter zwei Reichsfürsten handelte208. Ganz im Gegensatz dazu stand die Antwort Ludwigs des Reichen, den die sächsischen Herzöge am 16. Mai in Ingolstadt aufgesucht hatten209. Dieser nämlich wollte aus den regionalen Streitigkeiten solche von reichspolitischer Dimension machen, indem er die Bedingung stellte, er verhandle nur, wenn auch gleichzeitig die Streitigkeiten zwischen seinen Bundesgenossen, den Bischöfen von Würzburg und Eichstätt, dem Pfalzgrafen und der Stadt Nürnberg mit Albrecht zur Sprache kämen. Es handelte sich hierbei um nahezu alle Gegner Albrechts von Brandenburg210 oder, aus unserer Sicht, um den Versuch, unterschiedliche Politiknetzwerke miteinander zu verknüpfen. Wahrscheinlich hoffte Ludwig, so seine Position zu stärken. Die Antwort Albrechts an die Herzöge von Sachsen sechs Tage später aus Augsburg macht die unterschiedlichen Ebenen, in denen ein Austrag der verschiedenen Konflikte nötig sei, offen sichtbar211. Eine Verquickung stifte eher Verwir-
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Ebd., Nr. 571, S. 508 f. Ebd., Nr. 564, S. 501–505. Siehe hierzu im Einzelnen unten E. II. 9., ferner auch unten S. 331 f. 205 Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 153. 206 Vgl. Klaus Oschema, Auf dem Weg zur Neutralität. Eine neue Kategorie politischen Handelns im spätmittelalterlichen Frankreich, in: Freundschaft oder „amitié“? Ein politischsoziales Konzept der Vormoderne im zwischensprachlichen Vergleich (15.–17. Jahrhundert), hg. von dems. (ZHF. Beiheft 40, Berlin 2007), S. 81–108, hier S. 107. 207 Vgl. Spieß, Verwandtschaft, S. 502–504, insbesondere S. 504. 208 Siehe auch unten D. III. und E. II. 9. 209 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 570, S. 507. 210 Herzog Ludwig war mit den direkten Nachbarn Albrechts von Brandenburg, den Reichsstädten Augsburg, Nürnberg und Ulm, verbündet. Siehe auch unten S. 441 f. 211 Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 571, S. 508 f. 204
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
rung als dass sie zur Lösung der Frage beitrage, da seine Auseinandersetzungen mit dem Pfalzgrafen, von denen er selbst nichts wisse, eine Sache der Kurfürsteneinung sei, und er mit den meisten anderen aufgezählten Handlungsträgern bereits wieder verglichen sei. Neben diesen Verhandlungen212, von deren weiteren Verlauf die Quellen leider nichts mitteilen, beherrschte Albrecht von Brandenburg den Tag mit weiteren Themen, die einer Lösung zugeführt wurden: So wurde die Frage der Brauneckschen Lehen zu seinen Gunsten gelöst213, der Empfang diverser Privilegien und die Bestätigung von Urteilen und Sprüchen sowie der sogenannten Dispositio Achillea214. Dem Erzbischof Johann von Trier bestätigte der Kaiser die Vereinigung des Klosters Prüm mit dem Stift Trier215 und eine Urkunde Ludwigs des Bayern von 1332216; für die Herzöge von Sachsen, den Pfalzgrafen sowie den Erzbischof von Mainz sind keine Bestätigungen oder Privilegienausstellungen überliefert. Offensichtlich war der Erzbischof von Mainz auf dem Tag von Augsburg allerdings in seiner Funktion als Kanzler rege aktiv217. Albrecht von Brandenburg wurde außerdem als Intervenient für die Belehnung des Bischofs von Straßburg tätig und erhielt Kommissionen aufgetragen gleichwie aberkannt218. Neben diesen Aktivitäten stand als einziger Abschluss von reichspolitischer Bedeutung ein Beschluss von Kaiser und Kurfürsten, gemeinsam eine Gesandtschaft zum König von Ungarn zu schicken, um mit Matthias Corvinus über Böhmen zu verhandeln. Zwischen dem 28. Mai und dem 8. Juni 1473219 verließ Albrecht von Brandenburg den Reichstag von Augsburg. Erzbischof Adolf von Mainz sandte am 13. Juni 1473 ein Schreiben an Albrecht, aus dem hervorgeht, dass dieser im Zentrum dieser Gesandtschaft stehen sollte220. Neben den drei Kurfürsten sollten 212 Sie können allerdings zu keinem endgültigen Ergebnis geführt haben, denn schon am 3. Juli ist von der Planung einer Zusammenkunft in Nürnberg die Rede, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 593, S. 520. 213 Siehe hierzu im Einzelnen unten D. II. 214 Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller, Heft 5: Die Urkunden und Briefe aus dem Hessischen Hauptstaats archiv Wiesbaden, bearb. von Ronald Neumann (Wien u. a. 1988), Nr. 238, S. 151 f.; ebd., Heft 9: Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken der Regierungsbezirke Koblenz und Trier, bearb. von Ronald Neumann (Wien u. a. 1996), Nr. 242, S. 196 f.; 20, Nr. 205, S. 154 f.; Nr. 208, S. 157; Nr. 209, S. 157; Nr. 210, S. 158; Nr. 211, S. 158 f. Regesta, Chmel, 2, Nr. 6709, S. 650; Nr. 6723, S. 651; Nr. 6724, S. 651 f. Zur Dispositio Achillea siehe oben S. 122. 215 RI Friedrich III., 9, Nr. 240, S. 195 f. 216 Ebd., Nr. 241, S. 196. 217 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1113. 218 Vgl. ebd., S. 1113 f. 219 Nach Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 572, S. 509, schrieb er an diesem Tage wieder aus Ansbach. 220 Ebd., Nr. 575, S. 510.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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sich auch die Kurfürsten und Herzöge von Sachsen und Ludwig der Reiche von Bayern-Landshut mit Vertretern beteiligen. Da es aber wegen der kurzen Zeit den Erzbischöfen von Mainz und Trier unmöglich sei, eigene Gesandte zu senden, möge er auch für sie Gesandte mitschicken. Der Erzbischof führte diese Bitte als Tauschgeschäft vor, da er direkt im Anschluss erwähnt, er werde beim Kaiser der schulde halben uwer sweger von sachssen antreffende zur Sprache bringen. Am 18. Juni forderte der Kaiser Albrecht auf, am 4. Juli seine Gesandten in Regensburg zu haben; gleichzeitig sandte er eine Instruktion für diese mit221; Albrecht bestätigte die planmäßige Anreise seiner Vertreter in Regensburg am 27. Juni 1473222. Er stellte drei Gesandte, namentlich doctor Lorenzen Thumen, Wilhelmen von Lentersheim und Sebastian von Wallenrod223 . Sebastian von Wallenrod wurde wegen seiner Sprachkenntnisse – er war des Ungarischen, Böhmischen und Deutschen mächtig – ausgewählt, Wilhelm von Lentersheim war sein tugenlicher gesell. Lorenz Thumen schickte er als dritten, damit für jeden Kurfürsten stellvertretend ein Gesandter reise, damit es keine gockelbotschaft sei. In demselben Schreiben erklärt Albrecht seine Haltung zu allen Beschlüssen, die in seiner Abwesenheit zur Türkenabwehr gefasst würden, mit „Was der Kaiser wolle, wolle auch er.“ Würden seine bisherigen Leistungen angerechnet, wie es in Regensburg besprochen worden sei, sähe er es gern. Er sei aber zu Opfern für den Kaiser und den Glauben bereit. An der ungarischen Gesandtschaft hatten anscheinend alle Kurfürsten ein Interesse, zumindest diejenigen, die Gesandte mitschickten. Am 6. Juli bat Erzbischof Adolf Albrecht, die Gesandten noch aufzuhalten, um auf die Abfertigung der Botschaft des Kaisers zu warten224. Nur drei Tage später erging ein weiteres Schreiben, mit dem Adolf von Mainz die Vorgaben Albrechts an die Gesandtschaft für gut hieß, nämlich dass man sich mit Drohworten so lange wie möglich zurückhalten sollte; dies habe ebenso der Kaiser für angemessen befunden225. Am selben Tage sandte auch der Kaiser an Markgraf Albrecht die Aufforderung, seine Gesandten nicht nach Regensburg, sondern nach Linz zu schicken226. Albrecht seinerseits antwortete darauf an den Erzbischof von Mainz, er werde seine Räte pünktlich in Linz haben227. Nach dieser Nachricht ist in der Korrespondenz von der Gesandtschaft nach Ungarn nichts mehr zu hören. Die dichte Kommunikation zwischen dem Kaiser, den Kurfürsten von Mainz und Trier und Albrecht von Brandenburg zeigt aber, dass Albrecht in einer für Kaiser und Kurfürsten 221
Ebd., Nr. 576, S. 510 f. Ebd., Nr. 585, S. 515. 223 Ebd., Nr. 586, S. 515 f. 224 Ebd., Nr. 598, S. 521 f. 225 Ebd., Nr. 603, S. 523. 226 Ebd., Nr. 604, S. 524. 227 Ebd., Nr. 614, S. 529. 222
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
zentralen Angelegenheit eine wichtige Informations- und Organisationsstelle war; seine Zentralität im Netzwerk wird sehr deutlich. Zwischen den übrigen Kurfürsten, dem Kaiser und Albrecht bestand somit eine gegenseitige Abhängigkeit. Albrecht gab offensichtlich die Verhandlungstaktik vor, der sich der Kaiser und die Kurfürsten von Trier und Mainz widerspruchslos anschlossen. Auch der vorausgegangene Reichstag von Augsburg war von Albrecht maßgeblich mitbestimmt worden, zum einen in Fragen, die ihn in erster Linie als Landesherrn betrafen, zum anderen aber auch als Vertreter des Kaisers. Die Vermittlungsposition des sächsischen Herzogs schließlich ergab sich weniger aus der Position als Mitglied der Kurfürsteneinung, als vielmehr aus der eines neutralen Schlichters, wie die Betrachtung des Verwandtschaftsnetzes gezeigt hat228. 3. Das Treffen von Niederbaden Nachdem der Kaiser Augsburg am 14. Juni 1473 verlassen hatte, fand er sich in den letzten Tagen des Juni in Baden beziehungsweise Niederbaden, heute Baden-Baden, ein229. Im Vorfeld hatte er Albrecht eingeladen, auch dorthin zu kommen, um mit ihm zu baden und fröhlich zu sein230 . Mitte Juni hatte Friedrich III., der gerade in Göppingen weilte, offenbar Nachricht, dass Albrecht nicht nach Baden anreisen würde, und so lud er ihn auf den 1. August nach Trier ein, wo er sich mit Karl dem Kühnen treffen wollte231. Vom gleichen Tage ist ein Schreiben Adolfs von Mainz an Albrecht mit einem Bericht des Geschehens am Hof und mit Antworten auf von Albrecht erbetenen Rat überliefert232. Auf drei beigefügten Zetteln bat auch Adolf seinen Mitkurfürsten, nach Baden zu kommen umb allerley sachen willen, so uwer liebe wol kundig sin, die sunst mochten blieben ansteen, oder andernfalls doch wenigstens dem Kaiser vertraulich zu schreiben233. Diese Aufforderung wiederholte Adolf am 6. Juli wie auch drei Tage später noch einmal234. Am 9. Juli verfasste Adolf persönlich einen weiteren Brief, in dem er sein Beden 228
Siehe hierzu oben S. 133. Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1376 f. 230 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 576, S. 511. 231 Ebd., Nr. 581, S. 513 (Schreiben vom 24. Juni 1473). 232 Ebd., Nr. 582, S. 514: Es geht um die drohende Regalienverkürzung des Bischofs von Straßburg, um eine Niederlage der Türken, um die Terminfrage des Augsburger Tages, um weitere Terminfragen sowie um die Herrschaftsträger, die auch nach Baden und Trier ein geladen seien. 233 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 582, S. 514: Auch lieber swager, wir bitten uch abermals mit besunderm fließe, ir wollent ye uf schrieben unßers gnedigsten heren des keysers, gen Baden komen und nit ußeblieben, angesehen was uwer liebe, uns und unsern mitgewanten daran gelegen ist, dann so ir nit qwemen, besorgen wir, das es uns allen nit beqwemlich sin mochte (fol. 9). 234 Ebd., Nr. 598, S. 521 f.; Nr. 603, S. 523. In diesem Schreiben bittet Adolf außerdem um die Übersendung eines Stück Einhorns. Zur Eigenart von „Zetteln“, die an spätmittelalterliche Schreiben angefügt sind, vgl. Holzapfl, Fürstenkorrespondenz, S. 307. 229
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ken ausdrückte, dass ein Ausgleich zwischen Kaiser Friedrich und dem Pfalzgrafen auf Kosten der Gegner Friedrichs des Siegreichen gehen könnte235. Nur sechs Tage danach wandte sich der Kaiser persönlich an Albrecht, doch bitte zu erscheinen, da Verhandlungen mit der Kurpfalz nun angebahnt würden236. Erst vom gleichen Tage ist eine Reaktion auf die vorangegangenen Schreiben zu vermerken. Albrecht schrieb an Adolf von Mainz, er werde sich nach Augsburg begeben, nicht aber nach Baden wegen der Hitze, er sende jedoch seine Räte Ludwig von Eyb und Hertnidt vom Stein237. Nur einen Tag später sandte Albrecht ein Schreiben an den Kaiser, in dem er seine Abwesenheit abermals entschuldigte, außerdem aber in der böhmischen Sache Nachrichten übermittelte238; wenn sich die böhmischen Parteien nicht einigten, werde der Herzog von Burgund als Streitschlichter herangezogen. Der Kaiser möge dies verhindern und den Herzog zum Verzicht auf das Schiedsrichteramt bewegen. Gleichzeitig bat er den Kaiser, ihn bei den Verhandlungen mit Bayern nicht zu vergessen. Schließlich informierte Albrecht den Kaiser, die Könige von Böhmen und Polen, Wladislaw und Kasimir IV., würden zum Reichstag in Augsburg eine Gesandtschaft haben, die es ihm ermögliche, die hilfliche Einung gegen Ungarn abzuschließen. Auf diese Gesandtschaft wird in der Folge noch zurückzukommen sein. Wiederum einen Tag danach erfolgte die Einladung an Albrecht zum Reichstag von Augsburg, um über die Türkenabwehr zu verhandeln; ausdrücklich befahl ihm der Kaiser, in Person zu erscheinen239. Am 18. Juli, wieder nur einen Tag nach der kaiserlichen Nachricht, erging die Bitte Albrechts an den Kaiser, die Erzbischöfe von Mainz und Trier, Herzog Albrecht von Bayern sowie Karl den Kühnen, seinen beiden Räten so zu glauben wie ihm240. Schließlich, am 23. Juli, schickte Albrecht ein neuerliches Entschuldigungsschreiben an den Kaiser, nach Baden könne er wegen der Hitze nicht kommen241. Bevor Albrechts Räte in Baden eintrafen, war er über das aktuelle Geschehen somit gut unterrichtet und mit seinen Schreiben versuchte er gar Einfluss auf die verhandelten Dinge zu nehmen. Dabei waren seine Kommunikatoren zunächst der Kaiser242 mit neun Schreiben und danach Erzbischof Adolf von Mainz243 mit sechs Schreiben. Albrecht von Brandenburg stand im selben Zeitraum mit vier gegenseitigen Schreiben im Kontakt mit den Herzögen und dem Kurfürsten von Sachsen, allerdings waren die Sachsen in Baden weder anwesend noch waren die dort behandelten Themen Gegenstand 235
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 604, S. 524. Ebd., Nr. 613, S. 528. 237 Ebd., Nr. 614, S. 529. 238 Ebd., Nr. 618, S. 531 f. 239 Ebd., Nr. 620, S. 532. 240 Ebd., Nr. 625, S. 534. 241 Ebd., Nr. 635, S. 537. 242 Ebd., Nr. 576, S. 511; Nr. 581, S. 513; Nr. 584, S. 515; Nr. 605, S. 524; Nr. 613, S. 528; Nr. 618, S. 531 f.; Nr. 620, S. 532; Nr. 625, S. 534; Nr. 635, S. 537. 243 Ebd., Nr. 582, S. 514; Nr. 586, S. 515–517; Nr. 598, S. 521 f.; Nr. 603, S. 523; Nr. 604, S. 524; Nr. 614, S. 529. 236
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dieser Korrespondenz244. Die Erzbischöfe von Trier und Köln korrespondierten in diesen Tagen nicht mit Albrecht245. Mit dem Eintreffen seiner Räte am 27. Juli246 trat neben die direkte Kommunikation zwischen Albrecht, dem Kaiser und Adolf von Mainz, die auch in der Folge vorerst nicht abbrach, die zwischen Albrecht und seinen Räten247. In einem langen Bericht vom 29. Juli schrieben die beiden Räte über die Anwesenheit von Herrschaftsträgern, am Hof zusammenlaufende Nachrichten, Bitten anderer an Albrecht und den Gang der Verhandlungen248. Offensichtlich waren es die markgräflich-brandenburgischen Räte gewohnt, direkt oder recht bald nach ihrer Ankunft zum Kaiser vorgelassen zu werden, denn dieser entschuldigte sich ausdrücklich dafür, dass er sie einen Tag warten ließe, aber er wolle mit seiner Schwester Katharina von Baden fröhlich sein249. Die Räte hätten den Erzbischof von Mainz über die böhmischen Entwicklungen unterrichtet, der geraten habe, auch den Trierer Erzbischof hinzuzuziehen. Ansonsten erfuhr Albrecht durch die Nachrichten von einer Zuspitzung der Situation im Westen: So berichteten die Räte vom Tode des lothringischen Herzogs und vom Bericht des am Hofe in Baden eingetroffenen Bischofs von Augsburg, der die Lage am Niederrhein skizzierte. Demnach sei es 244
Ebd., Nr. 583, S. 514 f.; Nr. 593, S. 520; Nr. 615, S. 529 f.; Nr. 634, S. 537. In der Teilnehmerliste der Räte des brandenburgischen Kurfürsten kommt der Herzog von Sachsen nicht vor; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 640, S. 539. 245 Der Trierer Erzbischof ist in Baden anwesend, der Kölner wegen der Auseinandersetzungen um sein Erzstift nicht; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 640, S. 539. 246 Ebd., Nr. 640, S. 538. Albrecht hatte zuvor noch in einem Schreiben seine Vorstellungen von einem Ausgleich mit Herzog Ludwig unter Vermittlung des Bischofs von Eichstätt an seine Räte gesandt; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 638, S. 538. Zuvor hatten Albrechts Räte bereits am 23. Juli 1473 aus Dinkelsbühl nach Schwabach berichtet, sie hätten vom Dinkelsbühler Bürgermeister erfahren, dass Karl der Kühne die Grafen von Moers besiegt habe und nun dabei sei, in das Herzogtum Geldern einzudringen; beschrieben wird konkret der Versuch Nimwegens, die Belagerung im Wege des Ergebens gegen Bestätigung der städtischen Privilegien zu beenden. Vgl. auch zu diesem und zum Folgenden Walser, Botenwesen, S. 250. Zu Hans Egen, Bürgermeister von Dinkelsbühl, auch unten S. 406 ff. 247 Zum Gesandtschaftswesen allgemein vgl. Claudia Märtl / Claudia Zey, Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie? Einleitung, in: Aus der Frühzeit europäischer Diplomatie. Zum geistlichen und weltlichen Gesandtschaftswesen vom 12. bis zum 15. Jahrhundert, hg. von dens. (Zürich 2008), S. 9–21. Zum Gesandtschaftswesen zur Zeit Friedrichs III. insbesondere auch Paul-Joachim Heinig, Der König im Brief. Herrscher und Hof als Thema aktiver und passiver Korrespondenz im Spätmittelalter, in: Kommunikationspraxis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance, hg. von Heinz-Dieter Heimann in Verbindung mit Ivan Hlaváček (Paderborn u. a. 1998), S. 31–49. Ders., Römisch-deutscher Herrscherhof und Reichstag im europäischen Gesandtschaftssystem an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. von Rainer Christoph Schwinges / Klaus Wriedt (VuF 60, Ostfildern 2003), S. 225–263. Wesentliches Kommunikationsmittel waren die Boten, vgl. hierzu von Seggern, Botenwesen, S. 67–122. 248 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 640, S. 538–540. 249 Ebd., Nr. 640, S. 538–540. In den vorangegangenen Jahren gab es wiederholt Rangstreitigkeiten auf Reichstagen, bei denen Albrecht von Brandenburg seine Gesandten als nicht standesgemäß behandelt empfand; vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1104.
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zur Verlängerung des Waffenstillstands zwischen Kölner Domkapitel und städtischem Rat einerseits und Ruprecht von der Pfalz andererseits sowie zum Eingreifen des burgundischen Herzogs gekommen, das eine dauerhafte Beilegung des Konfliktes verhindert habe; durch den massiven Druck Karls des Kühnen auf das Kapitel drohe nun ein Krieg250. Bereits am 30. Juli folgte ein Schreiben Hertnidts vom Stein an seinen Herrn über Rücksprachen mit dem Erzbischof von Mainz in der Frage der Schädigung des Bischofs von Bamberg251. Gleichzeitig sandte der Mainzer Erzbischof in einem gesonderten Schreiben an Albrecht von Brandenburg den Ausdruck seiner Freude über die Verbesserung seines Gesundheitszustands252. Wiederum einen Tag danach berichteten Albrechts Räte über ihr Zusammentreffen mit dem Kaiser253. Der Kaiser habe ihnen in offenem Rate Gehör geschenkt, wegen der Brisanz der zu verhandelnden Dinge in der böhmischen Sache hätten sie jedoch auf eine Unterredung im kleinen Kreis gedrängt: Anwesend waren der Kaiser, die Erzbischöfe von Trier und Mainz sowie Albrechts Räte. Der Kaiser scheint dabei in der böhmischen Frage vom Rat Albrechts von Brandenburg vollkommen abhängig gewesen zu sein. Er wolle sich bearbeiten, den Behemischen handel fur sich und das collegium der kurfursten zu ziehen, gefellet im ganz wol und wil das mit vleis, also zu gescheen, arbeiten254 . Zu einem positiven Ausgang möge der Markgraf weiterhin Fleiß bei der polnischen Partei in Böhmen zeigen. Außerdem solle Albrecht das Bündnisprojekt zwischen dem Kaiser und den Königen von Böhmen und Polen weitertreiben. Schließlich legte sich der Kaiser gar fest, dass er auf dem Tage in Augsburg in beden sachen […] nach e.g. rate ferrer handeln und, sovil geburlich sein mog, besliessen wolle255. Neben der böhmischen Frage verhandelten die Räte mit dem Kaiser auch über den Pfalzgrafen, dass nämlich bei einer möglichen Einigung auch die Fürsten und Herren, vor allem aber Albrechts Räte bei den Verhandlungen beteiligt sein müssten. Auch die unsicheren Verhältnisse bei der Herrschaftsübertragung in Lothringen und Nachrichten über die Türken wurden gemeldet256. Schließlich übermittelten die brandenburgischen Räte ihrem Herrn auch noch ein Wort des Kaisers: der marggraff ist warlich der alt Albrecht, er ist nit bei uns und hat dannoch unser sachen getreulich nachgedacht, dann wir all selbs bewegen haben und gefellet uns sein rate ganz wol257.
250
Vgl. Walser, Botenwesen, S. 253. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 641, S. 540. 252 Ebd., Nr. 642, S. 540. 253 Ebd., Nr. 643, S. 540–542. Vgl. zum Schreiben auch Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1116; Walser, Botenwesen, S. 253. 254 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 643, S. 541. 255 Ebd., Nr. 643, S. 541. 256 Die Räte berichten außerdem, sie hätten vernommen, der Herzog von Lothringen sei vergiftet worden. Schließlich wird auch berichtet, dass Karl der Kühne nun Nimwegen ein genommen habe; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 643, S. 542. 257 Ebd., Nr. 643, S. 541. Siehe ferner oben S. 17. 251
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
Der Bericht der kurbrandenburgischen Räte verdeutlicht, dass hier nicht Albrecht als treuer Reichsfürst, wie er vor 1470 dem Kaiser gedient hatte, sondern explizit als Kurfürst verstanden wird, dessen Interessen mit denen des Kaisers und wenigstens auch der anwesenden Erzbischöfe von Mainz und Trier übereinstimmten. Die im Bericht der Räte bereits überbrachte positive Reaktion drückte der Kaiser auch selbst in einem Schreiben an Albrecht aus den ersten Tagen des August aus258; darin bat er Albrecht, in der böhmischen Sache weiterhin aktiv zu bleiben und jegliche Form von kriegerischer Auseinandersetzung durch sein gut gönner und freunde furkomen zu verhindern. Er stellte insbesondere sein Engagement in Aussicht, beim Herzog von Burgund den Verzicht auf die Schiedsrichterrolle und ihre Übertragung auf Albrecht von Brandenburg zu erwirken. Die Bitte um Nachrichten sowie die Zusicherung, selbst Nachrichten weiterzuleiten, verdeutlicht, dass Albrecht und Kaiser Friedrich III. ein beiderseitiges Informationsbedürfnis hatten, das in dieser Situation alternativlos war. Auch am selben Tage, dem 2. August, ging wieder ein Bericht von den Räten in Baden an Albrecht259. Neben der Definierung der Forderung Karls des Kühnen und der Meldung vom Verhandlungsbeginn mit dem Pfalzgrafen wurde auch vom Eintreffen einer polnisch-böhmischen Gesandtschaft berichtet, von deren Anliegen man eigentlich noch nichts wisse, die aber im Beisein der Erzbischöfe von Mainz und Trier und der Räte Albrechts von Brandenburg gehört werden sollte. Übermittelt wurde zudem die Bitte des Kaisers an Albrecht, durch den Statthalter von Böhmen, Heinrich von Münsterberg260, bei den um den böhmischen Königsstuhl streitenden Parteien erwirken zu lassen, dass die böhmische Sache nur von Kaiser und Kurfürsten verhandelt werde. Erst am 10. August ist wieder ein Bericht von den Verhandlungen überliefert, in dem die beiden Räte erklärten, die Verhandlungen des Kaisers mit dem Pfalzgrafen verliefen gänzlich erfolglos, da der Pfalzgraf den Kaiser mit ergebenheits phrasen abspeise, während der Kaiser auch nicht sage, was er wolle261; in demselben Schreiben wurden außerdem Fragen des Mainzer Erzbischofs in seiner Funktion als Kanzler übermittelt. Erst am 14. August antwortete Albrecht seinen Räten auf diverse Schreiben262: Er übermittelte hier Informationen, die ihm teilweise Herzog Wilhelm von Sachsen mündlich zugetragen hatte. Er informierte seine Räte von den Gesprächen mit Polen und dem Böhmenkönig Wladislaw sowie über die Verhandlungen in Troppau, die er in Kopie seinem eigenen Schrei 258
Ebd., Nr. 645, S. 543. Ebd., Nr. 646, S. 543. Zum Dokument vgl. Walser, Botenwesen, S. 254. 260 Heinrich von Münsterberg war verheiratet mit Ursula von Brandenburg, einer Tochter Albrechts; vgl. Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 129. Beispielhaft für die intensiven Beziehungen auch GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 46: Darin Schreiben aus dem Jahre 1476 unter anderem in der Halberstädter Angelegenheit, vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 302, S. 308 f., insbesondere Anm. 3. 261 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 652, S. 546. 262 Ebd., Nr. 655, S. 547–549. Vgl. auch Walser, Botenwesen, S. 254 f. 259
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ben anfügte und kommentierte, damit seine Räte es auch verstünden. Im Schreiben vom 15. August berichteten die Räte Albrecht von Brandenburg von der Anhörung der polnischen Gesandtschaft263. Die Anhörung habe in Anwesenheit des Kaisers, des Erzbischofs von Mainz, dessen Kanzlers sowie der kaiserlichen Räte Graf Haug von Montfort264, Johann Rehwein265 und Graf Haug von Werdenberg266 stattgefunden und sei positiv verlaufen. Die drei hinzugezogenen Räte bildeten zusammen mit Graf Rudolf von Sulz267 und Johann Keller268 den inneren Rat, den Heinig als stark schwäbisch dominiertes, den Kaiser in allen Situationen begleitendes Beratungsgremium qualifizierte269. Daneben wurde auch über den Verzicht des Markgrafen von Baden auf Lothringen, über hohe Zehrungskosten sowie über die sich unter den Anwesenden verbreitenden Krankheiten berichtet270. Bezugnehmend auf die Anfrage Albrechts, ob es schon Ergebnisse der Vermittlung zwischen dem Pfalzgrafen und dem Kaiser durch Herzog Ludwig von Bayern gebe, berichteten sie unter Berufung auf die Kurfürsten von Mainz und Trier, dass noch kein Fortschritt zu vermelden sei. Von Karl von Baden hatten die Räte daneben erfahren, dass es zwar noch keine neuen Entwicklungen in den Verhandlungen gab, dass man bei den bisherigen Verhandlungen aber die Interessen der übrigen Fürsten berücksichtigt habe. Ähnlich beruhigende Versicherungen habe der Kaiser auch anderen Fürsten gegeben. Außerdem vermittle jetzt Herzog Albrecht von München zwischen dem Kaiser und dem Pfalzgrafen. Die Verhandlungen hätten sich hingezogen, weil der Kaiser Zweifel an der Reichweite der Vollmachten der pfälzischen Räte gehabt habe, letztlich sei er aber nicht umhingekommen, doch seine Forderungen zu eröffnen271. Unter den von den Räten benannten Forderungen des Kaisers finden sich auch solche, die die Interessen des Mainzer Kurfürsten vertraten. Der Pfalzgraf sollte zeitlebens die Bergstraße besitzen, nach seinem Tode sollte das Mainzer Erzstift sie mit 40.000 Gulden wieder lösen. Die Schulden des Mainzer Erzbischofs beim Pfalzgrafen in ebendieser Höhe sollten so abgegolten sein. Bereits aus Straßburg gingen Albrechts Räte noch einmal in großer Detailfülle auf den Vortrag der polnischen Gesandtschaft ein272. Sie hätte den Auftrag, zwischen dem Kaiser und ihrem Herrn ein Bündnis auszuhandeln, dem sich die Belehnung Wladislaws mit 263 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 658, S. 550–553. Vgl. auch Walser, Botenwesen, S. 255. 264 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 347–352. 265 Ebd., S. 592–595. 266 Vgl. ebd., S. 333–339. Haug von Werdenberg stand als Befürworter eines Ausgleichs mit der bayerisch-wittelsbachischen Partei im Gegensatz zu Markgraf Albrecht Achilles; vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 141. 267 Vgl. zur Person Ehm, Burgund und das Reich, S. 143. 268 Vgl. zur Person ebd., S. 144. 269 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 318, 557, 312. 270 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 658, S. 550–553. 271 Ebd., Nr. 658, S. 552. 272 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 660, S. 554–558.
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Böhmen anschließen sollte. Voraussetzung hierfür aber sei der Rat der Kurfürsten. Während Friedrich III. als frund des Polen in dieser Sache handeln wollte, sollte die endgültige Entscheidung auf den zweiten Reichstag von Augsburg gebracht werden, wo man dann den Rat eben auch Albrechts von Brandenburg einholen wollte. Hierzu würden die Polen eine zweite Gesandtschaft schicken. Diese zweite Gesandtschaft wird im Folgenden noch eine Rolle spielen273. Gleichzeitig nutzte der Kaiser das regionale Netzwerk Albrechts von Brandenburg in den Raum Böhmen, Ungarn und Polen, um die Frage in seinem und der Kurfürsten Sinne zu regeln, indem er ihn über seine Räte bitten ließ, doch die Ergebnisse von Baden allen, wie sich der begeben hat, zu schreiben. Außerdem sollte er durch seine Kontakte verhindern, dass die böhmische Frage auf einem Tag in Troppau, der zum Zwecke des Ausgleichs zwischen den Parteien bereits angesetzt war, endgültig behandelt würde, da Kaiser und Kurfürsten ein Interesse daran hätten. Albrecht aktivierte nun seinen wichtigsten Kontakt in diesem Netzwerk, Jobst von Einsiedel, einen Vasallen Georgs von Podiebrad, der bereits in früheren Jahren zwischen ihm und dem Kaiser vermittelt hatte. Bereits zuvor, nun aber intensiviert, korrespondierten beide in kaiserlichem und kurfürstlichem Auftrag274. Es reicht wohl nicht aus, Albrechts Rolle als Informationsübermittlungsstelle zwischen West und Ost zu sehen und damit zu erklären, der Kurfürst habe so wirksam sein können, weil ihm genug Informationen vorgelegen hätten275. Voraussetzung, um überhaupt tätig zu werden, waren seine eigenen Interessen als Kurfürst an beiden Konfliktherden. Auf seine Gegnerschaft zum Pfalzgrafen ist hier nicht weiter einzugehen. Nach Osten aber unterhielt Albrecht ein dichtes Netzwerk und er hatte in den 1440er Jahren eigene Ambitionen auf den böhmischen Königsthron gehabt276. Schon in den Jahren vor 1473 hatte Albrecht vom Kaiser ausdrücklich die Erlaubnis erhalten, zwischen ihm und Matthias Corvinus zu schlichten277. Der Kaiser legte – wie die Aufforderung an Albrecht von Brandenburg erkennen lässt – in der böhmischen Frage wenigstens bis zu diesem Zeitpunkt auf Rat und Konsens der Kurfürsten bei allen zukünftigen Angelegenheiten wert278, zumal die Lösung der böhmischen Frage direkt die Besetzung einer, wenn auch nicht aktiv an der Reichspolitik beteiligten Kurstimme bedeutete. Mit der Abreise des Kaisers aus Baden soll auch die Betrachtung dieses Tages abgeschlossen werden. Albrecht war, wie gesagt, den Verhandlungen von Baden wegen der großen Sommerhitze ferngeblieben. Gleichwohl war er über alle Ver 273
Siehe unten vor allem S. 145 ff. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 647, S. 544; Nr. 656, S. 549; Nr. 682, S. 570; Nr. 711, S. 581–583. 275 Walser, Botenwesen, S. 255, der lediglich feststellt, Albrecht habe auch aus eigenem Interesse gehandelt; in der Folge betont er aber: „Brandenburg-Ansbach konnte als Makler der Reichspolitik agieren, weil genügend Informationen vorlagen.“ 276 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1109. 277 Ebd., S. 1109. 278 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1118. 274
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handlungen gut unterrichtet, zunächst durch Erzbischof Adolf von Mainz und den Kaiser selbst, seit ihrem Eintreffen in Baden aber auch durch seine eigenen Räte. Auf seine persönliche Anwesenheit kam es anscheinend gar nicht an. Albrecht erhielt, übermittelte und bündelte Informationen. Darüber hinaus kreuzten sich in ihm als Knoten mehrere Netzwerke, deren Verknüpfung ihm besondere Bedeutung verlieh, denn er war das Relais zwischen den Problemkreisen im Westen und im Osten. Albrecht hatte Interessen gegen den Pfalzgrafen und versuchte, sie durch seine Räte auch wirksam vertreten zu lassen. Aber auch im Osten hatte Albrecht traditionsgemäß Interessen. Unter den Kurfürsten war er der Einzige, der in diesem Raum Gewicht hatte. Die Kurfürsten von Mainz und Trier waren zwar über die gesamte Zeit beim Kaiser in Baden anwesend und nahmen an den wichtigen Verhandlungen auch persönlich teil, sie wurden aber anscheinend nicht selbstständig politisch aktiv. Der Kaiser hingegen vertrat gegenüber dem Pfalzgrafen sogar genuin Mainzer Regionalinteressen. Wie der Hinweis Adolfs von Mainz, auch der Erzbischof von Trier sei einzuweihen, zeigt, dachten die beiden Erzbischöfe eher als Einheit, nicht als Einzelakteure279. Da die beiden brandenburgischen Räte den Verhandlungen, von denen sie berichteten, im Wesentlichen auch beiwohnten, erscheint ihr Bericht ein glaubhafter Gradmesser dafür zu sein, dass die beiden anwesenden rheinischen Kurfürsten keine eigene Initiative ergriffen oder eine Frage in enger Abstimmung mit dem Kaiser so eigenverantwortlich behandelt hätten wie Albrecht die böhmische. Schaute man allerdings bei dem Badener Treffen nur auf die Anwesenheit von Kurfürsten, so könnte man leicht zu dem Fehlschluss gelangen, nur Trier und Mainz seien beteiligt gewesen. Die Kommunikation zwischen Albrecht und den in Baden Anwesenden war so dicht, dass teilweise täglich Schreiben auch von den übrigen Kurfürsten oder dem Kaiser mit Albrecht ausgetauscht wurden. In der böhmischen Frage aktivierte Albrecht Achilles gleichzeitig sein regionales Netzwerk im Osten, um wirksam auf die Entscheidungsträger einzuwirken. Sein wichtigster Kontakt war dabei Jobst von Einsiedel, dem er Nachrichten weiterleitete, von dem er Nachrichten empfing, die er dann filterte und in den Westen weitergab. 4. Die Treffen von Trier und Köln Nachdem der Kaiser aus Baden abgereist war, gelangte er über Straßburg, Basel und Metz schließlich nach Trier280. Immer wieder waren Ort und Zeitpunkt des Treffens aus einer Reihe von Gründen – der Rat der kaiserlichen Sterndeuter 279
Siehe oben S. 138. Vgl. das Itinerar Friedrichs III. bei Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1377 f. Vgl. zum gescheiterten Treffen von Metz zwischen Kaiser Friedrich III. und Karl dem Kühnen Gerrit Jasper Schenk, Friedrich III. in Besançon 1442 und in Metz 1473 oder: Von geglückten und 280
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ist hier ebenso zu nennen wie die sich ständig ändernden politischen Konstellationen – verschoben und umgelegt worden281. Seit den letzten Tagen des Septembers 1473 fand nun in Trier das denkwürdige Treffen mit Herzog Karl dem Kühnen von Burgund statt, das mit der überstürzten Abreise des Kaisers am 25. November endete282. Ablauf283 und Bewertung284, insbesondere die Umstände des Scheiterns285, sind bis heute umstritten. Einer ersten Verhandlungsphase286 vom 30. September bis zum 7. Oktober, die von den prunkvollen Auftritten des burgundischen Herzogs und dem aufsehenerregenden Festmahl im Kloster von St. Maximin geprägt war, folgten Geheimverhandlungen bis zum 16. Oktober. Über die nächsten Tage bis zum 22. Oktober berichten die Quellen nur ungenügend, doch machte sich allgemein Verärgerung über die mangelnde Öffentlichkeit der Verhandlungen breit. Die vierte Phase vom 23. bis zum 31. Oktober war von vier, von Karl dem Kühnen öffentlich vorgetragenen Forderungen bestimmt. Ihr wiederum schlossen sich teilweise geheime Beratungen an, die zum äußerlichen Höhepunkt, der Belehnung Karls mit Geldern am 6. November, führten. Schließlich folgte vom 9. November bis zum Scheitern am 25. November eine letzte Phase mit den Vorbereitungen zur Krönung des burgundischen Herzogs. Von den Kurfürsten waren nur die Erzbischöfe Adolf von Mainz und Johann von Trier erschienen. Albrecht von Brandenburg ließ sich auch hier durch seine gescheiterten Herrschertreffen mit dem Burgunderherzog, in: Außenpolitisches Handeln im ausgehenden Mittelalter. Akteure und Ziele, hg. von Sonja Dünnebeil / Christine Ottner unter Mitarb. von Anne-Katrin Kunde (Wien / Köln / Weimar 2007), S. 97–141, hier S. 131–138. 281 Vgl. die Zusammenstellung bei Schenk, Herrschertreffen, S. 132. 282 Vgl. Laetitia Boehm, Geschichte Burgunds. Politik – Staatsbildungen – Kultur (Berlin / Köln / Mainz 21979), S. 175–177. Diverse Beiträge in: Karl der Kühne (1433–1477). Kunst, Kriege und Hofkultur, hg. von Susan Marti / Till-Holger Borchert / Gabriele Keck (Stuttgart 2008). Hermann Kamp, Burgund. Geschichte und Kultur (München 2007), S. 69–71. 283 Vgl. die jüngeren Arbeiten von Petra Ehm, „… und begeret ein kunig zu werden“. Beobachtungen zu einem Herrschertreffen: Friedrich III. und Karl der Kühne in Trier 1473, in: Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13. bis 16. Jahrhundert), hg. von Dieter Berg / Martin Kintzinger / Pierre Monnet (Europa in der Geschichte. Schriften zur Entwicklung des modernen Europa 6, Bochum 2002), S. 233–257. Dies., Burgund und das Reich, S. 132–135. Dies., Der Tag von Trier 1473 und die Grenzen des Reiches. Karl der Kühne, Friedrich III. und die Kurfürsten, in: Außenpolitisches Handeln im ausgehenden Mittelalter. Akteure und Ziele, hg. von Sonja Dünnebeil / Christine Ottner unter Mitarb. von Anne-Katrin Kunde (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 27, Wien / Köln / Weimar 2007), S. 143–157, hier insbesondere S. 149 f. Harm von Seggern, Herrschermedien im Spätmittelalter. Studien zur Informationsübermittlung im burgundischen Staat unter Karl dem Kühnen (Kieler historische Studien 41, Stuttgart 2003), S. 309–337. Der jüngste überblicksartige Beitrag: Susan Marti, Treffen in Trier 1473: Anlass und Verlauf, in: Karl der Kühne (1433–1477). Kunst, Kriege und Hofkultur, hg. von ders./Till-Holger Borchert / Gabriele Keck (Stuttgart 2008), S. 264 f., mit Verweisen auf die ältere Literatur. Ferner auch dies., Treffen in Trier 1473: Repräsentation und Zeremoniell, in: ebd., S. 70 f. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 121–128. 284 Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 195–197. 285 Vgl. ebd., S. 193–197. 286 Vgl. zur Phaseneinteilung ebd., S. 132–135.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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Räte Hertnidt vom Stein und Ludwig von Eyb vertreten, die der Kaiser ja zuvor zu den Beratungen ausdrücklich eingeladen hatte. Ehm betont in ihrer Auseinandersetzung mit dem Trierer Fürstentreffen, dass die Gruppe der „traditionell politisch führenden rheinischen Kurfürsten“287 nur durch Mainz und Trier vertreten gewesen sei. Sachsen habe sich in Reichsfragen weitgehend Brandenburg angeschlossen und beide seien Gegner eines burgundischen Königsprojektes gewesen. Noch kurz vor dem Treffen sprach Albrecht von einer abschlägigen Antwort, die die Kurfürsten dem Kaiser und dem burgundischen Herzog bei einer möglichen Übergabe des Reiches an Karl den Kühnen geben würden288. Von den Geheimverhandlungen zwischen Karl dem Kühnen und Kaiser Friedrich III. waren die Kurfürsten allerdings zunächst ausgeschlossen, obgleich die Verhandlungsinhalte – nicht zuletzt ging es ja um die Standeserhöhung eines Reichsmitglieds in eine kurfürstenähnliche Stellung, also um wesentliche Fragen der politischen Gliederung des Reiches – alle Kurfürsten direkt betrafen. Nur Erzbischof Adolf von Mainz war ganz vereinzelt zu den Verhandlungen zugelassen, nicht aber bei den grundsätzlichen Fragen289. Wichtigste Quellen für die Stimmung vor Ort sind die Berichte der brandenburgischen Räte290. Am 8. Oktober sandten sie zwei Schreiben an Albrecht Achilles. Neben einem Lagebericht von ihrem Vortrag vor dem Kaiser und dem Erzbischof von Mainz291 berichteten sie auch von einem Auftrag in der böhmischen Sache292. Offensichtlich besaß Albrecht in dieser Frage kein Informationsmonopol, da der Kaiser aus anderer Quelle Informationen über die Uneinigkeit auf dem Tage von Troppau hatte. Über die brandenburgischen Räte wurde Albrecht aufgetragen, un 287
Ehm, Burgund und das Reich, S. 179. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 655, S. 548. 289 Ehm, Burgund und das Reich, S. 180: Am 23. Oktober hielt der Kaiser Rat mit den beiden anwesenden Erzbischöfen nach den öffentlich vorgetragenen Forderungen Karls des Kühnen; am 31. Oktober wurde der Mainzer zu den Beratungen mit dem zum Aufbruch bereiten Karl dem Kühnen herangezogen, an dessen Ende die Vereinbarung über die Krönung des burgundischen Herzogs zum König von Burgund stand. 290 Zum Wert der Korrespondenz, die bei Priebatsch ediert ist, vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 18 f. Gleichwohl gibt es noch weitere Berichte vom Geschehen: Die Berichte Carlos Visconti an seinen Herrn, den mailändischen Herzog Gian Galeazzo Sforza, sind nur sehr eingeschränkt verwendbar, da sie anscheinend eher eigene Begehren, Spekulationen und Gerüchte, weniger aber Tatsachen wiedergeben. Vgl. Fabio Cusin, Impero, Borgogna e politica italiana. L’incontro di Treveri del 1473, in: NRS 19 (1935), S. 137–172 und 20 (1936), S. 34– 57. Es handelt sich um folgende Schreiben: Nr. 1, 1473 November 7; Nr. 3, 1473 November 9; Nr. 4, 1473 November 19; Nr. 6, 1473 November 25; Nr. 5, 1473 November 31. Daneben sind die Berichte des päpstlichen Legaten Luca de Tolentis zu beachten, vgl. Une ébauche de la nonciature de Flandre au XVe siècle. Les missions dans les Pays-Bas de Luc de Tolentis, évêque de Sebenico (1462–1484), hg. von Jacques Paquet, in: Bulletin de l’Institut historique belge de Rome 25 (1949), S. 27–144, die Schreiben Nr. 17, 1473 Oktober 13, und 18, 1473 Oktober 17, S. 118–128. 291 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 705, S. 579 f. 292 Ebd., Nr. 706, S. 580. 288
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
ter allen Umständen den böhmischen Thronstreit vor Kaiser und Kurfürsten zu bringen293. In zwei Schreiben vom 29. Oktober unterrichtete Albrecht den Kaiser294 und seine Räte295 von der Ankunft der polnischen Gesandtschaft an seinem Hofe. Auch hierin finden sich wieder umfassende und detailreiche Ausführungen über die politische Lage und den Fortgang der von ihm über Jobst von Einsiedel geführten Verhandlungen. Zentrales Dokument zur Stimmung unter den Fürsten in Trier ist das Schreiben vom 30. Oktober, aus dem hervorgeht, dass der Kaiser bei den Verhandlungen die Kurfürsten, Fürsten und deren Räte gänzlich von den Beratungen ausschloss, sodass man ernsthaft darüber nachdachte, abzureisen296. Herzog Albrecht von Bayern hatte außerdem bei seiner Abreise den Räten Albrechts von Brandenburg aufgetragen, auch ihn von Veränderungen in Trier zu unterrichten. Der Kaiser erneuerte seine Bitte an Albrecht, seine Aktivitäten in Böhmen nicht einzustellen. Nur einen Tag später meldeten die Räte die bevorstehende Abreise des Herzogs von Burgund297, was sich als Falschmeldung herausstellte298. Das Schreiben der brandenburgischen Räte vom 7. November299 ist ein Zentraldokument für die Vorgänge in Trier. Bis dahin waren die Verhandlungen seit der Abreisedrohung des burgundischen Herzogs vom 4. November unter Ausschluss der Kurfürsten verlaufen300. Nun unterrichteten die Räte ihren Herrn von einem Treffen, bei dem Graf Haug von Werdenberg in Anwesenheit des Kaisers und seiner engsten Räte den Erzbischöfen von Mainz und Trier sowie den brandenburgischen Räten den zuvor mit Karl dem Kühnen ausgehandelten Einigungsplan präsentierte. Dieser Plan wird in dem Schreiben als Tauschgeschäft vorgeführt: Karl habe sein Engagement in der Türkenabwehr zugesichert, sobald nach Vermittlung des Kaisers Frieden zwischen ihm und dem französischen König geschlossen sei. Daneben fordere Karl unter anderem die Belehnung mit Geldern ebenso wie mit einem einzurichtenden Königtum Burgund. Die Kurfürsten, die sich um ihren freien Rat gebracht sahen, verwiesen auf den anstehenden Reichstag in Augsburg, auf dem die Angelegenheit vor allen Kurfürsten zu verhandeln sei. Der Kaiser stellte daraufhin die Bedeutung der Einigung mit Karl heraus, andernfalls würde dieser sich mit dem französischen König verbünden und so würden bede macht wider Teutsche lande fallen, das noch mer schadens uff jm trage301. Somit argumentierte der Kaiser im Sinne eines kleineren Übels, aber stets anhand des Interesses auch der Kurfürsten, das Reich nicht bewusst in eine Bedrohungssituation zu bringen. Die Kurfürsten hätten sich daraufhin Bedenkzeit erbeten; als sie schließlich nicht eindeutig antworteten, habe der Kaiser mit Verdruss reagiert. Die Räte 293
Ebd. Ebd., Nr. 719, S. 586 f. 295 Ebd., Nr. 718, S. 585. 296 Ebd., Nr. 721, S. 587–589. 297 Ebd., Nr. 724, S. 590–592. 298 Ebd. 299 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 210, S. 221–226, hier S. 222. 300 Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 168–174. 301 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 210, S. 221–226, hier S. 223. 294
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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erwähnen zunächst Johann von Trier, der sich in diesem Zusammenhang auf den Kurverein berufen habe302. Der burgundische Herzog habe diesen passiven Widerstand mitbekommen und sei verärgert gewesen. Im Anschluss habe der Kaiser dann noch Karl mit Geldern belehnt. Die Geheimnistuerei sei von den Fürsten als Beleidigung aufgefasst worden. Karl habe danach nochmals die Bestätigung durch die Kurfürsten geordert, die der Kaiser abgelehnt habe, da er sich auf seine eigene Machtvollkommenheit berief; im Anschluss daran habe Karl selbst Erkundigungen unter den Kurfürsten eingeholt, ob der Kaiser das überhaupt dürfe, woraufhin diese jedoch ausweichend geantwortet hätten. Auch die Vermutung über ein Geheimbündnis zwischen Karl und dem Kaiser durch die eheliche Verbindung der Kinder wird von den Räten in diesem Schreiben übermittelt. Nach Ehm303 hat Friedrich III. das Treffen nicht als Reichstag, sondern als Privattreffen mit dem Schwerpunkt eigener Hausangelegenheiten verstanden und bezog deshalb die Kurfürsten erst in die Verhandlungen ein, als die strittigen Themen bereits verhandelt waren. Die Kurfürsten aber hätten vor dem Hintergrund der inhaltlichen Tragweite ihr Teilhaberecht an der Entscheidung einzufordern versucht, wie die Berufung des Trierers auf den Kurverein nahelege304. Ehm betrachtet den Verweis Erzbischof Johanns dabei losgelöst vom Quellenkontext und lässt folgende, direkt anschließende Aussage unberücksichtigt: Die Räte Albrechts von Brandenburg selbst hätten sich in diesem Zusammenhang entschuldigt, sie hätten keine Anweisungen, wie sie sich bei einer solchen Beschlusslage verhalten sollten. Würden die Verhandlungen jedoch verschoben, sei Albrecht mit Sicherheit bereit, in persönlicher Anwesenheit zu raten305. Es besteht kein Grund anzunehmen, dass die Räte hier ihre eigene Rolle überzeichneten, da es ihnen ja um die möglichst detailgenaue Wiedergabe der Beratungen für ihren Herrn ging306. Ihre nicht ausreichenden Instruktionen und das Fehlen Albrechts von Brandenburg waren somit die Kernargumente für die Räte, die Verhandlungen verschieben zu 302
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 724, S. 591. Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 176 f. Gleichwohl scheint man im Umkreis Albrechts von Brandenburg sehr wohl von einem Tag im eigentlichen Sinne ausgegangen zu sein, wie die Erwähnung in Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 729, S. 594, nahelegt. 304 Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 178–180. 305 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 210, S. 221–226, hier S. 223 f.: Der k. hat mercklichen verdruß in solcher antwort entpfangen, also das sich unser herr von Trier uff der kurfursten aynung entschuldigt hat. So haben wir uns entschuldigt, wir haben in solchen sachen keinen befelh, e. g. [Markgraf Albrecht] hab auch des kein wissen haben mögen, uns doruff zu fertigen; uns zweifelt aber gar nicht, würden die sachen geschoben, das e. g. [Markgraf Albrecht] personlich dobej were, ir wirdet in den und andern sachen getrewlich helfen und raten, das seiner m. erlich und nützlich were. Missverständlich formuliert ist das entsprechende Regest bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 724, S. 590–592. 306 Vgl. die quellenkritische Bewertung der Berichte der brandenburgischen Räte als „von größter Bedeutung für die politischen Verhältnisse des Reiches“ bei Ehm, Burgund und das Reich, S. 19. Auch sonst ist das Schreiben, zumal gegen Ende, von einem unsicheren Ton über Vorgehensweise und Kompetenzreichweite geprägt, vgl. ebd., S. 591. 303
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
müssen; für Erzbischof Johann war anscheinend die Abwesenheit des Brandenburgers und auch des sächsischen Kurfürsten ausschlaggebend dafür, hier keine Entscheidung treffen zu können, denn dass man vom Pfalzgrafen wie auch von Erz bischof Ruprecht von Köln eine burgundfreundliche Antwort erwarten konnte, war abzusehen. Johann versuchte sein Argument zu legitimieren, indem er sich auf das netzwerkkonfigurierende Dokument, die Kurfürsteneinung berief; an der Bedeutung der fehlenden Teilnehmer ändert das nichts. Man würde also fehlgehen, wenn man wie Ehm annähme, außer den Sachsen, die abwesend waren, hätten die Kurfürsten von Mainz, Trier und die brandenburgischen Räte mit ihrer „Verweigerungshaltung Kaiser und Herzog gleichermaßen verstimmt.“307 Einen solchen Vorsatz der Verweigerung hat es im Falle Brandenburgs gar nicht gegeben, weil die Räte soweit offensichtlich gar nicht entscheiden durften. Bereits Thumser308 nahm eine Überforderung der Räte Albrechts von Brandenburg an; für ihn aber resultierte sie weniger aus ihrer fehlenden Entscheidungskompetenz als vielmehr aus ihrer Zwangslage, zwischen den widerstreitenden Interessen der Konfliktparteien wie aber auch der beiden anderen anwesenden Kurfürsten sowie Albrechts von Brandenburg zu „lavieren“. Von einem „Lavieren“ kann aber keine Rede sein, da sie sich ja unmissverständlich erklärten und in der Quelle von Unklarheiten über die Reichweite ihres Auftrages nicht die Rede ist. Mit seiner Perspektive überzeichnet Thumser die Rolle der Räte und übersieht, dass das eigentliche Problem das Fehlen Albrechts von Brandenburg war, nicht aber die unlösbare Mission seiner Gesandten. In diesem Zusammenhang lohnt auch die Betrachtung des Briefwechsels zwischen Herzog Wilhelm von Sachsen und Albrecht von Brandenburg, insbesondere des Schreibens von Albrecht vom 13. November und Wilhelms Antwort acht Tage darauf. Albrecht gab einen Lagebericht von den kaiserlich-burgundischen Verhandlungen an die sächsischen Herzöge, in dem er die Nachrichten seiner Räte aus Trier mehr oder weniger unkommentiert übermittelte309. Aus dem Schreiben geht hervor, dass Albrecht nicht nur die burgundische Einigung, die er als vom Kaiser bereits fest beschlossen hinstellte, mit den Entwicklungen in Polen, Ungarn und Böhmen parallel und verknüpft betrachtete. Er berichtete auch von einem Bündnis zwischen Ungarn und Burgund, das gemacht solt sein worden, sodass Burgund zwischen Ungarn und dem Kaiser, der Kaiser wiederum zwischen Burgund und Frankreich vermitteln werden. Nach einer Einigung mit dem Pfalzgrafen würdt dadurch gemeiner frid im reich hergestellt, damit man wirksam gegen die Türken 307 Ehm, Burgund und das Reich, S. 181. Vgl. auch Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 126. 308 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 124. 309 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 729, S. 594 f. Walser, Botenwesen, S. 258, betont, Albrecht von Brandenburg habe auf die Berichte seiner Räte aus Trier nur sehr passiv reagiert, unter anderem mit der Unterrichtung der sächsischen Herzöge. Dabei berücksichtigt er nicht, dass Albrecht in die von seinen Räten beschriebene Situation ja gar nicht mehr eingreifen konnte.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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vorgehen könne. Offensichtlich glaubte Albrecht von Brandenburg, dass zwar der Kaiser all dies gegen die Bestätigung der Kurfürsten und kurfürstlichen Räte aus eigener Machtvollkommenheit ausgehandelt habe, gleichwohl suche er aber die Bestätigung, und somit schien ihm eine Entscheidung durch die Kurfürsten noch auszustehen, was er dadurch unterstrich, dass er den sächsischen Herzog bat, auch Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht davon zu unterrichten, und ihn zu einer Stellungnahme aufforderte. Wilhelm nun antwortete etwa eine Woche später, die Kurfürsten hätten ja Karl dem Kühnen noch nichts zugestanden und deshalb solle Albrecht in dieser Frage nichts ohne Hinzuziehung der Herzöge und des Kurfürsten von Sachsen unternehmen310. Ehm erweckt den Eindruck, als habe diese Absprache bereits vor dem Beginn der Verhandlungen mit Karl dem Kühnen bestanden311. Dies belegt das Schreiben des sächsischen Herzogs aber keineswegs eindeutig, vielmehr erscheint es genauso denkbar, dass es zuvor eine solche Vollmacht für Markgraf Albrecht gegeben hat, die nun der sächsische Herzog in Kenntnis der Tragweite der ver handelten Ergebnisse über Burgund zurückzog. In jedem Fall aber macht das Schreiben deutlich, dass die Herzöge von Sachsen doch nicht so untätig waren und dass die Ansicht Ehms: „Sachsen schloss sich in Reichsfragen weitgehend der Politik des Markgrafen von Brandenburg an“312, jedenfalls in diesem bedeutsamen Fall nicht zutrifft. Sie verfolgten nämlich durchaus das Geschehen, auch wenn sie nicht anwesend waren313. Ihr Problem war eher der Zugang zu Informationen, die sie aus Trier nur von Albrecht erhalten konnten. Wichtiger aber ist das Selbstverständnis, das aus dem Schriftwechsel hervorgeht. Dieser legt nahe, dass die Aussage Johanns von Trier, dass die rheinischen Kurfürsten ohne den Kurverein nichts in der burgundischen Frage entscheiden würden, und die Antwort von Albrechts Räten, sie hätten für diese Angelegenheit keine Anweisung, nicht nur als „Vermeidungsstrategie“314 der vor Ort Anwesenden verstanden werden kann, sondern dass es tatsächlich um die Meinungen der Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen ging, die man einholen wollte. Dass es sich hierbei aus Sicht Karls des Kühnen um „passiven Widerstand“ handeln musste, ist
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Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 733, S. 597. Dieser Eindruck entsteht durch Ehms Formulierung: „und [Albrecht] hatte dem Sachsen zugesagt, in Reichsangelegenheiten nichts zu entscheiden, ohne ihn vorher konsultiert zu haben“, Ehm, Burgund und das Reich, S. 179. Das Regest bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 733, S. 597 lautet: „Er habe seine Zeitung von der kaiserlichen Majestät und dem Herzog von Burgund auf der Rückkehr von Leipzig, letzten Donnerstag zu Weißenfels erhalten. Da nun die Kurfürsten, wie er aus seinem Schreiben ersehe, dem Herzoge noch nichts bewilligt haben, bitte er auch ihn, nichts ohne Zuziehung der Herzöge von Sachsen abzumachen.“ 312 Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 179. 313 Den Eindruck der Teilnahmslosigkeit erweckt Ehm, Burgund und das Reich, S. 179. 314 Ehm, Burgund und das Reich, S. 181. 311
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
dadurch zu erklären, dass er sich über die Rolle der Kurfürsten im Reich anscheinend ohnehin nur erst langsam im Laufe der Verhandlungen klar wurde315. Die in Trier anwesenden Kurfürsten hielten sich also weder an ein „Reichsrecht“, wie Heimpel316 meinte, noch mussten die brandenburgischen Räte aus Überforderung, um ihre Interessen zwischen Kaiser, Herzog und Burgund gleichermaßen zu wahren, zwischen den Parteien hin und her lavieren, wie Thumser317 annahm. Aber auch Ehms These, die brandenburgischen Räte und die Kurfürsten von Mainz und Trier hätten sich mit ihrem Hinweis auf den Kurverein und auf zukünftige Beratungen mit allen Kurfürsten auf dem bevorstehenden Reichstag von Augsburg hinter „gewohnheitsrechtlich etablierte[n] und sich gerade institutiona lisierende[n] Verfahrensweisen“ verschanzt, ohne dass sie von den in Trier ab wesenden Kurfürsten auf dem bevorstehenden Reichstag tatsächlich Rat hätten erwarten können, erscheint nach dieser Betrachtung wenig plausibel318. Das Politiknetzwerk bei den Verhandlungen in Trier wies inhaltliche und strukturelle Defizite auf, die auch in den Verhandlungen nicht behoben werden konnten. Dem Kaiser gelang es wiederholt nicht, ein positives Interesse bei den Kurfürsten für die burgundischen Verhandlungsergebnisse zu diesem Zeitpunkt zu wecken und so eine Zustimmung von ihnen zu erhalten. Daneben machte die Abwesenheit des Kurfürsten von Brandenburg, der von seinen Räten nur unzureichend ersetzt werden konnte, und die eines sächsischen Vertreters den Kreis der Kurfürsten zu einem in dieser Situation nicht funktionsfähigen Netzwerk, dessen Entscheidungsanspruch gleichwohl mit dem Hinweis auf den Kurverein gewahrt werden sollte. Nach einem weiteren Bericht seiner Räte bereits vom 7. November319 an Albrecht von Brandenburg ging einen Tag danach ein Schreiben des Kaisers in der böhmischen Sache an Albrecht, in dem er ihn anwies, gegen jede Form von Beschimpfung durch die polnischen Gesandten vorzugehen320. In direktem zeitlichem Umfeld des Scheiterns der Verhandlungen zwischen Karl dem Kühnen und Kaiser Friedrich III. finden sich Nachrichten von Entwicklungen im Osten, die bisher für die Erklärung des Scheiterns der Verhandlungen in Trier vernachlässigt wurden. Albrecht von Brandenburg hatte über Monate die böhmisch-polnische Gesandtschaft organisiert, die nun am 15. November in Cadolzburg bei Albrecht Achilles weilte und ziemlich ungehalten auf die kaiser-
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Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 23, S. 591. Vgl. zum Verhältnis zwischen Karl dem Kühnen und den Kurfürsten auch Ehm, Burgund und das Reich, S. 182–185. 316 Hermann Heimpel, Karl der Kühne und Deutschland (mit besonderer Rücksicht auf die Trierer Verhandlungen im Herbst des Jahres 1473), in: Elsass-lothringisches Jahrbuch 21 (1943), S. 1–54, hier S. 26. 317 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 124. Siehe bereits oben S. 148. 318 Ehm, Burgund und das Reich, S. 181. 319 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 725, S. 592. 320 Ebd., Nr. 726, S. 592 f.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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liche Aufforderung, auf ihn zu warten, mit Abreise drohte321. Das Schreiben wurde über die brandenburgischen Räte an den Kaiser übermittelt und Albrecht bat in einem Begleitschreiben um die Übersendung seiner Reisedaten322. Vom selben Tage ist auch ein Schreiben Albrechts an den Kaiser überliefert, in dem es um die böhmisch-ungarischen Angelegenheiten geht323. Am 24. November reagierte der Kaiser, indem er seine baldige Ankunft versicherte und bat, auf die polnische Gesandtschaft einzuwirken, nicht zurückzureisen324. Dieses Schreiben versandte der Kaiser also am Vorabend seines Aufbruchs in Trier. Albrechts Rat Ludwig von Eyb meldete sich am 28. November aus Koblenz nach der Abreise Hertnidts vom Stein325. Die gesamte sich anschließende Kommunikation zwischen dem kaiserlichen Hof und Albrecht von Brandenburg bestand nur zwischen Albrecht und seinen Räten sowie Albrecht und dem Kaiser direkt. Während der Kaiser nach Köln zog, um dort zwischen Erzbischof und Domkapitel beziehungsweise städtischem Rat zu vermitteln, wurde die Kommunikation zwischen dem kaiserlichen Hof und Albrecht fast ausschließlich von Reise routen und Verzögerungsmeldungen bestimmt. Während ihn der Kaiser hinhielt und mit der Aussicht eines gemeinsamen Adventus in Augsburg gütlich stimmen wollte326, wurde Albrecht immer ungeduldiger und im Ton ungehaltener327, wie die Anweisung an seinen Rat Ludwig von Eyb zeigt: Darumb red teutsch mit dem Kaiser328. Albrecht stellte die Einzigartigkeit der Situation heraus, die sich dem Kaiser vor dem Hintergrund der militärischen Niederlagen des Königs Matthias von Ungarn böte, da dieser zu Kompromissen gegenüber Wladislaw gezwungen sei329. Albrecht betonte zudem die hohen Kosten330, die er durch die Unterbringung der Gesandtschaft habe. Das im Ton schärfste dieser Schreiben ließ sich der Kaiser zweimal vorlesen und entschied dann anscheinend sofort, eine Antwort an Albrecht und an die Gesandtschaft zu schicken331. Albrecht hielt so die polnische Gesandtschaft vom 321
Ebd., Nr. 730, S. 595. Ebd., Nr. 731, S. 595. 323 Ebd., Nr. 732, S. 595–597. 324 Ebd., Nr. 736, S. 600. 325 Ebd., Nr. 737, S. 600 f. 326 Vgl. die kaiserlichen Schreiben bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 745, S. 604 (hier auch der Vorschlag eines gemeinsamen Adventus); Nr. 756, S. 611; Nr. 783, S. 626; Nr. 786, S. 628. 327 Alle Schreiben Albrechts in chronologischer Reihenfolge vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 740, S. 602 (Albrecht an Ludwig von Eyb); Nr. 741, S. 602 (Albrecht an den Kaiser); Nr. 749, S. 605 f. (Albrecht an Ludwig von Eyb); Nr. 775, S. 622 f. (Albrecht an Ludwig von Eyb). 328 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 230, S. 248–250, hier S. 250. Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 749, S. 606. 329 Ebd., Nr. 741, S. 602. Dazu auch Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1122. 330 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 749, S. 606. 331 Ebd., Nr. 757, S. 612. 322
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ursprünglich für den 12. Oktober festgesetzten Beginn des Augsburger Tages bis zu einer Zusammenkunft in Rothenburg im Februar des folgenden Jahres hin332. Aus Ludwigs von Eyb Berichten kann die Situation in Köln gut rekonstruiert werden333. Mitte Dezember berichtete er – neben seiner Bekundung, er sehne sich nach Hause, weil er innerhalb von drei Jahren ganze zehn Wochen zu Hause gewesen sei –, der Erzbischof von Köln wolle sich dem Herzog von Burgund anschließen, wenn der Schiedsspruch nicht für ihn ausfalle334. Am 17. Dezember dann berichtete Ludwig von Eyb, der Kaiser habe das Kapitel für gehorsam und den Erzbischof für ungehorsam erklärt und wolle nun abreisen. Im Januar des folgenden Jahres nun berichtete der brandenburgische Rat von neuerlichen Verhandlungen, wie üblich bei Nacht335, die jedoch gescheitert seien, als der Kaiser und der päpstliche Legat dem Erzbischof von Köln den Prozess hätten machen wollen, sodass dieser sich in die Arme Karls des Kühnen begeben habe; nun drohten Feindseligkeiten. Kurz danach meldete Ludwig von Eyb: ich kan in vil hendelen nit versteen, wer keiser, herr oder knecht ist, dann als ich merck, het man dem keiser wellen von hinnen helfen, er wer vor dreyen wochen statlicher und daß von hinnen kommen336. Mehrfach habe der Kaiser versucht, die Verhandlungen abzubrechen, da Fragen im Reich anstünden, do im mer anlig dann an der sach alhie337. Damit war rückblickend sicherlich die bei Albrecht von Brandenburg wartende Gesandtschaft gemeint. Der Kaiser wollte also Köln verlassen, konnte es aber nicht, weil er durch Ruprechts Drohung, sich dem burgundischen Herzog anzuschließen, unter Druck gesetzt wurde338. Nicht recht ins Bild passt die Aussage des Rates, dass der eigentliche Grund für die Verzögerung uberlant nit zu schreiben ist339. Ein anderer Grund geht aus den Quellen allerdings nicht hervor und kann auch nicht plausibel erschlossen werden. Die Umstände der Verhandlungen des Kaisers beschrieb am 17. Januar noch einmal Albrechts Rat Ludwig von Eyb an seinen Herrn. Der Kaiser sei in Köln sieben Wochen aufgehalten worden, ohne etwas zu erreichen, weil bestimmte Leute ihren eigenen Vorteil sähen und nicht den des Reiches340. Rechnet man sieben Wochen zurück, so ergibt sich als Datum der 28. November 1473. Es wird also zeit-
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Ebd., Nr. 673, S. 567. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1378. Die Schreiben Ludwigs von Eyb: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 742, S. 603; Nr. 744, S. 603 f.; Nr. 752, S. 610; Nr. 754, S. 610 f., Nr. 757, S. 612; Nr. 758, S. 613; Nr. 760, S. 614; Nr. 766, S. 616; Nr. 770, S. 619; Nr. 771, S. 619; Nr. 781, S. 625. 334 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 742, S. 603. Zu den lokalen Interessen, die Ludwig von Eyb in diesen Tagen verfolgte, siehe unten S. 304. 335 Ebd., Nr. 754, S. 610 f. 336 Ebd., Nr. 758, S. 613. 337 Ebd. 338 Ebd., Nr. 760, S. 614. 339 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 234, S. 256 f., hier S. 257. Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 760, S. 614. 340 Ebd., Nr. 762, S. 615. 333
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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lich genau Bezug genommen auf das Schreiben Ludwigs von Eyb aus Koblenz an seinen Herrn vom selben Tage; erst zwei Tage später, am 30. November, war der Kaiser in Köln eingetroffen. Vielleicht hatte er tatsächlich bis kurz vor seiner Abreise aus Trier nicht vor, überhaupt in Köln zu vermitteln, sondern über Aachen, wohin er anscheinend eine Wallfahrt machen wollte341, und – wenn überhaupt nach einem kurzen Aufenthalt in Köln342 – direkt zu Albrecht von Brandenburg zu reisen. Er wurde jedoch durch die Entwicklungen in Köln aufgehalten. So gesehen, hätte der Druck Albrechts von Brandenburg und der polnischen Gesandtschaft seit dem Eintreffen der Briefe aus Cadolzburg wenigstens mittelbar auf das Ende der Verhandlungen in Trier Einfluss gehabt. Dafür spricht zum einen auch, dass am 22. November in Trier eine Verschiebung der Verhandlungen auf den 1. Februar des folgenden Jahres ja auch tatsächlich beschlossen worden war343; zwei Tage später hatten die burgundischen Räte dann vergeblich versucht, die Verhandlungen noch einmal zu verlängern. Der Kaiser – wie Ehm344 plausibel macht – reiste gar nicht überstürzt oder unerwartet aus Trier ab, er stieß bloß den burgundischen Herzog durch sein Verhalten vor den Kopf, indem er sich am Morgen des 25. November nicht von ihm verabschiedete. Vielmehr verwies der Kaiser – und dies bestätigt die These vom Einfluss des kaiserlichen Zeitdrucks auf den Verhandlungsfortgang – auf dann er in keinen weg sich lenger enthalten mocht mercklicher und anligender sachen, die im und dem reich zu handeln vorstunden345. Damit konnten nur seine Wallfahrt, ein Treffen in Köln – wenn es überhaupt schon geplant war –, vor allem aber die von Albrecht von Bandenburg nunmehr seit eineinhalb Monaten „bei Laune“ gehaltene Gesandtschaft gemeint sein. Zum anderen findet die Annahme, dass die Verhandlungen in Trier und die böhmische Frage von den Beteiligten als von ähnlich großer Bedeutung für Kaiser und Reich angesehen wurden, Bestätigung in dem bereits betrachteten Schreiben Albrechts von Brandenburg an Wilhelm von Sachsen vom November 1473346 .
341 Die Planung eines Aufenthalts in Aachen legt ein Schreiben des Kaisers an Albrecht Achilles vom 8. November nahe; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 726, S. 592. Die Wallfahrt wird in einem Schreiben vom 7. November genannt; ebd., Nr. 724, S. 592. 342 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 724, S. 592. 343 Dies geht aus einem Schreiben der brandenburgischen Räte aus Koblenz an den Markgrafen vom 28. November 1473 hervor, vgl. Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 220, S. 236–239, hier S. 237. 344 Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 193. Der Bericht von Carlo Visconti erscheint hier überzeichnet, vgl. Cusin, Impero, Borgogna (1936), Nr. 7, S. 51 (Bericht vom 21. Dezember 1473). Dass sich die Situation der Abreise des Kaisers für Visconti ursprünglich deutlich unübersichtlicher darstellte, verdeutlicht sein zeitlich näherer Bericht vom 25. November 1473, vgl. ebd., Nr. 6, S. 50. Dieses Schreiben zeigt auch, dass er auf Berichte anderer angewiesen war, somit überhaupt keine Möglichkeit hatte, direkt die Motivation des Kaisers wiederzugeben. Der päpstliche Legat Luca de Tolentis berichtet nach dem 17. Oktober 1473 nicht mehr von den Verhandlungen, vgl. Ébauche de la nonciature, hg. Paquet, S. 51 f. 345 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 220, S. 236–239, hier S. 237. 346 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 729, S. 594 f. Siehe auch oben S. 148.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
Gewiss sind die Gründe für das Scheitern der Verhandlungen mit Karl dem Kühnen bis heute umstritten, wegen der komplizierten Quellenlage bleiben aber alle Deutungen mehr oder weniger spekulativ. Neben der Verweigerungshaltung der Kurfürsten, zeremoniellen Aspekten, Elementen fehlender Kompromissbereitschaft und des Misstrauens, verbunden mit Unklarheiten über die Ziele der Gegenseite, verbalen sowie nonverbalen kommunikativen Problemen könnte also auch der Zeitdruck, dem der Kaiser unterlag, zum Scheitern der Verhandlungen beigetragen haben347. Ebenso wichtig aber erscheint, dass zur gleichen Zeit an mehreren Orten politische Handlungen abliefen, bei denen der Kaiser anwesend sein und die wegen ihrer sachlichen Verzahnung auch alle gelöst werden mussten. Zum Gelingen dieses Spagats trug Albrecht von Brandenburg wesentlich bei, ja er musste alleinverantwortlich handeln. Kurfürst Adolf von Mainz war sicher, Erzbischof Johann von Trier348 anscheinend die gesamte Zeit bei den Verhandlungen in Köln anwesend. In der Korrespondenz tauchen aber keine Spuren auf, dass sie in irgendeiner Weise aktiv Einfluss auf die Beratungen genommen hätten. Als Friedrich dann am 18. Januar Köln verließ349, um in Richtung Rothenburg zu reisen und dort Albrecht Achilles und die polnische Gesandtschaft zu treffen, begleitete ihn nur noch der Mainzer Erzbischof, während Johann von Trier wohl noch bis spätestens zum 5. Februar in Köln verblieb, um dann nach Ehrenbreitstein zurückzukeh 347 Vgl. zu den erstgenannten Begründungen Ehm, Burgund und das Reich, S. 195. Richard Vaughan, Charles the Bold. The last Valois Duke of Burgundy (London 1973, ND Rochester 2002), S. 138–154, hier vor allem S. 153 f. Werner Paravicini, Karl der Kühne, Sigmund von Tirol, und das Ende des Hauses Burgund, in: Der Schlern 50 (1976), S. 442–451, hier S. 449; wiederabgedruckt in: ders., Menschen am Hof der Herzöge von Burgund. Gesammelte Aufsätze, hg. von Klaus Krüger / Holger Kruse / Andreas Ranft (Stuttgart 2002), S. 583–597, hier S. 594. Paul-Joachim Heinig, Verhaltensformen und zeremonielle Aspekte des deutschen Herrscherhofes am Ausgang des Mittelalters, in: Zeremoniell und Raum. 4. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Werner Paravicini (Residenzenforschung 6, Sigmaringen 1997), S. 63–82, hier S. 80. Ulf Christian Ewert, Die Spieltheorie als Modell zur Erklärung außenpolitischer Konstellationen dargestellt anhand der Trierer Verhandlungen Kaiser Friedrichs III. mit Karl dem Kühnen 1473, in: Mitteilungen der Residenzen-Kommission 6 (1996), S. 27–38, hier S. 34 f., mit insgesamt aber unhistorischen Schlüssen. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 126 f. Zusammenfassend auch Marti, Anlass, S. 265 und dies., Repräsentation, S. 270. Nun auch Heribert Müller, Der Griff nach der Krone. Karl der Kühne zwischen Frankreich und dem Reich, in: Karl der Kühne von Burgund: Fürst zwischen europäischem Adel und der Eidgenossenschaft, hg. von Klaus Oschema / Rainer Christoph Schwinges (Zürich 2010), S. 153–169, hier S. 156, der außerdem die „Prinzipientreue“ des Kaisers sowie die Aufstellung immer neuer Forderungen durch Karl den Kühnen als mögliche Gründe für das Scheitern des Treffens hervorhebt. 348 Kerber, Herrschaftsmittelpunkte, S. 318, weist einen Beleg für seine Anwesenheit am 9. Januar 1474 nach. Der letzte vorangegangene Nachweis findet sich am 4. Dezember 1473 in Pfalzel. 349 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1378. Das von Kerber aufgestellte Itinerar ist hier zu präzisieren: Johann von Köln wird am 31. Januar in einem Schreiben Kurfürst Albrechts an Bürgermeister und Rat von Rothenburg ob der Tauber als in Köln verblieben genannt; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 774, S. 621.
III. Albrecht, die Kurfürsten und Friedrich III. 1473/1474
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ren350. Erzbischof Johann übernahm zwischen der Abreise des Kaisers und seiner eigenen die Verhandlungen in Köln351. In Erscheinung trat der Erzbischof von Mainz anscheinend nur beim Aufenthalt des Kaisers in Würzburg Anfang Februar, als dieser mit ihm und dem Bischof von Würzburg über das Interdikt von Rothenburg verhandelte352; der Kaiser delegierte die weiteren Verhandlungen an den Erzbischof, der sich jedoch widerwillig zeigte, diese Aufgabe allein zu übernehmen353; den Mainzer hier als Vermittler einzuschalten, hatte Albrecht von Brandenburg allerdings bereits im Dezember 1473 in einem Schreiben an Ludwig von Eyb vorgeschlagen und gebeten, den Kurfürsten zu fragen354. Die Kommunikation vom Trierer Tag mit Albrecht von Brandenburg funktionierte somit anders als von Niederbaden aus. Die Kurfürsten kommunizierten nicht miteinander. Dies verwundert umso mehr, als doch in der wichtigsten Phase sich die Kurfürsten angeblich auf ihr Selbstbewusstsein besonnen hätten. Außerdem bestanden anscheinend unterschiedliche Interessen. Die rheinischen Kurfürsten treten in den Quellen viel blasser hervor, als zu erwarten war. Die beiden Erzbischöfe von Mainz und Trier waren zwar an den Verhandlungen in Niederbaden und Köln, der Erzbischof von Mainz auch in Trier beteiligt und immerhin fand das Treffen in Trier, am Sitz eines der rheinischen Kurfürsten, statt, von einem besonderen Selbstbewusstsein kann aber keine Rede sein. Nur selten traten sie aktiv hervor, als Karl der Kühne und Friedrich III. ihre Zustimmung zu den Verhandlungsergebnissen forderten. Sie konnten aber, zusammen mit den Räten des Markgrafen, gar nicht endgültig entscheiden, da der Markgraf von Brandenburg und die Herzöge von Sachsen fehlten. Dies versuchten sie mit Hinweis auf den Kurverein, auf das netzwerkkonfigurierende Dokument, besonders zu begründen. Seine Reise zu Albrecht ermöglichte sich der Kaiser dann durch die Delegation der Verhandlungen in Köln an Johann von Trier und an den Mainzer Erzbischof in Würzburg; grundlegende Erfolge gingen von ihrem Engagement gleichwohl nicht aus. Die überaus dichte Kommunikation zwischen Albrecht Achilles und den Verhandelnden in Trier war asymmetrisch. In der Burgundfrage wurde er informiert und informierte ohne Bewertung an den sächsischen Kurfürsten weiter, nahm aber allem Anschein nach überhaupt keinen Einfluss. Seine Räte hatten keinen Grund, die Meinung ihres Herrn einzuholen, da sie ja selbst zunächst an den Verhandlungen gar nicht beteiligt waren. Als dann überstürzt den Kurfürsten ein Ergebnis präsentiert wurde, konnten sie sich aus der Affäre ziehen, indem sie neben ihren fehlenden Instruktionen auf die persönliche Abwesenheit ihres Herrn verwiesen. Albrechts Antwortschreiben betrafen nicht Burgund, sondern die böhmische Frage. Auffälligerweise blieb das Drängen durch Kaiser und Kurfürsten, doch 350
Vgl. Kerber, Herrschaftsmittelpunkte, S. 318. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 774, S. 621. 352 Vgl. Walser, Botenwesen, S. 261–263. 353 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 781, S. 625. 354 Ebd., Nr. 740, S. 602. 351
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
noch nachzukommen, das man wie im Falle Niederbadens erwarten könnte, aus355; und das Argument der starken Sommerhitze hätte wohl nur schwer für ein Treffen von Ende September bis Mitte November herhalten können. Es spricht deshalb einiges dafür, dass man ab einem bestimmten Zeitpunkt Albrechts von Brandenburg Anwesenheit in Trier gar nicht mehr wollte. Dies hing sicherlich mit seiner Mission in der böhmischen Frage zusammen, sodass für Albrecht Achilles wie auch für den Kaiser galt, dass man nicht an allen Orten gleichzeitig sein konnte; dies wussten auch die Kurfürsten in Trier, die von Albrechts Räten über die Pläne eingeweiht worden waren. Anscheinend also herrschte eine Art „Arbeitsteilung“, weil mehrere Projekte gleichzeitig verfolgt wurden, die den jeweils damit Betrauten voll und ganz beanspruchten. Diese Rolle kam Albrecht indes nur zu, weil er besondere Netzwerkeigenschaften hatte, ein umfangreiches Kommunikationsnetz in diesem Raum unterhielt und selbst ein großes Interesse an dieser Frage hatte; hier kreuzten sich die Interessen des Kaisers mit seinen eigenen. Ehms356 Vermutung, Albrecht von Brandenburg habe möglicherweise in weiser Voraussicht auf die kommenden Beschlüsse in Trier seine Teilnahme verweigert, erscheint somit eher unwahrscheinlich. Für Heinigs357 Annahme, der Kaiser habe versucht, wie in der burgundischen Frage auch die polnische Gesandtschaft nicht wie eine öffentliche Angelegenheit zu behandeln und eben nicht auf dem Reichstag in Augsburg vor den Kurfürsten, sondern als hauspolitisch-dynastische in Rothenburg zu verhandeln, spricht nach dem Gesagten nicht viel. Immer wieder hatte der Kaiser nämlich betont, er wolle die Angelegenheit vor Kaiser und Kurfürsten bringen358. Möglicherweise – und viel naheliegender – gerieten Kaiser und Markgraf durch die Verschiebung des Zeitplanes so unter Druck, dass sie ein Treffen in Rothenburg dem danach bevorstehenden Reichstag in Augsburg vorzogen. Wohl weniger war es also Vorsatz als vielmehr durch die drohende Abreise der polnischen Gesandten ausgeübter Zwang359. Wahrscheinlich beginnt der Vorsatz des Kaisers an einer anderen Stelle. 355
Das letzte Schreiben mit der Bitte, persönlich in Trier zu erscheinen, stammt bereits vom 14. Juni 1473, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 581, S. 513. 356 Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 139. 357 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1121. 358 Vgl. ebd., S. 1118. 359 Dies legen die Abfolge der Schreiben und der dramatische Ton im Schreiben vom 6. Februar 1474 nahe, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 786, S. 628. Am 18. Oktober ist von Augsburg die Rede, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 712, S. 583. Am 18. Dezember 1473 schlägt der Kaiser dann vor, dass man sich in Rothenburg treffen solle. Es ist die Reaktion auf das Schreiben Albrechts an Ludwig von Eyb vom 7. Dezember, in dem Albrecht seinen Rat anweist, den Kaiser aufzufordern, wenigstens ein Entschuldigungsschreiben an die Gesandten zu schicken. Zu dem Zeitpunkt des zweiten Schreibens scheint man den angesetzten Termin für die Zusammenkunft in Augsburg, den 6. Januar, schon nicht mehr einhalten zu können, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 738, S. 601; Nr. 744, S. 604; Nr. 745, S. 604. Man sollte somit die Zusammenkunft in Rothenburg als kaiserliches Entgegenkommen auf den ungehalten werdenden Markgrafen sehen.
IV. Ergebnisse
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Albrecht betonte, dass, wenn er von der Verzögerung gewusst hätte, er sogar mit den polnischen Gesandten dem Kaiser entgegengekommen wäre360. Anscheinend wollte der Kaiser nicht beide Problemkreise, also die burgundische Frage und die böhmische Angelegenheit, miteinander auch räumlich verbinden361. Damit wurde gerade die Abwesenheit Albrechts von Brandenburg für die Politik des Kaisers fruchtbar gemacht. Inwieweit die Aussicht, beide Fragen gemeinsam auf dem Reichstag in Augsburg verhandeln zu müssen, auch das Verhalten des Kaisers in Trier beeinflusste und damit das Argument, der Kaiser habe vorsätzlich die Öffentlichkeit eines Reichstages gemieden, hinfällig machen könnte, müsste noch gesondert untersucht werden362. Allerdings, dies geht aus den Quellen hervor, kann an solchen vom Ergebnis gedachten Kausalitäten gezweifelt werden.
IV. Ergebnisse Im Jahre 1470 wurde Albrecht von Brandenburg gegen die Bestimmungen der Goldenen Bulle und des Einungsvertrags von 1446 in den Kreis der Kurfürsten aufgenommen. Dabei war die Herrschaftsübergabe zwischen den Brüdern zuvor wohl nicht so konfliktfrei abgelaufen wie bisher angenommen. Die darauf folgende lautlose und reibungslose Aufnahme Albrechts in die Kurfürsteneinung kann durch die im Vergleich zu seinem Bruder relativ zentralere Position im Netzwerk der Kurfürsten und der positiven Interessenüberschneidung aller Netzwerkakteure erklärt werden; der Bruch mit den Normen war den Kurfürsten anscheinend bewusst, da die Aufnahme Albrechts nach dem Tode seines Bruders noch einmal wiederholt wurde. Insgesamt scheint die Etablierung im Kreis der Kurfürsten wichtiger als die kaiserliche Belehnung gewesen zu sein. Die innerbrandenburgische Erbfolgeregelung vom Dezember 1470, die die Forschung bislang nicht zu deuten vermochte, ergibt erst im Lichte der Goldenen Bulle Sinn; sie bereitete für den Fall des Todes Albrechts von Brandenburg indirekt eine Vormundschaftsregierung des zurückgetretenen Kurfürsten Friedrich Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 272–275, mit Anmerkungen zur Frage der Bannung der Gesandtschaft und der Rolle Martin Mairs. 360 Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 749, S. 606. Dass Albrecht durch seine Räte allerdings vorgewarnt war, dass es in Trier nicht so rasch zu Ergebnissen kommen würde, zeigt ein Schreiben vom 1. September 1473, in dem sie ankündigen, die bevorstehenden Verhandlungen in Trier würden nach kaiserlicher Gewohnheit sehr lange dauern, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 671, S. 564. Von der Verzögerung in Köln wusste man zu jenem Zeitpunkt aber noch nichts. 361 Gleichwohl bestanden Kontakte über Georg von Stein zwischen Ungarn und Karl dem Kühnen, vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 190–193. Der aus Schwaben stammende Georg von Stein trat Ende 1471 in den Dienst von König Matthias. „Albrecht hielt ihn für einen Schwindler und Bösewicht“, Schultze, Mark Brandenburg, S. 136, Anm. 85. Vgl. außerdem [Hermann] Markgraf, Art. „Stein, Georg v. St.“, in: ADB 35 (1893), S. 608–613. 362 Es handelt sich hierbei um ein Zentralargument bei Ehm, Burgund und das Reich, S. 181.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
über Albrechts Sohn Johann Cicero vor. Auch die hier getroffenen Regelungen standen im Widerspruch zur Goldenen Bulle. Kaiser Friedrich III. hatte an der Bestätigung dieser Bestimmung ein eigenes Interesse, insbesondere einen Streit um die Kur in Brandenburg, der sich ähnlich entwickeln konnte wie in der Kurpfalz, zu verhindern. Die normativen Texte der Goldenen Bulle und des Einungsvertrages bildeten weniger die Rechtswirklichkeit ab, sondern konfigurierten eher das Netzwerk und konnten je nach Interessenlage im Netzwerk argumentativ herangezogen oder ausgeklammert werden. Nach dieser Konfiguration waren das Netzwerk der Kurfürsten exklusiv, restriktiv abgeschlossen, auf Solidarität ausgerichtet, mit eigenen Konfliktlösungsmechanismen ausgestattet und die Mitgliedschaft mit besonderen Vorrechten versehen. Der Abgleich dieser Konfigurationen mit den Verhältnissen um 1470 zeigt jedoch, dass sich das Netzwerk der Kurfürsten als wenig stabil und mangelhaft gestaltete; außer den Kurfürsten von Sachsen und Trier litten alle übrigen Teilnehmer an einem Legitimationsdefizit oder standen in einem antagonistischen Verhältnis zu den übrigen Teilnehmern. Die Rückkehr des Kaisers ins Binnenreich bedeutete auch eine Stärkung der Legitimation der Teilnehmer; dabei zeigt sich, dass ohne den Kaiser das Netzwerk der Kurfürsten nur schwer denkbar ist. Ebenso war mit den Herzögen Wilhelm und Albrecht von Sachsen der Kreis der Kurfürsten in der politischen Praxis um weitere Fürsten erweitert, die formal gesehen keine Teilnehmer des Kurfürstennetzwerks waren. So hatte Herzog Wilhelm von Sachsen eine wichtige Koordinierungsfunktion nicht zuletzt zwischen Albrecht von Brandenburg und Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen, zunächst bei den Vorbereitungen und der Durchführung der Kurübertragung, später in reichspolitischen Zusammenhängen. Die Betonung der Forschung, besonders die rheinischen Kurfürsten hätten, eng miteinander verbunden, eine besonders aktive und homogene Gruppe innerhalb des Kollegiums gebildet, während die Kurfürsten von Sachsen und Brandenburg in der Reichspolitik eine eher nachgeordnete Rolle gespielt hätten, hält der Untersuchung kurfürstlicher Politik im Netzwerk der Jahre 1470 bis 1475 nicht stand. Albrecht von Brandenburg wurde in dieser Phase mit der Zusammenstellung und Koordination von Gesandtschaften betraut und er betätigte sich vermittelnd. Zwar waren die Kurfürsten von Mainz und Trier dauerhaft bei den Treffen anwesend, blieben aber eher passiv. Zwischen den am kaiserlichen Hof dauerhaft anwesenden und den abwesenden Kurfürsten gab es nur sporadisch und sehr eingeschränkt eine reziproke Kommunikation. Diese bestand jedoch dauerhaft zwischen Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. Sie war geprägt von Solidarität und gesteigertem gegenseitigem Nutzen. Albrecht versorgte daneben auch die Kurfürsten von Sachsen und andere Reichsfürsten regelmäßig mit Informationen und stellte somit ihre Anbindung an die Reichspolitik sicher; umgekehrt zeigten die sächsischen Kurfürsten aber auch ihrerseits Interesse am Reich und
IV. Ergebnisse
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waren anscheinend nicht so passiv, wie bisher angenommen. Somit ist der Vorstellung von der Vormacht der rheinischen Kurfürsten der Befund entgegen zu setzen, dass die Bindung zwischen dem Kaiser und einem Kurfürsten, Albrecht von Brandenburg, den höchsten Institutionalisierungsgrad innerhalb des Politiknetzwerkes aufweist. Nimmt man diese Ergebnisse zum Zustand des Kurfürstenkollegiums um 1470, zur internen Differenzierung der Gruppe und zum Handeln der Kurfürsten in der Praxis in reichspolitischen Angelegenheiten zusammen, so kann zwischen 1470 und 1475 vom Kurfürstenkollegium als geschlossener Handlungseinheit nur schwer gesprochen werden. Damit erweist sich aber auch die Vorstellung von einem sich verfestigenden Gegensatz, gar einem „Dualismus“ zwischen der „Zentralgewalt“, dem Kaiser, und den Kurfürsten beziehungsweise dem „Reich“ als problematisch. Die Institutionalisierungsabstufungen können erst erkannt werden, wenn man den Blick der bisherigen Forschung auf Punkte wie den Hof oder das Herrschertreffen um die Vorstellung von der gleichzeitigen Interaktion verschiedener Akteure an mehreren Orten über verschiedene politische Inhalte erweitert. In diesem Zusammenhang kann vor allem das Treffen von Trier zwischen Friedrich III. und Karl dem Kühnen anders verstanden werden als bisher; zeitgleich betätigte sich nämlich Albrecht von Brandenburg in der Frage um den Thronstreit in Böhmen und wirkte somit als Relais, als multiplexer Informations- und Kommunikationsknoten zwischen mehreren Politiknetzwerken mit je unterschiedlichem Regelungsinhalt. Persönliche Anwesenheit als Kriterium für Interesse an der Reichspolitik und für Einfluss erscheint hier nicht notwendig oder gar irreführend. Vielmehr wird persönliche Anwesenheit in dem Moment zu einem nachrangigen Argument, wenn mehrere politische Fragen gleichzeitig an unterschiedlichen Orten in verschiedenen Netzwerken ausgehandelt werden, die jedoch über bestimmte Bindungen indirekt miteinander verknüpft sind. Herausragende Bedeutung behält sie jedoch in der Situation, in der ein Netzwerk eine endgültige Entscheidung zu fällen bemüht ist. Lösungen zum Ausgleich dieses „Notstandes“ konnten zum einen durch Vertagung und zum anderen durch Übertragung der weiteren Verhandlungsmission an einen der Kurfürsten erreicht werden. Das Treffen von Trier Ende 1473 könnte also auch gescheitert sein, weil in verschiedenen Netzwerken die Person des Kaisers plötzlich zum selben Zeitpunkt benötigt wurde, um ihr Zerfallen oder wenigstens ihre Lockerung zu verhindern beziehungsweise um verbindliche Entscheidungen zu fällen. Dem wirkte Albrecht von Brandenburg entgegen. Neben dem verengten Blick auf einen Ort scheint bei den hier betrachteten Beispielen aber auch die Einteilung nach „königsnah“ und „königsfern“, nach besonderen Einflusszonen des Herrschers, in dieser Zeit nicht mehr recht zu passen, da zwar persönliche Anwesenheit zum Teil noch von entscheidender Bedeutung war, Interesse am Herrscher und umgekehrt Einfluss des Herrschers über informelle Kanäle doch weit über die traditionellen Kernzonen hinausgingen.
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B. Politiknetzwerke und Governance auf Reichsebene
Fragt man schließlich nach den Machtverhältnissen innerhalb des Netzwerkes, so ergibt sich nach dem hier zugrunde gelegten tauschtheoretischen Machtansatz eine klare Dominanz und herausgehobene Position Albrechts von Brandenburg, zum einen gegenüber den übrigen Kurfürsten, zum anderen aber auch gegenüber Kaiser Friedrich III.
C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext I. Christian von Dänemark und das Reich Auf den berühmten Fresken der sogenannten „Camera dipinta“ oder später „Came ra degli Sposi“, des Schlaf- und Audienzzimmers im Castello San Giorgio, dem Familienschloss der Markgrafen von Mantua, finden sich Szenen, die für die politische Geschichte des Reiches um 1470 von höchster Aussagekraft sind1. Die „Hofoder Empfangsszene“ zeigt Markgraf Ludovico Gonzaga im Kreise seiner Familie, insbesondere mit seiner Gattin Barbara von Brandenburg, Nichte von Albrecht Achilles, beim Empfang eines Briefes; sein Sekretär – es handelte sich wohl um Marsilio de Andreasi – steht neben ihm und berät den Markgrafen2. Während diese Szene die Verschränkung der Themen Familie, Herrschaft und Kommunikation geradezu idealtypisch abbildet, werden an der benachbarten Wand mit der sogenannten „Begegnungsszene“ dynastische Repräsentation und die engen verwandtschaftlich-politischen Beziehungen der Markgrafen von Mantua zum Reich aufeinander bezogen und ineinander geblendet3: Während im Mittelpunkt der Szene ein Treffen von Ludovico Gonzaga mit seinem Sohn Kardinal Francesco – auch letzterer wieder mit einem Brief in der Hand – steht, um die sich die weiteren Söhne des Markgrafen, Federico und Ludovico, gruppieren, sind im Hintergrund Kaiser Friedrich III. und König Christian von Dänemark abgebildet4. Anlässlich einer Italienreise hielt sich König Christian von Dänemark zweimal in Mantua auf5. Etwa zeitgleich stellte der 1
Rodolfo Signorini, Opus hoc tenue. La Camera dipinta di Andrea Mantegna. Lettura storica iconografica iconologica (Mantova 1985), S. 111–281. Christina Antenhofer, Der Fürst kommuniziert. Die Camera Picta des Andrea Mantegna, in: Bildmagie und Brunnensturz. Visuelle Kommunikation von der klassischen Antike bis zur aktuellen medialen Kriegs berichterstattung, hg. von Elisabeth Wadle (Innsbruck u. a. 2009), S. 217–237. Jüngst auch Rodolfo Signorini, Barbarina Gonzaga und ihr Bildnis in der „Camera dipinta“, in: Von Mantua nach Württemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof. Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs Baden-Württemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, bearb. von Peter Rückert (Stuttgart 2011), S. 59–62. Zum Hof der Gonzaga in Mantua jüngst auch Peter Rückert, Zur Einführung: Barbara Gonzaga und ihr Hof, in: ebd., S. 14–26, hier S. 15–19. Christina Antenhofer, Eine Familie organisiert sich. Familien- und Hofstrukturen der Gonzaga im 15. Jahrhundert, in: ebd., S. 36–48, hier S. 41–48. 2 Antenhofer / Müller, Briefe in politischer Kommunikation, S. 9–11. 3 Rückert, Einführung, S. 15–19. 4 Antenhofer / Müller, Briefe in politischer Kommunikation, S. 9–11. Signorini, Opus hoc tenue, S. 170–181. Antenhofer, Camera Picta, S. 224 f. 5 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 844, S. 662 f.: 1474 Mai 12, Mantua, König Christian an Kurfürst Albrecht von Brandenburg. Vgl. Signorini, Opus hoc tenue,
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
Maler Andrea Mantegna die Fresken der „Camera dipinta“ fertig, an denen er seit 1465 beschäftigt gewesen war, – sozusagen in den letzten Zügen arbeitete er dann wohl im Mai 1474 die Abbildung des dänischen Königs ein6. Diese Zusammenstellung der abgebildeten Personen wirft Fragen auf, ins besondere nach der Rolle König Christians von Dänemark in der Politik des Reiches in den Jahren 1470 bis 1475. Binnen kurzer Zeit wurde er sehr eng in die Netzwerke des Reiches eingebunden. Kein anderer dänischer König des Spätmittelalters zeigte vergleichbares Interesse an der Politik des Reiches wie König Christian7. Die Forschung hat sich bisher – wenn überhaupt – nur sehr allgemein seiner reichspolitischen Bedeutung gewidmet8. Nicht nur seine Eingliederung in die Netzwerke des Reiches, sondern auch die Funktionen, die der dänische König für Kaiser und Reich in diesem Zeitraum übernahm, sollen im Folgenden genauer betrachtet werden. König Christian I. von Dänemark9 entstammte dem Hause der Grafen von Oldenburg; 1448 hatte er, gestützt durch seinen Onkel Adolf VIII., die Herrschaft von seinem kinderlos verstorbenen älteren Onkel König Christoph III. übernommen10 sowie im selben Jahre auch Christophs Witwe, Dorothea von Brandenburg, geheiratet11. Bei der Ehe von Christoph, Enkel König Ruprechts und des Königs der Nordischen Union Christoph II. aus dem Hause Pfalz-Neumarkt, die im Jahre 1445 geschlossen worden war, handelte es sich um die älteste Verbindung zwischen den brandenburgischen Markgrafen und dem dänischen Königtum12. Dorothea war eine Tochter des Markgrafen Johann von Brandenburg, des ältesten Bruders von Friedrich II. und Albrecht Achilles13.
S. 176–179. Ein Aufenthalt Kaiser Friedrichs III. in Mantua ist hingegen nicht nachweisbar, vgl. ebd., S. 170. 6 Antenhofer / Müller, Briefe in politischer Kommunikation, S. 9–11. Rückert, Einführung, S. 19. Signorini, Opus hoc tenue, S. 179. Antenhofer, Camera Picta, S. 219. 7 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1106 f. 8 Vgl. zuletzt ebd., S. 1307–1312. Heinig bietet eine gute Zusammenstellung des Forschungsstandes und des zu bearbeitenden Materials. Die Biografie von Koller, Friedrich, kommt ohne die Erwähnung Christians von Dänemark aus. 9 Vgl. zur Person Gerhard Theuerkauf, Art. „Christian I.“, in: Hamburgische Biografie. Personenlexikon, hg. von Franklin Kopitzsch / Dirk Brietzke, Bd. 2 (Hamburg 2003), S. 87 f. 10 Vgl. I[nge]-M[aren] Wülfing, Art. „Christian I., König von Dänemark“, in: Lex.MA 2 (1983), Sp. 1909 f. Zu Dänemark in jenen Tagen insgesamt Jörg-Peter Findeisen, Dänemark. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (Geschichte der Länder Skandinaviens, Regensburg 1999), S. 87–94. 11 Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 129. 12 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1308 f. 13 Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 129.
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1. Netzwerkeinbindung: Christian und Albrecht Die älteste Erwähnung Christians von Dänemark in einer kaiserlichen Urkunde stammt wohl aus dem Jahre 1453, als Kaiser Friedrich III. den König bat, eine Gesandtschaft auf den nach Regensburg einberufenen Tag zu schicken14. Es folgten ein Schreiben Christians an den Kaiser in Sachen der Türkengefahr und der Verhältnisse des Deutschen Ordens, eine Aufforderung Friedrichs an Christian aus dem Jahre 1465, Markgraf Friedrich von Brandenburg in der pommerschen Frage beizustehen, sowie ein Schiedsspruch und Exekutionsaufträge kaiserlicher Urteile im Hanseraum15. Eher sporadische Kontakte hatte es seit 1449 auch zwischen König Christian und den Herzögen von Mecklenburg sowie den Markgrafen von Brandenburg gegeben16. Tatsächliche politische Bedeutung im Reich erhielt Christian von Dänemark allerdings erst durch seine Beziehung zu Albrecht von Brandenburg. Anders als Niitemaa vermutet, der aus einem Schreiben Friedrichs von Brandenburg eine 14
Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III. 5. Abt., 1. Hälfte: 1453–1454, hg. von Helmut Weigel / Henny Grüneisen (RTA. Ältere Reihe 19, Göttingen 1969), Nr. 14, S. 96– 100: Kaiser Friedrich III. an die Könige von Frankreich, Dänemark und Polen, 1454 Januar 9. Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller / Paul-Joachim Heinig / Alois Niederstätter, Heft 13: Die Urkunden und Briefe des Österreichischen Staatsarchivs in Wien. Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv: Allgemeine Urkundenreihe, Familienurkunden und Abschriftensammlungen (1447–1457), bearb. von Paul Herold / Kornelia Holzner-Tobisch (Wien u. a. 2001), Nr. 26, S. 67: Eine Urkunde Kaiser Friedrichs III. vom 4. Mai 1447 mit der Aufforderung an Lübeck und weitere Städte der Hanse, dem König von Dänemark gegen die weißen Reussen zu helfen, weist das Regest irrtümlicherweise Christian von Dänemark zu, der zu jenem Zeitpunkt allerdings noch nicht König ist; sie bezieht sich offensichtlich auf seinen Vorgänger, Christoph von Dänemark. 15 Regesta, Chmel, 2, Nr. 3178, S. 320: König Christian an Kaiser Friedrich III., 1454 April 14; RI Friedrich III., 20, Nr. 117, S. 108; Nr. 150, S. 123 f.; Nr. 164, S. 132 f.; Nr. 166, S. 134; ebd., 11, Nr. 353, S. 193; Nr. 355, S. 195; Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller, Heft 7: Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken des Regierungsbezirks Köln, bearb. von Thomas R. Kraus (Wien u. a. 1990), Nr. 290, S. 176. 16 LHA Schwerin, 2.11–2/1 Auswärtige Beziehungen, 2. Dänemark, Nr. 486, fol. 1: Schreiben Christians von Dänemark an Herzog Heinrich IV. von Mecklenburg wegen Unterstützung finanzieller Ansprüche eines Untertanen gegenüber einem Mecklenburger, 1449 Mai 18. Ebd., fol. 3: Schreiben an Dorothea von Mecklenburg wegen eines Besuchs in Holstein, 1464 Juli 21. Ebd., fol. 5: Schreiben Dorotheas von Dänemark an Herzog Heinrich von Mecklenburg in Sachen Rückerstattung von geraubtem Gut, 1465 November 19. GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Mecklenburg Nr. 31, 1452 Februar 7: Schiedsspruch zwischen Markgraf Friedrich dem Jüngeren von Brandenburg und den Herzögen von Mecklenburg. Verschiedene Schreiben auch in den 50er und 60er Jahren von König Christian an Albrecht von Brandenburg GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 15, Nr. 3, 1454 Juni 11; Nr. 5, 1461 Juni 30; Nr. 7, 1461 September 23; Nr. 8, 1463 Oktober 4; Nr. 9, 1463 Dezember 9. Auch in einem Streit zwischen den Kapiteln der Lübecker und Eutiner Kirchen und dem Kloster Doberan mit dem Rat der Stadt Lüneburg wirkte König Christian von Dänemark mit anderen als Schiedsrichter, wie eine Urkunde aus dem Jahre 1462 nahelegt, vgl. HStA Hannover, Celle Or. 100 Lüneburg, Stadt, Nr. 209 (1462 Juni 12).
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Einladung unter anderem für Christian von Dänemark durch den Kaiser zum Reichstag von Regensburg 1471 lesen will17, ist lediglich gesichert, dass Albrecht von Brandenburg auf dem Reichstag ein Schreiben des Dänen verlas, in dem er bat, nach Jerusalem ziehen zu dürfen, und in dem er seine Bereitschaft ausdrückte, gegen die Türken Hilfe zu leisten18. Bis zum Jahre 1472 blieben die Beziehungen zwischen dem Kaiser und dem dänischen König aber sporadisch und eher passiv19. In der politischen Korrespondenz des Markgrafen taucht Christian erstmals im Dezember des Jahres 1472 auf20; in diesem Schreiben Albrechts an seine Räte in Ansbach wird ein Treffen mit König Christian in Wilsnack zur Beratung eines dänisch-brandenburgischen Bündnisses angekündigt21. Das Dokument ist auf ein Schreiben zu beziehen, das zehn Tage zuvor entstanden war und in dem Albrecht sein gesamtes „Bündnissystem“, das er mit seinen Nachbarn aufgebaut hatte, beschrieb22; darin erscheint der Dänenkönig nicht. An dem für Albrecht so wesentlichen Konflikt um Pommern war Christian somit nicht beteiligt, und die Intensivierung beider Beziehung begann erst nach seinem vorläufigen Ende. Das erste Treffen von Wilsnack fand dann Mitte Dezember 1472 statt, wobei nach Niitemaa noch kein Bündnisvertrag abgeschlossen wurde23. Es folgten zwei Schreiben vom März 1473, die König Christian an Albrecht von Brandenburg sandte, wobei der König dem ersten einen Schild und eine Armbrust als Geschenk beifügte24. Nur zwei Tage nach dem ersten Schreiben vom März 1473 hatte auch Königin Doro 17 Vgl. Vilho Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union bis zu den Burgunderkriegen (AASF Series B 116, Helsinki 1960), S. 248. 18 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. 611–613. 19 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1308. 20 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 509, S. 469 f. Aus den „Vorschriften“ des Markgrafen Friedrich geht lediglich hervor, dass die Markgrafen von Brandenburg für ihre Interessen vom Kaiser Briefe einfordern wollten, die dann auch den dänischen König binden sollten. Ob Christian allerdings nach Regensburg eingeladen war, ergibt sich hieraus nicht. Seine Erwähnung in diesem Schreiben verwundert mit Blick auf die Ausführungen zur Pommerschen Frage weiter unten, da Christian von Dänemark wie der Herzog von Mecklenburg vom Kaiser nicht in die Beistandsverpflichtung gegen die Herzöge von Wolgast einbezogen wurde, siehe hierzu unten D. I. 2. Auf den von Christian vorgelegten „Plan“ kann hier im Einzelnen nicht eingegangen werden; vgl. dazu Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 249–256. 21 Vgl. Hans Sauer, Hansestädte und Landesfürsten. Die wendischen Hansestädte in der Auseinandersetzung mit den Fürstenhäusern Oldenburg und Mecklenburg während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Quellen und Darstellungen zur hansischen Geschichte NF 16, Köln / Wien 1971), S. 36. 22 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 503, S. 466. 23 Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 264 f. Heinig lässt die Frage des förmlich geschlossenen Bündnisses offen. Vgl. auch Sauer, Hansestädte, S. 37. 24 GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 15 (1473 März 11: Christian von Dänemark an Albrecht von Brandenburg; 1473 März 17: Christian von Dänemark an Albrecht von Brandenburg). In letzterem Schreiben bittet der König den Kurfürsten, dem Bürgermeister von Lübeck die ihm zustehende Schuld zu zahlen.
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thea, die Gattin König Christians, dem Kurfürsten brieflich zur Geburt seines Sohnes Georg gratuliert25. Warum der dänische König nun eine Intensivierung der Beziehungen zu Albrecht anstrebte, zeigt ein Schreiben des Rates Albrecht Klitzing an Albrecht von Brandenburg vom 7. April 147326; in einer Beilage zum eigentlichen Schreiben, in dem es um einen Streit über Zölle und ein damit verbundenes Salzausfuhrverbot zwischen der Stadt Lüneburg auf der einen Seite und König Christian sowie den Städten Hamburg und Lübeck auf der anderen Seite geht, werden Details eines solchen Bündnisses deutlich27. Demnach lag die Initiative bei Christian von Dänemark und es wurde zunächst mündlich geschlossen. Christian sagte Hilfe gegen jedermann zu, wobei Albrecht im Bündnis die Häuser Sachsen und Hessen ausnehmen durfte; diese Ausnahmen verweisen auf die Erbeinung zwischen den beiden Häusern und den Brandenburgern von 1435 beziehungsweise 1457, die „eines der Kernstücke des hohenzollerischen Bündnissystems“ darstellte28. Der König sicherte die Sendung von 600 Mann auf seine Kosten zu. Im Gegenzug wünschte er, Albrecht möge den König von Polen nochmals – so wie bereits nach dem Tag von Wilsnack geschehen – ersuchen, Städte im südlichen Ostseeraum von einer Unterstützung der Schweden gegen ihn abzuhalten. Christian nun sicherte zu, die Mark in Albrechts Abwesenheit zu schützen. Außerdem bat der dänische König den Markgrafen, ihm und seinem Bruder Gerd mehrere Mandate beim Kaiser zu erwirken; hierbei handelte es sich vor allem um die Belehnung mit Dithmarschen. Schließlich erhoffte er sich auch Albrechts Rat in der Bekämpfung eines „gefährlichen Bundes, dem sich viele holsteinische Edelleute, die Hansestädte, die Dithmarschen und auch einige von Albrechts Unterthanen angeschlossen hätten“29. Das Schreiben skizziert ein Geflecht unterschiedlicher und sich überlagernder Interessen. Während das auslösende Interesse an einer engeren personalen Bin 25 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/2, Nr. 81, S. 96 (1473 März 12). Am 27. Mai 1473 bat umgekehrt Kurfürst Albrecht von Brandenburg den Dänenkönig, Georg von Stein gefangen zu nehmen, vgl. GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 15. 26 GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E I 24, fol. 9r. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 550, S. 495. Niitemaa zitiert ein Schreiben vom selben Tag, das allerdings anderen Inhalts ist; vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 264, ohne Nachweis. 27 Der Streit zwischen Lüneburg und Christian von Dänemark sowie anderen Städten im Norden ging über Jahre, er wurde verwoben mit der Rückzahlung von Schulden der Stadt Lüneburg an Albrecht von Brandenburg, vgl. nicht zuletzt StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 132, Geheimes Archiv, Herrschaftliche Bücher, Nr. 44, fol. 187r–188v: mehrere Schreiben aus dem Jahre 1471. Siehe ferner oben S. 163, Anm. 16. 28 Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 25 f. Letztendlich bildete die Erbverbrüderung zwischen Sachsen und Hessen von 1373 die Grundlage dieser erweiterten Erbverbrüderung. Vgl. auch Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 101. 29 So der Wortlaut des Regests in: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 550, S. 495. Druck: Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/2, Nr. 90, S. 105–111, hier S. 109 f. Dort auch eindrückliche Charakterisierungen von Dithmarschen durch Albrecht Klitzing. Vgl. zu den Forderungen insgesamt auch Sauer, Hansestädte, S. 37 f.
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dung, an einer tieferen Freundschaft bei Christian lag, betonte er sofort, welchen Nutzen auch Albrecht davon haben könne. Die Beziehung beider verwirklichte sich somit auf unterschiedlichen Ebenen. Zunächst handelte es sich um den Aufbau eines Bündnisses zwischen Albrecht und Christian, das die Grundlage für alle weiteren gegenseitigen Dienste darstellte; es bestand aus der Zusage gegenseitiger Hilfe gegen jedermann. Offensichtlich aber war Christian nicht nur an der direkten Bindung mit Albrecht von Brandenburg interessiert, sondern erhoffte sich hierüber eine Aktivierung anderer Teilnetzwerke, die Albrecht von Brandenburg unterhielt. Dazu ist der regionalpolitische Kontext des Dänenkönigs zu beachten. Nach dem Tode des Unionskönigs Christoph hatte sich ein erbitterter Kampf zwischen dem schwedischen König Karl Knutsson Bonde und Christian von Oldenburg, dem Dänenkönig, um die Vorherrschaft im nordischen Raum und in der Union ergeben, der in mehreren blutigen Kriegen ausgetragen wurde30. Nach einer Phase wechselnder Kräfteverhältnisse versuchte Christian im Jahre 1471 erneut, Schweden mit Waffengewalt in die Nordische Union zu zwingen; in der Schlacht von Brunkeberg bei Stockholm erlitt er jedoch eine Niederlage. Vor diesem Hintergrund ergab sich zunächst ein Interesse an intensiveren Beziehungen zu Polen. Anscheinend hatte sich der Däne zuvor direkt an den polnischen König gewandt, was wohl kurzzeitig zu Irritationen bei den Brandenburgern geführt hatte. Der Hinweis, es sei Christian in Bezug auf Polen nicht um eine Heiratsverbindung mit Polen, sondern um andere politische Fragen gegangen, lässt diesen Schluss zu31. Um eine Konkurrenz der personalen Bindungen zu vermeiden, wählte Christian dann aber nicht direkt die Verbindung zum polnischen König, sondern wandte sich an Albrecht von Brandenburg. Aber auch Christians Interesse am polnischen König war nur mittelbar, da es ihm eigentlich um seinen Konflikt mit Schweden ging. Ob allerdings die Beistandsverpflichtung Christians für Albrecht seit der vorläufigen Lösung der pommerschen Frage wirklich von Bedeutung war, sei dahingestellt. Daneben bestand vor dem Hintergrund des Konflikts mit Schweden auch ein Interesse von Seiten Christians an der Einflussnahme auf Städte im Hansebereich; aber auch diesen Raum dominierte Albrecht von Brandenburg32. Hier wird deutlich, wie weiter entfernte Netzwerkpartner für die eigenen Interessen nutzbar gemacht werden konnten. Albrecht seinerseits schien, dies legt sein Schreiben mit der Charakterisierung seines Bündnissystems nahe, eine Lücke schließen zu wollen, sodass er um die Mark nur Freunde hatte33. Das für eine Einigung notwendige beiderseitige Interesse wurde hier einseitig von Christian aufgebaut; es kann also ausreichen, wenn 30 Vgl. allgemein Arthur Erwin Imhof, Grundzüge der Nordischen Geschichte (Grundzüge 19, Darmstadt 1970), S. 70–83, insbesondere S. 78–81. 31 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 550, S. 495. 32 Vgl. Sauer, Hansestädte, S. 36–41. 33 In Anlehnung an das Schreiben Albrechts vom November 1472, er habe die Mark mit Freunden umgeben; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 503, S. 466.
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eine Seite Vorteile formuliert und ihrem potenziellen Bündnispartner aufzeigt, die dieser an der Verbindung haben könnte. Aus dem vom Initiator erzeugten gegenseitigen Interesse ergibt sich dann eine Art Austausch. 2. Netzwerkintensivierung: Christian und das Reich Von Interesse für die Geschichte des Reiches sind die Dinge, die Albrecht für Christian und dessen Bruder Gerd beim Kaiser einfordern sollte. Hierbei ging es vor allem um die Belehnung mit Holstein und Dithmarschen34. Sehr rasch, am 26. Mai 1473, ließ Friedrich III. einen Lehnsbrief für den Dänen über Dithmarschen ausstellen35; Christian hatte anscheinend bewusst die Aktivierung seiner Bindung zu Karl dem Kühnen angedroht, um die Sache beim Kaiser zu beschleunigen36. Zwei Tage danach erging der Gehorsamsbefehl an die Dithmarscher37. Heinig hat die Rolle Albrechts von Brandenburg bei der Belehnung herausgestellt, die vor allem das Auftreten als Finanzier und Vermittler zwischen dem Begünstigten und der kaiserlichen Kanzlei unter dem Mainzer Erzbischof Adolf umfasste38. Die Belehnung mit Holstein dauerte länger. Bereits 1460 war Christian nach dem Aussterben der Schauenburger in Holstein von der Ständeversammlung in Ribe zum Grafen von Holstein und Herzog von Schleswig gewählt worden39. Während das Herzogtum Schleswig dänisches Lehen war, lag Holstein im Reich. Christian von Dänemark war nun auch daran gelegen, nicht nur mit Dithmarschen Lehnsmann des Kaisers zu sein, sondern auch die Grafschaft Holstein in ein reichsunmittelbares Lehen umzuwandeln, um so seine territoriale Basis zu stabilisieren und sein politisches Gewicht im Reich zu steigern. Der Kaiser erhob 1474 die Grafschaft Holstein zum Herzogtum, inkorporierte das Territorium Dithmarschen und belehnte dann mit diesem neuen Gebilde Christian von Dänemark40.
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Vgl. Sauer, Hansestädte, S. 39. Regesta, Chmel, 2, Nr. 6726, S. 652. Wie einem Schreiben vom 13. Juni 1473 zu entnehmen ist, übersandte Erzbischof Adolf von Mainz die Dokumente an Kurfürst Albrecht von Brandenburg, der diese dann weiterschicken und beim dänischen König entsprechende finanzielle Gegenleistungen fordern sollte, GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 37. 36 Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 266. 37 Regesta, Chmel, 2, Nr. 6732, S. 653. 38 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1108–1121, 1148–1151. 39 Vgl. Imhof, Nordische Geschichte, S. 79 f. 40 Regesta, Chmel, 2, Nr. 6837, S. 664. Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller, Heft 3: Die Urkunden und Briefe aus den Archiven und Bibliotheken des Regierungsbezirks Kassel (vornehmlich aus dem Hessischen Staatsarchiv Marburg / L.), bearb. von Paul-Joachim Heinig (Wien u. a. 1983), Nr. 125, S. 90; ebd., Heft 4: Die Urkunden und Briefe aus dem Stadtarchiv Frankfurt am Main, bearb. von Paul-Joachim Heinig (Wien u. a. 1986), Nr. 607, S. 315; RI Friedrich III., 20, Nr. 224, S. 164 (1474 Februar 14). Am selben Tag verlieh Friedrich III. König Christian die Regalien und bestätigte alle Privilegien; RI Friedrich III., 4, Nr. 608, S. 315. König Christian 35
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Christians Interessen gegenüber dem Reich, wie sie die hartnäckige Verfolgung dieses Projektes zeigt, waren stärker als seine Interessen zum Beispiel nach Norwegen, wie die Verpfändung und später nie erfolgte Einlösung altnorwegischer Außenbesitzungen in jenen Tagen zeigt41. Während Heinig lediglich Albrechts Rolle bei der Übermittlung der für Christian wichtigen Dokumente untersucht, erscheint hier die Frage interessanter, wie sich die personalen Bindungen zwischen Christian, Albrecht und dem Kaiser durch die Belehnung veränderten. Zur Durchsetzung seiner Herrschaft in Dithmarschen wandte sich Christian umgehend an Albrecht, er möge seinen Marschall Busso von Alvensleben nach Dithmarschen entsenden, um dem kaiserlichen Willen, der Unterwerfung der Dithmarscher unter König Christian von Dänemark, Nachdruck zu verleihen42. Priebatsch43 ordnet dieser Korrespondenz ein Schreiben des Herzogs von Mecklenburg zu, für das er als Empfänger Christian von Dänemark annimmt. Darin bat der Mecklenburger Fürsprache beim Kaiser zur Erlangung von Mandaten gegen Lübeck in der Frage um die Geltung von Zöllen. Gleichzeitig hatte der Herzog von Mecklenburg in dieser Sache an Albrecht von Brandenburg geschrieben. Dies zeigt, dass mit der Belehnung der Däne nicht nur aktiv in das Reichsnetzwerk eingebunden wurde, sondern nun auch Funktionen für andere Netzwerkteilnehmer übernahm, die zuvor ausschließlich von Albrecht von Brandenburg versehen wurden. Hierbei scheint sich eine zunehmende Zentralität des Dänen in dem nordischen Regionalnetzwerk, das zuvor allein von Albrecht dominiert worden war, zu ergeben. Die Antworten Albrechts sowie die kaiserlichen Reaktionen geben weiteren Aufschluss über die personalen Bindungen. Busso von Alvensleben konnte in Sachen Dithmarschen seinen Auftrag nicht ausführen, da die Dithmarscher ihn nicht ins Land ließen44. In der Folge kehrte sich die Kommunikation um: Der dänische König wandte sich nun direkt an den Kaiser, der dann Albrecht von Brandenburg aufforderte, erneut gegen die Dithmarscher vorzugehen, da er selbst mit anderen Dingen beschäftigt sei45. Der kaiserliche Gebotsbrief, der unmittelbar nach der Belehnung an die Dithmarscher ergangen war, erwies sich dauerhaft als wirkungs-
von Dänemark konnte in diesem Zusammenhang noch andere kaiserliche Briefe erwerben, nicht zuletzt ein Gebot an die Städte Lübeck, Hamburg, Lüneburg und Wismar zur korrekten Münzprägung, vgl. StA Bamberg, A 160 III Brandenburgische Urkunden, Lade 595, Nr. 3677, 3679, 3680 (alle 1474 Februar 13). 41 Vgl. Imhof, Nordische Geschichte, S. 80. 42 StA Bamberg, GHAP Nr. 4464. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 788, S. 628 f. 43 StA Bamberg, GHAP Nr. 4464 (undatiert). Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 788, S. 628 f. 44 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 803, S. 637. 45 Ebd., Nr. 860, S. 669 (1474 Juni 20).
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los, da sie sich an den Papst wandten; um einen Rat bat Christian von Dänemark dann wieder Albrecht von Brandenburg46. Albrecht nahm hier also eine Ordnungsfunktion im Norden ein, die sich nicht nur auf zwischenterritoriale Beziehungen beschränkte, sondern auch der Herrschaftsdurchsetzung innerhalb fremder Territorien diente. Dabei halfen diese Missionen sowohl dem Landesherrn als auch dem Kaiser, dessen Recht und Interessen von Albrecht durchgesetzt werden sollten. Die Aktivierung erfolgte entweder persönlich oder im informellen Auftrag des Kaisers. 3. Christian und das Königsprojekt des Herzogs von Mailand Dass der Däne nun aber nicht nur für regionale Herrschaftsträger des Nordens interessant war, zeigt die Korrespondenz, die von seiner Italienreise überliefert ist47. Im Januar 1474 nämlich war Christian gemeinsam mit Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg zu einer Reise nach Rom aufgebrochen, die zwar als Pilgerfahrt geplant war, sich aber letztendlich zu einer politischen Reise entwickelte48. Auf dem Weg nach Rom traf Christian mit dem Kaiser in Rothenburg zusammen und erhielt von diesem Verhandlungsaufträge49. Zu einem wichtigen Thema von Christians Italienreise entwickelte sich das Erhebungsprojekt des mailändischen Herzogs, das im Folgenden näher betrachtet werden soll. Aus Pavia schrieb Christian dem brandenburgischen Kurfürsten, der Herzog von Mailand wolle König der Lombardei werden und habe ihn hierzu um Hilfe beim Kaiser gebeten50. Am selben Tage schrieb auch der Rat Albrecht Klitzing, der in den Diensten sowohl Christians von Dänemark als auch Albrechts von Brandenburg stand, an Albrecht und berichtete von Verhandlungen mit dem Herzog von Mailand51. Ihm habe er erklärt, um König zu werden, müsse er den
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Ebd., Nr. 944, S. 729 (1474 Oktober 17). Schon wohl mindestens ein Jahr vorher scheinen die Vorbereitungen für diese Reise begonnen worden zu sein, anscheinend auch mit Hilfe des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg, Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 801, S. 634 f., hier vor allem S. 635, Anm. 2. Hierbei zu berücksichtigen ist auch GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E I 25, Dokument 2. 48 Vgl. Sauer, Hansestädte, S. 42. 49 Vgl. ebd., S. 43. 50 StA Bamberg, GHAP Nr. 4464. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 798, S. 632 f. (1474 März 18). Zu den politischen Verhältnissen im Italien jener Tage vgl. Nicolai Rubinstein, Das politische System Italiens in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: „Bündnissysteme“ und „Außenpolitik“ im späteren Mittelalter, hg. von Peter Moraw (ZHF. Beiheft 5, Berlin 1988), S. 105–119, insbesondere S. 110. Michael Mallett, The Northern Italian States, in: The New Cambridge Medieval History, Bd. 7: c. 1415– c. 1500, hg. von Christopher Allmand (Cambridge 1998), S. 547–570, insbesondere S. 564–570. 51 Zu den Aktivitäten von Albrecht Klitzing für Dänemark und Brandenburg vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, insbesondere S. 1309. 47
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Kaiser und die Kurfürsten gewinnen52. Deshalb gelte es, nicht nur den Kaiser, sondern auch die Kurfürsten für sein Vorhaben durch die Zahlung höherer Summen Geldes gewogen zu stimmen. Aber der aller mechtigste […] bey der keiserlichen maiestat, ohne dessen Rat der Kaiser in den Dingen […] nicht tete, sei Albrecht von Brandenburg53. So müsse man zunächst ihn von diesem Projekt überzeugen. Albrecht von Brandenburg, so Klitzing weiter, könne dann in einem nächsten Schritt den Kurfürsten von Mainz und die anderen mechtigsten im Umfeld Friedrichs III. von dem Plan der Erhebung zum König überzeugen. Dabei verschwieg Klitzing dem Herzog von Mailand allerdings, dass er nicht nur in den Diensten Christians von Dänemark, sondern auch in denen Albrechts von Brandenburg stand54. Außerdem berichtete Klitzing in seinem Schreiben, der dänische König sei in Italien wiederholt aufgefordert worden, Grafen zu erheben; sein Rat bat nun Albrecht, beim Kaiser die Erlaubnis für diese Erhebungen durchzusetzen55. Sechs Tage, nachdem König Christian und Albrecht Klitzing sich mit dem Anliegen des Mailänders an Kurfürst Albrecht gewandt hatten, schrieb in dieser Sache auch Ludovico III. Gonzaga, Markgraf von Mantua, an den brandenburgischen Mark grafen und warb für die Standeserhöhung56. Das Erhebungsprojekt des Herzogs von Mailand, Galeazzo Maria Sforza57, zeigt die Komplexität der verschiedenen personalen und Interessenverbindungen; bereits 1471 hatte sich der Herzog an den Kardinal Francesco Todeschini-Picco 52 Urkundliche Beiträge zur Geschichte der Häuser Brandenburg und Österreich, der Länder Ungarn und Böhmen. Namentlich aus der Zeit Markgraf Albrecht’s Achilles von Brandenburg, hg. von Constantin Höfler, in: AÖG 7 (1851), S. 25–146, hier Nr. 67, S. 82 f.: […] habe Ich gesagt So vele als ich den kaiserlichen Hoff erkant hette wolte er die dingk guter ende förderlich erlangen So konde er nicht nuzer gelt vss geben, dann das er sich XXXm oder XLm gulden erwüge vnd die verspreche den korforsten vnd reten, die der kaiserlichen maiestat die nechsten seint So er das tete, hette ich nicht zweivel solich sach sollte Im deste eher zu gute gedeyhen […]. Albrecht Klitzing bat in diesem Zusammenhang Albrecht von Brandenburg um Anweisungen, wie er sich zu verhalten habe: Solte ich etwas mehr thun oder mich anders in den Handel schicken gebe mir ewer gnad zu versteen So sol arbeyt vnd fleis nicht verspart werden. 53 Ebd. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 798, S. 633. 54 Urkundliche Beiträge, hg. Höfler, Nr. 67, S. 82: […] doch vnvermergk das ich ewer gnaden dyner bin gewest […]. 55 Christian bat den Kaiser, ihn mit der Erhebung von drei italienischen Edlen zu Grafen zu bevollmächtigen. Der Kaiser kam dem im Mai 1474 nach; Regesta, Chmel, 2, Nr. 6861, S. 666. 56 Urkundliche Beiträge, hg. Höfler, Nr. 70, S. 86 f. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 798, S. 633 f., insbesondere S. 634, Anm. 1 (1474 März 24). 57 Unter Galeazzo Maria Sforza herrschte im Herzogtum Mailand relative Ruhe. Durch eine äußerst harte Politik nach innen versuchte er die Autorität seiner Herrschaft und Dynastie zu stärken. Er wurde 1476 Opfer einer Verschwörung und in Mailand ermordet, vgl. G[iorgio] Chittolini, Art. „Sforza“, in: Lex.MA 7 (1995), Sp. 1821–1824. Francesca M. Vaglienti, Art. „Galeazzo Maria Sforza, duca di Milano“, in: DBI 51 (1998), S. 398–409. Maria Nadia Covini, L’esercito del duca. Organizzazione militare e istituzioni al tempo degli Sforza (1450– 1480) (Nuovi studi storici 42, Rom 1998), S. 173–351. Franco Catalano, Il ducato di Milano nella politica dell’equilibrio, in: Storia di Milano, Bd. 7: L’età sforzesca dal 1450 al 1500 (Milano 1956), S. 227–414, hier besonders S. 227–310. Marco Fossati / Alessandro Ceresatto,
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lomini gewandt, der dem Kaiser das Ansinnen des Mailänders vorgetragen hatte, auf das Friedrich III. jedoch nicht eingegangen war58. Nicht erst Galeazzo Maria Sforza, sondern schon sein Vater Francesco, der sich nach dem Tode von Filippo Maria Visconti 1447 in den Auseinandersetzungen um die Nachfolge im Herzogtum Mailand hatte durchsetzen können, hatte sich allerdings mit der Herausforderung konfrontiert gesehen, von Friedrich III. überhaupt erst reichsrechtlich als Herzog von Mailand anerkannt zu werden59. Ein erneuter Versuch von Galeazzo Maria Sforza 1473/74 gestaltete sich folgendermaßen: Christian von Dänemark hatte sich an den mailändischen Herzog gewandt, um seine Hilfe bei der Verheiratung seines Sohnes mit der Tochter des Herzogs von Savoyen, Amadeus IX., zu erwirken60. Der Herzog von Mailand war nämlich mit Bona von Savoyen, einer Tochter Herzog Ludwigs von Savoyen, verheiratet61. L’età della signoria e del principato. Dai Visconti agli Sforza, in: La grande storia di Milano: dall’età dei comuni all unità d’Italia, Bd. 1: Comuni e Signorie in Lombardia, Teil 2: La Signoria e il Principato (Turin 2010), S. 573–636, hier S. 625–636. 58 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. 358; Nr. 103,a, S. 373 f.; Nr. 116,a, S. 752 f.; Nr. 116,b,3, S. 758 f.; Nr. 116,c,1, S. 759–761. Vgl. Müller, Um 1473, S. 273. Weitere Akteure sollten aktiviert werden oder handelten tatsächlich, so der Graf von Württemberg und Herzog Sigmund von Tirol, der seinerseits dem Kardinal zusicherte, zumindest den Mainzer Erzbischof von der Angelegenheit zu informieren. 59 Vgl. Signorini, Barbarina Gonzaga, S. 59. Entsprechend war das Vorhaben des Mailänders 1471 in zwei Stufen aufgeteilt, die Minimalforderung einer reichsrechtlichen Anerkennung und die Maximalforderung einer Übertragung der Königswürde, RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. 358. Francesco hatte im Jahre 1441 Bianca Maria Visconti, einzige Tochter von Filippo Maria Visconti, Herzog von Mailand, geheiratet, vgl. Franco Catalano, Art. „Bianca Maria Visconti, duchessa di Milano“, in: DBI 10 (1968), S. 26–29. Ansprüche auf die Nachfolge konnten berechtigterweise allerdings auch andere stellen, insbesondere der französische König, vgl. zur in jenen Tagen aktuellen politischen Bedeutung dieses Anspruchs: Signorini, Barbarina Gonzaga, S. 59. Außerdem Christoph Dartmann, Die Ritualdynamik nichtlegitimer Herrschaft. Investituren in den italienischen Stadtstaaten des ausgehenden Mittelalters, in: Investitur- und Krönungsrituale. Herrschereinsetzungen im kulturellen Vergleich, hg. von Marion Steinicke / Stefan Weinfurter (Köln 2005), S. 125–136, hier S. 131–136. Zu Francesco Sforza vgl. Antonio Menniti Ippolito, Art. „Francesco I Sforza, duca di Milano“, in: DBI 50 (1998), S. 1–15. Franco Catalano, La nuova signoria: Francesco Sforza, in: Storia di Milano, Bd. 7: L’età sforzesca dal 1450 al 1500 (Milano 1956), S. 1–224; zu den Bemühungen um Belehnung bei Kaiser Friedrich III. ebd., S. 26 f. Fossati / Ceresatto, Dai Visconti agli Sforza, nicht zuletzt S. 604–625. Zum Thema vgl. auch Carlo Antonio Vianello, Gli Sforza e l’Impero, in: Atti e Memorie del Primo Congresso storico Lombardo (Milano 1937), S. 193–269. Fabio Cusin, L’Impero e la successione degli Sforza ai Visconti, in: Archivio storico Lombardo N. S. 1 (1936), S. 3–116. Ders., Le relazioni tra l’Impero ed il ducato di Milano dalla pace di Lodi alla morte di Francesco Sforza (1454–1466), in: ebd. 3 (1938), S. 3–110. Zum Folgenden außerdem ders., I rapporti tra la Lombardia e l’Impero dalle morte di Francesco Sforza all’avvento di Lodovico il Moro (1466–1480), in: Annali della R. Università degli studi economici e commerciali di Trieste 6 (1934), S. 213–322. 60 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 798, S. 632 f. 61 Zu Bona von Savoyen vgl. G[igliola] Soldi Rondinini, Art. „Bona von Savoyen“, in: Lex. MA 2 (1983), Sp. 391. Daniel Meredith Bueno de Mesquita, Art. „Bona di Savoia, duchessa di Milano“, in: DBI 11 (1969), S. 428–430.
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In diesem Zusammenhang trug Galeazzo Maria Sforza dem Dänenkönig sein Vorhaben vor, aus dem Herzogtum Mailand ein konigreich […] ztu machen 62 . Christian von Dänemark legte Albrecht von Brandenburg in dem bereits erwähnten Schreiben von Mitte März 1473 diese gegenseitige Interessenübereinkunft offen dar, die den Dänen und den Mailänder gemeinsam handeln ließ. Albrecht von Brandenburg reagierte zurückhaltend und skeptisch auf den Plan des Mailänder Herzogs; er berichtete dem Markgrafen von Mantua im April 1474, er wolle erst die Meinung des Kaisers abwarten. So wolle er das Vorhaben des Herzogs am 24. April in Augsburg bei seiner Zusammenkunft mit dem Kaiser diesem persönlich unterbreiten63. Am 4. Mai 1474 schrieb der Kurfürst an Christian von Dänemark, der Kaiser habe seinen Anspruch der Vereinigung der vier Kronen in seiner Hand sowie seine Funktion als Mehrer des Reiches unterstrichen, jedoch Verhandlungen unter seiner – Albrechts – und des Erzbischofs von Mainz Führung in Augsburg zugelassen64. Bei solchen Verhandlungen sollte es aber nicht um die Einrichtung eines Königtums gehen, sondern bloß um die Belehnung des Herzogs von Mailand durch den Kaiser. In einem Schreiben an Albrecht Klitzing, ebenfalls vom 4. Mai 1474, erlegte der Kurfürst seinem Rat fortan Zurückhaltung, zumindest aber keine Intensivierung seiner Bemühungen in dieser Sache auf65. Gleichzeitig erklärte er ihm: wir gesweigen das man dem keyser die cron in Lambardey solt erlangen zu entwenden und im die aufsetzen66. Ob es nach diesem Schreiben tatsächlich zu Verhandlungen kam, ist nicht überliefert. Die Königswürde, geschweige denn eine Klärung und Festigung seiner Position konnte der Herzog von Mailand in der Folge aber nicht erlangen. Die markgräfliche Korrespondenz macht deutlich, dass Albrecht von Brandenburg hier nicht gehandelt hatte, um dem Herzog von Mailand ernsthaft und mit Nachdruck zur Königswürde zu verhelfen, sondern allein um seinem Schwager Christian von Dänemark, in zweiter Linie auch um dem Markgrafen von Mantua einen Gefallen zu tun67. Aus der Korre 62
Urkundliche Beiträge, hg. Höfler, Nr. 68, S. 83–86, hier S. 83 (1474 März 18). Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 817, S. 645 (1474 April 11). Albrecht von Brandenburg erklärte in diesem Zusammenhang: die sach sind groß und haben nach irem herkommen und abschied des von Maylant botschaft von der kayserlichen maiestat groß und treffenlich enderung. die erbietung, der kayserlichen maiestat zu thon ist mercklich geringert, so ist die begird dagegen großlich geauft durch bete von der kayserlichen maiestat den von Maylant in koniglich wird zu setzen, deßhalben ist uns ausserhalben unser mitkurfürsten mit der kayserlichen maiestat swer zu handeln, dann ein tayding die andern verhindern mocht. 64 StA Bamberg, GHAP Nr. 4464. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 838, S. 660 f. 65 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 838, S. 660 (1474 Mai 4). 66 Ebd. 67 Dies legen Passagen der Korrespondenz des Markgrafen von Brandenburg mit Ludovico Gonzaga und Christian von Dänemark nahe: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 817, S. 645 (1474 April 11): […] yedoch unserm hern und swager dem konig zu Tennmarck und euch zu gefallen […]. Ebd., Nr. 838, S. 660 (1474 Mai 4): dann sovil wir dorinn gehandelt und anbracht haben, ist unserm hern und swager, dem konig zu eren und lieb gescheen und schreiben deßhalben seiner koniglichen wirde […]. 63
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spondenz Albrechts von Brandenburg geht außerdem hervor, dass der Kurfürst in der Mailandfrage keinerlei Eigeninteressen verfolgte, ja sich offenbar persönlich auch nur begrenzt finanzielle Vorteile erhoffte, die mit einer Aktivierung seiner Netzwerke um den Kaiser verbunden gewesen wären68. Auch der Herzog von Mailand hatte ursprünglich wohl nur die Aktivierung seiner Beziehung zu Christian von Dänemark beabsichtigt. Aus der Korrespondenz geht hervor, dass erst der Rat Albrecht Klitzing dem Mailänder erklärte, Albrecht von Brandenburg sei der entscheidende Vermittler im Umfeld des Kaisers, der weitere Netzwerkverbindungen aktivieren könne69. Auch scheint ebendieser Berliner Dompropst Klitzing das oben beschriebene Interessengeflecht sehr wohl überblickt zu haben; wenn also der Herzog von Mailand die Tragweite der personalen Bindungen nicht durchschaute, so doch wenigstens der dänischbrandenburgische Rat. Damit musste – auch wenn man es nicht als „Netzwerk“ bezeichnete – den Räten als professionellen Agenten ihrer Herrn die Technik der politischen Interessenverfolgung durch Kopplung und Aktivierung verschiedener personaler Bindungen über bloße Zweierbindungen hinweg bewusst gewesen sein. Auch sonst dominierte Albrecht Klitzing die Kommunikation zwischen Albrecht und Christian, da er ja beiden Herren verpflichtet war. Zwar ist seine Rolle bisher nicht näher untersucht worden, die Mailand-Frage deutet jedoch auf umtriebiges Verknüpfen der Interessen beider Herren gegenüber Dritten durch ihn hin. Klitzing trat aber auch im Interesse beider am kaiserlichen oder burgundischen Hof auf 70. Offensichtlich besondere Bedeutung hatte es für alle Beteiligten, trotz mehrerer Mitwisser das Projekt geheim zu halten; so stellte Albrecht Klitzing fest: dann ye heimlicher ye besser 71. Erklärungsbedürftig erscheint auch die Rolle des Markgrafen von Mantua in dieser Angelegenheit. Erst mit einiger Verzögerung, sechs Tage nach den Schreiben des Königs von Dänemark und von Albrecht Klitzing, wandte sich auch Ludovico III. Gonzaga an Albrecht von Brandenburg. Ludovicos Bedeutung für den Plan des Mailänders wird an seinen verwandtschaftlichen Verbindungen zum dänischen König ebenso wie zu Albrecht von Brandenburg deutlich72. So war er 68
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 838, S. 660. Ebd., Nr. 798, S. 633. 70 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1309. Vgl. ferner GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 16: Kredenz König Christians von Dänemark für Albrecht Klitzing bei Kurfürst Albrecht Achilles, 1475 März 14. 71 Urkundliche Beiträge, hg. Höfler, Nr. 67, S. 82 (1474 März 18). Vgl. hierzu auch ebd., Nr. 72, S. 88. 72 Bereits viel früher, im Jahre 1460, waren die Markgrafen von Mantua in der Angelegenheit des Herzogs von Mailand aktiv gewesen, vgl. die Berichte des Kardinals Basilius Bessarion aus Wiener Neustadt vom Hof Kaiser Friedrichs III. an den Markgrafen von Mantua und seine Gattin: Alfred A. Strnad, Bessarion verstand auch deutsch. Zur Sprachenkenntnis des griechischen Kardinals, in: Römische Kurie. Kirchliche Finanzen. Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann Hoberg, hg. von Erwin Gatz, Bd. 2 (Miscellanea Historiae Pontificiae 45, Rom 1979), S. 869–882, hier S. 873 f., ebenso die Schreiben im Anhang S. 880 f. 69
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verheiratet mit Barbara von Brandenburg, der ältesten Tochter des Markgrafen Johann, des Bruders von Albrecht Achilles73. Barbara war die Schwester von Dorothea, der Ehefrau Christians von Dänemark74. Es liegt nahe anzunehmen, dass Ludovico erst eingeschaltet wurde, nachdem Klitzing dem Herzog von Mailand von der besonderen Rolle Albrechts von Brandenburg im Reich berichtet hatte und der Mailänder nun versuchte, die ihm zugänglichen Kanäle zu Albrecht von Brandenburg zu nutzen75. Die Beziehungen zwischen den Gonzaga und den Sforza in diesen Jahren können als ambivalent bezeichnet werden76. Ludovico stand als Condottiere in den Diensten des Mailänder Herzogs77. In den 1460er Jahren hatten die Beziehungen der Gonzaga und der Sforza einen Dämpfer erhalten, nachdem das schon lange vereinbarte Eheprojekt zwischen Dorotea Gonzaga, Tochter Ludovicos III. Gonzaga und seiner Gattin Barbara, und Galeazzo Maria Sforza gescheitert war78. Erst allmählich verbesserten sich die Beziehungen beider Akteure wieder und es lässt sich intensiveres gemeinsames politisches Handeln zu Beginn der 1470er Jahre beobachten79. Generell zeigte sich die Ambivalenz der Beziehungen einerseits in der Betonung gegenseitiger Freundschaft; aus der direkten territorialen Nachbarschaft erwuchs eine Schutz- und Beraterfunktion des mantuanischen Markgrafen für den Mailänder Herzog. Andererseits wurde der Markgraf bisweilen als „Satellit“ in einer den Herzögen untergeordneten Position gehalten80. 73
Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 128. Während der Reise des Königs von Dänemark nach Italien hatte Barbara Gonzaga eine Informationsfunktion gegenüber Albrecht von Brandenburg, vgl. GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 38, Nr. 7; ebd. außerdem weitere Schreiben. Vgl. ferner Rückert, Einführung, S. 15 f. Albrecht von Brandenburg unterhielt außerdem intensiven Briefkontakt mit Francesco Gonzaga, dem 1444 geborenen zweiten Sohn von Ludovico III. und Barbara Gonzaga, der bereits 1461 Kardinal wurde, vgl. GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 20: mehrere Schreiben aus den 1460er und 1470er Jahren; J 21: Schreiben vom 3. März 1471. Zu Francesco Gonzaga vgl. Isabella Lazzarini, Art. „Gonzaga, Francesco“, in: DBI 57 (2001), S. 756–760. 74 Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 128. 75 Bei dem Versuch des Herzogs von Mailand im Jahre 1471, durch Kardinal Francesco Todeschini-Piccolomini seine Pläne bei Friedrich III. verwirklichen zu lassen, hatte Albrecht von Brandenburg auf dem Reichstag zu Regensburg im Namen des Kaisers die ablehnende Antwort verkündet, vgl. RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 116,c,1, S. 759–761, hier S. 759 f. 76 Zum Verhältnis des Markgrafen von Mantua zu Galeazzo Maria Sforza in diesen Jahren vgl. Covini, Sforza, S. 288–305. 77 Zu Ludovico III. Gonzaga vgl. Isabella Lazzarini, Art. „Ludovico III Gonzaga, marchese di Mantova“, in: DBI 66 (2006), S. 417–426, besonders S. 419–426. 78 Signorini, Barbarina Gonzaga, S. 59. Isabella Lazzarini, Art. „Gonzaga, Dorotea“, in: DBI 57 (2001), S. 707 f. Vgl. auch Covini, Sforza, S. 289. 79 Signorini, Barbarina Gonzaga, S. 60. So kooperierten beide im Jahre 1471 bei dem letztlich erfolglosen Versuch, die Herrschaftsnachfolge in Modena in ihrem Sinne zu beeinflussen, vgl. Covini, Sforza, S. 291, Anm. 30. Lazzarini, Ludovico III Gonzaga, S. 423. Catalano, Il ducato di Milano, S. 271–276. 80 Covini, Sforza, S. 289 f.
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Nicht zuletzt angesichts dieses ambivalenten Verhältnisses von Mailand und Mantua wird man vermuten dürfen, dass der Markgraf von Mantua an einer Königserhebung des Herzogs von Mailand kein gesteigertes Interesse gehabt haben wird. Dass die Beziehungen von Galeazzo Maria Sforza zu Ludovico Gonzaga nicht unbelastet waren, verdeutlicht auch seine Reaktion auf das Fresko in der „Camera Picta“ der Markgrafen von Mantua. Wie aus einem Schreiben des Botschafters von Mantua in Mailand, Zaccaria Saggi da Pisa, an Ludovico Gonzaga vom 26. November 1475 hervorgeht, hatte sich der Herzog von Mailand beschwert, dass auf den Fresken gar i dui più tristi homini al mondo, also „die zwei größten Schufte der Welt“, nicht aber er selbst abgebildet sei81. Hierbei handelt es sich um eine Anspielung auf Kaiser Friedrich III. und König Christian von Dänemark, wie aus dem Antwortschreiben des Markgrafen von Mantua hervorgeht82. Mit ihnen, die der Markgraf von Mantua durch die Abbildung auf den Fresken als seine Freunde auswies, hatte der Mailänder Herzog seine Königspläne nicht verwirklichen können. Hieran wird deutlich, dass der Zugang zu politischen Netzwerken und Netzwerkkonstellationen auch in der Kunst vergegenwärtigt werden können83. Warum aber scheiterte nun das Ansinnen des Mailänders? Folgt man der Netzwerkvorstellung und ihrer Verknüpfung mit einem Geflecht gegenseitiger Interessen, so hatte der Herzog von Mailand zwar wirksam einen Netzwerkausschnitt für sich aktiviert, aber es gelang ihm nicht, ein Interesse aller Beteiligter zu er zeugen. Zwar bot der Herzog von Mailand den Beteiligten große Geldzahlungen an, um diese für sich zu gewinnen. Auch das Netzwerkgefüge zwischen dem Herzog von Mailand, Dänemark und den Brandenburgern war recht eng; eine direkte verwandtschaftliche Bindung zwischen Habsburg und den Mailänder Herzögen sowie dem Markgrafen von Brandenburg bestand allerdings nicht. So verhielt sich schon Albrecht von Brandenburg zurückhaltend, und der Kaiser hatte erst recht an der Erhebung und Belehnung kein Interesse. Diese Betrachtung der Netzwerkstrukturen zeigt schließlich, dass es zu kurz gegriffen wäre, die Erklärung des Scheiterns des Erhebungsprojektes auf den Vergleich der Interessen des Kaisers am burgundischen Königsprojekt mit denen des Mailänder Projekts und auf die drohende Veränderung der Beziehung des Kaisers zu Venedig zu reduzieren84; erst Interessenübereinkunft in Verbindung mit günstigen Netzwerkstrukturen konnte eine positive Lösung herbeiführen85.
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Zit. nach Antenhofer / Müller, Briefe in politischer Kommunikation, S. 10 f. Ebd. Zur Begründung der Abbildung der beiden Akteure durch Ludovico Gonzaga vgl. Antenhofer, Camera Picta, S. 225. 83 Zu den Deutungen der Abbildung von König Christian und Kaiser Friedrich III. Signorini, Opus hoc tenue, S. 180 f. Antenhofer, Camera Picta, S. 224 f. 84 So aber Müller, Um 1473, S. 273. 85 Als wirkungsvoll erwies sich jedoch die Verbindung zwischen Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Ludovico Gonzaga im Erhebungsprojekt von Georgius Hefler zum Kardinal, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 789, S. 629. 82
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Ohne den Untersuchungsrahmen zu sprengen, sei noch kurz auf die Situation zu Beginn der 1490er Jahre hingewiesen. Galeazzo Maria Sforza fiel 1476 einer Verschwörung zum Opfer86. Ihm folgte sein legitimer Sohn Gian Galeazzo Sforza, der – noch minderjährig – durch seine Mutter vertreten wurde. Gian Galeazzos Onkel versuchten mithilfe mehrerer Verschwörungen, sich Gian Galeazzos Mutter zu entledigen, die sich schließlich 1479 durch ein Übereinkommen mit Ludovico Maria Sforza selbst ins politische Abseits manövrierte87; Ludovico hatte fortan die Fäden der mailändischen Politik fest in der Hand und versuchte, durch eine Reihe von „diplomatischen“ Schachzügen seine Herrschaft zu sichern88. So gelang es ihm unter anderem im Jahre 1493, seinen bis dahin strittigen Herzogstitel durch die Verleihung des Reichslehens Mailand zu sichern. Ludovico handelte dafür einen umfassenden Ausgleich mit König Maximilian aus, der mit Rücksicht auf Kaiser Friedrich III., der sich zeitlebens gegen das Ansinnen des Mailänders sperrte, und auf die öffentliche Meinung in Mailand, da auch der aus der Herrschaft gedrängte, aber eigentlich rechtmäßige Herzog Gian Galeazzo noch lebte, erst 1495 in allen Teilen öffentlich gemacht wurde89. Natürlich kann man – übernimmt man die Bilder der älteren Forschung – die rasche Lösung der Frage mit der Gegenüberstellung unterschiedlicher Herrscher gestalten erklären: Hier der starrsinnige und interessenlose Kaiser Friedrich III., der die Sforza als „Dynastie von Schustern“ bezeichnet habe, dort der dynamische, in die Moderne weisende König Maximilian, der die Pläne des Mailänders für sein Zwecke zu nutzen gewusst habe und dem es um die Sicherung Italiens gegen eine Vereinnahmung durch Karl VIII. von Frankreich gegangen sei90. Aber mindestens genauso wahrscheinlich ist, dass beide Anläufe des Versuches, nämlich wenigstens die eigene Herrschaft zu sichern, wenn nicht eine Rangerhöhung zu erhalten, auch durch unterschiedliche Politiknetzwerk-Konstellationen der Beteiligten zu erklären sind. Während die Gründe des Scheiterns von Galeazzo M aria Sforza bereits dargelegt worden sind, stand der neuerliche Versuch in den 90er Jahren nämlich unter ganz anderen Vorzeichen. Im Einzelnen sah die Einigung folgendermaßen aus: Ludovico Moro sollte nach dem Tode des rechtmäßigen Herzogs Gian Galeazzo mit dem Reichslehen Mai 86
Vgl. Vaglienti, Galeazzo Maria Sforza, S. 405 f. Vgl. Gino Benzoni, Art. „Ludovico (Ludovico Maria) Sforza, detto il Moro, duca di Milano“, in: DBI 66 (2006), S. 436–444, hier S. 437. Angelo Cellerino, Il ducato di Milano dalla morte di Galeazzo Maria Sforza alla fine dell’indipendenza, in: L’età della signoria e del principato. Dai Visconti agli Sforza, in: La grande storia di Milano: dall’età dei comuni all unità d’Italia, Bd. 1: Comuni e Signorie in Lombardia, Teil 2: La Signoria e il Principato (Turin 2010), S. 637–679, hier S. 642–661. 88 Vgl. Benzoni, Ludovico. 89 Vgl. Hermann Wiesflecker, Maximilian I. Die Fundamente des habsburgischen Welt reiches (Wien / München 1991), S. 80. Benzoni, Ludovico, S. 438. Manfred Hollegger, Maximilian I. (1459–1519). Herrscher und Mensch einer Zeitenwende (Stuttgart 2005), S. 90–94. Cellerino, Il ducato di Milano, S. 651 f. 90 Vgl. Wiesflecker, Maximilian I., S. 78. Dort auch das Zitat ohne direkten Nachweis. 87
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land durch Maximilian belehnt werden. König Maximilian sollte Bianca Maria Sforza heiraten. Sie war die Tochter von Galeazzo Maria und Nichte Ludovicos. Als Mitgift wurden 400.000 Dukaten sowie Ausstattung und Schmuck ebenfalls im Wert von 400.000 Dukaten vereinbart91. Der positive Ausgang bestand somit aus drei Komponenten: einer wirtschaftlichen, einer verwandtschaftlichen und einer lehnsrechtlichen. Ludovico war es offensichtlich gelungen, ein beiderseitiges Interesse sowie verwandtschaftliche Netzwerkstrukturen aufzubauen, die Galeazzo Maria nicht hatte herstellen können, nicht zuletzt da seine Tochter zum Zeitpunkt seines zweiten Versuchs, in den Jahren 1473/74, nicht einmal drei Jahre alt war. Mit Bianca Maria hatte Ludovico eine der „begehrtesten Bräute Europas“92 in seiner Verhandlungsmasse. Maximilian hoffte anscheinend, über Bianca Maria sich die reichen Güter der Herzöge von Mailand nutzbar zu machen; dieses Interesse bestand gewiss vor der Invasion Karls VIII. von Frankreich in Italien, sodass ein politischer Zusammenhang höchstens als präventive Maßnahme Maximilians gesehen werden könnte93. Von vornherein hatte Ludovico somit bessere Voraussetzungen für die Durchsetzung des Projektes. Dass nun möglicherweise Friedrich III. die Heirat als solche wegen der ständisch-sozialen Unebenbürtigkeit der zukünftigen Gattin und der reichsrechtlichen Illegitimität der mit Mailand noch nicht belehnten Sforza ablehnte, widerspricht dieser Interpretation nicht94. Vielmehr erklärt es, warum die Verhandlungsergebnisse bis nach dem Tode des Kaisers geheim gehalten wurden. Diese Situation, dass mit dem Tode eines Herrschers die Einigung mit dem Nachfolger plötzlich ganz einfach schien, ist im Mittelalter geläufig. Die ältere Forschung würde sie mit dem Starrsinn und der Unfähigkeit des Kaisers beschreiben, mit der Ausweglosigkeit lang eingeschliffener Standpunkte. Mindestens genauso plausibel aber wäre es, den gegensätzlichen Ausgang der gleichen Frage durch unterschiedliche Politiknetzwerk-Konstellationen zu erklären. Warum nicht Galeazzo Maria, aber Ludovico? – Tod bedeutet Netzwerkumbildung und Interessenverlagerung. Ludovico war es erfolgreich gelungen, schon vor der Netzwerkveränderung 1493 ein Politiknetzwerk zu erzeugen, dass erst mit dem Tode Kaiser Friedrichs III. Realität wurde; beide Seiten hatten ein ausreichendes Interesse an der Verbindung, wirtschaftliche, politische und Standesinteressen wurden verbunden, um einen Vorteil für beide Seiten zu schaffen. Betrachtet man die Beziehungen Albrechts und Christians sowie des Kaisers bis 1474, so reicht es nicht aus, auf die Beschaffung von Rechtsdokumenten und die Refinanzierung der Kurfürsten und der kaiserlichen Gewalt durch die daraus
91
Vgl. ebd., S. 80. Paul-Joachim Heinig, Maximilian und die Frauen. In den Fängen der dynastischen Politik, in: Kaiser Maximilian I. Bewahrer und Reformer, hg. von Georg Schmidt-von Rhein (Ramstein 2002), S. 69–81, hier S. 75. 93 Vgl. Heinig, Maximilian und die Frauen, S. 75. 94 Vgl. ebd., S. 75. 92
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erzielten Einnahmen zu rekurrieren95. Vielmehr zeigt die Rolle des dänischen Königs innerhalb des Königsprojektes des Herzogs von Mailand, dass hinter der Erwirkung dieser Dokumente Tauschbeziehungen standen, die durch den Aufbau und die Veränderung von Politiknetzwerken erklärt werden können. 4. Christian und Burgund In jenen Tagen wurde auch die Burgundfrage für Christian von Dänemark interessant. Seine Rolle in den Verhandlungen mit Karl dem Kühnen sowie seine Motive für ein aktives Eintreten in dieser Frage sind bis heute nicht hinreichend untersucht96. Mit der Einbeziehung des Herzogtums Geldern in seinen Herrschaftsbereich hatte sich Karl der Kühne in den Einflussbereich Christians von Dänemark vorgeschoben97. Albrechts von Brandenburg Engagement in den vorangegangenen Jahren für Christian von Dänemark wie auch die Belehnung Christians mit Dithmarschen waren wohl auch nicht zuletzt durch die Stärkung des (Reichs-) Netzwerkes gegen Karl den Kühnen motiviert gewesen. An den Beratungen zwischen Karl dem Kühnen und dem Kaiser in Trier 1473 nahmen Gesandte des Dänen teil, doch ebenso wie die anderen Fürsten und Gesandten nur als Zuschauer98. Nach seiner Rückkehr aus Italien schloss Christian von Dänemark am 1. Juli 1474 ein Bündnis mit Kaiser Friedrich III.99 Das Bündnis war schon mindestens seit März diskutiert worden, wie sich aus einem Merkzettel Albrechts von Brandenburg entnehmen lässt100. Allerdings verwundert es, warum der Kaiser in dieser Lage ein Bündnis mit einem direkten Vasallen abschloss; die Erklärung, damit habe der Kaiser allein Christians enge Beziehungen nach Schottland für sich und gegen den Herzog von Burgund zu nutzen versucht, erscheint wohl zu kurz gegriffen101. Aufschlussreicher ist der Vergleich der personalen Bindungen Karls des Kühnen und Christians von Dänemark in Netzwerken innerhalb und außerhalb des Reiches. Die Beziehung Karls des Kühnen102 zum Reich ist in den letzten Jahren unter dem Paradigma spätmittelalterlicher Außenpolitik neu gedeutet
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Heinig, Hof, Regierung, Politik. Dies beklagt Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1307 f. 97 Vgl. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 116. 98 Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 268. 99 Regesta, Chmel, 2, Nr. 6895, S. 669. 100 Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 277, 297. 101 So aber ebd., S. 298. 102 Zu ihm zuletzt Werner Paravicini, „Vernünftiger Wahnsinn“. Karl der Kühne, Herzog von Burgund (1433–1477), in: Karl der Kühne (1433–1477). Kunst, Krieg und Hofkultur. Ausstellungskatalog, hg. von Susan Marti / Till-Holger Borchert / Gabriele Keck (Stuttgart 2008), S. 39–49. Karl der Kühne von Burgund: Fürst zwischen europäischem Adel und der Eidgenossenschaft, hg. von Klaus Oschema / Rainer Christoph Schwinges (Zürich 2010). 96
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worden103. Karl war mit mehreren Gebieten und nicht zuletzt durch die Belehnung mit Geldern 1473 Reichsvasall104. Gleichzeitig war er Vasall des französischen Königs. Im Streben nach Souveränität waren für Karl den Kühnen die Beziehungen zu Frankreich und ins Reich Außenbeziehungen; im Streben nach der Kaiserwürde mussten sie im nächsten Schritt jedoch wieder Innenpolitik sein105. König Christian von Dänemark war als Herzog von Holstein ebenfalls kaiserlicher Vasall, hatte jedoch als König von Dänemark auch eine bindungslose Souveränität inne. Der burgundische Herzog hatte bereits am 25. März 1467 ein Bündnis mit dem dänischen König abgeschlossen106. Dass dieses Bündnis auch 1474 nicht angezweifelt wurde, beweist der Gesandtenaustausch vom Frühjahr desselben Jahres. Nach Christians Belehnung mit Holstein war das Bündnis der beiden aus Sicht des Reiches anscheinend ein Bündnis von Reichsfürsten geworden. Gleichzeitig aber konnte es auch weiterhin als Bündnis von außerhalb des Reiches stehenden souveränen Herrschern verstanden werden. Wenn allerdings der Kaiser in dieser Situation ein Bündnis mit dem dänischen König schloss und dabei diesen nicht als seinen Lehnsmann, sondern als souveränen König ansah, nahm er dem Bündnis zwischen Karl und Christian den Wind aus den Segeln, da der Däne fortan zum Kaiser und zum Herzog von Burgund gleich starke personale Bindungen unterhielt und somit neutralisiert war. Für einen solchen Plan des Kaisers spricht auch, dass die ursprüngliche Idee und das auslösende Interesse an dieser Verbindung beim Kaiser lagen und Christian lediglich einwilligte107. Durch seine neutrale Stellung war König Christian von Dänemark qualifiziert, als Vermittler aufzutreten; von Augsburg aus schickte Christian eine Gesandtschaft zu Karl dem Kühnen108. Als diese Gesandtschaft noch nicht zurückgekehrt war, brach mit dem Vor rücken burgundischer Truppen auf Neuss Mitte Juli 1474 der Krieg aus109. Albrecht von Brandenburg organisierte die militärische Abwehr des Reiches. Auch Christian von Dänemark hatte in Augsburg versprochen, sich mit 1000 Mann an der Verteidigung auf Seiten des Kaisers zu beteiligen. Nun aber wurde er zur
103
Vgl. hierzu insbesondere Ehm, Burgund und das Reich, S. 16 f. Martin Kintzinger, Caesar, der Staat und die Nation. Die Außenpolitik Karls des Kühnen, in: Karl der Kühne von Burgund: Fürst zwischen europäischem Adel und der Eidgenossenschaft, hg. von Klaus Oschema / Rainer Christoph Schwinges (Zürich 2010), S. 125–152, hier S. 134–147. Außerdem die oben gewonnenen Ergebnisse zum Tag von Trier, siehe B. III. 4. 104 Vgl. Jean-Marie Chauchies, Louis XI et Charles le Hardi. De Péronne à Nancy (1468– 1477). Le conflit (Bibliothèque du Moyen Âge 8, Brüssel 1996), S. 70. 105 Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 16 f. 106 Vgl. Werner Paravicini, Karl der Kühne. Das Ende des Hauses Burgund (Persönlichkeit und Geschichte 94/95, Göttingen / Zürich / Frankfurt a. M. 1976), S. 83. Ferner auch Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 299. 107 Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 296. 108 Vgl. ebd., S. 299. 109 Siehe hierzu auch unten C. II.
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„Erledigung einer anderen Sache“ davon befreit110; der Däne also war durch seine „erzeugte“ neutrale Stellung von der militärischen Verpflichtung entbunden. Die Kombination des Bündnisses vom Juli mit der Befreiung von den Pflichten als kaiserlicher Lehnsmann stellte somit aus kaiserlicher Sicht einen wirksamen Mechanismus dar, unter Ausnutzung der unklaren Wirkung außenpolitischer Bindungen Christian als Vermittler einzusetzen oder, wenn sich die politische Lage ändern sollte, durch Reaktivierung der „ruhenden“ Lehnsbeziehung den Dänen wieder an das Reich zu binden. Für den Kaiser musste es sich bei dieser Konstellation um ein gefahrloses Entgegenkommen gegenüber Karl dem Kühnen handeln. Dass beide Parteien Christian zunächst als neutralen Vermittler ansahen, verdeutlicht auch die Tatsache, dass unabhängig voneinander zwei Gesandtschaften, eine kaiserliche und eine herzoglich-burgundische, an den König von Dänemark geschickt wurden, um ihn zu Verhandlungen einzuladen111. Dieses vermeintlich einseitig für das Reich nützliche Geflecht wollte anscheinend nun auch der Burgunder für sich nutzen; er versuchte, Christian näher an sich zu binden, indem er den Dithmarschern mit kriegerischen Maß nahmen drohte, wenn sie Christians Herrschaft nicht anerkennen würden112. Nun versuchten vor allem Albrecht von Brandenburg und sein Rat Heinrich Seiboth von Rambach, König Christian in Richtung des Kaisers aus seiner neutralen Situation herauszulösen. So erinnerte der Kurfürst den dänischen König in einem Schreiben vom 19. September 1474, dass er sich dem Kaiser gegenüber als ewern hern und bruder und dem heyligen Reich als ein furste des Reichs woll geburlich verhalten möge113. Diese Ermahnungen gingen wohl vom Kaiser aus, der Kurfürst Albrecht dieses Vorgehen ausrichten ließ und Heinrich Seiboth persönlich zu Christian von Dänemark schickte114. Albrecht von Brandenburg verdeutlichte dem dänischen König außerdem die Übermacht, die ein Bündnis des ganzen Reiches unter Einschluss der Eidgenossen dem Burgunderherzog ent gegensetzen könne; zudem könne Schottland nun Anspruch auf Geldern erheben, da es in dieser Situation der Unterstützung von Kaiser und Papst sicher sein könne. Auch der Herzog von Burgund bemühte sich anscheinend nicht nur durch die indirekte Anerkennung von Christians Herrschaft in Dithmarschen um eine Verbesserung der Verbindung zum Dänen; er versprach auch, seine Tochter
110 Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 303 f., der hierfür mehrere Argumente liefert. 111 Vgl. Der Briefwechsel Karls des Kühnen (1433–1477). Inventar, Teil 2, hg. von Werner Paravicini, red. von Sonja Dünnebeil / Holger Krause, bearb. von Susanne Baus / Sonja Dünnebeil / Johann Kolb / Holger Krause / Harm von Seggern / Thomas Sgryska (Kieler Werkstücke, Reihe D: Beiträge zur europäischen Geschichte des späten Mittelalters 4, Frankfurt a. M./Berlin / Bern u. a. 1995), Nr. 2687, S. 206 f. 112 Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 305. 113 StA Bamberg, GHAP Nr. 5440. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 916, S. 709 f. 114 Ebd., Nr. 914, S. 709 (1474 September 17); Nr. 916, S. 709 f. (1474 September 19).
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Maria mit einem der Söhne Christians von Dänemark zu verheiraten115. Bei einem solchen Angebot musste Karl der Kühne die Stellung Christians im Netzwerk als der seinen vergleichbar bewerten und weniger als die eines Reichsfürsten auffassen. Beide Konfliktparteien versuchten somit die neutrale Position des Dänen zu überwinden, indem sie das unklare Beziehungsverhältnis jeweils für sich günstig auslegten und ihre Bündnisverbindung durch die Betonung reichsrechtlicher Verpflichtungen und das Eingehen auf Interessen des Dänen zu stärken versuchten. König Christian von Dänemark ging auf die Inpflichtnahme durch das Reich nicht ein, sondern scheint dieses Doppelspiel zwischen Souveränität und Reichszugehörigkeit bewusst zur Grundlage seines Handelns gemacht zu haben, da er in einem Schreiben vom 6. November 1474 an Markgraf Albrecht von Brandenburg betonte, in den Verhandlungen mit Karl dem Kühnen ginge es um Dinge, die unser beider lant und lude hochlich beroret, aber gleichzeitig werde er numermehr anders gein unserm lieben bruder, dem keyser und dat Romische ryke holden, wann bruderlick und fruntlich, als uns geboret und plichtig seint116; somit versteht sich Christian von Dänemark nicht nur durch die Erwähnung von zwei Ländern, sondern auch durch die Bezeichnung des Kaisers als sein Bruder als mit Kaiser und Reich gleichgeordnet. So fand das erste Treffen zwischen dem Burgunder und Christian von Dänemark am 17. November 1474 auf einem Schiff des Herzogs von Jülich mitten auf dem Rhein statt117. Den Gesprächsinhalt kennen wir nicht, sondern können nur nach Gerüchten urteilen, die von der Wiederherstellung des Friedens zwischen dem Herzog und dem Kaiser und der Heirat des dänischen Königssohnes mit Maria von Burgund sprachen. Diese Gerüchte finden Bestätigung in einem Bericht des Königs an Albrecht118. Somit hatte auch nach dem Ausbruch des Reichsk rieges das Werben des Burgunders um Christian von Dänemark nicht nachgelassen. Aus Neutralität kann Verhandlungstätigkeit erwachsen, wenn beide Konfliktparteien den Dritten als neutral anerkennen119. Wenn der Kaiser die NovemberVerhandlungen durch einen Geheimagenten beobachten ließ und in der Folge auf die Friedensvorschläge des Dänen nicht einging, dann lag dies an dem mangelnden Vertrauen in Christians Neutralität, wohl weniger aber an der entstandenen Konkurrenzsituation zwischen dem Dänen und dem Hause Habsburg in Bezug auf
115 Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 306. Hierbei sollte es sich an scheinend um Johann I. von Dänemark handeln. 116 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 964, S. 741. 117 Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 310. Außerdem Ehm, Burgund und das Reich, S. 82 f. 118 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 964, S. 741. 119 Vgl. Oschema, Neutralität, S. 107.
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
die Verheiratung Marias von Burgund120. Christian von Dänemark wusste dieses System für sich zu nutzen und entsprach nicht der ihm angedachten Rolle. Das in der Forschung beklagte Schwanken und die dubiose Rolle, die König Christian in der burgundischen Frage gespielt haben soll, gestalten sich somit erheblich komplexer und klarer zugleich. Es kann nur vor dem Hintergrund der Sondersituation partieller Reichsmitgliedschaft und den hieraus erwachsenden außenpolitischen Spielräumen bewertet werden121. Auch wenn die Korrespondenz hier lückenhaft ist und die Motive nicht bis ins Letzte zu ergründen sind, kann doch von einem Schwanken des Dänen keine Rede sein. Er reizte seine Möglichkeiten aus dem vom Kaiser aufgebauten Beziehungssystem aus; als das Vertrauen in den Vermittler, der außenpolitisch neutral, als Reichsmitglied aber im Interesse des Kaisers auftreten sollte, beim Kaiser sank, wurde er fallengelassen. Wahrscheinlich muss somit die Politik Karls des Kühnen nicht als Sonderfall spätmittelalterlicher Außenpolitik, sondern in einem größeren Zusammenhang als wiederkehrende Praxis oder geläufiges Muster verstanden werden, da die Probleme Christians von Dänemark in dieser Hinsicht vergleichbar waren. Es reicht nicht, dies als „Verwirrung“122 zu qualifizieren und nicht weiter zu berücksichtigen. Anhand der Überlagerung von Interessen und Akteurseigenschaften, die durch die Netzwerkperspektive sichtbar wird, können die besonderen Regeln, Strukturen und Möglichkeiten einzelner Akteure in außenpolitischen Netzwerken offengelegt werden. Die weitere Entwicklung bis zum endgültigen Abbruch der dänischen Verhandlungsmission Ende Mai 1475 kann in diesem Rahmen nicht im Einzelnen unter 120 Dies nimmt aber Niitemaa an, vgl. ders., Der Kaiser und die Nordische Union, S. 314. Zum Geheimagenten vgl. Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 308, S. 320–322, hier S. 321 (Meldungen über den Zug des Kaisers von Würzburg nach Frankfurt am Main usw., anscheinend verschiedene Verfasser, Empfänger unbekannt): Item man sagt, das die keis. m. in diesen leufften aleyntz geboten, dem er getrawe, und eyn lychtfertige unde ussrichtige person bey dem konige von Dehnemarcke in eynem statleyn des hertzogen von Clefeland, das nicht ferre von Neiss lygt, gehabt und empfolhen, jn geheim uffsehen unde forschunge zu erheben, was der handel der leufft halbin zwischen dem herzog von Burgundien und dem könig wer, unde wy sich der hertzog mit arbeyt gein der statt Neiss hylde. In diesem Schreiben vom Ende November 1474 wird die Hoffnung erwähnt, es würde eine Friedensvermittlung durch den Papst geben. Vgl. ferner die Äußerung Albrechts von Brandenburg über Christian von Dänemark in: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 1020, S. 775. 121 Vgl. Wefers, Versuch; Ottner, Einleitung; Martin Kintzinger, Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im mittelalterlichen Westeuropa. Einführung zur Konzeption, in: Auswärtige Politik und internationale Beziehungen im Mittelalter (13. bis 16. Jahrhundert), hg. von Dieter Berg / Martin Kintzinger / Pierre Monnet (Europa in der Geschichte 6, Bochum 2002), S. 15–19; Heinig, Konjunkturen des Auswärtigen; Sabine Wefers, Handlungsträger, Aktionsfelder und Potentiale von Außenpolitik im Spätmittelalter, in: Außenpolitisches Handeln im ausgehenden Mittelalter. Akteure und Ziele, hg. von Sonja Dünnebeil / Christine Ottner unter Mitarb. von Anne-Katrin Kunde (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 27, Wien / Köln / Weimar 2007), S. 59–71. 122 Ebd., S. 59.
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sucht werden; die Beziehung zwischen dem Dänen und dem Kaiser scheint allerdings seit der ersten Verhandlungszeit im November so gestört gewesen zu sein, dass es zu keinen nennenswerten Ergebnissen kam und der Kaiser schließlich seinen Verhandlungsstatus aufkündigte123. Nach seinem ersten Zusammentreffen mit dem Herzog von Burgund im November und seinem Eintreffen in Koblenz am 12. Dezember, seit dem er sich immer wieder als Vermittler anbot, hielt sich der dänische König bis zum 26. Mai 1475, also bis zum Tag nach dem Ende der Belagerung von Neuss, in der Region auf124. Die Vermittlung, die schon zwei Tage nach der Abreise des Dänen zu direkten Verhandlungen führte, übernahm ein anderer, nämlich der päpstliche Legat Bischof Alexander von Forli125. Danach ist nach einem Schreiben Christians von Dänemark an den Kaiser vom September 1475 bis in das Jahr 1480 kein Kontakt mehr zwischen beiden überliefert126. Während seit Ende 1474 dem jeweiligen Kriegszustand geschuldete „Konjunkturen“ der Beziehung zu beobachten sind, lag doch der Ursprung des Niedergangs in dem vom Kaiser aufgebauten Bindungsgeflecht, das situationsgebunden die Lehnsabhängigkeit des Dänen aktivieren und damit die Unklarheiten der Stellung von Nichtreichs mitgliedern für das Reich nutzen sollte. Es bleibt noch zu fragen, welche Rolle Kurfürst Albrecht von Brandenburg im Aufstieg und Fall seines „Schützlings“127 spielte. Noch im Mai 1474 ist einem Schreiben Christians von seiner Romreise an Albrecht zu entnehmen, der Kaiser habe ihn nach Straßburg eingeladen; nun forderte er Albrecht auf, er möge auch dorthin kommen, mit der Begründung ohne ihn nichts durchsetzen zu können128. Der Däne hing also in seinen Möglichkeiten der Aktivierung seiner Bindung zum Kaiser nahezu vollständig von Albrecht von Brandenburg ab. Diese Abhängigkeit wurde anscheinend durch das Bündnis vom Juli 1474 und die damit verbundene Neutralisierung verringert; so scheint jetzt auch der Kaiser verstärkt zweigleisig, einerseits persönlich beziehungsweise durch direkte Kommunikation und andererseits über Albrecht, Einfluss auf Christian zu nehmen versucht zu haben129. In dem Schreiben, in dem Albrecht den Dänen aufforderte, sich wie ein Reichsfürst zu verhalten, argumentierte Albrecht strikt aus Sicht des Reiches und des Kaisers; Voraussetzung für diese Argumentation war die Belehnung Christians mit Holstein vom Jahr zuvor, die Albrecht maßgeblich eingefädelt hatte. Im Rückblick erhält die Orientierung des Dänen ans Reich somit auch eine reichspolitische Dimension im Hinblick auf Burgund. Auch das kaiserliche Beziehungs 123 Vgl. zu den Abläufen vorläufig Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 314– 329. 124 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 119, S. 156. Vgl. ferner die Schreiben ebd., Nr. 1014, S. 772; Nr. 1020, S. 775; Nr. 1024, S. 776. 125 Vgl. etwa Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 327–329. 126 Regesta, Chmel, 2, Nr. 7013, S. 678 (1475 September 29); RI Friedrich III., 20, Nr. 266, S. 186 f. (1480 August 7). 127 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1311. 128 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 839, S. 661. 129 Vgl. hierzu die Schreiben ebd., Nr. 900, S. 701; Nr. 916, S. 709 f.
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geflecht entstand auf der Grundlage von Albrechts Vermittlung, und die Erwähnung in einem Merkzettel aus der brandenburgischen Kanzlei für Albrecht lässt sogar vermuten, dass er darüber hinaus maßgeblich das kaiserlich-dänische Bündnis und damit die gesamte Konstellation des Jahres 1474 veranlasst hatte130. Dies sollte noch weitere Kreise ziehen, indem Christian von Dänemark nun auf seinen Schwiegersohn, den schottischen König einwirken sollte, jetzt Anspruch auf Geldern zu erheben und somit sein Bindungsnetzwerk für die Pläne des Reiches gegen Burgund zu aktivieren131. All dies lässt nun einen Rückschluss auf Albrechts Handeln vom Jahre 1473 zu: Christian von Dänemark hatte im Vorfeld der Belehnung mit Dithmarschen und später mit Holstein ein regionales Interesse bei Albrecht zu erzeugen versucht, das sich dann in einem mündlichen Bündnis niederschlug. Aber erst in der Verknüpfung mit Reichsinteressen wurde die Belehnung durch den Kaiser möglich. Christian also musste zunächst nur eine Verbindung zu Albrecht aufbauen, dieser ordnete dann die Beziehung in das politische Netzwerk ein. Auf das Verhältnis zwischen Albrecht und Kaiser Friedrich hatte dieses schließlich „gescheiterte Geflecht“ offensichtlich keine Auswirkungen. Das Beispiel der Integration des Dänenkönigs Christian in Netzwerke des Reiches durch die Belehnung einerseits sowie durch die daraus folgende Aktivierung in kleineren Politiknetzwerken andererseits verdeutlicht wesentliche Charakteristika des Kommunikators Albrecht. Dieser Aufbau zunächst eines kleinen Netzwerks zwischen Christian, Albrecht und dem Kaiser sowie die darüber entstandene Netzwerkbildung zur Lösung anderer Konflikt- und Interessenfragen ist ein Beispiel für viele andere Netzwerkbildungen innerhalb der Politik des Reiches: Durch die Vermittlung Albrechts von Brandenburg entstand eine Vielzahl solcher Netzwerke zwischen ihm, dem Kaiser und Fürsten, Herren sowie Städten, insbesondere vielen Herren von Böhmen, dem Herzog von Mecklenburg, der Äbtissin des Klosters St. Paul in Regensburg oder auch dem Bischof von Straßburg132. 5. Dorothea von Dänemark und das Reich Neben Christian von Dänemark trat in jenen Jahren auch seine Frau Dorothea (1430–1495) mehrfach im Reich in Erscheinung. Dabei waren es insbesondere weibliche Korrespondenz- und Handlungspartner, mit denen sie verstärkt in Kontakt trat133; im Übrigen besuchte sie das Reich 1474/1475 und weilte unter an 130
Vgl. Niitemaa, Der Kaiser und die Nordische Union, S. 277, zitiert das im Staatsarchiv Bamberg liegende Schreiben vom März 1474. 131 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1135 f. 132 Vgl. ebd., S. 1107. Thomas, Deutsche Geschichte, S. 215. 133 So etwa Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hg. von Adolph Friedrich Riedel, Teil 3: Sammlung für allgemeine Landes- und kurfürstliche Hausangelegenheiten, Bd. 3 (Berlin 1861), Nr. 93 f., S. 113 f.; Nr. 96, S. 116 f. Zu Albrecht von Brandenburg auch ebd., 3/2, Nr. 81, S. 96: 1473 März 12. Deutsche Privatbriefe, hg. Stein-
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derem bei Kurfürstin Anna am Hof in Ansbach134. Auffallend häufig taucht Dorothea daneben bei sie und ihren Mann berührenden Finanzfragen auf, insbesondere in einem Streit mit Albrecht Achilles um Ansprüche am Erbe ihres Vaters Johanns des Alchimisten135. Trotz nachweislich regelmäßiger Zahlung aus einem in Nürnberg eingerichteten Leibgedinge sah sich Dorothea insgesamt doch wohl unzureichend bedacht136. So versuchte sie über Jahre entweder direkt bei Kurfürst Albrecht oder indirekt über andere Verwandte, insbesondere über ihre Tante Dorothea von Mecklenburg, Schwester Albrechts von Brandenburg, aber auch über Albrechts Gemahlin Anna, Geld- und Sachzahlungen aus dem Erbe Johanns von Brandenburg zu erhalten, die über die ihr zugewiesenen Mittel, vor allem das besagte zu Nürnberg eingerichtete Leibgeding, hinausgingen137. Albrecht von Brandenburg wies wiederholt auf die unüblich umfangreichen Überlassungen von finanziellen und Sachgütern an Dorothea hin; im Jahre 1478 betonte er gar, im Zweifel werde er den Kaiser zur rechtlichen Klärung der Vorwürfe einschalten138. Zeitweise scheint sich auch König Christian von Dänemark während seines Aufenthaltes im Reich selbst der für seine Frau bestimmten Zahlungen bedient zu haben, was zu Verwicklungen zwischen Nürnberg, der Königin und Albrecht von Brandenburg führte139. Der Kurfürst kümmerte sich wiederholt um die korrekte Auszahlung und lieh daneben auch König Christian Geld140. Immer wieder, in regionalem Kontext schon in den 1460er Jahren, tritt Dorothea von Dänemark in den Quellen als politisch selbstständig Handelnde auf141. Mit der verstärkten Einbindung ihres Gatten in die verschiedenen politischen Netzwerke des Reiches
hausen, Nr. 259, S. 178 f.: 1477 August 3. Vgl. Ebba Severidt, Familie, Verwandtschaft und Karriere bei den Gonzaga (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 45, Leinfelden-Echterdingen 2002), S. 287–293. 134 Vgl. Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/2, Nr. 129, S. 160 f.; Nr. 130, S. 162 f. Siehe auch unten S. 203, 208, 210. 135 Vgl. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 324. 136 Vgl. StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 2a, Losungsamt, 35 neue Laden, Urkunden, Nr. 1821: 1473 Oktober 14. Ebenso weitere regelmäßige Quittungen der Auszahlung aus den 1470er Jahren überliefert, etwa ebd., Nr. 1837: 1474 März 6; Nr. 1842: 1474 April 10. 137 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/3, Nr. 93 f., S. 113 f.; Nr. 96, S. 116 f. Bereits im Jahre 1465 hatte es in der Angelegenheit zwischen Dorothea von Dänemark und Albrecht von Brandenburg Briefwechsel gegeben, vgl. Paul Gaehtgens, Die Beziehungen zwischen Brandenburg und Pommern unter Kurfürst Friedrich II. (1437): 1440–1470 (Diss. phil. Gießen 1890), Anhang Nr. 4, S. 140 f. 138 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 436, S. 418 f. 139 Ebd., Nr. 91, S. 134. StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 2a, Losungsamt, 35 neue Laden, Urkunden, Nr. 1831: 1474 Januar 15; Nr. 1832: 1474 Februar 7. 140 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Fremde Mächte in Beziehung zur Mark, Dänemark Nr. 3, 4. 141 LHA Schwerin, 2.11–2/1 Auswärtige Beziehungen, Dänemark, Nr. 486, fol. 3: Schreiben an Dorothea von Mecklenburg wegen eines Besuchs in Holstein, 1464 Juli 21. Ebd., fol. 5: Schreiben Dorotheas von Dänemark an Herzog Heinrich von Mecklenburg in Sachen Rückerstattung von geraubtem Gut, 1465 November 19.
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scheint auch ihr Wirkungskreis vergrößert worden zu sein142. So wird man ihr Auftreten in diesen Jahren nicht allein mit ihrer Persönlichkeit, insbesondere ihrer „Habsucht“143, erklären können; vielmehr trug Dorothea nicht zuletzt mit ihrem fordernden Verhalten in finanziellen Fragen zur Herrschaftssicherung und -organisation in eigener Sache zum politischen Handeln ihres Gatten wesentlich bei. Ebenso bemühte sie sich insbesondere um ein möglichst gutes Klima zu anderen politischen Beteiligten und förderte so auch die Handlungsmöglichkeiten ihres Gatten144. 6. Ergebnisse Jüngst beklagte Gilomen aus wirtschaftshistorischer Perspektive, dass Netzwerke in den Quellen immer dann erst fassbar würden, wenn sie bereits funktionierten145. Am Beispiel Christians von Dänemark kann dagegen der Aufbau von Politiknetzwerken und die Eingliederung in bestehende Netzwerkstrukturen, aber auch ihr Scheitern und Zerbrechen beobachtet werden. König Christian von Dänemark erlebte zwischen den Jahren 1472 und 1475 sowohl einen raschen Aufstieg wie einen schnellen Fall in seinen Beziehungen zum Reich; sein Versuch, sich näher an das Reich zu binden, war wohl aus seinem 142 Dies verdeutlicht die Zunahme der Korrespondenzpartner über den Ostseeraum hinaus; vgl. insbesondere Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 285, S. 196 f.: Königin Dorothea an Kurfürstin Elisabeth von Sachsen, 1478 Dezember 29; ein fast identisches Schreiben schickte sie auch an Kurfürst Ernst und Herzog Albrecht von Sachsen; die Antwort auf dieses Schreiben: ebd., Nr. 287, S. 197 f.: Ernst und Albrecht von Sachsen an Dorothea, 1479 Januar 23. 143 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, S. 140. Vgl. den Bericht von Kurfürstin Anna an ihren Gatten über den Besuch der Königin in Ansbach Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/2, Nr. 129, S. 160 f.: [Dorothea] hoft, ob got will, euer lieb sul daheim sein, so meint sye gar fil mit euer lieb zu reden, vnd beclagt sich gar ser von euer lieb. So han ich ir albeg die antburt geben, wen euch der almechtig got wider zu land hilft, so werd sich euer lieb wol mit yr ferdragen. Auch so wolt sy mein kleinet seehen, da wolt ich sye yr nicht seehen lasen, ich sprach, ich het sy nit pey mir, ich het sye czu behalten geben. Wen sy sach, das wolt sye haben: ich trug das gerinst welsch gepent, das muß ich ir geben, das geleysent mit dem geweber vnd most yr das aufsetzen vnd ein samet anlegen vnd sy drat fur den spigel vnd gefil ir selbst ser wol und drat hinaus fur ir leut, die musten sye auch sehn. Wen ich sieh doch wol, das kein alter fur kein dorheit hilft: das pruf ich an yr und an vnser aler […]; ebd., S. 161, Beilage: […] als ich ferstand, wer iehsz ferhanden gewest, das euer lieb gewest wer, es wer geselschaft oder halspant, sye het das als genomen: sye meint, sye het gerechtigkeit darzu, wen mein geselschaft hing an der wend: da fragt sye, ab sye gulden wer vnd ab sie euer lieb wer, so wolt sy die genumen hab. Auch so hab ich yr ein schauben geben, die hat sye mit yr hin, sie sprach, ich het der herzogin von Meckelburg eine geben, ich must yr auch eine geben. 144 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 259, S. 178 f.: Schreiben an Herzog Magnus von Mecklenburg. 145 Vgl. Hans-Jörg Gilomen, Netzwerke im europäischen Handel des Mittelalters – Versuch einer Bilanz, in: Netzwerke im europäischen Handel des Mittelalters, hg. von Gerhard Fouquet / Hans-Jörg Gilomen (VuF 72, Ostfildern 2010), S. 341–364, hier S. 351.
I. Christian von Dänemark und das Reich
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Wunsch nach Stärkung seiner Macht im Ostseeraum, insbesondere gegenüber Schweden, entstanden. Seine Integration erfolgte zunächst über Albrecht von Brandenburg. Es hat sich gezeigt, dass Petenten mit einem eigenen Interesse den Versuch unternehmen mussten, bei dem Vermittler ein Interesse zu erzeugen, sodass es zu einem reziproken Interessengeflecht kam. Günstig wirkten sich hier auch verwandtschaftliche und freundschaftliche Verflechtungen aus. Albrecht eröffnete dem dänischen König Netzwerke im Reich, insbesondere zum Kaiser, dessen Lehnsmann Christian wurde; während es im Falle der Verbindung mit Albrecht eines regionalen Interesses bedurfte, war es bei einer direkten Bindung mit dem Kaiser ein Reichsinteresse, das es zu erzeugen galt. Nach der Belehnung nahm Christian eine zunehmend zentrale Position in den regionalen Netzwerken des Nordens ein und wirkte ordnend – er übernahm Teile von Albrechts Funktionen. Auch das Kommunikationsverhalten änderte sich: Christian kommunizierte direkt mit dem Kaiser und sogar über den Kaiser mit Albrecht. Außerdem übernahm Christian nun auch Aufgaben für den Kaiser. Albrecht half in diesem Zusammenhang im Auftrage des Kaisers Christian von Dänemark auch bei der Konsolidierung von dessen Territorialherrschaft. Der Vergleich der Erhebungsprojekte der Herzöge von Mailand in den Jahren 1474 und 1493 bietet einen Erklärungsversuch aus den unterschiedlichen Netzwerkkonstellationen und den verschiedenen Interessenlagen heraus, warum der erste Anlauf scheitern musste, der zweite jedoch teilweise glückte; während es Galeazzo Maria Sforza bei seinem ersten Anlauf nicht geschafft hatte, ein ausreichendes Interessennetzwerk in seiner Angelegenheit zu errichten beziehungsweise bei verschiedenen Akteuren ein ausreichendes Interesse für seine Sache zu initiieren, gelang es Ludovico Maria Sforza im Jahre 1493, sich den Herzogstitel zu sichern, indem er nicht nur Interesse bei König Maximilian erregte, sondern auch eine direkte eheliche Verbindung zwischen seiner Familie und den Habsburgern erwirkte. Im ersten Projekt spielte besonders der dänisch-brandenburgische Rat Albrecht Klitzing eine herausragende Rolle, der anscheinend die Netzwerkbindungen bis in die Details kannte und den Handelnden das Wissen um die Verbindungsarten und Verflechtungsgrade erst vermittelte. Die Rolle Christians von Dänemark bei den Verhandlungen mit Karl dem Kühnen konnte durch die Betrachtung seiner Position im Netzwerk neu gedeutet werden. Er konnte ebenso wie Karl der Kühne die Spielräume nutzen, die sich durch die unklaren Bindungsverhältnisse einer partiellen Reichsmitgliedschaft und Teilsouveränität, somit aus den Bedingungen von Außenpolitik ergaben. Durch Bündnisse mit dem Herzog von Burgund und dem Kaiser konnte er neutral vermitteln, als jedoch die Netzwerkteilnehmer das Vertrauen in ihn verloren, schwand sein Einfluss rasch. Im Gesamtüberblick zeigt sich, dass die Einbeziehung Christians von Dänemark vollkommen von Albrecht von Brandenburg abhing, ja dass das kleine Netzwerk, das seine Gründung der kaiserlichen Belehnung maßgeblich verdankte, von vornherein im Hinblick auf Burgund angelegt wurde. Christian war in seinen Möglichkeiten, andere Akteure und Verbindungen zu aktivieren,
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die ganze Zeit über bis zu seinem Fall anscheinend auf Albrecht von Brandenburg angewiesen. Mit der Einbindung Christians von Dänemark in die Netzwerke des Reiches erschien auch seine Frau Dorothea verstärkt in ihnen. Ihr Handeln bezog sich sowohl auf den „familiären“ Bereich als auch auf eindeutig politische und die Herrschaft sichernde Aktionen; in diesem Handeln wird deutlich, dass sie gegenüber ihrem Gatten bisweilen beachtliche Spielräume hatte und durchaus selbstständig aktiv wurde. Dabei zeigt sich das Verhalten, dass bei den Zeitgenossen zu Zuschreibungen von Charaktereigenschaften, etwa der Habsucht hervorrief, bei genauerer Betrachtung unter der Perspektive politischer Netzwerke eher als zielgerichtetes Handeln zur Durchsetzung eigener und ihres Gatten konkreter Interessen.
II. Bedrohung von „außen“: Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475 1. Von Trier nach Neuss Seit dem Scheitern der Verhandlungen von Trier zwischen Karl dem Kühnen und Kaiser Friedrich III. in den letzten Tagen des Novembers 1473 stand Karl der Kühne im Zenit seiner Macht und beanspruchte nun mehr denn je königlichen Rang146. Der Reichstag von Augsburg 1474, auf dem die wittelsbachisch-burgundische Partei im Reich auf breite Ablehnung stieß, führte Karl dem Kühnen vor Augen, dass im Wege gütlicher Verhandlungen seine Forderungen nicht zu einem positiven Abschluss kommen würden147. Auf der Grundlage seiner Bestellung als Vogt des Erzstifts durch Erzbischof Ruprecht von Köln und nach dem Abschluss eines Waffenstillstandes mit dem französischen König war nun der Weg frei für eine militärische Intervention in der Kölner Stiftsfehde. Karls des Kühnen erster Schlag, mit dem er sich endgültig in die Position eines Reichsfeindes brachte, richtete sich gegen Neuss, wo sich Hermann von Hessen, Domherr und von Domkapitel, Stiftsadel und Städten gewählter Hauptmann und Beschützer des Erzbistums, verschanzt hatte148. Dass sich die Belagerung der Stadt fast ein Jahr, vom 29. Juli 1474 bis zum 27. Juni 1475, hinziehen sollte, war zu Beginn nicht abzusehen; schließlich kam unter Einbeziehung des päpstlichen Legaten Alexander Numai, des Bischofs von Forlì, ein Ausgleich zustande, der dem Kaiser das Entscheidungsrecht in der Kölner Stiftsfehde zubilligte149. 146
Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 197 f. Vgl. ebd., S. 203. 148 Vgl. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 117. Ehm, Burgund und das Reich, S. 203 f. 149 Vgl. Ehm, Burgund und das Reich, S. 204 f. Jens Metzdorf, „Bedrängnis, Angst und große Mühsal.“ Die Belagerung von Neuss durch Karl den Kühnen 1474/75, in: „… wurfen hin in steine – grôze und niht kleine …“: Belagerungen und Belagerungsanlagen im Mittel 147
II. Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475
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2. Das Netzwerk vor Neuss Die Belagerung von Neuss wie auch die Gefährdung des Reiches durch Karl den Kühnen insgesamt sind ein gutes Beispiel für ein Bedrohungsszenario des Reiches. Nach Garnier150 bedingen gerade solche Gefährdungs- und Konsolidierungsphasen die Errichtung von vertikalen, also „herrschaftlichen“ Beziehungen. Wie die gesteigerte Kommunikation zwischen dem Kaiser, den Reichshauptleuten und den beteiligten Fürsten und Städten verdeutlicht, hatte die Ausrufung des Reichskrieges gegen den Burgunder eine das Netzwerk verdichtende Wirkung151. Wenn also der Kaiser in dieser Situation bewusst an ein „Nationalbewusstsein“ appellierte, dann war dies der Versuch, die eigenen Netzwerkverbindungen gegenüber den Aktivierungsversuchen des Gegners abzuschotten und zu festigen152. Zwischen den Kriegsteilnehmern scheint es einen solidarischen Informationsaustausch über die Kriegslage, Vorhaben und Ziele gegeben zu haben. Untereinander tauschten insbesondere die Reichshauptleute rege militärische Nachrichten aus. Die Kommunikationsverbindung zwischen Kurfürst Albrecht und dem Kaiser war aber wohl besonders eng. Im Einzelnen ist dies bisher nicht untersucht worden153. Deshalb sollen ihre gegenseitigen Funktionen innerhalb des Politiknetzwerkes, in dem die Akteure aufgrund des gemeinsamen Interesses der Reichsverteidigung alter, hg. von Olaf Wagener / Heiko Laß (Beihefte zur Mediävistik 7, Frankfurt a. M. 2006), S. 167–188, hier S. 185. Zur Ereignisgeschichte auch Adolf Ulrich, Einleitung, zu: Cristianus Wierstraat, Histori des beleegs van Nuis, in: Die Chroniken der westfälischen und niederrheinischen Städte, Bd. 1: Dortmund. Neuß (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert, Leipzig 1887), S. 481–495. 150 Vgl. Garnier, Politik und Freundschaft, S. 44 f. Die Gefährdungslage für das Reich ist mit der des Interregnums durchaus vergleichbar. 151 Vgl. hierzu die reiche Überlieferung in den Regesten Kaiser Friedrichs III. sowie die Korrespondenz bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1 und 2. 152 Vgl. Thomas, Deutsche Geschichte, S. 484 f. Zur Einordnung in größere Zusammenhänge: Eberhard Isenmann, Kaiser, Reich und deutsche Nation am Ausgang des 15. Jahrhunderts, in: Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter, hg. von Jo achim Ehlers (Nationes 8, Sigmaringen 1989), S. 145–246, hier insbesondere S. 155–163. 153 Wie auch noch weitere Forschungsdesiderata in Bezug auf den Neusser Krieg bestehen, vgl. Harm von Seggern, Der Neusser Krieg und die Stadtfinanzierung Leidens, in: Städtische Finanzwirtschaft am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit, hg. von dems./Gerhard Fouquet / Hans-Jörg Gilomen (Kieler Werkstücke, Reihe E: Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 4, Frankfurt a. M. u. a. 2007), S. 121–138, vor allem S. 121. Jüngere Arbeiten beschäftigen sich mit Einzelfragen im Umkreis der Belagerung aus wirtschaftlicher, kriegstechnischer und sozialer Sicht, vgl. vor allem zum Ablauf und verschiedenen Phasen Metzdorf, Belagerung, S. 167–188, zur Bedeutung von Köln im Kommunikationsnetz auch S. 179. Alexandra Nusser, Der Neusser Krieg 1474/75 aus der Sicht des Frankfurter Rates und seiner Gesandten, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 68 (2002), S. 11–34. Nicht zugänglich war mir die jüngere Arbeit von Heinz Günther Hüsch, Der Kampf um Neuss (Neuss 2002). Malte Prietzel, Krieg im Mittelalter (Darmstadt 2006), S. 191. Vgl. ferner auch für die Zeit zwischen dem Treffen von Trier und der Belagerung von Neuss Ehm, Burgund und das Reich, S. 197–214. Schließlich, auf die Rolle Herzog Albrechts des Beherzten von Sachsen und Albrecht von Brandenburg konzentriert, Thieme, Albrecht der Beherzte, S. 82–87.
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handelten, betrachtet werden. Wie aus den Beispielen hervorgeht, war die vertikale Lehnsverbindung zwischen Kaiser und Markgraf schon in den vorangegangenen Jahren durch ein enges Verhältnis von gegenseitigem Rat, Interessenvertretung und Schutz geprägt, das nun aber eine bis dahin ungekannte Intensität erreichte. Dabei standen mehrere Themenbereiche – Militärisch-Organisatorisches, Kampfhandlungen, Diplomatie und Persönliches – im Zentrum. Schließlich sollen auch die Versuche Karls des Kühnen, das verdichtete Netzwerk gegen ihn aufzusprengen und antagonistische in freundschaftliche Bindungen umzuwandeln, betrachtet werden. Kaiser Friedrich III. entwickelte während der Belagerung von Neuss eine un geahnte Betriebsamkeit, um bei der militärischen Abwehr gegen Karl den Kühnen wirksam mitzuhelfen154. Schon kurz nach dem Beginn der Belagerung von Neuss durch Karl den Kühnen beauftragte er die Kurfürsten Albrecht von Brandenburg und Adolf von Mainz mit der Ausarbeitung eines Kriegsanschlags155; als kaiserliche Feldherrn sollten sich dann Albrecht von Brandenburg und Herzog Albrecht von Sachsen in der Verteidigung bewähren156. Die Auswertung der Kriegskorrespondenz legt den Schluss nahe, dass Kaiser Friedrich und Kurfürst Albrecht von Brandenburg innerhalb des durch den Krieg sehr dichten Netzwerkes eine gleiche Zentralität aufwiesen157, die die Position der übrigen Führungspersonen, d. h. der Erzbischöfe von Mainz und Trier, des Herzogs von Sachsen und der Landgrafen von Hessen, überstieg. Die Korrespondenz scheint auf sie beide ausgerichtet gewesen zu sein, wobei sie sich untereinander rege austauschten und auch über den jeweils anderen mit Dritten kommunizierten158. Inhaltlich ging es zunächst um die Beschaffung von Nachschub159, um die Konzentration160, Verlagerung161 und Anforderung162 von Truppen sowie um die Mitteilung des Standes der militärischen Vorbereitungsmaßnahmen163. Daneben unterrichteten sie sich gegenseitig über zu erwartende Truppenbeiträge anderer164. Außerdem finden sich in den 154 Vgl. Koller, Friedrich, S. 193. Der Kaiser scheint den Entschluss zu einem militärischen Vorgehen während seines Aufenthaltes in Augsburg in der Jahresmitte 1474 gefasst zu haben; vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1129. Metzdorf, Belagerung, S. 180. 155 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 891, S. 693. In diesem Schreiben dankt der Kaiser für den Erhalt des ausgearbeiteten Anschlages. 156 Vgl. Koller, Friedrich, S. 193. 157 Es genüge hier der Verweis auf das zuverlässige und detailliert aufgeschlüsselte Register bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2. 158 So z. B. ebd., Nr. 41, S. 99; Nr. 36, S. 95. 159 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 63, S. 115. 160 Ebd., 1, Nr. 919, S. 711. 161 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 300, S. 312. 162 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 63, S. 115. Markgraf Albrecht forderte vor Sinzig stehend vom Erzbischof von Mainz Truppen an. Diese Kommunikation erfolgte über den Kaiser. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 51, S. 107 f.: Hierbei handelt es sich um eine kaiserliche Anforderung, der Albrecht nachkommt. 163 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 56, S. 111 f.; Nr. 59, S. 113. 164 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 322, S. 331.
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Schreiben immer wieder gegenseitige Warnungen vor Anschlägen des Feindes, die man gerüchteweise vernommen hatte, sowie die Überprüfung solcher Gerüchte165. So warnte beispielweise Kaiser Friedrich Albrecht vor drohenden Anschlägen auf seine Schiffe bei Hönningen166. Schließlich enthält die Korrespondenz auch Benachrichtigungen über Bewegungen des Feindes und seine möglichen Absichten167. Daneben standen immer wieder auch gegenseitige Ratschläge im Vordergrund, wie man nun vorzugehen habe168. Die Beziehung zwischen Friedrich und Albrecht zeigt sich gerade in militärischen Dingen als von vollkommener Gleichberechtigung geprägt. Diese Gleichheit spiegelt sich auch in einer ungeschönten und offenen Meinungsäußerung von beiden Seiten wider, die zu einer teilweise realistischeren Bewertung des Kriegsgeschehens führte. Während man nämlich gegenüber Dritten stets die Brutalität des Burgunders herausstrich, berichtete beispielsweise Albrecht am 8. Februar 1475 an den Kaiser, dass des doch sovil und greuslich nit ist, als man dann sagt169. Sehr häufig erscheinen in der Korrespondenz Fälle, dass Truppenführer mit ihren Truppen oder wenigstens Teile von ihnen wieder abziehen wollten, da sie ihre Pflicht zur Heerfolge, die zumeist zeitlich begrenzt war, als erfüllt ansahen oder die zugesicherte Bezahlung des Kriegseinsatzes nicht geleistet wurde; andere verweigerten dem Kaiser die Gefolgschaft komplett und wollten sich für neutral erklären170. So weigerte sich Graf Eberhard von Württemberg, am Sturm gegen Linz teilzunehmen, da er mit dem Kölner Erzbischof verwandt sei171. Derartig lautende Schreiben richtete er sowohl an den Kaiser als auch an Albrecht von Brandenburg. Der Kaiser bat daraufhin Albrecht um Rat. Dieser antwortete, Eberhard streng zu ermahnen und zur Teilnahme zu verpflichten172. Dass die Fürsten in dieser Situation versuchten, ihre Zwänge nicht oder nicht ausschließlich direkt dem Kaiser vorzutragen, zeigen unter anderem die Schreiben des Bischofs von Straß 165 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 33, S. 91. Acten zum Neusser Krieg 1472–1475, mitgeteilt von Adolf Ulrich, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 49 (1889), S. 1–183, hier Nr. 31, S. 18: 1474 August 10. Vgl. ferner auch Herbert Kolb, Mit St. Quirins Hilfe. Geschichten, Gerüchte und Wundererzählungen um die Belagerung von Neuss 1474/1475, in: Neusser Jahrbuch für Kunst, Kulturgeschichte und Heimatkunde (1974), S. 5–13. 166 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 67, S. 116. 167 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 331, S. 348; Nr. 338, S. 350. 168 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 70, S. 118. 169 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 106a, Fehdeakten, Nr. 136, fol. 67. 170 Z. B. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 1020, S. 775. 171 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 66, S. 116. Eberhards V. Mutter Mechthild war die Schwester Friedrichs des Siegreichen und Erzbischof Ruprechts von Köln. Zur Rolle Württembergs vgl. außerdem Thomas Fritz, Ulrich der Vielgeliebte (1441–1480). Ein Württemberger im Herbst des Mittelalters. Zur Geschichte der württembergischen Politik im Spannungsfeld zwischen Hausmacht, Region und Reich (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 25, Leinfelden-Echterdingen 1999), S. 373–396. Bei Linz handelt es sich um das etwa 30 km südlich von Bonn gelegene Linz am Rhein. 172 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 66, S. 116, Anm. 1.
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burg an Albrecht von Brandenburg; der Straßburger Bischof war von Friedrich III. aufgefordert worden, Truppen zu stellen, benötigte diese jedoch zum Eigenschutz vor Karl dem Kühnen selbst. Albrecht nun sollte ihn beim Kaiser entschuldigen173. Auch die in die Expansionssphäre des burgundischen Herzogs geratenen Herzöge von Jülich-Berg kamen der kaiserlichen Aufforderung zur Teilnahme am Reichsaufgebot nicht nach174. Stattdessen erklärten sie sich für neutral und wollten sogar zwischen Herzog Karl dem Kühnen und dem Kaiser vermitteln175. Tatsächlich finden sie sich unter anderem an der Seite Christians von Dänemark als Vermittler176. Der Kaiser, der ihr Verhalten als Unterstützung des Gegners wertete, war im Begriff, einen Prozess gegen die Herzöge Gerhard und Wilhelm zu eröffnen177. In dieser Situation wandte sich Albrecht von Brandenburg an die Prälaten, Grafen, freien Herren, Ritter usw. jenes Herzogtums, sie mögen auf ihre Herren Einfluss nehmen und einen Prozess abwenden178. Auf das kaiserliche Ultimatum und das dann schließlich doch geschlossene Offensivbündnis der Herzöge von Jülich-Berg mit Herzog Karl dem Kühnen ist hier nicht weiter einzugehen179; von Interesse allerdings ist die Korrespondenz in dieser Sache. Sie lief maßgeblich über Albrecht von Brandenburg und andere Reichsfürsten180. Vermittlungsvorschläge, so auch von den Herzögen von Jülich-Berg und dem Dänenkönig, wurden wohl vielfach direkt gleich doppelt zugestellt an Kaiser Friedrich III. und Albrecht von Brandenburg, wobei der Brandenburger anscheinend den Kaiser nicht nur informell beriet, sondern seine Einschätzung direkt den Vermittlern vorgetragen wurde181. In anderen Fällen nutzte der Kaiser die Autorität des Brandenburgers, um Dritte zur Heerfolge zu zwingen. So schickte er – wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt182 – Albrechts Rat Heinrich Seiboth zu Christian von Dänemark und forderte Albrecht auf, auf Christian Einfluss zu nehmen183. Während Albrecht einerseits in seinem Rat streng auf die Pflichten im Rahmen der Lehnsabhängigkeit hinwies, andererseits an anderen Stellen durch informelles Einwirken auf Netzwerkteilnehmer die Heerfolge zu erzwingen versuchte, scheint unter den anderen Fürsten eher ein „Gruppendruck“ geherrscht zu haben, für ein mögliches Schei 173 Ebd., Nr. 87, S. 131. Der Bischof von Straßburg hatte auf dem Augsburger Tag von 1473 durch Vermittlung Albrechts von Brandenburg die Regalien empfangen; vgl. ebd., 1, S. 513, Anm. 1 und 2. Vgl. auch Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1113. 174 Vgl. zur Rolle der Herzöge von Jülich-Berg Ehm, Burgund und das Reich, S. 75–86. 175 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 89, S. 133, insbesondere Anm. 2. 176 Ebd., Nr. 73, S. 124. 177 Ebd., Nr. 79, S. 128. 178 Ebd. 179 Vgl. hierzu Ehm, Burgund und das Reich, S. 84–86. 180 Am 13. April wandte sich Herzog Wilhelm der Jüngere von Jülich und Berg unter anderem an Kurfürst Albrecht von Brandenburg. Am 23. April richteten Herzog Gerhard und Jungherzog Wilhelm an die Erzbischöfe von Mainz und Trier, an Herzog Albrecht von Sachsen und an Kurfürst Albrecht die Bitte, Verhandlungen zwischen dem Burgunder und dem Kaiser zu gestatten; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 89, S. 133, Anm. 2. 181 Ebd., 2, Nr. 73, S. 124. 182 Siehe oben S. 180. 183 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 900, S. 701.
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tern wegen fehlender Heerfolge nicht verantwortlich gemacht zu werden184. Auch wenn Albrecht teilweise selbst Abzugsgedanken hegte185, zeigte er sich doch in dieser Frage stets als Schlüsselfigur zwischen anderen Fürsten und dem Kaiser186; damit verhinderte er zusammen mit diesem eine Schwächung des Widerstandes des Reiches. Für regionale Akteure, die sich direkt von Karl dem Kühnen bedroht fühlten, waren Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich gleichermaßen Ansprechpartner. So wandte sich beispielsweise die Stadt Köln am 22. September 1474 an beide mit der dringenden Bitte, ihnen Hilfe zukommen zu lassen187. Die diplomatischen Bemühungen umfassten nicht nur die Vermittlungsversuche mit Karl dem Kühnen, sondern auch den Ausbau und die Festigung des Bündnissystems gegen den burgundischen Herzog. Der Kaiser versuchte, gleichzeitig durch Bündnisse mit Frankreich – im Dezember 1474 gleichwie im April des darauf folgenden Jahres kamen sie zum Abschluss188 – den Burgunder einzukreisen und durch eine Verbindung mit Böhmen und Polen der Gefahr seiner eigenen Einkreisung zu entgehen. Von jedem einzelnen Schritt der Verhandlungen mit Frankreich im Vorfeld des Bündnisses wurde Albrecht informiert. Von Oktober 1474 an bis zum Abschluss des Bündnisses sandte Friedrich III. Nachrichten über den Stand der Verhandlungen mit Frankreich an Albrecht189; offensichtlich waren mit den Verhandlungen die Erzbischöfe von Trier und Mainz betraut, die ihrerseits den Kaiser informiert hatten. Albrecht antwortete, dass er sich über die positiven Entwicklungen freue, und entschuldigte sich für seine verspätete Antwort, da das kaiserliche Schreiben in lateinischer Sprache verfasst war und dann ir wist wol, das ich nicht ein guter latennist bin […] und hab nymants gelerts bei mir190. Die Nachrichten des Kaisers versandte Albrecht dann umgehend an andere Fürsten, die er regional mit Informationen bediente, vor allem Herzog Albrecht von Bayern, den er aber zur Verschwiegenheit verpflichtete und der dadurch nicht Dritte 184 Ebd., 2, Nr. 26 (Herzog Wilhelm von Sachsen an Graf Ernst zu Mansfeld, 1475 Februar 5). 185 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 350, S. 355. 186 Albrechts Verhalten, selbst etwas für sich zu fordern, andere jedoch von anderem Verhalten zu überzeugen, zeigt sich auch in der Frage des Besuchs von Reichstagen. So forderte er andere auf, unbedingt zum Kaiser zu reisen, er selbst aber ließ sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen, siehe oben B. III. 3. 187 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 106a, Fehdeakten, Nr. 136, fol. 25. 188 Vgl. z. B. Henri Dubois, Charles le Téméraire (Paris 2004), S. 357 f. 189 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 934, S. 725; StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 106a, Fehdeakten, Nr. 139, fol. 517: Kaiser Friedrich an Albrecht von Brandenburg, 1474 November 14. Ebd., Nr. 154, fol. 1: Kaiser Friedrich an Albrecht von Brandenburg, 1474 Dezember 9; fol. 2: Kaiser Friedrich an Albrecht von Brandenburg, 1474 November 18. Hierin wird die Bitte Albrechts von Brandenburg erwähnt, den Wortlaut des in Aussicht genommenen Bündnisses zu teutsch machen zu lassen, dem Kaiser Friedrich allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht nachkommen konnte. 190 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 980, S. 748; Nr. 983, S. 750. Vgl. hierzu auch Schubert, Albrecht Achilles, S. 134.
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informieren konnte191. Das zweite Bündnis mit Frankreich handelten dann die Räte von Mainz, Trier, Sachsen und Brandenburg mit französischen Gesandten aus192. Auch Nachrichten, die von aufgespürten burgundischen Boten beschlagnahmt worden waren, wurden abschriftlich sowohl an den französischen König als auch an den Kaiser versendet193. Besonders wichtig war Albrecht bei dieser Informationsversorgung auch für den König von Böhmen194 . Im September 1474 anerkannte Friedrich III. schließlich endgültig Wladislaw und hatte auch mit seinem Vater Kasimir ein Bündnis geschlossen195. In dieser Frage hatte es anscheinend nach der Abreise Albrechts bis zu diesem letzten Schreiben eine verdichtete, gegenseitige Kommunikation gegeben196. Aber auch das persönliche Befinden tauschten beide aus. So lässt sich dem Briefwechsel zwischen dem brandenburgischen Kurfürsten und dem Kaiser vom Frühjahr 1475 entnehmen, dass Albrecht mehrmals erkrankt war, was ihn aber keineswegs an der Teilnahme an der Reichsverteidigung hinderte197. Der Kaiser zeigte sich in der Korrespondenz immer wieder sehr fürsorglich seinem ersten Verbündeten gegenüber und schickte ihm deshalb sogar den Propst von Xanten sowie den Grafen von Barby198. 3. Karl der Kühne und die Verkehrung von Netzwerkeigenschaften Besonders interessant für unsere Fragestellung ist die Betrachtung des Versuchs eines Gegners, das kaiserliche Netzwerk zu destabilisieren beziehungsweise antagonistische Bindungen in freundschaftliche umzuwandeln; einen solchen Versuch stellen die Angebote Karls des Kühnen an Albrecht von Brandenburg und andere Reichsfürsten dar. So übermittelte Albrecht Klitzing am 10. Februar das Werben Karls um Kurfürst Albrecht, er wolle mit ihm mehr fruntschaft und fruntlich ver-
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Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 984, S. 751. Allgemeine Korrespondenz in dieser Sache auch: ebd., 2, Nr. 3, S. 72; Nr. 7, S. 73 f.; Nr. 22, S. 86 f.; Nr. 43, S. 101; Nr. 51, S. 108. 192 Ebd., Nr. 9, S. 75. Vgl. ferner auch ebd., Nr. 73, S. 123, 125; Nr. 89, S. 133; Nr. 105, S. 148. 193 Ebd., Nr. 87, S. 131 f. 194 Ebd., Nr. 141, S. 218 f.; dazu auch Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1109. 195 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 917, S. 710. 196 Ebd., Nr. 934, S. 725; Nr. 980, S. 748. 197 Vgl. etwa ebd., 2, Nr. 33, S. 91: Am 7. Februar berichtet Albrecht, er sei auf dem Wege der Besserung. Am 8. Februar drückt der Kaiser seine Freude über Albrechts Genesung aus. Am 9. Februar wünscht ihm der Kaiser gute Besserung, vgl. ebd., Nr. 38, S. 96. Am 20. Februar 1475 schreibt Albrecht an den Kaiser, er sei krank, wolle ihm jedoch trotzdem mit Rat zur Seite stehen, vgl. ebd., Nr. 51, S. 108. 198 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 346, S. 353 f.
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stentnus erzielen199. Dabei versuchte Karl, an die Freundschaft zwischen seinem Vater und Albrecht von Brandenburg anzuknüpfen. Wie der Kaiser bei der Mobilisierung des Reiches gegen Karl den Kühnen verwandte hier auch Klitzing die Formel der fursten Dewtscher nacion200. Außerdem berichtete er die Worte Karls des Kühnen über den Kaiser, euer genade wiste, das das reich myt seinem verweser übel versorgt wer und das dem reich an allen enden vermynderung und abbruch gescheg und notturft wer, vor das reich anders zu gedencken201. Da der Kurfürst einer der mächtigsten Fürsten im Lande sei, der die Weisheit dazu habe, sei Karl der Kühne der letzte, der sich dagegen richten würde, wenn Albrecht selbst König werden wolle; was Karl hierzu helfen könne, würde er tun. Daneben wolle er auch zwischen ihm und dem Kölner Erzbischof sowie dem Pfalzgrafen Friedrich dem Siegreichen vermitteln. Karl der Kühne hatte somit die Absicht, durch ein Bündnis mit Kurfürst Albrecht diesen gegenüber dem Kaiser zu neutralisieren. Dabei verband er die unterschiedlichen Konfliktfelder um Pfalzgraf Friedrich den Siegreichen und seine eigenen Ambitionen, den Kaiser zu destabilisieren. Klitzing – wie er in seinem Schreiben darlegt – habe auf die Worte Karls des Kühnen zunächst geschwiegen, ihm dann aber geantwortet: dann uwer [Albrechts] ere und pflicht, dormyt ir dem keyser verwant wert, zwünge uch, das ir darvan nicht wordet reden edder reden horn202. Für den brandenburgischen Rat bestand die personale Bindung von Kaiser Friedrich und Albrecht von Brandenburg somit aus zwei Komponenten: aus Pflicht und Ehre. Die Pflicht erwächst aus der Lehnsabhängigkeit des Markgrafen von seinem Herrn. Die Ehre erscheint hier als wechselseitiges Bindungsphänomen zwischen dem Kaiser und einem Kurfürsten. Dass mit Ehre nicht nur etwas Irrationales, eine innere beziehungsweise moralische Kategorie „bürgerlich-tugendhafter Ethik“, sondern auch etwas Äußeres, eine von außen zuerkannte, in öffentliche Darstellung eingebundene Kategorie gemeint sein kann, die nicht nur das höfisch-ritterliche Wertesystem dominierte, sondern auch zu politischem Handeln erst veranlasste, zeigen jüngere Forschungen203. Mit Ehre in letzterem Sinne ist individuelle Ehre gemeint, mit der ein Niederrangiger 199
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 47, S. 103 f., Anm. 3. Ebd., Nr. 47, S. 104. 201 Ebd. 202 Vgl. ebd. 203 Vgl. zum Ehrkonzept: Martin Dinges, Die Ehre in der historischen Anthropologie. Bemerkungen zur Wissenschaftsgeschichte und zur Konzeptualisierung, in: Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Klaus Schreiner / Gerd Schwerhoff (Norm und Struktur 5, Köln / Weimar / Wien 1996), S. 29–62, hier S. 32 f. Görich, Ehre Friedrich Barbarossas, insbesondere S. 2–16, 364–378; ders., Ehre als Ordnungsfaktor. Anerkennung und Stabilisierung von Herrschaft unter Friedrich Barbarossa und Friedrich II., in: Ordnungskonfigurationen im hohen Mittelalter, hg. von Bernd Schneidmüller / Stefan Weinfurter (VuF 64, Ostfildern 2006), S. 59–92; Garnier, Politik und Freundschaft, S. 41. Jean-Marie Moeglin, Fürstliche Ehre und verletzte Ehre der Fürsten im spätmittelalterlichen Deutschen Reich, in: Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des 200
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durch einen Höherrangigen ausgezeichnet werden konnte, eine freundschaftliche Verbindung verstärkt und gegenüber anderen herausgehoben werden konnte. In der Tat finden sich solche Rang und Ehre befördernde Elemente in der Kommunikation zwischen Albrecht und Friedrich, so zum Beispiel das bereits erwähnte Angebot des Kaisers an Albrecht, er wolle mit ihm den Adventus in Augsburg gemeinsam durchführen204. Albrecht Klitzing argumentiert in seiner Antwort an Karl den Kühnen, dass sein Herr – unabhängig von seiner persönlichen Meinung – gar nicht handeln könne, weil er an Ehre und Pflicht gebunden sei. Nicht nur die Verpflichtung als Lehnsmann, sondern auch die Ehre konnte also in Netzwerken handlungsleitend und handlungshemmend wirken. Dass Klitzing die Ehre vor der Pflicht nennt, verdeutlicht, welche Bedeutung er ihr in Albrechts Verhältnis zum Kaiser beimaß. Für den brandenburgisch-dänischen Rat bot diese Argumentation eine gute Möglichkeit, gleichzeitig Karl dem Kühnen eine definitive und ebenso diplomatische Antwort zu geben. Klitzing sollte mit seinem Schreiben nicht nur Karls Angebot überbringen, sondern war trotz seiner abschlägigen Antwort gegenüber Karl dem Kühnen auch unsicher, wie er sich nun zu verhalten hatte. Albrecht entgegnete, Klitzing möge nicht mehr und nicht weniger tun; die Antwort, die er Karl überbringen sollte, enthielt jedoch eine andere Argumentation als die des Rates. Kurfürst Albrecht sei Karl und seinem Vater immer freundschaftlich zugeneigt gewesen, ein Bündnis habe es zwischen ihnen beiden oder mit seinem Vater jedoch nie gegeben205. Außerdem habe Karl sich niemals vorher, sondern erst in dieser Lage und durch einen Rat an ihn gewandt206. Solange er mit seinem Herrn, dem Kaiser, nicht gericht sei, wissen wir deßhalben nichts mit im zu handeln207. Wenn sie sich beide versöhnten, dann würde er auch mit ihm in ein freundschaftliches Verhältnis treten. In Bezug auf Karls Angebot, ihn bei einem Projekt, König zu werden, zu unterstützen, lässt Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Klaus Schreiner / Gerd Schwerhoff (Norm und Struktur 5, Köln / Weimar / Wien 1995) S. 77–91. 204 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 745, S. 604. Anscheinend handelt es sich hierbei nicht um eine Erhöhung der Ehre, sondern nur um die „Auffrischung“ des Ehrkontos, da der Kaiser Albrecht zuvor längere Zeit hatte warten lassen. Zum Adventus vgl. Mark Mersiowsky / Ellen Widder, Der Adventus in mittelalterlichen Abbildungen, in: Der weite Blick des Historikers. Einsichten in Kultur-, Landes- und Stadtgeschichte. FS Peter Johanek, hg. von Wilfried Ehbrecht u. a. (Köln u. a. 2002), S. 55–98. Jüngst auch die diversen Beiträge in: Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt, hg. von Peter Johanek / Angelika Lampen (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 75, Köln / Weimar / Wien 2009), hier insbesondere die Einführung der Herausgeber mit dem Titel: Adventus. Studien zum herrscherlichen Einzug in die Stadt. Zur Einführung, S. VII–XVI. Siehe ferner auch oben S. 151. Schenk, Adventus. 205 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 47, S. 104: Item wir sind dem herzogen von Burgundi und seinem vater in aller fruntschaft zugenaigt gewest, aber mit im noch seinem nye in keiner verstentnus gewesen. 206 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 47, S. 104: er hat uns auch emaln nye angemut, dann itzund durch dich in disen zytleuften. 207 Ebd., Nr. 47, S. 104.
II. Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475
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Albrecht seinen Rat eine Antwort ausrichten, die in unmissverständlicher Klarheit seine Position darstellt. Er wisse nur zu antworten, dass er lieber tot sei, dann das wir in unsern alten tagen durch uns odir unsere sün ein solhe grosse bossheit wider unsern rechten herrn handeln solten208. Während der Rat mit Kategorien von Ehre und Pflicht die besonders enge Bindung von Kaiser und Kurfürst beschrieb, argumentierte Albrecht mit der Entwicklung des Beziehungsgeflechts zwischen dem Kaiser, Karl und ihm, d. h. mit der Entwicklung eines kleinen Netzwerkes. Karl hatte in seinem Angebot nach dem bereits oben bei Christian von Dänemark festgestellten Mechanismus zur Herstellung einer personalen Bindung gehandelt; dadurch, dass er Albrecht die Königs- oder gar Kaiserwürde antrug und seinen Gegensatz mit dem Pfalzgrafen bei Rhein überbrücken wollte, sollte ein Interesse bei Albrecht geweckt werden. Albrecht allerdings lehnte ein Bündnis mit Karl ab, da er dessen Interesse an ihm allein aus Karls schlechter Beziehung zum Kaiser beziehungsweise aus seinem Interesse, die kaiserliche Macht zu überwinden, ableitete. Es scheint also mehrere Begründungsmöglichkeiten gegeben zu haben, das Werben des burgundischen Herzogs auszuschlagen, eine, die das Modell des Ranges zugrunde legt, und eine, die personale Bindungen mit handfesten Interessen verbindet. In ähnlichem Stil wandte sich Karl der Kühne auch an andere Reichsfürsten209. Dabei scheint die Beantwortung dieser Unterwanderungsversuche von Albrecht von Brandenburg gesteuert worden zu sein, wie ein Schreiben an Herzog Wilhelm von Sachsen aus dem Januar 1475 nahelegt210 . Wenn die Forschung schließlich gerade einen Medien-, Kommunikations- und Integrationswandel bei Friedrichs III. Sohn Maximilian betont211, so sollte wenigstens berücksichtigt werden, dass die Kommunikationswege, wie sie hier bei der Belagerung von Neuss innerhalb des kaiserlichen Netzwerkes vorlagen, bereits um 1475 einen vergleichsweise hohen Institutionalisierungsgrad aufwiesen, mit dem nicht zuletzt Meinungen und Informationshorizonte von Netzwerkteilnehmern gesteuert werden konnten.
208
Vgl. ebd., Nr. 47, S. 104 f. Vgl. Briefwechsel Karls des Kühnen, hg. Paravicini, Nr. 2772–2776, S. 235–237 (Karl der Kühne an die Reichsfürsten, 1474 November 1); Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 21, S. 85 (Karl der Kühne an Herzog Wilhelm von Sachsen, 1475 Januar 26). 210 Ebd. Dass die Schreiben des Burgunders durchaus ernst aufgenommen und nicht von vornherein ablehnend beantwortet wurden, zeigt ein Schreiben Herzog Albrechts an Kurfürst Ernst von Sachsen, anscheinend vom März 1475, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 723, S. 125 f. Vgl. in diesem Zusammenhang auch ebd., Nr. 81, S. 129. 211 Vgl. allgemein Volker Honemann, Art. „Medien“, in: Höfe und Residenzen im spät mittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, hg. von Werner Paravicini (Residenzenforschung 15,2, Ostfildern 2005), S. 537–541, hier S. 539 f. 209
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4. Die Kommunikation zwischen Albrecht von Brandenburg und seiner Frau Anna sowie dem Hausvogt Sebastian von Seckendorff Schon den preußischen König Friedrich Wilhelm IV. (1840–1861) interessierten wohl weniger die Geschehnisse vor Neuss als vielmehr der umfassende Briefwechsel zwischen Kurfürst Albrecht von Brandenburg und seiner Frau Anna212. Insgesamt mehr als 25 Briefe sind aus dem Zeitraum November 1474 bis Juli 1475 erhalten213. Diese Briefe wurden von den Editoren des 19. Jahrhunderts überwiegend 212 So ist eine Abschrift von drei Quellenpassagen aus diesem Briefwechsel in Form eines Briefes von Rudolph von Stillfried-Rattonitz, erstem Direktor des königlichen Hausarchivs, an den König überliefert: GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 9, ohne Datum. Es handelt sich um Ausschnitte aus vier Schreiben der kurfürstlichen Korrespondenz, aus den Schreiben vom 26. März, 16. April, 18. sowie 27. Mai 1475. Vgl. zur Einordnung Dirk Blasius, Friedrich Wilhelm IV. Persönlichkeit, Amt und Krankheit, in: Der verkannte Monarch. Friedrich Wilhelm IV. in seiner Zeit, hg. von Peter Krüger / Julius H. Schoeps in Verb. mit Irene Diekmann (Potsdam 1997), S. 91–119. Ferner: Gerd-H. Zuchold, Friedrich Wilhelm IV. und das deutsche Mittelalter. Die Heldensage als Bedeutungsträger staatshistorischen Denkens des Monarchen, in: ebd., S. 159–180. Heinz Ohff, Preußens Könige (München / Zürich 1999), S. 225–257. 213 Vgl. die von den jeweiligen Editoren in die entsprechende zeitliche Reihenfolge gebrachten Schreiben bei Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 177, S. 126 f. (1474 Dezember 5: Kurfürstin Anna von Brandenburg an ihren Gemahl, Kurfürst Albrecht von Brandenburg), Nr. 178, S. 127 (1474 Dezember 12: Kurfürst Albrecht an seine Gemahlin); Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 1018, S. 773 f.; Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 179, S. 127 f. (1474 Dezember 18: Anna an Albrecht); Nr. 181, S. 128 f. (1474 Dezember 26: Albrecht an Anna); Nr. 182, S. 129 (1475 Januar 1: Albrecht an Anna), vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 1, S. 71; Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 183, S. 129 f. (nach Steinhausen: Ohne Ort und Jahr, bzw. eingeordnet Anfang Januar 1475; Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 323, S. 331 f., datiert das Schreiben auf den 15. Januar 1475; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, unter Nr. 10, S. 76 f., hier S. 77, datiert das Schreiben auf „wenige Tage vorher“, d. h. vor dem 15. Januar 1475 – er verweist außerdem auf Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 323, S. 331: Albrecht an Anna); Nr. 186, S. 131 (Ohne Ort und Jahr: Anna an Albrecht); Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 10, S. 76 f. (1475 Januar 15: Albrecht an Anna); Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 187, S. 131 f. (1475 Februar 3: Anna an Albrecht); Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 25, S. 88; Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 188, S. 132 f. (bald nach 1475 Februar 7: Anna an Albrecht); Nr. 189, S. 133 (1475 Februar 12: Anna an Albrecht); Nr. 190, S. 133 f. (1475 Februar 22: Anna an Albrecht); Nr. 191, S. 134 f. (1475 Februar 23: Anna an Albrecht); Nr. 192, S. 135 (1475 Anfang März: Albrecht an Anna); Nr. 193, S. 135–137 (1475 Anfang März: Albrecht an Anna); Nr. 194, S. 137 f. (1475 März 9: Anna an Albrecht); Nr. 196, S. 138–140 (1475 März 11: Anna an Albrecht); Nr. 197, S. 140 (1475 März 28: Anna an Albrecht); Nr. 198, S. 140 f. (1475 April 3: Anna an Albrecht); Nr. 199, S. 142 (1475 April 5: Anna an Albrecht); Nr. 200, S. 142 f. (1475 Anfang April: Anna an Albrecht); Nr. 201, S. 143 (1475 April 16: Albrecht an Anna); Nr. 202, S. 144 (1475 Mai 18: Albrecht an Anna), vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 112, S. 151, Anm. 2; Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 203, S. 144 f. (1475 Mai 19: Anna an Albrecht), vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 112, S. 151, Anm. 2; Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 204, S. 145 (1475 Mai 27: Anna an Albrecht); Nr. 205, S. 145 f. (1475 Juni 6: Anna an Albrecht); Nr. 208, S. 148 (1475 Juli 11: Anna an Albrecht). Zum Problem der Datierung dieser Schreiben vgl. Cordula Nolte, Verbalerotische Kommunikation, gut schwenck oder:
II. Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475
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der privaten Korrespondenz zugeordnet214. Dies mag an Teilen ihres Inhalts liegen, die Steinhausen mit „nicht misszuverstehenden Derbheiten“ kennzeichnete und einleitete: „Die nachfolgende, nur zum Teil bisher gedruckte, herzliche, frische, aber meist höchst derbe Korrespondenz zwischen Albrecht und seiner Gemahlin während dieser Zeit ist eine der charakteristischsten Partieen dieses Bandes“215 – kurzum, die Schreiben enthalten Passagen mit „verbalerotischem Inhalt“216. Von der Forschung wurden sie erst in jüngerer Zeit eingehender untersucht, aber ganz in der Tradition der Editionen eher als „private Korrespondenz“ wahrgenommen. Moraw217 verstand die Briefe als „Ventil [des Fürsten] in einer Grenzsituation“, die ausnahmsweise „den Blick in das sonst mündlich abgewickelte privateste Hof milieu“ zuließe218. Von dieser Grundannahme ausgehend untersuchte er aus sozialgeschichtlicher Perspektive den „Harem des Kurfürsten Albrecht Achilles“. In diesem Zusammenhang sprach er in Anlehnung an Michael Mitterauer von einer „De-facto-Polygamie“ mit Einverständnis der Gattin des Kurfürsten219. Nolte220 dagegen möchte die Schreiben nicht als Anhaltspunkt für die am Ans bacher Hof geübten Sexualpraktiken verstanden wissen, weil Albrecht sexuelle Beziehungen des Kurfürsten zu Hofdamen in den Briefen an seine Frau wohl nicht erwähnt hätte, da ansonsten die Ehre der Kurfürstin auf dem Spiel gestanden hätte. Sie liest die Passagen dagegen als „verbalerotische Kommunikation zwischen dem Fürsten einerseits, seiner Frau und ihren Hofdamen andererseits mit dem Ziel der Belustigung und Unterhaltung“221, wobei sie ihre Analyse auf Sprachliches konzentriert. Dabei stellt sie die „humoristische Färbung“222 der Briefe heraus – der „verbalerotischen“ wie der sonstigen Passagen. Sie betont, dass Albrecht diese Kommunikation auslöste, sodass der Inhalt vor allem Aufschluss über seinen Humor gebe, dass die Schreiben nicht auf Albrecht und seine Frau beschränkt Worüber lachte man bei Hofe? Einige Thesen zum Briefwechsel des Kurfürstenpaares Albrecht und Anna von Brandenburg-Ansbach 1474/1475, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. 6. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung 11, Stuttgart 2000), S. 449–461, hier S. 449, Anm. 1. Ein Großteil der Schreiben ist überliefert in GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, T² 3. 214 Wenn Schreiben bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, auftauchen, dann zumeist nicht als Einzelnummern, sondern lediglich in Anmerkungen zu anderen Nummern mit „unverfänglicherem“ Inhalt, vgl. z. B. ebd., S. 151, Anm. 2. 215 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, S. 127, Anm. 1. 216 So die Bezeichnung von Nolte, Verbalerotische Kommunikation. 217 Moraw, Harem. 218 Ebd., S. 444. 219 Ebd., S. 447. 220 Nolte, Verbalerotische Kommunikation. Die Kontroverse fasst zusammen: Ilona Fendrich, Die Beziehung von Fürstin und Fürst: zum hochadligen Ehealltag im 15. Jahrhundert, in: Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter, hg. von Jörg Rogge (Mittelalter-Forschungen 15, Ostfildern 2004), S. 93–147, besonders S. 129–131. 221 Nolte, Verbalerotische Kommunikation, S. 452. 222 Ebd., S. 453.
200
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waren, sondern auch die Hofdamen einschlossen; Nolte beschreibt Albrechts Textaussagen als „bewussten Tabubruch“ angesichts der an Fürstenhöfen vorgeschriebenen, streng zu kontrollierenden „Frauenzimmerordnungen“223, wobei dieser befreiendes Gelächter ausgelöst habe. Die Briefe zeugen nach Nolte außerdem von einem „spielerischen Umgang mit literarischen Motiven und Stilmitteln“, sodass sie „nicht nur als Mittel pragmatischer Schriftlichkeit […], sondern […] zugleich unter dem Aspekt ihrer literarischen Qualität zu untersuchen und dabei gezielt fiktive und phantastische Momente ins Auge zu fassen“224 sind. Moraw durchkreuzte seinen sozialgeschichtlichen Ansatz mit dem selbst auferlegten „moralischen Filter“225 und verengte dadurch seinen Blick dermaßen, dass er unter der Brille gebotener „Diskretion“226 genau das in den Quellenpassagen zu finden glaubte, was ihm nicht aussprechbar, deshalb aber umso unglaublicher erschien; so kommt es, dass er die Briefe in seinem Aufsatz im Grunde gar nicht analysierte. Nolte da gegen geht es um die Frage, „wie man mit solchen Dokumenten methodisch umgehen soll und welche Aussagen man ihnen, über die bloße Feststellung der Derbheit hinaus, entnehmen kann“227. Genau in diesem Sinne sollen im Folgenden die Briefe in ihrem gesamten Inhalt in den Blick genommen werden. Der etwas bizarr anmutende Forschungsstreit soll dabei im Folgenden nicht gelöst werden, vielmehr soll auf die Kommunikation zwischen dem Kurfürsten und seiner Gemahlin im Kontext politischer Netzwerke eingegangen werden. Zunächst deutet sich an, dass es sich bei dieser Kommunikation zwischen dem Fürstenehepaar nicht um einen Sonderfall handelte228. In einer anderen kriege 223
Ebd., S. 456. Ebd., S. 460 f. Zum vielfachen Umgang mit vergleichbaren Themen von „kritischer Distanz“ auf der einen bis hin zu „Sensationslüsternheit“ auf der anderen Seite, vgl. Ellen Widder, Konkubinen und Bastarde. Günstlinge oder Außenseiter an Höfen des Spätmittelalters?, in: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. 8. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung 17, Ostfildern 2004), S. 417–480, hier S. 427; dies., Skandalgeschichten oder Forschungsdesiderate? Illegitime Verbindungen im Spätmittelalter aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive, in: „…wir wollen der Liebe Raum geben“. Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500, hg. von Andreas Tacke (Göttingen 2006), S. 38–92. 225 Widder, Konkubinen und Bastarde, S. 427. 226 Moraw, Harem, S. 445. 227 Nolte, Verbalerotische Kommunikation, S. 450. 228 Betrachtet man, soweit rekonstruierbar, anhand des Itinerars auf der Grundlage der Korrespondenz die Abwesenheitsphasen Albrechts von Brandenburg von seinem fränkischen Herrschaftsschwerpunkt zwischen 1470 und 1480, so ergeben sich bis auf die durch den Feldzug gegen Karl den Kühnen bedingte Abwesenheit von November 1474 bis Juli 1475 und bis auf einen mehrmonatigen Aufenthalt in Regensburg von Mai bis August bzw. September 1471 sowie in Augsburg vom April bis Juni 1473, bei denen über den Aufenthaltsort Annas von Brandenburg nichts gesagt werden kann, von der aber zumindest eine Korrespondenz zwischen den Eheleuten nicht überliefert ist, lediglich die drei Reisen in die Mark, Oktober 1471 bis April 1473, April bis Oktober 1476 und Ende Juni 1478 bis Ende August 1479. Auf allen drei Reisen Kurfürst Albrechts in die Mark begleitete ihn seine Frau; sie bestimmte teilweise gar als Schwangere das Reisetempo. 224
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rischen Auseinandersetzung nämlich, während der Belagerung der Herrschaft Heideck im Jahre 1449, sandte die erste Frau des Kurfürsten, Margarethe, ein Schreiben an ihren Mann, um ihm von der Niederbrennung von Schloss Bruckberg und der Intervention brandenburgisch-ansbachischer Truppen zu berichten; geschickt verband sie dies mit der Bitte, das Schloss nicht wieder einem anderen zu übertragen, sondern Das zu unser frolichkeit und einem jaghawß behalten229. Hier verbanden sich somit Eigeninteressen der Ehefrau und Informationstätigkeit in Angelegenheiten der Herrschaft miteinander230. Die Tendenz, Abwesenheit durch Korrespondenz zu überbrücken, passt in das Muster der schon in anderem Zusammenhang beobachteten Herrschaftspraxis des Kurfürsten231. In dieser Korrespondenz findet sich hingegen keine „Verbalerotik“. „Verbalerotische“ Anklänge finden sich dagegen in einem Schreiben Margarethas von Brandenburg, der Tochter Friedrichs II. von Brandenburg, an ihren Onkel, Kurfürst Albrecht, vom Oktober 1473, als der Kurfürst in Franken weilte. Sie betonte mit Blick auf die Nachricht, er werde wieder in die Mark Brandenburg kommen, das wir und unßer juncfren uns darkeigin mestin, das wir eugern gnaden wol gefallin232. Hier befand sich der Kurfürst indes nicht in einer Sondersituation, etwa einer kriegerischen Auseinandersetzung. Im Dezember 1474 berichtet Kurfürstin Anna von Brandenburg im ersten Schreiben des sich anschließenden umfangreichen Briefwechsels, dass sie eine Wallfahrt vollbracht habe, und fügt einen genauen Reisebericht bei233. In seinem Antwortschreiben nimmt Albrecht hierauf Bezug, indem er erklärt, das sehen wir gerne und getrauen zu got, wir sullen der auch teilhafft werden234. Einem späteren Schreiben ist zu entnehmen, dass eine Wallfahrt nun verschoben werden sollte, bis Albrecht aus dem Feld zurückgekehrt sein würde235. Neben der Wallfahrt spielte auch das Beten für die Kämpfenden eine wichtige Rolle – auch dies wurde mitgeteilt236. So nehmen die Themen Beten und Wallfahrt einen wichtigen Platz in der Kommunikation zwischen beiden ein, aber auch in Briefen, die Albrecht mit anderen weiblichen Familienangehörigen austauschte237.
229
HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1474g (Regestensammlung Bayer), Schreiben vom 4. Juli 1449. 230 Zur Intention weiblicher Briefsender und der Verfolgung von eigenen Interessen von Frauen durch Briefe vgl. Jane Couchman / Ann Crabb, Form and Persuasion in Women’s Letters, 1400–1700, in: Women’s Letters Across Europe, 1400–1700. Form and Persuasion, hg. von dens. (Women and Gender in the Early Modern World, Burlington u. a. 2005), S. 3–41, hier S. 11–15. 231 Siehe etwa oben S. 136 ff., unten D. III. 2.,3.,4. 232 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 702, S. 578. 233 Vgl. Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 177, S. 126 f. 234 Ebd., Nr. 178, S. 127. 235 Ebd., Nr. 200, S. 142 f. 236 Ebd., Nr. 187, S. 131 f. 237 Siehe unten S. 204.
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Außerdem ist in der Korrespondenz wiederholt von der Übersendung kleiner Geschenke, Gaben und Waren die Rede. So dankte Albrecht seiner Frau für gelieferte Rebhühner238, Anna sandte einen Hut239, ein Kreuz mit einer Reliquie, Bücher240, eine Schnur241, Augenwasser und Kränze242. Umgekehrt bat sie Albrecht um die Übersendung von Lachs243. Albrecht erteilte seiner Frau zudem die Erlaubnis, solche Waren auf der Nördlinger Messe zu erstehen, die auf einem Zettel verzeichnet waren244. Im Januar 1475 sandte Albrecht englische und burgundische Münzen an seine Frau245. Insgesamt lag die Initiative für den Austausch teilweise bei dem Gebenden, teilweise forderte Albrecht direkt Gegenstände an. Außerdem nimmt das Thema Jagd großen Raum ein. Anna bat um Erlaubnis zur Jagd, berichtete über Lehnsleute Herzog Ludwigs, die ihrer Jagd gefährlich werden könnten246. Albrecht wiederum gab ihr Anleitungen zur Jagd, beispielsweise möge sie sich gute Hetzhunde besorgen247. Daneben finden sich auch Angelegenheiten der Tagespolitik, die am Ansbacher Hof entschieden werden mussten und bei denen die Kurfürstin ihren Mann um Einverständnis bat. So bat sie ihn, ihrem Kaplan Hans Stublinger die Pfründe, die der Heckelpach zu Wirzburg248 von Albrecht übertragen bekommen hatte, der aber nun krank sei und sie deshalb zurückgegeben habe, zu verleihen. Ebenso empfahl sie Albrecht einen Chorschüler zur Leihe einer Pfarre249. Außerdem scheinen in den Quellen Berichte über die Familie und den Hof auf, beispielsweise die Fastnachtsfeier, wobei sie befohlen habe, sunst nymants herein zu lassen, dan wer herein gehört; dies unterstreicht Annas aktive, organisierende und leitende Funktion in Ansbach während der Abwesenheit des Kurfürsten250. Zuvor berichtet sie, ihren Sohn Friedrich halte sie im Schloss, lasse ihn höchstens zum Schlittenfahren hinaus, verbiete ihm dann aber, in irgendwelche Häuser zu gehen. Es handelte sich hierbei offensichtlich um Vorsichtsmaßnahmen vor einer Seuche, die in jenen Tagen wütete; dies legt ihr Kommentar nahe: So stirbt es auch hie nichts
238
Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 178, S. 127. Ebd., Nr. 196, S. 138 f. 240 Ebd., Nr. 187, S. 131 f. 241 Ebd., Nr. 193, S. 135–137. 242 Ebd., Nr. 202, S. 144. 243 Den sie anscheinend später von ihrem Stiefsohn Johann von Brandenburg geliefert bekommt, vgl. Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 215, S. 152. 244 Ebd., Nr. 202, S. 144. 245 Ebd., Nr. 182, S. 129. 246 Ebd., Nr. 199, S. 142. 247 Ebd., Nr. 201, S. 143. 248 Ebd., Nr. 204, S. 145. 249 Ebd., Nr. 197, S. 140: ist eur lieb sinlich, so verleicht im dy pfar, wen sein vatter, der Eug, hat mich darumb gebeten, ein fuderbrieff zu geb[en] an eur lieb. 250 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 188, S. 132 f. Zum Fest bei Hofe auch Ellen Widder, Alltag und Fest am welfischen Fürstenhof im 15. und 16. Jahrhundert, in: NdsJb 72 (2000), S. 11–43. 239
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mer251. Besondere Bedeutung hatten solche Nachrichten über die noch jungen Kinder im Hinblick auf die Sicherung des Fortbestandes des eigenen Hauses252. Größeren Raum nehmen aber auch Berichte über den Besuch anderer Fürsten am Hof in Ansbach ein, beispielsweise über den Dorotheas von Dänemark. Ende März berichtete Kurfürstin Anna außerdem vom Besuch Herzog Ludwigs von Pfalz-Veldenz253; hier schilderte sie ihrem Mann, mit welcher Eile er eintraf und weiterreisen wolle. Albrecht schickte von sich aus auch Schreiben Dritter an Anna, um sie zu informieren, so beispielsweise ein Schreiben ihres Bruders, Herzog Albrechts von Sachsen254. Prominent, ja fast schon dominierend ist das Thema der Gesundheit. Jedes Schreiben enthält die Bekundung, ob es dem jeweils Schreibenden und den Angehörigen gutgeht, und die Frage, wie es um den anderen stehe. Außerdem werden Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit vorgeschlagen, beispielsweise erklärt Anna, meister Nicklas, Albrechts von Brandenburg Leibarzt, sage, euer lieb sey das waser ser gesont, und ir solt das ye nuzen255. Albrecht habe ihr geschrieben, er nehme ab; der Arzt rate, er möge wieder zunehmen und kräftig werden. Außerdem bat der Arzt die Kurfürstin, Albrecht vorzuschlagen, dass er, wenn es ihm nötig erschien, zum Kurfürsten reisen wolle. In anderem Zusammenhang hatten sich Dritte an die Kurfürstin gewandt und um den kur fürstlichen Leibarzt gebeten; Anna nun ersuchte ihn, dies zu gestatten256. 251
Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 188, S. 132 f., hier S. 132. Selbstständig und ausgiebig kommuniziert Anna von Brandenburg auch mit anderen Familienmitgliedern in verschiedenen Angelegenheiten, vgl. etwa ein Schreiben an ihren Stiefsohn Johann Cicero: GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, T² 7, Nr. 1. Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 215, S. 152: Markgraf Johann Cicero an seine Stiefmutter. In beiden Schreiben geht es unter anderem um die Übersendung von Waren und Geschenken; beide Schreiben vom August 1475. 252 Vgl. dazu allgemein nun: Gerrit Deutschländer, Dienen lernen, um zu herrschen. Höfische Erziehung im ausgehenden Mittelalter (1450–1550) (Hallische Beiträge zur Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 6, Berlin 2012), S. 159–171. 253 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 197, S. 140. 254 Ebd., Nr. 183, S. 129 f., hier S. 130. 255 Ebd., Nr. 196, S. 138 f. 256 GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, T² 3. So habe sich die leinlewterin an ihn gewandt, das herlein habe an seine gemechtlein ein geprechen […] das heissen sy den karoffeln oder keiln. Nun forderten sie, Meister Konrad zu schicken. Es wird sich hierbei um einen Hodenbruch gehandelt haben. Bei der leinleuterin erkundigte sich Anna auch am 31. August 1475, sie habe vernommen, dass ihre Tochter Barbara (geboren 1464, seit 1472 mit Herzog Heinrich von Glogau und Crossen verheiratet) schwanger sei, und bittet um Nachricht hierüber, GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, W 29. In anderem Kontext in der Kommunikation der Kurfürstin mit Katharina von Sachsen forderte Kurfürstin Anna anscheinend mehrfach anlässlich der Geburten ihrer Kinder Georg (1472–1476) und Elisabeth (1474–1507) Instrumente zur Geburtshilfe an, die sie nach der Geburt wieder zurücksandte, vgl. HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1474p (Regestensammlung Bayer), 1472 Februar 1; HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1513 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 1039r (1472 Februar 1), 1064r (1474 März 21). Umgekehrt Organisationsfunktion Albrechts von Brandenburg für seine Gattin GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, V 1, Nr. 1: Albrecht von Brandenburg an den Hauptmann auf dem Gebirge mit der Ankündigung ihrer Ankunft und Befehlen, 1473 März 12.
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
Mit den Schreiben traten neben der Kurfürstin Anna nicht nur die Jungfrauen aus dem Ansbacher Frauenzimmer mit dem Kurfürsten in Verbindung, wie betont wurde, um daran festzumachen, dass die Briefe keine intimen Schreiben der Eheleute, sondern in gewisser Weise öffentliche Briefe waren257. Vielmehr wurden auch situationsgebunden andere Hofmitglieder in die Kommunikation eingebunden, wenn es geboten und nötig erschien. Die Gesund- und Krankheitsphasen des Kurfürsten spielten offensichtlich auch in anderen Schreiben eine wichtige Rolle. Zwei Schreiben, wohl vom März 1475, die Albrechts Tochter Amalia von Veldenz an ihren Vater schickte, zeigen, dass hier ein „innerfamiliäres Unterstützungsnetzwerk“ aufgebaut wurde, um den krank darnieder liegenden Albrecht wenigstens mit guten Worten aufzubauen258. Aber auch ihre Schwiegermutter, Johanna von Veldenz259, bemühte sich anscheinend um Nachrichten von Kurfürst Albrecht; sie ließ ihn gar grüßen260. Dabei ist zu betonen, dass sich anscheinend reger brieflicher Kontakt zu weiblichen Verwandten nicht auf solche „Ausnahmesituationen“ beschränkte, in solchen nur besondere Intensität erlangen konnte261. Über die Briefe an seine Frau und durch andere direkte Briefverbindungen trat Albrecht somit in Kontakt nicht nur mit dem Frauenzimmer, sondern sowohl mit dem Hof insgesamt als auch mit weiteren Familienmitgliedern außerhalb des Hofes. Gleichzeitig nahm die Kurfürstin eine wesentliche Position in der Organisation der kurfürstlichen Herrschaft ein, nicht zuletzt über das Thema Gesundheit. Damit hatte sie einen Zuständigkeitsbereich, der hochgradig „politisch“ war. In der Kommunikation Albrechts mit seiner Frau hatte aber auch nicht alles, was offensichtlich aus dem Frauenzimmer berichtet wurde, mit „Verbalerotik“ zu tun. So berichtet Anna, die Jungfrauen seien böse gewesen mit ihr, weil sie so lange in der Kirche hätten sten und so lang in der kirchen sein müssen262. Steinhausens Auswahl der edierten Quellenpassagen scheint für die Betrachtung der Briefe durch die Forschung ihr Übriges getan zu haben, denn wegen der Intention des Editors, „Privatbriefe“ zu sammeln, wurde der politische Inhalt hier
257
Zu Hofdamen, Hoffräulein und der Fürstin als „Personengruppe“ vgl. Werner Paravicini, Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. 6. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung 11, Stuttgart 2000), S. 13–25, hier S. 15. 258 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 195, S. 138, insgesamt sowie Anm. 3. 259 Johanna war die Tochter von Antoine I. de Croÿ, des Grafen von Porcean und Guines, vgl. Volker Rödel, Art. „Ludwig (I.), der Schwarze, von Veldenz“, in: NDB 15 (1987), S. 416 f., hier S. 416. 260 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 195, S. 138, sowie S. 139. 261 Vgl. beispielsweise GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 40: Margarethe von Mantua, Gemahlin des Markgrafen Federico Gonzaga, an Albrecht Achilles, 1468 Mai 3; GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 38: Schriftwechsel unter anderem von Barbara Gonzaga mit Albrecht von Brandenburg, Nr. 4, 1462 Januar 22, Nr. 7, 1474 März 24, Nr. 10, 1474 April 26; ferner GStA PK Berlin, BPH, Rep. 25, Va, Nr. 20: 1465 November 9. 262 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 196, S. 138 f., hier S. 139.
II. Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475
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und da einfach weggelassen263; auch mindestens ein weiteres überliefertes Schreiben berücksichtigte Steinhausen wohl mit Blick auf seinen Inhalt nicht264. So kommt es, dass das Gewicht der im klassischen Sinne „politischen“ Themen in den Schreiben erheblich stärker ist als bisher angenommen. Im ersten Falle enthält ein Schreiben Albrechts an seine Frau vom Januar 1475 neben zwei Sätzen mit „verbalerotischem“ Inhalt dem Druck bei Bachmann nach einen ausführlichen Bericht vom Kriegsschauplatz. Albrecht legt hier den Stand der Auseinandersetzungen dar, erläutert die Stärke seiner und der mit ihm kämpfenden Truppen und kündigt einen Verhandlungsversuch des Königs von Dänemark an, wobei man Genaueres noch nicht wisse265. Ein Schreiben Albrechts von Brandenburg an seine Frau von Mitte Dezember 1474 ist bisher nicht berücksichtigt worden. In ihm berichtet Albrecht, Herzog Albrecht von Sachsen sei mit 600 Pferden vor Ort, Herzog Wilhelm von Sachsen mit 300, er habe aber – wie auch andere – leider seine Fußtruppen wieder heimkehren lassen. Der Kurfürst zeichnet ein düsteres Bild, dass nämlich die Reichsstädte nur die Hälfte der versprochenen Kämpfenden schickten und dem Kaiser so nur 30.000 Mann zur Verfügung stünden. Auch an der Treue des französischen Königs zweifle man. Er selbst lasse nun des Kaisers Sohn, Maximilian, mit 80 Pferden nach Dillingen geleiten. In einem beigefügten Zettel erklärte Albrecht, man habe sich entschieden, die bayerischen Herzöge vorerst nicht zu beteiligen, denn sie würden eher schaden, als nutzen. Offensichtlich wollte Albrecht hier auch Gerüchten vorbeugen, indem er erläuterte, er glaube nicht, dass Wilhelm von Sachsen bayerisch gesinnt sei, auch wenn er sein Fußvolk nach Hause geschickt habe, aber jeder rede seinen spacht dazu266. Sie, Anna, möge diesen Zettel zerreißen. Besonders interessant ist die sich anschließende Passage, in der er sagt, ich habs deinem bruder nit gesagt, noch auch meins swehers reten, ich het sorg, sie wurden mich verdencken. Er wolle, dass sie es ohne sein Zutun erführen; stattdessen sagten es die Nürnberger und andere267. Diese Passage hat nur Sinn, wenn der Kurfürst zu verhindern müssen glaubte, dass die sächsischen Herzöge über seine Ehefrau Anna als ihre Verwandte solche Nachrichten erführen; dieser Hinweis lässt vermuten, dass Anna, wie auch anderen Schreiben zu entnehmen ist, wenn nicht in ständigem, so doch wenigstens in regelmäßigem Kontakt mit Mitgliedern ihres sächsischen 263 Ein Schreiben Albrechts von Brandenburg an seine Frau Anna vom Anfang des Jahres 1475 erscheint bei Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 183, S. 129 f., hier S. 129, nur unvollständig. Das Schreiben ist vollständig abgedruckt bei Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 323, S. 331 f. Nolte, Verbalerotische Kommunikation, berücksichtigt offensichtlich nur den unvollständigen Ausschnitt. 264 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 1018, S. 773 f. Es handelt sich um ein Schreiben des Kurfürsten an seine Frau vom 16. Dezember 1474. 265 Vgl. Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 323, S. 331 f. 266 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 1018, S. 773 f. 267 Ebd., Nr. 1018, S. 773 f., hier S. 774: ich wolt, sie westen es on mein schuld, mir unvermerkt. Es sagen die Nurimburger, die gut Bayrisch sind als wol ander stete und verantworten sich all doruf, was an in bruch ist, deßgleichen Hessen, Wirtzburg und Bamberg.
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
Verwandtschaftsnetzes stand, wobei Nachrichten vom kämpfenden Kurfürsten ebenso wie von der Lage des Reichsheeres insgesamt wohl wichtige Gesprächsthemen darstellten. Aber auch sonst scheinen „politische“ und den kriegerischen Auseinandersetzungen geschuldete Nachrichten eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Albrecht berichtete am 18. Mai 1475, dass bede here, feind und freünt, ein halbe meyl von einander ligen: got geb uns gluck!268 Anfang März berichtete Albrecht, man habe die Absicht, in zwei bis drei Tagen die Stadt Linz zu stürmen269. Anna wiederum äußerte Anfang Juni Freude über die Nachricht vom Frieden270. Schließlich geben die Schreiben auch Aufschluss darüber, dass die Nachrichtenlage in diesen Tagen offensichtlich unübersichtlich war und die Kommunikation immer wieder unterbrochen wurde, den Boten Schreiben abgenommen wurden oder sie solche verloren271. Vor allem Anna versuchte, Gerüchte über das Kriegsgeschehen, die sie beispielsweise zu Bayrn und Nurmberg vernommen hatte, in den Schreiben an ihren Mann zu überprüfen272. Sie korrigierte aber auch falsche Meldungen über sich, die Albrecht empfangen hatte – so beispielsweise, dass sie krank gewesen sei273. Auf den ersten Blick verwundert eine Nachricht Albrechts von Brandenburg von Mitte Mai 1475: Georg von Zedwitz sei gefangen genommen worden, er werde aber wohl bald ausgewechselt274. Georg von Zedwitz entstammte dem fränkischen Regionaladel275. Klarer wird die Stelle, wenn man ein vorher, wohl Anfang März entstandenes Schreiben Albrechts an seine Frau darauf bezieht, in dem er ankündigt, Doruff behalt ich den Connzlein von Zedwiz hienyden, und sobald es mit der stat ein ende nymbt, will ich in heymschicken und dir bey im schreiben, wie es zugestanden hat276. Hier sollte also ein Mitglied des fränkischen Regionaladels, der Albrecht begleitete, mit seiner Rückkehr nach Ansbach die Kommunikation zwischen den beiden Zentren sichern. Das Unternehmen scheiterte, als man Georg von Zedwitz gefangen nahm. Wenn Moraw277 davon spricht, dass die Kommunikation zwischen Kurfürstin Anna und ihrem Mann von den Themen „‚Jagd und Wildbret‘ und ‚weibliches Geschlecht‘ durchaus und streng wörtlich parallelisierbar waren“, so ist dies angesichts der hier angeführten Beobachtungen zu relativieren. Vielmehr scheint neben 268
Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 202, S. 144. Ebd., Nr. 192, S. 135. 270 Ebd., Nr. 205, S. 145 f. 271 Ebd., Nr. 188, S. 132 f. (Anna an Albrecht), hier S. 132: Aber er sagt mir dabey, eur lieb hab mir bey im geschrieben, derselb brieffe sey im auff dem Spechßhart genomen worden. 272 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 188, S. 132 f., hier S. 132. 273 Vgl. ebd. 274 Ebd., Nr. 202, S. 144. 275 Von 1475 bis 1497 war er Amtmann zu Windsbach, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, S. 300, Anm. 6. 276 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 192, S. 135. 277 Moraw, Harem, S. 445. 269
II. Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475
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den politischen beziehungsweise kriegsbedingten Inhalt eine Vielzahl kleinerer und größerer Themen zu treten, die teilweise die höfische Organisation, teilweise das Befinden und den Alltag betreffen. Weiter erschwert wird eine Deutung der Schreiben, wenn man andere Korrespondenzpartner mit einbezieht, denn der Briefverkehr zwischen dem Kurfürsten und seiner Gattin war während seiner Abwesenheit nicht die einzige Verbindung zwischen Albrecht und dem Ansbacher Hof. Auch mit seinem Hausvogt, Sebastian von Seckendorff, tauschte der Kurfürst rege Briefe aus278. In einem ersten Schreiben vom 29. November bat Kurfürst Albrecht Sebastian von Seckendorff, acht oder zehn weitere Wagen an ihn zu schicken, und wies ihn ebenso an, Wein in Königshofen über Sixt von Ehenheim zu kaufen, wobei der übliche Preis durch Verhandlung gedrückt werden möge279. In einem beigefügten Zettel fügt er an, „Krefftlein“ habe er nichts zufügen wollen, meide nur seine Anwesenheit, da dieser immer betrunken sei. Seine Versorgung sei aber auch anderweitig sicher gestellt. Sechs Tage später antwortete Sebastian von Seckendorff, er wolle acht Wagen schicken und werde den Wein besorgen. Auch sonst nimmt die Beschaffung von Wein in der Korrespondenz des Markgrafen einen wichtigen Platz; insbesondere Qualität und Preis sind in diesem Zusammenhang immer wiederkehrende Themen – modern gesprochen war Albrecht von Brandenburg auf ein möglichst günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis stets bemüht und tadelte durchaus seine Räte für schlechte wie auch überteuerte Ladungen. Auch hier tritt die Beschaffung von Wein neben kriegswichtigen Organisationsfragen hervor. 278 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 1005, S. 767 f. (Albrecht an Sebastian von Seckendorff, 1474 November 29); unter Nr. 1005, S. 767 f., hier S. 768 (Sebastian von Seckendorff an Albrecht, 1475 Dezember 5); ebd., 2, Nr. 5, S. 73 (Sebastian von Seckendorff an Albrecht, 1475 Januar 4); unter Nr. 37, S. 96 (Albrecht an Sebastian von Seckendorff, 1475 Februar 16); Nr. 76, S. 127 (Albrecht an Sebastian von Seckendorff, 1475 März 11), darunter auch ein weiteres Schreiben, Albrecht an Sebastian von Seckendorff, nach dem 24. Februar 1475 entstanden); Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/2, Nr. 130, S. 162 f. (Sebastian von Seckendorff an Albrecht, 1475 April 3); Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 112, S. 151 (Albrecht an Sebastian von Seckendorff, 1475 Mai 18); GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, G I 1, Dokument 3; Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2 Nr. 126, S. 162 (Albrecht an Sebastian von Seckendorff, 1475 Juni 21). Daneben korrespondiert Sebastian von Seckendorff in dieser Zeit mit Dritten in Fragen der Statthalterschaft, vgl. ebd., Nr. 16, S. 81 (Herzog Albrecht von Bayern an Sebastian von Seckendorff, 1475 Januar 24); Nr. 35, S. 95 (Hans Monninger an Sebastian von Seckendorff, 1475 Februar 9); Nr. 102, S. 147 (Sebastian von Seckendorff an Georg von Pappenheim, 1475 Mai 3); Nr. 120, S. 156 (Graf Ulrich von Württemberg an Sebastian von Seckendorff und die anderen Statthalter Kurfürst Albrechts zu Ansbach, 1475 Juni 6). Sebastian von Seckendorff übernahm auch bei anderen Abwesenheitsphasen des Kurfürsten entscheidende „Leitungs- und Steuerungsphasen“ am Hofe in Ansbach, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 209, S. 216–218; Nr. 235, S. 251. Zur Einbindung von Inhabern von Hofämtern in das „familiale Miteinander“ vgl. Cordula Nolte, Die Familie im Adel. Haushaltsstrukturen und Wohn verhältnisse im Spätmittelalter, in: Die Familie der Gesellschaft des Mittelalters, hg. von Karl-Heinz Spieß (VuF 71, Ostfildern 2009), S. 77–105, hier S. 101. 279 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 1005, S. 767 f.
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
Am 4. Januar des darauf folgenden Jahres, 1475, berichtet Sebastian an Albrecht, aus Ansbach sei nichts zu melden, Knecht Jörg sei in Bamberg wegen der Beschaffung von Getreide gewesen und solle nun zu Albrecht ziehen. Auch aus der unter dieser Nummer verzeichneten weiteren Korrespondenz zwischen Kurfürst Albrecht und Jobst Offenheuser, Untervogt zu Kitzingen, wird deutlich, dass es hier vornehmlich um die Organisation von Nachschub an Nahrung und Kriegsmaterial ging. Wichtig erscheint der Zusatz Sebastians von Seckendorff in seinem Brief an den Kurfürsten, Albrechts Gemahlin und den Kindern gehe es gut280. Aus einem Schreiben Albrechts von Bayern-München an Sebastian von Seckendorff vom 24. Januar Herzog ist zu erfahren, dass letzterer nun auch Informationen vom Kriegsgeschehen an den bayerischen Herzog weitergeben möge281. Sebastian nahm in Abwesenheit seines Herrn hier also die Kommunikationsfunktion ein, die zu anderen Zeiten – man denke an die Kommunikation des Jahres 1473 während der Reise des Kaisers durch das Binnenreich – der brandenburgische Kurfürst selbst innehatte. Das Informationsnetzwerk funktionierte unter bestimmten Voraussetzungen also auch ohne die persönliche Anwesenheit Kurfürst Albrechts an der Relaisstation. Voraussetzung für den Fluss von Informationen war allerdings die Freundschaft des Herzogs von Bayern-München zu dem brandenburgischen Kurfürsten. Hier sind also Kombinationen überpersönlicher und personal bedingter Strukturen erkennbar. Vom 9. Februar ist ein Schreiben überliefert, in dem Hans Monninger Sebastian von Seckendorff über die Planung der Verschiffung einer größeren Weinladung auf dem Main informiert282. Am 16. Februar schickte Albrecht von Brandenburg Sebastian von Seckendorff ein Schreiben Herzog Ludwigs von Pfalz-Veldenz, in dem dieser Albrecht um die Übersendung eines im Zusammenhang mit der Eheverabredung für die Markgrafentochter Amalia und Herzog Kaspar von Veldenz stehenden Pfandbriefs bat. Diesen Brief, so die Bitte des Markgrafen weiter, sollten nun Wilwolt Diettersberger und Hans von Seckendorff, die zuvor die Eheverabredung ausgehandelt hatten, in Ansbach suchen; Wilwolt sollte ihn dann Herzog Ludwig überbringen283. Fast einen Monat später sind wohl zwei Schreiben einzuordnen, die Albrecht an seinen Statthalter in Ansbach sandte; im Wesentlichen geht es um den Umgang mit vorzeitig aus dem Felde Zurückgekehrten sowie um die Aufforderung durch Albrecht, nach dem Tode des Markgrafen von Baden dem Verstorbenen Messen lesen zu lassen284. In den ersten Tagen des Aprils berichtete Sebastian vom Besuch Königin Dorotheas von Brandenburg in Ansbach285. Anfang und Mitte Mai 1475 sind noch zwei weitere Schreiben überliefert, das erste 280
Ebd., Nr. 5, S. 73. Ebd., Nr. 16, S. 81. 282 Ebd., Nr. 35, S. 95. 283 Ebd., unter Nr. 37, S. 96. Zu den Verhandlungen um die Eheabrede ebd., 1, Nr. 806 f., S. 639–641; Nr. 845, S. 663. 284 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 76, S. 127, und unter Nr. 76. 285 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/2, Nr. 130, S. 162 f. 281
II. Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475
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Sebastians von Seckendorff an Georg von Pappenheim, das zweite Albrechts von Brandenburg an Ersteren286. Im ersten Schreiben verwandte sich Sebastian von Seckendorff für einen Lehnsmann Kurfürst Albrechts, der vor das Landgericht Hirschberg geladen worden war, im zweiten erklärt Albrecht, zur Befreiung des von Georg von Rosenberg gefangen genommenen Johann von Dietzesau sei er bereit, das zu tun, was er könne. Außerdem nimmt er Bezug auf ein Schreiben Annas von Brandenburg an ihn, in dem sie von der Absicht ihrer Mutter, sie in Kulmbach zu besuchen, berichtet. Dort, so schreibt Albrecht weiter, wolle sie ihm das Geld, das er ihr während ihres Aufenthaltes in der Mark geliehen habe, zurückzahlen. Er befahl nun, diese zusammen mit weiteren Geldern durch den Erzbischof von Mainz nach Köln überführen zu lassen. Außerdem bat der Kurfürst Sebastian von Seckendorff, in Kitzingen den Bau zweier Schiffe für die Weiher in der Umgebung von Ansbach in Auftrag zu geben. Ein drittes habe er über den Abt des Klosters Heilsbrunn in Auftrag geben lassen; schließlich hoffe er, dass sie ihm bei der Jagd nützlich sein würden. In jedem Fall möge aber auf diesen Schiffen genug Platz für ihn, seine Frau und zwanzig weitere Personen sein. Vom 6. Juni 1475 ist ein Schreiben Graf Ulrichs von Württemberg an Sebastian von Seckendorff überliefert, in dem es vornehmlich um die Heranführung von Kriegsmaterial geht, das in Nürnberg hergestellt worden ist287. Das letzte der hier anzuführenden Schreiben vor der Rückkehr Albrechts von Brandenburg vom Feldzug gegen Karl den Kühnen datiert vom 21. Juni 1475, als der Kurfürst Sebastian von Seckendorff und seinen Rentmeister Sixt Canzler um Begleichung seiner kürzlich bei der Stadt Nürnberg eingegangenen Schulden bat288. Auch wenn die ausgetauschten Schreiben nahelegen, dass durch den Überlieferungsverlust nur ein Teil der gesamten Korrespondenz zwischen dem Kurfürsten und seinem wichtigsten Hofvertreter in Ansbach, dem Hausvogt, vorliegt, so fällt doch auch hier das weite Spektrum verschiedener Themen auf, die behandelt wurden: Nachrichten aus dem familiären Umfeld und von politischen Akteuren ebenso wie Militärisches, Nachschub von Nahrung und Kriegsmaterial, Finanzielles ebenso wie Angelegenheiten der Untertanen. Betrachtet man nun beide Kommunikationsstränge, also den des Hausvogts und der Kurfürstin, gemeinsam, so ergibt sich folgendes Bild. Im Dezember 1474 scheinen die aus Ansbach abgehenden Briefe an Albrecht nicht abgestimmt gewesen zu sein. Im Januar 1475 ist das Bild nicht so eindeutig: Am 4. Januar 1475 übersandte Sebastian von Seckendorff die Nachricht an Albrecht, seiner Gemahlin und den Kindern gehe es gut289. Albrecht antwortet in einem nicht genau zu datierenden, aber wohl vor dem 15. Januar einzuordnenden Schreiben, das an Anna adressiert war290: Als du mir geschriben hast, das du mitsambt unsern kindern
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Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 102, S. 147; Nr. 112, S. 151. Ebd., Nr. 120, S. 156. 288 Ebd., Nr. 126, S. 162. 289 Ebd., Nr. 5, S. 73. 290 Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 183, S. 129 f. 287
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gesunt seist, das hore ich gern291. Dieser einzige Hinweis in einem Schreiben Sebastians von Seckendorff an Albrecht, in dem er explizit über das Befinden seiner Frau und das der Kinder spricht, ebenso wie der zeitliche Rahmen lassen vermuten, dass sich Albrecht nicht auf ein für uns verlorenes Schreiben Annas, sondern auf die Meldung Sebastians von Seckendorff bezog; zumindest aber kann angesichts des Einzelfalls der Meldung angenommen werden, dass Anna und Sebastian von Seckendorff über ihre Kommunikation mit Kurfürst Albrecht gesprochen haben. Auch Anfang Februar scheinen der von Seckendorff und die Kurfürstin ihre Informationen über Albrecht ausgetauscht zu haben, denn sie sagt in einem Schreiben an Albrecht: Doch so ist heut zu dem hausvogt komen ein prister, des dechants freundt hie, der hat im gesagt, er sey am montag nach sant Sebastianus tag zu Andernach von euer lieb geschieden […]292. Später, vom 3. April 1475, sind zwei unabhängige Berichte Sebastians von Seckendorff und der Kurfürstin Anna über den Besuch der Königin von Dänemark überliefert293. Die Schreiben scheinen sich inhaltlich zu ergänzen. Während Sebastian von Seckendorff den Ablauf des Besuchs eher neutral wiedergibt und seine Rolle sowie die seines Vetters Hans von Seckendorff, des Hofmeisters, außerdem Ranwingens von Seckendorff und weiterer Vertreter des regionalen Adels bei Organisation des Besuchs und des Geleits der Königin, vor allem aber die Gesamtverantwortung der Kurfürstin und die Bedeutung ihrer Anweisungen unterstreicht, so stellt doch die Kurfürstin selbst die Habgier der Königin, ihren schlechten Charakter und das schlechte Benehmen ihrer Hofdamen in den Mittelpunkt294. Der eindrucksvolle Bericht, eine der frawen und Junckfrawen der Königin sei die Treppe hinuntergefallen, weil man ihnen so wol erpoten, das sye auf dem kopf sein gangen vnd het die eine schir ein aug ferloren295, wird im Brief direkt im Anschluss kontrastiert mit dem Bericht über die eigenen Jungfrauen und der Bitte, Kurfürst Albrecht möge so schnell wie möglich zurück nach Ansbach kommen, dan ab wir alle dur und ungeschafen [d. h. hässlich] werden, so ist die schuld euer, das wir uns so ser nach euer lieb sen, wen der egloffsteinerin die augen ganz krum sein vnd die reygina ist so dur, das sye kein behalten kan. Darum pit wir euer lieb, das ir schir kumt, ee wir gantz vngeschafen weren296. Der Vergleich beider Schreiben über denselben Inhalt verdeutlicht, dass besonders im Schreiben Sebastians von Seckendorff die Rolle der Kurfürstin als eigenständig Handelnde, ja eigentlich als „Statthalterin“ ihres Mannes, die den Hausvogt und den Hofmeister sowie das gesamte weitere Hofpersonal dirigiert, hervor gehoben wird.
291
Ebd., Nr. 183, S. 129 f., hier S. 129. Ebd., Nr. 188, S. 132. 293 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/2, Nr. 129, S. 160 f.; Nr. 130, S. 162 f. 294 Siehe näher oben C. I. 5. 295 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/2, Nr. 129, S. 160 f., hier S. 161. 296 Ebd., Nr. 129, S. 160 f., hier S. 161. 292
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Eine weitere Überschneidung der beiden Korrespondenzstränge ergibt sich, als Kurfürstin Anna um die Erlaubnis bat, dass ihre Mutter sie besuchen dürfe; zwar ist ein Bittschreiben Annas nicht überliefert, Albrechts Erlaubnis Mitte Mai 1475 lässt jedoch den Schluss zu297. Anna wiederum dankte in einem späteren Schreiben für die Erlaubnis und berichtet Anfang Juni, ihre Mutter habe sie besucht298 . In einem Schreiben an Sebastian von Seckendorff erwähnt Kurfürst Albrecht den Brief, den Anna an ihren Gatten gesandt hatte, um Erlaubnis für den Besuch ihrer Mutter zu erhalten. Albrecht nun befahl dem Hausvogt, Margarethe von Österreich, seine Schwiegermutter, angemessen zu empfangen. Dass es hierbei aber nicht nur um den Besuch zum Austausch zwischen den Damen, sondern auch um handfeste materielle Interessen Albrechts ging, zeigt seine Aussage, Anna habe ihm berichtet, Margarethe wolle ihre Schulden, die sie bei ihm während seines Aufenthaltes in der Mark gemacht habe, zurückzahlen. Sebastian von Seckendorff sollte nun die in Aussicht stehende Rückzahlung mit anderem Geld eines anderen Schuldners über Tauberbischofsheim durch den Mainzer Erzbischof an ihn gelangen lassen. Auch in der Frage der Pfründenleihe an ihren Kaplan scheint sich, wie ein Schreiben vom 27. Mai 1475 nahelegt, die Kurfürstin im Vorfeld mit dem Hausvogt Sebastian von Seckendorff abgestimmt zu haben: So hat mir der haußvogt gesagt, wie das der Heckelpach zu Wirzpurg lieg und ser kranck sey und hab im dy briff widergeschick und wol der pfrund nit, dy im euer lieb geliehen hat. So besorgt er, euer lieb mocht darumb kumen, und hat mir furgehalten, ab ich ein priester hab, den ich damit versorgen wolt. So schick ich eur lieb mein capplan, hern Hanß Stublinger, und pit eur lieb, mein herzenlieber her, daß irß ym leihen wolt […]299.
Die Betrachtung beider Kommunikationsstränge, des einen zwischen Kurfürst Albrecht und seiner Frau sowie des anderen zwischen ihm und seinem Hausvogt Sebastian von Seckendorff, verdeutlicht, welch komplexe Kommunikations arrangements hinter den Schreiben des Kurfürsten nach Ansbach während des Reichskriegs stehen. Die beiden in Ansbach Befindlichen sprachen sich ab, sie koordinierten Informationen und Handlungen und gaben sie dann zielgerichtet an den Kurfürsten oder an Dritte weiter. Umgekehrt richtete der Kurfürst bestimmte Themen an seine Frau, bestimmte Themen an den Hausvogt, andere an beide300. Die Betrachtung der Korrespondenz zwischen Kurfürst Albrecht von Brandenburg und seiner Frau Anna in ihrer Gesamtheit verdeutlicht, dass sie Teil eines viel weiter gespannten Kommunikationsnetzwerkes während des Reichskrieges war, wobei die Öffentlichkeit dieser Briefe nicht nur Anna und das Ansbacher Frauen 297
Deutsche Privatbriefe, hg. Steinhausen, Nr. 202, S. 144. Ebd., Nr. 204, S. 145; Nr. 205, S. 145 f. 299 Ebd., Nr. 204, S. 145. 300 Vgl. schon in den 1460er Jahren die anscheinend enge Kommunikation zwischen Anna von Brandenburg und dem Hausvogt GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, T² 3, Nr. 2, 1463 März 30: Anna von Brandenburg an Albrecht Achilles. 298
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
zimmer, sondern offensichtlich auch Teile des Hofes und weitere auswärtige Korrespondenzpartner umfasste. Keinesfalls können diese Briefe somit im Sinne Steinhausens als „Privatbriefe“ bezeichnet werden. Noltes301 Befund anhand der „verbalerotischen“ Passagen der Schreiben, dass sich Anna ihrem Gatten gewissermaßen unterordnete und so „ihre Rolle als Ehefrau“ erfüllt habe, steht vordergründig im Gegensatz zu dem Bild, das die übrigen Passagen der Schreiben vermitteln. Anna hatte eine Relaisfunktion innerhalb der Netzwerke um Albrecht von Brandenburg in diesen Tagen. Zum einen verband sie den Hof als Ganzen mit dem Kurfürsten, nicht nur das Frauenzimmer; zum anderen berichtete sie von durchaus politisch eigenverantwortlichem Handeln, teilweise bat sie ihren Mann aber auch um Einwilligung. Dabei scheint sie mit dem Hausvogt Sebastian von Seckendorff gemeinsam die Geschäfte am Hof wahrgenommen zu haben und quasi gleich berechtigt abgesprochen zu haben. Daneben sorgte sich Anna um das persönliche Wohlergehen des Kurfürsten und organisierte im Hintergrund medizinischen Beistand für ihn302. Sie erscheint hier als durchaus selbstständig Handelnde und eigenständige Organisatorin. Ihre Gestaltungsmöglichkeiten waren offensichtlich groß und die Abhängigkeit ihres Mannes von ihr sollte, zumindest für diese Zeit, nicht unterschätzt werden303. 301 Vgl. zu den Problemen, die sich in Bezug auf die Quellengattung „Brief“ bei sexual historischen Fragestellungen ergeben, Ruth Mazo Karras, Sexualität im Mittelalter, aus dem Amerikanischen von Wolfgang Hartung (Düsseldorf 2006), S. 31. Insgesamt zur Frage der Quellenkritik im Zusammenhang mit Quellen mit aus heutiger Sicht sexuellem Inhalt vgl. ebd., S. 37–44. 302 Zur Bedeutung der Sorge um die Gesundheit von Familienmitgliedern um 1470: Cordula Nolte, der leib der hochst schatz – Zu fürstlicher Körperlichkeit, Gesunderhaltung und Lebenssicherung (1450–1550). Familien- und alltagsgeschichtliche Perspektiven, in: Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mittelalter, hg. von Jörg Rogge (Mittelalter-Forschungen 15, Ostfildern 2004), S. 45–92, hier besonders S. 50–53, 57–76. 303 Zu den Möglichkeiten und Grenzen hochadliger Frauen im Spätmittelalter, politisch selbstständig zu handeln, vgl. Ellen Widder, Margarete „Maultasch“: Zu Spielräumen von Frauen im Rahmen dynastischer Krisen des Spätmittelalters, in: Margarete „Maultasch“. Zur Lebenswelt einer Landesfürstin und anderen Tiroler Frauen des Mittelalters. Vorträge der wissenschaftlichen Tagung im Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte Schloss Tirol, Schloss Tirol, 3. bis 4. November 2006, hg. von Julia Hörmann-Thurn und Taxis (Schlern-Schriften 339, Innsbruck 2007), S. 51–79. Daneben grundlegend: Jörg Rogge, Nur verkaufte Töchter? Überlegungen zu Aufgaben, Quellen, Methoden und Perspektiven einer Sozial- und Kulturgeschichte hochadeliger Frauen und Fürstinnen im deutschen Reich während des späten Mittelalters und am Beginn der Neuzeit, in: Principes. Dynastien und Höfe im späten Mittelalter, hg. von Cordula Nolte / Karl-Heinz Spieß / Ralf-Gunnar Werlich (Residenzenforschung 14, Stuttgart 2002), S. 235–276, hier S. 239 und insgesamt. Außerdem: Martin Kintzinger, Die zwei Frauen des Königs. Zum politischen Handlungsspielraum von Fürstinnen im europäischen Spätmittelalter, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. 6. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung 11, Stuttgart 2000), S. 377–398, hier S. 385 f. Diverse Beiträge in: Fürstin und Fürst. Familienbeziehungen und Handlungsmöglichkeiten von hochadeligen Frauen im Mit-
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Grenzen des selbstständigen Handelns werden wohl im Wesentlichen das Abweichen von gewohnter Praxis und der Faktor Zeit gewesen sein. Eine quasi gleichberechtigte Stellung nahm sie so in unproblematischen, wiederkehrenden Situationen sowie in Momenten ein, in denen rasch und pragmatisch reagiert werden musste. Diese zentrale, für den Kurfürsten bisweilen existentiell wichtige Rolle seiner Gattin schloss nicht aus, dass er selbst umgekehrt eine Steuerungsfunktion über den Hof ausübte, mit der er seine Abwesenheit zu kompensieren versuchte; dies machen die tagespolitischen Passagen seiner Schreiben deutlich; seine Antworten auf Gesuche seiner Frau, in Aussicht genommene Maßnahmen durchführen zu dürfen, zeigen, wie sehr er aus der Ferne doch versuchte, die Kontrolle über das Geschehen in Ansbach in bestimmten Fragen zu behalten. Mithilfe der 1474 und 1475 ausgetauschten Schreiben zwischen Kurfürst Albrecht von Brandenburg und seiner Frau Anna wurde somit Governance innerhalb des Akteurs „Brandenburg-Ansbach“ ausgeübt. Information, Kooperation, Anweisung, Motivierung, Fürsorge und Steuerung sind die Stichworte, mit denen man die Funktionen dieser Schreiben und der mit ihnen verbundenen Akteure benennen kann. Warum aber dann „verbalerotische“ Kommunikation, Belustigung und Schilderung über Freuden in denselben Schreiben, mit denen Governance zwischen dem abwesenden Kurfürsten und seinem Hof ausgeübt wurde? Nolte hat die Passagen insbesondere mit Blick auf den Humor des Kurfürsten gelesen304. Komik, Humor und ein „selbstironisches Augenzwinkern“305 sind Grundkonstanten auch der sonstigen, mit Priebatsch als „Politische Correspondenz“ zu bezeichnenden Äußerungen des Kurfürsten sowohl gegenüber politischen Partnern als auch gegenüber der eigenen Verwaltung – und zwar unabhän-
telalter, hg. von Jörg Rogge (Mittelalter-Forschungen 15, Ostfildern 2004), insbesondere Jörg Rogge, Einleitung, in: ebd., S. 9–18. In Bezug auf außenpolitische Zusammenhänge besonders Malte Prietzel, Fürstliche Diplomatinnen: Die Herzoginnen von Burgund und die burgundische Außenpolitik 1369–1530, in: Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, hg. von Hillard von Thiessen / Christian Windler (Externa. Geschichte der Außenbeziehungen in neuen Perspektiven 1, Köln / Weimar / Wien 2010), S. 245–259. Vgl. aus germanistischer Perspektive bereits Petra Kellermann-Haaf, Frau und Politik im Mittelalter. Untersuchungen zur politischen Rolle der Frau in den höfischen Romanen des 12., 13. und 14. Jahrhunderts (GAG 456, Göppingen 1986), S. 238–340. Couchman / Crabb, Form and Persuasion, S. 15 f. Für das 15. Jahrhundert, mit einem Schwerpunkt auf Barbara Gonzaga, Ebba Severidt, Familie und Politik. Barbara von Brandenburg, Markgräfin von Mantua (30. September 1422–7. November 1481), in: Innsbrucker Historische Studien 16/17 (1997), S. 213–238, hier S. 237 f.: Severidt bemängelt das Fehlen von Vergleichsstudien. Vgl. ferner Katherine Walsh, Verkaufte Töchter? Überlegungen zu Aufgabenstellung und Selbstwertgefühl von in die Ferne verheirateten Frauen anhand ihrer Korrespondenz, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein. Freunde der Landeskunde 135 (1991), S. 129–144. 304 Nolte, Verbalerotische Kommunikation, S. 456–461. 305 Ebd.
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
gig von „verbalerotischer“ Kommunikation306. Auch in diesen Zusammenhängen sind sie nicht nur Ausdruck des Charakters des Fürsten, sondern erfüllen bisweilen politische Absichten, wie eine Anweisung an seine Räte aus anderem Zusammenhang verdeutlicht, sich von „hochfahrende[n] Redensarten“307 des politischen Gegners nicht bekümmern zu lassen, sunder redet lecherlich dorzw308. Bedenkt man zudem, dass der Kurfürst im Jahre 1473 für seine Nichte Margaretha eine Frauenzimmerordnung erließ, die ihr Leben mit ihren Hofdamen am Berliner Hofe regeln sollte – genau die Margaretha, die später „verbalerotische“ Anklänge in ihrem Brief an Albrecht äußert –, so könnte es sich bei der „verbalerotischen“ Kommunikation des Kurfürsten auch um eine Form von Governance handeln, um den Versuch, mithilfe der Thematisierung vermeintlich „weicher“ Themen Abwesenheit zu kompensieren und durch Steuerung mittels des Mediums Brief am Hof in Ansbach präsent zu sein, ja eine Ordnungsfunktion, die der Fürst sonst durch persönliche Anwesenheit ausübte, über die Distanz beizubehalten309. Korrespondenz erscheint hier somit als Mittel der Steuerung von Prozessen und Handlungen. Mit seinen Briefen war der Kurfürst innerhalb verschiedener Öffentlichkeiten am Hof zugleich präsent: im Frauenzimmer ebenso wie am gesamten Hof sowie darüber hinaus in verschiedenen Netzwerken, nicht zuletzt solchen von Fürstinnen. So gesehen, passen die „verbalerotischen“ Passagen in den Kontext der Schreiben und werden zu einem Teil der Governance-Strategie insgesamt. Damit erklärt sich auch der vermeintliche Gegensatz zwischen Gleichordnung der Ehepartner bei vielen Dingen des täglichen Handelns und Kommunizierens beziehungsweise 306 Vgl. aus zahlreichen hier anzuführenden Beispielen etwa die Äußerungen zu Gerüchten, Kaiser Friedrich wolle abdanken: Vnd als Ir vns allerley newe mere emboten habt, Muß man die lewt reden lassen, es wer schad, das es halbs war were, das man des Jars redt. Der keyser hat noch einen herten kopff und will nicht sterben, dieweyl wachssen vil lewt auff, Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 134, S. 230–233, hier S. 231: Albrecht von Brandenburg an Peter Knorr, 1472 November 29. 307 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 502, S. 465 f., hier S. 465. 308 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 135, S. 233–237, hier S. 235: Schreiben vom 29. November 1472. Wurden sie dann hoch reden, alls ir gewonheit ist, der rede laßt euch nicht bekumern, er wurdet vns mit worten nicht verjagen, oder alls ein alltes weib bedroen, Sunder redet lecherlich dorzw vnd sprecht allso, man nymbt vnd beschedigt vnserm gn. hern die seinen vnd rett vns dorzw hoch, das müßen wir sein lassen alls es ist, So aber vnser gn. her zw Land kumbt vnd sich der ding erkundet zweifellt vns nicht, sein gn. wisse sich darInn wol geburlich vnd unuerweislich zuhalten, vnd laßt es doruff rosen tragen, der allt got lebt noch, der ließ vbrige hochfart vnd vnrechtlicher gewalt sellten langwirig oder allt. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 502, S. 465 f., hier S. 465. Die Konstruiertheit von Briefen hebt auch die jüngere Briefforschung hervor, vgl. Antenhofer / Müller, Briefe in politischer Kommunikation, S. 22. 309 Zum Frauenzimmer insgesamt: Brigitte Streich, Frauenhof und Frauenzimmer, in: Das Frauenzimmer. Die Frau bei Hofe in Spätmittelalter und früher Neuzeit. 6. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung 11, Stuttgart 2000), S. 247–262. Außerdem, stärker frühneuzeitlich orientiert, Anja Kircher-Kannemann, Organisation der Frauenzimmer im Vergleich zu männlichen Höfen, in: ebd., S. 235–246.
II. Der Konflikt mit Karl dem Kühnen 1474/1475
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die teilweise Abhängigkeit des Kurfürsten von seiner Frau, und andererseits die Ausdrücke der Unterordnung Annas, wie sie hier und da in den Passagen der „verbalerotischen“ Kommunikation aufscheinen – diese Klassifizierungen sind in diesem Zusammenhang situationsbezogen310. Die „verbalerotische“ Kommunikation sollte deshalb nicht allein aus einem „literarischen“ Blickwinkel betrachtet werden, denn sie war nicht allein literarische Fiktion. Ebenso wenig lassen diese Quellenpassagen aber belastbare Aussagen über die Realität am Ansbacher Hof zu. Eher erlaubt die umfangreiche Korrespondenz zwischen den Eheleuten Rückschlüsse auf die Funktionsweisen politischer Netzwerke zur Organisation und Steuerung von politischem, aber auch von sozialem Handeln. Komik, Scherz und Humor sowie „weiche“ Themen konnten somit der Steuerung von Verhaltensweisen in Netzwerken dienen. Denkt man nun noch einmal an die bereits erwähnte Empfangsszene auf dem Fresko im Audienz- und Schlafzimmer der Markgrafen von Mantua in ihrem Castello San Giorgio in Mantua, der sogenannten „Camera picta“, so stellt der Briefwechsel quasi ein schriftliches Pendant zu ihr dar und verdeutlicht, wie stark vermeintlich „private“ Sphären gerade mit politischen Netzwerken in Wechselwirkung standen311. So verwundert es schließlich kaum, dass sich ein Briefwechsel von beachtlichem Umfang erhalten hat, den Ludovico Gonzaga und seine Gattin Barbara von Brandenburg sowie weitere Familienangehörige der Gonzaga mit der seit ihrer Vermählung mit Graf Eberhard im Bart im Jahre 1474 in Württemberg lebenden Barbara Gonzaga unterhielten312. Etwa die Hälfte von anscheinend mehr als 50 erhaltenen Briefen stammt aus den Jahren 1474 und 1475; Graf Eberhard befand sich im Übrigen seit Januar 1475 im Reichsheer vor Neuss, sodass auch über 310 Vor voreiligen und allzu starren Bewertungen der Ehebeziehung des Kurfürstenpaares warnt auf der Grundlage ihrer Untersuchung des Rollenverständnisses von Fürstin und Fürst auch Fendrich, Beziehung, besonders S. 133; außerdem S. 127–137. 311 Siehe oben S. 161 f. Vgl. ferner Antenhofer / Müller, Briefe in politischer Kommunikation, S. 9 f. 312 Franz Fuchs, Barbara Gonzaga und Eberhard im Bart. Der württembergische Hof im Spiegel mantuanischer Gesandtschaftsberichte, in: Von Mantua nach Württemberg: Barbara Gonzaga und ihr Hof. Begleitbuch und Katalog zur Ausstellung des Landesarchivs BadenWürttemberg, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, bearb. von Peter Rückert (Stuttgart 2011), S. 119– 131, hier S. 125. Jürgen Herold, Der Briefwechsel Barbara Gonzagas mit ihrer Familie in Mantua, in: ebd., S. 132–140. Zur Uracher Hochzeit Gabriel Zeilinger, Die Uracher Hochzeit 1474: Form und Funktion eines höfischen Festes im 15. Jahrhundert (Kieler Werkstücke. Reihe E: Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 2, Frankfurt a. M. 2003). Ferner auch die Korrespondenz zwischen Barbara Gonzaga (Mutter) und ihrem Schwiegersohn Leonhard von Görz, vgl. Christina Antenhofer, Letters Across the Borders: Strategies of Communication in an Italian-German Renaissance Correspondence, in: Women’s Letters Across Europe, 1400–1700. Form and Persuasion, hg. von Jane Couchman / Ann Crabb (Women and Gender in the Early Modern World, Burlington u. a. 2005), S. 103–140. Barbara Gonzaga setzte bei ihrem Schwiegersohn bisweilen indirekte Argumentationsstrategien ein, um ihre Ziele zu verfolgen, ebenso das Mittel der Ironie sowie das bewusste Ansprechen von Emotionen, vgl. ebd., S. 120 f. Vgl. auch Walsh, Verkaufte Töchter?, S. 132–136. Severidt, Familie, Verwandtschaft und Karriere, zur Korrespondenz insbesondere S. 154–227, ferner S. 228–241.
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
seine Gattin Barbara Informationen über das Kriegsgeschehen für die Markgrafen von Mantua zu erwarten waren. Das Lagebild aus der Sicht Karls des Kühnen erhielten die Markgrafen von Mantua dagegen durch Barbaras Bruder Rodolfo Gonzaga, der in den Diensten des burgundischen Herzogs stand313 . In Barbaras Briefen an ihre Eltern findet sich eben diese thematische Vielfalt – von hochpolitischen Inhalten bis zu „Details [und] Nebensächlichkeiten“314 – wieder, die auch die Korrespondenz Annas und Albrechts von Brandenburg prägt315. Wie im Falle der brandenburgischen Überlieferung hat sich eine Parallelüberlieferung zu den Schreiben der Tochter durch Räte erhalten, hier durch mantuanische Gesandte im Umfeld Barbaras. Die Gesandten versuchten bisweilen mit ihrer Korrespondenz, durch gezielte Informationen an ihre Eltern Barbaras Verhalten, insbesondere aber die Einhaltung der Frauenzimmerordnung, zu steuern beziehungsweise steuern zu lassen, beispielsweise nachdem Eberhard im Bart herausgefunden hatte, dass sich spät am Abend noch Männer in Barbaras Frauenzimmer aufgehalten hatten316. Briefliche Kommunikation konnte also nicht nur Mittel zu Organisation und Information, sondern auch zugleich zu höfischer und politischer Steuerung sein. Vermeintlich voneinander getrennte private und politische Themen wurden in diesen Briefen untrennbar miteinander verwoben. 5. Ergebnisse Die Beziehungen zwischen Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. waren während des Reichskrieges um die Belagerung von Neuss besonders eng. Dabei war das Netzwerk insgesamt durch die äußere Bedrohung stark verdichtet. Verbindungen zum Gegner Karl dem Kühnen wurden gekappt. Mithilfe besonders dichter Kommunikation zwischen Albrecht und Friedrich, die von den Themen militärische Organisation, Kampfhandlungen, Diplomatie und Persönliches dominiert wurde, wurde das Netzwerk organisiert und zusammengehalten. Ihre Bindung war von vollkommener Gleichrangigkeit geprägt: Die Kommunikation war reziprok, beide gaben sich gegenseitig Rat, sie korrespondierten über den jeweils anderen mit Dritten. Ihr Ton war offen, wobei sie intern andere, realistischere Einschätzungen vornahmen, als sie nach außen abgaben. Gemäß der Identifizierung beider als bedeutendste Knoten im Netzwerk kommunizierten andere Teilnehmer mit beiden gleichermaßen, häufig gingen sogar Schreiben gleichen Inhalts sowohl an Albrecht als auch an den Kaiser. Albrecht übernahm nicht nur Aufgaben, die ihm vom Kaiser übertragen wurden, sondern sorgte auch für die Verdichtung des Netzwerkes selbst, indem er andere zur aktiven Teilnahme und
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Fuchs, Barbara, S. 122. Ebd., S. 123. 315 Ebd. 316 Ebd., S. 125, ohne weiteren Quellennachweis. 314
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zum Bleiben sowie zur Kaisertreue veranlasste. Über die entscheidenden diplomatischen Bündnisverhandlungen mit Frankreich und Böhmen war Albrecht ständig informiert und gab darüber hinaus seinen Rat. Karl der Kühne versuchte unterdessen, seine antagonistischen Verbindungen zu Reichsmitgliedern in Freundschaftsverbindungen umzuwandeln; dabei funktioniert sein Werben wiederum nach dem Prinzip der Kombination von struktureller Verflechtung und Überschneidung von Interessen. Für die Antwort Albrechts von Brandenburg konnten zwei Argumentationsstrategien herausgearbeitet werden: Zum einen die Sicht „von außen“ durch seine Räte, die Ehre und Pflichterfüllung ins Zentrum rückt, zum anderen eine innere – die Albrechts selbst –, die Netzwerkeigenschaften und Interessen in ihrer historischen Entwicklung zum Kern hat. Die Antworten auf solche „Werbeversuche“ Karls des Kühnen wurden zentral von Albrecht von Brandenburg gesteuert. Die besondere Situation des Reichskrieges bedeutete auch eine Herausforderung für die brandenburgische Herrschaftsorganisation. Albrecht von Brandenburg unterhielt dauerhaften Kontakt mit dem Ansbacher Hof, insbesondere mit seiner Gattin Anna und dem Hausvogt Sebastian von Seckendorff. Sie füllten die Relaisfunktion insbesondere für Informationen aus, die zu anderen Zeiten der Kurfürst selbst ausübte. Sowohl Anna als auch der ansbachische Hausvogt unterhielten ihrerseits regionale wie überregionale, sich teilweise überschneidende, teilweise auch voneinander unabhängige Kommunikationsnetzwerke, mit denen Informationen weitergegeben, politisches Handeln, insbesondere die Tagespolitik in der Mark Brandenburg und in Franken sowie Militärisches koordiniert und konkret durchgeführt wurden. Besondere Bedeutung für das Reich erhielten diese vielfältigen Verbindungen durch ihre Unterstützungsfunktion für den Kurfürsten und seine Einbindung. Diese, vom Kriegsgeschehen zunächst vollkommen unabhängigen Netzwerke machten wirksames politisches Handeln des Kurfürsten in den Netzwerken zur Reichsverteidigung und in außenpolitischen Konstellationen erst möglich. Kurfürstin Anna kam in dieser Zeit eine Schlüsselrolle als Netzwerkknoten zu; sie agierte in bestimmten Situationen selbstständig und handelte pragmatisch. Je nach Situation konnte sie sogar faktische Gleichberechtigung erlangen, wobei dies insbesondere vom Faktor Zeit und vom jeweiligen Sachzusammenhang abhing. Die viel beachtete, in den Briefen aufscheinende „verbalerotische“ Kommunikation zeigt sich als Teil einer umfassenderen Strategie, mit der der Kurfürst trotz seiner Abwesenheit wesentliche Steuerungsfunktionen über den Hof in Ansbach beizubehalten versuchte. Gerade der gezielte Einsatz von Humor stellte ein wichtiges Mittel dar, politische und soziale Prozesse innerhalb von Netzwerken zu steuern. Die in der Kommunikation des Kurfürsten mit Ansbach angesprochenen Themen, insbesondere Finanzielles, Familiäres, Nachschub an Kriegsmaterial, Beten und Wallfahrten sowie Tagespolitisches, unterschieden sich somit nur in der Gewichtung, nicht aber grundsätzlich von denen, die Albrecht von Brandenburg auch
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C. Politiknetzwerke und Governance in außenpolitischem Kontext
in seinen Netzwerken um Neuss mit anderen Akteuren austauschte. Anna und Albrecht von Brandenburg organisierten in jenen Tagen sehr dynamisch politisches Handeln in den Netzwerken auf verschiedensten Ebenen. Schließlich zeigt gerade dieses Beispiel, dass außenpolitische Netzwerke bisweilen gravierende Rückwirkungen bis in weit entfernte, lokal zu verortende Netzwerkstrukturen hatten und diese zeitlich befristet dominieren konnten.
D. Politiknetzwerke und Governance auf regionaler und lokaler Ebene I. Der Stettiner Erbfolgestreit 1. Vorgeschichte Die Beziehungen zwischen Brandenburg, Pommern und Mecklenburg waren traditionell von Konflikten geprägt, die sich unter anderem auf die regionale Vormachtstellung im südlichen Ostseeraum bezogen1. Mit dem Tode des kinderlosen Herzogs Otto III. im Jahre 1464 starb die Linie der Herzöge von Pommern-Stettin aus, die seit Herzog Otto I. (1279–1344) bestanden hatte2. Auf das Teilherzogtum erhoben sowohl – auf der Grundlage der gemeinsamen Abstammung – die andere Linie des Greifenhauses, die Herzöge von Pommern-Wolgast, als auch die Markgrafen von Brandenburg Anspruch, die als Lehnsherrn das Herzogtum als heimgefallenes Lehen betrachteten3. Dabei dürften sich die Markgrafen über die direkte Beherrschung Pommerns insbesondere einen direkten Zugang zur Ostsee erhofft haben4. Schon rasch nach dem Tode Ottos von Pommern-Stettin brach der Streit offen aus. Für die Schärfe, mit der der Konflikt auf beiden Seiten in der Folgezeit geführt wurde, steht folgender Auszug aus einer Antwort Kurfürst Friedrichs von Brandenburg auf ein Schreiben der Herzöge von Pommern-Wolgast vom Januar 1465: So gy ok schriven ein Borggreve to Norinberg hebbe ny Dorff Hoff edder Huven myt rechte In Iwen landen gehat, und nennen dat eine greveschop wy verstan darby wol gy sint wol 1 Vgl. Oskar Eggert, Geschichte Pommerns (Hamburg 31961), S. 41–43. Roderich Schmidt, Das historische Pommern. Personen – Orte – Ereignisse (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern. Reihe V: Forschungen zur Pommerschen Geschichte 41, Köln / Weimar / Wien 2007), S. 113–123. Weitere Einzelkonflikte in diesem Raum sind auch beschrieben bei Auge, Handlungsspielräume, S. 65–74, 77–95. Vgl. auch Müller, Besiegelte Freundschaft. Oliver Auge, Zur Geschichte der Herzöge von Pommern-Stettin (1295–1464), in: BSt NF 97 (2012), S. 13–27. 2 Vgl. Europäische Stammtafeln, NF, hg. von Detlev Schwennicke, Bd. III,1: Herzogs- und Grafenhäuser des Heiligen Römischen Reiches. Andere europäische Fürstenhäuser (Marburg 1984), Tafel 2, 3. Vgl. Schultze, Mark Brandenburg, S. 83–90. 3 Vgl. ebd., S. 82. Werner Goez, Der Leihezwang. Eine Untersuchung zur Geschichte des deutschen Lehnrechtes (Tübingen 1962), S. 168–171. Böcker, Festigung der Landesherrschaft, S. 204–208. Wichtige Materialien zu Fragen der pommerschen Sukzessionsrechte bereits bei: Karl Wilhelm von Lancizolle, Geschichte der Bildung des preußischen Staates, Bd. 1 (Berlin / Stettin 1828), S. 545–608. 4 Vgl. Böcker, Festigung der Landesherrschaft, S. 205. Zu den territorialen Expansions bestrebungen der brandenburgischen Markgrafen in jenen Tagen: ebd., S. 200–205.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
gewandert und weten nicht wo die lant liggen, Dat Burggravethum to Norinberg Iß eher geweßt ein mercklich furstenthum des hilgen Romesschen Rykes als Id noch iß, eher Iwe oldern cristen sint gewordenn, wy schemen uns des Burggravethums nicht […]5.
Der von der Forschung als „Stettiner Erbfolgestreit“6 bezeichnete Konflikt überdauerte die Regierung Kurfürst Friedrichs II. von Brandenburg, der in mehreren Anläufen vergeblich versucht hatte, seine Herrschaft durchzusetzen, wobei ein erster Ausgleich im Vertrag von Soldin 1466 an der Ausführung gescheitert war7; erst unter Markgraf Albrecht konnte der Streit einer Lösung zugeführt werden. In reichspolitischer Dimension hatte es auch schon vor diesem Konflikt immer wieder Probleme gegeben, die um die Frage der Reichszugehörigkeit des Teilherzogtums, um die Legitimität der Herrschaftsausübung der Herzöge sowie um die Lehnsoberhoheit der brandenburgischen Markgrafen kreisten8. Seitdem unter Kaiser Friedrich Barbarossa die Pommern als reichsunmittelbare Herzöge anerkannt worden waren, wechselten sich reichsunmittelbare Phasen mit solchen brandenburgischer und dänischer Lehnsoberhoheit ab9. Während etwa Ludwig der Bayer im Jahre 1338 die Reichsunmittelbarkeit des Herzogtums Pommern 5 Codex diplomaticus Brandenburgensis continuatus, hg. von Raumer, 1, Nr. 136, S. 266 f., hier S. 266. LHA Schwerin, 1.10–1 Außermecklenburgische Staatsverträge, Pommern, Nr. 3: Schreiben der Herzöge Erich und Wartislaw von Pommern an Friedrich von Brandenburg, 1465 Januar 1; ebd., Nr. 4, Antwort an Erich und Wartislaw, 1465 Januar 15. 6 Vgl. Schultze, Mark Brandenburg, S. 80–90, 110–112, 142–146. Umfassend zur Ereig nisgeschichte vgl. Felix Rachfahl, Der Stettiner Erbfolgestreit (1464–1472). Ein Beitrag zur brandenburgisch-pommerschen Geschichte des fünfzehnten Jahrhunderts (Breslau 1890). Für die Frühphase des Konflikts von 1464 bis 1466 und die Rolle des Rates Hertnidt vom Stein vgl. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 85–91. Außerdem Gaehtgens, Beziehungen. Auge, Handlungsspielräume, S. 166 f. Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 27–29. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 58–77. 7 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern Nr. 63. Vgl. Böcker, Festigung der Landesherrschaft, S. 205. Martin Wehrmann, Geschichte von Pommern, Bd. 1: Bis zur Reformation (1523) (Allgemeine Staatengeschichte, 3. Abt.: Deutsche Landesgeschichten 5, Gotha 1904), S. 217. Nach dem Tode Herzog Ottos hatte Markgraf Albrecht von Brandenburg Hertnidt vom Stein an seinen Bruder Kurfürst Friedrich „verliehen“ und noch im Oktober 1464 in dieser Angelegenheit zum Kaiserhof geschickt. Eine erste Mission scheiterte. Albrechts von Brandenburg Räte Reuß von Thüngen und Jakob Protzer erwirkten 1465 dann doch als Teilerfolg ein kaiserliches Privileg, das allerdings wohl angesichts überhöhter Geldforderungen nicht expediert wurde. Eine dritte Gesandtschaft geriet in Konkurrenz zu einer der pommerschen Herzöge um Matthias Wedel. Auch nach dem plötzlichen Tod Wedels konnte letztlich keine Entscheidung zugunsten Brandenburgs erreicht werden, vgl. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 85–91, Anhang Nr. 15–18, S. 193–200. StA Bamberg, GHAP Nr. 1002. Auch aus dem Jahre 1467 ist Korrespondenz zwischen Markgraf Albrecht und Kurfürst Friedrich von Brandenburg in Sachen Stettiner Erbfolgestreit überliefert. So bat Friedrich seinen Bruder um Rat und erneute Intervention am kaiserlichen Hofe, vgl. StA Bamberg, GHAP Nr. 3494. Zu Wedel ferner Theodor Pyl, Art. „Wedel, Matthias“, in: ADB 41 (1896), S. 414. Auge, Handlungsspielräume, S. 166 f. 8 Vgl. Böcker, Festigung der Landesherrschaft, S. 204. Gaehtgens, Beziehungen, S. 60–63. Auge, Geschichte der Herzöge von Pommern-Stettin, S. 17–20. 9 Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 27.
I. Der Stettiner Erbfolgestreit
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Stettin bestätigt, gleichzeitig aber seinem Sohn, dem brandenburgischen Markgrafen Ludwig, den Anfall im Falle des Aussterbens der Herzöge zugesichert hatte – dies wurde mit einer Erbeinung festgeschrieben10 –, erklärte Kaiser Friedrich III. im Jahre 1446, die Herzöge von Pommern seien von ihm nicht belehnt und könnten deshalb ihre Lehen nicht besitzen11. Aus diesen unklaren Rechtsverhältnissen und wechselnden Beziehungen folgte, dass sich die Herzöge von Pommern bisweilen vom Reich abwandten und zeitweise ein von diesem unabhängiges Eigenleben führten. So handelt es sich nach Heinig um ein typisches Beispiel einer „königsfernen“ Region in Randlage des Reiches, deren Herrschaftsträger zeitweise an der Reichspolitik überhaupt nicht teilnahmen und sich anderen, „ausländischen“ Mächten, hier insbesondere dem König von Polen, unterordneten12. Albrecht von Brandenburg wurde im Zuge der Übertragung der Mark Brandenburg im Jahre 1470 auch mit den Herzogtümern Stettin, Pommern, der Kaschuben, Wenden und dem Fürstentum Rügen belehnt13. Damit war die brandenburgische Lehnshoheit über die strittigen Territorien durch den Kaiser anerkannt. Nur wenige Tage danach gebot Friedrich III. dem Markgrafen, sich mit den Herzögen von Wolgast zu vertragen, und gestattete ihm, sich mit ihnen zu einigen14. Anschließend befahl er den Herzögen von Wolgast – in Pommern herrschten mittlerweile die Söhne Wartislaws IX., Wartislaw X. und Erich II. –, Albrechts Belehnung mit Pommern zu beachten, und den Bewohnern der auf den brandenburgischen Markgrafen übertragenen Gebiete, Albrecht den Huldigungseid zu leisten15; diese offensichtlichen Bemühungen des Kaisers, kraft seiner Autorität ein Ende 10 Codex diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Geschichtsquellen für die Geschichte der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, hg. von Adolph Friedrich Riedel, Teil 2: Urkundensammlung zur Geschichte der auswärtigen Verhältnisse der Mark Brandenburg und ihrer Regenten, Bd. 2 (Berlin 1845), Nr. 746, S. 124 f.; außerdem S. 125–129. Noch zuvor, im Jahre 1328, hatte Ludwig der Bayer Herzog Bogislaw den Auftrag erteilt, die Besitzungen, die er von Markgraf Ludwig von Brandenburg zu Lehen hat, zu empfangen, woraufhin sie Widerstand leisteten, vgl. Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314–1347). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet. Heft 8: Die Urkunden aus den Archiven und Bibliotheken Österreichs, bearb. von Johannes Wetzel (Köln u. a. 2008), Nr. 129, S. 118. Gaehtgens, Beziehungen, S. 60. Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 27. Rudolf Benl, Pommern bis zur Teilung von 1368/72, in: Deutsche Geschichte im Osten Europas: Pommern, hg. von Werner Buchholz (Berlin 1999), S. 21–126, hier S. 109–112. 11 Gaehtgens, Beziehungen, S. 62. 12 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1314. 13 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern, Nr. 73. Regest: RI Friedrich III., 20, Nr. 169, S. 135; Nr. 170, S. 135 f. (1470 Dezember 12). Vgl. auch zur Bedeutung des Belehnungsaktes für die Spielräume fürstlicher Politik Auge, Handlungsspielräume, S. 278–282. Siehe ferner oben B. II. 14 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern Nr. 75. Regest: RI Friedrich III., 20, Nr. 171, S. 136 f.; Regesta, Chmel, 2, Nr. 6166, S. 598 f. (1470 Dezember 14). 15 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern Nr. 76, 78–80. Regesten: RI Friedrich III., 20, Nr. 173–176, S. 137–139 (alle 1470 Dezember 17).
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
der Pommernfrage herbeizuführen, wurden durch die Verkündung der Belehnung an alle Reichsuntertanen vollendet16. Tatsächlich aber war der Streit hiermit nicht beendet, da die kaiserliche Intervention fürs Erste wirkungslos blieb. So ermahnte der Kaiser nicht einmal ein Jahr später erneut die Herzöge von Wolgast, Albrecht als ihren Lehnsherrn anzuerkennen17. In der Zwischenzeit nämlich hatten die Pommern zum Krieg gegen Albrecht gerüstet18. Hier war es Herzog Heinrich von Mecklenburg, der Albrecht vor der drohenden Kriegsgefahr warnte19. Aus Albrechts Korrespondenz ist zu erfahren, dass die drei mecklenburgischen Herzöge ihn vor dem 18. April 1471 besuchten und dann möglicherweise gemeinsam mit ihm zum Regensburger Reichstag reisten, den sie am 3. Mai erreichten20. 2. Beistandsaufruf Vom 6. August 1471 datieren mehrere kaiserliche Dokumente, die den Stettiner Erbfolgestreit betreffen. Sie sind das Ergebnis von Verhandlungen auf dem Reichstag von Regensburg. Unter den Dokumenten befindet sich zum einen die neuerliche Aufforderung an die Untertanen im Herzogtum Pommern-Stettin, die Belehnung der Markgrafen von Brandenburg anzuerkennen und diesen zu huldigen21. Zum anderen erfolgte die Aufforderung des Kaisers an einige Reichsmitglieder, Albrecht gegen Pommern Beistand zu leisten22. Damit trat genau das ein, was 16
GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern Nr. 77. Regest: RI Friedrich III., 10, Nr. 313, S. 200 f.; 20, Nr. 178, S. 140 (1470 Dezember 17). 17 Ebd., Nr. 188, S. 145–147 (1471 August 1). Im Anschluss daran ergingen noch mehrere Befehle an die Herzöge sowie die Bewohner zur Leistung des Huldigungseides; vgl. ebd., 20, Nr. 189–192, S. 147 f. Regesta, Chmel, 2, Nr. 6404, S. 622. 18 Vgl. Schultze, Mark Brandenburg, S. 111. 19 Dies geht aus einem Schreiben Albrechts an seinen Sohn Johann vom 18. April 1471 hervor, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 160, S. 244 f. Die Kommunikation der Folgezeit verdeutlicht, wie diese Warnung nun durch Johann gegengeprüft wurde. Sein Rat Werner von der Schulenburg erkundigte sich bei Tamme Holzendorf bezüglich der Kriegsvorbereitungen in Pommern, vgl. die Schreiben vom 1. und 2. Mai 1471 von Johann an Albrecht von Brandenburg, Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 176, S. 250, insbesondere auch Anm. 1. Werner von der Schulenburg war in jenen Tagen Hauptmann von Gartz, vgl. LA Greifswald, Rep. 2, Ducalia, Nr. 356a: Schreiben der Herzöge Bogislaw und Wartislaw von Pommern-Wolgast an Werner von der Schulenburg. 20 Vgl. zum Besuch: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 169, S. 244. In diesem Schreiben ist außerdem von Geldforderungen der Herzöge von Mecklenburg in Höhe von 1000 Gulden an Albrecht die Rede, die bereits in einem Schreiben vom 8. April 1471 thema tisiert werden, vgl. ebd., Nr. 160, S. 234. Zur gemeinsamen Anreise in Regensburg vgl. die Aufstellung in RTA. Ältere Reihe 22/2, hg. Wolff, S. XIX. 21 LA Greifswald, Rep. 2, Ducalia, Nr. 354. 22 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern Nr. 82, 84. Regest: RI Friedrich III., 20, Nr. 193, S. 149; Nr. 196, S. 150. RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 806, S. 115. Ein entsprechendes Schreiben an Herzog Wilhelm von Sachsen findet sich gedruckt in: Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Rie-
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Markgraf Friedrich bereits Anfang Januar desselben Jahres in einem Ratschlagschreiben, das wahrscheinlich an seinen Bruder gerichtet war, erwogen hatte23. Ausdrücklich namentlich erwähnt werden in dieser kaiserlichen Aufforderung bis auf den Herzog von Mecklenburg und einige Bischöfe24 alle Fürsten der Region, unter ihnen nicht zuletzt der Kurfürst von Sachsen, der Herzog von Schlesien sowie der Hochmeister des Deutschen Ordens und auch alle Hansestädte im Umkreis. Interessant erscheint allerdings die Frage, warum gerade der Herzog von Mecklenburg aus dieser Verpflichtung ausgenommen war. Dies war sicherlich kein Versehen, sondern geschah anscheinend bewusst, da Markgraf Friedrich ihn in seinem Schreiben im Januar noch erwähnt hatte25. Dass der Kaiser ihn aus Rücksicht auf die innere Konsolidierung der mecklenburgischen Herrschaft nach der Zusammenführung der beiden Hauptlinien nur einen Monat zuvor ausnahm, erscheint unwahrscheinlich, da zu hören ist, dass die Übernahme vollkommen problemlos abgelaufen sei26. Hilfreich ist dagegen ein Blick auf die personalen Bindungen des Herzogs zu den Brandenburgern und den Pommern. Heinrich IV. nämlich war verheiratet mit der jüngsten Schwester von Albrecht Achilles, Dorothea; bedenkt man, dass gerade dem Schwager in Streitschlichtungen und Garantien besonderer Einfluss zugesprochen wurde, bot sich der mecklenburgische Herzog als Vermittler an27. Im Übrigen zeigt ein Schreiben Albrechts von Brandenburg vom selben Tage an seine Räte in der Mark, dass er mit dem mecklenburdel, 2/5, Nr. 1900, S. 157–159. Nach Wehrmann, Geschichte von Pommern, S. 221, hatten die pommerschen Gesandten auf dem Reichstag von Regensburg gar eine gütliche Einigung angestrebt, die von Albrecht jedoch ausgeschlagen wurde. 23 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 116, S. 198 f. 24 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern Nr. 84. Am Ende der Aufzählung findet sich lediglich ein allgemeiner Hinweis auf andere Hansestädte und alle Reichsuntertanen. Nicht ausdrücklich genannt werden die Bischöfe von Kammin, Havelberg, Lebus, Merseburg, Ratzeburg und Schwerin. Als Vergleich könnte hier die Reichsmatrikel von 1521 herangezogen werden, vgl. Deutsche Reichstags akten unter Kaiser Karl V. (1519–1523), Bd. 2: Der Reichstag zu Worms 1521, hg. von Adolf Wrede (RTA. Jüngere Reihe, Gotha 1896, ND Göttingen 1962), Nr. 56, S. 424–442. Bischof Friedrich von Lebus spielte in der Verwaltung der Mark Brandenburg eine wesentliche Rolle, er war Kanzler, Statthalter und Regent in der Mark ab 1473 neben Markgraf Johann von Brandenburg, GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E II 1; vgl. auch seine Funktion als Richter GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Haussachen der Landesherren Nr. 39–42, hier in besonders bedeutsamen Auseinandersetzungen um die finanziellen Belastungen der märkischen Städte bei der Finanzierung der Landesherrschaft. Vgl. hierzu ferner GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E III 2. 25 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 116, S. 199. Auch König Christian von Dänemark wird hier erwähnt, erscheint allerdings in der Beistandsaufforderung nicht; er ist zu diesem Zeitpunkt noch kein Lehnsmann des Kaisers. 26 Vgl. Manfred Hamann, Mecklenburgische Geschichte. Von den Anfängen bis zur Landständischen Union von 1523 (Mitteldeutsche Forschungen 51, Köln u. a. 1968), S. 228. Am 13. Juli 1471 war Herzog Ulrich von Mecklenburg gestorben. 27 Vgl. Spieß, Verwandtschaft, S. 504.
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gischen Herzog in freundschaftlicher Verbindung stand28. Die Beziehungen zwischen Mecklenburg und Pommern gestalteten sich dagegen komplizierter. In den Jahren 1468/69 hatten die Herzöge Ulrich und Heinrich von Mecklenburg Kurfürst Friedrich II. mehrmals bei Überfällen auf Pommern unterstützt29. All diese kriegerischen Bemühungen scheiterten und Mecklenburg geriet in Abhängigkeit zu Pommern, das am 21. Oktober 1469 einen Frieden und ein Bündnis mit Mecklenburg abschloss, wobei Pommern beiden mecklenburgischen Teilherzogtümern Unterstützung in Fehden und in einem möglichen Konflikt mit Brandenburg zusicherte30. Dieses Bündnis galt auch fort, nachdem zwei der drei mecklenburgischen Herzogslinien ausgestorben und die Herrschaft im Juli 1471 in den Händen Heinrichs IV. des Dicken konzentriert worden waren31. Für den brandenburgisch-pommerschen Konflikt bedeutete dies hingegen, dass der Herzog von Mecklenburg mit beiden Konfliktparteien jeweils in einer verstärkten horizontalen Bindung stand, die sich anscheinend gegenseitig aufhoben, sodass er sich neutral verhalten konnte. Im Umfeld Kaiser Friedrichs III. war diese Konstellation bei der Formulierung des Beistandsaufrufs und der damit einhergehenden Aktivierung des den Konflikt umgebenden Teilnetzwerkes bekannt; wohl aus diesem Grunde wurde der Meck 28 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 206, S. 266. Auch die Belehnung des Herzogs von Mecklenburg mit Gesamt-Mecklenburg auf dem Regensburger Tag hatte anscheinend mit der Unterstützung Albrechts von Brandenburg stattgefunden; vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1315. 29 Vgl. Hamann, Mecklenburgische Geschichte, S. 225–227. Zuvor hatte sich Friedrich von Brandenburg in den Konflikt der drei mecklenburgischen Herzöge eingeschaltet und in den Verhandlungen von Wilsnack schließlich am 10. Mai 1468 einen vollständigen Ausgleich erreichen können. Später, im Jahre 1475, handelt Kurfürst Albrecht von Brandenburg im Sinne Herzog Magnus von Mecklenburg beim Kaiser, vgl. GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 26, E I 28. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 537, S. 495 f., hier S. 495, Anm. 2. 30 LHA Schwerin, 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-)Orden, 2.21 Pommern, Nr. 72: 1469 Oktober 21. Zuvor, am 25. April 1468, war unter Vermittlung regionaler Akteure ein zeitlich befristeter Frieden zwischen Brandenburg und Mecklenburg auf der einen sowie Pommern auf der anderen Seite geschlossen worden: LHA Schwerin, 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-)Orden, 1.3 Brandenburg-Preußen, Nr. 115/5. Im Januar 1469 hatte Kurfürst Friedrich von Brandenburg ein Ende von Fehdehandlungen zwischen den Herzögen von Mecklenburg und den Herzögen von Pommern-Wolgast verhandelt, LHA Schwerin, 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-)Orden, 2.21 Pommern, Nr. 71: 1469 Januar 8. Am 27. August 1469 handelte Stiber von Ponitz, Gesandter König Kasimirs von Polen, zwischen den Markgrafen von Brandenburg und den Herzögen von Pommern-Wolgast einen befristeten Frieden aus, LHA Schwerin, 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-)Orden, 1.3 Brandenburg-Preußen, Nr. 115/6. In den Jahren 1468 und 1469 können somit Bemühungen regionaler Verflechtung zur Friedenssicherung mit wechselnden Kräfteverhältnissen beobachtet werden. Vgl. auch Hamann, Mecklenburgische Geschichte, S. 227. 31 Im Juli 1471 war Herzog Ullrich II. von Mecklenburg-Stargard verstorben, sodass alle mecklenburgischen Landesteile durch Herzog Heinrich IV. den Dicken vereinigt wurden, vgl. hierzu Europäische Stammtafeln, I,3, Tafel 303 f.
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lenburger von der Beistandsverpflichtung ausgenommen. An der Aufforderung Kaiser Friedrichs III. kann aber noch mehr abgelesen werden. Ein wesentlicher Parameter innerhalb eines politischen Netzwerkes ist die geografische Lage des jeweiligen Knotens. Auch wenn die Aufforderung an die regionalen Netzwerkteilnehmer zum Beistand in der Realität doch wirkungslos blieb und letztlich nur den kaiserlichen Anspruch als Ordnungsfaktor ausdrückte, handelte es sich hierbei doch um eine Strategie zur Konfliktlösung unterhalb der Schwelle des Reichskrieges, bei dem das ganze Reich in der Bekämpfung eines Gegners aktiviert wurde, zu dem es der Kaiser in diesem Falle aber anscheinend nicht kommen lassen wollte; es handelte sich nämlich letztendlich nicht nur um einen Konflikt um das regionale Machtgefüge, sondern für den Kaiser bedeutete die Anerkennung der brandenburgischen Lehnsoberhoheit über Pommern unmittelbar den Verlust eines direkten Lehnsmannes und damit eine Schwächung der Möglichkeiten direkter Netzwerkaktivierung32. Friedrich wollte diesen Konflikt nicht über die Schwelle des Regionalen eskalieren lassen und hat ein entsprechendes Aktivierungsmittel gewählt. Es scheint somit Techniken der Netzwerkaktivierung gegeben zu haben, denen sich der Kaiser situationsbezogen bedienen konnte, wenn die Bedingungen im Netzwerk dies zuließen. Die Ausnahme des mecklenburgischen Herzogs von der Beistandsverpflichtung nimmt außerdem die Rolle vorweg, die Heinrich der Dicke im weiteren Gang des Konfliktes spielte. Der erste Prenzlauer Frieden33 vom 10. Mai 1472 nämlich wurde dann im Wesentlichen durch ihn vermittelt. Deshalb müssen die Beziehungen zwischen Albrecht und Heinrich auch für die Monate zwischen dem Regensburger Reichstag und dem Abschluss des Friedens betrachtet werden. Grenzstreitigkeiten34, die die politische Korrespondenz nur in Spuren überliefert – anscheinend ging es vor allem um Pferde und Ochsen, die dem Bischof von Havelberg geraubt worden waren –, hatten anscheinend keine dauerhafte Auswirkungen auf die Beziehungen, da im Dezember 1471 von der Freundschaftserbietung des Herzogs von Mecklenburg gegenüber Albrecht von Brandenburg berichtet wird35. Ende April 1472 gab es zudem eine Schlichtung von nicht näher bezeichneten Streitigkeiten zwischen Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Heinrich von Mecklenburg36. Somit ist davon auszugehen, dass im Umfeld des Prenzlauer Friedens zwischen den Markgrafen von Brandenburg und den Herzögen von Mecklenburg kein Konflikt herrschte.
32 Krieger, Lehnshoheit, S. 21 f. Karl-Heinz Spieß, Das Lehnswesen in Deutschland im hohen und späten Mittelalter (Stuttgart ²2009), S. 46–49. 33 Vgl. Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 2/5, Nr. 1921, S. 179 f. 34 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 225 f., S. 278. 35 Ebd., Nr. 259, S. 296. 36 LHA Schwerin, 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-)Orden, 1.3 Brandenburg-Preußen, Nr. 116.
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3. Kaiser Friedrich III. und der Konflikt Die Haltung Kaiser Friedrichs in der pommerschen Frage ist bis heute nicht eingehend untersucht. Heinig ist zuzustimmen, wenn er die These der älteren Forschung ablehnt, allein Finanzinteressen, die der Kaiser in dieser Frage gehabt habe, seien ausschlaggebend gewesen37. Vielmehr ging es um einen direkten Bindungspartner des Kaisers, um die Reichsunmittelbarkeit des Herzogtums; somit ist die pommersche Frage ein Musterfall dafür, wann der Kaiser einer Auflösung einer direkten personalen Bindung hin zu einer indirekten, nämlich durch Übertragung der Bindung an einen anderen Partner, hier Albrecht von Brandenburg, zustimmte. Heinig analysiert diese Fragen nicht näher, sondern stellt lediglich fest, sowohl Friedrich III. als auch Maximilian I. hätten nicht wenig dazu beigetragen, dass sich die Beziehungen zwischen Pommern und dem Reich verdichtet hätten38. Auf den ersten Blick muss man sich wundern, warum nach der Übernahme des Kurfürstentums durch Albrecht auch die Belehnung mit Pommern sehr rasch ging und sich der Kaiser nun doch mehr oder weniger intensiv um eine Lösung der Frage bemühte. Nach Heinig waren „persönliche Nähe“ und „reichspolitisches Kalkül“39 ausschlaggebend für die nun schnell erfolgte Lösung. Mit Hilfe des Gesagten und der Netzwerkbetrachtung erscheint jedoch eine andere Lösung plausibler. An den Forderungen und Interessen der brandenburgischen Konfliktseite hatte sich durch den Herrschaftswechsel in Brandenburg nichts verändert40. Auf der Seite des Kaisers scheint der Herrschaftswechsel jedoch zu einer Akzentverschiebung geführt zu haben: Während unter Kurfürst Friedrich II. von Brandenburg eine langfristige Lösung nicht möglich und tatsächlich finanzielle Argumente die kaiserliche Position zu bestimmen schienen41, dürfte mit dem Übergang der Herrschaft auf Albrecht Kaiser Friedrich einen Strategiewechsel vollzogen haben. Dieser ergab sich allerdings wohl weniger aus „persönlicher Nähe“ und allgemeinem „reichspolitischem Kalkül“. Vielmehr ist festzustellen, dass die Herzöge von Wolgast vor 1470 ein vom Reich praktisch vollkommen unabhängiges Eigenleben geführt hatten; finanzielle Beiträge an das Reich leisteten sie in dieser Zeit nie42. Albrecht nun brachte eine ganz andere Machtfülle auch in die regionalen Netzwerke des 37 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1313. Heinig beschränkt sich in seiner Betrachtung des „königsoffenen“ Nordens im Wesentlichen auf die Benennung von Forschungsdesiderata und der meist unbefriedigenden Forschungsstände. 38 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1313. 39 Ebd., S. 1313. 40 Vgl. Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 287. 41 Vgl. Böcker, Festigung der Landesherrschaft, S. 204 f. Kaiser Friedrich III. betrachtete Pommern-Stettin als ein heimgefallenes Lehen, das er nach eigenem Belieben neu ausgeben konnte. Die Auslösungssumme, die er von Friedrich II. von Brandenburg forderte, war so hoch, dass dieser sie nie hätte leisten können. Vgl. auch Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 85–91. 42 Vgl. Eggert, Pommern, S. 42.
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Nordens ein als sein Bruder und Vorgänger Friedrich von Brandenburg; wenn also eine reichsunmittelbare Lehnsabhängigkeit dazu führte, dass der Lehnsmann wegen seiner Randlage im Reich de facto aus dem Reich ausschied, musste nun – im Interesse des Reiches – die Zurückstufung eines Lehnsmannes zum Aftervasallen auch in den Augen des Kaisers als politisch legitim erscheinen. Das reichspolitische Kalkül war somit weniger auf die Beziehung zwischen Albrecht und Kaiser Friedrich als vielmehr auf die Mehrung oder Bewahrung des Reiches durch Netzwerkverdichtung bezogen43. Diese Interpretation erklärt auch, warum die Frage der direkten Lehnsabhängigkeit der Herzöge von Wolgast vom Kaiser in keinem Dokument auftaucht. Es konnte somit in bestimmten Konstellationen sinnvoller sein, direkte Netzwerkbindungen zu lösen und indirekte Verbindungen zu fördern, um insgesamt eine Konsolidierung des Gesamtnetzwerkes zu erreichen. Hier hatte der Kaiser gegenüber anderen Herrschaftsträgern besondere Einflussmöglichkeiten, vor allem weil er Mittel besaß, an jeder Stelle der Netzwerke einzugreifen. Allerdings, und dies zeigt das Schreiben des Markgrafen Friedrich, ist eine wesentliche Netzwerk eigenschaft Reziprozität. Die Markgrafen konnten ihre Ansprüche nur mit Hilfe der kaiserlichen Legitimationsinstanz durchsetzen, ein Interesse von ihrer Seite wurde initiiert. Umgekehrt handelte der Kaiser erst, als ein regionaler Fürst so mächtig geworden war, dass er auch das kaiserliche Interesse, Pommern als Territorium vollständig ins Reich zu integrieren, durchsetzen konnte. Eben dies ist die Interessenüberschneidung, die die Grundlage zur Lösung des Konflikts darstellt. Dann trat zunächst das Interesse des Kaisers an einer direkten Lehnsverbindung hinter der Wahrung des Gesamtreiches zurück. Es folgten nicht nur die rechtliche Legitimierung durch den Kaiser, sondern auch die Aktivierung von Teilnetzwerken, deren Akteure nach dem Parameter der geografischen Lage ausgewählt wurden. 4. Kaiserliche Kommission Während der Nürnberger Fortsetzung des Regensburger Tages erteilte am 4. September 1471 Friedrich III. dem Bischof von Augsburg, Johann von Werdenberg, und Reichserbmarschall Heinrich von Pappenheim eine Kommission in der pommerschen Frage44. Seit Beginn der Herrschaft Friedrichs III. war das Gerichts 43 Zur Bedeutung der Formel Mehrer des Reiches vgl. Schubert, König und Reich, S. 267–269. 44 RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 941, S. 136, vom 4. September 1471; bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 218, S. 273, ist das Schreiben auf den 3. September datiert. In den Verhandlungen um den Aufbau eines umfassenden Bündnissystems hatten die beiden schon im März 1469 an der Seite von Haug von Montfort verhandelt, vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 350. Heinrich von Pappenheim war in der Zeit vor der Schlacht bei Giengen (1462) ein wichtiger Knotenpunkt im kaiserlichen Informationsnetz,
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wesen am kaiserlichen Hofe wieder stärker in den direkten Einflussbereich des Kaisers geraten45. Unter Friedrich III. kam das Mittel der echten kommissarischen Gerichtsbarkeit sehr häufig zur Anwendung, man spricht heute für seine gesamte Herrschaftszeit von über 3000 unabhängigen Kommissionsaufträgen, was de facto eine „Dezentralisierung der Rechtspflege des königlichen Hofes“ zur Folge hatte46. In jüngerer Zeit hat das Kommissionswesen unter Friedrich III. zwar verstärkt Interesse der Forschung gefunden47, die folgenden, anhand der Politiknetzwerk betrachtung gewonnenen Beobachtungen zur Kommission von 1471 wurden bisher allerdings nicht beachtet. In den Quellen finden sich keine Spuren, dass in diesem Fall die Streitparteien Einfluss auf die Auswahl der Kommissare genommen hätten48. Nach gängiger Praxis kann allerdings davon ausgegangen werden, dass Albrecht in Regensburg die Kommission von sich aus erwirkte49. Auch wenn die Auswahl der beiden Kommissare durch ihre Stellung als kaiserlicher Erbmarschall einerseits und als „königsnaher“ Bischof aus dem Süden des Binnenreiches50 andererseits auf den ersten Blick logisch erscheint, fällt doch auf, dass die mit der pommerschen Frage Betrauten in mehreren anderen Konflikten direkt oder indirekt miteinander verbunden waren; Albrecht von Brandenburg wurde in all diesen Konflikten
organisierte die „Fürstenallianz“ und hatte zwischen Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich eine Relaisfunktion, vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 372. Vgl. zu weiteren Kommissionen des Pappenheimers in Streitsachen Albrechts von Brandenburg Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 39. 45 Vgl. umfassend Friedrich Battenberg, Beiträge zur höchsten Gerichtsbarkeit im Reich im 15. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 11, Köln / Wien 1981), hier insbesondere S. 128 f. 46 Ebd. Vgl. ferner Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 7 f. Außerdem die ältere, jedoch bis heute unersetzte Arbeit von Otto Franklin, Das Reichshofgericht im Mittelalter, Bd. 2: Verfassung – Verfahren (Weimar 1869), S. 49–61. 47 So beschäftigt sich die Habilitationsschrift von Ralf Mitsch, Kommissionen als Herrschaftsinstrument Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Ein Beitrag zur Praxis königlich-kaiserlicher Regierung und Verwaltung in den königsnahen Landschaften des Reiches im ausgehenden Mittelalter (Habil. jur. Mannheim 2000 masch.), anscheinend mit ähnlichen Fragen. Sie war mir nicht zugänglich. Vgl. zusammenfassend Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 7, Anm. 1, ferner auch insgesamt. Ders., Das Eingreifen Kaiser Friedrichs III. in innerstädtische Konflikte. Aspekte von Herrschaft und Regierung im Reich des ausgehenden Mittelalters, in: ZHF 25 (1998), S. 1–54. Mitsch schließt damit ein Forschungsdesiderat, das bereits Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1131, beklagt hatte. 48 Vgl. Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 17. 49 Dies legt Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1314 nahe, jedoch ohne Quellenbeleg. Vgl. ferner auch Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 16 f. 50 Vgl. Peter Moraw, Nord und Süd in der Umgebung des deutschen Königtums im späten Mittelalter, in: Nord und Süd in der deutschen Geschichte des Mittelalters, hg. von Werner Paravicini (Kieler historische Studien 34, Sigmaringen 1990), S. 51–70, hier S. 61. Im Falle des kaiserlichen Erbmarschalls scheint es allerdings im Allgemeinen keine größere Häufigkeit der Kommissionsbeauftragungen gegeben zu haben, vgl. hierzu die Ergebnisse bei Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 13 f.
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wiederum zum Kommissar ernannt51. So hatte am 6. August 1471 Kaiser Friedrich Albrecht die Kommission52 in einem Streit zwischen Bischof Johann von Augsburg einerseits und Rudolf Marschall von Pappenheim, dem Bruder des Reichserbmarschalls, sowie der Stadt Ulm andererseits übertragen; am 20. August 1471 ist zu erfahren, dass Friedrich Albrecht als Schiedsrichter in einem Streit zwischen Heinrich von Pappenheim und der Stadt Ulm um den Angriff auf seinen Sohn Christian von Pappenheim bestellt hatte, dieser die Entscheidung jedoch an Friedrich zurückverwiesen habe53. Nur zwei Tage nach der Bestellung Heinrichs von Pappenheim und Johanns von Augsburg in der pommerschen Frage, d. h. am 6. September 1471, wurde Albrecht in einem weiteren Konflikt, den Heinrich von Pappenheim – hier scheint es sich wieder um den Reichserbmarschall zu handeln – gemeinsam mit Rüdiger Noger gegen Niklas Rummel als Gewalthaber der Katharina Noger führte, als Kommissar eingesetzt54. Daneben hatten auch Albrecht von Brandenburg und Heinrich von Pappenheim bereits in den 60er Jahren gemeinsam Kommissionsaufträge innegehabt, die im Jahre 1471 jedoch bereits beendet waren55. Hieraus ergibt sich ein Geflecht von Interessen, die die Teilnehmer des Konstellationssystems jeweils einbrachten. Die Lösung, ja selbst der Inhalt des jeweiligen Konfliktes können mangels Quellen nicht weiter verfolgt werden. Kaiserliche Kommissare konnten Funktionen als Richter, Schlichter oder Ermittler übernehmen56. Nach ihrer Funktion bemaß sich auch die Reichweite ihrer vom Kaiser übertragenen Kompetenzen. In diesem Falle handelte es sich um eine Schlichtungskommission, die anscheinend umfassende Kompetenzen von der Untersuchung bis zur Entscheidung hatte57; ihr Ziel war eine gütliche 51 Zur wichtigen Rolle Markgraf Albrechts von Brandenburg als kaiserlicher Kommissar in den Jahren 1470–1474 vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1131 f. 52 RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 650, S. 91 f. Friedrich III. verlängerte die Kommission später anscheinend um sechs Monate, vgl. ebd., Nr. 1248, S. 181. Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 373 f., Anm. 1077. 53 Regesta, Chmel, 2, Nr. 6428, S. 6624 f. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 373, Anm. 1077. Unklar ist, wann der Kaiser über das Verfahren entschied; vgl. hierzu Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 373, Anm. 1076, der jedoch weder Belege noch einen genauen Zeitpunkt für das Urteil nennt. 54 RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 955, S. 137, vom 6. September 1471. Albrecht von Brandenburg selbst erscheint im gesamten Taxregister, also in einem Zeitraum von fast vier Jahren, in mindestens 20 Kommissionsaufträgen, vgl. hierzu Heinig, Regierung, Hof, Politik, S. 1132. 55 StA Bamberg, GHAP Nr. 4452 (Kommissionsauftrag für Albrecht Achilles und Heinrich von Pappenheim in der „Mentzischen Sache“, 1465); Nr. 4457 (wahrscheinlich 1465: Kaiserliche Kommission in den Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Friedrich III. und Pfalzgraf Friedrich dem Siegreichen). Vgl. auch Regesta, Chmel, 2, Nr. 4038, S. 409. Bereits in den 1450er Jahren erging ein Kommissionsauftrag an Heinrich von Pappenheim in einem Streit zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Buchau, vgl. GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Nichtmärkische Urkunden, Ansbach-Bayreuth, Nr. 1. 56 Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 17. 57 Ebd., S. 25 f. Wie weit die Ladungskompetenz dieser Kommission reichte, ist den Quellen nicht zu entnehmen.
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Einigung58. Im Gegensatz zu gewöhnlichen Schlichtern wurden kommissarische Schlichter mit besonderer Legitimität, also mit besonderen Netzwerkeigenschaften, versehen, indem sie als unmittelbare Stellvertreter des Reichsoberhauptes angesehen wurden59. Nach modernem Verständnis müsste aber gerade bei der neutralen Streitschlichtung eine Abwesenheit von Interessen auf Seiten des Schlichters vermutet werden, die hier jedoch nicht vorlag. Vielmehr scheint sich der Kommissar nach mittel alterlichem Verständnis gerade nicht dadurch auszuzeichnen. Er zeichnete sich – wenigstens in diesem Beispiel – aber auch nicht durch die Unterhaltung gleicher Beziehungen zu beiden Streitparteien aus, was nach Oschema60 der mittelalterlichen Vorstellung von Neutralität entspräche; vielmehr scheint die aus zwei Kommissaren gebildete Kommission insgesamt nach außen neutral gewesen zu sein, indem die beiden Kommissare untereinander im Streit lagen. Dies nötigte sie in der zu untersuchenden Frage zu einer „objektiven“ Haltung. Eine solche Lesart hätte auch auf die Interpretation des Netzwerkes Auswirkungen, da neben Verwandtschafts-, Bündnis- und Lehnsverbindungen auch das Merkmal Konflikt eine wirkungsvolle Verbindung erzeugen konnte. Außerdem wurden Kommissare somit nicht nur, wie die ältere Forschung vor dem Hintergrund des modernen Föderalismus meinte, zur Regelung von Detailfragen eingesetzt, die regional durch juristischen Sachverstand, der unter den Räten der Reichsfürsten zu finden war, gelöst werden sollten61. Wenigstens im Stettiner Erbfolgestreit folgte die Eignung der Kommissare außerdem aus Netzwerkeigenschaften, die maßgeblich durch ihre Beteiligung an anderen Konflikten, bei denen einer der ursprünglichen Streitparteien als Kommissar fungierte, bestimmt wurden62. Nach außen konnte
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Dies geht hervor aus dem kaiserlichen Auftrag, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 218, S. 273. Vgl. allgemein Rudolf Hoke, Art. „Kommissar“, in: HRG 2 (1978), Sp. 974–979, hier insbesondere Sp. 975 f. In einem solchen Ziel trifft sich das Verfahren „außergerichtlicher“ Einigung mittels Vermittlern und das „prozessuale“ bzw. formalisierte Verfahren in der Netzwerkeigenschaft „Kommission“; die Begriffe als Gegensätze definiert sind zu finden bei Hermann Kamp, Friedensstifter und Vermittler im Mittelalter (Darmstadt 2001), S. 9. Auch hier zeigt sich, inwiefern der Gegensatz von Institution und informeller Vermittlungstätigkeit unter der Betrachtung von Politiknetzwerken aufgelöst wird und Netzwerke über Institutionalisierung Auskunft geben können. 59 Vgl. Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 26. 60 Vgl. Oschema, Neutralität, S. 107. 61 Vgl. Battenberg, Gerichtsbarkeit, S. 129. Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 16– 21, fasst den Forschungsstand zu den Auswahlkriterien von kaiserlichen Kommissaren zusammen: Angehörige des Hofes, politische Freundschaft zum Kaiser, Reichsangehörige aus „königsnahen Landschaften“. Keine Rolle spielte bei der Auswahl anscheinend das Prinzip fürstlicher Ebenbürtigkeit, vgl. ebd., S. 39. 62 In der Betrachtung des Reichstags von Augsburg oben findet sich daneben in der Kommission der Herzöge von Sachsen im Streit zwischen Albrecht von Brandenburg und Herzog Ludwig von Bayern-Landshut auch die klassische Vermittlerkonstellation eines Verwandten, der durch seine gleichwertigen Beziehungen zu beiden Streitparteien neutral verhandeln konnte, siehe oben S. 132 ff.
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diese Kommission dann neutral vermitteln. Die bisweilen geäußerte Kritik63, der Kaiser habe die Eignung des Delegierten nur mangelhaft oder die Objektivität der ausgewählten Kommissare nicht hinreichend geprüft, erscheint durch diese Betrachtung nicht bestätigt. Zu einer solchen Kritik konnte man indes nur gelangen, wenn man die Besteller-Empfängerbindung, d. h. die Bindung zwischen dem Kaiser und seinen Kommissaren, betrachtete und vernachlässigte, dass Streitparteien und Kommissare in Politiknetzwerken interessengeleitet und strukturell miteinander verbunden waren. 5. Verhandlungen und Frieden In die Bemühungen zur Beilegung des Konfliktes um die Herrschaftsnachfolge im Herzogtum Pommern-Stettin waren – wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben – von vornherein zwei Instanzen eingebunden: der Herzog von Mecklenburg und die kaiserlichen Kommissare64. Beide Vermittlungsinstanzen waren vom Kaiser entweder direkt oder indirekt ins Spiel gebracht worden65. Unklar ist allerdings, wie diese beiden Instanzen bei den Verhandlungen miteinander kooperierten und welche Rolle ihnen dabei im Einzelnen zukam. Nachdem bereits im September 1471 ein älterer Waffenstillstand erneuert worden war, ging der erste Verhandlungsversuch von den kaiserlichen Kommissaren aus, die im Januar 1472 für den 1. März desselben Jahres den Kurfürsten nach Königsberg in der Neumark, die Herzöge in das 30 Kilometer südlich von Stettin gelegene Bahn vorluden66. Von den Verhandlungen, die am folgenden Tage in Rorichen konzentriert wurden, berichtet die Cronica de ducatu Stettinensi et Pomeraniae gestorum inter Marchiones Brandenburgenses et duces Stettinenses67. Es handelt sich um eine 63
Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 18–21. Die erste Spur einer Vermittlung des Mecklenburgers ergibt sich aus einem Schreiben vom Anfang Mai 1472, die letzte Erwähnung des Bischofs von Augsburg und des Erbmarschalls von Pappenheim in dieser Sache ist Ende Mai 1472 zu finden, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 336, S. 359 f.; Nr. 378, S. 393 f. 65 Auch wenn sich in der Regel die Streitparteien an den Kaiser wandten, um eine Kommission zu erwirken, so ergaben sich für ihn aus den Kommissionen doch umfassende politische Möglichkeiten. Zu den Chancen, die sich für Kaiser Friedrich aus der intensiven Nutzung des Kommissionswesens ergaben, vgl. Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 34 f. Ebd., S. 35: „Der Einsatz der Kommissionen bereitete auf diese Weise einer allmählichen Herrschaftsintensivierung den Weg.“ 66 Vgl. Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 283. Wehrmann, Geschichte von Pommern, S. 222 f. Zu Königsberg vgl. die Anmerkungen bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 302, S. 332. 67 Vgl. Cronica de ducatu Stettinensi et Pomeraniae gestorum inter Marchiones Brandenburgenses et duces Stettinenses. Anno domini 1464, hg. von Johann Gottfried Ludwig Kosegarten, in: BSt 16/2 (1857), S. 73–129. Die Chronik ist in folgenden Handschriften ganz oder teilweise überliefert: (1) StadtA Greifswald, Rep. 1, Nr. 3, fol. 10–18; (2) UB Greifswald 4° Ms 1334; (3) Bibliothek der Nikolaikirche Greifswald, Nr. 11 B VI sowie Nr. 16 B XI; (4) StadtA Stralsund, Hs. 404, fol. 67–74. Kosegartens Edition basiert auf einer Pergament 64
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Schilderung der Vorgänge des Stettiner Erbfolgestreits zwischen 1464 und 1472, wobei andere den Stettiner Erbfolgestreit berührende Dokumente der Chronik inseriert wurden68. Verfasst beziehungsweise zusammengestellt wurde die Chronik von Johann Parleberg69. Der Geistliche und Greifswalder Jurist wurde nach den Verhandlungsmissionen seiner Greifswalder Kollegen Mathias von Wedel – dieser war 1465 bereits plötzlich gestorben –, Georg Walter und Jaroslaw Barnekow, die die pommerschen Herzöge auf dem Regensburger Reichstag im Jahre 1471 vertreten hatten, neben Georg Walter und Hermann Schlupwachter mit den Verhandlungen in Rorichen betraut70. Bereits im Oktober 1469 hatten die Herzöge von Pommern-Wolgast Parleberg mit einer Delegation zu König Kasimir von Polen entsandt, um diesen zu einem für die Herzöge von Pommern günstigen Schiedsspruch im Stettiner Erbfolgestreit zu bewegen71. Die Cronica vermittelt so einen Blick auf den Konflikt aus pommerscher Sicht. Neben einer juristischen Stellungnahme der pommerschen Seite, den sogenannten Articuli coram legatis imperatoris oblati pro parte ducum Stettinensium, die an diesem Tage vorgelegt und in der Chronik überliefert wurden, werden Gründe für das Scheitern der kaiserlichen Kommission genannt. Demnach seien die Verhandlungen in Rorichen unter Leitung der kaiserlichen Kommissare gescheitert, weil die Kommissare stärker zur brandenburgischen Seite geneigt gewesen seien72. Aufgrund der pommerschen Färbung dieser Quelle erscheint diese Bewerhandschrift aus dem 16. Jahrhundert (1) und einer Abschrift von Johann Philipp Palthen (Ende 17./Anfang 18. Jahrhundert) (2), wobei letztere von ersterer abhängt. Palthen war ein an der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert in Greifswald wirkender Gelehrter, vgl. Theodor Pyl, Art. „Palthen: Johann Philipp P.“, in: ADB 25 (1887), S. 111 f. Ryszard Walczak, Odnaleziony autograf – Cronica de ducatu Stettinensi et Pomeranie Jana Parlberga. Stadtarchiv Stralsund Hs 40411, in: Studia zrodloznawcze 19 (1974), S. 117–168, hat die Urschrift der Chronik (4) im Stadtarchiv Stralsund aufgefunden. Vgl. Dirk Alvermann, Der Stettiner Liber Sancti Jacobi. Politische Historiographie und Traditionskritik im Stettiner Erbfolgestreit (1464– 1472), in: Turbata per aequora mundi. Dankesgabe an Eckhard Müller-Mertens, unter Mitarb. von Matthias Lawo hg. von Olaf B. Rader (MGH Studien und Texte 29, Hannover 2001), S. 131–149, hier S. 142, Anm. 44. Auge, Handlungsspielräume, S. 167, Anm. 1137. 68 Cronica, hg. Kosegarten, S. 73. 69 Walczak, Cronica de ducatu Stettinensi, S. 166–168. Ferner Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 2 f.; Cronica, hg. Kosegarten, S. 73 f. 70 Theodor Pyl, Art. „Parleberg: Johann P.“, in: ADB 25 (1887), S. 176 f. 71 Pyl, Parleberg, S. 176. Die Supplicatio ad regem Polonie pro parte ducum Stettinensium vom Herbst 1469, die der Stettiner Chronik einverleibt wurde, sowie die in diesem Rahmen vorgelegten und ebenfalls in der Chronik überlieferten Punkte, die Articuli pro parte ducum Stettinensium coram rege Polonie oblati, zeugen von dieser Mission. 72 Walczak, Cronica de ducatu Stettinensi, S. 134; Cronica, hg. Kosegarten, S. 119: Ubi causam discordie et altercationis hinc inde inter dictos principes in amicitia adiuerunt et examinauerunt, sed nihil proficere potentes, partes in differencia et discordia dimiserunt, quia plus inclinabantur marchioni quam ducibus Stettinensibus. Vgl. auch Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 285. Allerdings wird das Scheitern der kaiserlichen Kommission zwar in knappen Worten, jedoch äußerst negativ dargestellt, während die Rolle der pommerschen Juristen übersteigert wird. Vgl. zur Rolle gelehrter Juristen bei kaiserlichen Kommissionsverfahren Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 31.
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tung zunächst einseitig. Allerdings könnten oben gewonnene Ergebnisse zum Wesen der kaiserlichen Kommissionen dieses negative Urteil bestätigen. Die Kommission nämlich hätte nur neutral wirken können, wenn auch die pommerschen Herzöge ihrerseits selbst wieder durch Kommissionen in anderen, davon unabhängigen Streitfällen ihrer Kommissare in ein Interessengeflecht eingebunden gewesen wären; Kommissionsübertragungen an sie sind aber nicht nachzuweisen. Hier also scheint sich das Mittel der kaiserlichen Kommission wegen der Randlage und flexiblen Reichszugehörigkeit der Herzöge von Pommern als eher ungeeignet herausgestellt zu haben. Es ist ein Kennzeichen des kaiserlichen Kommissionswesens im 15. Jahrhundert, dass der weitaus überwiegende Teil der Missionen scheiterte73. Neben das Fehlen personeller und administrativer Voraussetzungen der Krone, das Fehlen klar abgegrenzter Kompetenzen und neben die großen Spielräume der Parteien, für sie ungünstige Prozessentwicklungen zu blockieren, tritt hier das Problem der Auswahl der Kommissare vor dem Hintergrund einer veränderten Neutralitätsvorstellung innerhalb sich überlagernder Netzwerke74. Nach dem Scheitern dieser ersten Verhandlungen wurde der mecklenburgische Herzog aktiv. Die ältere Forschung vermittelt den Eindruck, nach dem Scheitern der kaiserlichen Kommissare sei Herzog Heinrich der Dicke als Streitschlichter und maßgeblicher Vermittler aufgetreten75. Verwandtschaftliche Verbindungen zwischen Schlichtern und Streitparteien blieben aber zur Erklärung der Streit lösung bisher vollkommen unberücksichtigt76. In der Stettiner Chronik heißt es hierzu: „Hierauf, in demselben Jahre [14]7277, weil der Streit zwischen dem Markgrafen und den Herzögen von Stettin vor den kaiserlichen Legaten nicht beendet werden konnte, schlossen die Herzöge von Stettin mit den Herzögen von Mecklenburg78 Freundschaft, nämlich weil Herzog Erich von Stettin mit Herrn Johann, Herzog von Mecklenburg, seine Tochter ver 73 Ebd., S. 13. Mitsch betont, dass es trotz der hohen Scheiterungsrate offensichtlich keinerlei Versuche gab, das Kommissionswesen zu reformieren oder normativ stärker zu fassen. 74 Vgl. ebd., S. 22, 26, 33. 75 Vgl. Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 286. Böcker, Festigung der Landesherrschaft, S. 206. Schultze, Mark Brandenburg, S. 111. Bereits im Jahre 1469 hatte es eine Einigung in Prenzlau unter Vermittlung der mecklenburgischen Herzöge gegeben, vgl. GStA Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern, Nr. 71. 76 Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 286, bemerkt lediglich: „[…] die Herzöge von Mecklenburg, die damals ihre Freundschaft mit den Wolgastern durch Anknüpfung verwandtschaftlicher Bande fester zu begründen bestrebt waren.“ Einen direkten Zusammenhang mit dem Frieden von Prenzlau des Jahres 1472 stellt er nicht her. Ebenfalls Hamann, Mecklenburgische Geschichte, S. 234, referiert nur die Verbindungen, stellt aber ebenso keinen Zusammenhang zur Lösung des Stettiner Erbfolgestreites im Wege des Prenzlauer Friedens her. 77 Nach Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 286, am 24. Mai. 78 Im Bericht der Chronik wird durchgehend nicht allein auf Herzog Heinrich den Dicken von Mecklenburg, sondern durch die Pluralform offensichtlich auch auf seine Söhne Johann VI., Albrecht VI. und Magnus II. Bezug genommen. Sein jüngster Sohn Balthasar wurde Geistlicher; seit 1471 war er Koadjutor bzw. Administrator des Stifts Hildesheim. Siehe auch weiter unten S. 236.
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lobte, Herzog Wartislaw von Stettin eine junge Herzogin von Mecklenburg mit sich verlobt hat, und so war Freundschaft geschlossen zwischen den genannten Fürsten.“79 Die Chronik verknüpft die Möglichkeit, den Streit zwischen Brandenburg und Pommern zu lösen, mit der Frage des Aufbaus verwandtschaftlicher Beziehungen mit einem anderen Geschlecht, das am Konflikt unbeteiligt war; mehr noch, sie gibt als Grund für den Aufbau dieser Verwandtschaftsbeziehungen die Lösung des Erbfolgestreits an. Diese Lösung erfolgte somit durch Eingriffe in das regionale Netzwerk, nicht durch die starke Hand des mecklenburgischen Herzogs Heinrich. Nach der Stettiner Chronik wurde dann auf Einladung der Herzöge von Mecklenburg von den Konfliktparteien in Prenzlau ein Frieden verhandelt. Fast sei auch dieser Vermittlungsversuch gescheitert, da die Herzöge von Pommern an Fronleichnam aus Prenzlau wieder abgereist und nach Pasewalk gezogen seien; erst nach großer Mühe für die Eintracht durch die mecklenburgischen Herzöge seien sie wieder an den Verhandlungstisch zurückgekehrt80. In diesem Frieden erkannten die Herzöge Erich II. und Wartislaw X. die Lehnsoberhoheit und die Ansprü 79 Cronica, hg. Kosegarten, S. 125: Deinde eodem anno LXXII quia causa differencie inter marchionem et duces Stettinenses coram legatis imperatoris non potuit terminari, duces Stettinenses cum ducibus Magnopolensibus amicitiam contraxerunt, videlicet quia dux Ericus Stettinensis domino Johanni, duci Magnopolensi, suam filiam desponsauit, dux Wartislaus Stettinensis quandam iuuenculam ducissam Magnopolensem sibi copulari fecit, et ita fuit contracta amicitia inter dictos principes. Dieser Abschnitt folgt in der Pergamenthandschrift (1), auf die sich Kosegarten bei seiner Edition stützte, auf die Articuli coram legatis imperatoris oblati pro parte ducem Stettinsensium, vgl. ebd., S. 120–125. In der Urschrift von Parleberg findet sich diese Passage nicht. Nach Walczak, Cronica de ducatu Stettinensi, S. 168, ist jedoch davon auszugehen, dass die Gestalt der Sammlung, wie sie sich im Kodex (1) zeigt, auf Parleberg zurückgeht. Von diesen Verwandtschaftsverbindungen berichtet auch der 1517/1518 im Auftrag Herzog Bogislaws X. schreibende Johannes Bugenhagen in seiner Pomerania, vgl. Johannes Bugenhagens Pomerania, hg. von Otto Heinemann, ND besorgt von Roderich Schmidt (Köln 1986), S. 149 f. Johannes Bugenhagen, Pomerania. Faksimiledruck und Übersetzung der Handschrift von 1517/1518, hg. von Norbert Buske, übers. von Lore Poelchau (Beiträge zur pommerschen Landes-, Kirchen- und Kunstgeschichte 11, Schwerin 2008), S. 260. Zu Johannes Bugenhagen, zum Zeitpunkt der Abfassung seines Werkes Rektor an der Ratsschule in Treptow und Lektor im Kloster Belbuck, vgl. Johannes Bugenhagen, Doktor Pomeranus 1485–1558. Humanist, Kirchenorganisator, Doktor der Heiligen Schrift. Ausstellungskatalog (Schwerin 2008). 80 Vgl. Cronica, hg. Kosegarten, S. 125f: Quo facto, duces Magnipolenses aliam fecerunt dietam inter marchionem et duces Stettinenses, celebrandam dominica Trinitatis inter Pasewalck et Prenselow. Vnde conuenientibus omnibus principibus in Prenselow ad peticionem ducum Magnopolensium, varios et diuersos habuerunt tractatus, et quia concordare non poterant, ipso die corporis christi summo mane in differencia duces Stettinenses Prenslauiam exiuerunt, et Pasewalck intrauerunt. Et post sequente die duces Magnopolenses fortiter laborantes pro concordia, duces Stettinenses reuocarunt ad oppidum Prenczlow, et extunc sabbato post corporis christi de mane in pretorio consulatus, cooperante spiritus sancti gracia, causam differencie concordarunt in hunc qui sequitur modum: […]. Auch für diese Passage gilt das oben S. 234 in Anm. 79 Festgestellte. Vgl. auch Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 287.
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che des Brandenburgers an81. Wie der schriftliche Niederschlag des Ausgleichs, eine Urkunde des mecklenburgischen Herzogs, zeigt, handelte es sich hier auch förmlich um eine regionale Lösung des Konfliktes, bei der der mecklenburgische Herzog nicht nur im Verhandlungsprozess, sondern auch in der schriftlichen Festsetzung eine wichtige Rolle spielte82. Diese Urkunde wurde dann am 5. November 1472 durch Kaiser Friedrich bestätigt83. Weniger als den Inhalt des Prenzlauer Friedens gilt es nun, die Rolle der mecklenburgischen Herzöge und damit verbunden die im Vorfeld des Friedens von Prenzlau neu geschaffenen Verwandtschaftsbeziehungen zu untersuchen84. Wartislaw X. war Sohn Wartislaws IX. von Pommern-Wolgast und dessen Frau Sophia von Sachsen-Lauenburg85. In erster Ehe war Wartislaw X. mit Elisabeth von Brandenburg verheiratet, einer Tochter des Markgrafen Johann, der der älteste Bruder Kurfürst Albrechts war; Elisabeth entfloh allerdings 1464 ihrem Mann und starb schon ein Jahr später86; damit bestand zwischen den Herzögen von Pommern und den Brandenburgern keine direkte verwandtschaftliche Verbindung mehr. Wartislaw X. verlobte sich nun mit Magdalena von Mecklenburg, die der Stargarder Linie entstammte87; sie heirateten 147588. Wartislaws Söhne aus erster Ehe mit Elisabeth von Brandenburg, Swantibor und Erftmar, waren 1464 an der Pest gestorben und somit hatte der Herzog keinen männlichen Nachfolger89. Auch für Mecklenburg bestand somit durch diese Ehe die Aussicht, in Zukunft Anspruch auf Wartislaws Herrschaftsgebiet geltend zu machen. Erich II. von Pommern-Wolgast entstammte derselben Ehe Wartislaws IX. und Sophias von Sachsen-Lauenburg. Er verlobte seine Tochter Sophia mit Johann VI. von Mecklenburg, dem Sohn Heinrichs IV. und seiner Frau Dorothea von Brandenburg, der Schwester Albrechts Achilles90. Diese im Vorfeld des Friedens von Prenzlau vorgenommenen Eingriffe in das regionale Beziehungsnetzwerk beschränkten sich auf Mecklenburg und Pommern; 81
GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern Nr. 86. 82 Vgl. Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 287 f. 83 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern, Nr. 87. Regest: RI Friedrich III., 20, Nr. 204, S. 154. Um die kaiserliche Bestätigung bemühte sich Albrecht von Brandenburg seit Juli 1472. Er wandte sich dazu an den Erzbischof von Mainz, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 439, S. 432. 84 Vgl. zur Heiratspolitik in diesem Raum Auge, Handlungsspielräume, S. 234–242, auch S. 248–253. Hellmut Hannes, Eheverbindungen zwischen den Herrscherhäusern in Pommern und Mecklenburg, in: BSt NF 82 (1996), S. 7–28. 85 Europäische Stammtafeln, III,1, Tafel 3. 86 Ebd. 87 Ebd., Tafel 3. Ebd., I/1, Tafel 304. Hannes, Eheverbindungen, S. 21. 88 Europäische Stammtafeln, III,1, Tafel 3. 89 Ebd. 90 Ebd., I/3, Tafel 303, I/1, Tafel 129. Hannes, Eheverbindungen, S. 22.
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zwischen Brandenburg und Pommern dagegen bestand nach dem Tode Elisabeths 1464 keine Verwandtschaftsbeziehung mehr. Gleichwohl waren die Markgrafen von Brandenburg und die Herzöge von Pommern durch diese Eheschließungen wenigstens indirekt miteinander verbunden, was – wie noch zu zeigen sein wird – von Bedeutung war91. Wie bereits festgestellt, befand sich der Herzog von Mecklenburg schon zum Zeitpunkt des kaiserlichen Beistandsaufrufs in einem neutralen Verhältnis zu den Brandenburgern und den Pommernherzögen. Somit musste der mecklenburgische Herzog nicht erst neutralisiert werden, um verhandeln zu können. Es kann vielmehr angenommen werden, dass die verwandtschaftlichen Verknüpfungen zwischen Mecklenburg und Pommern Teil des Friedens selbst waren oder wenigstens als solche verstanden wurden. Hierfür spricht auch der Charakter der eingegangenen Bindungen, nämlich Verlobungen, die ein auf Dauer ausgerichtetes Friedenskonzept nahelegen92. Ansonsten hätte man flexiblere Bindungsmodi wählen können, vor allem einen Bündnisvertrag. Aber auch der Wortlaut der Stettiner Chronik stützt diese Interpretation, denn der Text stellt nicht nur einen direkten Kausal zusammenhang zwischen den von Pommern und Mecklenburg geschlossenen Ehen und der Möglichkeit des Friedensschlusses her, sondern nennt auch als Friedensvermittler die Mecklenburger durchweg im Plural, ohne sie jedoch namentlich genauer zu bezeichnen. Gemeint sein können aber wohl nur sowohl der regierende Herzog Heinrich der Dicke als eigentlicher Friedensvermittler als auch zumindest dessen Sohn Johann VI. als Heiratspartner93. Es handelte sich hierbei also um Eingriffe in ein regionales (Ehe-)Netzwerk, das Moraw als besonders dicht identifizierte, und dessen Kerne er räumlich auf Pommern und Mecklenburg mit Ausgriffen nach Mitteldeutschland und Skandinavien konzentrierte94. Anscheinend wurde also mit den neu errichteten verwandtschaftlichen Bindungen ein regionales Netzwerk, das instabil geworden war, wieder gestärkt beziehungsweise neu ausgerichtet. Dies legt auch der folgende Blick über den Untersuchungszeitraum hinaus nahe.
91 Hannes, Eheverbindungen, S. 21, stellt dagegen in Bezug auf die Ehe von Wartislaw X. von Pommern und Magdalena von Mecklenburg-Stargard fest: „Wie Wartislaw X. selbst war auch diese kinderlos gebliebene Ehe ohne größere Bedeutung.“ 92 Zu den gleichwohl mit zur Friedenssicherung geschlossenen Heiratsbindungen verbundenen Risiken vgl. Auge, Handlungsspielräume, S. 251–253. 93 Auch in anderen Quellen erscheint mal Herzog Heinrich der Dicke allein, mal gemeinsam mit seinen Söhnen; dies hat Eingang in die Literatur gefunden. Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 336, S. 359 f. 94 Peter Moraw, Das Heiratsverhalten im hessischen Landgrafenhaus ca. 1300 bis ca. 1500 – auch vergleichend betrachtet, in: Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen 1897–1997, hg. von Walter Heinemeyer, 1. Teil (VHKH 61, Marburg 1997), S. 115–140.
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6. Nachspiel bis 1479 Nach dem Tode Elisabeths von Brandenburg im Jahre 1464 bestand keine direkte verwandtschaftliche Beziehung mehr zwischen Brandenburg und Pommern95. In der Folge nutzten die Markgrafen von Brandenburg den Bindungsverlust zu harscher Stimmung gegen Pommern. Die Interessengegensätze in der Folge des Todes Ottos III. von Pommern-Stettin brachen so auch in der Frage der Lehnsoberhoheit offen aus96. Aber auch die Ordnung des Prenzlauer Vertrages von 1472 hatte nur kurzen Bestand. Im Mai 1473 wurde Albrecht vom Kaiser erneut mit Pommern belehnt97; gleichzeitig bestätigte der Kaiser auch noch einmal den Prenzlauer Frieden98. Dies legt die Vermutung nahe, dass Albrecht seine Lehnsoberhoheit noch nicht oder bisher nicht hatte durchsetzen können. Nach dem Tode Johanns VI. von Mecklenburg, der 1474 eine gemeinsam mit seinem Bruder Magnus durchgeführte Reise ins Heilige Land nicht überlebt hatte, bemühten sich die Mecklenburger offensichtlich um adäquaten Ersatz, den sie in Magnus fanden99. Seine Hochzeit mit Sophie von Pommern allerdings wurde verzögert durch die Auseinandersetzungen, die er mit Bogislaw X., Sophies Bruder und Nachfolger seines 1474 verstorbenen Vaters Erich II. von Pommern-Wolgast, im Zusammenhang der Fehde mit Bernd Maltzan auf Wolde hatte100. Die bedrängten Mecklenburger verbanden sich mit Brandenburg gegen Bogislaw, wobei zum einen der Tod Heinrichs von Mecklenburg, zum anderen das Eingreifen der brandenburgischen Markgrafen in den Glogauer Erbstreit eine direkte Konfrontation verhinderten101. Diese Verzögerung war somit bedingt durch äußere Einflüsse, die im Jahre 1472 nicht absehbar waren. Zweifelhaft erscheint indes Hamanns Vermutung, dass allein aus der Interessen verlagerung der Brandenburger und wegen des Todes des mecklenburgischen Her-
95 Ein Jahr zuvor war bereits Friedrich der Fette, Sohn Kurfürst Friedrichs I. von Brandenburg und Gatte von Agnes, Tochter Herzog Barnims VIII. von Pommern, gestorben. 96 Vgl. Wehrmann, Geschichte von Pommern, S. 213–216. 97 Regesta, Chmel, 2, Nr. 6687, S. 648. 98 RI Friedrich III., 20, Nr. 205, S. 154 f. Vgl. dazu auch Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 288. 99 Vgl. Hamann, Mecklenburgische Geschichte, S. 234. 100 Vgl. Auge, Handlungsspielräume, S. 109 f. LHA Schwerin, 2.11–2/1 Auswärtige Beziehungen, 5. Pommern, Nr. 873: Korrespondenz zwischen den Herzögen von Pommern-Stettin und den Herzögen von Mecklenburg aus den Jahren 1476 und 1477; hervorzuheben ist das Hilfsgesuch der mecklenburgischen Herzöge an Markgraf Johann von Brandenburg wegen einer pommerschen Invasion in Stargard, ebd., fol. 111: 1476 November 12. 101 Vgl. Schultze, Mark Brandenburg, S. 132–141. Hamann, Mecklenburgische Geschichte, S. 234. Zum Glogauer Erbfolgestreit vgl. Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 21–24 und insgesamt. Zu den Beziehungen Brandenburgs und Mecklenburgs in diesen Tagen auch LHA Schwerin, 2.11–2/1 Auswärtige Beziehungen, 20.1 Diplomatische Angelegenheiten und Korrespondenzen, Nr. 2100: Schreiben Johanns von Brandenburg an Heinrich von Mecklenburg, 1476 Februar 22, sowie eines von Albrecht von Brandenburg an Herzog Heinrich, 1476 Juni 17: Organisation von Verhandlungstagen.
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zogs die „pommersche Fehde […] von selber ein[schlief]“.102 Betrachtet man den weiteren Konflikt aus der Perspektive des Politiknetzwerkes, so ergibt sich ein anderes Bild. Bogislaw, der 1474 die Herrschaft im Teilherzogtum PommernWolgast übernommen hatte, heiratete 1477 Margaretha von Brandenburg, eine Tochter Kurfürst Friedrichs II., des Bruders von Albrecht103. Gleichwohl konnte diese Ehe erst für die Lösung des Konfliktes mit Brandenburg Bedeutung erlangen, als, nachdem Wartislaw X. von Pommern-Wolgast 1478 gestorben war, sein Neffe Bogislaw X. auch dessen Herrschaftsbereich übernommen und so – erstmals seit über 200 Jahren – alle pommerschen Teilherzogtümer vereint hatte104; noch zuvor hatte sich Bogislaw an der Seite seines Onkels Wartislaw in schweren kriegerischen Auseinandersetzungen gegen die Brandenburger beteiligt, die als „Pommernkrieg“ bezeichnet worden sind und in deren Rahmen nach ersten Erfolgen der Pommernherzöge die brandenburgischen Markgrafen Albrecht und seine Söhne Johann und Friedrich seit Ende Juli 1478 diese zunehmend in die Ecke drängten105. Nach Wartislaws Tod im Dezember 1478 wurden diese aber nicht fortgeführt106. Das regionale Netzwerk war durch eine direkte Verbindung zwischen Pommern und Brandenburg wieder gefestigt, sodass mit dem zweiten Prenzlauer Frieden von 1479, der die Bestimmungen der Vereinbarungen von 1472 im Wesentlichen wiederholte, nun ein dauerhafter Ausgleich gefunden werden konnte. Anscheinend hatte es seit 1473 kaiserliche Interventionen in dieser Frage keine mehr gegeben. Betrachtet man nun den Konflikt von Elisabeths von Brandenburg Flucht 1464 bis zum zweiten Prenzlauer Frieden von 1479 insgesamt, so zeigt er sich als Konflikt vor dem Hintergrund von Netzwerkausdünnung und wiedererlangter Intensivierung. Die Eheverbindungen Pommerns mit Mecklenburg waren also anscheinend eine Hilfskonstruktion, mit der das Netzwerk unter Einbeziehung der Mecklenburger stabilisiert wurde. Margaretha von Brandenburg war in jenen Tagen das einzige nicht verlobte oder verheiratete, aber heiratsfähige Familienmitglied der Brandenburger107. Seit 1470 102
Vgl. ebd. Europäische Stammtafeln, III,1, Tafel 3. In einer Instruktion des Kurfürsten vom August 1476 zur Stettiner Angelegenheit ist von dieser Ehe gleichwohl noch nichts zu lesen, GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 8a: 1476 August 31, Albrecht von Brandenburg an seinen Sohn Johann Cicero. 104 Vgl. Böcker, Festigung der Landesherrschaft, S. 207. Schultze, Mark Brandenburg, S. 145. Horst Wernicke, Das Herzogtum Pommern, das Reich und Dänemark zwischen Lehnsstaat, Territorialfürstenstaat und Ständestaat 1348–1468, in: Beiträge zur Geschichte Vorpommerns. Die Demminer Kolloquien 1985–1994, hg. von Haik Thomas Porada (Schwerin 1997), S. 151–168, hier S. 163. 105 Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 27–29. Schultze, Mark Brandenburg, S. 142–146. 106 Bericht vom „Pommernfeldzug“: GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, D 3. Vgl. Schultze, Mark Brandenburg, S. 142–145. 107 In Betracht kommen nicht nur weibliche brandenburgische Familienmitglieder, da die mit dem Vertrag von 1472 verheirateten Vertreter der Pommern sowohl weiblich als auch männlich waren. Friedrichs II. von Brandenburg einzige Tochter neben Margaretha, Dorothea, hatte 1464 Herzog Johann IV. von Sachsen-Lauenburg geheiratet. Bei Albrecht Achilles 103
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bemühte sich Albrecht von Brandenburg intensiv um eine Vermählung Margarethas, zunächst mit Bayern oder Württemberg108. Inwieweit diese Pläne auch noch im Vorfeld des Prenzlauer Friedens verfolgt wurden, lässt sich nicht sagen; für eine direkte eheliche Verbindung mit Pommern schien sie zu jenem Zeitpunkt indes nicht in Frage gekommen zu sein. Nur wenige Wochen nach dem Abschluss des Friedens sollten sich die Herzöge von Pommern dann allerdings ihrerseits um die Stabilisierung des Netzwerkes mit einer direkten Verbindung zwischen Pommern und Brandenburg bemühen, indem sie vorschlugen, ein Sohn Erichs II., höchst wahrscheinlich handelte es sich um seinen ältesten Sohn Bogislaw X.109, möge Margaretha von Brandenburg, die Nichte Albrechts, heiraten; dies legt ein Schreiben des Kurfürsten an Herzog Wilhelm von Sachsen vom Juni 1472 nahe110. Offensichtlich geschah dies in einer kurzen Phase der Entspannung der Beziehungen zwischen Pommern und Brandenburg in der direkten Folge des ersten Prenzlauer Friedens, da Albrecht erwähnt, die Pommern hielten Frieden111. Das Eheprojekt mit Bogislaw X. scheiterte jedoch an der Frage der Ausstattung und der Weigerung der Stände, zu ihrer Finanzierung Steuern zu erhöhen112; dass es den Brandenburgern allerdings in dieser Situation weniger als den Pommern darauf anzukommen schien, das Netzwerk mit einer direkten verwandtschaftlichen Verbindung zu gestaltet sich die Lage schwieriger. Von seinen insgesamt 17 Kindern waren im Jahre 1472 folgende bereits geboren: Ursula (hatte 1467 Heinrich I. von Münsterberg geheiratet), Elisabeth (hatte 1467 Eberhard II. von Württemberg geheiratet), Margarethe (sie war 1467 in das Klarissenkloster Hof eingetreten; vgl. zu ihr auch Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 117 f.), Johann Cicero (heiratete 1476 Margarete von Sachsen, wobei die Eheverbindung in der Korrespondenz erstmals im April 1473 erwähnt wird, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 553, S. 496. Da es hier um Fragen der finanziellen Ausstattung ging, war die Ehe wahrscheinlich schon deutlich vor diesem Zeitpunkt vereinbart worden. Außerdem handelte es sich bei Johann Cicero um Albrechts ältesten Sohn, der bereits in der Mark regierte, d. h. er wäre für ein Eheprojekt mit Pommern von seiner Bedeutung für das Haus Brandenburg nicht infrage gekommen, vgl. hierzu die Parameter der Heiratspolitik der Markgrafen bei Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 95–114, zum Standesbewusstsein bei der Verheiratung von Söhnen und Töchtern insbesondere S. 114), Friedrich (heiratete 1479 Sophie von Polen, auch für ihn galten ähnliche Bedingungen wie für Johann Cicero), Amalie (war bereits 1465 mit Herzog Kaspar von Pfalz-Zweibrücken verlobt worden, Heirat 1478), Barbara (heiratete 1472 Herzog Heinrich XI. von Glogau und Crossen, vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 503, S. 466), Sybille (heiratete 1481 Wilhelm von Jülich-Berg; sie war 1472 erst fünf Jahre alt, d. h. in einem nicht-heiratsfähigen Alter; gleiches gilt für Siegmund und Dorothea, vgl. zum Heiratsalter Spieß, Verwandtschaft, S. 414–420). 108 Vgl. Heidelore Böcker, Margaretha. Markgräfin von Brandenburg, Herzogin von Pommern und Fürstin von Rügen, in: Fürstinnen und Städterinnen. Frauen im Mittelalter, hg. von Gerald Beyreuther / Barbara Pätzold / Erika Uitz (Freiburg i. Br./Basel / Wien 1993), S. 190–211, hier S. 191. 109 Zu diesem Zeitpunkt leben ferner noch die jüngeren Brüder Bogislaws Kasimir, Wartislaw und Barnim, vgl. Europäische Stammtafeln, III,1, Tafel 3. 110 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 420, S. 423 f. 111 Vgl. ebd.; hierzu auch Böcker, Festigung der Landesherrschaft, S. 206 f. Man bedenke, dass der Frieden von Prenzlau am 31. Mai 1472 geschlossen wurde, das Schreiben vom 26. Juni 1472 stammt. Vgl. auch Böcker, Margaretha, S. 193. 112 Vgl. ebd., S. 194.
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verdichten, legt der Umstand nahe, dass die pommerschen Herzöge zu einer Ehe ohne Mitgift bereit waren, die von Albrecht jedoch ausgeschlossen wurde; vielmehr schienen für sie die Vereinbarungen des zwischen ihnen geschlossenen Friedens und die Netzwerkstützungen durch die Heiraten zwischen Mecklenburg und Pommern für die Definierung ihrer Beziehung zu Pommern als „Freundschaft“ zu jenem Zeitpunkt auszureichen113. Schon im November desselben Jahres war eine Ehe Margarethas von Brandenburg mit Herzog Heinrich II. von Braunschweig in Aussicht genommen worden114, dessen Gemahlin Helene von Kleve 1471 gestorben war115. Durch seinen rasch darauf folgenden Tod, ein Jahr später, 1473, hatte sich für Margaretha von Brandenburg auch diese Verabredung erledigt. Für die dann doch erfolgte Heirat mit Bogislaw im Jahre 1477 kann es mehrere Gründe gegeben haben116. Wohl von entscheidender Bedeutung für Albrecht von Brandenburg war die Aussicht, dass die Ehe Wartislaws X. kinderlos bleiben würde und absehbar schien, dass Bogislaw bald alle Teilherzogtümer allein regieren würde117. Ob dieses Kalkül allerdings bereits 1472 beim Abschluss des ersten Prenzlauer Vertrages mitbedacht wurde, bleibt unklar, erscheint jedoch insgesamt zu stark vom Ergebnis her argumentiert118. Denn anscheinend hatte man nicht erst im Umfeld dieses Friedens, sondern bereits bei den Verhandlungen zum Vertrag von Soldin 1466 zwischen Brandenburg und Pommern eine verwandtschaftliche Verbindung angestrebt119. Angesichts all dieser ausgebreiteten Entwicklungen muss also nicht unbedingt die Tatsache des hohen Lebensalters Margarethas von Brandenburg bei ihrer Verehelichung als Demütigung des Pommernherzogs gewertet werden, sondern könnte auch als Ergebnis politischer Konstellationen und der Politik Albrechts von Brandenburg gegenüber verschiedenen Netzwerkpartnern über mehrere Jahre hinweg verstanden werden120. Im Zusammenhang mit dem zweiten Prenzlauer Frieden des Jahres 1479 sollte auch der Bericht des Chronisten Thomas Kantzow, seit 1528 Sekretär der Herzöge von Pommern, berücksichtigt werden121. Er sagt, der Herzog von Mecklenburg habe die Streitparteien nach Prenzlau eingeladen und zwischen dem brandenbur gischen Markgrafen und Herzog Bogislaw vermittelt, wobei Albrecht Achilles 113
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 503, S. 466. StA Bamberg, GHAP Nr. 1064, 1472 November 16: Heiratsabrede. Diese Heiratsabrede kommt auch in einem Schreiben Albrechts von Brandenburg an seinen Rat Peter Knorr vom 29. November 1472 vor, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 503, S. 466. 115 Vgl. Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 26. 116 Vgl. auch StA Bamberg, GHAP Nr. 1064, Quittung Herzog Bogislaws über das Heiratsgut, 1479. Hierzu die Regelung im Vertrag zwischen Albrecht von Brandenburg und Herzog Bogislaw Codex diplomaticus Brandenburgensis continuatus, hg. von Raumer, 2, Nr. 46, S. 44. 117 Vgl. Auge, Handlungsspielräume, S. 250. Hannes, Eheverbindungen, S. 21. 118 Vgl. Auge, Handlungsspielräume, S. 250. 119 Vgl. Wehrmann, Geschichte von Pommern, S. 217. Anders Auge, Handlungsspielräume, S. 250. 120 Vgl. hingegen Moraw, Harem, S. 445. 121 Vgl. Böcker, Margaretha, S. 197 f. 114
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dem Herzog Margaretha zur Ehe versprochen habe, damit fortan Frieden und Freundschaft zwischen den beiden verfeindeten Gebieten herrschten, und Pommern würde an Brandenburg fallen, wenn die Herzöge aussterben sollten122. Dieser Bericht lässt in Bezug auf die Verhandlungen des zweiten Friedens dieselben Muster erkennen wie die Verhandlungen von 1472. Dass ein solches Treffen am 21. September tatsächlich geplant war, legen Spuren in der Korrespondenz Albrechts von Brandenburg nahe123. Dabei handelte es sich jedoch um den Termin der Hochzeit und nicht um die eigentlichen Verhandlungen um einen mit verwandtschaftlichen Bindungen bewehrten Friedensschluss, denn der Prenzlauer Frieden datiert vom 26. Juni 1479, die Vermählung Margarethas hatte dagegen schon 1477 stattgefunden, sodass Kantzow hier die drei Jahre auseinanderliegenden Ereignisse ineinanderblendete124. Auch Albrechts Befürwortung der Ehe und Spuren längerer Verhandlungstätigkeit im Vorfeld der Prenzlauer Hochzeit verdeutlichen dies125. Ob der Herzog von Mecklenburg allerdings neben dem zweiten Prenzlauer Frieden auch diese (Heirats-)Verhandlungen führte, lässt sich nicht 122
Des Thomas Kantzow’s Chronik von Pommern in hochdeutscher Mundart, hg. von Georg Gaebel (Stettin 1897), S. 323: Demnach setzten die Hertzogen von Mekelburgk einen Tag zu Prentzlow an, dahin der Marggraff und Hertzog Bugslaff kham. Aber Hertzog Wartislaff wolte nicht dahin khomen, sonder pleib zu Paswall. So handelten die von Meckelburgk lange darin und vertrugen die Sach so, das Hertzog Bugslaff sollte dem Marggrafen newe Verichherung auff den Fall thun, und die Bhed solte auffgehaben sein, und die Gefangen gegeneinander vergleichet werden; weil aber das Kriegsvolck von beiderseits erregt were und so gar vielleicht nicht khonte zu frieden sein, und so deshalben, etlichhe ungeferliche Angriffe geschegen, dasselbig solte diessen gemeinen Vertrag und Fried nichts schaden. Und domit auch Fried und Freuntschafft zwuschen der Mark und Pomern bestunde, hat Marggraff Albrecht seine Bruderstochter Margareten mussen Hertzog Bugslafen zur Ehe zusagen. Zu Kantzow vgl. Roderich Schmidt, Art. „Kantzow, Thomas“, in: NDB 11 (1977), S. 128 f. Noch kurz vorher hatte es anscheinend auch Verhandlungen mit anderen Familien gegeben, so mit den Herren von Troppau im Juni 1474 und denen von Grubenhagen im August 1477, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 302, S. 310; Nr. 317, S. 320. 123 Anscheinend fand die Eheschließung am 21. September 1477 statt, vgl. Böcker, Margaretha, S. 197. Auch Prenzlau als Ort der Hochzeit lässt sich nachweisen durch eine Bemerkung Albrechts von Brandenburg an Graf Ulrich von Württemberg, sein Sohn müsse am Sonntag, dem 21. September 1477, in Prenzlau sein, um Markgraf Friedrichs Tochter mit dem Herzog von Stettin zu verheiraten, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 321, S. 322 f. Daneben ein weiteres Schreiben mit Bezug auf Margarethes Hochzeit vom 20. September 1477, vgl. ebd., Nr. 317, S. 320. 124 Der zweite Prenzlauer Frieden GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Pommern Nr. 89. Im Anschluss an den Frieden entlässt Herzog Bogislaw die in seinem Gewahrsam befindlichen Gefangenen, vgl. ebd., Nr. 90 (1479 Juli 25). Zur Hochzeit Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 307, S. 313. Hier wird auch der politische Kontext der Ehe verdeutlicht. Somit müssen auch die oben beschriebenen Verhandlungsversuche anderer Familien rasch abgelehnt worden sein. 125 So hieß dann in einem Schreiben vom 27. Januar 1477 Albrecht eine eheliche Verbindung beider gut; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 268, S. 281 f., hier S. 281. Zum Kontext der Ehe vgl. auch Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 104. Im Anschluss daran finden sich immer wieder Spuren von Verhandlungen mit Bogislaw; Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 288, S. 298 (1474 September 4).
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ermitteln126. Gleichwohl macht der Bericht des mehr als 50 Jahre nach dem Ereignis schreibenden und pommersche Quellen verwendenden Thomas Kantzow in seinem Kern deutlich, dass das Bestreben nach einer direkten verwandtschaftlichen Bindung sowie der dann 1479 geschlossene Frieden von Prenzlau (II) in enger Verbindung standen. Nach außen sichtbares Zeichen des wieder stabilisierten Netzwerks war schließlich ein Einungsvertrag aus dem Jahre 1479 zwischen den brandenburgischen Markgrafen, den Herzögen von Mecklenburg und Herzog Bogislaw von Pommern, das heißt eine Einung, die sowohl die Streitparteien als auch die Vermittelnden einschloss; sie wurde rasch nach dem zweiten Prenzlauer Frieden im Juli 1479 geschlossen127; in diesem Zusammenhang wurde auch ein Landfriedensbündnis zwischen Brandenburg, Mecklenburg und Pommern aufgerichtet128. Noch vor dem Abschluss des Prenzlauer Friedens hatten die Markgrafen von Brandenburg mit den Herzögen von Mecklenburg einen Vertrag geschlossen, mit dem die Nachfolge nach dem möglichen Tod von Herzog Bogislaw von Pommern geregelt werden sollte129. In einem solchen Falle sollten Barth, Wolgast, Anklam und die Grafschaft Gützkow bei Mecklenburg verbleiben, die brandenburgischen Markgrafen weiterhin die entsprechenden Titel führen. Im Falle des Aussterbens der Herzöge von Mecklenburg sollten die benannten Gebiete dann mit dem Herzogtum Mecklenburg an Brandenburg fallen. Im Vorfeld des Prenzlauer Friedens wurden die Herzöge von Mecklenburg somit für ihren Einsatz bei der Stabilisierung des regionalen Netzwerks zwischen Brandenburg und Pommern belohnt. Mit der nach dem Frieden von Prenzlau geschlossenen Einung unter Einschluss von Vermittlern und Konfliktparteien gleichermaßen war das Netzwerk dauerhaft stabilisiert. Die Flucht Elisabeths von Brandenburg von ihrem Gatten Wartislaw im Jahre 1464 und ihr rascher Tod hatten ein regionales Netzwerk destabilisiert. Die fol 126 Anfang 1477 lagen die Herzöge von Mecklenburg mit Herzog Bogislaw von Pommern im Streit. In dieser Sache vermittelte Markgraf Johann von Brandenburg, vgl. GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Mecklenburg Nr. 33. Im Jahre 1479 hatte es anscheinend zwischen Brandenburg und Mecklenburg Absprachen gegeben für den Fall, dass die Herzöge von Pommern aussterben würden, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 578, S. 538 f. Zu den sonstigen Beziehungen der Herzöge von Mecklenburg zu den brandenburgischen Markgrafen vgl. ebd., Nr. 537, S. 495 f.; Nr. 547, S. 504 f.; GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 44. 127 GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark, Mecklenburg Nr. 34. LHA Schwerin, 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-)Orden, 1.3 Brandenburg-Preußen, Nr. 120, 121b: 1479 Juli 27. Am 1. August 1479 folgte ein Vertrag zwischen Herzog Bogislaw und Kurfürst Albrecht mit umfassenden Regelungen zugunsten Brandenburgs, insbesondere die Abrede, unnse land nymandes huldigen to latten eder overgeven außer den brandenburgischen Markgrafen, vgl. Codex diplomaticus Brandenburgensis continuatus, hg. von Raumer, 2, Nr. 46, S. 44. 128 LHA Schwerin, 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-)Orden, 1.3 Brandenburg-Preußen, Nr. 122c, 123a: 1479 Juli 29. 129 LHA Schwerin, 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-)Orden, 1.3 Brandenburg-Preußen, Nr. 118/1, 118/2, 118/4: 1479 Juni 23.
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genden Jahre waren geprägt von Stabilisierungsbemühungen, die sich maßgeblich um die Wiederanknüpfung von Verwandtschaftsbeziehungen drehten. Als man aus verschiedenen Gründen solche Beziehungen nicht direkt erreichen konnte, behalf man sich mit der Einbeziehung Dritter. Die Lösung des Erbfolgestreites und seiner Ausläufer sind somit maßgeblich von Stabilisierungsbemühungen eines ehemals verdichteten, jedoch zunehmend ins Bröckeln geratenen Netzwerkes zu verstehen, dessen Bindungen im Wesentlichen über Verwandtschaftsbeziehungen konstituiert waren130. Ältere Forschungen richteten, sofern sie überhaupt mit Verwandtschaftsbeziehungen argumentierten, ihren Blick lediglich auf Brandenburg und Pommern, nie aber auf das gesamte regionale Beziehungsgeflecht, das es zu stabilisieren galt131. Unter dem Blickwinkel von Politiknetzwerken wird man auch die Wirksamkeit von Heiratsverbindungen an diesem Beispiel positiver als bisher bewerten müssen132. Aus dieser erweiterten Perspektive erscheint es außerdem logisch, den „Stettiner Erbfolgestreit“ nicht – wie die Forschung bisher133 – mit dem Abschluss des ersten Prenzlauer Friedens 1472, sondern frühestens mit dem Tode Herzog Wartislaws X. im Jahre 1478 enden zu lassen, auch wenn sich nach 1472 nicht mehr nur die Frage nach der Lehnsoberhoheit Brandenburgs über das Herzogtum Pommern-Stettin, sondern insgesamt über ganz Pommern gestellt hatte134. Angesichts dieser Interpretation des gesamten Stettiner Erbfolgestreits und der Folgeentwicklungen bis in das Jahr 1479 ist noch einmal auf die pommersche Geschichtsschreibung zurückzukommen. Zunächst fällt auf, dass sich durch die Chronik des Johann Parleberg wie ein roter Faden die tragende Bedeutung der (Greifswalder)135 Juristen bei der Lösung der brandenburgisch-pommerschen Erbstreitigkeiten im Vorfeld des Prenzlauer Friedens von 1472 wie ein roter Faden zieht. Überblickt man nun den Verhandlungsverlauf vom Ergebnis und von der hier vorgetragenen Interpretation der Ereignisse und Kompromisse her, nämlich von der Stabilisierung eines regionalen Netzwerks, dann scheint die Bedeutung der Greifswalder gelehrten Juristen durch den persönlich beteiligten Johann Parleberg überzeichnet worden zu sein; Eingriffe und Veränderungen in einem lokalen Netzwerk haben diesen Frieden möglich gemacht, nicht die juristische Klärung eines lehnsrechtlich-territorialen Falles nach der Rechtslage oder auf der Grundlage historischer Argumentation. Diese Überzeichnung übernahmen moderne Historiker – unter ihnen Greifswalder Professoren – des 19. Jahrhunderts in ihren
130 Vgl. zur besonderen Bedeutung von Heiratspolitik für die Markgrafen Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 100. 131 Dies überwindet ebenso wenig die Betrachtung von Handlungsspielräumen, vgl. Auge, Handlungsspielräume, S. 249–251. 132 Zu einem überwiegend negativen Ergebnis kommt Auge, Handlungsspielräume, S. 250. 133 Vgl. Rachfahl, Erbfolgestreit. 134 Vgl. Auge, Handlungsspielräume, S. 274. 135 Es ist aus der Edition von Kosegarten nicht eindeutig zu erkennen, ob der Zusatz „Greifswalder“ zutreffend ist, da er in dem der Edition zugrunde liegenden Codex anscheinend nicht vorkommt, vgl. Cronica, hg. Kosegarten, S. 118, Anm. 46.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Darstellungen136. Unabdingbar waren die Räte allerdings allein schon deshalb, weil sie die komplexen Netzwerkstrukturen überblickten. Dass es eben diese, insbesondere verwandtschaftlichen Netzwerkkonstellationen waren, die für die Lösung des Stettiner Erbfolgestreits eine grundlegende Bedeutung hatten, zeigt auch das besondere Interesse an Stammtafeln zur pommerschen Geschichte, wie es sich auch in einer Genealogia cristianitatis ducum Stettinensium niedergeschlagen hat, die im Pergamentkodex (1) der Cronica vorangestellt ist und unter anderem Verwandtschaftsbeziehungen der Herzöge von Pommern vom 12. bis ins 14. Jahrhundert wiedergibt137. Die Entstehung der Cronica ist im Übrigen einzuordnen in eine umfassendere Rezeption pommerscher politischer Historiografie des 14. Jahrhunderts, insbesondere des Protocollum des Augustinus von Stargard138 sowie der Kamminer Chronik139. In diesem Umfeld entstand schließlich auch der Liber Sancti Jacobi, der bisweilen als „Höhepunkt der spätmittelalterlichen Geschichtsschreibung Pommerns“ charakterisiert worden ist140. Die Schrift wurde in der Folge der Reliquientranslation der Heiligen Heinrich und Kunigunde von Bamberg nach Stettin von Dietrich, Prior von Sankt Jacobi von Stettin, verfasst; Dietrich hatte auch die Reliquien kurz zuvor, im Jahre 1467, von Bamberg nach Stettin überführt141. Der Liber enthält unter anderem eine Art Bekehrungsgeschichte; diese untersuchte Petersohn erstmals eingehender und wies besonders auf ihre inhaltliche Verknüpfung von der Bekehrung der Pommern mit einem „imperialen, den christlich-universalen Ordo symbolisierenden Reichsgedanken“ hin. Insgesamt sah er sie durch einen spirituellen, der Reliquientranslation geschuldeten Anstoß entstanden142. Alvermann untersucht die Schrift vor dem Hintergrund ihres Entstehungskontextes, des Stettiner Erbfolgestreits, und ordnet sie der „politischen Geschichtsschreibung“ zu143. Konkret attestiert er ihrem Verfasser eine probrandenburgi 136 Vgl. Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 2 f. Vgl. die Einleitung in Cronica, hg. Kosegarten, S. 73–77. 137 Vgl. Alvermann, Liber Sancti Jacobi, S. 143. Walczak, Cronica de ducatu Stettinensi, S. 166. 138 Notula satis notabilis de Pomeranorum, Stetinensium, ac Rugie principatu. Eine Pommersche Streitschrift des vierzehnten Jahrhunderts. Aus einer Handschrift Palthens mitge theilt von D. Johann Gottfried Wilhelm Kosegarten, in: BSt 17/1 (1858), S. 103–140. Vgl. Michaela Scheibe, Formen pommerschen Geschichtsbewußtseins im 14. Jahrhundert, in: Tausend Jahre pommersche Geschichte, hg. von Roderich Schmidt (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern. Reihe V: Forschungen zur Pommerschen Geschichte 31, Köln 1999), S. 85–124. 139 Alvermann, Liber Sancti Jacobi, S. 141–143. 140 Ebd., S. 132. 141 Das Kloster Michaelsberg in Bamberg hatte die Patronatsrechte über die Jacobikirche in Stettin. 142 Jürgen Petersohn, Zum mittelalterlichen Kulteinfluß Bambergs auf Pommern. Heinrichs- und Kunigundenverehrung in Stettin, in: Bericht des Historischen Vereins Bamberg 98 (1962), S. 340–351. Ders., Reichspolitik und pommersche Eigenstaatlichkeit in der Bamberger Stiftung Herzog Barnims III. zu Ehren des hl. Otto (1339), in: BSt NF 49 (1962/63), S. 19–36. 143 Alvermann, Liber Sancti Jacobi, S. 148 f. Hermann Bollnow, Die pommerschen Herzöge und die heimische Geschichtsschreibung, in: BSt NF 39 (1937), S. 1–35.
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sche Haltung und stellt angesichts der an der Reliquientranslation Beteiligten und weiterer Auffälligkeiten, etwa der persönlichen Anwesenheit Prior Dietrichs von St. Jacobi auf dem Reichstag von Nürnberg von 1467, die Frage, ob möglicherweise die Kultverpflanzung als „Ausdruck einer die hohenzollerschen Erbansprüche untermauernde[n] Reichspropaganda“ zu verstehen sei – was sich mit Verweis auf die Quellenlage aber wohl nicht beweisen lasse144. In der Tat erscheint bemerkenswert, wer bei der Kultverpflanzung die Schlüsselrolle spielte: der Bamberger Domdekan und markgräflich-brandenburgische Rat des Kurfürsten Albrecht, Hertnidt vom Stein145. Denkt man an den eingangs zitierten Briefausschnitt des Markgrafen Friedrich von Brandenburg an die pommerschen Herzöge zurück, in dem er auf die Polemik der pommerischen Seite, die Burggrafschaft Nürnberg sei kein Fürstentum, antwortete: Dat Burggravethum to Norinberg Iß eher geweßt ein mercklich furstenthum des hilgen Romesschen Rykes als Id noch iß, eher Iwe oldern cristen sint geworden […]146, so wird deutlich, dass die Bekehrung Pommerns als politisches Argument von brandenburgischer Seite gegenüber den Herzögen von Pommern um 1470 eingesetzt wurde. Hiermit wurde in der Polemik im Stettiner Erbfolgestreit hervorgehoben, dass die Burggrafschaft Nürnberg bereits bestanden habe, als die Vorfahren der pommerschen Herzöge noch nicht einmal Christen gewesen seien. Zwei Jahre nach dem zitierten Schreiben erfolgte die Translation der Reliquien von Bamberg nach Stettin, wiederum ein Jahr darauf verfasste Prior Dietrich von Stettin den Liber Sancti Jacobi. Politische Rhetorik und Historiografie in geistlichem Umfeld ergänzen hier einander. Betrachtet man die politischen Netzwerke und das darin zu erkennende Verbindungsglied zwischen der brandenburgischen „Administration“ und der Stettiner Geistlichkeit, nämlich Hertnidt vom Stein, so lässt sich erahnen, dass erst von ihm die Christianisierung Pommerns durch Bischof Otto von Bamberg (um 1060–1139)147 als politisches Argument für die Unterordnung Pommerns unter brandenburgische Lehnsoberhoheit eingesetzt werden konnte; dies fand durch die Reliquientranslation und die Abfassung des Liber Sancti Jacobi seinen konkreten Ausdruck. 144
Alvermann, Liber Sancti Jacobi, S. 148. Petersohn, Eigenstaatlichkeit, S. 32 f., Anm. 57. 146 Codex diplomaticus Brandenburgensis continuatus, hg. von Raumer, 1, Nr. 136, S. 266 f., hier S. 266. LHA Schwerin, 1.10–1 Außermecklenburgische Staatsverträge, Pommern, Nr. 3: Schreiben der Herzöge Erich und Wartislaw von Pommern an Albrecht von Brandenburg, 1465 Januar 1; ebd., Nr. 4, Antwort an Erich und Wartislaw, 1465 Januar 15. Noch Johannes Bugenhagen bezeichnete im Übrigen Anfang des 16. Jahrhunderts Albrecht von Brandenburg explizit als Burggraf von Nürnberg und nicht als Markgraf von Brandenburg: Bugenhagen, Pomerania, hg. Heinemann, S. 148. In Bezug auf Albrecht Achilles stellte er weiter fest: Neque hic princeps Albertus, qui aliis fuit iniurius, a suis potuit esse tutus. Cum enim clericis suis exactiones et pecuniarum multas inferret atque persequendo infestaret, librum infamie plenum, ne contra se ederetur, prohibere non potuit (ebd., S. 149). 147 Zur Pommernmission grundlegend Jürgen Petersohn, Der südliche Ostseeraum im kirchlich-politischen Kräftespiel des Reiches, Polens und Dänemarks vom 10. bis 13. Jahrhundert. Mission – Kirchenorganisation – Kultpolitik (Ostmitteleuropa in Vergangenheit und Gegenwart 17, Köln / Wien 1979), S. 213–261. 145
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Hierzu passt auch, dass die pommersche Geistlichkeit insgesamt einer Unterordnung unter brandenburgische Lehnsoberhoheit wohl relativ aufgeschlossen gegenübergestanden haben muss148. Wie bereits zur Rolle der Juristen bemerkt, so sollte auch bei diesen Beobachtungen nicht übersehen werden, dass es sich um politische Strategie in einer dienenden Funktion handelte, dass die Grundlage für den Konflikt aber etwas anderes, nämlich die Destabilisierung des regionalen Netzwerks war, deren Restabilisierung erst durch die eigentliche Festigung der Netzwerkstrukturen insbesondere über Verwandtschaftsverknüpfungen möglich war. 7. Ergebnisse Der bereits seit den 1460er Jahren schwelende Stettiner Erbfolgestreit erhielt mit der Herrschaftsübernahme Albrechts in Brandenburg eine neue Dynamik; mit seiner Belehnung durch den Kaiser wurde ihm auch das Teilherzogtum Pommern-Stettin übertragen, auf das die übrigen pommerschen Herzöge im Sinne eines direkten kaiserlichen Lehens Anspruch erhoben; die Netzwerkeigenschaften Albrechts von Brandenburg sowie die Interessenüberschneidung zwischen dem Kaiser und ihm hatten die Übertragung 1470 möglich gemacht. Zur Durchsetzung der markgräflichen Ansprüche intervenierte der Kaiser auf zwei Wegen, die von vornherein als zwei vollkommen getrennte Konfliktlösungsmechanismen konzipiert waren: Einerseits eine neutrale Vermittlungsmission der Herzöge von Mecklenburg, andererseits eine kaiserliche Kommission, bestehend aus Reichserbmarschall von Pappenheim und dem Bischof von Augsburg. Die Betrachtung des Interessengeflechts und des Netzwerkes der Kommissionen der Zeit verdeutlicht, dass Kommissionen nach außen neutral waren, indem die beiden Kommissare in anderen Verfahren selbst als Konfliktparteien auftraten, in denen die Konfliktparteien des ersten Verfahrens wiederum als Schlichter auftraten. Die Frage um die Lehnsoberhoheit in Pommern konnte anscheinend nur eskalieren, da das regionale Netzwerk durch den Wegfall von Akteuren und Verbindungen verwandtschaftlicher Art brüchig geworden war. So waren auch die Bemühungen, die zum Prenzlauer Frieden des Jahres 1472 führten, weniger auf die starke Hand der mecklenburgischen Herzöge zurückzuführen als vielmehr auf die Verdichtung von Netzwerkbeziehungen gerichtet; die in seinem Umfeld geknüpften Verbindungen zwischen Mecklenburg und Pommern waren notdürftige Stabilisierungsversuche, da anscheinend zu jenem Zeitpunkt für eine direkte Verbindung zwischen Brandenburg und Pommern geeignete Kandidaten fehlten. Erst die nach dem Tode Wartislaws X. bevorstehende Alleinregierung Bogislaws X. über ganz Pommern und die Knüpfung einer direkten Verwandtschaftsbeziehung zwischen Brandenburg und Pommern in Form einer Ehe Margarethas von Brandenburg und Bogislaws X. machten eine dauerhafte Lösung des Konflikts möglich. 148
Rachfahl, Erbfolgestreit, S. 87 f.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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Insgesamt war das Netzwerk zur Lösung des Stettiner Erbfolgestreites überschaubar, und der Kaiser wurde nur an zwei Stellen aktiv: Bei der Aufforderung zur Lösung des Konfliktes und bei der Sanktionierung des Friedens; der Friedensschluss aber war eine ausschließlich regionale Angelegenheit. Damit schließlich erinnert die Steuerung durch den Kaiser an Formen moderner Governance zwischen hierarchischen und hierarchiearmen Strukturen: Der „Schatten der Hierarchie“, also das Bestehen eines ernsthaften Drohpotentials in einer tendenziell nicht hierarchischen Struktur, zwingt gleichberechtigte Partner zur Einigung und macht alternative Governance-Lenkungsformen erst möglich149. Sowohl von brandenburgischer als auch von pommerscher Seite hatten gelehrte Juristen und Räte eine wichtige, angesichts der tatsächlich vorliegenden Konstellationen aber nicht herausragende Rolle. Ihr Wirken ging einher mit historiografischer Verarbeitung und Legitimation des jeweiligen Standpunktes, wobei insbesondere Hertnidt vom Stein in seiner Doppelfunktion als brandenburgischer Rat und Bamberger Domdekan ganz offensichtlich in geistlich-politischen Netzwerken zwischen Bamberg und Stettin das Argument der Christianisierung Pommerns als Legitimation für die brandenburgischen Ansprüche geschickt fruchtbar machte.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen Kaiserliche und fürstliche Räte treten in politischen Netzwerken immer wieder deutlich hervor, meist als hoch professionalisierte „Netzwerker“150. Bisher eher zu kurz gekommen ist allerdings die Perspektive der Räte als in eigenen (Familien-) Interessen Handelnde. Sie soll am Beispiel der sogenannten „Brauneckschen Lehen“ betrachtet werden. Gleichzeitig eröffnet dieser Fall den Blick auf einen weiteren Regionalkonflikt im Umfeld des südlichen Herrschaftsschwerpunktes Albrechts von Brandenburg sowie auf Fragen der „Territorialisierung“ in Franken. Von besonderem Interesse ist der Konflikt nicht zuletzt auch wegen seiner zeitlichen Ausdehnung und der großen Zahl verschieden strukturierter Akteure, die an ihm beteiligt waren. 149 Vgl. Zürn, Governance in einer sich wandelnden Welt, S. 565–567. Börzel, Regieren ohne den Schatten der Hierarchie, S. 46. Dies., Der „Schatten der Hierarchie“ – Ein Gov ernance-Paradox?, in: Governance in einer sich wandelnden Welt, hg. von Gunnar Folke Schuppert / Michael Zürn (Politische Vierteljahresschrift. Sonderheft 41, Wiesbaden 2008), S. 118–131, hier S. 127–129. 150 Vgl. P[aul]-J[oachim] Heinig, Art. „Rat“, in: Lex.MA 7 (1995), Sp. 449–453, hier Sp. 449–451. Hesse, Amtsträger. Beatrix Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung Herzog Ludwigs des Reichen von Bayern-Landshut (1450–1479), 2 Teilbde. (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 97, München 1996/1999). „Soziale Netzwerke“ untersucht in diesem Zusammenhang Rabeler, Niederadlige Lebensformen, am Beispiel der biogra fischen Untersuchung von Wilwolt von Schaumberg (1450–1510) und Ludwig von Eyb dem Jüngeren (1450–1521).
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Die Untersuchung der Brauneckschen Lehen wird von der Forschung seit langem als Desiderat angesehen151. Lediglich Twellenkamp hat die frühe Geschichte des Schicksals der Lehen im Zusammenhang mit seiner Betrachtung der Burggrafen von Nürnberg und des deutschen Königtums zwischen 1272 und 1417 gestreift. Die bisher umfassendste Darstellung zum Konflikt im 15. Jahrhundert in Werminghoffs Biografie Ludwigs von Eyb stützt sich nur auf Teile der Über lieferung und ist nicht frei von Irrtümern152. Die Überlieferung zeigt sich in der Gesamtschau, insbesondere unter Berücksichtigung ungedruckter Quellen, als erheblich umfangreicher, wobei vor allem landeshistorische Perspektiven bedingten, dass die Frage bisher in ihrem gesamten, über eine einzelne Region hinausgehenden Umfang nicht wahrgenommen wurde153. Das Beispiel könnte allerdings für vielfältige Fragestellungen, etwa zum Lehnswesen oder zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte, neue Einsichten liefern. Im Folgenden wird nach einem Überblick über den Konfliktverlauf seit dem Aussterben der Herren von HohenloheBrauneck die Frage der Brauneckschen Lehen insbesondere im Zeitraum zwischen den Jahren 1466 und 1475 aus der Perspektive von Governance und politischen Netzwerken beleuchtet. 1. Vorgeschichte Mit dem Tode Konrads IV. im Jahre 1390 starb die männliche Linie der Hohen lohe-Brauneck aus154. Sie verfügten zuletzt über sehr verzweigte und verschiedenartige Lehnskomplexe. Darunter befanden sich ebenso Reichslehen wie sol 151
Wilhelm Engel, Würzburg und Hohenlohe. Zwei Untersuchungen zur fränkischen Geschichte des hohen und späten Mittelalters (Mainfränkische Hefte 2, Würzburg 1949), S. 32, Anm. 94, beklagte das Fehlen einer Gesamtdarstellung des Schicksals der Herren von Brauneck und ihres Untergangs. Vgl. ferner Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1113. Bisher haben sich mit den Brauneckschen Lehen mehr oder weniger intensiv auseinandergesetzt Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 223–226, insbesondere Anm. 417 f. mit bisweilen irrigen Schlüssen; für die Frühphase Markus Twellenkamp, Die Burggrafen von Nürnberg und das deutsche Königtum (1273–1417) (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 54, Neustadt a.d.A. 1994), S. 94–98. Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 61, Anm. 10, S. 88, Anm. 168. Außerdem Engel, Würzburg und Hohenlohe, S. 32 ff. Johann Looshorn, Die Geschichte des Bisthums Bamberg, Bd. 4: Das Bisthum Bamberg von 1400– 1556 (Bamberg 1900, ND Neustadt a.d.A. 1980), S. 334 f. Zu den Herren von HohenloheBrauneck nun auch Kurt Andermann, Art. „Hohenlohe, C. Brauneck“, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Grafen und Herren, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel / Anna Paulina Orlowska / Jörg Wettlaufer, Teilbd. 1 (Residenzenforschung 15,4, Ostfildern 2012), S. 608 f. 152 Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 223–226, 534–536, Anm. 417 f. 153 Siehe hierzu unten S. 251, Anm. 168. 154 Vgl. Heinrich Weber, Kitzingen (HAB. Teil Franken 1/16, München 1967), S. 49 f. Konrads Bruder Gottfried starb noch vor Konrad, ebenfalls im Jahre 1390. Er war unter anderem Domherr und Propst im Domkapitel von Trier, vgl. Holbach, Stiftsgeistlichkeit, S. 426 f. Ihre genauen Todesdaten sind unbekannt, sie müssen aber vor dem 7. August 1390 liegen, vgl. Twellenkamp, Burggrafen, S. 94, Anm. 66.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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che verschiedener anderer Lehnsherren, unter anderem des Abtes von Fulda in der Wetterau und am Vogelsberg155. Als problematisch gestaltet sich allerdings die genaue Bezeichnung und Einteilung der Lehen nach Lehnsherren, weil in den Quellen durchweg von „Brauneckschen Lehen“ die Rede ist, nur vereinzelt aber die Lehen genauer qualifiziert werden. So kann heute nur noch schwer rekonstruiert werden, um welche Lehen es sich tatsächlich handelte, wo sie lagen und wer sie verlieh156. Nach Twellenkamp157 lagen die Lehen der Herren von HohenloheBrauneck in einem Dreieck zwischen Würzburg, Bamberg und Ansbach konzentriert158. Es handelte sich um mehrere Burgen und Dörfer in Franken, einen Teil der Stadt Kitzingen, ein Burglehen in Nürnberg und zahlreiche Lehen, die die Herren von Brauneck an Nürnberger Bürger ausgegeben hatten, sowie um Zoll- und Geleitrechte im nordöstlich von Würzburg gelegenen Grabfeld159. Diese Rekonstruktion des Besitzes der Herren von Hohenlohe-Brauneck beruht auf der Auswertung der Monumenta Zollerana bis zum Zeitpunkt ihres Aussterbens. Wie sich im Folgenden erweisen wird, lässt sich unter Hinzuziehung vor allem ungedruckter Quellen ein erheblich umfangreicherer Bestand hinter den „Brauneckschen Lehen“ erkennen, der über die von Twellenkamp rekonstruierten Schwerpunkte hinausgeht. Nicht zuletzt wegen der verstreuten Lage dieser Lehen meldeten nach dem Aussterben der Linie Hohenlohe-Brauneck zahlreiche verschiedene Akteure Ansprüche an.
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Vgl. von Stramberg, Art. „Hardegg“, in: Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste 2 (1828), S. 246–249, hier S. 247. Zu Brauneckschen Lehen in der Wetterau siehe auch unten S. 251, Anm. 168, S. 255, Anm. 193. 156 Bereits Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 224, beklagte die Ungewissheit über den tat sächlichen Umfang der Lehen. Gleichwohl liefert er aus älteren Arbeiten einen Überblick, vgl. ebd., S. 535 f., Anm. 418. 157 Twellenkamp, Burggrafen, S. 94 f. Es wurde daneben mehrfach versucht, die Brauneckschen Lehen zu rekonstruieren, vgl. Eberhard Frhr. von Eyb, Das reichsritterliche Geschlecht der Freiherren von Eyb (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IX. Reihe: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 29, Neustadt a. d. A. 1984), S. 47: Auf der Grundlage eines undatierten Verzeichnisses. Karl Weller, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Teil 2: Vom Untergang der Hohenstaufen bis zur Mitte des vierzehnten Jahrhunderts (Stuttgart 1908), S. 429–443. Vgl. auch zuletzt die Zusammenstellung bei Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 88, Anm. 168. Bertold Frhr. Haller von Hallerstein, Art. „Braunecksche Lehen“, in: Erlanger Stadtlexikon, hg. von Christoph Friederich / Bertold Frhr. Haller von Hallerstein / Andreas Jakob (Nürnberg 2002), S. 170, betont die Bedeutung von Brauneckschen Lehen für den Aufbau des markgräflichen Territoriums im Erlanger Raum. Ernst Deuerlein, Ein Beitrag zur Geschichte der Familie derer von Erlangen, in: Erlangen. 600 Jahre Stadt (Erlanger Bausteine zur fränkischen Heimatforschung 14, Erlangen 1967), S. 165–178, hier S. 167, 173 f., mit Anmerkungen zu Inhabern Brauneckscher Lehen, die der Familie von Erlangen angehörten. Hierbei handelt es sich in der Mehrzahl um ehemalige Besitzungen der Herren von Gründlach. 158 Twellenkamp, Burggrafen, S. 94 f. Vgl. ferner Paul Sauer, Art. „Creglingen“, in: Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. 6: Baden-Württemberg, hg. von Max Miller / Gerhard Taddey (Stuttgart ²1965), S. 134. 159 Twellenkamp, Burggrafen, S. 94 f.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Wie die Bamberger Annalen des Martin Hofmann berichten, hatte rasch nach dem Aussterben der Herren von Hohenlohe-Brauneck der Bischof von Bamberg einen Teil der Lehen in Besitz genommen, solche nämlich, die er selbst als heimgefallen ansah160. Zumindest ein Teil dieser Lehen war Bestandteil eines noch Ende 1390 geschlossenen Vergleichs zwischen den Bischöfen von Bamberg und Würzburg161, wobei es hier nicht zuletzt um die Rechte an der Burg Reichelsberg nahe Aub sowie um die Dörfer Baldersheim, Burgerroth, Biberehren und Buch – allesamt nördlich von Creglingen gelegen – ging162. Ulrich und Friedrich von Hohenlohe, Vertreter der Linie Weikersheim, bemühten sich um diesen Teil der Lehen und klagten vergeblich vor dem Bamberger Lehngericht163. Sein Urteil wurde im Jahre 1391 von König Wenzel bestätigt164. Zwischen dem Bischof von Würzburg und Pfalzgraf Ruprecht war die Lehnsoberhoheit der Burgen Neuhaus und Braun eck strittig; dies führte im Jahre 1394 zu einem friedlichen Austrag zugunsten des Pfalzgrafen, wobei dieser sie an die weiblichen Erben der Herren von HohenloheBrauneck, an Konrads von Hohenlohe-Brauneck Witwe Anna und ihre Tochter Margarethe, weiterverlieh165. 160 Martini Hoffmanni Annales Bambergensis Episcopatus, in: Novum Volumen Scriptorum Rer um Germanicarum, Bd. 1: Scriptores Rerum Episcopatus Bambergensis, hg. von Johann Peter Ludewig (Frankfurt a. M./Leipzig 1718), Sp. 1–256, hier Sp. 219, a. 1390: XIX Proximo anno, Conrado et Godefrido Braunnecciis mortuis, cum nulla stirps eorum superesset, Reigelsberga, Balderhemum, Burggeroda, Biberia et Bucha, ad ecclesiae possessiones peruenerunt. Zu Martin Hofmann vgl. Konrad Arneth, Art. „Martin Hofmann“, in: NDB 9 (1972), S. 459. Die Annalen des in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schreibenden Hofmanns reichen bis 1440. 161 Bischof Gerhard von Würzburg war sowohl mit den Herren von Hohenlohe-Brauneck als auch mit den Burggrafen verwandt, vgl. Twellenkamp, Burggrafen, S. 96. 162 Vgl. Monumenta Boica, Bd. 44: Monumenta episcopatus wirziburgensis (München 1883), Nr. 94, S. 190–195. Sowohl die Rechte an der Burg Reichelsberg als auch die genannten Dörfer sollten fortan von Bischof und Stift von Würzburg als Lehen ausgegeben werden. 163 Vgl. Codex probationum diplomaticus a num. 1. usque 172. inclus. in octo sectiones distinctus (Bamberg o. J. [ca. 1775]), Nr. 70 [unpag.]. Regest: Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts bis 1451, hg. von Bernhard Diestelkamp, Bd. 12: Die Zeit Wenzels 1388–1392, bearb. von Ekkehart Rotter (Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich. Sonderreihe, Köln / Weimar / Wien 2008), Nr. 316, S. 264–266: 1391 Juli 3. Martini Hoffmanni Annales Bambergensis Episcopatus, hg. Ludewig, Sp. 219, a. 1391. 164 Regest: Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, 12, bearb. Rotter, Nr. 333, S. 278 f.: 1391 September 11. Vgl. Erich Frhr. von Guttenberg, Das Bistum Bamberg. 1. Teil (GS 2/1, Berlin / Leipzig 1937), S. 234 f. Johann Looshorn, Die Geschichte des Bisthums Bamberg, Bd. 3: Das Bisthum Bamberg von 1303–1399 (Bamberg 1891, ND Bamberg 1968), S. 439. 165 Monumenta Zollerana. Urkundenbuch zur Geschichte des Hauses Hohenzollern, Bd. 5: Urkunden der fränkischen Linie 1378–1398, hg. von Rudolph von Stillfried / Traugott Maer cker (Berlin 1859), Nr. 319, S. 325–327. Später, im Jahre 1403, begab sich Heinrich von Schwarzburg mit seinen Burgen Brauneck, Creglingen und Erlach in den Dienst der Burggrafen von Nürnberg, vgl. Monumenta Zollerana. Urkundenbuch zur Geschichte des Hauses Hohenzollern, Bd. 6: Urkunden der fränkischen Linie 1398–1411, hg. von Rudolph von Stillfried / Traugott Maercker (Berlin 1860), Nr. 215, S. 205.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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Auch die nun seit dem Vertrag von 1390 zwischen den Bischöfen von Würzburg und Bamberg von Letzterem ausgegebenen Brauneckschen Lehen gelangten wieder an Anna und Margarethe166. Anna heiratete wohl 1396/97 Konrad von Weinsberg, Margarethe den Grafen Heinrich von Schwarzburg-Wachsenburg167. Im Jahre 1400 verglichen sich Konrad und Heinrich, dass fortan Konrad in ihrer beider Namen Braunecksche Lehen verleihen sollte – dabei reichten diese Lehen offensichtlich in den Süden des heutigen Hessens bis in die Wetterau und in den nordwestlichen Teil Bayerns hinein168; um welche Lehen es sich jedoch im Einzelnen handelte, bleibt unklar. Drei Jahre später verglichen sich Anna und Margarethe und teilten ihre Ansprüche169. Besonders für Konrad von Weinsberg war wohl der nun verbleibende Teil wichtig bei seinen Bemühungen, eine eigene Landesherrschaft aufzubauen170. 166
Bernd Fuhrmann, Konrad von Weinsberg – Ein adliger Oikos zwischen Territorium und Reich (VSWG. Beiheft 171, Wiesbaden 2004), S. 163. 167 Europäische Stammtafeln. NF, hg. von Detlev Schwennicke, Bd. XVII: Hessen und das Stammesherzogtum Sachsen (Frankfurt a. M. 1998), Tafel 5, weist Margarethe als Anna aus. 168 StA Bamberg, GHAP Nr. 1633. In der Folgezeit wurde zumindest ein Teil der Lehen konsequent von Konrad von Weinsberg verliehen, vgl. StA Bamberg, GHAP Nr. 6448. Die bezeichneten Orte lassen auf die Schwerpunkte der Lage der Lehen unter anderem im heutigen südlichen Hessen und nordwestlichen Bayern schließen, vgl. etwa Historisches Ortslexikon für Kurhessen, bearb. von Heinrich Reimer (VHKH 14, Marburg 1926), Einträge „Rückingen“, S. 412: Die Burg war im 14. Jahrhundert Lehen der von Rückingen und von Rüdigheim von der Herrschaft Brauneck; „Wirtheim“, S. 523; „Buchen, Wachenbuchen“, S. 73; „Kilianstädten“, S. 278. Zumindest ein Teil dieser Lehen war wohl identisch mit solchen, die in einem Verzeichnis über „Braunecksche Lehen in der Wetterau“ vorkommen, vgl. Hohenlohisches Urkundenbuch, hg. von Karl Weller / Christian Belschner, Bd. 3: 1351–1375 (Stuttgart 1912), Nr. 405, S. 344 f. (Wiesbaden 1370). Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem Besitzverzeichnis von 1430, vgl. Hessisches Urkundenbuch, 2. Abt.: Urkundenbuch zur Geschichte der Herren von Hanau und der ehemaligen Provinz Hanau, hg. von Heinrich Reimer (Publikationen aus den k. preußischen Staatsarchiven 60, Leipzig 1894), Nr. 617, S. 713 f. Zumindest Teile der Lehen in der Wetterau waren nach dem Aussterben der Herren von Büdingen (vor 1247) an die Herren von Brauneck gelangt, andere Teile an das Haus Isenburg, vgl. Hans Philippi, Territorialgeschichte der Grafschaft Büdingen (Schriften des Hessischen Amts für geschichtliche Landeskunde 23, Marburg 1954), S. 105–118, außerdem ebd., S. 70, 100, Anm. 82, S. 135: Ortenberg; S. 145: Effolderbach; S. 149: Langendiebach; S. 157 f.: Wächtersbach; S. 198: Zusammenstellung der „Aktivlehen der Herrschaft Brauneck in der Wetterau.“ Außerdem Fred Schwind, Die Landvogtei in der Wetterau. Studien zu Herrschaft und Politik der staufischen und spätmittelalterlichen Könige (Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 34, Marburg 1972), S. 27 f., 54. Karl E. Demandt, Geschichte des Landes Hessen (Kassel ²1972), S. 496–499. Die Brauneckschen Lehen in der Wetterau wurden von der fränkischen Landesgeschichte nicht wahrgenommen; die fränkischen Lehen kommen dagegen in der hessischen Landesgeschichtsforschung nicht vor. 169 Fuhrmann, Konrad von Weinsberg (2004), S. 153, Anm. 446. Vgl. die Beschreibung des Oberamts Mergentheim (Stuttgart 1880, ND 1968), S. 510. 170 Bei Konrad von Weinsberg handelt es sich um den späteren Reichserbmarschall unter König (Kaiser) Sigmund und König Albrecht, den Neffen Erzbischof Konrads von Mainz (1340–1396), vgl. Bernd Fuhrmann, Konrad von Weinsberg. Facetten eines adligen Lebens in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Studien zur Geschichte des Mittelalters 3, Herne 2010). Ders., Konrad von Weinsberg (2004). Franz Irsigler, Konrad von Weinsberg (etwa 1370– 1448). Adliger – Diplomat – Kaufmann, in: Württembergisch Franken 66 (1982), S. 59–80.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Daneben standen die Lehen, die die Herren von Brauneck direkt vom König zu Lehen getragen hatten. Diese nämlich verlieh König Wenzel am 7. August 1390 dem Burggrafen Johann von Nürnberg, wobei dieser sie anscheinend nicht persönlich, sondern in Stellvertretung der gesamten Burggrafschaft erhielt171. Für die Burggrafen bedeutete diese Belehnung eine stattliche Ausweitung ihres Territoriums nach Nordwesten. Über die Gründe dieser Übertragung ist nichts zu erfahren. Allerdings ist anzunehmen, dass die Herren von Brauneck mit den Burggrafen vor ihrem Aussterben eng verbunden waren172. Twellenkamp173 hat außerdem betont, wie sehr in diesem Fall der Nachfolge in den Brauneckschen Lehen die Nähe und offensichtliche Begünstigung der Burggrafen von Nürnberg um 1390 durch König Wenzel deutlich wird, der begründete Ansprüche Dritter konsequent überging, um den Burggrafen einen Vorteil zu verschaffen. In jedem Falle hatten die Brauneckschen Lehen eine wesentliche Funktion bei der Ausweitung der Territorialherrschaft der Burggrafen insgesamt174. Schon im Jahre 1390 einigten sich Anna und ihre Tochter Margarethe von Hohenlohe-Brauneck mit den Burggrafen von Nürnberg, denn sie hatten der Belehnung der Burggrafen widersprochen. Dieser Vergleich sah vor, dass der Burggraf den Brauneckschen Teil zu Kitzingen mit den beiden Dörfern Repperndorf und Hohen sowie dem Burglehen auf dem Haus zu Nürnberg mit den darunter ge legenen Häusern und Hofreiten behalten sollte, wohingegen Margarethe alle übrigen Teile der Brauneckschen Reichslehen erhalten sollte175. Der Wortlaut dieses Vertrages legt allerdings nahe, dass schon zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Unklarheit bestand, um welche Lehen es sich im Einzelnen handelte176; auch frühe
171 StA Bamberg, GHAP Nr. 1593. Vgl. Monumenta Zollerana, 5, hg. von Stillfried / Maercker, Nr. 258, S. 267 f.; Bd. 8: Ergänzungen und Berichtigungen zu Bd. I–VII. 1085–1417, hg. von Julius Grossmann / Martin Scheins (Berlin 1890), Nr. 393, S. 278. Das teutsche ReichsArchiv, hg. von Johann Christian Lünig, Bd. 9: Fortsetzung der andern Continuation (Leipzig 1712), S. 970 (1390 August 7). Twellenkamp hat darauf aufmerksam gemacht, dass in den Urkunden Monumenta Zollerana, 5, hg. von Stillfried / Maercker, Nr. 262, S. 272 f.; Nr. 264, S. 274–276, nicht nur Johann, sondern auch sein Vater und sein Bruder genannt werden, vgl. Twellenkamp, Burggrafen, S. 95, Anm. 69. Der Burggraf von Nürnberg war mit den Herren von Brauneck nur entfernt verwandt, vgl. ebd., S. 96, Anm. 72. 172 Twellenkamp, Burggrafen, S. 95: Die Herren von Brauneck hatten sich gut zehn Jahre vor ihrem Aussterben in den Schutz der Burggrafen begeben. 173 Twellenkamp, Burggrafen, S. 98. 174 Für den Erlanger Raum betont dies Haller von Hallerstein, Braunecksche Lehen, S. 170. 175 Vgl. Teutsches Reichs-Archiv, 9, hg. Lünig, S. 971 f.: Vergleich vom 25. Oktober 1390. Monumenta Zollerana, 5, hg. von Stillfried / Maercker, Nr. 264, S. 274–276. Regest: Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, 12, bearb. Rotter, Nr. 261, S. 218 f. 176 So enthält der Vertrag die Klausel: Doch haben wir obgnante Schiedlewte vns in dieser schidunge behalten und auzgenomen, mit beider teil worte und wissen, Also, ob daz wer, daz wir hiezwischen vnd Sant Peters tag kathedra genant der schirst kompt icht erfuren, daz die uorgnanten von Brawneck mer gelassen hetten, daz von dem heiligen Reiche zu lehen gienge, daz sullen wir dann vngeuerlichen vor dem uorgenanten sant peters tag den uorgnanten
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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Bemühungen, den Bestand der Brauneckschen Lehen schriftlich festzuhalten, sprechen hierfür177. Im Jahre 1394 intervenierte König Wenzel erneut, als er alle bisher für die Herren von Brauneck ausgestellten Dokumente außer Kraft setzte und die Zoll- und Geleitrechte, über die bis zu diesem Zeitpunkt noch Anna von Brauneck verfügt hatte, den Burggrafen zusprach178. Vor dem Hintergrund dieser unübersichtlichen Lage verwundert es kaum, dass auch bei den Aftervasallen Unklarheit über die Rechtsverhältnisse ihrer Lehen herrschte. Unter den Lehnsleuten befanden sich unter anderem zahlreiche Nürnberger Bürger179. So baten noch im Jahre 1390 die Nürnberger Bürgermeister Peter Haller und Michel Grundherr stellvertretend für die Stadt das Landgericht um Klärung, wie sich die Nürnberger Lehnsleute angesichts der unklaren Rechtsverhältnisse zu verhalten hätten. In dem rasch gesprochenen und später noch wiederholten Urteil entschied das Landgericht, dass die Nürnberger Lehnsleute die Lehen so lange unbeschadet in Besitz behalten sollten, bis der Streit ihrer möglichen Lehnsherren geklärt sei180. Folgt man diesem Urteil, so bestand der Streit um die Brauneckschen Lehen zwischen den Bischöfen von Bamberg, Würzburg und den Burggrafen. Wie einer im Jahre 1419 angefertigten, im Lehnbuch des Bamberger Bischofs Albrecht von Wertheim (1398–1421) überlieferten Abschrift eines burggräflichen Verzeichnisses zu entnehmen ist, hatten die Burggrafen Friedrich (1397–1440) und Johann (1397–1420) zumindest einen Teil der Lehen tatsächlich an Nürnberger Bürger ausgegeben181. Mit diesen Belehnungen – so ein bambergischer Zusatz zu dem Verzeichnis – seien die Interessen des Bamberger Bischofs berührt.
Burcgrafen auch zuscheiden in aller weise vnd masze, als wir in Kyczingen vnd die obgnanten Guter zugescheiden haben, als uorgeschriben stet, ongeuerde […]. Vgl. Monumenta Zollerana, 5, hg. von Stillfried / Maercker, Nr. 264, S. 275. 177 Vgl. ein entsprechendes Verzeichnis aus dem Jahre 1392, StA Bamberg, GHAP Nr. 6448. 178 Vgl. Monumenta Zollerana, 8, hg. Grossmann / Scheins, Nr. 404, S. 288 f. 179 Die Herren von Brauneck unterhielten zu Lebzeiten wohl enge Beziehungen nach Nürnberg, wie mehrere begünstigende Akte für das Heiliggeist-Spital in Nürnberg aus der Mitte des 14. Jahrhunderts nahelegen, vgl. beispielsweise StadtA Nürnberg, A 1 Urkundenreihe, 1345 Februar 28; 1345 November 14; 1346 Januar 7; 1346 Februar 15; 1373 September 29/I; 1373 September 29/II. 180 StadtA Nürnberg, A 1 Urkundenreihe, 1390 Oktober 17. 181 StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof, Nr. 154, fol. 145r–151v. Ditz sind dy lehen der von Brawneck seligen, die dy Burggraven von Nüremberg hin gelihen haben, da mit dem Stift zu Bamberg ungutlichen geschiht wann ein Bischof zu Bamberg die leihen sol als dy Brief außweisen etc. Möglicherweise gab es auch in diesen Jahren offene Konflikte zwischen den Burggrafen und dem Bamberger Bischof, wie dieser Abschnitt nahelegt. Kurz nach der Erstellung dieser Abschrift erwirkten auch Nürnberger Lehnsleute eine neuerliche Bestätigung des Urteils des Landgerichts Nürnberg von 1390 zugunsten Nürnberger Bürger als Inhaber Brauneckscher Lehen, StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 17 (1420 Januar 9). Unter den Lehnsleuten befanden sich neben mehreren Bamberger Bürgern Vertreter unter anderem der Nürnberger Familien Behaim, Ebner, Führer, Fütterer, Groß, Holzschuher, Kreß, Nützel, Pfinzing, Tetzel, Tucher.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Noch im Jahre 1393 ist von mehreren Treffen zwischen den Streitparteien die Rede, die anscheinend erfolglos verliefen182. Im Jahre 1396 klagte der Bamberger Bischof vor dem königlichen Hofgericht auf Entschädigung wegen entgangener Brauneckscher Lehen, auf die er besser recht habe, weil schon Konrad von Brauneck diese von Bischof und Stift zu Bamberg zu Lehen gehabt habe; in diesem Zusammenhang suspendierte König Wenzel das Hofgericht von seiner Entscheidungskompetenz und verbot jede weitere Maßnahme in Sachen der Brauneckschen Lehen, bis der Streit zwischen den Lehnsherren mit dem rechten oder der mynne auszgetragen wirdet183. Noch in einer Klage des Bischofs von Bamberg gegen Burggraf Johann von Nürnberg aus dem Jahre 1406 findet sich die Frage der Brauneckschen Lehen als Streitpunkt aufgeführt184. Offenbar unternahmen jedoch in der Folgezeit weder der Bischof von Bamberg noch der von Würzburg weitere Schritte185. Eine endgültige Klärung der Rechtsverhältnisse gab es anscheinend nie186. Vielmehr hielt dieser unklare Rechtszustand zwischen den verschiedenen Herren bis weit ins 15. Jahrhundert an; noch Generationen später wurde Aftervasallen durch das Nürnberger Landgericht bestätigt, dass sie auf den Lehen sitzen bleiben sollten, bis der Streit der Lehnsherren beigelegt sei187. Für die Teile der Brauneckschen Lehen aber, die zuvor an Anna und Margarethe von Brauneck gelangt waren, gilt Folgendes: Margarethes von HohenloheBrauneck Gatte Heinrich von Schwarzburg-Wachsenburg starb wohl bereits im Jahre 1406188. In dritter Ehe heiratete sie dann vor dem 13. Juli 1417 Burggraf Johann III. von Magdeburg, Graf zu Hardegg189. Aus dieser Ehe ging Michael her 182
StA Bamberg, GHAP Nr. 1622. Monumenta Zollerana, 5, hg. von Stillfried / Maercker, Nr. 373, S. 370 f. Vgl. von Guttenberg, Bistum Bamberg (GS 2/1), S. 235. 184 Monumenta Zollerana, 6, von Stillfried / Maercker, Nr. 345, S. 348–355: Klage des Bischofs Albrecht von Bamberg gegen Burggraf Johann von Nürnberg, 1406 Juni 26; in den Klagepunkten findet sich: Zum ersten sein meinem herren von Bamberg vn dem Stift der von Brawnecke seligen lehen recht vnd redlichen ankumen vnd ledig worden, dorein fellet mein herre Burggraue Johans freuelich vnd meynet, die zu leihen, daz er doch dhein recht hat, vnd dringet die leute dorzu, daz sie die enpfahen müszen. 185 Twellenkamp, Burggrafen, S. 96 f. Bischof Gerhard von Würzburg, der aus dem Hause Schwarzburg stammte, könnte auf seinen durch die Heirat mit Margarethe von HohenloheBrauneck begünstigten Verwandten Graf Heinrich von Schwarzburg-Wachsenburg Rücksicht genommen haben. 186 Auch das Schiedsurteil zwischen dem Bamberger Bischof und den Burggrafen von Nürnberg aus dem Jahre 1408 klärte die gegenseitigen Ansprüche offensichtlich nicht, vgl. Looshorn, Bistum Bamberg, 4, S. 77 f. 187 Erneuerungen des Landgerichtsurteils von 1390 und Entscheidungen zugunsten Einzelner: StadtA Nürnberg, A 1 Urkundenreihe, 1393 Juli 10. StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 17 (1420 Januar 9). Das kaiserliche Landgericht fällte im Jahre 1393 auch für den Amtmann auf der Burg zu Nürnberg, der Braunecksche Lehen innehatte, ein Urteil gleichen Inhalts, StA Bamberg, GHAP Nr. 1622 (1393 November 13). 188 Europäische Stammtafeln, I,3, Tafel 314. 189 Europäische Stammtafeln, XVII, Tafel 5. Ebd., Bd. XIX: Zwischen Weser und Oder (Frankfurt a. M. 2000), Tafel 83. 183
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vor, der den Anteil seiner Mutter an den Brauneckschen Lehen erbte190. Diesen Teil verkaufte er am 13. Oktober 1448, nachdem er ihn zuvor anscheinend Konrad von Weinsberg zum Kauf angeboten hatte, der angesichts seiner schwierigen finanziellen Lage aber wohl die Kaufsumme nicht aufbringen konnte, im sogenannten Vertrag von Wien für 24.000 Gulden an Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg191. Weitere Urkunden aus der Folgezeit geben Aufschluss, dass die Vasallen an den Markgrafen gewiesen wurden192. So erhielten die Markgrafen von Brandenburg wohl vor allem die Reichslehen zurück, die im Vergleich von 1390 an Margarethe von Brauneck übergeben worden waren, sodass sie nun zumindest theoretisch wieder alle Brauneckschen Reichslehen in ihrer Hand vereinten193. Bei diesem Kauf erwarb Albrecht von Brandenburg insbesondere die sogenannten sechs Maindörfer: Gnodstadt, Martinsheim, Oberickelsheim, Obernbreit, Sickershausen und Steft. Die Markgrafen von Brandenburg hatten so am mittleren Main festen Fuß gefasst194. Neben der Pfandschaft Kitzingen im Jahre 1441 handelte es sich bei dem Kauf von 1448 um den einzigen dauerhaften territorialen Gewinn, den Markgraf Albrecht seinen Territorien in Franken während seiner gesamten Herrschaftszeit hinzufügen konnte195.
190 Vgl. zu ihm Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 245 f. Jüngst auch Holger Vogelmann, Burggraf Michael von Maidburg (†1483), Graf zu Hardegg am Hof Friedrichs III. Vorarbeiten zu einer Biographie, in: König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert, hg. von Franz Fuchs / Paul-Joachim Heinig / Jörg Schwarz (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 29, Köln / Weimar / Wien 2009), S. 59–73. 191 Vgl. Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 61, Anm. 10. Adolf Fischer, Geschichte des Hauses Hohenlohe, Teil 1 (Stuttgart 1866, ND Veröffentlichungen zur Orts geschichte und Heimatkunde in: Württembergisch Franken 2, Gerabronn 1991). Zu Michael vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 245. Fuhrmann, Konrad von Weinsberg (2004), S. 170. 192 StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 18a, Ratskanzlei, D-Laden, Akten, Nr. 1691. Vgl. Engel, Würzburg und Hohenlohe, S. 35. Ludwig von Eyb vermerkt in seinem „Stammund Ankunftsbuch des Burggrafthums Nürnberg“ zu diesem Kauf unter anderem, Markgraf Albrecht hat zu der herschafft kaufft: Brawneck, Creglingen vnd Erlach mit iren Zugehorungen von Graue Micheln von Maidburg, hern zu hardeck, vmb xxiiim gulden, nach weisung des kauffbriffs, des datum stet zu Wien an sand Colamstag, Anno domini MCCCXLViii Jare. Das Stamm- und Ankunftsbuch des Burggrafthums Nürnberg, hg. von Traugott Maercker (Berlin 1861), S. 42. 193 Nach StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 18a, Ratskanzlei, D-Laden, Akten, Nr. 1691, war Gegenstand des Kaufgeschäfts unser herrschafft Brauneck mit sambt seinen sloßen, stetten, dörffern, gerichten, lehenschefften, mannschefften, herrlichaiten, zinßen, gulten und allen seinen zu- und eingehorungen nichts außgenommen. So gelangte Markgraf Albrecht von Brandenburg mit dem Kauf wohl auch etwa an Lehen in der Wetterau, die er an Hans von Wallenstein verlieh, vgl. Die Geschichte des reichsständischen Hauses Ysenburg und Büdingen, von Gustav Simon, Bd. 3: Das Ysenburg und Büdingen’sche Urkundenbuch (Frankfurt a. M. 1865), Nr. 263, S. 266 f.; Nr. 266, S. 269. Siehe auch oben S. 251, Anm. 168. 194 Weber, Kitzingen, S. 50. 195 Schubert, Albrecht Achilles, S. 161.
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Die Unübersichtlichkeit und Unklarheit der Rechtsverhältnisse an den Lehen zeigt sich nicht nur dem heutigen Betrachter der Überlieferung, sondern wird – wie bereits angedeutet – vielfach schon zu den Konflikten um die Brauneckschen Lehen geführt haben. An diesen rechtlichen Unsicherheiten, insbesondere der Aftervasallen, hatte sich durch diesen Kauf gleichwohl nichts verändert, denn die Ansprüche der Bischöfe von Bamberg und Würzburg berührte die Regelung des Jahres 1448 nicht. Dieser Zustand blieb dann bis in die 60er Jahre des 15. Jahrhunderts bestehen. Mit zunehmender zeitlicher Entfernung vom Aussterben der Herren von Hohenlohe-Brauneck war die Frage, was sich hinter der Bezeichnung „Braunecksche Lehen“ verbarg, unklarer und komplizierter denn je. Während die nicht reichsunmittelbaren Lehen, die Anna von Brauneck und Konrad von Weinsberg hielten, wohl von diesem Streit unberührt blieben, waren es vor allem die Reichslehen – oder was man unter ihnen verstand –, die in der Folge zu weiteren Konflikten führen sollten196. Sie sind Gegenstand der folgenden Betrachtungen. 2. Der Ausgleich des Jahres 1466 a) Bischof Georg von Bamberg und Markgraf Albrecht von Brandenburg Nach Twellenkamp197 hatte der Bamberger Bischof – wie bereits oben erwähnt – nach der Außerkraftsetzung des Untersuchungsverfahrens durch König Wenzel im Jahre 1396 wahrscheinlich seine Ansprüche auf Teile der Brauneckschen Lehen fallen gelassen, weil ihm die Erfolgschancen zu niedrig schienen. Wie dem auch sei – in den späten 1450er und beginnenden 1460er Jahren wurden sie von Bamberger Seite erneut erhoben. Dies scheint im Zusammenhang mit anderen Irrungen zwischen Albrecht von Brandenburg und Bischof Georg von Bamberg geschehen zu sein198. Carl August Hugo Burkhardt trug in seiner Quellensammlung 196 Fuhrmann, Konrad von Weinsberg (2004), S. 170. Anna von Hohenlohe-Brauneck starb 1434, Konrad von Weinsberg im Jahre 1448, wenige Monate vor dem Verkauf der Brauneckschen Lehen an die brandenburgischen Markgrafen durch den Burggrafen von Magdeburg. Die übrigen Mitglieder des Hauses Hohenlohe erhoben in der Folge anscheinend keine Forderungen. Graf Gottfried von Hohenlohe befand sich im Umkreis Markgraf Friedrichs von Brandenburg in der Mark als dessen Rat, vgl. etwa GStA PK Berlin, VII. HA, Urkunden, Märkische Ortschaften, Beeskow-Storkow, Nr. 6: 1451 Dezember 1, Beeskow; ebd., Zichow, Nr. 1: 1456 August 14, Cölln an der Spree; jeweils als Zeuge. Vgl. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung, S. 41. Bei Gottfried handelte es sich um den Sohn von Kraft V., der im Jahre 1450 durch Friedrich III. zum Grafen erhoben worden war, vgl. Europäische Stammtafeln, XVII, Tafel 4. 197 Vgl. Twellenkamp, Burggrafen, S. 96. 198 Zu Bischof Georg I. von Bamberg vgl. Die Matrikel der Geistlichkeit des Bistums Bamberg 1400–1556, bearb. von Johannes Kist (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IV. Reihe: Matrikeln fränkischer Schulen und Stände 7, Würzburg 1965),
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den umfangreichen Briefwechsel des Bamberger Bischofs Georg mit Albrecht von Brandenburg seit 1460 zusammen, der über die Irrungen in jenen Jahren Auskunft gibt199. Die Ausdehnungsbemühungen des Markgrafen gegenüber seinen territorialen Nachbarn und die von diesen als Reaktion auf seine Politik geschlossenen Einungen waren ebenso ein Kennzeichen jener Tage wie die andauernden Auseinandersetzungen des Markgrafen mit den bayerischen Wittelsbachern, aus denen sich Bischof Georg von Bamberg nicht herauszuhalten vermochte200. Bei Verhandlungen im Jahre 1461 zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und Bischof Georg von Bamberg vor dem Bischof von Eichstätt spielte auch die Frage der Brauneckschen Lehen eine Rolle201. Diese Frage scheint allerdings im Laufe
Nr. 5286, S. 348. Ders., Fürst- und Erzbistum Bamberg. Leitfaden durch ihre Geschichte von 1007 bis 1960 (Bamberg 31962), S. 64 f. Ders., Das Bamberger Domkapitel von 1399 bis 1556. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Verfassung, seines Wirkens und seiner Mitglieder (Historisch-Diplomatische Forschungen 7, Weimar 1943), Nr. 178, S. 259 f. Looshorn, Bisthum Bamberg, 4, S. 300–338. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1096–1098, hier auch zu seinem Verhältnis zu Kaiser Friedrich III. Egon Johannes Greipl, Art. „Schaumberg, Georg von“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz (Berlin 2001), S. 620 f. von Guttenberg, Bistum Bamberg (GS 2/1), S. 261–267. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 42 f. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 315–330. Zum Bistum Bamberg in jenen Tagen vgl. Helmut Flachenecker, Bistum Bamberg, in: Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, hg. von Erwin Gatz (Freiburg i. Br. 2003), S. 70–81. Erich Frhr. von Guttenberg / Alfred Wendehorst, Das Bistum Bamberg. 2. Teil: Die Pfarreiorganisation (GS 2/1, Berlin 1966), S. 3–43. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1084–1098. Mit dem Bischof von Würzburg erzielte Bischof Georg von Bamberg im Jahre 1469 einen Ausgleich, vgl. Greipl, Georg von Schaumberg, S. 621. Das Bistum Bamberg hatte sich in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts in einer Zeit der Krise befunden; mit der Wahl Georgs von Schaumberg standen die Zeichen auf Besserung, vgl. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 23, 42 f. 199 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1510 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 255 (1460 März 27); fol. 264 (1460 April 13); fol. 270 (1460 April 19); fol. 271 (1460 April 21); fol. 272 (1460 April 22); fol. 274 (1460 April 25); fol. 277 (1460 April 30); fol. 282 (1460 Mai 5); fol. 286 (1460 Mai 16); fol. 287 (1460 Mai 18); fol. 288 (1460 Mai 20); fol. 290 (1460 Mai 23); fol. 291 (1460 Mai 25); fol. 295 (1460 Juni 15); fol. 326 (1460 September 10). Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1096 f. 200 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 42 f. Schon in den ersten Jahren seiner Regierung war Markgraf Albrecht militärisch gegen den Würzburger Bischof vorgegangen, vgl. ebd., S. 23. 201 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1511 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 344 (1461). StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105a, Beziehungen zu Benachbarten, A. Bamberger Bücher, Nr. 1, insbesondere fol. 1r, 2r, 8v, 13r, 16r. Daneben wurden in diesem Zusammenhang Streitigkeiten zu Geleit und Gericht sowie andere Gebrechen verhandelt. Auch in der Rother Richtung des Jahres 1460 ist von Streitigkeiten um Lehen die Rede, vgl. Willi Ulsamer, Die „Rother Richtung“ 1460, in: 900 Jahre Roth. FS zur 900-Jahr-Feier der Stadt Roth, hg. von Günther Rüger (Roth 1950), S. 103–154, hier S. 118. Vgl. auch GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E I 9, fol. 6. – Von den weiteren Beziehungen zeugen HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1511 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 348 (1461 Januar 2); fol. 349 (1461 Januar 2); fol. 361 (1461 April 12); fol. 364
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der Verhandlungen ausgeklammert worden zu sein; denn in der sogenannten „Erbfriedenseinung von Herzogenaurach“, mit der die Verhandlungen im Jahre 1464 beendet wurden, kommen die Brauneckschen Lehen nicht vor202. Vielmehr scheint es einen gesonderten Vertrag gegeben zu haben, wie sich aus einem Gebotsbrief des Markgrafen und des Bischofs von Bamberg aus dem Jahre 1466 an die Lehnsleute ergibt, mit dem ihnen die Einigung und die weiteren Schritte verkündet wurden203. Demnach sind drei Gruppen von Lehen zu unterscheiden. Zum einen gab es Lehen, die seither der Markgraf von Brandenburg, zum anderen solche, die der Bamberger Bischof verliehen hatten. Diese Lehen waren unstrittig und sollten auch zukünftig von den jeweiligen Herren verliehen werden. Die dritte Gruppe bildeten die unempfangen oder verlaßen Lehen. Hierbei handelt es sich um solche Lehen, die zwischen dem Bamberger Bischof und dem Markgrafen strittig waren. Sie waren ganz offensichtlich mit jenen identisch, für die Nürnberger Bürger Ende des 14. Jahrhunderts vor dem Landgericht Nürnberg hatten feststellen lassen, dass sie bis zu einer Klärung der Lehnsherreneigenschaft auf ihnen frei und unbelehnt sitzen bleiben dürften204. Mit diesen strittigen Lehen
(1461 April 28); fol. 368 (1461 April 29); fol. 371 (1461 Mai 8); fol. 378 (1461 Juni 8); fol. 536 (1461 Dezember 12); fol. 562 (1462); fol. 564 (1462 Januar 23); fol. 569 (1462 Januar 24); fol. 570 (1462 Januar 29); fol. 574 (1462 Januar 29); fol. 578 (1462 Februar 4); fol. 580 (1462 Februar 10); fol. 581 (1462 Februar 10); fol. 582 (1462 Februar 11); fol. 587 (1462 Februar 21); fol. 588 (1462 Februar 21); fol. 604 (1462 März 19); fol. 608 (1462 März 21); fol. 609 (1462 März 26); fol. 611 (1462 März 30); fol. 629 (1462 April 25); fol. 630 (1462 April 26); fol. 633 (1462 Mai 2); fol. 638 (1462 Mai 7); fol. 639 (1462 Mai 7); fol. 641 (1462 Mai 10); fol. 642 (1462 Mai 11); fol. 643 (1462 Mai 12); fol. 644 (1462 Mai 15); fol. 647 (1462 Juni 5); fol. 649 (1462 Mai 28); fol. 651 (1462 Juni 5); fol. 652 (1462 Juni 6); fol. 654 (1462 Juni 8); fol. 672 (1462 Juli 4); fol. 674 (1462 Juli 6); fol. 678 (1462 Juli 16); fol. 682 (1462 Juli 22); fol. 683 (1462 Juli 23). Ebd., F 1512 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 705 (1462 August 22); fol. 774 (1462 Anfang August). Ebenso zahlreiche Schreiben aus den Jahren 1463 und 1464, vgl. ebd., fol. 827 (1463); fol. 835 (1463 Anf. Januar); fol. 836 (1463 Januar 3); fol. 842 (1464 Januar 8); fol. 845 (1464 Januar 12); fol. 849 (1464 Januar 31); fol. 850 (1464 Januar 31); fol. 853 (1464 Februar 13). 202 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105a, Beziehungen zu Benachbarten, A. Bamberger Bücher, Nr. 1, fol. 21r–23v (1464 Juni 27). Dieser Vertrag wurde am 2. Oktober 1475 durch den Nachfolger Bischof Georgs, Bischof Philipp, erneuert, vgl. ebd., fol. 20v. Vgl. Kist, Fürst- und Erzbistum Bamberg, S. 64. Der Kurswechsel Bischof Georgs von Bamberg hatte sich erst durch die Opposition des Bamberger Domkapitels im Jahre 1464 ergeben, vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1096. Zu beachten ist allerdings auch, dass im Zusammenhang mit einem Vertrag vom Dezember 1462 zwischen Albrecht von Brandenburg und dem Bischof von Bamberg unter gebrechen, so im frid sich sollen begeben haben, von den Brauneckschen Lehen keine Rede ist, vgl. StA Bamberg, GHAP Nr. 4578 (1462 Dezember 9). Sie müssen also nach 1461 komplett von den übrigen Streitpunkten gesondert behandelt worden sein. Auch in GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E I 10, konnte nichts zu den Brauneckschen Lehen ermittelt werden. 203 StadtA Nürnberg, E 56/III Ebner / Akten, Nr. 218 (zwei vidimierte Abschriften aus dem Jahre 1653). Vgl. Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 224. 204 Siehe hierzu im Einzelnen oben S. 253 f.
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belehnten Markgraf Albrecht und Bischof Georg nun den markgräflichen Rat und fränkischen Niederadligen Ludwig von Eyb (den Älteren)205. Ebenso wurde die männliche Erbfolge in diesen Lehen für Eybs Nachkommen festgelegt. Allerdings bestand anscheinend über die Lehen und ihre Lage sowie ihren genauen Umfang Unklarheit, denn Ludwig erhielt nach Ausweis dieses Dokuments den Auftrag, die Brauneckschen Lehen, mit denen er belehnt worden war, erst zu erforschen und dann an die jeweiligen Inhaber als Afterlehen auszugeben206. Der Vertrag von 1466 beendete, formal betrachtet, die „Übergangsregelung“ des landgerichtlichen Urteils von 1390, denn der Streit um die Brauneckschen Lehen zwischen den Lehnsherren war damit beigelegt207. b) Netzwerkkonstellationen um die Einigung von 1466 Zum Verständnis der Entwicklungen des Jahres 1466, vor allem der gemeinschaftlichen Belehnung Ludwigs von Eyb durch den Bischof von Bamberg und den Markgrafen von Brandenburg, können die verschiedenen Netzwerkkonstellationen, in die die Beteiligten eingebunden waren, beitragen. Die Familie von Eyb, jener fränkische „Clan“208, stand nicht nur weit verzweigt mit dem bereits vielfach erwähnten Rat Ludwig dem Älteren im Dienste des Markgrafen und späteren Kurfürsten, sondern erlangte auch durch Persönlichkeiten wie den Früh
205 Zu Ludwig von Eyb vgl. Ferdinand Koeppel / Günther Schuhmann, Ludwig von Eyb der Ältere, in: Fränkische Lebensbilder. Neue Folge der Lebensläufe aus Franken, Bd. 2 (Ver öffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe VII, A, Würzburg 1968), S. 177–192. Schuhmann, Eyb, Ludwig (NDB), S. 706 f. Thumser, Chronist und ritterlicher Bürokrat. Ders., Einleitung, in: Ludwig von Eyb der Ältere (1417–1502). Schriften. Denkwürdigkeiten, Gültbuch, Briefe an Kurfürst Albrecht Achilles 1473/1474, Mein Buch, hg. von Matthias Thumser (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. I. Reihe: Fränkische Chroniken 6, Neustadt a.d.A. 2002), S. 11–35, hier S. 11–13. Von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 90–107. F[elix] Escher, Art. „Eyb, Ludwig von, der Ältere, politischer Schriftsteller (1417–1502)“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp. 188 f. W[ilhelm] Vogel, Art. „Eyb, Ludwig der Ältere von“, in: ADB 6 (1877), S. 449–451. Helgard Ulmschneider, Art. „Ludwig von Eyb d. Ä, zu Eybburg“, in: Verf.-Lex. 5 (²1985), Sp. 997–1006. Rabeler, Niederadlige Lebensformen, S. 51–64. Immer noch den umfangreichsten Einblick bietet Werminghoff, Ludwig von Eyb. Rudolf Frhr. von Stillfried / Siegfried Haenle, Das Buch vom Schwanenorden. Ein Beitrag zu den Hohenzollerischen Forschungen (Berlin 1881), S. 148 f. Jüngster Überblick Mario Müller, Art. „Ludwig von Eyb d. Ä.“, in: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes 7 (²2010), S. 545–547. 206 Codex probationum diplomaticus, Nr. 82. Vgl. von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 94. 207 Siehe oben S. 250 ff. 208 Schneider, Niederadel, S. 423. Vgl. außerdem Markus Frankl, Würzburger Vasallen und Diener im Hohenzollerischen Schwanenorden. Adel zwischen Hochstift Würzburg und Markgraftum Ansbach, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 61 (2009), S. 94–127, hier S. 114–116. Zur Familie insgesamt auch Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 15–57.
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humanisten Albrecht von Eyb weite Bekanntheit209. Im Falle Ludwigs von Eyb ist von der Forschung bisher vornehmlich sein sehr enges Verhältnis zu den Markgrafen von Brandenburg betont worden. Für drei Generationen von ihnen war er als Rat tätig, als solcher gab er der ansbachischen Verwaltungsorganisation wesentliche Impulse zu ihrer Umstrukturierung und Neuformierung, gleichzeitig war er den Markgrafen als Lehnsnehmer verbunden, ebenso agierte er als Feldhauptmann in regionalen Konflikten und wurde in den 80er Jahren schließlich mit dem Erbkämmereramt der Burggrafschaft Nürnberg sowie der Hauptmannschaft des fränkischen Zweiges des brandenburgischen Schwanenordens belohnt210. Thumser211 stellte zusammenfassend über die Bedeutung Ludwigs von Eyb am Hof in Ansbach treffend fest: „Eyb war eine Instanz für sich.“ Wiederholt wurde daneben unterstrichen, dass Ludwig von Eyb auch in Diensten des Bischofs von Eichstätt stand, nicht zuletzt als Pfleger zu Arberg212. Weniger aber wurden bisher seine Verbindungen nach Bamberg betrachtet213. Zunächst ist festzustellen, dass Ludwig von Eyb selbst Lehen der Dompropstei zu Bamberg besaß214. Daneben sind die familiären Netzwerkstrukturen der von Eyb in das Bistum Bamberg zu betrachten, die sich seit den 60er Jahren des 15. Jahrhunderts deutlich erkennen lassen. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang ein Schreiben Albrechts von Brandenburg an den Bamberger Dompropst Albrecht Graf zu Wertheim, an Dekan Hertnidt vom Stein und an das gesamte Domkapitel zu Bamberg aus dem Jahre 1462215. Darin schreibt der Markgraf, sein Rat Ludwig von Eyb habe ihm berichtet, er möchte demnächst seinen Sohn an das 209 Vgl. Max Herrmann, Albrecht von Eyb und die Frühzeit des deutschen Humanismus (Berlin 1893). Heinrich Grimm, Art. „Eyb, Albrecht von“, in: NDB 4 (1959), S. 705 f. Johannes Madey, Art. „Eyb, Albrecht v.“, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 16 (1999), Sp. 474. Kist, Bamberger Domkapitel, Nr. 47, S. 173–175. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 1305, S. 92. Zu Leben und Wirken von Anselm von Eyb außerdem Matthias Thumser, Albrecht von Eyb und seine Eheschriften. Humanistische Wissenstransformation, in: MJb 44 (2009), S. 485–517, insbesondere S. 486 f. Eckhard Bernstein / Ursula Kocher, Art. „Albrecht von Eyb“, in: Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes 1 (²2008), S. 79 f. 210 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 25. Schuhmann, Eyb, Ludwig (NDB), S. 707. 211 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 25. 212 Vgl. Koeppel / Schuhmann, Ludwig von Eyb, S. 179. Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 233–239. Die personalen Verflechtungen nach Eichstätt untersucht auch Rabeler, Niederadlige Lebensformen, S. 39–44. Daneben bestanden auch Lehnsverbindungen zum Bischof von Würzburg, vgl. von Eyb, Ludwig von Eyb, S. 93. 213 Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 240, geht nur sehr spärlich auf diese Verbindungen ein. 214 Ebd. Ob er auch bambergischer Kämmerer war, wie Koeppel / Schuhmann, Ludwig von Eyb, S. 186, meint, ist bislang an den Quellen nicht zu belegen; insbesondere das von ihm geführte „Gültbuch“ kennt keine Einkünfte zu diesem Amt, vgl. Ludwig von Eyb, Gültbuch, in: Ludwig von Eyb der Ältere (1417–1502). Schriften. Denkwürdigkeiten, Gültbuch, Briefe an Kurfürst Albrecht Achilles 1473/1474, Mein Buch, hg. von Matthias Thumser (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. I. Reihe: Fränkische Chroniken 6, Neustadt a.d.A. 2002), S. 117–153. 215 Vgl. von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 93.
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Stift bringen. Auf Seiten des Stiftes bestünden aber Zweifel, dass bei des Sohnes Mutter die Geschlechter Adelmann und Steußling von Adel, Ritter und Stiftsgenossen seien; dies bestätigte er216. Dabei handelte es sich offensichtlich nicht um die übliche Ahnenprobe, mit der ein Kandidat seit der wohl in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts in Bamberg eingeführten ständischen Beschränkung seine Abkunft von zwei adligen Elternteilen nachweisen musste; vielmehr ging es anscheinend um die Klärung eines Zweifelsfalls217. Nachdem bereits Albrecht von Eyb218, jener erwähnte Frühhumanist und ältere Bruder Ludwigs des Älteren sowie Studienkollege Hertnidts vom Stein in Erfurt – letzterer nun schon Domdekan in Bamberg219 –, 1449 ein Domkanonikat und im Jahre 1459 die Domscholasterie in Bamberg erhalten hatte, handelte es sich hierbei um Ludwigs von Eyb ältesten Sohn Anselm. Dieser wurde tatsächlich bereits am 11. Juni 1462 Domherr in Bamberg, verzichtete aber schon zu Beginn des Jahres 1467 wieder auf sein Kanonikat220, das dann seinem jüngeren Bruder übertragen wurde, dem späteren Eichstätter Bischof Gabriel von Eyb221. Dabei war es dieser Gabriel von Eyb, dem sein 216
Offensichtlich in demselben Kontext entstand das Schreiben des Grafen Wilhelm zu Öttingen für den Sohn Ludwigs von Eyb vom 16. Juni 1462, in dem es um die „Ahnen des Sohnes des Ludwig von Eyb von der Mutter Seite“ geht, vgl. von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 126. Das Geschlecht der Adelmann von Adelmannsfelden. Stamm-Tafeln in Listenform zusammengestellt von Georg Sigmund Graf Adelmann von Adelmannsfelden (Ellwangen 1948), Nr. 40, S. 9. Ferner Theodor Neuhofer, Gabriel von Eyb. Fürstbischof von Eichstätt 1455–1535. Ein Lebensbild aus der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit (Eichstätt 1934), S. 2. 217 Cord Ulrichs, Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft. Strukturen des fränkischen Niederadels am Übergang vom späten Mittelalter zur frühen Neuzeit (Vierteljahrschrift für Sozialund Wirtschaftsgeschichte. Beiheft 134, Stuttgart 1997), S. 108. 218 Vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 1305, S. 92. Zu seiner Tätigkeit in jenen Jahren vgl. Herrmann, Albrecht von Eyb, S. 215–265. 219 Vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 6034, S. 396. Er war bereits seit 1459 Domdekan. 220 Vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 1306, S. 92. Ders., Bamberger Dom kapitel, Nr. 48, S. 175. Ferner Repertorium Germanicum, Bd. IX: Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten Pauls II. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien 1464–1471, bearb. von Hubert Höing / Heiko Leerhoff / Michael Reimann, 1. Teil: Text (Tübingen 2000), Nr. 264, S. 42 f. Außerdem Helgard Ulmschneider, Art. „Anselm von Eyb“, in: Verf.-Lex. 1 (²1978), Sp. 381 f. Von Stillfried / Haenle, Schwanenorden, S. 147. Regina Birkmeyer, Anselm von Eyb: Pilgerbuch (1468), in: Eberhard im Bart und die Wallfahrt nach Jerusalem im späten Mittelalter, hg. von Gerhard Faix / Folker Reichert (Lebendige Vergangenheit. Zeugnisse und Erinnerungen. Schriftenreihe des Württembergischen Geschichts- und Altertumsvereins 20, Stuttgart 1998), S. 173–201, hier S. 173–177. 221 Vgl. Neuhofer, Fürstbischof, S. 4. Es handelte sich um die Präbende des resignierten Heinrich Schott. Vgl. außerdem Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 1307, S. 92 f. Kist, Bamberger Domkapitel, Nr. 49, S. 175 f. Theodor Neuhofer, Art. „Gabriel von Eyb“, in: NDB 6 (1964), S. 9. Repertorium Germanicum IX/1, bearb. Höing / Leerhoff / Reimann, Nr. 1357, S. 211. Alois Schmid, Art. „Eyb, Gabriel von (1455–1535). 1496–1535 Bischof von Eichstätt“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz (Berlin 2001), S. 171–173. Klaus Kreitmeir, Die Bischöfe von Eichstätt (Eichstätt 1992), S. 66–69.
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Vater wohl schon im Jahre 1460 – Gabriel war zu diesem Zeitpunkt erst fünf Jahre alt – die Anwartschaft auf ein Eichstätter Kanonikat, mit dem auch das Domkantorat verbunden war, verschafft hatte222. Er behielt dieses Eichstätter Kanonikat bis 1515 bei, also bis weit in seine Zeit als Eichstätter Bischof223. Schon Werminghoff224 vermochte nicht zu erklären, warum Anselm von Eyb im Jahre 1467 auf sein Kanonikat verzichtete. Allerdings nahm er an, dass es sich bei der Pfründe eher um eine bequeme Einnahmequelle handelte und die Bepfründung weniger den Beginn einer ambitionierten geistlichen Karriere darstellte, zumal es sich bei Anselm von Eyb um den ältesten Sohn Ludwigs handelte. Andererseits wies Werminghoff auch darauf hin, dass entgegen lang geübter familiärer Tradition der Eyb nicht der älteste Sohn, sondern sein jüngerer Bruder den Namen Ludwig erhielt, was darauf hindeuten könnte, dass Anselm von Eyb für eine geistliche Laufbahn bestimmt war. Bezieht man das bisher zu den Brauneckschen Lehen Festgestellte auf den Kanonikatswechsel des Jahres 1467, so ist seine zeitliche Nähe zum Vertrag Albrechts von Brandenburg mit Bischof Georg von Bamberg zu erkennen, den Vater Ludwig von Eyb besonders begünstigte. Es könnte somit angenommen werden, dass Ludwig von Eyb in den frühen 60er Jahren zwei seiner Söhne neben dem bereits dem Domkapitel angehörenden Albrecht von Eyb in Bamberg in Stellung zu bringen versuchte, um mit ihrer Hilfe seine Interessen durchzusetzen. Als diese Interessen durchgesetzt schienen, wurde einer seiner Söhne, und zwar der älteste, wieder von diesen Diensten abgezogen, um anschließend andere Aufgaben zu übernehmen. Dass Markgraf Albrecht von Brandenburg durchaus aktiv die Positionierung von Mitgliedern der Familie von Eyb in wichtigen Positionen der benachbarten Bistümer betrieb, verdeutlicht der Versuch Albrechts von Eyb im Jahre 1461, mit Unterstützung des Markgrafen eine der bedeutendsten Pfründen des Würzburger Bistums, die Pfarrei Haßfurt, zu erhalten225. Nach dem Scheitern dieses Versuchs gelang kurz darauf die Übertragung des Würzburger Archidiakonats Iphofen; bei dem Versuch, den Archidiakonat einzunehmen, wurde er jedoch von würzbur gischen Konkurrenten, insbesondere dem Würzburger Generalvikar Georg von Ellrichshausen, gefangen gesetzt und erst nach entschiedener Intervention Ludwigs von Eyb, des Markgrafen und des Bamberger Bischofs sowie nach einem Verfahren vor dem Würzburger Bischof und nach Zahlung eines hohen Lösegeldes 222
Neuhofer, Fürstbischof, S. 4. In der „niederadligen Phase“ der Besetzung des Bamberger Domkapitels bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts hinein haben nach den Schaumberg mit zehn sowie den Redwitz mit sechs die Eyb die meisten Vertreter im Domkapitel (fünf Familienmitglieder), vgl. Ulrichs, Lehnhof, S. 110. 223 Neuhofer, Fürstbischof, S. 4. 224 Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 43. 225 Herrmann, Albrecht von Eyb, S. 235–240. Repertorium Germanicum, Bd. VIII: Verzeichnis der in den Registern und Kameralakten Pius’ II. vorkommenden Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien 1458–1464, 1. Teil: Text, bearb. von Dieter Brosius / Ulrich Scheschkewitz (Tübingen 1993), Nr. 86, S. 12 f.
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wieder freigelassen226. Obwohl auch anschließende Bemühungen, sogar unter kaiserlicher und päpstlicher Unterstützung, scheiterten, werden hieran doch die engen Interessenverflechtungen zwischen dem Markgrafen und den von Eyb umso deutlicher227. Albrecht von Eyb dürfte auch im Jahre 1460 in Bamberg „verdeckt“ Interessen des Markgrafen vertreten haben, wie er in einem seiner Briefe andeutet – und in markgräflichen Schreiben wird er gar als sein rat bezeichnet228. Seit 1459 hielt er sich außerdem neben seinem Lebensmittelpunkt in Eichstätt auch in Bamberg auf, wo sein literarisches Werk im Wesentlichen entstand229. Somit könnte für die frühen 1460er Jahre vom Aufbau eines Netzwerks der Familie von Eyb in wichtige Positionen des Bistums Bamberg hinein gesprochen werden, um eigene Familien- und markgräfliche Interessen zu verfolgen. Dabei half der Herr Ludwigs von Eyb, Markgraf Albrecht von Brandenburg, der gleichzeitig eigene Interessen gegenüber dem Bamberger Bischof hatte. Die personalen Verflechtungen der von Eyb mit dem Bistum Bamberg können noch weiter verfolgt werden. Während nämlich die eben genannten Vertreter sämtlich aus der Linie Ludwigs IV. von Eyb (1390–1438) stammten, saß mit Johann von Eyb ein weiteres Familienmitglied, allerdings aus der Linie Martins I. (1379–1450), im Bamberger Domkapitel230. Wie auch für andere Vertreter der Familie zu beobachten, hatte Johann weitere Domkanonikate in Würzburg und Eichstätt, außerdem die Stiftspropsteien von St. Gumbert in Ansbach und in Spalt inne231. In Bamberg war er Domkellner, Domkantor und zeitweise Domscholaster232. Will man seinen Einfluss innerhalb des Bamberger Bistums ermessen, so ist auf einen Konflikt um die Dompropstei aus dem Ende der 1440er Jahre zu blicken. Johann geriet mit Georg von Schaumberg, dem späteren Bischof Georg I., in Streit, der das Amt des Dompropstes bereits seit 1446 für den erkrankten Martin von Lichtenstein vertreten hatte233. Ein Teil des Domkapitels wählte noch zu Lebzeiten des kranken Inhabers Johann von Eyb zum Nachfolger, wogegen Georg von 226
Herrmann, Albrecht von Eyb, S. 240–247. Grimm, Albrecht von Eyb, S. 705. Herrmann, Albrecht von Eyb, S. 247–257. 228 Ebd., S. 234, 244. Dass er im Jahre 1466 dann doch den Titel eines Würzburger Archidiakons errang, lag an seiner Tätigkeit als Rechtsgelehrter in „Scheidungssachen“, vgl. Grimm, Albrecht von Eyb, S. 705. Thumser, Albrecht von Eyb, S. 487, bezeichnete ihn eher als „Durchschnittsgeistlichen“. Weitere Familienmitglieder befanden sich in den Diensten Markgraf Albrechts von Brandenburg, nicht zuletzt Martin I. von Eyb (1379–1450) sowie sein Sohn Martin II. (gest. 1492), beide als Räte des Markgrafen. Vgl. zu ihnen von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 60–67, 84–87. 229 Thumser, Albrecht von Eyb, S. 487. 230 Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 1308, S. 93. Ders., Bamberger Domkapitel, Nr. 50, S. 176 f. von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 72–77. 231 Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 1308, S. 93. Ders., Bamberger Domkapitel, Nr. 50, S. 176. 232 Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 1308, S. 93. 233 Looshorn, Bistum Bamberg, 4, S. 257–259. Volker Frhr. von Eyb, Ludwig von Eyb und die friedliche Streiterledigung unter territorialen Reichsstädten zu Ausgang des Mittelalters (Diss. jur. Würzburg 1973), S. 74. 227
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Schaumberg mit päpstlicher Unterstützung protestierte. Georg setzte sich schließlich im Jahre 1449 gegen Johann von Eyb durch234. Vor allem wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung überragte die Dompropstei so gut wie alle anderen Kirchenämter des Bistums und setzte ihre Inhaber – wie auch in anderen Bistümern zu beobachten235 – bisweilen in den Stand, sich ernsthaft um das Bischofsamt zu bewerben236. Dass auch die Mitglieder der Familie von Eyb Ambitionen hatten, bis auf den Bischofsstuhl vorzudringen, verdeutlicht Gabriel von Eyb, der Ende des 15. Jahrhunderts Bischof von Eichstätt wurde. Auch für Johann von Eyb kann aktives Eintreten im Sinne familiärer Interessen nachgewiesen werden. Er hatte nämlich bereits im Jahre 1449 nachdrücklich zugunsten seines Vetters Albrecht von Eyb interveniert, um diesem eine durch den Tod Johann Neustetters frei gewordene Bamberger Pfründe zu verschaffen, die er dann tatsächlich auch erhielt. Johann übertrug sie ihm, während Georg von Schaumberg in seiner Eigenschaft als Verweser der Dompropstei sie an Hans von Würzburg verlieh237. Nachdem eine Klage vor dem bischöflichen Gericht abgewiesen worden war und durch eine päpstliche Entscheidung bestätigt, konnte Johann von Eyb seine Interessen und die seiner Familie schließlich durchsetzen238. Er starb im Jahre 1468. Zumindest in den sechziger Jahren, also als Ludwig von Eyb mit Teilen der Brauneckschen Lehen von Markgraf Albrecht von Brandenburg und Bischof Georg von Bamberg gemeinschaftlich belehnt wurde, befanden sich von seiner Familie mit Albrecht, Anselm, Gabriel und Johann somit zeitgleich drei, insgesamt gar vier Vertreter in wichtigen Positionen des Bamberger Bistums, die sich für die Verfolgung familiärer wie markgräflicher Interessen eigneten. Dabei hatte sich offensichtlich auch der Markgraf intensiv bemüht, bei der Positionierung von Familienmitgliedern der von Eyb im Bamberger Bistum behilflich zu sein. Angesichts der Frage der Brauneckschen Lehen standen hinter diesen personalen Netzwerkverbindungen sowohl familiäre Interessen der von Eyb als auch solche des Markgrafen; Interessenüberschneidung bedingte hier gemeinsames Handeln. Betrachtet man die personellen Verflechtungen auf der Ebene der brandenburgischen Räte mit Bamberg weiter, so ist auch Hertnidt vom Stein in den Blick zu nehmen. Denn eigentlich war er der privilegierte Verbindungsmann zwischen dem Bamberger Bischof und dem Markgrafen, denn er war seit Ende der 1450er Jahre Bamberger Domdekan und Rat Albrechts von Brandenburg zugleich239. Er 234
Looshorn, Bistum Bamberg, 4, S. 259. Kist, Bamberger Domkapitel, S. 11 f. Holbach, Stiftsgeistlichkeit, S. 246. 236 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 109. 237 von Eyb, Ludwig von Eyb, S. 74. 238 Ebd. Zum engen Verhältnis von Johannes und Albrecht von Eyb vgl. auch Hermann, Albrecht von Eyb, S. 13–15. 239 Vgl. zu ihm in diesen Jahren: Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 108–120. Ders., Hertnidt vom Stein, in: Fränkische Lebensbilder. Neue Folge der Lebensläufe aus Franken, Bd. 15 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe VII A, Würz 235
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wechselte zwischen diesen beiden Polen, mehrfach brach er mit seinen jeweiligen Tätigkeiten240. In den sechziger Jahren war er gleichzeitig in Angelegenheiten für beide Herren im Einsatz; ebenso verfolgte er eigene Interessen, nicht zuletzt zur Verbesserung seiner eigenen Einkommenssituation, wobei er rasch das für ihn wohl realistischerweise Mögliche erreichte241. Gleichzeitig unterhielt Hertnidt vom Stein enge Beziehungen zu den von Eyb, auf die teilweise bereits eingegangen wurde. So war er nicht nur Studienkollege Albrechts von Eyb, sondern dominierte seit der Mitte der 50er Jahre des 15. Jahrhunderts gemeinsam mit Ludwig von Eyb dem Älteren den Ansbacher Hof als Rat des Markgrafen, und zwar vom Stein zunächst in der markgräflichen Kanzlei, von Eyb zunächst als Hofmeister der Markgräfin, später als Hausvogt242. Dabei waren es insbesondere ihre zahlreichen gemeinsamen, in dieser Studie bereits an anderer Stelle243 ausführlich dargestellten Verhandlungsmissionen, die von einem besonders engen Verhältnis der beiden zeugen. Stein war es dann auch, der nach dem Tode des Domherrn Johann von Eyb im Jahre 1468 von diesem die Bamberger Domkellnerei übernahm244. Im Übrigen hatten vom Steins Eintritt in das Bamberger Domkapitel im Jahre 1459 burg 1993), S. 1–16, hier S. 6–14. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 6034, S. 396. Stein war im Jahre 1459 mit dem Erhalt eines Domkanonikats auch Domdekan geworden. Neben Stein unterhielt auch der brandenburgische Rat Peter Knorr Beziehungen nach Bamberg, die jedoch wohl keine vergleichbare Intensität erlangten. Schon vor seiner Weihe hatte er die Stiftsscholasterie an St. Gumbert in Ansbach inne, die er wohl durch die Gunst Markgraf Albrechts von Brandenburg erhalten hatte. Im Jahre 1468 wurde er als Nachfolger Johanns von Eyb Stiftspropst; später hatte er eine Anwartschaft unter anderem auf eine Pfründe im Bamberger Bistum; 1449 wurde Knorr das Kanonikat bei St. Stephan in Bamberg übertragen; im Jahre 1454 erhielt er in Bamberg die Priesterweihe. Knorr war es auch, der unter anderem gemeinsam mit Ludwig von Eyb für Markgraf Albrecht von Brandenburg unter anderem das Patronatsrecht auf die Propstei St. Gumbert in Ansbach zurückzugewinnen versuchte, das dieser gegen den Würzburger Bischof in der Rother Richtung verloren hatte; in diesem Zusammenhang hatte der Markgraf auch das ursprüngliche Präsentationsrecht des Würzburger Domkapitels wieder anzuerkennen; siehe hierzu auch unten S. 289. Vgl. Johannes Kist, Peter Knorr, in: Fränkische Lebensbilder. Neue Folge der Lebensläufe aus Franken, Bd. 2 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe VII, A, Würzburg 1968), S. 159–176, hier S. 159–165; Frankl, Würzburger Vasallen, S. 116. Zu Knorrs Verbindungen nach Nürnberg siehe auch weiter unten S. 433 f. 240 So lässt sich mit Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), sein Leben in Phasen einteilen, in denen er bei seiner Tätigkeit für den Markgrafen beziehungsweise im Bamberger Bistum unterschiedliche Intensität entwickelte. Demnach sind zu unterscheiden: 1454–1459 Dienste für Markgraf Albrecht von Brandenburg; 1459–1463, „Neubeginn als geistlicher Würden träger“; 1463–1466 politische Aufgaben als Rat und Diener des Markgrafen, ebenso in kirchenpolitischen Fragen; hier insbesondere Gesandtschaftsmissionen zum Kaiser und nach Rom, vgl. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 72–107; 1467–1474 zeitweiliger Rückzug in den geistlichen Bereich. 241 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 81–85. 242 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 25. Ders., Einleitung, in: Ludwig von Eyb. Schriften, hg. dems., S. 11–35, hier S. 11. 243 Siehe zu ihren Gesandtschaftsmissionen oben S. 137 ff. 244 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 96. Zu seinem „Pfründensystem“ vgl. ebd., S. 97. Ein „Pfründenjäger“, so Thumser, sei Stein jedoch nie gewesen, vgl. ebd., S. 99.
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und gleichzeitige Übernahme des Domdekanats wahrscheinlich ohne Zutun, möglicherweise gar ohne Wissen Markgraf Albrechts von Brandenburg stattgefunden, wobei der von diesem unterstützte Johann von Eyb bei der Besetzung von Schlüsselpositionen des Bistums nach dem Tod Bischof Antons von Bamberg erneut leer ausging245. Während der gescheiterte Versuch Johanns von Eyb zeigt, wie sehr sich der Markgraf für die Platzierung der von Eyb innerhalb des Bamberger Dom kapitels einsetzte, wird in von Steins Wirken deutlich, dass er bei der Betrachtung der Beziehungen des Markgrafen sowie der Familie von Eyb zu Bischof und Bistum von Bamberg stets zu berücksichtigen ist, ebenso dass er durchaus eigene Ziele auf beiden Seiten verfolgte. Er kann als einer derjenigen angesehen werden, die prädestiniert waren, in den Netzwerken zwischen Brandenburg und Bamberg für die Ziele Ludwigs von Eyb in Sachen Braunecksche Lehen zu werben. Ein aktives Eintreten für die von Eyb in Bamberg in dieser Frage ergibt sich aus der Überlieferung allerdings nicht. Dieser Befund ist wohl kein Zufall der Überlieferung, sondern wahrscheinlich verboten zumindest bis 1464 die Irrungen zwischen dem Bamberger Bischof und dem Markgrafen ein aktives Eintreten für seinen Freund und Kollegen Ludwig von Eyb in der Sache der Brauneckschen Lehen246. In einem Ereignis des Jahres 1463 findet sich jedoch noch ein eher indirekter Zusammenhang zwischen Ludwig von Eyb und Hertnidt vom Stein mit Hinweis auf die Brauneckschen Lehen, der das Bild der Verflechtungen zu komplettieren scheint. Im Oktober desselben Jahres nämlich wurde in Anwesenheit unter anderem von Hertnidt vom Stein eine Eheabrede zwischen Ludwig von Eyb und Hans von Schaumberg, Hofmeister des Eichstätter Bischofs, vor Bischof Johann von Eichstätt für Ludwigs von Eyb damals erst neunjährige Tochter Margarethe und Hans’ von Schaumberg Sohn Georg getroffen247. Bei Georg von Schaumberg handelte es sich um den ältesten Sohn von Hans von Schaumberg und der Agnes Marschalk von Schney248. Hans von Schaumberg war in den 1460er Jahren darüber hinaus an der Seite Hertnidts vom Stein für Markgraf Albrecht von Brandenburg politisch tätig249. Auch Hertnidt vom Stein wird somit nach 1464 wohl im Rahmen seiner Möglichkeiten im Sinne Ludwigs von Eyb gehandelt und 245
Vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 6034, S. 396. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 40 f. 246 Vgl. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 43. 247 Von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 148. Seine älteste Tochter Barbara (1442–1508) hatte bereits im Jahre 1461 Sigmund von Lentersheim geheiratet, vgl. ebd., S. 126. Zu dieser Abrede auch Rabeler, Niederadlige Lebensformen, S. 37 f. Neben Hertnidt vom Stein waren Wilhelm von Reichenau, Dompropst zu Eichstätt, und Hans von Seckendorff, eichstättischer Pfleger zu Wahrberg, beteiligt. 248 Neuaufstellungen der Stammtafeln des Geschlechts von Schaumberg, bearb. von Oskar Frhr. von Schaumberg (o. O. 1953), Stammfolge VI, Generation IX, X. 249 StA Bamberg, GHAP Nr. 4453. Im Jahre 1472 sollte außerdem Hertnidt vom Stein in Rom kontaktiert werden, um im Auftrag Kurfürst Albrechts von Brandenburg Dokumente beim Papst zu erwirken, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 270, S. 305–307, hier S. 307. Vgl. ferner Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 111–114.
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seine Netzwerke aktiviert haben, er schritt jedoch nicht aktiv in Sachen Braunecksche Lehen ein. Mit der Heiratsabrede hatte Ludwig von Eyb im engeren Sinne seine Bindung zu der Linie der Schaumberg intensiviert, die sich auf „Groß-Heinz“ (gest. 1419) zurückführt, im weiteren Sinne aber auch zur gesamten Familie Schaumberg. Für die Bamberger Angelegenheit war dies besonders günstig, denn hierbei handelte es sich um jene Familie, der Bischof Georg von Bamberg angehörte. Mit zehn Vertretern war sie auch die Familie mit den meisten Domherren im Bamberger Kapitel während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts250. So waren im weiteren Sinne verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Eyb und Balthasar251, Georg252, Hans253, Matthias254 und Thomas255 von Schaumberg – allesamt Bamberger Domherren in dem für diese Untersuchung relevanten Zeitraum – sowie dem seit 1459 amtierenden Bischof Georg geknüpft256. Rabeler analysiert aus adelsgeschichtlicher Sicht das Beziehungsnetzwerk der Eyb und Schaumberg ausgehend von der Eheabrede des Jahres 1463 und mit einem Fokus auf den Eichstätter Hof beziehungsweise auf das Eichstätter Domkapitel257. Bezieht man seine Ergebnisse 250
Ulrichs, Lehnhof, S. 110. Balthasar wurde 1466 Domherr in Bamberg, musste dieses Kanonikat aber schon am 2. Januar 1467 wieder abgeben, vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 5282, S. 348. Ders., Bamberger Domkapitel, Nr. 175, S. 258. 252 Georg war Sohn von Burkhard von Schaumberg und Katharina von Redwitz. Im Jahre 1460 erhielt er ein Domkanonikat in Bamberg, vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 5287, S. 348. Ders., Bamberger Domkapitel, Nr. 178, S. 259. 253 Hans war Sohn des Hans von Schaumberg und der Agnes Marschalk von Schney und somit jüngerer Bruder des oben genannten Georg. Er wurde 1464 in Bamberg als Domherr aufgeschworen, vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 5291, S. 348. Ders., Bamberger Domkapitel, Nr. 181, S. 261. Neuaufstellungen von Schaumberg, bearb. von Schaumberg, Stammfolge VI, Generationen IX, X. 254 Matthias war Sohn des Burkhard von Schaumberg und der Katharina von Redwitz. In Bamberg wurde er im Jahre 1466 Domherr, vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 5297, S. 349. Ders., Bamberger Domkapitel, Nr. 185, S. 263. 255 Thomas war Sohn des Heinrich von Schaumberg und der Elisabeth Fuchs von Wallburg. Von 1461 bis 1464 war er Domherr in Bamberg, vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 5300, S. 349 f. Ders., Bamberger Domkapitel, Nr. 187, S. 265. 256 Diese Mitglieder der Familie Schaumberg entstammten verschiedenen Linien. Vgl. Neuaufstellungen von Schaumberg, bearb. von Schaumberg. 257 Rabeler, Niederadlige Lebensformen, S. 37–64. Es ist allerdings zu betonen, dass der Schwerpunkt seiner Untersuchungen später angesiedelt ist. Er ermittelt von den beiden Familien im hier in Rede stehenden Zeitraum vier und fünf Vertreter in Hofämtern und als Domherren, vgl. ebd., S. 444–452: Nr. 5, Albrecht von Eyb, spätestens 1444 Domherr; Nr. 9, Johannes von Eyb, spätestens 1426 Kanoniker, vor 1438 Dekan, 1455 Propst; Nr. 11, Ludwig von Eyb der Ältere, 1454–1478 Pfleger zu Arberg, 1464 als Pfleger zu Wahrberg belegt; Nr. 18, Sigmund von Eyb, Domherr, 1466 Kantor; Nr. 33, Hans von Schaumberg, Marschall, Hofmeister, Amtmann zu Kipfenberg; Nr. 34, 1463 Diener des Bischofs, 1468 und 1473 bischöflicher Hofmeister; Nr. 40, Lorenz von Schaumberg, 1461 Amtmann zu Nassenfels, 1464 Hofmeister; Nr. 43, Melchior von Schaumberg, 1469 Domherr; Nr. 44, Peter von Schaumberg, 1456 als bischöflicher Rat erwähnt. 251
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auf das hier Betrachtete, so ergibt sich eine erweiterte Sicht: Am Eichstätter Hof unter Einbeziehung des Eichstätter Bischofs geknüpfte Verbindungen wirkten sich offensichtlich auf die Konstellationen und Strukturen des Bamberger Bistums aus. Unter dem Blickwinkel sachbezogener politischer Netzwerke ergibt sich sogar ein Interpretationsansatz für die Eheabrede des Jahres 1463, die kein „Präzedenzfall“, sondern „auffällig“ sei, wie Rabeler258 betont, weil sie angesichts des jungen Alters der Kinder – neun und zehn Jahre – „geringe Aktualität“ gehabt habe und beide Familien „die gewohnten Kreise des Konnubiums ihrer Familie“ verlassen hätten. Man könnte hierin also Vernetzungsbemühungen zwischen den Familien mit Bamberger Orientierung über den Umweg des Eichstätter Hofes sehen. So gesehen gewinnt die Eheabrede dann doch an aktueller politischer Bedeutung. 3. Widerstand Nürnberger Lehnsleute und Einschreiten Kaiser Friedrichs III. a) Beschwerde Nürnberger Bürger bei Kaiser Friedrich III. und die Interessen der Akteure Die Einigung des Jahres 1466 zwischen dem Bamberger Bischof und Markgraf Albrecht von Brandenburg scheint bei den bisherigen Lehnsinhabern, insbesondere bei Nürnberger Bürgern, auf Ablehnung gestoßen zu sein259. Schon rasch müssen sich die Nürnberger deshalb bei Kaiser Friedrich III. beschwert haben, denn bereits am 22. Juni 1467 befahl er Ludwig von Eyb als Inhaber der Brauneckschen Lehen, nichts gegen Nürnberger Lehnsleute zu unternehmen; in seinem Schreiben stellte der Kaiser einen rechtlichen Austrag der Angelegenheit vor seiner Person oder vor kaiserlichen Kommissaren in Aussicht260. Von dieser Situa 258
Rabeler, Niederadlige Lebensformen, S. 38. Zum Problem der „Bürgerlehen“ vgl. Karl-Friedrich Krieger, Art. „Bürgerlehen“, in: HRG 1 (²2008), Sp. 749–751, mit weiteren Literaturhinweisen. In Bezug auf Nürnberg ders., Bürgerlicher Landbesitz im Spätmittelalter. Das Beispiel der Reichsstadt Nürnberg, in: Städtisches Um- und Hinterland in vorindustrieller Zeit, hg. von Hans K. Schulze (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 22, Köln 1985), S. 77–98. Zu Nürnberger Kronvasallen ferner ders., Lehnshoheit, S. 226 f., 303–306. Bürgerlichen Landbesitz allgemein betreffend: Rolf Kießling, Bürgerlicher Besitz auf dem Land – ein Schlüssel zu den Stadt-Land-Beziehungen im Spätmittelalter, aufgezeigt am Beispiel Augsburgs und anderer ostschwäbischer Städte, in: Bayerisch-schwäbische Landesgeschichte an der Universität Augsburg 1975–1977, hg. von Pankraz Fried (Augsburger Beiträge zur Landesgeschichte Bayerisch-Schwabens 1, Sigmaringen 1979), S. 121–140. 260 StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 2b, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 3288 [vidimiert durch Abt Sebald von Sankt Egidien, 1467 August 26; Urkunde Kaiser Friedrichs III., 1467 Juni 22]. Regest: RI Friedrich III.-Online, Nr. 20427, 1467 Juni 22. Dr. Conrad Schütz und Endres Haller hatten sich stellvertretend für die Nürnberger Lehnsleute Brauneckscher Lehen beim Kaiser gegen das Vorgehen Ludwigs von Eyb beschwert, StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 2b, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 3268, 1467 März 6. Nach Fuchs / Scharf, Nürnberger Gesandte, S. 325, waren um den 9. März 1467 Jobst Haller, von etwa 17. April bis nach dem 23. Juni 1467 Niklas Groß am Kaiserhof. 259
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
269
tion im Jahre 1467 ausgehend ist nun nach der Bedeutung der Brauneckschen Lehen für den Markgrafen und die Reichsstadt sowie nach der Rolle Ludwigs von Eyb den Aftervasallen gegenüber zu fragen. aa) Interessen Albrechts von Brandenburg Die Brauneckschen Lehen waren sowohl für Albrecht von Brandenburg als auch für die Reichsstadt Nürnberg von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Aus der Sicht politischer Netzwerkkonstellationen stellte die Lehnsbindung eine der wenigen Möglichkeiten für einen Fürsten dar, auf einzelne Bürger der Reichsstadt gezielt einzuwirken und sie über das mit der Lehnsbindung einhergehende Treueoder wenigstens theoretische Abhängigkeitsverhältnis in die Pflicht für eigene Interessen zu nehmen; deshalb musste die Durchsetzung der Lehnsoberhoheit für den Markgrafen gegenüber den Nürnberger Bürgern auch für andere politische Konstellationen von besonderer Wichtigkeit sein261. Aus der Urkunde, mit der die Nürnberger Lehnsleute sich im Jahre 1467 beim Kaiser beschwerten, gehen die Namen der Beschwerdeführenden hervor, von denen anzunehmen ist, dass es sich zumindest um einen Großteil der Lehnsleute handelte. Dort finden sich Vertreter der Familien Tucher, Schürstab, Volckamer, Geuder, Derrer, Kreß, Rieter, Groland und Holzschuher262 – mit anderen Worten: Mitglieder der wirtschaftlich und politisch wichtigsten Familien der Stadt, die um 1470 alle im städtischen Rat vertreten waren; mehr als ein Drittel der namentlich genannten Beschwerdeführer und mutmaßlichen Inhaber Brauneckscher Lehen waren im Jahre 1467 wohl gar selbst Mitglieder des Rates263. Bei ihnen handelte es sich in der Mehrzahl gleichzeitig um Lehnsleute Kaiser Friedrichs III.264 Angesichts dieser hochkarätigen Zusammen 261
Zu Bürgerlehen siehe oben S. 268, Anm. 259. Vgl. StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 2b, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 3268: 1467 März 6. 263 Dies legt der Vergleich mit der in Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, Bd. 3: Ratsgänge (1318/23 bis 1806/08), Register und Verzeichnisse (Nürnberger Forschungen 31, Nürnberg 2008), S. 1313, angegebenen Personen nahe; demnach waren folgende Ratsmitglieder gleichzeitig Inhaber Brauneckscher Lehen: Wilhelm Derrer, Hans Holzschuher, Jeronimus Kreß, Paulus Rieter, Erasmus und Hans Schürstab, Anton und Andreas Tucher, Hans Volckamer. Siehe zur Bedeutung der Lehnsabhängigkeit städtischer Ratsmitglieder vom Markgrafen unten S. 426. 264 Tucher: Regesta, Chmel, 2, Nr. 5016, S. 510; Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller / Paul-Joachim Heinig / Alois Niederstätter., Heft 19: Die Urkunden und Briefe aus Archiven und Bibliotheken der Stadt Nürnberg, Teil 2: 1450–1455, bearb. von Dieter Rübsamen (Wien u. a. 2004)., Nr. 439, S. 201; Nr. 511, S. 227. Schürstab: ebd., Heft 14: Die Urkunden und Briefe aus Archiven und Bibliotheken der Stadt Nürnberg, Teil 1: 1440–1449, bearb. von Dieter Rübsamen (Wien 2000), Nr. 439, S. 282; 19, Nr. 15, S. 47; Regesta, Chmel, 2, Nr. 3053, S. 309; Nr. 3500, S. 351; Nr. 3501, S. 351; Nr. 6607, S. 641; Nr. 8059, S. 739. Volckamer: RI Friedrich III.-Online, Nr. 1849: 1463 Januar 11, Wiener Neustadt. Regesta, Chmel, 2, Nr. 5172, S. 523. Geuder: RI 262
270
D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
setzung der Gruppe Nürnberger Inhaber Brauneckscher Lehen konnte der Markgraf über die Durchsetzung der Lehnsherreneigenschaft seinen Einfluss bis in die städtischen Führungsschichten und Institutionen zu vergrößern versuchen. Zumindest ein beachtlicher Teil der an Nürnberger Bürger ausgegebenen Brauneckschen Lehen lag außerdem im Gebiet der sogenannten „Alten Landschaft“265; hierbei handelt es sich im Wesentlichen um den im Spätmittelalter erworbenen Teil des Nürnberger Landgebiets266 vor den Toren der Stadt zwischen der Schwarzach im Süden, der Schwabach im Norden und der Regnitz im Westen267. Davon zu unterscheiden ist die sogenannte „Neue Landschaft“268, die neben der bereits in der Friedrich III., 14, Nr. 301, S. 213. Regesta, Chmel, 1, Nr. 2219, S. 224 f.; RI Friedrich III.Online, Nr. 1915, 20206, 1464 Februar 20, Wiener Neustadt. Derrer: Regesta, Chmel, 2, Nr. 2909, S. 297; RI Friedrich III.-Online, Nr. 8248, 1457 Februar 5, Graz; Regesta, Chmel, 2, Nr. 7953, S. 733. Kreß: Regesta, Chmel, 2, Nr. 5167, S. 523. RI Friedrich III., 14, Nr. 180, S. 146. RI Friedrich III.-Online, Nr. 1707, 1461 März 13, Graz; 1462 Juli 16, Graz. Rieter: RI Friedrich III.-Online, Nr. 1748, 1461 August 27, Graz. Groland: RI Friedrich III.-Online, Nr. 20287, 1465 Juli 20; Regesta, Chmel, 1, Nr. 1793, S. 183; Nr. 2276, S. 231. Anton, Sebald, Ulrich, Fritz und Hans Holzschuher: Regesta, Chmel, 2, Nr. 5014, S. 510. Vgl. ferner Moraw, Königtum und Geldwirtschaft, S. 303. 265 Siehe hierzu genauer die unten S. 297 in Anm. 396 verzeichneten Lehen. 266 Vgl. zum Nürnberger Landgebiet: Heinz Dannenbauer, Die Entstehung des Territo riums der Reichsstadt Nürnberg (Arbeiten zur deutschen Rechts- und Verfassungsgeschichte 7, Stuttgart 1928). Ulrich Knefelkamp, Die Entwicklung des Landgebiets der Reichsstadt Nürnberg bis zum Ende des Alten Reiches, in: Die Reichsstadt Nürnberg und ihr Landgebiet im Spiegel alter Karten und Ansichten. Bestände der Stadtbibliothek Nürnberg (Ausstellungskatalog der Stadtbibliothek Nürnberg 97, Nürnberg 1986), S. 3–16. Klaus-Reiner Pütz, Heischurteile der Reichsstadt Nürnberg für ihr Territorium im Spiegel der Ratsverlässe (vom 15. bis 18. Jahrhundert (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 21, Nürnberg 1977), S. 4–9. Gerhard Hirschmann, Das Landgebiet der ehemaligen Reichsstadt Nürnberg (Familiengeschichtlicher Wegweiser durch Stadt und Land 17, Schellenberg / Berchtesgaden 1951), S. 3–6. Wilhelm Schwemmer, Das Territorium der Reichsstadt Nürnberg, in: Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken 89 (1977/1981), S. 91–100. Wolfgang Wüllner, Das Landgebiet der Reichsstadt Nürnberg (Altnürnberger Landschaft, Mitteilungen. Sonderheft 19, Nürnberg 1970), S. 10–20. Wolfgang Leiser, Das Landgebiet der Reichsstadt Nürnberg, in: Nürnberg und Bern. Zwei Reichsstädte und ihre Landgebiete, hg. von Rudolf Endres (Erlanger Forschungen. Reihe A: Geisteswissenschaften 46, Erlangen 1990), S. 227– 260, zur „Alten Landschaft“ insbesondere S. 232. Von der „Alten Landschaft“ abzugrenzen ist die „Neue“, die aus den Eroberungen im Zuge des Landshuter Erbfolgekriegs Anfang des 16. Jahrhunderts entstand und im Gegensatz zur „Alten Landschaft“ ein geschlossenes Territorium darstellte. Vgl. zur Territorialentwicklung auch: Hanns Hubert Hofmann, NürnbergFürth (HAB. B: Teil Franken, Reihe 1, Heft 4, München 1954), S. 23–32. Zur wirtschaftlichen Bedeutung des Landgebiets für die Reichsstadt Fritz Schnelbögl, Die wirtschaftliche Bedeutung ihres Landgebietes für die Reichsstadt Nürnberg, in: Beiträge zur Wirtschaftsgeschichte Nürnbergs 11/1 (1967), S. 261–317. Frühere Zeiten des Nürnberger Ausgreifens ins Umland beleuchtet Gerhard Pfeiffer, Vom Handwerkeraufstand zum Landfrieden von Eger, in: Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, hg. von dems. (München 1971), S. 75– 80, hier S. 77–79. Auch Fritz Schnelbögl, Zwischen Zollern und Wittelsbachern, in: ebd., S. 120–127. 267 Schnelbögl, Zwischen Zollern und Wittelsbachern, S. 126. 268 Leiser, Landgebiet, S. 235.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
271
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erworbenen Veste Lichtenau vor den Toren von Ansbach aus den weit ausgreifenden, ehemals pfalz-bayerischen Ämtern östlich von Nürnberg bestand, die im Zuge des Landshuter Erbfolgekrieges 1504/1505 an die Reichsstadt gelangten. Während die „Neue Landschaft“ ein mehr oder weniger geschlossenes Territorium war, überlagerten sich in der „Alten Landschaft“ Ansprüche und Rechte verschiedener Akteure in vielfacher Weise269. Die in ihr liegenden Brauneckschen Lehen boten dem Markgrafen somit auch die Chance, die Lehnsbindungen in die „Alte Landschaft“ hinein zu intensivieren und reichsstädtische Bemühungen, „Territorialausbau“ zu betreiben, zu verhindern oder zumindest zu steuern270. Gleichzeitig fiel ein beachtlicher Teil dieser Lehen in das Gebiet zwischen Ober- und Unterland, den beiden Herrschaftsteilen der Hohen zollern in Franken271; es war den Hohenzollern nämlich nicht gelungen, zwischen beiden Herrschaftsteilen eine dauerhafte Landverbindung herzustellen. Nach 1400 ist eine Stagnation des „Territorialbildungsprozeß[es]“272 zu verzeichnen. Damit sind Albrechts von Brandenburg Bemühungen um die Brauneckschen Lehen auch im Zusammenhang mit dem Versuch der räumlichen Zusammenführung der hohenzollerischen Herrschaftsteile in Franken zu sehen. 269
Zu Franken als „territorium non clausum“ auch unten S. 311, 388. Die Frage der Bedeutung des Lehnswesens innerhalb des Prozesses der sogenannten Territorialisierung wird von der Forschung seit langem diskutiert. Während insbesondere Historiker des 19. Jahrhunderts das Lehnrecht als allein privatrechtlich qualifizierten, maß bereits Heinrich Mitteis für das Hochmittelalter dem Lehnswesen eine öffentlich-rechtliche Funktion bei. Für spätere Zeiten stellte er hingegen fest: „[…] das Lehnrecht als Organisationsprinzip des Staates verschwindet […]; als tragende Kraft des Staatswesens hat es seine Rolle um 1300 ausgespielt.“ Mitteis, Staat des hohen Mittelalters, S. 424. Nicht erst Bernhard Diestelkamp betont hingegen die Bedeutung des Lehnswesens für die „Entstehung der frühmodernen Territorialstaaten“: Bernhard Diestelkamp, Lehnrecht und spätmittelalterliche Territorien, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. von Hans Patze, Bd. 1 (VuF 13, Sigmaringen 1970), S. 65–96. Ders., Lehnrecht und Lehnspolitik als Mittel des Territorialausbaus, in: RhVjbll 63 (1999), S. 26–38, hier S. 26. Grundlegend daneben: Karl-Heinz Spieß, Lehnsrecht, Lehnspolitik und Lehnsverwaltung der Pfalzgrafen bei Rhein im Spätmittelalter (Geschichtliche Landeskunde 18, Wiesbaden 1978), S. 179–259. Die Bewertung der Bedeutung des Lehnswesens insgesamt ist in der jüngeren Forschung in die Diskussion geraten. Dabei wird insbesondere seine Existenz im Früh- und Hochmittelalter kritisch hinterfragt. So vertritt Susan Reynolds, Fiefs and Vassals. The Medieval Evidence Reinterpreted (Oxford 1994, ND 2001), die These, dass das Lehnswesen erst ab dem 12. Jahrhundert entstanden sei. Dann wäre das Spätmittelalter ganz im Gegensatz zur älteren Forschung als eine Art „Hochphase“ des mittelalterlichen Lehnswesens zu verstehen. Vgl. die jüngere Forschungsdiskussion zusammenfassend Steffen Patzold, Das Lehnswesen (München 2012), auf Deutschland vom 13. bis 16. Jahrhundert bezogen S. 94 f. Ferner die diversen Beiträge in: Das Lehnswesen im Hochmittelalter. Forschungskonstrukte – Quellenbefunde – Deutungsrelevanz, hg. von Jürgen Dendorfer / Roman Deutinger (Mittelalter-Forschungen 34, Ostfildern 2010). 271 Vgl. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 73. Insgesamt auch: Rudolf Endres, Der Territorialaufbau und -ausbau in den Fürstentümern Ansbach und Bayreuth, in: Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. von Giorgio Chittolini / Dietmar Willoweit (Schriften des Italienisch-Deutschen Instituts in Trient 8, Berlin 1996), S. 257–270. 272 Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 73. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 102–112. 270
272
D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
bb) Interessen der Nürnberger Umgekehrt berührten diese Lehen durch ihre Lage die territorialen Interessen der Reichsstadt Nürnberg273. Seit dem Urteil des Nürnberger Landgerichts von 1390274 hatten die Nürnberger diese Lehen de facto zu Eigentum. Bemerkenswert erscheint, dass sich die Nürnberger diesen Rechtszustand immer wieder bestätigen ließen und anscheinend nicht darauf hofften, dass ihre Lehen in Vergessenheit geraten könnten und sie auf diesem Wege volles Eigentum erwerben konnten275. Über die immer wiederkehrende Bestätigung des Urteils bestand für sie sogar Rechtssicherheit, bis sich die potenziellen Lehnsherren einigten. Ein ungeklärter Streit zwischen Lehnsherren eröffnete hier somit Handlungsspielräume bei den Lehnsleuten; Konflikte konnten über lange Zeit die Ordnung stärken. 273 Vgl. zur „Territorialpolitik“ von Reichsstädten im Spätmittelalter Katharina Reimann, Untersuchungen über die Territorialbildung deutscher Reichs- und Freistädte (Diss. phil. Breslau 1935). Wolfgang Leiser, Territorien süddeutscher Reichsstädte. Ein Strukturvergleich, in: ZBLG 38 (1975), S. 967–981. Fritz Schnelbögl, Die fränkischen Reichsstädte, in: ZBLG 31 (1968), S. 421–474. Elisabeth Raiser, Städtische Territorialpolitik im Mittelalter. Eine vergleichende Untersuchung ihrer verschiedenen Formen am Beispiel Lübecks und Zürichs (Historische Studien 406, Lübeck / Hamburg 1969). Methodisch grundlegend Peter Blickle, Zur Territorialpolitik der oberschwäbischen Reichsstädte, in: Stadt und Umland, hg. von Erich Maschke / Jürgen Sydow (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen 82, Stuttgart 1974), S. 54–71. Gerd Wunder, Reichsstädte als Landesherrn, in: Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung, hg. von Emil Meynen (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 8, Köln / Wien 1979), S. 79–91. Rechtliche Aspekte betont Dietmar Willoweit, Stadt und Territorium im Heiligen Römischen Reich. Eine Einführung, in: Statuten, Städte und Territorien zwischen Mittelalter und Neuzeit in Italien und Deutschland, hg. von Giorgio Chittolini / Dietmar Willoweit (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 3, Berlin 1992), S. 39–48, hier S. 44–47. Außerdem insgesamt grundlegend Rolf Kießling, Die Stadt und ihr Land. Umlandpolitk, Bürgerbesitz und Wirtschaftsgefüge in Ostschwaben vom 14. bis ins 16. Jahrhundert (Städteforschung. Reihe A. Darstellungen 29, Köln / Wien 1989). – Wie Blickle, Territorialpolitik, S. 54, bereits im Jahre 1974 feststellte, gibt es keine vergleichende, geschweige denn „zusammenfassende Gesamtdarstellung“ zur „Territorialpolitik der Reichsstädte“. Diese Forschungslücke auf der Grundlage zeitgemäßer Methoden und Modelle zu schließen, hatte eine am 14./15. September 2012 im Alten Rathaus in Esslingen vom Stadtarchiv Esslingen in Kooperation mit dem Seminar für Mittelalterliche Geschichte der Eberhard Karls Universität Tübingen veranstaltete Tagung zum Thema „Kooperation, Konkurrenz, Krieg – Reichsstadt und Territorium im Spätmittelalter“ zum Ziel. Vgl. http://hsozkult. geschichte.hu-berlin.de/termine/id=19602 [Stand: 1. Februar 2013].. 274 Siehe oben S. 253 f. 275 Deshalb wird man wohl auch nur schwer annehmen können, dass die Nürnberger im guten Glauben an ihrer Eigentümerschaft gewesen seien. Somit wird man in diesem Fall nicht von einem Versuch der „Ersitzung“ sprechen könnten, vgl. Otto Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, neu bearb. von Heinrich Lehmann, Bd. 2,2 (Berlin ³1897), S. 449–454. Thomas Finkenauer, Art. „Ersitzung“, in: HRG 1 (²2008), Sp. 1414–1416. Es könnte sich allerdings um den Versuch einer Allodifikation im Wege der gewöhnlichen Appropriation gehandelt haben, vgl. Stobbe, Handbuch, S. 453 f. Herwig Ebner, Das freie Eigen. Ein Beitrag zur Verfassungsgeschichte des Mittelalters (Aus Forschung und Kunst 2, Klagenfurt 1969), S. 258–267. Ferner Oliver Auge, Art. „Allod, Allodifikation“, in: HRG 1 (²2008), Sp. 180–182.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
273
Die Forschung hat in Bezug auf das Bestreben von Reichsstädten und ihren Bürgern, Lehnsverbindungen abzuschütteln und volles Eigentum zu erwerben, besonders auf das Mittel des Tauschs hingewiesen276. Die Ausnutzung der Spielräume, die sich durch die Entscheidung des Landgerichts in den 90er Jahren des 14. Jahrhunderts ergeben hatten, stellt hingegen eine bislang weniger beachtete Handlungsoption zur Sicherung und Intensivierung von Besitz außerhalb der Stadt dar. Beide Seiten, der Markgraf ebenso wie die Lehnsleute aus Nürnberg, handelten somit aus einem Bündel unterschiedlicher Interessen. In ihrer Beschwerde richteten sich die Nürnberger Bürger explizit gegen das Vorgehen Ludwigs von Eyb. Wie die kaiserliche Antwort nahelegt, muss er nach seiner Belehnung in Nürnberg bekannt gemacht haben, dass sich die Inhaber Brauneckscher Lehen innerhalb einer Frist von ihm zu belehnen lassen hätten. Jüngere Quellen lassen vermuten, dass Ludwig von Eyb nach der Einigung des Jahres 1466 rücksichtslos den Auftrag seiner Herren zu erfüllen versucht hatte277. Schon erheblich früher, im ersten Markgrafenkrieg, hatte sich Ludwig von Eyb bei den Nürnbergern verhasst gemacht, als er für Markgraf Albrecht von Brandenburg als Hauptmann gegen sie gekämpft hatte278. Auf die Nürnberger Bürger, die Braunecksche Lehen innehatten, wird die Belehnung Ludwigs von Eyb somit allein schon aus diesen Gründen provozierend gewirkt haben279. Bei ihnen musste sich der Eindruck aufdrängen, dass Ludwig von Eyb für seinen Herrn nun nicht mehr kriegerisch, sondern mit subtileren Mitteln in die „Alte Landschaft“ vordrang und den Nürnberger Einfluss zu begrenzen versuchte. 276 Am Beispiel Rothenburgs ob der Tauber hebt dies hervor: Ludwig Schnurrer, Der Bürger als Grundherr. Die Grundherrschaft Heinrich Topplers aus Rothenburg († 1408), in: Städtisches Um- und Hinterland in vorindustrieller Zeit, hg. von Hans K. Schulze (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 22, Köln 1985), S. 61–75, hier S. 67. 277 Siehe hierzu näher unten S. 291 f. 278 Thumser, Einleitung, in: Ludwig von Eyb. Schriften, hg. dems., S. 12. 279 Rudolf Endres, Adel und Patriziat in Oberdeutschland, in: Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, hg. von Winfried Schulze unter Mitarb. von Helmut Gabel (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 12, München 1988), S. 221–238, hier S. 221, 224–227, mit Ausführungen zu gegenseitigen Abgrenzungstendenzen von städtisch-patrizisch beziehungsweise landadligen Lebenswelten im 14. und 15. Jahrhundert. Außerdem: Michael Diefen bacher, Stadt und Adel – Das Beispiel Nürnberg, in: ZGO 141 (1993), S. 51–69. Gerhard Pfeiffer, Nürnberger Patriziat und Reichsritterschaft, in: Norica. Beiträge zur Nürnberger Geschichte. FS Friedrich Bock, hg. von Karlheinz Goldmann (Nürnberg 1961), S. 35–55. Heinz Lieberich, Rittermäßigkeit und bürgerliche Freiheit. Anmerkungen zur gesellschaftlichen Stellung des Bürgers im Mittelalter, in: FS Hermann Krause, hg. von Sten Gagnér / Wolfgang Wiegand (Köln / Wien 1975), S. 66–93. Hanns Hubert Hofmann, Der Adel in Franken, in: Deutscher Adel 1430–1555. Büdinger Vorträge 1963, hg. von Hellmuth Rössler (Schriften zur Problematik der deutschen Führungsschichten in der Neuzeit 1, Darmstadt 1965), S. 95–126, hier S. 107, Anm. 21. Ders., Nobiles Norimbergenses. Beobachtungen zur Struktur der reichsstädtischen Oberschicht, in: ZBLG 28 (1965), S. 112–150. Wolfgang von Stromer, Reichtum und Ratswürde. Die wirtschaftliche Führungsschicht der Reichsstadt Nürnberg 1348–1648, in: Führungskräfte der Wirtschaft in Mittelalter und Neuzeit 1350–1850, Teil 1, hg. von Herbert Helbig (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 1, Limburg 1973), S. 1–50.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Außerdem ist die bereits erwähnte soziale Zusammensetzung der Lehnsnehmer zu berücksichtigen. Die Unterordnung der städtischen Führungsschichten unter einen landsässigen Niederadligen wie Ludwig von Eyb konnte nämlich ebenso von ihnen als Brüskierung aufgefasst werden. Die Frage der Weisung von bürgerlichen Lehnsleuten an einen niederrangigeren Lehnsherrn scheint im nord- und ostdeutschen Raum in dieser Zeit immer wieder auf280; nach Krieger ist im süddeutschen Raum hingegen mit einer grundsätzlichen Gleichberechtigung von Bürgern und Adeligen als Vasallen auszugehen281. Es erscheint durchaus möglich, dass die Markgrafen von Brandenburg in diesem Falle lange geübte Praktiken aus der Mark Brandenburg nach Franken übertrugen, um sie hier als politische Mittel gegenüber ihren Konkurrenten einzusetzen282. Die Anerkennung der Lehnsfähigkeit gilt der Forschung vielfach als klares Kennzeichen für die Gleichberechtigung von „Stadt-“ und Landadel283. Dieses Beispiel legt jedoch den Verdacht nahe, dass der Schluss von der Lehnsfähigkeit auf die soziale Gleichberechtigung nicht immer eindeutig zutreffen muss. Vielmehr scheint die Lehnsfähigkeit von Bürgern im Einzelnen argumentativ eingesetzt worden zu sein. Lehnsverhältnisse konnten „von oben“ und „von unten“ unterschiedlich gedeutet werden. Offensichtlich musste das Verhältnis von Lehnsherr und Lehnsmann immer wieder neu ausgestaltet und austariert werden. Somit scheinen bei aller Bedeutung ihres rechtlichen Charakters in der Praxis Lehnsbindungen von weiteren Faktoren abzuhängen, etwa von den momentanen politischen Kräfteverhältnissen, den sonstigen Verflechtungen von Lehnsherren und Lehnsnehmern und von langfristigen regionalen Traditionen. Damit erscheint es sinnvoll, die Lehnsbindungen als Teil der Beziehungen zwischen verschiedenen Akteuren in Politiknetzwerken zu betrachten, in denen sie neben andere Bindungsformen und äußere Einflusse treten. Auch der auf den ersten Blick widersprüchlich anmutende Befund, dass einerseits das Abschütteln von Lehnsverbindungen zu benachbarten Fürsten, andererseits die Anerkennung als voll lehnsfähig das Ziel von Bürgern sein konnte, erscheint so gesehen klarer284.
280
Krieger, Lehnshoheit, S. 143 f. Ebd., S. 148 f. 282 Siehe hierzu auch unten S. 424 ff. 283 Diefenbacher, Stadt und Adel, S. 57. Die Stifts- und Turnierfähigkeit wurde den Patrizierfamilien hingegen verweigert. Den Begriff „Stadt-Adel“ schlägt vor: Gerhard Fouquet, Stadt-Adel: Chancen und Risiken sozialer Mobilität im späten Mittelalter, in: Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 2000 und 2001, hg. von Günther Schulz (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 25, München 2002), S. 171–192, hier S. 174 f. Ders., Zwischen Nicht-Adel und Adel. Eine Zusammenfassung, in: Zwischen Nicht-Adel und Adel, hg. von Kurt Andermann / Peter Johanek (VuF 53, Stuttgart 2001), S. 417–434, hier S. 421. 284 Kurt Andermann, Zwischen Zunft und Patriziat. Beobachtungen zur sozialen Mobilität in oberdeutschen Städten des späten Mittelalters, in: Zwischen Nicht-Adel und Adel, hg. von dems./Peter Johanek (VuF 53, Stuttgart 2001), S. 361–382, hier S. 371. 281
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b) Befristete Belehnung der Reichsstadt 1470 Ende Oktober 1470 schritt Kaiser Friedrich III. erneut ein, indem er die von Nürnberger Bürgern gehaltenen Brauneckschen Lehen vorerst auf drei Jahre befristet unter Umgehung Markgraf Albrechts sowie des Bischofs von Bamberg an die Stadt Nürnberg übertrug285. Wie die in Graz ausgestellte Belehnungsurkunde belegt, wurden jedoch nicht direkt die Nürnberger Inhaber Brauneckscher Lehen belehnt, sondern Rat und Bürgermeister von Nürnberg stellvertretend für die Stadt, die wiederum ihre Bürger belehnen sollte286. Damit traten die städtischen Institutionen an die Stelle des Markgrafen, des Bamberger Bischofs und Ludwigs von Eyb287. Diese Konstruktion erwies sich aus kaiserlicher Perspektive als vorteilhaft, denn das bestehende Gefüge, die Aftervasallität der Nürnberger Lehnsleute, wurde so nicht angetastet. Markgraf Albrecht von Brandenburg erfuhr von der Belehnung Nürnbergs wohl erst nachträglich. Allerdings war er schon sehr früh, seit Anfang September 1470, über Aktivitäten der Nürnberger am kaiserlichen Hof informiert. Dies lässt ein Schreiben des markgräflichen Rates und kaiserlichen Prokurators Heinz Seiboth aus Graz vermuten288. Seit etwa 25. Juli seien Nürnberger Gesandte, namentlich Niklas Groß289 und Gabriel Tetzel290, in Villach angekommen, seien aber bisher nicht zum Kaiser vorgelassen worden291. Man wisse nicht, was sie wollten, und selbst von einem durch ihn selbst bestochenen Rat habe Seiboth nichts Näheres erfahren können292. Zwar bleibt unklar, wie lang diese Delegation beim Kaiser 285 StA Nürnberg, Rep. 2b, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 3388, 1470 Oktober 30, Graz. Regest: RI Friedrich III., 20, Nr. 167, S. 134. 286 Zur Frage der Kollektivbelehnung vgl. Dietrich Hermann Grabscheid, Die Bürgerlehen im altdeutschen Reichsgebiet (Diss. phil. Frankfurt a. M. 1957 masch.), S. 61–63. Krieger, Lehnshoheit, S. 305 f. 287 Auch an anderen Stellen des Nürnberger Landgebietes sind ähnliche Konstruktionen erkennbar, etwa im Falle privater Grundherrschaften, die sich im Besitz Nürnberger Familien befanden, über die der Rat jedoch mittelbar über die Gehorsamspflicht der Familie Einfluss ausübte, vgl. Pütz, Heischurteile, S. 7. 288 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 100, S. 120 f., hier S. 120. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 89, S. 171 f. Zu Heinz Seiboth vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 138, 411. 289 Niklas Groß wurde 1467 als Älterer Herr in den Septemvirat gewählt, vgl. Peter Fleisch mann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, Bd. 2: Ratsherren und Ratsgeschlechter (Nürnberger Forschungen 31, Nürnberg 2008), S. 465. 290 Gabriel III. Tetzel war 1469 jüngerer Bürgermeister geworden; er war Großneffe des Jobst Tetzel, der seit 1447 jüngerer Bürgermeister, 1452–1456 älterer Bürgermeister, seit 1462 oberster Hauptmann, seit 1469 Oberster Losunger war, vgl. Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 978–981. 291 Vgl. zum Nürnberger Gesandtschaftswesen an den kaiserlichen Hof: Fuchs / Scharf, Nürnberger Gesandte. 292 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 100, S. 120 f., hier S. 120: Und ich han einen der rete darjnnen bestochen, der nit irs teyls ist. Der sagt, er west es auch gern. Han ich in hinangehaczt zu fragen, wie sie sich mit der hilff gegen dem pfalczgrafen halten wollen. Der hat es gethan. Und der k. hat im geantwortet, es sein eytel hürenkinder.
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blieb293 – anscheinend mindestens bis zum 22. September294 –, ihr Anliegen musste aber zum einen drängen, denn sonst hätte man auf den bereits am 6. Juli für die erste Hälfte des September 1470 einberufenen Tag von Nürnberg295 warten können, zum anderen musste es um Dinge gehen, die man anscheinend nicht in der Öffentlichkeit eines solchen Tages verhandeln wollte. Heinz Seiboth schätzte die Situation als bedrohlich für seinen Herrn ein und schlug ihm deshalb vor, er möge dem Kaiser schreiben und ihm Gehorsam in allem geloben. Aber nachdem die Nürnberger mit den bayerischen Herren im Bündnis seien und angesichts der Tatsache, dass das, was die Nürnberger ihm als kaiserlichem Hauptmann angetan hätten, bisher ungestraft geblieben sei, deshalben es e.g. swer sey, als e.g. wol zu grunden weiß: Das wer ein stich, der dem kaiser durch das hercz ging und sie nit leichtlich heilten296 . Mit Niklas Groß und Gabriel Tetzel hatte Nürnberg zwei Hauptvertreter antizollerischer Gesinnung an den kaiserlichen Hof gesandt. Sie beide sollten Ende Oktober auch dem Kaiser den Lehnseid leisten297. Mit der befristeten Belehnung der Nürnberger waren nicht nur das Vorgehen Ludwigs von Eyb, sondern auch die Eigenschaft Markgraf Albrechts von Brandenburg und des Bamberger Bischofs als Lehnsherren in Zweifel gezogen worden. Kaiser Friedrich III., so weist es die Belehnungsurkunde aus, sah die Brauneckschen Reichslehen nämlich als heimgefallen an und gab dementsprechend einen Teil von ihnen rechtmäßig an die Reichsstadt weiter; die übrigen Beteiligten, der Markgraf, der Bischof von Bamberg sowie Ludwig von Eyb, werden in dieser Urkunde nicht einmal erwähnt. Das Recht, nach Ablauf der dreijährigen Frist vollkommen frei diese Lehen neu ausgeben zu dürfen, behielt sich Kaiser Friedrich III. allerdings ausdrücklich vor.
293 Bei dem am 19. September 1471 in einem Schreiben der brandenburgischen Räte an Markgraf Albrecht erwähnten Tetzel handelt es sich offensichtlich um Jobst, Großonkel Gabriels, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 97, S. 177–179, hier S. 178; RTA. Ältere Reihe, 22/1, hg. Most-Kolbe, S. 256. 294 Vgl. Anhang, Nr. 76, in: Fuchs / Scharf, Nürnberger Gesandte, S. 326. Die nächste, darauf folgende Gesandtschaft aus Nürnberg ist erst für Ende November und in Person des Jobst Haller nachgewiesen. 295 Zur Einberufung des Tages zu Nürnberg beispielsweise Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller / PaulJoachim Heinig / Alois Niederstätter, Heft 15: Die Urkunden und Briefe aus den Beständen „Reichsstadt“ und „Hochstift“ Regensburg des Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München sowie aus den Regensburger Archiven und Bibliotheken, bearb. von Franz Fuchs / Karl-Friedrich Krieger (Wien u. a. 2002), Nr. 249, S. 182. Unter anderem für Nürnberg: RTA. Ältere Reihe, 22/1, hg. Most-Kolbe, Nr. 78, S. 250 f. 296 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 100, S. 120 f., hier S. 120. 297 StA Nürnberg, Rep. 2b, Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden, Nr. 3388, 1470 Oktober 30, Graz. Regest: RI Friedrich III.-Online, Nr. 2415 (1470 Oktober 30).
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c) Reaktion Albrechts von Brandenburg und die Entwicklungen des Jahres 1471 Von brandenburgischer Seite ist nach dieser Belehnung nichts über die Brauneckschen Lehen zu hören. Eine bisher unberücksichtigte Abschrift aus der bischöflich bambergischen Überlieferung dagegen gibt indirekt Aufschluss298. So muss sich nach der Belehnung der Nürnberger auf Zeit durch Kaiser Friedrich III. im Oktober 1470 Kurfürst Albrecht von Brandenburg beschwert haben, mög licherweise über seinen Rat Heinz Seiboth. Darauf setzte Kaiser Friedrich III. am 22. Dezember 1470 Bischof Wilhelm von Eichstätt als Kommissar ein mit dem Auftrag, die Streitparteien Nürnberg und Albrecht von Brandenburg in dieser Frage zu verhören und dann schriftlich dem Kaiser zu berichten. Auf Nürnberger Seite sind anhand der Ratsverlässe in der Folgezeit schwache Spuren von Aktivitäten in dieser Sache zu beobachten. Bereits am 18. Februar 1471 wurden Jost Haller, Erasmus Schurstab und Endres Gewder beauftragt, die br[ief] daruber zu besichtigen und dorin [zu] ratslagen299. Offensichtlich wurden in den folgenden Tagen Informationen zwischen den vom Rat mit der Angelegenheit Betrauten und den auf den Brauneckschen Lehen sitzenden Nürnberger Bürgern ausgetauscht300. Bischof Wilhelm von Eichstätt berief seinem Auftrag gemäß einen Tag auf den 27. März 1471301. Auf diesem später anscheinend auf den 21. April verschobenen Tag zu Eichstätt erschienen von Nürnberger Seite wohl Peter Harßdorffer und Emeram Zingel302. An diesen und späteren direkten Verhandlungen zwischen der brandenburgischen und der Nürnberger Seite war wohl von Seiten des Markgrafen Ludwig von Eyb beteiligt, zumindest wurde er als in dieser Frage wissend vermerkt303. Wie sich aus der Ratsüberlieferung vom 29. April ergibt, muss es in Eichstätt zu einem Ergebnis gekommen sein, denn die Nürnberger planten nun, über ihren Gesandten Gabriel Tetzel die Verhandlungs-
298 StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Bamberger Lehenhof, B 58/IV, Nr. 13518 (unfol.). Nach RI Friedrich III.-Online, Nr. 20642, 20643 (1470 Dezember 22) sind sowohl ein weiterer Kommissionsauftrag an Bischof Wilhelm von Eichstätt in Sachen Stefan Usmer sowie ein Schreiben bezüglich einer nicht näher bezeichneten Kommission überliefert. Bei letzterem könnte es sich um den Kommissionsauftrag in Sachen Braunecksche Lehen handeln. 299 Die Nürnberger Ratsverlässe, Heft 2: 1452–1471, hg. von Martin Schieber (Schriften des Zentralinstituts für Fränkische Landeskunde und Allgemeine Regionalplanung an der Universität Erlangen-Nürnberg 23, Neustadt a.d.A. 1995), S. 79. 300 Nürnberger Ratsverlässe, 2, hg. Schieber, S. 82 (1471 Februar 21). 301 Ebd. (1471 Februar 23). Auf Nürnberger Seite gab es im Rat inhaltliche Vorbereitungen des Tages, vgl. ebd., S. 89, ferner auch S. 105 f. Zu den bei diesem Kommissionsauftrag zu berücksichtigenden Personenkonstellationen siehe unten E. II. 3. b), zum Kommissionswesen auch oben D. I. 4. 302 Nürnberger Ratsverlässe, 2, hg. Schieber, S. 117 (1471 April 18). Auch hierzu wurden anscheinend Vorbereitungen durch Nürnberg getroffen, vgl. ebd., S. 116 (1471 April 17). 303 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105a, Beziehungen zu Benachbarten, D. Nürnberger Bücher, Nr. 25, fol. 18r.
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ergebnisse an Kaiser Friedrich III. zu schicken304. Dazu scheint es aber nicht mehr gekommen zu sein, jedenfalls geriet die Frage der Brauneckschen Lehen nun in die Vorbereitungen des Regensburger Reichstages, der bereits am 22. Dezember 1470 für den 23. April angekündigt worden war, tatsächlich dann im Juni 1471 begann305. So muss auch am 13. Mai 1471 im Nürnberger Rat über diese Dinge gesprochen worden sein und man dachte offen darüber nach, ob einer botschaft not wurde, die zu dem tage gen Regenspurg zu vertigen306 . Auf dem Regensburger Reichstag scheint es dann aber keine Verhandlungen über die Brauneckschen Lehen zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und den Vertretern Nürnbergs gegeben zu haben. Viel heikler dagegen sollte sich der auf den Regensburger Tag folgende Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg gestalten. Zu seinem Verständnis ist zunächst ein Blick in die markgräflich-brandenburgische Überlieferung hilfreich. In der Korrespondenz Albrechts von Brandenburg taucht die Frage der Brauneckschen Lehen nämlich erst sehr spät auf, über ein Jahr nach der zeitlich befristeten Belehnung der Nürnberger durch den Kaiser, und zwar in einem Schreiben vom 21. Dezember 1471, das Albrecht von seiner Reise in sein brandenburgisches Territorium an seine Räte in Ansbach sandte307. Darin weist er seine Räte in Ansbach an, sie mögen verhindern, dass Lehen, die seit dem Tode Johanns des Alchimisten strittig seien, vom Kaiser an Nürnberg verliehen würden; dazu sollten sie dem Erzbischof von Mainz schreiben und ihn gleichzeitig um Unterstützung wegen der Brauneckschen Lehen bitten. Anfang Februar 1472 richtete Albrecht ein Schreiben an den Kaiser mit der Bitte, eine schon in der Kanzlei für ihn ausgefertigt liegende Urkunde über die Brauneckschen Lehen ihm zu übermitteln, zumindest aber den Nürnbergern zu befehlen, die Lehen nach Ablauf der ihnen zugestandenen drei Jahre vom Markgrafen ohne Einrede entgegenzunehmen, als mir dann ewer gnad zu Nurmberg zugesagt hat308. Hierbei kann es sich nur um einen Rückbezug auf den Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg im August und September 1471 handeln. Damit ordnet sich die anzunehmende mündliche Verhandlung über die Frage der Brauneckschen Lehen zeitlich genau ein zwischen die befristete Übertragung der Lehen an Nürnberg im Oktober 1470 und die mehrfache Bitte 304
Nürnberger Ratsverlässe, 2, hg. Schieber, S. 126. RI Friedrich III., 9, Nr. 216, S. 182. Zum Beginn des Reichstages: RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. XIV. Ebd., S. XX: Kaiser Friedrich III. traf am 16. Juni 1471 in Regensburg ein. 306 Nürnberger Ratsverlässe, 2, hg. Schieber, S. 138. RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,2, S. 932–939, hier S. 933. 307 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 8. S. 15 f. Vgl. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 262, S. 300 f. 308 Vgl. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 24, S. 51: In ewr Cannczley biß an das Secretirn gefertigt leyt werden lassen, oder vff das mynst einen brieff, So die drey Jahre, die ewer gnad den von Nurmberg zugeben hat auß sind, das sie als dann die obgedachten Lehen on alle verrer verhindrung oder außzuge von mir oder meinen Lehentragern empfahen, als mir dann ewer gnad zu Nurmberg zugesagt hat, das alles will ich gar williglich vmb ewer gnad verdinen, vnd bit vff das alles ewr gnedige antwort. 305
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Albrechts von Brandenburg seit der Jahreswende 1471/1472, diese Lehen vom Kaiser übertragen zu erhalten. Aber auch die reichsstädtische Überlieferung legt nahe, dass während dieses Aufenthalts des Kaisers in Nürnberg hinter den Kulissen über die Frage der Brauneckschen Lehen gerungen wurde309. Demnach muss sich der Nürnberger Rat zwischen dem 26. und dem 29. August 1471 mehrfach mit der Frage auseinandergesetzt haben. Man beschloss, die alten herren Niklas Groß und Peter Harsdorffer sollten mit dem Kaiser über die Brauneckschen Lehen verhandeln310. In diesen Zeitraum fällt außerdem eine kurze Abwesenheit des Kaisers, der vom 28. August bis zum 2. September in Baiersdorf und Bamberg war – begleitet unter anderem von Kurfürst Albrecht von Brandenburg311. Wahrscheinlich am Nachmittag des 28. August beschloss der Nürnberger Rat dann, Jobst Tetzel möge mit dem Kaiser nach seiner Rückkehr über die Brauneckschen Lehen verhandeln312. Am Tage der Rückkehr des Kaisers beschloss der Rat erneut, mit Kaiser Friedrich III. über die Brauneckschen Lehen zu sprechen313. Auffallend ist zunächst, dass während der Reise des Kaisers nach Bamberg der Nürnberger Rat besonders häufig über die Brauneckschen Lehen beriet. Die Nürnberger werden vermutet haben, dass in diesen Tagen der Bischof von Bamberg und Kurfürst Albrecht mit Kaiser Friedrich in Bamberg die Frage der Brauneckschen Lehen erörterten. Aus der Nürnberger Überlieferung ergibt sich aber noch eine weitere Facette. Nach dem Ratsverlass vom 28. August sollte Jobst Tetzel nicht nur mit dem Kaiser nach seiner Rückkehr nach Nürnberg über die Lehen sprechen, sondern auch in mitteler zeit mit dem von Maincz anzuregen etwas314. Hierbei wird es sich um den Auftrag gehandelt haben, beim kaiserlichen Kanzler, Erzbischof Adolf von Mainz, die Ausfertigung der Dokumente in Sachen Braunecksche Lehen zu erwirken, nachdem ihre erneute Übertragung auf Nürnberg mit dem Kaiser geregelt sein würde. Dazu kam es nicht. Schon am 4. September begleitete der Kaiser Albrecht von Brandenburg nach Cadolzburg, um gemeinsam zu jagen315. Auch hier blieb genügend Zeit, die Frage der Brauneckschen Lehen ungestört zu erörtern.
309 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,2, S. 937 f., 1471 August 26: Item die alten herren mit dem keiser reden von der Brawneckischen lehen wegen. Nicolas Groß Peter Harßdorffer handeln. 1471 August 28: […] Item so unser herr keiser widerkompt, mit im zu handeln von der Brawneckischen lehen wegen und in mitteler zeit mit dem von Maincz anzuregen etwas. Herr Jost Teczel. 1471 August 29: […] Item mit unserm herrn keiser zu reden von der Brawneckischen lehen wegen. herr Nicolas Groß Peter Harßdorffer. 310 Nürnberger Ratsverlässe, 2, hg. Schieber, S. 196 (1471 August 26). 311 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,1, S. 931. 312 Ebd., Nr. 129,a,1, S. 938. Nürnberger Ratsverlässe, 2, hg. Schieber, S. 198. 313 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,2, S. 938. Nürnberger Ratsverlässe, 2, hg. Schieber, S. 199. 314 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,2, S. 938. 315 Ebd., Nr. 129,a,1, S. 931.
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Weitere Aspekte des Nürnberger Treffens werden an anderer Stelle dargestellt, sie spielen für den Fortgang des Konflikts um die Brauneckschen Lehen eine nur untergeordnete Rolle316. Festzuhalten ist, dass Kurfürst Albrecht das eindeutig politische Treffen offensichtlich für sich zu nutzen wusste. Es waren keine „offiziellen“ beziehungsweise „öffentlichen“ Verhandlungen, die zu der kaiserlichen Zusage führten, sondern über „weiche“ Strategien in informellen Kanälen wurde die Entscheidung zugunsten des Markgrafen hervorgebracht. Die Formen von Kurzweil, Spaß, Jagdvergnügen und Tanz wurden mit den Mitteln des Ortswechsels und der Trennung vom politischen Gegner geschickt als Rahmen verwendet, um eigene Interessen durchzusetzen. d) Zu Reichsstadt und Territorium Schließlich ist noch einmal auf das Verhalten der Nürnberger zurückzukommen: Die Spuren in der reichsstädtischen Überlieferung, die von der Beschäftigung der städtischen Institutionen mit der Frage der Brauneckschen Lehen in den Jahren 1470 und 1471 zeugen, lassen vermuten, dass der städtische Rat hier nach ähnlichen Mustern handelte wie im Jahre 1449. Schon damals hatte sich im Zusammenhang mit dem Kaufgeschäft zwischen dem Burggrafen von Magdeburg und den Markgrafen von Brandenburg der städtische Rat mit der Angelegenheit auseinandergesetzt, nachdem Michael von Hardegg die Nürnberger Lehnsleute von dem Verkauf in Kenntnis gesetzt hatte317. Auch in jenem Jahr folgte auf die Behandlung der Frage im städtischen Rat keine Initiative, die den Nürnberger Lehnsleuten dauerhaft zum Vorteil gereichte. Der Forschung blieb bislang – vom Kauf der Veste Lichtenau und dem Erwerb der wichtigsten Rechte der Burggrafschaft in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts abgesehen – verschlossen, ob es eine längerfristige und zielgerichtete „Territorialpolitik“ der städtischen Institutionen in Bezug auf den Landerwerb gegeben habe318. Besonders schwierig zu ergründen schien dabei das Verhältnis von 316
Siehe hierzu genauer weiter unten E. II. 6. Die Nürnberger Ratsverlässe, Heft 1: 1449–1450, hg. von Irene Stahl (Schriften des Zentralinstituts für Fränkische Landeskunde und Allgemeine Regionalplanung an der Universität Erlangen-Nürnberg 23, Neustadt a.d.A. 1983), S. 61 (Eintrag zum 28. März 1449). Am 12. Februar 1449 setzte Michael von Hardegg die Lehnsleute vom Verkauf in Kenntnis, vgl. StA Nürnberg Reichsstadt Nürnberg, Rep. 18a, Ratskanzlei, D-Laden, Akten, Nr. 1691. 318 Schon Dannenbauer, Territorium, S. 155, stellte fest, dass es aussichtslos sei, „aus den zahllosen, mehr oder weniger zufällig überlieferten Einzelbelegen die wechselvolle Geschichte des Nürnberger Landbesitzes von Anfang an zu schildern.“ Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 79, stellte hingegen fest: „Möglich erscheint allenfalls ein grober Überblick über den Besitzstand zu bestimmten Zeitpunkten, die sich von der Quellenlage her anbieten.“ Zu den Problemen, die mit dem Begriff „Territorialisierung“ verbunden sind, sowie zu Paramatern, die es bei ihrer Bestimmung im jeweiligen Einzelfall zu berücksichtigen gilt, siehe – mit einem Fokus auf Albrecht von Brandenburg – unten G. II. 317
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individuellem Handeln einzelner Bürger und den städtischen Institutionen319. Die Belege – über die bloße personelle Übereinstimmung von Lehnsnehmern und Mitgliedern der städtischen Institutionen hinaus – waren rar. Insbesondere das Veräußerungsverbot an Nichtnürnberger, mit dem die Stadt einen großen Teil des von Bürgern erworbenen Landbesitzes belegte, wurde hier hervorgehoben320. Angesichts der Untersuchung dieses Beispiels aus der Perspektive von Gov ernance und politischer Netzwerke ist davon auszugehen, dass der städtische Rat – beziehungsweise die in ihm vertretenen Familien – über Generationen alle wichtigen Veränderungen in den Besitzverhältnissen der Brauneckschen Lehen verfolgte. Dabei wird er nicht nur zum Schutz seiner Bürger gehandelt haben. Der Wechsel zwischen der Stadt als einem Akteur und dem Handeln des einzelnen Bürgers eröffnete somit bisweilen große politische Spielräume321. So wird man hinter dem geschlossenen Auftreten des städtischen Rates gegenüber dem Markgrafen den Versuch vermuten dürfen, nicht nur reagierend, sondern auch aktiv handelnd politisch tätig zu sein und so eine Politik der Sicherung sowie des Ausbaus des Bürgerbesitzes im Umland und damit indirekt auch des städtischen Landgebietes zu verfolgen322. 4. Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht von Brandenburg: Bitte um einen Lehnsbrief Wie bereits angedeutet, trat die Frage der Brauneckschen Lehen erst spät in die Korrespondenz des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg. Besonders bemerkenswert erscheint das zweite Schreiben in dieser Sache – Anfang Februar 1472 verfasst –, das erste, das der Kurfürst an den Kaiser sandte. Erst am Ende dieses Schreibens kommt Albrecht von Brandenburg auf die Brauneckschen Lehen zu sprechen, mit der Bitte, ihm eine in der Kanzlei fertig liegende Urkunde endlich zuzusenden – die nämlich, deren Ausfertigung der Kaiser ihm 1471 in Nürnberg zugesichert hatte323. Diese Bitte war anscheinend aber nicht der eigentliche Grund für Albrechts Schreiben, sondern Provokationen der Nürnberger ihm gegenüber. Diese, so Albrecht an den Kaiser, hätten auf seinem Territorium einen kaiserlichen Brief verlesen lassen, der ihn in seiner furstliche obrigkeit und freiyheit schwer berührt und diese geschmälert habe. Das Schreiben ist in einem sehr offensiven Ton verfasst; so verband Kurfürst Albrecht die Klage über das Nürnberger Verhalten 319
Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 97. Gerhard Pfeiffer, Die Offenhäuser der Reichsstadt Nürnberg, in: JbffL 14 (1954), S. 153–179, hier S. 156 f. Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 97. 321 Siehe hierzu auch unten S. 400, 436 f., 469, 474. 322 Wobei damit noch nichts über die jeweilige Motivation der Handelnden ausgesagt ist, ebenso wenig über die Absichten und die Zielgerichtetheit von „Territorialisierung“ im je weiligen Einzelfall. Siehe ferner unten G. II. 323 Vgl. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 24, S. 50–52, hier S. 51. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 287, S. 321. 320
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gegen seine fürstlichen Rechte mit seiner Bitte um die Ausfertigung der Urkunde in Sachen Braunecksche Lehen. An diesem Zustand sollte sich lange Zeit nichts ändern, denn auch Albrechts Schreiben vom Februar – wie einige weitere Bemühungen – brachten vorerst keine Reaktion des Kaisers, sodass Albrecht im April erneut den Mainzer Erzbischof und Kanzler um Hilfe bat324. Wieder zwei Monate später – Anfang Juni 1472 – bat Albrecht erneut den Mainzer Erzbischof um Hilfe bei den Brauneckschen Lehen und betonte, darauf zu achten, dass die Nürnberger weder in dieser noch in einer anderen Sache etwas gegen ihn erwirkten325. Zehn Tage später, am 17. Juni, schrieb Albrecht aus Cölln an seinen Kanzler Johann Volker326, über seine Beziehung zu Nürnberg: Er wolle das alle vergangen hendel vnd ansprach gegeneinander fallen sollen, Do meynen wir alle vergangen hendel, die vns alleyn vnd sie einander berurn, damit sind auß geschieden die prawneckischen lehen […]327. In diesen Tagen fanden Verhandlungen zwischen der Reichsstadt und Albrecht von Brandenburg um die Beendigung der zahlreichen Irrungen statt. Einzelheiten hierzu werden an anderer Stelle genauer betrachtet328. Wichtig jedoch erscheint in diesem Zusammenhang, dass Albrecht von Brandenburg die Frage der Brauneckschen Lehen von den übrigen Streitpunkten losgelöst verhandeln lassen wollte329. Mehr als ein Monat danach, am 27. Juli, ist in einem Schreiben Albrechts von Brandenburg an seinen Kanzler Johann Volker wieder von den Brauneckschen Lehen die Rede – wieder im Zusammenhang mit Verhandlungen mit der Reichsstadt Nürnberg. Er sei noch bereit, mit Nürnberg wegen Regalien vor dem Kaiser, wegen aller übrigen Streitfragen vor dem Landkomtur der Ballei Franken, Melchior von Neuneck, zu verhandeln; davon unabhängig sollten aber die Sachen behandelt werden, die nicht ihn direkt, sondern nur die Seinen betrafen330. Nachdem Markgraf Albrecht von Brandenburg seit Februar 1472 nur indirekt über den Erzbischof von Mainz Einfluss auf den Kaiser zu nehmen versucht hatte, wandte er sich Ende September wieder unmittelbar an ihn und bat um die Übersendung der versprochenen Urkunde über die Brauneckschen Lehen331. In diesem Schreiben erklärt Albrecht, mit vnwillen habe er sich gefallen lassen müssen, dass er erst nach Ablauf der Dreijahresfrist die Brauneckschen Lehen in vollen Besitz übernehmen könnte; nun habe er gehört, Nürnberg habe die Lehen noch länger 324
Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 314, S. 340 f. Vgl. ebd., Nr. 387, S. 399 f. 326 Zu Johann Volker vgl. Georg Lenckner, Der brandenburgische Kanzler Johann Völker aus Crailsheim und seine Familie, in: Württembergisch Franken 50, NF 40 (1966), S. 185–191. 327 Vgl. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 82, S. 154 f. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 415, S. 421. 328 Siehe unten E. II. 8. 329 Vgl. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 82, S. 154. 330 Ebd., Nr. 109, S. 192 f. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 441, S. 433. 331 Vgl. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 121, S. 212 f. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 477, S. 450. 325
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zugesagt bekommen. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Kaiser dies erlaubt habe, und bittet deshalb um Übersendung der Dokumente. Er ertrage auch nicht mehr den Hochmut der Nürnberger seit der Übertragung der Lehen an sie in Graz zwei Jahre zuvor332. Von demselben Tage datiert ein Schreiben des Kurfürsten an den Mainzer Erzbischof, das in Bezug auf seine Sicht der Dinge aufschlussreich und, dem Adressaten entsprechend, im Ton deutlicher ist333. Er habe weder die Bestätigung des pommerschen Friedens noch die Entscheidung über die Brauneckschen Lehen vom Kaiser erhalten. Die Nürnberger dagegen erhielten alles ohne Mühe. Provokant setzte er die rhetorische Frage hinzu, ob dies der Dank für seine Leistungen um Kaiser und Reich sei. Besonders erwähnt er seine Beiträge unter hohen Kosten gegen die Türken ebenso wie im Bayerischen Krieg, während die Nürnberger keinen Beitrag geleistet hätten. Albrecht erklärt, wenn der Dienst keinen Nutzen für ihn bringe, wer vns nüczer wir giengen müßig. Da er aber die Lehen nicht verkaufen wolle, müsse er schließlich vielleicht mit Nürnberg per importunitatem verhandeln, damit sie ihm seine Lehen ließen, entweder mit außhalten oder annderm334. Mit diesen scharfen Worten wollte Albrecht offensichtlich den Mainzer Erz bischof zu einer Intervention beim Kaiser zu seinen Gunsten bewegen. Es ergibt sich ein Interessengeflecht, das mit Reichstreue nur unzureichend beschrieben werden kann. Denn die Treue zu Kaiser und Reich war hier lediglich Teil einer rhetorischen Strategie, durch die Erinnerung an die eigenen Leistungen beim Kaiser ein Gefühl der Verpflichtung auszulösen – Kaisertreue als ein Argument zur Begründung eigener Forderungen. Gleichzeitig geht aus dem Schreiben des Kurfürsten an den Mainzer Erzbischof eine starke Unzufriedenheit mit der Situation hervor, wie sie auch bei anderen Gelegenheiten zwischen dem Markgrafen und dem Kaiser zu beobachten ist335. Die Sprachwahl des Kurfürsten konnte hier bisweilen sehr harsch werden. Deutlich wird aber auch, dass er verschiedene Grade der rhetorischen Eskalation je nach Empfänger anwandte. Im Dezember 1472 sandte Albrecht von Brandenburg ein langes Schreiben von Cölln aus an seine Räte in Ansbach336. Unter vielen anderen Punkten findet sich hier auch die Bekundung der Freude über die Bestätigung des pommerschen Friedens337; gerne würde er aber auch einen Abschluss in seinem Sinne in Sachen der 332 Hochmut als „mentalen Faktor“ und Auslöser für politisches Handeln beobachtet im Zusammenhang mit Bürgerkämpfen auch: Bernd Kannowski, Bürgerkämpfe und Friedebriefe. Rechtliche Konfliktbeilegung in spätmittelalterlichen Städten (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 19, Köln 2001), S. 26–30. 333 Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 478, S. 450. 334 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 119, S. 210 f., hier S. 211. 335 Siehe oben in reichspolitischem Zusammenhang S. 151. 336 Vgl. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 138, S. 240–243. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 509, S. 469 f. 337 Der Frieden wird im Schreiben nicht ausdrücklich genannt; Priebatsch ergänzt dies in seiner Edition, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 509, S. 469.
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Brauneckschen Lehen sehen338. Die Strategie des Kurfürsten verlagerte sich nun angesichts des Teilerfolgs, den er mit der Ausfertigung des Bestätigungsschreibens in der pommerschen Sache errungen hatte. Der Ton wurde freundlicher, das Mahnen umso drängender. Will man die Verbindungen zwischen Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. in der Frage der Brauneckschen Lehen nachvollziehen, so ist auch auf die Personen zu blicken, die am Kaiserhof mit dieser Angelegenheit betraut waren. Hier taucht nämlich wieder ein Familienmitglied der Eyb auf, und zwar Anselm, der 1462 Domherr in Bamberg geworden und 1467 wieder ausgeschieden war, der sich nun im Umkreis Kaiser Friedrichs III. befand und seit 1471 als ständiger Beisitzer am Kammergericht fungierte339. Diese Stellung hatte er wahrscheinlich durch Vermittlung des Markgrafen von Brandenburg erhalten340, in dessen Diensten er wohl als Rat stand341. Ob er allerdings auch in den Diensten des Kaisers als Rat stand, ist nicht eindeutig zu klären342. Das Thema der Brauneckschen Lehen hatte er aber offensichtlich aus seiner Zeit als Bamberger Domherr in diese spätere Tätigkeit „mitgenommen“. Und aus späterem Zusammenhang ist überliefert, dass Anselm von Eyb Fürschriften in eigener Sache von Kurfürst Albrecht von Brandenburg erlangen wollte, wobei er auf seinen Vater Ludwig von Eyb Bezug nahm, der hierüber im Einzelnen informiert sei343. Anselm von Eyb scheint also in regem Kontakt mit seinem Vater über familiäre Angelegenheiten und Interessen gestanden zu haben. In Sachen Braunecksche Lehen kommunizierte neben Anselm von Eyb auch Heiden, es handelt sich um Dr. Heiden von Uehlfeld, mit dem Markgrafen; er war brandenburgischer Rat und vertrat Albrecht von 1470 an ständig am Hofe Friedrichs III.344 Am 9. Februar 1473 schrieb Albrecht an Anselm von Eyb, dankte erneut für den Einsatz des Mainzer Erzbischofs in seinen Angelegenheiten, trug ihm jedoch auf, auch weiterhin auf Adolf von Mainz in Sachen Braunecksche Lehen einzuwirken345. Auch schon in der ersten Phase der brandenburgischen Bemühungen um 338
Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 138, S. 241. Vgl. zu ihm von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 126–128. Danach ist anzunehmen, dass Anselm nach seinem Rücktritt von der Präbende 1467 Graf Eberhard V. von Württemberg auf seiner Reise ins Heilige Land begleitete. Nach seiner Rückkehr übernahm er dann Aufgaben im Umfeld des Kaisers. Ferner Repertorium Germanicum, VIII/1, bearb. Brosius / Scheschkewitz, Nr. 219, S. 34. 340 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 397, insbesondere Anm. 1199. Vgl. auch Ludwig von Eyb, Gültbuch, hg. Thumser, S. 127. Vgl. außerdem zu seiner Tätigkeit als Beisitzer am Kammergericht den Eintrag Ludwigs von Eyb in seinem Gültbuch unter „Daten zur Familie“, vgl. ebd., S. 137. 341 So jedenfalls von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 126. 342 Vgl. Ludwig von Eyb, Gültbuch, hg. Thumser, S. 127, Anm. 39. 343 GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J 19a. 344 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 108, 401, insbesondere S. 409–413. 345 Vgl. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 151, S. 263. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 523, S. 487. 339
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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die Brauneckschen Lehen seit 1470 ist Anselm von Eyb in der Nähe der NürnbergBrauneck-Angelegenheiten auszumachen, wie ein Schreiben Albrechts von Brandenburg an seine Räte in Ansbach vom 28. Januar 1472 belegt. Albrecht sandte mit diesem Schreiben einen für den Kaiser bestimmten Brief sowie einen weiteren für den Erzbischof von Mainz nach Ansbach – beide in Sachen Nürnberg. Den Räten befahl er, wollent mit dem botten, den ir domit hinab vertigen werdent verfugen, das er semliche brief hern Anßhelm Von Eyb behendig. dem schreiben Wir hiemit, die der K. M. und dem Von Mentz selbs zuantworten346. Auf dem bereits behandelten Augsburger Tag im Mai 1473 legte dann Kaiser Friedrich III. den Konflikt um die Brauneckschen Lehen bei, wie es Markgraf Albrecht selbst später darstellen wird347. Eine Belehnungsurkunde für ihn ist zwar nicht überliefert; gleichwohl ist dem kaiserlichen Befehl vom 28. Mai 1473 an Nürnberg, die Lehen nach Ablauf ihrer dreijährigen Belehnung an Kurfürst Albrecht zu übergeben, zu entnehmen, dass eine Belehnung des Markgrafen stattgefunden haben muss348. Die „Lobbyarbeit“ Albrechts von Brandenburg seit dem Ende des Jahres 1471 um die Brauneckschen Lehen hatte somit zunächst über eineinhalb Jahre keinen Erfolg gezeigt, dann aber doch zu einem für ihn positiven Ergebnis geführt. Zwar liegen die genauen Umstände der Belehnung im Dunkeln, betrachtet man sie aber als Schlusspunkt einer mehrjährigen Entwicklung, so fällt auf, dass sich dem Kaiser die Frage der Brauneckschen Lehen anscheinend ausschließlich als Konflikt zwischen Markgraf Albrecht und den Nürnbergern darstellte, denn die Klärung vor dem Kaiser ließ den Bamberger Bischof unberücksichtigt – Kaiser Friedrich III. hatte Kurfürst Albrecht von Brandenburg wohl mit allen Brauneckschen Reichslehen belehnt. Angesichts dieses Ergebnisses liegt es nahe anzunehmen, dass entweder Kaiser Friedrich III. vom Vertrag des Jahres 1466 zwischen Kurfürst Albrecht und Bischof Georg von Bamberg nichts wusste oder im Rahmen des Nürnberger Aufenthalts Friedrichs III. mündlich die Bedingungen der kaiserlichen Belehnung, wie sie sich dann später in der Praxis zeigten, ausgehandelt worden waren.
346 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 19, S. 36–41, hier S. 37. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 283, S. 316–318, hier S. 317. 347 Dies berichtet Markgraf Albrecht von Brandenburg am 28. Mai 1473 den sächsischen Herzögen Ernst und Albrecht, Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 571, S. 508 f. Vgl. auch Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1113. 348 RI Friedrich III., 20, Nr. 213, S. 159. Aus einer Abschrift des Vertrages zwischen Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Bischof Georg von Bamberg aus dem Jahre 1474, in dem der Befehl vollständig inseriert ist, geht hervor, dass es sich um eine „Weisung“ des Kaisers handelte. Wenn allerdings bereits im Jahre 1474 Albrecht von Brandenburg bei einem die Belehnung konkretisierenden Vertrag nicht auf die Belehnungsurkunde selbst, sondern auf den Befehl an Nürnberg verweist, erscheint es durchaus möglich, dass es eine Belehnungsurkunde nie gegeben hat, dass mit dem in der kaiserlichen Kanzlei seit 1471 ausgefertigten Dokument immer nur dieser Befehl an die Nürnberger gemeint war, StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105, Verträge mit benachbarten Reichsständen, Nachbarliche Verträge mit Bamberg, Nr. 21. Siehe auch unten D. II. 5.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Führt man sich zunächst die Ebenen der verschiedenen Netzwerkstrukturen vor Augen, so fällt auf, dass die von Eyb, insbesondere Anselm von Eyb, den Kaiser sowie Erzbischof Adolf von Mainz stark zu beeinflussen suchten. Damit vertrat Anselm nicht nur Interessen seines Herrn, sondern auch seines Vaters Ludwig von Eyb. Allerdings, und dies ist bemerkenswert, trat Ludwig von Eyb zwischen 1467 und 1474 in der Frage der Brauneckschen Lehen – wenn überhaupt – nur bei den regionalen Verhandlungen mit Nürnberg hervor. In Kontakt zum Kaiser trat er in dieser Sache in diesem Zeitraum nicht, was umso mehr verwundert, als Ludwig von Eyb im Mai 1471, also kurz vor der Zusage des Kaisers an Albrecht von Brandenburg, durch Friedrich III. wohl mit anderen, von dem Brauneckschen Lehnskomplex unabhängigen Lehen belehnt worden war349. Der Kaiser hatte informell im Jahre 1471 bei seinem Aufenthalt in Nürnberg mündliche Zusagen an den Kurfürsten von Brandenburg gemacht. Insgesamt betrachtet war damit die Entscheidung schon vorweggenommen, die 1473 auf dem Reichstag in Augsburg „verhandelt“ wurde. Friedrich III. wahrte die Form, indem er bis kurz vor Ablauf der den Nürnbergern gewährten Frist mit einer offiziellen Entscheidung in der Streitfrage wartete. Die Interessen Albrechts von Brandenburg lagen bei genauem Hinsehen gleichwohl anders. Zwar versuchte er bei den Verhandlungen stets die Frage der Brauneckschen Lehen von den übrigen Konfliktpunkten mit Nürnberg zu trennen; ohne Zweifel aber bewertete er den Lehnskonflikt immer vor dem Hintergrund des Gesamtkonflikts. Eine für ihn positive Lösung dieser Streitfrage hatte in seinen Augen somit auch positive Auswirkungen auf die Auseinandersetzungen mit Nürnberg insgesamt. Der Kaiser scheint hier sehr gezielt in regionale Netzwerke eingegriffen zu haben. Nur an wenigen Punkten des Konfliktes tritt er in unserem Zeitraum überhaupt auf: 1. durch den Befehl an Ludwig von Eyb (1467), 2. durch die befristete Belehnung der Nürnberger (1470), 3. durch die Einsetzung einer Kommission (1470), 4. durch eine informell getroffene Abrede mit Albrecht (1471), 5. durch eine „Beilegung“ des Konfliktes auf dem Tag von Augsburg (1473). Auf diese Weise gelang ihm, gleichzeitig sowohl die Nürnberger als ihm sehr eng verbundene und wichtige Reichsstadt nicht zu verstören als auch einen engen Bündnispartner, Albrecht von Brandenburg, zu belohnen und zu fördern. Angesichts der Wirksamkeit des kaiserlichen Wortes in diesem Konflikt ist von einer hohen Effektivität kaiserlicher Politik auszugehen. Auch wenn man sich hier und da nicht unbedingt an die Regelungen hielt, die Maßnahmen wirkten hier Netzwerk konfigurierend und begründeten zugleich Gebilde von hoher Stabilität.
349
RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 377, S. 55.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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5. Anpassung regionaler Netzwerke: Die Regelungen des Jahres 1474 Es ist davon auszugehen, dass die Nürnberger Lehnsleute nach der offiziellen kaiserlichen Entscheidung 1473 nicht mehr grundsätzlich die Eigenschaft des Kurfürsten als ihren Lehnsherrn anzweifelten, jedenfalls beschwerten sie sich, soweit zu sehen, in der Folgezeit nicht mehr beim Kaiser. Die Belehnung Albrechts von Brandenburg mit den Brauneckschen Lehen durch den Kaiser zog außerdem Regelungen vor Ort nach sich, und zwar ins besondere mit dem Bischof von Bamberg. In der Zwischenzeit waren die personalen Netzwerkbindungen zwischen dem Markgrafen und dem Bistum Bamberg noch enger geworden, war ihm doch kurz nach seiner Herrschaftsübernahme in der Mark Brandenburg bereits im Mai 1470 auch das Erbkämmereramt des Bistums Bamberg übertragen worden, das zuvor, seit dem Jahre 1464, sein Bruder Friedrich II. innegehabt hatte350. Zwischen Bischof Georg von Bamberg und Albrecht von Brandenburg wird es im Anschluss an Albrechts kaiserliche Belehnung mit den Brauneckschen Lehen zumindest zu Verhandlungen gekommen sein, wie eine spätere Quelle vermuten lässt351. Im Jahre 1474 schlossen Markgraf Albrecht und Bischof Georg dann einen Vertrag, mit dem sie den Vertrag von 1466 der kaiserlichen Belehnung anpassten und ihre Irrungen beendeten. Aus ihm geht hervor, dass der Kaiser Albrecht von Brandenburg mit allen Brauneckschen Reichslehen belehnt haben muss, denn nun erklärte der Kurfürst erneut, er verzichte auf die bisher unstrittig vom Bamberger Bischof verliehenen Lehen352. Die Brauneckschen Lehen, die Albrecht von Brandenburg bisher unstrittig allein ausgegeben habe, würden auch weiterhin vom Markgrafen von Brandenburg verliehen. Außerdem verzichtete Albrecht nun auf den bambergischen Anteil an den bisher nicht ausgegebenen Brauneckschen Lehen. Diesen Teil sollten die Markgrafen von Brandenburg, die curfursten sind, zusammen mit den Lehen, die die Markgrafen 350
Vgl. Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 534 f., Anm. 417. StadtA Nürnberg, E 56/III Ebner / Akten, Nr. 218 (Vidimierte Abschrift aus dem Jahre 1653). Zuvor, Ende der 1460er Jahre, hatte es zwischen dem Kurfürsten und Bischof Georg von Bamberg kleinere Irrungen vor allem um Geleit und Jagd gegeben, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 29, S. 114 f., hier S. 114, Anm. 3. Im Jahre 1472 hatte es Verstimmungen um die konsequente Verfolgung der Räuberei gegeben, nachdem Bischof Georg dem Kurfürsten zugesagt hatte, seine Lande in Franken während seiner Abwesenheit zu schützen, vgl. ebd., Nr. 318, S. 342–344, hier S. 343. Auch in der Folgezeit kam es immer wieder zu kleineren, eher unbedeutenden Streitigkeiten. Parallel dazu kooperierten beide Fürsten miteinander in anderen Fragen. So lieh im Jahre 1472 Kurfürst Albrecht dem Bamberger Bischof anscheinend Geld, wobei Albrecht betonte, der bezalt uns schon, wenn wir im leyhen, vgl. ebd., Nr. 370, S. 390. In seiner Auseinandersetzung mit Heinz Rüd von Kollenberg bat Bischof Georg Albrecht von Brandenburg im Jahre 1473 um Hilfe, vgl. StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 106a, Fehdeakten, Nr. 152: Korrespondenz zwischen beiden, 1473. 352 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105, Verträge mit benachbarten Reichsständen, Nachbarliche Verträge mit Bamberg, Nr. 21, 22. 351
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
vom Bamberger Stift zu Lehen haben, zukünftig empfangen353. Bei diesen sonstigen Lehen der Markgrafen handelt es sich im Wesentlichen um solche, die mit dem Erbkämmereramt des Bistums Bamberg verbunden waren354. Am Ausgleich von 1466 zwischen dem Markgrafen und dem Bischof von Bamberg änderte sich somit in der Realität nichts; vielmehr wurden die älteren Regelungen durch teilweisen Verzicht des Markgrafen mit der kaiserlichen Gesamtbelehnung in Einklang gebracht. So konnte Markgraf Albrecht von Brandenburg fortan die „unempfangenen“ Lehen allein ausgeben. Der Vertrag des Jahres 1474 sah dementsprechend vor, dass Ludwig von Eyb diese Lehen fortan nur noch von Albrecht von Brandenburg allein empfangen und an Aftervasallen ausgeben sollte355. In diesem Vertrag wurde nun auch die Erblichkeit der Lehen innerhalb der Familie von Eyb festgelegt. Um zu dokumentieren, Was auf solchen Lehen durch Ludwigen von Eyb und sein Erben einbracht und gelihen wurdt, sollten Ludwig von Eyb und seine Erben fortan sowohl an die Kanzlei des brandenburgischen Markgrafen als auch an die des Bamberger Bischofs melden, welche Brauneckschen Lehen sie ausgaben356. So kompliziert diese Bestimmungen auf den ersten Blick wirken, umso einleuchtender erscheinen sie bei genauerem Hinsehen. Die regionalen Verhältnisse waren nicht nur an die kaiserlichen Vorgaben angepasst worden, sondern sie entwirrten aus Sicht von Ludwig von Eyb auch die Lehnsverbindungen. Der Markgraf konnte nun de facto über alle ausstehenden Lehen verfügen; dies musste gegenüber den Nürnbergern seine Möglichkeiten, seine Lehnsherreneigenschaft durch Ludwig von Eyb durchsetzen zu lassen, erhöhen. Tatsächlich handelte es sich um einen Verzicht sowohl des Brandenburgers – auf einen Teil seiner kaiserlichen Belehnung – als auch des Bambergers – indem dieser an einem Teil der Lehen jegliche weiteren Ansprüche aufgab. Mit diesem gegenseitigen Verzicht hatten umgekehrt beide Seiten durchaus etwas gewonnen, ja ihre Interessen bis zu einem gewissen Maße gewahrt. So hatte der Bamberger Bischof nicht vollkommen verzichten müssen und damit wohl ein Ma 353 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105, Verträge mit benachbarten Reichsständen, Nachbarliche Verträge mit Bamberg, Nr. 21, 22. 354 Vgl. Friedrich Grünbeck, Die weltlichen Kurfürsten als Träger der obersten Erbämter des Hochstifts Bamberg, in: Bericht und Jahrbuch des historischen Vereins zu Bamberg 78 (1922/24), S. 1–187, hier S. 129. Auch Teile dieser Lehen waren nicht klar bestimmbar und sollten von den Markgrafen erst noch ermittelt werden; dieser Ermittlungsauftrag wurde bei der Belehnung der Markgrafen immer wiederholt, scheint aber nie tatsächlich erfüllt worden zu sein. Zum Erbkämmereramt siehe ferner oben S. 287. 355 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105, Verträge mit benachbarten Reichsständen, Nachbarliche Verträge mit Bamberg, Nr. 21, 22. Es handelt sich um eine vidimierte Abschrift aus dem Jahre 1773. Mangelhafter Druck: Codex probationum diplomaticus, Nr. 83. Vgl. Looshorn, Bistum Bamberg, 4, S. 335, allerdings ohne Quellennachweis. Dagegen von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 97. 356 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105, Verträge mit benachbarten Reichsständen, Nachbarliche Verträge mit Bamberg, Nr. 21.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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ximum an Ansprüchen durchsetzen können, er hatte auch in dem Komplex der Brauneckschen Lehen immer noch seine Hände mit im Spiel, und Albrecht von Brandenburg hatte die Lehen gegenüber Nürnberger Ansprüchen gesichert sowie gleichzeitig unter den Nürnberger Bürgern weitere Lehnsleute gewonnen. Mit der rechtlich abgesicherten Durchsetzung seiner Eigenschaft als Lehnsherr von Bürgern glaubte der Kurfürst, diese in ein Abhängigkeitsverhältnis gedrängt zu haben – und gleichzeitig als Aftervasallen des Ludwig von Eyb noch eine Ebene hinabgesetzt zu haben357. Ebenso musste aus seiner Sicht die Durchsetzung der Zwischenebene mit Ludwig von Eyb positiv sein, denn dieser verfolgte als Lehnsherr immer auch die Interessen des Markgrafen als oberer Lehnsherr, ohne dass Albrecht Achilles direkt in Verbindung mit den Aftervasallen treten musste; die direkte Konfrontation konnte so vermieden werden. Ebenso konnte über Ludwig von Eyb nun indirekt Druck auf Nürnberger Bürger ausgeübt werden. Ludwig von Eyb übte hier eine Art „Stellvertreterfunktion“ aus. Die Konstruktion, Räte als Zwischenebene in die Lehnsverbindungen oder als stellvertretende Lehnsnehmer zu integrieren, war für den Kurfürsten nicht neu. So hatte der Markgraf nach der Rother Richtung von 1460 versucht, über die Belehnung seiner Räte – unter anderem Ludwigs von Eyb – die Vogtei über die Stadt Ansbach zurückzuerlangen, was der Bischof von Würzburg jedoch ablehnte358. Die Brauneckschen Lehen in der Wetterau, an die Albrecht Achilles durch den Kauf von 1448 gelangt war, übertrug er außerdem an Hans von Wallenstein, und zwar nach demselben Muster wie im Falle der fränkischen an Ludwig von Eyb359. Dieser erscheint zudem auch in anderen Finanztransaktionen im Gebiet des Nürnberger Landgebiets, und zwar in Geschäften mit Nürnberger Bürgern. Aber auch dort handelte er anscheinend eher als „Strohmann“ für seinen Herrn360. 357
Vgl. hierzu Krieger, Lehnshoheit, S. 143. Gerhard Fouquet, Die Affäre Niklas Muffel. Die Hinrichtung eines Nürnberger Patriziers im Jahre 1469, in: VSWG 83 (1996), S. 459–500, hier S. 495. 358 Urkunden und Beilagen zur Geschichte Herzogs Albrecht IV. von Bayern und seiner Zeit, von Gustav Freiherr von Hasselholdt-Stockheim, Bd. 1, 1. Abt.: Urkunden und Beilagen zum Kampfe der wittelsbachischen und brandenburgischen Politik in den Jahren 1459 bis 1465 (Leipzig 1865), Beilagen Nr. XLIIm–p, S. 208–244, insbesondere Nr. XLII m, S. 211, Nr. XLIIn, S. 218. Vgl. Frankl, Würzburger Vasallen, S. 116. Stillfried / Haenle, Schwanenorden, S. 148. 359 Vgl. Haus Ysenburg und Büdingen, Simon, 3: Urkundenbuch, Nr. 263, S. 266 f.; Nr. 266, S. 269. Siehe auch oben S. 251, Anm. 168, S. 255, Anm. 193. 360 Malmsbach hatten im 14. Jahrhundert die Herren von Hohenlohe-Brauneck von den Herren von Gründlach geerbt und rasch an die Burggrafen von Nürnberg verkaufen müssen. Der Nürnberger Bürger Hans Rummel hatte die Burg Malmsbach vom Markgrafen zu Lehen. Nach seinem Tode wollte sein Sohn Ulrich Malmsbach verkaufen, zerstritt sich darüber aber mit dem Nürnberger Rat; noch sein Vater hatte dem Rat zugesichert, die Burg nur an Nürnberger Bürger zu veräußern. Auf Anraten von Georg Klack, markgräflichem Amtmann zu B urgthann und Schwager von Ulrich Rummel, übergab er Malmsbach dem Markgrafen. Im Markgrafenkrieg kämpfte Rummel auf seiner Seite. Nach dessen Niederlage versöhnte er sich mit der Stadt, verkaufte im Jahre 1455 Malmsbach an Ludwig von Eyb. Dieser verkaufte die Burg im Jahre 1463 an Ludwig Pfinzing, der sie noch im selben Jahr gegen andere
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Im Übrigen finden sich auch in anderen Zusammenhängen, etwa schon zu Beginn des 15. Jahrhunderts in der Politik der Reichsstadt Nürnberg, Tendenzen, von der Stadt Erworbenes, das zu stark in den Einflussbereich anderer Akteure fiel, unter strengen Auflagen hinsichtlich weiterer Veräußerungen an einzelne Bürger weiterzuverkaufen, um so eine direkte Konfrontation zwischen der Stadt und den Nachbarn zu verhindern, gleichwohl indirekt den städtischen Einfluss zu wahren361. Die Übertragung der Brauneckschen Lehen an Ludwig von Eyb erscheint somit als eine Technik der Herrschaftsausübung des Markgrafen, mit der direkte Auseinandersetzungen mit der Reichsstadt Nürnberg vermieden, die Durchsetzung ausgelagert und der Aufwand der Verwaltung der Lehen möglichst gering gehalten wurde. Bemerkenswert erscheint hingegen, dass der Markgraf – wie bereits erwähnt – mit der Übertragung der Lehen an Ludwig von Eyb die Nürnberger provozierte. Das „Chaos der Verpflichtungen“362, das heißt die Verbindungen, die die Räte Albrechts von Brandenburg zu anderen Herren hatten, versuchte der Kurfürst anscheinend zunächst nicht zu entwirren. Vielmehr führt das Beispiel der Brauneckschen Lehen vor Augen, dass diese vielfältigen Dienst-, Lehns- und Verwandtschaftsverbindungen seiner Räte – man denke an Ludwig von Eyb und andere Vertreter seiner Familie als Lehnsnehmer des Markgrafen wie der Bischöfe von Bamberg, Eichstätt und Würzburg zugleich363 – auch ihrem Herrn dienen konnten, somit die Intensivierung einer ausschließlichen Unterordnung seiner Räte und weiterer niederadliger Familien nicht unbedingt im Interesse des Markgrafen sein konnte; bisweilen förderte er die Knüpfung neuer Bindungen sogar, wie dieses Beispiel ebenfalls zeigt. Die Netzwerke der Räte konnten somit für die Politik des Markgrafen nützlich sein. Hierin unterschied sich Albrecht von Brandenburg von anderen, etwa vom Würzburger Bischof, der gegenüber niederadligen Familien gezielt versuchte, Mehrfachverbindungen zu verringern und stattdessen diese Familien exklusiv an sich zu binden364. Andere Bindungsformen, wie zum Beispiel der markgräfliche Schwanenorden365, konnten außerdem Nähe und Integration erzeu-
Güter tauschte und so zu Eigen erhielt. Vgl. Dannenbauer, Territorium, S. 239. Christa Schaper, Die Ratsfamilie Rummel – Kaufleute, Finanziers und Unternehmer, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 68 (1981), S. 1–107, hier S. 71 f. Pfeiffer, Offenhäuser, S. 157, 164, 167. 361 So nimmt es Dannenbauer, Territorium, S. 150, für Schloss und Gericht Lichtenau sowie die Dörfer Malmersdorf, Rutzendorf und Langenloh an. Vgl. ferner Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 94 f. 362 Krieger, Lehnshoheit, S. 395. 363 Frankl, Würzburger Vasallen, S. 116. Koeppel / Schuhmann, Ludwig von Eyb, S. 179. 364 Frankl, Würzburger Vasallen, S. 116. Koeppel / Schuhmann, Ludwig von Eyb, S. 179. 365 Vgl. Heike Ahlborn / Kirstin Kamenz / Holger Kruse, Unsere liebe Frau / Schwan (1440), in: Ritterorden und Adelsgesellschaften im spätmittelalterlichen Deutschland. Ein systematisches Verzeichnis, hg. von Holger Kruse / Werner Paravicini / Andreas Ranft (Kieler Werkstücke. Reihe D. Beiträge zur europäischen Geschichte des späten Mittelalters 1, Frankfurt a. M. u. a. 1991), S. 324–346.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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gen, ohne dass andere Bindungen abgebaut werden mussten366. Erst als die Netzwerkverbindungen seiner Räte in die umliegenden Bistümer und auf Reichsebene zu einem für den Markgrafen positiven Ergebnis geführt hatten, wurden die Verflechtungen Ludwigs von Eyb mit Bamberg ausgedünnt, wie der Ausgleich des Jahres 1474 mit der Monopolisierung der Lehnsherreneigenschaft gegenüber Ludwig von Eyb – auch um den Preis erhöhter Netzwerkverbindungen des Markgrafen „nach oben“ – verdeutlicht. Hieraus ergibt sich eine bislang weniger beachtete Spielart von „Territorialisierungsprozessen“, bei der Hoheit über Lehnsnehmer nur durch Intensivierung von Verflechtungen und Abhängigkeiten des Lehnsherrn in vertikalen Personenbeziehungen „nach oben“ durchgesetzt werden kann. Ludwig von Eyb profitierte von dem Geschehen. Zwar kam er in den kaiserlichen Briefen nach 1467 nicht vor, er wird jedoch durch die kaiserliche Entscheidung sowie die markgräfliche Belehnung zukünftig mit besonderer Autorität ausgestattet gewesen sein, seinen Anspruch durchzusetzen. Schließlich hatte er durch diese Konstellation auch einen materiellen Vorteil. Verlierer dieses Ausgleichs waren die Nürnberger Inhaber Brauneckscher Lehen, denn an der Situation des Jahres 1466, gegen die sie sich gewehrt hatten, hatte sich aus ihrer Sicht streng genommen nichts geändert. Für sie musste der Verlust ihrer lang geübten reichsunmittelbaren Lehnsinhaberschaft, verbunden mit der Herabstufung zu Aftervasallen des Markgrafen, eine schwere Demütigung sein, die auch als Antwort auf ihren vom Markgrafen häufig beklagten Hochmut gelten konnte. Es ist anzunehmen, dass Ludwig von Eyb bei seinen Bemühungen, seine Lehnsherrschaft durchzusetzen, bereits vor 1470 rabiat vorgegangen war. Dass sich die Nürnberger allerdings, wie die Narratio des Vertrags von 1474 ausweist, allein wegen seiner Nachforschungs- und Belehnungsbemühungen im Auftrag von Kurfürst Albrecht und Bischof Georg an den Kaiser gewandt hätten, erscheint aus Nürnberger Sicht wohl nicht der einzige Grund gewesen zu sein367; selbstverständlich wandten sie sich mit ihrem Handeln auch gegen den Markgrafen selbst. Interessant erscheint die Einigung zwischen dem Bamberger Bischof und Albrecht von Brandenburg auch hinsichtlich der Konfliktführung und der Rolle des Rechts. Hier wird deutlich, wie flexibel – je nach Interessenlage und Personenkonstellation – mit ihm verfahren wurde. Eine Belehnung des Bamberger Bischofs durch den Kaiser hat es wohl nie gegeben. Da der Ausgleich zwischen dem Markgrafen und dem Bischof von Bamberg aber im Interesse aller lag, wurde der Zustand von den Vertragsparteien anerkannt und damit legitimiert. Eine solche Konstruktion lässt sich weder mit „föderalen Elementen“ der Umsetzung von Richtlinien einer übergeordneten Instanz, noch mit der Umsetzung 366
Eine umfassende Untersuchung dieses Aspekts steht noch aus, vgl. vorerst Frankl, Würzburger Vasallen. 367 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105, Verträge mit benachbarten Reichsständen, Nachbarliche Verträge mit Bamberg, Nr. 21.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
einer „zentralstaatlich“ getroffenen Entscheidung erklären. Wichtig erscheint, dass bei der Frage der Brauneckschen Lehen den Kaiser nicht interessiert hatte, worin diese eigentlich bestanden und wer außer Nürnberg, Ludwig von Eyb und Albrecht von Brandenburg um sie konkurrierte. So verwundert es kaum, dass Bischof Georg von Bamberg und Albrecht von Brandenburg den Gedanken ihres eigenen, gütlich getroffenen Ausgleichs wieder aufnahmen und regionale Netzwerke den veränderten Bedingungen anpassten. 6. Die Regelungen des Jahres 1475 Am 4. Februar 1475 starb Bischof Georg von Bamberg368. Sein Nachfolger, Graf Philipp von Henneberg, wurde nur sechs Tage später vom Domkapitel gewählt. Damit war neben Hertnidt vom Stein, dem brandenburgischen Rat und Bamberger Domdekan, ein weiterer Bekannter Albrechts von Eyb aus gemeinsamen Studientagen in Erfurt in eine Schlüsselposition des Bamberger Bistums gekommen369. Ohnehin saßen alle drei schon seit langen Jahren gemeinsam im Bamberger Domkapitel. Bischof Philipp musste in seiner Wahlkapitulation dem Kapitel umfassende Zugeständnisse machen; auch in seiner Amtszeit blieb er eher blass370. Am 2. Oktober 1475 bestätigte er den Ausgleichsvertrag, den sein Vorgänger mit Albrecht von Brandenburg im Jahre 1464 geschlossen hatte371. In diesem Kontext wird auch die Frage der Brauneckschen Lehen noch einmal zur Sprache gekommen sein. Zu Veränderungen am Ausgleich von 1474 führte dies gleichwohl nicht. Allerdings erfolgte im September 1475 eine weitere Ausgestaltung, als Kurfürst Albrecht von Brandenburg Ludwig von Eyb mit den Brauneckschen Lehen be 368 Zu seinem Tod vgl. Looshorn, Bistum Bamberg, 4, S. 336. Peter Knorr meldete wohl am 7. Februar 1474 an Johann Volker, Bischof Georg von Bamberg sei gestorben. Wer Nachfolger werde, wisse man noch nicht genau, beworben hätten sich aber Hertnidt vom Stein, der Domdekan, und der spätere Bischof Graf Philipp von Henneberg sowie Herzog Albrecht von Bayern, späterer Bischof von Straßburg und jüngerer Bruder Herzog Ottos, vgl. GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E I 8, insbesondere Dokumente 6, 7, 9. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 30, S. 90. Direkt nach der Wahl Philipps von Henneberg setzte sich Kurfürst Albrecht bei Kaiser und Papst für den Gewählten ein. Nach dem Tode des alten Bischofs hatte Kurfürst Albrecht in seinem Herrschaftsgebiet Vigilien angeordnet. Vgl. ferner Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 42, S. 99 f., hier S. 100. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 129–132. 369 Vgl. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 1305, S. 92; Nr. 6034, S. 174; Nr. 2609, S. 175. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 14–21. 370 Zu ihm vgl. Egon Johannes Greipl, Art. „Henneberg, Philipp von“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz (Berlin 2001), S. 282 f. Ferner Looshorn, Bistum Bamberg, 4, S. 339–387. Kist, Fürst- und Erzbistum Bamberg, S. 66–68. von Guttenberg, Bistum Bamberg (GS 2/1), S. 268–271. 371 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105a, Beziehungen zu Benachbarten, A. Bamberger Bücher, Nr. 1, fol. 20v.
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lehnte372. Es verwundert, warum erst ein Jahr später, genau genommen auf den Tag genau ein Jahr nach dem Vertrag vom September 1474, die Belehnungsurkunde an Ludwig von Eyb ausgestellt wurde373. Entweder hatte Markgraf Albrecht von Brandenburg bereits mit dem neuen Bamberger Bischof den Fortbestand des zuvor geschaffenen Rechtszustandes vereinbart, oder er wollte Fakten schaffen, bevor er mit dem neuen Bischof über ihre Beziehungen beriet. Für letztere Annahme spricht, dass der Kurfürst nur etwa einen Monat später, am 3. Oktober 1475, von Bischof Philipp von Bamberg mit dem Erbkämmereramt belehnt wurde; der entsprechende Lehnsbrief weist auch die Belehnung mit dem „halben Teil der ausstehenden Brauneckschen Lehen“ aus374. Auch wenn die Nürnberger sich nicht mehr an den Kaiser wandten und wohl auch nicht grundsätzlich an der Lehnsherreneigenschaft des Markgrafen zweifelten, so hatten sie anscheinend weiterhin die des Ludwig von Eyb angezweifelt oder sich gar einer Belehnung durch ihn widersetzt. Die Lehen, die nicht verlihen worden sindt, also die, die ihm schon 1466 als unempfangen übergeben worden waren, sollte er auch weiterhin selbst als affterlehen verleihen375. Die Lehen, die unempfangen waren, die aber Nürnberger Bürger innehatten, welche sich einer Belehnung durch Ludwig von Eyb widersetzten, sollte dieser fortan inn unserm undt, so wir nimmer weren, inn unser erben der marggraven name verleihen. Hierzu stattete Albrecht von Brandenburg Ludwig von Eyb mit einem nur für diesen Zweck angefertigten Siegel mit der Umschrift Sigillum der Brauneckischen lehen verleihung aus376 . Damit kam Albrecht von Brandenburg den Nürnberger Lehnsleuten, die Widerstand gegen die Belehnung durch Ludwig von Eyb geleistet hatten, vordergründig entgegen. Betrachtet man die weiteren Bestimmungen dieser Belehnung, so erscheint dies allerdings eher als Spitzfindigkeit, die nichts daran änderte, dass in der Praxis Ludwig von Eyb die Funktion des Lehnsherrn ausübte. Über die Lehen, die von Eyb als Lehnsherr ausgab, sollte er frei und ohne Einmischung der Markgrafen verfügen. Gleiches galt für die Lehen, die er im Namen des Markgrafen verleihen sollte. Auch diese Lehnsleute, die also im Namen des Markgrafen belehnt waren, sollten im Übrigen am Lehnsgericht Ludwigs von Eyb teilnehmen und ihm unterworfen sein. In der Praxis machte es also keinen Unterschied, ob sich die Lehnsleute direkt von Ludwig von Eyb oder im Namen Albrechts von Brandenburg durch diesen belehnen ließen. Höchstens um die
372 StadtA Nürnberg, E 56/III Ebner / Akten, Nr. 218 (Vidimierte Abschrift aus dem Jahre 1653). 373 Zum Ausgleichsvertrag siehe oben D. II. 5. 374 Zitiert nach Grünbeck, Erbämter, S. 131, ohne Nachweis. 375 StadtA Nürnberg, E 56/III Ebner / Akten, Nr. 218 (Vidimierte Abschrift aus dem Jahre 1653). 376 Ebd.: […] unßerm sigell, das wier in ietzo mit dieser verleyhunge ubergeben haben, allein doran zue gebrauchen, dorinne unserr wappen deß burggraffthumbs zue Nürnberg, nembluch weiß unndt schwartz, unndt mitten dorinnen das alt burggraffthumb gegraben sindt mit der umbschrifft Sigillum der Brauneckischen lehen verleihung.
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Unterordnung unter Ludwig von Eyb beim Akt der Belehnung zu umgehen, konnte der Weg über die Sonderbelehnung mit speziellem Siegel nützlich sein. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang auch die Erwähnung des handtlohns377, über dessen Einkünfte Ludwig von Eyb frei verfügen sollte; in den Verträgen der vorangegangenen Jahre mit dem Bischof von Bamberg taucht er hin gegen nicht auf. Der Handlohn erscheint von Beginn der Herrschaft Albrechts von Brandenburg in Franken an in den Quellen. Dabei handelte es sich wahrscheinlich um die Übertragung der in Brandenburg üblichen Lehnware, mit denen Bürger bei Besitzwechseln in Lehen ihre Lehnsfähigkeit quasi erkaufen mussten378. Allein schon die Erhebung dieser in Nürnberg – wie wohl im süddeutschen Zusammenhang überhaupt – unüblichen Abgabe musste als Provokation wirken; dem Nürnberger Rat gelang es mehrfach, sich dagegen zu wehren379. Gleichzeitig musste die Bezeichnung „Handlohn“ ein Gefühl der Herabsetzung bei den Nürnberger Bürgern erzeugen, denn mit „Handlohn“ wurde in Nürnberg gewöhnlich die Gebühr bezeichnet, die der Bauer seinem Grundherrn beim Besitzwechsel zu zahlen hatte, wenn es sich um ein Rechtsverhältnis zu erbe handelte380. Auch die erwähnte Einbeziehung ins Lehngericht erscheint hier als eher doppelbödiges Privileg381. Betrachtet man diese Bestimmungen insgesamt, so wird deutlich, welche Handlungsspielräume das Lehnswesen zur Ausgestaltung der Beziehungen von Adel und städtischem Bürgertum bot. Es bildete sowohl momentane als auch längerfristige Kräfteverhältnisse ab und konnte – insbesondere bedingt durch seine Mehrdeutigkeit und Interpretationsoffenheit – von den Beteiligten unterschiedlich eingesetzt, ausgelegt und konkretisiert werden. Interesssant erscheint auch, dass die Belehnungsurkunde eine wichtige Präzisierung gegenüber dem Vertrag des Jahres 1474 enthält. Während noch 1474 festgelegt wurde, dass der Bischof von Bamberg dem jeweiligen brandenburgischen Kurfürsten den halben Teil der Brauneckschen Lehen zu verleihen hatte, der diesen dann weiter ausgeben sollte, wurde nun zwischen dem Kurfürstentum und den fränkischen Territorien differenziert. Die Belehnung des Jahres 1475 erklärte die ausstehenden Brauneckschen Lehen zwar zu rechtem mannlehen […] von uns undt unserm churfürstenthumb382 – was der Regelung des Vertrages vom Vorjahr entsprach. Allerdings wurde hier hinzugefügt, dass sich der Kurfürst und seine Erben vorbehielten, dass auch jeder Markgraf, der das niderlandt deß burggraffthumbs zue Nürnberg wider dem gebirge zue franckhen innen hatt, diesen Teil der Brauneckschen Lehen an Ludwig von Eyb und dessen Nachkommen verleihen könnte383. Bekanntlich hatte Albrecht von Brandenburg schon im Jahre 1473 mit 377
StadtA Nürnberg, E 56/III Ebner / Akten, Nr. 218. Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 89 f. Ders., Lehnshoheit, S. 137–151. 379 Siehe zum Handlohn näher unten S. 424 ff. 380 Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 90, Anm. 67. 381 Krieger, Lehnshoheit, S. 145–147, 149 f. 382 StadtA Nürnberg, E 56/III Ebner / Akten, Nr. 218. 383 Ebd. 378
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der sogenannten Dispositio Achillea die getrennte Regierung der fränkischen Territorien und der Mark Brandenburg nach seinem Tode festgelegt384. Die Regelung des Vertrages von 1475 nahm genau auf die Teilung nach dem Tode Albrechts von Brandenburg Bezug und bereitete sie in gewisser Weise vor. Legitimiert wurde diese mögliche Übertragung der Brauneckschen Lehen vom brandenburgischen Kurfürstentum auf das fränkische Niederland damit, dass die Burggrafen von Nürnberg die Brauneckschen Lehen vormals ausgegeben hätten. Diese Argumentation erscheint bemerkenswert, da deutlich hervortritt, welches argumentative Potential die Unterscheidung von Kurfürstentum Brandenburg, Unter- und Oberland sowie der Burggrafschaft im Einzelnen haben konnte. Ganz offensichtlich hatte das Kurfürstentum hier einen nicht unerheblichen Einfluss auf politisches Handeln des Markgrafen in Franken und konnte dort helfen, lange verfolgte Projekte zu realisieren. Man wird nicht davon ausgehen dürfen, dass ein Jahr nach der Festlegung der Herrschaftsteilung durch den Kurfürsten bei der Abfassung des Vertrages von 1474 mit dem Bischof von Bamberg das mögliche Problem nicht vorhergesehen wurde oder etwa der Vertrag nicht eindeutig formuliert wurde. Der ausdrückliche Hinweis, dass Ludwig von Eyb vom Kurfürsten belehnt werde, lässt darauf schließen, dass dem Kurfürstentum Brandenburg in dieser Angelegenheit eine nicht unerhebliche Bedeutung beigemessen wurde und möglicherweise sogar diese Konstruktion eine Bedingung des Bamberger Bischofs gewesen sein könnte. Außerdem war an der Belehnung von Ludwig von Eyb im Jahre 1475 der neue Bamberger Bischof unbeteiligt, sodass es für die markgräfliche Seite unproblematisch erscheinen musste, die Präzisierung, dass die Brauneckschen Lehen nicht am Kurfürstentum, sondern an Franken gebunden seien, rechtlich festzuhalten. Zwar hatte diese Regelung kurzfristig keinerlei praktische Bedeutung, solange Kurfürst Albrecht von Brandenburg sowieso alle Herrschaftsteile in seiner Hand vereinte. Nach Albrechts Tod allerdings führte sie zu Konflikten mit dem Bamberger Bischof, da dieser die Brauneckschen mit den Lehen des Erbkämmereramtes an den Kurfürsten von Brandenburg übertragen wollte, die Hohenzollern aber im Zuge der Herrschaftsteilung die Brauneckschen Lehen zu den fränkischen Herrschaftsteilen rechneten385. Bei aller Unklarheit über die genauen Motive der Akteure bei der Aushandlung und Abfassung der Dokumente 1474 und 1475 tritt doch umso deutlicher hervor, dass das Kurfürstentum Brandenburg auf das politische Handeln des Markgrafen in Franken Einfluss hatte: Es konnte ihm als flexibles Hilfsmittel dienen, politische Entscheidungen herbeizuführen und diese langfristig festzuhalten; es eröffnete Handlungsspielräume in Franken, konnte aber ebenso die Möglichkeiten des Markgrafen unter bestimmten Konstellationen einschränken. Umgekehrt scheinen auch die Bischöfe von Bamberg versucht zu haben, aus der besonderen Situation der verschiedenen Herrschaftsteile der Hohenzollern Kapital zu schlagen und Wi 384 385
Siehe auch oben S. 122. Grünbeck, Erbämter, S. 136 f.
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dersprüche zwischen dem Hausrecht der Hohenzollern, der praktischen Herrschaftsorganisation und den Verträgen mit anderen Akteuren zu erzeugen. Schließlich erhält auch die an sich gewöhnliche Formel386, mit der Belehnung durch den Markgrafen werde Ludwig von Eyb für die von ihm bereits geleisteten Dienste ebenso wie für die, die sein sohne uns undt unsern erben in Zukunft leisten würden, belohnt, vor dem Hintergrund der vielfältigen Anstrengungen Ludwigs von Eyb und seiner Verwandten um die Brauneckschen Lehen, die mit seiner Belehnung im Jahre 1475 einen nach außen sichtbaren vorläufigen Abschluss fanden, eine nicht bloß redensartliche, sondern ganz konkrete Bedeutung. Dieser Bezug auf die Belohnung der von Eyb konnte allerdings in den Quellen erst seinen Niederschlag finden, als der Markgraf seinem Rat die Brauneckschen Lehen allein verlieh. 7. Ludwigs von Eyb Durchsetzung als Lehnsherr und das Lehnsverzeichnis von 1487 Erst mit dieser Belehnung Ludwigs von Eyb waren die Rechtsverhältnisse der Lehnsherrenschaft fürs Erste geklärt – die Durchsetzung des Ludwig von Eyb als Lehnsherr gleichwohl nicht. Hierzu ist die unterste Ebene, die der Aftervasallen, zu betrachten. Die Quellenlage ist hierzu ausgesprochen günstig. Denn offensichtlich noch im Jahre 1477 war Ludwig von Eyb mit der Klärung der konkreten Lehnsverhältnisse beschäftigt, wie seine Bekanntmachung an Dorfmeister und Gemeinde von Walkersbrunn verdeutlicht. Inhaber von Brauneckschen Lehen mögen sich innerhalb einer Frist bei ihm melden, andernfalls werde er die Lehen als verfallen ansehen und neu ausgeben387. Auch dies zeitigte wohl keinen Erfolg, denn schon ein Jahr später schaltete sich der Kurfürst selbst ein, indem er die Aufforderung des von Eyb erneuerte, sich bei ihm zu melden388. Ebenso wehrten sich Lehnsinhaber gegen die Durchsetzung ihrer Unterordnung unter Ludwig von Eyb, denn vor dem markgräflichen Lehngericht in Ansbach wurden mehrfach Rechtstage angesetzt, und zwar in solchen Angelegenheiten, die durch appelation an Albrecht von Brandenburg als Oberlehnsherrn gebracht worden waren389. Anscheinend reger Weiterverkauf der Lehen erschwerte wohl, die Lehen im Einzelnen zu ermitteln390. Diese Unklarheiten und Rechtsstreitigkeiten zogen sich bis mindestens 1483 hin. An anderen Stellen hatte Ludwig von Eyb Erfolg, wie Belehnungen 386
StadtA Nürnberg, E 56/III Ebner / Akten, Nr. 218. StadtA Nürnberg, D 2/IV Spitalamt / Akten, Nr. 2813. Zu Walkersbrunn vgl. Dannenbauer, Territorium, S. 237. Zur Territorialentwicklung auch: Ingomar Bog, Forchheim (HAB. B: Teil Franken, Reihe 1, Heft 5, München 1955), S. 10–22. 388 StadtA Nürnberg, D 2/IV Spitalamt / Akten, Nr. 2813: Einsprüche möge man bei Ludwig von Eyb, der sich in einem genau bezeichneten Haus in Nürnberg aufhalte, vorbringen. 389 StadtA Nürnberg, D 2/IV Spitalamt / Akten, Nr. 2813. 390 Ebd. 387
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Nürnberger Bürger mit Gütern in Boxdorf, Neunhof und Kraftshof belegen391. Bei diesen Belehnungen wurde klar zwischen solchen an statt des Markgrafen und solchen, die Ludwig von Eyb als Lehnsherr direkt weiterverlieh, unterschieden und somit das im Jahre 1475 theoretisch festgelegte Vorgehen auch in der Praxis angewandt392. Nicht nur wegen seiner treuen Haltung seinem Herrn, Kurfürst Albrecht von Brandenburg, gegenüber, sondern wohl auch wegen eines solchen rücksichtslosen Einforderns eigener oder seines Herrn Rechte wurde Ludwig von Eyb von den Nürnbergern als leythund, das heißt als Jagdhund, bezeichnet393. Im Jahre 1487 überreichte Ludwig von Eyb Bischof Heinrich III. von Bamberg das im Vertrag von 1474 geforderte Verzeichnis ausstehender Brauneckscher Lehen394. Wie eine Abschrift dieses Registers im Lehnbuch des Bischofs Heinrich Groß von Trockau verdeutlicht, unterschied Ludwig von Eyb Bauern- und Bürgerlehen. Während die Bauernlehen vor allem um Bamberg lagen395, konzentrierten sich die Bürgerlehen auf die Umgebung der Reichsstadt Nürnberg396. Die Unterscheidung zwischen Bürger- und Bauernlehen, die das burggräfliche Verzeichnis in seiner Abschrift von 1419 noch nicht kannte, lässt darauf schließen, dass es zumindest Ludwig von Eyb und Albrecht Achilles bei der Erforschung der nicht empfangenen Brauneckschen Lehen – selbstverständlich neben der rechtlich unterschiedlichen Qualität dieser Lehen – insbesondere auf die Benennung der Nürnberger 391
StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 34: Belehnung der Brüder Nikolaus und Peter Groland mit fünf Gütern zu Boxdorf. Hierbei könnte es sich um solche Lehen handeln, die im Jahre 1330 Gottfried von Hohenlohe-Brauneck an Erkenbrecht Koler und Hermann Geuder verliehen hatte, vgl. StadtA Nürnberg, E 56/II Ebner / Grundherr / Urkunden, Nr. 114. StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 35 (Belehnung von Sebald und Hans Kreß mit Lehen zu Neunhof und Kraftshof). Im Jahre 1487 fand außerdem ein Gütertausch zwischen Ludwig von Eyb und Hans Kreß über Güter in Neunhof statt, vgl. ebd., Nr. 36. Zu Neunhof: Dannenbauer, Territorium, S. 127. Neunhof hatte dem Burggrafen gehört, der es im Jahre 1405 mit Ausnahme einiger Lehen an den Nürnberger Bürger Hans Pirkheimer verkaufte. Es folgten zahlreiche Besitzwechsel unter Nürnberger Bürgern. 392 StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 34: Hier handelte Ludwig von Eyb im Auftrag des Markgrafen. Anders dagegen im Falle von StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 35. Zum weiteren Umgang mit den Brauneckschen Lehen vgl. auch von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 101. 393 Zitiert nach Koeppel / Schuhmann, Ludwig von Eyb, S. 177, ohne Nachweis. 394 StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof, Nr. 165, fol. 128r–132v. Das register wird eingeleitet mit: Anno etc. 87 am dinstag nach sandt Michels tage hab ich, Ludwig von Eyb, ritter der elter zu Sumersdorf, diese hernach geschriebne Brawnecksche Lehen verzeichent übergeben. Vgl. Grünbeck, Erbämter, S. 135. Von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 101. 395 StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof, Nr. 165, fol. 131v–132v: Bauernlehen: unter anderem in Ampferbach, Buch, Burgebrach, Graßmannsdorf, Laubendorf, Obermichelbach, Schnaid, Zentbechhofen. 396 StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof, Nr. 165, fol. 128r–131v: Bürgerlehen; diese Lehen liegen unter anderem in: Bach, Boxdorf, Bubenreuth, Burgstall, Eltersdorf, Kleinsendelbach, Kraftshof, Niederndorf, Obermeidbach, Poppenreuth, Reckenhof, Rothaurach, Rothenberg, Wetzendorf, Willersdorf, Zweifelsheim. Dort finden sich Vertreter unter anderem folgender Familien: Derrer, Imhof, Geuder, Haller, Holzschuher, Kreß, Mendel, Riether, Schürstab, Tetzel, Tucher, Ußmer, Volckamer.
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Bürger ankam und dass aus dem Verzeichnis rasch hervorgehen sollte, um welche Familien es sich im Einzelnen handelte. Die Unterscheidung zwischen solchen Lehen, die Ludwig von Eyb in eigenem Namen ausgegeben, und solchen, die er im Namen seines Herrn verliehen hatte, spielte in diesem Verzeichnis offensichtlich keine Rolle, da beide Formen ohne Unterscheidung verzeichnet wurden397. Ludwig von Eyb wird somit zwar gegenüber den Lehnsleuten beide Varianten argumentativ eingesetzt haben, um seinen Auftrag zu erfüllen; auf Dauer und für die Praxis spielte diese Unterscheidung jedoch offensichtlich – ganz wie in der Belehnung von 1475 angelegt – keine Rolle. Ein erster Vergleich des Verzeichnisses von vor 1419 mit dem Verzeichnis Ludwigs von Eyb lässt außerdem erahnen, dass es sich vielfach um unterschiedliche Lehnstücke handelte, die in ihnen aufgeführt wurden398. Inwieweit Ludwig von Eyb tatsächlich alle „unempfangenen“ Lehen auffinden und die Rechtsverhältnisse klären konnte, ob er möglicherweise sogar irrtümlich oder vorsätzlich Lehen zu Brauneckschen Lehen erklärte, die dies ursprünglich nicht waren, lässt sich anhand der Überlieferung nicht rekonstruieren. In jedem Falle aber blieben die Unklarheiten, was sich konkret und im Einzelfall hinter den „Brauneckschen Lehen“
397 Dies geht aus folgendem Vergleich hervor: StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 34: Belehnung der Brüder Nikolaus und Peter Groland mit fünf Gütern zu Boxdorf durch Ludwig von Eyb anstatt des Markgrafen. Hierbei wird es sich um die fünf Güter zu Boxdorf handeln, die im Verzeichnis von 1487 als an Niclaus und petern den Bralant ausgegeben verzeichnet sind, vgl. StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof, Nr. 165, fol. 128v. StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 35: Belehnung von Sebald und Hans Kreß mit Lehen zu Neunhof und Kraftshof persönlich durch Ludwig von Eyb – verzeichnet in: StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof, Nr. 165, fol. 131v. Siehe zu diesen Lehen im Einzelnen oben S. 297, Anm. 391. 398 Als Stichproben wurden die Lehen der Familien Holzschuher und Derrer abgeglichen. Holzschuher: StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof, Nr. 165, (II), fol. 129r: Anton Holzschuher erhält einen Hof zu Poppenreuth zu Lehen, den der Contz Hofman pawet; (II), fol. 129r: Jeremias Holzschuher erhielt ein Gut zu Wetzendorf zu Lehen; (II), fol. 129v: Die Holzschuher erhalten einen Hof zu Eltersdorf. Im älteren Verzeichnis, StA Bamberg, Hochstift Bamberg, Lehenhof, Nr. 154 (I), fol. 146v: Fritz Holzschuher hat VII morgen ackers gelegen in dem Poxsdorffer veld zu Lehen, fol. 145v: Fritz Holzschuher trägt einen hof zu kunigs awrach. Ebd., fol. 149r: Seytz Holczschuher hat empfangen und tregt in getrewer hant seine(n) brudern, was er von meinem herrn zu lehen hat zu Nure(m)berg in der stat und auf dem land; ebd., fol., 148v: Heinrich Holzschuher hat empfangen eine Wiese zu der Kune mulen und ein Gut zu Burgstall. Derrer: (II), fol. 129v: Die Derrer erhalten mehrere Höfe in Newenhof. Nach (I), fol. 146r, trug Fritz Derrer einen Hof zu Neunhof zu Lehen, ebd., fol. 148v, Fritz Derrer trug Lehen in Poppenreuth, Kraftshof, Bruck und Freiröttenbach. Dieser Vergleich kann allerdings nur als erster Anhaltspunkt dienen. Im jüngeren Verzeichnis gab Ludwig von Eyb zwar die Besitzverhältnisse an den aufgeführten Lehen über mehrere Generationen an; dies vereinfacht aber nicht die Identifizierung von Übereinstimmungen zwischen beiden Verzeichnissen, da die Lehnstücke nicht eindeutig zugeordnet werden können. Ebenso ist so gut wie nicht zu erschließen, ob Teile dieser Lehen nicht Gegenstand von Veräußerungen waren und sich damit nicht mehr über die Familie des Lehnsinhabers zuordnen lassen.
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verbarg, vielfach auch weiterhin bestehen399. Längst hatte sich aber mit der Wendung „Braunecksche Lehen“ eine feste Beschreibung dieses Besitzkomplexes gebildet, die in den Quellen bis weit in die Frühe Neuzeit hinein immer wieder anzutreffen ist400. 8. Die Brauneckschen Lehen in den Schriften Ludwigs von Eyb Die Entwicklungen um die Brauneckschen Lehen in Zusammenhang mit der Familie der von Eyb erhält noch eine andere Nuance, wenn man das literarische Schaffen Ludwigs von Eyb des Älteren einbezieht401. In seinem an die eigenen Nachkommen gerichteten sogenannten „Gültbuch“ stellte er wesentliche Daten zu seinem Besitz und seinen Finanzen insgesamt, seiner Familie und seinem Testament zusammen. Es kann als Empfehlung oder auch Handlungsanweisung zur Mehrung des Familienbesitzes, von Ansehen gleichwie „sozialer und verwandtschaftlicher Verflechtung“ gelten402; von der Forschung wurde diese wichtige Quelle jedoch längst noch nicht ausgeschöpft403. An drei Stellen, und zwar in jedem der Besitz- und Einkunftsverzeichnisse, finden sich Einträge zu den Brauneckschen Lehen und den aus ihnen zu erzielenden Einkünften404. 399
Auf die Unklarheiten im Zusammenhang mit der Bezeichnung „Braunecksche Lehen“ wies bereits Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 224, hin. Vgl. auch ebd., S. 225 f. Siehe ferner oben D. II. 1. Es scheint auch später noch Auseinandersetzungen und Unsicherheiten um die Brauneckschen Lehen gegeben zu haben, vgl. beispielsweise StadtA Nürnberg, E 56/III Ebner / Akten, Nr. 223 (1680 Dezember 11). 400 Davon zeugen zahlreiche Belehnungen aus verschiedenen Jahrhunderten, vgl. StadtA Nürnberg, E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden, Nr. 46 (1502 November 19); Nr. 59 (1522 Juni 30); Nr. 61 (1526 August 20); Nr. 62 (1533 Juni 20); Nr. 79 (1567 Dezember 10); Nr. 82 (1577 Mai 16); Nr. 90 (1592 Februar 3). StadtA Nürnberg, E 49/1 Holzschuher / Urkunden, Nr. 518 (1559 November 29); Nr. 519 (1559 November 29); Nr. 520 (1565 Juli 25); Nr. 521 (1565 Juli 25); Nr. 522 (1565 Juli 27); Nr. 523 (1570 Juli 18). StadtA Nürnberg, A 1 Urkundenreihe, 1498 Dezember 21. 401 Vgl. Thumser, Chronist und ritterlicher Bürokrat. Ders., Einleitung, in: Ludwig von Eyb, Schriften, hg. dems., S. 13–31. Müller, Ludwig von Eyb, S. 545–547. Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 331–348 und insgesamt. 402 Thumser, Einleitung, in: Ludwig von Eyb, Schriften, hg. dems., S. 14, 20–23, Edition Gültbuch, in: ebd., S. 115–153. Dies legt schon der Aufbau des Werkes nahe, den Thumser in folgende Abschnitte gliedert: 1. Zum Testament (S. 117); 2. Schulden (S. 117–119); 3. Erstes Besitz- und Einkunftsverzeichnis (S. 120–124); 4. Ausgaben für die Familie (S. 125–128); 5. Verschiedene Aufzeichnungen für die Familie (S. 129–135); 6. Daten zur Familie (S. 135–139); 7. Stiftungen (139 f.); 8. Zweites Besitz- und Einkunftsverzeichnis (S. 140–142); 9. Drittes Einkunftsverzeichnis (S. 142–152). Müller, Ludwig von Eyb, S. 546. 403 Zum besonderen Wert dieser Quelle: Thumser, Einleitung, in: Ludwig von Eyb. Schriften, hg. dems., S. 13 f., 20–23. 404 Ludwig von Eyb, Gültbuch, hg. Thumser, S. 124: Item die Prauneckischen lehen unnd auch die Wirtzpurgischen lehen, die alle schlag ich an, das sie des jars tragen von handtlon und fellen, ein jar dem andern zw hülff, xxxx gulden gellts. Ebd., S. 141: xxxx gulden, ein jar dem andern zu hilff, die Brawneckischen und Wirtzburgischen lehen, handlohn und fell.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Blickt man schließlich – so wie es Ludwig von Eyb der Ältere gegen Ende seines Lebens literarisch auch tat – auf die Geschehnisse des vergangenen Jahrhunderts zurück, so sind auch seine im Jahre 1500 vollendeten „Denkwürdigkeiten“ zu berücksichtigen405. In diesem Werk erzählt er die Geschichte der Hohenzollern im 15. Jahrhundert und die Rolle, die er und andere Mitglieder der von Eyb darin spielten. Es galt ihm als historisches Werk zur Anschauung und Nachahmung, als Übergabe von Wissen an die folgenden Generationen, insbesondere für Markgraf Friedrich den Älteren von Brandenburg, für die Ansbacher Hofgesellschaft sowie für Mitglieder der eigenen Familie. In diesem Werk gab von Eyb die Abläufe in ihrem Hergang nicht immer korrekt wieder, sondern hob selektiv und insbesondere nach eigenem Wissen sowie nach eigener Anschauung und Erfahrung das eigene Wirken teilweise besonders hervor406. Umgekehrt lassen sich aus dieser Zusammenstellung die Themen erschließen, die von Eyb während seiner Tätigkeit als Rat besonders am Herzen lagen. So finden sich in den „Denkwürdigkeiten“ auch zwei Einträge zu den Brauneckschen Lehen. Der erste Eintrag bezieht sich auf die Übertragung der Brauneckschen Lehen nach dem Aussterben der Herren von Brauneck im Jahre 1390 an die Burggrafen von Nürnberg, wobei von Eyb besonders hervorhebt, dass die Eigengüter der Herren von Brauneck an des von Maidburgs gemahel gegangen seien407. Der zweite Eintrag handelt vom Kauf der Brauneckschen Lehen im Jahre 1448 durch Albrecht von Brandenburg. Ludwig von Eyb berichtet408, als Graf Michael Ebd., S. 149: Item die Prauneckischen lehen unnd auch die Wirtzburgischen lehen, die alle schlag ich an, das sie des jars tragen von handtlon und fallen, eyn jar dem andern zw hülff, xxx gulden gellts. 405 Zu ihnen vgl. Thumser, Chronist und ritterlicher Bürokrat, S. 14, 16–20. Ders., Einleitung, in: Ludwig von Eyb. Schriften, hg. dems., S. 13–31. Müller, Ludwig von Eyb, S. 545–547. Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 62–69. 406 Thumser, Einleitung, in: Ludwig von Eyb. Schriften, hg. dems., S. 18. 407 Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 60 f.: Demnach ist durch die gnaden Gotes das erst aufnemen burggraf Johansen, das bergkwergk am Fiechtelberg, eroffnet, das dann mercklichen nutz bracht. Davon derselb burggraf vill stet, sloss und nutzung zu dem burggrafthumb kaufft und bracht hat. Und zu derselben zeit ist konig Wentzlawen vonn graff Hannsen von Brauneck dem Reich haimgestorben die gerechtikait zu Kiczingen, der groß zehennd zu Winßhaim, die dorffer unter Hoheneck, auch die afterlehen derselben grafschafft. Ist verlihen worden dazumal dem burggrafen zu Nurnberg, was vom Reich zu lehen gangen ist, und was derselb von Brauneck aigens gehabt, das hat geerbt auff des von Maidburgs gemahel. 408 Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 88: Do nu der von Maidburg Kregling, Brauneck, Erlach, die dorffer am Mayn und ander mer zugehorung verkauffen wolt, slug sich herr Wilhelm von Rechberg darein, dieselben zu kauffen. Das ward meim vetter Mertein von Eyb zu wissen, der bracht es an mein herrn unnd die alten rete. Wurd durch sie befolhen, mit herr Wilhelm von Rechberg davon zu handeln, dann mein herr wer vor in red gewest des kauffs halben, unnd man versehe sich bey im, er würd mein herrn nit hindern, sonder darzu furdern, und nit unpillich, nochdem er seiner gnaden hofmaister wer. Wiewol er nu das ungern thet, so liess er es doch geschehen. Also wurd meim herrn der kauff bay vier unnd zwainczig tausent guldin, dahin man das Badnisch heiratgut anlegt. Glaub ich, wiewol es an der nutzung sovil nit tregt, so solt dannoch die herrschaft nit sybenczig tausent guldin dafür nehmen.
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von Hardegg Ende der 1440er Jahre Kregling, Brauneck, Erlach, die dorffer am Mayn und ander mer zugehorung verkauffen wolt, habe Wilhelm von Rechberg, markgräflicher Hofmeister, diese kaufen wollen. Dies habe Martin von Eyb erfahren und es Markgraf Albrecht sowie den alten rete[n] mitgeteilt. Wilhelm von Rechberg habe man mit Verweis auf seine Position als Hofmeister im weiteren Verlauf davon abbringen können, weiter für einen Kauf einzutreten, und so konnte der Markgraf die Lehen erwerben. Bei Martin von Eyb handelte es sich um Ludwigs von Eyb Onkel, um den Vater des Bamberger Domherrn Johann von Eyb409. Martin von Eyb war brandenburgischer Rat, zuvor auch eichstättischer Pfleger. Nach dem Bericht Ludwigs von Eyb verwandte Markgraf Albrecht von Brandenburg das durch seine Ehe mit Margarethe von Baden erworbene Heiratsgut, um den Kauf der Brauneckschen Lehen zu finanzieren. Zuvor hatte Martin von Eyb mit Gläubigern Albrechts von Brandenburg eine Reduzierung von Zinssätzen und Schuldsummen ausgehandelt, um die den Markgrafen drückende Schuldenlast zu reduzieren; bei all diesen Verhandlungen sei auch ein junger rathe damit und bey gewesen – Ludwig von Eyb selbst410. Auch wenn Ludwig von Eyb sehr bemüht war, die eigenen Leistungen und die seiner Familie für den Aufstieg der Hohenzollern zu betonen, umso eindrucks voller erscheinen doch die aus diesem Bericht zu entnehmenden Netzwerke, mit deren Hilfe die von Eyb über Jahrzehnte, insgesamt unter Beteiligung von sieben Familienmitgliedern aus drei Generationen, gezielt ihre Eigeninteressen vertraten und geschickt diese und die ihrer Herren miteinander verflochten. Für Ludwig von Eyb war die Frage der Brauneckschen Lehen mit der des Aufstiegs der Hohen zollern als Burggrafen von Nürnberg zu Territorialherren in Franken untrennbar verbunden. In seinem Bewusstsein über die eigene Geschichte werden so in einzigartiger Weise die Darstellungen von hohenzollerischer Geschichte und der eigenen Familiengeschichte miteinander verwoben und zu einem nicht aufzulösenden gemeinsamen Aufstieg verschmolzen. Bezieht man diesen Bericht Ludwigs von Eyb in die Gesamtbetrachtung der Frage der Brauneckschen Lehen im 15. Jahrhundert ein, so ist Folgendes festzuhalten: In dem Moment, in dem die Brauneckschen Lehen für Albrecht von Brandenburg politische Aktualität erlangten, wurden Mitglieder der Familie von Eyb direkt und indirekt mit ihnen befasst. Über drei Generationen ergibt sich ein Netzwerk zugunsten einer untrennbaren Verbindung von familiären Eigen- und markgräflichen, also Dienstinteressen. Dieses Netzwerk erstreckte sich über nie 409
Zu Martin von Eyb vgl. von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 60–67. Margarethe von Baden und Albrecht von Brandenburg hatten schon im Jahre 1446 geheiratet. Inwieweit ein direkter Zusammenhang zwischen der Hochzeit, den Schuldenabreden und dem Kauf der Brauneckschen Lehen bestehen, ist nicht zu ermitteln. Ludwig von Eyb bedient sich aber auch an anderen Stellen der geschickten Verknüpfung verschiedener Begebenheiten hohenzollerischer Geschichte mit der eigenen Familiengeschichte und nimmt histo rische Konstruktionen vor, vgl. etwa Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 60, Anm. 6. 410
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
deradlige Kreise, geistliche Institutionen und Ratskreise bis hinein in die Reichsebene. Dreh- und Angelpunkt, generationales Scharnier war Ludwig von Eyb, der schließlich, als das Unternehmen geglückt war, den Handel schriftlich festhielt, um der Nachwelt zu lehren, wie man sich in den Netzwerken der Zeit möglichst für den eigenen Nutzen vorteilhaft zu bewegen hatte. Eine noch ganz andere Dimension ergibt sich aus der Betrachtung des vierten und letzten Teils der „Denkwürdigkeiten“, der als Memorandum für Albrechts von Brandenburg Nachfolger Markgraf Friedrich in den fränkischen Territorien zu gelten hat und der wahrscheinlich erst Anlass für den gesamten Text war411. Darin findet sich zunächst der Rat: item ferner zu gedencken auff die furstenthumb, grafschafft und herschaft im Reich412. Konkret fügte Ludwig von Eyb an, dass man sich um die Grafschaft Katzenelnbogen bemühen solle, nemblich nachdem landtgraff Wilhelm zu Hessen noch nit erben hat. Die Grafschaft Katzenelnbogen mit ihren beiden Herrschaftsschwerpunkten am Mittelrhein und um Darmstadt war 1479 an die Landgrafen von Hessen gelangt413. Schon damals hatten sich auch die Hohenzollern für die Grafschaft interessiert. Bezeichnenderweise schließt der Darmstädter Teil der Grafschaft südlich an die Wetterau und den Vogelsberg an, wo ein Teil der erworbenen Brauneckschen Lehen lag. Daneben fällt folgende Passage der „Denkwürdigkeiten“ auf414: Item mein herr marggraf Albrecht und ich sein zu zeiten wol beyeinander gesessen unnd von der narung geredt und gehandelt, wie er sich in seinem furstenthumb erweitern mocht. Des ich ain red mit im het, er het zu zweyen fursten ein anwesen, ains uff dem Gebirg, das ander unter dem Gebirg, das dritt dem bistumb zu Wurczburg an die seiten zu machen.
Dem markgräflichen Rat ging es hier um die Schaffung eines dritten hohen zollerischen Fürstentums in Franken, und zwar in direkter Nachbarschaft zum Würzburger Bistum. Dies sollte nicht nur über die systematische Befestigung der schon im Jahre 1441 durch Pfand erworbenen Stadt Kitzingen erreicht werden; die finanzielle Ausstattung dieses Fürstentums sollte unter anderem auch aus den gult zu Repperndorf, Brichsenstat, Castel, Kregling mitsambt den dorffern am Mein und meins herrn taill des guldin zolls zu Francken gebildet werden415. Bei
411 Thumser, Einleitung, in: Ludwig von Eyb. Schriften, hg. dems., S. 19. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 345, bewertet den Anspruch Ludwigs von Eyb, dass aus der selbst erlebten und erzählten Geschichte künftige Generationen für die Grundsätze und Ziele ihrer Politik lernen könnten, als „humanistische Überzeugung“, betont jedoch insgesamt den Privatcharakter des Werkes. 412 Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 106. 413 Karl E. Demandt, Die Grafen von Katzenelnbogen und ihr Erbe, in: HJL 29 (1979), S. 1–35. Ders., Geschichte Hessen, S. 207–216. Peter Moraw, Das späte Mittelalter, in: Das Werden Hessens, hg. von Walter Heinemeyer (VHKH 50, Marburg 1986), S. 195–223, hier S. 209. 414 Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 110. 415 Ebd., S. 112.
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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den Dörfern am Main handelte es sich um einen Teil der im Jahre 1448 gekauften Brauneckschen Lehen, und zwar um die sechs Maindörfer416. Auch in Repperndorf lagen Braunecksche Lehen – Creglingen gelangte 1448 komplett an den Markgrafen417. Insgesamt lesen sich die Ausführungen Ludwigs von Eyb wie eine Anleitung zur „Staatsbildung“418 beziehungsweise Herrschaftssicherung unter den besonderen fränkischen Bedingungen, um zwischen dorn und distel die eigene herrschaft […] als rosen oder gut plumen zu entwickeln und zu festigen419. Es war dieses, letztendlich auf die Bibel zurückzuführende Zitat aus Ludwigs von Eyb Schriften, dessen sich Burkhardt in der Mitte des 19. Jahrhunderts in seiner Preisarbeit über Albrecht von Brandenburg bediente und das er zur Beschreibung hohenzollerischer „Territorialpolitik“ schlechthin ausdehnte 420. Aus dem Rat des fränkischen Niederadligen wurde so der Quellenbeleg für die vermeintlich schon den Zeitgenossen bewusste Strategie der Hohenzollern, neben der Nähe zu Kaiser und Reich die eigenen territorialen Ambitionen zielstrebig zu verfolgen und damit die Grundlagen des späteren preußischen Staates zu legen. Der Kauf eines Teils der Brauneckschen Lehen im Jahre 1448 sowie die Durchsetzung der Lehnsherreneigenschaft des Markgrafen über die Brauneckschen Lehen waren in den Augen Ludwigs von Eyb Grundstein für die territoriale Festigung und Erweiterung der hohenzollerischen Herrschaft in Franken. Der markgräfliche Rat sah sich im Rückblick gar als Teil dieser territorialen Ausbreitung. Ob überhaupt und wie Albrecht Achilles die Vorschläge seines Rates aufnahm, ist nicht überliefert; ihre ernsthafte Verfolgung von vornherein auszuschließen, erscheint aber nicht zuletzt angesichts des großen Aufwands, den sowohl der Markgraf als auch seine gesamte Verwaltung für den Erwerb der Brauneckschen Lehen trieb, als wohl zu kurz gegriffen421. 9. Folgerungen von Eyb meinte in Weiterführung eines Gedankens von Werminghoff, die Irrungen zwischen dem Bamberger Bischof und Albrecht von Brandenburg hätten die lange Zeitspanne zwischen ihrer ersten Einigung im Jahre 1466 und der Belehnung Ludwigs von Eyb im Jahre 1475 bedingt; angesichts der komplexen Verflech-
416
Siehe oben S. 254 f. Hohenlohisches Urkundenbuch 3, hg. Weller / Belschner, Nr. 444, S. 595–597, hier S. 595 f. 418 Wie auch sonst Ludwig von Eyb mit wichtigen Elementen des „Staates“ und „moderner Verwaltung“ in Verbindung gebracht wird, insbesondere durch die Reorganisation der markgräflichen Finanzen, vgl. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 354 f. 419 Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 113. 420 Siehe im Einzelnen oben S. 73 f., Anm. 254. 421 Anders Schubert, Albrecht Achilles, S. 161. 417
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
tungen und Entwicklungen zwischen einer Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren erscheint dies als zu undifferenziert422. Schneider423 überträgt Ergebnisse, die Fouquet424 an der Fallstudie des Speyerer Domkapitels im Spätmittelalter gewann, auf Franken und nimmt an, dass „ähnliche Einflußversuche […] in Franken für das Markgraftum BrandenburgKulmbach bei der Besetzung der Pfründen von Würzburg und Bamberg denkbar“ seien wie im Falle Speyers durch die Kurpfalz, jedoch seien sie nach den For schungen von Ulrichs425 bisher in Franken nicht zu erkennen. Schneider nimmt deshalb an, dass eher „endogene“ Faktoren, insbesondere Patronage des Bischofs gegenüber seiner eigenen Familie sowie der Versorgungsdruck des fränkischen Regionaladels die personale Zusammensetzung bestimmten. Wendet man allerdings den Ansatz der Politiknetzwerke an und legt die Interessenkonstellationen frei, die die niederadlige Familie von Eyb umgaben und bei denen insbesondere Markgraf Albrecht von Brandenburg wesentlich die Fäden zog beziehungsweise sie für sich zu nutzen wusste, so sind doch ähnliche Spuren erkennbar, die Fouquet für die Kurpfalz herausgearbeitet hat. Ebenso ergeben sich neue Einblicke in das Wirken von Räten. Auch bei Ludwig von Eyb mischen sich in seiner Tätigkeit Dienst-, Familien-, Freundschaftsund Lehnsinteressen in seiner Tätigkeit. Räte sind somit nur bedingt Agenten ihrer Herren, denn sobald sie Eigeninteressen verfolgen, werden sie zu Handelnden auch in eigener Sache. Ludwig von Eyb wurde von der Forschung bisher hauptsächlich als fleißiger Rat, als fremdbestimmter und ausführender Akteur gezeichnet, der die Kaisertreue seines Herrn im Kleinen durch die Treue zum brandenburgischen Kurfürsten nachahmte426. Seine Eigeninteressen blieben dabei unberücksichtigt. Möchte man aber auch die Entwicklungen der Reichspolitik und sein Handeln darin besser verstehen, so sind es die Netzwerkverbindungen auf allen Ebenen, die sein politisches Wirken ausmachen. Berücksichtigt man die übrigen Familienmitglieder, nicht zuletzt Anselm von Eyb, so ergibt sich ein Netzwerk auf allen Ebenen der Politik innerhalb des Reiches. Wenn Ludwig von Eyb schließlich seinen Herrn, Kurfürst Albrecht von Brandenburg, im Jahre 1474 bittet, nach mehr als dreijähriger diplomatischer Mission endlich einmal wieder nach Hause zurückkehren zu dürfen, so steht dahinter nicht nur die Sehnsucht nach seiner Heimat, sondern wohl auch die Verfolgung seiner Interessen in Franken427. Vor dem Hintergrund dieser Verschmelzung von landesherrlichen und eigenen Interessen erhält die Aufforderung des Kurfürsten an seine Räte aus dem Jahre 1476 eine erheblich konkretere Dimension: thut in allen sachen das best, als wer es eur eigen
422
von Eyb, Freiherren von Eyb, S. 97. Werminghoff, Ludwig von Eyb, S. 224. Schneider, Niederadel, S. 29. 424 Fouquet, Domkapitel, S. 295–302, zum Ansatz S. 15–19. 425 Ulrichs, Lehnhof, S. 89–116, zu Bamberg insbesondere S. 108–113. 426 Koeppel / Schuhmann, Ludwig von Eyb, S. 177–179. 427 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 754, S. 610 f. Siehe oben S. 152. 423
II. Der Konflikt um die Brauneckschen Lehen
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sach428. Neben den vielfach von der Forschung betonten gemeinsamen „Bildungskarrieren“ von Räten können an diesem Beispiel zudem die familiären und dienstlichen Verflechtungen beobachtet werden, die erst unter der Perspektive politischer Netzwerke sichtbar werden. Das Beispiel der Brauneckschen Lehen verdeutlicht außerdem, welche Be deutung Kaiser Friedrich III. in den regional-fränkischen Netzwerken als Ordnungsinstanz hatte. Von den Nürnbergern wurde er herangezogen, um den Status quo zu sichern und ihrer Belehnung durch Ludwig von Eyb zu entgehen. Die Belehnung der Reichsstadt auf Zeit (1470–1473) war ein deutliches Zeichen zugunsten der Nürnberger; auf dem Treffen von Nürnberg (1471) wird es zur entscheidenden Absprache zwischen Kaiser Friedrich und Albrecht von Brandenburg gekommen sein. Letztendlich blieb das Verhalten des Kaisers widersprüchlich beziehungsweise von momentanen Kräfteverhältnissen abhängig. Seine jeweilige Entscheidung hatte weitreichende Konsequenzen in den regionalen Netzwerken, die ihrerseits in der Folge angepasst und ausgestaltet wurden, ohne dass der Kaiser davon Kenntnis erhielt. Als Ordnungsfaktor war Kaiser Friedrich hier für die regionale Ordnung unverzichtbar; sein Handeln zeigt sich als effizient und verbindlich. Aus den Reflexionen der regionalen Netzwerkteilnehmer geht hervor, dass sie konkrete Erwartungen an ihn hatten und diese im Widerstreit mit ihren Konkurrenten äußerten. Als einzigen nennenswerten dauerhaften territorialen Zugewinn des Mark ehen grafen Albrechts von Brandenburg erhält das Beispiel der Brauneckschen L ebenso Bedeutung für die fränkische Territorialgeschichte. Dabei verdeutlicht das Beispiel, wie sehr Fragen der „Territorialisierung“ mit der Intensivierung und Ausschaltung von Personenverbindungen einherging. Von der personalen Abgrenzung zwischen den Territorien kann nicht ohne weiteres auf verstärkte „Territorialisierung“ geschlossen werden. Die Rekonstruktion politischer Netzwerke zwischen Lehnsleuten, Räten, Fürsten und Städten erhellt vielmehr, wie um die Zuordnung und rechtliche Ausgestaltung der Lehnsverhältnisse gerungen wurde. Gleichzeitig verdeutlicht sie die Herrschaftstechnik des Markgrafen, Räte als direkte Lehnsnehmer einzubeziehen, um politische Ziele zu verfolgen. Auch der Kaiser hatte durch seine Entscheidung maßgebliche Einflussmöglichkeiten auf „Territorialisierungsprozesse“. Ferner hatte der Erwerb der Mark Brandenburg ganz offensichtlich Rückwirkungen auf die politischen Handlungsspielräume des Markgrafen in Franken. Seine Territorien in Franken, die Burggrafschaft sowie die Mark konnten als politische Argumente flexibel eingesetzt werden, um Entscheidungen in eigenem Sinne zu beeinflussen; die längerfristige Verflechtung der Mark mit Lehen in Franken konnte, wie hier durch den Bischof von Bamberg, auch von außen gefordert werden, sodass die Doppelherrschaft des Markgrafen durchaus auch anderen Akteuren im Umgang mit den Markgrafen Handlungsspielräume eröffnen konnte. 428
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 216, S. 227–230, hier S. 229.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Schließlich gewährt die Frage der Brauneckschen Lehen auch Einblicke in das Verhältnis zwischen der Reichsstadt und dem Markgrafen. Das Lehnswesen zeigt sich hier als eine durchaus adäquate Bindungsform zwischen Bürgern und Fürsten beziehungsweise Landadligen. Keineswegs aber stellt es ein klares Indiz für die Gleich-, Über- oder Unterordnung dar. Die Flexibilität lehnrechtlicher Bindung in ihrer Ausgestaltung führte hingegen dazu, dass Kräfteverhältnisse über Lehnsbindungen immer neu ausbalanciert werden konnten, man über sie aber ebenso in Entscheidungsprozesse in der Reichsstadt einzugreifen versuchte. 10. Zusammenfassung Nach dem Aussterben der Herren von Hohenlohe-Brauneck im Jahre 1390 konkurrierten zahlreiche Akteure um die Nachfolge in verschiedenen Teilen der sogenannten Brauneckschen Lehnsgüter, die weit verstreut in Franken und dem südlichen Hessen lagen; unter Berücksichtigung vor allem ungedruckter Quellen zeigt sich dieser Lehnsbestand als erheblich umfangreicher als bisher angenommen. König Wenzel hatte im Jahre 1390 die Brauneckschen Reichslehen an die Burggrafen von Nürnberg übertragen; um diese und andere Lehnskomplexe konkurrierten außerdem die weiblichen Erben der Verstorbenen, andere Linien der Herren von Hohenlohe, die Bischöfe von Bamberg und Würzburg sowie der Pfalzgraf bei Rhein. Wohl ein beachtlicher Teil der Lehen gelangte entweder durch Übertragung zu Eigen oder als Lehen an die weiblichen Erben der Herren von Brauneck. Zu einer abschließenden Klärung der Rechtsverhältnisse zwischen den Lehnsherren kam es in der Folge allerdings nicht. Nürnberger Bürger, die als Aftervasallen auf einem Teil dieser Lehen saßen, hatten angesichts der unklaren Rechtsverhältnisse an ihren Lehen schon bald nach dem Aussterben der Herren von Brauneck beim Nürnberger Landgericht ein später noch mehrfach bestätigtes Urteil erwirkt, dass sie bis zur Klärung der Ansprüche zwischen den Herren auf den Lehen unbelehnt sitzen bleiben sollten. Im Jahre 1448 erwarb Albrecht von Brandenburg von Burggraf Michael von Magdeburg einen wichtigen Teil der Brauneckschen Lehen, die dieser von den weiblichen Erben der Herren von Brauneck geerbt hatte. Seine Ansprüche auf Teile der Lehen reaktivierte der Bischof von Bamberg in den 1460er Jahren gegenüber Markgraf Albrecht von Brandenburg. Beide verglichen sich im Jahre 1466 derart, dass sie gemeinschaftlich mit allen bisher nicht ausgegebenen Brauneckschen Lehen den markgräflichen Rat Ludwig von Eyb belehnten, der diese weiterverleihen sollte. Die Nürnberger widersetzten sich der Belehnung durch Ludwig von Eyb und erwirkten 1470 eine auf drei Jahre befristete Belehnung bei Kaiser Friedrich III. Albrecht von Brandenburg gelang es darauf, Kaiser Friedrich III. zu einer Zusage für eine Belehnung nach Ablauf der drei Jahre zu bewegen. Sie führte erst nach stetem Werben um die Ausfertigung des Lehnsbriefes durch Albrecht und seine Räte, insbesondere Mitglieder der Fami-
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lie von Eyb, im Jahre 1473 zur Übertragung der Lehen an Albrecht. In die hierbei aktivierten Netzwerke war insbesondere Erzbischof Adolf von Mainz als Kanzler eingebunden. Ein weiterer Vertrag zwischen Albrecht von Brandenburg und dem Bischof von Bamberg (1474) bedeutete eine Anpassung regionaler Netzwerke an die kaiserliche Entscheidung und führte zu einem gegenseitigen Verzicht der konkurrierenden Lehnsherren; der Bamberger Halbteil der Lehen sollte der Bischof fortan an den brandenburgischen Kurfürsten ausgeben, wodurch es entgegen dem Gedanken der Dispositio Achillea von 1473 zu einer Verklammerung der Brauneckschen Lehen mit der Mark Brandenburg kam, die in der Folge zu Auseinandersetzungen führte. Im Jahre 1475 wurden die Regelungen im Rahmen der Belehnung Ludwigs von Eyb weiter konkretisiert, wobei angesichts der widersprechenden Erbregelungen im Hause Hohenzollern die Bindung des bambergischen Teils der Brauneckschen Lehen an die fränkischen Territorien festzuschreiben versucht wurde. Aus der Vereinigung der Mark Brandenburg und den fränkischen Territorien in der Hand Albrechts von Brandenburg ergaben sich somit Spielräume und Zwänge zugleich, in jedem Fall aber Wechselwirkungen und gegenseitige Einflüsse zwischen den Territorien, die sich auch an dem Versuch, in Franken die Abgabe des Handlohns durchzusetzen, ablesen lassen. Politisches Handeln vollzog sich in der Frage der Brauneckschen Lehen auf verschiedenen Ebenen und mit ganz unterschiedlichen Akteuren. Insbesondere der Anteil der Familie von Eyb an den Entwicklungen zeigt sich unter der Netzwerkperspektive als weitaus größer als bisher angenommen. Sieben Familienmitglieder auf verschiedenen Ebenen, vom markgräflichen Hof in Ansbach über das Domkapitel in Bamberg, das Bistum Eichstätt bis hin zum Kaiserhof, betrieben anscheinend zielgerichtet die Durchsetzung der Belehnung Albrechts von Brandenburg und ebenso Ludwigs von Eyb mit den Lehen. Geschickt verband der markgräfliche Rat über seine verschiedenen familiären und dienstlichen Kanäle seine Eigeninteressen mit denen seines Herrn; Ludwig von Eyb stellte sich im Nachhinein – wie aus seinen eigenen Schriften hervorgeht – gar als wesentlich treibende Kraft hinter den markgräflichen Bemühungen um die Brauneckschen Lehen dar, denen er als einzigem dauerhaften territorialen Erwerb Albrechts von Brandenburg in der Idee eines dritten markgräflichen Fürstentums eine maßgebliche Rolle für die Verfestigung der Herrschaft seines Herrn in Franken zumaß. Gleichzeitig gibt das Beispiel der Brauneckschen Lehen Einblicke zum einen in die Bedeutung des Lehnswesens in den politischen Netzwerken zwischen dem Markgrafen und der Reichsstadt Nürnberg, zum anderen in „Territorialisierungsprozesse“ in reichsstädtischem Kontext sowie in Franken allgemein. Unter der Perspektive von Governance und politischen Netzwerken erweisen sich Lehnsbindungen als hochflexible Bindungsform zwischen Bürgern und Adligen, die durch ihre Uneindeutigkeit und unterschiedliche Bewertung immer wieder neu austariert werden musste. Dem Markgrafen dienten sie als Möglichkeit, seinen Einfluss auf die städtische Politik zu vergrößern, den Nürnbergern als Mittel der Anerkennung ihrer Ebenbürtigkeit mit dem Landadel. Nicht nur aus dieser Perspektive, sondern
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
auch angesichts der Rolle Ludwigs von Eyb als markgräflicher Hauptmann im Markgrafenkrieg wirkte seine Belehnung wohl provozierend. Während der Markgraf außerdem auf diesem Wege versuchte, in das ungeschlossene Nürnberger Landgebiet weiter vorzudringen, strebten die Nürnberger durch Ausnutzung des Gerichtsurteils von 1390 nach dem Besitz der Lehen als quasi Eigentum. Anhand der Wechselbeziehung von Rats- und Familienhandeln und der vielfältigen Bemühungen des städtischen Rates kann ein erheblich langfristigeres Eintreten der Stadt insgesamt für den Erwerb und Ausbau von Bürgerbesitz auf dem Lande abgelesen werden. Kaiser Friedrich III. schließlich war auch in diesen Netzwerken aktiv sowie ein stets mitbedachter Faktor und führte nach mehrjährigem Stillstand schließlich eine Lösung des Konflikts herbei, die das Gesicht aller wahrte. Seine bloße Existenz bewirkte politisches Handeln anderer Akteure, auch wenn er selbst untätig blieb oder nur punktuell eingriff. Die komplexen Verbindungen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Bindungen in einer unübersichtlichen Gemengelage von Interessen zwischen zahlreichen verschiedenartigen Akteuren, wie sie sich im Falle der Frage der Brauneckschen Lehen auf den ersten Blick darstellt, werden unter der Perspektive politischer Netzwerke sowie mit dem Governance-Ansatz entwirrt und darstellbar.
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren 1. Vorgeschichte Da dannen zug man fur Haydeck. Der het sich auß wider willen gein mein herrn marggraf Albrechten zu den von Nurnberg thon. Das ward auch gewunnen und vill slosslich den von Nürnberg zustendig.429 Mit diesen Worten beschreibt Ludwig von Eyb in seinen „Denkwürdigkeiten“ das Vorgehen seines Herrn, des Markgrafen Albrecht von Brandenburg, im Jahre 1449 gegen Konrad II. von Heideck im Rahmen seiner kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Reichsstadt Nürnberg. Konrad von Heideck, Inhaber der gleichnamigen reichsunmittelbaren Herrschaft im Fränkischen, hatte sich im Jahre 1445 in Nürnberger Dienste begeben430. Bis 1449 hatten sich die Beziehungen zwischen ihm und dem Markgrafen 429
Vgl. Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 80. Vgl. ebd., S. 80, Anm. 118. Dietrich Deeg, Die Herrschaft der Herren von Heideck. Eine Studie zu hochadeliger Familien- und Besitzgeschichte (Freie Schriftenfolge der Gesellschaft für Familienforschung in Franken 18, Neustadt a.d.A. 1968), S. 115–128. Dieter J. Weiß, Franken am Ausgang des späten Mittelalters, in: Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. 3,1: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. von Andreas Kraus (München ³1997), S. 427–450, hier S. 434 f. Zu Heideck auch: Wolfram Unger, Art. „Heideck“, in: 430
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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insbesondere über die Frage der Nutzung eines Bergwerks bei Laibstadt, das Konrad nach Meinung des Markgrafen auf seinem Gebiet errichtet hatte und nun zusammen mit den Nürnbergern betrieb, verschlechtert431. Der Versuch Konrads von Heideck, geschwächt von innerfamiliären Streitigkeiten sich gegen die Übermacht des benachbarten Markgrafen durch eine Anlehnung an Nürnberg zu behaupten, selbst die Intervention König Friedrichs nutzten nichts. Wie Deeg gezeigt hat, war Markgraf Albrecht von Brandenburg nicht Lehnsherr des von Heideck, es hatte lediglich Dienstverhältnisse seiner Vorfahren gegeben432. Nach dem Scheitern von Verhandlungen, einem Gerichtsurteil, das der Markgraf bei seinem eigenen Landgericht in Nürnberg, sozusagen bei sich selbst, zu seinen Gunsten erwirken konnte, und der gewaltsamen Schließung des Bergwerks wurden verschiedene Konfliktkreise miteinander verflochten, als Albrecht von Brandenburg Nürnberg aufforderte, das Dienstverhältnis mit Konrad von Heideck zu beenden433. Der Konflikt wurde Teil des sogenannten „ersten Markgrafenkrieges“. Zu einer wirklichen Belagerung der Stadt Heideck kam es wohl nicht, da die Einwohner angesichts der markgräflichen Besetzung umliegender Orte erst gegen ihren Herrn meuterten und sich dann rasch ergaben; die Burg wurde nach einer Woche Belagerung am 29. Juli 1449 von den markgräflichen Truppen eingenommen434. Bis zum Vertrag von Lauf im Jahre 1453 blieb die Herrschaft Heideck in der Hand des Markgrafen435. Eine zwischenzeitliche Belehnung Albrechts von Brandenburg durch König Ladislaus von Böhmen und Ungarn, der ebenfalls landesherrliche Rechte an der Herrschaft Heideck anmeldete, blieb jedoch folgenlos; Handbuch der historischen Stätten, Bd. 7: Bayern, 2: Franken, hg. von Hans-Michael Körner / Alois Schmid (Stuttgart 2006), S. 204 f. Jüngst auch Christof Paulus, Art. „Heideck“, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Grafen und Herren, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel / Anna Paulina Orlowska / Jörg Wettlaufer, Teilbd. 1 (Residenzenforschung 15,4, Ostfildern 2012), S. 583–588. 431 Der entsprechende Schriftwechsel belegt eindrucksvoll die Ereignisse: HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1510 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 21r, 25r, 26r, 28r, 56r, 57r, 58r, 59r, 73r, 84r. Ebd., F 862 (Regestensammlung Burkhardt), S. 79 f., Nr. 41, 42, 43, 44; S. 81 f., Nr. 48, 49, 50; S. 83, Nr. 55, 56, 58, 59; S. 84–91, Nr. 60–62, 65, 70; S. 92, Nr. 75 [teilweise identisch]. Ebd., F 1474g (Regestensammlung Bayer), 1449 Mai 10; 1449 Juli 2. 432 Deeg, Herrschaft Heideck, S. 118. Vgl. auch Irmgard Lackner, Herzog Ludwig IX. der Reiche von Bayern-Landshut (1450–1479), Reichsfürstliche Politik gegenüber Kaiser und Reichsständen (Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte 11, Regensburg 2011), S. 375, Anm. 1827. 433 Kanter, Albrecht Achilles, S. 422 f., 431. 434 Ebd., S. 495 f. Deeg, Herrschaft Heideck, S. 120. Ludwig von Eyb, Denkwürdigkeiten, hg. Thumser, S. 80, Anm. 118. 435 GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E I 7, fol. 5r–6r. Vgl. auch Nürnberg’s Krieg gegen den Markgrafen Albrecht (Achilles) von Brandenburg, 1449 und 1450. Kriegsbericht und Ordnungen, zusammengebracht von Erhard Schürstab, hg. von Friedrich von Weech / Matthias Lexer, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 2 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert 2, Leipzig 1864), S. 95–352, hier S. 230–238. Vgl. auch Lackner, Ludwig der Reiche, S. 66 f.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Albrecht von Brandenburg musste die Herrschaft gemäß dem Vertrag von Lauf an Konrad von Heideck zurückgeben436. In der Folge geriet der von Heideck immer stärker unter den Einfluss Herzog Ludwigs von Bayern-Landshut, der dem äußerst verschuldeten Konrad einen Kredit gewährte, ihn sodann durch eine Reihe von Verträgen weiter von sich abhängig machte437. Damit ergaben sich unklare Rechtsverhältnisse für die Herrschaft Heideck, die reichsunmittelbar war, gleichzeitig aber als böhmisches Lehen galt und außerdem den Herzögen von Bayern-Landshut dienstverpflichtet sowie nun von ihnen finanziell abhängig war438. Die faktische Unterordnung unter die bayerischen Herzöge führte zu Auseinandersetzungen Konrads von Heideck mit seiner Verwandtschaft. Sowohl König Ladislaus als auch Georg Podiebrad und Matthias Corvinus willigten schriftlich in die Übernahme weitreichender herrschaftlicher Befugnisse durch den bayerischen Herzog ein, die mit der Schuldverschreibung einhergegangen waren439. In diesem Zusammenhang wurde auch die Übernahme der Herrschaft Heideck durch Herzog Ludwig von Bayern als Lehnsmann des böhmischen Königs nach dem Tode Konrads von Heideck vereinbart. Konrad starb schließlich 1471, und mit dem Verzicht seiner Erben, insbesondere Johanns IV. von Heideck, auf die Rechte an der Herrschaft im Jahr darauf ging sie vollständig in den Besitz des Herzogs von Bayern-Landshut über. Die Auflage der böhmischen Herren, die Herrschaft Heideck als Afterlehen auszugeben, wurde allerdings erst im Jahre 1477 mit ihrer Übertragung an Johann von der Leiter erfüllt440. Während das Schicksal der Herren von Heideck bis zum Tode Konrads III. als gut untersucht gelten kann, wurden die Folgeauseinandersetzungen bisher von der 436
Deeg, Herrschaft Heideck, S. 120. Friedrich von Weech, Historische Darstellung der zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und Heideck-Nürnberg geführten Kriegs- und Friedensverhandlungen, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 2 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert 2, Leipzig 1864), S. 355–416. 437 Deeg, Herrschaft Heideck, S. 121. Vgl. StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 105, Verträge mit benachbarten Reichsständen, Nachbarliche Verträge mit der Pfalz, Nr. 8: Korrespondenz zwischen Albrecht von Brandenburg und Ludwig dem Reichen Mitte der 1460er Jahre über die Herrschaft Heideck. 438 Deeg, Herrschaft Heideck, S. 122. Lackner, Ludwig der Reiche, S. 305, die Konrad von Heideck für Mitte der 1460er Jahre als Rat Herzog Ludwigs des Reichen ausweist. 439 Deeg, Herrschaft Heideck, S. 125. 440 Ebd., S. 127. Dass Johann von der Leiter allerdings aus einer unehelichen Verbindung Cangrandes II. della Scala hervorgegangen ist, ist auszuschließen; vielmehr reichte diese uneheliche Verbindung, aus dem die „deutsche“ Linie des Nicodemus, Bischofs von Freising, hervorging, bis ins 14. Jahrhundert zurück, vgl. [o. V.], Deutsche Nachkommen der Scaliger von Verona, in: Familiengeschichtliche Blätter 15 (1917), S. 218. Zur Belehnung Herzog Ludwigs des Reichen durch Matthias Corvinus vgl. Reinhard Stauber, Herzog Georg von Bayern-Landshut und seine Reichspolitik. Möglichkeiten und Grenzen reichsfürstlicher Politik im wittelsbachisch-habsburgischen Spannungsfeld zwischen 1470 und 1505 (Münchner Historische Studien. Abt. Bayerische Geschichte 15, Kallmünz 1993), S. 83. Lackner, Ludwig der Reiche, S. 173, Anm. 873, weist Johann von der Leiter Ende der 1450er Jahre als Rat Herzog Ludwigs des Reichen aus. Vgl. ebenso Hesse, Amtsträger, S. 814; Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 572 f.
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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Forschung eher vernachlässigt441. Diese ausführliche Schilderung der Geschichte der Herrschaft Heideck vor 1470 verdeutlicht beispielhaft die territoriale Dynamik in den markgräflich-brandenburgischen und herzoglich-bayerischen Kontaktbereichen. Eine Vielzahl kleinerer Auseinandersetzungen belastete die Beziehungen zwischen Albrecht von Brandenburg und Herzog Ludwig dem Reichen in diesen Jahren442. Dabei ging es insbesondere um Zoll-, Geleit- und Gerichtsrechte. Unter den Bedingungen des „territorium non clausum“, also der stärkeren Unabgeschlossenheit der Territorien und vielfachen Überlagerung von Rechten verschiedener Herren in Franken, ergaben sich zahlreiche Möglichkeiten, etwa unklare Rechtsverhältnisse oder Herrschaftskrisen auszunutzen443. Während die ältere Forschung nicht zuletzt zur Vielzahl kleinerer Geleitskonflikte meinte, es erübrige sich, „auf diese vielen Streitigkeiten näher einzugehen“444, gestatten solche auf den ersten Blick unbedeutenden Konflikte doch Einblicke in die bestehenden Strukturen von Herrschaft, Verwaltung und Recht sowie in die Ausübung von Hoheitsrechten – kurz, in die Formen des Regierens und in das Maß an Staatlichkeit auf lokaler und regionaler Ebene. Seyboth stellte bei seiner Betrachtung des „Innere[n] Zustand[s] der Markgraftümer Ansbach und Kulmbach um 1500“ fest, „daß der Versuch, einen Überblick über den inneren Zustand der Markgraftümer um 1500 gewinnen, auf ungleich größere methodische Schwierigkeiten stößt als eine Schilderung der außenpolitischen Ereignisse jenes Zeitraums“445. Dies rühre daher, „daß sich innerstaatliche Entwicklungen wesentlich langfristiger vollziehen als rasch vorübergehende äußere Geschehnisse und dementsprechend schwieriger faßbar sind.“446 Die Betrachtung der Strukturen und des Handelns innerhalb dieser Strukturen anhand konkreter Konflikte verspricht jedoch, über das von Seyboth beschriebene Dilemma wenigstens teilweise hinwegzukommen. So wird hier methodisch der umgekehrte Weg beschritten, nämlich gerade nicht bloß das auf das Territorium beschränkte Handeln von Verwaltenden – und damit eher einen Idealzustand – zu untersuchen, sondern die territorialen Strukturen im Moment der Ausein andersetzung mit anderen Territorialherren zu betrachten, sozusagen „innen“ und 441
Vgl. Schneider, Niederadel, S. 472–474. Lackner, Ludwig der Reiche, S. 305, 374–381. 443 Siehe hierzu auch unten S. 387 f. 444 Rudolf Endres, Ein Verzeichnis der Geleitstraßen der Burggrafen von Nürnberg, in: JbffL 23 (1963), S. 107–138, hier S. 111. In Bezug auf das „friedensstiftende Institut“ des Geleits stellte Rothmann, Fehde und Geleit, S. 103, fest, dass sich die Forschung vielfach auf die „bloße Beschreibung einzelner Geleitsgerechtigkeiten“ beschränke, vgl. ders., Innerer Friede und herrschaftliches Gewaltmonopol. Zur herrschaftlichen Funktion von Fehde und Geleit in Spätmittelalter und beginnender Früher Neuzeit unter besonderer Berücksichtigung von Frankfurt und dessen Umland, in: „…Ihrer Bürger Freiheit“. Frankfurt am Main im Mittelalter. Beiträge zur Erinnerung an die Frankfurter Mediävistin Elsbet Orth, hg. von Heribert Müller (Veröffentlichungen der Frankfurter Historischen Kommission XXII, Frankfurt a. M. 2004), S. 89–124, hier S. 103. 445 Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 341. 446 Ebd., S. 341 f. 442
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
„außen“ nicht unüberbrückbar gegenüberzustellen, sondern aufeinander zu beziehen. Für eine solche sachbezogene Untersuchung, etwa eines Konflikts oder einer zu lösenden politischen Herausforderung, eignen sich der Rahmen politischer Netzwerke sowie die Governance-Perspektive besonders. Im Folgenden sollen daher zwei solcher Konflikte, die Albrecht Achilles während seiner Reise in die Mark Brandenburg zwischen Oktober 1471 und April 1473 mit dem bayerischen Herzog Ludwig dem Reichen in Franken – genauer: im Bereich des Fürstentums Ansbach447 – hatte, näher betrachtet werden448. 2. Die Reise Albrechts von Brandenburg in die Mark und erste Streitigkeiten in Franken Von Mitte Oktober 1471 bis April 1473 befand sich Albrecht von Brandenburg in der Mark Brandenburg, um diese erstmals als Kurfürst zu besuchen und in Besitz zu nehmen449. Der Markgraf war zwischen 1470 und 1480 etwa 40 % der Zeit nicht in seinem Herrschaftsschwerpunkt in Franken präsent. Somit bilden die im Folgenden zu untersuchenden Gegebenheiten für diesen Zeitraum von zehn Jahren weniger die Ausnahme, sondern sie stellen einen wesentlichen Teil der markgräflichen Herrschaft dar. Mit der Führung der politischen Geschäfte war während seiner Abwesenheit eine Gruppe von „Statthaltern“ zuständig, die sich nach
447 Vgl. Gerhard Zimmermann, Grundlagen und Wandlungen der politischen Landschaft, in: Oberfranken im Spätmittelalter und zu Beginn der Neuzeit, hg. von Elisabeth Roth (Bayreuth 1979), S. 11–51. 448 Zu den Beziehungen zwischen Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Herzog Ludwig dem Reichen vgl. nun Lackner, Ludwig der Reiche, S. 43 f. Stauber, Reichspolitik, S. 90–94. Zu Herzog Ludwig dem Reichen: Andreas Kraus, Geschichte Bayerns. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (München ³2004), S. 172–185. Hans Rall / Marga Rall, Die Wittelsbacher in Lebensbildern (München ²2005), S. 86–89. Friedrich Prinz, Die Geschichte Bayerns (München / Zürich 1997), S. 164 f. Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 17–38. Reinhard Stauber, Land und Reich – Die Landshuter Herzöge und ihre Politik, in: Niederbayerns Reiche Herzöge, hg. von dems./Gerhard Tausche / Richard Loibl (Hefte zur bayerischen Geschichte und Kultur 38, Augsburg 2009), S. 12–32, hier S. 24–26. August Kluckhohn, Ludwig der Reiche, Herzog von Bayern. Zur Geschichte Deutschlands im 15. Jahrhundert (Nördlingen 1865). Ferner Reinhard Stauber, Das geteilte Land, in: Niederbayerns Reiche Herzöge, hg. von dems./Gerhard Tausche / Richard Loibl (Hefte zur bayerischen Geschichte und Kultur 38, Augsburg 2009), S. 7–11. Reinhard Seyboth, Franken in den politischen Konzepten der Wittelsbacher im späten Mittelalter, in: Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und Geschichte, hg. von Johannes Merz / Robert Schuh (Hefte zur bayerischen Landesgeschichte 3, München 2004), S. 307–321, hier S. 315–319. Andreas Kraus, Sammlung der Kräfte und Aufschwung (1450–1508), in: Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. von dems., Bd. 2: Das alte Bayern. Der Territorialstaat vom Ausgang des 12. Jahrhunderts bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts (München ²1988), S. 288–321, hier S. 293–310. 449 Vgl. Ahrens, Residenz und Herrschaft, S. 71–80.
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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Seyboth aus zwölf bis fünfzehn markgräflichen Räten zusammensetzte450. Für die Zeit seiner Abwesenheit hatte der Kurfürst außerdem Vorsorge getroffen, indem er seinen Räten Aufträge gegeben hatte. Insbesondere galt es, Auseinandersetzungen und Spannungen mit den Nachbarn in Franken zu umgehen oder wenigstens möglichst gering zu halten, oder bis zu seiner Rückkehr zu verzögern451. Allerdings bereits fünf Tage, nachdem der Kurfürst in Berlin452 eingetroffen war, wandte sich Herzog Ludwig von Bayern-Landshut mit einem ersten Schreiben an die Statthalter des Kurfürsten in Ansbach, man möge einen von kurfürstlich brandenburgischen Amtleuten zu Wallesau gefangen genommenen Mann, der eigentlich unter die Hilpoltsteiner Jurisdiktion falle, unverzüglich freilassen453. Die Angelegenheit gestaltet sich in der Rückschau allerdings erheblich komplizierter, als sie der Herzog hier beschrieb, denn, wie aus einem früheren Schreiben von Ende Oktober hervorgeht, hatte anscheinend dieser Gefangene – er hieß wohl Johannes Schreiber – auf der Straße von Roth nach Weißenburg den kurfürstlichen Zöllner zu Roth überfallen, ihn dann aber wieder freigelassen; der Täter wurde später durch den markgräflichen Amtmann von Roth, Albrecht Klack, bei Walle ovember sau festgesetzt454. Offensichtlich zog sich diese Angelegenheit bis Ende N hin455. In dieser Zeit kommunizierten die bayerischen Pfleger von Altdorf und Hilpoltstein, der markgräfliche Amtmann von Roth, Bürgermeister und Rat der Stadt Roth sowie die kurfürstlichen Räte; als sich Herzog Ludwig von Bayern-Landshut für seinen Pfleger von Hilpoltstein einschaltete, ist zu erfahren, in der Zwischenzeit sei der Gefangene nach einer Befragung freigelassen worden. Herzog Ludwig hatte den aktuellen Anlass mit grundsätzlichen Fragen verbunden, indem er Wallesau als zum Halsgericht Hilpoltstein zugehörig bezeichnete 456. Dies wiesen die Räte sachlich zurück und benannten Unwahrheiten in seinem Schreiben deutlich457. In der weiteren Kommunikation taucht dieser Vorfall nicht mehr auf. Allerdings finden sich hierin alle Grundmuster der kleineren Konflikte zwischen Herzog Ludwig und Kurfürst Albrecht, die in der Folge auftraten. Insbesondere die Akteure blieben gleich, genauso wie die Verbindung zwischen Vorfällen und grundsätzlichem Streit über Rechte. Über diesen Vorfall Ende 1471 scheint Kurfürst Albrecht von seinen Räten nicht einmal unterrichtet worden zu sein. Sie regelten diese Angelegenheit vielmehr vollkommen selbstständig und gaben Anweisungen an den Amtmann zu Roth. Umgekehrt befolgte dieser streng und 450
Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 353. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 247, S. 289 f. 452 Zu Berlin als markgräflichem Herrschaftsschwerpunkt vgl. Eckhard Müller-Mertens, Die landesherrliche Residenz Berlin und Kölln 1280–1486. Markgrafenhof, Herrschaftsschwerpunkt, Residenzstadt, in: ZfG 36/2 (1988), S. 138–154. 453 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 248, S. 290 f. Wallesau liegt zwischen Roth und Weißenburg. 454 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 245, S. 287 f. 455 Vgl. die Korrespondenz bei: ebd. 456 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 245, S. 288. 457 Ebd., Nr. 253, S. 294. 451
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
gewissenhaft die Anordnungen der „Zentrale“ in Ansbach458. Offensichtlich handelte es sich aber hierbei um einen schon länger gehenden Streit um ungeklärte Rechtsverhältnisse zwischen Albrecht Klack als Amtmann von Roth und dem Pfleger von Hilpoltstein, Paul Zenger459, wobei der Amtmann zu Roth in dieser Situation seine Sorge ausdrückte, es könnte aus diesem Streit ein größerer zenck entstehen460. Dabei war der Gefangene auch bei seinem Herrn in Verruf geraten. So bemühte sich auch Otto von Pfalz-Mosbach über seinen Pfleger zu Altdorf, Friedrich von Parsberg, um die Überstellung des Gefangenen; dieser sei sein Kastner und Schreiber gewesen und habe Gelder veruntreut. Trotz des dreifachen Interesses an Johannes Schreiber ließen ihn die brandenburgischen Amtleute schließlich frei. Sie und die Räte des Kurfürsten handelten somit streng nach Vorschrift ihres Herrn, Streit mit den Nachbarn möglichst zu vermeiden. 3. Der Konflikt um das Geleit zu Heideck Nach diesem Auftakt sollte sich im März 1472 ein neuer, erheblich gravierenderer Konflikt ergeben. Nachdem mehrere Jahre der Amtmann aus dem benachbarten Roth, der bereits erwähnte Albrecht Klack, im Namen des Markgrafen durch Heideck hatte geleiten lassen, machte ihn im März 1472 der Pfleger zu Heideck461, Konrad von der Thann, darauf aufmerksam, dass Herzog Ludwig das Geleit im Namen des Kurfürsten durch Heideck nicht mehr erlaube462. Heideck lag an einer der Routen der wichtigen europäischen Nord-Süd-Verbindung über Nürnberg; für den Markgrafen handelte es sich somit um eine lukrative Einnahmequelle463. Albrecht Klack wandte sich nach der Aufforderung des Pflegers von Heideck unverzüglich an den Hof in Ansbach und bat die kurfürstlichen Räte um Anwei-
458 Ebd. Im April 1472 betont der Kurfürst, die Amtleute Ir ampt sullen thun, was Ir [d. h. die Räte] sie heist, alsfern sie vnnser amptlewt wollen sein; Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 41, S. 81 f., hier S. 82. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 316, S. 341 f. 459 Zu Paul Zenger vgl. Hesse, Amtsträger, Nr. 6095, S. 760. Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 398, 651. Vgl. ferner zur „Verwaltungsorganisation“ in Niederbayern unter Herzog Ludwig dem Reichen ebd., Teilbd. 1 (Schriftenreihe zur Bayerischen Landesgeschichte 97, München 1996), S. 250–355. 460 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 245, S. 287–289, hier S. 288. 461 Zu ihm Hesse, Amtsträger, Nr. 6246, S. 771. Vgl. zum Amt Heideck auch Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, 2, S. 395. 462 Zum Geschehen: StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ans bacher Generalakten, Nr. 149, fol. 1r–v. Vgl. insgesamt auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 308, S. 336 f. Schneider, Niederadel, S. 473 f., der sowohl die Heidecker Frage als auch den weiter unten dargestellten Überfall auf Möhren aus der Perspektive des Niederadels als „Testfälle“ für den Streit um Herrschaftsrechte in „Grenzräumen“ zwischen Bayern und Franken untersucht, vgl. ebd., S. 458 f. 463 Siehe zu den Geleitstraßen in Franken näher unten D. III. 5.
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sung, wie er sich in Zukunft zu verhalten habe464. Während die Räte versuchten, die brandenburgischen Geleitsrechte zu rekonstruieren, schuf der Pfleger von Heideck am 14. April 1472 Tatsachen, indem er unnsers [des Amtmanns zu Roth] gnedigen herren glaitz knecht in den thurn legen, und sein pferd in ein wirtzhaus ziehen lassen, als dieser versucht hatte, durch Heideck zu geleiten und auch dort übernachtet hatte465. Vier Tage später wandten sich die markgräflichen Räte an Herzog Wilhelm von Sachsen und baten ihn um Rat mit dem Hinweis, die Herrschaft Heideck habe nie Zoll oder Geleit gehabt466. Der Kurfürst hatte nämlich – neben einer Vielzahl benachbarter Fürsten – für seine Abwesenheit den sächsischen Herzog um Schutz der hohenzollerischen Besitzungen in Franken gebeten; dementsprechend hatte Albrecht seine Räte angewiesen, wichtige Vorgänge zunächst an den Herzog zu melden467. Später präzisierte der Kurfürst, er wolle von seinen Räten, das Ir vnnserm Sweher Herczog Wilhelmen vil schreybt vnd In rats fraget, nicht jedoch in Fragen der narung und der rauberey, das hanndelt fur euch selbst468. Kurz bevor der Heidecker Geleitstreit ausbrach, hatten Herzog Wilhelm von Sachsen und Kurfürst Albrecht von Brandenburg sogar in einem Schreiben gemeinsam den Räten in Ansbach Anweisungen gegeben469. Herzog Wilhelm von Sachsen regierte seit der Altenburger Teilung von 1445 die thüringischen und fränkischen Teile, sein ältester Bruder Friedrich II. als Kurfürst die östlichen Teile470. Über Albrechts von Brandenburg Gattin Anna von Sachsen, Tochter Kurfürst Friedrichs II., standen Herzog Wilhelm und Kurfürst Albrecht auch in verwandtschaftlicher Beziehung. Am 21. April 1472 befahlen die Räte in Ansbach dem Amtmann zu Roth, auch weiterhin durch Heideck geleiten zu lassen471. Der Pfleger antwortete wiederholt, er könne leider den Befehl nicht ausführen, weil seine Knechte befürchteten, gefangen genommen zu werden, und sich deshalb weigerten zu geleiten. Die Ans bacher Räte wiederholten ihre Anweisung mehrfach und schickten dem Amtmann zu Roth ein vorgefertigtes Schreiben, das er dem Pfleger von Heideck übermitteln sollte. Dieser antwortete nur, er habe den markgräflichen Amtmann zu Roth ja vorher vor den Konsequenzen gewarnt, die nun eingetreten seien. Wohl schon zwei Tage vor dem Schreiben an Herzog Wilhelm von Sachsen hatten die Räte dem Kurfürsten den Vorfall berichtet. In der folgenden Woche werde 464
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 308, S. 336 f. StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149, fol. 1v. 466 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149, fol. 2r. 467 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 158, S. 169 (1471 Oktober 21). Vgl. ferner StA Bamberg, GHAP Nr. 5301. Vgl. Liebers, Albrecht Achilles und die Wettiner, S. 58. 468 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 41, S. 81 f., hier S. 81. 469 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 323, S. 347: Schreiben vom 14. April 1472, Zerbst. 470 Vgl. Rogge, Herrschaftsweitergabe, S. 141–212. Bünz, Kurfürsten von Sachsen, S. 46 f. Siehe im Übrigen auch oben S. 102f., 118f., 124 f. 471 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 308, S. 336 f. 465
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Hofgericht in Ansbach gehalten und in diesem Rahmen wolle man mit den Statthaltern über den Heidecker Fall beraten. Tatsächlich entscheiden könne man aber erst auf seinen, des Kurfürsten Befehl472. Gleichzeitig ging auch ein Schreiben Sebas tians von Seckendorff, des Amtmanns zu Schwabach, an Kanzler Johann Volker mit einer Schilderung des Geschehens473. Hier erfährt man, dass es sich bei dem durch Heideck Geleiteten um einen Nürnberger Bürger handelte. Die Heidecker Stadtknechte hätten den Geleitknecht in den Turm gelegt; Bürgermeister, Ratspersonen und Richter dort hätten ihr Missfallen über die Ereignisse ausgedrückt, aber dennoch Konrad von der Thann gemeldet, dass sie den Knecht festgesetzt hätten. Die städtischen Vertreter von Heideck handelten offensichtlich widerwillig, jedoch aus Furcht vor Herzog Ludwigs lokaler Administration in seinem Sinne. Aus der brandenburgischen Innenperspektive erscheint zudem wichtig, dass von Seckendorff anscheinend beim Kanzler Johann Volker die Beschleunigung der Ausfertigung der Antwortschreiben bewirken wollte, denn er machte ihm deutlich, dass es dränge; auch im Schreiben an den Kurfürsten war auf die Dringlichkeit der Antworten zu bestimmten Themen hingewiesen worden474. Sebastian von Seckendorff bediente sich hier offensichtlich einer Kommunikationstechnik, die man vor allem bei Kurfürst Albrecht häufig beobachten kann: In derselben Angelegenheit an mehrere Empfänger zu schreiben, die miteinander Kontakt hatten, um die Kommunikation und das Handeln der verschiedenen Empfänger durch unterschiedliche, ganz gezielte Wissensstände zu steuern und damit seine eigenen Interessen möglichst wirksam und rasch durchsetzen zu können. Bereits am 19. April, also nur fünf Tage nach dem Vorfall in Heideck, hieß der Kurfürst dann die Maßnahmen seiner Räte gut und präzisierte, bei den Geleitsrechten handele es sich um Regalien, weshalb der Kaiser einzuschalten sei; dies geschah allerdings, soweit ersichtlich, in der Folge nicht. Der Kurfürst erklärte weiter, da man nicht durch Heideck komme, müsse man jetzt außen herum geleiten475. Am 24. April antwortete Herzog Wilhelm von Sachsen, man möge sich an Herzog Ludwig von Bayern-Landshut wenden und ihn um Freilassung des Geleitkechts bitten; ansonsten werde er sich persönlich einschalten476. Von der Verbindung der Ansbacher Räte mit ihrem Herrn in der Mark wusste er offensichtlich nichts, denn am gleichen Tag schickte auch Wilhelm von Sachsen ein Schreiben an den Brandenburger mit der Abschrift des Briefes, den er selbst aus Ansbach erhalten hatte. Er erkundigte sich nun bei Kurfürst Albrecht, wie man vorgehen möge, wenn die Intervention bei Ludwig dem Reichen keinen Erfolg zeige, insbesondere mit Rücksicht auf die märkischen Verhältnisse und Albrechts Engagement im Stettiner Erbfolgestreit. Herzog Wilhelm verband somit verschiedene 472
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 325, S. 349 f. Ebd., Nr. 326, S. 350 f. 474 Ebd., Nr. 326, S. 350 f. 475 Ebd., Nr. 329, S. 353 f., hier S. 353. 476 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149, fol. 2r–3r. 473
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Konflikte des brandenburgischen Kurfürsten, mehrere regionale und lokale Interessenlagen und bat den Kurfürsten, diese zu gewichten – in den Augen des Herzogs hingen also geografisch weit voneinander entfernte Räume miteinander zusammen. An der Bewertung durch den Kurfürsten sollte sich das anschließende Handeln orientieren. Am 4. Mai schrieb der Kurfürst sowohl an seine Räte in Ansbach als auch an den Herzog von Sachsen. Letzterem teilte er mit, ihm seien die Vorgänge mit Heideck präsenter als seinen Räten, darum sende er seine Meinung direkt an ihn, er möge dies kommentieren und dann nach Franken weiterschicken477. Der Kurfürst nahm in dieser Situation in Kauf, dass seine Räte vor Ort zwei voneinander abweichende Anweisungen in einem Schreiben erhielten. Außerdem glaubte er, in den Detailfragen um das Geleit zu Heideck die Fakten präziser wiedergeben zu können als seine Verwaltung. Gleichzeitig schloss sich der Kurfürst den vorangegangenen Empfehlungen des sächsischen Herzogs an, bei Herzog Ludwig von Bayern wegen des Vorfalls von Heideck zu intervenieren478. Er riet zudem, bei einer Intervention bei Herzog Ludwig für den Knecht den Streit um das Geleit nicht zu erwähnen, außer dieser brächte ihn von sich aus zur Sprache479. Erst in einer solchen Situation mögen sie auf das Rechtsgebot des Kaisers Bezug nehmen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass der Kaiser in dieser Angelegenheit anscheinend tatsächlich nie angerufen wurde, so erscheint die Berufung auf ihn als Argument innerhalb einer umfassenderen Konfliktstrategie, die daneben den Rückgriff auf alte Rechte, insbesondere auf die seit mehr als einhundert Jahren bestehende Regelung des Geleits in Richtung Bayern, beinhaltete. Außerdem machte der Kurfürst in dem Schreiben an seine Räte deutlich, was ihm wichtig erschien: Eigentlich könne niemand sonst in diese Streitigkeiten hineingezogen werden, weder Otto von Pfalz-Mosbach, noch Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche, mit dem er sich ja nun in der Kurfürsteneinung befinde, und deshalb ginge es Martin Mair, dem Rat Ludwigs des Reichen, nur darum, dass seine Mühle nicht stillstehe480; damit deutete der Kurfürst an, dass der Rat des bayeri 477
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 341, S. 366. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 50, S. 97–104, hier S. 99. 479 Ebd. Das Regest bei Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 340, S. 364–366, hier S. 365, ist fehlerhaft. 480 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 340, S. 364–366. Auch in anderem Zusammenhang erwähnt Kurfürst Albrecht von Brandenburg, dass hinter dem Handeln Martin Mairs Eigeninteressen stünden, insbesondere aber dass er argumentativ geschickt seine Strategien verfolgen würde: Dr. Merteins gewonheit ist, wen er einem ettwas vnpillichs thut vnd hat der rach sorg, So hellt er Im gütlich wege für, das er die sach lenck, vff das man darnach mit fuge destmynder ichts fürnemen mög. Schreiben Albrechts von Brandenburg an Statthalter und Räte in Ansbach, 1472 November 29. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 502, S. 465 f., hier S. 465. Druck: Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 135, S. 233–237, hier S. 235. Zur Rolle Mairs in dieser Frage auch Rainer Hansen, Martin Mair: ein gelehrter Rat in fürstlichem und städtischem Dienst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Diss. phil. Kiel 1992), S. 292 f. 478
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schen Herzogs eigene Interessen bei der Eskalation des regionalen Konfliktes verfolgte. Ebenso beschrieb er den Konflikt als vorgeschoben. Seine Lösung bestand darin, Heideck zu umgehen. Wenn sich jemand anderweitig durch Heideck führen lasse, solle man ihn, wenn er auf kurfürstlich-brandenburgisches Gebiet komme, festnehmen und vor Gericht stellen. Der Heidecker habe ihn im übrigen schon vor Jahren aufgesucht und um die Wiederaufnahme des Geleits gebeten, als der Kurfürst UnWillens halb einmal nicht durch Heideck habe geleiten lassen; die Heidecker würden blut Weynen, dann In entging der handel vnd Ir narung ser ab481. Am 9. Mai 1472 kamen die Ansbacher Räte der Empfehlung Herzog Wilhelms von Sachsen nach und schickten eine Gesandtschaft, bestehend aus Heinrich von Seckendorff, Amtmann zu Crailsheim, und Jakob Protzer, an Herzog Ludwig den Reichen482; sie wurde angewiesen, erst wenn der bayerische Herzog antworte, das Geleit zu Heideck gehöre ihm, auf die Geleitstreitigkeiten einzugehen. Somit wich die Fertigung der Räte von den Anweisungen des Kurfürsten ab, der ja nur die Erwähnung des Geleitstreits überhaupt, nicht aber die besitzrechtliche Zuordnung durch Herzog Ludwig zur Voraussetzung einer Antwort der Räte gemacht hatte. Die Antworten Ludwigs von Bayern erfolgten durch Martin Mair, der nun in der Tat in einen verbalen Kleinkrieg eintrat, wie der Kurfürst in der Kommunikation mit seinen Räten vermutet hatte. Mair argumentierte, nach dem Tode des Herrn von Heideck sei die Herrschaft an den Herzog von Bayern-Landshut geraten, und auf herzoglich-bayerischem Territorium könne Albrecht Achilles keine Geleitsrechte ausüben; man ließe den Knecht frei, wenn der Kurfürst erklären würde, Geleitsrechte in Heideck nicht mehr ausüben zu wollen. Die brandenburgischen Vertreter erwiderten, Herzog Ludwig habe vor der Reise des Kurfürsten in die Mark zugesichert, die brandenburgischen Gebiete in Franken zu schützen; im Übrigen bestreite man nicht, dass ihm Heideck gehöre, nur das Geleitsrecht gehöre ihm nicht, denn er könne nicht mehr besitzen als der Herr von Heideck zu seinen Lebzeiten. Die Diskussion verlagerte sich auf Spitzfindigkeiten, beispielsweise beteuerten die brandenburgischen Verhandlungsführer, mit einem Kredenzschreiben Ludwigs des Reichen hätte der Amtmann von Roth sofort dem Pfleger zu Heideck geglaubt und das Geleit eingestellt. Mair erklärte darauf, es sei unüblich, in solchen Fällen Kredenzen auszustellen, und Konrad von der Thann sei ein edelmann, dem man auch ohne Schreiben Glauben schenken müsse483. Während aus dem Briefwechsel des Kurfürsten mit seinen Räten hervorgeht, dass sich der Herr von Heideck zu seinen Lebzeiten wiederholt um die Ausübung der Geleitsrechte in Heideck durch den Kurfürsten bemüht habe, ließ Herzog Ludwig nun erklären, der Herr von Heideck habe sich zu seinen Lebzeiten mehrfach 481
Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 50, S. 97–104, hier S. 97 f. StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149, fol. 3r–4r. In einer Abschrift auch fol. 9r–v. 483 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149, fol. 10r–v. 482
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bei ihm beschwert, die Geleitsrechte nicht selbst ausüben zu können; als Kurfürst Albrecht mit der Anrufung des Kaisers drohte, wurde ihm entgegnet, das Geleitrecht sei ein Regal, das aber durch die Unterordnung von Heideck unter die niederbayerische Herrschaft zum Landgericht Hirschberg gehöre 484. Es stand somit Aussage gegen Aussage; im Nachhinein können die jeweiligen Standpunkte so gut wie nicht überprüft werden und entziehen sich so einer Bewertung weitgehend. Angesichts dieses Diskussionsverlaufs, der in seinen Einzelheiten noch erheblich umfangreicher ist, entsteht jedoch der Eindruck, als gehe es hier gar nicht primär um die Frage des Geleits zu Heideck, sondern um die Wahrung und Ausübung von Interessen, wie es Martin Mair in seiner Gegenrede für Herzog Ludwig von Bayern gegenüber den brandenburgischen Räten sogar selbst ausdrückte485. Angesichts des Ablaufs der Ereignisse gleichwie der sich anschließenden Kommunikation zwischen den brandenburgischen Amtsträgern und Räten sowie dem Kurfürsten ist anzunehmen, dass die Zuspitzung des Konflikts von Herzog Ludwig dem Reichen ausgegangen oder zumindest in Kauf genommen und weniger von brandenburgischer Seite inszeniert worden war486. Die eingangs beschriebene, schrittweise Ausweitung der Ansprüche des bayerischen Herzogs an Heideck und der nur wenige Tage vor dem Beginn des Streits vollzogene Verzicht des Erben Johanns (IV.) auf die Herrschaft Heideck lassen darauf schließen, dass die herzoglich-bayerische Seite aus diesem Rechtszuwachs ihre Ansprüche herleitete und nun den Markgrafen mit einem entsprechenden Rechtstitel ausgestattet aus eigenen Interessen aus dem Geleitrecht herausdrängen wollte487. Am 18. Mai lieferte der Amtmann zu Roth weitere Informationen an den Ansbacher Hof488. Offensichtlich hatten sich vor dem Vorfall vom April die lokalen Akteure schon seit längerem eigenmächtig auf ein Verfahren geeinigt, das mit den eigentlichen Rechtsverhältnissen nichts zu tun hatte beziehungsweise unklare Rechtsverhältnisse ausnutzte, denn der Heidecker Ratmann Heinz Vogt hatte wohl zur Verkürzung der Wartezeit auf Geleit, insbesondere für die Viehtreiber, das Geleit selbst durchgeführt, das Geld, das ihm die Geleiteten zahlten, aber an ihn, den markgräflichen Amtmann zu Roth, abgeliefert. Er sei im Übrigen vom Herrn von Heideck noch vor dessen Tod um die Ausübung des Geleits zwischen Heideck und 484 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149, fol. 10v. Vgl. zur Rolle der Landgerichte in den Berührungszonen zwischen Franken und Bayern Schneider, Niederadel, S. 458 f. Das Landgericht Hirschberg, so Herzog Ludwig der Reiche, sollte in Aktion sein, wenn das Landgericht Graisbach stillstehe. Hierhinter verbergen sich weitreichende Ansprüche der niederbayerischen Herzöge in Bezug auf Gerichtsrechte in den Herrschaftsbereich des Markgrafen hinein, vgl. ebd., S. 460. Siehe im Einzelnen unten S. 330, Anm. 543. 485 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 372, S. 391. 486 Diesbezüglich eher unscharf und die Kausalitäten verwischend Schneider, Niederadel, S. 474. Deutlicher Lackner, Ludwig der Reiche, S. 380. 487 Deeg, Herrschaft Heideck, S. 125. Demnach ging mit diesem Verzicht auch das Geleitrecht in der Herrschaft Heideck an Herzog Ludwig von Bayern-Landshut. 488 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 357, S. 380 f.
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Nürnberg gebeten worden489. Die Ansbacher Räte antworteten dem Amtmann zu Roth mit Anweisungen, wie er sich nun zu verhalten hatte. Anscheinend reagierten sie auch auf die Weigerung der Knechte, durch Heideck hindurch zu geleiten, denn fortan sollten dazu nur noch Geleitszettel ausgestellt, nicht aber Knechte gestellt werden, also das Personen- durch Briefgeleit ersetzt werden490. Außerdem änderten sie die Geleitsrouten ab. Aus einem Schreiben vom 31. Mai geht hervor, dass der Hof in Ansbach diese Maßnahmen in der Mehrzahl eigenmächtig unternommen hatte491. Während der Kurfürst noch im April befohlen hatte, man möge künftig um Heideck herum geleiten, wurden nun an den gefährlichsten Stellen überhaupt keine Geleitknechte mehr eingesetzt492. Unterdessen hatte Herzog Ludwig seinen Untertanen in der Umgebung von Heideck verboten, „an Kurfürst Albrecht zu steuern“493; die markgräflichen Räte sorgten sich nun um die Einnahmeausfälle. Deshalb erwogen auch sie nun Gegenmaßnahmen, indem das Eigentum derjenigen, die fremdes Geleit nutzen würden, beschlagnahmt werden sollte. Den ansbachischen Räten war aber klar, „daß das mehr Zank bringe, als es im Rechten Grund habe“494. Am 7. Juni 1472 ging die Auseinandersetzung in eine neue Runde, als Heinrich von Seckendorff, Amtmann zu Crailsheim, und Jakob Protzer, Rat des Kurfürsten, mit neuen Aufträgen versehen wurden, erneut bei Herzog Ludwig vorzusprechen495. Hier nun wurden die Vorwürfe von beiden Seiten weitergesponnen, so habe sich der von Heideck weder während seiner Jugendzeit am Hofe des Kurfürsten noch in den späteren Fehden mit Albrecht jemals über das Geleitsrecht beklagt – dies verbanden sie geschickt mit einem Argument der Gewohnheit496. Interessant erscheint ebenfalls die Behauptung, Heideck liege auf fränkischem Gebiet – diese Argumentation hatte ihnen der Kurfürst zuvor in seinem Schreiben vom 4. Mai erläutert497. Die Bayern entkräfteten dies dadurch, dass es darauf nicht ankomme, wo Heideck liege. Und Kurfürst Albrecht sei sowieso nicht der Fürst von Franken, sondern nur einer von mehreren498. Hierin wird deutlich, was Herzog Ludwig mit dem Argument der Interessenwahrung meinte, nämlich einer Expansion des Kurfürsten in Franken zu begegnen; gleichzeitig wurde ihm im Gegensatz zu den bayerischen Herzögen eine Territorialherrschaft in Franken 489
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 357, S. 380 f. Zu den verschiedenen Geleitsformen vgl. Gerhard Lingelbach, Art. „Geleit“, in: HRG 2 (²2012), Sp. 37–42, hier Sp. 39 f. 491 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 374, S. 392. 492 Zur Anweisung des Kurfürsten an seine Räte vom 19. April siehe oben S. 316. 493 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 374, S. 392. 494 Ebd., Nr. 374, S. 392. 495 Ebd., Nr. 390, S. 401 f. 496 Siehe zu den Auseinandersetzungen oben D. III. 1. 497 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 340, S. 364–366. 498 Zum fränkischen Bewusstsein des Markgrafen Albrecht von Brandenburg vgl. Jürgen Petersohn, Franken im Mittelalter. Identität und Profil im Spiegel von Bewußtsein und Vorstellung (VuF Sonderbd. 51, Ostfildern 2008), S. 278–282. 490
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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abgesprochen499. Konkret handelte es sich bei dem Heidecker Geleitstreit um das Zurückdrängen eingeschliffener, funktionierender lokaler Verfahrensweisen aus übergeordneten Interessen. Jakob Protzer und Heinrich von Seckendorff hoben dagegen hervor, man könne den Kurfürsten nur auf dem Rechtswege, nicht aber mit Gewalt um das Geleitsrecht bringen. Man wird hinter diesem Argument den Versuch vermuten dürfen, die komplizierten Rechtsverhältnisse um Heideck für sich zu nutzen. Am 15. Juni richtete der Kurfürst ein Schreiben an seine Räte mit einer grundsätzlichen Einschätzung über Herzog Ludwigs Handeln500. Offensichtlich unzufrieden über die Situation in seinen fränkischen Landen und unglücklich über fehlende Informationen fährt er fort: so ligt vnnser gleitman, den Ir des Clacks knecht nennt, zu Heideck Im turm Vnd habt derselben sach spötlich und verachtlich antwort on alle rechtliche grünt501. Herzog Ludwig der Reiche erzeige ihm selbst ein affenfrewd als ein vormund, der einem kind sein erb vorhelt vnd Im einen apffel czeiget damit zustillen502. Des herzoglich-bayerischen Rat Martin Mairs Sprichwort aber laute: Wir wollen besehen, ob er im auff wöll lassen heben, leßt er im aufheben, so wollen wir in beslahen, wenn wollt es doch aufhoren503 . Albrecht von Brandenburg zählte eine Reihe von Streitpunkten auf, an deren Ende der jüngste Fall, das gleit zu Heideck, stand, zu dem Herzog Ludwig zu keinem recht hat und geet im alles fur sich, wer er ein narr, wenn er nit ein staffeln nach dem andern die stigen hinauf gieng, wo er sich nicht got und das recht davon enthalten will lassen, als wier uns noch darein schicken. Er hüb uns bey der weiß als meister Mertein spricht, nicht allein auf, er beslug uns darzu in dem notstal und engstet uns, das wir nyndert kein har uf dem kopf behilten504. Ein gemein Sprichwort hieße aber auch: principibus obsta, womit er wohl principiis obsta meinte505. Albrecht sah hinter dieser Kette von „Nadelstichen“ offensichtlich eine Strategie des bayerischen Herzogs beziehungsweise des bayerischen Rates Martin Mair. In den Augen des Kurfürsten bestanden nur die Alternativen von Verhandlungen oder eines großen lantkrieg am Ende dieser Entwicklung. Seinen Räten schrieb er: das Ir handelt mit vernunfft sehen wir gerne506. In seiner Abwesenheit solle man vermeiden, in eine solche Auseinandersetzung zu geraten. Allerdings definierte der Markgraf in demselben Zuge klare Grenzen: Wenn man sich alles nehmen ließe, dann sei es für seine Erben besser, er sei tot. Würde man das geschehene Unrecht hinnehmen, müsse man am Ende Ansbach und Cadolzburg verteidigen. Dieses 499
Schneider, Niederadel, S. 462 f. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 405, S. 411 f. 501 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 80, S. 148–152, hier S. 148. 502 Ebd. 503 Ebd. 504 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 405, S. 411–413, hier S. 411 f. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 80, S. 148–152, hier S. 148. 505 Das lateinische Sprichwort verwendete der Kurfürst anscheinend gerne, jedoch immer falsch. 506 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 405, S. 411–413, hier S. 411 f. 500
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Schreiben verdeutlicht, dass der Kurfürst die vielen kleinen Konflikte einer übergeordneten Logik zuordnete; für ihn ging es hier um die Sicherung des eigenen Territoriums und aller damit verbundenen Rechte. Somit hatten die Streitpunkte, die einzeln betrachtet eher marginal, zumindest aber nicht grundsätzlich wirken, in den Augen des Kurfürsten eine wesentliche Bedeutung für den Fortbestand seiner Herrschaft insgesamt. Die markgräflichen Räte in Ansbach schickten Mitte Juni 1472 eine weitere Gesandtschaft zu Ludwig dem Reichen nach Landshut507. Als auch diese ohne neue Erkenntnisse zurückkehrte, wandten sie sich erneut an Herzog Wilhelm von Sachsen; dieser erklärte, er wolle mit Kurfürst Albrecht bei einer kurz bevorstehenden Zusammenkunft die Heidecker Angelegenheit beraten. Solche Beratungen gab es dann wohl nicht, jedenfalls ist keine Anweisung an die markgräflichen Räte überliefert. Auch Ende Juli 1472 scheint der Knecht immer noch in Gefangenschaft gewesen zu sein, denn Albrecht weigerte sich nun, als Bedingung für seine Freilassung für die entstandenen Verpflegungskosten aufzukommen. Im Übrigen möge man bei weiteren Verhandlungen mit Herzog Ludwig von Bayern erwähnen, dass bereits in den 1460er Jahren in anderem Zusammenhang vereinbart worden sei, dass man des anderen Wildbann, Zölle und Geleit unangefochten lassen sollte508 . Mitte August meldeten die brandenburgischen Räte an Herzog Wilhelm von Sachsen große Rüstungen des bayerischen Herzogs Ludwig und seiner Verbündeten, insbesondere mehrerer Reichsstädte, darunter Nürnbergs, sowie der Bischöfe von Augsburg, Eichstätt und Würzburg509; man habe sich mit dem Wittelsbacher jedoch auf einen Stillstand bis Michaelis, also bis Ende September, geeinigt. Ebenso wandten sie sich an Ludwig den Reichen, sie hätten vernommen, dass er den Knecht nur gegen Ausgleich seiner Verpflegungskosten freilassen wolle. Da dies aber unter Fürsten nicht üblich sei, bäten sie ihn um direkte Freilassung. Herzog Wilhelm von Sachsen koordinierte nun anscheinend die Kommunikation zwischen dem brandenburgischen Kurfürsten und den Räten in Ansbach, wie ein Schreiben aus den letzten Tagen des Augusts nahelegt, in dem er den Räten die Nachricht überbringen ließ, er antworte erst abschließend, wenn er neue Nachrichten des Kurfürsten aus der Mark habe. Nun schaltete sich wieder Herzog Wilhelm von Sachsen ein, der sich schriftlich bei Herzog Ludwig von Bayern um die Freilassung des Knechts bemühte – ebenfalls erfolglos510. So berichteten die markgräflichen Räte in Ansbach an Albrecht von Brandenburg am 4. September 1472, der Heidecker Geleitsknecht sei 507
Ebd., Nr. 416, S. 421. Ebd., Nr. 434, S. 429 f., hier S. 429. Vgl. Adolf Bachmann, Deutsche Reichsgeschichte im Zeitalter Friedrich III. und Maximilian I. Mit besonderer Berücksichtigung der österreichischen Staatengeschichte, Bd. 1 (Leipzig 1884), S. 353–397. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 102–120. 509 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 457, S. 441. 510 Ebd., Nr. 467, S. 445 f., hier S. 445. 508
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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trotz der Bemühungen des sächsischen Herzogs immer noch in Gefangenschaft511. Auch in den letzten Tagen des Septembers schien der Status quo zu bestehen, wie ein Schreiben des Kurfürsten an seine Räte nahelegt512. In der Zwischenzeit scheinen die Räte in Ansbach erneut bei Herzog Ludwig um die Freilassung des Geleitsknechts gebeten zu haben, wiederum erfolglos513. Auch in der Korrespondenz zwischen Herzog Wilhelm von Sachsen und Kurfürst Albrecht von Brandenburg spielte nun der Streit um das Heidecker Geleit offensichtlich keine Rolle mehr514 . Am 5. November übersandten die brandenburgischen Räte Wilhelm von Sachsen unter anderem den gesamten Briefwechsel, der bisher zwischen ihnen und dem bayerischen Herzog vollzogen war. Am 18. November schickte Kurfürst Albrecht hierauf ein Schreiben an Johann Volker, man möge auch weiterhin an einer Lösung arbeiten, wie dies zuvor angewiesen worden war515. Die Angelegenheit war vollkommen zum Stillstand gekommen. 4. Der Überfall auf Möhren Schon einen Tag später, am 19. November 1472, sandte der Kurfürst ein weiteres Schreiben an seine Räte in Ansbach. Darin erwähnte er das Heidecker Geleit nur beiläufig. Den Kern des Schreibens, das als ein Lehrstück für die Governance- und Kommunikationsstrategien des Kurfürsten angesehen werden kann, bilden Ausführungen zu einem Überfall, der sich Anfang November in Möhren – knapp 20 Kilometer südwestlich von Weißenburg gelegen – ereignet hatte. Ludwig der Reiche war schon vor dem 5. November 1472 gegen den auf Burg Möhren sitzenden Hans von Seckendorff vorgegangen und hatte Möhren angegriffen516. 511
Ebd. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 118, S. 204–210, hier S. 208. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 479, S. 451 f., mit der richtigen Datierung auf den 24. anstatt auf den 14. September 1472. 513 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 490, S. 457. 514 Ebd., Nr. 491, S. 457 f.; Nr. 492, S. 458. 515 Ebd., Nr. 500, S. 463. 516 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 496, S. 460–462: Schreiben der Räte in Ansbach an Albrecht von Brandenburg. Zu diesem Vorfall auch Schneider, Niederadel, S. 470–473. Ders., Fränkischer Adel in den Nachbar-Territorien. Zur Mobilität der Ritterschaft im 15. und 16. Jahrhundert, in: Frankens Städte und Territorien als Kulturdrehscheibe. Kommunikation in der Mitte Deutschlands, hg. von Wolfgang Wüst (Mittelfränkische Studien 19, Ansbach 2008), S. 32–55, hier S. 39 f. Gerhard Rechter, Die Seckendorff. Quellen und Studien zur Genealogie und Besitzgeschichte, Bd. 3.1: Die Linien Aberdar und Hörauf (Veröffent lichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IX. Reihe: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 36, Neustadt a.d.A. 1997), zu Hans von Seckendorff S. 32–35, zu Möhren S. 401 f. Zu Möhren auch Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1112. Zu den Seckendorff im Grenzgebiet zwischen den Markgrafen und den bayerischen Herzögen auch Heinz Lieberich, Das fränkische Element in der baierischen Innenpolitik des 15. und 16. Jahrhunderts, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter 26 (1964), S. 164–176, hier S. 166. Ders., Landherren und Landleute. Zur politischen Führungsschicht Baierns im Spätmittelalter (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 63, München 1964), S. 51. 512
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Im Grenzgebiet zwischen den Einflussgebieten des Markgrafen von Brandenburg und des Herzogs von Bayern-Landshut gelegen, waren die Rechtsverhältnisse um Möhren kompliziert: Während der dortige Halsgerichtsbezirk vom Reich bestätigt worden war, war die Burg Möhren markgräfliches Lehen517. Anzeichen für einen bevorstehenden Übergriff durch die bayerischen Nachbarn hatte es wohl schon mindestens seit Juni 1472 gegeben518. Wie die brandenburgischen Räte am 5. November 1472 Kurfürst Albrecht berichteten, hatte Hans von Seckendorff konkrete Warnungen schon einen Tag vor dem eigentlichen Angriff – wahrscheinlich am 3. November – erhalten und sie über den Pfarrer aus dem benachbarten Wettelsheim, der einen bauerßman mit der Information geschickt habe, an die Räte in Ansbach weitergegeben519. Die brandenburgischen Räte hätten eine Erkundungsmission dorthin geschickt und Hans von Seckendorff Entsatz zugesichert, falls er angegriffen werde. Am Mittwochmorgen, dem 4. November, ließ der Landkomtur nach Ansbach melden, Möhren sei eingenommen worden. Offensichtlich waren die Nachrichten widersprüchlich, verzögert, teilweise falsch und insgesamt unübersichtlich. Denn nach Ausweis des Schreibens der Ansbacher Räte an den Kurfürsten vom 5. November war schon am Montag, dem 2. November, Ludwigs des Reichen Hofmarschall mit Bewaffneten vor Möhren erschienen, und nach kurzer Belagerung hatte man die Burg einen Tag darauf, am Dienstagnachmittag, ein- sowie Hans von Seckendorff festgenommen520. Glaubt man dem Bericht der markgräflichen Räte, so war Hans von Seckendorff nach der Einnahme von Möhren mit nach Ingolstadt zu Herzog Ludwig dem Reichen geführt worden. Die Aktion war somit anscheinend bereits abgeschlossen, als die Räte in Ansbach von der drohenden Gefahr erfuhren und mit der Organisation von Gegenmaßnahmen begannen. Unverzüglich meldeten die Ansbacher Räte den Vorfall an die Grafen von Württemberg und den Herzog von Sachsen, so, wie es der Kurfürst vor seiner Abreise befohlen hatte; die Hilfstruppen wurden anschließend wieder abgezogen, die Rüstungen aber beibehalten. Diese Serie von Informations- und Kommunikationspannen veranlasste den Kurfürsten von Brandenburg nun zu einem ungehaltenen Schreiben – zu jenem eingangs erwähnten vom 19. November521. Bei ihrem Aufgebot, das sie richtigerweise zusammengestellt hätten, hätten sie auch Bamberg und Rothenburg bitten und Herzog Ludwig zur Freilassung des Hans von Seckendorff auffordern sollen. Dann folgen weitere Details zum Vorgehen, wie man den Herzog bis zur Rückkehr Albrechts von Brandenburg hätte vertrösten sollen. Im Anschluss merkt er an: vnd ist schimpflich das ir euch erlernen laßt, daß ir alle gehe sach an vns bringt, dann 517
Schneider, Niederadel, S. 470 f. Rechter, Seckendorff, S. 401. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 434, S. 429 f. 519 Ebd., Nr. 496, S. 460–462. Wettelsheim liegt nordwestlich von Treuchtlingen. 520 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 496, S. 460–462. 521 Ebd., Nr. 501, S. 463 f. 518
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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sie konnen abnemen, so ir nicht zustund geschickt habt522. Der Kurfürst wies somit darauf hin, dass Herzog Ludwig mit diesem Vorfall die Kommunikationswege, Zuständigkeiten und Reaktionszeiten auf brandenburgischer Seite nachvollziehen konnte, ja dass eigentlich seine gesamte Strategie vorgeführt worden war. Die Reaktion der Ansbacher Statthalter war zu zögerlich, insgesamt jedenfalls wohl zu langsam gewesen, wie der Kurfürst meinte. Außerdem schien Albrecht von Brandenburg jetzt klar, dass Herzog Ludwig durch diesen Vorgang wusste, dass die Räte vor einer Reaktion immer erst ihren Herrn fragten. Hier scheint ein Problem des Verhältnisses zwischen Kurfürst Albrecht und seinen Räten auf, das häufiger zu beobachten ist. Handelten seine Räte in seinem Sinne und die Angelegenheit entwickelte sich nicht wie gewünscht, suchte der Fürst die Verantwortung in der Regel bei sich. Reagierten die Räte anders als befohlen und gereichte diese Handlung dem Kurfürsten zum Vorteil, so lobte er vielfach. Handelten seine Räte anders als befohlen oder war ihnen nur vage ein Verhaltensgrundsatz vorgegeben und entwickelten sich die Dinge anders als erwünscht, so erreichte sie der Tadel ihres Herrn. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anweisungen des Kurfürsten zwar zahlreich, ja bisweilen sehr detailliert waren; wenn man das Bild, das der einzelne Rat oder auch der Amtmann vor Ort durch diese Schreiben gewinnen musste, zusammensetzt, so erscheinen die Anweisungen allerdings häufig als widersprüchlich, teilweise falsch und dann doch letztlich wieder sehr vage. In diesem Falle hatten die kurfürstlichen Räte in den Augen ihres Herrn ihren grundsätzlichen Auftrag nicht erfüllt. Beachtenswert erscheint auch der letzte Teil des Schreibens vom 19. November 1472, in dem sich mehrere abgehandelte Themen abwechseln, wieder aufgegriffen und nacheinander beschrieben werden. Dieser für den Kurfürsten eher unübliche Aufbau des Schreibens lässt erahnen, dass er bei der Abfassung in Gedanken die Themen parallel und miteinander verbunden betrachtete, ja dass er Einzelkonflikte aufeinander bezog und in eine größere Strategie einordnete. Die Anweisungen das Heidecker Geleit betreffend seien nur umzusetzen, wenn sich die Möhrener Sache so entwickelte wie beschrieben523. Mit anderen Worten: Konflikte regionaler und lokaler Art in Franken hingen voneinander ab und wurden in Abhängigkeit zueinander bewertet, sie waren aus Sicht des Kurfürsten untereinander vernetzt. Das dynamische Verhältnis von Interessen, Konflikten und Personenkonstellationen erforderte ebenso flexible Bewertungen sowie die ständige An-
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Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 133, S. 225–230, hier S. 226. Besonders eindrucksvoll vermittelt der Wortlaut des Schreibens die „Wenn-Dann-Argumentation“ des Kurfürsten: Des gleytsknechts halben haben wir vnser meynung dem Volcker entdecket, gefellet vns Wo es gescheen ist, Ist es aber nicht gescheen, mussen wir dan zuschicken haben mit Hertzog Ludwigen, So geet des stucks halben dem ersten beuelh nach, alls wir euch geschriben haben, Vnd nicht des völckers befelh. Wo aber die ding giengen Mern halben Wieuor angezeygt ist, So laßt des Völckers befelhe vns vnuermerck volg thun, on das töcht Völckers gethaner befelh nichts. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 133, S. 225–230, hier S. 226 f. 523
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
passung der eigenen Strategie. Auf einem beigefügten Zettel ging der Kurfürst auf die Rüstungsmeldungen ein und beruhigte seine Räte, er fürchte einen Krieg in Franken nicht524. Am 29. November wünschte der Kurfürst neue Informationen zu diversen fränkischen Angelegenheiten, darunter der Geleitsfrage, Hans von Seckendorffs Konflikt um Möhren sowie über das Verhalten der Nürnberger. Am selben Tag und somit wahrscheinlich aus eigener Initiative hatten die Räte in Ansbach ein Schreiben an Hans von Seckendorff gerichtet und ihn gebeten, über den Stand der Dinge zu berichten. In seiner Antwort drückte er seine Hoffnung auf Kurfürst Albrecht aus und beschrieb, dass bisher nichts in seiner Sache entschieden sei; er stünde unter Hausarrest und erwarte täglich die Verhaftung525. Wo genau er sich aufhielt, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Am 5. Dezember rechtfertigten sich Albrechts Räte gegenüber ihrem Herrn. Sie wiesen auf die Geschwindigkeit hin, mit der Möhren eingenommen worden sei; so hätten sie keine Chance gehabt zu reagieren, geschweige denn den Herzog hinzuhalten. Anschließend sei die Abbestellung des Aufgebots beschlossen worden526. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang die Erwähnung, dass erst, als Ludwig von Eyb in der Versammlung erschienen sei, dieser Beschluss gefasst worden sei; dies unterstreicht, dass die Äußerungen verschiedener Räte in Ansbach anscheinend unterschiedliches Gewicht hatten. In ihrem Schreiben an den Kurfürsten fuhren seine Räte fort, Burg Möhren sei jetzt durch Kräfte Ludwigs des Reichen so gut bewacht, dass eine Rückeroberung aussichtslos sei. Da die Rechts- und Lehnsverhältnisse von Möhren als brandenburgisches Lehen schon vor dem Überfall klar gewesen seien, habe es ihnen zwecklos erschienen, im Nachhinein beim bayerischen Herzog zu intervenieren. Sie glaubten vielmehr, dass der Überfall auf Möhren nur ein Vorwand Ludwigs des Reichen gewesen sei; der Herzog plane wohl eine weitaus umfangreichere Sache gegen den Kurfürsten von Brandenburg; er werde sich wohl nun gegen Wellheim – etwa 30 Kilometer nordwestlich von Ingolstadt gelegen – richten, das kurfürstliches Lehen sei. In der Tat finden sich in direktem zeitlichen Umfeld Aktivitäten Herzog Ludwigs des Reichen, auf Wälder um Wellheim Anspruch zu erheben, indem er Graf Konrad von Helfenstein, Besitzer von Wellheim, zum Verkauf an sich selbst drängen wollte527. Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass keineswegs der Graf selbst, sondern unter anderen seine Gattin und der Pfarrer von Wellheim in dieser Angelegenheit aktiv wurden, um die An-
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Siehe hierzu im Einzelnen unten S. 436. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 504, S. 467. 526 Vgl. zur besonderen Rolle von Eybs am Hofe Albrechts von Brandenburg sowie für die markgräfliche Verwaltung insgesamt oben S. 259 f. Ferner Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 25. 527 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 508, S. 468 f. 525
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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sprüche des bayerischen Herzogs abzuwehren528. Die markgräflichen Räte versicherten ihrem Herrn unterdessen, im Falle Wellheim Vorsorge getroffen zu haben. Die oben bereits bei der Schilderung des Vorfalls vorgebrachten Zweifel an den dargestellten Abläufen des Überfalls von Möhren stellten sich im Rückblick auch bei den Räten in Ansbach ein: Sie trauten dem Geschädigten, Hans von Seckendorff, anscheinend nicht, denn dieser war von Ludwig dem Reichen freigelassen worden, hielt sich nach ihren Informationen nun in Eichstätt auf und war offensichtlich seit dem Überfall nicht in Ansbach erschienen; außerdem wunderten sie sich, dass man Möhren einfach so kampflos übergeben hatte529. Hans von Seckendorff nun sah sich durch die kritische Befragung der Räte in Ansbach in seiner Ehre angegriffen und protestierte gegen seine Behandlung. In der Folge bestätigte sich, dass Hans von Seckendorff tatsächlich unter einer Art Hausarrest stand, wie er zuvor schon den brandenburgischen Räten gegenüber versichert hatte. Am 9. Dezember antwortete der Kurfürst seinen Räten in diversen fränkischen Angelegenheiten und äußerte seine Zufriedenheit über die offensichtlich in der Zwischenzeit eingegangenen Schreiben aus Sachsen und Württemberg in dieser Sache530. Er hoffte, dass bis zu seiner Rückkehr dies alles wieder gerichtet sei. Außerdem bat er um neue Informationen in zahlreichen Angelegenheiten, darunter auch die Heidecker Sache und der Überfall auf Hans von Seckendorff. Am 12. Dezember 1472531 wurde eine Delegation an den Herzog von Bayern geschickt, die in der Sache jedoch keinen Fortschritt erzielen konnte. Diese Delegation wurde nicht einmal zum Herzog vorgelassen, der sich mit Krankheit entschuldigen ließ. Am 20. Dezember hatten sich die Rahmenbedingungen wieder geändert, denn offensichtlich waren neue Zwistigkeiten zwischen den bayerischen Herzögen entstanden; sie schienen wohl geeignet, die bayerische Seite zu schwächen, sodass der Kurfürst erklärte, man möge die Frage, zu wem er halte, vorerst in der Schwebe lassen – damit also war auch eine Lösung der Konflikte mit Herzog Ludwig dem Reichen bis zu seiner Rückkehr nach Franken verschoben532. Schon einen Tag nach diesen Anweisungen reagierte der Kurfürst auf das Schreiben der Räte, mit dem sie ihr Verhalten gerechtfertigt hatten – wahrscheinlich weil er es erst jetzt erhalten hatte533; offensichtlich hatten sie ihren Herrn überzeugt, denn er entgegnete, sie hätten nach bestem Wissen und Gewissen gehan 528 Konrad von Helfenstein stand in Diensten Herzog Ludwigs des Reichen, vgl. ebd., Nr. 508, S. 468, Anm. 3. 529 Auch in dem vorangegangenen Schreiben des Kurfürsten vom 19. November finden sich Andeutungen, dass es sich um einen inszenierten Vorfall gehandelt haben könnte, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 501, S. 463 f. 530 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 509, S. 469. 531 Ebd., Nr. 511, S. 471 f. 532 Ebd., Nr. 514, S. 473. Dies geht auch aus einem späteren Schreiben Johann Spets an Johann Volker hervor, vgl. ebd., Nr. 523, S. 478. 533 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 516, S. 474.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
delt, und bestärkte sie in ihrer Meinung, dass wenn Ludwig der Reiche Hans von Seckendorff festgesetzt habe, er nicht das kurfürstliche Eigentum, die Burg, in seinem Besitz zu halten brauche. Aus einem Schreiben Anfang Januar 1473 geht wieder eine Verknüpfung verschiedener Themen hervor534. Johann Spet, Protonotar Albrechts von Brandenburg, richtete sich nun an Johann Volker und schilderte diesem seine Einschätzung von der Haltung ihres Herrn. Der Kurfürst merke, das Im ye Hertzog Ludwig unrecht thun will, das mus er diser zeit uff Im selbs besteen lassen535 . Bei allen eigenmächtigen Verhandlungen möge man sich streng an die kurfürstlichen Anweisungen halten, denn ihr Herr wolle in den Streitigkeiten mit Herzog Ludwig dem Reichen nicht nachgeben. Dem Schreiben beigefügt waren zwei Zettel. Auf dem ersten wurde hinzugefügt, Johann Spet glaube, der Kurfürst könne sich vorstellen, die Angelegenheit mit Nürnberg in Ordnung zu bringen, auch wenn er dafür keine Einigung in der seckendorffschen Angelegenheit erwirken könne; er befahl ihm, den Zettel zu zerreißen, du magst aber aus eigner bewegnus die meynung mit den Reten reden, das es In dir also sei536. Auf dem zweiten Zettel sandte Johann Spet einen Ratslag meins hern zur Sache Hans von Seckendorff537. Käme Hans von Seckendorff unter Rückgabe seiner Burg frei, so werde er sich persönlich vor Herzog Ludwig verantworten, als Lehnsmann aber vor dem Kurfürsten. Bei einem Austrag vor anderen Akteuren, beispielsweise dem Pfalzgrafen oder den regionalen Bischöfen, ist ein sorg, dass der Herzog den Kaiser einschalten werde, wodurch er dann seine regionalen Bündnispartner an sich zöge, was die Erfolgsaussichten der Durchsetzung der kurfürstlichen Interessen minimieren musste. Deshalb sei es geschickter, wenn der erste Vorschlag von Hans von Seckendorff käme und nicht vom Kurfürsten selbst; man möge vor diesem Hintergrund eine Einigung bis auf die Zeit nach der Rückkehr des Kurfürsten hinauszögern. Mit anderen Worten: Während man den Kaiser im Falle des Heidecker Geleits in die Argumentation einbezog, ohne tatsächlich davon auszugehen, dass der Fall vor ihn kommen würde, musste in der Möhrener Angelegenheit verhindert werden, dass sie vor den Kaiser kam. Allein die Existenz des Kaisers als potenziell in lokale und regionale Netzwerke eingreifenden Akteurs, dessen Wirken Bindungskraft entfalten konnte, bewirkte politisches Handeln und bestimmte die Handlungsspielräume der regionalen und lokalen Akteure wesentlich mit538.
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Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 523, S. 478. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 144, S. 249–251, hier S. 249 f. 536 Ebd., Nr. 144, S. 249–251, hier S. 250. 537 Ebd., Nr. 144, S. 249–251, hier S. 251. 538 Dieses Phänomen lässt sich in vergleichbarer Weise auch in städtischen Netzwerken in Franken beobachten, vgl. Laurence Buchholzer-Rémy, Stadtregierung in Krisenzeiten: „Eine Sache unter sich?“ (13.–15. Jahrhundert), in: Kommunikation und Konfliktaustragung. 535
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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Im Januar 1473 dann ordnete der Kurfürst eine neuerliche Gesandtschaft an den bayerischen Herzog an539. Interessant erscheint die Auswahl der Verhandlungsführer: Sebastian von Seckendorff von aller von Seckendorff wegen und Ludwig von Eyb als Vertreter des Kurfürsten. Sie mögen die Rückgabe der Burg und Hans’ von Seckendorff Freilassung fordern, ansonsten aber rechtlichen Austrag vor seinen Räten oder anderen Reichsfürsten, insbesondere Verbündeten Ludwigs des Reichen, vorschlagen. Offensichtlich rechnete der Kurfürst nicht damit, dass der bayerische Herzog hierauf eingehen würde. Stattdessen ging es ihm nur darum, seine Chancen bei einem späteren Eingriff des Kaisers in die Verhandlungen zu verbessern. Dabei ließ er es auch so darstellen, dass die Familie von Seckendorff sich an die Räte in Ansbach gewandt habe, damit er sich als Bewahrer von bestehenden, wohlgeordneten Rechtsverhältnissen darstellen konnte. Gleichzeitig sollten die Anweisungen rasch umgesetzt werden, man mocht den braten sunst smecken […], das vns die sach alle fur den kopff slug540. Anscheinend Ende Januar wurde diese Mission dann durchgeführt541. In der Zwischenzeit hatten sich die Gesandten auch an Herzog Georg von Bayern gewandt, um ihn um Fürsprache zu bitten, der jedoch ablehnte mit dem Hinweis, er rede seinem Vater nicht in dessen Regiment hinein; gleichzeitig deutet sich bei Kurfürst Albrechts von Brandenburg Anweisungen an seine Räte die Tendenz ab, den Konflikt nicht ins Grundsätzliche münden zu lassen, denn er befahl, sollte man behaupten, Seckendorff sei Landsasse des Herzogs, möge man erwidern, man diskutiere nicht fürstliche Macht, sondern setze sich nur für die alten Rechte der Seckendorff und ihrer Vorfahren ein. In der Folge verlangte der Herzog dann schriftliche Belege für den Nachweis der postulierten Rechtsverhältnisse. Schon bei der ersten Verhandlungsmission in Sachen Hans von Seckendorff hatte die wittelsbachische Seite den Überfall auf Möhren geschickt mit einem schon länger gehenden Streit mit Hans von Seckendorff verbunden. So erklärten die niederbayerischen Räte, Hans von Seckendorff habe einen Dieb, der dem Graisbacher Landgericht zuzuordnen gewesen sei, diesem entzogen und vor sein eigenes Halsgericht Möhren gebracht und dann gegen eine Zahlung freigelassen542. Offensichtlich nicht ohne Grund wurde hier von Seiten des bayerischen Herzogs das Landgericht Graisbach ins Spiel gebracht. So versuchte Herzog Ludwig der Reiche Anfang der 1470er Jahre über die Reaktivierung zuvor
Verfassungskultur als Faktor politischer und gesellschaftlicher Machtverhältnisse, hg. von Werner Daum / Kathrin S. Hartmann / Simon Palaoro / Bärbel Sunderbrink (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften 7, Berlin 2010), S. 265–292, hier S. 289. 539 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 153, S. 266–271. Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 526, S. 480 f. 540 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 153, S. 270. 541 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 527, S. 481 f. 542 Ebd., Nr. 511, S. 471 f.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
zur Bedeutungslosigkeit herabgesunkener älterer Gerichtsrechte das Landgericht aktiv für seine Territorialpolitik einzusetzen, insbesondere gegenüber Albrecht von Brandenburg543. Die Rechtsverhältnisse um Möhren gestalteten sich – wie bereits erwähnt – komplex, da das Halsgericht reichsrechtlich bestätigt worden war, während die Burg Möhren markgräfliches Lehen war544. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Frage der Reichweite der Gerichtsrechte des Hans von Seckendorff schon weit vor dem Überfall auf Möhren umstritten war. So ließ Albrecht Achill ihn bereits im Januar 1472 ermahnen, er möge nicht versuchen, aus seinem Halsgericht ein Landgericht zu machen545. Andererseits aber müssten die brandenburgischen Räte und Amtleute ihn schützen, wenn er von anderen angegriffen werde. Hierin sind die zwei Seiten der Strategie Kurfürst Albrechts zu erkennen, nämlich nicht offensiv Rechte über Gebühr einzufordern, aber ebenso wenig Übergriffe auf eigene Leute zu dulden. Außerdem hatte der Kurfürst Hans von Seckendorff im Februar 1472 An weisungen gegeben, wie er sich bei der Ausübung seiner Gerichtsrechte zu verhalten hatte546; er sollte sich auf die Ausübung seiner bestehenden Gerichtsrechte, d. h. des Halsgerichts, beschränken und nicht alltag ein newes anfahn, Dann rechtbieten Vnd den Leuten allwegen widerwillen zubeweisen ist swer zudulden, Es ist auch Vnnser meynung nicht547. Er präzisierte, dass Wenn man vns einen In vnser gericht brecht Vnd vber In verpurgt, dem wollten wir rechts gestatten Vnd selber keinen darein furn. Hans von Seckendorff möge seine Gerichtsrechte ausüben, aber er möge die Verhängung der frayß, also der Strafe über Leben und Tod, bleiben lassen, wiewohl es vor 20 oder 30 Jahren sowieso in Franken unüblich
543 Lackner, Ludwig der Reiche, S. 375–378. Albrecht Achilles hatte allerdings im Jahre 1471 vom Kaiser eine Befreiung von den bayerischen Landgerichten Graisbach, Hirschberg, Sulzbach und Auerbach, den Langerichten Bamberg und Würzburg sowie allen anderen Gerichten in Franken, vom Rottweiler Hofgericht und den schwäbischen Gerichten erhalten, vgl. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 110 f. Dies schwächte die Einfluss möglichkeiten Herzog Ludwigs des Reichen gegenüber den markgräflichen Territorien in Franken entscheidend; Ludwigs wiederholte Beschwerden beim Kaiser blieben wirkungslos, vgl. Lackner, Ludwig der Reiche, S. 377. 544 Schneider, Niederadel, S. 470 f. Rechter, Seckendorff, S. 401. 545 Kurfürst Albrecht fügt hinzu: So ist vor nit gewonheit gewest Der Ritter und knecht Im Land zu francken, das sie nach der freyß griffen haben das ist recht gewest, wenn ein cleger einen schedlichen man In ein gericht hat gefurt, So hat man Im rechts gestat, Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 12, S. 22–27, hier S. 23. Bei der freyß handelte es sich um das Gericht über Leben und Tod, vgl. Schneider, Niederadel, S. 471. Im Februar 1472 gibt es weiteren brieflichen Austausch in dieser Sache zwischen Albrecht von Brandenburg und seinen Räten, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 293, S. 324–326. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 27, S. 59 f., hier S. 59. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 283, S. 316 f.; Nr. 296, S. 329. 546 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 293, S. 324–326, hier S. 324. 547 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 25, S. 52–58, hier S. 53.
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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gewesen sei, dass Ritter und Knechte nach der frayß griffen548. Somit hatte sich der Kurfürst schon weit vor dem Vorfall von Möhren – und zwar seit Beginn des Jahres 1472 – des Falles angenommen und Hans von Seckendorff ermahnt; dieser hatte sich an diese Vorgaben aus seinen eigenen Interessen heraus aber wohl nicht gehalten, obgleich sich auch Inhaber anderer Halsgerichte bei dem Eingriff in das Landgericht Graisbach zurückhielten549. Wohl im August 1472 hatte dann Hans von Seckendorff einen Dieb gefangen gesetzt und wieder freigelassen, nicht zuletzt weil er alt gewesen sei550. Der Streit hatte sich im September 1472 verfestigt, als Herzog Ludwig der Reiche gefordert hatte, Kurfürst Albrecht möge sich in Zukunft nicht mehr um Seckendorff bemühen, denn dieser sei bayerischer Landsasse551. Offensichtlich war Albrechts von Brandenburg Strategie nicht aufgegangen. Hans von Seckendorff hatte sich nicht an seine Vorgaben gehalten, seine Gerichtsrechte zurückhaltend auszuüben; gleichzeitig hatte auch die den Räten in Ansbach vorgegebene Linie, nicht zu offensiv zu handeln, aber ebenso wenig sich alles gefallen zu lassen, nicht funktioniert. Anfang Februar 1473 bot dann die brandenburgische Seite neben Ludwig von Eyb so gut wie alle wichtigen Vertreter der Familie von Seckendorff zu Verhandlungen mit Herzog Ludwig dem Reichen auf, neben dem schon erwähnten Sebastian nicht zuletzt Heinrich von Seckendorff, Aberdar, Amtmann zu Crailsheim, und Hans von Seckendorff zu Birkenfels552. Die Verhandlungen scheiterten abermals an den unüberbrückbar gegensätzlichen Forderungen; obwohl die von Seckendorff diverse Dokumente, nicht zuletzt einen Kaufbrief sowie eine kaiserliche Bestätigung des Halsgerichts Möhren, vorlegten, forderte der bayerische Herzog die vollkommene Unterordnung des Hans von Seckendorff samt Burg Möhren unter seine Herrschaft. Erwartungsgemäß widersprachen sowohl die brandenburgischen Vertreter als auch die von Seckendorff. Hierauf äußerte der Kurfürst seine Billigung des Vorgehens der Familie von Seckendorff553. Bis Anfang Mai 1473 findet sich in der Korrespondenz des Kurfürsten nichts mehr in Sachen Heideck, ebenso wenig zu Hans von Seckendorff und Möhren. Nach der Rückkehr des Kurfürsten aus der Mark Brandenburg gab es dann Verhandlungen zwischen Herzog Ludwig von Bayern und Kurfürst Albrecht von
548 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 25, S. 53. Schneider, Niederadel, S. 741. Alois Gerlich, Staat und Gesellschaft, Tl. 1: Bis 1500, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, hg. von Max Spindler, Teil 3,1 (München ²1979), S. 268–348, hier S. 269, Anm. 3. 549 Schneider, Niederadel, S. 741. 550 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 458, S. 441 f. 551 Ebd., Nr. 458, S. 441 f., hier S. 442. 552 Ebd., Nr. 530, S. 482–484. Zu Sebastian von Seckendorff siehe auch oben S. 207 ff. In diesem Zeitraum gab es nach von Stillfried / Haenle, Schwanenorden, S. 210, nicht weniger als sieben Seckendorff mit dem Vornamen Hans. Vgl. zu den genannten Familienmitgliedern ebd., S. 209–213. 553 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 533, S. 485 f.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Brandenburg554. Im Rahmen dieser Verhandlungen kamen sowohl die Angelegenheiten um Heideck als auch die Möhrener Frage zur Sprache555. Der in Heideck festgenommene Geleitsknecht war in der Zwischenzeit freigelassen worden, allerdings erst nachdem er auf sein Pferd verzichtet, seine Haft selbst bezahlt, Urfehde geleistet und versprochen hatte, nie wieder in Heideck zu geleiten. Nun forderte man Schadensersatz für den Geleitsknecht und die dauerhafte Gewährleistung des Geleitsrechts in Heideck. Auch Hans von Seckendorff war wohl kurz vor den Verhandlungen freigelassen worden, hatte aber Burg Möhren verloren, auf die Ausübung von Gerichtsrechten verzichten und einen Hof vom bayerischen Herzog Ludwig zu Lehen nehmen sowie sich für ein Jahr mit 100 Pferden dem Herzog verpflichten müssen. Es war die kurfürstlich-brandenburgische Seite, die während dieser Verhandlungen besonders auf den kaiserlichen Landfrieden hinwies, um das Verhalten Herzog Ludwigs von Bayern als unrecht zu bezeichnen. Dieser Verhandlungstag brachte keine endgültige Lösung. Die Streitigkeiten um Möhren und Heideck sollten noch über Jahre aktuell bleiben556. Sie waren nun Teilkonflikte der umfassenderen Auseinandersetzung zwischen dem Kurfürsten und Herzog Ludwig von Bayern-Landshut und somit auch mit Nürnberg557. Auffälligerweise nur ganz kurze Zeit nach dem Scheitern dieser Verhandlungen schlossen am 11. Mai 1473 Markgraf Albrecht von Brandenburg und Herzog Albrecht von Bayern-München ein Bündnis ab, das schon längere Zeit im Raum gestanden hatte558. Viel weniger als die tatsächliche Lösung der hier betrachteten Konflikte interessieren die Vorgänge unter dem Blickwinkel von Politiknetzwerken. Dazu sei bemerkt, dass der Kurfürst dem Möhrener Hans von Seckendorff anscheinend auch in der Folge besondere Aufmerksamkeit schenkte, indem er ihn durch die Stärkung der personalen Bindungen näher an sich zu bringen gedachte. So findet sich dieser Hans von Seckendorff später wahrscheinlich als Mitglied des Schwanenordens; ebenso bat ihn der Kurfürst schon bald besonders dringlich um Teilnahme am Feldzug gegen Karl den Kühnen559. Die Einbindung Seckendorffs in ein dauerhaftes Ordensnetzwerk ebenso wie in das Reichsnetzwerk zur Abwehr eines
554
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 564, S. 501–505. Ebd. 556 Zum Fortgang Schneider, Niederadel, S. 472 f. 557 Siehe hierzu auch unten E. II. 558 Lackner, Ludwig der Reiche, S. 379. 559 Von Stillfried / Haenle, Schwanenorden, S. 210. Diesen Aspekt in Abgrenzung zwischen der markgräflichen Ritterschaft und der des Bistums Würzburg betrachtet auch Frankl, Würzburger Vasallen. Gerhard Rechter, Zur adligen Klientel Markgraf Friedrichs von Brandenburg-Ansbach um 1500, in: JbffL 58 (1998), S. 187–218, hier Nr. 171, S. 211: Hans von Seckendorff findet sich um 1500 zwar in einer Aufstellung potenziell aufzubietender Niederadliger bei einem möglichen Krieg, er war jedoch dem bayerischen Herzog verpflichtet, „wollte aber trotzdem dem Markgrafen zuschick(en)“, ebd., S. 189, ohne Nachweis. Vgl. ferner ders., Seckendorff, S. 32–35, der ihn 1490 als Pfleger zu Graisbach ausweist. 555
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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äußeren Feindes hatte somit Rückwirkungen auch auf die regionalen Netzwerke in Franken und Bayern. Heideck dagegen ging in den bayerisch-oberpfälzischen Herrschaftsbereich über560. 5. Politische Netzwerke und Governance um die Vorfälle von Heideck und Möhren Die Vorfälle von Heideck und Möhren sind aus dem Blickwinkel von Governance und politischen Netzwerken insbesondere unter vier Aspekten interessant: erstens, der Verwaltung und des Regierens während der Abwesenheit des Kurfürsten von seinen fränkischen Territorien, zweitens, der Organisation von Wissensbeständen bei den Beteiligten, drittens, des Charakters und der Bedeutung des Geleitwesens und – viertens – des Verhältnisses der lokalen, regionalen und Reichsebene zueinander. Wie bereits erwähnt, handelt es sich nicht um Beispiele für ausschließlich auf das eigene Territorium bezogenes Handeln, denn die Amtsträger treten in den hier analysierten Beispielen Akteuren anderer Territorien gegenüber561. Die Konflikte zwischen den Territorien beziehungsweise um ihre Abgrenzung lassen ihre jeweils innere Ordnung erst deutlich werden. Gleichzeitig stehen diese Beispiele stellvertretend für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Einzelauseinandersetzungen zwischen Albrecht von Brandenburg und Herzog Ludwig von Bayern-Landshut sowie anderen Territorialherren in jenen Jahren in dieser Region562. a) Verwalten und Regieren Von besonderem Interesse sind bei den Vorfällen von Heideck und Möhren die Handelnden und ihre Interaktion. Wichtig erscheinen zunächst die markgräflichbrandenburgische sowie die herzoglich-bayerische Verwaltung. Dabei können sie jeweils in doppelter Weise aufgefasst werden, einerseits als Gesamtheit der Verwaltungshandelnden, des Hofes, der Ämter sowie des Kurfürsten, sozusagen als Abstraktum, andererseits jedes Mitglied der Verwaltung als Teil politischer Netzwerke, die zur Lösung eines Konflikts oder zur Bewältigung einer politischen Aufgabe definiert werden. Die folgenden Ausführungen orientieren sich an letzterer 560
Schneider, Niederadel, S. 474. Vgl. Rothmann, Fehde und Geleit, S. 103. 562 Vgl. etwa die gewaltsamen Vorfälle in Eckersmühlen im März 1476, bei denen unter anderem ein bayerischer Förster verwickelt war und aus denen sich ein Streit um die Abgrenzung von Gerichtsrechten zwischen dem Pfleger von Hilpoltstein und dem Amtmann von Roth, eigentlich also zwischen Herzog Ludwig dem Reichen und Albrecht von Brandenburg, entwickelte, StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 132, Geheimes Archiv, Herrschaftliche Bücher, Nr. 32a, insbesondere fol. 1r–2v. Auch zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kurfürst außerhalb seiner fränkischen Territorien. 561
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Vorstellung. Zunächst ist jedoch ein Blick auf die Beschreibung der Verwaltung durch die Forschung zu werfen. Klassisch werden die Verwaltungsstrukturen mit einem idealtypischen, mehrstufigen Modell beschrieben563. An der Spitze steht dabei der Hof des Fürsten mit seinen Zentralstellen, zumindest der Kanzlei, sowie einer Anzahl von Räten, die mehr oder weniger auf einzelne Themenfelder spezialisiert waren. Amtleute, Pfleger, Kastner oder Zöllner – Bezeichnungen, Aufgaben und Kompetenzen der Amtsträger variierten von Territorium zu Territorium, bisweilen sogar innerhalb eines Territoriums564 – sollten die Herrschaft in die Fläche bringen565; erst durch sie wurde Herrschaft zu tatsächlich permanenter Territorialherrschaft. Zwischen den Ebenen war das Prinzip der Hierarchie maßgebend. Dieses Modell wird bisweilen auch zur Beschreibung der markgräflich-brandenburgischen Verwaltungsstrukturen angewendet566. Verschiedentlich ist festgestellt worden, dass die Verwaltung des Kurfürsten dennoch weitgehend auf den Fürsten ausgerichtet gewesen sei567. Dabei wird eine Entwicklungslinie konstruiert, die von der personalen Ausrichtung hin zu einer Entpersonalisierung der Strukturen, schließlich zu einer Verwaltung in modernem Sinne reicht568. Auch in den beiden hier analysierten Konflikten handelten vor Ort auf markgräflicher Seite die Amtleute, auf bayerischer die Pfleger569. Sie standen in regem 563 Sigrid Schmitt, Territorialstaat und Gemeinde im kurpfälzischen Oberamt Alzey. Vom 14. bis zum Anfang des 17. Jahrhunderts (Geschichtliche Landeskunde 38, Stuttgart 1992), S. 1. Vgl. die Beiträge im Sammelband: Deutscher Territorialstaat, hg. Patze. Dietmar Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt. Landesobrigkeit, Herrschaftsrechte und Territorium in der Rechtswissenschaft der Neuzeit (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 11, Köln / Wien 1975). Ders., Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation in den Territorien, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Stuttgart 1983), S. 289–346. Ders., Die Entwicklung und Verwaltung der spätmittelalterlichen Landesherrschaft, in: ebd., S. 66–143. Joseph Morsel, À quoi sert le service de l’État? Carrières, gains, attentes et discours dans l’aristocratie franconienne à la fin du Moyen Âge, in: Actes du congrès de la Société des historiens médiévistes de l’enseignement supérieur public 29 (1998), S. 229–247, hier S. 229–231. 564 Vgl. Hesse, Amtsträger, S. 112–201. 565 Vgl. Dietmar Willoweit, Amtleute und Diener in der spätmittelalterlichen Landesherrschaft, in: Das Recht und seine historischen Grundlagen. FS Elmar Wadle, hg. von Tiziana J. Chiusi / Thomas Gergen / Heike Jung (Berlin 2008), S. 1223–1237, insbesondere S. 1225–1229. 566 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 24 f. Zum Ansbacher Hof um 1500 vgl. auch Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 342–352. 567 So etwa Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 353 f. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 24 f. 568 Vgl. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 353 f. 569 Zur Verwaltungsorganisation in den bayerischen Territorien vgl. Volker Press, Die wittelsbachischen Territorien: Die pfälzischen Lande und Bayern, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Stuttgart 1983), S. 552–598, zur Lokalverwaltung insbesondere S. 592–596.
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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Kontakt mit der jeweiligen „Zentrale“ in Ansbach beziehungsweise in Landshut. In der Regel kommunizierten die Amtleute schriftlich mit dem landesherrlichen Hof. Diese Strukturen zeigen sich hier als im Allgemeinen funktionsfähig. In Situationen besonderer Gefahr, wie die Vorfälle von Heideck und Möhren verdeutlichen, übernahmen hingegen teilweise auch Akteure wichtige Funktionen, die mit den „Instanzenzügen“ in keiner direkten Verbindung standen. So überbrachten ein Pfarrer und ein Bauer die Informationen über den bevorstehenden Angriff auf Möhren direkt nach Ansbach an die markgräflichen Statthalter. Auch wenn das Ereignis anscheinend schon vorgefallen war, ist doch von den Vertretern der markgräflichen Verwaltung, den Amtleuten, zunächst nichts zu hören570; erst die Statthalter in Ansbach scheinen, nachdem sie informiert worden waren, selbst unter anderem auch ihre Vertreter um Möhren benachrichtigt zu haben571, wobei auch in der Folgezeit noch „alternative“ Akteure in die Kommunikation und in konkrete Maßnahmen eingebunden waren572. In Heideck kooperierten gar Akteure der Verwaltung mit alternativen Akteuren, um das Geleit bereitzustellen. Die Verwaltungsnetzwerke wurden zumindest ergänzt durch lokale und regionale Informationsnetzwerke, die an der Lösung einer Situation ein Interesse, nicht aber einen Dienstauftrag hatten. Diese Netzwerke konnten wirksamer sein als solche der Verwaltung. Die Räte in Ansbach standen mit Albrecht von Brandenburg in regem Kontakt und orientierten sich an den Anweisungen, die ihnen ihr Herr sowohl vor seiner Abreise in die Mark als auch während seiner Abwesenheit gab. Allerdings begegnen in den hier untersuchten Beispielen auch Situationen, in denen die Statthalter durch die Kürze der ihnen verbleibenden Zeit vollkommen auf sich gestellt waren und durchaus eigenmächtig handelten; auch Amtleute konnten aus demselben Grund wohl eigenmächtig handeln. Wie die Rügen des Kurfürsten nach eigenverantwortlichem Handeln seiner Verwaltung zeigen, hatte er aber durchaus eine Erwartung, wie mit unvorhergesehenen Situationen umzugehen und angemessen zu reagieren war. Im Fall von Möhren etwa hatten alle Vorwarnmechanismen versagt und die Statthalter zu spät und zu unentschlossen reagiert. Aus der Rüge des Mark 570
Man könnte etwa an die Amtleute von Gunzenhausen oder Hohentrüdingen denken, vgl. Hanns Hubert Hofmann, Gunzenhausen-Weissenburg (HAB. B: Teil Franken, Reihe 1, Heft 8, München 1960), S. 29. 571 Nachdem die Räte in Ansbach von dem Vorfall Kenntnis erhalten hatten, wurde dann auch Engelhard von Absberg, Amtmann zu Gunzenhausen, informiert. Das kurzfristig aufgestellte Aufgebot sollte in Wassertrüdingen und Gunzenhausen konzentriert werden, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 496, S. 460–462, hier S. 461. Zu Engelhard von Absberg vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, S. 675, 701. 572 Der Landkomtur, der als erster die Nachricht von der Einnahme Möhrens an die Räte nach Ansbach meldete, war für diese Informationsfunktion durch die räumliche Nähe von Möhren zur Deutschordenskommende Ellingen prädestiniert, handelte aber letztendlich auch außerhalb der vorgegebenen Informationswege. Engelhard von Absberg berichtete erst einen halben Tag später als der Landkomtur über die Einnahme von Möhren, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 496, S. 461.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
grafen in diesem Zusammenhang kann auch geschlossen werden, dass er bemüht war, die Strukturen seiner eigenen Verwaltung, ihre Entscheidungs- und Kommunikationswege aus taktischen Gründen vor dem Gegner möglichst geheim zu halten; somit kann in diesem Falle von der Bedeutung der Außenwirkung von Akteuren in politischen Netzwerken gesprochen werden. Wie die Äußerungen des Markgrafen in seinen Briefen nahelegen, hatte er vor allem die Lösung von Problemen im Blick, d. h. die Strukturen waren an den Bedürfnissen der Praxis und momentanen Gegebenheiten orientiert. In manchen Fällen intervenierte der Kurfürst rigoros, andere schienen ihm offensichtlich unwichtig oder zumindest nachrangig zu sein. In einer Situation war die Verwaltung also ganz auf den Herrn ausgerichtet, in anderen dagegen konnte die Verwaltung ein beachtliches Eigenleben entwickeln. Ein Schreiben aus anderem Kontext verdeutlicht diesen Befund: Ir schreibt uns mancherley, do nit not ist vff zuantwortten, Im getrawen ir werdt das selbst zum besten furnemen573. Dann folgte die genaue Ausführung anderer Punkte, die dem Markgrafen offensichtlich wichtig erschienen. Die brandenburgischen Räte hatten ständig die Aufträge ihres Herrn untereinander in Beziehung zu setzen und seine Gedankengänge nachzuvollziehen, ohne dass er sie über Strategieänderungen im Einzelnen informierte. Auch die Vorstellung von der Hierarchie ebenso wie vom Durchgriff des Fürsten bis hin zum Knecht erscheint vor dem Hintergrund der hier betrachteten Beispiele in der Praxis erheblich komplexer. Es waren die Geleitsknechte von Heideck, die sich weigerten, die Befehle des Amtmanns und damit – zumindest theoretisch – des Kurfürsten auszuführen. Sie hatten schlicht kein Interesse, auch in die Hände Herzog Ludwigs des Reichen zu fallen. Damit hatte sich Verwaltungshandeln letztendlich an seiner Durchsetzbarkeit zu orientieren, und zwar umso stärker, je weniger hierarchische Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Ebenso scheinen bisweilen die verschiedenen Ebenen der Verwaltung gegeneinander in offene Opposition getreten zu sein, wie die Aufforderung des Kurfürsten an Räte und Amtleute in anderem Zusammenhang nahelegt, die Amtleute mögen den Befehlen der Räte Folge leisten; Streitigkeiten mögen Unbeteiligte schlichten574. In der Praxis scheinen somit Konflikte zwischen den verschiedenen Verwaltungsakteuren eher im Konsens und weniger durch die Betonung hierarchischer Strukturen beigelegt worden zu sein. Während des gesamten Aufenthalts Albrechts von Brandenburg in der Mark war als Relaisstation zwischen dem Kurfürsten und der fränkischen Verwaltung außerdem Herzog Wilhelm von Sachsen in die markgräflichen Regierungs- und Verwaltungsnetzwerke integriert. Mehrfach wandten sich die Räte in Ansbach mit den fränkischen Angelegenheiten an ihn; er hatte nicht nur eine wichtige Koordinierungs- und Steuerungsfunktion für den Informationsfluss, sondern konnte 573
Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 89, S. 166 f., hier S. 166. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 306, S. 334 f.
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III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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selbst offensichtlich großen Einfluss auf das politische sowie das Verwaltungshandeln in Franken nehmen. Besonders deutlich wird dies an seiner Intervention bei Ludwig dem Reichen zugunsten des gefangen genommenen Geleitknechts; ebenso hatte Wilhelm anscheinend einen guten Überblick über eine Vielzahl verschiedener politischer Netzwerke, die Albrecht von Brandenburg betrafen, sodass er verschiedene Konflikte des Markgrafen in Beziehung setzen und gewichten konnte. Somit nahm Herzog Wilhelm keineswegs nur eine symbolische Rolle ein; es handelte sich nicht um die bloß theoretische Zusicherung von Rat und Hilfe während der Abwesenheit des Kurfürsten, sondern in diesen eineinhalb Jahren wurden die fränkischen Territorien bis zu einem gewissen Grad durch Wilhelm von Sachsen mitregiert. Im Ernstfall konnte er „Hoheitsfunktionen“ in Franken ausüben. Prädestiniert für diese Rolle war Herzog Wilhelm von Sachsen nicht nur durch seine engen Beziehungen zu Albrecht, sondern auch aus geografischen Gründen, da er sozusagen auf halber Strecke zwischen Franken und der Mark Brandenburg weilte und so rasch sowohl nach Norden als auch nach Süden kommunizieren konnte. Wie die Beispiele verdeutlichen, kann Herzog Wilhelm jedoch nicht als Zwischenebene zwischen dem Markgrafen und seinen Statthaltern angesehen werden, denn die direkte Kommunikation zwischen Albrecht von Brandenburg und seiner Verwaltung bestand auch in diesen Tagen fort; teilweise ist eine sachbezogene Verteilung zu erahnen, nämlich wann Schreiben an den Markgrafen direkt gelangten und wann sie Herzog Wilhelm vorgelegt wurden – bisweilen entzieht sich das Kommunikationsverhalten in diesen Tagen aber wohl einer übergeordneten Logik. Teilweise bewusst wurde dabei die Gefahr in Kauf genommen, dass die Räte in Franken zeitgleich oder nacheinander sich widersprechende Anweisungen erhielten, die sie dann eigenständig zu bewerten und umzusetzen hatten. Die Bitte um das Schirmen des Territoriums während der eigenen Abwesenheit hatte insgesamt somit mehrere Funktionen: für Freunde als ernst gemeinte Bitte um Engagement, teilweise sogar im Verwaltungsalltag; für Gegner, um die direkte Konfrontation während der Abwesenheit zu verhindern, sowie gleichzeitig als schriftlich fixiertes Argument, auf das man sich im Streitfalle berufen konnte. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die markgräfliche Verwaltung, so lässt sie sich schwerlich mit modernen Vorstellungen der Berufsbürokratie, mit streng hierarchischen „Instanzenzügen“, Aufgabenverteilung und absolut loyalen Beamten beschreiben. „Staatliche“ und „alternative“ Organisationsformen und Akteure standen vielmehr zwanglos nebeneinander und kooperierten zeitweise zum Vorteil aller Seiten. Von diesem Befund nun aber auf „unvollkommene“ Staatlichkeit zu schließen, wäre nicht angemessen, denn anscheinend ging es bei Abwesenheit von Interessen höherer Akteure viel stärker um Effizienz innerhalb von Netzwerken und nicht um die Durchsetzung einer abstrakten und umfassenden Idee der „Territorialherrschaft“.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
b) Wissensorganisation in Netzwerken: Das älteste Geleitstraßenverzeichnis der Burggrafschaft Nürnberg Offensichtlich ging es beim Handeln von Akteuren in Verwaltungsnetzwerken außerdem insbesondere um Wissensorganisation und -zirkulation575. Dabei war es in manchen Situationen der Kurfürst, der glaubte, besser in Detailfragen Bescheid zu wissen als sein Verwaltungsapparat576. An anderen Stellen erklärte er seinen Räten, er erinnere sich nicht an die Details – etwa von Verhandlungen577. Wie die Übermittlung von Wissen durch Albrecht von Brandenburg an seine Räte und Herzog Wilhelm von Sachsen über Rechtsansprüche in Franken sowie die durch sein Wissen um Netzwerkkonstellationen in Franken besondere Qualifikation des Knechts Hans Luft verdeutlichen, ist die Organisation und Verbreitung von Wissen eine wichtige Voraussetzung für die Erbringung von Governance-Leistungen sowie für die Lösung von politischen Fragen, Konflikten und Herausforderungen in politischen Netzwerken. Bei dieser Wissensorganisation in Netzwerken war Schriftlichkeit wichtig. So verwundert es nicht, dass sowohl der Überfall auf Möhren als auch die Frage des Heidecker Geleits von umfassender schriftlicher Tätigkeit der Verwaltung begleitet wurde. In einem ähnlichen Kontext, einem Streit zwischen der Reichsstadt Nürnberg und dem Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg, entstand im Jahre 1565 in der reichsstädtischen Kanzlei ein Geleitstraßenverzeichnis der Burggrafschaft Nürnberg, das – heute im Staatsarchiv Nürnberg liegend – von Rudolf Endres ediert wurde578. Insbesondere durch innere Quellenkritik gelangte er zu der Annahme, das Verzeichnis beruhe auf einer Vorlage aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in jedem Fall aus der Herrschaftszeit Kurfürst Albrechts von Brandenburg579; als Entstehungsort nahm er die Kanzlei des Markgrafen an580. Am Ende einer ebenfalls im Staatsarchiv Nürnberg befindlichen Sammlung von Akten zum Streit um das Heidecker Geleit aus den 1470er Jahren findet sich eine wohl bisher unbeachtete Zusammenstellung der Geleitstraßen der Burggrafschaft Nürnberg581. Dieses Verzeichnis erfüllt alle von Endres geforderten Merkmale für die Vorlage des Verzeichnisses von 1565. Es ist mit dem jüngeren Ver 575
Conrad, Wissen als Ressource des Regierens, S. 134 f. Siehe hierzu näher oben S. 317 f. 577 Siehe hierzu näher unten S. 395. 578 Endres, Geleitstraßen Nürnberg, S. 107–138. Zum Geleit der Markgrafen vgl. ders., Die Nürnberg-Nördlinger Wirtschaftsbeziehungen im Mittelalter bis zur Schlacht von Nördlingen. Ihre rechtlich-politischen Voraussetzungen und ihre tatsächlichen Auswirkungen (Schriften des Instituts für Fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg 11, Neustadt a.d.A. 1963), S. 64–82. 579 Endres, Geleitstraßen Nürnberg, S. 114. 580 Ebd., S. 115. 581 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149, o. fol. 576
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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zeichnis in wesentlichen Teilen bis auf wenige Schreibnuancen identisch, wobei das ältere Verzeichnis um einige Einträge länger ist582. Wann, auf welchem Wege und in welcher Form dieses Verzeichnis an die Nürnberger gelangte, ist unklar. In beiden Verzeichnissen ist als sechste Straße das Geleit zu Heideck als zum Burggraftum Nürnberg gehörend verzeichnet583. Allerdings ist zu unterstreichen, dass es über die Ausübung dieses Geleits nie einen Vertrag mit den Herren von Heideck beziehungsweise des jeweiligen Besitzers, geschweige denn mit dem Lehnsherrn gab – und an anderer Stelle ist es als herrschaftlich-heidecksches Regal bezeugt 584. Nur sieben Jahre zuvor, 1465, wurde in einem Konflikt mit Bischof Johann von Würzburg um Geleitrechte auf das markgräfliche Salbuch zurückgegriffen585; so betonte Markgraf Albrecht von Brandenburg in seiner Antwort auf die Beschwerde des Bischofs, es seien Nachforschungen notwendig, nachdem wir unsser strassen aller nicht im Kopff haben586. Auch im Heidecker Geleitstreit des Jahres 1472 konnte die markgräfliche Verwaltung wohl noch nicht auf das Geleitstraßenverzeichnis zurückgreifen, denn sonst hätten nach ersten Meldungen vom Geleitstreit die markgräflichen Räte nicht erst umfangreichere Nachforschungen in den aufbewahrten Dokumenten anstellen müssen587. Somit erscheint es plausibel,
582 Besonders zu erwähnen ist die Nennung der neunten Straße. Sie erscheint nur im älteren Verzeichnis 1472. Endres, Geleitstraßen Nürnberg, S. 115, nahm an, dass es sich hierbei um die Strecke nach Landshut über Röthenbach bei St. Wolfgang – Allersberg – Berching – Beilngries und Neustadt an der Donau handelte. Im älteren Verzeichnis von 1472 findet sich unter dem Eintrag der neunten Straße die Geleitroute, die im jüngeren Verzeichnis als achte Straße aufgeführt wird. Im älteren Verzeichnis werden dagegen unter der achten Straße die Routen von Nürnberg nach Ammerndorf und von dort aus weiter nach Südwesten in Richtung Ansbach, nach Westen in Richtung Mergentheim sowie nach Nordwesten nach Erlbach aufgeführt. Im Übrigen ist das ältere Verzeichnis länger. Denn an den Eintrag zur zwölften Straße sind Ergänzungen zu Geleitstraßen, die von Kulmbach ausgehen, sowie Einträge zum zuvor von den Herren von Brauneck ausgeübten Geleit mit einem Schwerpunkt um Dinkelsbühl und Crailsheim angehängt. Siehe zu den Geleitrechten der Herren von Brauneck und ihrer Entwicklung nach dem Aussterben des Geschlechts oben S. 249. 583 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149: Die sechst strasse. Von Nuremberg gein Rot, von Rot gen Heydeck, von dannen uber den Rutmansberg, allenthalben bis an die Altmull; von Nuremberg gen Rot, von dannen gen Weyssemburg, von Weyssemburg gein Eystet. 584 Endres, Geleitstraßen Nürnberg, S. 112 f., 128. 585 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1512 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 911r–v. Vgl. zu den Auseinandersetzungen zwischen den brandenburgischen Markgrafen und dem Würzburger Bischof Gebhard Weig, Das ius conducendi der Bischöfe zu Würzburg. Eine Studie zur Rechtsstruktur, politischen Funktion und Organisation des Geleitsrechts im Hochstift Würzburg während des 15. und 16. Jahrhunderts (Diss. phil. Würzburg 1970), S. 88–99. Ernst Schubert, Die Landstände des Hochstifts Würzburg (Veröffent lichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IX. Reihe: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 22, Würzburg 1967), S. 93–100. 586 HStA Weimar, Historische Schriften und Drucke, F 1512 (Regestensammlung Burkhardt), fol. 911r–v. 587 Siehe oben S. 315.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
einem Eintrag am Ende des Geleitstraßenverzeichnisses zu folgen und das Jahr 1476 für seine Entstehung anzunehmen588. Auch in anderen Dokumenten, und zwar in der Korrespondenz des Markgrafen, finden sich Hinweise auf dieses Geleitstraßenverzeichnis. So ist einem Schreiben des Kurfürsten an seine Räte in Ansbach vom 10. Mai 1476 zu entnehmen, dass in einem Streit um das markgräfliche Geleit vor den Toren der Reichsstadt Nürnberg nicht nur […] das alt herkomen auch an brive und sigil, die ir zu Onolczpach und Blassemberg habt, zu überprüfen sei, ob die was davon sagten, sondern dass auch diverse gleitzleut und Knechte589, die unser gleyt zu Nurmberg gehabt han, zu befragen seien, das allwegen unser gleitzman zü Nurmberg gesessen ist und zu allen thoren auß und ein gleitt hat und fur und furo von unsern wegen gleyt ist worden nach laut des registers, das in unser canzley daaussen ist590 . Neun Tage später erwähnte der Kurfürst in einem Schreiben, das wieder an seine Räte in Ansbach adressiert war, im Zusammenhang mit den Geleitstreitigkeiten: Ir werdt es auch gar eigentlich in den registern finden, wie man die gleit verrechent hat bey unserm vater und uns591. Während mit letzteren registern wohl eher die markgräfliche Buchführung insgesamt gemeint war, mit der lang geübte Praktiken beziehungsweise gewohnheitsrechtliche Ansprüche auf das Geleit um Nürnberg belegt werden sollten, bezog sich der Kurfürst in dem Schreiben vom 10. Mai anscheinend auf ein bestimmtes Register; dieses sollte wohl weniger selbst als rechts erheblicher Nachweis für die markgräflichen Ansprüche dienen, sondern sein Inhalt sollte an den aufbewahrten Urkunden und durch Befragung von Beteiligten an der Geleitsausübung erst noch überprüft werden. Es kann somit vermutet werden, dass der Kurfürst mit register in seinem ersten Schreiben das Geleitstraßenverzeichnis meinte, das im Zusammenhang mit den Akten zum Heidecker Geleitstreit überliefert ist. Die Schreiben des Markgrafen sind Teil einer umfangreicheren Korrespondenz zu einem Konflikt über die Ausübung von Geleitrechten um die Reichsstadt Nürn 588
StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 103aI, Ansbacher Generalakten, Nr. 149. 589 Genannt werden Daniell Ullmers vatter, bruder and er [als] unser gleitzleut […]. deßgleich Christan Im Hofe. an demselben Ullmer und an den knechten, die bey Cristan Im Hofe gegleyt haben, der stets zwey pferd daruf hielt, und andern […]. Um das Argument der Gewohnheit zu untermauern, führte Albrecht fort: Dann was sollten unser vatters anherrn, voreltern und unser gleitzleut zu Nurmberg gesessen sein zu allen thoren uß und ein gleyt, wenn das gleit eins andern wer gewesen? Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 215, S. 226. 590 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 215, S. 226. RI Friedrich III., 14, Nr. 14, S. 55: Bereits im Jahre 1440 hatten sich die Nürnberger von König Friedrich einen Schiedsspruch zwischen der Stadt und den Burggrafen aus dem Jahre 1386 vidimieren lassen, der das Geleit an mehreren Orten um Nürnberg den Burggrafen zusichert; zukünftige, von der Stadt zu erwerbende Privilegien, die diesen Regeln widersprechen, wurden für kraftlos erklärt, vgl. Monumenta Zollerana, 5, hg. von Stillfried / Maercker, Nr. 181, S. 188–190. 591 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 216, S. 227–230, hier S. 228.
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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berg herum592. Die Konflikte des Jahres 1476 passen zur inhaltlichen Konzentration des Verzeichnisses auf das Geleit um Nürnberg. Wenn noch 1472 ein solches Verzeichnis wohl nicht zur Verfügung stand, so ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Geleitstraßenverzeichnis von 1476 um das älteste des Burggraftums Nürnberg markgräflicher Provenienz handelt. Während auf Nürnberger Seite in den 1470er Jahren verstärkt Dokumente vidimiert wurden, die mit Geleitsrechten zusammenhingen593, wird man bei dem Geleitstraßenverzeichnis nicht von einem rechtlich bindenden Schriftstück sprechen können. Es wird sich vielmehr um ein Mittel der Organisation von Wissen innerhalb der markgräflichen Verwaltung handeln. Der Ansbacher Verwaltungsapparat schuf somit in den 1470er Jahren mit Hilfe der Schriftlichkeit wenigstens auf dem Papier Tatsachen und hielt nicht nur den Bestand, sondern auch unbegründete und letztlich unrealistische Ansprüche fest594. Offensichtlich handelte es sich hierbei nicht um den planmäßigen Einsatz von Schriftlichkeit, sondern um an der Situation, der Häufung ähnlich gelagerter Fälle sowie den Notwendigkeiten politischer Netzwerke orientierte Verschriftlichung im Bereich des Geleitwesens. So erst konnte der Kurfürst in einem anderen Rechtsstreit anweisen: wißt ir nichts bessers, so laßt es gescheen, wißt ir aber bessers, so biett recht595 . Somit hing die wirksame Verfolgung der defensiven, aber dennoch den Bestand sichernden Strategie des Kurfürsten maßgeblich vom Wissen um Rechte und Konstellationen in politischen Netzwerken ab. Umgekehrt aus der Existenz dieses Verzeichnisses auf Kennzeichen „moderner“ Verwaltung im Sinne von Bürokratisierung und Verschriftlichung zu schließen, erscheint allerdings als problematisch. Wie nämlich die Kommunikation Albrechts von Brandenburg mit Herzog Wilhelm von Sachsen verdeutlicht, wurde in Situationen, die eine rasche Reaktion erforderten, vielfach nicht auf das schriftlich festgehaltene Wissen zurückgegriffen, sondern die eigene Erinnerung bemüht und direkt auf die politische Situation bezogen. Mit der Erinnerung konnte vielfach schneller, flexibler, bisweilen präziser, insbesondere aber situationsgerecht auf politische Veränderungen reagiert werden. Auf diesem Wege wurden jedoch mit Dokumenten belegbare Rechte und politische Ansprüche miteinander vermischt; diese Vermengungen konnten – wie im Falle des Geleitstraßenverzeichnisses von 592 Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 211, S. 219–223, insbesondere S. 219–222; S. 220: ist kundig im reich, das kein furstlich gleit auf der strassen zu einer stat gehort, sonder es gehort zu einem furstenthumb. Wir haben unser gleitzleut zu Nürmberg, do alle strassen außerspringen ublich, die der burggraf hat. aber die gleit gehorn gein Nurmberg nit. Sie gehorn zu dem burggravethumb. 593 Beispielsweise StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 1b, Päpstliche und fürstliche Privilegien, Urkunden, Nr. 326: 1470 Juni 23, Vidimierung einer Urkunde aus dem Jahre 1386 über die Regelung der Zoll- und Geleitrechte zwischen der Stadt Nürnberg und den Burggrafen; Vidimus von Abt Sebald von St. Egidien in Nürnberg. 594 Siehe hierzu oben S. 338ff. 595 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 216, S. 227–230, hier S. 227.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
1476 – dann wieder schriftlich festgehalten werden und später als vermeintlich gesicherte Rechtspositionen gelten. So ergibt sich ein erheblich komplexeres Verhältnis zwischen bestehenden Ansprüchen und ihrer streng rechtlichen Begründung, dem Einsatz von Schriftlichkeit, der Erinnerung der Akteure sowie der jeweils aktuellen politischen Situation. c) Das Geleitnetzwerk von Heideck Eine umfassende Geschichte des mittelalterlichen Geleitwesens596 gibt es, abgesehen von exemplarischen Fallstudien597 – auch für Franken598 –, nicht. Das 596
Vgl. zum Geleit zuletzt Martin Kintzinger, Cum salvo conductu. Geleit im westeuropäischen Spätmittelalter, in: Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa, hg. von Rainer Christoph Schwinges / Klaus Wriedt (VuF 60, Ostfildern 2003), S. 313–363. Zur Straßensicherheit insgesamt Peter Johanek, Die Straße im Recht und in der Herrschaftsausübung des Mittelalters, in: Die Vielschichtigkeit der Straße. Kontinuität und Wandel in Mittelalter und früher Neuzeit, hg. von Kornelia Holzner-Tobisch / Thomas Kühtreiber / Gertrud Blaschitz (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Phil.-Hist. Klasse. Sitzungsberichte 826 = Veröffentlichungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 22, Wien 2012), S. 233–262: Johanek hebt hervor, dass rechtsgeschichtliche Aspekte des mittelalterlichen Straßenwesens kaum untersucht wurden. Außerdem M[einrad] Schaab, Art. „Geleit“, in: Lex.MA 4 (1989), Sp. 1204 f. Ferner mit einem Schwerpunkt auf der Frühen Neuzeit: ders., Geleit und Territorium in Südwestdeutschland, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 40 (1981), S. 398–417. Zum Geleit im Früh-und Hochmittelalter vgl. Ludolf Fiesel, Zum früh- und hochmittelalterlichen Geleitsrecht, in: ZRG GA 41 (1920), S. 1–40. Th[omas] Szabó, Art. „Strasse, I. Westlicher Bereich“, in: Lex.MA 8 (1997), Sp. 220–224. B. Koehler, Art. „Geleit“, in: HRG 1 (1971), Sp. 1481–1489. Lingelbach, Geleit. 597 Regionale Beispiele: Stefanie Rüther, Geleit, Gesandte und Gerüchte – mediale Strategien auf dem Weg zum spätmittelalterlichen Friedensschluß am Beispiel des ersten Süddeutschen Städtekrieges, in: Friedensschlüsse. Medien und Konfliktbewältigung vom 12. bis zum 19. Jahrhundert, hg. von Bent Jörgensen / Raphael Krug / Christine Lüdke (Documenta Augustana 18, Augsburg 2008), S. 55–81, insbesondere S. 70–75. Rothmann, Fehde und Geleit. Bernhard Reichel, Handelswege im Mittelalter und in der frühen Neuzeit. Ihre Sicherung am Beispiel der Frankfurter Messe, in: Brücke zwischen den Völkern – Zur Geschichte der Frankfurter Messe, Bd. 2: Beiträge zur Geschichte der Frankfurter Messe, hg. von Patricia Stahl unter Mitarb. von Roland Hoede / Dieter Skala (Frankfurt a. M. 1991), S. 77–84. Rudolf Fendler, Das die Leuffte der Zyth etwas geschwindt vnd geferlich sind. Über das Geleitwesen am mittleren Oberrhein im 16. Jahrhundert, in: Mannheimer Geschichtsblätter NF 5 (1998), S. 65–89. Berthe Widmer, Geleitbriefe und ihre Anwendung in Basel zur Zeit des hier tagenden Generalkonzils von 1431–1449, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 92 (1992), S. 9–99. Vgl. ferner Ernst Schubert, Probleme der Königsherrschaft im spätmittelalterlichen Reich. Das Beispiel Ruprechts von der Pfalz (1400–1410), in: Das spätmittelalterliche Königtum im europäischen Vergleich, hg. von Reinhard Schneider (VuF 32, Sigmaringen 1987), S. 135–184, insbesondere S. 166–169. 598 Vgl. Horst-Dieter Beyerstedt, Art. „Geleit“, in: Stadtlexikon Nürnberg, hg. von Michael Diefenbacher / Rudolf Endres (Nürnberg ²2000), S. 328 f. Im 16. Jahrhundert verklagten die Markgrafen Georg und Kasimir von Brandenburg die Reichsstadt Nürnberg vor dem Reichskammergericht wegen des Geleits; der Prozess zog sich von 1526 bis 1578 hin und kam nicht zum Abschluss, ebenso wenig weitere gerichtliche Verfahren, vgl. ders., Art. „Geleitprozeß“,
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Geleit war die „Begleitung von Reisenden und deren rechtlicher sowie tatsächlicher, zumeist bewaffneter Schutz“599, wobei es sich auf Personen ebenso wie auf Sachen beziehen konnte; für den Schadensfall, in der Regel eingetreten durch Übergriffe Dritter, sah es den Ersatz des Vermögensschadens vor. Für die Ausübung des Geleits wurde meist durch die Geschützten Geleitgeld gezahlt, wobei sich dieses rasch zu einer wichtigen Einnahmequelle entwickelte. Das Geleitrecht war Regal600, das sich im 13. Jahrhundert zu einem fürstlichen Hoheitsrecht entwickelte601. Die Ausübung des Geleitrechts gilt der Forschung somit als Ausdruck hoheitlicher Gewalt, ja bisweilen als ein Instrument der Herrschaftsausübung, das teilweise in die Nähe des modernen Gewaltmonopols gerückt wird602. Betrachtet man das Geleit zu Heideck, so ergibt sich jedoch ein mehrdeutiges Bild. Mit der Vorstellung von einem Gewaltmonopol sind die Verhältnisse vor 1472 nicht recht zu vereinbaren. Auf lokaler Ebene wurde das Geleit von mehreren unterschiedlichen Akteuren organisiert und durchgeführt, die Zahlungen gingen an den Geleitsherrn, den Markgrafen von Brandenburg. In Heideck wurde somit kollektiv eine Governance-Leistung, hier die Bereitstellung von Sicherheit, erbracht603. Für diese Kooperation war die Überschneidung von Interessen bei den lokalen Akteuren entscheidend – es ging ihnen insbesondere um Effizienz und Zeitersparnis. Wie die Quellen nahelegen, wusste die markgräfliche Verwaltung in Ansbach von diesen lokalen Praktiken nicht, denn erst durch Befragung der lokalen Akteure wurden die Räte in Ansbach auf die lokalen Verhältnisse aufmerksam. Das Geleitnetzwerk war somit über eine gewisse Zeit hinweg stabil und erfüllte seinen Zweck, auch ohne die Einbindung übergeordneter Instanzen. Keineswegs handelt es sich bei diesem Geleitnetzwerk von Heideck um einen Einzelfall, sondern um ein in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wohl vielfach und in verschiedenen Spielarten vorkommendes Phänomen604. Solange das in: Stadtlexikon Nürnberg, hg. von Michael Diefenbacher / Rudolf Endres (Nürnberg ²2000), S. 329. Ferner Weig, ius conducendi, S. 31–74. Ulrich Müller, Das Geleit im Deutschordensland Preußen (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz. Beiheft 1, Köln / Weimar / Wien 1991), S. 1–29. Guido Schoenberger, Das Geleitswesen der Reichsstadt Frankfurt am Main im 14. und 15. Jahrhundert (Diss. phil. Freiburg i. Br. 1922). 599 Lingelbach, Geleit, Sp. 37. Johanek, Straße, S. 257. 600 Hans Thieme, Die Funktion der Regalien im Mittelalter, in: ZRG GA 62 (1942), S. 57– 88, hier S. 61–69. Willoweit, Entwicklung und Verwaltung der Landesherrschaft, S. 70 f. 601 Lingelbach, Geleit, Sp. 39. Klaus Brandstätter, Straßenhoheit und Straßenzwang im hohen und späten Mittelalter, in: Straßen- und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter, hg. von Rainer Christoph Schwinges (VuF 66, Ostfildern 2007), S. 201–228, hier S. 215. 602 Rothmann, Fehde und Geleit, S. 103. 603 Patzold, Human Security, S. 414. Zürn, Governance in einer sich wandelnden Welt, S. 554. 604 Christian Hesse, Der Einfluss der Herrschaft auf die Verkehrsinfrastruktur in Fürsten tümern des spätmittelalterlichen Reiches, in: Straßen- und Verkehrswesen im hohen und späten Mittelalter, hg. von Rainer Christoph Schwinges (VuF 66, Ostfildern 2007), S. 229–256, hier S. 237; ders., Amtsträger, S. 170 nennt Beispiele aus Sachsen um 1500, bei denen das Beigeleit von einem örtlichen Pfarrer oder einem Bürger ausgeführt wurde.
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Geleitgeld an den Geleitsherrn gelangte und die politischen Konstellationen günstig waren, wurde hier somit durch eingeschliffene lokale Praktiken wirksam Sicherheit hergestellt605. Nähme man nun das Gewaltmonopol zum Bewertungsmaßstab, so wäre ein Bild unvollkommener Herrschaft zu zeichnen; ähnliches ergäbe sich, wollte man gar – wie vielfach vertreten – generell von der Ausübung von Geleit auf die Existenz von Landesherrschaft und damit letztlich auf Staatlichkeit schließen. Als vielgestaltige Governance-Formen und politische Netzwerke lassen sich diese lokalen und regionalen Strukturen hingegen präziser abbilden und nachvollziehen. d) Konflikte um Geleit und Gerichtsrechte: Veränderung von Netzwerkkonstellationen und Ebenen politischen Handelns Sowohl die Betrachtung des Geleits zu Heideck als auch des Vorfalls von Möhren legen die Frage nach dem Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ebenen, der lokalen, der landesherrlichen und der Reichsebene, sowie nach den Auswirkungen der Veränderung von Netzwerkkonstellationen nahe. Während das Geleitnetzwerk bis 1472 stabil war und anscheinend störungsfrei funktionierte, änderte sich mit dem Tode Konrads von Heideck auch die Zu sammensetzung dieses Netzwerks. Nun geriet es in den Fokus Herzog L udwigs von Bayern-Landshut, der seine Verwaltung vor Ort anwies, die bestehenden Strukturen zu zerschlagen und das Geleit fortan selbst zu organisieren. In der Rückschau hatte Konrad von Heideck vor seinem Tod somit als Netzwerkakteur eine wichtige Rolle, dass die Governance-Leistung Geleit erbracht werden konnte. In diesem Fall wurde es mit der Veränderung der Personenkonstellationen erst möglich, das Geleit für andere politische Zwecke zu instrumentalisieren606. Damit wurde das Hoheitsrecht zu einem Argument, zu einem Streitgegenstand auf der Ebene der Landesherren, und lokale Interessenübereinstimmung wurde von übergeordneten divergierenden Interessen überlagert. Die Forschung nimmt vielfach einen Zusammenhang zwischen Auseinandersetzungen um das Geleitwesen und den Ausdehnungs- beziehungsweise „Territorialisierungsbemühungen“ von Fürsten an607. Es erscheint als gängiges Mittel, über
605 Göhler, Weiche Steuerung, S. 90, bezeichnet solche Strukturen als „Selbststeuerung“. Auch wenn sich diese Praktiken im Normalfall gleichsam selbstregulierten, stand hinter der Geleitausübung immer der Markgraf mit der Möglichkeit, durch hierarchische Steuerung einzugreifen. 606 Ähnlich auch Schneider, Niederadel, S. 474. 607 Johanek, Straße, S. 254. Reinhard Stauber, Herzog Georg der Reiche von Niederbayern und Schwaben. Voraussetzungen und Formen landesherrlicher Expansionspolitik an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit, in: ZBLG 49 (1986), S. 611–670, hier S. 641–651.
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die Beanspruchung der Geleitausübung auch einen Schritt in Richtung Aneignung der vollen Hoheitsgewalt sowie der Verdichtung der eigenen Herrschaft zu machen608. Anhand des Heidecker Beispiels wird deutlich, von welchen Bedingungen diese Vereinnahmung des Geleits für übergeordnete politische Ziele abhing – insbesondere von den Bedingungen politischer Netzwerke. Es sind diese Konfliktsituationen auf der Ebene der Fürsten, die die Forschung vielfach zur Entwicklung von Staatlichkeit insgesamt heranzieht. Angesichts der oben dargestellten lokalen Geleitnetzwerke und Governance-Formen erscheint dieser Schluss jedoch nicht immer zweifelsfrei möglich. Herzog Ludwig der Reiche setzte in Heideck seine Rechtsansprüche an der Herrschaft auch durch Vereinnahmung des Geleits durch, also aus Interessen, die von der eigentlichen Geleitausübung unabhängig waren. In der Praxis bewirkte der Konflikt über das Geleit also aus lokaler Sicht eher die Lockerung beziehungsweise Auflösung von Strukturen. Ähnlich gelagert ist auch der Überfall auf Möhren. Die Betrachtung politischer Netzwerke in diesem Zusammenhang zeigt, wie sehr die Frage des Vertrauens offensichtlich innerhalb landesherrlicher Netzwerke an Bedeutung gewinnt, je näher man an die Grenzen des Territoriums rückt. Hans von Seckendorff hatte trotz anderslautender Ratschläge des Markgrafen versucht, seine Gerichtsrechte zu erweitern und damit sich ihm bietende Spielräume zwischen dem Markgrafen und dem Herzog von Bayern-Landshut zu nutzen. Im Jahre 1472 scheinen die Einflussmöglichkeiten des Markgrafen auf ihn relativ begrenzt gewesen zu sein. Erst mit dem Überfall auf Möhren durch die bayerische Seite und den Versuchen, Sebastian von Seckendorff in die eigenen bayerischen Netzwerke zu integrieren, konnte auch die markgräfliche Seite erheblich offensiver für Hans von Seckendorff intervenieren; mehrere Mitglieder der Familie von Seckendorff, die wichtige Akteure in den regionalen Netzwerken des Markgrafen waren, nahmen auch hier eine bedeutende Rolle ein, um für ihren Verwandten einzugreifen und seinen Verbleib im Herrschaftsbereich Albrechts von Brandenburg zu bewirken. Albrecht versuchte durch die Intensivierung personaler Verflechtungen mit den beteiligten niederadligen Akteuren, Hans von Seckendorff dauerhaft in seine Netzwerke zu integrieren. Somit handelte es um eine Kombination aus einerseits hierarchischer Steuerung durch den Markgrafen, seine Räte und Amtleute und andererseits horizontaler Steuerung durch die Betonung verwandtschaftlich-familiärer Bande, der Integration in Ordensnetzwerke und durch Anordnungen, die in die Form des Ratschlages gekleidet wurden. Der Angriff auf Möhren durch die bayerische Seite verstärkte die Bemühungen des Markgrafen um Seckendorff, auf markgräflicher Seite wirkte er allerdings nicht hierarchisierend. Somit kann an den Beispielen von Heideck und Möhren auch eine vielfache gegenseitige Durchdringung der regionalen und lokalen Ebenen abgelesen werden. Bezeichnend ist außerdem der Befund, dass von den Akteuren nicht ausschließlich mit den Rechtsverhältnissen argumentiert wurde, denn sie handelten teilweise 608
Johanek, Straße, S. 254.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
im Bewusstsein, dass sie für ihre Forderungen keine rechtlichen Nachweise hatten. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die Frage nach den vor allem schriftlich fixierten Rechten im Zusammenhang mit den Vorfällen von Heideck und Möhren keine Rolle gespielt hätte, denn immer wieder wurden sie ausgelegt, wurde mit ihnen argumentiert, wurden schriftliche Belege gefordert oder vorgelegt. Allein den vermeintlich sicheren Quellen mit normativem Inhalt zu folgen, würde bedeuten, die politischen Netzwerke und die dadurch erst sichtbar werdenden individuellen Interessenlagen auszublenden. Landeshistorische Arbeiten zu diesem Thema schauen allerdings häufig aus dem Blickwinkel nur einer Streitpartei auf solche Konflikte; dies birgt die Gefahr, sich der Deutung der Zeitgenossen anzuschließen und den jeweils anderen als besonders „expansionistisch“ darzustellen; aus der Perspektive politischer Netzwerke aber erscheinen solche Wertungen eher relativiert. Schneider spricht für das Geleit zu Heideck ebenso wie für den Vorfall von Möhren deshalb neutral von „Testfälle[n] für die Abgrenzung zwischen dem Herzogtum Bayern und dem fränkischen Markgraftum“609. Zahlreiche Vergleichsbeispiele lassen sich für diese Jahre anführen, die in ihrem Ablauf und ihren Wirkungszusammenhängen ähnlich sind610. Die Sachbezogenheit der Konflikte zeigt sich besonders, wenn man das Verhältnis Albrechts von Brandenburg und Herzog Ludwigs des Reichen insgesamt betrachtet. In anderen, von diesen Konflikten unabhängigen Fragen, bei denen keine Interessenkollisionen vorlagen, kooperierten beide Fürsten miteinander611. Schließlich ist auch die Reichsebene einzubeziehen; dies betrifft vor allem die Rolle des Kaisers in den Netzwerken um Möhren und Heideck. Er diente als gedachte Instanz, die in der Diskussion immer wieder aufscheint; mit ihm wurde gedroht, er wurde instrumentalisiert und kaiserliche Dokumente dienten der Legitimation des eigenen Rechtsstandpunkts. In die regionalen und lokalen Netzwerke um Heideck und Möhren griff der Kaiser zwar im hier betrachteten Zeitraum nie direkt ein, als imaginärer Netzwerkpartner war er aber stets Teil dieser Netzwerke. Ohne eigenes Handeln, allein durch seine Existenz rief er bei Dritten politisches Handeln hervor. Aus der Sicht dieser politischen Netzwerke folgt daraus, dass die betroffenen Räume „königsnah“ und „königsfern“ zugleich waren612.
609
Schneider, Niederadel, S. 470. Hiervon zeugen nicht zuletzt die reichen Berichte, die ediert sind in: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1–3. Außerdem Stauber, Expansionspolitik, S. 641–651. 611 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 373, S. 391 f. 612 Zu Franken als „königsnahe“ beziehungsweise „königsferne“ Region vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1076. 610
III. Konflikte um das Geleit zu Heideck und der Überfall auf Möhren
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6. Ergebnisse Von 1471 bis 1473 befand sich Kurfürst Albrecht von Brandenburg etwa ein einhalb Jahre ununterbrochen in der Mark Brandenburg. An zwei Beispielen kleinerer regionaler Konflikte zwischen dem Kurfürsten und Herzog Ludwig dem Reichen um die Abgrenzung ihrer Einflusssphären – dem Streit um das Geleit zu Heideck und dem Überfall auf Hans von Seckendorff und Möhren – wurden hier das politische und Verwaltungshandeln während der Abwesenheit des Kurfürsten in Franken sowie die Strukturen des Regierens und der Verwaltung zwischen Brandenburg und Franken näher behandelt. Im Falle des Streits um das Geleit zu Heideck konnten politische Netzwerke von den Geleitsknechten vor Ort bis hinauf zu den betroffenen Fürsten, Albrecht von Brandenburg und Herzog Ludwig von Bayern-Landshut, rekonstruiert und ihre Mechanismen offengelegt werden. Eingeschliffene lokale Praktiken zur Ausübung von Hoheitsrechten, die mit der eigentlichen Rechtslage nicht übereinstimmen mussten, wurden durch die Aktivierung herrschaftlicher Rechte zerstört. Diese Praktiken, die auf Interessenübereinkunft der Akteure beruhten, wurden durch entgegengesetzte Interessen auf höherer Ebene überlagert. Die lokalen und regionalen Ebenen durchdrangen sich gegenseitig. Der Überfall auf Möhren war aus Sicht der markgräflichen Verwaltung ein Kommunikationsdesaster, da die Warnungen vor einem Überfall am Hof in Ansbach eingingen, als er bereits stattgefunden hatte. Mehrere Gesandtschaften wurden an den Hof Herzog Ludwigs des Reichen geschickt, die aber keine Veränderungen herbeiführten. Zeitweise vernahmen die markgräflichen Räte Rüstungsanstrengungen ihrer Nachbarn, die sie ihrem Herrn als bis zur Kriegsgefahr zugespitzt kommunizierten. Erst nachdem Albrecht von Brandenburg aus der Mark Brandenburg zurückgekehrt war, konnte auch zumindest teilweise eine Lösung der Streitpunkte erreicht werden, wobei sie sich nun in eine Kette weiterer vieler kleiner Konfliktfragen zwischen dem Brandenburger und dem Bayer einfügten. Bis dahin blieben ein markgräflicher Geleitknecht in bayerischer Haft und Möhren bayerisch besetzt. Aus der intensiven Kommunikation zwischen Kurfürst Albrecht und seinen Räten sowie mit den Amtleuten und anderen konnten Merkmale von Verwaltung bestimmt werden, wobei die Regierung aus der Ferne sich für den Kurfürsten in diesen Tagen weniger als „Sonderfall“ erwiesen hat. Verwaltung zeigt sich hier viel weniger einem bürokratischen Ideal als vielmehr der Praxis verpflichtet. Alternative, von der Verwaltung unabhängige Akteure wie Pfarrer oder Bauern erfüllten Informationsfunktionen anstatt oder neben den eigentlich dafür bestimmten Strukturen. Eine zentrale Rolle spielte in diesen Tagen außerdem Herzog Wilhelm von Sachsen für die Herrschaftsorganisation des Markgrafen. Er koordinierte sozusagen auf halber Strecke zwischen der Mark und Franken Informa-
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
tionen und beriet die fränkischen Räte; sein Engagement entwickelte sich de facto zu einer Regierung für den Markgrafen in Franken. Es zeigt sich, dass Verwaltung vielfach weitaus weniger hierarchisch funktionierte und kaum einem bürokratischen Ideal folgte; sie erscheint dagegen näher an der Praxis und beruhte insbesondere auf Information und Kommunikation. Räte und Amtleute hatten teilweise beachtliche eigene Spielräume, sie mussten gar Anweisungen den Umständen eigenmächtig anpassen. Allgemeine Handlungsanweisungen an die Räte wurden so situationsbedingt, sogar vom Kurfürsten selbst, gebrochen und verändert. Verwaltungshandeln konnte sich außerdem bisweilen bewusst im Verborgenen abspielen. Ein bisher ungedrucktes Geleitstraßenverzeichnis aus der Zeit um 1470 verdeutlicht, wie sehr Schriftlichkeit innerhalb der politischen Netzwerke vonnöten war und für die Organisation von Wissen in ihnen diente; als Indiz für Staatlichkeit muss es allerdings nicht zwangsläufig gelten, zumal mit zunehmender Beschleunigung der politischen Entwicklungen die Handelnden vielfach auf ihre eigene Erinnerung zurückgriffen. Die Auseinandersetzungen in Franken folgten zudem gewissen immer wiederkehrenden Regeln: insbesondere der Verknüpfung von Einzelfragen mit allgemeinen Streitpunkten, vor allem umfassenderer Rechte, der schrittweisen Ausweitung der Vorwürfe gegen ein und dieselbe Person sowie der Verknüpfung verschiedener Einzelkonflikte, die insbesondere in der Bewertung durch die Zeitgenossen miteinander in Beziehung gesetzt wurden. Der Kaiser war schließlich auch in den politischen Netzwerken von Heideck und Möhren als gedachte Instanz immer präsent, als Argument, das sich instrumen talisieren ließ, aber auch als möglicher Faktor, durch dessen Intervention Bündnisnetzwerke des Gegners in der Region aktiviert werden konnten. Indirekt hatte er als mitbedachter Akteur somit Einfluss auf die regionalen und lokalen Netzwerke zwischen Bayern und Franken, sodass man zugleich von „königsnahen“ und „königsfernen“ Räumen sprechen kann. Auf lange Sicht wurde Heideck in die herzoglich-bayerische Herrschaft integriert, Hans von Seckendorff hingegen insbesondere über eine stärker dienstliche Einbindung und die Integrierung in das Netzwerk des markgräflichen Schwanenordens stärker an die Hohenzollern gebunden.
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IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde 1. „Raubrittertum“ und Fehdewesen Das Spätmittelalter, insbesondere das ausgehende 15. und beginnende 16. Jahrhundert, gelten als „notorisch unruhige und friedlose“ Zeit613. Seit dem 19. Jahrhundert ist in der populären Vorstellung vom Mittelalter, aber auch in der älteren wissenschaftlichen Forschung das Bild vom „Raubrittertum“614 allgegenwärtig. Dies ist nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Fehdewesen in den Blick genommen worden. Bis heute beschäftigen die Forschung Fragen vor allem nach dem Charakter der Fehde, nach Fehdefähigkeit von Adeligen und Nicht-Adeligen, nach ihrer Legitimität, nach den rechtlichen Rahmenbedingungen und nach ihrer Abgrenzung von anderen Formen von Konfliktausübung und Gewaltanwendung615. 613 Kurt Andermann, Raubritter – Raubfürsten – Raubbürger? Zur Kritik eines untauglichen Begriffs, in: „Raubritter“ oder „Rechtschaffende vom Adel“? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter, hg. von dems. (Oberrheinische Studien 14, Sigmaringen 1997), S. 9–29, hier S. 14. Vgl. auch die weiteren Beiträge dieses Sammelbandes. Ferner ders., Art. „Raubritter“, in: Lex.MA 7 (1995), Sp. 474 f. 614 Vgl. zur Problematik des Begriffs „Raubritter“ ablehnend Andermann, Raubritter – Raubfürsten – Raubbürger, S. 9–29. Ders., Raubritter (Lex.MA), Sp. 474 f. Joseph Morsel, Das sy sich mitt der besstenn gewarsamig schicken, das sy durch die widerwertigenn Franckenn nitt nidergeworffen werdenn. Überlegungen zum sozialen Sinn der Fehdepraxis am Beispiel des spätmittelalterlichen Franken, in: Strukturen der Gesellschaft im Mittelalter. Interdisziplinäre Mediävistik in Würzburg, hg. von Dieter Rödel / Joachim Schneider (Wiesbaden 1996), S. 140–167, hier S. 146 f.; Hillay Zmora, State and nobility in early modern Germany. The knightly feud in Franconia, 1440–1567 (Cambridge studies in early modern history, Cambridge 1997), S. 10 f., 85. Regina Görner, Raubritter. Untersuchungen zur Lage des spätmittelalterlichen Niederadels, besonders im südlichen Westfalen (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 22 = Geschichtliche Arbeiten zur Westfälischen Landesforschung 18, Münster 1987), S. 1–6, 279–281. Werner Rösener, Zur Problematik des spätmittelalterlichen Raubrittertums, in: FS Berent Schwineköper, hg. von Hans Martin Maurer / Hans Patze (Sigmaringen 1982), S. 469–488, hier S. 488, plädiert für das Festhalten am Begriff „Raubritter“. Andreas Widmer, „daz ein bub die eidgnossen angreif“. Eine Unter suchung zu Fehdewesen und Raubrittertum am Beispiel der Gruber-Fehde (1390–1430) (Geist und Werk der Zeiten. Arbeiten aus dem Historischen Seminar der Universität Zürich 85, Bern u. a. 1995), S. 17–28, 124 und öfter. 615 Vgl. zum gesamten Themenkomplex den Forschungsüberblick bei Christine Reinle, Bauernfehden. Studien zur Fehdeführung Nichtadliger im spätmittelalterlichen römisch-deutschen Reich, besonders in den bayerischen Herzogtümern (VSWG. Beiheft 170, Stuttgart 2003), S. 11–61. Unter ihren zahlreichen Veröffentlichungen seien in diesem Zusammenhang hervorgehoben dies., Gefährliches Umland. Räuberisches Volk und adlige Räuber vor Passaus Toren (1517), in: Stadt und Land. Bilder, Inszenierungen und Visionen in Geschichte und Gegenwart. FS Wolfgang Hippel, hg. von Sylvia Schraut / Bernhard Stier (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen 147, Stuttgart 2001), S. 33–53. Dies., Fehden im Spannungsfeld von Landesherrschaft, Adel und bäuerlicher Bevölkerung, in: Tradition und Erinnerung in Adelsherrschaft und bäuerlicher Gesellschaft, hg. von Werner Rösener (Formen der Erinnerung 17, Göttingen 2003), S. 173–194. Dies., Fehdeführung und Fehdebekämpfung am Ende des Mittelalters, in: Der Altenburger Prinzenraub 1455. Strukturen und Mentalitäten eines spätmittelalterlichen
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Lange wurden insbesondere Konflikte zwischen hochadligen Parteien als „legitime staatliche“ Gewaltanwendung, ja als Krieg, bezeichnet, niederadlige Konflikte dagegen kriminalisiert und als „unrecht“ oder „privat“ dargestellt. Für Otto Brunner616 dagegen war die Fehde Instrument legitimer Selbsthilfe unter bestimmten Voraussetzungen und in festgelegten Bahnen. So wurde die Fehde zu einem verfassungshistorischen und letztlich politikgeschichtlichen Phänomen, denn „erst von der Fehde her kann überhaupt der innere Zusammenhang von Politik und Staat, von Macht und Recht im Mittelalter begriffen werden“617. Mit der Vorstellung vom „institutionellen Flächenstaat“ war die legitime Gewaltausübung vermeintlich „privater“ Akteure gleichwohl nicht zu vereinbaren618. So konnte die Existenz der Fehde als sicheres Argument für die Rückschrittlichkeit, für die Unterentwickeltheit „moderner“ Staatlichkeit auf dem Gebiet des Reichs gelten, anders als in den Nachbarländern, die angeblich schon seit dem 12. beziehungsweise 13. Jahrhundert kein Fehderecht mehr gekannt hätten619. In jüngerer Zeit wurde diese Perspektive geradezu umgekehrt; so analysierte Hillay Zmora620
Konflikts, hg. von Joachim Emig (Saxonia 9, Beucha 2007), S. 83–124. Jüngst dies., Innovation oder Transformation? Die Veränderung des Fehdewesens im Spätmittelalter, in: Aufbruch im Mittelalter – Innovationen in Gesellschaften der Vormoderne. Studien zu Ehren von Rainer Christoph Schwinges, hg. von Christian Hesse / Klaus Oschema (Ostfildern 2010), S. 197–230. Insgesamt ist die Literatur zur Fehdeforschung ausufernd. Zur Gewaltforschung in der Mediävistik vgl. Manuel Braun / Cornelia Herberichs, Gewalt im Mittelalter: Über legungen zu ihrer Erforschung, in: Gewalt im Mittelalter. Realitäten – Imaginationen, hg. von dens. (München 2005), S. 7–37. Internationaler Blickwinkel: Jeppe Büchert Netterstrøm, The Study of Feud in Medieval and Early Modern History, in: Feud in Medieval and Early Modern Europe, hg. von dems./Bjørn Poulsen (Aarhus 2007), S. 9–67, zur deutschen Forschungs geschichte S. 20–28. 616 Brunner, Land und Herrschaft (1965), S. 1–100. Dazu Heinrich Mitteis, Land und Herrschaft. Bemerkungen zu dem gleichnamigen Buch Otto Brunners, in: HZ 163 (1941), S. 255– 281, 471–489. Veränderter Neudruck in: Herrschaft und Staat im Mittelalter, hg. von Hellmut Kämpf (WdF 2, Darmstadt 1956, ND 1972), S. 20–65. Vgl. ferner Michael Borgolte, Otto Brunner. Land und Herrschaft, in: Hauptwerke der Geschichtsschreibung, hg. von Volker Reinhardt (Stuttgart 1997), S. 68–71. Umfassende Kritik an Brunners Thesen, nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit seiner Einstellung dem nationalsozialistischen Regime gegenüber, übte Gadi Algazi, Herrengewalt und Gewalt der Herren im späten Mittelalter. Herrschaft, Gegenseitigkeit und Sprachgebrauch (Historische Studien 17, Frankfurt a. M. 1996). Weitgehender Einspruch dagegen von Reinle, Bauernfehden, S. 11–15, 20 f. und mehrfach. Jüngst auch dies., Art. „Fehde“, in: HRG 1 (²2008), Sp. 1515–1525, hier Sp. 1522. Ein ausgewogenes Urteil zur Bedeutung von Brunners Werk insgesamt bei: Schneider, Niederadel, S. 5–7. Vgl. schließlich Hans-Henning Kortüm, „Wissenschaft im Doppelpaß“?: Carl Schmitt, Otto Brunner und die Konstruktion der Fehde, in: HZ 282 (2006), S. 585–617. Sehr erhellende und abwägende Ausführungen zu Brunners Thesen vgl. Rothmann, Fehde und Geleit, S. 91–101. 617 Brunner, Land und Herrschaft (1965), S. 108. 618 Vgl. Reinle, Fehde (HRG), Sp. 1521 f. 619 Vgl. ebd., Sp. 1522. 620 Zmora, State and nobility, S. 60, 92–96. Ebenfalls auf Franken bezogen, jedoch ganz in den Bahnen von Otto Brunners Modellbildung bewegt sich: Thomas Vogel, Fehderecht und
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am Beispiel Frankens die Bedeutung der Fehde für die Entstehung frühmoderner Staatlichkeit. Aufbauend auf Moraws Modernisierungs- und Verdichtungsthese ist die Fehde für Zmora Ausdruck eines Wettstreits zwischen Adligen um Herrschaftsrechte, Fürstennähe und Unterstützung. Dies habe zu einer sozialen Stratifikation innerhalb des Adels beigetragen, wobei das Spannungsfeld von frühmoderner Staatswerdung und sozialer Schichtung die Fehde bedingt habe. Andere jüngere Forschungen sprechen der Fehde wieder eine stärker sozialhistorische Bedeutung zu621. Der älteren Forschung musste insbesondere das Königtum als schwach gelten, denn nicht zuletzt seine Inhaber unternahmen unzählige Anstrengungen, mit Hilfe von Landfrieden wenigstens übermäßiger Gewaltanwendung Herr zu werden622. Dabei waren die Könige und Kaiser gleichwohl stets auf die Bereitschaft der Landesherren angewiesen, die Landfriedensnormen in der Praxis konsequent umzusetzen. So erließ auch Kaiser Friedrich III. im Jahre 1467 einen „Reichslandfrieden“, der ein absolutes Verbot von rauberei, vehde, unfride [und] kriege für die kommenden fünf Jahre zum Inhalt hatte und dessen Bruch als MajestätsFehdepraxis im Spätmittelalter am Beispiel der Reichsstadt Nürnberg (1404–1438) (Freiburger Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte 11, Frankfurt a. M. 1998). 621 Vgl. etwa Morsel, Fehdepraxis. Gadi Algazi, The Social Use of Private War. Some Late Medieval Views Reviewed, in: Zur Sozial- und Begriffsgeschichte des Mittelalters, hg. von Shulamit Volkov u. a. (Europa bauen, Gerlingen 1993), S. 253–273. 622 Vgl. zu den Landfrieden jüngst Horst Carl, Landfrieden als Konzept und Realität kollektiver Sicherheit im Heiligen Römischen Reich, in: Frieden schaffen und sich verteidigen im Spätmittelalter, hg. von Gisela Naegle (PHS 98, München 2012), S. 121–138, hier S. 122–124. Außerdem: Elmar Wadle, Gottesfrieden und Landfrieden als Gegenstand der Forschung nach 1950, in: Funktion und Form. Quellen- und Methodenprobleme der mittelalterlichen Rechtsgeschichte, hg. von Karl Kroeschell / Albrecht Cordes (Schriften zur Europäischen Rechtsund Verfassungsgeschichte 18, Berlin 1996), S. 63–91, mit der älteren Literatur. H[ans]-J[ürgen] Becker, Art. „Landfrieden. I. Deutschland“, in: Lex.MA 5 (1991), Sp. 1657 f. Klassisch Joachim Gernhuber, Staat und Landfrieden im deutschen Reich des Mittelalters, in: Recueils de la Société Jean Bodin pour l’Histoire Comparative des Institutions 15 (1961), S. 27–77. Ekkehard Kaufmann, Art. „Landfrieden I (Landfriedensgesetzgebung)“, in: HRG 2 (1978), Sp. 1451–1465, hier insbesondere Sp. 1460–1465. Heinz Holzhauer, Art. „Landfrieden II (Landfrieden und Landfriedensbruch)“, in: ebd., Sp. 1465–1485. Zu den Landfriedensbemühungen Kaiser Friedrichs III. vgl. Ingeborg Most, Der Reichslandfriede vom 20. August 1467. Zur Geschichte des Crimen laesae maiestatis und der Reichsreform unter Kaiser Friedrich III., in: Syntagma Friburgense. Historische Studien, Hermann Aubin dargebracht zum 70. Geburtstag (Lindau / Konstanz 1956), S. 191–233. Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts aus regional bayerisch-fränkischer Perspektive vgl. Gerhard Pfeiffer, Einführung, in: Quellen zur Geschichte der fränkisch-bayerischen Landfriedensorganisation im Spätmittelalter, bearb. von dems. (Schriftenreihe zur bayerischen Landesgeschichte 69 = Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. II. Reihe: Geschichte des Fränkischen Kreises 2, München 1975), S. 6–21. Zu Franken auch Klaus Rupprecht, Vom Landfriedensbündnis zur Adelseinung. Genossenschaftliche Organisationsformen im spätmittelalterlichen Franken, in: Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und Geschichte, hg. von Johannes Merz / Robert Schuh (Hefte zur bayerischen Landesgeschichte 3, München 2004), S. 101–119.
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verbrechen geahndet werden sollte623. Im Rahmen des Regensburger Christentages wurde dann im Jahre 1471 ein neuer Landfrieden erlassen, der nur mit Acht und Aberacht beziehungsweise Bann bewehrt war, dessen Bruch aber nicht als Majestätsverbrechen geahndet wurde624. Wohl nicht erst mit diesem Landfrieden stellte sich auch für Markgraf Albrecht von Brandenburg die Frage nach adliger und nichtadliger Gewalt in seinen Territorien. Bereits Seyboth625 beschäftigte sich mit dem Problem „territorialer Friedenswahrung“ am Beispiel der Markgrafen von Ansbach-Kulmbach, wobei ihm die „Haltung der Landesherren gegenüber dem fehdeführenden Adel“ besonders wichtig erschien. Er unterstrich, wie vergleichsweise effektiv Albrecht Achilles den fränkischen Adel nicht zuletzt über Turniere und Orden an sich band, seine „Zufriedenheit“ förderte und so gewaltmindernd wirken konnte626. Daneben habe Albrecht Achilles „mit Hilfe strikter Maßnahmen die öffentliche Sicherheit in seinem märkischen wie in seinem fränkischen Herrschaftsbereich zu gewährleisten“ versucht627. Insbesondere den Amtleuten und sonstigen Beamten seiner Verwaltung habe er befohlen, Gewalt unnachgiebig zu begegnen, Räuber und Friedbrecher direkt zu bestrafen, am besten sofort aufzuhängen, sowie „Raubschlösser“ zu schleifen628. Daneben habe der Markgraf auch institutionelle Veränderungen vorgenommen, um die Straßensicherheit zu gewährleisten629. Im Jahre 1472 habe er eine 20-köpfige Straßenpatrouille zusammengestellt, die den Verkehr in den Markgraftümern schützen sollte, ebenso eine nicht näher bekannte ordnung erlassen, dadurch die bubery, so sich teglichs in disen landen mit roub, mord, nom und ubergriff erougen, gestraft werden und dester mer vermytten beliben630. Diese Bemühungen wirken modern, sie erscheinen als systematischer Versuch, ein fürstliches Gewaltmonopol durchzusetzen; so kommt auch Seyboth zu dem Ergebnis, „daß die Regierungszeit Markgraf Albrechts dank eines differenzierten und 623 Vgl. zu den Bestimmungen: Most, Reichslandfriede, S. 191–193. Die entsprechenden Regelungen in älteren normativen Texten, insbesondere der Goldenen Bulle, wurden in diesem Zusammenhang außer Kraft gesetzt. In der Frankfurter „Reformation von 1442“ war das Fehderecht entgegen älterer Regelungen als subsidiäres Rechtsmittel prinzipiell wieder zugelassen worden. 624 RTA. Ältere Reihe 22/2, hg. Wolff, Nr. 127,a/b, S. 867–877. 625 Reinhard Seyboth, „Raubritter“ und Landesherren. Zum Problem territorialer Friedenswahrung im späten Mittelalter am Beispiel der Markgrafen von Ansbach-Kulmbach, in: „Raubritter“ oder „Rechtschaffende vom Adel“? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter, hg. von Kurt Andermann (Oberrheinische Studien 14, Sigmaringen 1997), S. 115–132. 626 Ebd., S. 116–118. 627 Ebd., S. 119 f. 628 Ebd., S. 120. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 41, S. 81 f., hier S. 82. 629 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 306, S. 334 f. 630 Ebd., Nr. 271, S. 308 f., hier S. 308. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 31, S. 65–69. In dieser Zeit entstanden auch andere Ordnungen, vgl. nicht zuletzt eine Schafordnung aus dem Jahre 1473 StA Bamberg, GHAP Nr. 4356, fol. 237r (Gemeinbuch Albrechts Achilles).
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von ihm virtuos gehandhabten Instrumentariums friedenswahrender Maßnahmen durch ausgeprägte innerstaatliche Ruhe und Ordnung gekennzeichnet“ sei631. Auf das Geleitwesen als wichtige Maßnahme zur Friedenssicherung ist oben – gleichwohl unter einer modifizierten Perspektive – schon eingegangen worden. Im Folgenden geht es weniger um das Geleit, als vielmehr um den Umgang mit dem „Raubritter“ Wilhelm Zaunrüde, der in den 1460er und 1470er Jahren unter anderem auf markgräflichem Territorium sein Unwesen trieb632. So ist unter der Perspektive politischer Netzwerke und von Governance nach den Wirkungszusammenhängen von „Raubrittertum“, „Fehde“, Landfriedenssicherung und Politik zu fragen. 2. Wilhelm Zaunrüde auf Guteneck und ein Überfall auf Kaufleute 1472 Wilhelm Zaunrüde (Zaunrud, Zaunried, Zaunrieder) auf Guteneck entstammte einem niederbayerischen Rittergeschlecht und war einige Zeit Diener Herzog Albrechts von Bayern-München gewesen633. Insbesondere in den 1470er Jahren ver 631
Seyboth, Raubritter, S. 120. Dabei soll es im Folgenden weniger um Spezialfragen der Fehdeforschung gehen, ob beispielsweise jede Handlung des Zaunrüde oder anderer Beteiligter Teil einer Fehde waren oder nicht, vgl. Reinle, Gefährliches Umland, S. 52 f. 633 Die Geschichte der Zaunrüde zu Guteneck liegt weitgehend im Dunkeln, vgl. die spärlichen Hinweise in einer Quelle des 16. Jahrhunderts: Wiguleus Hund, Bayrisch StammenBuch. Der erst Theil: Von den Abgestorbnen Fürsten. Pfaltz-, March-, Landt- und Burggrauen, Grauen, Landt und Freyherrn, auch andern alten adelichen Thurnier-Geschlechten deß loeblichen Fürstenthumbs in Bayrn (Ingolstadt 1598), S. 374 f., zu Wilhelm Zaunrüde S. 375. Der Autor dieser Zusammenstellung, Wiguleus Hund (1514–1588), war ein bayerischer Rechtsgelehrter und Geschichtsschreiber, Kanzler und Rektor der Universität Ingolstadt sowie einer der wichtigsten politischen Berater von Herzog Albrecht V. von Bayern (1528–1579); vgl. zu ihm Johann A. Ritter von Eisenhart, Art. „Wiguleus Hund von Lauterbach zu Sulzenmos, Lenting und Steinach“, in: ADB 13 (1881), S. 392–399. Leonhard Lenk, Hundt zu Lautterbach, Wiguleus, in: NDB 10 (1974), S. 64–66. Rainer A. Müller, Wiguleus Hundt zu Sulzemoos und Lauterbach (1514–1588). Die Autobiographie des Politikers und Geschichtsschreibers, in: Amperland 39 (2003), S. 166–170. Wilhelm Liebhart, Wiguleus Hundt zu Sulzemoos und Lauterbach, in: Lebensbilder aus zehn Jahrhunderten, hg. von Ursula Katharina Nauderer (Dachau 1999), S. 65–69. Zu den Zaunrüde außerdem: Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 649. Die bayerischen Landstände 1313–1807, zusammengest. und eingel. von Heinz Lieberich (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte 7, München 1988), S. 133. Joseph Bauer, Die Herren auf Schloß Guteneck in Niederbayern, in: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 47 (1911), S. 109–206, hier insbesondere S. 151–160, zu Wilhelm Zaunrüde S. 154 f. Demnach ist es möglich, dass die Zaunrüde schon um 1120 Guteneck besessen, es aber rasch wieder verloren hatten. Im Jahre 1446 kaufte Wilhelm Zaunrüdes Vater, Hans, Schloss Guteneck, die Hofmark Dummeldorf und weitere Güter. Nach seinem Tode wurde Guteneck unter den Söhnen gleichmäßig verteilt. Zwischen 1468 und 1471 verkaufte Wilhelm Zaunrüde unter anderem seinen Anteil an Guteneck an seinen jüngsten Bruder Wolfgang. In der „statistischen Übersicht“ zu den Jahren 1448–1505 im Herzogtum Bayern-Landshut in Geschichte von Bayern aus archivalischen und andern handschriftlichen Quellen bearb. 632
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übte er wiederholt gewaltsame Übergriffe in Franken und Bayern, nicht zuletzt in den Herrschaftsbereichen Albrechts von Brandenburg, Albrechts von BayernMünchen und Pfalzgraf Ottos von Pfalz-Mosbach. Gleichzeitig griff er auch wiederholt Nürnberger Bürger auf Reichsstraßen an und beraubte sie. Aus diesem Grunde geriet er mehrfach in Acht und Aberacht634. Die Nürnberger betrieben im Jahre 1476 dann seine Hinrichtung, nachdem er zu Pfetting gefangen genommen worden war. Im Mai 1472 – Kurfürst Albrecht von Brandenburg befand sich auf seinem bereits oben näher analysierten eineinhalbjährigen Aufenthalt in der Mark Brandenburg635 – meldete der markgräfliche Kastner zu Thann636, Georg Haußner, an die kurfürstlichen Statthalter in Ansbach einen Überfall des Wilhelm Zaunrüde bei Ochenbruck und Schwarzenbruck – zwischen Thann und Feucht – auf Kaufleute aus Nürnberg, Regensburg und Österreich637. Während er die Nürnberger und Regensburger Kaufleute unbeschadet hatte ziehen lassen, nahm er die restlichen fünf gefangen und ließ sie erst nach Zahlung größerer Summen wieder frei. Die kurfürstlich-brandenburgischen Statthalter wandten sich nach diesem Vorfall sogleich an Pfalzgraf Otto II. von Pfalz-Mosbach und Herzog Albrecht von BayernMünchen und baten um Verfolgung des Zaunrüde, der ihr Diener sei638. Herzog von Andreas Buchner, Buch 6: Bayern getheilt in mehrere Herzogthümer vom Tode des Kaisers Ludwig IV. 1347 bis zur Wiedervereinigung derselben und Einführung des Rechtes der Erstgeburt 1506, Zweyte Abteilung enthält die Geschichte v.J. 1447–1506 (München 1840), S. 326, findet sich Wilhelm Zaunrüdes jüngster Bruder Wolfgang im Landgericht Pfarrkirchen und Reichenberg. Auch auf zwei überlieferten Landtafeln Herzog Georgs, die wohl zwischen 1486 und 1492 entstanden, wird wahrscheinlich derselbe Wolfgang als in Pfarrkirchen und Reichenberg begütert genannt, vgl. Baierische Landtags-Handlungen in den Jahren 1429 bis 1513, hg. von Franz Kenner, Bd. 12: Nieder- und Oberländische Landtage im vereinigten Landshut-Ingolstädter Landantheile. Von dem Regierungsantritte des Herzogs Georg 1479 anfangend, bis zum Jahre 1496 einschlüssig (München 1804), S. 437; zur Datierung der Quellen vgl. ebd., S. 425–427. Wilhelms jüngerer Bruder ist im Jahre 1476 als Pfleger zu Spitz belegt, vgl. Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 649. Vgl. ferner Pfarrkirchen. Die Pfleggerichte Reichenberg und Julbach und die Herrschaft Ering-Frauenstein, bearb. von Ilse Louis (HAB, Teil Altbayern, Heft 31, München 1973), S. 222. Während der kriegerischen Auseinandersetzungen in den Reichskriegen zu Beginn der 1460er Jahre erscheint ein Wilhelm Zainrud als Befehlshaber der Hilfstruppen Erzherzog Albrechts VI. Dieser könnte mit Wilhelm Zaunrüde identisch sein, vgl. Andreas Buchner, Krieg des Herzogs Ludwig des Reichen mit Markgraf Albrecht Achilles von Brandenburg, vom Jahr 1458–1462. Eine historische Abhandlung (Abhandlungen der historischen Classe der königlich bayerischen Akademie der Wissenschaften III/2, München 1842), S. 80. 634 Jahrbücher des 15. Jahrhunderts, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 4 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 10, Leipzig 1872), S. 47–386, hier S. 346. 635 Siehe zum Aufenthalt des Markgrafen in der Mark näher oben S. 312 ff. 636 Die heutige Gemeinde Burgthann, etwa 10 Kilometer südöstlich von Feucht. 637 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 364, S. 386 f.; Nr. 366, S. 388. 638 Ebd., Nr. 366, S. 388; Nr. 367, S. 389. Am 31. Mai meldeten die brandenburgischen Räte in Ansbach den Überfall durch Zaunrüde an ihren Herrn, Kurfürst Albrecht, vgl. ebd., Nr. 374, S. 392.
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Albrecht von Bayern-München hatte Zaunrüde jedoch schon aus seiner Dienereigenschaft entlassen und ihn seines Landes verwiesen639. Auch Pfalzgraf Otto antwortete umgehend den markgräflichen Räten640. Er missbillige die Taten Zaunrüdes und habe ihm deshalb einen Brief geschrieben mit der Aufforderung, umgehend die Gefangenen freizulassen – dieses Schreiben sollte allerdings nicht direkt an Zaunrüde gehen, sondern von den markgräflichen Räten an ihn weitergeleitet werden641. Dieses Vorgehen des Pfalzgrafen führte bei den markgräflichen Räten zu Unverständnis642. Sie schickten das Schreiben wieder an Otto von Pfalz-Mosbach zurück, mit dem Hinweis, denn wo im [d. h. Zaunrüde] auch euer gnaden briefe durch einen andern, dann euer gnaden selbs boten geantwort, würde er den ernst euer gnaden bei den sachen nit so geforchtet achten, als sunst gescheen mocht643. Die Räte des Kurfürsten gingen also davon aus, dass das Schreiben größere Wirkung entfalten konnte, wenn es von einem Boten des Pfalzgrafen selbst überbracht würde. Deshalb schickten sie das Schreiben an Pfalzgraf Otto zurück und baten, ernsthafter gegen Zaunrüde vorzugehen. Dieser rechtfertigte sich umgehend, er habe gedacht, die markgräflichen Räte könnten das Schreiben rascher zustellen, weil sie Zaunrüdes Aufenthaltsort schneller ermitteln könnten; es sei ihm dagegen nicht darum gegangen, den Botenlohn zu sparen644. Soweit zu sehen, wurde das Schreiben auch in der Folgezeit nicht an Zaunrüde übergeben. Die Ansbacher Räte baten außerdem Herzog Ludwig von Bayern-Landshut um Hilfe zur Entschädigung der durch Zaunrüde Beraubten645. Dieser antwortete umgehend, Zaunrüde sei nicht mehr sein Landsasse; auf Befehl des Kaisers habe er vielmehr bei seinen Amtleuten seine Verhaftung befohlen646. Die ansbachischen Räte aktivierten somit zum einen ein Netz von Landesherren, die mit Wilhelm Zaunrüde in landesherrlicher Beziehung standen; zum anderen wollten sie so benachbarte Fürsten zu konsequenter Verfolgung des Friedbrechers drängen. Durch ihre Reaktion, Zaunrüde stünde mit ihnen nicht mehr in Beziehung, versuchten diese jedoch jegliche Verantwortung für sein Handeln auszuschließen. Erst spät, im Juni 1472, stellte sich heraus, dass bei dem Überfall im Mai nicht nur die oben genannten Personenkreise betroffen waren, sondern auch Gefolgsleute Johanns II. von Rosenberg, namentlich Micheln von Sobießlaw, Hannsen, Jorgen und Albrechten von Crumbnawe647. Der böhmische Adlige Johann von Rosenberg hatte zunächst den böhmischen König Georg Podiebrad unterstützt, sich 639
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 367, S. 389. Ebd., Nr. 371, S. 390. 641 Ebd. 642 Ebd., Nr. 376, S. 393: Schreiben vom 31. Mai 1472. 643 Ebd. 644 Ebd., Nr. 376, S. 393: Schreiben vom 9. Juni 1472. 645 Ebd., Nr. 375, S. 393. 646 Ebd., Nr. 382, S. 395. 647 Ebd., Nr. 389, S. 401. 640
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aber noch vor dessen Tode im Jahre 1468 Matthias Corvinus angeschlossen648 . Nach dem Überfall auf seine Gefolgsleute versuchte er nun, für das geraubte Gut beim Geleitsherrn, Kurfürst Albrecht von Brandenburg, Schadensersatz zu erhalten, so wie es im Geleitsrecht üblich war649. Den Räten in Ansbach war der Vorfall offensichtlich unangenehm; stärker aber mussten sie befürchten, dass der Überfall auf Gefolgsleute eines engen Vertrauten von Matthias Corvinus weitere Kreise ziehen könnte, wodurch Albrechts von Brandenburg Rolle als wichtiger Akteur in den Netzwerken um die immer noch ungeklärte Böhmenfrage auf dem Spiel stand und somit mittelbar auch kaiserliche Interessen betroffen sein konnten650; in jenen Tagen war der Abschluss eines Bündnisses zwischen Matthias Corvinus und dem brandenburgischen Kurfürsten aktuell651. Umgehend antworteten die Ansbacher deshalb mit einem Entschuldigungsschreiben an den von Rosenberg mit einer Schilderung der Vorkommnisse652 . Aber auch die bayerischen Herzöge hatten kein Interesse, sich mit Untertanen von Matthias Corvinus näher auseinandersetzen zu müssen, denn auch sie waren nicht unwesentliche Akteure in den komplexen und sich rasch ändernden Netzwerken um die ungarisch-böhmischen Fragen653. Im Jahre 1469 hatte es ein Bündnis zwischen Matthias Corvinus und den Herzögen Ludwig und Albrecht von Bayern gegeben; der böhmische König war außerdem der wichtigste Lehnsherr des niederbayerischen Herzogs nach dem Kaiser. Im Jahre 1474 vermählte jedoch Ludwig der Reiche seinen Sohn Georg mit der Tochter des polnischen Königs, also des Konkurrenten des ungarischen Königs im böhmischen Thronstreit654. Hieran wird die ambivalente Haltung der bayerischen Herzöge in die östlichen Netzwerke
648 Norbert Heermann’s Rosenberg’sche Chronik, hg. von Matthäus Klimesch (Prag 1897), S. 149. Die Chronik wurde im 17. Jahrhundert von Norbert Heermann, Propst des Stiftes Třeboň, verfasst. Heermann orientierte sich offenbar an der heute verlorenen „Rosenbergschen Chronik“ des in Diensten der Familie Rosenberg stehenden Wenzel Březan aus der Zeit um 1600, vgl. ebd., S. 3–15. Zur Familie Rosenberg siehe näher unten S. 373. Teilweise kann der Inhalt der verlorenen Chronik jedoch durch andere Werke von Wenzel Březan erschlossen werden. So ist von ihm eine Chronik überliefert, die Wenzel Březan selbst als „gekürzte Fassung der Rosenbergischen Chronik“ überschrieb, vgl. Rožmberské kroniky. Krátký a summovní výtah od Václava Brezana, hg. von Anna Kubíková (České Budějovice 2005), zur Chronik und ihrem Verfasser S. 282, zu Johann von Rosenberg S. 41–49, 134–149, 289–291. Zur politischen Situation vgl. auch Jörg K. Hoensch, Matthias Corvinus. Diplomat, Feldherr und Mäzen (Graz u. a. 1998), S. 97–137. 649 Zum spätmittelalterlichen Geleitwesen siehe oben D. III. 5. c). 650 Vgl. Stauber, Reichspolitik, S. 59–62. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1111–1121. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 107–110. Thomas, Deutsche Geschichte, S. 470–473. 651 GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E I 19: Mehrere Schreiben zu einer Einung von Albrecht Achilles mit Matthias Corvinus, vor allem Nr. 3, 1472 Juni 16: Albrecht von Brandenburg an seine Räte. 652 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 389, S. 401. 653 Stauber, Reichspolitik, S. 80–86. 654 Ebd., S. 61 f., 66–80, 83.
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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hinein deutlich – ein Konflikt mit Untertanen der einen Seite konnte hier größere Rückwirkungen haben und dies galt es zu vermeiden655 . Zaunrüde war anscheinend in der Zwischenzeit in den Herrschaftsbereich Pfalzgraf Ottos von Pfalz-Mosbach gewichen und hatte sich diesem anvertraut. Otto ging aber nur halbherzig gegen Zaunrüde vor – wie es die markgräflichen Räte schon im Mai vermutet hatten, als sie mit dem Pfalzgrafen darum rangen, wer Zaunrüde ein Schreiben zu seiner Ermahnung überbringen sollte. Eine erste Vorladung auf einen Tag zu Neumarkt lehnte Zaunrüde so auch mit Hinweis auf seine zahlreichen Fehden ab656. Sowohl die brandenburgischen Räte als auch Johann von Rosenberg drängten dann Pfalzgraf Otto mehrfach, konsequenter gegen Zaunrüde vorzugehen657. Nachdem Pfalzgraf Otto von Pfalz-Mosbach eine erste Entschädigungszusage mit Zaunrüde verhandelt hatte, die sowohl die brandenburgische Seite als auch der von Rosenberg selbst für zu gering erachteten, wurde ein zweiter Tag auf den 1. September nach Neumarkt einberufen – auch mit der Aussicht, Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Wilhelm Zaunrüde gütlich miteinander zu vertragen658. Der Tag Anfang September scheiterte, da Zaunrüde nicht bereit war, höhere Entschädigungszahlungen zu leisten659. Auf brandenburgischer Seite stellte sich immer mehr der Verdacht ein, dass es Pfalzgraf Otto von Pfalz-Mosbach mit seinen Vermittlungsbemühungen nicht ernst meinte; die markgräflichen Räte machten ihn für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich660. Zwischenzeitlich erklärte Pfalzgraf Otto gar ge 655 Zum „Desinteresse“ und der „Schaukelpolitik“ zahlreicher Reichsfürsten vgl. Stauber, Reichspolitik, S. 82. 656 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 407, S. 413, Anm. 5 (S. 414). 657 Ebd. 658 Ebd., Nr. 407, S. 413; Nr. 434, S. 429 f.; Nr. 468, S. 446. Bei den ersten Verhandlungen zwischen Wilhelm Zaunrüde und Pfalzgraf Otto von Pfalz-Mosbach Mitte Juli waren anscheinend der Amtmann von Schwabach, Sebastian von Seckendorff, sowie Hans von Talheim in Neumarkt anwesend. An den Verhandlungen Anfang September nahmen wohl von brandenburgischer Seite Sebastian von Seckendorff und Jakob Protzer teil, vgl. ebd., Nr. 407, S. 413, Anm. 5 (S. 414); Nr. 467, S. 445. Von Seiten Pfalzgraf Ottos von Pfalz-Mosbach waren anwesend sein Hofmeister Hans von Wolffstein und Veit von Schaumberg, vgl. ebd., Nr. 468, S. 446. Anscheinend kamen auch die Beraubten selbst zu dem Tag nach Neumarkt, vgl. ebd. 659 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 468, S. 446; Nr. 469, S. 447. 660 Die Herrschaft Pfalzgraf Ottos II. von Pfalz-Mosbach ist bisher nur wenig untersucht, vgl. [o. V.], Art. „Otto II., Pfalzgraf von Mosbach“, in: Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, Bd. 2 (München 2005), S. 1449 f. Meinrad Schaab, Geschichte der Kurpfalz, Bd. 1: Mittelalter (Stuttgart / Berlin / Köln / Mainz 1988), S. 156–160. Wilhelm Volkert, Die politische Entwicklung der Pfalz, der Oberpfalz und des Fürstentums Pfalz-Neuburg bis zum 18. Jahrhundert, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 3/3: Geschichte der Oberpfalz und des bayerischen Reichskreises bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. von Andreas Kraus (München ³1995), S. 1–141, hier S. 115–117. Günther Wüst, Pfalz-Mosbach (1410–1499). Geschichte einer pfälzischen Seitenlinie des 15. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Territorialpolitik (Diss. phil. Heidelberg 1976), S. 16–23, 202–242. Auch Christine Reinle, „Id tempus solum“. Der Lebensentwurf Herzog Johanns von Mosbach-Neumarkt
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
genüber den brandenburgischen Räten, er könne ihre Nachrichten dem Zaunrüde nicht übermitteln, da er dessen Aufenthaltsort nicht kenne661. Die Motive Pfalzgraf Ottos von Pfalz-Mosbach sind nur schwer nachzuvollziehen. Es werden aber sowohl seine äußerst angespannte Finanzlage als auch seine Einbindung in übergeordnete Netzwerke gewesen sein, die sein Handeln beziehungsweise Nichthandeln bestimmten. So war er in den 60er Jahren unter den Einfluss des böhmischen Königs geraten, der im Norden der Oberpfalz konsequent und erfolgreich seine Lehnshoheit durchgesetzt hatte662. Nach dem Tode Georg Podiebrads lagen diese Rechte dann in der Schwebe zwischen den Parteien im böhmischen Thronstreit, zwischen Wladislaw und Matthias Corvinus663. So wird der auch in anderen Situationen durchaus vermittelnd-defensiv auftretende Otto von Pfalz-Mosbach hier ein Interesse gehabt haben, nicht zu handeln664 . Ende September trat wieder Johann von Rosenberg auf den Plan und forderte nun endlich eine Entschädigung. Für die brandenburgischen Räte ging es bei dieser Angelegenheit um weit mehr als nur um die Entschädigung der Beraubten. Auf die Bedeutung Johanns von Rosenberg ist bereits eingegangen worden. Mindestens genauso wichtig erschien ihnen das Ansehen des kurfürstlichen Geleits, wie mehrere Schreiben an ihren Herrn und an den brandenburgischen Rat Peter Knorr vom Anfang September 1472 nahelegen665. Rat und Anweisung erhielten die Räte in Ansbach Ende September durch Kurfürst Albrecht von Brandenburg selbst, der unmissverständlich eine Entschädigung der Beraubten durch sich selbst ablehnte666. In diesen schweren Zeiten geleite er nur fur vns, die vnnsern vnd alle die, der wir vngeuerlich mechtig sind. Ist der zawnrud nicht der vnnser Vnd sind nicht mechtig vnd sind pflichtig fleis zuthun als In vnnser eigen sach, das wollen wir gern thun667. Er glaube nicht, dass Rosenberg eine kriegerische Auseinander(† 1486) im Spannungsfeld von dynastischem Denken, kirchlicher Karriere und gelehrten Interessen, in: Der Pfälzer Löwe in Bayern. Zur Geschichte der Oberpfalz in der kurpfälzischen Epoche, hg. von Hans-Jürgen Becker (Schriftenreihe der Universität Regensburg 24, Regensburg 1997), S. 157–199, hier S. 160–162. Karl Heinz Debus, Art. „Pfalz-Mosbach“, in: Lexikon der Deutschen Geschichte. Ereignisse, Institutionen, Personen. Von den Anfängen bis zur Kapitulation 1945, hg. von Gerhard Taddey (Darmstadt ³1998), S. 971. 661 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 468, S. 446. 662 Wüst, Pfalz-Mosbach, S. 204–207. 663 Stauber, Reichspolitik, S. 82 f. 664 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 892, in Bezug auf den Konflikt mit Pfalzgraf Friedrich dem Siegreichen. Stauber, Reichspolitik, S. 80–86, zu den insgesamt doch ambivalenten Strategien der bayerischen Herzöge im böhmischen Thronstreit. 665 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 469, S. 447. Auch an anderen Stellen finden sich Hinweise, dass die kurfürstlichen Räte auf eine möglichst positive Außenwirkung ihres Herrn bedacht waren; so erklärten sie Anfang September 1472, also nur wenige Tage vor dem hier zitierten Schreiben, es sei ihnen peinlich, für Kurfürst Albrecht bei Dritten Geld zu leihen, vgl. ebd., Nr. 467, S. 445 f., hier S. 446. Vergleichsfälle zur Bedeutung vom Ansehen des Geleits sowie vom Ausfall von Geleitgeldern bei Johanek, Straße, S. 257–259. 666 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 479, S. 451. 667 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 118, S. 204–210, hier S. 206, zu Zaunrüde insgesamt S. 206–208.
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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setzung mit ihm wünsche, sondern er zöge die brandenburgische Seite hinzu, um für die Seinen bei anderen ihr Recht zu erhalten. Dass bei der Bewertung des weiteren Vorgehens das Geleit als solches sowie die Haltung in dem vorliegenden Fall von grundsätzlicheren Faktoren abhingen, verdeutlichen die Ausführungen des Kurfürsten. Zum einen ist das finanzielle Argument zu nennen. Der Kurfürst befürchtete, dass er bei einer solchen Entschädigung mehr verlieren als er in zehn Jahren durch Geleitgelder einnehmen könne – Ist vnser meynung nicht vmb den danck, den wir von den von Nuremberg oder anndern spurn, das sie reich wurden vnd Wir verdarben668. Zum anderen und mindestens genauso bedeutsam ging es um Ruf und Ansehen des kurfürstlichen Geleits, wie es auch schon bei der Bewertung durch die kurfürstlich-brandenburgischen Räte angeklungen war. Hierzu führte der Kurfürst ein Beispiel aus seiner Vergangenheit an. Einst habe er gegen den Pfalzgrafen und die Schenken von Limburg Nürnberger geleitet, wobei er 1000 Gulden verloren habe. Auf seine Beschwerde hin do lachten sie seyn Vnd meynten, Wir hetten dauon ein furstlich gut gericht, das Ir kauffleut von vns sageten In fremden Landen, Wir wolten Irs lebens gern geraten, das sie doch mit warheit vnd pillich teten, das wir Irer verlogen nachrede auch entladen bliben669. Fehlender Dank, verleumderische Nachrede, Herabsetzung und Spott wurden vom Kurfürsten somit als Reaktionen in seine politische Bewertung einbezogen. Sie stehen hier neben handfesten materiellen Interessen, nämlich dem Verlust von Einnahmen durch den Geleitzoll. Durch Spott und Verlachen wurde die Ehre des Kurfürsten angegriffen; dazu muss es eine Öffentlichkeit gegeben haben, hier eine politische Öffentlichkeit, in der sich die Ehrzurücksetzung vollzog. In Bezug auf Pfalzgraf Otto von Pfalz-Mosbach äußerte der Kurfürst in demselben Schreiben, sein Handeln sei weder ihrer Freundschaft noch den bestehenden Verträgen angemessen670 . Ende Oktober stellte sich einer der Helfer des Zaunrüde, Eberhart / Erhart Auer, dem Pfalzgrafen Otto von Pfalz-Mosbach, der sogleich bei Kurfürst Albrecht von Brandenburg um Ausgleichsverhandlungen bat. Auer war bereit, all seine Beute herauszugeben; er habe auch ohne Wissen und Willen gegen den Kurfürsten gehandelt671. Zu einer Verhandlung ist es wohl nie gekommen, denn die Vorladungen wurden immer wieder verschoben und im Laufe der Zeit scheint Kurfürst Albrecht von Brandenburg noch weitere Klagepunkte gegen Auer gesammelt zu haben. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang auch noch Folgendes. Ebenfalls ein Eberhart Auer – wahrscheinlich mit dem ersten identisch – erscheint gewisse Zeit später, im Februar 1473, auch in einem anderen Kontext, nämlich bei einem Überfall auf Wagen des Markgrafen von Baden672. An diesem Übergriff in der Nähe 668
Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 118, S. 204–210, hier S. 207. Ebd., Nr. 118, S. 204–210, hier S. 206. 670 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 479, S. 451. 671 Ebd., Nr. 493, S. 459. 672 Ebd., Nr. 538, S. 490. 669
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von Augsburg, der von Berchtold von Westerstetten und diesem Eberhart Auer angeführt wurde, waren auch Hofleute vom Neumarkter Hof des Pfalzgrafen Otto von Pfalz-Mosbach beteiligt. Hiermit wird der Verdacht konkreter, dass bei solchen personellen Überschneidungen Otto an einer konsequenten Verfolgung der Raubenden nicht besonders interessiert war. Im Dezember 1472 erklärte Kurfürst Albrecht seinen Räten, die rosenbergsche beziehungsweise zaunrüdsche Angelegenheit habe Zeit; im Übrigen möge man sich nochmals an Pfalzgraf Otto wenden673. Nun waren auch bei Kurfürst Albrecht von Brandenburg andere politische Fragen stärker in den Blick geraten, sodass die Entschädigung der Gefolgsleute des Rosenberg nicht mehr von höchster Priorität war. Ende Dezember 1472 schaltete sich Matthias Corvinus persönlich ein; er beschwerte sich mit einem Schreiben bei Albrecht von Brandenburg, verwandte sich für die Entschädigung der Geschädigten und drohte mit Repressalien674. Die von Rosenberg hatten sich zuvor an Matthias Corvinus gewandt. Die brandenburgischen Räte leiteten das Schreiben an den Kurfürsten weiter; spätere Korrespondenz in dieser Sache zwischen Matthias und Albrecht ist nicht überliefert. Verschiedene Netzwerke griffen somit bei der Causa Zaunrüde ineinander. Während der brandenburgische Kurfürst von Geleits- und anderen politischen Interessen motiviert versuchte, möglichst konsequent Wilhelm Zaunrüde zu verfolgen, so gelang es ihm nicht, weil seine Verfügungsgewalt spätestens an den Grenzen seiner Territorien endete. Die benachbarten Fürsten, die von Zaunrüde betroffen waren, hatten zumindest in diesem Falle durch ihre Netzwerkeinbindungen kein Interesse, den Täter konsequent zu verfolgen. Auf allen Seiten spielte daneben auch das finanzielle Argument eine wichtige Rolle, nämlich nicht für den entstandenen Schaden aufkommen zu müssen. Aus diesen komplexen Interessennetzen resultierte, dass von Seiten der Fürsten ein konsequentes Vorgehen gegen Zaunrüde, selbst wenn sie es wollten, nicht möglich war. In einer Mischung aus politischen und finanziellen Gründen wurde dann um die Verpflichtung der Entschädigung gerungen, wobei die Entschädigung durch den Geleitsherrn mit der durch den Fürsten, dem der Schädigende zuzuordnen war, konkurrierte. 3. Der Überfall auf Heinrich Langenmantel 1472 Anscheinend trieb Zaunrüde zur selben Zeit auch andernorts sein Unwesen. Wie im 16. Jahrhundert Wiguleus Hund675 berichtet, einer Augsburger Chronik entnommen zu haben, hatte Zaunrüde zusammen mit Jakob von Argon den Augs-
673
Ebd., Nr. 508, S. 469 f., hier S. 469. Ebd., Nr. 520, S. 476 f., hier S. 476. 675 Hund, Stammen-Buch, S. 375. Zu Hund siehe oben S. 353 f., Anm. 633. 674
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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burger Bürger Heinrich Langenmantel676 bei seiner Rückkehr von einer Kirchfahrt nach Salzburg bei Ziedellbach, wohl das heutige Unterzeitlbach nahe Altomünster677, überfallen; man habe ihn auf Schloss Deitz gebracht, wahrscheinlich ist Teunz östlich von Pfreimd in der Oberpfalz gemeint678. In der Ergänzung und Fortsetzung der Augsburger Chronik von Hektor Mülich durch den wohl 1514/1515 verstorbenen Augsburger Georg Diemer wird der Vorfall auch erwähnt679. Hier ist ausführlicher zu erfahren, dass der Vorfall um den 14. Dezember 1472 geschehen sei und dass nicht nur Langenmantel gefangen genommen, sondern auch ein Stadtknecht, der den Langenmantel begleitete, erstochen worden sei. Es ist somit anzunehmen, dass Diemers Fortsetzung der Mülichschen Chronik Vorlage für den Bericht bei Hund war. Will man diesen Vorfall verstehen, so ist eine Generation in der Augsburger Stadtgeschichte zurückzublicken, in die 1440er und 1450er Jahre680. Peter 676 Jedenfalls wird er in: Namensregister zu Wiguleus Hundt: Bayrisch Stammenbuch 1 .–3. Bd.: zugleich Namensregister für Heinz Lieberich: Übersichten über die … landsässigen Geschlechter, 1943–45 und: Die bayerischen Landstände 1313/40–1807, 1990, S. 31– 198, bearb. von Paul Maucher (Neustadt a.d.A. 2000), S. 125, als solcher identifiziert. Die Langenmantel waren ein alt eingesessenes Augsburger Patriziergeschlecht, vgl. Peter Geffcken, Art. „Langenmantel I (Longum Pallium, ‚vom Sparren‘, ‚von Rohrbach‘, ‚von Radau‘), Patrizierfamilie“, in: Augsburger Stadtlexikon. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Recht, Wirtschaft, hg. von Günther Grünsteudel / Günter Hägele / Rudolf Frankenberger (Augsburg ²1998), S. 598 f. Ders., Art. „Langenmantel II (Longum pallium, ‚vom RR‘, ‚von Wertingen‘, ‚von Westheim‘), Patrizierfamilie“, in: ebd., S. 599 f.; siehe ferner unten S. 365 f., Anm. 705. 677 Unterzeitlbach liegt etwa 30 km östlich von Augsburg. 678 Chronik des Hector Mülich 1348–1487. Mit Zusätzen von Demer, Walther und Rem, bearb. von Friedrich Roth, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg, Bd. 3 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 22, Leipzig 1892), S. IX–442, hier S. 355, Anm. 3. 679 Chronik des Hector Mülich, S. 354 f. Die Passage ist in zwei Handschriften überliefert, in Diemers Originalhandschrift (D) sowie in einer auf sie zurückzuführende Handschrift (d), die anscheinend im Auftrag von Mathis Manlich im Jahre 1527 entstand, vgl. ebd., S. XLV. Zu Mülich vgl. ebd., S. XXV, zu seinem Tode S. XXVIIf. Zu Hektor Mülich insgesamt auch Dieter Weber, Geschichtsschreibung in Augsburg. Hektor Mülich und die reichsstädtische Chronistik des Spätmittelalters (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 30, Augsburg 1984), S. 43, 47–58. Klaus Graf, Art. „Mülich, Hektor“, in: NDB 18 (1997), S. 303. Zur augsburgischen Chronistik des 15. Jahrhunderts Jörg Rogge, Vom Schweigen der Chronisten. Überlegungen zu Darstellung und Interpretation von Ratspolitik sowie Verfassungswandel in den Chroniken von Hektor Mülich, Ulrich Schwarz und Burkhard Zink, in: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. von Johannes Janota / Werner WilliamsKrapp (Studia Augustana 7, Tübingen 1995), S. 216–239, hier insbesondere S. 216–219. Zu Georg Diemer vgl. Roth, Einleitung zu: Chronik des Hector Mülich, S. XXXII f. Zu Verbrechen in der süddeutschen Städtechronistik Peter Schuster, Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Nürnberger und Augsburger Chronistik, in: Recht und Verhalten in vormodernen Gesellschaften. FS Neithard Bulst, hg. von Andrea Bendlage / Andreas Priever / Peter Schuster (Bielefeld 2008), S. 51–65. 680 Zu Augsburg um 1450 vgl. Jörg Rogge, Für den Gemeinen Nutzen. Politisches Handeln und Politikverständnis von Rat und Bürgerschaft in Augsburg im Spätmittelalter (Studia Augustana 6, Tübingen 1996). Martin Kaufhold, Prügeleien am Stadtpyr: Ein zerrissener
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Egen war einer der mächtigsten Persönlichkeiten der Augsburger Geschichte im 15. Jahrhundert681; der reichste Bürger der Stadt prägte die Politik des Rates in den 30er und 40er Jahren entscheidend mit und fungierte in den verschiedensten Ämtern, nicht zuletzt als Bürgermeister und Baumeister. Die Könige Sigismund (1431) und Friedrich IV., der spätere Kaiser Friedrich III., (1442) logierten bei ihren Aufenthalten in Augsburg in Egens Haus am Weinmarkt, das dieser von dem Maler Jörg – es handelte sich wohl um Jörg Ammann – mit Wandmalereien hatte ausmalen lassen. In diesem Zusammenhang entstand auch eine kleine Chronik über das „Herkommen der stat zu Augspurg“ des Geistlichen Küchlin682, in der er die Geschichte der Familie Egen mit den Ursprüngen der Stadt verflocht. Peter Egen war es, dem König Friedrich im Jahre 1442, als er auf seiner Reise zur Krönung nach Aachen war, sein Wappen verbesserte und ihn sich fortan „von Argon“ nennen ließ683. Vor dem Hintergrund seiner herausragenden Stellung innerhalb der Mantel und die politischen Kämpfe der Reichsstadt (um 1450), in: Augsburg im Mittelalter, hg. von dems. (Augsburg 2009), S. 52–71, mit weiterer Literatur. Allgemeiner auch: Wolfgang Zorn, Augsburg. Geschichte einer deutschen Stadt (Augsburg 21972), S. 131–151. Karl Schnith, Die Reichsstadt Augsburg im Spätmittelalter (1368–1493), in: Geschichte der Stadt Augsburg. 2000 Jahre von der Römerzeit bis zur Gegenwart, hg. von Gunther Gottlieb u. a. (Stuttgart ²1985), S. 153–165. Claudia Kalesse, Bürger in Augsburg. Studien über Bürgerrecht, Neubürger und Bürgen anhand des Augsburger Bürgerbruchs I (1288–1497) (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 37, Augsburg 2001). Rolf Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche in Augsburg im Spätmittelalter. Ein Beitrag zur Strukturanalyse der oberdeutschen Reichsstadt (Abhandlungen zur Geschichte der Stadt Augsburg 19, Augsburg 1971). Joachim Jahn, Die Augsburger Sozialstruktur im 15. Jahrhundert, in: Geschichte der Stadt Augsburg. 2000 Jahre von der Römerzeit bis zur Gegenwart, hg. von Gunther Gottlieb u. a. (Stuttgart ²1985), S. 187–193, insbesondere S. 190 f. 681 Vgl. zu Peter Egen: Birgit Studt, Erinnerung und Identität. Die Repräsentation städtischer Eliten in spätmittelalterlichen Haus- und Familienbüchern, in: Haus- und Familienbücher in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von ders. (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 69, Köln u. a. 2007), S. 1–31, hier S. 18 f.; Peter Johanek, Geschichtsschreibung und Geschichtsüberlieferung in Augsburg am Ausgang des Mittelalters, in: Literarisches Leben in Augsburg während des 15. Jahrhunderts, hg. von Johannes Janota / Werner Williams-Krapp (Studia Augustana 7, Tübingen 1995), S. 160– 182, hier S. 166 f. Peter Geffcken, Art. „Egen (von Argon), Kaufmanns-, Adelsfamilie“, in: Augsburger Stadtlexikon. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Recht, Wirtschaft, hg. von Günther Grünsteudel / Günter Hägele / Rudolf Frankenberger (Augsburg ²1998), S. 371 f. Vor allem aber Hartmut Boockmann, Spätmittelalterliche deutsche Stadt-Tyrannen, in: BDLG NF 119 (1983), S. 73–91, insbesondere S. 75–86. Ders., Fürsten, Bürger, Edelleute. Lebensbilder aus dem späten Mittelalter (München 1994), S. 57–80. Peter Geffcken, Soziale Schichtung in Augsburg 1396 bis 1521. Beitrag zu einer Strukturanalyse Augsburgs im Spätmittelalter (Diss. phil. München 1983 masch.), S. 91 Tabelle XII (1448)/1. Maximilian Gloor, Politisches Handeln im spätmittelalterlichen Augsburg, Basel und Straßburg (Heidelberger Veröffentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde 15, Heideberg 2010), S. 93–96. 682 Vgl. hierzu Weber, Geschichtsschreibung, S. 34–37. 683 Chronik des Burkhard Zink. 1368–1468, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg, Bd. 2 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 5, Leipzig 1866), S. 198. In diesem Zusammenhang gab es wohl auch Güterverleihungen, vgl. Regesta, Chmel, 1, Nr. 497, S. 59 (1442 April 23, Augsburg): „Friedrich verleiht Peter Egen von Argun 2 Höfe, 6 Sölden zu Märdingen und eine Fischenz zu Täferdingen, Burgauischer Lehenschaft.“
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Bürgergemeinde rechnete Boockmann Peter von Argon dem Typus des „Stadt tyrannen“ zu, der gegenüber der übrigen Bürgergemeinde eine herausgehobene Sonderstellung erlangen konnte. Zweimal, in den Jahren 1445 und 1450, kündigte von Argon jedoch sein Bürgerrecht auf684. Von diesen Vorgängen, wie auch von von Argons Leben insgesamt, berichtet sehr ausführlich der zeitgenössische Augsburger Chronist Burkhard Zink685. Während im Jahre 1445 von Argon unter Gewährung eines besonderen Bürgerrechts und finanzielle Erleichterungen zur Rückkehr in die Stadt bewogen werden konnte, waren die Ereignisse des Jahres 1450 spektakulärer686. In diesem Jahr war Peter von Argon gemeinsam mit Heinrich Langenmantel Bürgermeister687. Zu dieser Zeit hatte sich ein Vertreter der Familie Langenmantel heimlich mit einer Pflegetochter des Peter von Argon verlobt688. Von Argon nahm dies nicht hin und verheiratete kurzerhand seine Pflegetochter nach Ulm. Als die Langenmantel nun auf die Rechtsgültigkeit der Verbindung pochten, eskalierte der Streit, der in gegenseitigen Beschimpfungen gipfelte689. Diese Brüskierung einer der ältesten und vornehmsten Augsburger Familien durch eine zwar reichere, aber jüngere und weniger vornehme – und dann auch noch mit einer Pflegetochter dieser Familie – kam einer „Kriegsansage“ gleich690. Im weiteren Verlauf dieses Konfliktes verließ Peter von Argon erneut die Stadt. Vermittlungsversuche durch die Rittergesellschaft St. Georgenschild, dessen Mitglied Peter von Argon geworden war, scheiterten691. So strengte Peter von Argon vor dem burggräflichen Landgericht des Markgrafen Albrecht von Brandenburg einen Prozess um den Ersatz des durch seine Abwesenheit entstandenen finanziellen Schadens sowie zur Aufhebung des Verbots, die Stadt betreten zu dürfen, gegen die Augsburger an; der 684
Chronik des Burkhard Zink, S. 198 f., 201 f. Ebd., S. 196–207; außerdem Beilage VI, S. 395–420. Neben dem zeitlich am nächsten berichtenden und persönlich involvierten Zink berichten auch Hektor Mülich, Chronik des Hector Mülich, S. 145 f., sowie der Anonymus, Anonyme Chronik. Von 991–1483, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg, Bd. 3 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 22, Leipzig 1892), S. 445–529, hier S. 500 f. Zu Burkhard Zink und seiner Chronik vgl. Weber, Geschichtsschreibung, S. 37–39. Außerdem Karl Schnith, Die Augsburger Chronik des Burkhard Zink. Eine Untersuchung zur reichsstädtischen Geschichtsschreibung des 15. Jahrhunderts (Diss. phil. München 1958), insbesondere S. 6–76, zur Chronik S. 76–82. Zuletzt ausführlicher ders., Art. „Zink, Burkhard“, in: Verf.-Lex. 10 (²1999), Sp. 1556–1558. 686 Zu den Geschehnissen des Jahres 1445 Chronik des Burkhard Zink, S. 201–203; ebenso und ausführlicher Beilage VI, S. 403–405. Zu den Auswirkungen für die Stadt: Rogge, Für den gemeinen Nutzen, S. 295. 687 Chronik des Burkhard Zink, Beilage VI, S. 405. 688 Zum Folgenden auch Gerhard Fouquet, „Freundschaft“ und „Feindschaft“: Stadtadlige Verwandtschaftsfamilien in deutschen Städten des Spätmittelalters, in: Die Familie in der Gesellschaft des Mittelalters, hg. von Karl-Heinz Spieß (VuF 71, Ostfildern 2009), S. 107–135, hier S. 132 f. 689 Chronik des Burkhard Zink, S. 200 f.; Beilage VI, S. 405 f. 690 Boockmann, Stadt-Tyrannen, S. 83. 691 Chronik des Burkhard Zink, S. 203 f.; Beilage VI, S. 407 f. 685
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Streit kam schließlich gar vor Kaiser Friedrichs III. Hofgericht, als von Argon in Wien starb692. Die Familien Langenmantel und von Argon / Egen hatten schon früher getrennte Wege beschritten693. Seit der „Zunftrevolution“ von 1368, an deren Ende die Einführung der Parität bei der Besetzung der Bürgermeisterstellen – ein Bürgermeister sollte fortan aus dem Kreise der alten Familien, einer aus den Reihen der Zünfte stammen – eingeführt wurde, standen sich die von Argon, die in das Lager der Zünfte übergetreten waren, und die Langenmantel gegenüber694. Nach von Argons Tod im Jahre 1452 wurde die gerichtliche Auseinander setzung zwischen der Stadt und seiner Witwe sowie seinen Söhnen fortgesetzt695. Dort traten insbesondere Anton und Sigmund von Argon hervor696. Während es für die Familie hauptsächlich um Vermögens- und Finanzfragen ging, war es für die Stadt Augsburg eine Grundsatzfrage, nämlich ob das burggräfliche Landgericht wirklich zuständig sei und wenn ja, ob man sich überhaupt diesem unterwerfen wolle, weil man dann Gefahr lief, sich diesem zum Untertanen zu machen697. Erst im Jahre 1459 wurde eine gütliche Einigung zwischen den Parteien durch Vermittlung von Albrecht Achill erzielt698. Jakob von Argon, der 1472 an dem Überfall auf Heinrich Langenmantel beteiligt war, war neben Anton und Sigmund der jüngste Sohn jenes Peters von Argon699. Auch seine Söhne hatten das Bürgerrecht aufgegeben, Jakob und Sigmund sich Herzog Ludwig dem Reichen angeschlossen. Anton von Argon kehrte aber nach einiger Zeit wieder nach Augsburg zurück. Nach von Stetten drang Sigmund im Jahre 1471 dann nach Augsburg ein und bedrohte seinen Bruder Anton mit roher Gewalt, bis er gefangen genommen wurde; nach Intervention Herzog Ludwigs 692
Chronik des Burkhard Zink, S. 203–206. Vgl. Johanek, Geschichtsschreibung, S. 167. Peter von Argon wurde in sein aigen capell, der von seinem Vater gestifteten St. Antonskapelle, zu Augsburg begraben. Zu den prozessualen Handlungen vor seinem Tode vgl. Chronik des Burkhard Zink, Beilage VI, S. 410–415. RI Friedrich III., 10, Nr. 533, S. 297: Heinrich von Pappenheim erhält am 9. Juni 1455 einen Auftrag in Sachen Augsburg gegen die von Argon. 693 Vgl. Boockmann, Stadt-Tyrannen, S. 75. 694 Jörg Rogge, Ir freye wale zu haben. Möglichkeiten, Probleme und Grenzen der politischen Partizipation in Augsburg zur Zeit der Zunftverfassung (1368–1548), in: Stadtregiment und Bürgerfreiheit. Handlungsspielräume in deutschen und italienischen Städten des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Klaus Schreiner / Ulrich Meier (Bürgertum. Beiträge zur europäischen Gesellschaftsgeschichte 7, Göttingen 1994), S. 244–277. 695 Chronik des Burkhard Zink, Beilage VI, S. 417. 696 Ebd. Die gerichtlichen Auseinandersetzungen um die Affäre Peter von Argon sind ein Desiderat der Forschung und müssten im Zusammenhang mit der Geschichte des Landgerichts des Burggraftums Nürnberg untersucht werden. 697 Chronik des Burkhard Zink, Beilage VI, S. 415 f. 698 Chronik des Burkhard Zink, Beilage VI, S. 419. Dabei handelte es sich nicht um einen endgültigen Ausgleich, denn die Ansprüche der von Argon sollten stucksweise vor Gerichten vorgebracht werden. 699 Paul von Stetten, Geschichte der adelichen Geschlechter in der freyen Reichs-Stadt Augsburg (Augsburg 1762), S. 59.
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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von Bayern-Landshut und anderer Herren, ja sogar des Kaisers, wurde er wieder freigelassen700. In der Folgezeit war Sigmund von Argon in mehrere vor dem Kaiser verhandelte Prozesse verwickelt701 – unter anderem lag Sigmund von Argon mit Ulrich Arzt aus Augsburg im Streit702. Jakob von Argon findet sich im Jahre 1466 neben Hans von Reinach und Burkhart von Knörringen als Adressat eines kaiserlichen Achturteils, das Reichsmar schall Heinrich von Pappenheim vollziehen sollte703. Die drei hatten den Augsburger Ulrich Arzt auf offener Straße angegriffen704. Blickt man nun wieder auf den Überfall des Jahres 1472, bei dem Jakob von Argon an der Seite von Wilhelm Zaunrüde Heinrich Langenmantel überfiel, so ergibt sich ein erheblich differenzierteres Bild. Bei diesem Heinrich Langenmantel nämlich wird es sich um jenen Sohn des älteren Heinrich Langenmantel, Peter von Argons Ratskollegen, handeln, der mit der Pflegetochter des von Argon verheiratet werden sollte, es dann aber nicht wurde705. Bei dem Überfall stand sich also die nachfolgende Genera 700 Ebd. RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 989, S. 142, 1471 September 8: Demnach gebot Kaiser Friedrich III. Bürgermeister und Rat der Stadt Augsburg, Sigmund von Argon aus dem Arrest zu entlassen. Am 14. September 1471 sandte der Kaiser noch ein Schreiben direkt an Sigmund von Argon, dessen Inhalt leider unbekannt ist, RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 1080, S. 155. 701 RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 2201, S. 330 (1471 September 26): Johann Glockengießer aus Nürnberg verlangt die Zahlung von Lohn. Ebd., Nr. 1355, S. 197 (1471 Dezember 27): Kaiser Friedrich III. schreibt der Stadt Augsburg, Sigmund von Argon nach Augsburg kommen zu lassen. Ebd., Nr. 1356, S. 197 (ebenfalls 1471 Dezember 27): Kaiser Friedrich III. wendet sich in der Causa Sigmund von Argon an Ulrich Arzt aus Augsburg. Ebd., Nr. 1610, S. 236 (1472 März 13): Kaiser Friedrich III. erläutert verschiedene kaiserliche Schreiben in der Streitsache Ulrich Arzt gegen Sigmund von Argon. Ebd., Nr. 2295, S. 346 (1472 November 12): Ladung des Sigmund von Stein auf Appellationsklage des Sigmund von Argon. Ebd., Nr. 2311, S. 349 (1472 November 23): Prozessverbot an das Hofgericht zu Rottweil im Fall Sigmund von Argon gegen Sigmund von Stein. Ebd., Nr. 2545, S. 380 (1473 Februar 7): Auf Klage Graf Ulrichs von Montfort-Tettnang Ladung des Sigmund von Argon in die Acht. Vgl. zu diesen Verfahren auch Hinrich Milbradt, Die Parteien in ihren Prozessen vor König und königlichem Kammergericht in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts (Diss. jur., Mainz 1979 masch.), S. 73 f. 702 RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 1356, S. 197 (1471 Dezember 27): Kaiser Friedrich III. wendet sich in der Causa Sigmund von Argon an Ulrich Arzt aus Augsburg. Ebd., Nr. 1610, S. 236 (1472 März 13): Kaiser Friedrich III. erläutert verschiedene kaiserliche Schreiben in der Streitsache Ulrich Arzt gegen Sigmund von Argon. Vgl. auch Milbradt, Parteien, S. 74. 703 RI Friedrich III.-Online, Nr. 23344, 1466 August 13; vgl. Milbradt, Parteien, S. 59. Ulrich Knolle, Studien zum Ursprung und zur Geschichte des Reichsfiskalats im 15. Jahrhundert (Diss. jur. Freiburg i. Br. 1964), S. 129 f. 704 Friedrich Blendinger, Ulrich Artzt (um 1460–1527), in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 6 (1958), S. 88–131, hier S. 92 f. Knolle, Studien, S. 129 f. 705 Heinrich Langenmantel, der Sohn Heinrichs II. Langenmantel, entstammte der jüngeren Linie der Langenmantel vom RR bzw. von Wertheim, von Westheim, deren Wappen den Anfangsbuchstaben des Leitnamens Rüdiger zeigt, vgl. Geffcken, Langenmantel II, S. 599 f. In der Diemerschen Fortsetzung der Chronik des Hektor Mülich wird Heinrich Langenmantel, wohl in Abgrenzung zu seinem Vater Heinrich, als der jung bezeichnet, vgl. Chronik des
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
tion der prominenten Augsburger Streitparteien der 50er Jahre gegenüber. Somit steht hinter dem Überfall des Jahres 1472, der zunächst nur über die namentliche Nennung der Beteiligten in den Chroniken verdächtig wirkt, ein schon viel länger wirkender, erheblich grundsätzlicherer Konflikt. Wilhelm Zaunrüde ging hier eine gefährliche Allianz mit einem anderen von Augspurg feind ein706. Bei dem Überfall spielten somit personale Verflechtungen, vergangene und aktuelle Netzwerkkonstellationen eine wesentliche Rolle. Das Opfer war nicht zufällig überfallen worden und man wird davon ausgehen dürfen, dass es den Angreifenden nicht in erster Linie um die eigene Bereicherung, sondern um die Durchsetzung schon sehr lange zurückliegender Interessen ging. 4. Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht von Brandenburg gegen Wilhelm Zaunrüde Erst im Februar 1473 taucht Wilhelm Zaunrüde wieder in der kurfürstlichen Korrespondenz auf. Albrecht von Brandenburg stellte nun die Beantwortung einer Schrift des von Rosenberg in Aussicht, wenn er nach Ansbach zurückgekehrt sein würde707. Johann von Rosenberg war inzwischen verstorben, sein ältester Sohn Heinrich noch nicht regierungsfähig, sodass Wohuslawen von Swannberg, Hofmeister und Hauptmann des ungarischen Königs in Böhmen, als ihr Vormund auftrat708. Er behauptete vor Kurfürst Albrecht, wie er gehört habe, verbreite der Bruder des Zaunrüde, dieser habe an Albrecht von Brandenburg schon den vollen geforderten Schadensersatz gezahlt709. Er warf dem Kurfürsten indirekt vor, sich an dem eigentlich geklärten Fall bereichert zu haben, indem er den Schadensersatz den Geschädigten vorenthalten und selbst eingestrichen habe. Außerdem muss Bogislaw von Schwamberg in seinem Schreiben den Geleitsknecht des Kurfürsten mitverantwortlich für den Vorfall gemacht haben. Kurfürst Albrecht verneinte, dass es Zahlungen gegeben habe, und stritt auch ihm gegenüber nun jede sonstige Schadensersatzverpflichtung ab, denn schließlich sei Zaunrüde nicht sein Untertan. Ein rechtlicher Anspruch auf Ersatz durch den Kurfürsten bestünde nicht, aber er wolle sich im Rahmen seiner Möglichkeiten auch weiterhin bei allen Beteiligten für einen angemessenen Ersatz des entstandenen Schadens verwenden. Mit dem Tode Johanns von Rosenberg scheinen sich die Netzwerkkonstellatio nen verändert zu haben. Dabei scheint wohl das Vertrauen insbesondere zwischen Hector Mülich, Anhang II, S. 354. Heinrich II. Langenmantel gehörte in den 50er und 60er Jahren des 15. Jahrhunderts zum Führungszirkel der Stadt Augsburg; siehe oben sein Verhältnis zu Peter von Argon, S. 363 f. Heinrich III. starb im Jahre 1495. 706 Hund, Stammen-Buch, S. 375. 707 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 532, S. 485. 708 Heermann’s Rosenberg’sche Chronik, hg. Klimesch, S. 149 f. Rožmberské kroniky, hg. Kubíková, S. 290 f. 709 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 590, S. 518 f., hier S. 518.
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dem von Schwamberg und dem Kurfürsten erheblich geringer gewesen zu sein als das des Johann von Rosenberg zu den Ansbacher Räten. Der Kurfürst hatte kein Interesse, Schadensersatz zu leisten; weder persönliche Verflechtung noch die Einbindung der von Rosenberg-Erben in die östlichen Netzwerke nützten ihm. Vielmehr scheint es ihm wie auch seinen Räten nach dem Tode Johanns von Rosenberg eher um die Abwendung eines drohenden Ansehensverlustes gegangen zu sein, den er erleiden würde, wenn sein eigenes Geleit in Verruf geraten würde; aber auch um Vermeidung möglicherweise in diesem Zusammenhang entstehender Kosten und Einnahmeausfälle scheint es dem Kurfürsten gegangen zu sein. In einem früheren Geleitstreit mit den Herzögen von Sachsen hatte Albrecht von Brandenburg gar erwähnt, der kauffman will frey sein die straß zubawen oder wurde sie meyden710 . Unterdessen waren davon unabhängige Netzwerke aktiviert worden. Vor dem 13. März 1473 wurde Zaunrüde zusammen mit Hans Pretslaifer in Straubing durch Amtleute Herzog Albrechts von Bayern-München festgesetzt711. Kaiser Friedrich III. schaltete sich nun umgehend in diese Angelegenheit ein, um den Landfrieden zu sichern, und bat Herzog Albrecht sowie die Stadt Straubing, Zaunrüde nicht freizulassen. Anscheinend hatten der Kaiser und Herzog Albrecht von Bayern-München in dieser Sache schon Anfang Februar desselben Jahres kommuniziert712. Schon zwei Jahre zuvor, Ende 1471, muss Zaunrüde, weil er wiederholt den kaiserlichen Landfrieden gebrochen hatte, in Feindschaft zu Kaiser Friedrich geraten sein713. Die Bemühungen des Kaisers bei Herzog Albrecht 1473, Zaunrüde in Gefangenschaft zu halten, scheinen jedoch wirkungslos geblieben zu sein. Denn schon Ende April 1473 müssen Kaiser Friedrich und Herzog Ludwig der Reiche in Erding über Zaunrüde gesprochen haben; dabei bat ihn der Kaiser um Mithilfe, Zaunrüde gefangen zu setzen714. Dies legt nahe, dass Zaunrüde in der Zwischenzeit freigekommen war; in jedem Fall war Zaunrüde spätestens Ende Juli 1473 wieder auf freiem Fuß715. Dass der niederbayerische Herzog ebenso wie andere regionale Fürsten nun ernsthafter gegen Wilhelm Zaunrüde vorzugehen gedachten, verdeutlicht ein Schreiben Herzog Ludwigs des Reichen an seinen Pfleger Hans Münchauer vom April 1473, in dem er mitteilte, Zaunrüde befinde 710 StA Bamberg, GHAP Nr. 5302. Vgl. zu anderen Geleitstreitigkeiten mit Sachsen auch ebd. Nr. 5303. 711 Dies geht aus den kaiserlichen Gebotsbriefen in Monumenta Habsburgica. Sammlung von Actenstücken und Briefen zur Geschichte des Hauses Habsburg in dem Zeitraume von 1473–1576, 1. Abt.: Das Zeitalter Maximilian’s I., Bd. 3, hg.von Joseph Chmel (Wien 1858), Nr. 7, S. 506 f.; Nr. 8, S. 507, hervor. 712 RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 2519, S. 376. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 590, S. 518 f., hier S. 518. 713 RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 1346, S. 195 (Bitte an den Bischof von Augsburg, den Kaiser mit Zaunrüde auszusöhnen; 1471 Dezember 17). 714 Bauer, Schloß Guteneck, S. 155. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1376. Demnach war Kaiser Friedrich III. am 22. April 1473 in Erding. 715 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 590, S. 518.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
sich in der Reichsacht; er habe dem Kaiser zugesichert, sich um seine Gefangensetzung zu bemühen, was er seinem Amtmann sodann auch befahl716. Das Interesse Herzog Ludwigs, hier im Sinne des Kaisers tätig zu werden, überlagerte offensichtlich die vorangegangenen Interessenkonstellationen. Bemerkenswert erscheint, wie schnell der Kaiser hier auf die sich veränderten Situationen reagierte und versuchte, regionale Netzwerke im Sinne eines übergeordneten Interesses zu aktivieren und zu steuern. Nach seiner Gefangennahme im März 1473 hatte auch Kurfürst Albrecht von Brandenburg Herzog Albrecht von Bayern-München gebeten, auf dem Tag zu Eystet uns rechts zu gestatten717. Albrecht von Brandenburg betonte in diesem Zusammenhang, dass er mit Herzog Albrecht von Bayern-München zu diesem Zeitpunkt durch ein Bündnis verbunden war718. Unser bete verfieng nicht gegen unserm oheim herzog Albrechten, sonder er ward gericht719 – es scheint also einen Ausgleich zwischen Herzog Albrecht und Zaunrüde unter Einschluss seines Bruders gegeben zu haben, der schließlich zur Freilassung geführt haben muss. Im Oktober 1473 taucht Wilhelm Zaunrüde erneut in der Korrespondenz des Kurfürsten von Brandenburg auf, und zwar in Freiheit720. Kurfürst Albrecht wollte den Mord des Zaunrüde an einem jungen Gesellen aus Neustadt an der Aisch ahnden, lud Zaunrüde vor, der jedoch immer wieder sein Erscheinen hinauszögerte, sich unterdessen aber auf Herzog Albrecht von Bayern-München und Graf Ludwig von Öttingen erbot. Wie sich das Verhältnis zwischen Albrecht von Bayern und Zaunrüde seit seiner Freilassung aus Straubing gestaltet hatte, ist unbekannt. Anscheinend erschien Wilhelm Zaunrüde auch in der Folge nicht bei Kurfürst Albrecht. Wiederholt gelang es somit dem Brandenburger nicht, Wilhelm Zaunrüdes habhaft zu werden. Immer wieder scheiterte er daran, bei den benachbarten Fürsten ein hinreichendes Interesse für seine Ergreifung zu initiieren. Auch der Kaiser hatte sich wiederholt zur Landfriedenswahrung um Zaunrüde bemüht. Teilweise konnte er Interesse bei den Landesfürsten für Handeln in seinem Sinne wecken, teilweise nicht. Seine Durchgriffsmöglichkeiten hingen hier somit entscheidend von Konstellationen in regionalen Netzwerken ab. 5. Gefangennahme und Ende des Wilhelm Zaunrüde 1476 Im Oktober 1475 wandten sich Nürnberger Bürger direkt an Kurfürst Albrecht von Brandenburg, Zaunrüde bedrohe wiederholt Nürnberger Kaufleute, deshalb möge er ihn auch in seinen Landen nicht dulden721. Es scheint sich hierbei aller 716
Bauer, Schloß Guteneck, S. 155. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 590, S. 518 f., hier S. 518. 718 Siehe hierzu oben S. 332. 719 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 590, S. 518 f., hier S. 518. 720 Ebd., Nr. 699, S. 577. 721 Ebd., 2, Nr. 161, S. 186. 717
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dings eher um einen allgemeinen Aufruf an potenziell betroffene Fürsten gehandelt zu haben, wie weitere Schreiben an Pfalzgraf Philipp, an Friedrich und Ludwig von Leuchtenberg, Pfalzgraf Otto von Pfalz-Mosbach sowie an die Bischöfe von Würzburg, Bamberg und Eichstätt verdeutlichen722. Ein wenig später, am 20. November 1475, wurde ein Schreiben von Nürnberg nach Regensburg gesendet; es lag Gemeiner bei der Abfassung seiner Regensburger Chronik Anfang des 19. Jahrhunderts vor723. Darin melden die Nürnberger, Zaunrüde und seine Knechte hielten sich im Raum Regensburg auf; sie hätten nun Ulrich Scheubel ausgesendet, ihn gefangen zu nehmen. Nach Gemeiner wurde Zaunrüde dann auch Anfang 1476 in Regensburg gefangen gesetzt und nach Straubing verbracht, wo er schließlich enthauptet worden sei. Ein Zeitgenosse Zaunrüdes, der Nürnberger Bierbrauer und Chronist Heinrich Deichsler, berichtet ebenfalls vom Schicksal des Wilhelm Zaunrüde724; möglicherweise wegen der ihm vorliegenden Dokumente, und wegen eines Vorfalls, der ins Jahr 1471 fiel und eine kaiserliche Intervention hervorgerufen hatte, ordnete Deichsler die Nachrichten in dieses Jahr ein. Sie passen jedoch nur zu 1476725. Demnach sei Zaunrüde zu Pfetting gefangen genommen worden; der Arzt habe behauptet, Zaunrüde habe ihm eine Kette und ein Pferd auf freier strassen genommen. Er und sein Knecht Sebastian wurden anschließend zum Tode verurteilt und geköpft726. In dem Moment, als die Nachricht von der Gefangennahme des Zaunrüde Nürnberg erreicht hatte – es dürfte sich um den 9. oder 10. Januar 1476 gehandelt haben – verständigten sich die Nürnberger mit Wilhelm Arzt und drangen über ihn auf eine Hinrichtung des Zaunrüde727. In den Berichten der Chronisten ebenso wie in der brieflichen Überlieferung scheint ein städtisches Netzwerk auf. Fügt man nämlich die Überlieferungssplitter zusammen, so scheinen die Nürnberger seit November 1475 gezielt mit Wilhelm Arzt und wahrscheinlich auch mit der Stadt Regensburg zusammengearbeitet zu haben. In der Hauptrechnung von 1474 über die Landsteuer, die im Straubinger Niederland erhoben wurde, findet sich ein 722
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 161, S. 186. Regensburgische Chronik, bearb. von Carl Theodor Gemeiner (Regensburg 1821), unveränd. ND mit einer Einleitung, einem Quellenverzeichnis und einem Register, hg. von Heinz Angermeier, Bd. 2 (München 1971), S. 586. Zu Gemeiner und seiner Chronik vgl. Heinz Angermeier, Einleitung. Carl Theodor Gemeiner und seine Regensburgische Chronik, in: ebd., Bd. I/II, S. 11*–39*; Edmund von Oefele, Art. „Gemeiner, Karl Theodor“, in: ADB 8 (1878), S. 553 f. Hund, Stammen-Buch, S. 375 äußert sich nicht zum Ort der Gefangennahme. 724 Zu Deichsler und der Nürnberger Chronistik um 1500 insgesamt vgl. Joachim Schneider, Heinrich Deichsler und die Nürnberger Chronistik des 15. Jahrhunderts (Wissensliteratur im Mittelalter 5, Wiesbaden 1991), insbesondere S. 5–28 (zur Chronistik), S. 29–41 (zu Deichsler). Zur Einordnung der Zaunrüde-Erzählung in den Gesamtkontext der Deichslerschen Chronik, vgl. ebd., S. 313–320. Ferner Helgard Ulmschneider, Art. „Deichsler, Heinrich“, in: Verf.-Lex. 2 (²1980), Sp. 61–63. 725 Vgl. die Argumentation bei: Jahrbücher des 15. Jahrhunderts, S. 346. 726 Hund, Stammen-Buch, S. 375. 727 Dies geht aus StA Nürnberg, Rep. 61a, Ratskanzlei, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 34b, hervor, vgl. Jahrbücher des 15. Jahrhunderts, S. 346. 723
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Wilhelm Arzt, der in Auburg und Illkofen – heute Teil der Gemeinde Barbig zwischen Regensburg und Pfatter – begütert gewesen sein muss728. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es sich bei diesem Wilhelm Arzt um jenen handelt, der in der Deichslerschen Chronik erwähnt wird und mit dem die Nürnberger korrespondierten. Man dürfte vor diesem Hintergrund auch vermuten, dass Zaunrüde tatsächlich in Pfatter und nicht in Regensburg gefangen genommen wurde729. Eine ganz andere, noch erheblich intensivere Verbindung lässt sich herstellen, wenn man der Spur des Wilhelm Arzt nachgeht und wieder nach Augsburg schaut. Bei den Arzt handelte es sich um eine Augsburger Patrizierfamilie, die mit Tuch-, Barchent- und Gewürzhandel beträchtlichen Reichtum erlangt hatte, deren Höhepunkt in der Geschäftstätigkeit Mitte der 1450er Jahre, vor allem durch Auseinandersetzungen ihrer Gesellschafter, jedoch bereits überschritten war730. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Überfall auf Heinrich Langenmantel erwähnt, lag Ulrich Arzt in den 1460er Jahren sowohl mit Sigmund als auch mit Jakob von Argon im Streit, von letzterem und anderen wurde er gar 1466 auf offener Straße überfallen. Nach Blendinger hatte sogar Wilhelm Zaunrüde selbst finanzielle Forderungen gegenüber Ulrich Arzt, die er vor dem Augsburger Rat geltend machte; anschließend warf er Arzt nieder und nahm ihn gefangen, wobei unklar ist, wann er ihn wieder freiließ731. Dieser Ulrich (II.) Arzt war Sohn von Ulrich (I.) Arzt und der Anna Langenmantel aus der älteren Linie der Langenmantel732; letzterer hatte eine Handelsgesellschaft gegründet und war nach Nürnberg übergesiedelt. Glaubt man den Beschreibungen des Augsburger Chronisten Burkhard Zink, dann war der Fall des Ulrich Arzt geradezu der Prototyp für Peter von Argon, denn Ulrich Arzt hatte im Jahre 1426 mit der Drohung, sein Bürgerrecht aufzugeben,
728
Baierische Landtags-Handlungen in den Jahren 1429 bis 1513, hg. von Franz Krenner, Bd. 10: Niederländische Landtage, im Straubinger Landantheile. Unter der Alleinregierung Herzog Albrechts IV. vom Jahre 1470 anfangend, mit eingeschalteter Geschichte des Löwlerbundes, bis zum Augsburger Vertrag 1492 (München 1804), S. 22–47, hier S. 37: Item Wilhelm Arzt hat geantwortet von Auburg und Illkofen II Gulden rhl. 8 tt. 4 ß. 23 dl. 729 Alois Schmid, Regensburg. Reichsstadt – Fürstbischof – Reichsstifte – Herzogshof (HAB, Teil Altbayern, Heft 60, München 1995), S. 151–156. Ders., Regensburg und Bayern. Vom Aufstieg zur Reichsstadt bis zur Wiedereingliederung nach Bayern 1810, in: Gustl Lang. Leben für die Heimat, hg. von Konrad Ackermann / Georg Girisch (Weiden 1989), S. 134– 157, hier S. 138–141: Herzog Albrecht von Bayern-München gelang nach wechselvoller Geschichte über Jahrhunderte die „Rückgewinnung“ der Reichsstadt für die bayerischen Wittelsbacher, mit der der zunehmende wirtschaftliche und politische Bedeutungsverlust einherging; im Jahre 1485 ordnete sie sich wieder den bayerischen Herzögen unter, was in der Folge zu schweren Auseinandersetzungen von Herzögen und Stadt mit Kaiser Friedrich III. führte. 730 Peter Geffcken, Art. „Arzt (Artzt, Artzat, Artzet), Kaufmanns- und Patrizierfamilie“, in: Augsburger Stadtlexikon. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Recht, Wirtschaft, hg. von Günther Grünsteudel / Günter Hägele / Rudolf Frankenberger (Augsburg ²1998), S. 245 f. Blendinger, Ulrich Artzt, S. 92. Zum Streit auch Karl Schädle, Sigmund Gossenbrot; ein Augsburger Kaufmann, Patrizier und Frühhumanist (Diss. phil. München 1938), S. 17–26. 731 Blendinger, Ulrich Artzt, S. 93. 732 Vgl. Geffcken, Langenmantel I, S. 598 f.
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versucht, steuerliche Erleichterungen von der Stadt zu erpressen – genau wie später Peter von Argon733. Ulrich (II.) war es dann, der während der Auseinandersetzungen um die eigene Firma auf bayerisches Gebiet übersiedelte; bereits seit 1446 war er Augsburger Paktbürger734. Sein älterer Bruder Johann, der die Firma ursprünglich übernommen hatte, war während der Konflikte ums Leben gekommen. Ulrich (II.) unterhielt enge Beziehungen zu Kaiser Friedrich III.; er kehrte Ende der 1460er Jahre nach Augsburg zurück und erwarb 1471 das Dorf Mindelzell735. Unter den fünf Söhnen des Ulrich (II.) Arzt erscheint neben dem ältesten, Bernhard, dessen Aufnahme im Domkapitel in Augsburg scheiterte und in einen langen und ebenso erfolglosen Rechtsstreit mündete736, auch Wilhelm (I.), der das Kaufmannsgeschäft der Familie fortführte737. Dieser Wilhelm heiratete im Jahre 1478 Sibilla Sulzer und erwarb so wieder Augsburger Bürgerrecht; eine Tochter aus dieser Ehe, Sibylle, heiratete im Jahre 1498 Jakob Fugger738. Wilhelm Arzt war im Edelmetallgeschäft aktiv und unterhielt geschäftliche Beziehungen an den Landshuter Hof Herzog Ludwigs des Reichen. Bei diesem Wilhelm Arzt könnte es sich um jenen gehandelt haben, der am Ende des Zaunrüde maßgeblich beteiligt war und mit den Nürnbergern zusammengearbeitet hatte. Dafür spricht einiges: Zunächst die Tatsache, dass Wilhelm Arzt erst nach der Beendigung der Causa Zaunrüde nach Augsburg zurückkehrte und es so gut möglich ist, dass er, da er sich auf bayerischem Gebiet aufhielt, nahe Regensburg begütert war. Außerdem unterhielt die Familie Arzt noch aus ihrer Nürnberger Zeit intensive Beziehungen in die Reichsstadt, die sie für eine Zusammenarbeit mit den Nürnbergern geradezu 733
Chronik des Burkhard Zink, S. 72 f. Vgl. Weber, Geschichtsschreibung, S. 112. Johannes Müllner, Die Annalen der Reichsstadt Nürnberg von 1623, Teil II: von 1351–1469, hg. von Gerhard Hirschmann (Quellen zur Geschichte und Kultur der Stadt Nürnberg 11, Nürnberg 1984), S. 394. 734 Paktbürger waren solche, die nicht, wie sonst üblich, eine unter Eid selbst zu veranschlagende Vermögenssteuer zahlen mussten, sondern einmal im Jahr eine festgeschriebene Steuer zu entrichten hatten, vgl. Kalesse, Bürger in Augsburg, S. 149. 735 Blendinger, Ulrich Artzt, S. 92–94. Geffcken, Arzt, S. 245 f. 736 Vgl. zu diesem Vorfall: Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche, S. 325–351. Zu Augsburg in jenen Tagen vgl. Peter Geffcken, Augsburg im Hoch- und Spätmittelalter, in: Augsburger Stadtlexikon. Geschichte, Gesellschaft, Kultur, Recht, Wirtschaft, hg. von Günther Grünsteudel / Günter Hägele / Rudolf Frankenberger (Augsburg ²1998), S. 48–60, ins besondere S. 56–59. 737 Blendinger, Ulrich Artzt, S. 94. Augsburger Eliten des 16. Jahrhunderts. Prosopographie wirtschaftlicher und politischer Führungsgruppen 1500–1620, hg. von Wolfgang Reinhard, bearb. von Mark Häberlein / Ulrich Klinkert / Katarina Sieh-Burens / Reinhard Wend (Berlin 1996), Nr. 19 (Artzt, Hans III): Die Kinder des Wilhelm Arzt waren Regina, Felizitas, Wilhelm II., Sibilla und Hans III.; Nr. 20 (Artzt, Ulrich III): Die Geschwister des Wilhelm Arzt waren Anton, Hans II., Leonhard und Bernhard. 738 Geffcken, Arzt, S. 246, der Wilhelm Arzt jedoch als Sohn Johanns (I.) ausweist. Vgl. aber Augsburger Eliten, hg. Reinhardt, Nr. 19 (Artzt, Hans III); Nr. 20 (Artzt, Ulrich III); ebenso Blendinger, Ulrich Artzt, S. 93 f. Insgesamt auch Götz Frhr. von Pölnitz, Die Fugger (Tübingen 61999), S. 89, 347.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
prädestinierte. So hatte Johann Arzt die Nürnbergerin Anna Graser geheiratet739. Klara Arzt, eine Schwester Ulrichs (II.), war mit dem Nürnberger Anton Paumgartner verheiratet740. Schließlich war auch die Mutter von Wilhelm Arzt, die Ehefrau Ulrichs (II.), eine Nürnbergerin741. Neben den Personenkonstellationen und Verflechtungen innerhalb der Familie Arzt und der Biografie des Wilhelm Arzt sprechen aber auch die Interessenlagen in den verschiedenen bereits betrachteten Konflikten für diese Annahme. Sieht man diese personellen und Interessennetzwerke vom Blickwinkel Augsburger Familien aus, dann ist noch folgendes anzumerken. Die Arzt waren eine Familie, die nicht starr an die Stadt Augsburg gebunden war, ja eher ein loses Verhältnis zu ihr hatte. Wie bei den von Argon hatten auch Mitglieder der Familie Arzt ihr Bürgerrecht aufgegeben und die Stadt verlassen; dies führte sie in Gegensatz zu anderen Augsburger Familien, nicht zuletzt den von Argon742. Zu bedenken ist auch, dass die Familienmitglieder der Arzt wie auch die der Langenmantel in den Zünften organisiert waren und somit zu der städtischen Partei, denen die von Argon angehörten, in Gegensatz standen. Auch aus dieser Zuordnung heraus ist es gut möglich, dass ein Vertreter der Familie Arzt 1476 gegen Wilhelm Zaunrüde konsequent vorging, um mehreren Netzwerken zu dienen: dem der eigenen Familie, dem eines Teils der Augsburger Bürgerschaft, dem der Nürnberger Kaufleute, indirekt aber auch der umliegenden Fürsten, insbesondere für Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. Zum Verständnis des Ineinandergreifens der verschiedenen Netzwerke des ersten Vorfalls um die Getreuen des Johannes Rosenberg und des Überfalls auf Heinrich Langenmantel ist schließlich noch ein Schreiben der Reichsstadt Nürnberg an Herzog Ludwig den Reichen vom 24. Oktober 1475 zu betrachten; es stammt also genau aus der Phase, als die Nürnberger verschiedene Netzwerke gegen Zaunrüde aktivierten, um ihn endlich zu fassen zu bekommen. Bereits vorher hatten sie mündlich mit dem niederbayerischen Rat Martin Mair in Sachen Zaunrüde gesprochen. Hier ist zu erfahren, Zaunrüde reite der polnischen Königstochter Hedwig entgegen, um ihr eine Bittschrift zu überreichen743. Damit hätte Wilhelm Zaunrüde alte Netzwerke wieder aufleben lassen und zugleich neue erschlossen: zum einen in das Umfeld Herzog Ludwigs des Reichen, denn Hedwig war ein Jahr zuvor mit Herzog Georg von Bayern-Landshut, dem Sohn Herzog Ludwigs des Reichen, vermählt worden744. Zum anderen hätte Wilhelm Zaunrüde neue Netzwerkverbindungen nach Polen aufgebaut, zumal Hedwigs Bruder Wladislaw, den Georg von Podiebrad bereits im Jahre 1469 zu seinem Nachfolger als böhmischen 739
Vgl. Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 760. Vgl. ebd., S. 760. 741 So entstammte die Mutter von Wilhelm Arzt, die Ehefrau Ulrichs (II.), einer Nürnberger Familie, vgl. von Stetten, Adeliche Geschlechter, S. 181. 742 Vgl. Blendinger, Ulrich Artzt, S. 92. 743 Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 592. 744 Lackner, Ludwig der Reiche, S. 381. 740
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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König bestimmt hatte, sich nach dessen Tode im Jahre 1471 gegen den böhmischen Gegenkönig Matthias Corvinus zu behaupten hatte745. Der böhmische Adlige Johannes Rosenberg, dessen Gefolgsleute von Wilhelm Zaunrüde geschädigt worden waren, hatte, nachdem er in den innerböhmischen Auseinandersetzungen der 1460er Jahre wiederholt zwischen der königlichen Partei Georgs von Podiebrad und der adligen Opposition hin und her gewechselt war, im Jahre 1468 spektakulär und endgültig die Seiten gewechselt und sich Matthias Corvinus angeschlossen, woraufhin er wesentliche Teile seiner Besitzungen eingebüßt hatte und erst im Jahre 1472 von Matthias Corvinus mit mehreren böhmischen Herrschaften ausgestattet wurde746. Zaunrüde hätte somit in den zu seinen früheren Opfern gegnerischen Netzwerken Schutz gefunden, namentlich beim polnischen König, der ihm angesichts der Vorgeschichte des mittlerweile verstorbenen Johannes von Rosenberg wohl auch geholfen hätte. Zu dieser Kontaktaufnahme von Wilhelm Zaunrüde mit der polnischen Königstochter wird es aber wohl nicht mehr gekommen sein. Die Nürnberger aktivierten im Oktober 1475 somit nicht nur Netzwerke in der Region, um fürstliche sowie städtische Nachbarn zur konsequenten Verfolgung des Wilhelm Zaunrüde auch auf ihren Gebieten zu bewegen. Sie fürchteten in dieser Situation nämlich einen Ausgleich zwischen dem polnischen König und Wilhelm Zaunrüde. Deshalb versuchten sie gleichzeitig auch, den Aufbau neuer Bindungen und das Vordringen des Zaunrüde in neue Netzwerke zu verhindern. Dazu mussten sie die komplexen Netzwerkstrukturen um den ersten Überfall ebenso kennen wie die sich ständig verändernden Konstellationen in den Netzwerken um Polen, Böhmen und Ungarn.
745
Vgl. Stauber, Reichspolitik, S. 80–86. Rožmberské kroniky, hg. Kubíková, S. 41–49, 134–149, 289–291. Zu den Rosenberg außerdem: Annemarie Enneper, Art. „Rosenberg, v.“, in: NDB 22 (2005), S. 57 f. Emil Schieche, Politische Geschichte von 1327–1526, in: Geschichte Schlesiens, Bd. 1: Von der Urzeit bis zum Jahre 1526, hg. von Ludwig Petry / Josef Joachim Menzel / Winfried Irgang (Stuttgart 62000), S. 157–237, hier S. 211. Heermann’s Rosenberg’sche Chronik, hg. Klimesch, S. 119–150. Miloslaw Polívka, Ulrich von Rosenberg und seine Umgebung, in: Adelige Welt und familiäre Beziehung. Aspekte der „privaten Welt“ des Adels in böhmischen, polnischen und deutschen Beispielen vom 14. bis zum 16. Jahrhundert, hg. von Heinz-Dieter Heimann (Quellen und Studien zur Geschichte und Kultur Brandenburg-Preußens und des Alten Reiches, Potsdam 2000), S. 59–72, hier S. 61–63, 67, Anm. 40. Ivan Hlaváček, Bemerkungen und Überlegungen zu den hochadligen böhmischen Itineraren im Spätmittelalter, besonders zu dem des Ulrich von Rosenberg, in: ebd., S. 43–57, hier S. 45, Anm. 7, S. 55, mit Hinweisen auf fehlende Untersuchungen zu den Rosenberg im 15. Jahrhundert. 746
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
6. Politische Netzwerke und Governance um Wilhelm Zaunrüde Die Aktivitäten des Wilhelm Zaunrüde lassen erahnen, dass von den 1470er Jahren als einer besonders friedvollen Zeit in den markgräflichen Territorien wohl eher weniger gesprochen werden kann. Diese Analyse des Beispiels aus der Perspektive politischer Netzwerke und von Governance zeigt, dass sein Handeln eine Vielzahl unterschiedlicher Akteure auf verschiedenen Ebenen berührte. Der Fall des Niederadligen Zaunrüde war kein auf ein Territorium, also regional beschränktes Problem, sondern wirkte mehr oder weniger unbewusst bis in die außenpolitische Ebene hinein. Damit ist sein Beispiel nicht nur für die eingangs genannten Problemkreise, insbesondere für die Wirkungszusammenhänge von „Raubrittertum“, „Fehde“, Landfriedenssicherung und Politik, sondern auch für die Betrachtung des Zusammenhangs der verschiedenen Untersuchungsebenen interessant. Zunächst ist deshalb noch einmal auf die Bemühungen des Markgrafen um die Herstellung von Sicherheit, wie sie im vorangegangenen Kapitel als Gov ernance-Leistung benannt wurde, zu blicken, um dann nach den städtischen Netzwerken, ihrer Legitimität und der Rolle des Kaisers zu fragen. Darauf folgen Anmerkungen zu „Raubrittern“ und Fehdewesen. a) Verwaltung, „Straßentruppe“ und Landfriedenssicherung Die Herstellung und Aufrechterhaltung von Ordnung und Sicherheit war genuine Aufgabe des Landesherrn, die er nach herrschender Meinung der Forschung durch seine Verwaltung, insbesondere durch die dezentralen Ämter, realisierte747. Darüber hinaus gilt Seyboth748 als Beleg für das energische Eintreten des Kurfürsten für die Sicherheit die in den Jahren 1469 bis 1472 in den Markgraftümern aufgestellte 20-köpfige „Straßentruppe“. Berücksichtigt man allerdings die Umstände ihrer Aufstellung, wie sie der kurfürstlichen Korrespondenz zu entnehmen sind, so ergibt sich ein weitaus widersprüchlicheres Bild. Ein Schreiben des Kurfürsten vom März 1472 nämlich legt nahe, dass er sich selbst von dieser Maßnahme nicht viel versprach749. Zwar liefen die Planungen der markgräflichen Ver 747
Siehe hierzu näher oben D. III. 5. a) sowie S. 352 f. Seyboth, Raubritter, S. 120. 749 Druck: Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 31, S. 65–69. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 306, S. 334 f. Von der zehen pferd wegen die straiffen sollen Ist weißlich angezeygt. Darumb das die Vnsern nicht verplewget werden von anndern, vnd andere nicht ein vrsach haben, In vnserm lannd zustraiffen oder zuhallten Aber ir werdent gewar, das nichts dorauß wirdt. Dann Wir haben der anslag gar vil gehort vnd wirdet dorauß wachßen, das ander ambtlewt alle wollen, das man In zulege vnd kuchen hallt. Andere Wurden kuntschaft haben, die knecht nider zuwerffen vnd zuerstechen, des wurden die Jehnen die vngern sehen, das man Rauberey weret durch die finger lachen. Es wurden auch ettlich dest vngeruster vnd sich verantworten, was geschee, die sollten es Wern, vnd was man verlur wurd man die knecht zeihen. Sie theten das selber vnd mocht eins teils war sein. Nachdem Wir es 748
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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waltung für eine solche Truppe schon länger, das Schreiben erweckt aber den Eindruck, der Kurfürst habe eher widerwillig ihrer Aufstellung zugestimmt. Albrecht Achilles fürchtete nämlich, mit der Einrichtung der „Straßenpolizei“ würde jeder Amtmann zulege und kuchen fordern, ebenso würde derjenige von ihnen, welcher einen lieben knecht hat, versuchen, diesen in der „Straßenpolizei“ unterzubringen, damit er fortan nicht vom Amtmann selbst, sondern auf kurfürstliche Kosten leben könne750. Neben diesen finanziellen Argumenten schien ihm auch in Bezug auf die schon bestehenden Strukturen eine „Straßenpolizei“ ungeeignet, denn er fürchtete, dass die Wachsamkeit der Amtleute sinke, weil sie sich auf die mobilen Sicherheitstruppen verließen751. Bei unabsehbar höherem finanziellem Aufwand schien dem Kurfürsten somit die Wirksamkeit der Maßnahmen zu gering, wenn sie nicht sogar den bestehenden Strukturen schadeten. An dieser Quelle wird deutlich, wie schwierig die Suche nach vermeintlich „modernen“ Elementen der Verwaltung sein kann, da sich zumindest in Ansätzen Argumentationen der Zeitgenossen finden lassen, die diesen widersprechen. Es ging dem Kurfürsten offensichtlich eher um Effizienz, nicht um die Schaffung von Strukturen, die einem Ideal folgten, das vom Ende her betrachtet als „moderne“ Verwaltung zu bezeichnen wäre. So forderte er von seinen Räten: gebt In nicht einen namen, nach einem der ir haubtman ist, Sunder heißt sie vnser knecht vnd gebt In einen namen, fride und sone zumachen, Die landstraß helffen zuschützen vnd schirmen Vnd den landtfrid zuhanthaben, als weyt wir zugebieten haben Vnd die unsern vor vnrecht zu bewarn, Damit morderey vnd rawberey gesttrafft werde 752 .
Außerdem befahl er, nur solche Leute heranzuziehen, die nicht selbst raubten; täten sie es doch, möge man sie umso härter bestrafen. Auch aus diesen Aussagen geht die Sorge des Kurfürsten hervor, dass die Einrichtung einer mobilen Sicherheitstruppe zum Problem werden konnte, nämlich wenn sie sich verselbstständigte, wenn ein Hauptmann sein Netzwerk derart formte, dass es im schlimmsten Falle zum Amtsmissbrauch kommen und seine Mitglieder selbst raubend tätig werden konnten. Auch später finden sich noch Hinweise, dass Albrecht von Brandenburg besonders auf die gezielte Auswahl von Personal für die Straßenmannschaft bedacht war. Dabei wird der Kurfürst diese Einrichtung zumindest auch zur Versorgung und Bindung von seinen Leuten, insbesondere von Knechten, an sich selbst, also nicht nur zur Bekämpfung der Räuberei eingesetzt haben. Neben diesen Aspekvor zum dickernmal an andern enden erfaren haben, Dann Welcher einen lieben knecht hat, der ein rewter ist, der schewbet In, das er derselben knecht einer sey, damit ist er der haltung eins knechts Vertagen und lonet Ine durch vns, vnd was er dopey erkrigt, das er vor mit sorgen hat zuwegen bringen mussen, das thut er nu sicher. Nach Seyboth, Raubritter, S. 120, liefen die Vorbereitungen für eine „Straßentruppe“ schon seit dem Jahre 1469. 750 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 31, S. 65–69, hier S. 66. 751 Ebd. 752 Ebd., Nr. 50, S. 97–104, hier S. 104. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 340, S. 365 f.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
ten achtete Albrecht von Brandenburg aber wohl bei der Berufung von geeigneten Mitgliedern seiner Einheit auch besonders darauf, dass diese hinreichend in die Räuberei und Fehde betreffenden Informations- und Kommunikationsnetzwerke eingebunden waren. Dies lässt sich an Hans Luft zeigen, den der Kurfürst zunächst als einfaches Mitglied, später als zweiten Hauptmann neben Fritz Keubel, genannt Kleinfriedel, zu berufen gedachte753. Dieser Knecht Hans Luft nämlich findet sich in anderem Kontext in der Funktion eines Nachrichtenübermittlers zwischen den bayerischen Territorien und dem Hof in Ansbach wieder754. Damit erfüllte er eine Qualifikation, die auch im Falle des Wilhelm Zaunrüde nützte, dass er nämlich Wissen über Netzwerkstrukturen hatte sowie Informationen durch die Kommunikation mit Dritten gewinnen konnte. Aus den Überlegungen des Kurfürsten, die seiner Korrespondenz zu entnehmen sind, kann somit geschlossen werden, dass die „Straßentruppe“ weniger als eine Verwaltungsinstitution, sondern viel stärker als ein Netzwerk aufgefasst werden sollte, bei dem insbesondere Informationen und Wissen um Netzwerkkonstellationen eine wichtige Rolle spielten, ebenso die persönliche Integrität und Loyalität der Beteiligten dem Fürsten gegenüber. b) Städtenetzwerke Ob die „Straßentruppe“ gegen Wilhelm Zaunrüde aktiv wurde, ist den Quellen nicht zu entnehmen. Letztendlich war es ein städtisches Interessennetzwerk, das Zaunrüde zu Fall brachte. Nürnberger Bürger und ehemalige Augsburger Bürger in Kooperation mit der Stadt Regensburg zogen die Schlinge um Zaunrüde immer enger. Jeder Beteiligte hatte aus verschiedenen Motiven ein Interesse an der Ausschaltung dieser Person. Dieses Netzwerk war weitgehend unabhängig von allen bestehenden Sicherungs- und landesherrlichen Verwaltungsstrukturen nur mit dem Ziel der Ausschaltung des Zaunrüde geschaffen worden. Bei seinem Aufbau wurden auch die benachbarten Fürsten hauptsächlich als Informations- und Kommunikationspartner eingeschlossen. Die strukturellen Schwächen des Fürs-
753
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 434, S. 429 f., hier S. 429. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 92, S. 170–173, hier S. 171 f. Albrecht bestellte Fritz Keubel, genannt Kleinfriedel, als Hauptmann und erwog eine Teilung der Mannschaft in zwei Rot, bei der Hans Luft als zweiter Hauptmann in Erwägung gezogen wurde. Im August 1472 befahl Albrecht dann die Anstellung des Hans Luft, vgl. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 89, S. 166 f., hier S. 166. Fritz Keubel findet sich auch im Jahre 1466 unter insgesamt 52 fränkischen Rittern, die Graf Johann von Wertheim wegen eines Überfalls auf einen markgräflichen Edelknecht die Fehde ankündigten, vgl. Karl Wagner, Graf Johann III. von Wertheim, in: Archiv des historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg 30 (1887), S. 257–267, hier S. 260. 754 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 515, S. 473; Nr. 536, S. 487–489, hier S. 487. Später agieren sowohl Hans Luft als auch Fritz Keubel an der Seite des Kurfürsten im Kampf gegen Herzog Karl den Kühnen, vgl. ebd., S. 778, Anm. 1; ebd., 2, Nr. 13, S. 80; Nr. 60, S. 113 f., hier S. 114.
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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tennetzwerks beziehungsweise der jeweiligen Territorialverwaltung lagen hierbei nicht vor, denn in diesem Netzwerk wurde über Territorien hinweg gehandelt. Es war nicht zuletzt deshalb besonders effektiv, weil es nur zum Zwecke der Ergreifung von Zaunrüde gebildet wurde und weil diejenigen, in deren Territorien gehandelt wurde, entweder indifferent oder positiv Zaunrüdes Ergreifung gegenüberstanden. Die Stadt Nürnberg war ein wichtiger Knoten in diesem Netzwerk gegen Zaunrüde. Ihre Vertreter wussten offensichtlich gut Bescheid über die Netzwerkkonstellationen, in die Zaunrüde über Jahre eingebunden war. So wusste man auch von möglichen neuen Verbindungen, die Zaunrüde knüpfen konnte. Deshalb war das städtische Netzwerk nicht nur zu seiner Ergreifung, sondern auch zur Verhinderung des Aufbaus neuer Netzwerkkonstellationen geeignet. In der Konzentration von Wissen und Informationen über Konstellationen bei städtischen Akteuren erscheinen die städtischen Netzwerke der „Straßentruppe“ durchaus ähnlich. Umso mehr war der Kurfürst daneben auch auf Kommunikationsnetzwerke zwischen den Territorien angewiesen. Die Mitwirkung der Nachbarn richtete sich – wie die Beispiele Pfalzgraf Ottos von Pfalz-Mosbach sowie Herzog Albrechts von Bayern-München verdeutlichen – nach ihren jeweils individuellen Interessen; sie hing maßgeblich von eigentlich von der Friedenssicherung unabhängigen Netzwerken und politischen Konstellationen ab, wie die mittelbaren Verbindungen von Überfällen zu Matthias Corvinus gezeigt haben. An dieser Überschneidung wird besonders offenbar, wie schnell ein vermeintlich „kleiner Raubritter“ in übergeordnete politische Konflikte geraten konnte.
c) Legitimität der Gewaltausübung Wenn sich aber die bestehenden und zur Friedenssicherung bestimmten Netzwerke als ineffizient erwiesen und stattdessen davon unabhängige oder sie nur teilweise einbeziehende Netzwerke viel wirksamer entsprechende Aufgaben übernehmen konnten, der Kaiser und die beteiligten Fürsten diese „alternativen“ Netzwerke förderten beziehungsweise zumindest duldeten, dann stellt sich die Frage nach der Legitimität des Handelns in diesen Netzwerken. Gegen Zaunrüde konnte nur wirksam vorgegangen werden, wenn Interessenübereinkunft der Akteure vorlag. Solang dies nicht der Fall war, konnte sich Zaunrüde frei bewegen. Erst durch das aus Interessenübereinstimmung bewirkte gemeinschaftliche Handeln wurde die Ausübung von Gewalt in den Augen der Handelnden legitimiert und akzeptiert. Nach außen sichtbar wurde die Legitimität dieses Netzwerks insbesondere durch die Erfüllung letztendlich auch des kaiserlichen Willens im Sinne der Bewahrung des Landfriedens. Der Kaiser war es nämlich, der diesem Netzwerk nachträglich zu Legitimität verhalf, als er nach der Gefangennahme des Zaunrüde die Beteiligten aufrief, ihn zu bestrafen. Die Bestrafung erfolgte schließlich durch das Straubinger Landgericht Herzog Albrechts von Bayern-München, den Regelungen des kaiserlichen Landfriedens entsprechend.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
Ebenso hatte der Kaiser schon im Oktober 1471 mit einem Privileg seine Landfriedensbestimmungen für die Städte Nürnberg, Dinkelsbühl, Windsheim und Weißenburg abgeändert, da der Landfrieden Bestimmungen enthielt, die älteren Privilegien dieser Städte widersprachen755. Betrachtet man diese nachträgliche Einzelfallveränderung vor dem Hintergrund der hier analysierten Beispiele, so scheint es sich um mehr als eine bloße Anpassung jüngerer Regeln an ältere Normen gehandelt zu haben. Denn die Verantwortlichkeit der Städte bei der Verfolgung von Überfällen auf der Straße wurde auf eine sechs Meilenzone um die jeweilige Stadt herum begrenzt, wobei ausdrücklich die Gebiete von Herzog Ludwig dem Reichen und seinem Sohn Georg ausgenommen waren, denn Nürnberg befinde sich mit ihnen in einer Einung. Spätestens hier wird deutlich, dass solche Ausnahmeregelungen nicht nur Freiheiten der Reichsstädte bewahrten, sondern eindeutig tiefer liegenden Interessenkonstellationen in regionalem Umfeld folgten, Handeln ermöglichen und eingrenzen konnten. Ebenso erhielten die vier Reichsstädte das Recht, entgegen den Regelungen des Landfriedens Rechtsfälle, die in Ortschaften ohne Halsgericht auftraten, unabhängig von ihrem Vorkommen vor ihren eigenen städtischen Gerichten zu behandeln. Durch die Bewahrung von herkomen vbung vnd gebrauchs, die der Kaiser mit dieser Ausnahmeregelung ermöglichte, wurden flexible Lösungen und der Aufbau städtischer Interessennetzwerke, wie sie am Beispiel des Wilhelm Zaunrüde beobachtet werden konnten, begünstigt, wenn nicht sogar erst ermöglicht. Dass mit dieser Einzelfall regelung weniger ältere Rechte um ihrer selbst willen bewahrt werden, sondern dass hiermit die Effektivität der Strafverfolgung gesteigert werden sollte, hebt schließlich die Passage sonder das die vbeltetter desterbas gestraft werden mugn explizit hervor756. Die städtischen Netzwerke unter Beteiligung verschiedener Fürsten übten somit durchaus legitime Gewalt aus. Hierin trifft sich das Modell politischer Netzwerke in gewisser Weise mit dem Konzept der „Akzeptanz“ aus der Fehdeforschung, mit dem Reinle die komplexe Frage der Anerkennung von Fehden als „legitime Fehden“ zu lösen versucht, wobei sich hier die „Akzeptanz“ vornehmlich aus den Individualinteressen und der kaiserlichen Bestätigung ersehen lässt757. 755 StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 1a, Kaiserliche Privilegien, Urkunden, Nr. 517: Wien, 1471 Oktober 1. Vgl. Regest und Teilabdruck: Regesta, Chmel, 2, Nr. 6474, S. 629 f. Regest: Die Urkunden der Stadt Dinkelsbühl 1451–1500, bearb. von Ludwig Schnurrer (Bayerische Archivinventare. Reihe Mittelfranken 19, München 1962), Nr. 1228, S. 75. Druck: Das Teutsche Reichs-Archiv, hg. von Johann Christian Lünig, Bd. 13: Des Teutschen ReichsArchivs Partis Specialis IV. und letzte Continuation (Leipzig 1714), S. 475–477, Nr. 31. Die Bestimmungen sollten unabhängig von den befristeten Landfrieden unbefristet gelten. Im Jahre 1480 vidimiert das Kloster St. Egidien für die Stadt Dinkelsbühl dieselbe Urkunde, vgl. Urkunden der Stadt Dinkelsbühl, bearb. Schnurrer, Nr. 1403, S. 117. 756 Regesta, Chmel, 2, Nr. 6474, S. 629 f., hier S. 630. 757 Vgl. Reinle, Bauernfehden, S. 57–59, insbesondere S. 57: „Akzeptanz durch die Mitwelt soll als Indikator für die intersubjektiv gegebene Nachvollziehbarkeit einer subjektiven Berechtigung angenommen werden. Akzeptanz einer Handlung beweist zwar nicht zwingend,
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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Anders ausgedrückt, könnte davon gesprochen werden, dass unter den besonderen Bedingungen der Interessenüberschneidung städtische Netzwerke überterritorial die Governance-Leistung Sicherheit erbringen konnten. Wenn man hingegen von der „Mitwirkung der Territorialgewalten“ bei der Durchsetzung der kaiserlichen Landfriedensidee spricht, so sind es diese Kooperationsnetzwerke und die jeweiligen Interessenkonstellationen, die zu berücksichtigen sind758. d) Die Rolle des Kaisers Neben der gerade betrachteten Einzelfallregelung zugunsten von Städten sowie der nachträglichen Legitimierung des Vorgehens gegen Zaunrüde sind an diesem Beispiel noch weitere Kennzeichen kaiserlichen Handelns zu beobachten. An mehreren Punkten finden sich nämlich direkte Berührungspunkte zwischen Kaiser Friedrich III. und Wilhelm Zaunrüde. Während beide zunächst durch den Bischof von Augsburg ausgesöhnt werden sollten, war doch spätestens an dem Punkt, an dem der Kaiser regionale Mächte aufforderte, Zaunrüde nicht freizulassen, klar, dass er gegen diesen dauerhaft und wirksam vorgehen wollte. So erscheint auch seine Aufforderung an Herzog Albrecht von Bayern-München im Jahre 1476, Zaunrüde zu bestrafen, als logische Konsequenz aus einer verschärften Situation. Besonders hervorzuheben ist die Geschwindigkeit, mit der Friedrich III. reagierte, wenn er Neuigkeiten über Zaunrüde erfuhr. Die Abhängigkeit zwischen dem Kaiser und den Beteiligten innerhalb der Netzwerke war somit gegenseitig. Bereits Most stellte sich die Frage, warum Kaiser Friedrich III. ein Landfriedensgesetz von 1467 gegen die „Machtansprüche der deutschen Territorialfürsten“, durch die er „in der Ausübung seiner Rechte als Reichsoberhaupt“ bedroht gewesen sei, hatte durchsetzen können. Sie zeigte, aus welcher besonderen Situation heraus dieser Landfrieden entstand, und wies auf die wichtige Rolle des Markgrafen Albrecht von Brandenburg bei seiner Entstehung hin759. Wenn die Fürsten wesentlich an der Landfriedensgesetzgebung mitwirkten, dann war es auch in ihrem Interesse. Wann sie diesen Rahmen jedoch anwendeten, hing von den jeweiligen Interessenlagen beziehungsweise von den bestehenden Netzwerkkonstellationen ab. So gesehen hatte der Kaiser mit seiner Gesetzgebung eine wesentliche Funktion, damit Dritte regionale und lokale Friedensbemühundaß eine Handlung dem tradierten Recht entsprach, wohl aber, daß sie sich mindestens auf anerkannte Normen berufen konnte.“ Sie versteht ihren Ansatz als Weiterführung und Modifikation der Vorstellung von der Bindung des vormodernen Rechts an den Konsens, vgl. hierzu Elmar Wadle, Frühe deutsche Landfrieden, in: ders., Landfrieden, Strafe, Recht. Zwölf Studien zum Mittelalter (Schriften zur europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 37, Berlin 2001), S. 75–102, hier S. 96. 758 Ähnlich stellt auch Reinle fest: „Ob Fehdeführung hingenommen oder sanktioniert wurde, hing also noch im 16. Jahrhundert auch für die Landesherren nicht nur von abstrakten Normen, sondern ebenso von der politischen Großwetterlage ab“, Reinle, Bauernfehden, S. 59. 759 Most, Reichslandfriede, S. 200 f.
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D. Politiknetzwerke und Governance auf lokaler Ebene
gen über Netzwerkstrukturen überhaupt wirkungsvoll verfolgen konnten. Selbst wenn er nicht persönlich eingriff, schuf er mit dem Landfrieden eine situativ legitime Handlungsoption in regionalen Netzwerken. Über die Realisierung von Landfriedensbemühungen kann somit das Neben- und Miteinander von landesherrlicher Verwaltung und flexiblen individuell gebildeten Netzwerken beobachtet werden, das situationsbezogen viel effektiver sein konnte als dafür dauerhaft eingerichtete Stellen. An der Rolle des Kaisers wie der Bedeutung einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure insgesamt beim Vorgehen gegen Wilhelm Zaunrüde kann schließlich abgelesen werden, wie eng die verschiedenen Ebenen, die lokale, regionale sowie die Reichsebene, miteinander verschränkt und verwoben sind. Ein vermeintlich nur regional beschränkter Akteur wie Zaunrüde konnte eine Vielzahl unterschiedlicher Netzwerke aktivieren und die „kleine“ wie die „große“ Politik gleichermaßen berühren. e) „Raubritter“ und Fehde Aus all diesen Beobachtungen ergeben sich auch Folgerungen für den Begriff des „Raubritters“ sowie für die Fehdeforschung. Zaunrüde war eigentlich nie Mittelpunkt von Interessennetzwerken, sondern er handelte wiederholt an der Seite Dritter, deren Interesse an dem jeweiligen „Raubüberfall“ über das Finanzielle hinausging und deren Motivation teilweise in innerstädtischen Konflikten vorangehender Generationen zu suchen ist. So erscheint der Begriff des „Raubritters“760 für Wilhelm Zaunrüde und seine Mittäter als eher unpassend beziehungsweise nicht ausreichend. Gleichzeitig handelt es sich um ein nicht allein adliges Phänomen. Gerade in den hier analysierten Konflikten verschwimmen nämlich die Grenzen von städtischer Bürgerzugehörigkeit und „Landsässigkeit“ ebenso wie von Adel und Nichtadel. So handelt es sich bei den von Argon ebenso wie bei den Arzt nicht um städtische Patriziergeschlechter in klassischem Sinne; sie oszillierten vielmehr zwischen städtischer An- und Einbindung und außerstädtischer Freiheit beziehungsweise (land-)adligen Lebensformen761. Die Fehdeforschung konstruiert nicht zuletzt in ihrer Auseinandersetzung mit Brunner Gegensätze, so etwa zwischen Sozial- und Verfassungsgeschichte, aber auch zwischen Rechts- und Politikgeschichte; zumindest nach diesem Beispiel scheinen diese Gegensätze jedoch als eher abgeschwächt. Morsel762 ist zuzustimmen, dass jede Fehde soziale Netzwerke mobilisierte. Aber neben diesen sozialen Netzwerken spielten politische Interessen der Akteure eine wichtige Rolle; sie 760
Siehe zum Konzept oben S. 349, Anm. 614. Vielleicht ist das Konzept des „Stadt-Tyrannen“, wie es Boockmann beschreibt, vor dem Hintergrund der Aufdeckung der Netzwerke, in denen Einzelpersonen eingebunden sind, etwas zu relativieren, denn nicht zuletzt stehen auch städtische Bürger in jeweils individuellen Netzwerkkonstellationen in Beziehung zu Dritten; vgl. hierzu Boockmann, Stadt-Tyrannen. 762 Morsel, Fehdepraxis, S. 183. 761
IV. Konflikte um Wilhelm Zaunrüde
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folgten zumeist Logiken übergeordneter Netzwerke, die nur selten etwas direkt mit den Vorfällen, über die die Quellen berichten, zu tun haben. Werden Fehden und „Raubritter“-Handlungen somit unter dem Blickwinkel politischer Netzwerke untersucht, so erscheinen bisher von der Fehdeforschung postulierte Gegensätze zunehmend abgeschwächt. Ob schließlich der Fehde ein wesentlicher Anteil an der „frühmodernen Staatswerdung“ im Sinne von Moraws Modernisierungsmodell zukommt, wie Zmora meint, sie also als Wettstreit zwischen Adligen um Herrschaftsrechte, Fürstennähe und Unterstützung zu verstehen ist, bedarf weiterer Untersuchungen, erscheint aber angesichts der Konflikte, die hinter den eigentlichen Gewalthandlungen stehen, den verborgenen Motiven sowie den komplexen politischen Netzwerkstrukturen, die zwischen Kurz- und Langfristigkeit stark variierten, als eher fragwürdig. 7. Zusammenfassung In der ersten Hälfte der 1470er Jahre verübte der „Raubritter“ Wilhelm Zaunrüde in wechselnden Konstellationen wiederholt Straßenüberfälle in Franken und Bayern, so auch im Herrschaftsgebiet Albrechts von Brandenburg. Hier näher untersucht wurden ein Überfall auf Nürnberger, Regensburger und österreichische Kaufleute sowie Gefolgsleute des böhmischen Adligen Johann Rosenberg vom Mai 1472 sowie der Überfall auf den Augsburger Bürger Heinrich Langenmantel im Dezember 1472. Aus der Perspektive politischer Netzwerke lassen sich Verflechtungen der an den Überfällen Beteiligten und den Opfern ermitteln, die nahelegen, dass es sich nicht um willkürliche Straßenräuberei handelte, sondern um gezielte Übergriffe. So waren es im Falle des Überfalls auf Langenmantel Konflikte unter Augsburger Bürgersfamilien eine Generation zuvor, die nun unter den Nachkommen ausgetragen wurden. Hinter den vermeintlichen „Raubüberfällen“ standen somit vor allem Interessen und Konflikte. Zaunrüde wurde zu einem „interterritorialen“ Problem, da man ihn nicht innerhalb eines Territoriums zu fassen bekam und er von einem in den nächsten Herrschaftsbereich wich. Albrecht von Brandenburg war als Geleitsherr durch die Schadensersatzforderungen des Johann Rosenberg involviert; seine Versuche, Zaunrüde habhaft zu werden, scheiterten. Nach und nach wurden zahlreiche Fürsten von brandenburgischer Seite auf Zaunrüde aufmerksam gemacht – man versuchte vergeblich, Zaunrüdes eigentlichen Herrn zu ermitteln, denn niemand fühlte sich für ihn verantwortlich. Zaunrüde selbst hatte mit seinen Taten außerdem mehr oder weniger un bewusst überregionale, ja teilweise Netzwerke quasi „auswärtiger“ Natur aktiviert. Albrecht von Brandenburg nämlich war viel daran gelegen, die Beziehungen zu Matthias Corvinus, mit dem 1472 der Abschluss eines Bündnisses im Raum stand, nicht zu gefährden und somit konsequent seine geschädigten Untertanen zu entschädigen; ebenso ging es ihm um den drohenden Ansehensverlust seines Geleits. Otto von Pfalz-Mosbach dagegen verfolgte Zaunrüde – wohl nicht zuletzt
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D. Politiknetzwerke und Governance auf
aus seinen individuellen Motiven Matthias Corvinus gegenüber und dem starken Einfluss des böhmischen Königs auf die Region sowie den momentanen Kräfteverhältnissen im böhmischen Thronstreit geschuldet – nur inkonsequent; es lassen sich sogar Berührungspunkte zwischen den Helfern des Zaunrüde und Hofleuten Ottos von Pfalz-Mosbach ermitteln. Auch mehrere Ausgleichsversuche zwischen Zaunrüde und Albrecht von Brandenburg, Herzog Albrecht von Bayern-München und anderen scheiterten, da sich Zaunrüde der Rechenschaft immer wieder zu entziehen vermochte. Kaiser Friedrich III. intervenierte mehrfach vergeblich, um Zaunrüdes Bruch des Landfriedens zu begegnen. Schließlich war es ein städtisches Netzwerk zwischen Nürnberg, Regensburg und Augsburg, das sowohl offiziell-städtische Institutionen als auch einzelne Bürger, sogar ehemalige und aus der Stadt gewichene umfasste, das die Gefangennahme des Wilhelm Zaunrüde ermöglichte; auch ihr Engagement lässt sich durch Interessen- und Personenkonstellationen und ihre Rolle in den vorangegangenen städtischen Konflikten erklären. Die Verurteilung und Bestrafung des Zaunrüde erfolgte in Straubing, also im Herrschaftsgebiet Herzog Albrechts von Bayern-München. Wirken und Ende des Wilhelm Zaunrüde hingen somit maßgeblich von Interessenlagen in politischen Netzwerken ab. Legitime Gewaltausübung, die Verfolgung des Zaunrüde und seine Überstellung an ein Gericht, wurde von „alternativen“, eigentlich dafür nicht vorgesehenen Stellen vorgenommen. Nachträglich wurden sie vom Kaiser legitimiert. Aus der Perspektive politischer Netzwerke gestaltete sich das ad-hoc-Netzwerk zu seiner Ergreifung als wesentlich effektiver als die „staatlichen“ Strukturen. Bei der Diskussion um die Einrichtung einer „Straßentruppe“ zur Sicherung des Friedens zeigt sich zudem, dass die Errichtung neuer Verwaltungsstrukturen durchaus kritisch hinterfragt wurde, der Weg zu mehr Staatlichkeit also nicht zwangsläufig war. Bestehende und solche Mittel, die nicht unbedingt auf Dauer angelegt waren, erwiesen sich somit bisweilen auch für die Zeitgenossen als adäquater als starre und langfristige Strukturen. Schließlich verdeutlicht das Beispiel des Wilhelm Zaunrüde die enge Verschränkung der lokalen, regionalen, Reichs- und außenpolitischen Ebenen. Während Zaunrüde mehr oder weniger unbewusst auch in außenpolitische Zusammenhänge vordrang, intervenierte nicht zuletzt der Kaiser zielgerichtet in regionale und lokale Bereiche.
E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext I. Netzwerke und Stadtgeschichtsforschung Wie bereits im Forschungsüberblick erwähnt1, findet der Begriff des „Netzwerks“ im Bereich der Stadtgeschichtsforschung schon seit langem Verwendung. Aufbauend auf der von der modernen Geografie seit den 1930er Jahren entwickelten „Theorie der Zentralen Orte“2 verwendet die Stadtgeschichtsforschung3 zur Ordnung, Hierarchisierung und systematischen Beschreibung des Verhältnisses von Städten zueinander, ihrer Verteilung im Raum und der damit verbundenen Abgrenzung von charakteristischen städtischen Landschaften sowie zur Typologisierung von Faktoren, die die Stadtentwicklung bestimmen, neben den sogenannten Leitelementen „zentralörtliche Gefüge“ und „Städtelandschaften“ auch das der „Städtenetze“4. Mit diesen „Städtenetzen“ werden die Beziehungen der Städte 1
Siehe oben S. 59 f. Die Theorie stammt von Walter Christaller, Die zentralen Orte in Süddeutschland. Eine ökonomisch-geographische Untersuchung über die Gesetzmäßigkeit der Verbreitung und Entwicklung der Siedlungen mit städtischen Funktionen (Jena 1933 ND Darmstadt 1968), zu den Grundfragen insbesondere S. 11–15. Demnach fragt Christaller nach den Gesetzmäßigkeiten zur Bestimmung von Größe, Anzahl und Verteilung von Städten im Raum. Gegenstand seiner Untersuchung ist unter anderem die Stadt Nürnberg, vgl. ebd., S. 182 ff. Ders., Das Grundgerüst der räumlichen Ordnung in Europa. Die Systeme der europäischen zentralen Orte (Frankfurter Geographische Hefte 1, Frankfurt a. M. 1950), S. 7–14. Übertragung auf die mittelalterliche Geschichte erfuhr die Theorie zunächst bei Emil Meynen, Einführung, in: Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung, hg. von dems. (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 8, Köln / Wien 1979), S. VII–XII, hier vor allem S. VII– IX. Vgl. auch aus heutiger Sicht mit wichtigen Hinweisen Harm von Seggern, Die Theorie der „Zentralen Orte“ von Walter Christaller und die Residenzbildung, in: Hof und Theorie. Annäherungen an ein historisches Phänomen, hg. von Reinhardt Butz / Jan Hirschbiegel / Dietmar Willoweit (Norm und Struktur 22, Köln u. a. 2004), S. 105–144. 3 Peter Johanek, Stadtgeschichtsforschung – ein halbes Jahrhundert nach Ennen und Planitz, in: Europäische Städte im Mittelalter, hg. von Ferdinand Opll / Christoph Sonnlechner (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 52, Innsbruck / Wien / Bozen 2010), S. 45–92. Ders., Stadtgeschichtsforschung. Leistungen und Perspektiven der mediävistischen Forschung, in: Schauplatz Mittelalter Friesach. Kärntner Landesausstellung 2001, Bd. 1: Einführung (Klagenfurt 2001), S. 115–135. 4 Vgl. Monika Escher / Alfred Haverkamp / Frank G. Hirschmann, Städtelandschaft – Städtenetz – zentralörtliches Gefüge. Einleitung, in: Städtelandschaft – Städtenetz – zentralörtliches Gefüge. Ansätze und Befunde zur Geschichte der Städte im hohen und späten Mittelalter, hg. von dens. (Trierer Historische Forschungen 43, Mainz 2000), S. 9–53. Zur Begriffsbestimmung von „Städtelandschaft“, „Städtenetz“ und „zentralörtlichem Gefüge“ auch Alfred Heit, Stadt, Stadt-Land-Beziehung, Städtelandschaft. Über die Entwicklung der ge 2
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
untereinander, insbesondere ihre kommunikativen Verflechtungen bezeichnet5. Auch an Nürnberg wurde der Ansatz exemplarisch erprobt6. schichtswissenschaftlichen Definition historischer Siedlungsphänomene, in: ebd., S. 55–78. Monika Escher / Frank G. Hirschmann, Die urbanen Zentren des hohen und späteren Mittelalters. Vergleichende Untersuchungen zu Städten und Städtelandschaften im Westen des Reiches und in Ostfrankreich, Bd. 1: Thematischer Teil (Trierer Historische Forschungen 50/1, Trier 2005), S. 11–61, insbesondere S. 11–23. Vgl. ferner Rolf Kießling, Strukturen südwestdeutscher Städtelandschaften zwischen Dominanz und Konkurrenz: Der Fall Oberschwaben, in: Städtelandschaft = Réseau urbain = Urban network: Städte im regionalen Kontext in Spätmittelalter und früher Neuzeit, hg. von Holger Thomas Gräf / Katrin Keller (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 62, Köln u. a. 2004), S. 65–90. Selzer / Ewert, Netzwerke im europäischen Handel, S. 24. Gabriel Zeilinger, Netz. Auf Franken und mit einem Schwerpunkt auf „kleine“ Städte bezogen: Helmut Flachenecker, Fränkische Städtelandschaften. Anmerkungen zu einem Forschungsdesiderat, in: JbffL 59 (1999), S. 87–108; Städtelandschaften in Altbayern, Franken und Schwaben. Studien zum Phänomen der Kleinstädte während des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von dems./Rolf Kießling (ZBLG. Beihefte. Reihe B 15, München 1999). Auf kulturelle und mediale Bedingungen der „Zentralität“ gerichtet: Kommunikation in mittelalterlichen Städten, hg. von Jörg Oberste (Forum Mittelalter. Studien 3, Regensburg 2007). 5 Escher / Haverkamp / Hirschmann, Einleitung, S. 23 f. Neben den kommunikativen Verflechtungen würden auch die herrschaftlichen Verbindungen eine Rolle spielen. Escher / Hirschmann, Die urbanen Zentren des hohen und späteren Mittelalters, S. 20, Anm. 74. Unter anderem mit „Nachrichtennetzen“ zwischen Städten aus dem Blickwinkel des Botenwesens hat sich am Beispiel „schweizerisch-oberdeutscher Städte“ jüngst Clara Hübner, Im Dienste ihrer Stadt. Boten- und Nachrichtenorganisationen in den schweizerisch-oberdeutschen Städten des späten Mittelalters (Mittelalter-Forschungen 30, Ostfildern 2012), beschäftigt; vgl. insbesondere S. 1–15; 169–248. 6 Laurence Buchholzer-Rémy, Une ville en ses réseaux. Nuremberg à la fin du Moyen Âge (Histoire et société Europes Centrales, Paris 2006), zu Forschungsgeschichte, Theorie und Vorgehensweise insbesondere S. 7–38. Zuvor dies., L’intercommunalité en Franconie à la fin du Moyen Âge (Diss. phil. Lyon 2001), online: http://theses.univ-lyon2.fr/documents/getpart. php?id=327&action=pdf [Stand: 7. Februar 2013]. Außerdem dies., Stadtregierung in Krisenzeiten. Weitere Beispiele für die Berücksichtigung städtischer Netzwerkstrukturen sind: Felicitas Schmieder, Frankfurt am Main im Mittelalter. Bürger zwischen König, Kirche und Rat, im Druck; die Arbeit war mir nicht zugänglich. Dies., Städte und Herrscher: Könige und Fürsten, Hauptstädte und Residenzen im Reich und in Europa im 14. Jahrhundert, in: Europäische Governance im Spätmittelalter. Heinrich VII. von Luxembourg und die großen Dynastien Europas, hg. von Michel Pauly (Publications de CLUDEM 27, Luxemburg 2010), S. 99– 113, hier insbesondere S. 108 f. Zu städtischem Kommunikationsverhalten, insbesondere der Reichsstadt Nürnberg, vgl. Wolfgang Wüst, Reichsstädtische Kommunikation in Franken und Schwaben. Nachrichtennetze für Bürger, Räte und Kaufleute im Spätmittelalter, in: ZBLG 62 (1999), S. 681–707. Ders./Carina Untheim, Frankens Städte und Territorien als Kulturdrehscheibe, sowie die weiteren Beiträge dieses Bandes, insbesondere Wolfgang Wüst, Überterritoriale Werte- und Vertrauensbildung: Geheimnisse, Gesetze, Ordnungen und Satzungen im Austausch, in: ebd., S. 161–168. Mit erweiterter Perspektive, insbesondere aber Nürnberg betreffend: ders., Netzwerke in Franken. Zwischenstaatliche Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Nachdenken über fränkische Geschichte, hg. von Erich Schneider (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IX. Reihe: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 50, Neustadt a.d.A. 2005), S. 107–128. Pierre Monnet, Pouvoir communal et communication politique dans les villes de l’Empire à la fin du Moyen Âge, in: Francia 31 (2004), S. 121–139, hier S. 124 f., 137–139. Für frühere Zeiten auch Miloslav
I. Netzwerke und Stadtgeschichtsforschung
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Daneben werden die Beziehungen von Fürsten zu einer Stadt oder einer Gruppe von Städten untersucht, so nicht zuletzt des Königs zu den Reichsstädten, eines Landesherrn zu landsässigen Städten in seinem Territorium oder eines Fürsten gegenüber einem Städtebund – von Interesse war unter anderem das Verhältnis des Stadtherrn zur sich emanzipierenden Bürgergemeinde oder die städtische Rolle beim Ausbau der Landesherrschaft7. Dabei überwog lange Zeit die Perspektive „von oben“, wobei die „Städtepolitik“ des jeweiligen Fürsten ins Zentrum der Betrachtung gestellt wurde. Insbesondere Heinig, Holtz und Fahlbusch setzten sich für die Zeit von 1376 bis 1450 eingehend mit dem Verhältnis von Reichs- und Freien Städten und dem Königtum auseinander8. Andere Forschungen konzentrierten sich auf das Verhältnis von Stadt und Hof beziehungsweise Residenz9. Polívka, Nürnberg als Nachrichtenzentrum in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Kommunikationspraxis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und in der Renaissance, hg. von Heinz-Dieter Heimann / Ivan Hlaváček (Paderborn 1998), S. 65–177. Ebenso bereits Lore Sporhan-Krempel, Nürnberg als Nachrichtenzentrum zwischen 1400 und 1700 (Nürnberger Forschungen 10, Nürnberg 1968). 7 Vgl. beispielsweise Henning Steinführer, Herzog Albrecht und die Städte. Zum Verhältnis zwischen Städten und Stadtherren in Sachsen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, in: Herzog Albrecht der Beherzte (1443–1500). Ein sächsischer Fürst im Reich und in Europa, hg. von André Thieme (Köln / Weimar / Wien 2002), S. 213–231. In Bezug auf stadt-, landesund reichshistorische Blickwinkel am Beispiel Waiblingens instruktiv auch Ellen Widder, Waiblingen. Eine Stadt im Spätmittelalter (Waiblingen in Vergangenheit und Gegenwart 16, Remshalden 2005), S. 13–19, insbesondere S. 13 f. Christina Antenhofer, Die Gonzaga und Mantua. Kommunikation als Mittel der fürstlichen Herrschaft in der Stadt, in: Kommunikation in mittelalterlichen Städten, hg. von Jörg Oberste (Forum Mittelalter. Studien 3, Regensburg 2007), S. 29–49. 8 Paul-Joachim Heinig, Reichsstädte, Freie Städte und Königtum 1389–1450. Ein Beitrag zur deutschen Verfassungsgeschichte (VIEG, Abt. Universalgeschichte 108 = Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches 3, Wiesbaden 1983). Ders., Städte und Königtum im Zeitalter der Reichsverdichtung, in: La ville, la bourgeoisie et la genèse de l’État moderne (XIIe –XVIIIe siècles), hg. von Neithard Bulst / Jean-Philippe Genêt (Paris 1988), S. 87–111, hier S. 88 f. Eberhard Holtz, Reichsstädte und Zentralgewalt unter König Wenzel 1376–1400 (Studien zu den Luxemburgern und ihrer Zeit 4, Warendorf 1993). Friedrich Bernward Fahlbusch, Städte und Königtum im frühen 15. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Geschichte Sigmunds von Luxemburg (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen A 17, Köln / Weimar 1983). Vgl. bereits Gerhard Pfeiffer, Stadtherr und Gemeinde in den spätmittelalterlichen Reichsstädten, in: Die Stadt am Ausgang des Mittelalters, hg. von Wilhelm Rausch (Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas 3, Linz 1974), S. 201–223. Peter Moraw, Reichsstadt, Reich und Königtum im späten Mittelalter, in: ZHF 4 (1979), S. 385–424. 9 Vgl. etwa Johann Kolb, Heidelberg. Die Entstehung einer landesherrlichen Residenz im 14. Jahrhundert (Residenzenforschung 8, Sigmaringen 1999). Klaus Neitmann, Was ist eine Residenz? Methodische Überlegungen zur Erforschung der spätmittelalterlichen Residenzbildung, in: Vorträge und Forschungen zur Residenzenfrage. hg. von Peter Johanek (Residenzenforschung 1, Sigmaringen 1990), S. 11–43, insbesondere S. 24–28. Die diversen Beiträge in: Der Hof und die Stadt. Konfrontation, Koexistenz und Integration in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. 9. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, hg. von Werner Paravicini / Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 20, Ostfildern 2006). Thomas Zotz, Informelle Zusammenhänge zwischen Hof und Stadt, in: Informelle Strukturen bei Hof. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes, hg. von Rein-
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
Zumeist kommen all diese Forschungen in den Übergangsbereichen zwischen Stadt- und Verfassungsgeschichte ohne das Analyseraster von Netzwerken aus. Alle Aspekte zusammengenommen fällt auf, dass die Netzwerkperspektive bisher fast ausschließlich zur Beschreibung des Verhältnisses von Städten unter einander herangezogen wurde. Politisches Handeln zwischen Fürsten, Königen oder anderen Herrschaftsträgern einerseits und Städten andererseits wurde dagegen zumeist in Zweierkonstellationen untersucht10. Monnet11 weist in seiner Untersuchung von „Diplomatie et relations avec l’extérieur“ von Städten darauf hin, dass im Gegensatz zum König und den Fürsten Städte Besonderheiten in ihrem politischen Handeln nach außen aufwiesen, etwa weil ihnen bestimmte Handlungs optionen nur eingeschränkt oder gar nicht zur Verfügung stünden, sie etwa Bündnisschließungen nur unter erschwerten Bedingungen wahrnehmen könnten, die Heiratspolitik ihnen sogar ganz versagt bleibe.
hardt Butz / Jan Hirschbiegel (Vita curialis. Formen und Wandel höfischer Herrschaft 2, Berlin 2009), S. 157–168. Städtisches Bürgertum und Hofgesellschaft. Kulturen integrativer und konkurrierender Beziehungen in Residenz- und Hauptstädten vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini / Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 25, Ostfildern 2012). Jüngst erschienen ist auch das einschlägige Themenheft: Stadt und Hof, in: Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. NF 1 (2012). 10 Dies wird noch in jüngster Zeit deutlich bei Escher / Haverkamp / Hirschmann, Einleitung, S. 23: „So wurden auf der Tagung Städtebünde, gemeinsame Beratungen, Botengänge, kollektives Vorgehen in Krisenzeiten ebenso thematisiert wie die ‚Städtepolitik‘ bestimmter Herrschaftsträger.“ Bernhard Kreutz, Mainz, Worms und Speyer im Spannungsgefüge zwischen Bischof, Adel und Reich um 1300, in: Städtelandschaft – Städtenetz – zentralörtliches Gefüge. Ansätze und Befunde zur Geschichte der Städte im hohen und späten Mittelalter, hg. von Monika Escher / Alfred Haverkamp / Frank G. Hirschmann (Trierer Historische Forschungen 43, Mainz 2000), S. 295–347, hier S. 303–306, fordert für das 13. und 14. Jahrhundert, den Blick von unten der Städte auf das Königtum einzunehmen und so die „Königspolitik der Städte“ stärker zu betonen. Außerdem bezieht er sich auf das Konzept der Städtenetze, in seinem Falle als „Netz vertraglicher Beziehungen der Städte untereinander“, ebd., S. 347. Vgl. auch ders., Städtebünde und Städtenetze am Mittelrhein im 13. und 14. Jahrhundert (Trierer historische Forschungen 54, Trier 2005). Ders., Königtum – Fürsten – Städtebünde: Die Außenbeziehungen der Stadt Worms im Spätmittelalter, in: Geschichte der Stadt Worms, hg. von Gerold Bönnen (Stuttgart 2005), S. 180–192. 11 Pierre Monnet, Diplomatie et relations avec l’extérieur dans quelques villes de l’Empire à la fin du Moyen Âge, in: Krieg und Frieden im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Theorie – Praxis – Bilder, hg. von Heinz Duchhardt / Patrice Veit, unter Mitwirkung von Pierre Monnet (VIEG. Abt. für Universalgeschichte. Beiheft 52, Mainz 2000), S. 73–101, hier S. 82 f. Monnets Ansatz ist im Kontext eines neuen Interesses der Forschung an städtischen Außenbeziehungen beziehungsweise städtischer Außenpolitik zu sehen, vgl. den Sammelband: Spezialisierung und Professionalisierung. Träger und Foren städtischer Außenpolitik während des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. von Christian Jörg / Michael Jucker (Trierer Beiträge zu den historischen Kulturwissenschaften 1, Wiesbaden 2010). Einen Forschungsüberblick bietet die Einleitung Christian Jörg / Michael Jucker, Städtische Gesandte – Städtische Außenpolitik. Zur Einführung, in: ebd., S. 11–30. Siehe außerdem oben die Anmerkungen zu jüngeren Ansätzen spätmittelalterlicher Außenpolitik in A. I. 2.
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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So stellt sich in Bezug auf die Betrachtung politischer Netzwerke die Frage, wie sich Städte als organisierte Gemeinwesen in diesen politischen Netzwerken als Akteure neben anderen verhalten, in welcher Weise sie agieren und ihre Interessen vertreten, ob sie ihnen eigene Akteurseigenschaften aufweisen und ob spezifisch städtische Formen von Governance zu beobachten sind. Dies soll im Folgenden am Beispiel der politischen Netzwerke um Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg zwischen 1470 und 1475 untersucht werden. Die Komplexität der in diesem Fall auf verschiedenen Ebenen politischer Netzwerke ablaufenden Prozesse zwingt zu einer ausführlichen Auseinandersetzung mit der besonders dichten Überlieferung.
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg 1470–1475 1. Vorbemerkung Vnd wer Vns thet wie man sich dagegen schicken vnd halden sol, sie Mogen wol marren, sie beissen Vns nicht vnd ob sie gern beissen wollen, so haben Wir eß In von den gnaden gotts hynnen und daaussen wol zuuerbieten12. Diese Worte richtete der in der Mark weilende Kurfürst Albrecht von Brandenburg am 1. Januar 1472 an den Hauptmann auf dem Gebirge, Heinrich von Aufseß, zur Charakterisierung des Verhaltens der Nürnberger Bürger ihm gegenüber. Albrecht von Brandenburg genoss sowohl bei seinen Zeitgenossen als auch in der Forschung bis heute den Ruf eines „Städtehassers“, ja bisweilen geradezu den des Prototyps eines unermüdlichen Kämpfers gegen das Aufkeimen städtischer Macht und eines Gegners bürgerlich-städtischer Lebensformen als solcher13. Die Forschung hat vielfach die Bedeutung, die der Markgraf für die Entwicklung von Nürnberg und umgekehrt die Reichsstadt für die Herrschaft des Markgrafen hatte, betont14. Die Beziehungen zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg waren vor dem Jahre 1470 bereits tiefgreifend gestört. 1449 und 1450 hatten sich beide Parteien im sogenannten „ersten Markgrafenkrieg“, der Teil des großen zweiten süddeutschen Städtekrieges war, gegenübergestanden15. 12 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 11, S. 18–22, hier S. 21 f. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 269, S. 304 f. Marren ist in diesem Zusammenhang als „murren“ zu verstehen, vgl. Alfred Götze, Frühneuhochdeutsches Glossar (Kleine Texte für Vorlesungen und Übungen 101, Bonn ²1920), S. 156. 13 Vgl. statt anderer: Felix Priebatsch, Die Hohenzollern und die Städte der Mark im 15. Jahrhundert (Berlin 1892), S. 13–26. Differenziert: Schultze, Mark Brandenburg, S. 103. Ferner Quirin, Albrecht als Politiker, S. 262. Schubert, Albrecht Achilles, S. 139–142. 14 Vgl. etwa Hermann Heimpel, Nürnberg und das Reich des Mittelalters, in: ZBLG 16 (1951), S. 231–264, hier S. 256–258. 15 Vgl. zum ersten Markgrafenkrieg: Beilagen zu Nürnbergs Krieg gegen Markgraf Albrecht, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 2 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert 2, Leipzig 1864), S. 353–530, zum Geschehen
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
Nach schweren Kämpfen im Nürnberger Umland und der Schlacht am Pillen reuther Weiher nordöstlich von Schwabach, die der Markgraf verlor, endeten die kriegerischen Auseinandersetzungen mit der Bamberger Richtung vom Juni 1450, die erst 1453 unter maßgeblichem Einfluss Herzog Ludwigs IX. von BayernLandshut zum Frieden von Lauf an der Pegnitz führte, mit dem die Reichsstadt Nürnberg ihre territorialen und Herrschaftsansprüche behaupten konnte16. Seit diesem Frieden bemühten sich beide Seiten anscheinend zunächst intensiv, neue Spannungen zu vermeiden; ein unüberbrückbares Misstrauen muss aber zwischen ihnen fortbestanden haben17. Bestrebungen, ihre jeweilige Landesherrschaft auszubreiten und zu verfestigen, bestanden allerdings fort, nicht zuletzt da Franken im späteren 15. Jahrhundert gemeinhin als Landschaft im Reich angesehen wird, in der die Territorienbildung zurückgeblieben, der Weg zum „territorium clausum“ also nicht gelungen sei18; vielfältige Überschneidungen von Ansprüchen und Rechten führten hier immer wieder zu Auseinandersetzungen19. Nach einhelliger Meinung der jüngeren Forschung waren die territorialen Ausdehnungsbemühungen des Markgrafen in Franken bis zum Jahre 1470 misslungen20.
insbesondere S. 355–416. Gabriel Zeilinger, Lebensformen im Krieg. Eine Alltags- und Erfahrungsgeschichte des süddeutschen Städtekriegs 1449/1450 (VSWG. Beiheft 196, Stuttgart 2007), S. 31–36. Reinhard Seyboth, Art. „Markgrafenkriege“, in: Stadtlexikon Nürnberg, hg. von Michael Diefenbacher / Rudolf Endres (Nürnberg ²2000), S. 671. Erich Straßner, Art. „Markgrafenkrieg“, in: Verf.-Lex. 6 (²1987), Sp. 66–68. Ders., Art. „Markgrafenkrieg“, in: Verf.-Lex. 11 (²2004), Sp. 977. A[lfred] Wendehorst, Art. „Markgrafenkrieg, Erster (1449/1450)“, in: Lex.MA 6 (1993), Sp. 304 f. Richard Kölbel, Der erste Markgrafenkrieg 1449–1453, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 65 (1978), S. 91–123. Vgl. ferner die älteren Darstellungen Adolph Friedrich Riedel, Der Krieg des Markgrafen Albrecht Achill mit der Stadt Nürnberg, in: Zeitschrift für preussische Geschichte und Landeskunde 4 (1867), S. 527–554, 682–699, 723–741. Heinrich Wilhelm Bensen, Vom Städtekrieg in Franken, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für das wirtembergische Franken 8 (1854), S. 91–95. Weiß, Franken am Ausgang des späten Mittelalters, S. 433–435. Zur älteren Nürnberger Stadtgeschichte: Karl Bosl, Die bayerische Stadt in Mittelalter und Neuzeit. Altbayern – Franken – Schwaben (Regensburg 1988), zu Nürnberg insbesondere S. 157–164. Schubert, Albrecht Achilles, S. 139–143. Erich Frhr. von Guttenberg, Nürnberg im Wechselspiel der politischen Mächte des Mittelalters, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 42 (1951), S. 6–13, hier S. 11 f. 16 Vgl. Wendehorst, Markgrafenkrieg, Sp. 304 f. 17 Schubert, Albrecht Achilles, S. 142. 18 Hanns Hubert Hofmann, Territorienbildung in Franken im 14. Jahrhundert, in: Der deutsche Territorialstaat im 14. Jahrhundert, hg. von Hans Patze, Bd. 2 (VuF 14, Sigmaringen 1971), S. 255–300, hier S. 284, 299. Vgl. Merz, Fürst und Herrschaft, S. 30–52. Zusammenfassend auch ders., Fürstliche Herrschaft um 1500. Franken und Schwaben im Vergleich, in: HJb 124 (2004), S. 363–377. Rudolf Endres, Auf- und Ausbau des Bayreuther Territoriums, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken 74 (1994), S. 55–71, hier S. 71. 19 Vgl. Leiser, Landgebiet, S. 232. 20 G[erd] Heinrich, Art. „Albrecht Achilles“, in: Lex.MA 1 (1980), Sp. 317 f., hier Sp. 318. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 23. Siehe aber die Ergebnisse zu den Brauneckschen Lehen, die diese Bewertung teilweise nun in anderem Licht erscheinen lassen, oben D. II.
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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Während gerade die Zeit vor 1470, vor allem der sogenannte Markgrafenkrieg, Gegenstand intensiver historischer Studien war, sind die Beziehungen zwischen der Reichsstadt Nürnberg und Albrecht von Brandenburg nach 1470, insbesondere seit der Übernahme der brandenburgischen Kurwürde, bisher nur sporadisch untersucht worden21. Dies mag zum einen darin begründet liegen, dass die reichspolitischen Ereignisse jener Tage die lokal- und regionalgeschichtlichen Begebenheiten in den Schatten stellten. Zum anderen sind in Franken aus dieser Zeit weder ein „heißer“ Krieg noch Friedensschlüsse zu berichten; außerdem wird angenommen, dass sich mit der Übernahme der brandenburgischen Kurwürde die Interessen des Kurfürsten stärker nach Norden verlagerten22. Von Eyb stellte in seiner Studie über „Ludwig von Eyb und die friedliche Streiterledigung unter territorialen Reichsständen“ fest: „Zwischen den benachbarten Reichsständen kam es immer wieder zu Streitigkeiten. Gewaltmaßnahmen der Bürger Nürnbergs und der Untertanen Markgraf Albrechts kamen häufig vor, führten aber nicht zu einer Fehde der Reichsstände selbst. Lieber regelten die Reichsstände ihre Streitigkeiten friedlich.“23 Aus seiner auf die Rolle Ludwigs von Eyb beschränkten Sicht bietet er bei seiner Untersuchung der regional-fränkischen Ereignisse des Jahres 1470 keine weitergehende Interpretation24. Aber auch in einschlägigen Stadtgeschichtsforschungen finden sich höchstens rudimentäre Hinweise25 auf die Geschichte dieser Jahre; die hier betrachtete Zeitspanne fällt in „Nürnbergs große Zeit“, wie vielfach die Periode nach dem Markgrafenkrieg bis weit ins 16. Jahrhundert hinein von der Forschung zur Nürnberger Stadtgeschichte charakterisiert wird26. Für eine politische Netzwerkforschung sind allerdings genau solche Zeiten interessant, weil politisches Handeln nicht auf Extremsituationen von Krieg, Gewalt oder bedeutenden Einzelereignissen beschränkt werden kann.
21
Ausführlicher bei Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1098–1141. Eugen Franz, Nürnberg, Kaiser und Reich. Studien zur reichsstädtischen Außenpolitik (München 1930), S. 16 f. 23 von Eyb, Ludwig von Eyb, S. 79. 24 Ebd., S. 78–81 sowie 81–88. Es handelt sich um eine rechtshistorische Annäherung an das Thema. 25 Beispielhaft sei genannt Emil Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg von dem ersten urkundlichen Nachweis ihres Bestehens bis zu ihrem Übergang an das Königreich Bayern (1806) (Nürnberg 1896), S. 436–457. Reicke beschäftigt sich nur am Rande mit den Beziehungen der Stadt zu Albrecht von Brandenburg, stärker berücksichtigt er dagegen Reichstage und den kaiserlichen Aufenthalt von 1471 sowie das Vorgehen der Stadt gegenüber „Raubrittern“. Auch in jüngeren Überblicksdarstellungen findet sich zu den fränkischen Ereignissen in jenen Jahren so gut wie nichts, vgl. beispielsweise Weiß, Franken am Ausgang des späten Mittelalters, S. 443–446. Bei Gerhard Hirschmann, Zeitalter des Markgrafen Albrecht Achilles, in: Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, hg. von Gerhard Pfeiffer (München 1971), S. 115–120, wird für diese Zeit lediglich der Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg im Jahre 1471 erwähnt. 26 So die Überschrift zu den Aufsätzen, die die Zeit zwischen 1438 und 1555 behandeln, in: Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, hg. von Gerhard Pfeiffer (München 1971), S. 115. 22
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
So lautet die Frage, wie politische Netzwerke in Franken aussahen, wie sie funktionierten und funktionieren mussten, damit es zu politischen Extremereignissen erst gar nicht kam. Neben einer solchen eher regionalen Perspektive ist aber auch nach der Rolle des Kaisers zu fragen. Franken hat nach Moraw im 14. Jahrhundert als „königsnahe Landschaft“ zu gelten, als Herrschaftsschwerpunkt der Reichsgewalt27. Unausgesprochen unternahm man jedoch in der älteren Forschung eine zeitliche Differenzierung, denn spätestens seit der Herrschaft König Albrechts II. (1438/1439) habe ein distanziertes Verhältnis zwischen den fränkischen Mächten und der Zentralgewalt bestanden; vor allem in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts habe der Kaiser in die regionalen Konflikte und Konstellationen nicht 27
Moraw, Franken als königsnahe Landschaft, S. 123–138. Schubert, Königsnahe Landschaft, kommt für die Herrschaft Karls IV. zu anderen Ergebnissen als Moraw. Während letzterer den Personenverband hervorhob, den die „königsnahen Grafen und Herren im Spätmittelalter in Franken“ gebildet hätten, der in personeller Hinsicht besonders eng mit dem Königtum verbunden gewesen sei, sprach Schubert Franken unter Karl IV. gerade dieses Charakteristikum zur Bewertung von „Königsnähe“ ab; er bewertet das karolinische Franken dagegen stärker vom „spezifische[n] regionale[n] Profil Frankens als einer im Einflußbereich der königlichen Hausmachtpolitik gelegenen Landschaft“, so zusammenfassend Annas, Hoftag, 1, S. 308. Vgl. hierzu insgesamt auch oben S. 31, Anm. 57. Zu Franken jener Zeit vgl. Friedrich Stein, Geschichte Frankens, Bd. 1: Mittelalter (Schweinfurt 1885, ND A alen 1966). Bernhard Schmeidler, Franken, seine Mächte und seine Lage im alten deutschen Reich, in: ders., Franken und das Deutsche Reich im Mittelalter. Studien zur landschaftlichen Gliederung Deutschlands in seiner geschichtlichen Entwicklung (Erlanger Abhandlungen zur mittleren und neueren Geschichte 7, Erlangen 1930), S. 65–89; ursprünglich veröffentlicht in: Jahresberichte des Historischen Vereins für Mittelfranken 66 (1930), S. 185–201. Emil Reicke / Reinhold Schaffer, Vereinschronik, in: Jahresberichte des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 51 (1929), S. 3–39, zu einem Vortrag von Bernhard Schmeidler über „Nürnberg, Franken und das Deutsche Reich im späteren Mittelalter“, S. 25–27. Wolfgang Wüst, Die politischen Kräfte am Übergang zur Neuzeit und ihre Fixierung im spätmittelalterlichen Franken, in: Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und Geschichte, hg. von Johannes Merz / Robert Schuh (Hefte zur bayerischen Landesgeschichte 3, München 2004), S. 121–147. Überblicksartig und zeitlich weit ausgreifend: Helmut Weigel, Epochen der Geschichte Frankens, in: Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte und Kunst 5 (1953), S. 1–30. Weiß, Franken am Ausgang des späten Mittelalters. Reinhard Seyboth, Aufbau eines Territoriums. Die Hohenzollern in Franken und ihre Nachbarn, in: Bayern & Preußen & Bayerns Preußen. Schlaglichter auf eine historische Beziehung, hg. von Johannes Erichsen / Evamaria Brockhoff (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 41/99, Augsburg 1999), S. 21–29. Wolfgang Wüst, Auf der Suche nach dem fränkischen Modellstaat. Territorialisierung – Modernisierung – Identifizierung, in: Franken. Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte, hg. von Werner K. Blessing / Dieter J. Weiß (Franconia 1, Neustadt a.d.A. 2003), S. 141–167. Karl Bosl, Bayerische Geschichte (München 1971), S. 117– 214, hier vor allem S. 161–165. Insgesamt auch A[lfred] Wendehorst, Art. „Franken“, in: Lex. MA 4 (1989), Sp. 728–735, hier Sp. 730–733. Rudolf Endres, Franken im Spätmittelalter, in: Edel und Frei. Franken im Mittelalter. Katalog zur Landesausstellung 2004, hg. von Wolfgang Jahn / Jutta Schumann / Evamaria Brockhoff (Veröffentlichungen zur Bayerischen Geschichte und Kultur 47/04, Augsburg 2004), S. 50–70, hier S. 54–70. Dieter J. Weiß, Die Entstehung Frankens im Mittelalter. Von der Besiedlung zum Reichskreis, in: Franken. Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte, hg. von Werner K. Blessing / Dieter J. Weiß (Franconia 1, Neustadt a.d.A. 2003), S. 51–67.
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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mehr eingreifen können28. Heinig unterzog dieses Bild einer Korrektur29. So wies er insbesondere auf die Bedeutung fränkischer Adliger im Dienste Kaiser Friedrichs III. als Ausdruck der engen Verflechtung zwischen Franken und der „Zentralgewalt“ hin30. Damit ist auch die Rolle des Kaisers bei der Untersuchung regionaler Netzwerke in Franken zu berücksichtigen, die im Folgenden am Beispiel der Beziehungen Kurfürst Albrechts von Brandenburg zur Reichsstadt Nürnberg vorgenommen wird. 2. Die Affäre Niklas Muffel Ende Juli 1470 nahm Markgraf Albrecht von Brandenburg in einem Schreiben an seinen Kanzler Johann Volker Bezug auf die Affäre um den Nürnberger Bürger Niklas Muffel, die mit seiner Hinrichtung am 28. Februar 1469 ihr spektakuläres Ende gefunden hatte; sein Schicksal bot nicht nur den Zeitgenossen, sondern auch der Nachwelt bis hin zur Romanliteratur des 20. Jahrhunderts reichlich Stoff für Spekulation31. Der aus einer seit den 80er Jahren des 13. Jahrhunderts in 28 Dieses Bild vermitteln zum Beispiel: Alois Gerlich / Franz Machilek, Die innere Entwicklung vom Interregnum bis 1800: Staat, Gesellschaft, Kirche, Wirtschaft. Erster Teil: bis 1500, in: Handbuch der bayerischen Geschichte, Bd. 3,1: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. von Andreas Kraus (München ³1997), S. 537–701, hier S. 539. 29 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1076. 30 Vgl. ebd., S. 1075–1141. 31 Zu Niklas Muffel vgl. Ernst Mummenhoff, Art. „Nikolaus Muffel“, in: ADB 22 (1885), S. 444–451. Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 443–449. Carl Hegel, Niklas Muffels Leben und Ende, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 14 (1901), S. 227–236. Gerhard Hirschmann, Die Familie Muffel im Mittelalter. Ein Beitrag zur Geschichte des Nürnberger Patriziats, seiner Entstehung und seines Besitzes, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 41 (1950), S. 257–392, hier S. 311–342. Ders., Nikolaus Muffel, in: Nürnberger Gestalten aus neun Jahrhunderten, hg. von Christoph von Imhoff (Nürnberg 1950), S. 25–28. Ders., Nikolaus III. Muffel, 1410–1469, in: Aus sieben Jahrhunderten Nürnberger Stadtgeschichte. Ausgewählte Aufsätze von Gerhard Hirschmann, hg. von Kuno Ulshöfer (Nürnberger Forschungen 25, Nürnberg 1988), S. 31–49; ursprünglich veröffentlicht in: Fränkische Lebensbilder. Neue Folge der Lebensläufe aus Franken, Bd. 3 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe VII, A, Würzburg 1969), S. 50–68. Gerd Tellenbach, Glauben und Sehen im Romerlebnis dreier Deutscher des fünfzehnten Jahrhunderts, in: ders., Ausgewählte Abhandlungen und Aufsätze, Bd. 3 (Stuttgart 1988), S. 1151–1180, hier S. 1151–1163; ursprünglich veröffentlicht in: Römische Kurie, Kirchliche Finanzen, Vatikanisches Archiv. Studien zu Ehren von Hermann Hoberg, hg. von Erwin Gatz, Bd. 2 (Miscellanea Historiae Pontificiae 46, Roma 1979), S. 883–912. Helgard Ulmschneider, Art. „Muffel, Nikolaus“, in: Verf.-Lex. 6 (²1987), Sp. 713–718. Gerhard Hirschmann, Art. „Muffel, v.“, in: NDB 18 (1997), S. 568 f., zu Niklas Muffel S. 569. Michael Diefenbacher, Art. „Muffel, Nikolaus III.“, in: Stadtlexikon Nürnberg, hg. von dems./Rudolf Endres (²2000), S. 709. Martin Schieber, „Nu hort ein sach, die ist noch neu…“ Aufstieg und Fall des Losungers Nikolaus Muffel, in: Pfänder, Zinsen, Inflation. Schulden und Verschuldung in der Nürnberger Stadtgeschichte, hg. von dems. (Nürnberger Stadtgeschichte[n] 2, Nürnberg 2000), S. 13–18. [O. V.], Art. „Muffel, Nikolaus III.“, in: Große Bayerische Biographische Enzyklopädie, Bd. 2 (München 2005), S. 1363. Achim Thomas Hack, Ein ano
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
Nürnberg nachweisbaren Kaufmanns- und Financiersfamilie stammende Niklas Muffel, geboren 1410 und rasch Vollwaise, nahm sehr schnell – wie zahlreiche seiner Vorfahren auch – wichtige Positionen innerhalb der komplizierten Nürnberger Ratsverfassung ein32. Seit 1433 saß er im Rat, bereits mit 33 Jahren war er älterer Bürgermeister, etwa zehn Jahre darauf Älterer Herr und Losunger33. Seit 1447 schon war er dauernd mit diplomatischen Missionen betraut, wie 170 in den Nürnberger Briefbüchern erhaltene Schreiben zwischen ihm und dem städtischen Rat verdeutlichen; dabei stellte seine Teilnahme am Romzug Friedrichs III. sicherlich einen Höhepunkt seiner Tätigkeit dar34. Diese steile Karriere nahm ihr jähes Ende, als der für die städtischen Finanzen verantwortliche Losunger Muffel am 14. oder 15. Februar 1469 in der Losungerstube verhaftet wurde. Unter strengster Geheimhaltung wurde ihm nach langen Verhören am 28. Februar 1469 der Prozess gemacht; noch am selben Tag wurde er gehängt. Drei Tatkomplexe wurden
nymer Romzugsbericht von 1452 (Ps-Enenkel) mit den zugehörigen Personenlisten (Teil nehmerlisten, Ritterschlagslisten, Römische Einzugsordnung (ZfdA. Beiheft 7, 2007), S. 183. Zu Verurteilung und Hinrichtung insbesondere Carl Hegel, Nicolaus Muffel’s Prozeß und Verurtheilung, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 5 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 11, Leipzig 1874), S. 753–777. Fouquet, Niklas Muffel. Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 718–720, 979. Jörg Rogge, Ehrverletzungen und Entehrungen in politischen Konflikten in spätmittelalterlichen Städten, in: Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. von Klaus Schreiner / Gerd Schwerhoff (Norm und Struktur 5, Köln / Weimar / Wien 1995), S. 110–143, hier S. 137–141. Helmut Martin, Verbrechen und Strafe in der spätmittelalterlichen Chronistik Nürnbergs. Unter besonderer Berücksichtigung der Frage nach einer schichten- bzw. standesspezifischen Strafrechtspraxis (Konflikt, Verbrechen und Sanktion in der Gesellschaft Alteuropas. Fallstudien 1, Köln / Weimar / Wien 1996), S. 119–123. Meyer, Stadt als Thema, S. 205–210. Matthias Kirchhoff, Gedächtnis in Nürnberger Texten des 15. Jahrhunderts. Gedenkbücher. Brüderbücher. Städtelob. Chroniken (Nürnberger Werkstücke zur Stadt- und Landesgeschichte 68, Nürnberg 2009), S. 77–100. Ferner Fuchs / Scharf, Nürnberger Gesandte, S. 302 f. Olga Pöhlmann, Niklas Muffel. Der Losunger (Abensberg 1948), verarbeitete die Handlung um die Affäre in Form eines Romans. 32 Vgl. Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 709 f. Die Familie Muffel lässt sich möglicherweise neben den von Neumarkt und Weigel auf den Butigler Marquard zurückführen, einen Ministerialen, der im Raum Neumarkt in der Mitte des 13. Jahrhunderts königliche Rechte wahrnahm. Nach dem Ende der staufischen Königsherrschaft und der Aneignung des Königsguts im Raum Neumarkt durch die Herzöge von Bayern wurden wohl auch die Muffel verdrängt; seit den 80er Jahren des 13. Jahrhunderts sind sie in Nürnberg nachweisbar, wobei die Konstruktion einer genealogischen Kontinuität bereits im 15. Jahrhundert unsicher war. 33 Vgl. Hirschmann, Nikolaus III. Muffel (1988), S. 31–49. Zur Ratsverfassung auch: P eter Fleischmann, Professionalisierung oder Ausschluß von Führungseliten in der Reichsstadt Nürnberg?, in: Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 2000 und 2001, hg. von Günther Schulz (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 25, München 2002), S. 49–71, hier S. 50–58. Rudolf Endres, Grundzüge der Verfassung der Reichsstadt Nürnberg, in: ZRG GA 111 (1994), S. 405–421. Nun auch: Peter Fleischmann, Rat und Patriziat in Nürnberg. Die Herrschaft der Ratsgeschlechter vom 13. bis zum 18. Jahrhundert, Bd. 1: Der Kleinere Rat (Nürnberger Forschungen 31, Nürnberg 2008). 34 Vgl. Hirschmann, Nikolaus III. Muffel (1988), S. 33–43.
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ihm vorgeworfen: Veruntreuung und Unterschlagung von öffentlichen Geldern aus der Stadtkasse, Verrat über Geheimnisse bezüglich eines Konflikts zwischen zwei Bürgern mit dem Nürnberger St. Egidien Kloster und schließlich Geheimnisverrat an Markgraf Albrecht Achill35. Bis heute ist die Bewertung der Affäre Niklas Muffel umstritten. Während Hirschmann die Bereicherung von Muffel auf seine angespannte wirtschaftliche Situation in der Folge des Paumgartner-Bankrotts zurückführt, hält Fouquet insbesondere den Tatbestand des Diebstahls für konstruiert und glaubt, die Unterschlagung sei von seinen eigenen Ratskollegen inszeniert worden, um Niklas Muffel zu beseitigen36. Umfangreich zeigt er, dass das Verhältnis zwischen ihm und den anderen Vertretern der führenden städtischen Patrizierschicht schon vorher äußerst gespannt war, wobei er insbesondere die konkurrierenden Gruppen innerhalb des städtischen Patriziats in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt und den Fall als eher typisches Beispiel eines gesellschaftlichen wie politischen Auf uffel steigers in eine Reihe vergleichbarer Fälle einordnet37. Für ihn ist der Fall M ein „sozialer Konflikt“, bei dem es eigentlich um das „Selbstverständnis [der] Gruppe“ der Mitglieder des Kleinen Rates bzw. der Patrizier ging. Fleischmann kehrt jüngst zur stärker wirtschaftlichen Deutung Hirschmanns zurück, indem er vor allem Muffels Anordnung an die Hinterbliebenen kurz vor seinem Tode, den entstandenen Schaden der Stadt zu ersetzen, und die Folgeprobleme, insbesondere die „wegen der hohen Schulden […] sehr schwierig[e]“ Teilung des Vermögens unter den Erben38 ins Zentrum seiner Interpretation stellt und damit Fouquets Grundannahme, eigentlich sei Muffels finanzielle Situation gar nicht so angespannt gewesen, eher unwahrscheinlich erscheinen lässt; ebenso sieht er hinter dem Verhalten des städtischen Rates keine gezielte politische Handlung, sondern die konsequente Verfolgung grober Vergehen des Losungers39. Hieran wird deutlich, dass bei allen Erklärungsansätzen Widersprüche zurückbleiben; insbesondere bleibt die Frage offen, warum die Veruntreuung von städtischen Geldern, die schon über ein halbes Jahr zurücklag, erst im Februar 1469 geahndet wurde40. Zwar ist im Zusammenhang mit der Affäre Muffel auch die Rolle des brandenburgischen Markgrafen berücksichtigt worden, nie aber die Affäre in den Kontext der Beziehungen Albrechts Achilles zur Reichsstadt Nürnberg gestellt worden.
35
Hegel, Prozeß und Verurtheilung, S. 765–767. Vgl. Fouquet, Niklas Muffel, S. 480, 484. 37 Vgl. ebd., S. 463 f. Zu innerstädtischen Konflikten innerhalb der Führungsgruppen auch Valentin Groebner, Ratsinteressen, Familieninteressen. Patrizische Konflikte in Nürnberg um 1500, in: Stadtregiment und Bürgerfreiheit. Handlungsspielräume in deutschen und italienischen Städten des Späten Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Klaus Schreiner / Ulrich Meier (Bürgertum. Beiträge zur europäischen Gesellschaftsgeschichte 7, Göttingen 1994), S. 278–308. 38 Vgl. Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 719. 39 Vgl. ebd., S. 979. 40 Vgl. Hirschmann, Nikolaus III. Muffel (1988), S. 46. 36
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Im Verfahren fällt auf, dass Niklas Muffel erst sehr spät als dritten Tatkomplex auch den Geheimnisverrat an den Markgrafen gestand41. Es sei hierbei um ein Kreditgeschäft der Stadt Nürnberg mit dem Würzburger Bischof gegangen. Genaueres weiß der Chronist Johannes Müllner zu berichten. Er schreibt: es ist unter dem gemeinen Mann damals eine Sag gewest, als ob er die Kaufbrief über die Burg und Wäld, so in der Losungstuben Verwahrung sein, Markgraf Albrecht heimlich zugestellet, oder Muffel habe gar noch andere Verbrechen begangen, die nicht in das Urteil gebracht worden seien; im gleichen Zug hebt Müllner hervor, dass sich in Muffels Aussage dazu gleichwohl nichts finden lasse 42. Schon bald nach seiner Verhaftung erschien Anna von Brandenburg, Albrechts Gemahlin, vor dem Rat und verwendete sich persönlich für den Inhaftierten43. Seit langem, nicht zuletzt im ersten Markgrafenkrieg, hatte Niklas Muffel mit Markgraf Albrecht von Brandenburg verhandelt und seitdem enge Beziehungen zu ihm gepflegt44. Aber auch andere Fürsten, unter ihnen nicht zuletzt der bayerische Herzog Ludwig der Reiche, schickten Bittgesuche an den städtischen Rat, Muffel zu verschonen45. Vor dem Hintergrund der Nähe zwischen dem Markgrafen und Niklas Muffel nimmt Fouquet an, so mancher im städtischen Rat habe den Losunger der „politischen Illoyalität“ bezichtigt46. In der Tat finden sich in der Korrespondenz des Markgrafen – wie teilweise schon eingangs erwähnt – mehrere Hinweise auf die Affäre Niklas Muffel. So berichtet Albrecht von Brandenburg an seine Räte beim Kaiser im Juni 1470: die grost ursach, darumb der Muffel gestorben sei, sei gewesen, das er verhut hab, das unser herschaft und die stat nicht in widerwillen miteinander fallen, dann wer er nit gewesen, so wer es geschehn in dem nechstvergangen krieg47. Mit diesem Krieg ist wohl der Reichskrieg gegen Herzog Ludwig den Reichen zu Beginn der 1460er Jahre gemeint, bei dem sich Nürnberg offiziell neutral verhalten hatte und 41
Vgl. Fouquet, Niklas Muffel, S. 487. Müllner, Annalen der Reichsstadt Nürnberg, hg. Hirschmann, S. 580. 43 Dass allerdings der Markgraf später vor dem Kaiser gegen das sich anschließende Urteil gegen Muffel die Stadt Nürnberg verklagt habe, wie Martin, Verbrechen und Strafe, S. 122, annimmt, geht aus der entsprechenden Passage der Nürnberger Jahrbücher nicht zwangsläufig hervor, vgl. Jahrbücher des 15. Jahrhunderts, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 4 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 10, Leipzig 1872), S. 47–386, hier S. 311. 44 Vgl. von Weech, Markgraf Albrecht von Brandenburg und Heideck-Nürnberg, S. 397 f. Hirschmann, Familie Muffel, S. 323 f. Im Jahre 1457 nahm Niklas Muffel an der Beerdigung der ersten Gemahlin des Markgrafen teil, ein Jahr später an der Hochzeit des Markgrafen mit Anna von Sachsen. Zuvor hatte er sich bereits mehrfach in Ansbach aufgehalten und die gemeinsame Münzordnung ausgehandelt. Zu den früheren Beziehungen von Muffel zu Albrecht von Brandenburg vgl. ebd., S. 320–322. 45 Vgl. Fouquet, Niklas Muffel, S. 493. Vgl. das wohl auch in diesem Zusammenhang entstandene undatierte Schreiben ohne Absender und Empfänger GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, J Generalia, Nr. 8, mit der Bitte um Auskunft über die geschicht von muffels wegen. 46 Fouquet, Niklas Muffel, S. 493. 47 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 54, S. 132–135, hier S. 134. 42
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somit zumindest nicht offensiv Herzog Ludwig beigesprungen war, somit das militärische Missverhältnis zwischen der markgräflichen beziehungsweise kaiserlichen Partei und der bayerischen nicht noch weiter verstärkte, sodass eine vollständige Niederlage Albrechts von Brandenburg abgewendet werden konnte48. Schon damals war Niklas Muffel in Gegensatz zu seinen Ratskollegen geraten, als er sich weigerte, als oberster Losunger zwischen Herzog Ludwig dem Reichen und Albrecht von Brandenburg zu vermitteln. Damals erhielt er eine schwere Rüge von seinen Ratskollegen, den Amtspflichten nicht nachgekommen zu sein49. Seither muss Niklas Muffel als Garant für die Sicherung des Friedens zwischen Nürnberg und Albrecht von Brandenburg, zumindest aus der Sicht des Markgrafen, gegolten haben. Ein weiteres Schreiben aus dem Jahre 1472 ist in seinem wesentlichen Inhalt bislang unberücksichtigt geblieben50. Kanzler Johann Volker hatte sich an den Kurfürsten gewandt mit der Bitte, ihn über den Inhalt von Verhandlungen zu Eschenbach zu informieren. Albrecht von Brandenburg antwortete seinerseits, er erinnere sich nicht mehr genau an die Vorgänge, denn wir haben mer hynnen zu schicken gehabt, dann das wir behalten Im kopff, woran es zu Eschenbach erwandt51. Für genauere Anweisungen möge er ihm die entsprechenden Dokumente übersenden. Folgt man Priebatschs Interpretation der beschriebenen Abfolge von Ereignissen in dem Schreiben, so folgte auf den Abbruch der Verhandlungen in Eschenbach die Hinrichtung des Nürnberger Bürgers Muffel. Die Verhandlungen, uffel auf die Albrecht Bezug nahm, datiert er auf März 147052. Nun ist Niklas M aber bereits Ende Februar 1469 gehängt worden. Möglich erscheint hier zweierlei: Entweder interpretierte Priebatsch die aus dem Schreiben hervorgehenden Abläufe 48
Weiß, Franken am Ausgang des späten Mittelalters, S. 438–441. Franz, Nürnberg, Kaiser und Reich, S. 32–39. Außerdem Joachim Schneider, Legitime Selbstbehauptung oder Verbrechen? Soziale und politische Konflikte in der spätmittelalterlichen Chronistik am Beispiel der Nürnberger Strafjustiz und des Süddeutschen Fürstenkriegs von 1458–1463, in: Schriftlichkeit und Lebenspraxis im Mittelalter. Erfassen, Bewahren, Verändern, hg. von Hagen Keller / Christel Meier / Thomas Scharf (MMS 76, München 1999), S. 219–241, hier S. 223–226. Hauptkonflikt in diesen Auseinandersetzungen waren Reichweite und Kompetenzen des kaiserlichen Landgerichts Nürnberg. Seine Bedeutung für die „territorialen Expansionsbestrebungen“ des Kurfürsten ist bis heute umstritten, vgl. ebd., S. 224. Von Andrian-Werburg, Kaiserliches Landgericht, S. 56–66, geht davon aus, dass es eine offensive Gerichtspolitik Markgraf Albrechts von Brandenburg nicht gegeben habe; differenzierter Schneider, Niederadel, S. 458–462. 49 Hegel, Prozeß und Verurtheilung, S. 759. Ders., Leben und Ende, S. 234. Zu späteren Auseinandersetzungen zwischen dem städtischen Rat und Niklas Muffel beispielhaft auch die Auseinandersetzungen des Jahres 1468 um Beschwerdepunkte des Muffel gegenüber dem Rat, vgl. StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 15, Ratskanzlei, A-Laden, Urkunden, Nr. 53, 53a: 1468 Mai 28. 50 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 100, S. 181–183. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 441, S. 433. Fouquet, Niklas Muffel, verwendet es lediglich in einem anderen Zusammenhang, vgl. ebd., S. 492. 51 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 100, S. 181–183, hier S. 181. 52 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 433, S. 433.
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falsch oder – und einfacher – seine Datierung der Verhandlungen von Eschenbach ist fehlerhaft. Auch von Eyb kennt Verhandlungen im März 1470 zwischen dem Markgrafen und Nürnberg, die allerdings in Eichstätt stattgefunden haben sollen53. Dabei bezieht er sich auf ein bei Burkhardt ediertes Schreiben, das unter anderem dem Landkomtur zu Verhandlungen mitgegeben werden sollte, aus dem jedoch der Verhandlungsort nicht hervorgeht54. Die Frage des Verhandlungsortes ist in diesem Zusammenhang von nachrangiger Bedeutung; wichtiger hingegen erscheint das Problem der Chronologie der Ereignisse der Jahre 1469 und 1470. Zunächst geht aus den Annalen des Johannes Müllner hervor, dass es zwar in der vorangehenden Zeit Verhandlungen in Nürnberg gegeben hat, so fanden im Jahre 1465 ein Fürstentag, 1466 und 1467 jeweils Reichstage in Nürnberg statt, eine andere Fürstenversammlung scheiterte mangels Teilnehmern. Auf den übrigen Tagen scheint es keine Verhandlungen zwischen dem Markgrafen und Nürnberg gegeben zu haben55. Daneben ist der Wortlaut des Schreibens von 1472 zu betrachten; bei genauerem Hinsehen erscheint er nicht so eindeutig, wie das Regest bei Priebatsch nahelegt. Problematisch ist folgende Passage: Indes wurd der Muffel getodt, da hielten sie vnnser gemahel uerlich, da tichtet man lieder, die wurden zu Onoltzpach gesungen, da redet vns der lecker Ruprecht Haller hoch, das haben wir geandt, vnd darnach abbrechung der lehen gericht vnd ander newigkeit und beswerd, da sucheten auch allerley alter gebrechen, die vor nye verlaut warn, darauß wuchs der Vnwill56 .
Diese Passage erscheint in dem Schreiben des Kurfürsten nach der Beschreibung der Verhandlungen von Eschenbach. Dem Regest zufolge leitet indes eine Folge aus dem vorher Beschriebenen ein. Das Wort kann jedoch keinen kausalen Zusammenhang im Sinne Priebatschs herstellen, sondern bezeichnet gegenüber dem Voranstehenden entweder eine Gleichzeitigkeit im Sinne von „bei alledem“ oder „einstweilen“ oder einen Gegensatz – „jedoch“, „aber“57. Somit wird mit ihm das Folgende von dem Vorausgehenden abgesetzt als etwas Neues, Anderes, das damit in keinem inneren Zusammenhang steht. Während sich Kurfürst Albrecht 53
Von Eyb, Ludwig von Eyb, S. 79, ohne Belege. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 85, S. 157–159. 55 Müllner, Annalen der Reichsstadt Nürnberg, hg. Hirschmann, S. 558 f., 568, 570. Auf dem ersten Fürstentag des Jahres 1465 wurden die Bischöfe von Bamberg und Würzburg durch Pfalzgraf Friedrich und Ludwig von Bayern versöhnt. Der zweite Fürstentag desselben Jahres, der nach Nürnberg einberufen war, sollte den Beziehungen des Würzburger Bischofs zu Herzog Wilhelm von Sachsen gelten. Der erste der beiden Reichstage behandelte das Thema der Türkengefahr, der zweite beschäftigte sich unter anderem mit einem Landfrieden. Die Nürnberger Ratsverlässe sind aus den hier in Rede stehenden Jahren nicht überliefert, vgl. Nürnberger Ratsverlässe, 2, hg. Schieber. 56 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 100, S. 182. 57 Götze, Glossar, S. 127. Christa Baufeld, Kleines frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Lexik aus Dichtung und Fachliteratur des Frühneuhochdeutschen (Tübingen 1996), S. 134. 54
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an die Verhandlungen zu Eschenbach zunächst nur vage und dann doch deutlicher erinnert, weiß er genau um die Hinrichtung des Niklas Muffel und ihre unmittelbaren Folgen für sich selbst bis hin zur Gegnerschaft der Nürnberger. Daraus ergibt sich, dass sich die Beziehungen zwischen der Reichsstadt und dem Kurfürsten im Zusammenhang mit der Hinrichtung des Niklas Muffel und den folgenden weiteren Handlungen verschlechterten. Dann nämlich sind die Verschlechterungen der Beziehungen zwischen der Reichsstadt und dem Kurfürsten als Folge der Begebenheiten zu verstehen, die sich zeitlich um die Hinrichtung des Muffel gruppieren: Niklas Muffel war gehängt worden, woraufhin die Frau des Kurfürsten verspottet, in Ansbach, also in seinem eigenen Herrschaftsgebiet, Spottlieder gegen ihn und vielleicht auch gegen seine Frau gesungen wurden, und der lecker, also der „Gauner“ Ruprecht Haller, einer der Erzfeinde des Niklas Muffel im städtischen Rat, machte öffentlich außerhalb Nürnbergs Stimmung gegen den Kurfürsten. Bei dem Spott gegen seine Frau war wahrscheinlich die Reaktion auf ihre Intervention vor dem Nürnberger Rat gemeint. Ein überliefertes Volkslied, das im Zusammenhang mit dem Fall des Niklas Muffel entstand – sein unbekannter Autor verbarg sich hinter dem Pseudonym Heinz Übertwerch –, ist seinem Inhalt nach, insbesondere wegen seiner offenen Kritik am Nürnberger Rat, als eine Antwort auf die dem Markgrafen feindlich gesinnten Lieder zu verstehen. Dabei wird insbesondere auf die Rolle Albrechts von Brandenburg und seiner Gattin eingegangen, ebenso auf die Feindschaften innerhalb der Reichsstadt und die Unrechtmäßigkeit des Verhaltens der städtischen Institutionen58. Auf Spott und Schmähung, die in Liedern des gemeinen Mannes ihren hervorragendsten Ausdruck fanden, reagierte Kurfürst Albrecht mit „Abbrechung“ der Lehen und anderen Maßnahmen. Die Hinrichtung des Niklas Muffel führte also zu einer drastischen Verschlechterung der Beziehungen zwischen Nürnberg und dem Kurfürsten; diese Verschlechterung, wie der Markgraf betont, betraf ihn persönlich und seine Frau. Für diese Interpretation des Schreibens spricht weiterhin zweierlei: Erstens bedient sich der Kurfürst einer für ihn eher unüblichen Abfassungstechnik. Offensichtlich erinnerte er sich nämlich erst beim Schreiben an die wesentlichen Punkte der Verhandlungen von Eschenbach, denn nach dem Beginn mit dem Hinweis, er erinnere sich schlecht, erwähnt er dann doch im weiteren Verlauf zahlreiche Details; somit gewährt das Schreiben wenigstens teilweise Einblicke in den Ablauf seiner Überlegungen. Zweitens sprechen inhaltliche Übereinstimmungen dafür, dass Albrecht von Brandenburg sowohl vor als auch nach der Passage, in der es um 58 Vgl. Die historischen Volkslieder der Deutschen vom 13. bis 16. Jahrhundert, gesammelt und erl. von Rochus von Liliencron, Bd. 1 (Leipzig 1865), Nr. 123b, S. 561–566, hier S. 565. Die kleineren Liederdichter im 14. und 15. Jahrhundert, bearb. von Thomas Cramer, Bd. 3 (München 1982), S. 341–347, 573. Worstbrock, Muffel (Verf.-Lex.), Sp. 717 f. Zu Heinz Übertwerch vgl. Isolde Neugart, Art. „Übertwerch, Heinz“, in: Verf.-Lex. 9 (²1995), Sp. 1203–1205. Zur Gattung „historisch-politischer Lider“: Birgit Studt, Neue Zeitungen und politische Propaganda. Die ‚Speyerer Chronik‘ als Spiegel des Nachrichtenwesens im 15. Jahrhundert, in: ZGO 143 (1995), S. 145–219, hier S. 204 f. Meyer, Stadt als Thema, S. 204–210.
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
Niklas Muffel geht, auf dieselben Verhandlungen in Eschenbach Bezug nimmt. In seiner ersten Beschreibung spricht er von der Newerung vnd abgebrochen lehen vnd vergangner sachen halben. Nach der oben beschriebenen Passage, wie er auf die Hinrichtung des Muffel reagierte, nennt er genau diese Punkte als die eigentliche Reaktion; somit wird auch hier eine inhaltliche Verbindung zwischen der Reaktion auf das Schicksal des Muffel und die sich daraus entwickelnden Konsequenzen sowie der Verhandlungen in Eschenbach hergestellt. Angesichts dieser Beobachtungen werden die Verhandlungen zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg erst nach dem Tod von Niklas Muffel und nach einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Albrecht und Nürnberg infolge des Vorgehens gegen Muffel stattgefunden haben. Diese, anhand des Wortlauts ermittelte Chronologie der Abläufe erscheint somit logischer als die von Priebatsch vorgelegte. Es war allerdings seine Interpretation, die die Darstellung der Vorgänge bis in die jüngere Forschung hinein dominierte59. Nun stellt sich die Frage, ob es sich bei den Verhandlungen, auf die der Markgraf in seinem Schreiben aus dem Jahre 1472 Bezug nahm, und denen, die im März 1470 stattfanden, um dieselben handelt. Hierfür spricht mehreres: Inhaltlich nahm Albrecht von Brandenburg in seinem Schreiben von 1472 auf genau die Punkte Bezug, die auch im März 1470 verhandelt wurden60. Gleichzeitig führte er mit dem Hinweis auf die Schmähungen gegen seine Frau einen Gesichtspunkt an, der offensichtlich auch in den Verhandlungen vom März 1470 eine Rolle spielte, da es in dem Dokument zu diesen Verhandlungen heißt: Item vergesst meiner gnedigen frawen nicht61. Im Jahre 1472 sprach Albrecht von Brandenburg außerdem von einem Vermittlungsvorschlag von Hans Egen, dem Bürgermeister von Dinkelsbühl, der ihm unannehmbar schien62. Dieser Vorschlag, stammt aus dem Jahre 1470 und bezieht sich anscheinend direkt auf die im März verhandelten Angelegenheiten63. Somit erinnerte sich der Kurfürst im Jahre 1472 in seinem Schreiben an Johann Volker offensichtlich an Verhandlungen, die erst nach dem Tod von Niklas Muffel, wahrscheinlich im März 1470 stattgefunden hatten. Aus der hier vorgelegten Chronologie ergibt sich allerdings auch eine Neu interpretation der Beziehungen zwischen Nürnberg und Markgraf Albrecht in jenen Tagen mit Folgen für die weiteren Jahre, wie noch zu zeigen sein wird. Für 59 Vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1111, mit einer Nacherzählung der Regesten von Priebatsch in den wesentlichen Passagen. 60 Z. B. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 85, S. 157–159, hier S. 157: Der Newerunghalben an den Wassern die abzustellen. Der abgebrochen lehenhalb die wider zu bawen. Ebd., Nr. 100, S. 181: Es ist auch zu Eschenbach nicht also herkomen anders dann der Newerung und abgebrochen lehen und vergangener sachen halben. 61 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 85, S. 157–159, hier S. 159. 62 Ebd., Nr. 100, S. 181–183, hier S. 181, 183. Zu seiner Rolle in den fränkischen Netz werken siehe näher unten S. 406 ff., 424 , Anm. 196. 63 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 86, S. 159–164, hier S. 161: Item meins hern spruch der newerung soll absein. Siehe auch unten S. 406.
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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Markgraf Albrecht von Brandenburg stand die Affäre um Niklas Muffel somit in einem untrennbaren Zusammenhang mit seinen Beziehungen zu Nürnberg. Muffel war in den Augen des Markgrafen derjenige, der den Frieden zwischen der Stadt und ihm gesichert hatte; mit seiner Hinrichtung schien ein austariertes System destabilisiert; durch Muffels Tod nämlich war der Weg frei für harsche Stimmung gegen Albrechts Frau und ihn selbst. Demnach hingen zum einen die Beziehungen von Nürnberg zu Albrecht sehr stark von den innerstädtischen Kräfteverhältnissen und den Netzwerkkonstellationen des Markgrafen in die Stadt hinein ab. Zum anderen wird deutlich, welch große Bedeutung die „öffentliche Meinung“, die durch Gerüchte und Provokationen beeinflusst werden konnte, für den Markgrafen hatte64. Damit ist keine grundsätzliche Abneigung gemeint, die sich in festen „Blöcken“ ausdrückte65. Es handelt sich vielmehr um ein Mittel in Netzwerken, Personenkonstellationen zu steuern, das auch in anderen Zusammenhängen und nicht nur beschränkt auf die Beziehungen von Städten zu Fürsten beobachtet werden kann66 . Kleinere politische Öffentlichkeiten konnten beeinflusst, getäuscht und gezielt aufgebracht werden, um das Verhalten des Gegners zu beeinflussen. Die Nürnberger haben in der Folgezeit nach der Muffelschen Hinrichtung wohl absichtlich Gerüchte verbreitet und ein negatives Bild vom Markgrafen und seiner Frau nicht nur in den von ihnen selbst kontrollierten „Öffentlichkeiten“, sondern 64
Zur Bedeutung der Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch Spott: Sebastian Coxon, Lachen, Spott und Witz in den Nürnberger Jahrbüchern des 15. Jahrhunderts, in: Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 35 (2005), S. 110–128. Matthias Thumser, Türkenfrage und öffentliche Meinung. Zeitgenössische Zeugnisse nach dem Fall von Konstantinopel (1453), in: Europa und die osmanische Expansion im ausgehenden Mittelalter, hg. von Franz-Rainer Erkens (ZHF. Beiheft 20, Berlin 1997), S. 59–78. Schon vorher, insbesondere im Markgrafenkrieg, wurden Spott und Hohn literarisch und in Liedern verarbeitet, vgl. Straßner, Markgrafenkrieg (1987), Sp. 66–68. „Satire“ als Produkt politischer Auseinandersetzung betont Georg Jostkleigrewe, Auswärtige Politik und interne Öffentlichkeit. Polemik, Propaganda und Persiflage im Diskurs um den Vertrag von Paris (1259), in: ZHF 37 (2010), S. 1–36, hier S. 28. 65 Klaus Graf, Die Fehde Hans Diemars von Lindach gegen die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd (1543–1554). Ein Beitrag zur Geschichte der Städtefeindschaft, in: „Raubritter“ oder „Rechtschaffende vom Adel“? Aspekte von Politik, Friede und Recht im späten Mittelalter, hg. von Kurt Andermann (Oberrheinische Studien 14, Sigmaringen 1997), S. 167–189, hier insbesondere S. 182–189. Graf entwickelte das Konzept der „Städtefeindschaft“ aus dem Fehdewesen mit adliger und städtischer Beteiligung. Vgl. auch ders., Die Fehde Diemars von Lindach gegen die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd (1543–1554), in: Gmünder Studien 7 (2005), S. 7–32. 66 Vgl. Franz Fuchs, Antikaiserliche Gedichte aus dem Umkreis Kurfürst Friedrichs des Siegreichen, in: König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert, hg. von dems./Paul-Joachim Heinig / Jörg Schwarz (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 29, Köln / Weimar / Wien 2009), S. 307–317. Zu den Grundkonstanten des Einsatzes von Medien in der spätmittelalterlichen Stadt vgl. Christoph Dartmann, Medien in der städtischen Öffentlichkeit. Innere Friedensschlüsse in den italienischen Kommunen des Mittelalters, in: Friedensschlüsse. Medien und Konfliktbewältigung vom 12. bis zum 19. Jahrhundert, hg. von Bent Jörgensen / Raphael Krug / Christine Lüdke (Documenta Augustana 18, Augsburg 2008), S. 23–53.
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
auch im Einflussbereich des Markgrafen bis zu seiner Residenz Ansbach gezeichnet. Diese öffentliche Schmähung ist auch aus Auseinandersetzungen zwischen Fürsten bekannt; sie wird den jeweiligen Fürsten in seiner Ehre getroffen haben – damit, dies legen Forschungen zur Ehre als handlungsleitendes Motiv nahe, war der Getroffene wohl nicht zuletzt im Hinblick auf seine Referenzgruppe zur Reaktion verpflichtet67. Insbesondere für Städte scheint sich in der Beeinflussung von Öffentlichkeiten ein wirksames Mittel geboten zu haben, Handeln des politischen Gegners zu erzwingen oder zumindest in gewünschter Weise zu steuern. Hier werden die Möglichkeiten deutlich, Netzwerkstrukturen durch Gerüchte und Stimmungen gezielt zu beeinflussen; Spott und Hohn erscheinen also als Handlungsmöglichkeiten, weniger als Reaktion. Aus dem Schreiben des Markgrafen vom März 1470, das auch der Landkomtur Melchior von Neuneck – auf seine Rolle in den fränkischen Netzwerken wird noch näher einzugehen sein – erhielt und mit dem der Markgraf diesen über seine Klagepunkte den Nürnbergern gegenüber unterrichtete, erscheint außerdem der Hinweis, seine Frau nicht zu vergessen, in der Aufzählung eingebettet in eine Reihe handfester „Klagepunkte“ um Rechte und Abgaben68; der Umgang des städtischen Rates mit seiner Frau während der Affäre Muffel sowie die Schmähungen im Nachhinein galten ihm somit als gleichberechtigter Verhandlungspunkt. In der Affäre Muffel zeigt sich auch, dass der Markgraf den „städtischen Akteur“ je nach Situation und Konstellation in zwei Gestalten wahrnahm, als Gesamtheit von städtischen Bewohnern oder der Bewohner als Einzelakteure. Deutlich wird auch ein Zusammenhang zwischen politischen Netzwerken und Öffentlichkeit; vor allem muss es für derartige Formen politischen Handelns eine Öffentlichkeit, zumindest aber Öffentlichkeiten gegeben haben69. Rogge untersuchte das Schicksal von Niklas Muffel unter dem Aspekt der städtischen Ehre70. Ihm zufolge habe „Muffel […] seine persönliche Ehre über Jahre durch sein Verhalten verbraucht“. Dies habe er lange Zeit durch seine „weitreichenden Verbindungen kompensieren“ können, als seine politischen Gegner jedoch die Schwächung dieser Verbindungen gespürt hätten, hätten sie ihn um Amt und Leben gebracht. Diese, von Rogge an der Zeit vor Muffels Hinrichtung ge-
67 Siehe oben S. 195 f., Anm. 203. Aber auch Graf, Diemar von Lindach (2005), S. 27. Vgl. dagegen Hillay Zmora, Adelige Ehre und ritterliche Fehde. Franken im Spätmittelalter, in: Verletzte Ehre, hg. von Klaus Schreiner / Gerd Schwerhoff (Köln / Weimar / Wien 1995), S. 92–109. 68 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 85, S. 159: Item das sie die leipgedingbriefe meinem hern heraus geben Vnd derselben sachenhalb vnclaghaft machen. Item vergesst meiner gnedigen frawen nicht. Item diser zettel eine ist dem landkompthur vbergeben zu Onoldspach am Mitwoch nach Invocauit. 69 Vgl. Robert Giel, Politische Öffentlichkeit im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Köln (1450–1550) (Berliner Historische Studien 29, Berlin 1998), S. 29–37. Zur Frage der Existenz von „Öffentlichkeit“ im Spätmittelalter siehe auch oben S. 65. 70 Rogge, Ehrverletzungen, S. 137–141.
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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wonnene Deutung, findet in dieser Betrachtung unter dem Blickwinkel politischer Netzwerke für die Zeit nach seinem Tode ihre Entsprechung beziehungsweise logische Fortsetzung. 3. Verhandlungen vom März 1470 a) Kontext und Inhalt Nach dem Tode von Niklas Muffel im Jahre 1469 hatten sich die Beziehungen zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg rasch stark verschlechtert. Wohl im März 1470 fanden dann Verhandlungen zwischen Vertretern des Markgrafen und Nürnbergs statt. Bei diesen Verhandlungen vermittelten der Bischof von Eichstätt und der Landkomtur der Deutschordensballei Franken, Melchior von Neuneck71. Im Vorfeld hatte Markgraf Albrecht versucht, die Korrespondenz Dritter in Sachen Nürnberg zu steuern. So bat er Herzog Wilhelm von Sachsen Mitte Februar 1470, sofern von Dritten mit ihm über seinen Konflikt mit Nürnberg gesprochen werde, nicht zu antworten, bis sie beide sich persönlich am 24./25. März in Lichtenfels darüber ausgetauscht hätten; Herzog Wilhelm kam dieser Bitte nach72. Wie die Quellen nahelegen, versuchte Albrecht von Brandenburg mit solchen Maßnahmen nicht nur, die Informationshoheit gegenüber den Nürnbergern zu behalten, sondern wahrscheinlich schien ihm die Situation derart gefährlich, dass er persönliche Unterredungen brieflicher Kommunikation vorzog73. Anscheinend sollten im Rahmen dieses Treffens mehr oder weniger alle den Markgrafen berührenden Problemkreise besprochen werden, darunter die Beziehungen zu Nürnberg, zu Bamberg, zu Eichstätt, zum Herzog von Burgund, zum französischen König und einiges mehr – insbesondere aber die Übertragung der brandenburgischen Kur von Friedrich auf Albrecht von Brandenburg; undatierte Aufzeichnungen im Vorfeld des geplanten Treffens lesen sich wie die politische Agenda der kommenden Zeit74. Die Überlagerung verschiedener Politikfelder bestimmte das Handeln der Akteure in dieser Situation. So betonte Albrecht von Brandenburg in einem Schreiben Mitte April 1470 an seinen Bruder, er könne zu diesem Zeitpunkt nicht in die Mark Brandenburg reisen, um das Land in Besitz zu nehmen; es sei einig allenthalben hieaussen […] gegen Nürnberg vnnd Bayern, Vnnd ist vns vnmuglich derselben Leufft, auch Vnser nahrung halben, vor Martini hinein zu kommen75. Die Auseinandersetzungen mit Bayern
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Zu den Anwesenden: von Eyb, Ludwig von Eyb, S. 79. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 13, S. 106. Das Antwortschreiben des Herzogs: ebd., Nr. 17, S. 108 f. Zum reichspolitischen Kontext des Treffens mit Wilhelm von Sachsen siehe oben S. 103 f. 73 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 23, S. 111 f., hier S. 112. 74 Ebd., Nr. 25, S. 112 f. 75 Codex diplomaticus Brandenburgensis, hg. Riedel, 3/1, Nr. 374, S. 528 f., hier S. 529. 72
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
und Nürnberg waren also drängender als die Vollendung der Übernahme der Mark Brandenburg. Die bei den Verhandlungen im März 1470 verhandelten Themen bestimmten inhaltlich die Auseinandersetzung der folgenden Jahre. Umfangreiche Sammlungen von Klagepunkten, Verhandlungsprotokolle und Strategiepapiere aus dem Umfeld dieser und späterer Verhandlungen verdeutlichen, dass es im Kern um ein Bündel von sich immer wiederholenden Streitigkeiten um Geleitrechte, Waidwerk, Zoll, Lehen, Leibgedingbriefe sowie newerungen76 unterschiedlichster Dinge ging77. Später kamen Überfälle, Jagdstreitigkeiten und Schuldnerkonflikte hinzu78. Den gesamten Betrachtungszeitraum über stand auch die Frage der Brauneckschen Lehen auf der Tagesordnung79. An den Streitpunkten insgesamt änderte sich in den folgenden Jahren im Grundsatz nichts, nur ihre Häufung nahm im Laufe der Zeit deutlich zu; daher und angesichts der Fragestellung sollen sie im Folgenden im Einzelnen nicht näher verfolgt werden. Erheblich interessanter erscheinen dagegen die politischen Netzwerke und die Formen der weiteren Auseinandersetzungen. Dazu ist zunächst auf den bei den Verhandlungen anwesenden Personenkreis einzugehen. b) Beteiligte Bei den Verhandlungen im März 1470 waren anwesend die brandenburgischen Räte Rafan von Helmstädt, Heinrich von Kindsberg, Ludwig von Eyb und Sebastian von Seckendorff, für die Nürnberger Ruprecht Haller und Anton Holz-
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Es handelt sich hierbei um die Geltendmachung, Intensivierung oder bloße Veränderung von Rechtsverhältnissen, etwa der Erhöhung von Abgaben, vgl. [O. V.], Art. „Neuerung“, in: Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache 9 (1996), Sp. 1445 f. 77 Zu den Verhandlungen von Eschenbach im Jahre 1470: Funfft Merckisch Buch, hg. Burkhardt, Nr. 85, S. 157–159. Zu diesen und späteren Verhandlungen vgl. insbesondere das umfangreiche Quellenmaterial StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 15a, Ratskanzlei, A-Laden, Akten, A2, Nr. 11, 12, 15, 16, A3, Nr. 1, 2, A24, Nr. 3a, 3b. Aus der markgräflichbrandenburgischen Überlieferung insbesondere StA Nürnberg, Fürstentum BrandenburgAnsbach, Rep. 105a, Beziehungen zu Benachbarten, D. Nürnberger Bücher, Nr. 20. Vgl. auch StA Bamberg, GHAP Nr. 4995: Ein frühes Beispiel für diese Konflikte geht aus einem Bericht markgräflicher Provenienz über die Vermeidung des Viehzolls von Münchberg durch die Nürnberger vom August 1469 hervor. Ältere Streitpunkte aus der Zeit des Markgrafenkrieges werden wohl auch noch in den frühen siebziger Jahren eine Rolle gespielt haben; wiederholt erklärte Kaiser Friedrich III. diese Streitpunkte für abgetan, vgl. etwa StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 1a, Kaiserliche Privilegien, Urkunden, Nr. 520: 1472 Oktober 15, Graz. 78 Dabei handelte es sich teilweise um neue Streitigkeiten, teilweise aber auch um solche, die schon im Zusammenhang mit dem Markgrafenkrieg vorgetragen worden waren, vgl. von Weech, Markgraf Albrecht von Brandenburg und Heideck-Nürnberg, S. 414. 79 Dieser Themenkomplex wird in einem eigenen Kapitel gesondert behandelt, siehe oben D. II.
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schuher, beide Mitglieder des städtischen Rates80. Diese Teilnehmer vertraten sowohl die Interessen der Seite, die sie entsandt hatte, als auch vielfach Eigeninteressen, wie es in diesem Fall zumindest bei Ludwig von Eyb und Sebastian von Seckendorff anzunehmen ist81. Als Vermittler traten der Landkomtur der Ballei Franken, Melchior von Neuneck, sowie der Bischof Wilhelm von Eichstätt auf. Sie hatten zu diesem Zeitpunkt wohl keinen förmlichen Auftrag zur Vermittlung, etwa in Form einer kaiserlichen Kommission82. Deshalb ist nach ihrer Rolle in den regional-fränkischen Politiknetzwerken zu fragen, und zwar auch über das Jahr 1470 hinaus, denn ihre Verhandlungstätigkeit dauerte bis weit in die 1470er Jahre an. Bischof Wilhelm von Eichstätt scheint zu diesem Zeitpunkt mit allen Streit parteien ohne Konflikt gewesen zu sein83. Er selbst musste schon allein wegen der territorialen Lage seines Bistums ein Interesse zumindest an der Steuerung der oder Einflussnahme auf die Verhandlungen haben, denn sowohl die innerbayerischen Auseinandersetzungen als auch die zwischen Markgraf Albrecht und der Reichsstadt Nürnberg sowie mit Herzog Ludwig dem Reichen umschlossen förmlich das Hochstift Eichstätt. Somit musste es ihm möglichst um Vermeidung von größeren Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Streitparteien gehen, gleichzeitig aber auch um das Verhindern von Einigungen, die seinen eigenen Interessen zuwiderliefen. So verfolgte Bischof Wilhelm auch eine Politik, die die Herausdrängung konkurrierender Machtfaktoren aus dem Hochstift zum Inhalt hatte sowie über den Kauf von Burgen, Dörfern und Gütern eine Sicherung des Status quo anstrebte84. Damit ergibt sich eine Variante der Benennung von Vermittlern, die sich dadurch auszeichnet, dass den Konfliktparteien der Vermittelnde durchaus als neutral im modernen Sinne erscheinen musste, selbst aber über den Konflikt mögliche Eigeninteressen verfolgte. In direktem zeitlichen Umfeld finden sich zudem kaiserliche Kommissionsaufträge in anderen Streitfragen, bei denen die Stadt Nürnberg als Konfliktpartei beteiligt war, mit denen Bischof Wilhelm von Eichstätt betraut wurde, wobei durch seine Intensität ein jahrelanger Streit der Stadt Nürnberg mit den Waldstromern besonders heraussticht85. 80
Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 1316. Siehe hierzu nicht zuletzt die Rolle der Familie von Eyb in der Frage der Brauneckschen Lehen D. II. 2. b); zu möglichen Familieninteressen der von Seckendorff auch oben S. 330 f. 82 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 85, S. 157–159, hier S. 157. 83 Vgl. Alois Schmid, Art. „Reichenau, Wilhelm von“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz (Berlin 2001), S. 575 f. Kreitmeir, Bischöfe von Eichstätt, S. 64–66. Zum Bistum Helmut Flachenecker, Bistum Eichstätt, in: Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, hg. von Erwin Gatz (Freiburg i. Br. 2003), S. 191–201. 84 Vgl. Schmid, Wilhelm von Reichenau, S. 575. 85 Hier ist insbesondere der Kommissionsauftrag vom Jahre 1468 im Streit Nürnbergs mit Mitgliedern der Familie Waldstromer zu nennen, der später mehrfach wiederholt wurde, vgl. RI Friedrich III.-Online, Nr. 2271 (1468 August 9); ferner zu berücksichtigen ebd., Nr. 20556 (1469 Dezember 23); Nr. 20582 (1470 Juni 8). Ein neuer Kommissionsauftrag erging am 81
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Erheblich komplizierter erscheinen dagegen die Verflechtungen des Landkomturs Melchior von Neuneck mit den Streitparteien86. Seit 1463 hatte er die Ballei Franken sowie die Kommende Ellingen und ab 1476 auch die von Nürnberg in Personalunion inne. Hieraus ergaben sich vielfältige Berührungspunkte sowohl mit der Reichsstadt als auch mit dem Markgrafen. Im September 1470 war er als Rat Markgraf Albrechts zu fassen, von November 1471 bis Januar 1473 war er Statthalter desselben87; auch in den folgenden Jahren ist er in diesen Eigenschaften belegt88. Umgekehrt übten die Markgrafen über die Kommenden Nürnberg, Ellingen und Virnsberg eine Schutz- und Schirmherrschaft aus; von Versuchen des Markgrafen vor 1470, seine Landeshoheit zu erweitern, scheint die Deutschordenskomturei dagegen bewusst ausgenommen worden zu sein89. Insgesamt aber scheint 11. August 1470, vgl. ebd., Nr. 20599; außerdem ebd., Nr. 20643 (1470 Dezember 22). Neuerlicher Kommissionsauftrag in Sachen Waldstromer und Nürnberg ebd., Nr. 2510 (1471 August 12), RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. 935, Anm. 1. Am 30. Dezember 1471 erweiterte Kaiser Friedrich III. den Kommissionsauftrag des Bischofs von Eichstätt in der Streitsache zwischen Nürnberg einerseits und den Brüdern Lorenz und Franz Waldstromer andererseits für den Fall, dass es nötig ist, Auskünfte einzuholen und Zeugen zu verhören, vgl. RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 1374, S. 199. Am 27. Dezember 1472 erteilte Kaiser Friedrich III. erneut eine Kommission an Bischof Wilhelm von Eichstätt in Sachen Waldstromer gegen Nürnberg, vgl. RI Friedrich III.-Online, Nr. 2616 (1472 Dezember 27). Im Jahre 1473 gingen gar Kommissionsaufträge in derselben Angelegenheit gleichzeitig an Markgraf Albrecht von Brandenburg, Bischof Wilhelm von Eichstätt, Herzog Ludwig von Bayern-Landshut und Graf Eberhard von Württemberg mit der Aufgabe, dem Augsburger Bischof gegen seine Widersacher zu helfen, vgl. RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 2520, S. 376. Am 6. April 1473 erteilte Kaiser Friedrich III. Bischof Wilhelm den Auftrag, in der Streitsache zwischen den Waldstromern und der Stadt Nürnberg einen Austrag der Waldstromer an den Kaiser zu prüfen, RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 2873, S. 430. Einen Tag später gebot der Kaiser Bischof Wilhelm, Klagen der Waldstromer gegen Nürnberg zu untersuchen, vgl. RI Friedrich III.-Online, Nr. 2623 (1473 April 7). Am 22. Juni 1473 erteilte Kaiser Friedrich erneut Kommission an Bischof Wilhelm in Sachen Waldstromer, vgl. ebd., Nr. 20818. Umgekehrt wurden Herzog Ludwig von Bayern, Herzog Albrecht von Bayern sowie die Reichsstadt Nürnberg und andere Ende Juni 1474 zu Exekutoren eines Urteils des Bischofs von Eichstätt über Güter des Jörg von Wolfstein bestellt, vgl. ebd., Nr. 22167 (1474 Juni 28). Zu den Waldstromern vgl. Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 1069–1074. 86 Vgl. Dieter J. Weiß, Die Geschichte der Deutschordens-Ballei Franken im Mittelalter (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IX. Reihe: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 39, Neustadt a.d.A. 1991), S. 394. Johann Ottmar, Die Burg Neuneck und ihr Adel. Ein Beitrag zur Geschichte des niederen Adels am Neckar und Schwarzwald (Göppinger Akademische Beiträge 84, Göppingen 1974), S. 181 f. Melchior von Neuneck war der zweite Sohn, der wohl aus der ersten Ehe des Hans von Neuneck mit Anna Boss hervorgegangen war, die der ersten Seitenlinie der von Neuneck-Glatt zuzuordnen ist. Insgesamt auch Gerhard Rechter, „Lieber Getreuer“ oder „Euer Fürstlich Gnaden“? Zum Verhältnis zwischen dem Deutschen Orden und den Zollern in Franken (Triesdorfer Hefte 7, Triesdorf 1996), insbesondere S. 4 f. 87 Ottmar, Burg Neuneck, S. 182. 88 Weiß, Ballei Franken, S. 355. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 980a, S. 278. 89 Weiß, Ballei Franken, S. 354.
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die Beziehung zwischen den Markgrafen und dem Deutschordenskomtur auf gegenseitigen immateriellen wie materiellen Vorteil ausgerichtet gewesen zu sein90. Ähnliche Abhängigkeiten bestanden auch zwischen Melchior von Neuneck und den bayerischen Herzögen, insbesondere zu Herzog Ludwig von Bayern-Landshut, nicht zuletzt für die Teile der Ballei, die in den bayerischen Herrschafts bereich fielen91. Aber auch mit Nürnberg bestanden Verflechtungen92. Konflikte zwischen der Stadt und dem Landkomtur scheinen allerdings erst seit 1476 aufgekommen zu sein, als Melchior von Neuneck auch die Führung der Nürnberger Kommende in Personalunion übernahm93; auch zuvor hatte über die Kommende Nürnberg als wichtigste der Ballei Franken ein enges Verhältnis zwischen dem Vertreter des Deutschen Ordens und der Stadt Nürnberg bestanden94. Personale Verflechtungen zwischen dem Deutschen Orden und dem reichsstädtischen Bürgertum gab es gleichwohl keine mehr, denn sein Ausschluss aus den Ordensstrukturen war im 15. Jahrhundert bereits zum Abschluss gekommen95. Melchior von Neuneck konsolidierte die Ballei Franken und führte sie vor allem wirtschaftlich zu neuer Blüte96. Die Forschung hat diese Entwicklung auf die Neutralität des Deutschordensvertreters in den „Auseinandersetzungen der fränkischen Territorialmächte“ zurückgeführt97. Mit Sicherheit aber bedingten hier die Eigeninteressen erst den Neutralitätskurs. Im Übrigen stellt sich die Neutralität angesichts der oben beschrieben Interessenverknüpfungen eher als dreifache Interessenhäufung dar, nämlich durch Interessen an beiden Konfliktparteien ebenso wie den eigenen beziehungsweise für die Deutschordenskomturei. Somit wird auch der Landkomtur selbst Interesse an einer vermittelnden Position zwischen den Markgrafen einerseits sowie Nürnbergs mit dem Herzog von Bayern-Landshut gehabt haben. Blickt man schließlich auf die kaiserlichen Kommissionen, mit denen Melchior von Neuneck beauftragt wurde, so findet auch er sich ähnlich wie Bischof Wilhelm von Eichstätt in solchen Konflikten mit Nürnberger Beteiligung wieder98. 90 So scheinen sich die Landkomture situativ in den Schutz des Markgrafen begeben zu haben, während sie umgekehrt „materielle Dienstleistungen“ erbrachten, vgl. Weiß, Ballei Franken, S. 355. 91 Weiß, Ballei Franken, S. 357–359. 92 Ebd., S. 363–366, ferner S. 232–237. 93 Ebd., S. 364. 94 Ebd., S. 363. 95 Gerhard Rechter / Dieter J. Weiß, Die Ballei Franken, in: 800 Jahre Deutscher Orden. Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg in Zusammenarbeit mit der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens (Gütersloh / München 1990), S. 507–512, insbesondere S. 508. Weiß, Ballei Franken, S. 233 f. 96 Rechter / Weiß, Ballei Franken, S. 508 f. Weiß, Ballei Franken, S. 394. 97 Rechter / Weiß, Ballei Franken, S. 508. 98 Am 25. Februar 1467 beauftragt Kaiser Friedrich III. Melchior von Neuneck mit der Beweisaufnahme seitens der Kläger in der Streitsache zwischen Anton Paumgartner und der Reichsstadt Nürnberg, vgl. Regesten Kaiser Friedrichs III. (1440–1493). Nach Archiven und Bibliotheken geordnet, hg. von Heinrich Koller / Paul-Joachim Heinig / Alois Niederstätter, Heft 22: Die Urkunden und Briefe des Österreichischen Staatsarchivs in Wien,
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Auch beim Streit der Waldstromer mit Nürnberg war er, wenn auch eher beiläufig, beteiligt99. Von den Vermittlungsbemühungen des Eichstätter Bischofs und des Landkomturs unabhängig gab es wohl zur selben Zeit auch einen Vorschlag vom Bürgermeister der Reichsstadt Dinkelsbühl Hans Egen – wie bereits im Zusammenhang mit der Affäre Niklas Muffel erwähnt. Dieser Vorschlag wurde den Konflikt parteien schriftlich vorgelegt, stieß aber auf Ablehnung100. Hans Egen entstammte einer Familie, die ursprünglich in Hall ansässig war; im Jahre 1452 hatte er sich in Dinkelsbühl niedergelassen. Die nähere Betrachtung seines Wirkens, nicht zuletzt seiner Rolle im Schwäbischen Bund, ist ein Desiderat der Forschung101. Es deutet sich jedoch an, dass Hans Egen einen politischen Wirkungskreis hatte, der weit über die Reichsstadt Dinkelsbühl hinausging. Zu nennen sind zunächst seine engen verwandtschaftlichen Bindungen in die benachbarten Reichsstädte, nicht zuletzt nach Hall, Ulm und Augsburg102. Daneben hatte Hans Egen im Jahre 1473 eine wichtige Informationsfunktion für Kurfürst Albrecht von Brandenburg zu den Angelegenheiten von reichsweiter Bedeutung im Westen, insbesondere im Zusammenhang mit Karl dem Kühnen103. Außerdem waren die Beziehungen zwischen der Reichsstadt Dinkelsbühl und Markgraf Albrecht von Brandenburg Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv: Allgemeine Urkundenreihe, Familienurkunden und Abschriftensammlungen (1464–1469), bearb. von Christine Ottner (Wien u. a. 2007), Nr. 165, S. 168–170; Nr. 166, S. 17 f. 99 So wies Kaiser Friedrich III. Melchior von Neuneck am 13. April 1469 an, den Nürnbergern alle Briefe, die sie in ihrem Rechtsstreit mit Waldstromer benötigen, zu vidimieren, vgl. RI Friedrich III.-Online, Nr. 2296 (1469 April 13). 100 Der Kompromissvorschlag des Hans Egen: Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 86, S. 159–164. 101 Dementsprechend finden sich in der Literatur nur sehr spärliche Hinweise, vgl. Friedrich Wagner, Die Aufnahme der fränkischen Hohenzollern in den schwäbischen Bund (Programm des Friedrich Wilhelm Gymnasiums zu Berlin, Berlin 1880), S. 20. Horst Carl, Der Schwäbische Bund 1488–1534. Landfrieden und Genossenschaft im Übergang vom Spät mittelalter zur Reformation (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 24, LeinfeldenEchterdingen 2000), S. 159. Helmo Hesslinger, Die Anfänge des Schwäbischen Bundes. Ein Beitrag zur Geschichte des Einungswesens und der Reichsreform unter Kaiser Friedrich III. (Forschungen zur Geschichte der Stadt Ulm 9, Ulm 1970), passim. Außerdem zur genealogischen Einordnung Gerd Wunder, Personendenkmale der Michaelskirche in Schwäbisch Hall (Schwäbisch Hall 1987), Nr. 115, S. 51, 111; Nr. 117, S. 53, 112. Ders., Die Bürger von Hall. Sozialgeschichte einer Reichsstadt 1216–1802 (Forschungen aus Württembergisch Franken 16, Sigmaringen 1980), S. 67 f., 179. Hans Egen war um 1414 geboren worden, stammte aus Hall und hatte dort seinen Haushalt eröffnet, als er im Jahre 1450 nach Dinkelsbühl übersiedelte. In Dinkelsbühl hatten auch andere Vertreter der Haller Egen gelebt, so stammte Hans Egens Mutter aus Dinkelsbühl, vgl. Gerd Wunder, Sibilla Egen. Wohltäterin der Reichsstadt Hall um 1470–1538, in: ders., Lebensläufe. Bauer, Bürger, Edelmann, Bd. 2 (Forschungen aus Württembergisch Franken 33, Sigmaringen 1988), S. 90–99, hier S. 91 f. Hans Egen war verheiratet mit Barbara Langenmantel aus Ulm. 102 Wunder, Sibilla Egen, S. 92. 103 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 637, S. 537. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1112. Siehe oben S. 138, Anm. 246.
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schon in den sechziger Jahren eng104. Diese Eigenschaften werden Hans Egen auch für die Konfliktparteien Nürnberg und Albrecht von Brandenburg interessant gemacht haben. Bedenkt man aber, dass die Initiative für seine Vermittlung wahrscheinlich von ihm ausging, so treten seine Eigen- beziehungsweise Interessen seiner Heimatstadt in den Mittelpunkt. Dinkelsbühl war im Norden, Westen und Osten vom Markgraftum Brandenburg-Ansbach umgeben, im Süden von der Grafschaft Öttingen, die schon im Markgrafenkrieg mit den Markgrafen verbündet war. Dies bedeutete einen dauerhaften Druck von außen auf die Stadt und so gelang es ihr auch nicht, über ihre Markung hinaus ein eigenes Territorium aufzubauen105. Das eigene Territorium war offensichtlich in den 1470er Jahren besonders gefährdet, wie eine Urkunde Kaiser Friedrichs III. aus dem Jahre 1476 zur Besitzsicherung und -bewahrung nahelegt106. Ebenso lag es im dringlichem Interesse von Dinkelsbühl, eine neuerliche kriegerische Auseinandersetzung zwischen Nürnberg und Albrecht von Brandenburg zu verhindern, die nicht zuletzt auch auf die mit Nürnberg verbündeten Reichsstädte verheerende Wirkung haben würde107. Dinkelsbühl hatte sich seit dem Markgrafenkrieg gemeinsam mit den Städten Rothenburg und Windsheim dem Markgrafen angenähert und ging im Jahre 1457 gar ein auf drei Jahre befristetes Bündnis mit ihm ein108. Dies hängt zusammen mit einer Belagerung der Stadt durch Herzog Ludwig den Reichen ein Jahr zuvor als Reaktion auf einen Streit um Gerichtsrechte109; hier waren es sowohl Nürn 104 Urkunden der Stadt Dinkelsbühl, bearb. Schnurrer, Nr. 1058, S. 35 f. (1461 Januar 16): Graf Ulrich von Öttingen entscheidet in einem Streit zwischen dem Ritter Bernhard Vitzthum und der Stadt Dinkelsbühl. Grundlage war die Fehdeansage des Vitzthum gegen Markgraf Albrecht von Brandenburg und alle seine Verbündeten. Dinkelsbühl war mit Albrecht von Brandenburg verbündet, woraufhin etliche Bürger auf dem Weg von Ulm nach Dinkelsbühl gefangen genommen wurden. In dieser Quelle scheint ein durch territoriale Gegebenheiten bedingtes Netzwerk zwischen den Grafen von Öttingen, den Markgrafen von Brandenburg und der Reichsstadt auf. In anderen Fragen, so etwa des Landfriedens, kooperierte Dinkelsbühl eng mit der Reichsstadt Nürnberg, vgl. ebd., Nr. 1228, S. 75; Teutsches Reichs-Archiv 13, hg. Lünig, Nr. 31, S. 475–477. 105 Vgl. Ludwig Schnurrer, Art. „Dinkelsbühl“, in: Handbuch der historischen Stätten, Bd. 7: Bayern, 2: Franken (Kröners Taschenbuch 325, Stuttgart 42006), S. 105–108, hier S. 106. Ders., Die Reichsstadt Dinkelsbühl im Schwäbischen Städtebund, in: Jahrbuch des Historischen Vereins Alt-Dinkelsbühl (2000), S. 26–44, hier S. 34 f. Gustav Roeder, Zur Bildung des Nationalgefühls gerettet: Dinkelsbühl, in: Fränkische Reichsstädte, hg. von Wolfgang Buhl (Würzburg 1987), S. 217–244, hier S. 222. 106 Urkunden der Stadt Dinkelsbühl, bearb. Schnurrer, Nr. 1325, S. 98 f. Die auf Bitten der Stadt ausgestellte Urkunde enthält ebenso eine Bestimmung, dass dieses bezeichnete Territorium nicht veräußert werden darf. Das Veräußerungsverbot in einer Urkunde, die auf Bitten der Stadt selbst entstand, zeigt sich als Mittel, mit der Autorität des Kaisers eigene städtische Interessen durchzusetzen. Die Urkunde bestimmt ferner, dass dieses Gebiet mit Zäunen, Planken und Gräben, Hecken und anderen Befestigungen bewehrt werden darf. 107 Vgl. Schnurrer, Dinkelsbühl im Schwäbischen Bund, S. 32–35. 108 Ebd., S. 38 f. 109 Vgl. ebd., S. 40 f. Vier Dinkelsbühler Stadtknechte hatten zwei Räuber bis nach Heidenheim an der Brenz verfolgt, dort gefangen genommen und nach Dinkelsbühl zurückgeholt, um sie dort zu verurteilen und hinzurichten. Die Herrschaft Heidenheim war zuvor an Herzog Ludwig den Reichen gelangt, der sich nun gegen das Vorgehen der Stadt Dinkelsbühl wandte.
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berger Vertreter als auch markgräflich-brandenburgische Räte, die gemeinsam zwischen den Parteien vermittelten. Der am Ende der Verhandlungen am 30. Juli 1456 geschlossene Vertrag von Lauingen war eine Demütigung für die Reichsstadt110. Im Reichskrieg gegen Herzog Ludwig von Bayern kämpfte die Stadt Dinkelsbühl an der Seite von Albrecht Achilles111. Angesichts dieses äußerst komplexen Geflechtes zwischen den regionalen Akteuren, insbesondere den Markgrafen von Brandenburg, den Grafen von Öttingen und den Herzögen von Bayern, aber auch den zahlreichen Reichsstädten sowie angesichts des vorläufigen Bedeutungsverlusts der städtischen Bündnisstrukturen musste es im Interesse der Stadt Dinkelsbühl liegen, als „neutraler“ Akteur zwischen den regionalen Konfliktparteien, Städten wie Fürsten, sich an deren Konfliktlösungen zu beteiligen, um nicht selbst Ziel von Übergriffen zu werden112. In diesen Tagen wurde der Grundstein für eine intensive Beziehung zwischen Hans Egen und den brandenburgischen Markgrafen gelegt, die erst fast zwanzig Jahre später offen sichtbar wurde, als Hans Egen im Jahre 1488 ihren Beitritt zum Schwäbischen Bund als Bundesrat maßgeblich begleitete113. Offensichtlich in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme der brandenburgischen Kurwürde durch Markgraf Albrecht schloss die Stadt Nürnberg ein Bündnis mit Herzog Ludwig von Bayern-Landshut114. Dieses Bündnis hatte den Nürnberger Rat wohl schon seit längerer Zeit beschäftigt, insbesondere hatte es rechtliche Fragen aufgeworfen, wie eine reichsunmittelbare Stadt ein Bündnis mit einem Reichsfürsten abzuschließen habe115. Bündnisverträge lassen durch ihre 110
Schnurrer, Dinkelsbühl im Schwäbischen Bund, S. 40. Auch der Städtetag, auf dem zahlreiche Städte der Region ihre Hilfe für den Markgrafen berieten, fand vom 27. bis 30. Juli 1460 in Dinkelsbühl statt, vgl. Schnurrer, Dinkelsbühl im Schwäbischen Bund, S. 43. 112 Auch mit den Grafen von Öttingen gab es Verbindungen; das Dinkelsbühler Spital hatte Lehen der Grafen inne, vgl. Urkunden der Stadt Dinkelsbühl, bearb. Schnurrer, Nr. 1357, S. 106; Nr. 1567, S. 155; Nr. 1570, S. 155. Daneben engagierten sich die Grafen von Öttingen in regionalen Kleinkonflikten, in die Dinkelsbühl und die brandenburgischen Markgrafen involviert waren, siehe hierzu oben S. 407, Anm. 104. 113 Wagner, Aufnahme der fränkischen Hohenzollern, S. 20. Ders., Der Schwäbische Bund und die fränkischen Hohenzollern, in: Forschungen zur Deutschen Geschichte 22 (1882), S. 259–327, hier S. 270 f. Carl, Der Schwäbische Bund, S. 159. Wunder, Sibilla Egen, S. 90. 114 Vgl. Sigmund Riezler, Geschichte Baierns, Bd. 3: Von 1347 bis 1508 (Allgemeine Staatengeschichte, Abt. 1: Geschichte der europäischen Staaten 20, Gotha 1889), S. 441. Stauber, Reichspolitik, S. 515 f. Lackner, Ludwig der Reiche, S. 379. Müllner, Annalen der Reichsstadt Nürnberg, hg. Hirschmann, S. 582. 115 Eberhard Isenmann, Reichsrecht und Reichsverfassung in Konsilien reichsstädtischer Juristen (15.–17. Jahrhundert), in: Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. von Roman Schnur (Berlin 1986), S. 545–628, hier S. 612 f. Isenmann weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Kaiser Friedrich III. im Jahre 1463 ein ausdrückliches Verbot von Bündnissen hatte ergehen lassen, womit er stillschweigend die in der Goldenen Bulle verankerte Erlaubnis zum Abschluss von Bündnissen zur Landfriedenssicherung außer Kraft setzte. Dieser flexible Umgang mit der Goldenen Bulle findet sich ebenso bei der Übertragung der brandenburgischen Kurwürde auf Albrecht von Brandenburg 1470, siehe auch 111
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Ausnahmeklauseln weitere Freundschaftsnetzwerke erahnen. Hier waren ausgenommen die Könige von Ungarn und Polen, die wittelsbachischen Verwandten Ludwigs des Reichen in Bayern und der Pfalz – nicht aber die Vertreter der Linie Veldenz, die Herzöge von Sachsen und Burgund, der Erzherzog von Österreich sowie die Grafen von Württemberg, ebenso die Bischöfe von Eichstätt, Würzburg, Freising, Passau, Regensburg, Augsburg und der Erzbischof von Salzburg116. Nicht ausgenommen waren somit Markgraf beziehungsweise Kurfürst Albrecht von Brandenburg und seine Verbündeten. Durch Gesandte ließ Albrecht von Brandenburg im Juni 1470 dann diese Einung auch dem Kaiser anzeigen117. Außerdem muss es zwischen dem Kaiser und Albrecht nach den Verhandlungen des Markgrafen mit Nürnberg im März brieflichen Austausch über das Verhältnis des Markgrafen zu Nürnberg gegeben haben. So betont Albrecht in einem späteren Schreiben, man habe nicht richtig berichtet, denn die Verhandelnden hätten damals Vollmacht gehabt, ein verstentnus zu erzielen118. Dieses Schreiben ist auch dahingehend erhellend, wie der Markgraf Nürnberg als Akteur differenziert sah: darumb sei ine sorgen halben nit not gewesen puntnus und glauben wol, wer der eygin nutz, der etlichen personen zu Nurmberg doraus gangen ist, nit gewesen, es were wol einem gemein nutz der stat nach vermiten pliben […]119.
Das Bündnis mit Herzog Ludwig war somit nach Ansicht des Markgrafen Ergebnis von Eigeninteressen, nicht aus dem gemeinen Nutzen der Stadt Nürnberg heraus entstanden. Städte konnten als Akteure in Netzwerken also in doppelter Weise aufgefasst werden, viele Bürger als Einzelakteure oder die Stadt insgesamt als Handlungssubjekt. Besonders interessant aber erscheint des Markgrafen Kommentierung der Bündnisausnahmen in der Einung der Nürnberger mit dem baye rischen Herzog. Sie hätten nämlich nur den Kaiser, nicht aber das Reich ausgenommen, wie sie dem Kaiser gegenüber zugesichert hätten. Denn hätten sie das Reich ausgenommen, so hätten sie gleichzeitig ihn, einen Kurfürsten, ausgenommen. Interessant erscheint an diesen Worten nicht nur die Parallelisierung von Kurfürst und Reich, sondern auch die Tatsache, dass dasselbe Schreiben auch vom weiteren Vorgehen zur Herrschaftsübergabe des Kurfürsten Friedrich von Brandenburg an Markgraf Albrecht handelt, die nämlich zum Abfassungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen war, während Albrecht von Brandenburg seinen kurfürstlichen Rang schon selbstbewusst einsetzte, um regionale Interessen- und Rangkonstellationen für sich zu nutzen120. oben B. II. Nach Ablauf der Einung im Jahre 1485 setzte sich Kurfürst Albrecht von Brandenburg beim Kaiser intensiv für ein Verbot der Verlängerung ein, vgl. Stauber, Reichspolitik, S. 516. Zur Reichsunmittelbarkeit in Bezug auf Reichsstädte insgesamt: Adolf Laufs, Reichsstädte und Reichsreform, in: ZRG GA 84 (1967), S. 172–201, hier S. 178–182. 116 Riezler, Geschichte Baierns, S. 441 f. Stauber, Reichspolitik, S. 515 f. 117 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 54, S. 132–136. 118 Ebd., Nr. 54, S. 134. 119 Ebd., Nr. 54, S. 134. 120 Siehe näher oben B. II.
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In der ersten Hälfte des Jahres 1470 hatte sich das Netzwerk um die Beziehungen zwischen der Reichsstadt Nürnberg und Albrecht von Brandenburg verändert. Nürnberg war eng an Herzog Ludwig den Reichen von Bayern, somit indirekt auch an dessen enge Verbündete und Verwandte gebunden, nicht zuletzt an den vom Kaiser nicht anerkannten und mit Albrecht von Brandenburg verfeindeten Kurfürsten Friedrich den Siegreichen von der Pfalz. Aus jeweils individuellen Interessen engagierten sich der Bischof von Eichstätt, der Landkomtur der Deutschordensballei Franken sowie der Bürgermeister von Dinkelsbühl im Rahmen von Verhandlungsbemühungen. Voraussetzung für die Veränderungen der Netzwerkstrukturen waren Verschiebungen der Kräfteverhältnisse innerhalb der städtischen Institutionen von Nürnberg. In seiner neuen Gestalt sollte dieses Netzwerk in den kommenden Jahren nur marginale Veränderungen hervorbringen. Somit ist im Folgenden stärker auf das Handeln der Akteure in dieser Netzwerkstruktur einzugehen. Am 12. Juli berichtete der brandenburgische Kanzler Johann Volker an andere Räte unter anderem von einem Zwischenfall, der sich bei Erlangen am 9. Juli ereignet hatte121. Dort waren Nürnberger Bürger, unter ihnen Wilhelm Löffelholz, mit markgräflichen Untertanen zusammengestoßen und hatten sich eine größere Schlägerei geliefert, bei der unter anderem Löffelholz durch das antlitz gehauen, ein anderer an der Hand verletzt worden sei; vier weitere seien nach Erlangen geflohen, 15 Nürnberger festgesetzt worden. So spektakulär sich dieser Vorfall auch anhört, den brandenburgischen Räten schienen solche Begebenheiten offensichtlich beherrschbar und in ihrem weiteren Ablauf mehr oder weniger voraussehbar. So berichtet Johann Volker in demselben Zusammenhang, der ding sind die Nurmberger etwas unwillig, sie hätten sich noch nicht beschwert, man erwarte dies aber in Kürze122. Vorfälle wie diese hatten sich seit der absichtlichen Eskalation der Beziehungen zwischen Markgraf Albrecht und der Reichsstadt in der Folge des Todes von Niklas Muffel unzählige Male ereignet und sie ereigneten sich den gesamten Untersuchungszeitraum über immer wieder, wie nicht zuletzt die umfangreiche Nürnberger Überlieferung nahelegt123. Weniger nach den konkreten Streitinhalten als vielmehr nach den Funktionsmechanismen, den Strategien innerhalb der analysierten Netzwerke, nach ihren Veränderungen ebenso wie nach den Punkten, an denen die Konfliktparteien direkt in Kontakt miteinander traten, etwa auf Reichstagen oder als Verbündete im Reichskrieg, soll im Folgenden gefragt werden.
121 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 68, S. 146–149, hier S. 147 f. Johann Volker berichtet in diesem Zusammenhang außerdem von weiteren Zusammenstößen der Nürnberger mit Untertanen Albrechts von Brandenburg. 122 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 68, S. 146–149, hier S. 148. 123 Siehe oben S. 402, Anm. 77.
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4. Der Reichstag von Nürnberg 1470 Anfang September 1470 wurde Kurfürst Albrecht von Brandenburg durch Heinz Seiboth vom Kaiserhof in Graz unterrichtet, Nürnberger Gesandte seien beim Kaiser, wobei man nicht genau wisse, was sie dort wollten – sie würden später mit den Brauneckschen Lehen belehnt werden124. Währenddessen liefen in Nürnberg bereits die Vorbereitungen für den dorthin in Aussicht genommenen Reichstag125. In einem Schreiben vom 18. September 1470, das Albrecht von Brandenburg an seine zum Nürnberger Reichstag gesandten Räte schickte, instruierte er sie über verschiedene aktuelle politische Fragen126. Darunter findet sich auch eine Passage zu Nürnberg. In Fragen kaiserlicher Regalien und der firstenlich oberkeit möge der Kaiser entscheiden, alle übrigen Dinge der Bischof von Eichstätt127. Auch im Falle des Streits mit Herzog Ludwig von Bayern stimmte er einer Auseinandersetzung vor dem Bischof von Eichstätt zu. Interessant erscheint hier, dass Albrecht offensichtlich im Moment dieses Vorschlags mit dem Bischof von Eichstätt kurzzeitig selbst im Streit lag, denn er bemerkte, diese Fragen seien im Falle kaiserlicher Rechte vom Kaiser selbst, in anderen Dingen vom Bischof von Augsburg zu richten128. Schließlich seien auch die bestehenden Streitpunkte mit dem Bischof von Würzburg durch den Erzbischof von Mainz, neue Konfliktpunkte im Rechtswege auszutragen129. Mit den herren von Munchen, herzog Otten, dem bischof von Augspurg und Ulm, die auch angezogen werden durch den von Eystet wissen wir nichts zu thun zu haben130 – Hier lässt sich ein Geflecht verschiedener Interessenlagen, sich überlagernder Konflikte und personaler Beziehungen erahnen, das das Bild der oben beschriebenen Netzwerke weiter konkretisiert. Einen Tag später antworteten Albrechts Räte, der Kaiser sei nicht in Nürnberg131. Er war von einer am Kaiserhof weilenden polnischen Gesandtschaft an 124 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 89, S. 171 f. Siehe hierzu ausführlicher oben D. II. 3. b). 125 Zu Reichsstädten auf Reichsversammlungen vgl. Isenmann, Reichsstadt und Reich, S. 89–141. 126 Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 96, S. 177. Bei den in Nürnberg anwesenden Räten handelte es sich um den Abt des Klosters Heilsbronn, den Landkomtur Melchior von Neueneck sowie um Peter Knorr, vgl. ebd., Nr. 97, S. 177. Vgl. ferner RTA. Ältere Reihe, 22/1, hg. Most-Kolbe, Nr. 82,b,4, S. 258. 127 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 103, S. 123 f., hier S. 124. Diese gerade im Hinblick auf die pfälzisch-kaiserlichen Auseinandersetzungen, ja für die Reichsebene schlechthin interessante Versammlung harrt immer noch einer umfassenden Betrachtung. Vgl. vorerst Annas, Hoftag, 2, S. 443–445. RTA. Ältere Reihe, 22/1, hg. Most-Kolbe, S. 246–277. Zur „fürstlichen Obrigkeit“ nun: Merz, Fürst und Herrschaft, S. 200. 128 Vgl. Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 103, S. 124. 129 Die Spannungen zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und dem Bischof von Würzburg waren in dieser Zeit bereits erheblich kleiner als noch wenige Jahre zuvor, siehe unten S. 442 f., insbesondere Anm. 283. 130 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 103, S. 124. 131 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 97,1, S. 177–179.
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der persönlichen Teilnahme verhindert worden. Der Reichstag von Nürnberg war eigentlich wegen der Türkengefahr einberufen worden, als Verhandlungsthemen kamen dann auch noch die Auseinandersetzungen mit dem Pfalzgrafen und der pfälzisch-veldenzische Konflikt hinzu, während die fränkischen Konflikte nicht verhandelt wurden132. Am Ende dieses Tages, auf den die meisten geistlichen und weltlichen Fürsten nur Gesandte geschickt hatten, stand die Übereinkunft der Anwesenden, der Kaiser müsse angesichts drängender Fragen ins Binnenreich kommen, wobei um die Besetzung der Gesandtschaft heftig gerungen wurde. Auch wenn auf dem eigentlichen Tage die fränkischen Dinge nicht behandelt wurden, so müssen sie am Rande doch eine Rolle gespielt haben, wie eine Passage aus einer Instruktion nahelegt; anscheinend nämlich gab es Kontakte zwischen den brandenburgischen und den herzoglich-bayerischen Räten aus Landshut133. Zu einem Austrag seines Konflikts mit Herzog Ludwig auf einem Tag ohne Tagesordnung sei Albrecht von Brandenburg, wie er betonte, nicht bereit. Zu einem möglichen Ausgleich mit Herzog Ludwig sagte er: Wir bedorffen ir richtigung gerade so wenig, als sie der unsern134. Diese Passage belegt, dass ein dauerhafter Ausgleich zwischen beiden Seiten von Albrecht von Brandenburg nicht einmal erwünscht war. Aber auch eine kriegerische Auseinandersetzung fürchtete er nicht, denn wir glauben, wir haben als vil buntgenossen als sie, nach der zale zu rechen; haben wir nit als vil denn als sie, so sinds doch auch leut. Darumb bedorff uff krieg nymants dem ander droen, dann er enwais, wem got den syge geben will. Wir begern frids; wer unfrid suche, dem beschere sein got haws und hove wol135. Die Strategie Albrechts von Brandenburg hieß somit einen längerfristigen Ausgleich verhindern, mit einem Krieg drohen, es aber doch nicht bis zur Schwelle einer solchen Auseinandersetzung kommen lassen. Dieser Befund deckt sich mit der Einschätzung der Räte, dass man die mit Konflikten beladenen Netzwerke in Franken beherrschen könnte, ohne einen Ausgleich auszuhandeln.
132 Vgl. RTA. Ältere Reihe, 22/1, hg. Most-Kolbe, S. 246 f. Die Räte Albrechts von Brandenburg betonen in ihrem Schreiben, dass sie dem Rang nach als kurfürstliche Räte empfangen worden seien. Offensichtlich galt diese Versammlung der brandenburgischen Seite als Testfall für die faktische Anerkennung der Kurübertragung durch Kaiser und Kurfürsten. Vgl. hierzu auch oben S. 101 f. Für die Verhandlung in gewohnten Konstellationen waren gleichwohl alle wichtigen Gesandtschaften anwesend, so Vertreter Albrechts von Brandenburg, des Bischofs von Eichstätt, Nürnbergs sowie Melchior von Neuneck persönlich; vgl. Annas, Hoftag, 2, S. 444 f. 133 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 107, S. 134 f., hier S. 135. 134 Ebd. 135 Ebd. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 97,3, S. 180.
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5. Der Reichstag von Regensburg 1471 Von Ende September 1470 bis in den Juni 1471 hört man – von der Frage der Brauneckschen Lehen abgesehen136 – nichts vom Konflikt zwischen Albrecht von Brandenburg und Nürnberg. Erst im Vorfeld der Verhandlungen auf dem Regensburger Reichstag mit dem Kaiser können den Quellen hektische Bemühungen der Nürnberger entnommen werden, um Verbündete gegen Kurfürst Albrecht von Brandenburg zu mobilisieren, vorsorglich für den Fall, dass der Konflikt zwischen der Reichsstadt und ihm vor dem Kaiser verhandelt werden würde137. Empfänger dieser Schreiben waren zum einen andere Städte, so Köln, Straßburg, Basel, Frankfurt am Main, Augsburg, Ulm, Nördlingen, Dinkelsbühl und Regensburg138. Im Falle von Köln führte dies zu einer gesonderten Kommunikation zwischen den städtischen Organen und ihrem Abgesandten in Regensburg, Wolter van Bilsen, wie man sich nun zu verhalten habe139. Die Stadt sicherte schließlich den Nürnbergern ihre Unterstützung zu, bat umgekehrt aber auch von Nürnberg entsprechenden Beistand in möglichen Verhandlungen um ihre Streitfragen. Zum anderen wurde das regionale fränkische Netzwerk aus mehr oder weniger eng Verbündeten durch Schreiben aktiviert: Empfänger waren die Bischöfe von Würzburg und Eichstätt, in einem weiteren Kreis auch Herzog Ludwig von Bayern-Landshut140. Ein gesondertes Schreiben ging an den Rat des Letztgenannten, Martin Mair, mit der Bitte, er möge nicht nur den Gesandten der Stadt beistehen, sondern ihre Anliegen auch noch muntlich furzupringen und zu reden141. Die Reichsstadt war also in dieser Situation nicht nur bemüht, im Voraus ihre Verbündeten zu aktivieren, sondern auch Sachverstand für ihre eigene Rede für sich zu gewinnen, wobei Martin Mair mit Sicherheit als einer der begnadetsten Vertreter seiner Zunft zu gelten hat142. 136
Siehe dazu oben D. II. 3. c). RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. 346. Während die Versammlung von Regensburg länger ging, von April bis August 1471, traf der Kaiser erst am 16. Juni in der Stadt ein, vgl. ebd., S. XIX–XXIX. Die Schreiben der Nürnberger standen ganz offensichtlich mit der nahenden Ankunft des Kaisers in Zusammenhang, vgl. ebd., S. XX (1471 Juni 16). 138 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 99,h,1, S. 355. 139 Ebd., Nr. 99,a,5, S. 348 (1471 Juni 14); Nr. 99,a,6,ß, S. 349. Albrecht von Brandenburg stritt in jenen Tagen mit der Stadt Köln um das Erbe des schon im Jahre 1419 verstorbenen Bischofs Johann von Lüttich, der dem fränkischen Hause Wallenrode entstammte. Schon Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg hatte sich der Ansprüche der Wallenroder am Erbe Johanns angenommen. Albrecht griff diese Ansprüche auf, während die Kölner mit Lüttich, das die Ansprüche der Wallenroder bestritt, auch nach einem kaiserlichen Verbot weiterhin Handel trieben, vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1104, Anm. 875. Ausführlicher Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 533, S. 485 f., insbesondere S. 485, Anm. 9. Zum Lütticher Bischof vgl. Ansgar Frenken, Art. „Wallenrode, Johannes von“, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 13 (1998), Sp. 215–218. 140 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 99,h,1,3, S. 354 f. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 190a, S. 258: Schreiben von Bürgermeister und Rat der Stadt Nürnberg an Herzog Ludwig von Bayern. 141 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 99,h,2, S. 355. 142 Vgl. Hansen, Martin Mair. 137
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Es war auch der Herzog von Bayern-Landshut, der am 16. Juni 1471 mit dem Kaiser in Regensburg einzog, während Kurfürst Albrecht von Brandenburg schon seit dem 3. Mai zusammen mit anderen Fürsten die sich immer wieder verzögernde Ankunft des Kaisers erwartet hatte143. Der Regensburger Christentag wurde von der Forschung bisher nur wenig in den Blick genommen, liegt doch erst seit etwas über zehn Jahren der entsprechende Band der Reichstagsakten vor144. Besonders von Nürnberger Seite ist die Überlieferung gut und schwierig zugleich; so sind zwar insgesamt sieben teilweise verschlüsselte Schreiben der Ratsgesandten Niklas Groß, Gabriel Tetzel und Jobst Haller an den städtischen Rat über die Verhandlungen zwischen dem 3. Juli und dem 13. bzw. 14. August 1471 überliefert, die in ihrem Aussagegehalt allerdings eher dürftig sind145. Schon zuvor hatte der Nürnberger Rat anscheinend seine Vertreter zumindest in Teilfragen instruiert146. Aus den Quellen insgesamt geht hervor, dass der Tag von den Themen Türkenabwehr, Auseinandersetzungen innerhalb des bayerischen Herzogshauses, dem sogenannten „Münchner Bruderzwist“, dem Konflikt des Kaisers mit Pfalzgraf Friedrich dem Siegreichen, Vereinbarungen über einen allgemeinen Reichslandfrieden sowie Verhandlungen über das Herzogtum Pommern-Stettin beherrscht wurde147. Obwohl es in den Quellen Hinweise gibt, dass die Konflikte des brandenburgischen Kurfürsten mit Nürnberg sowie mit Herzog Ludwig dem Reichen
143 Zum Regensburger Christentag 1471 vgl. Schwarz, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche, S. 271–282. 144 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff. Ältere Gesamtbetrachtung, bisweilen fehlerhaft: Jakob Reissermayer, Der Große Christentag zu Regensburg 1471, 1. Teil, in: Programm zum Jahresberichte über das K. neue Gymnasium zu Regensburg für das Studienjahr 1886/87 (Regensburg 1887), S. III–VI sowie 1–80; 2. Teil, in: Programm zum Jahresberichte über das K. neue Gymnasium zu Regensburg für das Studienjahr 1887/88 (Regensburg 1888), S. 3–159. Teilaspekte bei Droysen, Geschichte der Preußischen Politik, S. 374–388. Viktor von Kraus, Deutsche Geschichte im Ausgange des Mittelalters (1438–1519), Bd. 1: Deutsche Geschichte zur Zeit Albrechts II. und Friedrichs III. 1438–1486 (Stuttgart / Berlin 1905), S. 521–528. RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. XIVf. mit weiterer Literatur. Zum Teilnehmerkreis Annas, Hoftag, 2, S. 446–470. Jüngste ausführlichere Studie zur Rolle Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen auf dem Reichstag: Schwarz, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche. 145 Vgl. zu den Schreiben: RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. 586 f. Es handelt sich um folgende Dokumente: RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 114,d,1–7, S. 715–724. Zur Verschlüsselung vgl. ferner ebd., S. 586 f. Für die wichtigsten Akteure wurden Namen aus der Vogelwelt übernommen; so hießen die Gesandten der Nürnberger grünling (Niklas Groß), wachalter (Jobst Haller) und kramatfogel (Jobst Tetzel), Kaiser Friedrich III. sperber, Herzog Ludwig von Bayern-Landshut plawfuß und Kurfürst Albrecht von Brandenburg pfaw, ebd., S. 715. Insbesondere hinter der Bezeichnung des Markgrafen als Pfau wird die Assoziation mit Arroganz und Eitelkeit zu vermuten sein. Zur schwierigen Überlieferungssituation in Bezug auf den Inhalt von politischen Verhandlungen in diesen Jahren vgl. Meyer, Stadt als Thema, S. 383. 146 Niclas Groß und Jobst Haller nehmen in ihrem Schreiben vom 3. Juli 1471 Bezug auf zwei Schreiben der vorangegangenen Tage, vgl. RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 114,d,1, S. 716. 147 Schwarz, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche, S. 273–277; Annas, Hoftag, 2, S. 454 f.
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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am Rande eine Rolle gespielt haben müssen, wird es wohl zu direkten Verhandlungen nicht gekommen sein148. Aus einem Schreiben der Nürnberger Gesandten vom 6. Juli geht hervor, dass es im Hintergrund Kontakte zwischen dem Markgrafen und seinem Rat Hans von Talheim mit Nürnberger Vertretern unter Beteiligung des Dinkelsbühler Bürgermeisters Hans Egen gab149. Inhaltliche Fortschritte oder eine Verstetigung von Verhandlungen gab es aber offenbar nicht. 6. Der Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg 1471 Von Regensburg reiste der Kaiser am 23. August 1471 weiter nach Nürnberg, mit ihm neben dem päpstlichen Legaten, Kardinaldiakon Francesco TodeschiniPiccolomini, den Kurfürsten von Mainz und Sachsen auch Kurfürst Albrecht von Brandenburg150. Wolff hat diese sich dann anschließenden „vierundzwanzig Tage im Leben Kaiser Friedrichs III. skizzenhaft erzählt“151; für ihn ist der Besuch des Kaisers in Nürnberg, begleitet von Ausflügen und kleineren Besuchen in der näheren Umgebung, die kurzweilige Abwechslung nach dem anstrengenden Reichstag zu Regensburg; umso rätselhafter erscheint ihm das Wesen des Kaisers, der gegen Ende seines Aufenthalts, am 9. September 1471, hastig, fast scheu wieder abgereist sei152. Wie ein ausführlicher Nürnberger Bericht vom Besuch des Kaisers schließen lässt, befürchtete der Kaiser, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche würde nach Nürnberg kommen, genad zu erverben, der uneins mit dem keiser was. also wolt
148 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 114,d,3, S. 719: Item ist auch merklich arbait, Hzg. Ludwig von Landshut und Mgf. Albrecht von Brandenburg zu frieden zu pringen, das wir in acht haben wöllen. Zum Verlauf des Tages insbesondere auch Schwarz, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche, S. 273–277. 149 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 114,d,3, S. 716–718, hier S. 717: Bericht von Niklas Groß und Jobst Haller an die Altherren von Nürnberg, 1471 Juli 6. 150 Helmut Wolff, Und er was frolich und wolgemut…. Zum Aufenthalt Kaiser Friedrichs III. 1471 in Nürnberg, in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS Erich Meuthen, hg. von Joachim Helmrath / Heribert Müller in Zusammenarbeit mit Helmut Wolff, Bd. 2 (München 1994), S. 805–820, hier S. 807. Zum kaiserlichen Itinerar vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1374. 151 Wolff, Aufenthalt in Nürnberg, S. 820. Außerdem Reissermayer, Christentag, 2, S. 112 f. Ferner Meyer, Stadt als Thema, S. 371. Reinhard Seyboth, Reichsstadt und Reichstag. Nürnberg als Schauplatz von Reichsversammlungen im späten Mittelalter, in: FS Alfred Wendehorst, hg. von Jürgen Schneider / Gerhard Rechter (JbffL 52, Neustadt a.d.A. 1992), S. 209– 221, hier S. 214 f. 152 Wolff, Aufenthalt in Nürnberg. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1374. So auch Reissermayer, Christentag, 2, S. 113. Vgl. ferner zum Themenfeld „Kurzweil“ anhand der Korrespondenz und mit Blick auf die „soziale Funktion“ Uwe Tresp, Die Kurzweil der Fürsten. Beobachtungen zum Verhältnis von Funktionalität und Vergnügen bei Geselligkeit, Jagd und Ritterspiel in Korrespondenzen der Hohenzollern aus dem 15. Jahrhundert, in: Weltbilder des mittelalterlichen Menschen, hg. von Heinz-Dieter Heimann u. a. (Studium Litterarum 12, Berlin 2007), S. 257–299.
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der keiser sein nicht erpeiten […]153. Dieser Bericht (A)154, der in mehreren Versionen überliefert ist und wohl unter anderem als Vorlage für den Bericht der Tucherschen Fortsetzung der Nürnberger Jahrbücher zu 1471 diente, entstand wohl im Umfeld des städtischen Rates; er steht neben einem davon unabhängigen, wohl von einem Ratsherrn zeitnah verfassten Text (B)155. Beide Berichte können als Hauptquellen für den gesamten kaiserlichen Aufenthalt in Nürnberg gelten156. In den die Forschung seit langem beschäftigenden Fragen der Bewertung des Charakters solcher Berichte157 – ob es sich etwa um offizielle Dokumente oder Aufzeichnungen zum Privatgebrauch handelt, ob sie für die Nachwelt bestimmt waren oder ihre Anlage pragmatischen Motiven entsprang – spiegelt sich in gewisser Weise das Dilemma wider, wenn man individuelles Handeln einzelner Ratsmitglieder und das der „Institution“ des Rates klar voneinander zu unterscheiden versucht158. Legt man allerdings den Governance-Ansatz zugrunde, so tritt diese Trennung in den Hintergrund. Das sich durchdringende Miteinander von „Offiziellem“ und 153
RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,1, S. 929–931, hier S. 931. Ebd., Nr. 129,a,1, S. 929–931 (zur Einordnung ebd., S. 926); dieser Text ist weitgehend und in den für diese Betrachtung wesentlichen Passagen identisch mit: Tucher’sche Fortsetzung der Jahrbücher bis 1469. 1395 (1469)–1499, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 5 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 11, Leipzig 1874), S. 443–531, hier S. 458–467. In welchem Verhältnis die in den Reichstagsakten edierte Quelle zu der in den Chroniken der deutschen Städte wiedergegebenen steht, ist im Einzelnen nicht zu sagen. Möglicherweise wurde der in der Tucher’schen Fortsetzung überlieferte Bericht von Anton Tucher oder seinem gleichnamigen Vater (gestorben 1476) redigiert. 155 Vgl. Beilagen zur Tucher’schen Fortsetzung, S. 513–520. 156 Von diesem Aufenthalt berichtet außerdem der mit dem Kaiser nach Nürnberg mitgereiste Agostino Patrizi, päpstlicher Zeremonienmeister, in seinen Schreiben an die Kurie, RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,b,1 und 2. Für die folgenden Ausführungen sind seine Briefe von nachgeordneter Bedeutung. Ebenso wenig ergiebig für die folgenden Betrachtungen ist der relativ kurze Bericht in der Chronik des Heinrich Deichsler, vgl. Jahr bücher des 15. Jahrhunderts, S. 326–328 (zur Einordnung ebd., S. 47–52, 72–89). Zu Heinrich Deichsler siehe oben S. 369, Anm. 724. 157 Joachim Schneider, Typologie der Nürnberger Stadtchronistik um 1500. Gegenwart und Geschichte in einer spätmittelalterlichen Stadt, in: Städtische Geschichtsschreibung im Spät mittelalter und in der Frühen Neuzeit, hg. von Peter Johanek (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 47, Köln / Weimar / Wien 2000), S. 181–203, hier S. 191. Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 188 f., ferner S. 110. Meyer, Stadt als Thema, S. 76–88. 158 Nach Tucher’sche Fortsetzung, S. 449, hatte Bericht (A) die Funktion, der Nachwelt nicht nur über den Aufenthalt des Kaisers Auskunft zu geben, sondern auch herauszustellen, dass der Rat und die Stadt mit derartigen Großereignissen fertigwerden konnten; er habe nicht unbedingt einen „praktischen Zweck“ haben müssen. Zu Bericht (B) ist hingegen vermutet worden, dass dieser Bericht allein für den internen Gebrauch des Rates verfasst worden sei, wofür nicht zuletzt sein Eintrag in einem Codex der Ratskanzlei zusammen mit einer Sammlung von Verordnungen, die anlässlich des kaiserlichen Besuchs zur Anwendung kamen, spreche. Beide Berichte bedienten sich anscheinend der vom Rat bereits im Zusammenhang mit dem Besuch Friedrichs III. von 1442 in Nürnberg erlassenen Ordnung, vgl. K. Friedrich III. und die Reichsstadt Nürnberg 1440–1444, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 1 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 3, Leipzig 1872), S. 349–401, hier S. 356–371. 154
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„Privatem“ – etwa die Mischung familiärer Interessenartikulation und Zugrundelegung offizieller Ordnungen – sowie die komplexen innerstädtischen Netzwerkstrukturen treten hingegen in den Vordergrund. So wird der Blick frei auf ihren Inhalt, ohne sie vor der Analyse einseitig als Verwaltungsschriftgut oder Privathistoriografie zu qualifizieren. Ausführlich wird in den Berichten der Adventus des Herrschers beschrieben, der besonders feierlich ausfiel, da dorvor in hundert und zweiundtreissig joren kein romischer keiser zu Nurenperck ist gewesen159. Tägliche Messen in verschiedenen Kirchen der Stadt, Reliquienschauen und Besichtigungen, aber auch Tanzfeste werden wiedergegeben160, ebenso wird auf die Rolle einzelner Ratsmitglieder hingewiesen und von Ausflügen berichtet. Bei dem Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg ging es aber nicht nur um Erholung, Kurzweil und Spaß, wie es die Nürnberger Berichte vermitteln, sondern auch um politische Verhandlungen, die bei der Betrachtung des Aufenthaltes in der Forschung bisher, wenn überhaupt, nur am Rande eine Rolle gespielt haben161. Zunächst ist ein Blick auf die Urkundentätigkeit des Kaisers während seines Aufenthalts in Nürnberg zu werfen: Mit einer Urkunde am 23. August, wahrscheinlich über 70 Urkunden am 26. August, sechs weiteren am 27. August, acht am 28. August, einer am 29. und wohl 23 am 31. August, sowie weit über 150 aus gestellten Urkunden Anfang September wird deutlich, dass nicht nur die Kanzlei in jenen Tagen beachtliche Arbeitsleistungen erbrachte, sondern dass auch der Kaiser und sein Umfeld von diesen zweifellos „politischen“ Tätigkeiten berührt gewesen sein müssen – schließlich handelte es sich um zahlreiche Einzelfallentscheidungen162. Aber auch die Nürnberger Überlieferung, insbesondere die seriellen Quellen der Ratsverlässe, legen nahe, dass in diesen Tagen das politische Handeln wichtiger Bestandteil des Treffens war. Im Kapitel zu den Brauneckschen Lehen wird gezeigt, welche politischen Implikationen dieses Treffen hatte163. Noch Wolff merkte 159
RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,1, S. 930. Tucher’sche Fortsetzung, S. 463. Dass zuvor in 132 Jahren kein Kaiser mehr nach Nürnberg gekommen war, trifft freilich nicht ganz zu, da Kaiser Karl IV. noch im Jahre 1378 in Nürnberg war, vgl. ebd., S. 463, Anm. 2. Zum Adventus in Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert vgl. Andrea Löther, Die Inszenierung der stadtbürgerlichen Ordnung. Herrschereinritte in Nürnberg im 15. und 16. Jahrhundert als öffentliches Ritual, in: Wege zur Geschichte des Bürgertums. Vierzehn Beiträge, hg. von Klaus Tenfelde / Hans-Ulrich Wehler (Bürgertum. Beiträge zur europäischen Wirtschaftsgeschichte 8, Göttingen 1994), S. 105–124, hier insbesondere S. 108, 111, zu Tanzfesten bei Herrscherbesuchen auch S. 116. 160 So auch in: Jahrbücher des 15. Jahrhunderts, S. 326–328. 161 Beispielsweise Reicke, Geschichte der Reichsstadt Nürnberg, S. 449–451, scheint sich allein auf diesen Bericht zu stützen. Wolff, Aufenthalt in Nürnberg, S. 818, mit allgemeinen Hinweisen auf die politische Lage im Reich insgesamt und die „Alltagsgeschäfte“, allerdings nur für die letzten Tage des kaiserlichen Aufenthalts im September. 162 Diese Zahlen ergeben sich aus der Auswertung der Online-Datenbank der Regesta Imperii. 163 Siehe oben S. 278 f.
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zu den Einträgen in den Kurznotizen des Nürnberger Rates an, „in der Sache sind wesentliche neue Erkenntnisse nicht zu gewinnen“164; angesichts der Ergebnisse zu den Brauneckschen Lehen im Zusammenspiel mit dem Folgenden erweist sich dies als wohl zu kurz gegriffen. Unter der Oberfläche des perfekten Herrscheraufenthalts, wie er in den nürnbergischen Berichten beschrieben wird, scheint hart gerungen worden zu sein, und zwar in handfesten politischen Fragen. Betrachtet man also nur das Zeremonielle, den feierlichen Adventus, Tanzfeste und Freuden, so wird man dem Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg nicht gerecht. Hieran wird deutlich, wie sehr das Ritual, das der Historiker zu sehen und dessen Inhalt politisch einzuordnen er zu können glaubt, in die Irre führen kann; die parallele Überlieferung enthält Spuren des genauen Gegenteils. Deshalb ist erneut insbesondere auf den ersten Nürnberger Bericht (A) zu schauen. Dieser kann entgegen der bisherigen Forschung auch anders gedeutet werden, wenn man sich nicht von der in ihm enthaltenen Euphorie blenden lässt. Von seinem Aufenthalt in Nürnberg vom 23. August bis zum 9. September war der Kaiser nämlich weit mehr als die Hälfte der Zeit gar nicht in Nürnberg, sondern in Schwabach zum Jagen mit den Kurfürsten Albrecht von Brandenburg und Ernst von Sachsen (25. August), auf jener Reise in Bamberg (28. August–2. September)165 – wieder gemeinsam mit Albrecht von Brandenburg – und auf der Cadolzburg (4.–6. September) – selbstverständlich auch hier in Begleitung des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg166. Es handelte sich also eher um einen Aufenthalt in Franken in Begleitung der Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen mit einem Schwerpunkt oder „Stützpunkt“ in Nürnberg. Außerdem ist ein Bruch in der Überlieferung zu beobachten. So scheint mit dem fortschreitenden Besuch, wohl etwa ab dem 25. August, dem städtischen Rat die Regie über den Aufenthalt entglitten zu sein. Danach dominierte Kurfürst Albrecht das Geschehen zunehmend; die mündliche Zusage in Sachen Brauneck 164 Wolff, Einleitung, zu: Nachverhandlungen nr. 129, in: RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. dems., S. 927. 165 Die ausführlichste Beschreibung dieser Reise findet sich mit offensichtlich falscher Datierung der Reiseabschnitte in dem Bericht des päpstlichen Zeremonienmeisters Agostino Patrizi, der im Gefolge des päpstlichen Legaten Francesco Todeschini-Piccolomini in Regensburg war, RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,b,2, S. 941–943. Er berichtet insbesondere von der Verehrung zahlreicher Reliquien durch den Kaiser, ebd., S. 941 f.: […] Bambergae primo die quievimus, in quo caesar divi Henrici venerandas reliquias et aliorum sanctorum devotissime invasit. Postridie ad templum quoddam, Quattuordecim Auxiliatoribus dicatum, ad 20. lapidem profectus est, unde peractis sacris eodem die Bambergam est reversus, postridie iter ingressi Norimbergam revenimus. Ernestus Saxo ex Bamberga, discedendi venia impetrata, domum rediit. ante discessum pocula duo aurea legato dono misit in signum mutuae amicitiae. legatus, ut coeptum servaret institutum, ubi gratias condecentes egit, donum remisit. Zum zeitlichen Ablauf vgl. ebd., S. 926 f. Zu Patrizi vgl. Achim Thomas Hack, Art. „Patrizi de’Piccolomini, Agostino“, in: Biographisch-bibliographisches Kirchenlexikon 18 (2001), S. 1120–1130. RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, S. 453 f. 166 Von den 17,5 Tagen, die der Kaiser in Franken war, war er nur acht tatsächlich in Nürnberg.
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sche Lehen an den Markgrafen passt zu ebendieser zunehmenden Akzentverschiebung167. Die Annahme einer Zäsur um den 25. August wird auch durch die bereits erwähnte Urkundentätigkeit der kaiserlichen Kanzlei gestützt. Denn am 26. August setzte die Urkundenproduktion nach mehreren Tagen des Stillstands wieder ein, und zwar nun in großer Zahl. Zum 26. August 1471 stellt der Nürnberger Bericht (A) fest: und darnach am Montag [1471 August 26] hort der keiser mes zu sant Lorencen, do gab er 3 gulden an den pau, und do besach er sant Ekarius sarch; do gab er 2 gulden und mer 1 gulden an die gros mastrancz. Also besach er den pfarhoff. darnoch reit er in die stat umb und zu hantwerkleuten, welch kostenlich arbeit machten, und alweg ritten 2 vom rat mit im168 .
Währenddessen wurden in Nürnberg allerdings über 70 kaiserliche Schreiben ausgestellt. Ergebnis der Jagdreise vom Tag vorher mit dem Markgrafen von Brandenburg und dem sächsischen Kurfürsten war wohl, dass der Kaiser nun Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg verbot, Titel und Wappen eines Kurfürsten und Herzogs von Sachsen zu verwenden, ebenso sich Erzmarschall zu nennen – dieses Verbot ließ Kaiser Friedrich auch an zahlreiche Reichsmitglieder im Norden des Reiches senden und aktivierte damit regionale Netzwerke169. In ähnlichem Kontext wird wohl auch ein an den Kurfürsten Albrecht von Brandenburg gerichtetes Schreiben seiner Freiheiten wegen zu sehen sein170. Ebenso wird die Verleihung des Zehnten zu Schwarzenbruck, Ochenbruck usw. an Hans Link aus Schwabach auf dem Jagdausflug zumindest vereinbart worden sein171. Daneben findet sich eine Vielzahl von Belehnungen, Wappenbriefausstellungen, Kommissions aufträgen, Prozessverboten, Bestätigungen und vieles mehr in zahlreichen voneinander unabhängigen Einzelfragen172. Auch in den sich anschließenden Tagen wur 167
Wolff, Einleitung zu: Nachverhandlungen nr. 129, in: RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. dems., S. 927, sieht daneben noch einen Bruch in der Stimmung mit der Rückkehr des Kaisers nach Nürnberg am 2. September, als er von der schweren Niederlage des kaiserlichen Hauptmanns, Herzog Ludwig von Veldenz, gegen Friedrich den Siegreichen erfuhr. 168 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,1, S. 931. Vgl. auch Tucher’sche Fortsetzung, S. 464. 169 Es handelt sich um weit mehr als 30 Schreiben in dieser Sache, unter anderem auch an den Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg, vgl. etwa RI Friedrich III., 11, Nr. 408– 422, S. 221–226; 20, Nr. 200, S. 152. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 217, S. 273. Der Verbotsbrief an den Herzog von Sachsen-Lauenburg: RI Friedrich III., 11, Nr. 407, S. 220 f. Siehe ferner oben S. 109. 170 RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 876, S. 126. 171 Regesta, Chmel, 2, Nr. 6432, S. 626. 172 Exemplarisch seien erwähnt: RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 916, S. 132: Geleitbrief für Raimar Münzer, 1471 August 31; ebd., Nr. 913, S. 132: Prozessverbot an Graf Ulrich von Württemberg in der Streitsache zwischen der Stadt Buchhorn, heute Friedrichshafen, und Bischof Hermann von Konstanz, ca. 1471 August 31; Regesta, Chmel, 2, Nr. 6443, S. 627: Kaiser Friedrich III. übergibt den Gebrüdern Johann, Alwig und Rudolph, Grafen von Sulz, das Reichshofgericht zu Rottweil auf Lebenszeit, 1471 August 29. RI Friedrich III., 7, Nr. 344, S. 196: Kaiser Friedrich III. belehnt die Grafen von Leiningen und von Werdenberg mit der Stadt Königsfeld, vor 1471 August 31 [Deperditum].
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den eifrig Urkunden und andere Schreiben ausgestellt, nicht zuletzt auch solche, die zu Lasten der Reichsstadt Nürnberg und einzelner Bürger gingen173. So wird man mit Sicherheit davon ausgehen können, dass der Besuch des Kaisers in Nürnberg – wohl als Ruhephase und Entspannung geplant – sich anders entwickelte. Liest man die Nürnberger Berichte derart, so erscheint auch eine in Bericht (A) enthaltene Beschreibung von einem Vorfall am 3. September 1471, die nach Wolff nicht ganz in „die heiteren Nürnberger Tage“ hineinpasst174, schlüssiger. Nach dem Nürnberger Bericht habe die Stadt am 3. September ein danz auf dem ratthaus [ausgerichtet]. do furt der margraff ein schone junkfrau, des Alexius Hallers tochter, die was ein Pfinczigin von ier mutter, dem keiser dar zu danzen, aber er wolt nicht danzen175. Während die ältere Forschung die Ablehnung des Kaisers zum einen – seinem Charakter entsprechend – mit seiner Lustlosigkeit erklärte, zum anderen auf seinen eigenen Hinweis auf sein Alter zurückführte, hat Wolff einen erheblich differenzierteren Erklärungsansatz geliefert. Aufbauend auf Perger identifiziert er die unverheiratete Tochter des Alexius Haller als Katharina Pfinzing / Haller176. Glaubt man einer spät überlieferten Quelle aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, so hatte Kaiser Friedrich fast 30 Jahre zuvor bei seinem Aufenthalt anlässlich des Nürnberger Tages von 1444 wahrscheinlich eine kurze Liaison mit einer Frau desselben Namens, aus der wohl auch ein Kind hervorging177. Eine direkte Verwandtschaft der beiden Damen konnte Wolff trotz der Namensgleichheit auf der Grundlage umfassender genealogischer Studien allerdings ausschließen. Die in derselben Quelle beschriebene Eheschließung der Katharina Pfinzing mit einem Heinrich von Niedertor entlarvte Wolff ebenso als „vertuschende Erfindung“ wie die aus dieser Ehe entstandenen Kinder und hielt es für möglich, dass 173 So lädt der Kaiser auf Klage des Hans Resch die Nürnberger Bürger Heinz Toppler und die Witwe des Hans Löffelholz vor sich, RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 900, S. 130. Am 26. August wurde auf Klage des Arnold von Loe der Nürnberger Bürger Hans Braun vor den Kaiser geladen, RI Friedrich III., Sonderbd. 2-Taxregister, Nr. 901, S. 130; Wiederholung am 31. August 1471, vgl. ebd., Nr. 919, S. 133. Am 2. September befiehlt der Kaiser der Stadt Nürnberg, die jährliche halbe Judensteuer an Heinrich von Pappenheim auszuzahlen, RI Friedrich III.-Online, Nr. 2542 (1471 September 2). Belehnung Nürnberger Bürger: ebd., Nr. 2519 (1471 August 26): Belehnung des Sebald Kreß mit einer Wiese zu Groß geschaidt; ebd., Nr. 29180 (ca. 1471 August 31): Lehnbrief für Sebald Kreß. 174 Wolff, Aufenthalt in Nürnberg, S. 817. 175 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,1, S. 931. Ebenso in: Tucher’sche Fort setzung, S. 465 f. Der Vorfall wird in den übrigen Quellen nicht erwähnt. 176 Wolff, Aufenthalt in Nürnberg, S. 814–817. Richard Perger, Kaiser Friedrich III. und Katharina Pfinzing – Geheimnis einer Beziehung, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 71 (1984), S. 87–108, hier S. 89–92, 105–108, zur Rekonstruktion ihrer Lebensdaten insbesondere S. 107. 177 Wolff, Aufenthalt in Nürnberg, S. 813–817. Zu den verwandtschaftlichen Zusammenhängen und Rekonstruktionen vgl. Perger, Katharina Pfinzing. Kenntnis von einer angeblichen Beziehung zwischen Kaiser Friedrich III. und Katharina Pfinzing haben wir lediglich aus einer nachträglich, aber wohl zeitgenössisch eingetragenen Notiz in einem „Stammenbuch“ der Familie Pfinzing aus dem Jahre 1593, vgl. Wolff, Aufenthalt in Nürnberg, S. 815. Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 401.
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es sich bei der angeblich ältesten aus dieser Ehe hervorgegangenen Tochter Katharina eigentlich um das Kind Friedrichs III. mit Katharina Pfinzing handelte. Da die Beschreibung des Tanzfestes von 1471 allerdings ausweist, dass es sich bei der Dame um eine Tochter des Alexius Haller handelte, konnte er ausschließen, dass verwandtschaftliche Beziehungen zwischen der Geliebten Katharina Pfinzing und der Tochter des Alexius Haller bestanden. Ob sich nun Kaiser Friedrich III. auf der Grundlage dieser Zusammenhänge wirklich an seine mögliche ehemalige Geliebte Katharina Pfinzing zurückerinnerte und aus diesem Grund den Tanz mit der jungen Katharina Pfinzing / Haller ablehnte, bleibt angesichts der Quellenlage Spekulation178. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang der Vergleich der Berichte. Dokument (B) nämlich kennt die Szene nicht, sondern beschreibt einen anderen, eindeutig von den Nürnbergern selbst verursachten Fehler: doch warde vergessen, das seiner m. kein sunder gesess oder gestule mit tebichen gezirt zu bereytet warde179. Aus der in Bericht (B) dieser Passage voranstehenden Beschreibung des Tanzfestes geht nicht hervor, ob der Kaiser tatsächlich tanzte oder nicht180. Betont wird hier hingegen, dass das Fest gegen hern Ruprecht Hallers haws stattgefunden habe181. Die Berichte sind somit in ihrer Beschreibung von Regiefehlern selektiv. Dass zumindest einem der Texte ein Augenzeugenbericht zugrunde lag, der im Umfeld der Familie Schürstab verfasst worden war, könnte außerdem die besondere Nennung von Alexius Haller, dessen zweite Frau eine Schürstab war, erklären182. 178
Meyer, Stadt als Thema, S. 371, Anm. 105, spricht von „psychologisierenden Deutungen“. Beilagen zur Tucher’schen Fortsetzung, in: Die Chroniken der fränkischen Städte. Nürnberg, Bd. 5 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 11, Leipzig 1874), S. 509–531, hier S. 517. 180 Beilagen zur Tucher’schen Fortsetzung, S. 517: Item am eritag nach Egidy wurde unnserm hern keyser uf dem rathaus ein tantz umb 10 ore gehalten und gemacht, doselbs er personlich erscheine und mitsambt Adolfen ertzbischofenzu Meintz, marggrave Albrechten und den Benedigern allen frawen und junckfrauen nach der ordnung umbhin die hende puten und sich dornach alle uf die panck gegen hern Ruprecht Hallers haws nydersatzten, und liessen hern, ritter und edelleut aldo vorhanden ein lang weil tantzen und ein frischen mute haben. 181 Beilagen zur Tucher’schen Fortsetzung, S. 517. Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 507. Ruprecht Haller war seit 1460 älterer Bürgermeister und seit 1467 Älterer Herr. Ruprecht und Alexius Haller waren nur entfernt miteinander verwandt, vgl. Johann Gottfried Biedermann, Geschlechtsregister des hochadelichen Patriciats zu Nürnberg (Bayreuth 1748), Tafeln C, CI, CXI. 182 Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 189. Tucher’sche Fortsetzung, S. 449, Anm. 1: Aus einer Erwähnung von Erasmus Schürstab und dessen jungen Sohn als Teilnehmer einer Prozession – letzterer sei mitgeführt worden, um die Erinnerung an das Ereignis zu erhalten – wurde geschlossen, dass es sich beim Verfasser um ein Mitglied der Familie Schürstab gehandelt haben könnte. Eine Version des Berichts ist im sogenannten Geschlechtsbuch des Erasmus Schürstab des Jüngeren überliefert, die allerdings die Hervorhebung von Familienmitgliedern der Schürstab nicht kennt: Erasmus Schürstab’s Geschlechtsbuch. Ein Beitrag zur Geschichte der Stadt Nürnberg im 14. und 15. Jahrhundert, hg. von Friedrich von Weech, in: Jahresbericht des historischen Vereins in Mittelfranken 31 (1863), S. 39–84, hier S. 39–43. Alexius Haller war in zweiter Ehe verheiratet mit Martha Schürstab. Biedermann, Geschlechtsregister, Tafel CV. 179
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Natürlich ist im Einzelnen nicht zu rekonstruieren, was den Kaiser tatsächlich zu seiner Ablehnung bewog. Eindeutig ist nur, dass auf der Tanzveranstaltung nicht alles nach Plan verlief. Umso mehr verwundern diese Regiefehler, wenn man berücksichtigt, dass der Rat spätestens seit dem 13. August 1470 dieses Tanzfest wohl aufwendig plante, jedenfalls war es mehrfach Thema im Rat183. Schon einen Tag später sollte der Kaiser bei einem Besuch auf der Cadolzburg mit der Markgräfin tanzen184. Dies erscheint jedoch nur in Bericht (B), der den Regiefehler vom Tanzfest des 3. September nicht kennt. In Text (A) dagegen heißt es nur: also fur der keiser mit dem margrafen gen der Kadelspurg am mitwoch [1471 September 4], do es 8 stund schlug, mit seinen grefen rittern und knecht do jagen185 . Betrachtet man den Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg im Gesamtkontext und vor allem in den gleichzeitigen Handlungen, die mit dem Markgrafen von Brandenburg abliefen, so sollte er anders, und zwar weit weniger positiv, bewertet werden, als bisher und es die Nürnberger Sicht auf den Besuch zu vermitteln versucht. Schließlich spricht auch die Endphase des Besuchs mit den Geschehnissen vom 7. und 8. September für diese Interpretation. So gab es Verhandlungen des Kaisers mit zahlreichen Gesandten aus verschiedenen Reichsstädten186; bevor auch noch Friedrich der Siegreiche nach Nürnberg kommen konnte und sich sein Aufenthalt zu einer neuen veritablen Reichsversammlung verfestigen konnte, reiste Kaiser Friedrich am 13. September 1471 ab. Der zweite, „offiziellere“ Bericht (B) beschreibt schließlich, dass der Kaiser aus Nürnberg begleitet vom bischof von Meintz und marggrave Albrecht und [der] marggrafin mitsambt iren junckfrauen und dem jungen margraven Fridrich geleitet worden sei. Während diese dem Zug bis zum galgen gefolgt seien, hätten Jobst Tetzel, Anton Tucher, Ruprecht Haller und Wilhelm Löffelholz den Kaiser etwas verrer mit seinen g. untz fur den Liechtenhofe an den walt [begleitet] und redten und handelten mit seinen gnaden als
183 Dies legen die Einträge in den Nürnberger Ratsverlässen nahe, vgl. RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,2, S. 938: (1471 August 29): Item so der keiser wiederkompt, gedenken, ein dancz uf dem rathaws eelichen zu bestelle[n], uf welchen tage er den haben will, und sollen dorein sehen, die in der ordenung dorzu geben sein. (1471 September 3): Item herr Nicolas Groß oder herr Jost Haller erfaren, ob unser herr keiser ein tancz haben woll und wenn. Ebenso waren die Ausgaben gemäß der Stadtrechnung beeindruckend. Diese minutiösen Planungen des Tanzfestes passen zu den Planungen des Adventus im Vorfeld des kaiserlichen Besuches in Nürnberg, vgl. ein Schreiben von Jobst Haller an die Altherren von Nürnberg, 1471 August 13, ebd., Nr. 114,d,6, S. 721 f., hier S. 722: Item keiser hat mich auf mein anpringen berichten lasen, man soll im kein phann tragen noch in der kirchen oder sunst des werchs geprauchen mit fewer, sunder woll man ein proces hallten lasen weschen, auch in der kirchen nit lang gesang oder coleckten halten, und ob die ratzfreunde im am zaum gen sulen, pin ich noch unvericht, verkunde ich euch zu seinen zeiten. 184 Beilagen zur Tucher’schen Fortsetzung, S. 518: […] hat sein majestet […] mit der marggrafin und im marggrave Albrecht ein rayen vor getantzt. 185 RTA. Ältere Reihe, 22/2, hg. Wolff, Nr. 129,a,1, S. 931. 186 Ebd., Nr. 129,e, S. 945 f.
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sie dann wol wissen, und namen alsdenn urlaub und bevalhen seinen g. sich und die stat Nurmberg187. Offensichtlich hielten es die Verfasser dieses Berichtes (B) für notwendig, auf die besondere Rolle von Ratsmitgliedern beim kaiserlichen Geleit aus Nürnberg hinzuweisen und zu unterstreichen, dass diese den Kaiser länger begleiteten als Markgraf Albrecht von Brandenburg188. Zuvor, als die Nürnberger wahrscheinlich dem Kaiser Geleit angeboten hatten von der Cadolzburg aus, hat doch sein gn. des nit haben wollen189. Dies kann aber ebenso wenig über die Tatsache hinwegtäuschen, dass der Kaiser zuvor die Gestaltung eines feierlichen Auszugs durch die städtische Führung abgelehnt hatte190, wie darüber, dass die Nürnberger Ratsherren anscheinend erst mit dem Kaiser ungestört sprechen zu können glaubten, als der Besuch längst vorbei, der Markgraf abgereist und Kaiser Friedrich fluchtartig die Stadt schon verlassen hatte. Dass, wie Wolff meint, „in die heiteren Nürnberger Tage mit ihren vielfältigen Aktivitäten […] die Absage [auf dem Tanzfest] nicht ganz hinein[passt]“191, erscheint angesichts dieses ernüchternden Bildes vom gesamten kaiserlichen Aufenthalt als fragwürdig – diese heiteren Tage hat es in dem Maße, wie es die Nürnberger Berichte zeichnen, wohl nicht gegeben. 7. Die Reise des Kurfürsten in die Mark Brandenburg So haben wir auch nit gern vil mit den von Nurmberg zu schicken192 . Mit diesen Worten kommentierte Markgraf Albrecht von Brandenburg in einem Schreiben vom 1. Oktober 1471 an den Küchenmeister zu Berlin, Hans Schult, zur Vorbereitung seiner Reise in die Mark Brandenburg sein Verhältnis zu Nürnberg.
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Beilage zur Tucher’schen Fortsetzung, S. 518. Anlässlich des Besuches des Kaisers in Rothenburg im Jahre 1474 ist Ähnliches zu beobachten. Als Friedrich III. an der Grenze des städtischen Territoriums von Vertretern der Stadt empfangen werden sollte, um in die Stadt geleitet zu werden, tauchte überraschend Markgraf Albrecht von Brandenburg auf und beanspruchte das Geleit für sich, vgl. Peer Frieß, Der Kaiser kommt in die Stadt. Inszenierte Höhepunkte einer schwierigen Beziehung, in: Das Reich in der Region während des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, hg. von Rolf Kießling / Sabine Ullmann (Forum Suevicum 6, Konstanz 2005), S. 27–60, hier S. 35–41. Ferner Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 272–275. 189 Beilagen zur Tucher’schen Fortsetzung, S. 518. 190 Wie sehr es in den Nürnberger Berichten um die Rekonstruktion eines Idealzustands des kaiserlichen Besuchs geht, verdeutlicht ein Konzept des Textes in den Beilagen zur Tucher’schen Fortsetzung, S. 518, in dem das feierliche Geleit für den Kaiser beschrieben wird, obwohl es tatsächlich nicht stattfand. Möglicherweise orientierte sich der Autor am entsprechenden Ratsbeschluss, vgl. ebd., S. 518, Anm. 1. 191 Wolff, Aufenthalt in Nürnberg, S. 817. 192 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 233, S. 281 f., hier S. 281. 188
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Kurz darauf begab sich der Kurfürst zu einem längeren Aufenthalt in die Mark Brandenburg193. Fortan liefert die Korrespondenz zwischen ihm und seinen Räten und Statthaltern in Ansbach einen guten Einblick in das politische Handeln jener Tage, aber auch in die Strategie, die in Franken in seiner Abwesenheit befolgt werden sollte. Der Kurfürst verschaffte sich einen Überblick über die Personenkonstellationen in Franken, indem er sich die Antworten auf die Bekanntmachung seiner Abreise von den regionalen Akteuren mitteilen ließ; besonders interessierten ihn solche, die nicht geantwortet hatten194. Dieses Mittel diente somit als Testfall, um sich der eigenen Netzwerkposition klar zu werden, ja sich das politische Netzwerkgefüge erst vorstellen zu können sowie die Interessenverflechtungen der einzelnen Akteure nachzuvollziehen. Daneben forderte er Informationen, wie es um die Auseinandersetzungen zwischen der Stadt Nürnberg und einzelnen seiner Untertanen stehe195. Am 21. Dezember 1471 wandte sich der Kurfürst mit einer Anweisung an seine Räte, wie sie den hantlohn, die Abgabe an den Lehnsherrn bei Besitzwechsel, bei seinen Lehen fordern sollten196. Verschiedenen Mitgliedern des Nürnberger Rates sollten verschiedene Sätze abverlangt werden; diejenigen, die sich um ihn verdient gemacht hätten, sollten bevorzugt werden. In dieser Passage seines Schreibens bilden sich zwei wesentliche Grundmerkmale ab, wie der Kurfürst den städtischen Bürgern gegenübertrat und wie er seine personale Beziehung zu ihnen zu intensivieren versuchte. Die Bevorzugung Einzelner richtete sich nach ihrer Einstellung zum Kurfürsten oder entsprang einer Erwartung des Fürsten an die Bürger, in verschiedenen Netzwerken in seinem Sinne zu handeln; sie stellte somit eine korrup 193
Vgl. hierzu insbesondere auch oben S. 312 ff. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 247, S. 289 f. 195 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 1, S. 1–5, hier insbesondere S. 2 f. 196 Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 262, S. 300 f. Druck: Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 8, S. 15 f., hier S. 15: Item von des hantlons wegen mit den von Nuremberg ist vnnser meynung, In den kauffen von zehen gulden einen vnd von erblichen todsfellen von zweinczigk gulden einen zunemen. Doch so mag man dannoch nach gelegenheit der sach handeln, Dann einer Vor dem andern anczusehen ist: Nemlich die gewaltigen Im Rat, die es auch vmb vns verdinen. Vnd was sie geben zu einer yeden zeit, das sol man anschreiben von wem Vnd wer die person sind von vetterlichen erben, kauffen oder anfellen mit specificirten Wortten, vnd welches also nit geben wolten, sol man allwegen protestirn, das man In das gern gelihen wolt haben, so sie teten, das sie zuthun schuldig wern. Die Erhebung von 10 % des Kaufpreises war in Brandenburg wohl schon seit langem geübte Praxis, vgl. Krieger, Lehnshoheit, S. 141, Anm. 129; S. 146, Anm. 152. Ferdinand Frensdorff, Die Lehnsfähigkeit der Bürger im Anschluß an ein bisher unbekanntes niederdeutsches Rechtsdenkmal, in: NAG, Phil.-Hist. Kl. (1894), S. 403–458, hier S. 432. Schon in den Verhandlungen von 1470 war die Frage des Handlohns offensichtlich Thema. So versuchte Hans Egen bei seinem Einigungsvorschlag, die Erhebung des Handlohns durch eine Gebühr für die Ausstellung der Lehnbriefe zu ersetzen: Item der lehenhalb, so die iren Von der herschaft haben, So dieselben lehen von einer den iren auf den andern der iren in erbschaft gefallen, Auch so der Lehenherr mit tod abgieng, das Ine die zu empfahen geburet, so soll ir yedem on hantlon gelihen vnd vmb den lehenbriefe ein zimlich schreibgelt genomen werden. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 85, S. 157–164, hier S. 161. Siehe auch oben S. 294, 398. 194
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tionsähnliche Form der Beeinflussung dar, die auch in anderen Zusammenhängen zwischen dem Kurfürsten und Nürnberger Bürgern zu beobachten ist197. Schon früher hatte Albrecht von Brandenburg versucht, die in Brandenburg für Bürgerlehen übliche Lehnware in Franken gegenüber seinen lehnsabhängigen Nürnberger Bürgern durchzusetzen, und zwar direkt nach seinem Regierungsantritt im Jahre 1437198. Wiederholt wehrten sich die Nürnberger erfolgreich gegen die Zahlung dieser Abgabe. Dieser Befund vom Beginn der 1470er Jahre verdeutlicht, dass der Markgraf seine Forderung zumindest nicht fallen gelassen hatte; wenn er außerdem seine Räte zu Differenzierung zwischen den Lehnsleuten anhielt, ist damit zu rechnen, dass die Abgabe zumindest von einem Teil der Nürnberger Bürger, die Lehnsleute des Markgrafen waren, auch tatsächlich gezahlt wurde. Sogar noch Mitte der 1470er Jahre finden sich Bestimmungen zum Handlohn in Belehnungsurkunden199. Die Bemühungen des Markgrafen um die Durchsetzung des Handlohns waren somit weitaus intensiver und langfristiger, als bislang angenommen – und sie sollte auch für Niederadlige gegenüber Nürnberger Bürgern gelten. Dass Albrecht von Brandenburg eine solche Zahlung gegenüber Nürnbergern durchzusetzen versuchte, muss bei diesen auch noch aus anderen Gründen auf Ablehnung gestoßen sein. Mit „Handlohn“ nämlich wurde in Nürnberg die Gebühr bezeichnet, die der Bauer seinem Grundherrn beim Besitzwechsel zu zahlen hatte, wenn es sich um ein Rechtsverhältnis zu erbe handelte200. Somit kann die Er 197 Fouquet, Niklas Muffel, S. 494 f. Vgl. außerdem: Korruption. Historische Annäherungen an eine historische Grundfigur politischer Kommunikation, hg. von Niels Grüne / Simona Slanička (Göttingen 2010). Werner Patzelt, Konkurrenz und Korruption als Kategorien des Politischen, in: Gegenwarten der Renaissance, Bd. 1: Handeln zwischen „Virtù“ und „Fortuna“: Verfügbarkeit und Verantwortung, hg. von Michael Matthiesen / Martial Staub (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft 20, Göttingen 2004), S. 71–107. Valentin Groebner, Angebote, die man nicht ablehnen kann. Institution, Verwaltung und die Definition von Korruption am Ende des Mittelalters, in: Institutionen und Ereignisse. Über historische Praktiken und Vorstellungen gesellschaftlichen Ordnens, hg. von Reinhard Blänkner / Bernhard Jussen (Göttingen 1998), S. 164–184. Ders., Gefährliche Geschenke. Ritual, Politik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn der Neuzeit (Konflikte und Kultur. Historische Perspektiven 3, Konstanz 2000). Jüngst auf die Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. bezogen auch Rainer Scharf, Fiktive Geschenke. Praktiken von erung und Bestechung am Hof Kaiser Friedrichs III. im Licht vornehmlich Nürnberger Quellen, in: König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert, hg. von Franz Fuchs / PaulJoachim Heinig / Jörg Schwarz (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 29, Köln / Weimar / Wien 2009), S. 21–58, zu den definitorischen Schwierigkeiten von „Korruption“ insbesondere S. 28–32, 37–39. 198 Krieger, Lehnshoheit, S. 137–153. Ders., Bürgerlicher Landbesitz, S. 91. Evamaria Engel, Lehnbürger, Bauern und Feudalherren in der Altmark um 1375, in: dies./Benedykt Zientara, Feudalstruktur, Lehnbürgertum und Fernhandel im spätmittelalterlichen Brandenburg (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte 7, Weimar 1967), S. 29–220. 199 So im Falle der Belehnung Ludwigs von Eyb durch Markgraf Albrecht von Brandenburg 1475; siehe oben S. 294. 200 Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 90, Anm. 67. Zum Handlohn vgl. François Louis Ganshof, Was ist das Lehnswesen? (Darmstadt 51977), S. 148, 161. [O. V.], Art. „Handlohn“, in: Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache 5 (1960),
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hebung des Handlohns auch als Provokation des Markgrafen gegenüber den Nürnbergern verstanden werden. Damit tritt sie neben andere Versuche des Markgrafen, die Nürnberger mithilfe des Lehnswesens von sich abhängig zu machen und auch nach außen sichtbar sich unterzuordnen201. Ebenso versuchte Albrecht von Brandenburg, zu Nürnberger Bürgern unter haltene Lehnsbindungen für seine Ziele nutzbar zu machen. Dabei war es insbesondere die wenigstens theoretische Vorstellung vom Über- und Unterordnungsverhältnis und dem damit einhergehenden gegenseitigen Versprechen zur Treue, mit dem er versuchte, einzelne Bürger von sich abhängig zu machen. Sätze wie Tetzel, du bist mein lehenman, nu will ich in hohem getrawen mit dir also reden belegen dies202. Schon im ersten Markgrafenkrieg hatte Albrecht von Brandenburg alle Nürnberger Bürger, die markgräfliche Lehen hielten, unter Androhung des Verlusts der Lehen zur Unterstützung aufgefordert203. Ebenso wies er in diesem Zusammenhang die Stadt darauf hin, dass die Mehrheit des städtischen Rates von ihm lehnsabhängig sei204. Somit musste die Anordnung des Kurfürsten an seine Räte, bisher nicht nachgesuchte Lehen nun zu erforschen, nicht nur den Sinn haben, Rechtsverhältnisse zu klären, sondern wohl auch personale Bindungen in die Stadt hinein zu beleben und zu stärken. Das bereits behandelte Beispiel der Brauneckschen Lehen führt dies in besonderer Weise vor Augen205. Die Räte in Ansbach sollten sich nun an den Erzbischof von Mainz wenden, um zu verhindern, dass die Nürnberger ihre Lehen direkt vom Kaiser empfangen könnten, um damit genau die Situation zu vermeiden, die Ende 1470 schon einmal vorgefallen war. Regionale und lokale Streitpunkte konnten also in engen Grenzen Netzwerkaktivierung auch auf Reichsebene nötig machen, insbesondere um gegnerische Aktionen zu verhindern. In einem Schreiben vom Januar 1472 beschwerte sich der Kurfürst bei seinen Räten, dass sie ihm keine Nachricht über die Einhaltung des Landfriedens in Sp. 88–90. Inhaltlich werden Handlohn und Lehnware in diesem Zusammenhang identisch sein, vgl. Goez, Leihezwang, S. 149–171. Volker Rödel, Art. „Lehnware“, in: HRG 2 (1978), Sp. 1752–1755. Hans-Jürgen Becker, Art. „Laudemium“, in: ebd., Sp. 1643–1647. 201 Siehe außerdem die Bemühungen des Markgrafen, Nürnberger Inhaber Brauneckscher Lehen unter die Lehnsherreneigenschaft von Ludwig von Eyb zu drängen und damit nach außen sichtbar einem Niederadligen unterzuordnen, oben S. 273 ff., 290 f. 202 Diese Passage findet sich in Auszügen aus dem Relationenbuch zu den Verhandlungen des Jahres 1453 zwischen der Stadt und Albrecht von Brandenburg, vgl. Chroniken der deutschen Städte, Bd. 2, Nürnberg, Beilage V: Urkundliche Beilagen, Nr. 8, S. 527–530, hier S. 527. Vgl. ferner Fouquet, Niklas Muffel, S. 495. Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 96 f. Zur Bedeutung des Lehnswesens innerhalb der Politik insgesamt Diestelkamp, Lehnrecht und Lehnspolitik, S. 38, mit Anmerkungen zu Einflussmöglichkeiten auf den Adel. Bereits ders., Lehnrecht und Territorien, S. 65–96. 203 Krieger, Bürgerlicher Landbesitz, S. 96. 204 Vgl. von Weech, Markgraf Albrecht von Brandenburg und Heideck-Nürnberg, S. 365. Siehe im Zusammenhang mit den Brauneckschen Lehen auch oben S. 269 f. Zum Patriziat oder „Stadtadel“ oben S. 273, Anm. 279, S. 274, Anm. 283. 205 Siehe hierzu oben D. II. 3.
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Franken – insbesondere auch wie sich die v. Nürmberg vnd annder von fursten in des Keysers landtfrid schicken206 – hätten zukommen lassen207. Diese Nachfrage des Kurfürsten steht in engem Zusammenhang mit dem Beginn des Schreibens, in dem Albrecht seine Räte ermahnte, strenger gegen Friedebrecher in Franken vorzugehen208. Bemerkenswert erscheinen in diesem Zusammenhang seine Aussagen, wie die Räte mit seinen Anweisungen umzugehen hätten: Ir solt nit glauben, das wir nymands kein endrung beuelhen, vnnsers abschids zu handeln, Wir schreiben euch dann eigentlich Wie Ir das endern solt, dann Wolt Ir euch an die Wort keren, es kem alle tag einer vnd sprech, wir hetten Im vil zugesagt 209.
Anscheinend störte sich der Kurfürst daran, dass sein Apparat von Räten sich zu verselbstständigen drohte, da man vor lauter Fremdinformationen nicht mehr seine direkten Anweisungen befolgte. Der Kurfürst hatte allerdings versucht, über Siegmund von Schwarzenberg, Heinrich von Luchau und Lorenz von Eberstein Informationen aus der Mark nach Franken gelangen zu lassen210. Hinter diesem Schreiben lassen sich Kommunikationsnetzwerke des Kurfürsten zu Amtleuten – Lorenz von Eberstein war Amtmann zu Hoheneck, Heinrich von Luchau zu Kolmberg und Siegmund von Schwarzenberg zu Neustadt – erahnen211. Albrecht kommunizierte direkt mit ihnen unter Umgehung der „Zentrale“ der fränkischen Statthalter, die ihrerseits durch die Amtleute erst informiert werden sollte. Diese Ausprägungen von Kommunikation und Organisation sind mit der Vorstellung von einer modernen Verwaltung, einem straff organisierten Beamtenapparat nicht recht in Einklang zu bringen; ebenso wenig kann man dies als „Chaos“ abtun. Denn der Kurfürst wollte zwar, dass man sich an seine Anweisungen hielt und nicht jedem Gerücht hinterherlief, hatte aber wohl über indirekte Wege versucht, jedenfalls nicht unbedingt innerhalb seiner Ratsmannschaft, Informationen zu verbreiten, die für seine Räte gelten sollten. Anscheinend war für ihn nicht so sehr die Einhaltung von Dienstwegen das entscheidende Kriterium für Kommunikation, sondern ihre Effizienz, also sicherzustellen, dass Informationen auch den vorgesehenen Empfänger erreichten. Für die Räte allerdings stellte sich diese Anforderung ihres Herrn als große Herausforderung dar, denn wenn man bedenkt, welche Informationsfülle sich ihnen bieten konnte, so war es nicht leicht herauszufiltern, welche dem Willen des Markgrafen entsprach – und auch seine Meinung konnte sich angesichts kurzatmiger Handlungsrhythmen rasch ändern. 206
Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 12, S. 22–27, hier S. 25. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 270, S. 305–307. 208 Ebd. 209 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 12, S. 22–27, hier S. 22. 210 Ebd., Nr. 12, S. 22–27, hier S. 23: […] wol haben Wir Hern Sigmunden von Swarczemberg, Heinrichen von Luchau und Lorentzen von Eberstein beuolhen der pewehalben ernstlich mit euch zureden, damit die allenthalben in vnnsern Steten furgangk gewynnen, auch Herr Sigmund zu Newenstat fleis zu haben. 211 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, S. 793, 807, 819. Ferner zu Heinrich von Luchau Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 356, Anm. 73. 207
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Besondere Bedeutung erhält dieses Schreiben außerdem durch die Aktivitäten des engen Verbündeten der Reichsstadt Nürnberg, Herzog Ludwigs von BayernLandshut, im direkten Umfeld der fränkischen Herrschaft des Markgrafen; so hatten die markgräflichen Räte ihrem Herrn gemeldet, Ludwig sei In das oberlandt reyt, eynung zu machen212. Dies erachtete Kurfürst Albrecht jedoch nicht als Bedrohung oder als neu, denn schließlich sei der Landshuter Herzog schon mit dem Pfalzgrafen, mit den Münchener Herren, Würzburg, Eichstätt und Nürnberg sowie weiteren Städten verbündet; alle anderen seien Verbündete Albrechts von Brandenburg213. Insbesondere von Friedrich dem Siegreichen, der mit Herzog Ludwig nicht nur verwandt war, sondern auch in einem Bündnis stand, gehe jedoch keine Gefahr aus. Er fürchte sich nicht vor dem Pfalzgrafen, schließlich sei er mit ihm in der Kurfürsteneinung verbunden. Außerdem fügte er hinzu: Doch ist vnß die pfalcz hieoben zu Beyrn wol purg dafur, das nit leichtlich wider vnns thut, als wir glawben, Nachdem wir allwegen vff dem gebirge zwen oder drey haben zuroß vnd zufussen, so er nicht einen hat214. Die militärisch schwache Oberpfalz war Albrecht von Brandenburg ein Garant, dass in seinen fränkischen Regionalkonflikten mit den Wittelsbachern von Friedrich dem Siegreichen keine Gefahr ausging. Auch hier werden die maßgeblichen Netzwerkakteure wieder benannt, insbesondere aber stellt dieses Schreiben einen weiteren Beleg dafür dar, dass der Kurfürst von einer realistischen Kriegsgefahr in Franken zu diesem Zeitpunkt nicht ausging. Die Fronten schienen ihm klar und Nürnberg war eingebettet in das wittelsbachische Netzwerk – die Oberpfalz aber war in seinen Augen Garant für das Nichteingreifen des Pfalzgrafen; indirekt hatte sie damit eine Wirkung auch auf die regionalen fränkisch-bayerischen Konstellationen. Hieran wird die Ver netzung verschiedener Territorien, insbesondere das komplexe Zusammenspiel von personellen Netzwerkkonstellationen und der Lage der mit diesen Personen verbundenen Territorien besonders deutlich. Anfang Februar richtete Kurfürst Albrecht von Brandenburg dann direkt ein Schreiben an Kaiser Friedrich III.215 Schon zuvor hatte sich Albrecht in mehreren Schreiben sowohl beim Erzbischof Adolf von Mainz als auch beim Kaiser selbst über das Verhalten der Nürnberger beschwert216. Befremdet zeigte er sich von ihrem Vorgehen in seiner Abwesenheit, Gerichtsrechte zu beanspruchen, deren Ausübung aber eigentlich Sache der Burggrafen von Nürnberg sei. Die Stadt habe sich dabei auf ein kaiserliches Dokument gestützt, das, sofern es tatsächlich existiere, ohne Anhörung des Kurfürsten ausgegeben worden sei; ebenso bat der Kurfürst um Aushändigung des Lehnsbriefs für die Brauneckschen Lehen. Offensichtlich wurde dieses Schreiben mit anderen, an den Kaiser gerichteten Schreiben zusammengelegt, bevor diese dann gebündelt versandt wurden. Dabei handelte es 212
Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 12, S. 24. Ebd. 214 Ebd. 215 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 287, S. 321. 216 Vgl. etwa ebd., Nr. 283, S. 316. 213
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sich um Schreiben, die der Kurfürst im Konzept von seinen Räten erhalten und korrigiert zurückgeschickt hatte217. Diese sollten dann wiederum von Anselm von Eyb an den Erzbischof von Mainz gebracht werden, damit dieser sie dem Kaiser mit einer eigenen Fürsprache vorlegen konnte. Aus einem Schreiben Ende Februar geht hervor, wie schwer es dem Kurfürsten fiel, in Nürnberg selbst über Streitigkeiten in eigener oder seiner Leute Angelegenheiten verhandeln zu lassen218. Hierbei ging es um einen Streit zwischen Georg Haiden und dem Nürnberger Bürger Leonhard Bamberger, die gemeinsam den Ort Emskirchen besaßen. Ebenso war ein „Esslinger“ gefangen genommen worden, offensichtlich von Nürnberger Bürgern. Der Kurfürst sah in diesem Falle eine Misshandlung von Nürnberger Bürgern im Lande unter der Hand als angemessen an. Bis zum April 1472 hatte es anscheinend keinen intensiven Kontakt zwischen Albrecht von Brandenburg und den städtischen Organen von Nürnberg gegeben. Dann wandte er sich an die Reichsstadt mit einem Schreiben, in dem er sich unter anderem für einen Frankfurter Bürger verwandte, bei dem der Nürnberger Contz Guldinmundlin Schulden hatte. Dieser Contz Guldinmundlin war bankrottgegangen und hatte die Stadt verlassen müssen. Die Nürnberger sahen sich deshalb nicht in der Lage, den Schuldnern zu helfen219. Bei Kurfürst Albrecht von Brandenburg fanden somit diejenigen Bürger, die aus der Reichsstadt ausgeschlossen worden waren, Anschluss und Hilfe. Dabei wird er dies aus Interesse gegenüber Nürnberg, nicht aber aus freien Stücken getan haben. Dies diente zweifelsohne der Abgrenzung von Nürnberg und der Festigung eigener Netzwerkverbindungen. In diesem Zusammenhang sind eine ganze Reihe anderer zu nennen: Georg Schürstab, Niklas Kreß, Anthon Paumgartner, Lorenz Egen und Ulrich Mickel220. Diese Bürger hatten ähnliche Biografien wie der eingangs erwähnte Niklas Muffel – sie waren alle zu Feinden ihrer einstigen Heimatstadt geworden. Niklas Kreß zum Beispiel erhielt mehrfach die Zuwendung des Markgrafen von Brandenburg, beispielsweise in Geleitfragen, andere standen unter markgräflichem Schutz. Während Albrecht von Brandenburg weiter beim Kaiser für die Durchsetzung seiner Ansprüche auf die Brauneckschen Lehen warb und besonders erwähnte,
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Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 288, S. 321. Ebd., Nr. 292, S. 324–326, hier S. 325. 219 Ebd., Nr. 312a, S. 339. Die Angelegenheit zog weitere Kreise, da sich auch andere Schuldner meldeten, unter anderem ein Jorg Bock, der Urteile gegen Guldinmundlin erwirkte. 220 Zu Egen Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 930, S. 715–723, hier S. 721. Der 1465 erwähnte Kaufmann Lorenz Egen war zunächst bankrott gegangen und hatte sich dann in die Obhut Albrechts von Brandenburg begeben. Bei den im Zusammenhang mit Guldinmundlin erwähnten Stephan und Sebald Schreyer lag der Fall anscheinend anders; auch sie hatten als „Bankerotteure“ die Stadt verlassen müssen, scheinen aber nicht unter den Schutz des brandenburgischen Kurfürsten gekommen zu sein, StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 61a, Ratskanzlei, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 34a, fol. 47r. 218
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dann der Spot thut Vns wirser dann der schad221, wandte sich der Kurfürst wohl erst wieder Ende Mai in Sachen Nürnberg an seine Räte222. Diesmal ging es um die Verschreibung der Wälder, die die Räte halten sollten, und fügte hinzu, er werde nicht ewig in der Mark bleiben und wollen vnnser dingk In dem Jar als wir hynnen sind außrichten mit gots hilff, das vnnser kinder sanfft sitzen vnd obgotwil wir auch biß in vnser gruben, Vnd wer weyß Sich mocht lecht das weter dieweyl verkern, das ein ander als gern mit vns frid hett, als wir mit Im, den hetten wir doch vast gerne223. Herrschaftssicherung war somit in seinen eigenen Worten ein handlungsleitendes Motiv in dieser Phase. Auch dieses Schreiben enthielt wieder die Mahnung, doch unter anderem besonders auf die Räuberei zu achten. Von anderer Seite hatte der Kurfürst erfahren, dass Contz Jeger und Hanns Falckner zu Beyerstorff gemeinsam mit den Nürnbergern gejagt und vieles erlegt hätten. Wenn dies zuträfe, so befahl er seinen Räten, sollten sie die Täter hart bestrafen. In zeitlicher Nähe finden sich auch Schreiben an seine Amtleute, z. B. an Albrecht Stieber, Amtmann zu Cadolzburg, mit denen sich Kurfürst Albrecht über seine eigenen Untertanen beschwerte, die in seinen Wäldern jagten und dazu auch noch Nürnberger Bürger und andere einluden224. Für das spätere Vorbringen von Klagen war es von entscheidender Wichtigkeit, dass sich die eigenen Untertanen nicht an den Taten der Nachbarn beteiligten; somit musste es in diesen Fällen im Interesse des Markgrafen liegen, die Nürnberger von den eigenen Untertanen klar zu trennen. Wiederholt finden sich Äußerungen Kurfürst Albrechts in diesen Tagen, mit Nürnberg wolle er so wenig wie möglich in Kontakt treten. Allerdings kam er bei finanziellen Transaktionen mit dem Kaiser oder mit anderen Reichsfürsten nur schwer an den Bürgern vorbei. Neben Zahlungen, die über den Holzschuher abgewickelt worden waren, finden sich in einem Schreiben an Erzbischof Adolf von Mainz auch Bemerkungen, er wolle anstatt dem Kaiser gegen die Türken Söldner zu schicken, lieber Geld schicken und fragt, wo man dies in Nürnberg vielleicht hinterlegen könnte, nachdem wir nit gern mit den von Nürmberg vil handeln225. Auch wenn die Aussage über das Verhältnis beider Akteure bezeichnend ist, so gab es doch bestimmte Sachebenen, auf denen man durchaus in gebotener Vernunft kooperierte. In einem thematisch anders gelagerten Schreiben vom selben Tage – ebenfalls an den Mainzer Erzbischof gerichtet – bat Kurfürst Albrecht von Brandenburg wieder einmal um die Übersendung der Briefe in Sachen Braun-
221 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 36, S. 73 f., hier S. 74. Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 314, S. 340 f. 222 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 361, S. 384–386. 223 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 63, S. 123–129, hier S. 128. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 361, S. 384–386. 224 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 343, S. 368. Dieses Schreiben stammt schon aus den ersten Tagen des Mai 1472. 225 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 70, S. 135–137, hier S. 136.
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ecksche Lehen, verbunden nun aber mit der Bitte, dafür zu sorgen, dass die Nürnberger in anderen Dingen nichts beim Kaiser erwirken konnten, insbesondere hinsichtlich einer nicht genauer bezeichneten Schenkstatt226. 8. Vermittlung des Landkomturs Melchior von Neuneck 1472 a) Das Kommunikationsnetzwerk vom Juni 1472 Im Juni 1472 trat Melchior von Neuneck, der Landkomtur der Ballei Franken, wieder auf den Plan227. In einem Schreiben an den Markgrafen berichtete er, er habe von Vertretern des Rates der Stadt Nürnberg erfahren, dass die Mehrheit des städtischen Führungsgremiums zum Frieden entschlossen sei. Es ist nicht zu rekonstruieren, ob die Initiative vom Markgraf, den Nürnbergern oder gar vom Landkomtur selbst ausgegangen war, über eine Einigung beider Seiten zu kommunizieren. Albrecht antwortete mit drei Schreiben, die vom 15. bis 17. Juni 1472 ent standen228. Diese richtete er allerdings an verschiedene Empfänger: eines an den Landkomtur und seinen Rat Peter Knorr (A), ein zweites an Johann Volker (B) und das dritte an den Landkomtur und Johann Volker (C). Vergleicht man diese Schreiben, so ergeben sich Unterschiede. In Schreiben (A) skizziert der Markgraf drei Wege, über die mithilfe von Verhandlungen ein dauerhafter Frieden zwischen der Reichsstadt und ihm hergestellt werden könnte229. Am Ende könne dann ein Einungsvertrag stehen, jedoch sowohl ohne ein Hilfsversprechen als auch nur unter der Bedingung, dass die Nürnberger die bayerischen Herren nicht ausnehmen dürften. Diese Einigung sollte nach dem Vorbild der markgräflichen mit Rothenburg entstehen. Zu Rothenburg unterhielt Albrecht sehr enge Beziehungen, wie nicht zuletzt die Tatsache verdeutlicht, dass größere Mengen Schmuck der Kurfürstin dort lagerten230. Ganz offensichtlich erhoffte sich Albrecht Achilles von einem Ausgleich mit Nürnberg auch finanzielle Zugeständnisse der Nürnberger231. Sollten sich die Nürnberger aber auf diese Vorschläge nicht einlassen, So schreibt 226
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 387, S. 399 f. Dabei ist unklar, um welche Schenkstätte es ging. 227 Ebd., Nr. 388, S. 400 f. 228 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 81, S. 152–154: 1472 Juni 15, Albrecht von Brandenburg an den Landkomtur und Knorr; Nr. 82, S. 154 f.: 1472 Juni 17, Albrecht an Johann Volker; Nr. 83, S. 155 f.: 1472 Juni 17, Albrecht an den Landkomtur und Johann Volker. 229 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 81, S. 153. Als mögliche Wege der Konfliktlösung sah der Markgraf entweder den rechtlichen Austrag an pillichen Stetten, alle Streitigkeiten vnnser lebttag In rwe zu stellen oder das all vergangen hendel vnd ansprach gegen einander fieln, an. 230 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, unter Nr. 283, S. 317, Anm. 7. Vgl. außerdem Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 122, S. 213 f. 231 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 408, S. 411.
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
vns das eylends, wollen wir vnnser sach dornach richten, ob wir hohmuts von In zuleiden entlestiget mochten werden232. Knorr und dem Landkomtur befahl er absolute Verschwiegenheit über seine Pläne, weder freund, Stathalter oder Rat […] noch sust keinem menschen, der do lebt In was stands oder wesens der sey etwas zu berichten233. Ausdrücklich ausgenommen davon waren hingegen diejenigen Nürnberger, die des weters walten, mit den Ir von euch selbst dauon handeln wert234. Knorr und der Landkomtur sollten somit gegenüber den Nürnbergern die Vorschläge des Markgrafen als ihre eigenen ausgeben. Eine Abschrift dieses Dokuments fügte der Kurfürst dann an Schreiben (B) und übersandte es gemeinsam mit (C) an Johann Volker235. Darin mahnte er Johann Volker, er möge absolutes Stillschweigen über diese Übersendung bewahren, insbesondere gegenüber seinen Kollegen, also dem Landkomtur und Peter Knorr, dann es mocht Jene zwen verdriessen236. Albrecht von Brandenburg begründete die Geheimhaltung gegenüber dem Landkomtur und Knorr damit, das du [Johann Volker] In sunderheit der ding ein wissen hast, ob es vff das hertzst kom was vnnser meynung ist, Vnd was do gescheen solt, das es bald geschee. Johann Volker sollte also schauen, dass die Interessen des Markgrafen durchgesetzt werden und dass dies möglichst bald geschehen sollte. Bei diesem Hinweis konnte es sich also nur um die Anweisung an Johann Volker handeln, den Landkomtur und Knorr in ihrem Handeln zu überwachen. Gleichzeitig führte er genauer aus, was er mit einzelnen Passagen des Schreibens für den Landkomtur und Knorr meinte, etwa was er unter vergangen hendel im Einzelnen verstanden wissen wollte237. Besonders auffällig erscheint, dass der Kurfürst in diesem Schreiben (B) auch auf das dritte (C) an Johann Volker und den Landkomtur Bezug nahm, nach dem sich beide zu richten hatten. Auch diese beiden verpflichtete er wieder auf ihre Verschwiegenheit: Vnd das es sust nymants wisß, Dann Ir zwen Vnd wir238 . Dieses Schreiben knüpft direkt an den Verhandlungsvorschlag des Landkomturs an239. Diesen lehne er nicht ab, aber nur der Landkomtur als Vermittler oder die Stadt Nürnberg selbst könnten einen Neubeginn vorschlagen, nicht aber er (Albrecht) selbst; somit versuchte der Kurfürst, zukünftige Verhandlungen im Vorfeld in seinem Sinne zu beeinflussen. Für Albrecht, dies geht aus dem Schreiben auch hervor, waren seine Auseinandersetzungen mit Nürnberg nicht von seinem Streit mit den bayerischen Herzögen, vor allem Ludwig dem Reichen, zu trennen, denn er erhoffte sich von einem Ausgleich mit Nürnberg auch wieder eine
232
Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 81, S. 153. Ebd. 234 Ebd. 235 Ebd., Nr. 82, S. 154 f. 236 Ebd., Nr. 82, S. 154 f., hier S. 154. 237 Ebd. 238 Ebd., Nr. 83, S. 155. 239 Ebd., Nr. 83, S. 155 f. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 414, S. 420. 233
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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Verbesserung seiner Beziehungen zu den Bayern; Probleme mit Herzog Ludwig habe er nämlich erst wieder, seitdem dieser und Nürnberg in einer Einung verbunden seien. In einem Zug fuhr Albrecht jedoch fort, dass wenn es keine Einigung gebe, er sich militärisch zusammen mit Herczog Wilhelms vnd ander vnnser freund zu wehren wisse240. Die Detailfragen über die Verhandlungspunkte sollte der Landkomtur mit Johann Volker klären, der im Einzelnen Bescheid wisse. Die Kommunikation des Markgrafen mit dem Landkomtur, Peter Knorr und Johann Volker ist in mehrfacher Weise bemerkenswert. Auffällig ist zunächst, unter welch strenger Geheimhaltung seine Vorschläge behandelt werden sollten; vergleichbares ist in der Form wohl höchstens während des Kampfes gegen Karl den Kühnen in der Kommunikation zwischen den Bündnispartnern zu beobachten. Derart offene Einschätzungen der Lage sowie Darlegungen der eigenen Stra tegie konnten, so sie in falsche Hände gerieten, den Gegner detailliert von den eigenen Plänen in Kenntnis setzen. Gleichzeitig wird deutlich, dass Albrecht mit dem Argument der Verschwiegenheit ganz gezielt das Wissen der drei Beteiligten um seine Pläne steuerte. Nur Johann Volker kannte alle drei Schreiben des Markgrafen und sollte auf den Verhandlungsprozess im Interesse seines Herrn Einfluss nehmen. Der Landkomtur glaubte, sowohl mit Peter Knorr als auch mit Johann Volker ein gemeinsames Geheimnis zu haben. Peter Knorr schließlich wusste sich in einem verschwiegenen Bund mit dem Landkomtur sowie mit den Verhandelnden von Nürnberger Seite. Es handelt sich somit um ein Kommunikationsnetzwerk, in dem Albrecht von Brandenburg den anderen Akteuren verschiedenes oder unterschiedlich viel berichtete. Hinter dieser komplizierten Struktur ist eine Strategie zu erahnen, die über das Verhältnis des Markgrafen zu seinen Räten einiges aussagt. Bereits Priebatsch erkannte, dass das Verhältnis zwischen Peter Knorr und dem Kurfürsten nicht mehr von absolutem Vertrauen geprägt war, seitdem der kurfürstliche Rat die Pfarrei Sankt Lorenz in Nürnberg übertragen bekommen hatte, die dann im Jahre 1472 noch zur Propstei erhoben wurde241. Damit stand er, wenigstens in kirchlichen Angelegenheiten, unter dem Einfluss des städtischen Rates242. Zuvor dagegen war Peter Knorr einer der wichtigsten Berater während der Regierung des Markgrafen Albrecht über mehrere Jahrzehnte gewesen. Auch wenn die Übertragung der Pfarrei ausdrücklich gegen den Willen der Stadt geschehen war, sah der Kurfürst wohl die Eigeninteressen, die sein Rat insbesondere in Richtung Nürnberg ebenso wie umgekehrt Nürnberg bei Knorr haben konnten. Somit kann angenommen werden, dass Albrecht von Brandenburg die guten Kontakte von Peter Knorr nach Nürnberg nutzen wollte, ihm aber umgekehrt nicht seine gesam-
240
Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 83, S. 155 f. Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Einleitung, S. 8. Zu Knorr vgl. Kist, Peter Knorr, nicht zuletzt S. 161 f. Matrikel Bistum Bamberg, bearb. Kist, Nr. 3379, S. 224. 242 Weiß, Ballei Franken, S. 363. 241
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ten Pläne offenbaren wollte. Schreiben (C) nun hatte offensichtlich die Funktion, dass der Landkomtur auf bestimmte Dinge bei seinen und Knorrs Verhandlungen mit Nürnberg achten sollte, und zwar ohne zu sagen, von wem er die Aufforderung dazu hatte. So betonte der Kurfürst, er möge die Dinge so darstellen, als sei es eine von ihm als Vermittler oder von den Nürnbergern ausgehende Initiative. Hierin wird deutlich, dass Albrecht dem Landkomtur, der gleichzeitig Rat und Statthalter des Kurfürsten war243, viel stärker vertraute als Knorr und dementsprechend hoffte, dieser würde seine Interessen verfolgen. Johann Volker schließlich sollte inhaltlich auf den Landkomtur Einfluss nehmen, um in den einzelnen strittigen Punkten die markgräflichen Interessen durchzusetzen; hierzu diente Schreiben (B). Somit muss bei der Rekonstruktion von Kommunikationsnetzwerken innerhalb eines Akteurs, hier der markgräflichen Verwaltung, bisweilen nach den jeweiligen Interessenkonstellationen gefragt werden, in die die mit Aufgaben betrauten Räte eingebunden waren. Diese Entwicklungen können den Verdacht nähren, dass Albrecht von Brandenburg in bestimmten Interessenkonstellationen realistischerweise nicht damit rechnen konnte, dass seine Räte vollkommen loyal waren. Trotz ihres Eides, mit dem Räte ihrem Herrn verbunden waren, traten sie hier gelegentlich doch auch als Einzelakteur auf. Hier scheint das Problem der Verfolgung von Eigen- beziehungsweise von Fremdinteressen auf, wie es auch für Ludwig von Eyb bereits an anderer Stelle dieser Untersuchung gezeigt wurde244. Angesichts der heiklen Situation mit Nürnberg bediente sich der Markgraf somit einer Technik, über briefliche Kommunikation mündliche Verhandlungen und Entscheidungsprozesse zu steuern. Johann Volker aber bat kurz darauf, den Landkomtur in die geheimen Anweisungen einzuweihen, So konnt er sich in den handelungen desterbas darnach gerichten245. Für ihn schien klar, dass der Landkomtur die Anweisungen des Kurfürsten bei seinen Verhandlungsbemühungen mit Nürnberg befolgen würde. Offensichtlich erlaubte Albrecht von Brandenburg seinem Kanzler jedoch nicht, mit dem Landkomtur über die markgräfliche Strategie zu sprechen, zumal auch in der Folge zunächst die doppelte Kommunikation aufrecht erhalten wurde. So bat Ende Juli der Landkomtur Kurfürst Albrecht um ausführliche Informationen in Sachen eines Ausgleichs mit Nürnberg – namentlich um die Übersendung der Verhandlungsprotokolle des Jahres 1470246. In der Zwischenzeit diskutierte der Kurfürst mit Johann Volker über die Modalitäten; Albrecht wollte an die Verhandlungen des Jahres 1470 anknüpfen, nicht aber an den Vorschlag des Hans Egen, da er nichts verkaufen wolle. Es handelt sich um jenes oben bereits ausführlich be-
243
Siehe hierzu oben E. II. 3. b). Siehe hierzu oben S. 259 ff., 300 sowie D. II. 9. 245 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 87, S. 164 f., hier S. 164. 246 Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 438, S. 432. 244
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trachtete Schreiben, mit dem Kurfürst Albrecht einen direkten Zusammenhang zwischen der Verurteilung des Niklas Muffel und der Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Reichsstadt und dem Markgrafen herstellte247. b) Scheitern des Vermittlungsversuchs und Reaktionen Erst aus den letzten Tagen des Septembers 1472 ist wieder Korrespondenz in Sachen Nürnberg überliefert. Albrecht richtete am 24. September vier unabhängige Schreiben an fünf verschiedene Empfänger: seine Räte in Ansbach, den Land komtur und Johann Volker, den Erzbischof von Mainz und an den Kaiser. Während er den Kaiser direkt um die Übergabe der Dokumente zu den Brauneckschen Lehen bat und hinzufügte, nicht so schlimm sei es hinzunehmen, dass er drei Jahre auf die Übertragung habe warten müssen, sondern der Spott der Nürnberger ihm gegenüber sei nicht zu ertragen248, wurde er in derselben Sache beim Erzbischof von Mainz, der diese Bitte als Kanzler auf Anweisung des Kaisers ja auszuführen hätte, deutlicher und fragte, ob dies tatsächlich der Dank für sein Engagement im Reich sei; die Nürnberger dagegen täten nichts für das Reich, erhielten aber alles249. Wenn sich ein Engagement im Reich nicht mehr auszahle, Wer uns nüczer wir giengen müßig. Auch wenn schon aus dem Schreiben an den Kaiser deutlich hervorgeht, dass Albrecht offensichtlich wütend war, so ist sein Schreiben an den Mainzer Erzbischof noch direkter. Wie schon im Anschluss an die Affäre Muffel scheint auch hier auf, dass die Nürnberger über Hohn und Spott versuchten, die einen Netzwerkteilnehmer zu diskreditieren, andere Akteure für sich zu gewinnen, insbesondere aber Handeln bei Kurfürst Albrecht von Brandenburg zu bewirken250. Die beiden übrigen Schreiben sind vom Charakter anders. Dem Landkomtur und Johann Volker antwortete er auf ein Schreiben, das sie ihm zuvor gemeinsam geschrieben hatten251; sie hatten dem Kurfürsten vorgeschlagen, sich vorerst nicht weiter um eine Einigung mit Nürnberg zu bemühen, bis Albrecht Achilles von seiner Reise aus der Mark zurückgekommen sein würde. Ganz offensichtlich war damit der Vermittlungsversuch des Landkomturs gescheitert. Um eine Einung mit Nürnberg zu organisieren, geben wir nicht drey pirn, denn man einige sich sowieso nicht, nicht zuletzt weil eine Einung unter Ausnahme Herzog Ludwigs des Reichen mit ihm nicht zu machen sei, ebenso wolle er nichts verkaufen und auch nicht weiterhin seine furstlichen oberkeiten verhandeln lassen. Im Übrigen seien viele Städte mit Herzog Ludwig verbunden, und wenn sie dann das Reich bei der 247
Siehe näher oben S. 395 ff. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 477, S. 450. 249 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 119, S. 210 f., hier S. 211. Regest: Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 478, S. 450. 250 Zur Bedeutung der Beeinflussung der öffentlichen Meinung siehe bereits oben S. 398 ff. 251 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 481, S. 453. 248
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Einung ausnähmen, würden sie einfach denselben helfen, wenn sie wollten – nach Albrecht ein lauter truglichkeit, hat ir abtgot der Friderice gesagt, womit vermutlich Friedrich der Siegreiche gemeint war252. Der Markgraf vermutete also hinter den Entwicklungen in Franken und Bayern letztlich Friedrich den Siegreichen als treibende Kraft. Aus dem Schreiben an seine Räte in Ansbach gehen andere Dinge hervor253. Zunächst sei er zu einem Bündnis mit Herzog Albrecht von Bayern bereit. Das Scheitern der Verhandlungen mit Nürnberg schlug sich hier nun in einer offensichtlichen noch engeren Anlehnung des Markgrafen an den Herzog von BayernMünchen nieder. Gleichzeitig wurden in diesem Schreiben mehrere lokale Konflikte in Franken angesprochen, die Albrechts Aufmerksamkeit bedurften. Erst im November erreichte ein neues Schreiben des Kurfürsten seine ans bachischen Statthalter und Räte. Nun gab Kurfürst Albrecht neben Anweisungen zu den üblichen Kleinkonflikten gleichzeitig eine Stellungnahme zur gesamten politischen Lage in Franken und im Reich254. Anscheinend hatten seine Räte ihre Sorge über ein Engagement Friedrichs des Siegreichen wiederholt, denn es gingen Meldungen um, es gebe Aufgebote, auch des Pfalzgrafen. Auch jetzt wiederholte Kurfürst Albrecht seine Einschätzung, von der Kurpfalz gehe keine Gefahr aus, denn Friedrich der Siegreiche sei nicht in der Lage, zum Kampf Fähige vom Rhein in die Oberpfalz zu bringen. Aber auch über einen Krieg mit Nürnberg würde er keyn awg außweynen, man müsse aber verhindern, dass sie ein dorff oder Slos erringen könnten – also nicht ihr Landgebiet erweitern könnten255. Besonders interessant für das Verhältnis zu und die Sicht des Kurfürsten auf Nürnberg ist aber folgende Passage: Der von Nürnberg besorgnus ist nicht ir macht, es ist die Stat, und das sie viel lewt bey Ine enthalltin, Dagegen man sich allwegen mit teglichem krieg dester kostentlicher hallten muß256. Nürnberg war für den Kurfürsten in einem Krieg somit ein Gegner, mit dem man anders umgehen musste, weil er anderen Regeln folgte als ein Fürst. Im Kriegsfalle also war Nürnberg gefährlich, nicht seiner Macht, sondern seiner Eigenschaft als Stadt wegen. Besonders die Anzahl seiner Einwohner würde einen Krieg gegen sie schwer machen; die nötige Zahl an Söldnern und eigenen Kräften könne er aber auch ohne Verbündete aufstellen. Hierin bestätigt sich auch das an vielen Stellen bereits beobachtete Denken des Markgrafen und seiner Umgebung, dass die Stadt 252 Ebd. Priebatsch nimmt an, dass es sich hierbei um eine Anspielung auf Pfalzgraf Friedrich handelt. Auch in Müllners Annalen der Reichsstadt Nürnberg erscheinen Varianten dieser Bezeichnung, vgl. Müllner, Annalen der Reichsstadt Nürnberg, hg. Hirschmann, S. 545, Eintrag zu 1462: Am Rhein hat jedermann an Pfalzgrafen Friedrichen, der von den Seinigen Fridericus Victoriosus, insgemein aber dieser Zeit der böse Fritz genennet worden. 253 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 479, S. 451 f. 254 Ebd., Nr. 501, S. 463–465, hier S. 464. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 133, S. 225–230, hier S. 229. 255 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 133, S. 225–230, hier S. 229. 256 Ebd.
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ein doppeltes Gesicht hatte, einerseits als Summe einer Vielzahl von Individuen, die Mehrheiten bildeten, andererseits als eine geschlossene Einheit. Zehn Tage später gab der Kurfürst weitere Anweisungen, denn nun hatten sich die Nürnberger über einen Zoll zu Schwand beschwert257. In dem Schreiben wird die Kriegsgefahr klar sichtbar und Entscheidungen von lokaler und regionaler Bedeutung scheinen nun an der Möglichkeit eines Krieges mit Herzog Ludwig von Bayern-Landshut abgeglichen worden zu sein. Allerdings stufte der Kurfürst die Warnungen, die die ansbachischen Räte erreicht hatten, als unwichtig ein, da sie nur vom Gegner kämen, hallten wir nichts davon, Dann ein prog dem gemeynen sprichwort nach, Wir haben offt einem gedroet vnd forchten Vns alls vbell alls er. Bewertungen, bisweilen sogar Anweisungen in Sprichwörter oder Weisheiten zu hüllen, ist typisch für die Briefsprache Albrechts von Brandenburg. Mit Sicherheit wird der Kurfürst versucht haben, seine Räte in Franken mit diesen Worten zu beruhigen, da er merkte, dass diese zunehmend nervös wurden, nicht zuletzt angesichts der Zunahme von Übergriffen durch die gegnerische Seite; ebenso steckt aber eine Strategie hinter seinen Worten, denn direkt im Anschluss gibt der Kurfürst Anweisung, die Räte mögen im Zweifel hochfart mit ironischen Antworten versehen. Das Schreiben lässt vermuten, dass schon die Rhetorik der Gegner quasi als kriegerische Handlung aufgefasst wurde, ja dass die kleinen Streitereien, auf die sofort nach ihrem Eintreten Beschwerdeschreiben beim jeweiligen Gegner eingingen, als Angriff verstanden wurden, den es mit rhetorischen Mitteln zu er widern galt258. Gleichzeitig gab der Kurfürst Anweisung, Rüstungen und Kriegsvorbereitungen vorzunehmen – so abwegig, wie er es seinen Räten darstellte, schien ihm die Kriegsgefahr dann wohl doch nicht. Anfang Dezember forderte der Kurfürst neue Nachrichten über das Verhalten Nürnbergs259. Albrecht Achilles hatte erfahren, dass sich die Nürnberger Bürger nun bei Herzog Wilhelm von Sachsen um Frieden bemühten. Vertreten wurden sie durch friderice – es wird sich wohl auch hier um Friedrich den Siegreichen ge handelt haben260. Dies und eine andere Neuigkeit ordnete Kurfürst Albrecht mit folgenden Worten ein: So halt wir als vil daruon als von der von Nürnberg sach, es wurd dann beslossen, des wir nicht glauben. Es ist alles ein vmbfuren vnd drugnus, doch so laßt vns wissen, was das sey. Die Auseinandersetzung vollzog sich im Ringen um Informationen, um kommunikative Winkelzüge, Falschmeldungen und strategische Irrwege. Gleichzeitig scheint es sich um eine Phase der Beschleu 257
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 502, S. 465 f., hier S. 465. Es handelt sich um das mittelfränkische Schwand, heute Teil der Gemeinde Schwanstetten, etwa 15 Kilometer südlich von Nürnberg. Albrecht von Brandenburg nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf eine Urkunde Herzog Friedrichs von Bayern vom 30. August 1386, vgl. Monumenta Zollerana, 5, hg. von Stillfried / Maercker, Nr. 181, S. 188–190, hier S. 189. 258 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 135, S. 233–237, hier S. 235. 259 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 509, S. 469 f. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 138, S. 240–243. 260 Ebd., Nr. 138, S. 240–243, hier S. 243.
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nigung gehandelt zu haben. Denn der Kurfürst musste seine Räte ermahnen, mit ihren Informationen ihm gegenüber diesem verschärften Tempo der politischen Entwicklungen standzuhalten; er fühlte sich offensichtlich weniger zu selten als vor allem falsch informiert, denn mit seinen Worten forderte er von den Räten das, was ihm wichtig erschien. Auf der Ebene der kurfürstlich-brandenburgischen Räte wurden auch die verschiedenen Konflikte in Beziehung zueinander gesetzt und gewichtet, vor allem in ihrer Korrespondenz mit Dritten. So äußerte Johann Volker Anfang 1473, Kurfürst Albrechts Priorität sei es, vor Nürnberg sicher zu sein, was eine Einigung mit der Reichsstadt voraussetzte, dann könnten dafür auch andere Angelegen heiten, insbesondere die vielen kleinen Konflikte zwischen beiden Seiten, ungelöst bleiben261. In jenen Tagen war Albrecht von Brandenburg auch noch in Konflikte mit dem Bamberger Stift und dem Bischof von Eichstätt im Lande unter dem Gebirg geraten. Wilhelm von Reichenau, Bischof von Eichstätt, versuchte, seine Jagd- und Geleitrechte zu Lasten Albrechts von Brandenburg auszuweiten262. Aus den in diesem Zusammenhang durch den Kurfürsten selbst geschriebenen Worten wird die Situation in Franken sehr deutlich: Auch wollten wir vns nicht entzihen lassen, was vnnser wer, Wir haben doaussen lützel, es ist aber honig, yedermann hets gern, der doran stößt, vnd ee iglicher ein federn dauon ruppfet, so behilten wir nichts263 .
Gleichzeitig betonte er, wolle man mit seinen Nachbarn in Frieden leben, so dürfe man keine newerung machen, und diese auch keine machen lassen. Albrecht von Brandenburg gab somit in diesen Tagen eine defensive, aber auf den Bestand des eigenen Territoriums pochende Strategie vor. Anfang Februar 1473 wandten sich die brandenburgischen Räte Ludwig von Eyb und Johann Volker an ihren Herrn264. Sein Knecht Hans Luft hatte ihnen Nachrichten über Streit zwischen den bayerischen Wittelsbachern, insbesondere zwischen Herzog Albrecht von Bayern-München und Herzog Ludwig von BayernLandshut, zukommen lassen265. Im Raum stand nun ein gemeinsames Bündnis 261 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 523, S. 478. Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 144, S. 249–251. 262 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 525, S. 479 f. Die Nachrichten über diese Irrungen wurden durch Hans von Schaumberg an Kurfürst Albrecht getragen, er war Hofmeister bei beiden Bischöfen. 263 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, Nr. 147, S. 255–259, hier S. 255. 264 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 536, S. 487–489, insbesondere S. 489. 265 Ebd., Nr. 515, S. 473. Vgl. ferner, gleichwohl mit einem Schwerpunkt eher auf Albrecht den Weisen und seine Brüder, Karl-Friedrich Krieger / Franz Fuchs, Konflikte und Konfliktbewältigung im spätmittelalterlichen Fürstenhaus. Zu den Auseinandersetzungen Herzog Albrechts IV. von Bayern-München (1465–1508) mit seinen Brüdern, in: Rechtsverständnis und Konfliktbewältigung. Gerichtliche und außergerichtliche Strategien im Mittelalter, hg. von Stefan Esders (Köln / Weimar / Wien 2007), S. 391–410.
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vorhaben zwischen Herzog Albrecht von Bayern-München und Kurfürst Albrecht von Brandenburg. Ludwig von Eyb berichtete von einem Besuch beim Bischof von Eichstätt. Herzog Albrecht von Bayern habe sich an den Eichstätter gewandt und um eine Unterredung mit dessen Hofmeister Konrad von Luchau266 gebeten; anscheinend handelte es sich jedoch um eine weniger wichtige Angelegenheit, die wol mit einem briefe außzurichten gewesen were267. Diese Kontaktaufnahme unter einem Vorwand war nicht in Richtung des Bischofs von Eichstätt geplant, wie aus dem Bericht über ein Vieraugengespräch zwischen Konrad von Luchau mit Ludwig von Eyb nach der Rückkehr des Hofmeisters nach Eichstätt hervorgeht268. Dieser berichtete nämlich, Herzog Albrecht wollte im Vertrauen mit ihm reden, weil der Hofmeister dem Kurfürsten gewant sei – es möge auch nicht weiter getragen werden als an den Kurfürsten269. Ebenso machten beide ab, dass die Nachricht über Ludwig von Eyb an Kurfürst Albrecht von Brandenburg gelangen sollte. Der Herzog von Bayern-München berichtete Konrad von Luchau, dass er merck, das sein vetter herzog Ludwig allerlei gegen im furnem, das sich nicht zu gutem willen zieh. Ebenso ließ Albrecht von Bayern dem Kurfürsten ausrichten, er wolle mit ihm ein Bündnis eingehen, bei dem nur Papst und Kaiser auszunehmen seien; auch könne diese Einung um Herzog Wilhelm von Sachsen erweitert werden. Die nächsten Schritte sollten dann ein Treffen und mündliche Verhandlungen zwischen dem Kurfürsten von Brandenburg und dem Herzog von Bayern-München sein. Im Anschluss an die Nachricht folgt die Einschätzung durch Ludwig von Eyb. Ein solches Bündnis sei wirkungsvoll gegen Herzog Ludwig und wohl auch gegen Nürnberg. Gleichzeitig glaubte von Eyb, die Bischöfe von Eichstätt und Würzburg würden sich nur zögerlich in das spile wider euer gnaden begeben, so lange Kurfürst Albrecht das Recht auf sie bute. Besonders erinnerte Ludwig von Eyb den Kurfürsten daran, dass man der herschaft zu gute in dieser Situation Krieg verhindern müsse. Aus der Sicht der Brandenburger zeigt sich eine weitere Nuance, warum der Bischof von Eichstätt als Vermittler zwischen den fränkischen Parteien ausgewählt wurde, er wäre nämlich damit neutralisiert, d. h. er könnte nicht selbst in den Konflikt auf der gegnerischen Seite eingreifen. Dies ist eine Vorstellung der Neutralisierung von Akteuren in Netzwerken, wie sie weder mit modernen Neutralitätskonzepten noch mit der spezifisch mittelalterlichen Neutralitätsvorstellung als gleichwertige Anwesenheit von Interessen zu beiden Konfliktparteien zu fassen ist. Es handelt sich bei der Auswahl vielmehr um eine Strategie der Netzwerk- oder, genauer, der Akteursbeeinflussung270.
266 Konrad von Luchau war außerdem seit 1462 Marschall, später, ab 1486 war er Hausvogt am Hof in Ansbach, vgl. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 356, Anm. 73. 267 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 536, S. 487. 268 Ebd. 269 Ebd. 270 Siehe zu den verschiedenen Neutralitätsvorstellungen auch oben S. 133, 179 ff., 195, 224, 229 ff., 405, 408.
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Wenn Heinig davon spricht, dass „der Markgraf seit spätestens Juni 1472 versuchte, mit Nürnberg in ein besseres Verhältnis zu gelangen, ja, es aus der Bindung an Bayern-Landshut herauszulösen“271, so erscheint dies angesichts des hier Beschriebenen doch eher fraglich, zumindest differenzierungsbedürftig. Es bleibt unklar, wer die Initiative für eine Verbesserung der Beziehungen ergriffen hatte. Ebenso legt das Kommunikationsverhalten des Markgrafen unter strenger Geheimhaltung und das komplexe Geflecht zur Informationssteuerung nahe, dass es sich um eine für den Markgrafen äußerst angespannte Situation handelte; angesichts des offenen Ausgangs ging es ihm insbesondere um Gesichtswahrung im Falle des Scheiterns eines Vermittlungsversuchs. Das Misstrauen gegenüber Nürnberg wird hier in besonderer Weise sichtbar. Gleichzeitig eröffnet die Betrachtung der markgräflichen Kommunikation den Blick auf den Einfluss, den Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche und Herzog Ludwig der Reiche auf die Bewertung des Markgrafen zur politischen Situation in Franken hatte; eine Sonderrolle nahm in den politischen Netzwerken Frankens die Nachbarschaft der Oberpfalz ein. Zu beobachten ist hier somit das Zusammenspiel überregionaler Akteure auf vertikalen und horizontalen Ebenen mit ihren Rückwirkungen auf die Region. Die inhaltlichen Forderungen des Markgrafen legen nahe, dass sich an der Bereitschaft zur Besserung der Beziehungen nach Juni 1472 im Vergleich mit der Zeit davor nicht viel veränderte. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Kurfürst angesichts der hoch gesteckten Ziele, die er für Verhandlungen vorgab, damit rechnen konnte, dass die Reichsstadt auf sein Verhandlungsangebot eingehen würde, ohne dass sie selbst überaus große Zugeständnisse machen müsste, zumal an die Verhandlungen von Eschenbach angeknüpft werden sollte, die ebenfalls gescheitert waren. 9. Vermittlung der Herzöge von Sachsen und der Reichstag von Augsburg 1473 Im April 1473 traten nun Kurfürst Ernst und Herzog Wilhelm von Sachsen auf den Plan. Sie luden Herzog Ludwig von Bayern und Vertreter der Stadt Nürnberg auf einen Tag nach Augsburg zur gütlichen und rechtlichen Verhandlung ihrer Streitigkeiten mit Kurfürst Albrecht von Brandenburg – so wie er, Kurfürst Albrecht, und ein Sendbote Herzog Ludwigs von Bayern eingewilligt hätten; bei den städtischen Institutionen möge Herzog Ludwig durchsetzen, dass sie Gesandte schickten272. Die sächsischen Herzöge konnten zumindest zwischen Herzog Ludwig dem Reichen und Albrecht von Brandenburg als Vermittler wirksam auftreten, standen sie doch mit beiden Seiten in gleichen verwandtschaftlichen Bindungen. Während Kurfürst Albrecht von Brandenburg mit Ernsts von Sachsen 271 272
Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1111. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 555, S. 497.
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Schwester und Herzog Wilhelms Nichte Anna verheiratet war, war Herzog Ludwig der Reiche mit deren älterer Schwester Amalia verheiratet273. Im Übrigen war Ernst von Sachsen mit Elisabeth von Bayern, Schwester Herzog Albrechts des Weisen, ehelich verbunden274. Die sächsischen Herzöge unterhielten somit zahlreiche verwandtschaftliche Beziehungen zu einem Großteil der Konfliktbeteiligten; innerhalb des Konfliktnetzwerks befanden sie sich in einer zentralen Position275. Herzog Ludwig von Bayern ließ auf den sächsischen Vorstoß antworten, er habe seinem Sendboten lediglich erlaubt, zwischen Albrecht von Brandenburg und ihm zu vermitteln, nicht aber Verhandlungen mit dem Ziel einer gütlichen Einigung zugestimmt. Dies könne er auch nicht, denn er müsse sich erst mit dem Pfalzgrafen und dem Bischof von Würzburg besprechen, mit denen er eng verbunden sei. Dies bestritten die sächsischen Verhandlungspartner und luden die Parteien erneut, und zwar auf einen späteren Termin, nach Augsburg276. Von den Nürnbergern ist in diesem Zusammenhang nur zu erfahren, dass man sie über das Vorhaben eines Verhandlungstages informierte. Bei diesem in Aussicht genommenen Tag handelte es sich um den späteren Reichstag von Augsburg277. Bemerkenswert erscheint, dass der Nürnberger Rat im Vorfeld dieses Reichstages wieder genauso handelte, wie schon vor dem Regensburger Reichstag von 1471. So forderte er beispielsweise die Stadt Frankfurt am Main auf, Gesandte zu schicken, denn es bestehe die Gefahr, dass ihre Konflikte mit Albrecht von Brandenburg auf dem anstehenden Tage besprochen würden278. In der Tat fanden am 4. Mai 1473 in Augsburg Verhandlungen zwischen Ver tretern Herzog Ludwigs von Bayern, der nicht persönlich anwesend war, und Vertretern Kurfürst Albrechts von Brandenburg vor den sächsischen Herzögen statt, die aber ergebnislos blieben279. Nürnberg hingegen weigerte sich, in Verhandlungen in dieser Konstellation einzutreten280; in der Frage der Brauneckschen Lehen gab es gleichwohl eine Entscheidung, die jedoch nicht in Verhandlungen, sondern vom Kaiser direkt getroffen wurde281. Am 16. Mai setzten die Sachsen ihre Verhandlungen mit Herzog Ludwig dem Reichen von Bayern in Ingolstadt fort und vereinbarten neue Verhandlungstermine. Dabei forderte der Wittelsbacher jedoch, nicht nur seine Konflikte mit Albrecht von Brandenburg, sondern auch die seiner Bündnispartner, also der Bischöfe von Würzburg und Eichstätt, des Pfalz 273
Europäische Stammtafeln, I,1, Tafel 153. Ebd., Tafel 154. 275 Dass bei der Benennung der Herzöge von Sachsen der kurfürstliche Rang nur eine untergeordnete Rolle spielte, verdeutlichen die Ausführungen oben S. 133. 276 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 555, S. 497. 277 Siehe zum Reichstag von Augsburg auch oben B. III. 2. 278 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 559, S. 499. 279 Ebd., Nr. 564, S. 501–505. Der Kaiser befand sich wohl vom 25. April bis zum 14. Juni 1473 in Augsburg, vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1376. Siehe auch oben S. 132 f., 136. 280 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 568, S. 506. 281 Ebd., Nr. 571, S. 508 f. 274
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
grafen sowie Nürnbergs, müssten zu einem Austrag kommen282. Dieser Versuch, verschiedene Einzelkonflikte miteinander zu verbinden, wurde von Albrecht von Brandenburg umgehend abgewehrt, indem er erklärte, mit den Bischöfen habe er keine strittigen Fragen mehr, ebenso wenig mit dem Pfalzgrafen; gegenüber weiteren Verhandlungsbemühungen der sächsischen Herzöge mit Herzog Ludwig von Bayern und Nürnberg zeigte er sich nicht abgeneigt283, je nach Angelegenheit sollten sie als kaiserliche Kommissare oder als gütliche Vermittler tätig werden. Auf der Gegenseite vom Markgrafen agierte Martin Mair, Kanzler von Herzog Ludwig von Bayern-Landshut284. Er stand nicht nur im Hintergrund ständig mit Nürnberg in Kontakt, sondern war auch bei den Verhandlungen immer wieder Wortführer für seinen Herrn, später auch für die Nürnberger. Bereits seit dem Jahre 1449 hatte Mair enge Kontakte mit der Reichsstadt gepflegt und war für sie insbesondere als Rat und Stadtschreiber tätig285; nach Tätigkeiten als Kanzler und Rat für die Erzbischöfe Jakob von Trier und Dietrich von Mainz war er im Jahre 1459 auf Lebenszeit in die Dienste Herzog Ludwigs des Reichen eingetreten, setzte aber sein Engagement für Nürnberg fort286. Im Jahre 1457 heiratete Mair 282
Ebd., Nr. 570, S. 507. Siehe hierzu auch die Ausführungen oben S. 133. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 571, S. 508 f. Die Beziehungen zum Würzburger Bischof scheinen in jenen Tagen tatsächlich verbessert worden zu sein, wie ein Schreiben vom November 1473 nahelegt. Albrecht von Brandenburg selbst verkündete, er sei mit dem 1466 verstorbenen Bischof Johann von Würzburg in allen Dingen verglichen gewesen, und auch mit seinem Nachfolger habe er keine Irrungen mehr. Vgl. hierzu Frankl, Würzburger Vasallen, S. 104 f. Egon Johannes Greipl, Art. „Scherenberg, Rudolf von“, in: Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches 1198 bis 1448. Ein biographisches Lexikon, hg. von Erwin Gatz (Berlin 2001), S. 634 f. Helmut Flachenecker, Bistum Würzburg, in: Bistum Würzburg, in: Die Bistümer des Heiligen Römischen Reiches von ihren Anfängen bis zur Säkularisation, hg. von Erwin Gatz (Freiburg i. Br. 2003), S. 831–841. Mit dem Bischof von Eichstätt hatte Albrecht von Brandenburg in jenen Tagen aber sehr wohl strittige Fragen, spielte sie jedoch in einem Schreiben an die sächsischen Herzöge herunter; es handele sich um Dinge, bei denen es keiner Verhandlungen bedürfe; vgl. hierzu ebd., S. 508. 284 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 573, S. 509 f. Schwarz, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche, S. 273. Vgl. ferner Hansen, Martin Mair. Außerdem F[ranz] J[osef] Worstbrock, Art. „Mayr, Martin“, in: Verf.-Lex., 6 (²1987), Sp. 241–248. Dazu außerdem ders., Art. „Mayr, Martin [Nachtr.]“, in: Verf.-Lex. 11 (²2004), Sp. 981. Morimichi Watanabe, Imperial Reform in the mid-fifteenth Century: Gregor Heimburg and Martin Mayr, in: The Journal of Medieval and Renaissance Studies 9 (1979), S. 209–235, hier insbesondere S. 223. M[atthias] Thumser, Art. „Mayr, Martin“, in: Lex.MA 6 (1993), Sp. 430. Karl-Friedrich Krieger / Franz Fuchs, Der Prozeß gegen Heinrich Erlbach in Regensburg (1472). Reichsstädtische Justiz im Dienst landesherrlicher Macht- und Interessenpolitik, in: Papstgeschichte und Landesgeschichte. FS Hermann Jakobs, bearb. von Jürgen Miethke / Folker Reichert / Eike Wolgast, hg. von Joachim Dahlhaus / Armin Kohnle (AK. Beiheft 39, Köln u. a. 1995), S. 519–553, hier S. 525. 285 Hansen, Martin Mair, S. 10. Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 590–593. 286 Watanabe, Imperial Reform, S. 223. Hansen, Martin Mair, S. 176. Zur Tätigkeit Mairs in Diensten des Erzbischofs von Mainz in den 1450er Jahren: ebd., S. 124–155. Ferner versah Mair wohl auch Tätigkeiten für den Würzburger Bischof, den Pfalzgrafen und den böhmischen König, vgl. ebd., S. 156–177. 283
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die Nürnberger Bürgerstochter Catharina Imhof, sodass ihn fortan auch verwandtschaftliche Beziehungen mit Nürnberg verbanden287. Nun, im Jahre 1473, kommunizierte Mair mit dem Rat, insbesondere mit dem Nürnberger Losunger Jobst Tetzel. Anscheinend hatte der Kaiser Herzog Ludwig von Bayern-Landshut gebeten, zwischen ihm und dem Pfalzgrafen zu vermitteln. Im Gegenzug würde sich der Herzog dann einverstanden zeigen, dass Kaiser Friedrich III. zwischen ihm und Kurfürst Albrecht von Brandenburg und konsequenterweise dann auch mit Nürnberg vermitteln würde. Die lokalen und regionalen Konflikte waren zu diesem Zeitpunkt fest miteinander und mit den Reichsnetzwerken verbunden und beeinflussten sich gegenseitig. Am Ablauf der Verhandlungen sowie der zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg, Herzog Ludwig von Bayern-Landshut und der Reichsstadt Nürnberg seit dem Beginn der Vermittlungsversuche der Herzöge von Sachsen ausgetauschten Argumente werden Grundelemente der Auseinandersetzung deutlich. Nun nämlich ging es insbesondere um Verfahrensfragen, welche Streitigkeiten welcher Konfliktparteien in welchem Rahmen verhandelt werden sollten. Dabei kreuzten sich in vielfältiger Weise Personenkonstellationen und individuelle Interessen innerhalb von Netzwerken. Durch die gezielte Verknüpfung oder Trennung von Themenfeldern sowie Konfliktkreisen und damit verbunden der Ausnutzung der Überschneidungen von Politiknetzwerken konnte man verhandeln, ohne eigentlich zu den Sachfragen vorzudringen; dies schuf insgesamt ein relativ stabiles Gefüge zwischen den Konfliktparteien. Auf diesem Wege wurde ein „heißer“ Krieg verhindert. Aus der Kommunikation zwischen den Nürnberger Bürgern und Herzog Ludwig von Bayern wird ersichtlich, dass erstere den Herzog als ihren Verbündeten nun, im Ende Juni 1473, um Einverständnis baten, in direkte Verhandlungen mit Brandenburg einzutreten288; Herzog Ludwig hielt gemeinsame Verhandlungen an sich für besser, gab jedoch seine Zustimmung. Ihre Einung sei davon nicht betroffen. Gleichzeitig setzten auch die sächsischen Herzöge ihre Vermittlungsbemühungen fort, wie aus der brandenburgisch-sächsischen Überlieferung hervorgeht289; sie blieben aber zunächst nur auf die Konflikte zwischen Herzog Ludwig von Bayern und Kurfürst Albrecht von Brandenburg beschränkt, wobei der in Aussicht genommene Verhandlungsort, die Stadt Nürnberg, nahelegt, dass eine Verbindung beider Konfliktfelder auch hier wahrscheinlich gewesen wäre. In dichter zeitlicher Folge reagierte nun auch Herzog Ludwig und brachte den Bischof von Eichstätt als Vermittler zwischen ihm und dem Kurfürsten wieder ins Spiel290. Die Kommunikation zwischen der Reichsstadt und Herzog Ludwig lief
287
Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 591. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 588, S. 517. 289 Ebd., Nr. 594, S. 520 f. 290 Ebd., Nr. 596, S. 521. 288
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
zum einen über den Nürnberger Bürger Peter Harsdörffer291. Die Nürnberger gaben unterdessen bei Martin Mair ein Rechtsgutachten in Auftrag, das die Konflikte zwischen der Reichsstadt und dem Kurfürsten beleuchten und als Argumentationshilfe gegen den Brandenburger dienen sollte292. Auch in dieser Situation kommunizierte Mair nicht mit der Stadt als Ganzer oder den sie vertretenden Organen, sondern nur mit Jobst Tetzel. Mair erscheint hier als das eigentliche Bindeglied zwischen der Reichsstadt und dem bayerischen Wittelsbacher. So kündigte er den Nürnbergern im Juli 1473 an, Herzog Ludwig von Bayern werde zwischen Friedrich dem Siegreichen von der Pfalz und dem Kaiser vermitteln, während auf einem kommenden Tag in Eichstätt, der am 14. Juli stattfinden sollte, Herzog Ludwig sich mit Kurfürst Albrecht versöhnen wolle. Aber auch die Nürnberger seien in diesen Plan einbezogen, denn sie hätten ja einen Zettel mit ihren Konflikten, die sie mit Kurfürst Albrecht hätten, an den Kaiser übergeben. Was es mit diesem Zettel genau auf sich hat, bleibt unklar. Allerdings wird hier ein Geflecht von Interessen und Abhängigkeiten deutlich, in dem alle einzeln aufgetretenen Konfliktlagen miteinander verbunden waren, reichspolitische Streitlagen mit regionalen und teilweise sogar lokalen Krisensituationen. Am selben Tag wie Martin Mair wandte sich auch Herzog Ludwig von Bayern an die Älteren des Rates von Nürnberg. Er kündigte nun das Vermittlungsangebot der sächsischen Herzöge an und bat die Nürnberger um ihre Meinung293. Wie aus einem Schreiben des Eichstätter Bischofs an Albrecht von Brandenburg vom 20. Juli 1473 hervorgeht, fanden die angekündigten Verhandlungen nicht statt294. Herzog Ludwig war kurzfristig zum Kaiser gerufen worden und stand deshalb für Verhandlungen nicht zur Verfügung. Wie aus einem Schreiben Albrechts von Brandenburg an seine Räte Ludwig von Eyb und Hertnidt vom Stein hervorgeht, mussten außerdem vor den eigentlichen Verhandlungen zwischen Herzog Ludwig dem Reichen, Nürnberg und Albrecht von Brandenburg Fragen im Voraus geklärt werden295. So sollte im Konflikt um das Dorf Hohenstadt das alt […] herkomen […] specificirt werden. In Sachen Nürnberg sollte zunächst der Kaiser recht […] nemen und […] geben296. Dann sollte auch in dieser Frage der Bischof von Eichstätt eine gütliche Einigung herstellen. Besonders interessant erscheint Albrechts von Brandenburg Verhältnis zum Bischof von Eichstätt, das er in seinem Schreiben anspricht. Er habe mit ihm keine strittigen Fragen, im Zweifel aber möge Ludwig von Eyb die beiden vergleichen. Dieser Vorschlag kann mit Personenkonstellationen erklärt werden. So war Ludwig von Eyb nicht nur Lehnsmann und Rat des brandenburgischen Kurfürsten, sondern auch in den 60er und 291
Vgl. ebd., Nr. 588, S. 517; Nr. 596, S. 521. Ebd., Nr. 606, S. 524. 293 Ebd., Nr. 607, S. 525. 294 Ebd., Nr. 632, S. 536. 295 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 196, S. 207 f. Vgl. auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 574, S. 510. 296 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 196, S. 207. 292
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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70er Jahren Pfleger des Amtes Arberg, das dem Stift Eichstätt zuzuordnen war297. Ludwig von Eyb stand somit im Dienste beider Herren, was ihn in eine neutrale Position brachte298. Ludwig von Eyb und Hertnidt vom Stein, die den Kaiser bei seiner Reise durch das Binnenreich im Jahre 1473 im Auftrag Albrechts von Brandenburg begleiteten, wurden von ihrem Herrn also über die zeitgleich verlaufenden regional-fränkischen Angelegenheiten ausgiebig informiert299; den politisch Handelnden erschienen somit die verschiedenen reichs- und regionalpolitischen Themenfelder voneinander abhängig. Erst im Zusammenhang mit dem in Aussicht genommenen Reichstag von Augsburg 1473 finden sich in der Korrespondenz wieder Spuren von Aktivität in Sachen Nürnberg und Herzog Ludwig von Bayern. Wieder erscheint dasselbe Muster, wie auch schon bei vorhergehenden Versammlungen auf Reichsebene; die Nürnberger bemühten sich wieder um Verbündete gegen Kurfürst Albrecht von Brandenburg, wie ein Schreiben an die Stadt Frankfurt am Main bezeugt300. Ende September 1473 erklärte der Kurfürst gegenüber Hertnidt vom Stein und Ludwig von Eyb, zu diesem Zeitpunkt, insbesondere bis zum anstehenden Tag von Augsburg, verhandle er nicht mit Herzog Ludwig von Bayern, ebenso wenig mit Nürnberg301. Zuvor – vor dem 9. September 1473 – hatte es am kaiserlichen Hofe, der in Basel weilte, Verwirrung gegeben, denn Herzog Albrecht von Bayern-München hatte die Nachricht erhalten, das herzog Ludwig zu Wendingen sei und mit Kurfürst Albrecht verhandle302. Auch an Herzog Albrecht von Bayern wandte sich nun der brandenburgische Kurfürst – wohl um anders lautenden Meldungen vor zubeugen – er habe mit Herzog Ludwig bisher nicht neu verhandelt und werde wohl bis zu einem kommenden Tag zu Augsburg auch nichts verhandeln303. Zuvor hatte sich Herzog Ludwig auch direkt an den Kaiser gewandt und sich über eine freyheit beschwert, die Friedrich III. dem brandenburgischen Kurfürsten in Bezug auf das Landgericht Graisbach gegeben hatte304. Es handelte sich hierbei um im Rahmen des Regensburger Christentages 1471 ausgestellte Privilegien für Kurfürst Albrecht über seine und seiner Untertanen Freiheit von fremden Gerich 297
Vgl. Vogel, Ludwig von Eyb, insbesondere S. 450. Siehe oben genauer D. II. 2. b). Kurfürst Albrecht schickte seinen Räten außerdem einen Brief des Eichstätter Bischofs in dieser Sache sowie ein kaiserliches Schreiben in Sachen Herzog Ludwigs von Bayern. Über ihren jeweiligen Inhalt kann nichts gesagt werden; einer von beiden enthielt allerdings wahrscheinlich die Erklärung des Bischofs von Eichstätt, warum ein Tag in Eichstätt nicht stattfand, vgl. Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 196, S. 208. Ferner auch Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 638, S. 538. 299 Über die Reichsangelegenheiten im Einzelnen näher oben S. 136 ff. 300 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 684, S. 571. 301 Ebd., Nr. 693, S. 574 f. 302 Ebd., Nr. 679, S. 569. Kaiser Friedrich III. reiste am 9. September aus Basel ab, vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1377. 303 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 687, S. 572. 304 Ebd., Nr. 678. S. 568. 298
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
ten, unter anderem vom Landgericht Graisbach305. Genau genommen war es die Bestätigung einer Reihe von älteren Privilegien, deren Bestätigung Kurfürst Albrecht von Brandenburg bereits 1469 eingefordert hatte306. Auf diese Dokumente bezogen sich die kurfürstlichen Räte auch in ihrer Antwort an den Kaiser und betonten, Albrecht habe gar keine Rechte erhalten, die er nicht sowieso schon besessen habe307. Im Jahre 1473 gab es keinen Reichstag zu Augsburg mehr. Wie schon an anderer Stelle vermerkt308, überschlugen sich die Ereignisse in jenen Tagen andernorts, nämlich in Trier und Köln; so blieb die in Aussicht genommene Reichsversammlung vorerst ein Ereignis, von dem man ausging, dass es eintreten würde; diese Erwartung bewirkte gleichwohl Handeln der Akteure. Am 18. Oktober sandte Kurfürst Albrecht von Brandenburg ein Schreiben an Herzog Wilhelm von Sachsen, in dem er die aktuelle Lage in Sachen Nürnberg und Herzog Ludwig von Bayern beschrieb309. Die Nürnberger, so Albrecht, behaupteten, der Kaiser habe ihren Konflikt an sich gezogen, jedoch sei ihm dies noch nicht verkündet und er glaube eher, die Stadt ließe dies verbreiten, um eine Einigung zwischen dem Markgrafen und Herzog Ludwig dem Reichen zu verhindern. Albrecht von Brandenburg berief sich hier wieder auf den Landkomtur, der zwischen Nürnberg und ihm verhandeln möge, zunächst gütlich, ansonsten auf ein recht fur die keyserlichen maiestat310. Was nun in dem anstehenden Tage zu Augsburg daraus werde, wisse er nicht. Zunächst wird hieran deutlich, wie die Überlagerung politischer Netzwerke imaginäre Agenden schaffen konnte. Die Vorstellung vom zukünftigen Reichstag ging in die Bewertung der politischen Situation ein; letztendlich blieben die Betrachtungen hypothetisch, sie hatten keinen konkreten Bezug, denn Verhandlungen mit Nürnberg standen in naher Zukunft überhaupt nicht auf dem Programm. Gleichzeitig wird deutlich, wie Großkonflikte, Interessennetze größeren Umfangs kleinere Netzwerke überlagerten, das Reichsgeschehen auf das Regionale einwirkte und umgekehrt. Allein die Möglichkeit, dass die Streitfälle vor dem Kai 305
RI Friedrich III.-Online, Nr. 20711 (1471 August 12). Vgl. hierzu außerdem Karl August Bergler, Das markgräfliche Oberamt Gunzenhausen. Ein Beitrag zur Entstehung der Territorialhoheit im südlichen Franken (Diss. phil. Erlangen 1950 masch.). Der Streit ging länger. So forderte im Jahre 1476 Kaiser Friedrich III. Bischof Wilhelm von Eichstätt auf, zwischen Herzog Ludwig von Bayern-Landshut und Kurfürst Albrecht von Brandenburg zu vermitteln, vgl. Monumenta Habsburgica, hg. Chmel, Nr. 82, S. 565. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 172, S. 195. 306 Regesta, Chmel, 2, Nr. 5622, S. 559. 307 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 678, S. 568. Diese Einschätzung unterstreicht Kurfürst Albrecht von Brandenburg selbst in seiner Antwort an seine Räte vom 20. September 1473, vgl. ebd., Nr. 693, S. 574. 308 Siehe dazu oben S. 137 sowie B. III. 4. 309 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 710, S. 581. 310 Ebd., Nr. 710, S. 581.
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ser erörtert werden konnten, rief eine erhöhte Betriebsamkeit in den regionalen Netzwerken hervor. Das Warten auf die Lösung eines Konfliktes erzeugte somit politisches Handeln311. So scheinen auch bei den Verhandlungen mit Ruprecht von der Pfalz in Köln die Netzwerkkonstellationen in Franken und Bayern stets mitbedacht worden zu sein. Wie Ludwig von Eyb nämlich berichtete, wollte der Pfalzgraf zwischen den bayerischen Herzögen vermitteln, zwischen dem Markgrafen, Herzog Ludwig und Nürnberg alsdann der Bischof von Eichstätt312. Sowohl dem Kaiser als auch Kurfürst Albrecht von Brandenburg selbst lag viel daran, dass an dem in Aussicht genommenen Tag auch wenigstens einer der sächsischen Herzöge teilnahm, nicht zuletzt um zwischen den fränkischen Konfliktparteien zu vermitteln313. Derweil gab es auch hektische Versuche Einzelner, zwischen den Konfliktparteien zu verhandeln; so setzte beispielsweise Friedrich der Siegreiche im Februar 1474 zunächst einen Tag in Nürnberg an, um zwischen den bayerischen Herzögen zu vermitteln, sagte ihn dann aber kurz vorher ab314. 10. Der Tod von Jobst Tetzel und neue Vermittlungsbemühungen Aus einem Schreiben Ende März 1474 lässt sich eine Zäsur in den Beziehungen des Kurfürsten mit der Stadt Nürnberg ablesen. Albrecht von Brandenburg schreibt an seinen Rat Ludwig von Eyb, nun sei der Tetzel tot und Nürnberg wünsche Frieden315. Jobst V. Tetzel war am 14. März 1474 gestorben. Tetzel war nur vier Tage nach der Hinrichtung von Niklas Muffel am 4. März 1469 zum Vordersten Losunger, dem höchsten städtischen Amt in Nürnberg, gewählt worden und hatte es bis zu seinem Tode inne316. Er hatte beim Fall des Losungers Muffel zusammen mit Ruprecht Haller eine Schlüsselrolle eingenommen; Tetzel war der führende Kopf derjenigen Nürnberger Bürger, die die direkte Konfrontation mit Albrecht von Brandenburg suchten. Gleichzeitig war er aber auch Lehnsmann des Markgrafen317. 311 Die Politikwissenschaft kennt ähnliche Phänomene bei der Betrachtung von Politik feldern, vgl. Frank Bönker, Interdependenzen zwischen Politikfeldern – die vernachlässigte sektorale Dimension der Politikverflechtung, in: Die Zukunft der Policy-Forschung. Theorien, Methoden, Anwendungen, hg. von Frank Janning / Katrin Toens (Wiesbaden 2008), S. 315–330. 312 Das Schreiben Ludwigs von Eyb an seinen Herrn vom 13. Dezember 1473, Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 742, S. 603. 313 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 785, S. 627. 314 Ebd., Nr. 789, S. 629. Im Januar 1474 hatten Albrecht von Brandenburg und die Stadt über einen Rechtsstreit zwischen einem Juden und einem Christen korrespondiert, vgl. StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 61a, Ratskanzlei, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 34b, fol. 1. 315 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 804, S. 638. 316 Fleischmann, Rat und Patriziat, S. 979. 317 StadtA Nürnberg, E 22/I Tetzelstiftung / Urkunden, Nr. 23 (1453 Mai 25): Verleihung eines Ackers zu Schoppershof. Siehe hierzu im Einzelnen oben S. 426.
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
Wie der Wortlaut des markgräflichen Schreibens nahelegt, standen für den Kurfürsten personelle Konstellationen innerhalb der Reichsstadt Nürnberg für ihre Friedensbereitschaft. Rückblickend werden so auch die Affäre um Niklas Muffel sowie die Beziehungen der Reichsstadt zu Albrecht von Brandenburg seit dem Jahre 1469 klarer. Es waren nämlich die Netzwerkkonstellationen zwischen Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt beziehungsweise der einzelnen Mitglieder in den städtischen Institutionen, die eine Einigung zwischen den Streitparteien unmöglich gemacht hat. Erst als sich die Zusammensetzung des städtischen Rates veränderte, insbesondere die antibrandenburgischen Tendenzen zurückgedrängt wurden, hielt auch der Markgraf selbst einen Ausgleich für realistisch. Nun schien die Situation tatsächlich entwirrt, zumindest erheblich entspannter. Albrecht von Brandenburg gab seinem Rat Ludwig von Eyb den Auftrag, mit dem Bischof von Eichstätt, der Verhandlungen zwischen ihm und Herzog Ludwig von Bayern-Landshut angeboten hatte, Verhandlungstage anzusetzen, allerdings nun auch unter Einbeziehung Nürnbergs318. Er betonte, eine solche regionale Lösung sei einer mit Beteiligung des Kaisers vorzuziehen, denn letztere sei langwieriger. In diesem Zusammenhang scheint man sich auch wieder auf die Verhandlungs papiere bezogen zu haben, die im Juli 1473 entstanden waren319. Am Schluss eines eigentlich in diesem Kontext verfassten Antwortschreibens der kurfürstlichen Seite auf die Vorschläge des Bischofs wurde nun hinzugefügt, da Nürnberg und Herzog Ludwig immer noch eine Partei seien, sei es ratsamer, die Konflikte beider mit Albrecht von Brandenburg gemeinsam zu verhandeln320. Anfang April 1474 antwortete Bischof Wilhelm von Eichstätt dem Kurfürsten, er habe Herzog Ludwig dem Reichen von seinen neuen Ausgleichsbemühungen berichtet, jedoch noch keine Antwort erhalten321. Ebenso bat er Albrecht Achill um Erlaubnis, gütliche Verhandlungen zu führen, da es misslich sei, solche Streitigkeiten rechtlich zu entscheiden. Noch am selben Tage antwortete der Kurfürst, eigentlich falle es ihm schwer, mit den Nürnbergern gütlich zu verhandeln, da es anders ausgemacht gewesen sei322; auch Nürnberg habe weitere Verhandlungen abgelehnt. Albrecht von Brandenburg sandte schon einen Tag später Räte nach Herrieden, um mit Bischof Wilhelm direkt zu verhandeln323. Wie aus dem Instruktionsschreiben an seine Räte hervorgeht, schlug der Kurfürst vor, vor dem künftigen Tag zu Augsburg zu verhandeln, wobei die Nürnberger Angelegenheiten acht Tage nach den Verhandlungen mit Herzog Ludwig von Bayern erörtert werden sollten;
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Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 804, S. 638. Ebd., Nr. 617, S. 530 f.; Nr. 804, S. 638. 320 Ebd., Nr. 804, S. 638. 321 Ebd., Nr. 809, S. 641 f. 322 Ebd., Nr. 810, S. 642. 323 Ebd. 319
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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es gebe nämlich zu viele und teilweise nur rechtlich zu entscheidende Streitpunkte, manche seien bisher nicht einmal bekannt324. De facto versuchte der Kurfürst somit, die beiden Problemkreise wieder voneinander zu trennen. Vorhersehbar ist dann auch die Antwort, die Herzog Ludwig auf diesen Vorschlag gab, denn er erklärte, der Kurfürst wolle mit dieser Forderung Nürnberg und ihn voneinander trennen; beide lehnten dies jedoch ab325. In der Zwischenzeit scheint die Stadt sehr bemüht gewesen zu sein, kleinere Scharmützel sofort aufzuklären und negative Informationen zu unterbinden. So wandten sich Bürgermeister und Rat der Stadt an den Kurfürsten, ebenfalls Anfang April, während die gütlichen Verhandlungen mit dem Bischof von Eichstätt vorbereitet wurden; Franz Rummel habe ihnen mitgeteilt, Knechte des Hans von Seckendorff erzählten zu Hilpoltstein, ihnen sei in Nürnberg nachgestellt worden; dies sei jedoch unwahr326. 11. Der Reichstag zu Augsburg 1474 a) Vorbereitungen Bis zur Mitte des Jahres 1474 waren die politischen Netzwerke in Franken relativ stabil. Ihre Zusammensetzung hatte sich nur dahingehend geändert, dass nun auch wieder die Herzöge von Sachsen als Vermittler hinzugekommen waren. Mit dem Tod von Jobst Tetzel schienen sich allerdings in Nürnberg die Kräfteverhältnisse derart verändert zu haben, dass nun auch dem brandenburgischen Kur fürsten ein Frieden möglich schien. So wurden die fränkisch-bayerischen Konflikte auch auf dem Tag von Augsburg verhandelt. Der sogenannte Reichstag von Augsburg wurde bis heute nicht umfassend untersucht, nicht zuletzt weil der entsprechende Band der Reichstagsakten noch nicht vorliegt. Nur Heinig und Krieger setzten sich mit ihm näher auseinander, jedoch vornehmlich im Hinblick auf den auf diesem Tage zum Abschluss gebrachten „politischen Prozess“327 gegen Friedrich den Siegreichen, mit dem der Konflikt zwischen Kaiser Friedrich III. und dem Pfälzer eine neue Stufe erreichte328. Dabei hat Krieger die Geschehnisse, nicht zuletzt die rätselhafte Rolle von Albrecht Achilles als Richter des kaiserlichen
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Als Termin für den Beginn der Verhandlungen wurden der 17. oder 24. April vorgesehen. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 810, S. 642. 326 StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 61a, Ratskanzlei, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 34b, fol. 31r. 327 Krieger, Prozeß gegen Pfalzgraf Friedrich, S. 259. 328 Karl-Friedrich Krieger, Eine bisher unbekannte Quelle zum Prozeß Kaiser Friedrichs III. gegen den Pfalzgrafen Friedrich den Siegreichen (1474), in: Mannheimer Geschichtsblätter NF 4 (1997), S. 67–81. Ders., Prozeß gegen Pfalzgraf Friedrich. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1125–1130. Vgl. auch Mitsch, Der Konflikt zwischen Kaiser Friedrich III. und Pfalzgraf Friedrich I. 325
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
Gerichtes, neu interpretiert329. Allerdings wurde bisher offenbar nicht berücksichtigt, dass auf dem Augsburger Tage die verschiedenen Konfliktstränge um Friedrich den Siegreichen, Herzog Ludwig von Bayern-Landshut und die Reichsstadt Nürnberg mehr oder minder gleichzeitig abgehandelt wurden. Dass diese verschiedenen Netzwerkebenen sich zumindest in der Wahrnehmung der Zeitgenossen gegenseitig bedingten, wurde bereits gezeigt. Somit sind im Folgenden die verschiedenen Konfliktstränge gemeinsam zu betrachten. Wohl vom 5. April bis zum 24. September 1474 hielt sich Kaiser Friedrich III. in Augsburg auf330. Von Ansbach aus wandte sich Kurfürst Albrecht am 12. April an ihn mit der Bitte um Einberufung eines Tages zu Augsburg auf den 8. Mai, um vor ihm seine Irrungen mit der Stadt Nürnberg zu verhandeln; in demselben Schreiben kündigte er seine Ankunft für den 27. April an331. Dieser Bitte kam der Kaiser vier Tage später nach und sandte entsprechende Ladungsbriefe an den Kurfürsten und an die Stadt332. Die Verhandlung wichtiger Reichsgeschäfte war freilich erheblich früher geplant worden; so war Kurfürst Friedrich der Siegreiche bereits Ende März 1474 vor das kaiserliche Gericht geladen worden333. Albrecht von Brandenburg werden die Entwicklungen im Konflikt mit Friedrich dem Siegreichen gelegen gekommen sein, denn mit dem Prozess gegen ihn war davon auszugehen, dass der Kaiser eine Schwächung des wittelsbachischen Netzwerks in Aussicht nahm. Gleichzeitig unternahm er damit den Versuch, Nürnberg als eigenständigen Akteur in Verhandlungen vor den Kaiser zu zwingen. So gingen auch die Vorbereitungen mit dem Eichstätter Bischof für davon unabhängige Verhandlungen mit Herzog Ludwig dem Reichen weiter334. Albrecht von Brandenburg betonte, ihn wunderten Herzog Ludwigs Aussagen, denn ihn störe seine Einung mit Nürnberg nicht. Oft genug habe er mit ihm vor dem Bischof von Eichstätt und den Herren von Nürnberg, mit der Stadt Nürnberg vor dem Landkomtur verhandelt, ebenso vor Knorr und dem Dinkelsbühler Bürgermeister Hans Egen. Auch jetzt habe er nichts gegen Verhandlungen, er habe aber nicht vor dem 5. Juni Zeit. Würden diese Verhandlungen scheitern, hoffte er, beim Kaiser zu Recht zu kommen. Außerdem wiederholte er das Zeitargument; es gebe so viele Klagepunkte, von Seiten seiner Untertanen ebenso wie von Seiten der Nürnberger. Alles nur zu verhören, würde ein Vierteljahr dauern. Wolle man Verhandlungen, könne man an bisherige Ergebnisse anknüpfen. Er wolle einem Ausgleich nicht entgegenstehen, wenn auch Nürnberg und Herzog Ludwig dazu bereit seien. Hier wird deutlich,
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Krieger, Unbekannte Quelle. Ders., Prozeß gegen Pfalzgraf Friedrich, zum Verlauf insbesondere S. 258 f. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1169. 330 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1379. 331 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 821, S. 646 f. 332 Monumenta Habsburgica, hg. Chmel, Nr. 13, S. 510 f. (an beide Empfänger gleichlautend). Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 824, S. 648. 333 Krieger, Unbekannte Quelle, S. 70. Zur Ausfertigung der Ladung sowie den politischen Implikationen im Vorfeld vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1168. 334 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 826, S. 648 f.
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dass es selbst in den Augen des Brandenburgers wieder auf gemeinsame Verhandlungen mit Nürnberg und Herzog Ludwig hinauslief. b) Verhandlungen in den fränkischen Angelegenheiten Um den 2. Mai 1474 wurde in Augsburg zwischen dem Kurfürsten und Nürnberg vor dem Kaiser verhandelt, wie einem Bericht des Nürnbergers Jobst Haller an Anthonius Tucher zu entnehmen ist335. Danach waren ein Großteil der regionalen Vermittler und wichtigen Netzwerkteilnehmer bei den Verhandlungen präsent, nämlich unter anderem der Bischof von Eichstätt, Herzog Albrecht von BayernMünchen, Hertnidt vom Stein, Peter Knorr sowie Räte der Herzöge von Sachsen. Von Nürnberger Seite war auch der Kanzleischreiber Johann Teubler zugegen336. Inhaltlich scheint in diesem Rahmen jedoch wenn überhaupt nur sehr wenig verhandelt worden zu sein; vielmehr wurde nur der Verhandlungsmodus ausgehandelt. So entschuldigte sich Jobst Haller im Namen des Rates dafür, dass man ihn nicht mit ausreichenden Befugnissen ausgestattet habe, da innerhalb des Konfliktes immer wieder neue Streitpunkte von der Gegenseite in die Verhandlungen eingebracht würden, die unvorhersehbar seien. Alle Vorschläge der brandenburgischen Seite, beispielsweise kaiserliche Kommissare einzusetzen, scheiterten an den fehlenden Vollmachten der Nürnberger Unterhändler. Es ging bei den Verhandlungen in Augsburg auch um die Frage, ob die Streitpunkte bezüglich Herzog Ludwigs und Nürnbergs mit Albrecht von Brandenburg gemeinsam erörtert werden sollten. Hier schien die Lage gänzlich festgefahren, wollten doch die Nürnberger nicht direkt und allein mit dem Markgrafen verhandeln mit Rücksicht auf Herzog Ludwig von Bayern, der sich jedoch einzeln mit Markgraf Albrecht auch nicht einigte. Deshalb forderten sie die Einbeziehung auch des Bayern. Wortführer auf brandenburgischer Seite war zunächst der markgräfliche Rat Peter Knorr, der bestritt, dass nicht absehbar gewesen sei, welche Streitpunkte verhandelt würden. Ebenso habe man auch schon zuvor unabhängig voneinander verhandelt. Gleichsam als rhetorisches Argument scheint Kurfürst Albrecht von Brandenburg eine Beschleunigung der Streitlösung angestrebt zu haben, denn Knorr bat den Kaiser direkt, einen Kommissar einzusetzen, um den Streit, der schon zehn Jahre andauere, endlich zu beenden. Von seiner Seite erachtete er den Erzbischof von Mainz, die Bischöfe von Eichstätt oder Augsburg, Herzog Albrecht von Bayern-München oder einen der sächsischen Herzöge als geeignet. Haller antwortete hierauf, er könne auf diesen Vorschlag nicht antworten, weil er nicht instruiert sei. Mit diesem Argument wurde eine neue Eskalationsstufe erreicht, denn nun ergriff der Kurfürst selbst das Wort und betonte, er habe Herzog 335 Ebd., Nr. 836, S. 658 f. Jobst Haller hielt sich zumindest vom 30. April bis zum 18. Mai in der Umgebung des Kaisers auf, vgl. Fuchs / Scharf, Nürnberger Gesandte, S. 327. 336 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 836, S. 658.
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
Ludwig und Nürnberg nicht zusammengebracht, so wolle er sie auch nicht trennen. Er strebe aber endlich ein Ende des Konflikts an, insbesondere weil der Rat die Gemeinde gegen ihn aufhetze337. Er habe nur dem Bischof von Eichstätt zuliebe in gütliche Verhandlungen eingewilligt, nachdem schon ein rechtlicher Austrag vor dem Landkomtur vereinbart worden sei. Dies bestritten wiederum die Nürnberger Vertreter; bis ein Uhr in der Nacht wurde nach Aussage Hallers ergebnislos verhandelt. Am 9. Mai wiederholte Kaiser Friedrich die Ladung an die Konfliktbeteiligten auf einen neuen Tag, der für den 23. Mai nach Augsburg angesetzt wurde; nun wurde auch Herzog Ludwig von Bayern-Landshut eingeladen338. Offensichtlich sollten die Netzwerkkonstellationen noch weiter entwirrt werden, denn kurz zuvor hatte Kaiser Friedrich auch eine Ladung an Ludwig den Reichen gesandt, um dessen Konflikt mit Herzog Albrecht von Bayern beizulegen339. Die städtischen Vertreter versuchten, sich vor dem kommenden Verhandlungstag wieder Expertenrat einzuholen und Martin Mair dorthin zu beordern340. Wie diese Verhandlungen verliefen, ist nicht überliefert; lediglich gesichert ist, dass bereits einen Tag früher, am 22. Mai, Verhandlungen stattfanden341. Allerdings erging am 10. Juni eine dritte Ladung der Konfliktparteien auf den 3. Juli zur Entscheidung der Streitigkeiten, wobei das überlieferte Schreiben an die Stadt Nürnberg so formuliert ist, dass es bei den anstehenden Verhandlungen im Kern um die Beziehungen zwischen Kurfürst Albrecht und Herzog Ludwig gehen und Nürnberg nur mitbehandelt werden sollte342. Auch im Vorfeld dieses Tages versuchte die Stadt wieder, Martin Mair trotz einer Krankheit als Berater zu verpflichten343. Auf diese dritte Ladung hin hat es aber offenbar keine Verhandlung gegeben344.
337 StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 61a, Ratskanzlei, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 34b, fol. 41r–v. 338 Monumenta Habsburgica, hg. Chmel, Nr. 19, S. 515 (Schreiben an Kurfürst Albrecht von Brandenburg und die Nürnberger); Nr. 20, S. 515 f. (Schreiben an Herzog Ludwig von BayernLandshut). Der Vergleich der drei Schreiben zeigt, dass in den Schreiben an Nürnberg und an Kurfürst Albrecht Bezug genommen wird auf die ersten Verhandlungen von Anfang Mai: […] ettlich handlung daselbs [in Augsburg] gehabt, die aber so fruchtperlich als notdurfft der sachen das eruordert nicht erschossen haben. Vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 842, S. 662. 339 Monumenta Habsburgica, hg. Chmel, Nr. 18, S. 514 f. 340 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 846, S. 663 f. 341 Ebd., Nr. 869, S. 675. 342 Ebd., Nr. 854, S. 666 f. Herzog Ludwig scheint die Nürnberger auch aufgefordert zu haben, zu diesem Tag zu erscheinen, vgl. ebd., Nr. 856, S. 667 f. 343 StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 61a, Ratskanzlei, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 34b, fol. 42r; 42v: Schreiben an Martin Mair vom selben Tage. 344 Dies belegt das spätere Verhandlungsprotokoll zum 15. Juli 1474, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 676.
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c) „Prozess“ gegen Friedrich den Siegreichen Am 27. Mai war Friedrich der Siegreiche vom Kaiser für den Tatbestand des Majestätsverbrechens verurteilt worden345. Der „Prozess“ hatte in Abwesenheit des Beklagten am 9. Mai begonnen, also gleichzeitig mit der zweiten Ladung des Kaisers an die fränkischen Konfliktparteien in ihren Angelegenheiten, erstmals auch unter Beteiligung Herzog Ludwigs des Reichen346. Am 12. Mai wurde der „Prozess“ fortgesetzt. Überraschenderweise bat Kurfürst Albrecht von Brandenburg an diesem Tage für sich und seine Beisitzer, das Verfahren wieder ab geben zu dürfen und in die Hände des Kaisers zurück zu legen, weil unnserr notdurfft und geschefft halben nit alltzeit bei den sachen versamelt sein mochten, dadurch dann irer persone, auch der vorgeschriben ursach halben das recht nit gespert noch verlenngert wurde347. Am folgenden Tage wiederholte Albrecht von Brandenburg seine Bitte mit der erklärenden Hinzufügung, damit unnser und der anndern halben die sachen nit verhindert wurde noch unnser oheim, hertzog Friderich, oder yemands anndrer gedennckhen mochte, daz wir begirde hetten als richter und urteiler in den sachen zu sitzen und zu sprechen348. Zwar können diese Aussagen auf die durch die kurpfälzische Partei während der Verhandlungen vorgebrachten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verfahrens, insbesondere an der Korrektheit der Ladung, bezogen werden. Es erscheint aber zumindest eigenartig, warum die anwesenden Fürsten sich überhaupt auf solche Verhandlungen einließen, um sie dann wieder dem Kaiser zu übergeben. So meinte schon Krieger, dass aus den Protokollmitschriften die markgräflichen Motive nicht eindeutig zu ergründen seien349. Ihm gilt dagegen ein Bericht von den entscheidenden Verhandlungstagen vom 12. bis zum 20. Mai 1474, der wahrscheinlich aus der Feder eines Rates Herzog Ludwigs von Bayern-Landshut an seinen Herrn stammt, als Hauptquelle für die Motive des brandenburgischen Kurfürsten350. Demnach habe Albrecht Achilles in der mündlichen Verhandlung zusätzlich zu der im Urteil überlieferten Begründung auf die verdechtlichait der kurpfälzischen Anwälte verwiesen, dass er kein
345 Ausgewählte Urkunden zur Territorialgeschichte der Kurpfalz 1156–1505, hg. von Meinrad Schaab, bearb. von Rüdiger Lenz (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe A: Quellen 41, Stuttgart 1998), Nr. 136, S. 300–306. Monumenta Habsburgica, hg. Chmel, Nr. 143, S. 395–412. Vgl. Krieger, Prozeß gegen Pfalzgraf Friedrich, S. 257. 346 Monumenta Habsburgica, hg. Chmel, Nr. 19, S. 515 (Schreiben an Kurfürst Albrecht von Brandenburg und die Nürnberger); Nr. 20, S. 515 f. (Schreiben an Herzog Ludwig von BayernLandshut). Krieger, Unbekannte Quelle, S. 70. 347 Urkunden Kurpfalz, hg. Schaab, Nr. 136, S. 303. Krieger, Prozeß gegen Pfalzgraf Friedrich, S. 74. 348 Urkunden Kurpfalz, hg. Schaab, Nr. 136, S. 303. 349 Krieger, Unbekannte Quelle, S. 74 f. 350 Ebd., S. 69 f. Die Quelle ist ediert ebd., Anhang, S. 80 f.
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
ordentlicher, sondern ein gesatzter Richter sei351. Daneben habe der berichtende Rat von zwei fürstlichen Mitgliedern des Fürstengerichts im Vertrauen erfahren, was hinter den Kulissen in den geheimen Verhandlungen zu dieser Entscheidung der Niederlegung der Richtertätigkeit geführt hatte. Während die übrigen Richter nämlich eine von den pfälzischen Gesandten beantragte Vertagung der Verhandlung zustimmen wollten, damit diese bei ihrem Herrn neue Fertigung erhalten konnten, habe Markgraf Albrecht geantwortet, dann werde der Pfalzgraf ihn als Richter nicht anerkennen und gegen ihn mit sachen […] sein ere berürend vorgehen352. Trotz lautstarker Ausfälle des Brandenburgers seien die Fürsten bei ihrem Standpunkt geblieben. Darauf habe der Kaiser das Verfahren wieder an sich genommen, damit die letst irrung nit pöser werde dann di erst353. Krieger354 schreibt dem Bericht eine hohe Glaubwürdigkeit zu, es sei dem bayerischen Rat um einen möglichst „verläßlichen Bericht“ für seinen Herrn gegangen. Zu fragen ist allerdings, warum gerade Herzog Ludwig von Bayern überhaupt einen solchen Bericht forderte und wieso gerade dieser Prozessabschnitt berichtet werden sollte. Dazu sind die politischen Netzwerke, in die die Akteure dieses Prozesses eingebunden waren, zu betrachten. Wenn Herzog Ludwig in dieser Situation einen Rat mit der Beobachtung des Prozesses beauftragte, so doch nur, weil zum einen einer seiner Hauptgegner, Kurfürst Albrecht von Brandenburg, eine derart zentrale Rolle in einem Verfahren eingenommen hatte, mit dessen möglichen Hauptverlierer er in enger Verbindung stand, zum anderen weil er inzwischen selbst vor den Tag zu Augsburg geladen worden war, und zwar wegen seiner und der Nürnberger Konflikte mit dem Richter über den Pfalzgrafen, Albrecht Achilles. Es ging dem berichtenden bayerischen Rat also mit großer Wahrscheinlichkeit besonders um die Rolle Albrechts von Brandenburg. So gesehen wird dem Bericht mit Krieger eine hohe Glaubwürdigkeit zuzuweisen sein. Allerdings passen die berichteten Gründe nicht recht mit den Einschätzungen zusammen, die Kurfürst Albrecht von Brandenburg vor dem Treffen von Augsburg in der Korrespondenz mit seinen Räten über die Bedrohung, die von Friedrich dem Siegreichen ausging, abgegeben hatte355. Auch die verbalen Ausfälle gegenüber allen doctoresen und der Hinweis, dass er den Pfalzgrafen würgen müsse, wenn ihn dieser in seiner Ehre angreife, scheinen doch eher rhetorisches Mittel gewesen zu sein, um unter allen Umständen einen Aufschub des Prozesses zu verhindern. So sind Zweifel erlaubt, dass der um möglichst objektive Berichterstattung bemühte bayerische Rat die wahren Beweggründe des brandenburgischen Kurfürsten durch seine Informanten überhaupt erfahren hatte, denn diese kannten sie wahrscheinlich selbst nicht. Zwar waren die Verhandlungen geheim; die Annahme, dass dort vollkommen frei gesprochen wurde, wird dem Charakter der Verhandlungen aber wohl 351
Ebd., Anhang, S. 80. Ebd., Anhang, S. 81. 353 Ebd., Anhang, S. 81. 354 Ebd., S. 76 f. 355 Siehe oben S. 428, 436 f. 352
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nicht gerecht. Denn auch in diesem Gremium saßen Akteure mit Einzelinteressen, enge Freunde des Kurfürsten wie der Erzbischof von Mainz, aber auch „neutralere“, beispielsweise der Eichstätter Bischof Wilhelm von Reichenau. Betrachtet man dagegen die Netzwerkkonstellationen, die Kurfürst Albrecht von Brandenburg in dieser Situation zu berücksichtigen hatte, so ist eine andere Deutung wahrscheinlicher. In Augsburg drohten aus der Sicht Albrechts von Brandenburg nämlich verschiedene Themenkreise miteinander zu verschmelzen. Als Richter einem „Prozess“ gegen Friedrich den Siegreichen vorzustehen und an dessen Ende tatsächlich für ein Urteil verantwortlich zu sein, hätte wohl eine Einigung des Markgrafen in seinen Konflikten mit Nürnberg und Herzog Ludwig von Bayern-Landshut, wie er sie vor dem Augsburger Tag angestrebt hatte, verhindert. Seine Strategie, die nürnbergischen und bayerischen Streitigkeiten im Wind schatten des Prozesses gegen den Kurpfälzer für sich in positivem Sinne verhandeln zu lassen, waren am 9. Mai mit seiner Benennung als Vorsitzender des Fürstengerichts gescheitert. Danach ging es ihm wohl nur noch um Schadensbegrenzung, die er aber umso entschiedener verfolgte. Dies ergibt sich aus der Betrachtung aller Netzwerke in Augsburg, deren Mittelpunkt der Kurfürst war. Weder formaljuristische Argumente noch die Angst vor der Verletzung der eigenen Ehre werden hier die entscheidenden Gründe für sein Handeln gewesen sein, sondern die Sorge, dass ein ausbalanciertes System von Netzwerkebenen durch die Überbetonung seiner Rolle als Richter destabilisiert werden konnte. So gesehen erscheint die neuerliche öffentliche Begründung während der Sitzung am 13. Mai 1474 in einem anderen Lichte, denn mit yemands anndrer, der neben dem Pfalzgrafen gedennckhen mochte, dass er begirde habe, diesen zu verurteilen, waren wohl nicht zuletzt seine regionalen Konfliktgegner, Herzog Ludwig von Bayern-Landshut und die Reichsstadt Nürnberg, gemeint. Auch die Tatsache, dass in der Folgezeit, insbesondere seit dem Ende des Augsburger Tages, Albrecht Achilles Anstrengungen unternahm, zwischen dem Kaiser und Friedrich dem Siegreichen zu vermitteln, um doch noch einen Ausgleich zwischen ihnen zu erzielen, spricht für diese Deutung356. In diesem Zusammenhang ist auch die Historiografie aus dem Umfeld Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen zu berücksichtigen. Wie beispielsweise Michel Beheim, so führt ihr überwiegender Teil den Konflikt zwischen Kaiser Friedrich III. und dem Pfalzgrafen auf die Umtriebe Albrechts von Brandenburg zurück357. Die 356 StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 106a, Fehdeakten, Nr. 157: Korrespondenz zwischen Kaiser Friedrich III. und Albrecht Achilles, 1474 November. Albrechts von Brandenburg unter strenger Geheimhaltung vorgelegte Einigungsvorschläge hatte Friedrich der Siegreiche im Reich bekannt gemacht und sie als kaiserliche Vorschläge ausgegeben. 357 Michel Beheims Reimchronik, in: Quellen zur Geschichte Friedrich’s des Siegreichen, Bd. 2: Michel Beheim und Eikhart Artzt, hg. von Conrad Hofmann (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte 3, München 1863), S. 64 f. Vgl. Mitsch, Der Konflikt zwischen Kaiser Friedrich III. und Pfalzgraf Friedrich I., S. 215 f. Zu Michel Beheim: Maren Gottschalk, Geschichtsschreibung im Umkreis Friedrichs I. des Siegreichen von der Pfalz und Albrechts IV. des Weisen von Bayern-München (Diss. phil. München 1989), S. 43 f.
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von dem bayerischen Rat an seinen Herrn gemeldete Argumentation Albrechts von Brandenburg entspricht somit Deutungen der Zeitgenossen, insbesondere aus dem Umkreis des Pfalzgrafen. Allerdings, wie die Betrachtung politischer Netzwerke und ihre jeweiligen Verknüpfungen verdeutlicht, standen hinter diesen vordergründigen Argumentationen tieferliegende politische Implikationen358; diese verborgenen handlungsleitenden Motive werden erst durch die Netzwerkperspektive sichtbar. Ein anderer Fürst, Albrecht von Bayern-München, reiste kurz darauf wegen Krankheit aus Augsburg ab359. Wenn auch unklar bleibt, ob er tatsächlich krank war oder dies nur vorgab, so wird ihm die blodigkeit seins leibs nicht ungelegen gekommen sein, denn auch er stand in ungünstigen Netzwerkkonstellationen zu den Beteiligten – man denke an den Konflikt mit seinem Verwandten Ludwig von Bayern-Landshut. Aber auch für Bischof Wilhelm von Eichstätt muss die Berufung in das Fürstengericht durch den König ebenso heikel gewesen sein. Gerade er war genau wie Kurfürst Albrecht von Brandenburg sowohl im Fürstengericht als auch im regionalen Netzwerk im Konflikt zwischen Herzog Ludwig dem Reichen, Nürnberg und Kurfürst Albrecht von Brandenburg vertreten, allerdings nicht als Konfliktpartei. Somit erscheint es aus seiner Sicht logisch, einem Aufschub im Prozess gegen Friedrich den Siegreichen zuzustimmen. Hätte er in dieser Situation einen solchen Aufschub nicht befürwortet, wäre er in den Augen von Nürnberg und Herzog Ludwig dem Reichen parteiisch geworden. Die am Prozess Beteiligten handelten somit aus ihren jeweils eigenen Interessenlagen in verschiedenen Netzwerken. Diese Verschränkungen lassen ihr jeweils individuelles Handeln deutlicher nachvollziehen. Der Konflikt des Kurfürsten von Brandenburg mit Herzog Ludwig dem Reichen und Nürnberg wird hier seinen Teil beigetragen haben. Schließlich ist auch noch auf die Charakterisierung des Verfahrens gegen Friedrich den Siegreichen als „politischen Prozess“360 einzugehen. Bereits Krieger zeigte, wie problematisch die Verwendung des Begriffs „Prozess“ für diesen Fall ist, denn schon so manche Zeitgenossen, insbesondere die pfälzische Delegation, 358 Mitsch, Der Konflikt zwischen Kaiser Friedrich III. und Pfalzgraf Friedrich I., S. 238, stellt das Missverhältnis zwischen der Aktenüberlieferung und der Deutung daran abzulesender politischer Abläufe durch die zeitgenössische Historiografie heraus. 359 Krieger, Unbekannte Quelle, S. 76. 360 Vgl. zur Kategorie des „Politischen Prozesses“ Heinrich Mitteis, Politische Prozesse des früheren Mittelalters in Deutschland und Frankreich (Heidelberg 1927, ND Darmstadt 1974), S. 5–7. Dabei wird der politische Prozess nicht in modernem Sinne zur Beseitigung politischer Gegner unter dem Deckmantel des Rechtsstaates verstanden, sondern als Ordnungsbegriff zur Beschreibung einer spezifisch mediävistischen Konfliktform, bei der Interessengegensätze zwischen Königtum und Fürstentum zum Austrag kamen und die einen grundlegenden, prinzipiellen Charakter hatte; Politische Prozesse sind nach Mitteis solche, die „unmittelbar auf die Fortentwicklung der Verfassung eingewirkt haben“. Auch Friedrich Battenberg, Herrschaft und Verfahren. Politische Prozesse im mittelalterlichen Römisch-Deutschen Reich (Darmstadt 1995), S. 1–11 mit einer offeneren Definition. Vgl. ferner Krieger, Prozeß gegen Pfalzgraf Friedrich, S. 259. Ders., Unbekannte Quelle, S. 67, insbesondere Anm. 5.
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bestritten, dass der Kaiser beziehungsweise die beauftragten Fürsten ordentliche Richter waren, dass Friedrich III. allenfalls als Schiedsrichter fungieren konnte, sodass er sich an die Regeln des Schiedsverfahrens, also insbesondere an den Konsens der Konfliktparteien, zu halten hatte361. Kaiser Friedrich hingegen glaubte, gemäß römisch rechtlichen Grundsätzen von der Lehre der kaiserlichen Gewalt, die nicht an die Normen des allgemeinen Rechts gebunden war, sowie der Anklage wegen Majestätsverbrechen an keine Verfahrensregeln gebunden zu sein. Gleich, ob es sich um einen Prozess, um ein Schiedsverfahren oder etwas anderes handelte, aus der Netzwerkperspektive wird deutlich, wie flexibel Recht und Formen gerichtlicher Verfahren als politisches Argument eingesetzt werden konnten und wie dies mit Verknüpfungen der Beteiligten zusammenhängt. d) Weitere Verhandlungen auf dem Augsburger Tag Im Laufe des Juli wurde die Reichsversammlung in Augsburg jedoch zunehmend und mit großer Intensität von den Nachrichten am Rhein überschattet362. Nachdem sich der Kölner Erzbischof Ruprecht entgegen aller dringenden Verbote und Ermahnungen Karl dem Kühnen zugewandt hatte, wurde der Tag von den Vorbereitungen für einen bevorstehenden Reichskrieg absorbiert. In der Nürnberger Angelegenheit fanden aber noch Mitte Juli Verhandlungen in Augsburg statt363. Von ihnen zeugt ein Bericht der Räte Kurfürst Albrechts an ihren Herrn, nachdem dieser Anfang Juli von Augsburg nach Ansbach zurückgereist war364. An dieser Sitzung nahmen neben dem Kaiser und brandenburgischen sowie bayerischen Räten auch der Mainzer Erzbischof Adolf, Bischof Wilhelm von Eichstätt und die Herzöge von Pfalz-Veldenz, Ludwig und Stephan, teil. Die Nürnberger Bürger hatten anscheinend in jenen Tagen keine Gesandtschaft in Augsburg, zumindest finden sich hierfür keine Belege365. An den Verhandlungen vor dem Kaiser nahm von ihrer Seite aber mit Sicherheit niemand teil. Knorr hob hervor, dass er zur Linken des Kaisers gesessen habe – ward die panck furgesetzt und geordent, das herzog Ludwigs rette darauf sollten sitzen. die braugeten, alß sich geburt und liessen in das doch gebieten, das sie sassen366. Die herzoglich-bayerischen Räte entschuldigten das Ausbleiben ihres Herrn, der schwer krank sei. Zuvor hatte man Haug von Werdenberg an den Hof des Bayern geschickt, um ihm entsprechende Punkte vorzutragen. So wollte man ihn um Zustimmung für eine Verlängerung des Landfriedens bewegen, ebenso um eine 361
Krieger, Unbekannte Quelle, S. 73. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 879, S. 683 f. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1129. 363 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 675–679. 364 Zum Folgenden vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 675–679. 365 Fuchs / Scharf, Nürnberger Gesandte, S. 327. 366 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 675. 362
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Zustimmung für den Anschlag gegen die Türken; schließlich ging es auch um die Beilegung seines und des Nürnberger Konflikts mit Albrecht von Brandenburg. Dabei wurde aber wieder nur über die Form, nicht über den Inhalt gesprochen. Die herzoglichen Räte ließen ausrichten, dass sie Verhandlungen vor dem Kaiser zustimmten, aber auch an denen vor dem Eichstätter Bischof sei kein unglimpf gewesen367. In ihrer Antwort verflochten die bayerischen Räte mehrere Problemkreise miteinander. Während sie Nürnberg überhaupt nicht erwähnten, brachten sie vor, der Kaiser habe auf Bitten ihres Herrn und des Königs von Däne mark in einen Verhandlungsanlauf mit dem Pfalzgrafen eingewilligt, ja sie hoben den gerade verurteilten Pfalzgrafen gar auf eine Stufe mit dem Kaiser, indem sie erklärten, dass sie Friedrich den Siegreichen als Pfalzgrafen bezeichneten, geschehe nicht aus Unwillen gegenüber dem Kaiser, sondern deswegen, weil ihr Herr taidingßman zwischen dem Pfalzgrafen und dem Kaiser sein solle368. Mit der Verhandlung hatte dieser Einwurf gleichwohl nichts zu tun, er erscheint vielmehr als Versuch der bayerischen Seite, verschiedene Problemkreise miteinander zu verschmelzen und sie damit einer Lösung dauerhaft zu entziehen. Die brandenburgischen Räte antworteten, ihr Herr habe die Tage vom 1. Mai und vom 22. Mai persönlich besucht und Zugeständnisse gemacht. Der letzte vereinbarte Tag habe ohne Verschulden des Kurfürsten nicht stattgefunden, er wäre sogar noch länger in Augsburg geblieben, wenn er nicht mit König Christian von Dänemark hätte fortreiten müssen. Der Kaiser schließlich ließ durch den Bischof von Eichstätt antworten, er freue sich über die Zustimmung Herzog Ludwigs in den Reichsangelegenheiten und lege den Streit mit dem Markgrafen wieder in die Hände des Eichstätter Bischofs, der mit der Angelegenheit vertraut sei. Nur widerwillig nahm Bischof Wilhelm diesen Auftrag an, da er sich beiden Seiten zu nah verbunden sah. Beide Parteien sollten daneben selbst noch weitere Vermittler benennen, was sie jedoch nicht taten. Betrachtet man die Verhandlungen vor dem Kaiser auf dem Reichstag von Augsburg insgesamt, so erscheint gerade die Rolle des Kaisers interessant. Sachthemen wurden vor ihm so gut wie nicht verhandelt, sondern nur Fragen des Verfahrens. Kaiser Friedrich III. hatte hier offensichtlich eher eine Steuerungsfunktion der Abläufe, weniger des Inhalts. Dieser Befund deckt sich mit denen, die anhand des Stettiner Erbfolgestreits gewonnen werden konnten369. Allerdings wurden über die Bestimmung der Formen des Konfliktaustrages auch Interessen koordiniert und verfolgt. Über die Form konnte der Kaiser somit Netzwerke und Entscheidungen wirksam steuern. Schon kurz darauf fanden Verhandlungen vor Bischof Wilhelm von Eichstätt statt370. Interessant erscheinen drei neben dem Bischof zusätzlich Anwesende, ge 367
Ebd., Nr. 869, S. 676. Ebd. 369 Siehe oben D. I. 370 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 676–678, Anm. 1. 368
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genüber denen die kurfürstlichen Räte ein gewisses Unbehagen ausdrückten: Graf Rudolf von Sulz, Haug von Montfort und Haug von Werdenberg371. Nach Heinig wird durch diese Auswahl deutlich, welche Bedeutung die „wittelsbachisch-niederbayerische Partei“ am Kaiserhof hatte372. Bei diesen Verhandlungen kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den bayerischen und den brandenburgischen Vertretern. Zunächst ging es wiederum allein um Verfahrensfragen. Dabei waren der Charakter der Verhandlungen sowie die Frage, an welchen Verfahrensstand man anknüpfen sollte, strittig. Der Plan der brandenburgischen Seite, zunächst gesondert ihren Streit mit dem Herzog von Bayern und erst in einem zweiten Schritt die Verhandlungen mit den Nürnbergern zu führen, somit an einen älteren Verhandlungsstand anzuknüpfen, lehnten die Vertreter Ludwigs des Reichen entschieden ab. Wohl auch die Vertreter der bayerischen Seite versuchten, die Verhandlungen auf formaler Ebene zu halten. Dies erkannten die brandenburgischen Räte, da sie glaubten, die Gegenseite wolle verhindern, dass der Überfall auf Möhren sowie das herzogliche Vorgehen gegen Heideck bei diesen Verhandlungen zur Sprache kämen. Die brandenburgischen Räte durchkreuzten in einer Verhandlungspause die Verhandlungsstrategie, die sie bei den Landshutern zu erkennen glaubten, und berichteten den kaiserlichen Unterhändlern im kleinen Kreis von den Vorfällen, also von handfesten Sachfragen. Allerdings bemerkte dies die Gegenseite, und so platzte Martin Mair in das vertrauliche Gespräch der brandenburgischen Räte mit den Vermittlern hinein und sprach: herr Peter redt ir etwas, das mein gnedigen herrn berurt, so redt es offenlich373. Sehr wohl wurden bei diesen Verhandlungen also unterschiedliche Grade von Öffentlichkeit unterschieden. Folgen hatte der Vorfall keine. Für das Verständnis der Verhandlungen ist er jedoch höchst aufschlussreich, denn er zeigt, wie sehr die Sachebene dieser Verhandlungen die Form bestimmte und welche Strategie beide Seiten jeweils verfolgten. Die Gespräche waren festgefahren. Einen Tag später folgte ein Spruch des Eichstätter Bischofs mit der Mahnung um Einigkeit. Darauf bezichtigte Martin Mair Markgraf Albrecht von Brandenburg erneut, er wolle die Nürnberger vom bayerischen Herzog trennen, an dem sie wie ein frommes volck hingen374. Die brandenburgische Partei bestritt diese Absicht. In dieser Lage, das heißt nach einem zweiten Anlauf des Bischofs von Eichstätt, den Konflikt zu lösen, brachte dieser die Sache wieder vor den Kaiser. Entscheidend war in diesem Zusammenhang aber nicht der Einigungswille beider Seiten, sondern die Tatsache, dass beide Seiten offensichtlich nur ihre Instruktionen vertraten, dass es also keinen Fort-
371 Haug von Montfort und Haug von Werdenberg begegnen auch unter anderem im Zusam menhang mit dem Treffen von Niederbaden im Sommer 1473; zu allen drei siehe oben S. 140. 372 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1127. 373 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 676–678, Anm. 1, hier S. 677. 374 Zitiert nach Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 676–678, Anm. 1, hier S. 678.
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schritt geben konnte, wenn nicht eine der beiden Streitparteien die Anordnungen ihres Herrn übergehen würde, womit nicht zu rechnen war. Die Auseinandersetzungen eskalierten in der mündlichen Verhandlung vor dem Kaiser erneut. Beide Parteien erläuterten noch einmal ihren Standpunkt, ins besondere die Brandenburger berichteten von bisherigen Einigungsversuchen, dass sogar Geschwisterkinder – Herzog Georg von Bayern und Markgraf Friedrich von Brandenburg als Söhne von Amalia und Anna von Sachsen – zu den Verhandlungen mitgebracht worden seien, um durch „die natürliche Liebe und Treue Eintracht“ zu erwecken375. Als sie hieraus logisch folgernd vorgeschlagen hätten, sinnvollerweise neben dem Bischof von Eichstätt auch einen der sächsischen Herzöge als Vermittler einzuschalten, kam es zu einem verbalen Schlagabtausch zwischen Peter Knorr und Martin Mair, den Hauptvertretern der Streitparteien. Knorr nämlich schloss seine Rede mit der Bemerkung, er hoffe, dass möglichst bald der Streit mit Herzog Ludwig dem Reichen behoben sei, was schon längst hätte geschehen können, wenn nicht Leute, die den Frieden zwischen ihren Herren verhindern wollten, ständig „dazwischen geschrien“ hätten376. Dies war offensichtlich ein Angriff auf Martin Mair, der nun die Verhandlung scheitern ließ, nachdem er sich zunächst gegen das Wort schreien verwahrt hatte. Mair behauptete plötzlich, er habe genug Vollmacht seines Herrn und sei nun mit einer Anhörung durch den Bischof von Eichstätt zufrieden. Die brandenburgischen Vertreter hielten sich streng an eine kaisertreue Argumentationslinie. Durch ihre vorangegangene Verhandlungsführung hatten sie erreicht, dass beide Parteien zunächst ihre Herren befragen sollten, dann hatten sie den Hauptvertreter der Gegenseite so beleidigt, dass sich diese von den Verhandlungen zurückzog. Hier wird deutlich, wie sehr Kaisertreue als Verhandlungsinstrument und -argument dienen und wie es richtig eingesetzt zu den gewünschten Ergebnissen führen konnte, sodass man nämlich selbst gestärkt und auf der vermeintlich „guten“ Seite aus den Verhandlungen ging. Besonders interessant erscheint in diesem Zusammenhang der Ratschlag, den die brandenburgischen Räte aus Augsburg an ihren Herrn sandten und aus dem ein unmittelbarer Blick auf die Bewertung der Situation auf Seiten Brandenburgs möglich wird377. Sie drangen auf eine Verlagerung der Angelegenheit weg vom kaiserlichen Hofe, denn der Kaiser sei nicht bereit, persönlich die Sache zu verhören, das heißt sie inhaltlich abzuhandeln, und täte er es, so wisse man nicht, mit wellichem luste er das thet – mit anderen Worten, die Angelegenheit wäre dann der Laune des Kaisers, somit womöglich dem Zufall überlassen. Ebenso schienen ihnen die drei Räte, die dem Eichstätter Bischof beigestellt waren, nicht genehm; allerdings werde man diese nicht los, wie die brandenburgischen Räte annahmen. Und auch insgesamt sei die Situation derart verfahren, dass weiteres Verhandeln 375
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 678, Anm. 1. Ebd., Nr. 869, S. 678, Anm. 1. 377 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 678, Anm. 1. Vgl. auch Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1127 f. 376
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in dieser Konstellation nutzlos sei. Die brandenburgischen Räte sahen das Verhalten der Gegenseite auch als persönliche Strategie Martin Mairs, er habe des geschray gern gehabt, womit sie wieder auf den Vorfall in den Verhandlungen Bezug nahmen. Insbesondere wolle er an der Angelegenheit nur Geld verdienen und seine Eigeninteressen verfolgen. Aus diesem Grunde rieten die brandenburgischen Vertreter ihrem Herrn, auf einen möglichst engen Kommissionsauftrag für den Bischof von Eichstätt zu drängen, sodass dieser nur Verhandlungstage einberufen und erst im zweiten Schritt rechtlich verhandeln dürfe. Die Nürnberger Gesandten blieben bei diesen Verhandlungen blass, ja bedeutungslos. Bei den Beratungen vor dem Eichstätter Bischof waren anwesend der von Nuremberg sendtbotten Nicklas Groß, Jobst Haller und einer von der gemayne mit iren doctorn treffenlich378. In Erscheinung traten sie wohl nicht. Und auch die Aussagen Martin Mairs zeigen, wie sehr man sie als wichtiges Argument für eigene Ziele – insbesondere durch ihre vielfältigen Netzwerkverbindungen –, weniger aber als Bündnispartner auf Augenhöhe ansah. Kurfürst Albrecht von Brandenburg unterstützte das Vorgehen seiner Räte, wandte sich jedoch entschieden gegen eine Trennung von seinen Bündnispartnern379, wobei insbesondere auf die Irrungen zwischen dem Bamberger Bischof und Nürnberg zu achten und ebenso auf Herzog Albrecht von Bayern-München Rücksicht zu nehmen sei. In letzterem Falle rügte der Kurfürst seine Räte, nicht sofort um Übersendung von Räten bei Herzog Albrecht von Bayern gebeten zu haben; darauf antworteten ihm diese später, sie hätten nur versäumt, ihm zu schreiben, dass sie seine Beziehungen zu Herzog Albrecht von Bayern-München nicht vergessen hätten380. In den weiteren Verständigungen zwischen Albrecht von Brandenburg und seinen Räten schlugen diese ihm sogar vor, beim Kaiser darauf hinzuwirken, dass man die Gefahr eines Prozesses am Hof mindern wolle, indem der Kaiser den Eichstätter Bischof nur mündlich beauftragen sollte381. Von Augsburg aus versuchten die brandenburgischen Räte am 21. Juli dann auch, bei Herzog Albrecht von Bayern-München Räte anzufordern, um auf seine Interessen Rücksicht zu nehmen382. Herzog Albrecht antwortete, keine Räte verfügbar zu haben, da er mehrere von ihnen nach Landshut zu anderen Verhandlungen geschickt habe, einer krank sei und er den Hofmeister bei sich benötige383. Seiner Bitte, deshalb die Verhandlungen um wenige Tage zu verschieben, kam 378
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 869, S. 678 f., Anm. 1. Ebd., Nr. 871, S. 679 f. Inhaltlich sollten vorsorglich alle Dinge so belassen werden, wie es Gewohnheit sei, bis es zu einem Austrag gekommen sein würde. Davon unabhängig sollte die Frage der Landgerichte verhandelt werden. 380 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 872, S. 681. So baten sie dann auch umgehend bei Herzog Albrecht von Bayern-München um Überstellung von Räten, vgl. ebd., Nr. 872, S. 681. 381 Ebd. 382 Ebd., Nr. 873, S. 681 f. 383 Ebd., Nr. 877, S. 683. 379
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man jedoch nicht nach; offensichtlich herrschte in Augsburg Zeitdruck angesichts der sich überlagernden Themen, sodass man mit Beratungen noch am selben Tage, dem 21. Juli, begann384. In diesen Verhandlungen vertraten Albrechts von Brandenburg Räte genau die zuvor von ihrem Herrn vorgegebene Position, und zwar dass vor dem Eichstätter Bischof eine gütliche Einigung angestrebt, wenn dies aber scheitern sollte, Verhandlungen mit dem Ziel eines rechtlich bindenden Ergebnisses geführt werden sollten. Erstmals in dem gesamten Augsburger Verhandlungsprozess traten auch die Nürnberger Vertreter aktiv auf. So wurden nach der ersten Rede der brandenburgischen Seite die Verhandlungen unterbrochen und Mair besprach sich mit ihnen. Mair unterschied zwei Konfliktkreise, einen nürnbergischen und einen bayerischen. Er schlug einen gütlichen unverbindlichen Tag vor, auf dem reichsstädtische Vertreter gemeinsam mit Herzog Ludwig von Bayern mit Kurfürst Albrecht verhandeln würden. Gegenstand sollten die Streitpunkte sein, die früher schon Inhalt der Verhandlungen vor dem Bischof gewesen seien sowie alle schon früher verhandelten Gebrechen mit Nürnberg385. Die brandenburgischen Räte erwirkten nun eine Verhandlungspause, um auf die Räte Albrechts von Bayern zu warten. Nach vier Tagen und kleineren Machtspielen und protokollarischen Streitigkeiten um die Festsetzung eines Fortsetzungstermins gingen dann die Verhandlungen weiter – allerdings immer noch nur um die Form, nicht um den Inhalt. Mair wiederholte seine Forderung, nur gütlich zu verhandeln, gestand dann aber zu, sein Herr sei zu rechtlichem Austrag bereit, nur Nürnberg könne er zu rechtlichem Austrag nicht raten386. Schließlich scheint sich nach längerem Hin und Her um den Verhandlungsmodus Martin Mair durchgesetzt zu haben, und auch die brandenburgischen Räte ließen sich auf unverbindliche, gütliche Verhandlungen auf Befehl des Kaisers ein – was schließlich beschlossen wurde387. Am Rande des Augsburger Tages und nach dem Abschluss der Verhandlungen sprach der Kaiser vertraulich mit Peter Knorr388. Dieses Gespräch war vom Kaiser ausgegangen, und zwar um von den fränkischen Regionalangelegenheiten unabhängige Dinge. Knorr nutzte es jedoch geschickt, um noch einmal das Ergebnis der Verhandlungen aus seiner Sicht darzustellen und zu betonen, Albrecht von Brandenburg lasse sich nicht von seinen Bündnispartnern trennen. Knorr betonte, Mair sei es, der die Nürnberger an der Zubilligung eines rechtlichen Austrags hindere, obwohl diese eigentlich einen solchen billigten. Er schilderte dem Kaiser dazu auch seinen Eindruck, dass nämlich die Nürnberger ein andern herrn het 384
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 878, S. 683; Nr. 872, S. 681. Ebd., Nr. 883, S. 688. 386 Ebd., Nr. 883, S. 687. 387 Ebd., Nr. 878, S. 683 (die kurfürstlichen Räte an Herzog Albrecht von Bayern-München). Der ausführlichere Bericht ebd., Nr. 883, S. 686–688 (Kurfürstliche Räte an Kurfürst Albrecht von Brandenburg). 388 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 883, S. 688. 385
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ten, dan e.k.m., womit er das Abhängigkeitsverhältnis der Nürnberger insbesondere von Martin Mair als Stellvertreter Ludwigs des Reichen betonte389. Nun, unter vier Augen, erklärte der Kaiser den Standpunkt der brandenburgischen Seite für gerechter und fügte hinzu, er habe dem Bischof von Eichstätt zu energischer Vermittlungstätigkeit angewiesen. Aus dem Gesandtschaftsbericht der brandenburgischen Seite zeigt sich somit, auf welch unterschiedlichen Ebenen Kommunikationsnetzwerke aktiviert und gezielt eingesetzt werden konnten. Eine Strategie der Verhandlungsführung war das Spiel mit verschiedenen Formen von Öffentlichkeit. Peter Knorr verfolgte seine Interessen bewusst über die Umgehung der offiziellen Bühne, indem er sozusagen „im Hinterzimmer“ den Kaiser in seinem Sinne zu beeinflussen versuchte. Die Antwort des Kaisers allerdings blieb unverbindlich – mit Hinweis auf das laufende Verfahren vor dem Bischof von Eichstätt. Inzwischen waren wohl auch Räte Albrechts von Bayern in Augsburg eingetroffen, obwohl die Angelegenheit schon zu einem Abschluss gekommen war390. Damit wiederholte sich ein Muster kaiserlicher Verhandlungsstrategie, möglichst viele Dinge in die Hände anderer zu legen und nicht unmittelbar einzugreifen. Nun geriet diese regionale Auseinandersetzung angesichts der reichspolitischen Angelegenheiten ins Hintertreffen. Besonders schwierig aber war in dieser Situation, Bischof Wilhelm von Eichstätt dazu zu bewegen, seine regionale Vermittlungsposition auch weiterhin auszuführen. So mussten beide Parteien beim Kaiser erwirken, dass dieser ihm einen förmlichen Befehl gab, auch weiterhin in Sachen brandenburgisch-bayerisch-nürnbergischen Angelegenheiten vermittelnd tätig zu bleiben391. Der mit seiner Rolle anscheinend unzufriedene Eichstätter Bischof reiste unter eigenartigen Umständen überstürzt aus Augsburg ab, nachdem er noch dem Kaiser von den Verhandlungsergebnissen berichtet hatte; die Streitparteien waren davon jedoch mit einem Hinweis auf Zeitmangel ausgeschlossen worden392.
389 Ebd., Nr. 883, S. 688. […] sagt dabei die antwort durch e.g. rette doruf bescheen mit erzelung, wie einer ratsgesellen wol wer in maynung gewest, do doctor Mertein den von Nurenberg verbott, rechtlich austreg meinem g. herrn zu bieten oder gein im eynzugeen, wie vor geschriben stet, er wollt die von Nurenberg angesprochen haben, wie er vor nit gewisset hett, das sie ein andern herrn hetten, dan e.k.m., nach dem sie sich richten sollten, biß so lang das er itzo vernomen hett, das sie sich an herzog Ludwigen hetten geslagen, der innen zu gebieten hett, aber es were seinen gnaden zu eren und gefallen underlassen. 390 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 878, S. 683. 391 Ebd., Nr. 883, S. 685–688. 392 Ebd., Nr. 883, S. 686.
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12. Weitere Verhandlungen des Jahres 1474 Seit den Verhandlungen vor dem Kaiser und vor den eigentlichen inhaltlichen Auseinandersetzungen kommunizierte Nürnberg insgesamt offener und mit Albrecht von Brandenburg direkt393. Die vereinbarten Verhandlungen fanden dann im Oktober 1474 statt und werden sich wohl bis in den Dezember hinein hingezogen haben394. Auch hier baten die städtischen Vertreter, wie üblich, Martin Mair um Beistand395. Im Rahmen dieser Verhandlungen wurden zunächst Albrechts von Brandenburg strittige Fragen mit Nürnberg verhandelt. Inhaltlich ging es um die bereits erwähnten Streitpunkte, insbesondere um die Abgrenzung von Hoheitsrechten. Die Nürnberger Vertreter blieben in diesem Zusammenhang blass. Auf die brandenburgischen Klagen antwortete zumeist Martin Mair, der versuchte, die Klagen aufzuteilen, und zwar in neue und in solche, die bereits verhandelt worden waren. Interessant erscheinen die Verhandlungen aber auch im Hinblick auf die Rolle des Kaisers in der Argumentation der Streitparteien. Er wurde von beiden Seiten als Legitimationsargument in eigener Sache vereinnahmt396. Ebenso spielte auch hier wieder die Schmähung, ja die Beleidigung Albrechts von Brandenburg durch Nürnberger Bürger, insbesondere solche, die brandenburgische Lehnsleute waren, eine Rolle397. Auch hier tritt somit die Bedeutung der Lehnsverbindungen zu Nürnberger Bürgern innerhalb der Politik des Kurfürsten hervor; es lässt sich gar der Versuch erahnen, die Schmähung durch die Betonung der Lehns abhängigkeit in einen rechtlich relevanten Tatbestand zu überführen. Die Nürnberger argumentierten hingegen, man sei seiner Stadt näher verbunden als seinem Lehnsherrn398. Die Frage des Umgangs mit dem „Akteur Stadt“ durch den Kurfürsten wird auch beispielhaft im Jagdrecht deutlich. Kurfürst Friedrich I. hatte Nürnbergern das Jagdrecht zugestanden; diese warfen Albrecht nun vor, er wolle es auf die Mitglieder des städtischen Rates beschränken, d. h. er wollte nur der städtischen Führung ein solches Recht zugestehen und nicht dulden, das al sneyder, schuster und ander toricht leuten solten heraus laufen, seinen gnaden, der ritterschaft, auch der erbergkeyt in der stat allen lust benemen399. Ganz offensichtlich wurde über 393 Am 19. September antworteten die Nürnberger auf ein markgräfliches Beschwerdeschreiben bezüglich seines Untertanen Fricz Lebkuchner, Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 915, S. 709. 394 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 930, S. 715–723; Nr. 995, S. 760–762. 395 Ebd., Nr. 910, S. 706. 396 So konterte die nürnbergische Seite beispielsweise den Vorwurf, sie hätten Markgraf Albrecht im bayerischen Krieg im Stich gelassen, damit, auch der Kaiser sei mit ihren Entschuldigungen zufrieden gewesen. Ebenso bezog man sich im Falle von Regalien immer wieder auf den Kaiser als Legitimationsinstanz, vgl. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 930, S. 716–720. 397 Ebd., Nr. 930, S. 716. 398 Zu Bürgerlehen siehe oben S. 268, Anm. 259. 399 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 930, S. 720.
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die Bevorzugung einzelner Führungspersonen der Stadt die Strategie verfolgt, den Zusammenhalt und die Ordnung des Netzwerkakteurs Nürnberg in seiner Gesamtheit zu schwächen. Dies verdeutlicht das Denken der brandenburgischen Seite in personalen Beziehungen, ebenso den Versuch, mit gezielter Einräumung von Privilegien und Begünstigungen Teile des Rates gewogen zu stimmen. Auf demselben Tag wurden aber auch weitaus dramatischere Fälle behandelt, wie zum Beispiel der des Eberhard Schütz zu Laineck400. Dieser hatte einen Nürnberger festgesetzt, der sich auf seine guten zu Bruck geslagen und sich dann der Friedensgebote widersetzt hatte401. Der Nürnberger Rat hatte daraufhin einen Schreiber und vier bewaffnete Söldner geschickt und Schütz zur Freilassung ihres Stadtangehörigen aufgefordert. Schütz warf dem Gefangenen jedoch weitaus mehr vor; dieser habe nämlich eine Schwangere unter Zuhilfenahme eines Messers aus einem kuchenfenster geworfen, wobei nicht ganz klar war, ob sie dann an der pestelencz oder am wurff gestorben sei. Das Verhalten des Eberhard Schütz, das schließlich zum Einfall der Stadt Nürnberg in dem Dorf Bruck führte, wurde nun Thema in den Verhandlungen, wobei es um die Reichweite der Kompetenzen des Eberhard Schütz ging, der nach Nürnberger Meinung den Gefangenen an die Stadt hätte ausliefern müssen, nicht aber habe „schatzen“ dürfen402. Auch in anderen Fällen war das Nürnberger Kommando zur heimsuch aufgetaucht. Hieran wird außerdem deutlich, wie gewaltsam und kompromisslos sich im Einzelnen das Verhältnis zwischen Untertanen des Kurfürsten und der Stadt auch im Jahre 1474 noch darstellte, wobei in der Argumentation beider Parteien derartige „Hausbesuche“ einmal als Akt gegen den einzelnen Untertanen, einmal als Akt gegen den Landesherren oder auch gegen die Stadt aufgefasst wurden403. Aber auch der Tag zu Eichstätt scheiterte schließlich am 26. November 1474, als die Nürnberg-bayerische Delegation überstürzt abreiste404. Diese Abreise bestärkt den Verdacht, dass eine Einigung tatsächlich möglichst vermieden werden sollte, denn zuvor hatte sich die brandenburgische Seite weitreichende Zugeständnisse abringen lassen; diesen konnte die Gegenseite anscheinend nur entkommen, indem sie abreiste.
400 StA Bamberg, GHAP Nr. 4996: Bericht des Eberhard Schütz an Kurfürst Albrecht von Brandenburg. Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 930, S. 719. Laineck ist heute Stadtteil von Bayreuth. 401 StA Bamberg, GHAP Nr. 4996. 402 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 930, S. 719. 403 Vgl. ebd. 404 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 930, S. 723. Noch in den Tagen vorher hatte die bayerisch-nürnbergische Seite auf die Klagen der brandenburgischen Räte geantwortet, StA Nürnberg, Reichsstadt Nürnberg, Rep. 15, Ratskanzlei, A-Laden, Urkunden, Nr. 80: 1474 November 24; Nr. 81: 1474 November 25. Die Entwicklungen des Eichstätter Tages wurden von brandenburgischer Seite auch an Herzog Albrecht von Bayern-München weitergeleitet, vgl. das Schreiben StA Nürnberg, Fürstentum Brandenburg-Ansbach, Rep. 106a, Fehdeakten, Nr. 127, fol. 19: 1472 Dezember 14.
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13. Albrecht von Brandenburg und Nürnberg gemeinsam im Reichskrieg: Das Jahr 1475 Wie zwischen den in Eichstätt Zurückgebliebenen vereinbart worden war, wurde nun schriftlich weiterverhandelt. Rasch aber zeigte sich, dass insbesondere Kurfürst Albrecht von Brandenburg durch den Reichskrieg gegen Karl den Kühnen so eingespannt war, dass er selbst um eine Verschiebung der weiteren Verhandlungen über die Konflikte in Franken bat405. Auch Nürnberg kämpfte nun an der Seite des Kaisers und Albrechts von Brandenburg406. Städtische Bürger liehen in diesem Zusammenhang auch Markgraf Albrecht Geld407. Gleichwohl kam es in der Folge anscheinend wieder zu kleineren Auseinandersetzungen, die Bürger waren jedoch bestrebt, diese rasch aufzuklären, da wir euch freuntschaft zu beweisen geneigt sind408. Im April wurde Albrecht von Brandenburg für seine Nichte Dorothea, Gemahlin König Christians von Dänemark, in Nürnberg tätig und kooperierte in dieser Sache mit der Stadt Nürnberg409. Im Mai wusste Kurfürstin Anna von Gerüchten über das ausbleibende Kriegsglück ihres Mannes, die in Nürnberg verbreitet wurden410. Anscheinend machte man hier den schwächsten Punkt aus, an dem über die Steuerung der Öffentlichkeit negative Entwicklungen des Gegners herbeigeführt werden konnten. Im August 1475 finden sich wieder Spuren von Verhandlungstätigkeit zwischen Nürnberg und Albrecht von Brandenburg, wie Schreiben zwischen Herzog Ludwig dem Reichen und der Stadt nahelegen411. Sie zogen sich wohl bis weit in den Oktober hinein und verzögerten sich nicht zuletzt wegen der Landshuter Hochzeit. Nun wurde auch wieder der Landkomtur als Vermittler angerufen412. Die Korrespondenz zeigt, wie eng die Nürnberger in diesen Tagen mit Herzog Ludwig dem Reichen ihr Vorgehen abstimmten413. Nun häuften sich wohl auch wieder die kleineren beiderseitigen Scharmützel, mit dem der Konflikt am Leben gehalten wurde. So beschwerte sich Kurfürst Albrecht von Brandenburg im 405
Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 12, S. 79 f. Zur Reichshilfe von Reichsstädten Isenmann, Reichsstadt und Reich, S. 62–89. Vgl. zur Beteiligung von Bürgern als Lehnsträger in und um Nürnberg am Krieg auch das Gutachten von Martin Mair Isenmann, Reichsstadt und Reich, S. 219–221. 407 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 53, S. 109; Nr. 58, S. 112 f., insbesondere Anm. 3 mit Hinweisen auf Kriegsmaterial; Nr. 74, S. 126; Nr. 101, S. 141–146; Nr. 111, S. 150 f.; Nr. 120, S. 156; Nr. 126, S. 162. GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, G I 1, Dokument 2: Schuldbrief vom 2. Juni 1475. 408 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 49, S. 106 f.; Nr. 115, S. 153. 409 Ebd., Nr. 91, S. 134. Siehe ferner oben C. I. 5. 410 Ebd., Nr. 106, S. 148. 411 Ebd., Nr. 142, S. 169, Anm. 1. 412 Ebd., Nr. 142, S. 169. 413 Ebd., Nr. 142, S. 169, Anm. 1. 406
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August, Fritz Rott, Bürger zu Ansbach, sei heimlicher Knecht von Nürnberg. Auch aus dieser Angelegenheit entstand anscheinend wieder ein umfassender Schriftwechsel nach altbekanntem Muster414. Andererseits aber nutzten die städtischen Organe nun auch das Informationsnetz des Markgrafen in Fragen mit, die von ihren Streitigkeiten nicht berührt wurden; so informierte Albrecht von Brandenburg die Nürnberger von der Ankunft des Kaisers in Rothenburg und Dinkelsbühl415. Im Dezember 1475 wurde ein neuer Verhandlungstag vor dem Bischof von Eichstätt vorbereitet416. Dabei wurden mehrere Schreiben zwischen Vertretern der Reichsstadt Nürnberg, Markgraf Albrecht von Brandenburg, Herzog Ludwig von Bayern-Landshut sowie Martin Mair ausgetauscht417. Im Vorfeld ging es jedoch wieder allein um die Frage der Trennung der Verhandlungen mit Nürnberg von denen mit Herzog Ludwig von Bayern sowie um den Charakter der Tage, ob sie gütlich oder rechtlich zu gestalten seien. Im Januar 1476 scheint dieser Verhandlungstag tatsächlich in Eichstätt stattgefunden zu haben418; über Ablauf und Ergebnis ist gleichwohl nichts bekannt. An diesem Wechsel von Verhandlungstagen und Einigungsversuchen, neuen kleineren Konflikten, gegenseitigen Reibereien und Phasen der Entspannung sollte sich lange nichts ändern. Erst im Jahre 1477 ist aus einem Schreiben Albrechts von Brandenburg an seinen Sohn Markgraf Johann zu erfahren, dass er mit Nürnberg vertragen sei, nur mit einzelnen Bürgern noch Probleme wegen Lehen habe419. Eine wirkliche Entspannung konnte aber erst mit dem Tode Herzog Ludwigs des Reichen im Jahre 1479 eintreten420. An den Beziehungen Albrechts von Brandenburg zu Nürnberg im Jahre 1475 wird deutlich, wie eine reichspolitische Extremsituation und eine Verfestigung des politischen „Reichsnetzwerkes“ Rückwirkungen auf Lokalkonflikte hatten. Die Politik zwischen Nürnberg und dem Kurfürsten stand förmlich still, da die politischen Netzwerke und die Ressourcen der Akteure gänzlich durch übergeordnete Konflikte in Anspruch genommen wurden. Hier zeigt sich einmal mehr, wie sehr
414 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 147, S. 172 f. In anderen Dingen, wie dem Fall Zaunrüde, wurde trotz des Streits der Nürnberger mit dem Markgrafen auch weiterhin mehr oder weniger gemeinsam gehandelt, vgl. ebd., Nr. 161, S. 186. 415 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 161, S. 186. 416 Ebd., Nr. 164, S. 188. 417 Ebd. 418 Ebd., Nr. 167, S. 192 f. Die Anweisungen des Nürnberger Rates an seine Gesandtschaft vgl. ebd., Nr. 176, S. 197. Ferner ebd., Nr. 183, S. 200 f.; Nr. 191, S. 204 f. 419 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 268, S. 281. 420 Dass nun die Netzwerke in Franken anders strukturiert waren, verdeutlicht auch die Idee eines allgemeinen Landfriedensbündnisses in Süddeutschland unter Einschluss unter anderem der regional wichtigen Bistümer, der bayerischen Herzöge sowie verschiedener Städte ebenso wie die Intensivierung der Beziehungen zwischen Albrecht von Brandenburg und dem Bischof von Würzburg, vgl. GStA PK Berlin, BPH, Rep. 27, E I 32, Nr. 2: 1479 Dezember 12.
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Netzwerke verschiedener Ebenen, hier der regionalen und reichspolitischen, in Abhängigkeit voneinander standen.
14. Folgerungen Betrachtet man die Beziehungen zwischen der Reichsstadt Nürnberg und Kurfürst Albrecht Achilles zwischen 1470 und 1475, so ist festzuhalten, dass sie sich als sehr komplex zeigten. Mit der Ausschaltung von Niklas Muffel war das austarierte Netzwerk der vorangegangenen Jahre in Ungleichgewicht geraten. Die Stadt änderte rasch ihre politische Ausrichtung; nun dominierten die innerstädtischen Kräfte um Ruprecht Haller und Jobst Tetzel das Geschehen und man ging eine engere Bindung mit Herzog Ludwig dem Reichen ein, womit sich die Stadt indirekt auch in überlagernden Netzwerken, insbesondere im Konflikt des Kaisers mit Friedrich dem Siegreichen, eindeutig positionierte. In jenen Jahren vollzog sich politisches Handeln zwischen den Akteuren in einem stetigen Wechsel von vielen kleineren und Kleinstkonflikten und Verhandlungsbemühungen. Dieses regionale Netzwerk zeigte sich als äußerst stabil und friedenssichernd zugleich, obwohl es dem Wesen nach antagonistisch war. Beide Seiten hatten zunächst kein ernsthaftes Interesse an einer Lösung ihrer Konflikte. Weitere Akteure waren in dieses Netzwerk eingebunden und sorgten für seinen Fortbestand, indem sie immer wieder Verhandlungen vorschlugen. Es waren der Landkomtur der Ballei Franken sowie der Bischof von Eichstätt, Hans Egen, Bürgermeister von Dinkelsbühl, und die sächsischen Herzöge, die wiederholt versuchten, einen friedlichen Konfliktaustrag herbeizuführen; diese Versuche scheiterten stets. Die Akteure stammten überwiegend aus der Region; sie hatten allesamt individuelle Motive für ihr Engagement, zumindest aber für ihre „neutrale“ Rolle innerhalb des Konfliktes. Zur Initiierung neuer Verhandlungen und Blockade von Vorschlägen anderer Akteure bedienten sich die Handelnden verschiedener Strategien; insbesondere durch die Verknüpfung verschiedener Interessennetzwerke und die Erhöhung der Komplexität wurde eine Einigung wirksam unmöglich gemacht. Durch diese Verknüpfungen waren sowohl die bayerischen Herzöge als auch Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche innerhalb der regionalen Netzwerke in Franken nicht unwesentliche Akteure. Auch die wenigstens potenzielle Gefahr einer militärischen Intervention des Pfalzgrafen war aus Sicht der Akteure zumindest bedenkenswert; für die markgräflichen Räte ging eine Kriegsgefahr wenn überhaupt von den bayerischen und pfälzischen Wittelsbachern aus, wobei ihre Bewertungen sich mit denen ihres Herrn nicht immer deckten. Vor allem aber in den Kleinkonflikten zwischen Nürnberg und Albrecht Achill schien den Beteiligten das Verhalten der jeweils anderen stets mehr oder minder vorhersehbar und kalkulierbar. Als ein besonders wirksames Mittel gerade eines städtischen Akteurs, Handeln anderer Akteure innerhalb eines Netzwerks zum eigenen Vorteil zu beeinflussen oder Handeln erst hervorzurufen, kann der gezielte Einsatz von Spott, Hohn und
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Gerüchten gelten. Hiermit konnten insbesondere die Nürnberger Albrecht von Brandenburg zum Handeln zwingen. Gleichzeitig wurden mit der gezielten Steuerung der öffentlichen Meinung auch gegnerische Netzwerke geschwächt. Ob das Verhältnis zwischen Städten und adligen Nachbarn als „hasserfüllte Beziehung“ treffend beschrieben ist, erscheint angesichts dieser Ergebnisse als eher fraglich, denn anscheinend waren es viel komplexere Netzwerkstrukturen, die den Ausschlag für politisches Handeln gaben421. An der stabil konfliktträchtigen Beziehung zwischen beiden Seiten änderte sich nichts bis zum Tode Jobst Tetzels im Jahre 1474. Damit veränderten sich die Netzwerkkonstellationen beziehungsweise die Eigenschaften des Akteurs Nürnberg in der Art, dass nun eine Lösung der verschiedenen Konfliktfragen möglich schien und eine neue Dynamik in den Konflikt kam. Nun wird auf beiden Seiten ein Interesse an einer gemeinschaftlichen Lösung vorgeherrscht haben. An dieser offensichtlichen Veränderung der Akteursstruktur auf Seiten Nürnbergs wird ebenso wie in anderen Situationen deutlich, dass die Stadt als Akteur sowohl als Gesamtheit von Bürgern, ebenso aber auch als Zusammenfassung einer Vielzahl von Einzelakteuren begriffen werden konnte. Auch die Frage, mit wem man einen Konflikt hatte, konnte zwischen diesen beiden Sichtweisen changieren. Die Bemühungen des brandenburgischen Kurfürsten richteten sich zumeist an einzelne Bürger, nicht an die Stadt als solche. Im Wege von „Korruption“, insbesondere bewusster Bevorzugung, sowie Intensivierung von Lehnsbindungen versuchte der Kurfürst, Einzelne an sich zu binden, um so die städtische Politik insgesamt in seinem Sinne zu beeinflussen. In der Phase nach dem Tode von Jobst Tetzel wurde das Netzwerk zu den nürnbergisch-brandenburgischen Angelegenheiten immer stärker von anderen Konfliktlagen überlagert; insbesondere Albrechts Streit mit Herzog Ludwig dem Reichen sowie die Verwicklungen auf Reichsebene, so die des Kaisers mit Friedrich dem Siegreichen, bewirkten ein kompliziertes Geflecht von verschiedenen Interessen, das es den Nürnbergern unmöglich machte, aus ihren übergeordneten Netzwerkstrukturen auszubrechen. Hier ist auf die besondere Rolle von Martin Mair hinzuweisen, der vor allem im Rahmen von Verhandlungen sowohl Nürnberg als auch Herzog Ludwig den Reichen vertrat. Er kontrollierte de facto das gesamte Handeln der Nürnberger in dieser Angelegenheit – Ludwig der Reiche blieb selbstredend auch nach dem Tode von Jobst Tetzel nicht an einer dauerhaften
421 Vgl. aber Graf, Diemar von Lindach (2005), S. 25. Helgard Ulmschneider, Götz von Berlichingen. Ein adeliges Leben der deutschen Renaissance (Sigmaringen 1974), S. 42: „Haß vergiftete Atmosphäre“. Peter Ritzmann, „Plackerey in teutschen Landen“. Untersuchungen zur Fehdetätigkeit des fränkischen Adels im frühen 16. Jahrhundert und ihrer Bekämpfung durch den Schwäbischen Bund und die Reichsstadt Nürnberg, insbesondere am Beispiel des Hans Thomas von Absberg und seiner Auseinandersetzung mit den Grafen von Oettingen (1520–31) (Diss. phil. München 1995), S. 102: „Echte Haßgegner“.
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Lösung interessiert. Die Nürnberger vermochten, auch wenn sie vertraulich anderes signalisierten, sich nicht aus den alten Netzwerkstrukturen zu lösen. Vor diesem Hintergrund erscheint es als zu undifferenziert, davon zu sprechen, „ein eigenständiger politischer Faktor war selbst eine mächtige Kommune wie Nürnberg in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nur sehr eingeschränkt, und gar eine selbstständige Politik wie noch fünfzig Jahre zuvor zu betreiben war nicht mehr möglich“422, denn trotz der beschriebenen Grenzen in der zweiten Phase des Untersuchungszeitraums hatte die Stadt doch nicht zuletzt im Hinblick auf ihr Vorgehen in Sachen der Brauneckschen Lehen 1470 beachtliche Spielräume. Kaiser Friedrich III. griff in die regionalen Netzwerke direkt nur punktuell ein. Während durchaus die Akteure auch über Gesandte mit ihm in Kontakt traten, waren doch die Reichsversammlungen die eigentlich heiklen Punkte für alle Beteiligten. So bewirkte allein schon die Möglichkeit, dass auf einem Reichstag die nürnbergisch-brandenburgischen Streitigkeiten besprochen werden konnten, reges politisches Handeln auf allen Seiten. Während es auf dem Regensburger Christentag nicht zu einer Verhandlung der Angelegenheiten kam, war der Nürnberger Aufenthalt des Kaisers eine schwere Niederlage für die Stadt, denn Kurfürst Albrecht von Brandenburg hatte es geschafft, das Treffen für sich zu nutzen, die Handlungsmöglichkeiten der Bürger in Bezug auf den Kaiser zu begrenzen und politischen Sachfragen in seinem Sinne zu regeln. Bei diesem Aufenthalt wird deutlich, welch eigentümliches Verhältnis zwischen persönlicher Anwesenheit, personalen Bindungen und Interessennetzwerken vorherrschte; dabei war es insbesondere die räumliche Trennung des Kaisers von den Nürnbergern durch Reisen in das benachbarte Umland sowie das Jagen, mit dem Raum für ungezwungenere Gespräche und direkte Einflussnahme unabhängig von konkurrierenden Akteuren geschaffen wurde. Auf dem Reichstag in Augsburg 1474 gerieten die fränkischen und bayerischen Regionalangelegenheiten in übergeordnete Netzwerke um den Prozess gegen Friedrich den Siegreichen. Der Versuch des Kurfürsten, eine bevorstehende Verurteilung des Pfalzgrafen auch für seine regionalen Streitigkeiten zu nutzen, ging schief. Danach waren die Netzwerkstrukturen um Herzog Ludwig den Reichen und den Pfalzgrafen derart verfestigt, dass die Nürnberger überhaupt keine Chance mehr hatten, sich mit Albrecht von Brandenburg zu einigen. Die Wechselwirkungen zwischen dem Prozessnetzwerk und den regionalen Netzwerken bedingen auch eine Neudeutung des Prozesses. Es sind diese Wechselwirkungen zwischen „reichspolitischen“ und regionalen Themen, die das politische Handeln jener Tage weitaus mehr bestimmten als es bisher angenommen wurde. Auch der Kaiser bediente sich wiederholt informeller Kanäle, bewertete entgegen seiner offiziellen Haltung im kleinen Kreis gegenüber brandenburgischen Akteuren Dinge anders, in der Regel eindeutiger, ohne allerdings definitive Zusagen zu machen. Der Kaiser bediente sich somit gezielt unterschiedlicher 422
Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1137.
II. Albrecht von Brandenburg und die Reichsstadt Nürnberg
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Kommunikationsebenen innerhalb von Netzwerken, um über sie unterschiedlich verbindliche Aussagen zu machen. Damit trug er zum einen der besonderen Nähe zu Kurfürst Albrecht von Brandenburg Rechnung, zum anderen konnte er in bestimmten Situationen, in denen er sich nicht binden lassen wollte, Interessenlagen in der Schwebe halten. Dass aber auf anderen Interessenfeldern, im Falle der Abwehr von Feinden „von außen“, die Reichsstadt an der Seite des Markgrafen kämpfte, verdeutlicht einmal mehr die Logik von Politiknetzwerken, nämlich durch eine Kombination von günstigen Akteurs- und Netzwerkeigenschaften mit gemeinsamen Interessen kollektiv bindende Ergebnisse zu erzielen. Die Forschung hat wiederholt betont, dass die Reichsstadt Nürnberg in viel fältiger Weise einen Sonderfall darstellt423. Gleichwohl können an ihm wesentliche Charakteristika von städtischem Handeln in Netzwerken abgelesen werden424. So wird auch Markgraf Albrechts von Brandenburg Verhalten gegenüber Städten als Akteure ebenso wie gegenüber einzelnen Vertretern von Städten nicht als Ausnahme, sondern eher als treffendes Beispiel angesehen werden dürfen. So gab es etwa auch zwischen Herzog Ludwig dem Reichen und der Stadt Augsburg seit dem Ende des Markgrafenkrieges immer wieder Spannungen425. Wie im Falle Albrechts von Brandenburg und Muffels spielten auch im Falle Ludwigs des Reichen Gerüchte eine wichtige Rolle; so ließ er gar im Jahre 1468 über Spottlieder und Gedichte bei Erzherzog Sigmund klagen. Aber auch Verrat, Begünstigung des Gegners und andere Delikte wurden einzelnen Bürgern vorgeworfen; die Beschuldigten wurden in der Regel hingerichtet. Somit spiegeln sich bei allen Sonder bedingungen, die der Reichsstadt Nürnberg zukommen, doch Grundmuster städtischen Handelns wider. Schließlich ist auch noch einmal auf die Nürnberger Chronistik zurückzukommen. Auffälligerweise werden die Auseinandersetzungen zwischen der Stadt und Albrecht von Brandenburg in den Jahren 1470 und 1475 in ihr so gut wie nicht erwähnt, obwohl sie in der Lebenswelt der Bürger und besonders der politischen Führung der Stadt allgegenwärtig gewesen sein müssen. Rogge 426 spricht mit Blick auf ähnliche Phänomene, nämlich die fehlende Wiedergabe „innenpolitischer“ Vorgänge in der Augsburger Chronistik, vom „Schweigen der Chronisten“. Dieses Fehlen von Berichten in der Nürnberger Chronistik hat wohl auch das Bild in 423
Diefenbacher, Stadt und Adel, S. 51–69. Zur Verallgemeinerbarkeit von am Beispiel Nürnbergs gewonnenen Ergebnissen auch Meyer, Stadt als Thema, S. 24–26. 425 Riezler, Geschichte Baierns, S. 440 f. 426 Rogge, Vom Schweigen der Chronisten, S. 238 f. und insgesamt. Obwohl schon älter, auch: Johannes Bernhard Menke, Geschichtsschreibung und Politik in deutschen Städten des Spätmittelalters (Die Entstehung deutscher Geschichtsprosa in Köln, Lübeck, Mainz und Magdeburg). Sonderdruck aus: Jahrbuch des Kölnischen Geschichtsvereins 33 und 34/35 (1958 und 1959/1960), S. 1–84; 85–194 (Köln o. J.), S. 5, über den „Vorgang des Geschichtsschreibens […] als einen ‚politischen‘ Vorgang“, sowie über die Betrachtung städtischer Chronistik als „Überrest“. 424
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
der Forschung beherrscht. Man könnte meinen, den Nürnberger Chronisten schienen nach den kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Markgrafen vor 1470 diese Spannungen nach 1470 nicht berichtenswert, weil sie nicht so gravierend waren. Möglicherweise handelte es sich aber auch um eine Art bedrohlichen Normalzustand, der nicht als besondere Abweichung von der Normalität wahrgenommen wurde, weil aus Nürnberger Sicht ein ausdifferenziertes Bedrohungsnetzwerk vorlag, das so ausbalanciert war, dass es zu einer großen Auseinandersetzung nicht kommen sollte. Damit wäre das „Schweigen der Chronisten“ Ausdruck der Befunde dieser Studie, nämlich von politischem Handeln in regionalen antagonistischen Netzwerkkonstellationen. Damit ergibt sich aber noch eine ganz andere Konsequenz aus der Betrachtung reichsstädtischer Governance und politischer Netzwerke um Nürnberg in diesen Jahren. Das Bild der Forschung von „Nürnbergs großer Zeit“ für diese Jahre erscheint aus dieser Perspektive zu pauschal. Die Analyse von fünf Jahren, in denen es keinen Krieg der Reichsstadt mit dem Markgrafen gab, legt den Schluss nahe, dass auch in diesen Jahren politisch eher von turbulenten, ja krisenhaften Zeiten für die Reichsstadt gesprochen werden sollte427. 15. Ergebnisse Zwischen Markgraf Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg blieb im Zeitraum von 1470 bis 1475 der „große“ Konflikt aus; friedlich war es zwischen ihnen gleichwohl nicht. Die Verurteilung und Hinrichtung des Nürnberger Losungers Niklas Muffel, um dessen Freilassung sich im Vorfeld der Markgraf und seine Gattin vergeblich bemüht hatten, veränderten die Kräfteverhältnisse innerhalb der Stadt; dies hatte ebenso Auswirkungen auf die Netzwerkkonstellationen in Franken insgesamt. Danach begann eine Serie von kleineren Feind seligkeiten, die einer Politik der „Nadelstiche“ gleichkam und von beiden Seiten gleichermaßen verfolgt wurde. Erst in ihrer Summe gewannen sie an größerer Bedeutung. Rasch geriet die Stadt außerdem unter zunehmenden Einfluss Herzog Ludwigs des Reichen und seines Rates Martin Mair; ein Bündnis verband den bayerischen Herzog nun mit der Reichsstadt. An der Situation änderte sich in den nächsten Jahren wenig. Erst im Jahre 1474 mit dem Tode von Jobst Tetzel, Nachfolger von Niklas Muffel und prominentester Vertreter der antimarkgräflichen Partei in der Stadt, verbesserten sich die Beziehungen wieder spürbar. Allerdings geriet die Stadt nun noch weiter unter den Einfluss des Herzogs von Bayern-Landshut. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraums konnte kein dauerhafter Frieden hergestellt werden. Die Netzwerkstrukturen waren geprägt von einer Vielzahl 427 Ähnlich auch Meyer, Stadt als Thema, S. 343–437, die sich mit der zeitgenössischen städtischen Historiografie auseinandersetzt.
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unterschiedlich mächtiger Akteure. Der Dinkelsbühler Bürgermeister sowie der Landkomtur und der Bischof von Eichstätt vermittelten wiederholt zwischen dem Markgrafen und Nürnberg sowie Herzog Ludwig dem Reichen – insbesondere motiviert durch Eigeninteressen. Immer neue kleine Streitigkeiten um Geleit, Lehen, Fischerei usw. kamen hinzu, wurden auf verschiedenen Tagen verhandelt, nie aber grundsätzlich ausgeräumt. Beachtlich war die Leistung, über einen unfriedlichen Normalzustand ein relativ stabiles Netzwerk zu unterhalten, das eine neuerliche „große“ Auseinandersetzung verhinderte. Als wirksam bei der Verhinderung eines Ausgleichs erwiesen sich die stetige Folge von Trennung und Vereinigung von verschiedenen Netzwerk- und Konfliktkonstellationen sowie der Streit um das richtige Verfahren. Besonders anschaulich werden die Beziehungen der beiden fränkischen Akteure auf den „Reichstagen“ der Zeit. Hervorzuheben ist das Treffen von Nürnberg im Jahre 1471, bei dem Albrecht von Brandenburg seine Belehnung mit den Brauneckschen Lehen durchsetzen konnte. Mit Hilfe der Analyse der politischen Netzwerke konnte das Treffen grundsätzlich neu – und für die Reichsstadt weitaus negativer als bisher – gedeutet werden. Wohl als Vergnügungsaufenthalt von den Nürnbergern geplant, wurde es zunehmend vom Markgrafen für seine Zwecke eingesetzt und entwickelte sich zu einem politischen Aufenthalt; Albrecht von Brandenburg dominierte es ab einem bestimmten Zeitpunkt so klar, dass die Nürnberger erst wieder selbst direkt Kontakt mit dem Kaiser hatten, als er längst die Stadt verlassen hatte. Protokollfehler zeugen davon, dass hinter der Oberf läche einer perfekten Inszenierung nicht alles so verlief, wie es geplant gewesen war. Die neuerliche Betrachtung der Überlagerungen verschiedener politischer Netzwerke und der mit ihnen verbundenen Themen auf dem Tag von Augsburg 1474, auf dem sowohl nürnbergisch-markgräflich-bayerische Angelegenheiten verhandelt wurden als auch der „Prozess“ gegen Friedrich den Siegreichen und seine Verurteilung stattfanden, führte zu seiner Neuinterpretation. Gerade die Vorgänge um Albrecht von Brandenburg, der den Gerichtsvorsitz erst übernahm, ihn während des Verfahrens jedoch wieder an den Kaiser abgab, wurden wohl von seiner Rücksicht auf die regionalen Netzwerkbedingungen in Franken, insbesondere im Kontext von Nürnberg, bestimmt. Hier drohte ein regionales Netzwerk, das letztendlich Frieden sichernd wirkte, zusammenzubrechen und die Auseinandersetzung in einen neuerlichen Krieg umzuschlagen. Albrecht von Brandenburg hatte wohl geplant, die anzunehmende Schwächung des Kurfürsten von der Pfalz auf dem Tag von Augsburg für sich zu ausnutzen, indem er seine eigenen, mit dem Pfalzgrafen indirekt über Herzog Ludwig den Reichen in Beziehung stehenden Konflikte mit Nürnberg sozusagen am Rande gleich mit verhandeln lassen wollte. Das Unternehmen scheiterte, als er selbst in der Funktion als oberster Richter zur Zentral figur dieses Tages wurde. All diese Auseinandersetzungen zwischen der Reichsstadt und dem Markgrafen verhinderten nicht, dass in der Abwehr der „außenpolitischen“ Bedrohung
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E. Politiknetzwerke und Governance in reichsstädtischem Kontext
durch Karl den Kühnen die Nürnberger unter der Hauptmannschaft Albrechts von Brandenburg am Krieg 1474/1475 teilnahmen; die Verflechtungen erstreckten sich hierbei nicht zuletzt auf Militärisches und Wirtschaftliches. An den Beziehungen zwischen Nürnberg und Markgraf Albrecht von Brandenburg können schließlich auch Besonderheiten von Städten in politischen Netz werken abgelesen werden. Zum einen konnte die Stadt bisweilen zu ihrem eigenen Vorteil zwischen „Stadt als Akteur“ und einzelnen Bürgern als Akteure changieren. Ebenso wurden die personalen Netzwerkverflechtungen zwischen dem Markgrafen und einzelnen Bürgern deutlich. Sie zeichneten sich nicht zuletzt durch Geschenke, Korruption und vor allem „weiche“ Abhängigkeitsformen aus; ebenso versuchte der Kurfürst, lehnrechtliche Bande zu einzelnen Nürnberger Lehns leuten für sich zu nutzen. Die Nürnberger setzten insbesondere Spott und Hohn als politische Mittel ein, um gegen den Markgrafen Stimmung zu machen und Netzwerkkonstellationen in ihrem Sinne zu beeinflussen.
F. Elemente politischer Netzwerke 1470–1475 Heinz Quirin suchte in seiner Auseinandersetzung mit Albrecht von Brandenburg nach den „politischen Methoden“, durch seinen biografischen Ansatz zugespitzt gar nach dem „politischen Stil der Handelnden selbst“1. Neben dem Ziel der territorialen Konsolidierung, das Albrechts Handeln bestimmt habe, bescheinigte er ihm eine „Gleichgewichtspolitik“ unter Einbeziehung alter Bundesgenossen sowie eine einzigartige Kombination verschiedener Herrschaftsmittel. Diese umfassten insbesondere gewohnte Formen wie die der Erbverbrüderung und der Eheabreden sowie den „planvollen Einsatz des Finanzsektors“, aber auch den Wechsel von Spontaneität und Starrheit. Albrecht Achill habe mit wachem Geist vor dem Hintergrund einer klaren Idee seine Politik formuliert. Reichs- und Territorialpolitik entziehe sich aber insgesamt „kraft ihrer individuellen Eigenart einer systematisch verstandenen Analyse weitgehend“2. Um sich einer solchen Analyse dennoch anzunähern und die gewonnenen Einzelergebnisse aufeinander zu beziehen, zu vergleichen, Berührungspunkte mit dem Forschungsstand sowie Widersprüche, Bestätigungen und Ergänzungen zu benennen, sollen im Folgenden zunächst wesentliche wiederkehrende Elemente mithilfe des historisch-qualifizierenden Analyseinstruments und -rasters politischer Netzwerke geordnet werden3.
I. Sieben Dimensionen politischer Netzwerke Für eine vergleichende Beschreibung und Analyse der Strukturen politischer Netzwerke um 1470 bietet sich eine Anlehnung an das Analyseraster von van Waarden4 an. Er unterscheidet sieben Dimensionen, mit denen sich jede Form von Politiknetzwerk beschreiben lässt: Akteure, Funktion, Struktur, Institutionalisierung, Verhaltensregeln, Machtbeziehungen und Akteursstrategien. Diese Dimensionen konkretisiert van Waarden durch weitere Unterkategorien. Zwischen den Dimensionen ergeben sich teilweise Redundanzen, wie die folgenden Aussagen zeigen. Sie sind nicht als erschöpfend für die Zeit um 1470 zu verstehen, sondern sollen beispielhaft nicht zuletzt die Anwendbarkeit des Analyserasters erweisen.
1
Quirin, Albrecht als Politiker, S. 303–306. Ebd., S. 305. 3 Zur Einordnung siehe oben S. 60 ff. 4 Siehe zum Konzept oben S. 62. 2
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F. Elemente politischer Netzwerke 1470–1475
1. Akteure Akteure nach van Waarden werden nach ihrer Anzahl und nach Akteurstypen unterschieden, wobei es ihm insbesondere auf die internen Strukturen von Akteuren, ihre Ressourcen sowie den Grad ihrer Professionalisierung und ihr Rollenverständnis ankommt5. Gleichzeitig ist nach den Eigenschaften dieser Akteure zu fragen. In den analysierten Beispielen treten sowohl Einzel- als auch kollektiv be ziehungsweise korporativ aufgebaute Akteure auf. Bei einem kollektiv organisierten Akteur hängt das Gesamthandeln wesentlich von den Interessen seiner Mitglieder ab, im Falle eines korporativen Akteurs handeln Einzelne im Namen dieses Akteurs in dessen Gesamtinteresse. Je nach Netzwerkkonstellation und Interessenlage handeln Akteure individuell oder als Teil eines größeren Akteurs in dessen oder im eigenen Interesse. Etwa Städte, Domkapitel oder Verwaltungen zeigen sich bald als jeweils ein Akteur, in anderen Situationen aber sind es einzelne ihrer Glieder, die innerhalb von Netzwerken als Akteure handeln – und zwar ebenso im Interesse dieser Einrichtung als auch für sich selbst. Das Wechseln zwischen Einzel-, Korporativ- sowie Kollektivstruktur kann Wirkungsspielräume erweitern, sie aber ebenso eindämmen. Die Räte des Kurfürsten etwa können in allen drei Formen erscheinen, ebenso Nürnberger Bürger oder auch die Kurfürsten. Ein anderes Beispiel ist die Gattin des brandenburgischen Kurfürsten, Anna, wenn sie bei Abwesenheit Markgraf Albrechts vom Hof in Ansbach die Geschäfte führt und in politischen Fragen für ihren Mann in seinem Namen Entscheidungen trifft. Auch die Verbindung zwischen Albrecht von Brandenburg und seinem Sohn Johann Cicero als Verwalter der Mark Brandenburg wechselt zwischen korporativer, kollektiver und Einzelakteursstrukturierung. Aber auch die Herzöge von Sachsen treten je nach Interessenlage in diesen verschiedenen Erscheinungsformen auf. Diese Akteursstrukturierungen sind also stets lagebezogen; korporative und Kollektivstrukturierungen von Akteuren scheinen dann gehäuft aufzutreten, wenn Netzwerke in ihrer Struktur an Komplexität gewinnen oder umgekehrt besondere Polarisierungstendenzen herrschen. Der Kreis der beteiligten Akteure ergibt sich im Falle der Kurfürsten aus der Goldenen Bulle und dem Einungsvertrag. Das Netzwerk zur Lösung des Stettiner Erbfolgestreites ist vor allem nach geografischen Gesichtspunkten zusammengesetzt, ebenso die fränkischen Netzwerke zur Lösung des Konflikts zwischen dem Markgrafen und der Reichsstadt Nürnberg sowie Herzog Ludwig dem Reichen. Im Falle der fränkischen Netzwerke bestimmt die geografische Lage des Akteurs wesentlich die Individualinteressen, wie das Beispiel des Bürgermeisters von Dinkelsbühl verdeutlicht. Andere Netzwerkakteure, wie die kaiserlichen Kommissare im Stettiner Erbfolgestreit, werden offensichtlich auf der Grundlage eines Netz 5 Vgl. van Waarden, Policy networks, S. 33. Ferner auch Nagel, Politische Steuerung, S. 27.
I. Sieben Dimensionen politischer Netzwerke
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werks verschiedener Kommissionen eingesetzt, dessen Struktur bei der Auswahl der Akteure anscheinend mitbedacht wird. Im Falle des Netzwerkes zur Abwehr Karls des Kühnen ergibt sich die Mitgliedschaft aus der Reichszugehörigkeit und der Solidarität mit dem Kaiser, die bisweilen auch erzwungen wird. An diesem Netzwerk wird besonders deutlich, dass zwangsweise eingebundene Akteure ein Netzwerk durchaus als Problem für sich wahrnehmen konnten und, um auf dieses zu reagieren, spezielle Strategien entwickelten – etwa mit dem Versuch, sich einer aktiven Beteiligung an der Reichsverteidigung durch den Hinweis auf verwandtschaftliche Bindungen zum Gegner zu entziehen. Andere, vornehmlich abgeschlossene Netzwerke setzten sich aus Familienmitgliedern zusammen, beispielsweise das der von Eyb oder das der von Seckendorff. Wiederum andere Netzwerke zeigen sich bei der Regelung eines lokal begrenzten Sachverhaltes, wie das Netzwerk zur Durchführung des Geleits in Heideck. Weitere Kriterien für die Beschreibung der Akteure ergeben sich aus ihren internen Strukturen, aus ihren Ressourcen, ihrem Professionalisierungsgrad und ihrem jeweiligen Rollenverständnis. Es bietet sich an, die Teilnehmer auch hier nach Kaiser, Kurfürsten, anderen weltlichen und geistlichen Reichsfürsten, dem nichtfürstlichen Adel und den (Reichs-)Städten zu unterteilen6. Hinzu treten weiterhin Domkapitel, der Deutsche Orden, Klöster und die vielfältigen kirchlichen Strukturen. Gemäß dem Wechseln verschiedener Akteure zwischen kollektiven, korporativen und Einzelakteuren sind auch Bürger, Bauern, Landpfarrer, Knechte, Frauen und Kinder sowie eine Vielzahl weiterer, potenziell in diesen Netzwerken vereinigter Akteure zu nennen, die unterschiedlich strukturiert sind und dementsprechend in verschiedenen Formen handeln. In der überwiegenden Zahl der betrachteten Netzwerke tritt der Kaiser unmittelbar oder mittelbar auf. Die Kurfürsten etwa werden durch ihn erst voll legitimiert. Auch am Netzwerk zur Lösung des Stettiner Erbfolgestreits ist er beteiligt, indem er zu Beginn mit der Belehnung Albrechts von Brandenburg Tatsachen schafft und Mechanismen der Konfliktlösung durch die Konfiguration des Netzwerkes anlegt, die Lösung regionalen Akteuren überlässt und erst am Ende zur Sanktionierung wieder eingreift. Die fränkischen Netzwerke um Albrecht von Brandenburg und Nürnberg sind ohne den Kaiser nicht denkbar, zur Lösung von Konflikten trägt er auch hier bei; ebenso wenig kommen die Netzwerke um die Brauneckschen Lehen und den „Raubritter“ Wilhelm Zaunrüde ohne den kaiserlichen Akteur aus. Akteurseigenschaften im Sinne van Waardens sind recht klar bestimmbar. Man hat hier wohl nicht zuletzt auf den Hof, auf die Verwaltung, auf Informationsstrukturen, insbesondere auf das Botenwesen, auf die Zusammensetzung von Kollegialakteuren oder auch auf ihre jeweiligen Finanz- und Kriegsressourcen zu schauen. Albrecht von Brandenburg hat besonders effiziente Strukturen im Hinblick auf die Beschaffung und Weitergabe von Informationen. Seine Räte treten professio 6
Vgl. Krieger, König, Reich und Reichsreform, S. 37–42.
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F. Elemente politischer Netzwerke 1470–1475
nell auf, können, mit umfassenden Verhandlungsvollmachten ausgestattet, ihn fast gleichwertig vertreten, knüpfen neue, nicht zuletzt für ihren Herrn vorteilhafte Verbindungen – man denke an die Rolle der von Eyb in der Frage der Brauneckschen Lehen –, sie sammeln Informationen aus den unterschiedlichsten Netzwerken, bündeln sie und übermitteln sie überwiegend mit einer eigenen Bewertung ihrem Herrn; anerkennt man vor allem die Einheit der Sprache beziehungsweise die Möglichkeit zur Kommunikation als Grenze von Netzwerken, so agieren die Räte über Sprachgrenzen hinweg; für den Kaiser bedeutet dies nicht nur Aktion auf außenpolitischer Ebene, sondern bereits in weiten Teilen innerhalb des Reiches. So erschaffen die Räte erst den geografischen Wirkungskreis des Kaisers mit; ähnlich verhält es sich mit den Räten des brandenburgischen Kurfürsten7. Zum Professionalisierungsgrad der Räte gehört auch ihre akademische Ausbildung, der Anteil an Juristen etwa, die insbesondere in Verfahrensfragen geschult argumentativ gewandt Entscheidungsprozesse beeinflussen konnten. Wenn Albrecht von Brandenburg selbst während des Tages von Augsburg 1474 auf alle doctoresen schimpft, so lässt dies beispielhaft seine Abhängigkeit von den studierten, hoch professionell agierenden Räten deutlich werden – ebenso sein Hinweis, er habe erst so spät antworten können, weil er keinen Gelehrten um sich gehabt habe, der ihm ein vorangegangenes Schreiben übersetzen konnte. Allerdings ist auch hier zu differenzieren. Ludwig von Eyb der Ältere etwa scheint keine universitäre Bildung genossen zu haben, konnte sich aber dennoch am Ansbacher Hof zu der zentralen Schlüsselfigur entwickeln. Zu nennen ist im Zusammenhang mit den Netzwerkeigenschaften auch Kurfürst Albrechts Botenwesen. Die große Zahl von Boten in seinen Diensten sowie ihre teilweise sehr hohe Reisegeschwindigkeit, die bis an die Tagesleistungen der erst in den 1490er Jahren eingerichteten Post der Thurn und Taxis heranreichen konnte8, bilden die Grundlage für die dynamischen politischen Aktivitäten, insbesondere verdeutlichen sie, dass seine besondere Informationsfunktion nicht zuletzt auf organisatorischen Leistungen gründete, mit denen er Vorteile gegenüber Konkurrenten haben konnte. Daneben kann man die Akteure nach den Merkmalen Gegner oder Kooperationspartner ordnen, andere entsprechend als Vermittler – zum Beispiel die Herzöge von Sachsen auf dem Reichstag 1473 oder die kaiserlichen Kommissare in verschiedenen Missionen ebenso wie Hans Egen als Bürgermeister von Dinkelsbühl –, als Richter – Albrecht von Brandenburg bei Friedrich dem Siegreichen – oder als unbeteiligte Dritte – Albrecht von Brandenburg in vielen Situationen, in denen er die Stellungnahme verweigerte. Die Untersuchung zeigt eine große Bandbreite unterschiedlicher Rollenverständnisse innerhalb von Netzwerken, wobei auch sie immer nur im Verhältnis 7
Gilomen, Versuch einer Bilanz, S. 362 f. Vgl. Walser, Botenwesen, S. 138, 469. Zum Postsystem der Thurn und Taxis: ebd., S. 2,
8
24.
I. Sieben Dimensionen politischer Netzwerke
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zur Zusammensetzung des Netzwerkes ermittelt werden können. So ist das Rollenverständnis der Kurfürsten wegen ihrer Zerstrittenheit um 1470 nur in ganz seltenen Fällen solidarisch: Selbst Friedrich der Siegreiche von der Pfalz stimmt der Aufnahme Albrechts von Brandenburg in den Kreis der Kurfürsten zu; knapp vier Jahre später ist dieser dann Richter im Prozess gegen den pfälzischen Kurfürsten vor dem Reichstag. Albrechts Rollenverständnis beruht überwiegend auf der Kaisertreue, der er andere Rollen unterordnet; diese Kaisertreue zeigt sich, wenngleich in schwächerer Form, auch bei Erzbischof Adolf von Mainz. Ludwigs von Eyb Rollenverständnis beruht auf seiner Treue zu Albrecht von Brandenburg; bei der Verfolgung seiner familiären Interessen hingegen nimmt er die Rolle als Vorstand eines fränkischen „Familienclans“ ein. Antagonistische Rollen zeigen sich bei Pfalzgraf Friedrich dem Siegreichen und Herzog Karl dem Kühnen von Burgund, aber auch bei der Reichsstadt Nürnberg in ihrer Gesamtheit. Aber auch ihr Rollenverständnis ist jeweils auf das Umfeld oder die jeweilige Lage bezogen, da sie zum Beispiel regional oder im Kreise der Kurfürsten oder bei der Abwehr äußerer Feinde mit denselben Akteuren kooperativ handeln. Auch zwischen der Reichsstadt Nürnberg und Kurfürst Albrecht von Brandenburg ist eine eher sachbezogene Gegnerschaft zu beobachten, wie ihre Kooperation im Reichskrieg gegen Karl den Kühnen verdeutlicht. 2. Funktion Politische Netzwerke werden nicht um ihrer selbst willen untersucht, sondern vor dem Hintergrund unterschiedlicher Funktionen. Diese Funktionen bestimmen sich nach Eigenschaften und Zielsetzungen der Akteure9. Sie hängen maßgeblich von den Bedürfnissen, den Intentionen, Ressourcen und Strategien der beteiligten Akteure ab. Nach dieser Untersuchung können verschiedene Funktionstypen von Netzwerken unterschieden werden10. a) Beratung und Informationsaustausch: Die vielfältigen Netzwerke zur Herrschaftsorganisation in Verwaltung oder Familie, zwischen verschiedenen Fürsten auf verschiedenen Ebenen, zur Abwehr eines Gegners von außen, zur Warnung bei Gerüchten, vor Überfällen im lokalen und regionalen Bereich. b) Bündelung des Zugangs zu Entscheidungen: Die Einbindung König Christians von Dänemark in mehrere Netzwerke des Reiches, um Zugang zu entfernteren Entscheidungsprozessen zu erlangen. Dabei verliert das Initialnetzwerk mit der Erschließung anderer Netzwerke seine Funktion nicht; zwar kann ein so in Netzwerke eingebundener Akteur Funktionen innerhalb dieser Netzwerke übernehmen, zur wirksamen Durchsetzung seiner Interessen muss er sich allerdings 9
Vgl. van Waarden, Policy networks, S. 33 f. Vgl. ebd.
10
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F. Elemente politischer Netzwerke 1470–1475
immer wieder der zunächst geknüpften „Anfangs“-Netzwerke bedienen. Auch Albrechts von Brandenburg Verbindung zum Kaiser ist diesem Funktionstyp zuzuordnen. Ebenso ist für bestimmte Situationen das Familiennetzwerk der von Eyb hier einzuordnen. c) Aushandlung beziehungsweise Austausch von Ressourcen oder von Leistungen sowie Ressourcenmobilisierung: Bei diesem Funktionstyp sind drei Erscheinungsformen möglich: Kooperation, Antagonismus und Wettbewerb. Antagonismus und Wettbewerb finden sich in Netzwerken zur Lösung von Einzelproblemen und zur Konfliktaustragung. Diese sind zu unterteilen einerseits in solche zum Zwecke der Ausarbeitung einer kooperativen Lösung (Stettiner Erbfolgestreit), andererseits in solche, bei denen der Zugang zu einer kooperativen Lösung vorerst verschlossen ist und ein Netzwerkteilnehmer wenigstens vorübergehend ausgeschlossen wird (Karl der Kühne). Ein solcher Fall führt in der Regel zu kriegerischen Auseinandersetzungen, doch bleiben in allen Phasen durchaus einzelne Verhandlungskontakte auch noch zu neutralen Vermittlern möglich. Ebenso fallen die Politiknetzwerke zwischen Nürnberg und Kurfürst Albrecht von Brandenburg und Herzog Ludwig dem Reichen, die zwischen Kaiser Friedrich III. und Karl dem Kühnen als prominente Beispiele aus dieser Studie unter diesen Funktionstyp. Aber auch das Netzwerk zwischen dem Bischof von Bamberg und Albrecht von Brandenburg in der Frage der Brauneckschen Lehen ist hier zu nennen. Das Netzwerk vor Neuss dient nicht zuletzt zur Mobilisierung materieller Ressourcen. Es gibt außerdem Netzwerke zur solidarischen Sicherung und Erweiterung von Rechten und Ressourcen, zum Beispiel das Kurfürstenkollegium, aber auch verwandtschaftliche Netzwerke, wie das der Familie von Eyb in der Frage der Brauneckschen Lehen oder das innerfamiliäre der Hohenzollern zur Herrschafts sicherung. d) Koordination und Steuerung: Hierunter fallen etwa Netzwerke zur Landfriedenssicherung, zur Organisation von Herrschaft in vielfältiger Hinsicht, etwa zwischen dem Kurfürsten, dem Herzog von Sachsen und der fränkischen „Verwaltung“ des Markgrafen. e) Kooperation bei Gestaltung, Umsetzung und Legitimierung von politischem Handeln: Hier sind beispielsweise Netzwerke zur Sicherung des Landfriedens zu nennen, in denen Kaiser Friedrich III. das Handeln einzelner, eigentlich dazu nicht autorisierter Akteure legitimiert. Unter diesen Funktionstyp fallen auch langfristig angelegte Verwandtschafts- oder Bündnisnetzwerke, ebenso die Netzwerke, die bei der Reliquientranslation von Franken nach Pommern nach dem Aussterben der Herzöge von Pommern-Stettin aktiviert wurden. Daneben gibt es weitere funktionale Unterscheidungskriterien politischer Netzwerke, etwa zwischen „Lobbyismus“ und „Kooperation“ beziehungsweise „Konzertation“ – eine Kombination aus Beratung und Koordination. Während bei ers-
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terem sich Handeln nur in eine Richtung vollzieht – man denke etwa an Albrechts von Brandenburg Bemühungen, kaiserliche Dokumente zu erhalten, oder auch an die Einflussversuche der Familie von Eyb – vollziehen sich Konzertation sowie Kooperation in gegenseitigem Handeln der beteiligten Akteure – etwa bei den vielfältigen Informationsnetzwerken. Ein politisches Netzwerk kann gleichzeitig mehrere der genannten Funktionen erfüllen11. Dies verdeutlicht der Blick auf das Kurfürstenkollegium. Es kann gleichzeitig dem Informationsaustausch der Kurfürsten untereinander, der Bündelung des Zugangs zu Entscheidungen, etwa dem Kaiser gegenüber, der Aushandlung bei Streit der Mitglieder untereinander, der Koordination von politischem Handeln von reichsweiter Bedeutung, aber auch der grundlegenden Legitimation von politischem Handeln insgesamt dienen. Die Funktionen hängen somit maßgeblich von der jeweiligen Problemstellung, von der Struktur des Netzwerks und seiner Mitglieder, aber auch von äußeren Einflüssen ab. 3. Netzwerkstrukturen Im Betrachtungszeitraum können unterschiedliche Strukturmodelle von Politiknetzwerken beobachtet werden. Zu ihrer Charakterisierung sind insbesondere ihre Größe, der Zugang sowie die Gestalt ihrer Grenzen, die Stärke der Bindungen, die Dichte und Multiplexität – d. h. das Ausmaß, in dem Akteure über mehrere Bindungen in Verbindung stehen – sowie Symmetrie und Mobilität, die Zentra lität, Formen der Entscheidungsfindung und Verfahrensweisen der Konfliktlösung zu berücksichtigen. a) Größe: Die Netzwerke in den untersuchten Beispielen zeigen sich unterschiedlich groß. Besonders große Netzwerke sind die Ausnahme, man denke etwa an das Netzwerk zur Abwehr Karls des Kühnen, dessen Zweck, die Mobilisierung möglichst großer Ressourcen, viele Teilnehmer nötig macht. Weitaus weniger, im Vergleich zum Regelfall aber immer noch viele Teilnehmer haben die verschiedenen Netzwerkkomplexe um die Frage der Brauneckschen Lehen. Ansonsten ergeben sich für die politischen Netzwerke dieser Tage eher überschaubarere Größen von selten mehr als 20 Beteiligten. In Momenten äußerster Bedrohung von außen scheinen Netzwerke besonders groß zu sein, wobei die Akteure an den wichtigen Knotenpunkten in dieser Situation wohl besondere Anstrengungen zur Homogenisierung und Abschottung von Teilen des Netzwerkes gegenüber den antagonistischen Teilnehmern unternehmen müssen; Netzwerke in Gefahrensituationen scheinen strukturell anders zu funktionieren als gewöhnliche. Dort lassen sich Subnetzwerke abgrenzen, in 11 Zitiert nach Nagel, Politische Steuerung, S. 28. Vgl. van Waarden, Policy networks, S. 34.
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denen eine eher gleichberechtigte Kommunikation stattfindet. In den um diese engeren Kerne angeordneten Netzwerkteilen findet dagegen gleichzeitig eine stärkere Hierarchisierung und Verfestigung im Moment der Gefahr statt. Auch nur in diesen Verteidigungsnetzwerken scheint es gleichsam eine Zwangsmitgliedschaft zu geben, wobei sich dieser Zwang auf der Reichsebene aus der Mitgliedschaft im Reich ergibt. Die Verdichtung der weiteren Netzwerkteile scheint eher aus einer Art „Gruppendruck“ zu resultieren, weniger aufgrund kaiserlicher Zwangsmittel, womit ein ähnliches hierarchiearmes Modell zur Anwendung kommt wie bei der Verhandlungslösung des Stettiner Erbfolgestreits12. Zwischen den Teilnehmern an engeren Subnetzwerken und den weiteren Strukturen lässt sich ein verändertes Kommunikationsverhalten beobachten, und erstere sorgen für den Fortbestand der weiteren Struktur. Strukturelle Ähnlichkeiten mit den Gefahrennetzwerken nach außen besitzen Landfriedensnetzwerke im Inneren. Auch hier lassen sich Subnetzwerke abgrenzen; so waren es rein städtische Akteure, die Wilhelm Zaunrüde zu Fall brachten, und zwar unter Umgehung der Territorialgewalten. Diese verdichteten Subnetzwerke hatten hingegen keine Auswirkungen auf andere Netzwerkkomplexe. Mit dem Kurfürstenkollegium liegt ein ausdifferenziertes, genau geregeltes Netzwerk vor, dessen Mitglieder vollkommen gleichberechtigt und solidarisch sein sollen. Diese seit der Goldenen Bulle normativ festgelegte Struktur hat in der Praxis allerdings nur in Fragen von Mitgliedschaft und Ausstattung der Teilnehmer eine Bedeutung, aber nicht viel mit dem politischen Alltagsgeschäft gemein. Insbesondere das Netzwerk mit Kaiser Friedrich III., Erzbischof Adolf von Mainz, Albrecht von Brandenburg und den Herzögen von Sachsen hat sich für die Reichspolitik jener Tage als besonders wichtig herausgestellt. Dabei konnten Teile dieses Netzwerks durchaus auch für regionale Themen eingesetzt werden. Die meisten anderen Netzwerke sind von asymmetrischen Strukturen geprägt, weil in ihnen meist mehr oder weniger deutlich der Kaiser einbezogen ist, der selbst über besondere Aktivierungsmöglichkeiten verfügt. Gerade die Auswahl der Akteure in regionalen Netzwerken scheint maßgeblich über geografische Faktoren bestimmt worden zu sein, wie die Beistandsverpflichtung im Stettiner Erbfolgestreit oder die Beteiligten in den fränkischen Netzwerken zeigen. b) Zugang und Grenzen: Der Zugang zu politischen Netzwerken im Umfeld Albrechts von Brandenburg und des Kaisers ist wesentlich bestimmt durch die Überschneidung von Interessen und durch günstige Bindungskonstellationen; wenn diese Bedingungen erfüllt sind, zeigen sich diese Netzwerke aber relativ offen. So kann insgesamt festgestellt werden, dass die Mitgliedschaft in Netzwerken von folgenden Parametern bestimmt wird: Personale Bindungen (insbesondere Merkmale wie Verwandtschaft, Freundschaft, Lehen, Information13), normative Vor 12
Siehe die Anmerkungen zu den Governancemodellen oben S. 247. Siehe hierzu näher unten G. III. 5. und 6.
13
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gaben, gemeinsames Interesse an der Lösung eines Problems und geografische Gesichtspunkte. Schließlich kann einem Akteur auch der Zugang zu Netzwerken im Sinne eines Zugeständnisses gewährt werden, um ihn in anderen Netzwerken zu gewünschtem Handeln zu bewegen. Die Grenzen eines Netzwerks hängen somit sehr stark von seiner Zielsetzung und von weiteren Faktoren ab, vor allem von den Bedingungen, unter denen das Netzwerk arbeiten soll, etwa im Informellen oder für alle öffentlich. c) Stärke der Bindungen: Sie ergibt sich aus der Frequenz und der Dauer der Interaktion14. In den beobachteten Netzwerken ist sie sehr unterschiedlich. Im Falle des Kurfürsten-Netzwerks ist die Bindung der Teilnehmer bei weitem nicht so stark wie zwischen Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III., wenn man vor allem den intensiven gegenseitigen Informationsaustausch betrachtet, den die übrigen Kurfürsten weder untereinander noch mit dem Kaiser unterhielten; allenfalls kommunizieren die Kurfürsten situationsbezogen kurzzeitig in verdichteter Form, jedoch nicht über Zweierkonstellationen hinaus. Hinter der stärksten Bindung zwischen dem Markgrafen und Kaiser Friedrich treten die Bindungen zwischen dem Kaiser und Erzbischof Adolf von Mainz sowie die zwischen letzterem und Albrecht von Brandenburg zurück. An der Rolle Mecklenburgs im Stettiner Erbfolgestreit ist zu sehen, dass andere Akteure einspringen können, wenn einem Konfliktbeteiligten ein Mangel anhaftet, wenn zum Beispiel geeignete Heiratskandidaten fehlen; die Intensivierung von Bindungen zwischen Dritten, mit denen man selbst auch Bindungen unterhält, hat somit Rückwirkungen auch auf diese Bindungen. Brüchig gewordene Netzwerke können also durch Vergrößerung stabilisiert werden. Auch das Abwehrnetzwerk gegen Karl den Kühnen zeigt, wie einzelne und besonders reziproke und dichte Bindungen auf ein Netzwerk stabilisierend wirken können. Das fränkische Netzwerk um den markgräflichen Konflikt mit Nürnberg lässt erkennen, dass die Stärke von Bindungen, hier zwischen dem Markgrafen und Niklas Muffel, auch abhängt von der jeweiligen Akteursstruktur insgesamt; treten Veränderungen in der Struktur auf, können Bindungen abgeschwächt oder verstärkt werden. Ansonsten gibt auch die Art der Bindung Hinweise auf die Intensität. So können etwa Heiraten starke Bindungen weiter verstärken oder erst begründen, Eheabreden und kurzfristige Anbahnungen hingegen wirken sich zunächst weniger stärkend auf Bindungen aus. d) Dichte und Multiplexität: Auch die Dichte von Netzwerken – also das Verhältnis von tatsächlich bestehenden Bindungen zu allen möglichen Bindungen innerhalb eines Netzwerks – sind in den untersuchten Politiknetzwerken uneinheitlich15. Sie ist mit der Multiplexität, d. h. der Anhäufung von Kontexten, in denen sich Bindungen realisierten, eng verknüpft. Während die Kurfürsten über verwandtschaftliche Bindungen in zwei jeweils homogene Komplexe zu teilen sind, die über „Brückenfamilien“ verbunden sind, ist durch die Vereinigung in 14
Vgl. van Waarden, Policy networks, S. 34. Vgl. ebd., S. 34.
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einem Fürstenbündnis, der Kurfürsteneinung, auch theoretisch das Höchstmaß der Dichte, sozusagen „jeder mit jedem“, erreicht. Dies bedeutet allerdings keinesfalls, dass die Bindungen in irgendeiner Weise aktiv sein müssen – und im Falle der Kurfürsteneinung sind sie es nicht. Der Stettiner Erbfolgestreit zeigt, dass Dichte oder zumindest Erhöhung der Dichte das angestrebte Ziel der Netzwerkteilnehmer in kleinräumigen Verhandlungssystemen sein kann; dabei scheinen Dichte von Bindungen im kleinräumigen Bereich eine höhere Priorität zu haben als solche mit dem Kaiser – freilich nur, wenn strukturelle und im selben Zuge auch Interessenüberschneidungen vorliegen. In Franken gestalten sich diese Tendenzen ähnlich. Bei den Netzwerken der von Eyb, der von Seckendorff oder auch der von Schaumberg, ist mit dem Drang möglichst dichter und multiplexer Verbindungen zu rechnen, allerdings nur mit ausgewählten Akteuren, etwa zwischen den Familien Schaumberg und Eyb. Bei Christian von Dänemark hingegen kann im Zuge seiner Einbindung in die Netzwerke des Reiches von einer zunehmenden Dichte nur schwer gesprochen werden. Seine Bindung zu Albrecht von Brandenburg bleibt auch nach seiner Einbeziehung ins Reich die entscheidende Grundlage für seine reichspolitische Stellung. Albrecht von Brandenburg erscheint hier als Bindungsmoderator für ein partielles Reichsmitglied. Multiplexität von Bindungen kann man auch in den politischen Netzwerken um 1470 beobachten, etwa die Realisierung einer Personenbindung gleichzeitig durch Information und Kommunikation, Verwandtschaft und Freundschaft, Lehen und das Handeln derselben Akteure sowohl in reichspolitischen als auch in regionalem Zusammenhängen. e) Symmetrie: Symmetrie zwischen Akteuren innerhalb von Netzwerken ergibt sich, wenn eingehende und ausgehende Beziehungen identisch beziehungsweise reziprok sind. So ist das Kurfürstenkollegium nach seiner Anlage symmetrisch. Allerdings sind die Bindungen tatsächlich nicht wechselseitig. Gegenseitigkeit unter den Kurfürsten, vor allem im Hinblick auf den Austausch von Informationen, kann am ehesten, aber auch nur zeitlich begrenzt, zwischen Erzbischof Adolf von Mainz und Markgraf Albrecht von Brandenburg erkannt werden. In regionalen Konflikten ist Symmetrie nur schwer zu beurteilen; zwischen Albrecht von Brandenburg und den Herzögen von Pommern herrscht eine Asymmetrie, wobei das lokal-regionale Netzwerk diese Asymmetrie aufzufangen scheint. In Franken ist etwa zwischen Nürnberg und dem Markgrafen in den regional-fränkischen Angelegenheiten phasenweise mit Symmetrie zu rechnen; zunehmend verlagert sich diese Symmetrie jedoch von Albrecht von Brandenburg auf Herzog Ludwig von Bayern-Landshut, sodass Nürnbergs Bindungen zunehmend asymmetrisch werden. Die Beziehungen Albrechts von Brandenburg zu Christian von Dänemark sind geprägt durch eine reziproke Kommunikation, ihre Eigenschaften deuten auf Symmetrie, in der Abhängigkeit Christians von Albrecht bei der Durchsetzung von reichspolitischen Interessen scheint hier aber ein eher asymmetrisches Verhältnis zu bestehen. Anders gestaltet sich dies in den Situationen, in denen der dänische König als außenpolitischer Akteur auftritt. Dort ergibt sich selbst eine
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Symmetrie zwischen ihm und dem Kaiser, wie die Betrachtung von Christians Rolle im Zusammenhang mit Karl dem Kühnen gezeigt hat. Andernfalls nämlich hätte der dänische König nicht vermitteln können. Symmetrie aus der Sicht eines Vermittlers zu mehreren Akteuren bedeutet Neutralität im Sinne Oschemas16. Im Netzwerk vor Neuss kann zunehmende Symmetrie zwischen Kaiser und Reich beobachtet werden; seine vertikalen Bindungen zu Reichsangehörigen funktionieren hier, als seien sie horizontal – der Austausch zwischen ihnen beruht auf quasi gleichberechtigter Gegenseitigkeit17. Der Appell des Kaisers an ein „Nationalbewusstsein“ befördert somit die Nivellierung von Netzwerkasymmetrien. Obwohl in allen Netzwerken die Bindung zwischen Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. asymmetrisch ist, erscheint sie in der tatsächlichen Interaktion in vielen Situationen symmetrisch; mit der Terminologie Garniers sollte man besser von einer faktisch-horizontalen Bindung statt einer herrschaftlichen oder vertikalen sprechen18. Dies vertieft den Blick in eine personale Bindung, die bisher vielfach allein durch einseitige Kaisertreue des Kurfürsten erklärt worden ist. Dies kann auch in der Bindung zwischen Albrecht von Brandenburg und Ludwig von Eyb beobachtet werden. Annähernd symmetrisch zeigen sich regelmäßig auch Verwandtschaftsnetzwerke. f) Mobilität: Das Wechseln der Partei während eines Konfliktes, ist in den betrachteten Beispielen nicht sehr stark ausgeprägt. So scheint eine gemeinsame äußere Bedrohung insgesamt auf die Mobilität hemmend gewirkt zu haben. Johann von Rosenberg erscheint als ein selteneres Beispiel für den raschen Wechsel zwischen Parteien. Prominent ist auch das Verhalten Nürnbergs nach dem Tod von Niklas Muffel, wobei hier die Veränderung der Akteursstrukturierung Mobilität erzeugte. Allerdings erscheint die Androhung mobil zu sein, also seine Position im Netzwerk zu verändern, als ein wirksames Druckmittel – so beispielsweise die Drohung Erzbischof Ruprechts von Köln, sich mit Karl dem Kühnen zu verbünden. Hans von Seckendorff in Möhren drohte nicht selbst mit Wechsel seiner Netzwerkposition, sondern wollte dazu von bayerischer Seite gedrängt werden. Umso entschiedener fielen die Maßnahmen der markgräflichen Verwaltung aus, dies zu verhindern. g) Zentralität: Aus den untersuchten Beispielen lässt sich die Frage nach der Zentralität nur schwer verallgemeinern. In vielen Netzwerken, die hier analysiert wurden, tritt mehr oder weniger offensichtlich der Kaiser auf. Allerdings hat er nicht immer auch die höchste Zentralität. In der Reichspolitik, so könnte man für die Jahre 1473 und 1474 folgern, gibt es zumindest zwei kommunikative Zentren: den Kaiser und Albrecht von Brandenburg. Im Kommunikationsnetzwerk der markgräflichen Verwaltung hat während der Abwesenheitsphasen des Kurfürsten aus Franken Herzog Wilhelm von Sachsen eine zentrale Position. Innerhalb der 16
Oschema, Neutralität, S. 107. Siehe zur Strukturierung dieser Netzwerke im Einzelnen oben C. II. 2. 18 Vgl. Garnier, Politik und Freundschaft, S. 63 f. 17
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regionalen Netzwerke des Nordens, zumal im Stettiner Erbfolgestreit, ist die Zentralität der Mecklenburger besonders wichtig. In Franken hingegen ergeben sich je nach untersuchter Sachlage ein, zwei, eine begrenzte Zahl mehrerer oder auch eine Vielzahl von Zentren innerhalb politischer Netzwerke. h) Entscheidungsfindung: Entscheidungen innerhalb der Netzwerke scheinen sehr häufig so dezentral wie möglich gefällt zu werden. Dabei – dies zeigt nicht zuletzt der Stettiner Erbfolgestreit – kann der Kaiser diese Systeme der Beschlussund Friedensfassung durchaus, und zwar vielfach indirekt, beeinflussen. Auch in den fränkischen Kontexten sind diese Tendenzen zu beobachten. Das heißt aber nicht, dass gerade innerhalb von Territorien getroffene Entscheidungen immer auch auf diese beschränkt bleiben müssen. Umgekehrt können in Ausnahmefällen durch das bewusste Herstellen von vorübergehender zentraler Beschlussfassung politisches Handeln und Entscheidungen und Dynamiken hervorgerufen werden. Insbesondere Steuerung durch den Kaiser erinnert bisweilen an den „Schatten der Hierarchie“, wodurch mithilfe des Aufbaus einer Drohkulisse in hierarchischen Strukturen hierarchiearme Entscheidungsfindung ermöglicht wird19. i) Konfliktlösung: Alle untersuchten Netzwerke weisen Mechanismen zur Konfliktlösung auf. Ihre Formen jedoch unterscheiden sich beträchtlich: Das Netzwerk des Kurfürstenkollegiums hat ein schriftlich festgelegtes Schiedsverfahren mit dem Ziel der gütlichen Einigung unter den Standesgenossen ohne Hinzuziehung Dritter. Im Stettiner Erbfolgestreit regt der Kaiser mehrere voneinander unabhängige Konfliktlösungsmechanismen an, wobei zu vermuten ist, dass ihre Häufung den Erfolg wenigstens eines Mechanismus sicherstellen soll; in Franken trägt eine solche Vielzahl von Konfliktlösungsmechanismen eher zur Verstetigung von Konflikten bei. Hier ist es auch die Aushandlung des Verfahrens zur Behandlung der eigentlichen Sachfragen, die über weite Strecken das eigentliche politische Handeln ausmacht und einer Sachlösung im Wege steht. Militärische Konfrontation ist ebenso ein Konfliktlösungsmechanismus, setzt aber die Möglichkeit der Abschottung gegenüber dem Gegner voraus. Wie die regionalfränkischen Reflexionen des Markgrafen über einen neuen Krieg verdeutlichen, hängt die Handlungsoption des Krieges daneben maßgeblich von Interessen- und Netzwerkkonstellationen ab. 4. Institutionalisierung Institutionalisierung nach van Waarden ergibt sich aus der zeitlichen Verfestigung der soeben beschriebenen Strukturmerkmale; der Grad der Institutionalisierung hängt von der internen Differenzierung ebenso wie von der Stabilität der Netzwerkstruktur ab20. Ergänzend ist das Erklärungsmodell von Jansen und 19 20
Vgl. Zürn, Governance in einer sich wandelnden Welt, S. 565–567. Vgl. Nagel, Politische Steuerung, S. 28, 35.
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Schubert zu berücksichtigen, wonach Institutionalisierung nach einer strukturellen und einer normativen Basisdimension bestimmt wird, strukturell zwischen den Extremen Stabilität und Flexibilität und normativ im Hinblick auf Formalität und Informalität21. So erscheint ein Netzwerk umso institutionalisierter, je restriktiver die Mitgliedschaftskriterien, je geordneter, intensiver, multiplexer und symmetrischer die Beziehungen sind und je zentralisierter sein Gesamtaufbau ist. Im Untersuchungszeitraum weisen die untersuchten Politiknetzwerke starke Unterschiede in ihrer Institutionalisierung auf. Am Beispiel des Kurfürstenkollegiums ist zu erkennen, wie ein Netzwerk rasch zwischen negativer und positiver Koordination wechseln kann22. Anlässlich der Aufnahme Albrechts von Brandenburg handelt es kollektiv, da alle Teilnehmer ein Interesse daran haben. Ansonsten treten die Kurfürsten nicht als Handlungseinheit auf, geschweige denn gibt es in dieser Zeit ein institutionalisiertes Netzwerk im Netzwerk, das sich um die rheinischen Kurfürsten bilden würde, denn weder ist hier ein besonderes Maß an Stabilität noch an Formalität zu erkennen. Es sind zwar verdichtete Verwandtschaftsstrukturen zu beobachten, die allerdings nicht den Grad regionaler Verwandtschaftsverflechtungen zu erreichen scheinen. Eine höhere Institutionalisierung wird dagegen anscheinend zwischen Albrecht von Brandenburg, Adolf von Mainz und dem Kaiser erreicht, in weiterem Sinne auch zu den Herzögen von Sachsen. Am Beispiel des Stettiner Erbfolgestreites wird deutlich, dass die Schwächung von Institutionalisierung Konflikte befördern kann; hier brechen Verwandtschaftsbeziehungen weg, sodass Bindungen zwischen den Akteuren gelockert werden, wodurch das Netzwerk von einem kooperativen zunehmend zu einem antagonistischen verschoben wird. Das wieder stabilisierte Netzwerk zwischen Mecklenburg, Pommern und Brandenburg ähnelte in seinem Institutionalisierungsgrad dem des Konflikts zwischen Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg vor dem Tod von Niklas Muffel. Das Konfliktnetzwerk zwischen Nürnberg und Albrecht von Brandenburg, das sich in der Folge ausbildete, erreichte phasenweise auch einen hohen Institutionalisierungsgrad, insbesondere als man auf beiden Seiten nicht Frieden schließen wollte, die Reaktionen des Gegners absehbar schienen und die Frequenz der Interaktion durch viele kleine „Nadelstiche“ hoch war. Auch die markgräflich-brandenburgische Verwaltung konnte sich als bisweilen hochgradig institutionalisiert erweisen, auch wenn die Strukturen nicht unbedingt mit den eigentlichen Idealvorstellungen institutionalisierter Verwaltung übereinstimmen; die Beispiele Herzog Wilhelms von Sachsen oder der Kurfürstin Anna von Brandenburg belegen dies. Relativ hohe Institutionali-
21 Vgl. ebd., S. 32. Die Stabilität des Netzwerks nimmt dann zu, wenn die Interaktionen in Häufigkeit, Intensität und Vielfalt zunehmen; die Formalisierung nimmt durch eine zunehmende Strukturierung der Netzwerkinteraktionen und durch Zunahme von Zentralisierung zu; all dies kann mit der Ausbildung von Normen, aber ebenso auch mit der faktischen Verfestigung von Rollen und funktionaler Differenzierung zusammenhängen. 22 Vgl. Knill, Policy-Netzwerke, S. 120.
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sierungsgrade erlangten durch Praktiken hervorgerufene regionale Selbstregulierungsmechanismen, etwa das Geleitnetzwerk in und um Heideck. Bei der überwiegenden Zahl der hier untersuchten Netzwerkstrukturen, die zu Konflikten, zu kooperativem Handeln oder auch zur Organisation sach- und interessenbezogen angelegt ausgebildet wurden, wird hingegen von niedrigen Institutionalisierungsgraden auszugehen sein. 5. Verhaltensregeln Wichtigen Einfluss auf die Netzwerkstruktur und ihre Institutionalisierung haben Verhaltensregeln oder Interaktionskonventionen23. Verhaltensregeln können schriftlich, mündlich oder faktisch vorliegen. Somit ist der Begriff „Regeln“ in diesem Zusammenhang weit zu verstehen, da nicht nur bewusst und einmalig aufgestellte, auf Dauer angelegte Verhaltensanweisungen, sondern – je nach Institutionalisierungsgrad – auch nicht-intendierte, in der Praxis gebildete und kurzfristiger bestehende Regeln gemeint sind. Normative Texte zur Regelung des Binnenverhältnisses der Akteure untereinander sind nicht zuletzt Bündnisverträge und Landfrieden. Als wichtiges Bündnis wurde hier das Kurfürstenkollegium betrachtet. Hier werden die Verhaltensregeln, die Goldene Bulle ebenso wie der Einungsvertrag, häufig instrumentalisiert, um den eigenen Standpunkt innerhalb des Netzwerkes zu stärken; in dieser Hinsicht zeigt sich das Kurfürstennetzwerk als von Wettbewerb bestimmt. Die überwiegende Zahl anderer Netzwerke funktioniert durch nicht-schriftliche Konvention. Konflikte erwachsen vielfach aus Verhaltensverstößen. Handlungsleitende Motive, zum Beispiel das der Ehre, können sich auf die Netzwerkbindungen sowie auf ihre Orientierung auswirken. Strukturen und Interessenlagen beeinflussen auch die Verhaltensregeln. In kooperativen Netzwerken besteht das Prinzip der Informationsweitergabe, wobei die Teilnehmer mit guter Ausstattung frei entscheiden können, wie viel Wissen sie den übrigen „Mitspielern“ übermitteln wollen; dieses Regulativ eines mit Informationsüberschuss ausgestatteten Akteurs kann sich sehr zu dessen Vorteil auswirken und anderen Nachteile bringen. Andere ungeschriebene Verhaltensregeln sind Konsens und Vertrauen. Kooperative Netzwerke sind nur funktionsfähig, wenn bei den Teilnehmern ein Minimalkonsens über den Regelungsgegenstand beziehungsweise die zu verwendenden Instrumente besteht; genau diese Übereinstimmung fehlt bei Karl dem Kühnen ebenso wie im Stettiner Erbfolgestreit. Auch gegenseitiges Vertrauen ist für wirksame Verhandlungen und Entscheidungsfindungen im Netzwerk unabdingbar; dies führt die Rolle Christians von Dänemark in der burgundischen Frage beispielhaft vor. 23
Vgl. van Waarden, Policy networks, S. 35 f.
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Verhaltensregeln bestehen auch innerhalb von Verwaltungsstrukturen. Hier sind es etwa die vielfältigen Anordnungen des Kurfürsten an seine Räte und Amtleute, denen solche Regeln zu entnehmen sind, etwa wie auf politisches Handeln anderer zu reagieren ist. Aber auch das markgräfliche Geleitstraßenverzeichnis konnte zur Orientierung der Verwaltung dienen und damit in abgeschwächter Weise auch regelnd wirkend. In den regional-fränkischen Angelegenheiten gab es außerdem ungeschriebene Regeln, wie sich die markgräfliche Seite und die Nürnbergische Seite zu verhalten hatten, damit ihr Konflikt zwar nicht gelöst wurde, aber insgesamt doch begrenzt blieb; dies legen die Reflexionen der brandenburgischen Räte über das Verhältnis des Kurfürsten zur Reichsstadt nahe. Verhaltensmuster ergeben sich somit auch aus Handlungen, die von den Akteuren als vorhersehbar eingestuft werden, die also geübte Praxis sind und von denen man ausgeht, dass sie eintreten werden. 6. Machtverhältnisse Van Waarden blickt außerdem auf die Machtverhältnisse innerhalb des Netzwerkes24. Dabei gilt es nach Jansen und Schubert25, insbesondere die Ressourcen von Akteuren sowie ihre relative Position zu untersuchen. Diese Relationen ergeben sich aus typischen Tauschverhaltensweisen in Politiknetzwerken; sie werden durch Beziehungsinhalte bestimmt, zu denen nicht-materielle Ressourcen wie Informationen und materielle Ressourcen wie Geld und andere Unterstützung gleichermaßen gehören26. Bei Albrecht von Brandenburg zeigt sich sein Informationsbesitz als wesentliche Ressource, die er in verschiedenen Politiknetzwerken wirksam einzusetzen vermag; sein Wissen um Netzwerkkonstellationen und verschiedene politische Prozesse ebenso wie seine Möglichkeiten verleihen ihm in vielen Netzwerken Macht. Die Herzöge von Mailand haben über ihre Reichtümer Macht, können sie aber nicht wirksam in für sie positive Ergebnisse umwandeln, weil ihnen Informationen über das Gesamtnetzwerk und die entscheidenden Eigenschaften der Akteure fehlen und weil sie bei ihnen wichtig erscheinenden Akteuren kein Interesse erzeugen können. Der jeweilige Rang der Akteure spielt zur Ermittlung der Machtverhältnisse offensichtlich auch eine, aber nicht die entscheidende Rolle. Es kommt wohl 24
Vgl. ebd., S. 36. Vgl. Nagel, Politische Steuerung, S. 29. Jansen / Schubert, Netzwerkanalyse, S. 13 f. Zur begriffsgeschichtlichen Entwicklung von „Macht“ vgl. Karl-Georg Faber / Karl-Heinz Ilting / Christian Meier, Art. „Macht, Gewalt“, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. von Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck, Bd. 3 (Stuttgart 1982), S. 817–935. Zur Problematik der Integrierung unterschiedlicher Machtmodelle innerhalb der Politik-Netzwerkanalyse vgl. Nagel, Politische Steuerung, S. 38–51. 26 Vgl. Jansen / Schubert, Netzwerkanalyse, S. 13–15. 25
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eher auf ein Bündel von Faktoren an, vor allem auf die Konzentration von Informationen an einer Stelle, auf die Möglichkeit, über alle anderen Netzwerkteilnehmer möglichst viele Informationen zu erhalten und diese für sich nutzbar zu machen. Außerdem, aber nicht minder wichtig, geben die Strukturen der Bindungen der Netzwerkteilnehmer Aufschluss über die Machtverhältnisse. So gesehen wird man die Einflussmöglichkeiten der Familie von Eyb von den lokalen bis in reichspolitische Zusammenhänge bei der Verfolgung ihrer Individualinteressen als erheblich ansehen dürfen, ebenso solche anderer Räte, etwa des bayerischen Rates Martin Mair, der in den Verhandlungen zwischen Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg sowie Herzog Ludwig dem Reichen zunehmend eigenmächtig agiert. Umgekehrt zeigt sich die Machtlosigkeit Albrechts von Brandenburg und seiner Administration den Geleitsknechten in Heideck gegenüber, als sie sich weigern, ihre Befehle auszuführen. 7. Akteursstrategien Schließlich ist nach Akteursstrategien zu fragen, wobei van Waarden die Strategien sowohl der Akteure innerhalb des Netzwerkes als auch in Bezug auf das Netzwerk selbst untersucht27; insbesondere geht es hier um Kreation, Modifikation und Kontrolle von Netzwerken. Auch um 1470 handeln Netzwerkteilnehmer nach gewissen wiederkehrenden Mustern. Die Strategie des Kaisers wird in allen analysierten Netzwerken vor allem von weitgehender Kooperation einerseits und entschiedener Abgrenzung zu Gegnern andererseits geprägt. Aber auch bei vielen anderen Akteuren ist sachbezogene Kooperation zu beobachten, wie zwischen Albrecht von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg während des Reichskrieges gegen Karl den Kühnen. Landfriedensnetzwerke machen anschaulich, wie sehr politisches Handeln durch Kooperation eine Übereinkunft von Interessen voraussetzt; im Falle der Landfrieden waren die Aufforderung zum Handeln sowie punktuell eigenmächtiges und zunächst nicht legitimiertes Handeln die Mittel, mit denen man Interessen wirksam durchsetzen konnte. Den eigenen Vorstellungen Nachdruck zu verleihen und andere Akteure in diesem Sinne zum Handeln zu bewegen, kann in Kooperationsnetzwerken meist nur durch die Wiederholung von Aufrufen zum Handeln erzielt werden. Eine Akteursstrategie besteht auch im Rückgriff auf Normen oder im Verzicht auf ihre Anwendung. So wird bei der Aufnahme Albrechts von Brandenburg in den Kreis der Kurfürsten der Rechtsbruch verschwiegen, während man anderen zur gleichen Zeit den Zugang verwehrt und dort die Normen als Gegenargument einsetzt.
27 Vgl. van Waarden, Policy networks, S. 37 f. Ungeeignet ist in diesem Zusammenhang die Typologie van Waardens von Netzwerken selbst, die einen zu großen Wert auf die Unterscheidung „öffentlich“ und „privat“ legt.
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Außerdem kann, wie am Beispiel der Familie von Eyb bei der Frage der Brauneckschen Lehen gezeigt, über die Einbeziehung einer möglichst großen Zahl von Akteuren versucht werden, Entscheidungsprozesse positiv für sich zu beeinflussen. Dazu wurden in ihrem Falle alle ihnen zugänglichen Wege beschritten, ebenso familiärer wie dienstlicher Natur; so wurden sogar neue familiäre Bindungen eingegangen, mit denen man sich neue Verwandtschaftsnetze erschloss. Die Beeinflussung von Netzwerken über die Anzahl der beteiligten Akteure zeigt sich ebenso im Zusammenhang mit der Reichsstadt Nürnberg sowie während des Reichskriegs gegen Karl den Kühnen, aber auch im Falle des kaiserlichen Beistandsaufrufs zur Durchsetzung der brandenburgischen Lehnsoberhoheit im Herzogtum Pommern. Konflikte konnten durch verschiedene Eingriffe gelöst werden. So kommt es im Falle des Stettiner Erbfolgestreites vor allem auf die Struktur eines regionalen Netzwerks an, das zunächst fragil geworden war und erst durch verwandtschaftliche Verbindungen stabilisiert werden musste, bevor eine Lösung des eigentlichen Konfliktes möglich wurde. Erst im zweiten Schritt gelang auch dies, nämlich die Frage der Lehnsoberhoheit Brandenburgs zu klären. Oberstes Ziel ist hier gerade nicht die Maximierung des eigenen Vorteils, so, wie es die ältere Forschung vielleicht im Sinne von „Machtpolitik“ verstanden hätte, sondern das kollektive Entscheidungsergebnis28. Dies wird auch am Verzicht zu beiderseitigem Vorteil zwischen Albrecht von Brandenburg und dem Bischof von Bamberg in der Frage der Brauneckschen Lehen deutlich. Zur Vorbereitung einer Konfliktlösung können auch außen stehende Teil nehmer mit wichtigen Eigenschaften erst in ein Netzwerk integriert werden; Netzwerkteilnehmer können sie dann für sich vermitteln oder anderweitig handeln lassen – man denke hier an die Konstellation Albrecht von Brandenburg, Christian von Dänemark, der Kaiser und Karl der Kühne. Auf die Auswahl von Netz werkteilnehmern kann also Einfluss genommen werden, selbst wenn es keine normativen Texte gibt. So haben die Streitparteien bei der Auswahl von Schlichtern und Kommissaren einen großen Spielraum strategisch zu agieren. Bei dieser Auswahl werden sie in der Regel von Bindungseigenschaften oder anderen Interessenverflechtungen sowie von den Eigenschaften der Kandidaten geleitet. Eine Strategie zur Erhöhung der Chancen zur Konfliktlösung ist die bereits im Zusammenhang mit den Netzwerkstrukturen erwähnte Anhäufung von Konfliktlösungsmechanismen, wie das Beispiel des Stettiner Erbfolgestreits verdeutlicht. Umgekehrt kann dies aber – unter anderen Interessenverflechtungen – die Lösung eines Konfliktes dauerhaft verhindern, wie das fränkische Beispiel belegt. Einen anderen Weg verfolgen Karl der Kühne und Friedrich der Siegreiche. Sie versuchen, Netzwerkkonzeptionen zu sprengen und ihnen nicht zugängliche Netzwerkformationen in ihrer Struktur zu ihren Gunsten zu manipulieren. Ähnliches 28
Vgl. zur Vorstellung hiervon in modernen Netzwerken: Knill, Policy-Netzwerke, S. 120 f.
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versucht Albrecht von Brandenburg im Umgang mit Nürnberger Bürgern, wenn er sie über Lehnsverbindungen oder „weiche“ Mittel der Beeinflussung wie die der Korruption an sich binden will. Außerdem können Netzwerkteilnehmer eigene Vorschläge von anderen Akteu ren in die Diskussion einbringen lassen, um selbst nach außen das Gesicht zu wahren oder auch um Entscheidungen Dritter zu beschleunigen; Albrechts von Brandenburg Äußerungen in verschiedenen Kontexten verdeutlichen dies. Durch gezielte Steuerung von Wissensbeständen anderer Akteure können zudem Aushandlungs- und Abstimmungsprozesse im eigenen Sinne gesteuert werden, wie Albrecht von Brandenburg im Umgang mit seinen Räten belegt. Strategien der Reaktion auf politisches Handeln ergeben sich insbesondere bei Albrecht von Brandenburg in vielfältiger Weise. Stellvertretend seien Humor und Spott genannt, aber auch die Anweisung an seine Räte zu offensiver Reaktion, nur wenn man sich der Rechtslage sicher ist. Offensives oder defensives Reagieren ist lageabhängig und wird durch zahlreiche weitere Gesichtspunkte beeinflusst, etwa ob ein Akteur in andere Konflikte eingebunden ist; wichtig erscheinen hier auch insbesondere ausreichende Informationen darüber, wie sich andere politische Akteure verhalten und wie diese reagieren, ebenso welche anderen Akteure durch das eigene Verhalten aktiviert werden können. In den regional-fränkischen Angelegenheiten scheint den Akteuren oft die Reaktion des jeweiligen Gegners absehbar gewesen zu sein. Über die genaue interne Strukturierung sollen gerade politische Gegner nichts erfahren, wobei vor allem die Kommunikationswege und Entscheidungsstrukturen verborgen bleiben sollen. Unter politischen Partnern in Netzwerken können diese Informationen hingegen durchaus sehr offen zugänglich sein, wie Albrecht von Brandenburg und Wilhelm von Sachsen verdeutlichen. Erfahrung spielt für Akteursstrategien eine wichtige Rolle. Albrecht von Brandenburg bezieht sich bei seiner Lagebewertung immer wieder auf Vergleichsfälle aus seiner erlebten Vergangenheit, etwa bei der Frage, ob von der Oberpfalz für Gesamtfranken eine militärische Gefahr ausgeht, oder auch im Zusammenhang mit dem drohenden Imageschaden bei Übergriffen auf das markgräfliche Geleit. Über die Beeinflussung von Teilöffentlichkeiten, etwa durch Spottgedichte, kann auch politisches Handeln anderer Akteure in Politiknetzwerken erzwungen werden. Ebenso können Rituale eingesetzt werden, um einen anderen Akteur bloßzustellen oder zu beeinflussen. Strategisch können auch der Ort beziehungsweise der Raum genutzt werden, etwa der städtische, wie bei Albrecht von Brandenburg während des kaiserlichen Aufenthalts in Nürnberg deutlich wird. Raumbeherrschung und Entscheidungsprozesse gehen hier eine enge Verbindung ein. In zahlreichen Zusammenhängen erscheinen „neutrale“ Vermittler, die über ihre Vermittlertätigkeit Eigeninteressen verfolgen, etwa die Reichsstadt Dinkelsbühl oder der Bischof von Eichstätt in fränkischen Zusammenhängen. In Nürnberg – ebenso wie im Kontext anderer Städte – ist der Hang zu einzelnen gewalt-
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samen Eingriffen in Netzwerkstrukturen zu beobachten, der dazu führt, dass sich die Akteurszusammensetzung dauerhaft ändert – man denke an das Ende von Niklas Muffel. Übergeordnete Instanzen bewusst heranzuziehen ebenso wie aus politischem Handeln bewusst herauszuhalten erscheint in den Politiknetzwerken als eine weitere Strategie. Die Nürnberger etwa wenden sich in der Frage der Brauneckschen Lehen direkt an den Kaiser, vor Reichsversammlungen mit dem Kaiser treffen sie umgekehrt Vorbereitungen, um zu verhindern, dass ihre übrigen Streitigkeiten mit Albrecht von Brandenburg vor ihm verhandelt werden. Der Wechsel zwischen formalisierten und informellen Interaktionsmitteln stellt auch eine wichtige Akteursstrategie dar. An zahlreichen Stellen der Studie, etwa im Bereich der Verwaltung, zeigt sich dies als geeignetes Mittel, um politisches Handeln hervorzurufen. Auch Eigenschaften von Akteuren selbst beziehungsweise die Reflexion über sie können zum Argument werden, um andere zum Handeln zu bewegen oder davon abzuhalten. Albrechts von Brandenburg Aufforderung an Christian von Dänemark, er möge sich wie ein Reichsfürst verhalten, ist hier beispielhaft zu nennen. Ein Bündel verschiedener strategischer Mittel steht dem Kaiser zur Verfügung, das ihn gegenüber anderen Netzwerkteilnehmern heraushebt. Überwiegend handelt es sich um keine schriftlich fixierten Mittel. Zu nennen sind hier Kommissionen und der Reichskrieg. In schriftlicher ebenso wie in nicht-schriftlich festgehaltener Form konnten die Mittel „Reichshauptmann“ in Kriegszeiten sowie Beistandsaufruf gegen einen widerspenstigen Akteur, der sich einer kooperativen Aushandlung entzieht, eingesetzt werden. Ob diese Maßnahmen Erfolg haben, hängt von der Aktivierung direkter Verbindungen um den Kaiser ab, die wiederum mit den Konfliktparteien in engen und multiplexen Verbindungen stehen; dabei scheint eine kaiserliche Strategie je nach Konfliktebene vor allem die mögliche Regionalisierung der Netzwerkaktivierung zu sein, auch wenn er selbst an der Lösung der Frage ein nicht geringes Eigeninteresse hat. Bisweilen verbinden Akteure Fremd- und Eigeninteressen wirksam, um aus dem Handeln für andere selbst Vorteile herauszuschlagen. Besonders deutlich wird dies bei der Familie von Eyb für den brandenburgischen Kurfürsten sowie bei Albrecht von Brandenburg für den Kaiser. Besonders häufig ist auch die Verbindung verschiedener Netzwerke beziehungsweise verschiedener Themenfelder, die an diese Netzwerke geknüpft sind, zu beobachten, teilweise aber auch das strikte Trennen einzelner Sachfragen sowie verschiedener Politiknetzwerke. Dieser Technik bedienen sich etwa der bayerische Rat Martin Mair oder die städtischen Vertreter Nürnbergs in ihren Verhandlungen mit Kurfürst Albrecht, aber auch letzterer selbst, als er angesichts der voraus zusehenden Verurteilung Friedrichs des Siegreichen seine regionalen Auseinandersetzungen mit Nürnberg und Ludwig dem Reichen auf dem Reichstag von
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Augsburg mitverhandeln lassen will. Damit wird situationsbezogen der Umstand, dass verschiedene Themen und unterschiedliche Netzwerke aufeinander einwirken, für politisches Handeln fruchtbar gemacht. Ebenso ist das Vorbringen von Bedenken zum Verfahren eine wirksame Möglichkeit, politisches Handeln zu verhindern, Entscheidungen zu verschleppen oder unmöglich zu machen. Gerade im Nürnberger Kontext wird immer wieder deutlich, wie eng Verfahren und Inhalt politischer Verhandlungen miteinander verbunden sind. Entscheidungen zu beeinflussen, heißt auch zu überzeugen. In verschiedenen Kontexten, etwa im Zusammenhang mit König Christian von Dänemark, zeigt sich der Ausgang von Prozessen der Entscheidungsfindung für die Akteure zunächst als offen, sodass sie mit dem Versuch, bei anderen Akteuren Interesse argumentativ zu erzeugen, auf den Ausgang Einfluss nehmen wollen. Indem Netzwerkteilnehmer von direkten Herrschertreffen fernbleiben oder indem sie anderweitig Desinteresse zeigen, können sie sich direkten Diskussionsund Entscheidungsprozessen entziehen. Dies muss sie aber nicht hindern, dennoch auf einzelne Akteure und damit indirekt auf die zentral ablaufenden Prozesse Einfluss zu nehmen – zu denken ist hier an Friedrich den Siegreichen oder Ludwig den Reichen während des Augsburger Reichstages. Nicht zu verwechseln ist diese Strategie mit dem bewussten Fernbleiben von Versammlungen, weil gleichzeitig an anderen Stellen wichtige Koordinierungsaufgaben zu leisten sind, wie etwa das Beispiel Albrechts von Brandenburg während der Verhandlungen in Trier zeigt.
II. Zusammenfassung: Politiknetzwerke als Analyseraster Die systematisierende Zusammenschau der Elemente politischer Netzwerke um 1470 auf der Grundlage der hier untersuchten Beispiele auf verschiedenen Ebenen, auf denen sich politisches Handeln vollzog, ergibt eine Vielzahl von Möglichkeiten. Gleichwohl kann hieraus kein geschlossenes Modell entstehen, wie genau solche Netzwerke in regionalen, reichspolitischen oder außenpolitischen Zusammenhängen immer und zwangsläufig auszusehen hatten. Ein solches, an einem begrenzten Zeitschnitt beispielhaft erarbeitetes Modell nämlich würde der Vielgestalt politischer Netzwerke nicht gerecht und müsste unzulässig vereinfachen; es böte sich so kein Vorteil gegenüber bisherigen Zugriffen auf die politische Geschichte des Spätmittelalters. Der Vorteil der Betrachtung politischer Netzwerke liegt vielmehr auf einem ganz anderen Felde: Die sieben Dimensionen in der Untersuchung politischer Netzwerke – also die Fragen nach den Akteuren, den Funktionen, der Struktur, nach dem Grad der Institutionalisierung, nach Verhaltensregeln und Machtbeziehungen sowie schließlich nach den Akteursstrategien – ergeben ein Analyseraster,
II. Zusammenfassung
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mit dem politisches Handeln und die damit verbundenen Strukturen auf allen Ebenen gleichermaßen durchleuchtet und bewertet werden können. Das Analyseraster bietet erstens einen Zugang, ohne im Vorfeld wertende Annahmen zu benötigen. Es geht weder allein von staatlichen noch von nichtstaatlichen Strukturen, weder von Hierarchien noch von absoluter Gleichordnung der Handelnden, weder von Institutionen noch von absoluter Informalität aus. Solche Wertungen können – wenn überhaupt – nur Erkenntnisziel sein. Zweitens werden mit dem Analyseraster die Funktionsweisen und Mechanismen politischen Handelns, die immer wiederkehrenden Formen politischer Interaktion jener Zeit offengelegt und geordnet. Drittens zeigen sich die Handlungsoptionen der jeweils Beteiligten; sie handelten – je nach Konstellation und Lage – nach immer wiederkehrenden Mustern beziehungsweise wählten aus einem Set von Handlungs mitteln aus. Ebenso offengelegt wird durch das Konzept aber auch das Unvorhergesehene und Individuelle, das von der Norm Abweichende. Zudem dient viertens das Konzept politischer Netzwerke als Rahmen, Akteursstrukturen zu beschreiben, um sie dann mit etablierten Strukturbeschreibungen, etwa von Institutionen, vergleichen zu können. Damit wird insbesondere nicht von vornherein ein Akteur als Institution mit festen Grenzen zwischen innen und außen angesehen, sondern erst bei der Analyse von politischen Netzwerken zeigen sich auch die Struktur eines Akteurs und seine damit verbundene interne Institutionalisierung. Gleichzeitig wird so – fünftens – politisches Handeln von Akteuren, somit auch solches von eigentlich sehr unterschiedlicher Gestalt, erst miteinander vergleichbar, etwa von Domkapiteln und Städten, Kaiser und Reichsfürsten oder auch Fürsten und ihren niederadligen Räten, aber auch von der Vielzahl ganz verschiedener Landesfürsten; diese Vergleichbarkeit lässt umgekehrt wieder Rückschlüsse auf die Spezifika in den Handlungsmöglichkeiten und Strukturen dieser Akteure zu. Damit werden sechstens die Unzulänglichkeiten des Perspektivwechsels, wie sie sich in der bisherigen Forschung immer wieder zeigt, abgemildert, etwa zwischen Landes- und Reichsgeschichte, zwischen „Zentrale“ und „Außenposten“ oder auch zwischen Adel und Bürgertum. Siebtens schließlich vereint das Analyseraster politischer Netzwerke mit seinen sieben Dimensionen Akteurs- und Strukturperspektive gleichermaßen.
G. Vergleiche und Folgerungen Nach der Betrachtung von Beispielen für unterschiedliche Formen des Regierens und von Politiknetzwerken auf verschiedenen Ebenen, auf denen sich politisches Handeln vollzog, sowie nach der systematisierenden Zusammenschau von wesentlichen Grundelementen dieser Politiknetzwerke, sind die gewonnenen Befunde nun auf den zu Beginn für die Fragestellung herausgearbeiteten Forschungsstand zu beziehen und durch bestärkende, gegenläufige oder – neutral gesprochen – vergleichende Beobachtungen zu kontextualisieren. Allerdings gilt es zu betonen, dass die folgende Zusammenstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann und deshalb nicht als umfassende verfassungsgeschichtliche Systematik für die Zeit um 1470 verstanden werden sollte; es handelt sich vielmehr um Bausteine zu einer vergleichenden Verfassungs- und Politikgeschichte im 15. Jahrhundert. Es bietet sich an, vor dem Hintergrund dieser Analyse von Governance und Politiknetzwerken zunächst nach der Anwendbarkeit der etablierten Modelle zur Beschreibung des politischen Gefüges des Reiches, insbesondere nach der Gestalt der verschiedenen Ebenen zu fragen, auf denen sich politisches Handeln vollzog. Danach werden Elemente politischer Strukturen und politischen Handelns im regionalen Zusammenhang, Spezifika hohenzollerischer Formen des Regierens über ein Territorium hinweg sowie Fragen der Verwaltungsgeschichte besonders in den Blick genommen. Anschließend werden Einzelaspekte des Regierens sowie der politischen Ordnung näher betrachtet, um dann auf einzelne Akteure sowie auf das Verhältnis von Individuum und Gruppen einzugehen. Sodann sollen die Bedeutung von handlungsleitenden Motiven und „weichen“ Formen politischer Steuerung betrachtet werden, um nach einem Blick auf die Verflechtung von Politikfeldern sowie der politischen Öffentlichkeit auch auf methodische Konsequenzen für die fränkische und die brandenburg-preußische Landesgeschichte einzugehen; wegen der Zahl der Themenfelder, die diese Studie berührt, werden sich die Einzelteile erst am Ende zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Die thematische Vielfalt bedingt Dopplungen in den folgenden Ausführungen.
I. Zum politischen Gefüge des Reiches und seiner Glieder
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I. Zum politischen Gefüge des Reiches und seiner Glieder Eine der Fragestellungen dieser Arbeit war die Überprüfung des von Moraw etablierten Modells zur Gestalt des Reiches und seiner Glieder und der Charakterisierung von politischem Handeln darin1. Zunächst ist die Verbindung zwischen der königlichen Gewalt und den Regionen des Reiches in den Blick zu nehmen. 1. Zu „königsnahen“ und „königsfernen Landschaften“ Moraw teilte das Reich in Zonen ein, die sich nach den „Erfolgsaussichten des Königs“ oder den „Zugriffschancen der Zentralgewalt“ bemaßen, wodurch das „Modell des abstrakten Anstaltsstaates“ für das späte Mittelalter überwunden werden sollte2. Von hier aus gelangte er zu einer „politischen Landkarte“ des Reiches nach sogenannten „königsnahen“, „königsfernen“ und „königsoffenen Landschaften“3. Moraws Ansatz gründete allein auf der prosopografischen Ermittlung von an der Königsherrschaft interessierter Gruppen4. Erst später wurden ergänzend das königliche Itinerar sowie die Streuung der Empfänger von Königsurkunden im Raum herangezogen5. Schon Heinig erkannte aber, dass der Kaiser um 1470 über Techniken informeller Einflussnahme über Dritte verfügte, um seine Wirksamkeit bis in „königsferne“ Regionen zu entwickeln6. In dieser Studie konnte politisches Handeln des Kaisers auf verschiedenen Ebenen des Reiches anhand unterschiedlicher Beispiele nachvollzogen werden, sodass sich über die königliche Wirksamkeit in den verschiedenen Regionen Aus sagen treffen lassen. Aus der Untersuchung der Trierer Verhandlungen7 zwischen Kaiser Friedrich III. und Karl dem Kühnen ergab sich, dass Moraws Einteilung in „königsnahe“ und „königsferne Landschaften“ nicht nur ein Erklärungsdefizit zu haben scheint, sondern gar den Blick auf die eigentlich ablaufenden Prozesse verstellen kann. So konnte die Forschung unter dem Vorzeichen der „Königsferne“ von vornherein Handlungsakteure aussortieren, benutzte aber dann die Quellen 1
Siehe hierzu im Einzelnen oben A. I. 1. b). Moraw, Wesenszüge, S. 150; er selbst bezeichnet seinen Ansatz als „Paradigmenwechsel“, ebd., S. 152. Moraw, Organisation und Funktion von Verwaltung, S. 24. 3 Vgl. z. B. ebd., S. 24–26. 4 Moraw, Integration, S. 20, mit dem Hinweis auf die Bedeutung sozialgeschichtlicher Zugänge. 5 Siehe zur Erweiterung des Morawschen Konzeptes in seiner Rezeption oben S. 34. 6 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1098–1105, 1335. Zum „Raumproblem“ vgl. auch Moraw, Organisation und Funktion von Verwaltung, S. 27 f. „Wirksamkeit“ als Analyse- und Bewertungskategorie von Herrscherhandeln wird offensichtlich uneinheitlich, vielfach sogar undefiniert verwendet, vgl. Georg-Christoph von Unruh, Die Wirksamkeit von Kaiser und Reich, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Stuttgart 1983), S. 268–278; Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 813–817. 7 Siehe oben B. III. 4. 2
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G. Vergleiche und Folgerungen
der Beiseite-Gelassenen, um die Vormacht Dritter zu beschreiben. Tatsächlich hatten die Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen in diesem Zeitraum erheblich größeren Anteil an der Reichspolitik als bisher angenommen. Nicht nur die Urkundenstreuung, sondern auch die Rekonstruktion politischer Netzwerke legen nahe, dass sie stets über die wesentlichen reichspolitischen Vorgänge informiert waren und, bisweilen stark von Eigeninteressen geleitet, auf politische Entscheidungen Einfluss nahmen. Aber auch in den untersuchten regionalen Beispielen war der Kaiser stets präsenter politischer Faktor. Im Stettiner Erbfolgestreit intervenierte Kaiser Friedrich III. nur punktuell, dafür aber äußerst zielgerichtet und effektiv. Mit einem Eingriff in regionale Netzwerke wurden mehrere Wege zur Konfliktlösung initiiert, die insgesamt genommen zur Lösung des Konflikts und zur Restabilisierung der Netzwerkstrukturen führten8. Wollte man diese Region nun als „königsfern“ bezeichnen, würde sie dies unzutreffend beschreiben, denn die „Zugriffschancen“ des Kaisers erwiesen sich hier als durchaus groß; umgekehrt war für die pommersche Seite der Kaiser ein fester Machtfaktor, denn die Herzöge schickten schon rasch nach dem Tode Ottos von Pommern-Stettin eine Gesandtschaft an den kaiserlichen Hof, um die direkte Belehnung mit dem Teilherzogtum zu erlangen9. Andererseits äußerte der dänische König in den hier untersuchten Jahren großes Interesse an Kaiser und Reich, er reiste gar ins Binnenreich, traf den Kaiser und verhandelte mit anderen Reichsfürsten; Dänemark war aber dennoch mit Sicherheit nicht „königsnah“ im Sinne Moraws zu nennen10. Besonders deutlich wird die Problematik des Konzepts der „Königsnähe“ in den verschiedenen fränkischen Netzwerken. Schon Moraw und Schubert kamen bei der Bewertung des Verhältnisses von Franken zur „Zentralgewalt“ zu unterschiedlichen Ergebnissen11 – und für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts versuchte bereits Heinig die „Königsnähe“ dieser Region zu erweisen12. Die hier untersuchten Beispiele legen den Schluss nahe, dass Franken zwischen 1470 und 1475 weder „königsnah“ noch „königsfern“ war – oder beides zugleich. Königliche „Wirksamkeit“ beziehungsweise „Königsnähe“ und „Königsferne“ lassen sich offensichtlich nicht einfach anhand der am Königtum interessierten Gruppen, der herrscherlichen Urkundentätigkeit und des Itinerars ermitteln. Der Kaiser war ein vielfach berücksichtigter Faktor in regionalen Auseinandersetzungen, er wurde etwa in den Auseinandersetzungen der verschiedenen fränkischen Akteure zur Argumentation eingesetzt; allein schon die bloße Möglichkeit, dass er in einen Konflikt eingeschaltet werden konnte, bewirkte politisches Handeln 8
Siehe oben D. I. 2.–5. Siehe oben S. 220, Anm. 7. Ferner auch zur Delegation von 1471 oben S. 232. 10 Siehe oben C. I. 11 Moraw, Franken als königsnahe Landschaft. Schubert, Königsnahe Landschaft. Zu den Positionen im Einzelnen oben S. 31, Anm. 57, S. 390, Anm. 27. 12 Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1077, mit der Bewertung: „Die königsnahen Landschaften waren ‚veraltet‘.“ 9
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unter regionalen Akteuren13. Mit der Anrufung des Kaisers zu drohen, konnte die Verhandlungsbereitschaft politischer Gegner deutlich erhöhen. Ebenso diskutierten die brandenburgischen Räte in verschiedenen Situationen, den Kaiser tatsächlich einzuschalten. Die zu erwartende Verfahrensdauer, das mögliche Ergebnis sowie Rücksicht auf andere politische Konstellationen waren in den Augen der Räte wichtige Entscheidungsparameter, nicht aber ein allgemeines Interesse am Königtum oder eine grundsätzliche Abneigung14. Die Nürnberger sahen sich vor jeder Reichsversammlung gezwungen, Netzwerke von Verbündeten zu aktivieren, weil sie befürchteten, ihre Konflikte mit dem Markgrafen könnten vor dem Kaiser verhandelt werden; gleichzeitig kooperierten sie in anderen Situationen eng mit dem Herrscher15. Der kaiserliche Aufenthalt in Nürnberg 1471 führt besonders vor Augen, wie komplex das Verhältnis von räumlicher Nähe zum Herrscher und tatsächlicher „Königsnähe“ sein konnte16. Albrecht von Brandenburg bestimmte zunehmend den Zugang zum Kaiser, die Nürnberger „Königsnähe“ war hier ab einem gewissen Punkt nicht mehr als reine Äußerlichkeit, obwohl man sich räumlich höchst nah war. Die „Königsnähe“ eines Akteurs konnte somit wesentlich von Dritten beeinflusst werden. Im Falle des Konflikts um die Brauneckschen Lehen intervenierte der Kaiser – seinem Eingreifen im Stettiner Erbfolgestreit durchaus ähnlich – präzise und ausgewählt, dafür aber umso zielgerichteter und effektiv17. Andererseits konnte der Kaiser situationsbezogen selbst engste Vertraute wie den Markgrafen in der Angelegenheit der Brauneckschen Lehen in eine „königsferne“ Position bringen18. Die Situations-, Sach- und Interessengebundenheit der Beziehungen von Akteu ren im Reich zum Kaiser wird durch die Aufteilung in „königsnah“ und „königs fern“ somit nicht zutreffend abgebildet. Die Einteilung des Reiches in „königsnahe“ und „königsferne Landschaften“ erscheint damit nicht geeignet, das Verhältnis von Kaiser und Reich in dieser Zeit angemessen zu beschreiben19. 13
Siehe etwa oben S. 247, 308, 316 ff., 328 ff., 346, 356, 411, 428 ff., 445 ff., 460 ff., 464. 14 Siehe oben S. 328 f., 448, 460 ff. 15 Siehe oben S. 413 f., 441, 452, 466 ff. 16 Siehe oben D. II. 3. c), E. II. 6. und 14. 17 Siehe oben D. I. 2.–6, D. II. 3. 18 Siehe oben D. II. 4. 19 Vorsichtige Kritik am Konzept „königsnaher“ und „königsferner Landschaften“ im Mittelalter bei: Peter Hesse, Netzwerke in den Reichsbeziehungen der Stadt Köln im späten Mittelalter, in: Kommunikation und Konfliktaustragung. Verfassungskultur als Faktor politischer und gesellschaftlicher Machtverhältnisse, hg. von Werner Daum u. a. (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften 7, Berlin 2010), S. 251–263, hier S. 253. Hesse übt diese Kritik am Beispiel Kölns, das mit Moraw in einer „königsoffenen“ Region gelegen hat. Die städtische Korrespondenz mit anderen Reichsmitgliedern legt dagegen nach Hesse den Schluss nahe, dass die Stadt Köln rege Beziehungen zu anderen Akteuren im Reich sowie dem König selbst unterhielt. Bernd Schneidmüller, Reichsnähe – Königsferne. Goslar, Braunschweig und das Reich im späten Mittelalter, in: NdsJb 64 (1992), S. 1–52, entwickelt an den Beispielen Goslars und Braunschweigs neben „nur zeitweise unterbrochener und allen-
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G. Vergleiche und Folgerungen
Der Hinweis auf die zunehmende „Verdichtung“20 des Reiches löst dieses Problem nicht, denn auch diese bildet den Befund von gleichzeitig vorherrschender falls unterschiedlich dimensionierter Königsferne“ auch die „Reichsnähe im politischen Bewußtsein des spätmittelalterlichen Bürgertums“ (S. 52). Differenzierung von Moraws Konzept für die Zeit Karls IV. bei Schubert, Königsnahe Landschaft. Annas, Hoftag, 1, S. 307, nennt die Verwendung des Begriffs „Königsnähe“ „nicht ganz unproblematisch“. Kritisch zur „Etikettierung“ des Nord- und Ostseeraums als „königsfern“ oder „reichsfern“ aus der Sicht der Frühen Neuzeit North, Reich und Reichstag im 16. Jahrhundert, S. 221 f. 20 Vgl. zur „Verdichtung“ beispielsweise Moraw, Neue Ergebnisse, S. 67. Ders., Integration, S. 23–27, mit dem Hinweis auf die Dreiteilung Deutschlands je nach der jeweiligen Integration in „Reichstagsdeutschland“, „Erbländisches Deutschland“ sowie das „dritte Deutschland“, das an der Integration nicht teilgehabt habe oder habe teilnehmen können. Der Bezug dieser Aufteilung zum Modell der „königsnahen“, „königsfernen“ und „königsoffenen Landschaften“ bleibt im Einzelnen offen. Bereits in der Diskussion zu einem Vortrag auf der Tagung der Vereinigung für Verfassungsgeschichte, März 1987, äußerte sich Moraw zur „Verdichtung“: „Wenn man fragt, was vor dem Wort ‚Verdichtung‘ vorhanden gewesen sein mag für diesen Bereich und für diese Zeit, müßte man das Wort ‚Verfall‘ nennen.“ Ders., Zur Verfassungsposition der Freien Städte zwischen König und Reich, besonders im 15. Jahrhundert, in: Res publica. Bürgerschaft in Stadt und Staat (Der Staat. Beiheft 8, Berlin 1988), S. 11– 39, hier S. 48 f. Programmatisch auch der Titel „Von offener Verfassung zu gestalteter Verdichtung“ bei: Moraw, Offene Verfassung. Ebd., S. 21: „Die Titelbegriffe dieses Bandes – ‚Offene Verfassung‘ und ‚Gestaltete Verdichtung‘ – bezeichnen die Aggregatzustände des Reiches im späten Mittelalter. Die ‚Offene Verfassung‘, das Erbe der Niederlage der Staufer, ist charakterisiert durch die Beschränkung des institutionalisierten Moments auf ein Minimum, die Teilhabe sehr weniger Personen am Kräftespiel des Gesamtreiches und den sehr geringen Umfang der Verpflichtungen der Reichsglieder. Die ‚Gestaltete Verdichtung‘, ein Ergebnis neuartiger Herausforderungen am Ende des Mittelalters, meint einerseits den Aufstieg und die Durchformung der habsburgischen Großdynastie und andererseits die Einrichtung des institutionalisierten Dualismus der Reichsstände, der im Reichstag gipfelte; Großdynastie und Stände waren nun aufeinander angewiesen. ‚Offene Verfassung‘ und ‚Gestaltete Verdichtung‘ waren durch das Phänomen des Wandels der Verfassung miteinander verbunden; als ihr Hauptproblem kann jeweils die Vielzahl der Machtträger im Reich gelten.“ Zu den Problemen der zeitlichen Eingrenzung der Verdichtungsphase insgesamt siehe außerdem oben S. 25 f., S. 39, Anm. 95. Schneidmüller, Konsensuale Herrschaft, S. 85, stellt fest: „Greift man das von Peter Moraw geschaffene Begriffssystem auf, so möchte man schon in der ‚offenen Verfassung‘ des Hochmittelalters zukunftsweisende ‚Verdichtungsvorgänge‘ postulieren.“ Sabine Wefers, Rez. zu: Oliver Auge, Handlungsspielräume fürstlicher Politik im Mittelalter. Der südliche Ostseeraum von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in die frühe Reformationszeit (Mittelalter-Forschungen 28, Ostfildern 2009), in: JGMODtl 57 (2011), S. 332–335, hier S. 334 f., stellt fest, dass bislang wenig erforscht sei, was genau unter „Verdichtung“ zu verstehen sei. Kritisch außerdem: Jean-Philippe Genêt, État, État moderne, féodalisme d’état: quelques éclaircissements, in: Europa e Italia. Studi in onore di Giorgio Chittolini (Reti Medievali E-Book 15, Florenz 2011), S. 195–206. Genêt betont unter anderem im Hinblick auf Moraws Verdichtungsthese: „Simplement, ce constat ne nous aide guère à caractériser ou à différencier les structures de ces états: dire qu’il y a plus de gouvernance dans la Pologne comme dans la France du XVe siècle (et par rapport à quoi?), en dépit des crises et des bouleversements que connaissent ces deux royaumes, ne permet pas de dire en quoi leurs structures diffèrent. De plus, si l’on suivait cette voie, le problème épineux des seuils se poserait: si l’on s’en tenait à ce seul critère (ce qui ni Moraw ni Watts ne font) à partir de combien d’officiers, par exemple, peut-on commencer à parler d’administration ou de bureau cratie?“ Genêt betont die Nähe von Moraws Modell zu Max Weber. Ähnlich wie Moraw
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„Königsnähe“ und „Königsferne“ nicht ab; daraus gehen außerdem die Faktoren, von denen „Königsnähe“ und „Königsferne“ in der Praxis abhingen, nicht hervor. Aber auch eine Ergänzung des Morawschen Modells und der diesem zugrunde liegenden Methoden durch die quantitative Betrachtung der Urkundenstreuung im Raum sowie durch die Einbeziehung des Herrscheritinerars beheben die Mängel nicht, denn so werden weder die Verbindungen zwischen Kaiser und Reich inhaltlich gewichtet noch werden die informellen gegenseitigen Einflussnahmen hinreichend gewürdigt. Ebenso wenig werden durch diesen Ansatz die Effizienz kaiserlichen Wirkens deutlich sowie die Bedeutung des Kaisers als regionale Instanz, ohne dass ein sichtbarer direkter Kontakt zwischen „Zentralgewalt“ und Region zu rekonstruieren ist. Somit ist das Verhältnis von Kaiser und Reich aus der Gov ernance-Perspektive beziehungsweise anhand politischer Netzwerke in anderer Weise zu beschreiben. 2. Kaiser und Reich Aufbauend auf den Einsichten über die Wirksamkeit des Kaisers im Raum und über das Interesse der Reichsmitglieder an ihm ist die Stellung des Kaisers in der Verfassung des Reiches zu betrachten. Wenn Moraw nach den „Hauptelement[en] der Kontinuität und Kohärenz des Reiches“ fragte, benannte er drei „Faktorenbündel“: erstens das „politische und Verfassungshandeln“ des Kaisers, zweitens ein „vielleicht naives Vertrauen in Recht und Gerechtigkeit, die durch den König / Kaiser verwirklicht werden sollten und jedenfalls in ihm verkörpert waren“ und drit-
auch: Watts, Making of Polities, S. 420. Wim Blockmans, Cities, networks and territories. North-central Italy and the Low Countries reconsidered, in: Europa e Italia. Studi in onore di Giorgio Chittolini (Reti Medievali E-Book 15, Florenz 2011), S. 43–54, hier S. 43, stellt in diesem Zusammenhang fest: „Grand theories such as the always fascinating insights formulated by Max Weber, describe long-term processes such as secularization, bureaucratization and state formation. Such approaches are surely helpful to discern major tendencies, but reality is always far more complex and diverse than a handful ideal types.“ Oliver Auge, Reichsverdichtung und kulturelle Aneignung an der Peripherie. Die Fürsten im Nordosten des Reiches und Maximilian, in: Maximilian I. (1459–1519). Wahrnehmung – Übersetzungen – Gender, hg. von Heinz Noflatscher / Michael A. Chisholm / Bertrand Schnerb (Innsbrucker Historische Studien 27, Innsbruck 2011), S. 191–222, hier S. 191, plädiert für eine Verwendung des Begriffs „Reichsverdichtung“ nicht nur für „verfassungs- und rechtsgeschichtlichen Wandel“, sondern auch für „kulturgeschichtliche Entwicklungen und Phänomene.“ Vgl. ferner Berndt Hamm, Das Gewicht von Religion, Glaube, Frömmigkeit und Theologie innerhalb der Verdichtungsvorgänge des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung in der Frühen Neuzeit – Crisis in Early Modern Europe. FS Hans-Christoph Rublack, hg. von Monika Hagemaier / Sabine Holtz (Frankfurt a. M. 1992), S. 163–196, hier S. 163 f., der den Begriff der „Verdichtung“ auf den religiösen Bereich ausweitet. Ebenso: Normative Zentrierung, hg. von Rudolf Suntrup / Jan Veenstra (Medieval to early modern culture 2, Frankfurt a. M. u. a. 2002), insbesondere die Einführung, S. 9–17, hier S. 10 f.
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tens einen „deutschen Grundkonsens“21. An anderer Stelle ergänzte er sein Modell um die Existenz einer Gruppe einiger „wichtiger Systemführer“, deren Interessen weiter ausgegriffen hätten22. Betrachtet man das kaiserliche Handeln in verschiedenen Netzwerken auf unterschiedlichen Ebenen des Reiches, so ist vor allem eine zentrale Ordnungsfunktion zu erkennen, die der Kaiser von der Reichspolitik bis hinein in regionale und lokale Zusammenhänge besaß. Wenn er in regionalen und lokalen Kontexten mitbedacht, wenn mit ihm argumentiert wurde, muss auch zumindest prinzipiell die Möglichkeit der Intervention, wenigstens per Verleihung von Rechtsdokumenten bestanden haben. Die kaiserliche Gewalt regte somit regionales politisches Handeln allein durch ihre Existenz und ohne ihre tatsächliche Einmischung an. Interessenkonstellationen, absehbare Verfahrensdauer und herrscherliche Willkür beziehungsweise das zu erwartende Ergebnis etwa waren Kriterien, die regional Handelnde in ihre Bewertung einbezogen23. Daneben konnten dezentrale Netzwerke durch kaiserliche Intervention geschaffen werden, und zwar punktuell und gezielt. Das Beispiel des Stettiner Erbfolgestreites verdeutlicht, wie sehr die Steuerung der Einigung durch den Kaiser an Formen moderner Governance zwischen hierarchischen und hierarchiearmen Strukturen erinnert24: Der „Schatten der Hierarchie“, also das Bestehen eines ernsthaften Drohpotentials in einer tendenziell nicht hierarchischen Struktur, zwingt gleichberechtigte Partner zur Einigung und macht alternative GovernanceLenkungsformen erst möglich25. Ein Mittel, die Wirksamkeit beziehungsweise 21 Peter Moraw, Die Funktion von Einungen und Bünden im spätmittelalterlichen Reich, in: Alternativen zur Reichsverfassung in der Frühen Neuzeit?, hg. von Volker Press, nach dem Tod des Herausgebers bearb. von Dieter Stievermann (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien 23, München 1995), S. 1–21, hier S. 7 f. Ders., Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 468 f. Moraw ordnet die Frage nach dem Grundkonsens, seinem Modell entsprechend, der Problematik von Kontinuität und Kohärenz zu. Fester Bestandteil dieses Grundkonsenses sei „die Christlichkeit des Reiches“ gewesen, ebd., S. 470. Hierzu auch ders., Vom deutschen Zusammenhalt in älterer Zeit, in: Identität und Geschichte, hg. von Matthias Werner (Jenaer Beiträge zur Geschichte 1, Weimar 1997), S. 27–59. Zur Konkretisierung des „Grundkonsenses“ anhand von Schriften deutscher Gelehrter des 14. Jahrhunderts vgl. Karl Ubl, Die Rechte des Kaisers in der Theorie deutscher Gelehrter des 14. Jahrhunderts (Engelbert von Admont, Lupold von Bebenburg, Konrad von Megenberg), in: Konrad von Megenberg (1309–1374) und sein Werk. Das Wissen der Zeit, hg. von Claudia Märtl / Gisela Drossbach / Martin Kintzinger (ZBLG. Beihefte. Reihe B 31, München 2006), S. 353–387, hier S. 355 f. Zum Einfluss theoretischer Konzepte auf das politische Handeln sowie die Vorstellungen der Handelnden siehe ferner unten S. 547 ff. 22 Moraw, Wesenszüge, S. 150, sagt hierzu: „Das ‚politische Konzert‘ dieser Vormächte [gemeint ist eine Gruppe für die Reichspolitik entscheidender ‚Systemführer‘], deren Interessen weiter ausgriffen als die Interessen der vielen lokal beschränkten Kleinen, hielt das Reich neben den Ansprüchen und Aktionen des Königs und neben einem allgemeinen Konsens zusammen.“ 23 Siehe hierzu näher oben S. 139 f., 328, 446 f., 460 f. 24 Siehe oben D. I. 25 Vgl. Zürn, Governance in einer sich wandelnden Welt, S. 565–567.
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die Erfolgsaussichten kaiserlicher Interventionen zu steigern, war die Häufung verschiedener Konfliktlösungsansätze. Mit Kommissionen, Beistandsaufrufen oder auch indirekter Auswahl von Vermittlern durch Nicht-Aufruf zum Beistand ist nur ein Teil kaiserlicher Interventionsmöglichkeiten in regionale und lokale Zusammenhänge, ja eigentlich politische Prozesse insgesamt, genannt26. Ebenso wichtig waren auch andere „weiche“ Steuerungsformen wie Argumente, Symbole sowie Rituale27. So bat Kaiser Friedrich III. Kurfürst Albrecht von Brandenburg, auf König Christian von Dänemark einzuwirken und ihn auf seine Pflichten als Reichsfürst hinzuweisen28. Außerdem konnte die Aussicht auf einen Adventus für einen Reichsfürsten steuernde Wirkung haben29. In den Netzwerken in Franken um die Reichsstadt Nürnberg und Albrecht von Brandenburg wirkte der Kaiser stabilisierend, und zwar durch die Einsetzung von Kommissaren und – seiner Rolle im Stettiner Erbfolgestreit durchaus vergleichbar – über die Steuerung weiterer Formen des Konfliktaustrags30. Damit wurde weniger eine Konfliktlösung begünstigt, als stärker ein von ständigen kleineren Auseinandersetzungen geprägtes Netzwerk verstetigt. Auch zur Wahrung des Landfriedens – man denke an Wilhelm Zaunrüde – intervenierte der Kaiser in regionale Zusammenhänge31. Auch wenn sich seine Intervention als wirkungslos erwies, bemühte er sich zumindest, die effizienteren regionalen Netzwerkakteure zu unterstützen; beachtlich ist die Geschwindigkeit, mit der die kaiserliche Macht hier reagieren konnte. In diesem Zusammenhang trat der Kaiser nicht zuletzt als Kooperationspartner und weniger als hierarchisch übergeordnete Instanz auf. Die Landfriedensgesetzgebung des Kaisers kann aus der Perspektive der Regionen deshalb auch als ein Netzwerkarrangement gelesen werden, das zwischen dezentralen und zentralen, hierarchischen und hierarchiearmen Elementen wechselt. Umgekehrt waren regionale und lokale Akteure vom Kaiser abhängig, denn er war für sie unter bestimmten Voraussetzungen erwünschter Ordnungsstifter, nur bei ihm konnten wichtige, die regionalen Verhältnisse ordnende und Rechte sichernde Dokumente erwirkt werden32. Damit hatte der Kaiser eine Ordnung stiftende Rolle, die über die von Moraw benannten „Funktionsbündel“ hinausgeht und für die Kohärenz und die Kontinuität des Reiches entscheidend war. Dieses ge 26
Siehe etwa oben S. 132 ff., 222 ff., 226 ff., 268 ff., 275 ff., 281 ff., 379 ff., 449 ff. Siehe etwa oben S. 98 ff., 151, 195 f., 417 ff., 423, 457 f. Vgl. Göhler, Weiche Steuerung, S. 88, 98–105. Siehe hierzu näher auch unten G. III. 1. b). Zum Wechsel zwischen verschiedenen Öffentlichkeitsstufen und Kommunikationsebenen als kaiserliche Steuerungsmöglichkeit siehe oben etwa S. 470, außerdem allgemeiner unten G. VI. 1. 28 Siehe oben S. 180. 29 Siehe oben S. 151, 196, ferner auch S. 423, Anm. 188; unten S. 554 f., 583 f. 30 Siehe etwa oben S. 132 ff., 222 ff., 226 ff., 277 ff., 441 f., 457 ff., 470 f. 31 Siehe oben D. IV. 4. und D. IV. 6. c), d). 32 Siehe beispielsweise oben C. I. 1. und 2., D. I., D. II. 3., D. III. 3., D. IV. 6. d), E. II. 6), E. II. 11. a), b) und d). 27
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genseitige Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kaiser und den Mitgliedern des Reiches lässt im Übrigen erahnen, warum in den Diskussionen um die sogenannte Reichsreform die Existenz des Königtums nicht prinzipiell infrage gestellt wurde. Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage, ob „die deutsche Monarchie […] stets überfordert“ war, wie Moraw meinte, „denn ihre Machtmittel waren bescheiden im Vergleich zu den Leistungen, die schon die Zeitgenossen von ihr gefordert haben“, und „als Machtinstanz war der König gleich welcher Dynastie überfordert, wenn er dem Reich gegenübertrat.“33 Angesichts der hier gewonnenen Ergebnisse ist dieses Urteil wohl zu differenzieren und im Einzelnen zu relativieren. Sicherlich war der König überfordert, ein allgemeines Gewaltmonopol durchzusetzen; allerdings liegt nahe, dass in vielen Fällen der Anspruch des Kaisers überhaupt nicht so weit ging und dass er sich vielfach solcher Formen des Regierens bediente, die nur am modernen Anstaltsstaat gemessen als rückständig erscheinen. Hier ist beispielhaft das Kommissionswesen zu nennen. Wenn – an modernen Kriterien einer Untersuchungskommission gemessen – die mangelnde Eignung der Kommissare oder die fehlende Objektivität der ausgewählten Kommissare bemängelt wird34, so bleiben die komplexen Netzwerkstrukturen, in die die Kommissare eingebunden waren, unberücksichtigt, wie die Analyse des Stettiner Erbfolgestreits zeigt35. So gesehen erscheint der solchen Bewertungen zugrunde liegende Maßstab eher fragwürdig. Geht man dagegen vom Ziel aus, Probleme und Konflikte zu lösen sowie möglichst effiziente Strukturen zu schaffen, so erweist sich das politische Handeln Kaiser Friedrichs III. als bisweilen äußerst strukturiert und an den sich bietenden Herausforderungen orientiert. Anderes, das als „Überforderung“ ausgelegt werden könnte, etwa das Auftreten verschiedener, aber zeitgleich zu entscheidender politischer Fragen an unterschiedlichen Orten begegnet auch in anderen politischen Netzwerken bei manchen Fürsten und ist damit wohl weniger ein Kennzeichen der königlichen Herrschaft als vielmehr des politischen Handelns der Zeit, ja sogar bis heute36. Das Reich war bekanntlich kein homogenes Gebilde, sondern die Regionen wiesen Eigenheiten auf. Wenn also der Kaiser in verschiedenen Regionen des Reiches unterschiedliche politische Mittel anwendete, unterschiedliche Strategien verfolgte und ebenso unterschiedlich ausgeprägte Interessen hatte, so war das wohl weniger Ausdruck von „Überforderung“ oder „Unterentwicklung“, als vielmehr Beleg für die flexible Anpassung des Reichsoberhauptes an das Wesen des Reiches als vielgestaltiges Gebilde. Voraussetzung für dieses Handeln war das Wissen um
33
Moraw, Offene Verfassung, S. 155. Vgl. auch ders., Reichsstadt, S. 387. Mitsch, Schlichtungskommissionen, S. 18–21. 35 Siehe oben D. I. 4. Außerdem oben B. III. 2., D. I. 2., D. II. 3. c), E. II. 3. b), E. II. 9. Ferner auch S. 458. 36 Siehe etwa unten G. II. 3., G. II. 4. b), G. II. 5. b). 34
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die vielfältigen Netzwerkkonstellationen von lokalen über regionale Zusammenhänge bis hinein in die Außenpolitik37. Das Bild von der „Überforderung“ wurde lange Zeit von der Forschung für Kaiser Friedrich III. im Speziellen noch durch seine Charaktereigenschaften, insbesondere seine vermeintliche Trägheit, ja fast schon Lethargie, angereichert. Hier aber konnte gezeigt werden, wie effektiv und effizient sein Handeln bisweilen sein konnte. Umgekehrt ist nicht zu leugnen, dass den politisch Handelnden eine gewisse Unberechenbarkeit bei den Entscheidungen Kaiser Friedrichs III. ebenso wie die Langwierigkeit seiner Entscheidungsfindung bekannt war38. Genau dies aber bewirkte nicht unbedingt politischen Stillstand oder gar Anarchie, sondern vor allem eine Anpassung regionaler Netzwerke, wie das Beispiel Frankens gezeigt hat39. Das Königtum erweist sich somit, wenn überhaupt, nur am modernen Zentralstaat gemessen als schwach, unter der Perspektive von Governance und politischen Netzwerken hingegen erscheint königliches Handeln als erheblich pragmatischer, bisweilen sehr effizient. 3. Zu Institutionalisierung und Ausbildung von Reichsorganen sowie „dualistischer Reichsverfassung“ Moraws Interesse galt unter anderem der Frage, wie sich die Institutionen von reichspolitischer Bedeutung, zum Beispiel der Reichstag, insbesondere im 15. Jahrhundert herausbildeten und festigten, sodass sie am Ende dieses Jahrhunderts als feste Institutionen entgegentreten40. Im Falle des werdenden Reichstages stellte Moraw fest, dass vom Ausgang des 14. Jahrhunderts bis fast zum Ende des 15. Jahrhunderts „mit einem ungleichmäßigen Nebeneinander oder auch mit einem ‚Ringen‘ der beiden idealtypisch gesteigerten Hauptprinzipien des ‚Hoftages‘, den der König zu behaupten versuchte, und des ‚Königslosen Tages‘ zu rechnen“ sei41. „Der Reichstag – das waren zunächst die Kurfürsten“42, fuhr Moraw fort und entwickelte die Vorstellung, dass um einen Teil von ihnen als Kerngruppe sich an 37
Siehe hierzu etwa oben S. 224 f., 227 f., Anm. 44 sowie D. IV. 4., 6. b), c), außerdem unten S. 541 f. sowie G. III. 4., 5., G. IV. 1. und 2. 38 Siehe etwa oben S. 448, 460 f. Ferner auch oben S. 176 f. 39 Siehe etwa oben S. 448. 40 Vgl. Moraw, Versuch, passim. 41 Ebd., S. 225. Vgl. auch: Maximilian Lanzinner, Einleitung, in: Der Reichstag 1486–1613: Kommunikation – Wahrnehmung – Öffentlichkeiten, hg. von dems./Arno Strohmeyer (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 73, Göttingen 2006), S. 9–25, hier S. 11 f., mit Definitionen zu Hoftag und Gemeiner Tag. 42 Moraw, Versuch, S. 230. Außerdem: Thomas Michael Martin, Auf dem Weg zum Reichstag. Studien zum Wandel der deutschen Zentralgewalt 1314–1410 (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 44, Göttingen 1993), S. 175: „Die Formierung des Kurkollegs erfolgte in mehreren Stadien und kam erst im frühen 15. Jahrhundert zum Abschluß.“
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dere Reichsfürsten sowie die Städte allmählich gruppierten, die dann im späteren 15. Jahrhundert eine Handlungseinheit bildeten43. Jüngere Forschungen bauen auf dieser Vorstellung auf und erkennen im Sinne der Morawschen Modernisierungsthese zwei Beschleunigungsphasen auf dem Wege zum modernen Reichstag, deren erste mit dem Großen Regensburger Christentag von 1471 begonnen und deren zweite mit dem Frankfurter Reichstag von 1486 ihren Ausgang genommen habe44. Nun zeigte sich aber in dieser Studie, dass die Kerngruppe des sich bildenden Reichstages am Beginn der entscheidenden Verdichtungsphase überhaupt nicht als institutionalisierte Gruppe oder auch nur als Teil einer solchen hervortrat45. So ist zu fragen, ob der Institutionalisierungsprozess der Teilgruppen in dieser Zeit bereits abgeschlossen war oder ob es überhaupt eine einheitliche Institutionalisierung gab. Aus Sicht der frühneuzeitlichen Reichstagsforschung wird darauf hingewiesen, dass auch unter Maximilian noch „Gemeiner Tag“ und „Hoftag“ fortlebten, ebenso waren noch bis in das zweite Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts hinein weder der Kreis der Verhandlungsberechtigten oder der Geladenen bei Reichs versammlungen festgelegt noch ein normierter Geschäftsgang oder das Gebot der Schriftlichkeit etabliert46. Wenn Ehm47 auf der Grundlage älterer Arbeiten das zunehmende Selbst bewusstsein der Kurfürsten für das Einfordern von Beteiligung an den Verhandlungen in Trier verantwortlich macht, so trifft dies nur teilweise zu. Denn wie ist die zunehmende Institutionalisierung des „Dualismus“ innerhalb der Reichsverfassung mit dem Befund zu vereinbaren, dass der größte Institutionalisierungsgrad innerhalb der Netzwerke von reichspolitischer Dimension zwischen einem Kurfürsten und dem Kaiser selbst bestand? Warum war dann die Gruppe der Kurfürsten um 1470 im Grunde eine Ansammlung mehr oder weniger legitimierter, aber in vielen Dingen doch nicht solidarischer Akteure? Ein „Dualismus“ zwischen „Zentralgewalt“ und „Partikularinteressen“ beziehungsweise den „Ständen“ kann in dieser Phase nur schwer beobachtet werden. Möglicherweise fand die institutionelle Verfestigung als geradliniger Verlauf in der von der Forschung dargestellten Weise gar nicht statt48. Auch unter den „Sys 43
Moraw, Offene Verfassung, S. 178–180, 416–421. Reinhard Seyboth, Die Reichstage der 1480er Jahre, in: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. von Peter Moraw (VuF 48, Stuttgart 2002), S. 519– 546, hier S. 520. Vgl. zur jüngeren Forschung zusammenfassend auch: Joachim Ehlers / Bernd Schneidmüller, Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter. Zusammenfassung, in: ebd., S. 581–613, insbesondere S. 607. Für die Zeit bis 1471: Annas, Hoftag, 1. Die Probleme der Reichstagsforschung aus neuzeitlicher Perspektive betrachtet: Lanzinner, Einleitung, S. 10 f. 45 Zur Verdichtung siehe näher oben S. 25 f., 39, Anm. 95, S. 500 f., Anm. 20. 46 Lanzinner, Einleitung, S. 12. 47 Ehm, Burgund und das Reich, S. 174–182. 48 Vgl. zum Dualismus auch Schubert, König und Reich, S. 297–322, zum Reichstag: S. 323–349. Moraw, Offene Verfassung, S. 179. Krieger, König, Reich und Reichsreform, S. 59, 103 f. 44
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temführern“, von denen nach Moraw eine „polarisierende Wirkung“ ausgegangen sei49, ist dieser Dualismus um 1470 nicht zu erkennen. Damit fehlen wesentliche Elemente, die eine geradlinige Modernisierungs-, Institutionalisierungs- und Verdichtungserzählung ermöglichen50. Vielmehr ergeben sich ganz unterschiedliche Zusammensetzungen von Kooperationsnetzwerken zwischen Kaiser und Reichsfürsten; dies wird an der Personenbeziehung zwischen Albrecht von Brandenburg, also einem der „Systemführer“, und Kaiser Friedrich III. besonders anschaulich. So eng sie etwa in der meisten Zeit des Untersuchungszeitraums miteinander kooperierten, so gegensätzlich agierten sie im Vorfeld der Verurteilung Friedrichs des Siegreichen51. Letzterer selbst ist ein Beispiel dafür, dass sich die Kurfürsten und der Kaiser nicht in einem echten Dualismus gegenüberstanden. So gesehen dürfte prinzipiell von einem echten Dualismus mit Schubert wohl erst unter Maximilian zu sprechen sein – zumindest aber nicht zwischen 1470 und 147552. Nimmt man dagegen Politiknetzwerke in den Blick, dann zeigt sich Institutionalisierung als eine Kombination aus Verfestigung von Tauschbeziehungen einerseits und zunehmender Formalisierung von Abläufen des Interessenausgleichs im Wege von Politiknetzwerken andererseits mit der Perspektive allmählicher Verfestigung. In der Praxis erscheinen die Bindungen zwischen Albrecht von Brandenburg, Adolf von Mainz und Kaiser Friedrich III. als besonders stark institutionalisiert und dauerhaft verfestigt, während das Kurfürstenkollegium als Einheit der sieben, wenn überhaupt, nur gelegentlich als Handlungseinheit auftrat53. Die Praxis stimmte mit der durch schriftliche Normen festgehaltenen Ordnung nicht oder nur teilweise überein. Auch die von der Forschung hervorgehobene Gruppe der „rheinischen Kurfürsten“ hat sich in der politischen Praxis um 1470 als wenig verfestigt gezeigt54. Bei der Ausbildung der „Reichsorgane“ sollte neben dem Blick auf ein Hin und Her verschiedener „Tage“ und Versammlungen vielleicht eher die Institutionalisierung von Politiknetzwerken stärker berücksichtigt werden. Erst wenn die beobach-
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Moraw, Fragen der deutschen Verfassungsgeschichte, S. 63 f. Moraw, Zentrale und dezentrale Machtgefüge, S. 118. 50 Vgl. zur „Staatsbildung“ als Modernisierung: Reinhard, Modernisierung. Freist, Ein leitung, S. 9 f. Zur Frage nach der Tragfähigkeit der „Modernisierungserzählung“ zur Beschreibung der Ausbildung von „Staatlichkeit“ auf der Ebene der Territorien siehe unten G. II. 3.–6. Zu den Konsequenzen, die sich daraus für die Konstruktion von Epochengrenzen ergeben, siehe unten S. 545 f., Anm. 273. 51 Siehe oben E. II. 11. c). 52 Schubert, König und Reich, S. 14–21; zu den hier relevanten Ergebnissen insbesondere S. 254–276 („Kaiser und Reich“) sowie S. 276–296 („Staatsgedanke und Staatsentwicklung zwischen König und Reich“) und S. 297–322 („Königtum und Fürstenmacht“). 53 Siehe oben B., insbesondere S. 98 ff., 116 f., 123 f., 158. 54 Siehe oben B., insbesondere S. 97 f., 111 ff., 125 ff., 143 ff., 155 ff.
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teten Strukturen der Politiknetzwerke mit Institutionen im klassischen Sinne kongruent sind, also tatsächliche und gedachte Ordnung übereinstimmen, kann von „Organen“ in modernem Sinne, beziehungsweise „Institutionen“ im klassischen Sinne gesprochen werden55. Triebkräfte des Institutionalisierungsprozesses werden so wohl nicht zuletzt im Einwirken Albrechts von Brandenburg auf Reichsfürsten und Reichsstädte, mit denen er in seinen Netzwerken verbunden war, sowohl in informell-infor matorischer Hinsicht als auch im Hinblick auf deren Teilnahme an Reichsversammlungen zu suchen sein56. Die Mobilisierungsanstrengungen Einzelner, die sich vor allem in politischer Kommunikation niederschlugen, führten erst zu Momenten starker Verdichtung, wie es Reichsversammlungen waren57. In diesem Zusammenhang sind etwa auch die Nürnberger zu nennen, die bei bevorstehenden Reichsversammlungen ihre Partner zu mobilisieren versuchten – gewiss aus eigenen beziehungsweise regionalen Interessen und nicht im Bewusstsein von Dualismus oder Reichsverfassung58. 4. „Dezentrale Machtgefüge“ und „interterritoriale Systeme“ Steigt man in Moraws Modell ein „Stockwerk“59 tiefer, in die von ihm so bezeichneten „dezentralen Machtgefüge“, so ergeben sich aus dem bereits Festgestellten weitere Konsequenzen. Moraw bemerkte, dass „dem spätmittelalterlichen
55
Siehe oben S. 67 sowie F. I. 4. Ferner van Waarden, Policy networks, S. 29–31. Siehe etwa oben S. 136 ff., 413 f., 441, 452. 57 Anregend in diesem Zusammenhang, gleichwohl mit anderer Zielsetzung: Rolf Kießling, Kommunikation und Region in der Vormoderne. Eine Einführung, in: Kommunikation und Region, hg. von Carl A. Hoffmann / Rolf Kießling (Forum Suevicum 4, Konstanz 2001), S. 11–39, hier S. 26. Dorothea A. Christ, Stabilisierende Konflikte und verbindende Abgrenzungen. Die Eidgenossen und ihre Bündnisse im Spätmittelalter, in: Kommunikation und Region, hg. von Carl A. Hoffmann / Rolf Kießling (Forum Suevicum 4, Konstanz 2001), S. 139–161, zur Entstehung der Schweiz als „Netz von Bündnissen“ beziehungsweise „kommunikatives System.“ Ferner aus der Sicht der Verwaltungsgeschichte Birgit Emich, Die Formalisierung des Informellen. Ein Beitrag zur Verwaltungsgeschichte der Frühen Neuzeit, in: Der wiederkehrende Leviathan. Staatlichkeit und Staatswerdung in Spätantike und Früher Neuzeit, hg. von Peter Eich / Sebastian Schmidt-Hofner / Christian Wieland (Heidelberg 2011), S. 81–95. Vorher bereits: dies., Die Formalisierung des Informellen: Der Fall Rom, in: Informelle Strukturen bei Hof. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes, hg. von Reinhardt Butz / Jan Hirschbiegel (Vita curialis. Formen und Wandel höfischer Herrschaft 2, Berlin 2009), S. 149–156. Ein Perspektivwechsel, sozusagen von außen auf den Reichstag zu blicken, wie bei Lanzinner, Einleitung, S. 15 f., gefordert, reicht so weit nicht. Lanzinner beschreibt indes, wie sehr der Blick der Reichstagsforschung durch die Edition der Reichstagsakten bislang auf politik- und verfassungshistorische Fragestellungen verengt war. 58 Siehe oben S. 413 f., 441, 452. 59 Moraw, Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 89. Ders., Landes geschichte und Reichsgeschichte, S. 177. 56
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Deutschland […] Handeln aus der Nähe gemäß“ gewesen sei60. Im Übrigen habe eine hierarchische Strukturierung zwischen den „dezentralen“ und den „zentralen Machtgefügen“ bestanden61. Hegemonialmächte seien diejenigen wenigen Fürsten gewesen, die auch in die oberen „Etagen“ der Reichspolitik hinein drangen. Die weite Überzahl der Fürsten habe sich aber nicht „selbständig zu regen vermocht“62. Die hier behandelten Beispiele zeigen allerdings, dass die „Kleinen“63 entgegen dieser Vorstellung sehr wohl Spielräume zu politischem Handeln be saßen64; beispielhaft genannt seien die Herzöge von Pommern-Wolgast, die Herzöge von Mecklenburg, die Bischöfe von Bamberg und Würzburg oder auch die Reichsstadt Dinkelsbühl ebenso wie Otto von Pfalz-Mosbach65. Ebenso scheinen die „dezentralen Machtgefüge“ horizontal weitaus stärker miteinander verbunden gewesen zu sein als gedacht. Bayern-Franken-Böhmen be ziehungsweise Ungarn (Zaunrüde), Brandenburg-Sachsen-Franken, Bayern-Sachsen-Franken – die zu beobachtenden „Machtgefüge“ sind vielfältig. Aus der Perspektive politischer Netzwerke wird deutlich, dass solche Einheiten sich viel stärker sach- und interessenbezogen formten. Zur Lösung des Stettiner Erbfolgestreits gab es ein „Machtgefüge“ Brandenburg-Pommern-Mecklenburg, und dieses war auch interdynastisch verflochten66; in anderen Zusammenhängen gestalteten sich die Verbindungen allerdings vollkommen anders. Auch Wilhelm Zaunrüde etwa war ein „interterritoriales Problem“ – auch hier ergaben sich neue Machtkonstellationen für den Einzelfall67. Herzog Wilhelm von Sachsen vernetzte die Mark Brandenburg mit den fränkischen Territorien68. Bei der Frage der Reaktion auf den Geleitstreit zu Heideck erkundigte er sich beim brandenburgischen Kurfürsten, wie die fränkische Angelegenheit mit den märkischen Verhältnissen sowie mit dem Stettiner Erbfolgestreit in Abhängigkeit stehe69. Familienmitglieder der Herzöge von Sachsen verbanden außerdem Konfliktpartner in Franken miteinander und wurden indirekt in die Argumentation politischer Freundschaft von
60 Ders., Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 471. Ders., Zentrale und dezentrale Machtgefüge, S. 119. 61 Ders., Regionen und Reich, S. 22–26. 62 Ders., Fürstentum, Königtum und Reichsreform, S. 123. 63 Ders., Wesenszüge, S. 150. 64 Zu diesem Ergebnis kommt auch Auge, Handlungsspielräume, S. 357. 65 Siehe oben D. und E. 66 Moraw, Regionen und Reich, S. 22–26. Ders., Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 89. Ders., Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 19; ders., Brandenburg im späten Mittelalter (2000), S. 88 f. Es ging Moraw um „Räume mittlerer Größe – in mehreren Tagen beritten durchquerbar.“ Dies sei „der natürliche Erfahrungs- und Handlungsraum des kontinentalen europäischen Mittelalters.“ Die 14 abgegrenzten politischen Landschaften sollten „in hohem Maß politisch selbsttragend und selbstregelnd beschaffen sein. Sie bedurften weiträumigen Denkens nur selten.“ 67 Siehe oben D. IV. 2.–6. 68 Siehe etwa oben S. 314 ff., 322 f., 336 f. 69 Siehe oben S. 316 f.
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regional-fränkischen Partnern einbezogen70. Ebenso hatte der Kampf gegen Karl den Kühnen zeitweise Auswirkungen auf die regional-fränkischen Konflikte71. Albrecht von Brandenburg bezog außerdem bei seiner Bewertung der politischen Lage in Franken und im Zusammenhang mit den bayerischen Nachbarn immer wieder auch die Oberpfalz ein; so hing die Kriegsgefahr in Franken in seinen Augen nicht zuletzt von der Fähigkeit Friedrichs des Siegreichen ab, militärisches Potential von der Pfalzgrafschaft in die Oberpfalz zu überführen – Franken, Bayern sowie die Pfalzgrafschaft wurden hier vernetzt betrachtet72. Ein anderes Beispiel ist der Knecht Hans Luft, der die bayerischen und fränkischen Territorien informatorisch verband73. Auch die markgräfliche Verwaltung musste Territorien übergreifend denken, wie nicht zuletzt ihre Betrachtung in den markgräflich-bayerischen Auseinandersetzungen gezeigt hat74. Die Reichsstadt Nürnberg aktivierte in ihrer Sorge vor Verhandlungen ihrer regional-fränkischen Angelegenheiten mit dem Markgrafen andere Städte wie Köln, Straßburg oder Basel75; diese hatten jedoch mit den regionalen fränkischen Zusammenhängen nichts zu tun. So sollten vom Handlungshorizont weniger ein festes und unveränderliches „Machtgefüge“ definiert, sondern für einen Gegenstand, für die Lösung eines Konflikts, einer Sachfrage oder ähnlichem immer wieder die jeweiligen Politiknetzwerke und eingesetzten Formen von Governance neu bestimmt werden. Die hier angeführten Beispiele lassen somit deutlich werden, dass Moraws Bewertung vom „Handeln aus der Nähe“ als Regelfall für die Zeit um 1470 als eher fragwürdig zu bezeichnen ist. Nach Moraw hätten die „dezentralen Machtgefüge“ „das politische Leben friedlich oder im Konflikt im wesentlichen so [geordnet], daß ein Eingreifen von außen, auch des Königs (wenn er nicht mit seinen Erbländern und mit den königsnahen Landschaften selbst Angehöriger oder direkter Nachbar der Region war), normalerweise nicht benötigt wurde“76. Diese Studie kommt für die Rolle des Kaisers in regionalen Zusammenhängen zu anderen Ergebnissen. Selbst in Fragen wie der des „Raubritters“ Zaunrüde intervenierte der Kaiser sehr schnell, in die regional-fränkischen Netzwerke griff er ebenso ein wie in Konflikte um Brandenburg und Pommern, gleichermaßen in Dithmarschen oder auch in die Netzwerke im Osten sowie in Bayern77. Die Perspektive politischer Netzwerke trägt diesem Umstand besser Rechnung, indem sie regelmäßig den König als Akteur zumindest theoretisch auch in regionalen Netzwerken annimmt. Die Tatsache, dass allein 70
Siehe oben S. 460. Siehe oben S. 466 f. 72 Siehe oben S. 428, 436, 440. 73 Siehe oben S. 338, 376, 438. Siehe auch unten S. 541, 566. 74 Siehe etwa oben D. III., IV. 75 Siehe etwa oben S. 413 f., 441, 452. 76 Moraw, Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 19. Ders., Brandenburg im späten Mittelalter (2000), S. 88 f. 77 Siehe etwa oben S. 145 ff., 167 f., 222 ff., 268 ff., 277 ff., 379 f., 415 ff., 458 ff., 470. 71
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schon die Existenz des Kaisers im Reich politisches Handeln in regionalen und lokalen Zusammenhängen bewirkte, lässt auch die Feststellung erheblich relativierter erscheinen, der Kaiser habe, wenn er in regionale Konflikte eingriff, quasi nur „auf Bestellung“ gehandelt78. Dabei war offensichtlich auch nicht die Kommission das einzige Mittel, das ihm zum Eingreifen in regionale Zusammenhänge zur Verfügung stand, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Steuerungsmöglichkeiten, nicht zuletzt informelles Einwirken, Ge- und Verbote, Aufforderungen zum Beistand, Ausnahmen von verpflichtenden Handlungen für einzelne lokale und regionale Akteure79. Nach Moraw waren die „dezentralen Machtgefüge“ außerdem geprägt entweder von einer Hegemonialmacht, durch den Kampf um die Hegemonie innerhalb des Raumes oder durch „kleinteilige Kräftespiele, öfter unter auswärtiger Dominanz“80. Gegenüber dieser starren Einteilung erscheinen bei genauerer Betrachtung die Verhältnisse um 1470 erheblich situationsbezogener und durchaus flüchtiger. Solche „Machtgefüge“ konnten sich vielmehr sachbezogen ändern, Kräfte und Koalitionen konnten sich je nach Regelungs- oder Konfliktgegenstand verschieben. Für Moraw stellte gerade Franken ein geschlossenes „dezentrales Machtgefüge“ dar81; unter dieser Perspektive fallen jedoch wichtige Stabilisierungskräfte, etwa der Bürgermeister von Dinkelsbühl, der wesentlich an der Netzwerkkoordination Anteil hatte und sich aus eigenem Interesse beziehungsweise dem seiner Stadt vielfach neutral verhielt, oder der Landkomtur Melchior von Neuneck aus dem Blick82. Diese Akteure konnten in bestimmten Konstellationen wichtige Funktionen ausüben, ohne dass es sich um „kleinteilige Kräftespiele“ handeln musste. Ebenso können in diesen Räumen verschiedene Formen von Governance beobachtet werden, die weit über das bloße Streben nach Hegemonie, wie es das Morawsche Modell suggeriert, hinausgehen. Es gab ebenso Beratungsnetzwerke, Kooperation und Wettbewerb, hierarchische wie hierarchiefreie Strukturen. Je nach Interessen- und Sachzusammenhang waren Konstellationen und Kräfteverhältnisse in den regionalen Netzwerken unterschiedlich zusammengesetzt und es fanden unterschiedliche Formen des Regierens Anwendung. Umgekehrt konnten die „Kleinen“, ja sogar Niederadlige, alle Ebenen der Politik besetzen und in ihnen bis zu einem gewissen Grade ihre eigenen Interessen vertre 78
Moraw, Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 19. Siehe näher oben die zusammenfassenden Ausführungen G. I. 2. 80 Moraw, Zentrale und dezentrale Machtgefüge, S. 118. Ders., Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 89: „Sie [die Systeme] standen im einfachsten Fall unter der Leitung einer Führungsmacht (auch der König war natürlich ein Systemführer), seltener ging es um die Rivalität zweier annähernd gleichstarker Vormächte. Sehr selten fällt eine passive Landschaft auf, in der sich Schwache untereinander in Schach hielten und kein stärkerer von außen eingriff.“ 81 Moraw, Zentrale und dezentrale Machtgefüge, S. 119. 82 Siehe oben E. II. 3. b), 8., 14. sowie S. 415, 424, Anm. 196, S. 434, 451 ff. 79
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ten. Die Familie Eyb zum Beispiel lässt sich in ein Modell, bei dem den Akteuren Handeln aus oder in der Nähe gemäß ist, nicht recht einfügen. Ihr Handlungsrahmen war vielmehr tendenziell reichsweit. Auch der „Raubritter“ Zaunrüde stieß mit regionalem und lokalem Handeln sogar in außenpolitische Zusammenhänge vor83. Die Heidecker Geleitsknechte schränkten mit ihrer Weigerung, ihre Tätigkeit fortzusetzen, das politische Handeln des Kurfürsten gegenüber Herzog Ludwig dem Reichen ein und wirkten somit indirekt auf die Strategie des Markgrafen insgesamt ein84. Hans Egen, Bürgermeister von Dinkelsbühl, war nicht nur in den regional-fränkischen Netzwerken präsent, sondern nahm auch Kommunikationsfunktionen in reichs- und außenpolitischen Zusammenhängen wahr85. Ein und derselbe Akteur, etwa die Reichsstadt Nürnberg, hatte in einer Sachfrage Zugang zur Reichsebene, in einer anderen nicht; auch Albrecht von Brandenburg verdeutlicht dies in der Frage der Brauneckschen Lehen zu gewissen Zeiten86. Somit erscheinen nach der Betrachtung politischer Netzwerke und der spezifischen Governanceformen die „dezentralen Machtgefüge“ weder horizontal noch vertikal so unabhängig und gegeneinander abgeschlossen, wie es Moraw beschrieb. Damit wird schließlich auch der Zusammenhang zwischen „königs nahen“ oder „königsfernen Landschaften“ und den „interterritorialen Systemen“ beziehungsweise „zentralen“ und „dezentralen Machtgefügen“87, den Moraw in seinem Modell nicht herstellte, hier nun deutlicher. Weder die Bestimmung der Wirksamkeit des Königs im Raum anhand „königsnaher“ und „königsferner Landschaften“ noch die Vorstellung von „zentralen“ und „dezentralen Machtgefügen“ beschreiben somit für die Zeit um 1470 angemessen politisches Handeln und die Strukturen, in denen sich dieses Handeln vollzog. 5. Außenpolitik und Auswärtige Politik In dieser Arbeit wurden auch Beispiele für Außenpolitik88 beziehungsweise für Auswärtige Politik untersucht89. Angesichts der Forschungsdebatten über die Legitimität der Kategorie Außenpolitik sowie über ihre unterschiedlichen Definitionen90 ist danach zu fragen, ob es nützlich erscheint, im späteren 15. Jahrhundert 83
Siehe oben S. 355 ff., 372 f. Siehe oben S. 315, 320, 336 f. 85 Siehe oben S. 138, Anm. 246, S. 398, 406 ff., 415, 424, Anm. 196, 434, 450, 468. 86 Siehe oben D. II. 3. c., D. II. 4., E. II. 6. 87 Diese bestanden nach Moraw nicht nur im 14., sondern auch im 15. Jahrhundert; vgl. ders., Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 19. Ders., Brandenburg im späten Mittelalter (2000), S. 88 f. 88 Schwedler, Herrschertreffen, S. 35. Ottner, Einleitung, S. 12–18. Wefers, Versuch, insbesondere S. 296–313. 89 Kintzinger, Westbindungen, S. 17. 90 Siehe zu den Definitionen im Einzelnen oben A. I. 2. 84
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von Außenpolitik zu sprechen, und sind die verschiedenen Definitionen am Einzelfall zu überprüfen. Außerdem ist diese Ebene in den Zusammenhang der anderen Untersuchungsebenen zu stellen, um so die Spezifika von Außenpolitik gegenüber reichs-, lokal- und regionalpolitischen Zusammenhängen deutlich werden zu lassen. Die Betrachtung „partieller“ Reichsmitglieder erscheint als günstiger Testfall, sich der Existenz von Außenpolitik anzunähern. In dieser Studie sind sowohl König Christian von Dänemark als auch Herzog Karl der Kühne von Burgund in den Blick genommen worden91. Beide pendelten zwischen „Reichsangehörigen“ und „Auswärtigen“92. Diejenigen Reichsmitglieder, die auch Gebiete außerhalb des Reiches besaßen, nahmen somit in gewisser Weise eine Sonderstellung ein. Sie hatten innerhalb von Netzwerken größere Spielräume als andere, indem sie sich in einem Fall als vom Reich unabhängige, in anderem Falle jedoch als Reichsmitglieder ansehen konnten. Ausschlaggebend scheint hier das Eigeninteresse des Akteurs gewesen zu sein. Vom Reich konnten solche „partiellen“ Teilnehmer umgekehrt aber auch bewusst zu Verhandlungsmissionen eingesetzt und in Stellung gebracht werden, sodass enge Bindungen an partielle Reichsmitglieder durchaus auch für „volle“ Reichsmitglieder attraktiv sein konnten, um nach außen die Möglichkeiten eigenen politischen Handelns zu erhöhen93. Im Reich konnte der Handlungsspielraum dieser partiellen Reichsmitglieder bei fehlendem Vertrauen vom Kaiser und anderen wichtigen Reichsmitgliedern allerdings stark begrenzt werden94. Insgesamt war in außenpolitischen Zusammenhängen Vertrauen eine entscheidende Kategorie, wie besonders das Beispiel Christians von Dänemark vor Augen geführt hat95. Die Einbindung in die politischen Netzwerke des Reiches gelang dem dänischen König nur über einen wichtigen Reichsfürsten, Albrecht von Brandenburg, und längerfristig über seine Belehnung durch Kaiser Friedrich III., wodurch er „partielles“ Reichsmitglied wurde96. „Außen“ und „innen“ wurden somit politisch reflektiert, sie konnten positiv politisches Handeln bewirken, negativ konnten sie aber auch instrumentalisiert werden und handlungshemmend wirken. Die Definition dieser Kategorien hängt somit wesentlich von personalen Verflechtungen und Interessen ab. Gleichzeitig legt dieser Befund nahe, dass für die Zeit um 1470 von Außenpolitik gesprochen werden kann. Auch die verschiedenen Definitionsansätze der Forschung zu Außenpolitik tragen für die Zeit um 1470. So kann nicht nur der Außenbezug herrscherlichen Han-
91
Siehe oben D. I. und II. Moraw, Organisation und Funktion von Verwaltung, S. 23. 93 Siehe oben S. 178 ff. 94 Siehe oben S. 182 f., 187 f. 95 Ebd. 96 Siehe oben S. 179 ff. 92
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delns im Sinne der Definition von Berg97, sondern auch „das gemeinsame Handeln der Reichsangehörigen im Namen von König und Reich zur Interessenswahrung oder zur Abwendung einer Gefahr für das Ganze“98 – Außenpolitik nach Wefers – um 1470 beobachtet werden. Aufgabe des Königs sei es gewesen, die Reichsmitglieder von der Unabdingbarkeit seines Vorgehens zu überzeugen und bei den Reichsfürsten ein Problembewusstsein hervorzurufen99. Mit der Betrachtung der politischen Netzwerke um die Belagerung von Neuss durch Karl den Kühnen und die damit einhergehenden Abwehrmaßnahmen des Reiches konnte eine solche potenzielle Gefahr für das „Ganze“ beobachtet werden100. Netzwerke in solchen außenpolitischen Ausnahmesituationen haben einen Hang zur Bildung von Subnetzwerken, wobei die äußeren Netzwerke in einem zunehmend hierarchischen Verhältnis zu kleineren Führungsnetzwerken standen, in denen die Akteure absolut gleichrangig agierten101. Außenpolitische Netzwerke hatten außerdem Rückwirkungen in Netzwerke der Herrschaftsorganisation, der Verwaltung sowie der Familie, wie die Kommunikation zwischen Albrecht von Brandenburg und seiner Frau Anna sowie dem markgräflichen Hausvogt gezeigt hat102; hier konnten sich spezifische Formen von Governance herausbilden. Auch im Falle des Wilhelm Zaunrüde mit der drohenden Erschließung neuer Netzwerke nach Polen sowie des Stettiner Erbfolgestreits mit der Orientierung der Herzöge von Pommern aus dem Reichsverband hinaus wirkten außenpolitische Zusammenhänge in regionale und lokale Kontexte zurück103. Somit sind die Ebenen der Außenpolitik, der Reichs- und Regionalpolitik – wie bereits oben betont – vielfältig miteinander verschränkt – sie bedingen sich gegenseitig104. Ein Primat außenpolitischer Konstellationen kann allerdings um 1470 nicht pauschal angenommen werden; die Gewichtung scheint vielmehr von den Konstellationen des Einzelfalls abzuhängen105. Außenpolitik musste nicht auf den König beschränkt sein. Dies legt das vielfältige politische Handeln des Markgrafen, der Kurfürsten, ihrer Räte, aber auch zahlreicher weiterer Reichsmitglieder nahe. Somit erscheint es logisch, mit Kintzinger106 auch diese einzubeziehen. „Reichsaußenpolitik“ funktionierte allerdings wohl vielfach anders als Handeln jedes einzelnen Fürsten über sein eigenes Ter-
97
Berg, England, S. 4. Wefers, Versuch, S. 299. Wefers entwickelt ihr Modell aus der Systemtheorie, vgl. ebd., S. 295. 99 Vgl. ebd., S. 315. 100 Siehe oben C. II. 101 Siehe oben S. 190 f. 102 Siehe oben C. II. 4. 103 Siehe oben D. I., IV., insbesondere S. 372 f., 380. 104 Siehe oben G. I. 105 Siehe hierzu die Anmerkungen zur Verflechtung von Politikfeldern unten G. VI. 3. 106 Kintzinger, Westbindungen, S. 21 f. 98
I. Zum politischen Gefüge des Reiches und seiner Glieder
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ritorium hinaus. Somit erscheint es sinnvoll, die Kategorie der Außenpolitik für die Zeit um 1470 dem Reich vorzubehalten und nicht auf Fürsten, die über ihren eigenen Herrschaftsbereich hinaus agieren, auszudehnen107. Aus der Perspektive von Formen des Regierens erscheint schließlich auch ein definitorisches Dilemma der Forschung zu Außenpolitik abgeschwächt. Sie wirkt aus diesem Blickwinkel nämlich losgelöst von der Existenz staatlicher Souveränität. Ebenso tritt neben den Kaiser eine Vielzahl von Akteuren, die außenpolitisch tätig werden. Hier ist nicht nur der Markgraf von Brandenburg zu nennen, sondern ebenso die übrigen Kurfürsten, aber auch einzelne Räte des brandenbur gischen Kurfürsten, wenn sie etwa mit dem dänischen König verhandeln. Somit werden durch die Betrachtung von Governance-Formen und Politiknetzwerken nicht nur das „geeignete Instrumentarium politischer Kommunikation“ im Sinne von Berg108, sondern außenpolitischen Handelns insgesamt deutlicher. 6. Zusammenfassung Aus dem Blickwinkel politischer Netzwerke sowie der Governance-Perspektive zeigt sich, dass die von der Forschung zur Beschreibung des politischen Gefüges des Reiches verwandten Modelle für die Zeit um 1470 nur mit Einschränkungen und Modifikationen zutreffen. So zeigen sich die Ebenen, auf denen die Forschung politisches Handeln bislang untersucht hat – Außenpolitik, Reichspolitik, regionale und lokale Politik –, um 1470 als viel stärker miteinander verbunden, gegenseitig durchdrungen und vielfach miteinander verwoben. Keineswegs aber verlieren diese Ebenen dadurch ihre Berechtigung, weder als analytischer Ausgangspunkt beziehungsweise Untersuchungsebene noch als qualifizierende Beschreibungen von Politik109. Außerdem hat sich die hierarchische Gliederung von „dezentralen“ und „zentralen Machtgefügen“ ebenso wie die Deutung der Rolle des Königtums als im Einzelfall nicht zutreffend oder zumindest differenzierungswürdig erwiesen. Zudem bilden die Begriffe „königsnahe“ und „königsferne Landschaften“ um 1470 die königliche Wirksamkeit nur unzureichend ab; es zeigt sich schließlich, dass zwischen situativer „Königsnähe“ und der Intervention des Kaisers bis in „dezentrale Machtgefüge“ Verbindungen bestehen. Der bislang vorherrschenden Beschreibung einer „Modernisierung“ beziehungsweise „modernisierenden Verdichtung“ zur Erklärung der Entstehung und Ausformung von Reichsorganen steht im Zusammenhang mit der Entwicklung des Reichstages der Befund dieser Arbeit gegenüber, dass die Kerngruppe der Kurfürsten in der politischen Praxis um 1470 nicht als geschlossene Handlungseinheit auftrat.
107
Anders: Auge, Handlungsspielräume, S. 356. Berg, Deutschland und seine Nachbarn, S. 48. 109 Siehe zur Landesgeschichte auch die Anmerkungen unten G. VII. 108
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G. Vergleiche und Folgerungen
Es hat sich dagegen als tragfähig erwiesen, für die Zeit um 1470 die unterschiedlichen Formen des Regierens und der jeweils spezifischen Politiknetzwerkstrukturen dieses politischen Gefüges zu untersuchen.
II. Region und Politik Einen wichtigen Teil dieser Studie macht politisches Handeln in regionalen und lokalen Zusammenhängen aus; nicht zuletzt angesichts des Befundes der vielfältigen Durchdringung der verschiedenen Ebenen, auf denen sich politisches Handeln vollzog, stellt sich in besonderer Weise die Frage nach der Landesherrschaft sowie der Entwicklung der Territorien aus der Perspektive von Governance und Politiknetzwerken. „Mit der Persönlichkeit des begabten und energischen Mark grafen Albrecht Achilles“, so wird teilweise angenommen, „verbindet sich auch der erste Versuch, in Franken ein ‚modernes‘ Staatswesen zu schaffen, ein klar abgegrenztes und dabei auch vergrößertes“110. Albrecht von Brandenburg könne somit als Musterbeispiel eines „Territorialpolitikers“ gelten, „der zielbewußt einen nur seiner Gebotsgewalt unterstehenden Flächenstaat anstrebte“111. Schubert kam bei der Bewertung von Albrecht Achilles hingegen zu einem anderen Ergebnis: „Albrecht war kein Territorialpolitiker, der die ihm überkommene Herrschaft organisatorisch straffte und sie territorial abzurunden versuchte.“112 Diese, in ihrem Kern vollkommen gegensätzlichen Bewertungen beruhen auf der Betrachtung von Albrechts politischem Handeln während seiner Regierung – und damit nicht zuletzt auf der Grundlage seiner Korrespondenz. Genau diese „Politische Correspondenz“ des Markgrafen ist, gerade weil sie ein frühes, besonders dichtes und über die eigenen Reflexionen des Markgrafen Aufschluss gebendes Kompendium darstellt, von der Forschung auch für generalisierende Aussagen zur Landesherrschaft im 15. Jahrhundert insgesamt herangezogen worden113. So 110 Zimmermann, Grundlagen und Wandlungen, S. 38. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 103, 107. Seyboth spricht davon, Albrechts Ziel sei die Schaffung eines „Großfranken unter hohenzollerischer Führung“ gewesen. Ebd., S. 112, spricht er von einem „ausgreifenden Territorialkonzept“ des Markgrafen. Die Frage nach der Bedeutung des kaiserlichen Landgerichts für die „Territorialisierung“ wird im Folgenden nicht weiter thematisiert, da sie für den hier betrachteten Untersuchungszeitraum von geringer Bedeutung ist. Siehe hierzu auch die im Zusammenhang mit den Brauneckschen Lehen gewonnenen Ergebnisse oben S. 253 ff., 272. Insgesamt bedarf die Rolle des Landgerichts einer eigenen, systematischen Untersuchung unter modernen Fragestellungen. Ferner oben S. 395, Anm. 48. 111 Kölbel, Der erste Markgrafenkrieg, S. 96. 112 Schubert, Albrecht Achilles, S. 161. Differenzierter und auf älteren Bewertungen, ins besondere von Otto Hintze, fußend: Quirin, Albrecht als Politiker, S. 304. 113 So beispielsweise Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 14, 33. Ders., Land, S. 17–19. Ders., Einführung in die Grundprobleme der deutschen Geschichte im Spätmittelalter (Grundprobleme der deutschen Geschichte, Darmstadt 1992), S. 198. Boockmann, Fürsten, Bürger, Edelleute, S. 144 f. Ders./Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 161, insbesondere Anm. 17. Merz, Fürst und Herrschaft, S. 187 f. Vgl. auch ders., Fürstliche Herrschaft, S. 369–371.
II. Region und Politik
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lässt die folgende Betrachtung nicht nur Hinweise zu den Bewertungen Albrechts von Brandenburg als „Territorialpolitiker“ erwarten, sondern auch für das allgemeine Bild von „Region und Politik“ im späteren 15. Jahrhundert. Auszugehen ist dabei von Elementen, die klassischerweise dem modernen Staat zugerechnet werden, also von der Ausübung von Hoheits- und Herrschaftsrechten, vom Gewaltmonopol und vom Territorium; ergänzt wird diese Reihe außerdem um die Frage nach den besonderen Bedingungen der Herrschaft über zwei voneinander entfernte Territorien sowie durch Anmerkungen zu Gestalt und Funktion von Verwaltung. 1. Hoheits- und Herrschaftsrechte Bei der Beschreibung der Entfaltung von „Staatlichkeit“ auf der Ebene der Territorien dominiert – wie bereits einleitend dargestellt – heute das Modell von der „Bündelung von Herrschaftsrechten“114 in der Hand eines Herrn. Denkt man vom „modernen Staat“ aus, so ist für die Bestimmung von Staatsgewalt die legitime Ausübung von Hoheitsrechten zentral115. a) Hoheitsrechte Auch in dieser Untersuchung wurde wiederholt die Frage der Ausübung von Hoheitsrechten gestreift, etwa beim Geleit, bei der Verfolgung und Bestrafung von Verbrechern, der Landfriedenssicherung oder auch beim Schutz von Untertanen gegen territoriale und besitzrechtliche Ansprüche von Nachbarn116. Am Beispiel 114
Dietmar Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Ein Studienbuch (München 52005), S. 110. Moraw, Entfaltung der deutschen Territorien, S. 100 und insgesamt. Ders., Offene Verfassung, S. 183–201. Hechberger, Adel im fränkisch-deutschen Mittelalter, S. 458–462. Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 52. 115 Grundlegend: Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 46–53. Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 56–59. Dabei wird heute angesichts aktueller Tendenzen staatlicher „Auflösungserscheinungen“ nicht zuletzt die Übertragung von Hoheitsrechten auf höhere Ebenen oder an „private“ oder „semiprivate“ Akteure konstatiert, wobei dies nicht zur Auflösung des Staates führt, vgl. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 332–356, besonders S. 349: „Der Schlüssel zum ‚Verlust an Staatsgewalt‘ liegt in der Übertragung von Hoheitsrechten, durch die eine Erosion der nationalen Staatsgewalt bewirkt wird. Hierbei handelt es sich um die Übertragung von nationalstaatlichen Hoheitsrechten an die Europäische Union sowie insbesondere um ‚innerstaatliche Erosionstendenzen‘, also unter Ausbildung des ‚Kooperationsprinzips‘ einer zunehmenden ‚Verzahnung‘ von Hoheitsträgern und der von ihnen ausgeübten Staatsgewalt mit dem gesellschaftlichen bzw. privaten Sektor.“ 116 Vgl. als Überblick der landeshistorischen Forschung zu Hoheitsrechten: Erwin Riedenauer, Zur Einführung, in: Landeshoheit. Beiträge zur Entstehung, Ausformung und Typologie eines Verfassungselements des römisch-deutschen Reiches, hg. von dems. (Studien zur bayerischen Verfassungs- und Sozialgeschichte 16, München 1994), S. 1–10.
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G. Vergleiche und Folgerungen
des Geleits zu Heideck sowie des Überfalls auf Möhren konnte gezeigt werden, dass der Kurfürst selbst die Anhäufung und Bündelung von Herrschaftsrechten für die Ausweitung und Festigung von territorialer Herrschaft als grundlegend erachtete117. Dass Albrecht Achilles jedoch stets und in jeder Situation einen Anspruch auf Einseitigkeit des Handelns, der Durchdringung von Raum und Herrschaftsrechten in vollem Umfang erhob, erscheint angesichts der hier betrachteten Beispiele als eher fraglich118; das Streben nach dem „Zuhöchstsein“ zeigt sich hier vielmehr in vielen Fällen als situative Größe, die von zahlreichen weiteren Parametern abhängt119. Als problematisch erweist sich insbesondere der unmittelbare Schluss von der Existenz von Konflikten über Hoheitsrechte auf die Absicht des „vollständige[n] und ausschließliche[n] Besitz[es] aller Hoheitsrechte“ der Akteure, um so „die volle Landesobrigkeit zu erlangen“120. Allein die große Zahl der Aktenüberlieferung zu diesen Streitigkeiten ist hierfür ein nicht hinreichendes Indiz121. Konflikte über die Ausübung eines Hoheitsrechts konnten teilweise einem übergeordneten Interesse geschuldet sein – um das Hoheitsrecht an sich ging es dabei höchstens in zweiter Linie122. An der Untersuchung der fränkischen Regional- und Lokalkonflikte wird außerdem deutlich, dass die vielfältigen Konflikte um Hoheitsrechte auch eine durchaus koordinierende und damit letztlich stabilisierende Funktion haben konnten, denn über die ständigen Kleinkonflikte wurden relativ stabile Netzwerke geschaffen, in denen diese ausgetragen, gleichzeitig aber der „große“ Konflikt verhindert wurde123. Besonders deutlich wird die Lagebezogenheit des Anspruchs von Hoheitsrechten auch im Zusammenhang mit Regalien und ihrer Ableitung von der kaiserlichen Gewalt124. Albrecht von Brandenburg bezeichnete etwa sein Geleit ausdrücklich als Regal und setzte dies als Argument gegen Herrschaftskonkurrenten ein, indem er ihnen mit der Anrufung des Kaisers drohte125; offensichtlich wollte er sich in dieser Situation einen momentanen Legitimationsvorsprung verschaffen. Hoheitsrechte konnten außerdem wirksam durch „alternative“, modernstaatlich gesprochen, „private“ Akteure ausgeführt werden, und zwar auch ohne eine förmliche Delegation. „Alternative“ Akteure waren somit unter bestimmten Interessenkonstellationen als politische Handlungsträger zur legitimen Ausübung von Hoheitsrechten erwünscht – dies verdeutlicht die Rolle von Bauern, Pfarrern, 117
Siehe oben D. III. Anders: Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 103. 119 Zum „Zuhöchstsein“ vgl. Schliesky, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt, S. 366. 120 So Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 103. 121 Ebd., S. 103. Siehe auch die Ausführungen zur Mehrdeutigkeit des Einsatzes von Schriftlichkeit in der Verwaltung, unten G. II. 5. b). 122 Siehe oben D. III. 5. d). 123 Siehe oben S. 410, 468 ff. 124 Vgl. hierzu auch Merz, Fürstliche Herrschaft, S. 375. 125 Siehe oben S. 316. Siehe ferner auch oben S. 318 f. 118
II. Region und Politik
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Frauen oder auch fremden Fürsten126. Nicht zuletzt der Kaiser konnte im Interesse der Landfriedenswahrung solches Vorgehen legitimieren, wie die Verfolgung von „Raubrittern“ durch städtische Akteure gezeigt hat. Die Betrachtung politischer Netzwerke legt somit lokale Räume frei, in denen Hoheitsrechte, wie das Geleit, durch eingeschliffene Praktiken der Selbststeuerung ausgeübt wurden, und zwar nach der Maxime effektiver Ausübung, weniger nach der Vorstellung der Durchdringung des Raumes durch herrschaftliche Akteure mit der Betonung hierarchischer und einseitiger Beziehungen127. Solche lokalen und regionalen Praktiken konnten offensichtlich von längerer Dauer, äußerst stabil und verfestigt sein. Erst wenn übergeordnete Akteure aus vielfältigen Interessen heraus Anspruch auf diese Rechte erhoben, wurden sie aktiviert; dies hat nicht zuletzt der Streit um das Geleit zu Heideck beispielhaft verdeutlicht128. Dazu aber änderten sich vielfach zuvor die Konstellationen in den betroffenen Netzwerken – man denke an den Tod eines Inhabers von Rechten129. So gesehen bestanden Räume unterschiedlicher „hoheitlicher Intensität“. Damit erscheint die Ausübung von Hoheitsgewalt nicht immer als eindeutiger Indikator für „Staatlichkeit“ und „Territorialisierungsabsichten“. b) Monopolisierung von Personenbindungen Verwandt mit der Idee der uneingeschränkten Ausübung von Hoheitsrechten ist auch die der Monopolisierung von Personenbindungen; Fürsten – wie das Beispiel des Bischofs von Würzburg zu dieser Zeit verdeutlicht130 – suchten die personalen Bindungen ihrer Untertanen zu anderen Herrschaftsträgern einzuschränken, um einen möglichst geschlossenen Untertanenverband hervorzubringen und vollumfänglich über ihn zu verfügen; die Auseinandersetzungen Albrechts von Brandenburg und Herzog Ludwigs des Reichen um Hans von Seckendorff lassen sich hier einordnen131. Dieser Befund lässt sich gut vereinbaren mit der Vorstellung vom „werdenden Staat“ und dem „Abschluss der Territorien“. Am Beispiel der Rolle Ludwigs von Eyb in der Frage der Brauneckschen Lehen, der einzelner Bürger im Zusammenhang mit der Reichsstadt Nürnberg, aber auch der des Wilhelm Zaunrüde erscheint dieser Befund im Einzelfall differenzierungswürdig132. Bei bestimmten Interessenlagen war es für Albrecht von Brandenburg in kurz- und mittelfristiger Perspektive durchaus attraktiv, Lehnsverbindungen seiner Untertanen zu anderen, außerhalb seines Einflussbereichs stehender Akteure zu fördern, um 126
Siehe etwa oben S. 315 ff., 323 ff., 335 ff., 342 ff., 347 f., 376 ff., 381. Zu den Spezifika dieser Steuerungsform siehe unten G. II. 1. b). 128 Siehe etwa oben D. III. 5. c), d). 129 Siehe oben D. II. 1., III. 1. 130 Frankl, Würzburger Vasallen, S. 116. 131 Siehe oben S. 323 ff., 345 f. 132 Siehe oben S. 269 ff., 280 f., 287 ff., 292 ff., 299 ff., 353 ff., 425 f. 127
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G. Vergleiche und Folgerungen
selbst politisch davon zu profitieren – dies konnte durchaus auch territoriale Ziele betreffen, wie der Fall der Brauneckschen Lehen vor Augen führt133. Erst mit der Auflösung der Interessenkonstellationen in diesem Einzelfall ging auch die Monopolisierung der Lehnsverbindungen über Ludwig von Eyb einher. Das Beispiel der Brauneckschen Lehen lässt noch weitere Einblicke in Phänomene zu, die bisweilen als „Territorialisierung“ bezeichnet werden. Die Regelung des Jahres 1474 nämlich bedeutete zwar die Monopolisierung der Lehnsverbindung Ludwigs von Eyb zu seinem Herrn; Albrecht von Brandenburg selbst aber begab sich als Lehnsmann des Bischofs von Bamberg gleichzeitig in ein kom pliziertes Geflecht, in dem die Verknüpfung von Lehen in Franken mit der Mark Brandenburg eine entscheidende Rolle spielte134. Monopolisierung „nach unten“ konnte also mit Intensivierung „nach oben“ verbunden sein. 2. Zu Geleit, Gewaltausübung und Herstellung von Sicherheit „Die Gewaltandrohung, die von der Geleitsgerechtigkeit ausging, war von vornherein auf die Herstellung des inneren Friedens ausgerichtet und diente Schutz und Schirm der Reisenden. Sie war im Sinne eines Gewaltmonopols institutionell engmaschig organisiert und eine der wesentlichen Wurzeln der Landesherrschaft.“135 Die Garantie von Sicherheit gilt als Kernaufgabe des „modernen Staates“136. Von dem Befund der Legitimität der Fehde konnte deshalb Brunner umgekehrt argumentieren, dass die Beschreibung mittelalterlicher Herrschaft mit Kategorien des 133 Diestelkamp, Lehnrecht und Lehnspolitik, S. 38, hat besonders die Bedeutung des Lehnswesens für einen Landesherrn im Spätmittelalter herausgestellt, „um seine Landesherrschaft auf- und auszubauen“. Damit wurde die ältere Sicht überwunden, die das Lehnswesen als ein Phänomen des Privatrechts qualifizierte, sodass es nicht zum Aufbau der öffentlichen Staatsgewalt dienen konnte. Vgl. hierzu auch Willoweit, Entwicklung und Verwaltung der Landesherrschaft, S. 75. 134 Siehe oben D. II. 5. 135 Rothmann, Fehde und Geleit, S. 103. 136 Zum Sicherheitsbegriff: Cornel Zwierlein, Sicherheitsgeschichte. Ein neues Feld der Geschichtswissenschaften, in: Geschichte und Gesellschaft 38 (2012), S. 365–386, hier S. 367. Zwierlein weist auf das Fehlen einer „Geschichte der Sicherheit“ seit dem Spätmittelalter hin, vgl. ebd., S. 370. Vgl. auch Christopher Daase, Die Historisierung der Sicherheit. Anmerkungen zur historischen Sicherheitsforschung aus politikwissenschaftlicher Sicht, in: ebd., S. 387–405. Zur Stellung des Gewaltmonopols als eine Säule der Trias zur Beschreibung des modernen Staates: Jellinek, Staatslehre, passim. In Bezug auf die „Herrschergewalt“, S. 429 f.: „Herrschergewalt ist unwiderstehliche Gewalt. Herrschen heißt unbedingt befehlen und Erfüllungszwang üben können. […] Die mit solcher Macht ausgerüstete Gewalt ist Herrschergewalt und damit Staatsgewalt. Herrschen ist das Kriterium, das die Staatsgewalt von allen anderen Gewalten unterscheidet.“ Vgl. hierzu auch Alf Lüdtke / Michael Wildt, Einleitung. Staats-Gewalt: Ausnahmezustand und Sicherheitsregimes, in: Staats-Gewalt: Ausnahmezustand und Sicherheitsregimes. Historische Perspektiven, hg. von dens. (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft 27, Göttingen 2008), S. 7–38, hier S. 10.
II. Region und Politik
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Staates gänzlich verfehlt sei137. Durch die Dominanz der Fehde wurden Maßnahmen zur Friedenssicherung – insbesondere das Geleitwesen – weitgehend ausgeblendet138. Friedenssicherung einerseits und Friedlosigkeit andererseits in einem gleichzeitigen Nebeneinander schließen sich aus, wenn man entweder Staat annimmt oder den Staat ausschließt. Misst man die Maßnahmen der Akteure, um Fehde und Gewalttaten einzuschränken, aus der Perspektive des „modernen Staates“, so wird man zumindest bei den hier untersuchten Fällen zu einem Bild der „Unvollkommenheit“ kommen: Geleitsgrenzen und Landesgrenzen waren vielfach verschieden, die Entschädigung im Schadensfall erwies sich als schwierig, die Herstellung von Sicherheit war zunächst auf Straßen und Personen beschränkt, die dafür Geld bezahlten, der Landfrieden wurde vielfach gebrochen oder nicht konsequent angewandt, Hofleute eines Fürsten beteiligten sich an Überfällen – die Liste ließe sich fortsetzen139. Um 1470 war die Herstellung von Sicherheit aber offensichtlich ein wichtiges Thema, das den Fürsten selbst, die Verwaltung sowie Kaufleute, Handwerker, Knechte, Bauern oder Pfarrer unmittelbar betraf; dies legen nicht zuletzt die vielfachen Belege zu dieser Thematik in der markgräflichen Korrespondenz, aber auch etwa in reichsstädtischem Kontext nahe140. Die Lösungen zur Herstellung von Sicherheit, die in den hier untersuchten Beispielen gefunden wurden, waren allerdings offensichtlich weniger allein und alternativlos vom Ideal eines flächenhaften „Gewaltmonopols“ bestimmt, sondern die vielfältigen von den Akteuren gefundenen Lösungen ergaben wohl stärker aus den Bedürfnissen der Praxis, wie die folgenden Ausführungen zusammenfassend vermitteln sollen. Die Einführung von neuen Sicherheitsorganen, hier der Polizeitruppe, wurde vom Fürsten selbst kritisch hinterfragt141. Dass am Ansbacher Hof außerdem der Begriff pollicia – gleichwohl in seiner weiten Verwendung als allgemeiner Ordnungsbegriff – schon früh bekannt war, verdeutlicht die Rolle von Familienmitgliedern der von Eyb bei seiner Rezeption im Reich142. Wie die Korrespondenz des Markgrafen verdeutlicht, diskutierte der Fürst mit seinen Räten und anderen Mit 137
Brunner, Land und Herrschaft (1965), passim. Rothmann, Fehde und Geleit, S. 102. 139 Siehe zu den angeführten Beispielen etwa oben S. 314 ff., 342 ff., 355 ff., 359, 374 ff. 140 Siehe zu weiteren Beispielen etwa oben S. 314 ff., 338 ff., 342 ff., 359 ff., 367, 402 ff., 438. 141 Siehe oben D. IV. 6. a). Aspekte neuzeitlicher „Ordnungskräfte“ untersuchen die Beiträge in: Policey in lokalen Räumen. Ordnungskräfte und Sicherheitspersonal in Gemeinden und Territorien vom Spätmittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert, hg. von André Holenstein u. a. (Studien zu Policey und Policeywissenschaft, Frankfurt a. M. 2002). 142 Georg-Christoph von Unruh, Polizei, Polizeiwissenschaft und Kameralistik, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Stuttgart 1983), S. 388–427, hier S. 390 f. Vgl. außerdem Franz-Ludwig Knemeyer, Art. „Polizei“, in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hg. von Otto Brunner / Werner Conze / Reinhart Koselleck, Bd. 4 (Stuttgart 1978), S. 875–897. 138
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G. Vergleiche und Folgerungen
gliedern der Verwaltung über die Herstellung von Sicherheit. So zeigt das Beispiel des Geleits von Heideck, dass Sicherheit auch durch lokale Praktiken geregelt werden konnte, die sich äußerlich von der „Zentrale“ unabhängig ausbildeten143. Sie waren offensichtlich an den Bedürfnissen der Praxis und weniger am Ideal von zentral geführten Verwaltungsinstanzen orientiert, konnten aber umgekehrt ohne die Vorgaben der markgräflichen Zentrale nicht existieren144. Auch zur Ergreifung von Wilhelm Zaunrüde reichten die bestehenden Strukturen zur Friedenssicherung nicht aus; es bildete sich vielmehr ad hoc nur für diesen Zweck ein Kooperationsnetzwerk mit verschiedenen Akteuren145. Die in diesem Netzwerk vereinten Akteure hatten je unterschiedliche Interessen an seiner Ergreifung. Durch die Nutzung reichsstädtischer Kommunikationsstrukturen konnte dieses Netzwerk schließlich erfolgreich sein. Bedeutsam erscheint in diesem Zusammenhang, dass sich Instrumente der Friedenssicherung durch „offizielle Stellen“ – man denke an das Geleit, die lokalen Ämter oder auch den Landfrieden – mit diesen informellen Strukturen ergänzen konnten und erst im Zusammenspiel effizient waren. Nicht nur die ausführlicher betrachteten Beispiele, sondern auch das nur gestreifte Problem, dass offensichtlich an Überfällen in jenen Jahren auch Hofleute Ottos von Pfalz-Mosbach beteiligt waren, lassen Schlüsse auf das Phänomen Sicherheit im markgräflichen Kontext in jenen Tagen zu146. Die Garantie von Sicherheit hing augenscheinlich wesentlich von personalen Konstellationen, Interessenlagen und auch von finanziellen und anderen materiellen Motiven ab147. Die Ergreifung eines Täters – dies zeigen das Beispiel des Wilhelm Zaunrüde und die Rolle, die Kaiser Friedrich III. dabei spielte – war somit ganz besonders von der Beeinflussung dieser Netzwerke für die eigenen Interessen abhängig148. Informationen über den Aufenthaltsort eines Täters waren eine wesentliche Voraussetzung für seine konsequente Verfolgung; die umfangreiche Korrespondenz legt nahe, 143
Siehe oben D. III. 5. c). Göhler, Weiche Steuerung, S. 90, bezeichnet solche Strukturen als „Selbststeuerung“. Auch wenn sich diese Praktiken im Normalfall selbst regulierten, stand hinter der Geleitausübung immer der Markgraf mit der Möglichkeit, durch hierarchische Steuerung einzugreifen. 145 Siehe oben D. IV. 6. a)–c). 146 Siehe oben S. 360. 147 Marianne Braig / Ruth Stanley, Die Polizei – (k)ein Freund und Helfer? Die Governance der öffentlichen Sicherheit in Buenos Aires und Mexiko-Stadt, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur Governance-Forschung 10, Baden-Baden 2007), S. 223–243, hier S. 223–225; anhand einer Untersuchung der Rolle der Polizei in Argentinien und Mexiko kommen sie zu durchaus ähnlichen Ergebnissen. Folgende Kategorien von „Handlungslogiken der Polizei“ lassen sich demnach unterscheiden: „Verkauf polizeilicher Leistungen, De-Facto-Delegation der polizeilichen Autorität, informelle Aneignung des öffentlichen Raumes, Schikanen, um die Polizeikasse zu füllen, Korruption von der Spitze bis zur Basis hält die Pyramide aufrecht, Statistiken ‚aufpolieren‘, Verbrechensbekämpfung als ‚Medieninszenierung‘.“ 148 Börzel, Regieren ohne den Schatten der Hierarchie, S. 58 f. Sie zeigt, dass Privatleute ein erhöhtes Interesse an der „privaten“ Organisation von Sicherheit haben, wenn sie staatliche Stellen nicht bereitstellen können; in solchen Situationen können etwa „Clans“ staatliche Aufgaben übernehmen. 144
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dass ein Großteil der Bemühungen von Seiten der Geschädigten, des jeweiligen Geleitsherrn sowie anderer interessierter Akteure die Koordination dieser Informationen betraf. Ebenso gehen hieraus die übergeordneten Verflechtungen hervor, nach denen sich auch lokale und regionale Sicherheit richtete – die Bereitstellung von Sicherheit erscheint bei Albrecht Achilles stets auch verknüpft mit politischen Konstellationen, etwa gegenüber Nürnberg, Herzog Ludwig dem Reichen oder auch den Herzögen von Sachsen149. Diese Interessengebundenheit bestimmte auch die Stellung von Geleit mit. Natürlich sah Kurfürst Albrecht das Geleit als wichtige Einnahmequelle; dabei wusste er, dass Kaufleute ungestört ihre Waren über die Straßen transportieren wollten – hier wurde den Interessen und Bedürfnissen der Geleitnehmer weit entgegengekommen150. Vertrauen und das Ansehen des eigenen Geleits waren in diesem Zusammenhang wichtige Parameter für Geleitsherrn und Geleitnehmer. Aus der Governance-Perspektive ist das Gewaltmonopol somit nur eine denkbare Form der Steuerung151. Die Governance-Leistung Sicher heit152 konnte vielmehr durch eine Kombination einer Vielzahl verschiedener Instrumente erbracht werden. Problematisch erscheint allerdings die Frage nach der Legitimität des Handelns angesichts einer Vielzahl verschiedener Akteure, die nicht in einem abgeschlossenen Raum ein Gewaltmonopol durchsetzten. Für Brunner war die Fehde das legitime Rechtsmittel, das dem Adligen unter bestimmten Voraussetzungen zur Verfügung stand153. Alle damit in Verbindung stehenden Maßnahmen wurden sodann von diesem Institut her konstruiert. In den hier betrachteten Beispielen traten Akteure Friedbrechern auch ohne eine „offizielle“ Anweisung gegenüber; Legitimität erhielten sie im Vorhinein durch den Aufruf zum Handeln durch einen Fürsten oder den Kaiser, im Nachhinein durch eine kaiserliche Bestätigung ihres Handelns, ebenso durch abstrakte Ausnahmeregelungen vom Landfrieden154. Neben dieser „vertikalen Legitimität“ wurde aber wohl auch „horizontale Legitimität“ hergestellt155. Diese wurde besonders durch die Interessenübereinstimmung der Beteiligten innerhalb der verschiedenen Netzwerke hergestellt. Hierin ergeben sich aus der Analyse politischer Netzwerke Ähnlichkeiten zu Reinles Konzept der „Akzeptanz“ von Fehden156. 149
Siehe etwa oben S. 314 ff., 353 ff. Siehe oben S. 367. 151 Ulrich Schneckener / Christoph Zürcher, Transnational Security Governance in fragilen Staaten. Oder: Geht Sicherheit ohne Staat?, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur Govern ance-Forschung 10, Baden-Baden 2007), S. 205–222. 152 Patzold, Human Security. 153 Hierzu im Einzelnen oben D. IV. 1. 154 Siehe oben D. IV. 6. c). 155 Schmelzle, Governance und Legitimität, S. 182. 156 Vgl. Reinle, Bauernfehden, S. 57–59. Siehe ferner oben S. 378. 150
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So gesehen ist die Vorstellung der Forschung, die Territorialgewalten hätten bei der Realisierung des kaiserlichen Landfriedens „mitgewirkt“, streng genommen zu differenzieren. Die Akteure handelten vielmehr maßgeblich aus Eigeninteressen heraus, hatten eigene Ziele, nicht immer aber wohl den allgemeinen Landfrieden im Sinn. Dafür spricht auch der Charakter des kaiserlichen Landfriedens von 1467 als Kompromiss zwischen Fürsten und Kaiser157. Vergegenwärtigt man sich die Forschungskontroversen um „legitime Gewaltausübung“ und die „Fehde“ seit Brunner158, so zeigt sie sich aus der Sicht politischer Netzwerke als zunehmend relativiert. Die Ausübung legitimer Gewalt ist ohne ein flächendeckendes Gewaltmonopol denkbar, wenn man anstatt des modernen Staates beziehungsweise seiner Negation von Governance-Formen ausgeht. Das Nebeneinander von „staatlichen“ und „alternativen“ Akteuren zeigt sich hierbei bisweilen gar als Gewinn an Effektivität. Mit jeder Fehde wurden politische Netzwerke aktiviert, die Beteiligten handelten bisweilen aus vielfältigen Motiven und nicht unbedingt aus wirtschaftlichen Interessen. Auch der Begriff des „Raubritters“ schließlich zeigt sich bei genauerer Betrachtung der Netzwerke, in die Wilhelm Zaunrüde und seine Mittäter eingebunden waren, für diesen Fall als nicht adäquat. Es waren wohl weniger rein wirtschaftliche Argumente, die hinter diesen Überfällen standen, als vielmehr tiefer gehende, vornehmlich innerstädtische Konflikte über mehrere Generationen; für ihre Erhellung dient die Betrachtung politischer Netzwerke, wobei materielle Interessen als Handlungsparameter unter anderen gelten können159. Nimmt man all diese Beobachtungen zu den Aspekten der legitimen Gewaltausübung und der Friedenswahrung zusammen, so erscheint es – zumindest in den hier analysierten Fällen – problematisch, anhand des Umgangs mit Sicherheit und Friedenswahrung Staatlichkeit messen zu wollen160 – umso plausibler erscheint das sich darbietende Bild, wenn man es als Formen von Governance fasst. 3. Territorium und fürstliche Herrschaft Auf die Debatten um die Begriffe Territorium, Territorialstaat, Land, Landesherrschaft und Landeshoheit soll hier nicht grundsätzlich eingegangen werden161. Boockmann bemerkte zur Mark Brandenburg im Zusammenhang mit dem Brief 157
Siehe im Einzelnen oben S. 351 f., 379 f. Siehe dazu oben D. IV. 1., 6. e). 159 Zum Begriff „Raubritter“ siehe im Einzelnen oben D. IV. 1., 6. e). 160 Vgl. dagegen Moraw, Das Deutsche Reich in der Mitte des 14. Jahrhunderts, S. 90. 161 Vgl. Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 51–70. Willoweit, Verfassungsgeschichte. Janssen, Der deutsche Territorialstaat. Merz, Fürst und Herrschaft, S. 11–22. Alois Gerlich, Geschichtliche Landeskunde des Mittelalters. Genese und Probleme (Darmstadt 1986), S. 353: „Es ist schlechthin unmöglich, eine in jedem Falle und stets mit dem quantita 158
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wechsel des Kurfürsten mit seinem Sohn Johann, dem Regenten der Mark: „Die Kriterien, an denen das Fortschreiten moderner Staatlichkeit heute gemessen wird, waren gar nicht so weit von den Argumenten entfernt“, mit denen der Kurfürst seinem Sohn die brandenburgischen Herrschaftsteile im Gegensatz zu den fränkischen als „wirkliches Territorium“ charakterisiert habe162. Weiter stellte Boockmann in Anspielung auf das „Bündelungsmodell“163 zu Albrechts von Brandenburg Reflexionen in seiner Korrespondenz fest: „Diese Argumente waren gewiß situationsbedingt, aber sie lassen dennoch erkennen, daß die modernen verfassungsgeschichtlichen Überlegungen, die die Herausbildung des frühmodernen Staates aus der Summe fürstlicher Rechte und Ansprüche destillieren, nicht auf Sachverhalte zielen, die denjenigen, welche diese Prozesse vorantrieben, völlig unbewußt gewesen wären.“164 Diese Wertungen, die aus der Beschäftigung mit Albrecht Achilles erwachsen sind, stehen neben jüngeren Forschungsergebnissen, die einem neuen Interesses am spätmittelalterlichen Fürstentum entspringen165. So hat in jüngerer Zeit Merz166 in methodischer Anlehnung an Brunner mit seiner Untersuchung zum „Herzog von Franken und seine[n] Nachbarn 1470–1519“ ausgehend vom Bischof von Würzburg neue Einsichten in die Entwicklung fürstlicher Herrschaft gewinnen und so das maßgeblich von Guttenberg, Hofmann und anderen gezeichnete Bild der fränkischen „Territorienlandschaft“ modifizieren können167. Ihm ist zuzustimmen, dass die Markgrafen als relativ „junge“ Herrschaftsträger unter einem besonderen „Rechtfertigungsdruck“ standen, ihrer Herrschaft als den älteren, flächenhaften Fürstentümern ebenbürtig zu erweisen168. Seine vornehmlich an süddeutschen Beispielen entwickelten Ergebnisse sind zu ergänzen durch die Sicht aus dem Norden, wie sie in den hier betrachteten Quellen aufscheint. Neben der von Boockmann angeführten Kennzeichnung der Mark durch den Kurfürsten selbst als wirkliches land steht nämlich die Polemik der Herzöge von Pommern-Wolgast gegenüber Kurfürst Friedrich von Brandenburg, als sie nach dem Aussterben Herzog Ottos von Pommern-Stettin in ihrem Streit um Herrtiv und qualitativ gleichen Vokabular ausgestattete Definition des Territoriums und der Landesherrschaft an sich zu geben.“ 162 Boockmann, Fürsten, Bürger, Edelleute, S. 144 f. 163 Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 110. Moraw, Entfaltung der deutschen Territorien, S. 100 und insgesamt. Ders., Offene Verfassung, S. 183–201. Hechberger, Adel im fränkischdeutschen Mittelalter, S. 458–462. Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 52. 164 Vgl. Boockmann, Fürsten, Bürger, Edelleute, S. 144 f. 165 Merz, Fürstliche Herrschaft, S. 363, Anm. 2, mit weiteren Hinweisen. 166 Merz, Fürst und Herrschaft. 167 Ebd., S. 365. 168 Vgl. zu den Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Hohenzollern: Jean-Marie Moeglin, Dynastisches Bewußtsein und Geschichtsschreibung. Zum Selbstverständnis der Wittelsbacher, Habsburger und Hohenzollern im Spätmittelalter, in: HZ 256 (1993), S. 593– 635, hier S. 631–634.
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schaftsnachfolge und Lehnsoberhoheit des Teilherzogtums den Markgrafen deren Anspruch absprachen, mit dem Burggraftum über ein flächenhaftes Fürstentum zu herrschen169. Abgestellt wurde in diesem Streit zwischen brandenburgischem Kurfürsten und pommerschen Herzögen, also einem Regionalkonflikt im Nordosten des Reiches, auf die Qualität des Burggraftums Nürnberg als „Fürstentum“ beziehungsweise als „Land“. Damit wird man kurz nach 1450 zumindest auch in Pommern diese „neu ausgeprägte“ flächenhafte Konzeption von Herrschaft als bekannt voraussetzen dürfen170. Auch die Beschimpfungen von Seiten Herzog Ludwigs des Reichen im Kontext des Geleitstreites von Heideck, Albrecht von Brandenburg sei nicht der Fürst von Franken, sondern nur einer unter mehreren in Franken, als Antwort auf die Äußerung des Markgrafen, Heideck sei „fränkisches Erdreich“171, belegen, dass nicht nur um die Variation der Bezeichnung „Herzog von Franken“ auch zwischen anderen Herrschaftsträgern gerungen wurde, sondern dass auch Albrecht von Brandenburg und andere Herrschaftsträger um territoriale Bezeichnungen schlechthin stritten172. Derselbe Herzog Ludwig hatte schon im Jahre 1461 in Bezug auf den Markgrafen, der im Streit über die Reichweite burggräflicher Gerichtsrechte provincia mit „Land“ übersetzt hatte173, dem Rat der Reichsstadt Nürnberg geschrieben: So haben wir im nit von Zircken geschriben, sonnder […] das er kain land habe, solihs ist auch war, ob er aber vermaint ain lande zu haben, so were billich das er benennet, wie das heiß174 . So hat auch Merz darauf hingewiesen, dass das Fortschreiten der territorialen Entwicklung vielfach auf das „Bündelungsmodell“ beschränkt werde und weitere Formen der „Herrschaftsverdichtung“ im 15. Jahrhundert dabei ausgeblendet würden175. Zentrale Triebkraft dieser Prozesse sei die Konkurrenz zwischen den
169 Siehe oben S. 219 f., 245. Mit offensichtlich negativer Intention bezeichnet noch Anfang des 16. Jahrhunderts Johannes Bugenhagen in seiner Pomerania Albrecht von Brandenburg allein als Burggraf von Nürnberg, siehe oben S. 245, Anm. 146. 170 Merz, Fürst und Herrschaft, S. 201, nimmt die Ausbreitung dieser flächenhaften Vorstellung geografisch von Tirol und Bayern über die Eidgenossenschaft (1420er Jahre) und Franken (1440er Jahre) bis nach Schwaben in der zweiten Jahrhunderthälfte an. 171 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 1, Nr. 390, S. 401 f., hier S. 401. Zum Kontext siehe oben S. 308 ff., S. 320 ff. 172 Zur Auffassung Albrechts von Brandenburg von „Franken“ vgl. Petersohn, Franken im Mittelalter, S. 278–282. 173 Zur Übersetzung von provincia mit „Land“ in älteren Zeiten: Karl Heinemeyer, König und Reichsfürsten in der späten Salier- und frühen Stauferzeit, in: Vom Reichsfürstenstande, hg. von Walter Heinemeyer (Köln / Ulm 1987), S. 1–39, hier S. 28 f. 174 Zit. nach Schubert, Land, S. 17. Dieses Zitat ist einzuordnen in eine längerfristige „Diffamierungskampagne“ der Herzöge von Bayern gegenüber den Hohenzollern in Franken: JeanMarie Moeglin, „Toi, burgrave de Nuremberg, misérable gentilhomme dont la grandeur est si récente…“. Essai sur la conscience dynastique des Hohenzollern de Franconie au XVe siècle, in: Journal des Savants (1991), S. 91–131. Siehe auch oben S. 320 ff. 175 Merz, Fürst und Herrschaft, S. 189.
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verschiedenen Herrschaftsträgern gewesen176. Eine Analyse der Quellenbegriffe – etwa der Benennung territorialer Einheiten – ist grundlegend und wichtig für die Ermittlung der Wahrnehmung der Zeitgenossen; zur Beschreibung des Charakters von Territorien, ihrer Abgrenzung und Ausgestaltung reicht sie allerdings nicht aus. Die Untersuchung von Governance und politischen Netzwerken lassen weitere Parameter erkennen, die im Zusammenhang mit dem Phänomen des Territoriums wichtig erscheinen. Wie schon an anderer Stelle betont, lässt sich die Aktivierung von Hoheitsrechten nicht immer eindeutig diesen Idealtypen zuordnen177. „Territorialisierung“ musste ebenso wenig allein vom Fürsten und in Konkurrenz von Fürsten entstehen. Hans von Seckendorff hatte im Grenzgebiet zwischen Bayern und Franken durchaus große Spielräume, seine eigenen Gerichtsrechte intensiv zu nutzen oder gar zu erweitern178; der Zugriff sowohl der markgräflichen als auch der bayerischen Seite auf ihn war relativ beschränkt. Wenn nun Hans von Seckendorff bei seiner Verfolgung von Eigeninteressen durch sein Handeln Interessen der einen oder anderen Seite mitverwirklichte, so war dies wohl weniger eine Leistung der Fürsten. Klarer werden die Bedingungen solcher Einzelfälle erst dann, wenn auch die familiären, Lehns-, Dienst-, Ordens- und Freundschaftsnetzwerke dieser Niederadligen in Grenzlage berücksichtigt werden. Auch der Niederadlige Ludwig von Eyb realisierte in seinen Bemühungen, seine Lehnsherreneigenschaft an den Brauneckschen Lehen durchzusetzen, territoriale Ambitionen seines Herrn mit179. An diesem Fall wird besonders deutlich, dass Herrschaftsintensivierung durchaus auch mit anderen Interessen des Fürsten eine Gemengelage bilden konnte, die Absicht zur Herrschaftsintensivierung und „Territorialisierung“ als Nebenprodukt ganz anderer und für den Fürsten momentan wichtigerer Prozesse, etwa der Intensivierung von Personenverbindungen, und Interessengeflechte nicht immer einwandfrei zu unterscheiden sind180; auch aus der Korrespondenz zu den fränkischen Auseinandersetzungen zwischen den Markgrafen, Herzog Ludwig dem Reichen und der Reichsstadt Nürnberg geht nicht immer eindeutig hervor, ob über die aufscheinenden Konflikte tatsächlich auch eine „Territorialisierungsabsicht“ verfolgt wurde. Das in diesem Zusammenhang sich zeigende politische Netzwerk, das wesentlich von einer Vielzahl kleinerer Konflikte zwischen den Akteuren lebte, hatte offensichtlich vielmehr die Funktion, konkret einen „großen“ Landkrieg zu vermeiden, abstrakt eine Landschaft politisch zu strukturieren181. Damit ist der Schluss von Konflikten um Herrschaftsrechte auf die Absicht von Fürsten, „Territorialisierung“ und damit letztendlich den Abschluss der eigenen Herrschafts-
176
Ebd. Siehe oben G. II. 1. a). 178 Siehe oben D. III. 4., 5., besonders S. 330 f., 344 ff. 179 Siehe oben S. 269 ff., 273 ff. 180 Siehe oben S. 269 ff., 304 ff. 181 Siehe oben S. 412, 435 ff., 443, 468 ff. 177
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komplexe hin zu einem „frühmodernen Staatsgebilde“ zu betreiben, nicht immer zweifelsfrei möglich. Das Beispiel des Seckendorff von Möhren führt außerdem in besonderer Weise vor Augen, dass „weiche“ Faktoren wie das Vertrauen bei territorialen Abgrenzungsbemühungen durchaus wichtig werden konnten182; in seinem Falle konnten dadurch hierarchische Bindungen zu stärker horizontalen werden. Gleichzeitig sind die kommunikativen Prozesse, wie sie in dieser Arbeit anhand der Korrespondenz nachvollzogen werden konnten, bei der Ausdehnung, Behauptung und Intensivierung von Herrschaft von nicht unerheblicher Bedeutung. Aus einer solchen Perspektive auf „Territorialisierungsprozesse“ zu blicken, lässt auch territoriale Absichten von Reichsstädten in ihrer engen Verklammerung mit dem Umland und den sie umgebenden Fürsten und Niederadligen sowie das komplexe Wechselverhältnis zwischen Rat und einzelnen Bürgern erst hervortreten; neben Fürsten und den weiteren hier benannten Akteuren hatten somit auch sie Anteil an „Territorialisierungsprozessen“. Wie das Beispiel Nürnbergs gezeigt hat, konnten Individualinteressen Einzelner mit städtischen Gesamtinteressen des Landerwerbs übereinstimmen, verdeckt städtische „Territorialpolitik“ durch einzelne Bürger verfolgt werden und mit Landgebietspolitik davon unabhängige Ziele verfolgt werden183. So gesehen ergeben sich durchaus Ähnlichkeiten reichsstädtischer „Landgebietspolitik“ mit markgräflicher „Territorialpolitik“. Bis heute weitgehend ungeklärt ist die Frage, welchen Anteil der König an diesen Prozessen der „Territorialisierung“ im Einzelnen hatte184. Angesichts der schon an anderer Stelle hervorgehobenen durchaus aktiven Rolle Kaiser Friedrichs III. bis in regionale und lokale Zusammenhänge hinein, die über die Funktion als bloße rechtliche Legitimationsinstanz doch hinausging, sowie der Bedeutung, die ihm auch ohne sein persönliches Eingreifen als von regionalen Akteuren stets mitbedachtem Faktor zukam, sollte sein Anteil nicht unterschätzt werden. Auch die Reichsstadt Nürnberg erhielt Spielräume zur wenigstens zeitweisen „Territorialisierung“ nicht zuletzt durch den Rückgriff auf den Kaiser, wie die Untersuchung der Frage der Brauneckschen Lehen gezeigt hat185. Insgesamt bedarf es zur Bestimmung des kaiserlichen Anteils an „Territorialisierungsprozessen“ aber noch weiterer Forschungen. Dabei und bei Forschungen zur „Territorialisierung“ insgesamt wird künftig das Neben-, Mit- und Gegeneinander einer Vielzahl verschiedener Akteure mit verschiedenen Interessen zu berücksichtigen sein, deren Zusammenspiel seinen Ausdruck in Governance-Formen und seine Struktur in politischen Netzwerken findet.
182
Siehe oben S. 323 ff., 331 ff., 344 ff. Siehe etwa oben D. II. 3. a) aa), d); außerdem unten G. IV. 3. 184 Merz, Fürst und Herrschaft, S. 192–195. 185 Siehe oben D. II. 3. 183
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4. Mark Brandenburg und Franken: Zur Herrschaftspraxis Albrechts von Brandenburg a) Zum „Problem der Doppelherrschaft“ Angesichts der beiden Herrschaftsschwerpunkte, die Albrecht Achilles seit 1470 in seiner Hand vereinte, stellt sich auch die Frage nach ihrem Verhältnis zueinander. Die Forschung hat wiederholt darauf hingewiesen, dass mit der Ver einigung der fränkischen Territorien mit der Mark Brandenburg in der Hand Albrechts von Brandenburg die Mark in die Stellung eines Nebenlandes gerückt sei, wie nicht zuletzt ihre Regierung durch den Sohn des Kurfürsten, Johann Cicero, verdeutliche186. Umgekehrt ist insbesondere in Bezug auf fränkische Zusammenhänge festgestellt worden, dass sich seit 1470 Albrechts von Brandenburg Interessen nach Norden verlagert hätten187. Moraw stellte bei der Auswertung der Empfänger kaiserlicher Urkunden – also aus Reichsperspektive – fest, Albrecht von Brandenburg habe von allen Reichsmitgliedern die meisten erhalten, aber „Brandenburg im königsfernen Norden wies eine extrem geringe Zahl solcher Gunstbeweise auf (elf). So gesehen kam es wie erwähnt in der Tat auf den Herrn, nicht auf das Land an, und wenn es schon um ein Land ging, dann war es aus guten Gründen gewiß das fränkische.“188 Untrennbar verknüpft ist diese Gewichtungsfrage mit der nach der „Doppelherrschaft“ Albrechts von Brandenburg seit 1470. Schon Burkhardt erkannte bei seiner Edition des „funfft merckisch Buech“ des Markgrafen Albrecht in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Potential, das in den im Zusammenhang mit der „Doppelherrschaft“ entstandenen Quellen liegt189. Nolte spricht in Bezug auf die „Zollern in Franken und in der Mark“ in Einklang mit der älteren Forschung vom „Problem der Doppelherrschaft“190. Zu diesem Ergebnis kommt sie insbesondere durch ihre Untersuchung der Bewältigung dieser Herausforderung durch verschiedene Mitglieder der Hohenzollern, wobei sie die „Arbeitsteilung“ innerhalb der Markgrafenfamilie als ihre unabdingbare Voraussetzung bezeichnet191; dabei gelingen ihr anhand der Korrespondenz, deren Anlass ja vielfach genau diese Doppelherrschaft ist, neue Einsichten etwa in das Verhältnis von Vätern und Söhnen, wenn die Söhne als Mitregenten in einem Territorium fungieren192. Aus der Analyse verschiedener Beispiele auf den verschiedenen Ebenen, auf denen sich politisches Handeln vollzog, können auch zu diesem „Problem der Dop 186
Ziehen, Mittelrhein und Reich, S. 46 f. Franz, Kaiser und Reich, S. 16 f., der mit der Erlangung der brandenburgischen Kurwürde eine Verlagerung der Interessen des Markgrafen nach Norden annimmt. 188 Moraw, Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 28. 189 Funfft Merckisch Buech, hg. Burkhardt, S. IIf. 190 Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 72. 191 Ebd., S. 74. 192 Ebd., S. 74–76. 187
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pelherrschaft“ und damit auch zur vergleichenden Gewichtung der fränkischen und brandenburgischen Territorien des Markgrafen Ergebnisse beigesteuert werden, die die bisherige Bewertung aus einer anderen Perspektive teilweise bestätigen und nuancieren, teilweise aber auch in einem etwas differenzierteren Bild erscheinen lassen. Zu unterstreichen ist zunächst die Bedeutung von Kommunikation und Information zwischen Albrecht von Brandenburg und seinem Sohn Johann Cicero als Regent in der Mark; diese Korrespondenz findet ihre Entsprechung in der Kommunikation Albrechts mit den Räten und seiner Gattin in Ansbach, wenn er sich nicht in Franken aufhielt, etwa während der kriegerischen Handlungen gegen Karl den Kühnen193. Bislang unzureichend berücksichtigt wurde die bedeutende Rolle Herzog Wilhelms von Sachsen für die Regierung des Markgrafen; sozusagen auf halber Strecke zwischen der Mark Brandenburg und den fränkischen Territorien der Hohenzollern steuerte Wilhelm das Kommunikationsnetzwerk zwischen Nord und Süd maßgeblich und konnte quasi Hoheitsaufgaben in Franken und gegenüber territorialen Nachbarn übernehmen194. Diese Formen des Regierens waren an den Notwendigkeiten der Praxis und den Gegebenheiten der „Doppelherrschaft“ orientiert; sie führen vor Augen, wie pragmatisch mit dieser Herausforderung umgegangen und bekannte Herrschaftstechniken den geänderten Rahmenbedingungen angepasst wurden. Dies sollte im Folgenden anhand der Betrachtung der Verhältnisse der Territorien zueinander noch deutlicher werden. b) Zum Verhältnis der Territorien zueinander Nolte stellt in Bezug auf die Wahrnehmung der Hohenzollern fest, dass die Markgrafen in dieser Zeit von den fränkischen Territorien vielfach mit hieaussen, von der Mark jedoch mit doinnen sprachen, wodurch sich „eine fortdauernde Orientierung an Franken“ erkennen lasse195. Dieser Befund spricht für Moraws Bewertung des Verhältnisses von Mark und fränkischen Territorien. Die hier gewonnenen Ergebnisse sind allerdings so eindeutig nicht. So zeigt die Betrachtung des kurfürstlichen Itinerars im Betrachtungszeitraum, dass sich Albrecht von Brandenburg zwischen 1470 und 1480 etwa 40 % der Zeit gar nicht an seinem fränkischen Herrschaftsschwerpunkt aufhielt196. Zusammengenommen etwa drei Jahre dieser Zeit verbrachte er in der Mark, den Rest in politischen und kriegerischen Missionen. Ebenso ist zu betonen, dass seine Aufenthalte in Franken und die erst relativ spät erfolgte persönliche Inbesitznahme der Mark den schwierigen politischen Verhältnissen in Franken – insbesondere seinen Auseinandersetzungen mit 193
Siehe hierzu näher oben C. II. 4. Siehe oben S. 314 ff., 322 ff., 327, 336 ff. 195 Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 73. Auf Albrecht von Brandenburg bezogen stellt dies auch fest: Seyboth, Hohenzollern in Franken und Brandenburg, S. 19 f. 196 Siehe hierzu oben S. 312 f. 194
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der Reichsstadt Nürnberg – geschuldet waren, weniger einer persönlichen Präferenz des Kurfürsten für Franken197. Albrechts von Brandenburg Handeln folgte somit auch Zwängen, die nichts mit einer Wertung, einem Vorzug zu tun hatten. Daneben ist auf die Verflechtungen der fränkischen Territorien und der Mark Brandenburg zu blicken, die jenseits der Urkundenstreuung und des Fürstenitinerars sichtbar werden. Die Thesen von der Interessenverschiebung nach Norden seit 1470 ebenso wie vom Herabsinkens der Mark zu einem „Nebenland“ können aus dieser Sicht nicht bestätigt werden. Fränkische und brandenburgische Angelegenheiten wurden in der Korrespondenz vielfach gleichberechtigt behandelt. Herzog Wilhelm von Sachsen gewichtete verschiedene politische Themenkreise, wobei er fragte, ob bei politischem Handeln in Franken auf den Stettiner Erbfolgestreit Rücksicht genommen werden sollte198. Angesichts dieser Befunde erscheint eine Gewichtung zwischen den beiden Herrschaftsschwerpunkten nicht absolut, sondern nur lagebezogen möglich. An mehreren Stellen dieser Arbeit begegneten außerdem sowohl das Burggraftum als auch das brandenburgische Kurfürstentum als Argument im jeweils anderen Zusammenhang. So argumentierten die Herzöge von Pommern-Wolgast im Stettiner Erbfolgestreit verständlicherweise mit dem Burggraftum und nicht mit der Mark Brandenburg, um die Hohenzollern als Fürsten ohne Territorium zu diffamieren199. Umgekehrt erhielt die Mark im Vertrag von 1474 zu den Brauneckschen Lehen in Franken entscheidende Bedeutung. Indem ein Teil der Lehen, nämlich die, die der Bischof von Bamberg zukünftig an den Markgrafen von Brandenburg ausgeben sollte, an das Kurfürstentum gebunden wurde, wurden beide Herrschaftsteile miteinander zunächst als Argument zur Einigung in politischen Fragen eingesetzt und dann durch Vertrag miteinander verflochten200. Wie die Regelungen der Folgezeit nahelegen, versuchten die Markgrafen danach, diese Verflechtungen ihrer Herrschaftsteile aufzulösen und damit der Hausgesetzgebung anzupassen. Wie im Falle der Herzöge von Pommern wurde offensichtlich auch hier die Argumentation mit dem jeweils anderen Herrschaftsteil von den politischen Gegnern beziehungsweise Partnern eingebracht. Während in diesen Fällen der Effekt der Argumentation mit den beiden Herrschaftsteilen als ambivalent zu bezeichnen ist, so wird für die Situationen, in denen die Hohenzollern selbst die Gegebenheit mehrerer von ihnen beherrschter Territorien und ihrer Unterschiede argumentativ einsetzten, mit der Erweiterung hohenzollerischer Handlungsspielräume zu rechnen sein. Ebenso – dies legen sowohl Albrechts Aussagen als auch sein Handeln nahe – eröffnete die brandenburgische Kurwürde dem fränkischen Fürsten neue, potenziell das Reich umspannende Netzwerke201. 197
Siehe hierzu oben S. 103 f., 401 f. Siehe hierzu oben S. 316 f. 199 Siehe hierzu oben S. 219 f., 245. 200 Siehe hierzu oben D. II. 5. 201 Insgesamt skeptischer: Seyboth, Hohenzollern in Franken und Brandenburg, S. 19 f. 198
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Wenn sich nun die Herrschaftsschwerpunkte in der hier beschriebenen Form auf verschiedenen Feldern gegenseitig durchdrangen, dann ist auch auf die Bewertungen dieser Territorien selbst durch die Zeitgenossen wie durch die Forschung zu blicken. Typischerweise wird aus einer modernisierungsgeschichtlichen Perspektive geschlossen, dass die fränkischen Herrschaftsteile202 des Markgrafen um 1470 vergleichsweise „fortschrittlich“, die Mark Brandenburg203 hingegen „rückständig“ gewesen seien. So bezeichnete etwa Moraw die Entwicklung in der Mark Brandenburg als „Verspätung“. Dies untermauert er mit dem Hinweis auf den „Import fränkischer Räte [in die Mark] bis tief in die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts hinein“ und dem damit verbundenen Transfer von Verwaltungswissen204. Aus prosopografischer Perspektive wird man Moraw zustimmen können. Durchaus wurde auch die brandenburgische Herrschaft, insbesondere die Finanzverwaltung, von den fränkischen Räten als ungeordnet wahrgenommen; gleichzeitig erkannte man aber doch auch die strukturellen Unterschiede, die mit den Gegebenheiten verbunden waren. Dass außerdem geregelte Finanzen nicht unbedingt auch als erstrebenswertes Ziel der Verwaltung gelten mussten, sondern ebenso als „unfürstlich“ angesehen werden konnten, belegen Aussagen in der Korrespondenz Markgraf Friedrichs II. seinem Bruder Albrecht Achilles gegenüber205. Zudem konnte hier nicht nur der Transfer von Wissen um Herrschaftstechniken von Franken in die Mark, sondern auch umgekehrt beobachtet werden – man denke etwa an die Erhebung der in der Mark Brandenburg üblichen Lehnware in den fränkischen Herrschaftsteilen206. So, wie sich kaiserliche Politik im Reich nicht gleichförmig, sondern regions- und konstellationsspezifisch realisierte, so scheint sich dies also auch mit der markgräflichen Politik zwischen Franken und Brandenburg verhalten zu haben. Damit erweist sich „Verspätung“ eher als eine zu sehr vom gewünschten Ergebnis – dem Ideal des „modernen Staates“ – gedachte Wertung207.
202 Die innere Entwicklung der Markgraftümer Ansbach und Kulmbach im 15. Jahrhundert umreißt: Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 341–388. Er betont außerdem, dass es zwischen diesen beiden fränkischen Herrschaftsteilen des Markgrafen erhebliche Entwicklungsunterschiede gegeben habe, ebd., S. 351. Auch Zimmermann, Grundlagen und Wandlungen, S. 32, stellt fest, dass das Markgraftum Kulmbach gegenüber dem Herrschaftsteil um Ansbach „einen beträchtlichen Vorsprung in Richtung auf die moderne Staatlichkeit“ gehabt habe. 203 Zur inneren Entwicklung der Mark Brandenburg im 14. und 15. Jahrhundert: Peter- Michael Hahn, Adel und Landesherrschaft in der Mark Brandenburg im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit, in: JBLG 38 (1987), S. 43–57. 204 Moraw, Mark Brandenburg im späten Mittelalter (2001), S. 25. 205 Koser, Politik der Kurfürsten Friedrich und Albrecht, S. 117. 206 Siehe oben S. 294 f., 424 ff. 207 Vgl. die Anmerkungen zum postulierten „Mangel an Modernität“ in der Verwaltung: Mark Mersiowsky, Die Anfänge territorialer Rechnungslegung im Deutschen Nordwesten. Spätmittelalterliche Rechnungen, Verwaltungspraxis, Hof und Territorium (Residenzforschung 9, Stuttgart 2000), S. 348. Zu Eigenheiten und Besonderheiten der Verwaltungsausweitung auch: Hesse, Amtsträger, S. 473–482.
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Die fränkischen Territorien und die Mark Brandenburg hingen während der Herrschaft Albrechts von Brandenburg somit in nicht unbedeutender Weise voneinander ab; die politische Wirksamkeit des Kurfürsten in den Territorien wurde von den Bedingungen im jeweils anderen Herrschaftsteil – sowie von den reichspolitischen Zusammenhängen – mitbestimmt. Hieran wird schließlich deutlich, dass auch die Herrschaftsorganisation und -praxis des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg mit den klassischen Untersuchungsmitteln der Hofforschung nicht vollkommen erfasst werden kann208. Sein politisches Handeln vollzog sich vielmehr zwischen den Räumen, in politischen Netzwerken. Auch eine abschließende Bewertung des „Gewinns“ der Mark Brandenburg für Albrecht Achilles im Jahre 1470 – wie in der Einleitung problematisiert – erscheint deshalb erheblich schwieriger. Damit eng verbunden ist die seit langem die Forschung beschäftigende Frage, ob Albrecht von Brandenburg seit der Übernahme der Mark Brandenburg eine weniger aggressive Politik verfolgte als zuvor209. In diesem Zusammenhang ist besonders auf die Analyse politischer Netzwerke in Franken um die Reichsstadt Nürnberg und Herzog Ludwig den Reichen zu verweisen. Einerseits wurde offen über Krieg diskutiert, andererseits führten unzählige Kleinkonflikte, über die in einer Kette von letztlich erfolglosen Verhandlungen beraten wurde und bei denen das Verhalten der anderen Akteure kalkulierbar schien, nicht zu einer Eskalation210. Besonders in den fränkischen Angelegenheiten erscheint dabei angesichts der hier ermittelten Ergebnisse das Jahr 1470 weniger als ein einschneidender Bruch; nicht zuletzt die Folgen der Affäre Niklas Muffel verdeutlichen, dass sich Veränderungen in den Beziehungen zwischen Nürnberg und dem Markgrafen schon vor 1470 ergeben hatten211. Es liegt gleichwohl nahe anzunehmen, dass die Übernahme der Mark durch Albrecht das Verhalten der fränkischen Akteure zumindest beeinflusste. Anstatt einer absoluten Bewertung sollten deshalb jeweils auf den Einzelfall bezogen Kontinuität und Brüche im politischen Handeln Albrechts von Brandenburg und seiner Nachbarn untersucht werden. Während die Forschung zur Frühen Neuzeit solche Phänomene mehrerer entfernter Herrschaftsteile, die von einem Fürsten regiert werden, unter dem Aspekt der „zusammengesetzten Staatlichkeit“ oder der „Mehrfachherrschaft“ konzep tionell zu fassen versucht, gibt es solche Konzepte für die Mittelalterliche Geschichte bislang – soweit zu sehen – nicht212. Dabei ergeben sich aus diesen 208
Siehe in Bezug auf Kaiser Friedrich III. auch oben G. I. 1., 2. sowie unten G. III. 4. Zur Bedeutung der Überlieferung in diesem Zusammenhang siehe S. 87 ff. 210 Siehe oben S. 308 ff., 321 ff., 325 f., 383 ff., 388, 411 ff., 428 ff., 436 ff., 468 ff. 211 Siehe oben E. II. 2. 212 Michael Rohrschneider, Zusammengesetzte Staatlichkeit in der Frühen Neuzeit. Aspekte und Perspektiven der neueren Forschung am Beispiel Brandenburg-Preußens, in: AK 90 (2008), S. 321–349. Franz Bosbach, Mehrfachherrschaft – eine Organisationsform frühmoderner Herrschaft, in: Membra unius capitis. Studien zu Herrschaftsauffassungen und Regierungspraxis in Kurbrandenburg (1640–1688), hg. von Michael Kaiser / Michael Rohrschneider 209
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Befunden zur „Doppelherrschaft“ auch methodische Konsequenzen für den landeshistorischen Vergleich zwischen diesen Herrschaftsteilen, bei dem ihre vielfältigen Verflechtungen und Wechselbeziehungen stets einzubeziehen sind213. Das Instrumentarium des Governance-Ansatzes sowie der Politiknetzwerke kann zu einer Analyse dieser Phänomene der „Doppelherrschaft“ helfen. 5. Anmerkungen zur Verwaltungsgeschichte a) Verwaltung und „Territorialstaat“: Methodisches Eine auf Dauer angelegte Herrschaft, so ist vielfach zu lesen, habe sich regulär in der spezifischen Form der Verwaltung vollzogen; so habe sich der „werdende Territorialstaat des späteren Mittelalters […] als ‚Beamtenstaat‘“ verwirklicht214. Bis heute liegt allerdings weder eine spätmittelalterliche Verwaltungsgeschichte der fränkischen Territorien215 des Markgrafen noch für die Mark Brandenburg vor216. (FBPrG NF. Beiheft 7, Berlin 2005), S. 19–34, hier S. 18–21. In der Forschung zum Spätmittelalter wird die Problematik, wenn überhaupt, nur als „Nebenland“-Phänomen bezeichnet; damit verbindet sich aber keine umfassendere konzeptionelle Erfassung, vgl. Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 5. 213 Ähnlich: Alois Schmid, Neue Wege der bayerischen Landesgeschichte (Wiesbaden 2008), S. 40 f. Ausführlicher siehe unten G. VII. 214 Wilhelm Janssen, Zur Verwaltung des Kölner Erzstifts unter Erzbischof Walram von Jülich, in: Aus kölnischer und rheinischer Geschichte. FS Arnold Güttsches, hg. von Hans Blum (Veröffentlichungen des Kölnischen Geschichtsvereins 29, Köln 1969), S. 1–40, hier S. 4 f. Ders., Landesherrliche Verwaltung und landständische Vertretung in den niederrheinischen Territorien 1250–1350 (Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 20, Bonn 1971). Gerlich, Geschichtliche Landeskunde, S. 288–297. 215 Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, insbesondere S. 341–388; S. 350, Anm. 54, mit Angaben zur älteren Literatur. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 24, bemängelt das Fehlen einer Untersuchung zum Ansbacher Hof. Vgl. nun mit Schwerpunkt auf Hofhaltung und Hoforganisation: Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 149–168. Die Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Stuttgart 1983), enthält keinen Beitrag zur Verwaltungsorganisation der fränkischen Territorien. 216 Vgl. Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung: Die Arbeit stammt aus dem Jahre 1908. Sie ist im Zusammenhang mit der seit etwa Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts zu beobachtenden Hinwendung der preußischen Geschichtsschreibung zur „Innenpolitik“ zu sehen, vgl. Grothe, Deutsche Verfassungsgeschichtsschreibung, S. 57. Wesentlich geprägt wurde Spangenbergs Arbeit durch den wirkmächtigen Kreis um Gustav Schmoller, vgl. Wolfgang Neugebauer, Preußische Traditionen der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, in: Herrschaftsverdichtung, Staatsbildung, Bürokratisierung. Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Frühen Neuzeit, hg. von Michael Hochedlinger / Thomas Winkelbauer (VIÖG 57, Wien / Köln / Weimar 2010), S. 87–104, hier S. 92–99. Schon Leopold von Ranke, Neun Bücher preußische Geschichte, Bd. 1 (Berlin ²1848), S. VIII (Vorwort), hatte um die Mitte des 19. Jahrhunderts mit Blick auf eine preußische Verwaltungsgeschichte festgestellt: „In Bezug auf die innere Verwaltung habe ich künftigen Forschern noch eine reiche
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Hinweise auf den Charakter der markgräflichen Verwaltung scheinen freilich besonders in Arbeiten zu den Räten, zu Hof und Residenz sowie im Zusammenhang mit der Untersuchung der Herrschaft der verschiedenen Markgrafen hier und da auf217. So sei der Hof Albrechts von Brandenburg ein „wesentlicher Schritt auf dem Weg zu einer neuzeitlichen, bürokratisch organisierten Staatsverwaltung“218, Albrecht selbst in diesem Zusammenhang „fortschrittlich“ gewesen. Aus der Korrespondenz Albrechts von Brandenburg mit seinen Räten ist daneben sein „Führungsstil“ ermittelt worden219. Seine Räte seien „trotz umfangreicher Entscheidungsbefugnisse einer peniblen Kontrolle“ unterworfen gewesen; Albrecht sei „autoritär“, „jedoch nie tyrannisch und ungerecht“ gewesen, sodass er nicht nur über einen „fachkompetenten, sondern auch überaus loyalen Kreis von Räten“ habe verfügen können. Die Räte seien allerdings nie bloß „Befehlsempfänger“ gewesen, sondern „Mitarbeiter, die über seine persönliche Absichten eingehend unterrichtet waren und sie tätig mitverwirklichten“220. Die hier untersuchten Beispiele eignen sich nicht, allzu generalisierende Aussagen über „die“ Verwaltung der Hohenzollern in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zu machen. Deshalb sind die folgenden Beobachtungen als Beitrag zu einer umfassenderen, erst noch zu schreibenden Verwaltungsgeschichte der Markgrafen in Franken und Brandenburg zu verstehen. Hervorzuheben ist zunächst, dass mit dem Governance-Ansatz ein zur etablierten Verwaltungsgeschichtsforschung methodisch entgegengesetzter Weg eingeErnte übrig gelassen, von der ich nur wünsche, daß sie einmal in die Scheuern gelange. Welch ein Werk könnte eine Geschichte der preußischen Verwaltung werden, wenn man ihre Schritte nach dem jedesmaligen Bedürfniß und Erfolg ohne theoretische Befangenheit zu würdigen, die lebendigen Momente in ihrem Zusammenhange mit dem gesammten Staatsleben zu ergreifen verstünde, so von den alten auf die neueren Zeiten fortschritte.“ Vgl. die Arbeiten zu Teilaspekten: Gerhard Schapper, Die Hofordnung von 1470 und die Verwaltung am Berliner Hofe zur Zeit Kurfürst Albrechts im historischen Zusammenhange behandelt (Veröffentlichungen des Vereins für die Geschichte der Mark Brandenburg 11, Berlin 1912). Wagner, Kanzlei- und Urkundenwesen. Erich Wyluda, Lehnrecht und Beamtentum. Studien zur Entstehung des preußischen Beamtentums (Schriften zur Verfassungsgeschichte 9, Berlin 1969), mit teilweise sehr weitgehenden Schlüssen. Überblicksartig zusammenfassend: Werner Vogel, Brandenburg-Preußen. A. Die Entwicklung der brandenburgischen Verwaltung bis zum Regierungsantritt König Friedrich Wilhelms I. (1713), in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Stuttgart 1983), S. 858–889, hier S. 861–865. Vgl. nun Wolfgang Neugebauer, Die Mark Brandenburg und ihre Verwaltung vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Hauptlinien und Grundprobleme, in: Fünf Jahre Bundesland Brandenburg. Ein neues altes Land (Schriften des Landtages Brandenburg, Potsdam 1996), S. 29–51, hier S. 29–31, 42 f., Anm. 6. 217 Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien genannt: Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach. Thumser, Hertnidt vom Stein (1989). Nolte, Familie, Hof, Herrschaft. Zimmermann, Grundlagen und Wandlungen. 218 Thumser, Hertnidt vom Stein (1989), S. 27. 219 Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 352–359, besonders S. 354. 220 Ebd., S. 345. Siehe zu den Räten im Einzelnen unten G. IV. 1.
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G. Vergleiche und Folgerungen
schlagen wurde. Klassischerweise werden nämlich Institutionen oder Verwaltungs organe221 wie Ämter, die Kanzlei oder das Gerichtswesen in einem abgeschlossenen Territorium im Sinne einer Strukturbeschreibung untersucht222. Die Ausprägung von Verwaltung wird in einen „Entwicklungsprozess“ eingeordnet, der sich in die Erzählung von der Entstehung des „modernen Staates“ einordnet und in Anlehnung an Weber223 mit den Begriffen „Rationalisierung, Bürokratisierung und Modernisierung“224 beschrieben werden kann. Je mehr Verwaltungsstrukturen sich finden lassen und je gefestigter sie erscheinen, umso „fortschrittlicher“ oder „moderner“ ist das jeweils untersuchte Territorium zu bewerten. Insbesondere für die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts seien zwar Veränderungen in den „Zielen, Methoden und Mitteln von der Verwaltungspraxis“ sowie Vereinheitlichungstendenzen im Wege der Institutionalisierung zu beobachten225; generell werde man 221 Bis zum Aufkommen der Hof- und Residenzforschung war es insbesondere das Amt, das als „Wiege der Landesherrschaft“ angesehen und dementsprechend intensiv untersucht wurde, vgl. hierzu Ellen Widder, Hofordnungen im Niedersächsischen Reichskreis, in: Höfe und Hofordnungen 1200–1600. 5. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Holger Kruse / Werner Paravicini (Residenzenforschung 10, Sigmaringen 1999), S. 457–495. 222 Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 349–352. Seyboth sah bei seiner Arbeit zu den „Markgraftümern Ansbach und Kulmbach unter der Regierung Markgraf Friedrichs des Älteren“ „Strukturgeschichtsforschung“ und „herkömmliche politische Geschichtsschreibung“, der er seine eigene Studie zurechnete, unvereinbar, da „langfristige Entwicklungsvorgänge“ und Arbeiten zum „politische[n] Handeln individueller Personen innerhalb fester räumlicher und zeitlicher Grenzen“ nicht zusammengehen könnten. So kommt er zu dem Schluss: „Ebenso schwierig wie fragwürdig muß aus diesem Grund jeglicher Versuch bleiben, aus dem Kontinuum des Gestaltungsvorgangs ausschnitthaft die wenigen Jahrzehnte der Herrschaft einzelner Regenten herauszugreifen und deren fördernde, hemmende oder modifizierende Wirkung auf den Entwicklungsprozeß ihrer Territorien zu ermitteln. Ein der artiges Unterfangen, das bereits Vorhandenes ebenso ignoriert wie später Geschaffenes, muß zwangsläufig zu verzerrten Ergebnissen führen.“ 223 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie (Tübin gen 51972, ursprünglich 1921/1922, ND 1980), S. 124–140, 815–837. Die jüngere Diskussion zu Webers Staatssoziologie zusammenfassend: Max Webers Staatssoziologie. Positionen und Perspektiven, hg. von Andreas Anter / Stefan Breuer (Staatsverständnisse 15, Baden-Baden 2007). Einen Überblick bietet ferner: Andreas Anter, Max Webers Theorie des modernen Staates. Herkunft, Struktur und Bedeutung (Beiträge zur politischen Wissenschaft 82, Berlin 1995). Zur jüngeren Verwaltungsgeschichte insgesamt zusammenfassend: Hochedlinger, Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte, S. 68–78. Daneben nach wie vor grundlegend: Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh, Grundzüge, Aufbau und Zielsetzung der Verwaltungsgeschichte, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von dens. (Stuttgart 1983), S. 3–20, sowie die weiteren Beiträge des Bandes. 224 Emich, Formalisierung des Informellen (2011), S. 81 f. Dies., Formalisierung des Informellen (2009). Mit Rationalisierung ist die Straffung von Verwaltungsstrukturen, die Steigerung der Effizienz, eine Verbesserung der Zweck-Mittel-Relation gemeint; unterworfen ist sie dem Diktat der Vernunft. 225 Wilhelm Janssen, Neue Wege und Formen territorialer Verwaltung am Niederrhein im Übergang zur frühen Neuzeit, in: RhVjBll 58 (1994), S. 133–148, hier S. 133. Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 31. Grundlegend auch Hans Patze, Die Herrschaftspraxis
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aber mit diesem Bewertungsmaßstab für diese Zeit „noch“ von einer „Unfertigkeit“226 der Verwaltungsinfrastruktur, ja sogar von „unerfreuliche[n] Verhältnissen in der Verwaltungspraxis“227 sprechen müssen. Unter der Governance-Perspektive und im Zusammenhang mit politischen Netzwerken erscheint „die“ Verwaltung hingegen zum einen als ein Akteur unter mehreren, die alle an Prozessen politischen Handelns und Regierens insgesamt beteiligt sind. Zum anderen wird keine starre Strukturbeschreibung unternommen, sondern die Handlungen der Verwaltungsakteure werden sachbezogen untersucht. Damit wird nicht von vornherein der Bewertungsmaßstab festgelegt, sondern danach gefragt, wie die Verwaltung sich in der Praxis zeigte. Außerdem bleibt so Verwaltungshandeln nicht auf das Innere eines Territoriums beschränkt; vielmehr können in Situationen, in denen die Verwaltungsstrukturen von außerhalb des Territoriums herausgefordert werden, die bestehende Ordnung und ihre Grenzen im Inneren erst sichtbar werden228. b) Verwaltung als Akteur und Verwaltungsakteure Das soeben Festgestellte hat Konsequenzen für die Bewertung der markgräflichen Verwaltung. Hervorzuheben sind (1) die Prinzipien von Hierarchie und Weisung, (2) das Verhältnis zwischen der Verwaltung und anderen Akteuren, (3) die Interessen von Verwaltungsakteuren sowie der Amtscharakter, (4) der Stellenwert von Informationen und Kommunikation, (5) die Organisation von Wissen, vor allem im Wege der Schriftlichkeit, und schließlich (6) die „Modernisierung“ durch Schaffung neuer Strukturen. (1) Während die Verwaltungsinstanzen im Idealfall in einem streng hierarchischen Verhältnis zueinander stehen, ergaben sich während der Abwesenheit des Kurfürsten in der markgräflichen Verwaltung in Sondersituationen deutliche Abweichungen. Während Albrecht einerseits darauf hinwies, dass die Amtleute die der deutschen Landesherren während des späten Mittelalters, in: Histoire comparée de l’administration (IVe –XVIIIe siècles), hg. von Werner Paravicini / Karl Ferdinand Werner (Beihefte der Francia 9, München / Zürich 1980), S. 363–391. Karl Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 1: Bis 1250 (Köln / Weimar / Wien 132008). Ders./Albrecht Cordes / Karin Nehlsen-von Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2: 1250–1650 (Stuttgart 92008), S. 208 f. 226 Vgl. Schubert, Fürstliche Herrschaft und Territorium, S. 17. Vgl. ferner Ellen Widder, Der Amberger Hof 1474. Entstehung und Funktion der ältesten kurpfälzischen Hofordnung, in: Manipulus Florum. Aus Mittelalter, Landesgeschichte, Literatur und Historiographie. FS Peter Johanek, hg. von ders./Mark Mersiowsky / Maria-Theresia Leuker (Münster 2000), S. 271–305, hier S. 271. 227 Dietmar Willoweit, Selbstbindung absoluter Herrschermacht durch Verwaltungsgesetzgebung. Eine staatssoziologische Problematik im Vorfeld der Aufklärung, in: Rechtsforschung, Rechtspolitik und Unternehmertum. Gedächtnisschrift für Edgar Michael Wenz, hg. von Ulrich Karpen / Ulrich Weber / Dietmar Willoweit (Berlin 1999), S. 403–413, hier S. 406. 228 Anders: Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 341 f.
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Anweisungen der „Zentrale“ in Ansbach streng befolgen sollten und er keine Parteiungen der verschiedenen Ebenen duldete, sollten Konflikte in der Verwaltung insgesamt im Konsens und durch die Vermittlung Dritter gelöst werden229. Am Beispiel der Vorfälle von Heideck werden die Grenzen der Reichweite von Anordnungen des Markgrafen deutlich; so weigerten sich die Geleitsknechte aus ihren eigenen Interessen heraus, die Anordnung des Amtmanns – und damit indirekt des Markgrafen – zu befolgen230. Verwaltungshandeln hatte sich somit schon zwischen den Instanzen an seiner Durchsetzbarkeit zu orientieren, und zwar umso stärker, je weniger hierarchische Steuerungsmöglichkeiten zur Verfügung standen und die Akteure Eigeninteressen verfolgen konnten. Nicht eindeutig erscheint, wie während der Abwesenheit des Kurfürsten mit seinen Anweisungen umzugehen war. Albrecht von Brandenburg beantwortete anscheinend nicht alle Anfragen seiner Räte zu Einzelthemen – entweder erwähnte er sie in seiner Antwort überhaupt nicht oder stimmte nur allgemein zu; die von ihm getroffene Auswahl lässt keine themenbezogene Systematik erkennen231. Welche Auswahl an Themen die Räte und Statthalter ihrem Herrn vorlegten, erscheint ebenso schwierig zu kategorisieren – zumindest lässt sich aber ein Gutteil den Beziehungen zu anderen Fürsten zuordnen. Die Anordnungen, die Albrecht von Brandenburg selbst auf der Grundlage seiner Informationen gab, waren nicht immer im Einklang mit seinen vor seiner Abreise ausgegebenen Anweisungen. Auch die Tatsache, dass Herzog Wilhelm von Sachsen in die Kommunikation des Markgrafen mit seiner Verwaltung eingebunden war, sorgte dafür, dass die Räte in Ansbach in eine Lage geraten konnten, sich widersprechende Anweisungen befolgen zu sollen232. Nicht nur in diesen Situationen, sondern auch, wenn sich die Lage kurzfristig änderte, passten die Akteure der markgräflichen Verwaltung ihr Handeln an – auch auf die Gefahr, hinterher von ihrem Herrn getadelt zu werden233. So gesehen konnten die Statthalter in Ansbach durchaus große Handlungsspielräume haben. Aus den teilweise heftigen Tadeln im Nachgang solcher Situationen kann geschlossen werden, dass Albrecht von Brandenburg selbst eine Vorstellung hatte, wie angemessen auf neue Aufgaben zu reagieren war234; besonders wichtig erschienen ihm nicht nur die Sicht eines Einzelfalls, sondern die Gewichtung verschiedener Aufgaben sowie die Betrachtung der Konstellationen von Akteuren und ihren jeweiligen Interessen, die betroffen waren235. Auch die Amtleute als die „Außenposten“ der markgräflichen Verwaltung in der Fläche konnten situa 229
Siehe etwa oben S. 312 f., 336 f. Siehe oben S. 315, 320, 336 f. 231 Siehe etwa oben S. 321 f., 335 ff. 232 Zum Charakter der Ratschläge Herzog Wilhelms von Sachsen siehe oben S. 315, 336 f. 233 Siehe etwa oben S. 318 f., 324 ff. 234 Siehe etwa oben S. 207, 324 ff., 335 f., 426 ff., 437 ff., 460 f. 235 Siehe oben S. 316 f., 321f., 325, 336 f. (in Bezug auf Herzog Wilhelm von Sachsen), 429, 439 (Ludwig von Eyb). 230
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tions- und sachbezogen beachtliche Spielräume erlangen, sodass ihr streng hierarchisches Unterordnungsverhältnis gegenüber der „Zentrale“ in Ansbach situationsbedingt faktisch aufgehoben sein konnte236. Auch der Markgraf selbst kommunizierte teilweise direkt mit Amtleuten unter Umgehung der „Zentrale“ beziehungsweise, um die „Zentrale“ erst zu informieren237. Außerdem intervenierte auch Albrechts von Brandenburg Frau Anna in Angelegenheiten der Verwaltung238. Ebenso hatte die Stimme der in Ansbach tätigen Räte unterschiedliches Gewicht, wie das Beispiel des Ludwig von Eyb zeigt239. Auch der Kurfürst selbst kommunizierte mit eigentlich gleichgeordneten Räten durchaus unterschiedlich, und zwar um innerhalb der eigenen Verwaltung gleichermaßen Akteure zu kontrollieren und Verwaltungshandeln erst anzuregen240. Zusammengenommen ergibt sich ein eher widersprüchliches Bild von Hierarchie und Weisungen. Sie waren keine starren Kategorien, sondern konnten von der Situation und den Bedürfnissen der Praxis abhängig stark variieren. (2) Mit der Frage der Hierarchie eng verknüpft ist die nach dem Verhältnis von Verwaltungsakteuren zu anderen in politischen Netzwerken. Sowohl im Zusammenhang mit der Landfriedenssicherung und der Verfolgung des Wilhelm Zaunrüde als auch mit der Ausübung des Geleits sowie mit der Übermittlung von Informationen über einen bevorstehenden Angriff durch Pfarrer oder Bauern übernahmen „alternative Akteure“ Aufgaben für die markgräfliche Verwaltung241. Dabei handelte es sich in den hier untersuchten Beispielen in der Regel um die Erbringung einer Governance-Leistung, etwa der Bereitstellung von Sicherheit oder der Übermittlung von Informationen. Diese Kooperationen zwischen Verwaltungsakteuren und von ihnen Unabhängigen erwuchsen in der Regel aus Interessenüberschneidung bei den Akteuren. Ebenso ist am Beispiel der Familien von Eyb sowie der von Seckendorff zu beobachten, wie einzelne „Amtsvertreter“ gleichzeitig familiäre Netzwerke aktivierten, in vielfacher Weise nutzten und dabei nicht unbedingt zwischen „Dienst“- und „Privatverpflichtung“ trennten. 236 Siehe etwa oben S. 312 ff., 335, 348. Vgl. zur Genese des spätmittelalterlichen Amtes: Schmitt, Territorialstaat und Gemeinde, S. 6–10. Willoweit, Verfassungsgeschichte, S. 109– 115. Mersiowsky, Rechnungslegung, S. 346. Außerdem Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung, S. 7–10; Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach. 237 Siehe oben S. 427 f. 238 Siehe oben C. II. 4. 239 Siehe oben S. 326. 240 Siehe oben S. 324 ff., 328, 431 ff. Siehe zu den Spezifika brieflicher Kommunikation in diesem Zusammenhang unten G. VI. 2. 241 Siehe oben S. 323 ff., 333 ff. (S. 343, Anm. 604, mit Hinweisen zu ähnlichen Befunden in Sachsen um 1500), 374 ff., 376 ff. Siehe ferner auch oben S. 210 (Übermittlung von Informationen durch einen Priester). Für die Frühe Neuzeit zeichnen sich ähnliche Befunde ab, vgl. Stefan Brakensiek, Herrschaftsvermittlung im alten Europa. Praktiken lokaler Justiz, Politik und Verwaltung im internationalen Vergleich, in: Ergebene Diener ihrer Herren? Herrschaftsvermittlung im alten Europa, hg. von dems./Heide Wunder (Köln / Weimar / Wien 2005), S. 1–22, hier S. 4 f. Außerdem die weiteren Beiträge in diesem Band.
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(3) Von einer der Idee der „modernen Verwaltung“ zugrunde liegenden „Amtsführung ohne Ansehen der Person“, also von Beamten, die „nach festen Regeln, nach rationalen Gesetzen, die für alle gleich gelten“242, handeln, kann um 1470 im Umfeld Albrechts von Brandenburg nur bedingt die Rede sein. Räte konnten gleichzeitig Eigen-, Fremd- und Herreninteressen bündeln und gemeinsam vertreten. Amtleute hatten bei der Verfolgung ihrer Pflichten ebenso Eigen- wie Fremdinteressen, ohne dass dies als Bruch ihres Eides oder Vernachlässigung der Dienstpflichten angesehen werden musste243. Ludwig von Eyb und seine Familie sind hierfür ein Paradebeispiel244. Umgekehrt schufen sie über ihre „privaten“ Netzwerke ihren Herren Spielräume und konnten so auf informellem Wege zur Herrschaft beitragen245. Mit der Konstellation, die Familie von Eyb als Zwischeninstanz zwischen die Nürnberger Inhaber von Brauneckschen Lehen und den Markgrafen selbst zu installieren, wird die Verknüpfung von Eigeninteressen des Rats, politischem Mittel des Markgrafen gegenüber einem Konfliktgegner, hier Nürnberg, und der Belohnung des eigenen „Personals“ durch den Markgrafen in besonderer Weise deutlich. Hier scheint eine Sphäre des „Informellen“ auf, die bisher, wie jüngst für die Verwaltungsgeschichte der Frühen Neuzeit hervorgehoben wurde, unter dem Ideal der „Amtsführung ohne Ansehen der Person“ als „Störfaktoren, Hindernisse der Modernisierung, Elemente, die es zu überwinden gilt“246, verstanden werden mussten und als Untersuchungsgegenstand nicht taugten247. Keineswegs waren diese „informellen Strukturen“ dysfunktional für die Herrschaftsorganisation. Sie konnten in der Dauer ihres Bestandes, in ihrer Intensität und ihrer Gestalt sehr unterschiedlich sein. In anderen Fällen, wie der Einführung einer „Straßenpolizei“, spielte die Sorge vor Eigeninteressen seiner Verwaltung beim Kurfürsten mit und führte zur Ableh 242
Emich, Formalisierung des Informellen (2011), S. 82. Siehe im Einzelnen unten G. IV. 1. 244 Siehe oben D. II. 2. b), 8. 245 Für die Frühe Neuzeit ähnlich auch: Stefan Brakensiek, Lokale Amtsträger in deutschen Territorien der Frühen Neuzeit. Institutionelle Grundlagen, akzeptanzorientierte Herrschaftspraxis und obrigkeitliche Identität, in: Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, hg. von Ronald G. Asch / Dagmar Freist (Köln / Weimar / Wien 2005), S. 49–67. 246 Emich, Formalisierung des Informellen (2011), S. 83. Ferner Werner Paravicini, Informelle Strukturen bei Hofe. Eine Einleitung, in: Informelle Strukturen bei Hof. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes, hg. von Reinhardt Butz / Jan Hirschbiegel (Vita curialis. Formen und Wandel höfischer Herrschaft 2, Berlin 2009), S. 1–8. 247 Ebenso Peter Becker, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Verwaltung, in: Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte 15 (2003), S. 311–336, hier S. 335. Ders., Kommunikation, Netzwerke, Öffentlichkeit. Überlegungen zu einer Kommunikationsgeschichte der Verwaltung, in: Werkstatt politische Kommunikation. Netzwerke, Orte und Sprachen des Politischen, hg. von Christina Antenhofer / Lisa Regazzoni / Astrid von Schlachta (Schriften zur politischen Kommunikation 6, Göttingen 2010), S. 305–333. Diese Ansätze einer „neuen Verwaltungsgeschichte“ beziehungsweise einer „Kulturgeschichte der Verwaltung“ aus der Perspektive der Frühen Neuzeit zusammenfassend, durchaus auch mit kritischen Einwänden: Hochedlinger, Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte, S. 84 f. 243
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nung der Einführung neuer Strukturen248. Als besonders wichtig hat sich das Vertrauensverhältnis erwiesen, das Albrecht von Brandenburg zu den verschiedenen Mitgliedern seiner Verwaltung hatte – wie Peter Knorrs Beispiel verdeutlicht249. Dieser Faktor erscheint keineswegs als starre Größe, sondern konnte durchaus sachbezogen unterschiedlich sein. Dabei konnte Albrecht von Brandenburg durch verschiedene Steuerungsarrangements der Kommunikation sach- und konstella tionsbezogen je nach individuellem Vertrauen Verwaltungsabläufe steuern. Anscheinend gab es allerdings sehr wohl Grenzen der Verquickung von Interessen; man wird hier nach den Verhaltensregeln in den verschiedenen Netzwerken zu fragen haben. Diese Verhaltensregeln ergaben sich aber nicht nur durch Eidesformeln, sondern mindestens ebenso wichtig waren ebendieses Vertrauen zwischen den Handelnden, Personenkonstellationen und Erfahrung. Dieser Befund legt nahe, dass nicht ohne Weiteres eine „vormoderne Verwaltung“, die durch ein persönliches Treueverhältnis zwischen Herrn und Dienern geprägt gewesen sei, von einer „modernen Verwaltung“, die durch das Dienstverhältnis austauschbarer Amtsträger ohne Ansehen der Person bestimmt werde, unterschieden werden kann250; beide Positionen und viele Zwischenstufen scheinen hier nebeneinander bestanden zu haben und „Entpersonalisierung“ von Verwaltung eine weniger kontinuierliche Entwicklung, sondern eher abhängig von der Situation und den wirksamen personalen Konstellationen gewesen zu sein251. (4) Nicht nur in dieser „Sphäre des Informellen“, sondern auch in den „offiziellen“ Verbindungen zwischen den Verwaltungsakteuren erwiesen sich in den hier untersuchten Beispielen Kommunikation und Information als zentrale Handlungsmittel und Funktionen der Verwaltung. An allen Ebenen der Verwaltung und ganz besonders im Falle des Knechts Hans Luft, der als Hauptmann in die „Straßentruppe“ berufen wurde, wird deutlich, dass die Auswahl von Personal nicht zuletzt auch der „Qualifikation“ folgte, möglichst umfangreiches Wissen über Netzwerkkonstellationen zu haben, die die verschiedenen „Raubritter“ und ihre Opfer verband252. Gerade im Zusammenhang mit der Übermittlung von Informationen spielte der Faktor Zeit eine entscheidende Rolle. Die Einsetzung Herzog Wilhelms von Sachsen als Relaisstation sozusagen auf halber Strecke zwischen der Mark und Franken – man bedenke, dass die Reisedauer zwischen beiden Herrschaftsteilen zehn bis zwölf Tage betrug253 – wird nicht zuletzt auch diesen Zwängen geschuldet gewesen sein. 248
Siehe oben S. 374 ff. Siehe oben im Zusammenhang mit Nürnberg S. 433 f. 250 Emich, Formalisierung des Informellen (2011), S. 82. 251 Vgl. zur Entpersonalisierung von Verwaltungshandeln etwa: Willoweit, Selbstbindung. 252 Siehe oben S. 338, 375 f., 438. Siehe auch unten G. III. 5. Allgemein zudem oben S. 284, 300 f., 316, 333 ff., 337 ff., 341, 348, 375 ff., 427 f. Vgl. Conrad, Wissen als Ressource des Regierens, S. 134 f. 253 Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 73. 249
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Wenn Informationen über die dafür vorgesehenen Wege zu langsam übermittelt wurden, sorgte dies beim Kurfürsten für Unmut; besonders kam es dem Kur fürsten offensichtlich auf die Auswahl der jeweils in seinen Augen wichtigen Informationen an, die ihm seine Räte weiterleiten sollten254. Schließlich kann an der Reaktion des Kurfürsten auf eine Kommunikationspanne seiner Verwaltung im Zusammenhang mit den Konflikten mit Herzog Ludwig dem Reichen geschlossen werden, dass Verwaltung auch Außenwirkung hatte und etablierte interne Abläufe, insbesondere die Kommunikationsverbindungen, nicht unbedingt politischen Konkurrenten offenbart werden sollten255. Von einem möglichst effizienten Informationsfluss hingen in den Augen des Markgrafen offensichtlich wesentlich die eigenen Handlungsspielräume ab. (5) An mehreren Stellen dieser Studie ist der Einsatz von Schriftlichkeit in der markgräflichen Verwaltung zu beobachten. So verlief die Kommunikation zwischen den verschiedenen „Instanzen“, aber auch mit „alternativen Akteuren“ vielfach schriftlich. Der hier am Beispiel des ältesten Nürnberger Geleitstraßenverzeichnisses untersuchte Entstehungszusammenhang legt nahe, dass weniger eine theoretische Idee von „moderner“ Aktenverwaltung, sondern die Nöte der Praxis den Ausschlag für die Zusammenstellung eines solchen Dossiers gaben256; in den zahlreichen fränkischen Konflikten mussten Informationen sachbezogen gebündelt werden und schnell verfügbar sein. Damit wurde bestehendes Wissen teilweise aus anderen Dokumenten zusammengetragen, teilweise neues Wissen durch Befragung oder auch aus der eigenen Erinnerung erstmals festgehalten. Schriftlichkeit erweist sich hier somit als ein Mittel der Organisation von Wissen257. An anderen Stellen – und wohl insgesamt in der Regel – war es allerdings das Gedächtnis des Markgrafen, das in der Herrschaftspraxis als Archiv für die eigenen Rechte diente258. Erst wenn er sich nicht erinnerte, wies er seine Räte an, nach entsprechenden Dokumenten zu suchen. Allerdings ist in den hier analysierten Beispielen nicht erkennbar, dass in jedem Fall Schriftlichkeit „fortschrittlich“ und effizienter war als das Gedächtnis der Akteure. Denn mit schriftlicher Fixierung von Wissen war – wohl zumindest in der Wahrnehmung der Zeitgenossen – nicht unbedingt auch seine schnellere Bereitstellung verbunden. So scheint sich nämlich der Markgraf in Situationen, die eine rasche Reaktion erforderten, vielfach doch auf sein Gedächtnis und nicht auf standardisiertes und schriftlich fixiertes Wissen seiner Verwaltung verlassen zu haben, wie sein Briefwechsel mit Herzog Wilhelm von Sachsen nahelegt259. Somit hing eine erfolgreiche, auf die Praxis ausgerichtete Herrschaftsausübung wesentlich von der Bereitstellung von Wissen in mög-
254
Siehe oben S. 324 ff., 335 f. Siehe oben S. 324, 335 f. 256 Siehe oben D. III. 5. b). 257 Siehe ebd. 258 Siehe oben S. 317, 395 ff. 259 Siehe oben S. 317. 255
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lichst kurzer Zeit ab, wonach die Akteure ihre Herrschafts- und Handlungsmittel – schriftlich wie nicht schriftlich – auswählten. Außerdem kann an der Anlage des Geleitstraßenverzeichnisses beispielhaft abgelesen werden, dass der Kurfürst und seine Verwaltung durchaus eigene „Wahrheiten“ schufen, indem das Verzeichnis nicht exakt nur die belegbaren Rechte, sondern eine Mischung aus Rechten und Ansprüchen wiedergab, also situationsbezogen und politisch motiviert war260. Dem weiteren Schicksal dieses Verzeichnisses kann entnommen werden, dass aus der Momentaufnahme dann später neue Ansprüche erwuchsen, die durch ihre schriftliche Fixierung als schon lange bestehend angesehen werden konnten. Das Geleitstraßenverzeichnis als sach- und situationsbezogenes Dokument steht stellvertretend für eine Vielzahl von Quellen, an denen sich politisches Handeln, Steuerungs- und Aushandlungsprozesse in politischen Netzwerken ablesen lassen – wie etwa Verhandlungsprotokolle, Dossiers über „Gebrechen“ oder auch Ratsverlässe. Angesichts dieser Befunde erscheint es schwierig, von einer Zunahme von Schriftlichkeit ohne Weiteres auf eine fortgeschrittene, gar „professionalisiertere“ Verwaltung zu schließen. So sind bei der Bestimmung der „Normativität“261 von Dokumenten der Verwaltung – wie bei anderen zeittypischen schriftlichen Regelungen auch262 – der individuelle Entstehungszusammenhang sowie die vielfältigen Verflechtungen, in die sie eingebunden sind, zu berücksichtigen. Nicht zuletzt waren es die Bedingungen politischer Netzwerke, also insbesondere Interessenübereinkunft und personale Konstellationen, die die normative Verbindlichkeit solcher Dokumente im Einzelfall maßgeblich bestimmten263. (6) Die Reflexionen des Markgrafen und seiner Räte über die Einführung einer „Straßentruppe“ verdeutlichen, dass die Schaffung neuer Verwaltungsstrukturen den Akteuren nicht immer auch angemessen erschien, um auf die sich bietenden Herausforderungen zu reagieren264. Regelungsstreben und Differenzierung gab es 260
Siehe oben D. III. 5. b). Zur vorherrschenden Lehre des kontinuierlichen Anstiegs der Bindungswirkung von Normen der Verwaltung: Willoweit, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation, S. 289–300. 262 Hervorgehoben seien hier „Hofordnungen“, die keineswegs nur einem allgemeinen „Trend zur Normativität herrschaftlichen Handelns“ entsprangen, sondern aus ganz individuellen Gründen, etwa als „Sparmaßnahme“, entstehen konnten; vgl. Ellen Widder, Art. „Hofordnungen“, in: Verf.-Lex. 11 (²2004), Sp. 685–689. Dies., Art. „Hofordnungen“, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Hof und Schrift, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel / Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15,3, Ostfildern 2007), S. 391–407. Zur Gattung auch: Werner Paravicini, Europäische Hofordnungen als Gattung und Quelle, in: Höfe und Hofordnungen 1200–1600. 5. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Holger Kruse / Werner Paravicini (Residenzenforschung 10, Sigmaringen 1999), S. 13–20. Statt anderer auch der Überblick zur Forschungsgeschichte bei Widder, Hofordnungen im Niedersächsischen Reichskreis, S. 457–462. 263 Zur Bedeutung von Normen in politischen Netzwerken insgesamt siehe unten G. III. 2. 264 Siehe oben D. IV. 6. a). 261
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also offensichtlich nicht um jeden Preis und absolut265. Umgekehrt ist den Aus sagen Albrechts von Brandenburg zu entnehmen, dass er bei der Schaffung neuer Strukturen als problematisch die bestehenden ansah, denn dies schaffe nicht zuletzt Begehrlichkeiten bei den Amtsträgern266. Auch die Aussagen seines Bruders Friedrich, der eine „moderne“ Finanzverwaltung als unfürstlich ablehnte, verdeutlicht, dass die Schaffung neuer Strukturen durchaus hinterfragt und abgelehnt werden konnte267. Anstatt von „Modernisierung“ aus auf die Veränderung von Verwaltungsstrukturen zu blicken, sollte sie deshalb eher unter dem Vorzeichen der „Anpassung“268 untersucht werden, und zwar gleichermaßen kurz- wie langfristig. Damit wird auch nach den Wechselbeziehungen von Aufgabe und bestehender Struktur gefragt und betont, dass die Reaktion auf die Aufgabe nicht von vornherein einem Ideal, sondern immer auch weiteren und verschiedenen Parametern folgen kann und damit teilweise durchaus ergebnisoffen ist. Unter der Governance-Perspektive sowie dem Analyseraster politischer Netzwerke zeigen sich die markgräflichen Verwaltungsstrukturen um 1470 in den hier untersuchten Beispielen als erheblich stärker an der Praxis und momentanen Herausforderungen orientiert, als es sich durch eine vom Ideal „moderner Verwaltung“269 her konstruierten Verwaltungsgeschichte beschreiben lässt. Effizienz und Durchsetzungschance erweisen sich so als wichtige handlungsleitende Parameter ebenso wie Informationen und Wissen sowie Kooperation mit „alterna 265 Vgl. aber Peter Moraw, Über Landesordnungen im deutschen Spätmittelalter, in: Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, hg. von Heinz Duchhardt / Gert Melville (Norm und Struktur 7, Köln / Weimar / Wien 1997), S. 187–201, hier S. 198 f. Moraw fragt zusammenfassend (S. 201): „War der oben angedeutete Widerspruch zwischen dem Ausbau des gerichtlichen Instanzenzugs im Territorium und der Scheu vor innerterritorialen Appellationen ein zufälliges einzelstaatliches (niederbayerisches) Problem, oder verweist dieser Widerspruch auf Grundsätzliches und Übergreifendes, auf ‚Mittelalterliches‘, das man nicht recht verstehen kann, wenn man nur an Landesordnungen in Zielrichtungen auf die Moderne denkt? Kleine und große Fragen bleiben offen.“ Zur sachlichen und hierarchischen Differenzierung von Verwaltungsstrukturen außerdem Janssen, Neue Wege, S. 146. 266 Diesen Aspekt der Abhängigkeit neuer Strukturen von den bestehenden betont Thomas Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, Bd. 2: Die öffentliche Verwaltung im gesellschaftlichen und politischen Wandel 1919–1990 (Opladen 1997), S. 50. 267 Siehe oben S. 532. 268 Ellwein, Staat als Zufall und Notwendigkeit, 2, S. 48 f. 269 Dass es sich im Übrigen bei Webers Konzept der „modernen Verwaltung“ um einen „Idealtypus“ handelt, der vielfach missverständlich als Abbild der Wirklichkeit – auch der gegenwärtigen Verwaltung – verstanden wird, betont Thomas Ellwein, Der Staat als Zufall und als Notwendigkeit. Die jüngere Verwaltungsentwicklung in Deutschland am Beispiel Ostwestfalen-Lippe, Bd. 1: Die öffentliche Verwaltung in der Monarchie 1815–1918 (Opladen 1993), S. 77. Ellwein spricht in diesem Sinne für seinen Untersuchungsgegenstand, der Staatstätigkeit in Ostwestfalen-Lippe von 1815 bis 1990, von einer „Verwaltung eingeschränkter Rationalität.“ ders., ebd., 2, S. 16 f. Er betont, dass Verwaltungsstrukturen vielfach gleich bleiben, behandelte Inhalte jedoch wechseln konnten; so stellt er fest: „Die Verwaltung unterlag einem Wandel“, ders., ebd., 2, S. 537.
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tiven Akteuren“ als unabdingbare Voraussetzungen für Verwaltungshandeln. So gesehen erscheint die markgräfliche Verwaltung weniger als „rückständig“, sondern stärker als pragmatisch und flexibel, um unter ganz verschiedenen räumlichen, zeitlichen und politischen Bedingungen die anstehenden Aufgaben zu bewältigen270. 6. Albrecht von Brandenburg und der „Staat“: Zusammenfassende Betrachtung War Albrecht von Brandenburg nun ein „Territorialpolitiker“ oder nicht? Die Überprüfung der Themenbereiche Hoheitsrechte, Sicherheit, Territorium beziehungsweise „Territorialisierung“ sowie Verwaltung auf der Grundlage der hier untersuchten Beispiele ergibt ein widersprüchliches Bild. Es lassen sich durchaus etwa Verwaltungshandeln, die Durchführung von hoheitlichen Maßnahmen oder auch Ansätze eines Gewaltmonopols beobachten; den Blick auf diese Befunde zu verengen, hieße aber, alle davon abweichenden Strukturen unberücksichtigt zu lassen oder als „vormodern“, „vorläufig“ oder „störend“ auszublenden. Letztere tragen nämlich als gleichberechtigte Formen des Regierens zum Funktionieren von Politik, Herrschaft und Zusammenleben bei. Diese Deutung spricht für Schuberts271 Bewertung, die Bezeichnung „vormoderner Staat“ sei möglicherweise eine „Überheblichkeit“ des Historikers. Dementsprechend hat es sich hier als unergiebig erwiesen, alle Befunde in eine kontinuierliche „Modernisierungs“-Linie einzuordnen zu versuchen272, bei der der „moderne Staat“ der definierte Endpunkt ist273. 270 Mit Blick auf die Etablierung einer „Verwaltungsrechtsgeschichte“ verdeutlicht dies: Pascale Cancik, Verwaltungsrechtsgeschichte, in: Rechtsgeschichte 17 (2010), S. 30–34, hier S. 34. Ders., Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen. Kommunikation durch Publikation und Beteiligungsverfahren im Recht der Reformzeit (Ius publicum, Tübingen 2007), S. 2–19. 271 Ernst Schubert, Die Umformung spätmittelalterlicher Fürstenherrschaft im 16. Jahrhundert, in: RhVjbll 63 (1999), S. 204–263, hier S. 207 f. 272 Zur „Modernisierung“ aus Sicht der Frühen Neuzeit im Allgemeinen: Johannes Burkhardt, Europäischer Nachzügler oder institutioneller Vorreiter? Plädoyer für einen neuen Entwicklungsdiskurs zur konstitutiven Doppelstaatlichkeit des frühmodernen Reiches, in: Imperium Romanum – Irregulare Corpus – Teutscher Reichs-Staat. Das Alte Reich im Verständnis der Zeitgenossen und der Historiographie, hg. von Matthias Schnettger (VIEG. Beiheft 57, Mainz 2002), S. 297–316. 273 Dies hat Konsequenzen in Bezug auf die Konstruktion von Epochengrenzen. Wenn nicht der „moderne Staat“ zum Maßstab erhoben wird und zum einen alles, was ihm nicht zu entsprechen scheint, als „vormodern“ gekennzeichnet, zum anderen alles, was in irgendeiner Weise auf ihn zuzuführen scheint, als „Modernisierung“ bezeichnet wird, dann wird danach zu fragen sein, ob nicht etwa Formen des Regierens, Typen politischer Netzwerke und Gov ernance-Prozesse miteinander verglichen werden könnten. Wenn die Kategorie der „Modernisierung“ problematisch erscheint, so ist insbesondere auf die Epochengrenze um 1500 zu blicken. Was von der Forschung als „noch“ mittelalterlich oder „schon“ frühneuzeitlich bestimmt wird, hängt letztlich davon ab, wie weit fortgeschritten oder „modernisiert“ sich die untersuchten Phänomene darstellen. Auch wenn prominente Vertreter der „Modernisierungs-
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In jüngeren Forschungen zur „Staatsbildung“ beziehungsweise zur Verwaltungsgeschichte in der Frühen Neuzeit ist nicht zuletzt deshalb der „klassischen“ Sicht „von oben“274 die entgegengesetzte „von unten“ gegenübergestellt worden275; hervorgehoben wird dabei die Bedeutung ganz „verschiedener Gruppen und Mitglieder der Gesellschaft“, die am „Staatsbildungsprozess“ teilgehabt hätten276. Es gilt allerdings zu erwähnen, dass die Vertreter dieses Ansatzes deutliche Kritik erfahren haben277. Aus den Befunden dieser Studie ergibt sich eine weniger scharfe Gegenüberstellung dieser Perspektiven; folgende Aspekte erscheinen vor dem
erzählung“ sich dafür einsetzen, um 1500 keine einschneidende Zäsur zu sehen, sondern das Verbindende von Spätmittelalter und Früher Neuzeit betonen, so wird doch letztlich die Phase der „modernisierenden Verdichtung“ von 1470 bis 1500 von der Epochenschwelle um 1500 her konstruiert, um nämlich die erste Hälfte des 15. Jahrhunderts an die Zeit nach 1500 „anzubinden“, siehe hierzu näher oben S. 25 f., S. 39, Anm. 95. Zur Frage der Epochenbegrenzung um 1500 im Zusammenhang mit der Herausbildung des „modernen Staates“: Stephan Skalweit, Der Beginn der Neuzeit. Epochengrenze und Epochenbegriff (Erträge der Forschung 178, Darmstadt 1982), S. 123–154. Auf die Epochenschwelle um 1500 insgesamt bezogen: Erich Meuthen, Gab es ein spätes Mittelalter?, in: Spätzeit. Studien zu den Problemen eines historischen Epochenbegriffs, hg. von Johannes Kunisch (Historische Forschungen 42, Berlin 1990), S. 91–135. Boockmann, Das fünfzehnte Jahrhundert, S. 485–511. Schubert, Grundprobleme, S. 1–21. In Bezug auf die „Entwicklung des modernen Staates“: Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. 1: Reichspublizistik und Policeywissenschaft 1600–1800 (München 1988), S. 171 f. Zuletzt Meuthen, überarb. von Claudia Märtl, Das 15. Jahrhundert (OGG 9, München 2012), S. 113–120. Zur Wahrnehmung der Zeitgenossen, insbesondere der Humanisten, ihrer Umgebung als „neue Zeit“: Uwe Neddermeyer, Das Mittelalter in der deutschen Historiographie vom 15. bis zum 18. Jahrhundert. Geschichtsgliederung und Epochenverständnis in der frühen Neuzeit (Köln / Wien 1988), S. 18–32. Zur Unterscheidung von „Vormoderne“ und „Moderne“ vgl. Patzold, Human Security. 274 Zur Wirkmächtigkeit des „Staatsbildungsparadigmas“ seit den 1830er Jahren: Reinhard Blänkner, Strukturprobleme des frühmodernen Staates, in: Jurisprudenz, Politische Theorie und Politische Theologie, hg. von Frederick S. Carney / Heinz Schilling / Dieter Wyduckel (Beiträge zur Politischen Wissenschaft 131, Berlin 2004), S. 399–435, hier S. 401 f. 275 Vgl. stellvertretend den Sammelband: Empowering Interactions, hg. Blockmans / Holen stein / Mathieu, insbesondere: André Holenstein, Introduction: Empowering Interactions: Looking at Statebuilding from Below, in: ebd., S. 1–31, hier S. 5. Vgl. bereits Schmitt, Territorialstaat und Gemeinde. Aus der Sicht der Verwaltungsgeschichte: Stefan Brakensiek, Verwaltungsgeschichte als Alltagsgeschichte. Zum Finanzgebaren frühneuzeitlicher Amtsträger im Spannungsfeld zwischen Stabsdisziplinierung und Mitunternehmerschaft, in: Herrschaftsverdichtung, Staatsbildung, Bürokratisierung. Verfassungs-, Verwaltungs- und Behördengeschichte der Frühen Neuzeit, hg. von Michael Hochedlinger / Thomas Winkelbauer (VIÖG 57, Wien / Köln / Weimar 2010), S. 271–290. 276 Vgl. Freist, Einleitung, S. 9–13. 277 Wolfgang Reinhard, No Statebuilding from Below! A critical Commentary, in: Empowering Interactions. Political Cultures and the Emergence of the State in Europe 1300–1900, hg. von Wim Blockmans / André Holenstein / Jon Mathieu (Farnham 2009), S. 299–304. Zentraler Kritikpunkt ist das Problem, „wie aus dem mikrohistorischen Chaos der vielen kleinen Erzählungen die makrohistorische Großerzählung von der Entstehung des modernen Staates werden soll“, ders., Zusammenfassung: Staatsbildung durch „Aushandeln“?, in: Staatsbildung als kultureller Prozess. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, hg. von Ronald G. Asch / Dagmar Freist (Köln / Weimar / Wien 2005), S. 429–438, hier S. 437.
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Hintergrund dieser Arbeit zusammenfassend für die Frage nach dem „Staat“ und nach den Formen des Regierens um 1470 wichtig. Die Organisation der Doppelherrschaft seit 1470 war eine beachtliche Leistung, für die Albrecht von Brandenburg an verschiedenen Stellen an den Bedürfnissen der Praxis orientierte Lösungen fand. Sie steht stellvertretend für eine Vielzahl von Steuerungs-, Kooperations- und anderen Formen des Regierens des Markgrafen um 1470, die erst durch die Analyse politischer Netzwerke und unter der Gov ernance-Perspektive sichtbar werden. Das Regieren des Markgrafen war somit nicht nur beschränkt auf ihn selbst sowie seine Räte und Statthalter sowie seine weitere Verwaltung, sondern schloss eine Vielzahl verschiedener Akteure ein, vom Bauern bis zum benachbarten Fürsten – all diese Akteure führten aber nicht einfach nur Anordnungen aus, sondern sie hatten jeweils eigene Handlungsspielräume und verfolgten Eigen- und Fremdinteressen. Sach- und aufgaben-, konstellations- und interessenbezogen ergaben sich vielfältige Erscheinungsformen des Regierens. Somit erscheint es weder ausreichend, allein die Perspektive des Markgrafen einzunehmen und von seinen Äußerungen in der Korrespondenz auf „Staatsbildung“ zu blicken, noch wird allein aus den Augen des Amtmanns, Bauern oder Pfarrers Herrschaft um 1470 zu erklären sein – denn sie alle hatten einen Anteil daran, dass die markgräfliche Regierung um 1470 doch beachtlich funktionierte. Durch die Analyse politischer Netzwerke und der verschiedenen Formen von Governance hingegen werden die vielfältigen Modi des Regierens, von Kooperation bis hin zu streng hierarchischer Steuerung, die Modalitäten der Ausübung von Herrschaftsrechten und der Zusammenhang von Techniken der Herrschaftsausübung deutlicher. Damit soll keineswegs geleugnet werden, dass auch theoretische Vorstellungen vom Staat, von der Regierung und der Fürstenherrschaft insgesamt, wie sie mit dem Humanismus und insbesondere durch die Rezeption des römischen Rechtes278 aufkamen und im Umkreis der Fürsten zirkulierten, auch in Ansbach be 278
Zur Bedeutung des römischen Rechts für die „Tendenz zur ‚Territorialisierung‘“: Merz, Fürst und Herrschaft, S. 193–195. Daneben Moraw, Gelehrte Juristen, passim. Boockmann / Dormeier, Konzilien, Kirchen- und Reichsreform, S. 159–162. Quirin, Albrecht als Politiker, S. 305 f. Wiederholt ist in diesem Zusammenhang auf die wichtige Rolle Gregors von Heimburg hingewiesen worden, vgl. zu ihm Ellen Widder, Art. „Gregor von Heimburg“, in: RGG 3 (42000), Sp. 1264. Alfred Wendehorst, Gregor Heimburg, Fränkische Lebensbilder. Neue Folge der Lebensläufe aus Franken, Bd. 4 (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. Reihe VII, A, Würzburg 1971), S. 112–129, hier S. 113. Peter Johanek, Art. „Heimburg, Gregor“, in: Verf.-Lex. 3 (²1981), Sp. 629–642. Das römische Recht spielte auch für die Herrschaftsausübung Kaiser Friedrichs III. eine wichtige Rolle, vgl. Schubert, König und Reich, S. 127, 137–139, 145 f. Siehe insgesamt auch Dietmar Willoweit, Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Rationales und traditionales Rechtsdenken im ausgehenden Mittelalter, in: Recht und Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, 2. Teil: Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1996 bis 1997, hg. von Hartmut Boockmann / Ludger Grenzmann / Bernd Möller / Martin Staehelin (AAG, Phil.-Hist. Kl., 3. Folge 239, Göttingen 2001), S. 369–385.
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kannt waren, Berücksichtigung fanden und handlungsleitend wirken konnten279. Zum einen besteht neben dem methodischen Problem, dass sich der tatsächliche Anteil theoretischer Vorstellungen vom Staat an der Herrschaftspraxis vielfach nicht genau bestimmen lässt280, das Forschungsproblem, dass über die Handlungs 279 Es ist davon auszugehen, dass auch am Hof in Ansbach humanistisches Gedankengut insgesamt bekannt war; allerdings waren die Markgrafen, insbesondere Albrecht Achilles (siehe hierzu näher unten S. 573 f.), – ganz im Gegensatz zu ihren geistlichen Nachbarfürsten und den fränkischen Handelszentren – für diese Gedanken anscheinend nur wenig empfänglich; so bestand die von Johann dem Alchimisten angeregte Humanistenschule auf der Plassenburg nicht einmal zwei Jahre. Intensivere „kultur- und bildungspolitische“ Anstrengungen von Seiten der Markgrafen begannen erst mit der Reformation: Hermann Jordan, Reformation und gelehrte Bildung in der Markgrafschaft Ansbach-Bayreuth. Eine Vorgeschichte der Universität Erlangen, 1. Teil (bis gegen 1560) (Quellen und Forschungen zur bayerischen Kirchengeschichte, Leipzig 1917), S. 7–12. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 344 f. Andreas Kraus, Gestalten und Bildungskräfte des fränkischen Humanismus, in: Handbuch der Bayerischen Geschichte, Bd. 3,1: Geschichte Frankens bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts, hg. von dems. (München ³1997), S. 995–1053, hier S. 1025–1028. Gleichwohl beschäftigte sich Albrecht von Brandenburg wohl immer wieder mit Rechtsbüchern, nicht zuletzt mit dem Sachsenspiegel, vgl. Günther Schuhmann, Ansbacher Bibliotheken. Vom Mittelalter bis 1806 (Schriften des Instituts für fränkische Landesforschung an der Universität Erlangen. Historische Reihe 8, Kallmünz 1961), S. 77 f. Ferner auch Franz Pietsch, Geschichte der gelehrten Bildung in Kulmbach von den Anfängen bis zur Gegenwart (Die Plassenburg 33, Kulmbach 1974), S. 11–17. Zum Verhältnis Albrechts von Brandenburg zu den gelehrten Räten siehe unten G. IV. 1. Siehe auch zu den „herrschaftstheoretischen“ Reflexionen des markgräflichen Rates Ludwig von Eyb, der jedoch anscheinend keine universitäre Ausbildung genossen hatte, oben D. II. 8. Es gibt Hinweise, dass auch Peter Knorr, von dem keine denen Ludwigs von Eyb vergleichbaren Werke überliefert sind, ähnlich literarisch-theoretisch bemüht war, vgl. Kraus, Humanismus, S. 1026. Zu den um 1500 aufkommenden politiktheoretischen Konzepten einführend: Alfred Kohler, Expansion und Hegemonie. Internationale Beziehungen 1450–1559 (Handbuch der Geschichte der Internationalen Beziehungen 1, Paderborn u. a. 2008), S. 54–63. 280 Dies heben auch Rechtshistoriker hervor: Karl Kroeschell, Die Rezeption der gelehrten Rechte und ihre Bedeutung für die Bildung des Territorialstaates, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Reiches, hg. von Kurt G. A. Jeserich / Hans Pohl / Georg-Christoph von Unruh (Stuttgart 1983), S. 279–288, hier S. 280, 285– 288. Willoweit, Entwicklung und Verwaltung der Landesherrschaft, S. 68, stellt fest: „Seine Anerkennung [d. h. des Territorialstaates] als die legitime Ordnung des gesellschaftlichen Lebens erwächst schließlich im Schatten der untergehenden Reichsidee aus der Kraft eines neuen Staatsdenkens. Rechtsbewahrende Herrschaft wird allmählich durch zweckbestimmte Regierung abgelöst. Antike Rationalität hat dazu ebenso beigetragen wie das Selbstbewußtsein der Renaissance. Die Wechselwirkungen zwischen Recht, Politik und Staatsidee lassen sich nur unvollkommen aufklären. Sie aber umgrenzen das Spannungsfeld, in welchem die territoriale Verwaltung des späten Mittelalters entsteht.“ Ders., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 112: Die juristische Grundlegung der territorialen Herrschaft sei dem römischen Recht nicht gelungen. Anders: Steffen Schlinker, Fürstenamt und Rezeption. Reichsfürstenstand und gelehrte Literatur im späten Mittelalter (Forschungen zur Deutschen Rechtsgeschichte 18, Köln / Weimar / Wien 1999), S. 347 f. Die Schwierigkeiten, die bei dem Versuch der Erforschung der Bedeutung von theoretischen Konzepten für das jeweilige Handeln bestehen, hat auch Jacques Krynen, Idéal du prince et pouvoir royal en France à la fin du Moyen Âge (1380–1440). Étude de la littérature politique du temps (Paris 1981), S. 333, am Ende seiner Untersuchung zeitgenössischer theoretischer Konzepte von Fürsten- und Staatsgewalt
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spielräume der Trägergruppen dieses Wissens insgesamt wohl immer noch zu wenig bekannt ist und die Befunde regional zu differenzieren sein werden281; zum anderen lassen die hier an den Reflexionen und Diskussionen der Akteure sowie am Handeln ermittelten Ergebnisse zu Formen des Regierens deutlich werden, dass diese weniger von einem Ideal oder einmal definierten theoretischen Ziel geleitet wurden, sondern dass sie je nach Lage, Interessen- und Personenkonstellationen, Sachzusammenhang und individueller Einschätzung, kurzum: nach einem Bündel von Parametern, entschieden. Dies lässt sich im Rückblick als eine Vielzahl unterschiedlicher Formen des Regierens beobachten. Dabei konnten auch theoretische Erwägungen eine Rolle spielen – man denke an die Schriften Ludwigs von Eyb –, sie mussten es aber nicht unbedingt, denn diese Situationen erscheinen angesichts der Wahlmöglichkeiten der Zeitgenossen zunächst einmal relativ offen beziehungsweise bestimmt durch die Wirkungszusammenhänge, die unter der Analysekategorie der politischen Netzwerke sowie der Governance-Perspektive erst sichtbar werden.
im spätmittelalterlichen Frankreich betont. Ähnlich auch: Tilman Struve, Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung im Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 16, Stuttgart 1978), S. 318. Gerhard Möbus, Die politischen Theorien von der Antike bis zur Renaissance. Politische Theorien Teil 1 (Die Wissenschaft von der Politik 7, Köln / Opladen ²1964), S. 12 f. Jürgen Miethke, Politiktheorie im Mittelalter: von Thomas von Aquin bis Wilhelm von Ockham (Tübingen 2008), S. 296–305. Ders., Wissenschaftliche Politik beratung im Spätmittelalter – Die Praxis der scholastischen Theorie, in: Politische Reflexion in der Welt des späten Mittelalters / Political Thought in the Age of Scholasticism. Essays in Honour of Jürgen Miethke, hg. von Martin Kaufhold (Studies in Medieval and Reformation Traditions 103, Leiden 2004), S. 336–357. Außerdem die Beiträge in: Political Thought and the Realities of Power in the Middle Ages / Politisches Denken und die Wirklichkeit der Macht im Mittelalter, hg. von Joseph Canning / Otto Gerhard Oexle (Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte 147, Göttingen 1998), insbesondere die Beiträge von Jürgen Miethke, Wirkungen politischer Theorie auf die Praxis der Politik im Römischen Reich des 14. Jahrhunderts. Gelehrte Politikberatung am Hofe Ludwigs des Bayern, S. 173–210, sowie von Helmut G. Walther, Die Macht der Gelehrsamkeit. Über die Meßbarkeit des Einflusses politischer Theorien gelehrter Juristen des Spätmittelalters, S. 241–267. Walter Ullmann, Law and Politics in the Middle Ages. An introduction to the Sources of Medieval Political Ideas (The Sources of History, London 1975), insbesondere S. 269–306. 281 Die Forschung schließt vielfach aus der Existenz von gelehrten Räten auf die Anwendung ihres Fachwissens in der Praxis, vgl. etwa in Bezug auf die Bedeutung Friedrich Sesselmanns für die Anwendung des gemeinen Rechts innerhalb der Administration der Mark Brandenburg: Winfried Trusen, Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland. Ein Beitrag zur Geschichte der Frührezeption (Recht und Geschichte 1, Wiesbaden 1962), S. 216. Dabei werden allerdings die vielfältigen Einbindungen der Räte selbst, ihre Eigen- und Familieninteressen – also die Einbindungen außerhalb ihrer von der Forschung bislang vornehmlich untersuchten „Bildungskarrieren“ – ebenso wenig berücksichtigt wie die politischen Umstände, die Zugänglichkeit des jeweiligen Fürsten für diese Vorstellungen und weiteres mehr. Siehe zu diesen Aspekten im Einzelnen unten G. IV. 1.
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G. Vergleiche und Folgerungen
III. Zu Aspekten des Regierens und der politischen Ordnung Aufbauend auf und ergänzend zu den in den ersten beiden Abschnitten dieses Kapitels ermittelten Ergebnisse zum einen zu den Wirkungszusammenhängen und der Gestalt der verschiedenen Ebenen, auf denen sich politisches Handeln vollzog, und den wichtigsten Akteuren sowie zum anderen zu dem Themenkomplex territorialer Herrschaft und Herrschaftsausübung der Markgrafen von Brandenburg ist nun insoweit auf weitere Felder zu blicken, die von der jüngeren Forschung für die politische Ordnung des späteren 15. Jahrhunderts als konstitutiv und für poli tisches Handeln wichtig erachtet werden, als diese Studie Ergebnisse dazu bei steuern kann; zu ergänzen sind sie um Themen, die durch die Betrachtung von Governance und politische Netzwerke überhaupt erst in den Blick geraten. 1. Herrschertreffen, mündliche Beratung und Rituale An mehreren Stellen dieser Studie spielten persönliche Begegnungen politisch Handelnder eine wesentliche Rolle: in Augsburg, Niederbaden, Trier und Köln ebenso wie in Rorichen, Nürnberg oder Regensburg282. Bisher wurden politisches Handeln vielfach auf mündliche Beratungen an einem Ort im Rahmen von Treffen beschränkt und politische Verhandlungen meist nur aus sich heraus erklärt. Dies mag in vielen Fällen zutreffen; wie sehr allerdings die Fokussierung auf einen Ort bei der Analyse von Herrschertreffen die Sicht einschränken kann, haben nicht zuletzt sowohl die Behandlung des Treffens von Trier zwischen Kaiser Friedrich III. und Herzog Karl dem Kühnen 1473 als auch der „Prozess“ Friedrichs des Siegreichen auf dem Augsburger Tag gezeigt283. a) Herrschertreffen und mündliche Beratung Zur Erklärung von Herrschertreffen stützen sich jüngere Forschungen bisweilen auf Modelle Gerd Althoffs, die vornehmlich an der Geschichte des frühen und hohen Mittelalters entwickelt wurden284; offensichtlich passen sie aber nur 282 Siehe oben S. 132 ff., 136 ff., 143 ff., 181, 231 ff., 331 f., 401 ff., 411 ff., 415 ff., 431 ff., 449 ff., 464 ff. 283 Siehe oben B. III. 4., E. 11. c). 284 Vgl. vor allem Ehm, Burgund und das Reich, S. 175–181. Sie bezieht sich auf: Gerd Althoff, Staatsdiener oder Häupter des Staates? Fürstenverantwortung zwischen Reichsinteressen und Eigennutz, in: ders., Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde (Darmstadt 1997), S. 127–153. Ders., Colloquium familiare – colloquium secretum – colloquium publicum. Beratung im politischen Leben des früheren Mittelalters, in: ebd., S. 154–198; ursprünglich veröffentlicht in: FMASt 24 (1990), S. 145–167. Die Betonung, dass die Probleme am früheren bzw. Hochmittelalter entwickelt wurden, findet sich ebd., S. 3.
III. Zu Aspekten des Regierens und der politischen Ordnung
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noch teilweise auf die politischen Verhältnisse der 1470er Jahre. Auch davon unabhängige jüngere Arbeiten zu Herrschertreffen im Spätmittelalter tragen diesen veränderten Umständen nur unzureichend Rechnung285. Die in vorliegender Studie erzielten Ergebnisse legen hingegen nahe, dass Politik nicht oder nur zum Teil in mündlichen und persönlichen Beratungen stattfand, sondern dass sich mehrere Politikthemen überlagerten und an bestimmten Knotenpunkten gebündelt wurden286. Zwischen diesen Knoten, hier sind Kaiser Friedrich III. und Albrecht von Brandenburg als die hervorragendsten zu nennen, wurde in geradezu institutionalisierter Form kommuniziert. An diesen Knoten wurden verschiedene Themen, die in unterschiedlichen Netzwerken verhandelt wurden, gebündelt287; hier fand eine Überlagerung von einer Vielzahl unterschiedlicher Themenbereiche statt288. Die Untersuchung der politischen Situation 1473 lässt zudem eine Gewichtung zwischen mündlicher Beratung und dem Austausch zwischen den Knoten zu. Mündliche Beratung hing vom Stadium der Verhandlungen und von der Art der Beschlüsse ab, die gefasst werden sollten. Ebenso gab es Akteure, die sich Verhandlungen durch Fernbleiben bewusst entziehen und damit Entscheidungen verzögern oder verhindern wollten; diese Nicht-Anwesenden bleiben trotzdem Teil des politischen Netzwerks, etwa weil sie durch Räte informiert wurden oder sich durch Dritte informieren ließen289. Althoff290 schaut bei seinen Betrachtungen früh- und hochmittelalterlicher Verhandlungen – vornehmlich anhand historiografischen Quellen291 – lediglich auf das Ergebnis, das rituell inszeniert zur Aufführung kommt; den vorangehenden Aushandlungsprozess kann er mangels Quellen in der Regel nicht nachvollziehen. Um 1470 können die Verhandlungen jedoch vielfach nachvollzogen werden. Kaiser Friedrichs III. Problem gegen Ende des Jahres 1473 war, dass gleichzeitig an mehreren Stellen im Reich Verhandlungen gleicher Priorität in ähnlich endgül 285 Vgl. Schwedler, Herrschertreffen, zum Forschungsstand S. 13–18, zur Fragestellung, S. 18 f. Schwedler erörtert unter anderem die Frage, „inwieweit Herrschertreffen eine Form politischer Praxis“ waren und inwieweit sie als „zielführende Lösungsmöglichkeiten“ im Bewusstsein der Handlungsträger herangezogen wurden. 286 Dücker, Reichsversammlungen, S. 201–204, spricht von einem „Trend zu (kur-)fürstlichen Vertretungen“; gleichzeitig hebt sie hervor, die „Beteiligung einflussreicher Akteure, namentlich der Kurfürsten und wichtigen Reichsfürsten“ sei „als Gewähr für die Geltungskraft und Umsetzung der Beschlüsse angesehen“ worden. Die Überlagerung von verschiedenen Handlungsfeldern analysiert sie hingegen nicht. Dücker betont ferner die Bedeutung der Korrespondenzen, Legationsberichte und Reichstagsreden päpstlicher Vertreter, ebd., S. 216 f. 287 Siehe etwa oben S. 142 f. 288 Zu den Konsequenzen aus dieser Verflechtung und Abhängigkeit von Politikfeldern für weitere Bereiche der Untersuchung siehe im Einzelnen unten G. VI. 3. 289 Siehe etwa oben S. 132 ff., 136 ff., 156, 441 ff., 453 ff. Zu Krankheit und Wetter als benannte Hinderungsgründe für die Teilnahme an politischen Versammlungen oben S. 137 f., 142 f., 156, 327, 456 ff. Siehe dagegen zu Albrechts von Brandenburg Teilnahme am Reichsheer vor Neuss trotz Krankheit oben S. 194. 290 Vgl. Althoff, Beratung, S. 159, 163. Ders., Macht der Rituale, S. 19. 291 Ders., Macht der Rituale, S. 187.
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G. Vergleiche und Folgerungen
tige und entscheidende Phasen traten, die seine persönliche Anwesenheit nötig machten292. Auf eine verkürzte Formel gebracht, könnte man somit sagen: Politik fand in Netzwerken statt, vielfach nicht an einem zu definierenden Ort. Daneben war Politik immer weniger eine Entscheidung im Rat der Großen als vielmehr ein Aushandlungsprozess über räumliche Distanzen hinweg und unter dem Eindruck sich ständig ändernder Interessenlagen und Konstellationen. Nach diesem Muster könnten zum Beispiel auch die Bündnisverhandlungen zwischen Kaiser Friedrich III. und dem französischen König Ludwig XI. oder auch die Verhandlungen im Umfeld der „Ewigen Richtung“ zwischen Herzog Sigmund von Tirol und den Eidgenossen untersucht werden. Ebenso werden im Falle der Verurteilung Friedrichs des Siegreichen auf dem Tag zu Augsburg diese strukturellen Charakteristika deutlich. Auch in diesem Zusammenhang ergeben sich Themenüberlagerungen zwischen dem Netzwerk um die Lösung des Streits um den Pfalzgrafen und regionalen Konflikten zwischen Albrecht von Brandenburg und Nürnberg beziehungsweise den bayerischen Wittelsbachern293. b) Folgerungen für die Ritualforschung Wenn nun aber vielfach die Verhandlungen im Vorfeld von Inszenierungen nachvollzogen werden können, so stellt sich für die Zeit um 1470 auch die Frage nach dem Verhältnis der Verhandlungen zu den inszenierten Ritualen und nach der Bedeutung von Ritualen für die politische Ordnung insgesamt294. „Kommunikation“, so Althoff, „die sich in dieser mittelalterlichen Öffentlichkeit, der eines Hoftages, einer Stammesversammlung […] abspielte“, sei politisch gewesen, „unter Umständen sogar hochpolitisch, nur war sie nicht in erster Linie geprägt von Diskussionen, in denen öffentliche Meinungen aufeinanderprallten, Probleme durch die verbale Auseinandersetzung und das Gewicht der Argumente einer Lösung zu 292
Vgl. zur besonderen Bedeutung von Herrschertreffen allgemein: Schwedler, Herrschertreffen, S. 405 f. Allerdings konzentriert auch er sich nur auf den Ort des Herrschertreffens und vernachlässigt bei seiner Untersuchung der Treffen als „vielschichtige Kommunikationsereignisse“ die Ebene auswärtiger Knoten. 293 Siehe im Einzelnen oben E. II. 11. 294 Zum Ritualbegriff vgl. Althoff, Macht der Rituale, passim. Barbara Stollberg-Rilinger, Much ado about nothing? Rituals of Politics in Early Modern Europe and Today, in: Bulletin of the German Historical Institute 48 (2011), S. 9–24, hier S. 10–14. Dies., Symbolische Kommunikation in der Vormoderne. Begriffe – Themen – Forschungsperspektiven, in: ZHF 31 (2004), S. 489–527, hier S. 502–504. Gerd Althoff / Barbara Stollberg-Rilinger, Rituale der Macht in Mittelalter und Früher Neuzeit, in: Die neue Kraft der Rituale, hg. von Axel Michaels (Heidelberg 2007), S. 141–177, zur Ritualdefinition S. 144 f. Frank Rexroth, Rituale und Ritualismus in der historischen Mittelalterforschung. Eine Skizze, in: Mediävistik im 21. Jahrhundert. Stand und Perspektiven der internationalen und interdisziplinären Mittelalterforschung, hg. von Hans-Werner Goetz / Jörg Jarnut (MittelalterStudien 1, München 2003), S. 391–406, hier S. 393.
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geführt wurden. Vielmehr dominierten in der Zeit des Mittelalters Akte nonverbaler Kommunikation, Akte, die wir mit den Begriffen Ritual und Zeremoniell belegen.“295 So kommt nach Althoff öffentlich inszenierten Ritualen in einer insbesondere durch Rang strukturierten politisch-sozialen Ordnung eine insgesamt stabilisierende Funktion zu296. Althoff ist entgegengehalten worden, dass sein aus Nachbarwissenschaften entlehnter theoretischer Unterbau nicht auf das Mittelalter übertragbar sei297. Diese 295
Gerd Althoff, Demonstration und Inszenierung. Spielregeln der Kommunikation in mittelalterlicher Öffentlichkeit, in: FMASt 27 (1993), S. 27–50, hier S. 28. 296 Gerd Althoff, Zur Einführung, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. von dems. (VuF 51, Stuttgart 2001), S. 7–9, hier S. 7. Ders., Rituale als ordnungsstiftende Instrumente, in: Der frühmittelalterliche Staat – europäische Perspektiven, hg. von Walter Pohl / Veronika Wieser (DÖAW 386 = Forschungen zur Geschichte des Mittelalters 16, Wien 2009), S. 391–398. Barbara Stollberg-Rilinger, Die zeremonielle Inszenierung des Reiches oder: Was leistet der kulturalistische Ansatz für die Reichsverfassungsgeschichte?, in: Imperium Romanum – Irregulare Corpus – Teutscher Reichs-Staat. Das Alte Reich im Verständnis der Zeitgenossen und der Historiographie, hg. von Matthias Schnettger (VIEG. Beiheft 57, Mainz 2002), S. 233–246, hier S. 239. Zur Bedeutung des Rangs für die politisch-soziale Ordnung des Mittelalters: Karl-Heinz Spieß, Rangdenken und Rangstreit im Mittelalter, in: Zeremoniell und Raum. 4. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, hg. von Werner Paravicini (Residenzenforschung 6, Sigmaringen 1997), S. 39–61. Ders., Research on the Secular Princes of the Holy Roman Empire: State-of-the-Art and Perspectives, in: Princely Rank in Late Medieval Europe. Trodden Paths and Promising Avenues, hg. von Thorsten Huthwelker / Jörg Peltzer / Maximilian Wemhöner (Rank 1, Ostfildern 2011), S. 27–47. Jörg Peltzer, Introduction, in: ebd., S. 11–25. 297 Althoffs prominentester Kritiker: Philippe Buc, Rez. zu: Gerd Althoff, Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde (Darmstadt 1997), in: Annales. Histoire, Sciences Sociales 56/2 (2001), S. 524–526. Ders., The Dangers of Ritual (Princeton 2001). Ders., Ritual and Interpretation: the Early Medieval Case, in: Early Medieval Europe 9 (2000), S. 183–210. Buc selbst wurde für seine Position kritisiert: Geoffrey Koziol, The Dangers of Polemic. Is Ritual Still an Interesting Topic of Historical Study, in: Early Medieval Europe 11 (2002), S. 367–388. Bucs Reaktion: Philippe Buc, The Monster and the Critics: a Ritual Reply, in: Early Medieval Europe 15 (2007), S. 441–452. Auch Gerd Althoff, Die Veränderbarkeit von Ritualen im Mittelalter, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. von dems. (VuF 51, Stuttgart 2001), S. 157–176, hier S. 176, beziehungsweise ders., Macht der Rituale, S. 187–203, reagierte auf seine Kritiker. Vgl. weitere Kritiker des Althoffschen Ansatzes zu verschiedenen Teilaspekten: Hanna Vollrath, Haben Rituale Macht? Anmerkungen zu dem Buch von Gerd Althoff: Die Macht der Rituale. Symbolik und Herrschaft im Mittelalter, in: HZ 284 (2007), S. 385–400. Peter Dinzelbacher, Warum weint der König? Eine Kritik des mediävistischen Panritualismus (Badenweiler 2009), S. 11– 78. Thomas Ertl, Von der Entsakralisierung zur Entpolitisierung ist es nur ein kleiner Schritt. Gedanken zur Rolle des Politischen und Rituellen anlässlich einer neueren Arbeit zum ottonischen Königtum, in: ZfG 52 (2004), S. 297–317, hier S. 303. Zwischen den Positionen vermittelnd: Patzold, Episcopus, S. 526–532. Vgl. ferner die Zusammenfassung der Standpunkte bei: Franz-Reiner Erkens, Teilung und Einheit, Wahlkönigtum und Erbmonarchie: Vom Wandel gelebter Normen, in: Verfassungsänderungen, hg. von Helmut Neuhaus (Der Staat. Beiheft 20, Berlin 2012), S. 9–44, hier S. 13–15. Differenziert auch: Horst Wenzel, Öffentliches und nichtöffentliches Herrschaftshandeln, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. von Gerd Althoff (VuF 51, Stuttgart 2001), S. 247–260, hier S. 249 f.
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Diskussion ist bislang vornehmlich an früh- und hochmittelalterlichen Beispielen geführt worden298 – dies verwundert allerdings besonders mit Blick auf die besonders gute Quellenlage im Spätmittelalter299. Auf der Grundlage der Analyse politischer Netzwerke und von Governance-Prozessen um 1470 sind in diesem Zusammenhang folgende Beobachtungen hervorzuheben. Rituale und Inszenierungen spielen um 1470 eine wichtige Rolle für das Politische. Der herrscherliche Adventus, die Sitzordnung bei Reichsversammlungen, die Ausübung des Geleits für den Kaiser, die Inszenierung eines Tanzfestes – weitere Beispiele für in dieser Studie vorkommende Rituale ließen sich anführen300. Rangfragen, die in der rituellen Inszenierung ihren symbolischen Ausdruck finden, wurden von den Beteiligten in der Korrespondenz reflektiert301. Sie waren ganz offensichtlich integraler – den Zeitgenossen bewusster wie auch unbewusster – Gegenstand politischen Handelns. Gerade in reichsstädtisch-nürnbergischem Kontext ist anhand der Überlieferung gut nachvollziehbar, wie sehr bis in einzelne Details die Handlungen zuvor abgesprochen waren; dies bedeutete allerdings nicht, dass Inszenierungen immer reibungslos abliefen – so vergaß man bei offiziellen Anlässen etwa einen Teppich oder auch einen Stuhl302. Ebenso konnten Rituale vereinnahmt, umfunktioniert und verändert werden sowie spontan geschehen – man denke an den Markgrafen, der zum Einzug Kaiser Friedrichs III. in Rothenburg 1474 einfach auftauchte und das Geleit für sich beanspruchte und damit eigene Ansprüche markierte303. Gerade das Beispiel des Nürnberger Aufenthalts des Kaisers304 zeigt, wie sehr ein eingeengter Blick allein auf die Formen des ritualisierten Handelns, der Gesten und Inszenierungen, wie sie die Historiografie beziehungsweise in diesem Falle ein reichsstädtischer Bericht zeichnet, ein verzerrtes Bild vom Geschehen vermitteln kann; aus ihnen ist dann die Wahrnehmung und die Bewertung des Berichtenden, nicht aber das Ritual selbst zu bestimmen. Die brandenburgischen Räte betrachteten die Sitzordnung beim Reichstag von Nürnberg 1470 als Testfall für die Anerkennung ihres Herrn als Kurfürsten; dieser Testfall reiht sich ein in eine Kette verschiedener Ereignisse, die mit der internen 298
Dies wird wohl auch damit zusammenhängen, dass die Bedeutung von Ritualen für die politisch-soziale Ordnung zunächst vor allem für „schriftarme“ Zeiten, in denen Staatlichkeit nur schwach ausgeprägt gewesen sei, hervorgehoben wurde, vgl. dazu Patzold, Episcopus, S. 528 f., der in Anlehnung an Hagen Keller diese Dichotomie aus Sicht der Karolingerzeit als „unhaltbar“ bezeichnet. 299 Rexroth, Rituale und Ritualismus, S. 397, benennt als „zwei Bereiche besonders intensiver Bemühungen um den mittelalterlichen ‚Ritualismus‘“ so auch die „politische Geschichte des Frühen sowie die Stadtgeschichte des Späten Mittelalters“. 300 Siehe oben S. 101, Anm. 25, S. 151, 195 f., 415 ff., 423, Anm. 188, S. 457 f. 301 Siehe etwa oben S. 101 f., 457 f. 302 Ob sich hierhinter eine bewusste Kritik der Autoren der Berichte aus dem Umfeld des Nürnberger Rates am Kaiser erahnen lässt, ist nicht zu erschließen. 303 Siehe oben S. 423, Anm. 188. 304 Siehe oben D. II. 3. c), E. II. 6.
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Herrschaftsweitergabe zwischen den Brüdern Friedrich und Albrecht begonnen hatte und in der Belehnung Albrechts von Brandenburg mit dem Kurfürstentum ihren Abschluss fand305. Einmalige Handlungen, Rituale und schriftlich fixierte Normen stehen hier somit gleichberechtigt nebeneinander306. An diesem Beispiel zeigt sich, dass der Gegensatz von „handfester“ Interessenpolitik und „Ritual“ zumindest abgemildert erscheint307. Rituale hatten somit auch um 1470 ihren festen Platz im politischen Alltag und sie gingen mit „materiellen Interessen“ eine untrennbare Verbindung ein308. So sind etwa im Falle des kaiserlichen Besuchs in Nürnberg klar interessen- und machtorientierte Verhandlungen im Hintergrund zu erahnen, und zwar sowohl über tatsächlich inhaltliche, „handfeste“ Politik, als auch über den Aufenthalt und seine Inszenierung309. Dieser Aufenthalt führt auch in besonderer Weise vor Augen, dass über die Möglichkeit, Rituale zu beeinflussen, materielle Interessen ausgesteuert werden konnten310. Rituale konnten offensichtlich bei der Durchsetzung politischer Interessen dienende Funktion haben; umgekehrt konnte die Interessenverfolgung zurücktreten, wenn das Ritual zu wenige Spielräume bot. So konnten Rituale – zumindest in den hier betrachteten Kontexten – sowohl die Ordnung stärken als auch schwächen. Die „Spielregeln der Politik“ und somit auch die Rituale hingen also auch und teilweise maßgeblich von Interessen- und Personenkonstellationen ab; durch sie werden nicht zuletzt individuelles Handeln und seine Grenzen besonders deutlich. 305
Siehe oben S. 98 ff. Siehe ferner oben S. 409. Siehe auch unten G. III. 2., besonders S. 560 f. 307 Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, S. 17, 324, Anm. 30, spricht von einem „Missverständnis“. 308 Ähnlich bereits: Klaus Schreiner‚ ‚Brot der Tränen‘. Emotionale Ausdrucksformen monastischer Spiritualität, in: Körperinszenierungen in mittelalterlicher Literatur, hg. von Klaus Ridder / Otto Langer (Körper, Zeichen, Kultur 11, Berlin 2002), S. 193–248, hier S. 240. Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 59–75, 505–513, insbesondere S. 507. Ferner: Patzold, Episcopus, S. 526–532. Die Gefahren der Interpretation von Ritualen verdeutlicht: Achim Thomas Hack, Das Empfangszeremoniell bei mittelalterlichen Kaiser-Papst-Treffen (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 18, Köln / Weimar / Wien 1999), S. 81. Dabei weist Hack insbesondere auf die Veränderbarkeit von Ritualen hin; vgl. dazu auch: Althoff, Veränderbarkeit von Ritualen, S. 157–176, hier S. 175, der sein Konzept nicht als „starr“ verstanden wissen will, sondern dem mittelalterlichen Menschen zugesteht, er sei mit „dem Vorrat an stereotypen Gesten und Handlungen […] virtuos umgegangen und [habe] gerade in außergewöhnlichen Situationen neuen Sinn erzeugt […].“ 309 Vgl. auch zum Verhältnis von Ritual und Willensbildungsprozessen: Stollberg-Rilinger, Einleitung – Herstellung und Darstellung, S. 10. Mit Blick auf „Verfahren“: dies., Einleitung, in: Vormoderne politische Verfahren, hg. von ders. (ZHF. Beiheft 25, Berlin 2001), S. 9–24. Jörg Peltzer / Gerald Schwedler / Paul Töbelmann, Einleitung, in: Politische Versammlungen und ihre Rituale. Repräsentationsformen und Entscheidungsprozesse des Reichs und der Kirche im späten Mittelalter, hg. von dens. (Mittelalter-Forschungen 27, Ostfildern 2009), S. 9–20. Technik und Symbolik vormoderner Wahlverfahren, hg. von Christoph Dartmann / Günther Wassilowsky / Thomas Weller (HZ. Beiheft 52, München 2010). 310 Göhler, Weiche Steuerung, S. 88, 98–105. 306
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Die Empfangsszene in der „Camera picta“ des Markgrafen von Mantua311 versinnbildlicht schließlich die enge Verschränkung von personalen Bindungen, politischem Handeln, Kommunikation, ritueller Inszenierung und Repräsentation. Dabei wird besonders die Vernetzung der dargestellten Personen verdeutlicht; ähnliches ergibt sich auch – jedoch in ganz anderem Kontext – aus den Schriften Ludwigs von Eyb312. Somit sollten bei zukünftigen Betrachtungen von rituellen und zeremoniellen Praktiken nicht nur der Überlieferungskontext sowie die Eigenart der Gattung der berichtenden Quellen, sondern auch die vielfältigen Einbettungen und Abhängigkeiten von Ritualen und den sie zur Aufführung bringenden Akteure stärker Berücksichtigung finden313; gerade hier kann die Analyse von Governance-Prozessen und politischen Netzwerken nützen314. 2. Zur Bedeutung von Normen in politischen Netzwerken An zahlreichen Stellen dieser Studie spielen Normen eine wichtige Rolle315: die Goldene Bulle, die Verträge der Kurfürsteneinung, Friedensverträge oder Geleitrechte. Fragt man nach dem Verhältnis von Politik und Recht, nach Norm 311
Siehe oben S. 161 f. Siehe oben D. II. 8. 313 Den Befund, dass Rituale in verschiedenster Weise eingebunden und mit anderen Komponenten verflochten sind, betonen auch andere jüngere Arbeiten, vgl. etwa Schenk, Zeremoniell und Politik, S. 507. 314 Vgl. hierzu Göhler, Weiche Steuerung, S. 88, 98–105: Nach Göhler ist der GovernanceAnsatz geeignet, durch die Einbeziehung von Formen „weicher“ Steuerung auch Rituale und Symbole bei der Betrachtung zu berücksichtigen. 315 Armin Wolf, Die Gesetzgebung der entstehenden Territorialstaaten, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1: Mittelalter (1100–1500). Die gelehrten Rechte und die Gesetzgebung, hg. von Helmut Coing (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte, München 1973), S. 517– 800, hier S. 517–565, 586–626. Ders., Gesetzgebung in Europa 1100–1500. Zur Entstehung der Territorialstaaten (München 1996), S. 96–147. Schubert, König und Reich, S. 114–146. Wilhelm Ebel, Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland (Göttinger rechtswissenschaftliche Studien 24, Göttingen ²1958), S. 42–77, mit der älteren Literatur. Gerhard Dilcher, Landrecht – Stadtrecht – Territoriales Recht, in: Statuten, Städte und Territorien zwischen Mittelalter und Neuzeit in Italien und Deutschland, hg. von Giorgio Chittolini / Dietmar Willoweit (Schriften des Italienisch-Deutschen Historischen Instituts in Trient 3, Berlin 1992), S. 49–52. Kritik an der Verwendung des Begriffs „Norm“ für mittelalterliches, insbesondere frühmittelalterliches Recht, übt Martin Pilch, Der Rahmen der Rechtsgewohnheiten. Kritik des Normensystemdenkens entwickelt am Rechtsbegriff der mittelalterlichen Rechtsgeschichte (Wien / Köln / Weimar 2009), etwa S. 531: „Auf die Vorstellung, mittelalterliches Recht sei ein System von Rechtsnormen, sollte restlos verzichtet werden.“ Zusammenfassend: ders., Rechtsgewohnheiten aus rechtshistorischer und rechtstheoretischer Perspektive, in: Rechtsgeschichte 17 (2010), S. 17–39. Pilchs insbesondere an der Zeit vor der Rezeption des römischen Rechtes entwickelten Aussagen haben in der rechtshistorischen Forschung eine intensive Diskussion ausgelöst beziehungsweise die schon länger geführte zu den „Rechtsgewohnheiten“ wieder neu belebt, vgl. Bernd Kannowski, Rechtsgewohnheiten, Ordnungskonfigurationen und Rechtsbegriff, in: Rechtsgeschichte 17 (2010), S. 40–49, sowie die weiteren Beiträge dieses Bandes. Vgl. nun auch Simon Teuscher, Erzähltes Recht. Lokale Herrschaft, 312
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bildung, Bindungswirkung beziehungsweise nach dem Geltungsanspruch316 oder gar nach der „Effektivität“317 von Normen, so ergibt sich von den hier betrachteten Beispielen ausgehend ein widersprüchliches Bild318. Die in dieser Studie vorVerschriftlichung und Traditionsbildung im Spätmittelalter (Campus Historische Studien 44, Frankfurt a. M./New York 2007), der anhand einer Untersuchung „lokaler Rechte“ wesentliche Annahmen der Forschung vom „guten alten Recht“ sowie von spätmittelalterlichen Verschriftlichungsprozessen in Zweifel zieht. 316 Peter Johanek, Methodisches zur Verbreitung und Bekanntmachung von Gesetzen im Spätmittelalter, in: ders., Was weiter wirkt… Recht und Geschichte in Überlieferung und Schriftkultur des Mittelalters, hg. von Antje Sander-Berke / Birgit Studt (Münster 1997), S. 211–224; ursprünglich veröffentlicht in: Histoire comparée de l’administration (IVe –XVIIIe siècles), hg. von Werner Paravicini / Karl Ferdinand Werner (Beihefte der Francia 9, München 1980), S. 88–101. Ferner Ulrich Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte (München 52008), S. 42– 114. Kroeschell / Cordes / Nehlsen-von Stryk, Deutsche Rechtsgeschichte, 2. 317 Franz Wieacker, Zur Effektivität des Gesetzesrechts in der späten Antike, in: FS Hermann Heimpel (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 36, Göttingen 1973), S. 546–566, hier S. 546–549. 318 Sowohl die Forschung zum Früh- und Hochmittelalter als auch die der Frühen Neuzeit beschäftigt sich seit langem mit diesen Fragen, vgl. zu ersterer: Bernd Kannowski, Rechtsbegriffe im Mittelalter. Stand der Diskussion, in: Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. von Albrecht Cordes / Bernd Kannowski (Rechthistorische Reihe 262, Frankfurt a. M. 2002), S. 1–27, mit weiterer Literatur. Zu letzterer jüngst Stollberg-Rilinger, Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte. Außerdem Martin Dinges, Normsetzung als Praxis? Oder: Warum werden die Normen zur Sachkultur und zum Verhalten so häufig wiederholt und was bedeutet dies für den Prozeß der „Sozialdisziplinierung“?, in: Norm und Praxis im Alltag des Mittelalters und der frühen Neuzeit, hg. von Gerhard Jaritz (Forschungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Diskussionen und Materialien 2, Wien 1997), S. 39–53. Jürgen Schlumbohm, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden – ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates, in: Geschichte und Gesellschaft 23 (1997), S. 647–663. Achim Landwehr, Policey im Alltag. Die Implementierung frühneuzeitlicher Policeyordnungen in Leonberg (Studien zu Policey und Policeywissenschaft, Frankfurt a. M. 2000), insbesondere S. 17–38. Achim Landwehr, „Normdurchsetzung“ in der Frühen Neuzeit? Kritik eines Begriffs, in: ZfG 48 (2000), S. 146–162. Die jüngere Forschungsdebatte fasst zusammen: Martin P. Schennach, Zuschreiben von Bedeutung. Publikation und Normintensität frühneuzeitlicher Gesetze, in: ZRG GA 125 (2008), S. 133–180, hier S. 135–137, mit weiterer Literatur. Für das Spätmittelalter ist mit der sozialhistorischen Wende die Frage nach dem Recht und nach „Normen“ allerdings in der allgemeinhistorischen Forschung eher in den Hintergrund gerückt; am Beispiel der Stadtgeschichtsforschung beklagt dies: Johanek, Straße, S. 234 f. Ders., Stadtgeschichtsforschung, S. 68 f. Ders., Zu neuen Ufern?, S. 162 f. Vgl. ferner: Mit den Augen der Rechtsgeschichte. Rechtsfälle – selbstkritisch kommentiert, hg. von Michele Luminati / Ulrich Falk / Mathias Schmoeckel (Recht. Forschung und Wissenschaft 8, Münster / Berlin / Zürich 2008). Rechtswissenschaft als Kulturwissenschaft?, hg. von Marcel Senn / Dániel Puskás (Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 115, Stuttgart 2007). Pio Caroni, Rechtsgeschichte und Geschichtswissenschaft, in: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichte 27 (2005), S. 287–295. Christof Dipper, Geschichtswissenschaft und Rechtsgeschichte, in: ebd., S. 272– 295. Wolfgang Burgdorf / Cornel A. Zwierlein, Zwischen den Stühlen. Die Rechtsgeschichte aus der Sicht der allgemeinen Geschichtswissenschaft, in: ebd., S. 296–303. Susanne Lepsius, „Rechtsgeschichte und allgemeine Geschichtswissenschaft.“ Zur Wahrnehmung einer Differenz bei den Historikern Burgdorf und Zwierlein, in: ebd., S. 304–310. Kroeschell, Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte. Ders., Der Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte. Das Beispiel des Mittelalters, in: ZRG GA 110 (1994), S. 310–329.
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kommenden Normen sind zu unterschiedlich, als dass allzu generalisierende Aussagen möglich wären319. Deshalb beschränken sich die folgenden Beobachtungen auf das Verhältnis von schriftlichen Normen und politischen Netzwerken sowie Governance-Prozessen. In den behandelten Beispielen kann eine strikte Trennung zwischen einer Sphäre des „Rechts“ und einer der „Politik“ nur schwerlich beobachtet werden320. Auch dieser liegt letztlich die Vorstellung vom „modernen Staat“ zugrunde. Misst man den kleinen Ausschnitt der hier beobachteten Rechtswirklichkeit um 1470 an der Vorstellung absoluter Normgeltung, so ist mit Sicherheit ein eher düsteres Bild zu zeichnen. Nun hat aber diese Studie an zahlreichen Stellen gezeigt, dass Rechtsnormen, zumal schriftlich fixierte Normen, tatsächlich eine wichtige Rolle spielten. Man denke hier an die Verwendung der Goldenen Bulle im Verfahren der Herrschaftsweitergabe in der Mark Brandenburg 1470321; auch in den Geleitsnetzwerken von Heideck322 spielte das Recht eine wichtige Rolle, ebenso beim Vorgehen gegen Zaunrüde bis zu seiner Verurteilung323 oder auch beim „Prozess“ gegen Pfalzgraf Friedrich den Siegreichen324. Dass Staatlichkeit keine Vorbedingung für Rechtsgeltung sein und diese damit nicht in jedem Fall als Indikator für Staatlichkeit gelten muss, verdeutlicht die Governance-Forschung, die plakativ von „Recht ohne Staat“ spricht325. Dies meint Rechtsetzung ohne staatliche Be 319
Teilweise handelt es sich um solche, die modern als „Verfassungsdokumente“ bezeichnet werden, teilweise geht es um Rechtsdokumente von regionaler Reichweite zur Anspruchssicherung, teilweise aber auch um Gerichts- oder Geleitrechte, vgl. Gerhard Dilcher, Bildung, Konstanz und Wandel von Normen und Verfahren im Bereich mittelalterlicher Rechtsgewohnheit, in: Prozesse der Normbildung und Normveränderung im mittelalterlichen Europa, hg. von Doris Ruhe / Karl-Heinz Spieß (Stuttgart 2000), S. 187–201, hier S. 189 f., mit dem Hinweis, dass die Betrachtung von Ritualen der Konfliktbeilegung eigentlich Fragen der „Politikgeschichte alter Prägung“ seien; Recht umfasse allerdings erheblich mehr. Seine Betrachtung könne sich somit nicht „auf die politiktragende Schicht beschränken“. In diesem Sinne ist die Auswahl der Normen in dieser Studie dem ihr zugrunde liegenden Ebenenmodell geschuldet. 320 Erkens, Wandel gelebter Normen, S. 10 f. Lanzinner, Goldene Bulle, S. 46. Althoff, Rechtsgewohnheiten und Spielregeln, S. 36. Kroeschell, Rechtsbegriff der Rechtsgeschichte, S. 312. In Bezug auf die Landfriedensgesetzgebung auch Wadle, Gottesfrieden und Landfrieden, S. 74. Im Hinblick auf das Fehderecht im 16. Jahrhundert: Reinle, Bauernfehden, S. 59. 321 Siehe oben S. 98 ff., 110 ff. 322 Siehe oben S. 311 ff., 317 ff., 320 ff., 329 ff., 340 ff. 323 Siehe oben S. 353 ff., 374 ff., 377 ff. Zu den „Anfängen der Landesgesetzgebung“ vgl. Willoweit, Entwicklung und Verwaltung der Landesherrschaft, S. 76 f. 324 Siehe oben E. II. 11. c). 325 Vgl. die Beiträge des Sammelbandes Recht ohne Staat? Zur Normativität nichtstaatlicher Rechtsetzung, hg. von Stefan Kadelbach / Klaus Günther (Normative Orders 4, Frankfurt a. M./New York 2011). Besonders instruktiv die Einleitung von dens., Recht ohne Staat? Die Verfasser verdeutlichen, dass die heutige Gesellschaft immer stärker von Rechtspluralismus geprägt ist. Dabei handele es sich eigentlich um ein „Wiedererwachen […], weil der Rechtspluralismus historisch gleichsam der Normalfall ist und ein einheitliches, exklusives, um eine staatliche Autorität zentriertes Recht die Ausnahme“, vgl. Michael Stolleis, Vor modernes und postmodernes Recht, in: Merkur (2008), S. 425–429. Matthias Kötter, Rechts-
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teiligung innerhalb und außerhalb des Staates. Neben den „einheitlich gedachten Willen“ des Staates tritt eine Vielzahl von Normproduzenten. Dieser Rechtspluralismus – und damit die Existenz verschiedener Rechtskreise326 – wirft Fragen auf, insbesondere hinsichtlich des Rechtsbegriffs327, vor allem aber mit Blick auf Legalität, Legitimität und Geltungsanspruch von Normen und die mögliche Kollision dieser Regeln328. Die Betrachtung politischer Netzwerke verdeutlicht, wie sehr die Bindungswirkung von Normen von den im Einzelfall jeweils unterschiedlichen personalen und Interessenverflechtungen beeinflusst sein konnte. Die Bindungswirkung der Goldenen Bulle ebenso wie der kurfürstlichen Einungsverträge scheint maßgeblich von den Interessenkonstellationen im jeweiligen Anwendungsfall abhängig gewesen zu sein. Bei der brandenburgischen Herrschaftsübertragung des Jahres 1470 war allen Beteiligten bewusst, dass das Vorgehen von der Goldenen Bulle nicht gedeckt war – und die Normen spielten in den Verhandordnung und Regelungsstrukturen: der Beitrag einer entscheidungs- und wirkungsorientierten Rechtswissenschaft zur Governanceforschung, in: Regieren ohne Staat? Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit, hg. von Thomas Risse / Ursula Lehmkuhl (Schriften zur Govern ance-Forschung 10, Baden-Baden 2007), S. 211–229. Ferner: Armin von Bogdandy / Philipp Dann / Matthias Goldmann, Völkerrecht als öffentliches Recht: Konturen eines rechtlichen Rahmens für Global Governance, in: Die Herausbildung normativer Ordnungen. Interdisziplinäre Perspektiven, hg. von Rainer Forst / Klaus Günther (Normative Orders 1, Frankfurt a. M./New York 2011), S. 227–263. Auf das Mittelalter bezogen: Gerhard Dilcher, Recht ohne Staat – Rechtsdurchsetzung ohne Staat? Überlegungen zur Rolle der Zwangsgewalt im mittelalterlichen Rechtsbegriff, in: Quaderni Fiorentini 30 (2001), S. 139–158. Ders., Die Zwangsgewalt und der Rechtsbegriff vorstaatlicher Ordnungen im Mittelalter, in: Rechtsbegriffe im Mittelalter, hg. von Albrecht Cordes / Bernd Kannowski (Rechthistorische Reihe 262, Frankfurt a. M. 2002), S. 111–153. Ders., Zur Entstehung des öffentlichen Rechts in mediävistischer Sicht, in: Rechtsgeschichte 19 (2011), S. 58–71, hier S. 71. 326 Eisenhardt, Rechtsgeschichte, S. 51. 327 Hierbei stellen sich insbesondere Fragen nach der Unterordnung und Rückbeziehung von Normen auf eine oberste Norm, die zur Ausübung von Zwang legitimiert, nach dem „Faktum der formalisierten Anerkennung“ oder nach dem „Bindungswillen der Betroffenen“. Vgl. Kadelbach / Günther, Recht ohne Staat?, S. 11. Die Autoren weisen mit Recht darauf hin, dass sowohl die Definition von Recht als auch die Frage der Legitimität letztlich vom Staatsbegriff abhängen, vgl. ebd., S. 12. Ebd., S. 13–41, nehmen die Autoren Bezug auf den Klassiker Eugen Ehrlich, Grundlegung der Soziologie des Rechts (Berlin 41989, ursprünglich München 1913), der auf der Grundlage seiner Untersuchung der Normen, die das Leben von Bauern in der Bukowina, heute Ukraine beziehungsweise Rumänien, regelten, von Normen ausgeht, die nicht staatlich gesetzt und mit staatlicher Macht durchgesetzt werden sollen, sondern aus einer „gesellschaftlichen Psychologie“ erwachsen, vgl. ebd., S. 146. Eine „Vielheit der Rechte“ war somit möglich, vgl. Kadelbach / Günther, Recht ohne Staat?, S. 15. 328 Kadelbach / Günther, Recht ohne Staat?, S. 10 f., 35–41. Ferner zu verschiedenen Konzepten von Normativität die Beiträge in: Die Herausbildung normativer Ordnungen. Interdisziplinäre Perspektiven, hg. von Rainer Forst / Klaus Günther (Normative Orders 1, Frankfurt a. M./New York 2011). Stolleis, Vormodernes und postmodernes Recht, S. 425, bemerkt zu nicht demokratisch legitimiertem Recht in heutigen Zusammenhängen: „Es sind ‚Normen‘ sich selbst regulierender ‚Systeme‘, also Weltkonzerne, Kommunikationsnetzwerke, marktregulierende Verbünde, die ihre spezifischen Regeln schaffen und sie ihren Mitspielern auf erlegen.“
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G. Vergleiche und Folgerungen
lungen offensichtlich eine nicht unerhebliche Rolle; Interessenüberschneidung bei allen Beteiligten ermöglichte dann ihr stillschweigendes Übergehen. Damit ist aber keineswegs von einem geschlossenen, widerspruchsfreien Gebäude von Normen auszugehen. Vielmehr rücken die Wechselbeziehungen von schriftlich fixierter Regel und tatsächlicher Anwendung in den Blick. Interessen- und Personenkonstellationen und ihre Einbindung in politische Netzwerke sind dabei zwei wesentliche Parameter, die es bei der Beurteilung von Normen, ihrem Verhältnis zueinander sowie bei der Ermittlung von Legitimität und Geltungsanspruch zu berücksichtigen gilt329. Diese, für die Zeit um 1470 gewonnenen Befunde decken sich mit den Ergebnissen jüngerer Forschungen zum Umgang mit der Goldenen Bulle in der Frühen Neuzeit330. Die jüngere Ritualforschung betont, dass allein in der „konkreten symbolischrituellen Praxis“331 die Bedeutung von „Verfassungsnormen“ gelegen habe; damit seien sie grundlegend unterschiedlich zu „modernen Verfassungstexten“, da erstere eine „systematisch geschlossene, generalisierte, hierarchisch strukturierte, widerspruchsfreie normative Ordnung“ entwerfen würden332. Gewiss lässt sich der Bezug zwischen der Norm der Goldenen Bulle und der symbolisch-rituellen Praxis auch im analysierten Beispiel von 1470 beobachten, da etwa die Sitzordnung den brandenburgischen Räten als Test für die Anerkennung ihres Herrn als Kurfürst innerhalb der Öffentlichkeit von Reichsversammlungen galt333. Das komplexe Gefüge aber, das sich aus der Analyse politischer Netzwerke zwischen Kaiser und Kurfürsten ergab, geht weit über die symbolisch-rituelle Praxis hinaus334. Dass die Räte, die zum Kaiser geschickt wurden, die Goldene Bulle mitnehmen sollten, dass die nach dem Abschluss der Herrschaftsübertragung getroffenen Regelungen zur Erbfolge in Brandenburg nur vor dem Hintergrund der Goldenen Bulle verständlich sind, dass den übrigen Kurfürsten der kreative Umgang mit der Norm durchaus bewusst war, all dies belegt, dass die Goldene Bulle nicht al-
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Siehe oben B. II. 5. Vgl. ferner oben S. 517, Anm. 115. Lanzinner, Goldene Bulle, S. 67: „Nichtbeachtung und Änderung ergaben sich vielmehr aus der Praxis.“ 331 Stollberg-Rilinger, Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte, S. 3, 11: „Die grund legenden Verfassungskategorien, wie sie in modernen Konstitutionen abstrakt und generell definiert und begründet sind, etwa die zentralen Verfassungsorgane, werden in vormodernen Fundamentalgesetzen, Statuten und so weiter immer schon als existent vorausgesetzt; sie werden nicht abstrakt normativ begründet, sondern allein und ausschließlich durch wiederholte, konkrete symbolisch-rituelle Praxis erzeugt. Etwa: Was der Kaiser ist, was Reichsfürsten sind, das ist nirgendwo abstrakt geregelt, sondern ergibt sich aus der Praxis von Krönungen, Belehnungen, Reichstagen und so weiter.“ Vgl. bereits Gerd Althoff, Ungeschriebene Gesetze. Wie funktionierte Herrschaft ohne schriftlich fixierte Normen?, in: ders., Spielregeln der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde (Darmstadt 1997), S. 282–304, hier S. 282. 332 Stollberg-Rilinger, Verfassungsgeschichte als Kulturgeschichte, S. 11. 333 Siehe oben S. 101. Siehe ferner auch oben S. 459 f. 334 Siehe zur Bedeutung von Ritualen näher oben G. III. 1. b). 330
III. Zu Aspekten des Regierens und der politischen Ordnung
561
lein auf die „rituelle Praxis“ bezogen war, sondern auch Wirkung auf anderen Feldern entfaltete. Wenn nun die Forschung sich der Frage widmet, ob und ab wann die Goldene Bulle als ein „Verfassungswerk“ oder eine Art „Grundgesetz“ galt335, dann erscheint die Frage vor dem Hintergrund des hier Beobachteten als eher unergiebig. Gegenüber Friedrich dem Siegreichen hatte die Goldene Bulle eine hohe Bindungswirkung, im Falle Albrechts von Brandenburg teilweise eine nur nachgeordnete. Dies als mangelnde Rechtsgeltung oder Unvollkommenheit abzutun, erscheint angesichts ihrer belegten Verwendung als zu einfach. Auch die Landfrieden336 als schriftliche Normen erweisen sich als bisweilen effektiv, und zwar wenn eine Vielzahl von Akteuren das gleiche Ziel verfolgte337. Ausnahmeregelungen für einzelne Akteure konnten die Effektivität der Normausübung sogar steigern338. Wie das Geleitnetzwerk von Heideck oder auch das Städtenetzwerk zur Sicherung des Landfriedens verdeutlichen, musste die effektive und legitime Ausübung von Hoheitsrechten nicht mit Herrschaftsorganisation im Sinne einer ausgebildeten Verwaltung einhergehen339. Rechtssicherheit340 hing offensichtlich – dies verdeutlichen besonders die Beispiele des Geleitwesens341 und der Landfriedenssicherung342 – zu einem nicht unerheblichen Teil von Vertrauen ab; ebenso spielte die Einbindung in eine Vielzahl verschiedener Interessenkonstellationen hierzu eine wichtige Rolle. Offenbar wird die Vielheit der Rechte bei der Abgrenzung verschiedener Rechtskreise beziehungsweise konkurrierender Rechte, etwa bei den Auseinandersetzungen des Markgrafen mit Nürnberg über die Ausübung von Rechten oder mit Ludwig von Bayern-Landshut über die Abgrenzung von Gerichtsrechten. Das Beispiel des Hans von Seckendorff und seines Halsgerichts zu Möhren
335 Moraw, Verfassungsverständnis, S. 392, 396–398. Ders., Offene Verfassung, S. 247– 251. Zur Rezeption insgesamt: Michael Matthäus, „Reichsgrundgesetz“ oder nur „ein nichtsnützig Stück Pergament“? Die Rezeption der Goldenen Bulle in Wissenschaft und Literatur, in: Die Kaisermacher. Frankfurt am Main und die Goldene Bulle 1356–1806. Aufsätze, hg. von Evelyn Brockhoff / Michael Matthäus (Frankfurt a. M. 2006), S. 170–197. Leuschner, Deutschland, S. 177 f. Johanek, Methodisches zur Verbreitung und Bekanntmachung, S. 215. Jürgen Miethke, Politisches Denken und monarchische Theorie. Das Kaisertum als supranationale Institution im späteren Mittelalter, in: Ansätze und Diskontinuität deutscher Nationsbildung im Mittelalter, hg. von Joachim Ehlers (Nationes 8, Sigmaringen 1989), S. 121–144, hier S. 143, insbesondere Anm. 89. Schubert, Grundprobleme, S. 226. Ferner: Johannes Fried, Das Mittelalter. Geschichte und Kultur (München ³2009), S. 448–455. 336 Vgl. Wadle, Gottesfrieden und Landfrieden, mit der älteren Literatur. 337 Siehe oben S. 351 ff., 366 ff., 374 ff., 377 ff., 379 ff. 338 Siehe oben D. IV. 6. c. 339 Anders: Johanek, Methodisches zur Verbreitung und Bekanntmachung, S. 212. 340 Schuppert / Kötter, Rechtssicherheit jenseits des Staates? 341 Siehe hierzu oben S. 344 f., 358f., 367, 381f. 342 Siehe oben S. 374 ff.
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G. Vergleiche und Folgerungen
verdeutlicht, wie schnell die Überlagerung von Rechten zu Konflikten führen und wie diese Konflikte für übergeordnete politische Ziele eingesetzt werden konnten343. Würde man in solchen Fällen allein mit Normen argumentieren, würde man den Kern der Konflikte verfehlen. Die Ausübung des Halsgerichts hing nämlich nicht nur von der Ausübung von Normen ab, sondern in besonderem Maße auch von aktuellen politischen Konstellationen und kurzfristigen sowie langfristigen Interessenlagen. Auch das territorial übergreifend handelnde Landfriedensnetzwerk benötigte eine Legitimation, die in den Normen des Landfriedens zunächst so nicht vor gesehen war – dies tat der Kaiser nachträglich344. Hier zeigt sich der Kaiser durchaus als Vermittler zwischen verschiedenen Rechtskreisen345. Die Nürnberger ließen sich außerdem ein Gutachten erstellen, ob sie Reichsrecht verletzten, wenn sie Bündnisse mit Reichsfürsten abschließen würden, ohne den Kaiser um Erlaubnis zu fragen346. Auch im Stettiner Erbfolgestreit argumentierten beide Seiten auf der Grundlage von Rechtsansprüchen347; die Einigung war dann aber keine rechtliche, sondern auf Veränderungen von Personenkonstellationen in Netzwerken bezogen. Die in vielen Fällen entweder von den Streitparteien selbst, von Vermittlern oder vom Kaiser ausgesprochene Drohung, dass es einen rechtlichen Austrag geben könnte, wenn man sich gütlich nicht einigen könne, stellt eine wirksame Möglichkeit dar, bei den Beteiligten den Einigungswillen zu erhöhen; damit hatte hier das Recht eine Funktion als „weiches“ Steuerungsmittel, um Kooperationsergebnisse „im Schatten der Hierarchie“ zu ermöglichen348. Im Falle der Brauneckschen Lehen wurde ihre kaiserliche Weisung an Kurfürst Albrecht von Brandenburg im Jahre 1473 regional nicht genau so umgesetzt wie vorgesehen, da im Vergleich zwischen Bischof Georg von Bamberg und Albrecht von Brandenburg ersterer Lehen behielt, die der Kaiser eigentlich dem Markgrafen zugesprochen hatte; die Interessenübereinkunft des gegenseitigen Verzichts ermöglichte hier eine regionale Lösung, die kaiserliche Anordnungen ignorierte. In solchen politischen Netzwerken der Kooperation oder gegensätzlicher Interessen wurde Recht ausgehandelt, durchgesetzt, legitimiert, verändert oder stillschweigend übergangen349. Damit kam den verschiedensten Arten von Recht eine wesentliche Rolle zu, das Zusammenleben zu ordnen und Netzwerke zu konfigu-
343
Siehe oben S. 323 ff. Siehe auch zum Geleitrecht oben S. 320 f. Zu Gerichtsrechten im Zusammenhang mit Nürnberg oben S. 428 f. 344 Siehe oben S. 377 ff. 345 Zum Verhältnis des Königs zum Recht: Schubert, König und Reich, S. 114–146. 346 Siehe oben S. 408 f. 347 Siehe oben S. 219 ff., 231 ff., 243 ff. 348 Göhler, Weiche Steuerung, S. 90. 349 Anknüpfungspunkte bietet Wadle, Frühe Landfrieden, S. 96, der die „Mitwirkung“ und den „Konsens“ der Großen betont.
III. Zu Aspekten des Regierens und der politischen Ordnung
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rieren, vor allem aber politisches Handeln in den verschiedensten Formen erst zu ermöglichen. Schriftliches Recht, Rechtsgewohnheiten und die Praxis – und damit vielfach Politik, Macht und Recht sowie „Spielregeln“350 – gingen eine sich gegenseitig bedingende Einheit ein, die unter den Konstellationen der jeweiligen Situation zu immer neuen Ergebnissen führen konnte. 3. „Der schwierige Weg zum Ohr des Herrschers“ Wie schafft man es, ein Anliegen zum Kaiser vorzubringen?351 Nach der Unterteilung Garniers352 der „Kommunikationsform ‚Bitte‘“353 im 15. Jahrhundert gab es Bitten im Rahmen von feierlichen Zeremonien und im politischen Alltag. Alle hier untersuchten „Bitten“, die an Kaiser Friedrich III. direkt oder mittelbar gerichtet wurden, sind dem zweiten Bereich, dem politischen Alltag, zuzuordnen. Garnier betont den informellen und formlosen Charakter, den die Bitten im politischen Alltag gehabt hätten; erst unter Kaiser Maximilian habe es Ansätze gegeben, Kanäle zum Herrscher zu institutionalisieren und in gewisser Weise zu formalisieren354. So habe erst die Hofordnung Maximilians I. von 1497/98 hierfür einen formalen Rahmen geschaffen. Das mag zutreffen, wenn man moderne Kategorien eines „Verwaltungsweges“ oder des heute etablierten „Petitionswesens“ zugrunde legt. Die hier gewonnenen Ergebnisse legen jedoch eine andere Interpretation nahe: Albrecht von Brandenburg war eine zentrale Anlaufstelle im Reich, insbesondere für seine Netzwerkpartner aus dem Norden – etwa für Christian von Dänemark –, oder auch für Dritte, die über direkte Netzwerkpartner Albrechts von Brandenburg Kontakt zunächst mit ihm aufnahmen, um vom Kaiser etwas zu erhalten – man denke an den mailändischen Herzog. Gerade die Erklärungen des dänisch-brandenburgischen Rates Albrecht Klitzing im mailändischen Königsprojekt verdeutlichen aber, dass es eingeschliffene, teilweise gar institutionalisierte Wege zum Herrscher gab355. Diese liefen in diesen Jahren maßgeblich über Albrecht von 350
Wolfgang Reinhard, Konvergenz und Divergenz von Machtgeschichte und Rechtsgeschichte im Aufstieg und Niedergang des modernen Staates, in: Power and Persuasion. Essays on the Art of State Building in Honour of W. P. Blockmans, hg. von Peter Hoppenbrouwers / Antheun Janse / Robert Stein (Turnhout 2010), S. 345–360. 351 Das Zitat der Überschrift nach Althoff, Verwandtschaft, Freundschaft, Klientel, S. 185. 352 Vgl. Claudia Garnier, Die Kultur der Bitte. Herrschaft und Kommunikation im mittelalterlichen Reich (Symbolische Kommunikation in der Vormoderne, Darmstadt 2008), S. 294– 368. Vgl. ferner die grundsätzlichen Anmerkungen bei: Steffen Patzold, Konsens und Konkurrenz. Überlegungen zu einem aktuellen Forschungskonzept der Mediävistik, in: FMASt 41 (2007), S. 75–103, hier S. 102. 353 Garnier, Bitte, S. 364. 354 Ebd., S. 367. Vgl. am Beispiel Hessens bereits: Peter Moraw, Hessen und das deutsche Königtum im späteren Mittelalter, in: HJL 26 (1976), S. 43–95, hier S. 61. 355 Siehe oben S. 161 ff., 173.
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G. Vergleiche und Folgerungen
Brandenburg und über den Erzbischof von Mainz356. Sie funktionierten nach den Regeln von Kommunikation und Interaktion innerhalb von politischen Netzwerken, wie sie hier skizziert werden. Hierbei bestand außerdem eine mehr oder weniger formalisierte Verteilung von Zuständigkeiten unter den markgräflich-brandenburgischen Räten. So sei nur darauf hingewiesen, dass wir die Räte Hertnidt vom Stein und Ludwig von Eyb häufig im Umkreis der Kaisers, Albrecht Klitzing dagegen im Zusammenhang mit Christian von Dänemark finden. Besonders deutlich wird die Abhängigkeit der Bitte von den Netzwerk- und Interessenkonstellationen bei der Frage der Anerkennung der Ansprüche der Brauneckschen Lehen, bei der selbst ein so enger Partner des Kaisers wie der brandenburgische Kurfürst selbst erst nach mehrjähriger „Lobbyarbeit“ zu einem Ergebnis in seinem Sinne gelangen konnte. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang die wichtige Rolle des Erzbischofs von Mainz für Kurfürst Albrecht, unter bestimmten Voraussetzungen seine eigenen Interessen beziehungsweise die seiner Räte durchzusetzen. Für solche Bitten konnte der Kurfürst auch auf die verwandtschaftlichen Netzwerke seiner Räte zurückgreifen, die bis in das Umfeld des Kaisers reichten; diese erfüllten dann vielfach sowohl die Bedürfnisse Albrechts von Brandenburg als auch ihre eigenen. 4. Höfe und Residenzen als Zentralorte politischen Handelns? Dass der Blick auf das Königsitinerar357 für die Bewertung herrscherlicher Wirksamkeit um 1470 nicht mehr ausreicht, hat schon die ältere Residenzenforschung um Hans Patze erkannt. Sie versuchte zu erklären, wie das Reich ein Reich ohne Hauptstadt bleiben konnte358. Dass nicht die Residenz das „Handlungszentrum oder Legitimationszentrum des älteren Gemeinwesens [war] […], woraufhin alle Stränge zulaufen, die spätmittelalterliches ‚staatliches‘ Verfaßtsein ausmachen“359,
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Für die Erwirkung von Privilegien zeigte dies bereits Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1132–1136. Garnier, Bitte, kommt ohne Erwähnung Erzbischof Adolfs von Mainz aus. Albrecht von Brandenburg wird lediglich einmal, nämlich bei der Verteilung von Sitzplätzen auf dem Frankfurter Tag von 1486, genannt, seine besondere Nähe zum Kaiser und seine Steuerungsfunktion des Zugangs zum Herrscher werden nicht erwähnt. 357 Zum Ansatz der Itinerarforschung immer noch grundlegend: Mayer, Wirkungsbereich, S. 28–44. Daneben Ferdinand Opll, Der Weg des Kaisers. Überlegungen zur historischen Interpretation des Itinerars Kaiser Friedrich Barbarossas, in: Reisen und Wallfahrten im Hohen Mittelalter (Göppingen 1999), S. 167–190. Widder, Itinerar und Politik, S. 13–19. Zur insbesondere früh- und hochmittelalterlichen Problematik des Verhältnisses von Actum und Datum im Spätmittelalter, insbesondere in der Zeit Kaiser Friedrichs III.: Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 814. Ausstellungsort und herrscherlicher Aufenthaltsort fielen in der Regel zusammen. 358 Vgl. Patze / Streich, Residenzen, S. 205. Aus jüngerer Zeit: Neitmann, Methodische Überlegungen. 359 Moraw, Was war eine Residenz?, S. 461.
III. Zu Aspekten des Regierens und der politischen Ordnung
565
erkannte bereits Moraw360 und rückte den Hof in den Mittelpunkt des Interesses. Zur Königsherrschaft im Spätmittelalter bemerkte er: „Die Frage, wie man aus größerer Entfernung regieren kann, ist eine entscheidende Frage an jeden mittelalterlichen König und damit an das Verfassungsleben gewesen. Denn persönliche Anwesenheit des Herrschers war bis zum Ende unserer Periode ein sehr wichtiger Gesichtspunkt für die zeitgenössische Bewertung königlicher Effizienz und Legitimierung. Anwesenheit ersetzte die fehlende Verwaltung, den wohl schwächsten Punkt deutscher Königsmacht im Reich, wenigstens für den Augenblick.“361 Nach Moraw war somit der Hof „Hauptinstrument und Hauptlebensform des Königs […], der einzige Mittelpunkt zentraler ‚staatlicher‘ Existenz im ganzen Deutschland vor dem ausgehenden 15. Jahrhundert.“362 Nach der Betrachtung von Politiknetzwerken könnte man allerdings Zweifel bekommen, inwieweit diese Einschätzung für den Beobachtungszeitraum noch zutrifft, und fragen, ob nicht Hofforschung eher Forschung über Knoten im Netzwerk und ob das politische Zentrum das Netzwerk selbst ist. Möglicherweise lässt sich in dieser Zeit gar kein „Handlungszentrum“ im Morawschen Sinne ermitteln, oder, wenn überhaupt, nur ein gedachtes innerhalb von Bindungen. Natürlich funktionierte der Hof Friedrichs III. als ein Teil des Netzwerks. Und dieser Knoten zog gesteigerte Aufmerksamkeit anderer Netzwerkteilnehmer auf sich. Mehrere politische Zentren beeinflussten sich aber gegenseitig und hingen voneinander ab. Albrecht von Brandenburg übernahm wesentliche politische Funktionen, auch wenn er sich nicht in der Nähe des Kaisers aufhielt363. Politisches Handeln ist somit in dieser Zeit nicht immer an konkreten geografischen Punkten zu lokalisieren. Gleichzeitig zeigt der Blick auf die Herrschaftsorganisation des brandenburgischen Kurfürsten zwischen Brandenburg, Franken und weiteren Orten im Reich, dass Strukturen bisweilen nach dem Gebot der Effizienz situativ auf-, um- und auch wieder abgebaut werden konnten. Führt man sich schließlich die komplexen Herrschaftsstrukturen der Markgrafen von Brandenburg während der Belagerung von Neuss364 vor Augen, so ergeben sich anstatt eines höfischen Organisationsmodells eher pragmatisch herausgebildete polyzentrische Kooperationsstrukturen zwischen Akteuren unterschiedlichen Ranges365. Somit wird auch bei der traditionellen Bestimmung der „Außenwirkung“ des Hofes neben der „höfische[n] Integration von Personenkreisen aus den Erblanden und dem außererb ländischen Binnenreich [sowie] [der] Intensität und Reichweite der königlichen
360
Vgl. ebd. Moraw, Versuch, S. 229. 362 Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 473. 363 Siehe oben B. III. 3 und 4. 364 Siehe hier zum einen zur Kommunikation der Akteure um Neuss S. 188ff., sowie zur Kommunikation zwischen Albrecht von Brandenburg und seinem Hof in Ansbach S. 198 ff. 365 Siehe in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen zu Personenbindungen durch Informationen unten G. III. 5. sowie den Steuerungsmöglichkeiten durch Humor unten G. V. 2. 361
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G. Vergleiche und Folgerungen
Regierungshandlungen“366 viel stärker nach den vielfältigen, auch verdeckten politischen Netzwerkstrukturen in den verschiedenen Regionen des Reiches zu suchen sein. Angesichts dieser Beobachtungen ist Heinigs Feststellung: „Das Gesamtreich war weder von einem Punkt aus zu erfassen noch die politische Gesellschaft dauerhaft oder auch nur für längere Zeit an einem Punkt zu versammeln367, als Kriterium für die Bedeutung von Regieren und politischem Handeln wohl zu relativieren. 5. Information Es konnte gezeigt werden, dass Akteure in Politiknetzwerken neben Lehns-, Verwandtschafts- und Bündnisbeziehungen auch „Informationsbindungen“ unterhielten. Diese Informationsbindungen scheint besonders Albrecht von Brandenburg in großer Zahl eingegangen zu sein. Ziel der Akteure musste es sein, möglichst viele Informationen aus unterschiedlichen Netzwerken an einem Knoten zu bündeln und darüber die eigenen Interessen in den unterschiedlichen Netzwerken miteinander zu verknüpfen, um insgesamt für sich selbst zum gewünschten Ergebnis zu gelangen368. Voraussetzung hierfür war der freie Zugang zu Informationen. Dieser konnte, wie im Falle des Treffens von Trier, durch unterschiedliche Interpretationen des Charakters von Verhandlungen versperrt sein369. Aber auch ein hohes Maß an multiplexen Bindungen bedeutete nicht auch zwangsläufig einen ausreichenden Zugang zu Informationen. Personen, die über Informationen verfügten, waren schließlich bis in lokale Zusammenhänge hinein von entscheidender Bedeutung. Als Beispiel ist hier der Knecht Hans Luft zu nennen, der fränkisch-bayerische Netzwerke wohl teilweise überblickte und sich so auch als Hauptmann für die markgräfliche „Straßen polizei“ eignete370. Ebenso deutlich wird dies zum einen in der Person des Jobst von Einsiedel, der zwischen Akteuren in Böhmen, Albrecht von Brandenburg und Kaiser Friedrich III. Informationen weitergab371, zum anderen an Herzog Wilhelm von Sachsen, dem eine Schlüsselfunktion bei der Weitergabe von Informa-
366 Paul-Joachim Heinig, Der Hof Kaiser Friedrichs III. – Außenwirkung und nach außen Wirkende, in: Deutscher Königshof, Hoftag und Reichstag im späteren Mittelalter, hg. von Peter Moraw (VuF 48, Stuttgart 2002), S. 137–161, hier S. 139; außerdem S. 140: „Die Außenwirkung des Hofes nahm mit zunehmender Entfernung von dessen Referenzbereichen ab.“ 367 Heinig, Außenwirkung, S. 140. 368 Siehe etwa oben S. 142 f. Weiterhin zu Aspekten der Informationsweitergabe oben S. 140 ff., 174, Anm. 73, S. 200 f., 227 f., Anm. 44, S. 321, 324, 327, 334 f., 376 f., 401, 406 f., 424, 434, 438, 449, 466 f. 369 Siehe hierzu oben S. 145 ff. 370 Siehe oben S. 338, 374 f., 438; zur Informationsfunktion von Knecht Jörg oben S. 208. Ebenso zu der eines Priesters oben S. 210. 371 Siehe oben S. 142 f., 146.
III. Zu Aspekten des Regierens und der politischen Ordnung
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tionen nicht nur für den Markgrafen zukam372, sowie an dem Niederadligen Georg von Zedwitz, der den Hof in Ansbach mit den Netzwerken vor Neuss verbinden sollte373. Schließlich hatte auch der Nürnberger Patrizier Niklas Muffel eine solche Informationsfunktion gegenüber Albrecht von Brandenburg374. 6. Personale Bindungen und Neutralität Garnier375 betont, dass vertikale Bindungen in der Regel in Bedrohungs- und Konsolidierungssituationen eingegangen werden. An dieser Beziehung habe allerdings praktisch nur der Höherrangige ein Interesse, der Niederrangige tritt bei ihr vollkommen passiv und inaktiv auf. Der Befund, dass die äußere Bedrohung durch Karl den Kühnen eine Netzwerk verdichtende Wirkung hatte, bestätigt dies teilweise. Allerdings scheinen auch die niederrangigen Partner an jeder Beziehungsknüpfung ein spezifisches inhaltliches Interesse gehabt zu haben, das gepaart mit günstigen strukturellen Voraussetzungen erst zu einem positiven Ergebnis für beide Seiten führen konnte. Zudem konnte am Netzwerk im Krieg gegen Karl den Kühnen gezeigt werden, dass sich gleichzeitig sehr kleine Subnetzwerke mit horizontaler Bindungsstruktur und um diese Subnetzwerke herum zunehmend hierarchische Netzwerkstrukturen bilden können; Gefahr löst also komplexere Strukturierungsprozesse aus, als dies Garnier annimmt. Außerdem zeigten sich nicht nur horizontale Bindungen, wie es Garnier vermutet, sondern auch – so zum Beispiel im Falle Christians von Dänemark376 – vertikale Bindungen als „strate 372 Siehe oben S. 140 f., 148, 314 ff., 322 f., 324, 327, 336 f. Zu davon unabhängigen Kommunikationsverbindungen zwischen dem Markgrafen und Stellen in den fränkischen Territorien siehe oben S. 316 f., 426 ff. 373 Siehe oben S. 206. 374 Siehe oben S. 391ff. 375 Garnier, Politik und Freundschaft, S. 41. Die jüngere Forschung hat als Konkretisierung von amicitia die Bedeutung von Lehns-, Verwandtschafts- und Bündnisbeziehungen hervorgehoben. Zur Bündelung aller Bindungsformen in einer ersten Systematik vgl. Garnier, Politik und Freundschaft. Zur Bedeutung von Verwandtschaft für spätmittelalterliche Politik vgl. Spieß, Verwandtschaft, insbesondere S. 494–531. Zur Bedeutung von Bündnissen zwischen Königen bzw. Kaisern und Reichsmitgliedern immer noch: Günter Rauch, Die Bündnisse deutscher Herrscher mit Reichsangehörigen vom Regierungsantritt Friedrich Barbarossas bis zum Tod Rudolfs von Habsburg (Diss. phil. Frankfurt a. M. 1966), insbesondere S. 1–4, 173– 189. Verena Epp, Amicitia. Zur Geschichte personaler, sozialer, politischer und geistlicher Beziehungen im frühen Mittelalter (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 44, Stuttgart 1999). Für das 13. Jahrhundert: Garnier, Amicus amicis, zur Forschungsgeschichte S. 3–9, zum Konzept S. 9–13. Für Burgund im 15. Jahrhundert, allerdings vornehmlich an narrativen Quellen entwickelt, vgl. Oschema, Emotion und Institution, S. 15–28, zu verschiedenen Bindungsarten S. 90–107. Klaus van Eickels, Freundschaft im (spät)mittelalterlichen Europa. Traditionen, Befunde und Perspektiven, in: Freundschaft oder „amitié“? Ein politisch-soziales Konzept der Vormoderne im zwischensprachlichen Vergleich (15.–17. Jahrhundert), hg. von Klaus Oschema (ZHF. Beiheft 40, Berlin 2007), S. 23–34. Ders., Inszenierter Konsens, S. 14–51. Vgl. Oschema, Neutralität. 376 Siehe oben S. 167 ff.
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G. Vergleiche und Folgerungen
gisches Mittel“377, die aber auch nicht nur zur Herrschaftskonsolidierung zur Anwendung kamen. Ansonsten aber funktionieren vor allem das Verständnis von Neutralität nach Oschema sowie die Vorstellung horizontaler Bindungen mit gewissen Modi fikationen und nach der Einordnung in das Gesamtkonzept auch in Politiknetzwerken378. So sind entgegen der modernen Vorstellung von Neutralität vielfach keine Interessenabwesenheit eines neutralen Vermittlers, sondern gerade seine Verflechtungen mit beiden Konfliktparteien von möglichst gleicher Intensität zu beobachten. Dies haben nicht zuletzt die Rolle Christians von Dänemark als Vermittler zwischen Karl dem Kühnen und Friedrich III.379, die der Herzöge von Mecklenburg im Stettiner Erbfolgestreit380 sowie der Herzöge von Sachsen zwischen Albrecht von Brandenburg und Ludwig dem Reichen gezeigt381. Auch die Bedeutung des Schwagers als neutralem Vermittler, wie sie von Spieß hervorgehoben worden ist, lässt sich in diesem Zusammenhang beobachten382. Neben diesen Neutralitätsvorstellungen zeigten sich in dieser Untersuchung noch weitere Formen von Neutralität. So lässt sich im Falle der Zusammenstellung einer Kommission im Stettiner Erbfolgestreit die Beteiligung der benannten Kommissare in anderen Konflikten als Streitparteien beobachten; neutral war hier die Kommission als Ganze, indem die Kommissare selbst untereinander im Streit lagen383. Bischof Wilhelm von Eichstätt sowie Hans Egen verhielten sich in den fränkischen Netzwerken neutral, um ihre eigenen Interessen sowie die des Akteurs, für den sie handelten, zu wahren384. Dies kann als eine Spielart von Neutralität, wie sie Oschema definiert, aufgefasst werden. Den Konfliktparteien musste ein solcher Vermittler allerdings durchaus als neutral im modernen Sinne gelten. Neutralität konnte über die Benennung als Vermittler auch erst „erzeugt“ werden, um einen Akteur etwa aus einem drohenden Krieg herauszuhalten und zu verhindern, dass er dabei für die gegnerische Seite handeln könnte; dies verdeutlichen die Reflexionen Ludwigs von Eyb über die Rolle Bischof Wilhelms von Eichstätt385. Das Raster bekannter personaler Bindungsformen, das im Wesentlichen aus Verwandtschafts-, Lehns- und Bündnisbeziehungen besteht, könnte für das spätere 15. Jahrhundert schließlich auch um eine „Informationsbeziehung“386, für die sich bei Albrecht viele Beispiele finden lassen, und um eine „Beziehung aus Kon 377
Garnier, Politik und Freundschaft, S. 63. Vgl. Oschema, Neutralität. Garnier, Politik und Freundschaft. 379 Siehe oben C. I. 4. 380 Siehe oben S. 222 ff. 381 Siehe oben S. 132 ff., 440 ff. 382 Spieß, Verwandtschaft, S. 502–504, insbesondere S. 504. 383 Siehe oben S. 227 ff. 384 Siehe oben E. II. 3. a). 385 Siehe oben S. 439. 386 Siehe hierzu oben genauer S. 566 f. 378
III. Zu Aspekten des Regierens und der politischen Ordnung
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flikt“, für die nicht zuletzt die bereits im Zusammenhang mit den Vorstellungen von Neutralität genannte Zusammensetzung kaiserlicher Kommissionen ein Beispiel ist, ergänzt werden. 7. Der Herrscher in der Stadt Erst in jüngerer Zeit hat die Forschung im Zusammenhang mit der Betrachtung von „‚Orte[n] der Macht‘, d. h. [von] Stätten, an denen der Herrscher das Denken und Verhalten der Beherrschten in seinem Sinne beeinflussen bzw. bestimmen konnte“387, sich auch der Frage zugewandt, „was der Herrscher in den Städten, die er besuchte, eigentlich tat, wenn das Empfangszeremoniell vorüber war“388. Untrennbar verbunden ist diese Frage mit dem Problem städtischer politischer Öffentlichkeit389. Auch zur Untersuchung des kaiserlichen Aufenthalts in Nürnberg im Jahre 1471 hat sich dieser Ansatz aus der Perspektive politischer Netzwerke als tragfähig erwiesen. Allerdings treten angesichts der hier gewonnenen Ergebnisse weitere Komponenten hinzu, die die Handlungsspielräume des Herrschers in der Stadt beeinflussen konnten. „Öffentlichkeit [in der Stadt war] kein Dauerzustand“390, sie musste vielmehr situationsbezogen hergestellt werden. Unter anderem um diese Herstellung sowie ihre Modalitäten wurde hart gerungen, zwischen dem Kaiser selbst, den Stadtvertretern sowie weiteren politischen Akteuren. Der Aufenthalt Kaiser Friedrichs III. in Nürnberg führt insgesamt vor Augen, dass verschiedene regionale Herrschaftskonkurrenten auf den Besuch des Königs Einfluss nehmen wollten und dies bisweilen auch taten. Um die „Orte der Macht“ innerhalb der Stadt wurde in politischen Netzwerken gerungen. Somit ist unter der Perspektive politischer Netzwerke auch der Ansatz der „Orte der Macht“ weiter zu verfeinern. Besonders hervorzuheben sind die Interessenverflechtungen der Handelnden sowie die Wechselbeziehung von städtischem Raum und Umland. Bei dem Aufenthalt in Nürnberg konkurrierten regionale Akteure um die Präsenz des Königs in verschiedenen Räumen, um innerhalb dieser Räume politische Handlungsmöglichkeiten gegenüber den Konkurrenten und dem Kaiser zu gewinnen. 387
Ellen Widder, Orte der Macht. Herrschaftsschwerpunkte, Handlungsräume und Öffentlichkeit unter Heinrich VII. (1308–1313), in: Vom luxemburgischen Grafen zum europäischen Herrscher. Neue Forschungen zu Heinrich VII., hg. von ders. unter Mitarb. von Wolfgang Krauth (CLUDEM 23, Luxemburg 2008), S. 69–145, hier vor allem S. 98–110, Zitat S. 145. 388 Dies., Der Herrscher in der Stadt. Überlegungen zu Handlungsorten und Handlungs räumen Heinrichs VII. (1308–1313) in Deutschland und Italien, in: Stadtgestalt und Öffentlichkeit. Die Entstehung politischer Räume in der Stadt der Vormoderne, hg. von Stephan Albrecht (Köln / Weimar / Wien 2010), S. 73–100, hier insbesondere S. 73–77. Dies., Orte der Macht, S. 98. 389 Aus der Fülle der Literatur nur: Mark Mersiowsky, Wege zur Öffentlichkeit. Kommunikation und Medieneinsatz in der spätmittelalterlichen Stadt, in: Stadtgestalt und Öffent lichkeit. Die Entstehung politischer Räume in der Stadt der Vormoderne, hg. von Stephan Albrecht (Köln / Weimar / Wien 2010), S. 13–57. Siehe auch unten S. 578 f. 390 Mersiowsky, Öffentlichkeit, S. 17.
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G. Vergleiche und Folgerungen
Das Beispiel zeigt, dass Albrecht von Brandenburg Entscheidungen, insbesondere in der Frage der Brauneckschen Lehen, in seinem Sinne beeinflussen konnte, als er in gewisser Weise Gestaltungshoheit über den Aufenthalt des Kaisers in Nürnberg errungen hatte und den Kaiser auch räumlich von den Nürnbergern trennte, indem er ihn zu einem Besuch nach Bamberg begleitete. Die Beherrschung innerund außerstädtischer Räume wirkte sich somit wesentlich auf die Möglichkeit der Interessendurchsetzung aus. Die insbesondere für das 14. Jahrhundert hervorgehobenen „gravierenden Überlieferungsprobleme“ bei der Bestimmung innerstädtischer „Orte der Macht“391 stellen sich auch in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in ähnlicher Intensität. Herrscherurkunden geben über die näheren Beurkundungsorte keinen Aufschluss, lediglich die Tatsache, ob und wann Urkunden ausgestellt wurden, kann aus der Urkundenüberlieferung genauer ermittelt werden392. Erzählende Quellen, die von den Vorgängen berichten, insbesondere solche, die im Umfeld eines der politischen Akteure entstanden, geben das Geschehen vielfach selektiv wieder, wie an Nürnberg im Zusammenhang mit dem Besuch des Kaisers 1471 deutlich wurde393. Dieses Beispiel zeigt auch, dass zentrale Prozesse im Verborgenen abliefen, die bisweilen von den Historiografen nicht wahrgenommen werden konnten. Diese verborgenen Prozesse, Widersprüche und Konstellationen ergeben sich erst, wenn die Überlieferung sowohl der städtischen Institutionen, gegebenenfalls weiterer Fraktionen innerhalb der städtischen Führungsschicht, als auch außerstädtischer Konkurrenten einbezogen wird. Ebenso sind die Interessennetzwerke der Anwesenden und gegebenenfalls auch Abwesender, die von außen Einfluss auf das Geschehen nehmen wollen, zu rekonstruieren und mit der räumlichen Komponente in Beziehung zu setzen. So lässt sich außerdem hinter die Ebene des Zeremoniells und des Rituals sowie hinter vermeintlich „unpolitische“ Handlungen wie Tanzfeste oder die Jagd in die tiefer reichenden Netzwerkkonstellationen blicken, die das Handeln der Anwesenden bestimmten394. Umgekehrt bedeuten diese Befunde für die Erforschung politischen Handelns in Netzwerken, dass der Raum selbst politisches Mittel in Entscheidungs- und Aushandlungsprozessen werden konnte, dass räumliche Parameter durchaus Entscheidungen und politisches Handeln insgesamt ermöglichen oder hemmen konnten.
391
Widder, Orte der Macht, S. 98 f. Dies., Der Herrscher in der Stadt, S. 78 f. 393 Siehe oben S. 415 ff. 394 Siehe zur Ritualforschung näher oben G. III. 1. b). 392
IV. Akteure
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IV. Akteure Die Analyse der Formen des Regierens mit dem hier zugrunde gelegten Ansatz lässt auch Schlüsse auf die Rolle der verschiedenen, an politischem Handeln beteiligten Akteure zu. Im Folgenden werden daher näher die Räte, Frauen, Reichsstädte und geistliche Kollegialinstitutionen sowie geistliche Höfe betrachtet. Schließlich ist auf das Spannungsverhältnis von Individuen und Gruppen als politische Akteure und den sich daraus ergebenden methodischen Konsequenzen zu blicken. 1. Räte Räte erscheinen in dieser Studie als wichtige Akteure. Die Forschung395 hat die Räte Albrechts von Brandenburg unterschiedlich charakterisiert: Von einer „zähen, ihrem Herrn treu ergebenen Ansbacher Diplomatenschule“396 ist ebenso die Rede wie von „Mitarbeitern“397. Diese Wertungen sind eng verbunden mit dem Bild der Forschung von der markgräflichen Verwaltung, das oben bereits Gegenstand der Untersuchung war398; hier werden deshalb nur die Aspekte betrachtet, die unmittelbar für die Räteforschung von Interesse sind. Räte agierten in politischen Netzwerken offensichtlich vielgestaltig. In der Regel handelten sie ihrem Eid gemäß im Interesse ihres Herrn. Vielfach standen sie darüber hinaus im Schnittpunkt verschiedener Interessen zahlreicher Akteure. Besonders zu erwähnen sind solche Räte, die im Dienstverhältnis zu mehreren Herren standen. Im Falle von Albrecht Klitzing in seiner Doppelfunktion für Kurfürst Albrecht und den dänischen König wird deutlich, dass durch seine doppelte Tätigkeit die Handlungsmöglichkeiten eines oder beider Herren unter bestimmten Voraussetzungen vergrößert werden konnten399. Albrecht von Brandenburg musste somit durchaus ein Interesse daran haben, dass seine Räte in den Diensten mehrerer Herren standen. Über diese indirekte Verknüpfungsform von Fürsten konnten Verbindungen in politischen Netzwerken wirksam hergestellt werden, und zwar ohne dass es eines Bündnisvertrages oder anderer Bindungsformen zwischen den Herren bedurft hätte. Als prominentes Vergleichsbeispiel ist Martin Mair zu 395 Vgl. grundlegend Thumser, Hertnidt vom Stein (1989). Ettelt-Schönewald, Kanzlei, Rat und Regierung. Christine Reinle, Ulrich Riederer (ca. 1406–1462). Gelehrter Rat im Dienste Kaiser Friedrichs III. (Mannheimer Historische Forschungen 2, Mannheim 1993). Hesse, Amtsträger. Willoweit, Amtleute und Diener, S. 1229 f. Malte Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere (1400/07–1473). Kirchenfürst und herzoglich-burgundischer Rat (Beihefte der Francia 51, Stuttgart 2001), S. 11–18. 396 Zitiert nach Kist, Peter Knorr, S. 168, ohne Nachweis. 397 Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 345. 398 Siehe oben S. 534 ff. 399 Siehe oben S. 165 f., 173. Ebenso zur Doppelfunktion Hertnidts vom Stein oben S. 245, 247, 264 ff.; zu der Ludwigs von Eyb oben S. 259 ff., zu der Peter Knorrs oben S. 433 f.
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G. Vergleiche und Folgerungen
nennen, der gleichzeitig in den Diensten der Reichsstadt Nürnberg und Herzog Ludwigs des Reichen stand400. Dieser Befund modifiziert die Ergebnisse der bis herigen Forschung, die bislang davon ausgeht, dass Dienste eines Rates für mehrere Herren eher als Indiz für die Professionalisierung des Rätewesens und die damit einhergehende Minderung der persönlichen Abhängigkeit des Rates von seinem Herrn anzusehen sind401. Umgekehrt konnte – wie im Falle Ludwigs von Eyb und Martin Mairs402 zu beobachten – schon der Dienst für einen Herrn dem Rat beachtliche Spielräume eröffnen, um in der Verknüpfung seiner individuellen Eigeninteressen und den Interessen seines Herrn Vorteile für sich zu erzielen403. Voraussetzungen für die Eröffnung solcher Spielräume war allerdings das absolute Vertrauen zwischen den Räten und ihrem Herrn. Der Fall Peter Knorr zeigt, dass die Handlungsmöglichkeiten eines Rates stark gemindert werden konnten, wenn dieses Vertrauen schwand, etwa wenn der Rat mit einer anderen Tätigkeit zu nah in das Umfeld eines politischen Gegners des Herrn rückte404. Angesichts dieser Befunde konnten die markgräflichen Räte somit nicht nur „Mitarbeiter“, sondern sogar „Mitunternehmer“ sein. In den Blick geraten außerdem die „gelehrten Räte“405 als die Untergruppe der Räte, die sich durch teilweise beachtliche „Bildungskarrieren“ an verschiedenen Universitäten auszeichneten406. Vor allem sie seien es gewesen, die „den politischen 400 Siehe oben S. 107, Anm. 61, S. 156 f. Anm. 359, S. 317 ff., 372, 413, 442 ff., 452, 459 ff., 469, 472. Mair stand Ende der 1450er / Anfang der 1460er Jahre zeitgleich in den Diensten des Würzburger Bischofs Johann von Grumbach, des Pfalzgrafen Friedrich, Herzog Ludwigs des Reichen und des böhmischen Königs, vgl. Hansen, Martin Mair, S. 335. Siehe auch oben S. 442 f. 401 In Bezug auf die markgräflichen Räte: Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 362. 402 Siehe zu den Eigeninteressen Mairs etwa oben S. 107, Anm. 61, 317 f., 461 ff. 403 Siehe im Zusammenhang mit Anmerkungen zur Verwaltungsgeschichte näher oben S. 540. Zu den Fallbeispielen siehe oben S. 259 ff., 301 f., 317 f., 433 f. 404 Siehe oben S. 433 f. 405 Zum Begriff: Moraw, Gelehrte Juristen, S. 77 f. Außerdem Rainer Christoph Schwinges, Karrieremuster: Zur sozialen Rolle der Gelehrten im Reich des 14. bis 16. Jahrhunderts. Eine Einführung, in: Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts, hg. von dems. (ZHF. Beiheft 18, Berlin 1996), S. 11–22. Speziell für Franken: Dietmar Willoweit, Juristen im mittelalterlichen Franken. Ausbreitung und Profil einer neuen Elite, in: ebd., S. 225–267. Kaspar Elm, Gelehrte im Reich. Zur Sozial- und Wirkungsgeschichte akademischer Eliten des 14. bis 16. Jahrhunderts. Ein Resümee, in: ebd., S. 515–525. Ferner Hartmut Boockmann, Zur Mentalität spätmittelalterlicher gelehrter Räte, in: HZ 233 (1981), S. 295–316. 406 Christian Hesse, Qualifikation durch Studium? Die Bedeutung des Universitätsbesuchs in der lokalen Verwaltung spätmittelalterlicher Territorien im Alten Reich, in: Sozialer Aufstieg. Funktionseliten im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte 2000 und 2001, hg. von Günther Schulz (Deutsche Führungsschichten in der Neuzeit 25, München 2002), S. 243–268. Johannes Helmrath, Rhetorik und „Akademisierung“ auf den deutschen Reichstagen im 15. und 16. Jahrhundert, in: Im Spannungsfeld von Recht und Ritual, hg. von Heinz Duchhardt (Köln 1997), S. 423–446, hier S. 423–425.
IV. Akteure
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Stil ihrer Zeit“ geprägt hätten407. Weiterhin hätten sie „über das exklusive juristische ‚know-how‘ […] im Hintergrund der großen Haupt- und Staatsaktionen“ verfügt408. So hätten sie eine „professionelle Verwaltungselite“ gebildet, „auf die der in diesem Bereich zunehmend ‚dilettierende‘ spätmittelalterliche Fürst immer dringlicher angewiesen“ gewesen sei409. Bei den hier untersuchten Beispielen ist die Rolle der gelehrten Räte ambivalent. Einerseits lässt Albrechts von Brandenburg Wutausbruch während des Verfahrens gegen Friedrich den Siegreichen, bei dem er unter anderem auch gegen alle doctoresen schimpfte, – auch wenn es sich hierbei wohl um ein eher rhetorisches Mittel für andere politische Ziele handelte – darauf schließen, dass sich der Kurfürst generell in seinem Handeln bis zu einem gewissen Grad von den gelehrten Räten abhängig fühlte. Auch die Entschuldigung in anderem Zusammenhang, er könne auf ein Schreiben nicht angemessen antworten, weil er gerade niemanden in seiner Umgebung habe, der die lateinische Sprache beherrsche, verdeutlichen die Abhängigkeit des Fürsten im politischen Alltag von Fähigkeiten, für die es einer besonderen Schulung bedurfte410. Und so war es der Markgraf selbst, der in einem Schreiben aus dem Jahre 1480 feststellte, er sei nit gelert411. Außerdem ist hervorzuheben, dass Räte vielfach als Einzige überhaupt die komplexen Netzwerkstrukturen und Interessengeflechte überblickten412. Ebenso war ihre Informationsfunktion die Grundlage für gelungene Durchsetzung politischer Ansprüche des Herrn. So gesehen erscheint die Bedeutung der Räte für den „dilettierenden spätmittelalterlichen Fürsten“ durchaus existenziell. Zu den Anfängen des Rätewesens seit dem 13. Jahrhundert: Dietmar Willoweit, Rat und Recht im Regiment des Großen Kurfürsten von 1648 bis 1658, in: Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. von Roman Schnur (Berlin 1986), S. 797–822, hier S. 797 f. Robert Gramsch, Erfurter Juristen im Spätmittelalter. Die Karrieremuster und Tätigkeitsfelder einer gelehrten Elite des 14. und 15. Jahrhundert (Education and society in the Middle Ages and Renaissance 17, Leiden 2003), S. 1–68. Dieter Stievermann, Die gelehrten Juristen der Herrschaft Württemberg im 15. Jahrhundert. Mit besonderer Berücksichtigung der Kleriker-Juristen in der ersten Jahrhunderthälfte und ihre Bedeutung für das landesherrliche Kirchenregiment, in: Die Rolle der Juristen bei der Entstehung des modernen Staates, hg. von Roman Schnur (Berlin 1986), S. 229–271. Heinz Noflatscher, Räte und Herrscher. Politische Eliten an den Habsburgerhöfen der österreichischen Länder 1480–1530 (Beiträge zur Sozial- und Verfassungsgeschichte des Alten Reiches 14, Mainz 1999), S. 291–387. Auf die Mark Brandenburg bezogen: Spangenberg, Hof- und Zentralverwaltung, S. 43 f., 123. Zur Bedeutung des gelehrten Rechts und von Bildung am Ansbacher Hof insgesamt siehe oben S. 548, insbesondere Anm. 279. 407 Hartmut Boockmann, Laurentius Blumenau. Fürstlicher Rat – Jurist – Humanist (ca. 1415– 1484) (Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft 37, Göttingen u. a. 1961), S. 11. 408 Fouquet, Domkapitel, S. 132. 409 Ebd. 410 Zu den Bildungsbemühungen am markgräflichen Hof vgl. Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 344. 411 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 3, Nr. 1067, S. 384–387, hier S. 387. Ebenso bereits während der Belagerung von Neuss, siehe oben S. 193. 412 Siehe etwa oben S. 173, 195 ff.
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G. Vergleiche und Folgerungen
Andererseits ist aus der Korrespondenz des Markgrafen auch zu erkennen, dass er über zahlreiche politische Zusammenhänge teilweise besser informiert war als seine Räte, dass sie in ihrem Handeln gerade durch seine exklusiven Informationen auch maßgeblich von ihm abhingen. Besonders hervorzuheben ist die genaue Kenntnis alter Rechtsansprüche der Markgrafen, die der Kurfürst besser im Kopf zu haben glaubte als seine Räte413. Aber auch die Betrachtung der Rolle der Greifswalder Juristen im Stettiner Erbfolgestreit414 zeigt, dass zwar ihr legitimierender Einfluss zum Beharren auf konkreten Ansprüchen nicht zu unterschätzen ist, dass aber die eigentliche Konfliktlösung jenseits jeglicher juristischer Fachkompetenz vorgenommen wurde. Es waren in diesem Falle Verwandtschaftsnetzwerke, die stabilisiert werden mussten – weniger handelte es sich um eine juristische Einigung. So waren es schließlich vornehmlich veränderte Netzwerkkonstellationen, die zur Lösung des Streits beitrugen415. Auch im Falle der Regionalstreitigkeiten in Franken ist die Rolle der Räte unübersehbar; ihre Existenz aber bewirkte und intensivierte das hartnäckige Ringen um Rechtsansprüche nicht allein416. Welcher Rat mit welcher Aufgabe betraut wurde, hing angesichts dieser Befunde offensichtlich nicht zuletzt zum einen von seiner jeweiligen Qualifikation – etwa von Sprachkenntnissen –, zum anderen von seinem Wissen um Netzwerkkonstellationen und sonstige Informationen, von seiner eigenen Einbindung in Netzwerke, möglichen Eigeninteressen, Dienstverpflichtungen bei Dritten und von „bewährten Konstellationen“ (beispielsweise Ludwig von Eyb und Hertnidt vom Stein) ab. 2. Frauen Magdalena von Mecklenburg, Anna und Margaretha von Brandenburg, Dorothea von Dänemark oder etwa Barbara Gonzaga: In vielfacher Weise waren weibliche Angehörige der fürstlichen Familie in die Strukturen politischer Netzwerke eingebunden. Zweifelsohne stellte ihre verwandtschaftliche Bindungsfunktion eine Kernaufgabe dar, wie die Rolle von Frauen im Stettiner Erbfolgestreit zur Stabilisierung regionaler Netzwerke verdeutlicht. Ihre Funktion auf diese passive Rolle beschränken zu wollen, würde ihre Bedeutung in politischen Netzwerken hingegen vielfach verkennen417. 413
Siehe oben S. 316 f.; außerdem S. 337 ff. Siehe oben S. 243 f. 415 Siehe oben S. 231 ff. 416 Vgl. hingegen Seyboth, Markgraftümer Ansbach und Kulmbach, S. 364 f. 417 Vgl. Walsh, Verkaufte Töchter?, S. 129, mit weiteren Hinweisen insbesondere zur feministischen Frauenforschung. Ferner Widder, Margarete Maultasch, mit weiteren Hinweisen. Severidt, Familie, Verwandtschaft und Karriere. Dies., Familie und Politik. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 234–238. Grundlegend: Rogge, Einleitung, S. 9–18; sowie: ders., Nur 414
IV. Akteure
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Die Auswertung fürstlicher Korrespondenz ermöglicht den Blick hinter die Ordnung des Hofes in eine politische Alltagswelt, die von vielfacher De-FactoGleichheit zwischen Fürstin und Fürst geprägt war; insbesondere in der Situation „außenpolitischer“ Bedrohung des Reiches zeigte sich, dass Kurfürst Albrecht von Brandenburg in wesentlichen Fragen der Herrschaft wie Information, Versorgung und Organisation von seiner Frau abhängig war; besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang auch ihre Sorge um die Gesundheit des Kurfürsten und weiterer Familienmitglieder als wichtiger Beitrag zur Herrschaftssicherung418. Außerdem dirigierte sie nicht nur den Haushalt eigenständig, sondern gab auch der Verwaltung Anweisungen. Die Fürstengattin Anna nahm in solchen Situationen teilweise eine annähernd gleichberechtigte Position ein419. Daneben bestanden unabhängige weibliche Netzwerke und Korrespondenzverbindungen, die bisweilen auch mehr oder minder große Unterstützungsfunktion für das politische Handeln der Gatten erhalten konnten. Ebenso konnte über die Kanäle weiblicher Netzwerke politischer Einfluss auf verschiedene Felder genommen werden, wie das politische Handeln der Königin von Dänemark gezeigt hat420. Selbstverständlich waren dem politischen Handeln von Fürstinnen allerdings doch auch Grenzen gesetzt, die insbesondere bei Nachfragen und Bitten um Erlaubnis für eigenes Handeln aufscheinen. 3. Reichsstädte Wie bereits näher beschrieben, hat die Verwendung der Netzwerkperspektive innerhalb der Stadtgeschichtsforschung eine vergleichsweise lange Tradition421. Bislang weniger wurden Reichsstädte als mit anderen gleichberechtigte Akteure verkaufte Töchter?, zur Notwendigkeit einer Erweiterung des verfassungs- beziehungsweise politikhistorischen Blicks in diesem Zusammenhang, ebd., S. 239. Außerdem: Nolte, Körperlichkeit. Insgesamt auch: Karl-Ferdinand Werner, Schlußwort, in: Nobilitas. Funktion und Repräsentation des Adels in Alteuropa, hg. von Otto Gerhard Oexle / Werner Paravicini (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 133, Göttingen 1998), S. 453–462, hier S. 461. 418 Siehe hierzu oben S. 203 ff., 212 f. 419 Damit nahm sie in bestimmten Sondersituationen eine ähnliche Rolle ein, die Herzog Wilhelm von Sachsen für Albrecht Achilles während dessen Abwesenheit von den fränkischen Territorien spielte; siehe dazu näher oben S. 314 ff., 336 f., 347 f. Vgl. auch Rogge, Nur verkaufte Töchter?, S. 239. Heide Wunder, Einleitung. Dynastie und Herrschaftssicherung: Geschlechter und Geschlecht, in: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, hg. von ders. (ZHF. Beiheft 28, Berlin 2002), S. 9–27, hier S. 21, betont aus der Perspektive der frühneuzeitlichen Geschlechtergeschichtsforschung die Bedeutung von Fürstinnen als Teil des „regierenden Paares“ für die Dynastie insgesamt; ebd., S. 22 f., beklagt Wunder das Fehlen der Thematisierung der verschiedenartigen Beteiligung von Frauen an der Herrschaft. Anders in Bezug auf die Rolle von Frauen für Herrschaft und Politik beispielsweise: Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 40 f. 420 Siehe hierzu oben C. I. 5. 421 Siehe hierzu oben S. 58 ff. und S. 383 ff.
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in politischen Netzwerken untersucht; am ausführlicher untersuchten Beispiel der Reichsstadt Nürnberg sowie an den in dieser Studie daneben gestreiften Städten können einige Spezifika städtischen politischen Handelns abgelesen werden. Zunächst hing städtisches politisches Handeln wesentlich von den inner städtischen Machtverhältnissen ab. Einzelne städtische Führungspersonen konnten in ihrer engen Verflechtung mit Akteuren des Umlandes auf städtische „Außenbeziehungen“ befriedend und stabilisierend wirken, wie das Beispiel des Nürnbergers Niklas Muffel verdeutlicht422. Aber auch die städtische Politik von Dinkelsbühl jener Zeit erscheint stark personalisiert in ihrem Bürgermeister Hans Egen423. Auch wenn die Stadt als Akteur korporativ strukturiert war, in den politischen Netzwerken waren es doch insbesondere Einzelpersonen, die sehr stark hervortreten und auch ihre Eigeninteressen neben denen ihrer Stadt vertreten konnten. Aus dem Changieren zwischen Einzelakteur- und Gruppenstrukturierung konnten Städte Handlungsspielräume gewinnen, umgekehrt aber auch in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden424. Die Eigenart des Akteurs „Stadt“, insbesondere seine Mehrgestalt, war dem Markgrafen bewusst und er berücksichtigte sie bei seiner politischen Bewertung, insbesondere mit Blick auf den Kriegsfall425. Vor dem Hintergrund dieser Befunde ist auch nach dem Verhältnis von Adligen und Reichsstädten beziehungsweise einzelnen Bürgern zu fragen. In den Blick geraten hier die Bindungsmöglichkeiten zwischen den verschiedenen Akteuren. Nach Monnet426 hatten Städte nur eingeschränkte Möglichkeiten, die eine adlige Gesellschaft klassischerweise strukturierenden Bindungsformen wie Verwandtschaft, Freundschaft und Lehen für ihre Zwecke zu nutzen; dies habe ihre „außenpolitischen“ Spielräume wesentlich bestimmt und vielfach eingeschränkt. Im Falle von Nürnberg um 1470 ist ein differenziertes Bild zu beobachten. Geschenke, gesteigert bis zur Korruption waren ein gewöhnliches Mittel der gegenseitigen Beeinflussung und damit der Beziehungsausgestaltung und -steuerung. Mit ihnen konnte – durchaus auch lediglich sachbezogen und kurzfristig – Nähe erzeugt werden427. Ebenso war es die Lehnsbindung, also die Einbindung von einzelnen Bürgern als Lehnsnehmer eines Fürsten, die von fürstlicher Seite zur Beeinflussung, Steuerung oder gar Beherrschung innerstädtischer Akteure eingesetzt wurde428. In der Praxis jedoch zeigt sich dieses Mittel im Falle von Nürnberg als unterschiedlich effektiv, da sich die Bürger an ihre eigene Stadt in der Regel stärker gebunden sahen429. Außerdem wird man von städtisch-adligen Informa 422
Siehe oben S. 391 ff. Siehe oben S. 138, Anm. 246, S. 398, 406 ff., 415, 424, Anm. 196, S. 434, 450, 468. 424 Siehe oben S. 280 f., 400, 469, 474. 425 Siehe oben S. 400, 436 f., 464 f. (auf das Jagdwesen bezogen). Ferner auch oben S. 409. 426 Monnet, Diplomatie et relations avec l’extérieur, S. 82 f. 427 Siehe oben S. 424 f., 469. 428 Siehe oben S. 269 ff., 426, 464 f. 429 Siehe oben S. 464 f. 423
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tionsbindungen ausgehen dürfen, wie am Beispiel des Niklas Muffel zu erahnen ist430. Gerade im Falle von Nürnberg, aber auch anhand der Familien Egen, Langenmantel und Arzt im Zusammenhang mit den Konflikten um Wilhelm Zaunrüde und der Stadt Augsburg ergaben sich vielfältige Verflechtungen des „Stadtadels“ untereinander sowie zwischen städtischem Bürgertum und lands ässigem Adel431. Daneben bietet diese erweiterte Perspektive auch Einsichten in die klassische Unterteilung zwischen städtischen Organisationsformen, den Bünden, und fürstlichen Allianzen. In der Praxis zeigen sich hier erheblich vielschichtigere Strukturen – man denke an das Bündnis Nürnbergs mit Herzog Ludwig dem Reichen432. Dabei waren es gemeinsame Interessen, die Reichsstädte mit Städten wie mit Fürsten gleichermaßen koalieren ließen433. So lässt sich beispielsweise auch die Politik der Reichsstadt Dinkelsbühl in jenen Tagen besser verstehen. Das enge Verhältnis zum Kaiser musste einer Reichsstadt bei der Durchsetzung eigener Interessen nicht immer zum Vorteil gereichen. Vielmehr erscheint Nürnberg zwischen 1470 und 1475 als vom Kaiser aus gesehen gleichberechtigter Akteur wie der brandenburgische Markgraf, Herzog Ludwig der Reiche und andere. Außerdem war Nürnberg eingebunden in eine Vielzahl unterschiedlicher Netzwerke, bisweilen als direkt oder indirekt Beteiligter. Von den Konstellationen und der Schaffung von Interessenschnittmengen hing ab, ob sich in bestimmten Themenbereichen der eine oder der andere Akteur durchsetzte. Nach Moraw, spielten Städte „als staatsbildende Faktoren größeren Umfangs nur eine ganz geringe Rolle.“434 Diese Bewertung ist zumindest für das hier untersuchte Beispiel der Reichsstadt Nürnberg, aber auch für weitere auftretende Städte 430
Siehe oben S. 391 ff. Fouquet, Stadtadlige Verwandtschaftsfamilien, S. 134, der hervorhebt, dass dem „Stadtadel“ sehr wohl insbesondere das Mittel der Heiratspolitik – durchaus dem Landadel vergleichbar – zur Verfügung gestanden habe. Zum grundsätzlichen Verhältnis von Adel und städtischem Bürgertum, insbesondere im Zusammenhang mit Fehden: Graf, Fehde Hans Diemars (1997), S. 167–189. Dazu auch Reinle, Bauernfehden, S. 17 f. Meyer, Stadt als Thema, S. 360 f. Vergleichsfälle für Bürger, die ihre Stadt im Streit verließen und zu Feinden wurden: Karl-Friedrich Krieger / Franz Fuchs, Ehemalige Amtsträger als Feinde ihrer Heimatstadt. Problematische Folgen innerstädtischer Machtkämpfe am Beispiel der Auseinandersetzungen Heinrich Erlbachs mit der Reichsstadt Augsburg (1459–1469), in: Regensburg, Bayern und Europa. FS Kurt Reindel, hg. von Lothar Kolmer / Peter Segl (Regensburg 1995), S. 335–364, hier insbesondere S. 336, Anm. 4. Zum „landsässigen“ Bürgertum insgesamt: Schneider, Niederadel, S. 310–330. 432 Siehe oben S. 408 f. 433 Kreutz, Städtebünde und Städtenetze, S. 481, der gleichwohl in Bezug auf gemeinsames städtisches Handeln betont: „Vielmehr waren die gleichgerichteten Interessen und der jeweilige Handlungsspielraum der Gemeinden gegenüber ihren Stadtherren und dem König ausschlaggebend.“ 434 Moraw, Neuere Forschungen zur Reichsverfassung, S. 471. Willoweit, Stadt und Territorium, S. 39 f., spricht für den Anteil von Stadt und Flächenstaat an der Bestimmung der „politischen Rahmenbedingungen“ von einer „paradoxen Situation“. 431
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wie Dinkelsbühl, Augsburg, Regensburg angesichts der hier gewonnenen Ergebnisse aber wohl zu differenzieren. Denn gerade ihre Andersartigkeit als Akteure führte zu einer nicht zu unterschätzenden „Elastizität und Anpassungsfähigkeit“ städtischer Verfasstheit ebenso wie der Fürsten435, kurzum zu besonders flexiblen Formen des politischen Handelns. Natürlich sind diese nicht direkt „staats bildend“, wenn man in klassischen Staatsvorstellungen denkt. Andererseits machten sie aber unterschiedlich strukturierte Akteure in ihrem Handeln kompatibel und bewirkten so nicht zuletzt politisches Handeln und neue Formen der Interaktion – man denke an die Befunde zur Bedeutung des Lehnswesens in reichsstädtischem Kontext, ebenso an „territorialpolitische“ Bestrebungen Nürnbergs im Wechselspiel von Rat und Bürgern436. Die städtischen Kooperationsnetzwerke unter Einschluss von Fürsten zeigten sich als sehr effektiv und damit spielten sie durchaus eine nicht unerhebliche Rolle als Ordnungsfaktoren. 4. Geistliche Kollegialinstitute und Höfe Moraw legte mit der von ihm geprägten Formel von Stiftskirchen als „Stätte der Begegnung von Kirche und Welt“437 die Grundlage für zahlreiche Studien zur Erforschung von Stiftskirchen und Domkapiteln aus einer personengeschichtlichen und auf die gegenseitige Durchdringung der Kollegialorgane mit ihrer Umwelt sowie auf die Außenbeziehungen bezogenen Perspektive, insofern diese für das Innere der Institution von Bedeutung sind438. Dieser Ansatz hat sich auch zur Betrachtung der personellen Verflechtungen im Falle der Brauneckschen Lehen als fruchtbar erwiesen439. Allerdings reichte es nicht aus, nur eine geistliche Institution in den Blick zu nehmen. Die Domkapitel von Eichstätt und Bamberg waren nicht nur mit der „weltlichen Außenwelt“, etwa dem Niederadel, verbunden, sie hingen über familiäre Verbindungen ihrer Mitglieder auch selbst voneinander ab; Handlungen in der einen geistlichen Institution konnten solche in der anderen beeinflussen. Praktisch wirkt sich diese veränderte Sicht auf die Reichweite des Ansatzes aus: So konnte eine auf Hof, Domkapitel und Hochstiftverwaltung von Eichstätt beschränkte Perspektive nur unzureichend die vertragliche Fixierung 435
Groebner, Ratsinteressen, Familieninteressen. Siehe oben S. 280 ff. 437 Fouquet, Domkapitel, S. 16. Moraw, Typologie. Ders., Hessische Stiftskirchen, S. 427 f., insbesondere aber S. 427: „Fruchtbarer als ein kirchenrechtlicher oder auch im engeren Sinne kirchengeschichtlicher Zugriff ist ein allgemeinerer Ansatz, der die Stiftskirche begreift als eine der interessantesten Stätten der für das Mittelalter grundlegenden Begegnung von Kirche und Welt.“ Zu Kritik und Alternativansätzen vgl. Auge, Stiftsbiographien, S. 16 f. 438 Vgl. etwa Holbach, Stiftsgeistlichkeit. Michael Hollmann, Das Mainzer Domkapitel im späten Mittelalter (1306–1476) (Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte 64, Mainz 1990). Fouquet, Domkapitel. Auge, Stiftsbiographien. Außerdem Rudolf Holbach, Zu Ergebnissen und Perspektiven neuerer Forschung zu spätmittelalterlichen deutschen Domkapiteln, in: RhVjbll 56 (1992), S. 148–180. 439 Siehe oben S. 259 ff. 436
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von verwandtschaftlichen Bindungen in Eichstätt zwischen den Familien Eyb und Schaumberg erklären, die sich nicht in Eichstätt, sondern in den Institutionen des Bistums Bamberg auswirkten. Weltliche (Familien-)Interessen in einer Angelegenheit konnten somit Rückwirkungen auf mehrere Akteure, zumal geistliche Institutionen, haben440. Berücksichtigt man diese Verflechtungen, so wird die Funktion von Domkapiteln als Foren des regional-überregionalen sozial-politischen Interessenaustauschs umso deutlicher. Außerdem können Domkapitel in politischen Netzwerken in doppelter Weise auftreten: als Institution beziehungsweise Akteur oder als Summe vieler, in zahlreiche unterschiedliche Netzwerke eingebundene Akteure. Hier sind sie den untersuchten Reichsstädten durchaus ähnlich. Um diese Verflechtungen komplett zu erfassen, die jeweiligen Interessenkonstellationen aufzuspüren und so individuelles Handeln von Akteuren erst erklären zu können, ist über die institutionelle Perspektive hinaus nach den politischen Netzwerken zu fragen, in welche die an einer Sachfrage beteiligten Akteure eingebunden sind; erst so lassen sich auch die von Fouquet herausgearbeiteten bestimmenden Faktoren von „Verwandtschaft und Landsmannschaft, Freundschaft und Patronage“ aufeinander beziehen441. 5. Individuum, „Persönlichkeit“ und Gruppen Kintzinger442 betrachtet bei seiner Analyse von „auswärtiger Politik“ den „Zusammenhang von strukturellen Grundlagen und persönlichem Handeln“: „Nur wenn […] innerhalb solcher allgemeiner Verfahrensnormen die handelnden Personen in ihrem eigenen Wollen und Planen, im Beraten und Entscheiden sichtbar werden, ist die Triebkraft hinter den Ereignissen zu erschließen.“ Gleichzeitig setzt er sich ausdrücklich von einem „personalisierenden Geschichtsverständnis“ ab, wie es vor allem älteren Forschungen zugrunde gelegen habe. Hiermit werden Fragen umrissen, die sich auch bei der Betrachtung politischer Netzwerke stellen. Insbesondere seit den 1970er Jahren ging mit der Abwendung vom Individuum eine Hinwendung zur Erforschung von Gruppen einher443. Sozialhistorische For 440
Siehe oben S. 267 f. Fouquet, Domkapitel, S. 27. Hinweise zur Tragfähigkeit des Governance-Konzeptes für „geistliche Regierungspraxis“ – vornehmlich für die Frühe Neuzeit – bei: Wüst, Typen geistlicher Hof- und Regierungsprogramme, S. 115, 118 f.; Menne, Der geistliche Fürst „turnt“, S. 268–272. 442 Kintzinger, Westbindungen, S. 4 f. 443 So stellte Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 178, im Jahre 1977 fest: „Kein Historiker, der ernstgenommen werden will, wird heute den geschichtlichen Ablauf aus dem Charakter handelnder Personen erklären wollen […].“ Mit Blick auf Veränderungen der Bedeutung der Persönlichkeit für politisches Handeln zu verschiedenen Zeiten differenzierter: Moraw, Fürsten am spätmittelalterlichen deutschen Königshof, S. 30. Zur Prosopografie: Vones-Liebenstein, Beitrag. Siehe ferner den Forschungsüberblick oben S. 28 f. 441
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G. Vergleiche und Folgerungen
schungen haben in diesem Zusammenhang mithilfe der prosopografischen Methode wichtige Ergebnisse geliefert444. Kern dieser Betrachtung war die Untersuchung von Gruppen im Hinblick auf „überindividuelle Merkmale“ beziehungsweise „personengeschichtlich faßbare Faktorenkomplexe.“445 Im verfassungshistorischen Erklärungsmodell Moraws wird – wie bereits an anderer Stelle bemerkt – die Prosopografie gar zu einem Teil des Modells selbst, indem „königsnahe“ und „königsferne Landschaften“ allein über prosopografisch ermittelte „Tatbestände“, zunächst bezogen auf die Rekrutierungshäufigkeit von königlichem Führungspersonal als Indikator für das Interesse von Gruppen am Königtum, qualifiziert wurden446 – historische Personenforschung wird bei Moraw also in gewisser Weise „um ihrer selbst willen“447 betrieben. Ein anderer Weg – gleichwohl auf ähnlichen theoretischen Erwägungen fußend – wurde mit der neuerlichen Hinwendung zur Biografie beschritten; zahlreiche Arbeiten insbesondere über gelehrte Räte zeugen davon448. Die Betrachtung
444
Moraw, Gelehrte Juristen, S. 145. Fouquet, Domkapitel, S. 163. 446 Vgl. Moraw, Beamtentum und Rat König Ruprechts, S. 59–61. 447 Er selbst stellt in seinem grundlegenden Aufsatz: Personenforschung, S. 1, fest: „Die historische Personenforschung ist bisher nicht in größerem Maße zur Untersuchung des deutschen Königtums im späten Mittelalter herangezogen worden. Am Anfang war Personenforschung offenbar etwas, was mit Quellenmangel zu tun hatte; aber bald stellte sich heraus, daß sie neue Möglichkeiten eröffnete, wenn man sie um ihrer selbst willen betrieb, daß sie sogar neue Quellen, manchmal in Fülle, ins Blickfeld treten ließ und sie zu bewältigen vermochte. Diese neuen Möglichkeiten bieten sich auch für das deutsche Spätmittelalter, gerade auch im Hinblick auf das Funktionieren des Königtums.“ In einem früheren Aufsatz hob er für die Zeit bis ins frühe 15. Jahrhundert hervor: „Leider bieten nun die Quellen auch des frühen 15. Jahrhunderts für die von uns bevorzugten Figuren in der Regel nicht genügend Material, um wirklich ein ‚persönliches‘ Moment herauszuarbeiten. Was der großen Zahl der Personen wegen eingeebnet werden muß, kann man daher nicht am Einzelbeispiel ausgleichen, und wir erhalten als Ergebnis ein einseitig gezeichnetes Durchschnittsbild mit wenigen Farben. Die Individuen, die auf dem schmalen Raum eines Hofes zusammengedrängt als Freunde und Feinde, Rivalen und Günstlinge lebten und handelten, bleiben uns fern. Man wird sich also nicht zu früh grundsätzlich bessere Informationen erhoffen dürfen als für die quellenärmeren Jahrhunderte zuvor“, Moraw, Beamtentum und Rat König Ruprechts, S. 61. Zu den Grenzen prosopografischen Arbeitens insgesamt auch: Graus, Verfassungs geschichte, S. 577. 448 Vgl. jüngst Georg Strack, Thomas Pirckheimer (1418–1473). Gelehrter Rat und Frühhumanist (Historische Studien 496, Husum 2010), S. 12 f. Außerdem Thumser, Hertnidt vom Stein (1989). Reinle, Ulrich Riederer. Hansen, Martin Mair. Prietzel, Guillaume Fillastre der Jüngere, S. 17 f. Am Beginn der Reihe der biografischen Beschäftigung mit Räten stand Boockmann, Laurentius Blumenau. Vgl. ferner Rabeler, Niederadlige Lebensformen, S. 17– 21, mit Anmerkungen zur Gattung Biografie. Rabeler entwickelt einen Katalog von Voraussetzungen, die vorliegen müssen, um biografisch überhaupt arbeiten zu können. Ihm erscheinen wichtig: eine ausreichend große Quellenanzahl, eine „thematische und inhaltliche Vielfalt der Quellen“ sowie „die hinreichende Aussagekraft der Quellen, die nicht nur isolierte Handlungen beschreiben, sondern auch über dahinter stehende Motivationen, Beziehun 445
IV. Akteure
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einzelner Handelnder war weniger als „individuelles Lebensbild“ gedacht, sondern betonte den „Rollencharakter“ von Personen, der es ermöglichen sollte, vom Einzelfall auf „strukturelle Fragen“ zu schließen449. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass beide Zugänge, sowohl die Betrachtung allein von Gruppen als auch ein ausschließlich biografischer Zugang bei der Ermittlung von politischem Handeln und den Strukturen, in denen sich dieses Handeln vollzieht, Grenzen aufweisen450. Bei der Betrachtung politischer Netzwerke dagegen werden überpersönliche Strukturen, insbesondere aber für die Prosopografie wichtige „überindividuelle Merkmale“ der Teilnehmer einer Gruppe, und die jeweils individuelle Motivation und Interessenlage der Handelnden aufeinander bezogen. Somit wird das Spannungsverhältnis von Biografie und Gruppenzugehörigkeit unter einer Perspektive vereint, ja für die Erklärung politischen Handelns erst fruchtbar gemacht. Auf diesem Wege wird ebenso verhindert, dass das Analysemittel Prosopografie zum Teil eines Modells wird, was es allein schon aus methodischen Gründen nicht sein kann, da es sich um eine Analysemethode handelt. Würde man etwa die Räte des Kurfürsten Albrecht von Brandenburg allein in einer prosopografischen Studie untersuchen, so würde man ihre individuellen Interessen sowie ihre jeweilige Persönlichkeit nicht ausreichend erkennen. Ludwig von Eyb, Hertnidt vom Stein, Peter Knorr oder auch Sebastian von Seckendorff – diese Persönlichkeiten handelten bisweilen nach ihren eigenen Interessen, Bewertungen und ihren persönlichen Verflechtungen. Umgekehrt reicht aber auch der biografische Zugriff bei der Betrachtung der Strukturmechanismen politischen
gen, soziale Strukturen sowie kulturelle und mentale Kontexte informieren sollen“. Vgl. insgesamt auch die Beiträge in: Biographie und Geschichtswissenschaft. Aufsätze zur Theorie und Praxis biographischer Arbeit, hg. von Grete Klingenstein / Heinrich Lutz / Gerald Stourzh (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 6, München 1979). Ferner Graus, Verfassungsgeschichte, S. 581. 449 Reinle, Ulrich Riederer, S. 94 f. 450 Vgl. zu den Grenzen der Biografie: Rabeler, Niederadlige Lebensformen, S. 17–21. Im weiteren Gang seiner Untersuchung „niederadliger Lebensformen“ wendet er die Konzeption der „vergleichenden Parallelbiographie“ an, um im Vergleich einer gewissen Anzahl von Lebensläufen einer einseitigen Überbetonung von Biografie oder Prosopografie zu begegnen; vgl. ebd., S. 21. Zu den Grenzen der Aussagekraft prosopografischen Arbeitens: Moraw, Über gelehrte Juristen, S. 141: „Die Schwäche der Prosopographie als streng personenbezogene Methode im Hinblick darauf, was diese Personen ringsum an Sachinhalten umgab und noch mehr, was diese Personen konkret taten und bewirkten, ist evident.“ Vgl. auch Genêt, Introduction. Außerdem Neithard Bulst, Objet et méthode de la prosopographie, in: L’État moderne et les élites XIIIe –XVIIIe siècles. Apports et limites de la méthode prosopographique, hg. von dems./Günther Lottes (Université de Paris I. Histoire moderne 36, Paris 1996), S. 467–482. Joseph Morsel, Histoire lignagère et non-genèse de L’État en Allemagne du Sud. Entre prosopographie et micro-histoire, in: ebd., S. 139–148. Zu den Defiziten prosopografischen Arbeitens aus verfassungshistorischer Sicht auch: Graus, Verfassungsgeschichte, S. 576 f.; zum Verhältnis von Individuum und Gesellschaft auch: ebd., S. 580 f. Aus frühneuzeitlicher Perspektive: Wüst, Typen geistlicher Hof- und Regierungsprogramme, passim.
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G. Vergleiche und Folgerungen
Handelns nicht aus, denn individuelles Handeln vollzog sich in bestehenden Strukturen und innerhalb etablierter Normen, die ein Individuum nur bis zu einem gewissen Grad verändern konnte451. Die umfangreiche Überlieferung, die von politischem Handeln, Herrschaft und Verwaltung zwischen 1470 und 1475 in den hier beobachteten Beispielen zeugen, verringert außerdem das Grundproblem, das prosopografisches Arbeiten erst nötig machte, nämlich die Quellenarmut452. Wie Rabeler453 feststellt, fehlen zwar auch für Niederadlige die Quellen für einen „Lebenslauf“; für die Rekonstruktion politischer Netzwerke aber braucht es nicht eines lückenlosen Lebensbildes. Damit ist wohl schließlich auch Skepsis angebracht, wenn man sich bei der Betrachtung der „Entwicklung von Staatlichkeit“ allein auf die „Erarbeitung eines Sozial- und Wissensprofils der landesherrlichen Amtsträger mit Hilfe der prosopografischen Methode und die Analyse der Trägergruppen dieser Prozesse“454 verlässt. Denn durch die Governanceperspektive sowie die vielfältigen Verflechtungen, die durch politische Netzwerke erhellt werden, wird erst deutlich, dass diese „Staatlichkeit“ eben nicht nur von Gruppen, sondern auch von Individuen, insbesondere aber von individuellem politischen Handeln und seinem Wechselbezug mit dem Handeln anderer abhängt.
V. Handlungsleitende Motive und politische Handlungsmittel Lässt man sich auf die Betrachtung politischen Handelns ohne staatliche oder nicht-staatliche Vorannahmen ein, so ist auch nach der Bedeutung handlungsleitender Motive und weiterer politischer Handlungsmittel zu fragen. Näher betrachtet werden im Folgenden die Kategorie der Ehre, die Bedeutung von Emotionen, die Rolle von Gerüchten, Gabentausch und Korruption sowie weitere „weiche“ Formen der Beeinflussung.
451
Vgl. hierzu Reinle, Ulrich Riederer, S. 95. Moraw, Personenforschung, S. 1. 453 Rabeler, Niederadlige Lebensformen, S. 17. 454 So Hesse, Amtsträger, S. 19. Außerdem Genêt, Introduction, S. 13. Neithard Bulst, Die französischen Generalstände von 1468 und 1484. Prosopographische Untersuchungen zu den Delegierten (Beihefte der Francia 26, Sigmaringen 1992), S. 21. 452
V. Handlungsleitende Motive und politische Handlungsmittel
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1. Ehre Die Kategorie der Ehre455 ist an einigen Stellen bei der Betrachtung von Politiknetzwerken und von Governance-Formen – in außenpolitischem456 und reichspolitischem457 Kontext ebenso wie im Zusammenhang mit Niederadligen458 und Reichsstädten459 – hervorgetreten. In der Zusammenschau zeigt sich, dass Ehre um 1470 unterschiedlich verwendet werden konnte. So begegnet die Ehre zum einen als ein mögliches Mittel zur Steuerung von Personenbindungen durch einen Höherrangigen; mit Ehre konnten personale Beziehungen besonders herausgehoben und damit intensiviert oder umgekehrt auch gelockert werden. Im Falle des gemeinsamen Adventus konnte gezeigt werden, dass die Ehre von Kaiser Friedrich III. gezielt eingesetzt wurde, um Nachteile oder Verstimmungen, die durch die Überlagerung mehrerer Politiknetzwerke im Entscheidungsstadium an einem Knoten, hier Albrecht von Brandenburg, entstanden waren, auszugleichen. Die Ehre konnte also als Mittel zur Bindungsregulierung und besonderen Hervorhebung einzelner Akteure durch den Kaiser bewusst eingesetzt werden. Zum anderen erscheint Ehre in verschiedenen Zusammenhängen als Argumentationsmittel. So argumentierte Albrecht von Brandenburg auf dem Reichstag von Augsburg 1474 bei seiner Ablehnung, den Vorsitz im „Prozess“ gegen Friedrich den Siegreichen zu übernehmen, mit der Ehre460. Auch der Niederadlige von Seckendorff reagierte auf Verdächtigungen der markgräflichen Amtsträger nach dem Überfall auf sein Schloss mit dem Vorwurf, er sei in seiner Ehre verletzt461. Außerdem tritt im Zusammenhang mit dem Werben Karls des Kühnen um Reichsmitglieder, um seine feindlichen Beziehungsverbindungen in positive Verbindungen umzukehren, die Ehre als Argument zur Ablehnung hervor. Der brandenburgisch-dänische Rat Albrecht Klitzing beschreibt in seiner Antwort an Karl den Kühnen die Verbindung seines Herrn, des Markgrafen von Brandenburg, zu Kaiser Friedrich III. mit Ehre und Pflicht. Der Rat drückte den Zwang aus, unter dem Markgraf Albrecht stand, auch wenn er vielleicht andere Interessen hatte462. Hier
455 Vgl. Görich, Ehre Friedrich Barbarossas, S. 17. Moeglin, Fürstliche Ehre, S. 91. Zu verschiedenen Ehrbegriffen auch Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 169–181; zur Ehre Albrechts von Brandenburg: ebd., S. 160–163. Dinges, Ehre in der historischen Anthropologie, S. 32 f.; Görich, Ehre Friedrich Barbarossas, insbesondere S. 2–16, 364–378; ders., Ehre als Ordnungsfaktor. 456 Siehe oben S. 195 ff. 457 Siehe oben S. 454. 458 Siehe oben S. 327. 459 Siehe oben S. 359, 400. 460 Ähnlich: Zmora, Adelige Ehre, S. 109. 461 Siehe oben S. 327. 462 Zum Reaktionszwang im Einzelnen unten S. 585 f. Zum genannten Beispiel siehe oben S. 195 ff., 400.
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G. Vergleiche und Folgerungen
erscheint die Ehre gleichzeitig handlungsleitend und handlungshemmend. Außerdem war sie neben der Lehnspflicht Teil und Inhalt der personalen Bindung selbst. Schließlich scheint in dieser Situation die enge, vornehmlich von Ehre geprägte Bindung die Individualinteressen und damit auch die freie Wahl der Netzwerkzugehörigkeit einzuschränken463. Dass neben den Vorstellungen von Ehrvermehrung und Ehrminderung – wie sie besonders von der jüngeren Forschung464 vornehmlich an vorangehenden Jahrhunderten herausgearbeitet worden sind und von den Ergebnissen dieser Studie bestätigt und nuanciert werden – um 1470 wohl auch weitere Konzepte von Ehre bestanden, verdeutlicht schließlich die Passage aus einem Brief des Markgrafen aus dem Jahre 1480: gelt leßt sich gewynnen und verlieren, ere nit465. 2. Emotionen An mehreren Stellen der Untersuchung begegnen Emotionen in politischen Kontexten466. Die jüngere Forschung ist bei der Bewertung von in den Quellen aufscheinenden Emotionen zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen; dabei lassen sich zwei „Extrempositionen“ benennen: während die einen dem mittelalterlichen Menschen „echte“ Emotionen vollkommen absprechen, suchen andere nach den „individuellen Herzensregungen“467. Unzweifelhaft waren Emotionen „wichtiger Bestandteil des Kommunikationsstils“468 auch der Politik um 1470. Die Ergebnisse dieser Studie lassen allerdings eine solche starre Gegenüberstellung als eher theoretisch erscheinen. Die Frage nach dem Schluss von in den Quellen aufscheinenden Emotionen auf tatsächliche Gefühlsregungen birgt vielmehr heikle quellenkritische Probleme; was rein
463 Vgl. zur Bedeutung von „Ehre“ in vertikalen Personenbindungen: Garnier, Politik und Freundschaft, S. 40 f. 464 Vgl. besonders Görich, Ehre Friedrich Barbarossas, S. 373 f., mit dem Hinweis auf Bourdieus Vorstellung von der Ehre als „symbolischem Kapital“. 465 Politische Correspondenz, hg. Priebatsch, 2, Nr. 709, S. 660–662, hier S. 660 (1480 Dezember 14). Konkret ging es in diesem Fall um die Ehre Barbaras, der Tochter Albrechts von Brandenburg. Vgl. zum Zitat ausführlich Müller, Erbeinungen, S. 178–180. 466 Ute Frevert, Gefühlspolitik. Friedrich II. als Herr über die Herzen? (Göttingen 2012), S. 9 f., spricht gar von einem „emotional turn“ innerhalb der Geschichtswissenschaft. 467 Antenhofer, Süd und Nord, S. 275 f. Antenhofer setzt sich mit Noltes Konzept der „Emotionology“ auseinander, vgl. dazu Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 63–67. Außerdem Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 82–84. Für Gerd Althoff, Empörung, Tränen, Zerknirschung. ‚Emotionen‘ in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters, in: FMASt 30 (1996), S. 60–79, hier S. 76, sind Emotionen „Verhaltensmuster, die in bestimmten Situationen formelhaft verwendet wurden.“ Diese kontrollierten Emotionen seien bewusst und gezielt als Kommunikationsmittel eingesetzt worden. Zur Bedeutung von Emotionen bei Ritualen außerdem: Stollberg-Rilinger, Much ado about nothing?, S. 13. 468 Althoff, Empörung, Tränen, Zerknirschung, S. 76.
V. Handlungsleitende Motive und politische Handlungsmittel
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vordergründiges, politisches Mittel und was wirklich gefühlte Emotion ist, bleibt vielfach offen469. So, wie man nicht pauschal annehmen kann, dass Albrecht von Brandenburg eine allein emotional geleitete Person war, wird man wohl nicht ausschließen können, dass es – wie Spieß mit Blick auf die wiederholten Wutausbrüche des Markgrafen feststellt – „im Mittelalter auch Choleriker gegeben haben [dürfte], wie Albrecht Achilles vermutlich einer war“470. Die Bewertung kann somit nicht von vornherein und absolut, sondern nur im Einzelfall getroffen werden; die Forschung hat sich dieser Frage bislang vor allem durch die Analyse der Quellensprache und ihres Wandels genähert. Eine solche Betrachtung wird der Komplexität der Personenbindungen und Interessenlagen allerdings kaum gerecht. Vielmehr sind ebenso die Verflechtungen der Beteiligten, die Einbindungen der Akteure in politische Netzwerke und die Formen von Gov ernance zu berücksichtigen. Als tatsächlich politisches Mittel der Konfliktführung begegnet zunächst die bewusste Erzeugung von Spott und Hohn471. Nicht nur im Umkreis Friedrichs des Siegreichen, sondern auch im Stettiner Erbfolgestreit ebenso wie zwischen Nürnberg und Albrecht von Brandenburg ruft die gezielte Beeinflussung der öffentlichen Meinung politisches Handeln erst hervor. Dabei sind es gerade die Bedeutungsoffenheit und Mehrdeutigkeit von Lachen, Spott und Hohn, die eine Deutung erschweren. In der jüngeren mediävistischen Germanistik wird dieser Aspekt zunehmend betont, für die politische beziehungsweise Verfassungsgeschichte des Spätmittelalters ist er bislang aber eher zu kurz gekommen472. Prietzel stellt anhand der Chronistik aus verschiedenen Jahrhunderten, insbesondere im Früh- und Hochmittelalter fest, wie stark Spott, Hohn und Beleidigung eines Kriegsgegners von den Chronisten als Ehrverletzung dargestellt wur-
469 Vgl. auch Rüdiger Schnell, Historische Emotionsforschung. Eine mediävistische Standortbestimmung, in: FMASt 38 (2004), S. 173–276, hier S. 179 f. Antenhofer, Süd und Nord, S. 274–291. 470 Karl-Heinz Spieß, Kommunikationsformen im Hochadel und am Königshof im Spätmittelalter, in: Formen und Funktionen öffentlicher Kommunikation im Mittelalter, hg. von Gerd Althoff (VuF 51, Stuttgart 2001), S. 261–290, hier S. 290, Anm. 127. Karl-Friedrich Krieger, Fürstliche Standesvorrechte im Spätmittelalter, in: BDLG NF 122 (1986), S. 91–116, hier S. 91, mit Belegen zu Wutausbrüchen Albrechts von Brandenburg. In diesem Zusammenhang ist außerdem der Bericht aus der sogenannten Speierischen Chronik von einem Wutausbruch Pfalzgraf Friedrichs des Siegreichen gegenüber Albrecht von Brandenburg auf dem Tag von Bamberg im Jahre 1458 zu nennen, bei dem Friedrich Albrecht als fleischverkeuffer beschimpfte: Quellensammlung der badischen Landesgeschichte, hg. von Franz Joseph Mone, Bd. 1 (Karlsruhe 1848), S. 367–520, hier S. 424. 471 Siehe etwa oben S. 282 f., 359, 397 ff., 435, 469, 471. 472 Sebastian Coxon / Stefan Seeber, Zur Einführung, in: Spott und Verlachen im späten Mittelalter zwischen Spiel und Gewalt, hg. von dens. (Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57/1, Göttingen 2010), S. 3–7. In Bezug auf die Bedeutung von Emotionen in Familienkorrespondenz grundlegend: Rogge, Wettinische Familienkorrespondenz, S. 204–209.
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G. Vergleiche und Folgerungen
den und zu dessen Reaktion verpflichteten473; diese Beobachtungen finden hier für das Spätmittelalter ihre Entsprechung nicht nur in erzählenden, sondern auch in ganz anderen Quellen, die eigentlich von administrativer Natur sind. Auch der Reaktionszwang, den die Forschung insbesondere für Ehrzurücksetzungen herausgearbeitet hat, findet in den Briefen des Kurfürsten bisweilen seine Entsprechung in der Reaktion auf Anspielungen auf Emotionen474. Wie die Beispiele verdeutlichen, war der Fürst damit in seinem Handeln aber nicht vollkommen fremdbestimmt einseitig zum Handeln verpflichtet. Vielfach erscheint die Reaktionsverpflichtung als Element neben anderen handlungsleitenden; auch die Reaktionsmittel waren vielfältig. So reagierte etwa Herzog Ludwig der Reiche auf Spottlieder mit Klagen bei Erzherzog Sigmund; Albrecht von Brandenburg sah sich verpflichtet, auf die Schmähungen gegen ihn und seine Frau durch die Nürnberger zu reagieren, indem er die Beziehungen zur Stadt de facto abbrach sowie längerfristig bei seinem politischen Handeln der Reichsstadt gegenüber mitbedachte. Eng verknüpft mit der bewussten Anspielung auf Spott und Hohn ist der gezielte Einsatz von Humor als politisches Mittel475. Dabei handelt es sich offensichtlich nicht bloß um den Ausdruck des Gemüts einiger individueller Akteure, insbesondere Albrechts von Brandenburg. Ironie konnte nicht nur verdeckten Tadel ausdrücken, wie in Äußerungen des Kurfürsten gegenüber seinen Räten immer wieder deutlich wird. Sie konnte außerdem zur Steuerung von Hofleben und zur Überbrückung von Abwesenheit dienen; dies hat die Betrachtung der Funktion verbalerotischer Aussagen in der Korrespondenz des Kurfürsten mit seiner Gattin vor Augen geführt476. Ebenso konnten Humor und Ironie sozusagen nach außen als politisches Mittel eingesetzt werden, um verbalen Angriffen politischer Gegner zu begegnen und so bewusst politische Aushandlungsprozesse zu steuern. Als solches konnte Ironie auch innerhalb der Verwaltungsstrukturen als Handlungsanweisung 473 Malte Prietzel, Kriegführung im Mittelalter. Handlungen, Erinnerungen, Bedeutungen (Krieg in der Geschichte 32, Paderborn u. a. 2006), S. 42–51. Zur historischen Emotionsforschung in der Mediävistik Schnell, Historische Emotionsforschung, S. 173–276. Nolte, Familie, Hof, Herrschaft, S. 63–67. 474 Zum Reaktionszwang vgl. Görich, Ehre Friedrich Barbarossas, S. 27–34. 475 Gerd Althoff / Christel Meier, Ironie im Mittelalter. Hermeneutik – Dichtung – Politik (Darmstadt 2011), zum Thema S. 11–16, zu „Ironie in mündlicher Kommunikation“ anhand der Historiografie S. 59–90. Antenhofer, Süd und Nord, S. 291–298, mit Beispielen zur Verwendung von Ironie in der Kommunikation zwischen dem Hof der Gonzaga in Mantua und dem der Grafen von Tirol. Auch die Anspielung auf „Hochmut“ zielt in eine ähnliche Richtung, vgl. Kannowski, Bürgerkämpfe, S. 26–30, insbesondere S. 30: „Hochmut wurde allerseits als Inbegriff politischer Verfehlungen schlechthin, sozusagen als politische Todsünde angesehen.“ 476 Grundlegend: Roger Sablonier, Die aragonesische Königsfamilie um 1300, in: Emotionen und materielle Interessen. Sozialanthropologische und historische Beiträge zur Familienforschung, hg. von Hans Medick / David Sabean (Göttingen 1984), S. 282–317, hier insbesondere S. 283. In diesem Zusammenhang ebenso wichtig: Hans Medick / David Sabean, Emotionen und materielle Interessen in Familie und Verwandtschaft: Überlegungen zu neuen Wegen und Bereichen einer historischen und sozialanthropologischen Familienforschung, in: ebd., S. 27–54. Siehe außerdem und zum Untersuchungsbeispiel oben S. 198 ff., 213 ff.
V. Handlungsleitende Motive und politische Handlungsmittel
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für Amtleute und Räte ausgegeben werden, wie aus den Briefen des Kurfürsten an seine fränkischen Verwaltungsakteure hervorgeht477. Auch in Verhandlungen war Ironie ein nicht zu unterschätzendes Mittel, die Gegenseite zur verbalen Eskalation zu treiben, wie die Gegenreden fränkischer Räte zu den Ausführungen des bayerisch-nürnbergischen Rates Martin Mair verdeutlichen478. Voraussetzung für den Einsatz des Mittels der Ironie war die Voraussehbarkeit der Reaktion der übrigen Beteiligten innerhalb des entsprechenden Netzwerks. Somit hing dieses Mittel entscheidend von der Informationssituation der Beteiligten über die Strukturen und die übrigen Teilnehmer ab. Albrechts von Brandenburg Wutausbruch auf dem Augsburger Tag von 1474 im Rahmen der Verhandlungen gegen Friedrich den Siegreichen kann als ein mit Emotionen unterstützter Versuch gelten, einen Verhandlungsaufschub zu bewirken und damit einen Kollaps nicht zuletzt der regional-fränkischen Netzwerke zu verhindern. In diesem Fall erwies sich die emotionale Untermauerung als letztes Mittel, das jedoch wirkungslos blieb479. Für unterschiedliche Akteure war die Berührung von Emotionen des politischen Partners oder Gegners anscheinend ungleich attraktiv. Dies hing entscheidend von der Zusammensetzung der Netzwerke und den jeweiligen Interessenkonstellationen ab. So ist zu konstatieren, dass insbesondere Städte und Fürsten in ihrem gegenseitigen Handeln auf solche „weiche“ Faktoren politischen Handelns ausweichen konnten, nämlich dort, wo „klassische“ politische Handlungsformen versagten oder wenig effektiv erschienen. Gerade das Beispiel der Beziehungen Albrechts von Brandenburg zur Reichsstadt Nürnberg verdeutlicht, dass Emotionen mit vermeintlich eindeutig „rechtlichen“ Kategorien, etwa der Bürgerlehen, gleichberechtigt und aufeinander bezogen waren. So ist etwa zu erkennen, dass Kurfürst Albrecht versuchte, über die Betonung von Lehnsbindungen einzelner Bürger ihren Spott und Hohn ihm gegenüber mit Hilfe des Lehnrechts in einen rechtlich relevanten Tatbestand zu überführen480. Schließlich ist jedoch hervorzuheben, dass, auch wenn Emotionen im Bereich des Politischen gezielt eingesetzt werden konnten, zumindest nicht auszuschließen, ja eigentlich damit zu rechnen ist, dass die Beteiligten trotz des Kalküls auch etwas fühlten; diesen Einblick gewähren die Quellen aber in der Regel – zumindest in den hier betrachteten Beispielen – nicht.
477
Siehe oben S. 213 ff., 437. Siehe oben S. 460 f. 479 Siehe oben S. 454 ff. 480 Siehe oben S. 464. 478
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G. Vergleiche und Folgerungen
3. Gerüchte Eine unsichere Nachrichtenlage begegnet in den hier untersuchten Beispielen häufiger481. So scheint die markgräfliche Verwaltung einen nicht unerheblichen Teil ihrer Informationen, die sie an ihren Herrn weitergab, aus nicht näher bezeichneten, damit uns unbekannten Kanälen erhalten zu haben. Der Markgraf selbst rügte seine Räte bisweilen sogar, sie sollten nicht alles, was man sich erzähle, sofort für die Wahrheit halten482; umgekehrt war die Verwaltung aber ganz offensichtlich wesentlich auf gerüchteweise überbrachte oder verbreitete Nachrichten angewiesen, um danach ihr Handeln auszurichten483. Aber auch in der Kommunikation zwischen den kurfürstlichen Eheleuten ging es häufiger um die Überprüfung von Gerüchten484. Im Übrigen war es vor allem die Belagerung von Neuss, während der Gerüchte immer wieder Eingang in die Korrespondenz fanden, da man sie umgehend zu überprüfen versuchte485. Gerüchte waren ebenso geeignet, politisches Handeln gezielt zu beeinflussen oder zu steuern, aber auch Netzwerke zu destabilisieren – man denke an das Beispiel Nürnbergs486. 4. Geschenke, „Korruption“ und „weiche“ Faktoren der Beeinflussung Wenn Netzwerke in Seilschaften umschlagen, wird gemeinhin von „Korruption“ gesprochen487. Umstritten ist allerdings, ob „Korruption“ ohne staatliches Gewaltmonopol überhaupt denkbar und damit für vormoderne Zeiten ein passender Begriff ist488. Auch in dieser Arbeit ist immer wieder von informeller Einflussnahme verschiedenster Art die Rede gewesen, von der Einräumung kleiner und individuel 481
Vgl. auch Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 216–223. Siehe oben S. 427. 483 Siehe etwa oben S. 326 f., 428 f. 484 Siehe oben S. 205 f., 466. 485 Siehe oben S. 191 f., 206, 466. Siehe ferner auch oben S. 181, 214, Anm. 306. Zu einer Falschmeldung oben S. 146. 486 Siehe oben S. 398 ff., 469 f. 487 Arne Karsten / Hillard von Thiessen, Einleitung, in: Nützliche Netzwerke und korrupte Seilschaften, hg. von dens. (Göttingen 2006), S. 7–17, hier S. 7. 488 Ebd., S. 11. Vgl. Korruption, hg. Grüne / Slanička, hier insbesondere den Beitrag von Niels Grüne, „Und sie wissen nicht, was es ist“. Ansätze und Blickpunkte historischer Korruptionsforschung, in: ebd., S. 11–34, hier vor allem S. 24–34, mit weiterer Literatur. Patzelt, Konkurrenz und Korruption. Groebner, Angebote. Ders., Gefährliche Geschenke. Für die Herrschaftszeit Kaiser Friedrichs III. auch Scharf, Fiktive Geschenke; die Forschungsmeinungen zur Existenz des Phänomens „Korruption“ in der Vormoderne zusammenfassend, ebd., S. 28–31. Aus dem Blickwinkel brandenburgischer Erbeinungen auch Müller, Besiegelte Freundschaft, S. 269–274. 482
V. Handlungsleitende Motive und politische Handlungsmittel
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ler Vorteile bis hin zur Übergabe von Geschenken. So bat Erzbischof Adolf von Mainz Albrecht von Brandenburg um die Übersendung eines Stücks Einhorn489, Albrecht und seine Gattin sowie weitere vornehmlich weibliche Verwandte tauschten kleine Geschenke aus490. Königin Dorothea pochte bei ihrem Besuch in Ansbach gar auf Gleichbehandlung mit anderen Fürstinnen bei den Geschenken, die sie von Kurfürstin Anna erhalten sollte491. Nachdem der markgräfliche Rat Heinz Seiboth 1470 einen Rat bestochen hatte, berichtete er vom kaiserlichen Hof an Albrecht von Brandenburg, selbst dieser habe ihm keine Informationen über die Anliegen der Nürnberger Gesandtschaft geben können492. Gerade zwischen Albrecht und einzelnen Mitgliedern des Nürnberger Rates boten Geschenke und Vergünstigungen – etwa bei zu entrichtenden Abgaben – sowie Privilegien ein wirksames Mittel, Zustimmung herbeizuführen oder zumindest eine Abwendung eines anderen Akteurs zu verhindern493. Im Gegenzug konnte man etwa mit vertraulichen Informationen, Beeinflussung Dritter in seinem Sinne und anderem rechnen. Albrecht von Brandenburg versuchte unter anderem auf diesem Wege, die innerstädtischen Kräfteverhältnisse in den Institutionen Nürnbergs in seinem Sinne zu beeinflussen, ja gar bestimmte Gruppen in der Stadt gegen andere aufzubringen; hiervon zeugt insbesondere seine strikte Haltung, nur den Nürnberger Ratsmitgliedern das Jagdrecht in Teilen seines Territoriums zuzugestehen, nicht aber weiteren Kreisen der Stadtbevölkerung494. „Korruption“ oder zumindest „weiche Beeinflussung“ standen somit gleichberechtigt neben anderen personalen Bindungs- und Interaktionsformen. Kleine informelle „Gefälligkeiten“ waren demnach grundlegende Interaktionsmuster in politischen Netzwerken und durchaus eine wirksame Form politischer Steuerung. Dabei konnte es sich um einfache „Netzwerkpflege“495 zur Erhaltung der Freundschaft handeln. Ebenso konnte mit „weichen“ Mitteln auf Entscheidungsprozesse Einfluss genommen werden496. Die Grenze, ab wann die Gabe zur „Korruption“ wurde, scheint sich durch Netzwerkkonstellationen und individuelle
489
Siehe oben S. 136, Anm. 234. Siehe oben S. 202. Ferner auch oben S. 164. 491 Siehe oben S. 184 ff., 210 f. 492 Urkundliche Nachträge, hg. Bachmann, Nr. 100, S. 120 f., hier S. 120. Siehe im Einzelnen oben S. 275. 493 Siehe oben S. 424 f., 469. 494 Siehe oben S. 464 f. 495 Vgl. die zahlreichen Beiträge in: Geschenke erhalten die Freundschaft. Gabentausch und Netzwerkpflege im europäischen Mittelalter, hg. von Michael Grünbart (Byzantinistische Studien und Texte 1, Münster 2011), insbesondere ders., Geschenke erhalten die Freundschaft. Einleitung, in: ebd., S. xiii–xxv, hier vor allem S. xvi f. 496 Alain Derville, Pots-de-vin, cadeaux, racket, patronage. Essai sur les mécanismes de décision dans l’état bourguignon, in: Revue du Nord 56 (1974), S. 341–364. Simon Teuscher, Bekannte – Klienten – Verwandte. Soziabilität und Politik in Bern um 1500 (Köln / Wien 1998), etwa S. 7. Groebner, Gefährliche Geschenke, S. 17 f. 490
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G. Vergleiche und Folgerungen
Interessen bestimmt zu haben – letztlich war sie vor allem fließend. Dies wird am Beispiel des Nürnbergers Niklas Muffel besonders offenbar.
VI. Öffentlichkeit, Kommunikation und Abhängigkeit von Politikfeldern 1. Politische Öffentlichkeit und Meinungen Die Forschung hat in jüngerer Zeit sich auf die Annahme der Existenz von „Teilöffentlichkeiten“ verständigt, die immer wieder aufs Neue hergestellt werden müssen497. An zahlreichen Stellen der Studie treten politisch Handelnde einer Öffentlichkeit gegenüber, erzeugen diese Öffentlichkeit erst selbst oder stabilisieren sie. So konnte etwa über das Medium Brief Öffentlichkeit beim Empfänger gesteuert werden498. Auch die Zusammenstellung der verschiedenen wichtigsten Akteure für das politische Handeln der Markgrafen von Mantua in der „Camera picta“ legt nahe, dass hiermit Bilder einer Öffentlichkeit immer wieder vorgeführt werden sollten499. Auch das Ringen um die Modalitäten dieser Öffentlichkeit während des Besuches Friedrichs III. in Nürnberg verdeutlichen den Charakter einer hergestellten Öffentlichkeit500. Zudem konnten bei Versammlungen mit Verhandlungen unterschiedliche Grade von Öffentlichkeit beobachtet werden501. Ebenso zeigt sich anhand der zahlreichen öffentlichen Schmähungen, Spottlieder und Ehrherabsetzungen, dass es eine oder mehrere „politische Öffentlichkeiten“ gegeben haben muss, in denen sich das Handeln der politischen Akteure vollzog. Öffentlichkeiten konnten über politische Netzwerke miteinander verbunden werden, wie die Kommunikation von Anna von Sachsen verdeutlicht. Ebenso konnten politische Argumente, die öffentlich geworden waren, politisches Handeln erst bewirken, es verändern, politische Steuerung insgesamt manipulieren502. So wird man um 1470 allgemein im Reich, in Regionen, Städten und anderen lokalen Zusammenhängen gleichermaßen mit einer Vielzahl von verschiedenen sich teilweise ausschließenden, teilweise überlappenden Öffentlichkeiten rechnen müssen. Ob allerdings bereits mit einer „reichsweiten Öffentlichkeit“ zu rechnen ist, diesen Schluss lassen die betrachteten Beispiele nicht zu. Ob man Versammlungen
497 Mersiowsky, Öffentlichkeit, S. 13–16. Kintzinger / Schneidmüller, Politische Öffentlichkeit, S. 12 f. In Bezug auf den Hof Kaiser Friedrichs III. vgl. Heinig, Hof, Regierung, Politik, S. 1345. 498 Siehe oben S. 213 ff., 315 ff. 499 Siehe oben S. 161 f., 215. 500 Siehe oben S. 278 ff., 415 ff. 501 Siehe oben S. 143 ff., 462 f., 470 f. 502 Siehe etwa oben S. 397 ff.
VI. Öffentlichkeit, Kommunikation und Abhängigkeit von Politikfeldern
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wie Reichstage als „theoretisch […] reichsweite[r] politische[r] Öffentlichkeit“503 bezeichnen soll, erscheint indes fraglich. Erst wenn man die Netzwerkverbindungen, in die diese Tage eingebettet sind, erfasst, sind Aussagen über die Öffentlichkeit und die direkten und indirekten Einflüsse auf sie möglich504. 2. Formen und Strategien der brieflichen Kommunikation Die Masse der hier ausgewerteten brieflichen Kommunikation lässt Anmerkungen zu Formen und Strategien kommunikativen Verhaltens auf den verschiedensten Ebenen politischen Handelns zu505. Durch die Häufung von Schreiben an verschiedene Empfänger konnte politisches Handeln an anderen Orten gesteuert und so die Abwesenheit des Absenders kompensiert werden; dies haben besonders die Analyse des Kommunikationsnetzwerks um die Verhandlungsbemühungen des Landkomturs Melchior von Neuneck im Jahre 1472 oder auch die der Kommunikation Albrechts von Brandenburg mit Kaiser Friedrich III. und Erzbischof Adolf von Mainz, aber auch die Parallelkorrespondenz des Kurfürsten mit seiner Gattin und dem Hausvogt ergeben506. Außerdem konnten über das Medium Brief Wissenshorizonte beim Empfänger gesteuert werden, indem verschiedenen Empfängern verschiedene, meist unterschiedlich detaillierte Inhalte vermittelt wurden507. Ebenso konnte über die Häufung von Briefen, die an untereinander vernetzte Empfänger geschickt wurden, die Beschleunigung von Entscheidungs- und Informationsprozessen erfolgen; dies konnte etwa am Beispiel Sebastians von Seckendorff oder auch Albrechts von Brandenburg und Erzbischof Adolfs von Mainz beobachtet werden508. In anderen Fällen ließ der Absender ausrichten, der Empfänger möge eine bestimmte politische Haltung vertreten, aber nicht erklären, dass sie vom Absender, sondern vom Empfänger selbst stammte – man denke an die Kommunikation zwischen den markgräflichen Räten Johann Spet und Johann Volker aus dem Jahre 503
Vgl. Jörg Peltzer, Personae publicae. Zum Verhältnis von fürstlichem Rang, Amt und politischer Öffentlichkeit im Reich des 13. und 14. Jahrhunderts, in: Politische Öffentlichkeit im Spätmittelalter, hg. von Martin Kintzinger / Bernd Schneidmüller (VuF 75, Ostfildern 2011), S. 147–182, hier S. 181 f. 504 Unter dieser Perspektive wären auch andere Versammlungen von reichsweiter Bedeutung zu untersuchen, nicht zuletzt der Regensburger Christentag 1471, bei dem Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche eine bedeutende Rolle spielte, obwohl er persönlich nicht anwesend war, vgl. Schwarz, Pfalzgraf Friedrich der Siegreiche, S. 271–282. Somit reicht es nicht aus, wie Moraw, Offene Verfassung, S. 179, von der Existenz der „Politische[n] Briefwechsel“ wie der des Kurfürsten Albrecht Achilles auf „ein politisches Lebens im Reich […], das viel dichter gefügt und viel höher entwickelt war als zweihundert Jahre zuvor, am Anfang des Spätmittelalters“ sowie einer „wirklich […] politische[n] Gesellschaft“ zu schließen. 505 Antenhofer / Müller, Briefe in politischer Kommunikation. 506 Siehe oben S. 136 ff., 198 ff., 213 ff., 431 ff. 507 Siehe oben S. 205 f., 315 f., 435 f. 508 Siehe oben S. 136 ff., 281 ff., 315 f.
592
G. Vergleiche und Folgerungen
1473509. In wieder anderen Situationen konnten über vertrauliche Briefe politisch Handelnde gegeneinander ausgespielt und so politisches Handeln ermöglicht oder begrenzt werden, wie die Betrachtung der Kommunikation zwischen Albrecht von Brandenburg mit seinen Räten im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen mit der Reichsstadt Nürnberg gezeigt hat510. Wie sich am Beispiel der Netzwerke um die Belagerung von Neuss zeigte, konnten über briefliche Kommunikation auch Meinungen zentral gesteuert werden und etwa Beeinflussungsversuche durch politische Gegner konzertiert abgewehrt werden511. Briefe waren somit fester Bestandteil politischen Handelns. Die Eigenheiten dieses Kommunikationsmittels – wie die von Kommunikation über weite Strecken insgesamt – konnten durchaus politische Spielräume eröffnen, halfen bei der Steuerung von Abläufen und bei der Verfolgung eigener Interessen. Verheerende Wirkung hatten sie dagegen in den – bisweilen häufigen – Situationen, in denen die Dokumente in die falschen Hände gerieten512. 3. Abhängigkeit politischer Netzwerke Bereits im Zusammenhang mit den Anmerkungen zu Herrschertreffen und mündlicher Beratung513 ist hervorgehoben worden, dass sich politische Netzwerke und damit auch verschiedene Themen auf verschiedenen Ebenen der Politik überschnitten. Dies lässt sich auch an anderen Stellen des „politischen Alltags“ beobachten. Die Verknüpfung verschiedener politischer Themen und ihre Hierarchisierung nach Prioritäten reflektierten die Zeitgenossen; sie erscheinen geradezu als besonders wirkungsvolle und effiziente Ausformung politischen Handelns, wie die brandenburgische Innenperspektive gezeigt hat514. Der Kurfürst selbst thematisierte in seinen Briefen die Abhängigkeit verschiedener Sachfragen, etwa bei seinen fränkischen Angelegenheiten zwischen Nürnberg, Herzog Ludwig von Bayern oder auch Friedrich dem Siegreichen, von denen auf den verschiedenen Ebenen der Politik weitere Netzwerke und die Lösung von Konflikten und anderen Sach fragen abhingen515.
509
Siehe oben S. 328. Siehe in diesem Zusammenhang auch oben S. 433. Siehe oben S. 431 ff. 511 Siehe oben S. 197. 512 Siehe oben S. 194. 513 Siehe oben G. III. 1. a). Ferner auch im Zusammenhang mit Höfen und Residenzen oben G. III. 4. 514 Siehe beispielsweise oben S. 328. 515 Siehe hierzu oben S. 133 f., 316 f., 321 f., 325 f., 428, 443 f. Ferner auch oben S. 180 f., 184, 466 ff. 510
VI. Öffentlichkeit, Kommunikation und Abhängigkeit von Politikfeldern
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Besonders deutlich wird das „vernetzte Denken“ der politisch Handelnden während der Geleitstreitigkeiten um Heideck. Wenn Herzog Wilhelm von Sachsen beim brandenburgischen Kurfürsten nachfragte, ob die fränkischen Angelegenheiten mit den märkischen und mit dem Stettiner Erbfolgestreit in Verbindung stünden, so muss der Herzog wenigstens die Möglichkeit der gegenseitigen Abhängigkeit verschiedener Themenfelder gesehen haben516. Ebenso verhält es sich mit Albrechts Hinweis an Christian von Dänemark, nun seien die Voraussetzungen günstig, die Personenbeziehung zum schottischen König zu aktivieren517. Es gab anscheinend keinen festgeschriebenen Primat einer Ebene, wie ins besondere Albrechts von Brandenburg Handeln gegenüber Pfalzgraf Friedrich dem Siegreichen mit Rücksicht auf Nürnberg gezeigt hat518. Diese Befunde decken sich mit politikwissenschaftlichen Forschungen zum „politische[n] Terminkalender und Politikfeldhierarchien“519. Die Rücksichtnahme auf Entwicklungen in anderen politischen Netzwerken konnte unter bestimmten Voraussetzungen also politisches Handeln beeinflussen; dieser Aspekt ist durchaus als handlungsleitender Parameter anzusehen. Somit sind – streng genommen – bei der Betrachtung eines Netzwerks immer auch möglichst viele andere Netzwerke zu berücksichtigen, in die die Akteure eingebunden sind. Untrennbar verbunden waren diese sachlich bestimmten Zwänge mit strukturellen Gegebenheiten, insbesondere Kommunikations- und Reisegeschwindigkeit520. Deshalb wurden diese äußeren Bedingungen bei politischem Handeln berücksichtigt und zu politischen Handlungsvorteilen genutzt. In den Jahren 1470 bis 1475 wurde politisches Handeln offensichtlich – wie in anderen Zusammenhängen bereits mehrfach erwähnt – auch durch angesetzte Termine, etwa einberufene Reichsversammlungen, hervorgerufen, auch wenn diese dann entweder verspätet oder überhaupt nicht stattfanden. So ist im Unter suchungszeitraum vor allen wichtigen Tagen von reichspolitischer Bedeutung hektisches und erhöhtes Kommunikationsverhalten der Reichsstadt Nürnberg mit ihren Partnern zu beobachten521. Ebenso kann der in Aussicht genommene Tag von Augsburg im Jahre 1473 als Beispiel für die Abhängigkeit politischer Netzwerke voneinander dienen; im Vorfeld hatte Albrecht von Brandenburg nämlich eine polnische Gesandtschaft in Ansbach hingehalten, bis sie mit viermonatiger Verspätung in Rothenburg den Kaiser traf522. Schließlich wurden auch die Netzwerke, in denen regional-fränkische Angelegenheiten ausgehandelt wurden, maßgeblich durch das Wissen um bevorstehende Reichsversammlungen bestimmt523. 516
Siehe oben S. 316. Siehe oben S. 180, 184. 518 Siehe oben S. 449 ff. 519 Bönker, Interdependenzen zwischen Politikfeldern, S. 322. 520 Vgl. Walser, Botenwesen. 521 Siehe oben S. 413 f., 441, 453 ff. 522 Siehe oben S. 150 ff. 523 Siehe oben S. 136 ff., 446 f. 517
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G. Vergleiche und Folgerungen
VII. Folgerungen für die brandenburgische und fränkische Landesgeschichte Angesichts der ermittelten vielfältigen Durchdringung von Landes- und Reichsgeschichte sowie der Außenpolitik – ebenso wie des zur Gestalt von Landesherrschaft Ermittelten – drängt sich schließlich die Frage auf, welche Rolle insbesondere der landeshistorischen Forschung524 – hier in ihrer territorialgeschichtlichen Prägung525 – dabei zukommen kann; zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Eigenheiten der fränkischen und brandenburg-preußischen Landesgeschichtsforschung. Zu erinnern ist auch an den Ausgangspunkt der Untersuchung: In Weiterentwicklung des Ansatzes von Moraw526, der durch Perspektivwechsel Reichs- und Landesgeschichte aufeinander bezog, wurde hier ein Ansatz verfolgt, der beansprucht, diese Perspektiven zu überwinden527. Vor allem durch äußere Einflüsse bedingt – man denke an die „Internationalisierung“528 – befindet sich die Landesgeschichte in einer Phase innerdisziplinärer Neuausrichtung529. Dabei stellt sich nicht zuletzt die Frage nach dem 524 Zur begrifflichen Unterscheidung von Landesgeschichte, geschichtlicher Landeskunde, vergleichender Landesgeschichte und Regionalgeschichte vgl. Wilhelm Janssen, Ein pro grammatischer Neuansatz im 20. Jahrhundert: Die Geschichtliche Landeskunde, in: Historiographie – Traditionsbildung, Identitätsstiftung und Raum. Südwestdeutschland als europäische Region, hg. von Sönke Lorenz / Sabine Holtz / Jürgen Michael Schmidt (Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde 71, Ostfildern 2011), S. 123–133, hier S. 132. Gerlich, Geschichtliche Landeskunde, S. 77–98. Zur Regionalgeschichte Georg Heilingsetzer, Die Landesgeschichte zwischen „Mikrohistorie“ und „Totalgeschichte“, in: Bericht über den 22. Österreichischen Historikertag in Klagenfurt. Veranstaltet vom Verband Österreichischer Historiker und Geschichtsvereine in der Zeit vom 3. bis 7. Mai 1999 (Veröffentlichungen des Verbandes österreichischer Geschichtsvereine 31, Wien 2002), S. 69–72, hier S. 70 f. Vgl. ferner Schorn-Schütte, Landesgeschichtsschreibung. 525 Siehe hierzu im Einzelnen oben S. 22, Anm. 7, S. 37, Anm. 85. 526 Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, passim. 527 Siehe hierzu im Einzelnen oben S. 38 f., 51, 56 ff. 528 So Schmid, Neue Wege, S. 42: „Die Hauptbedrohung für die Landesgeschichte geht aber von der gegenwärtigen Internationalisierungsdiskussion aus.“ 529 Vgl. etwa Volker Rödel, De la Landesgeschichte à la Geschichtliche Landeskunde. L’élaboration d’un champ historiographique et son évaluation, in: Revue d’Alsace 133 (2007), S. 23–36, insbesondere S. 31 f. Winfried Speitkamp, Die deutschen Universitäten und die Landesgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Revue d’Alsace 133 (2007), S. 435–449. Ders., Grenzen der Landesgeschichte. Bemerkungen zu neuen Standortbestimmungen, in: HJL 51 (2001), S. 233–256, hier S. 251–256. Zur Frage des Raumbegriffs auch Franz Irsigler, Landesgeschichte als regional bestimmte multidisziplinäre Wissenschaft, in: Brandenburgische Landesgeschichte heute, hg. von Liselott Enders / Klaus Neitmann (Brandenburgische Historische Studien 4, Potsdam 1999), S. 9–22, insbesondere S. 15–22. Zur Forschungsgeschichte auch Janssen, Programmatischer Neuansatz, S. 132. Schneider, Niederadel, S. 13 f. Ders., Deutsche Landesgeschichte im Wandel? Programmatik in überregionalen Bestandsaufnahmen seit etwa 1970 und künftige Entwicklungschancen, in: ZBLG 70 (2007), S. 33–55. Werner Buchholz, Vergleichende Landesgeschichte und Konzepte der Regionalgeschichte von Karl Lamprecht bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990, in: Landesgeschichte in Deutschland. Bestandsaufnahme – Analyse – Perspektiven, hg. von dems. (Paderborn u. a.
VII. Folgerungen für die Landesgeschichte
595
Raum530, hier insbesondere nach dem politisch-administrativen531. Bereits im Jahre 1989 forderte Pankraz Fried deshalb die Hinwendung der Landesgeschichte zur „Beziehungsforschung“532, Schmid spricht mit Blick auf Bayern von einer „interterritorialen Landesgeschichte.“533 Wüst fordert aus seiner Beschäftigung mit fränkischer Landesgeschichte sogar die vollkommene „Entgrenzung“, eine Auflösung des territorialen Arguments – „die festen Koordinaten einer politisch-rechtlichen Regionenbildung“ würden damit aufgehoben534. Neugebauer betont für die Zukunft einer „preußischen Geschichtsschreibung“ durchaus Vergleichbares, wenn auch differenzierter. So solle sie eine „verflochtene Geschichte“ sein, „verflochten nicht nur mit der europäischen Geschichte, sondern in globalen Zügen“535, wobei diese „Verflechtungslagen Preußens“ ein überepochales Phänomen seien536. Gleichzeitig fordert er die „Entetatisierung“ der preußischen Geschichte537; Staatlichkeit, so Neugebauer weiter, sei „in diesem Sinne […] dann nicht allein ein Produkt endogener Prozesse, sondern ganz wesentlich bedingt von Transferentwicklungen, die über politische Bedingungen von Staatsbildung weit hinausgehen.“538
1998), S. 11–60. Hans Patze, Probleme der Landesgeschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, in: Ausgewählte Aufsätze von Hans Patze, hg. von Peter Johanek / Ernst Schubert / Matthias Werner (VuF 50, Stuttgart 2002), S. 1–20. Oliver Auge, Dynastiegeschichte als Perspektive vergleichender Regionalgeschichte. Das Beispiel der Herzöge und Grafen von Schleswig und Holstein (Anfang 13. bis Ende 17. Jh.), in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 135 (2010), S. 23–46, hier S. 23–27. 530 Insofern man diese Diskussion überhaupt als neu verstehen will, vgl. hierzu Irsigler, Landesgeschichte, S. 14. Zum „weit-gefaßte[n] Region-Begriff der Spätmittelalter- und Frühneuzeit-Historiker (pragmatisch-länderübergreifend und strukturgeschichtlich)“, vgl. Schneider, Deutsche Landesgeschichte im Wandel?, S. 44, außerdem zum Raum S. 46–51. Zum Raum nun Ingrid Baumgärtner / Paul-Gerhard Klumbies / Franziska Sick, Raumkonzepte. Zielsetzung, Forschungstendenzen und Ergebnisse, in: Raumkonzepte. Disziplinäre Zugänge, unter Mitarb. von Mareike Kohls hg. von dens. (Göttingen 2009), S. 9–25, zur jüngeren Forschung insbesondere S. 11–20. 531 Buchholz, Vergleichende Landesgeschichte, S. 55. 532 Schmid, Neue Wege, S. 43 f., ohne Nachweis. 533 Ebd. 534 So aber Wüst, Netzwerke in Franken, S. 111. 535 Neugebauer, Wozu preußische Geschichte im 21. Jahrhundert?, S. 58. Einen globalen Zugriff auf Verflechtungsphänomene bieten Michael Limberger / Thomas Ertl, Vormoderne Verflechtungen von Dschingis Khan bis Christopher Columbus. Eine Einleitung, in: Die Welt 1250–1500, hg. von dens. (Globalgeschichte, Wien 2009), S. 11–28. 536 Neugebauer, Wozu preußische Geschichte im 21. Jahrhundert?, S. 56 f. 537 Ebd., S. 58. 538 Ebd., S. 56 f. Neugebauer fordert in diesem Zusammenhang auch die „Entindividua lisierung“ der preußischen Geschichte, „womit auch eine Entmythologisierung einhergehen darf: An die Stelle tritt also ein Preußen, das bei aller Machtentfaltung mit neu erkannten Freiräumen und Dynamiken interessanter wird, vielleicht auch ‚normaler‘.“ Vgl. ferner ders., Zur Staatsbildung Brandenburg-Preußens. Thesen zu einem historischen Typus, in: JBLG 49 (1998), S. 183–194.
596
G. Vergleiche und Folgerungen
Auch in dieser Studie wurden unter anderem Beispiele untersucht, die bislang, wenn überhaupt, nur aus rein landeshistorischer Perspektive betrachtet wurden. Im Falle der Brauneckschen Lehen wird deutlich, dass die landeshistorische Parzellierung einer Gesamtbetrachtung dieses Problems bislang hinderlich war, räumlich getrennte landeshistorische Forschungen sich gegenseitig nicht zu Kenntnis nahmen und damit zu verzerrten Ergebnissen kamen539. Die Überfälle des Wilhelm Zaunrüde sind aus einer allein landeshistorischen Perspektive nicht, sondern nur in den Wechselbeziehungen zahlreicher Territorien, reichs- und außenpolitischer Zusammenhänge zu verstehen540. Diese Verknüpfungen aufzuhellen, scheinen sowohl der Governance-Ansatz als auch die Perspektive von Politiknetzwerken helfen zu können. Akteure nämlich werden nicht zwangsläufig durch einen Raum bestimmt, sondern sach- und interessenbezogen ausgewählt. So wird der Blick geschärft für die vielfältigen Verflechtungen, in die die Akteure eingebunden waren, zunächst unabhängig von einer räumlichen Beschränkung. Anders als bei Wüst wird damit aber nicht die Kategorie des Raumes aufgelöst oder „entgrenzt“; vielmehr werden durch die Governance-Perspektive und die Vorstellung von Politiknetzwerken die Zusammenhänge vor allem des politisch-administrativen sowie des geografischen Raumes mit personalen und politischen Strukturen deutlicher. Denn die behandelten Beispiele haben gerade verdeutlicht, wie in vielfältiger Weise über politische Räume reflektiert wurde, wie diese wahrgenommen, verändert oder erst gebildet wurden541. Räume und politische Netzwerke erscheinen somit vielfach untrennbar miteinander verknüpft. So wurden auch Grenzen bewusst aufgegriffen, über sie verhandelt, gestritten oder sie wurden überwunden542 – man denke an die vielfältigen Grenzstreitigkeiten zwischen Albrecht von Brandenburg und Nürnberg sowie Herzog Ludwig dem Reichen543. Auch im Falle des Geleits zu Heideck ist ein rela 539
Siehe oben S. 247 ff. Ähnliches beklagt Schneider, Niederadel, S. 13 f. Siehe oben S. 349 ff. Weitere Beispiele oben S. 346. Ähnlich Schmid, Neue Wege, S. 40 f., der betont, dass Landesgeschichte überwiegend „Innenpolitik“ betrachte; ebenfalls sei aber auf die „Außenbeziehungen“ zu schauen. Vgl. außerdem Wolfgang Wüst, Methodische Impulse? Regensburg als Schnittstelle zwischen Reichs- und Landesgeschichte, in: Regensburg, Bayern und das Reich. FS Peter Schmid, hg. von Tobias Appl / Georg Köglmeier (Regensburg 2010), S. 247–267. Heilingsetzer, Landesgeschichte, S. 72. 541 Schon Moraw, Landesgeschichte und Reichsgeschichte, S. 176, konstatierte in diesem Zusammenhang: „Wird es mit dieser Kompliziertheit umso schlimmer, je weiter Landes geschichte wissenschaftlich fortschreitet, je besser man der Vergangenheit auf die Spur kommt? Ja und Nein. Ja insofern, als kein Weg mehr zurückführt zu jenen Vereinfachern, die mit einem Zugriff, auf Grund einer Ursache jahrhundertelange Entwicklungen zu deuten suchten. Nein aber insofern, als vielleicht trotzdem nicht die Notwendigkeit besteht, gegenüber einer Zusammenfassung, einer Ordnung der Phänomene ganz zu verzweifeln.“ 542 Zum Problem auch: Wilfried Reininghaus, Grenzen. Ein Problem der Landesgeschichte, in: Kirchenarchiv mit Zukunft. FS Bernd Hey, hg. von Claudia Brack u. a. (Schriften des Landesk irchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen 10, Bielefeld 2007), S. 15–27. 543 Siehe oben S. 308 ff. 540
VII. Folgerungen für die Landesgeschichte
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tiv geschlossener Raum lokaler Praktiken der Durchführung von Sicherheitsleistungen zu beobachten, in dem eingeschliffene Muster von in sich selbstregulierenden Netzwerken angewandt wurden544. Diese Räume werden durch die Perspektive von Governance und Politiknetzwerken erst sichtbar. Das Beispiel des Geleits von Heideck zeigt auch, wie vereinfachend im Einzelfall die Vorstellung von der „Entgrenzung“ sein kann. Die Begrenzung solcher lokal geschlossener Räume hing wesentlich mit „alternativen“ Formen des Regierens zusammen, nicht zuletzt mit der zeitweisen Abwesenheit von übergeordneten Interessen oder auch mit dem Willen, möglichst effizient Straßensicherheit zu gewährleisten545. Verschiedene Governance-Formen können somit zu neuen „Begrenzungen“ führen beziehungsweise neue Räume erst ausbilden. Ebenso konnte in dieser Arbeit die Konstituierung von Raum über Kommunikation beobachtet werden546; unter dem Blickwinkel politischer Netzwerke wird hierbei deutlich, dass Kommunikation als raumbildender Faktor neben andere tritt, eben Personenbeziehungen, Interessen und weitere. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die beobachteten Unterschiede des Umgangs und der Kommunikation mit Niederadligen im „Grenzgebiet“ zwischen Franken und Bayern und die Frage des gegenseitigen Vertrauens der Akteure in politischen Netzwerken an den Rändern eines Territoriums sowie die Bedeutung des sozusagen auf halber Strecke zwischen der Mark Brandenburg und den fränkischen Territorien weilenden Herzogs von Sachsen in den Kommunikationsnetzwerken der kurfürstlichen Verwaltung während der Abwesenheit des Kurfürsten547. Die Betrachtung von Governance-Formen und Politiknetzwerken muss somit nicht zwangsläufig zu „Entgrenzung“ führen, sondern kann auch neue, bisher nicht betrachtete Räume erst sichtbar werden lassen. Damit ist der in dieser Studie verfolgte Ansatz auf landeshistorische Unter suchungen mit ihren methodischen Eigenheiten548 zwingend angewiesen, umgekehrt verspricht aber auch seine Anwendung für die Landesgeschichte neue Erkenntnisse. Insbesondere im Hinblick auf die Methode des landeshistorischen 544
Siehe oben S. 314 ff. Siehe oben S. 342 ff., 519 f. 546 Siehe etwa oben S. 342 ff., 519 f. Vgl. Peter Kurmann / Thomas Zotz, Zur Einführung, in: Historische Landschaft – Kunstlandschaft? Der Oberrhein im späten Mittelalter, hg. von dens. (VuF 68, Ostfildern 2008), S. 9–18, hier S. 14 f. Außerdem die einschlägigen Beiträge in: Kommunikation und Raum. 45. Deutscher Historikertag in Kiel vom 14. bis 17. September 2004. Berichtsband, hg. von Arnd Reitemeier / Gerhard Fouquet (Neumünster 2005), insbesondere: „Vom Zentrum zum Netzwerk – Raumüberwindung in der hoch- und spätmittelalterlichen Kirche“ (Leitung: Hans-Joachim Schmidt), S. 108–112; „Konstruktion politischer Räume im Spätmittelalter“ (Leitung: Christine Reinle / Michael Rothmann), S. 140–144. Wolfgang E. Weber, Die Bildung von Regionen durch Kommunikation. Aspekte einer neuen historischen Perspektive, in: Kommunikation und Region, hg. von Carl A. Hoffmann / Rolf Kießling (Forum Suevicum 4, Konstanz 2001), S. 43–67. 547 Siehe oben S. 314 ff., 322, 324, 327, 336 f., 541. 548 Zur Landesgeschichte als „Methode“ vgl. Irsigler, Landesgeschichte, S. 15. 545
598
G. Vergleiche und Folgerungen
Vergleichs549 könnte es sich anbieten, stärker verschiedene Formen von Govern ance und Politiknetzwerke miteinander in Beziehung zu setzen und so die geforderte „Verflechtung“ stärker konzeptionell zu fassen550. So wird gleichzeitig ein Rahmen geschaffen, das bislang unter der Vorannahme von „staatlicher Entwicklung“ Unvergleichbare aufeinander beziehen zu können: Formen des Regierens von Königen und Kaisern, weltlichen und geistlichen Reichsfürsten ebenso wie von Niederadligen, Reichsstädten, Landstädten oder Bünden.
549 Schubert, Umformung, S. 263. Pankraz Fried, Einleitung, in: Probleme und Methoden der Landesgeschichte, hg. von dems. (WdF 492, Darmstadt 1978), S. 1–12, hier S. 7. Hermann Aubin, Aufgaben und Wege der geschichtlichen Landeskunde, in: ebd., S. 38–52, passim. Nun Buchholz, Vergleichende Landesgeschichte, S. 12. 550 Zur Methode des Vergleichs: Schneider, Deutsche Landesgeschichte im Wandel?, S. 50 f. Ders., Niederadel, S. 13 f., 537–547. Matthias Werner, Zwischen politischer Begrenzung und methodischer Offenheit: Wege und Stationen deutscher Landesgeschichtsforschung im 20. Jahrhundert, in: Die deutschsprachige Mediävistik im 20. Jahrhundert, hg. von Peter Moraw / Rudolf Schieffer (VuF 62, Ostfildern 2005), S. 251–364, hier S. 345–347. Hesse, Amtsträger, S. 25–27, wählt die von ihm untersuchten Fürstentümer insbesondere wegen „historische[r] Gegebenheiten und [aus] praktische[n] Gründe[n]“ aus. Neben der unterschiedlichen Überlieferungssituation seien die „Fürstentümer […] verschiedenen historisch-geographischen wie auch wirtschaftlich-sozialen Räumen“ zuzuordnen, „was einen Einfluss auf die Ausbildung der einzelnen Territorien und deren Verwaltung sowie die Rekrutierung der Amtsträger“ gehabt habe, vgl. ebd., S. 27. Seiner Auswahl liegt Moraws Modell zugrunde, wobei Hesse die Unterschiede in der „Modernität“ der jeweiligen Territorien hervorhebt. Skeptisch in Bezug auf vergleichende Studien: Dietmar Willoweit, Spätmittelalterliche Staatsbildung im Vergleich. Zur Erforschung der deutschen hoch- und spätmittelalterlichen Territorialstrukturen, in: Hochmittelalterliche Territorialstrukturen in Deutschland und Italien, hg. von Giorgio Chittolini / Dietmar Willoweit (Schriften des Italienisch-Deutschen Instituts in Trient 8, Berlin 1996), S. 23–30, hier S. 25 f. Zu Gegenstand und Erkenntnisinteresse der „vergleichenden Verfassungsgeschichte“ Ernst Pitz, Leistungen und Aufgaben der vergleichenden Verfassungsgeschichte, in: Mittelalterforschung nach der Wende 1989, hg. von Michael Borgolte (HZ. Beiheft 20, München 1995), S. 143–175, hier S. 143 f. Vgl. insgesamt auch die Beiträge in: Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. Zwanzig internationale Beiträge zu Praxis, Problemen und Perspektiven der historischen Komparatistik, hg. von Michael Borgolte (Europa im Mittelalter 1, Berlin 2001), insbesondere die Zusammenfassung von Frank Rexroth, Der Vergleich in der Erforschung des europäischen Mittelalters. Versuch eines Resümees, S. 371–380.
H. Zusammenfassung der Ergebnisse Viel mannigfaltiger, im Einzelnen widersprüchlicher und stärker als bislang angenommen an der Notwendigkeit und den Zwängen der Situation orientiert hat sich politisches Handeln um 1470 vollzogen. Nicht das gesetzte oder vorgegebene Ziel des „modernen Staates“ oder Ideen von „Modernisierung“, „Verfall“ oder „Verdichtung“ bildeten den Orientierungsrahmen der Akteure, sondern die Bedürfnisse der Praxis, die sich immer wieder aufs Neue bietenden Herausforderungen, Möglichkeiten und Beschränkungen. Ziel dieser Studie war es, in Anlehnung an die politikwissenschaftliche Govern ance-Forschung und mit Hilfe der Analysekategorie politischer Netzwerke politisches Handeln und die Strukturen, in denen sich dieses Handeln vollzog, zwischen 1470 und 1475 auf verschiedenen Ebenen des Reiches genauer zu erfassen, zu beschreiben und zu analysieren. Dabei wurde nicht wie sonst üblich von vornherein eine landes- oder reichshistorische oder auf die Außenpolitik bezogene Perspektive eingenommen; den analytischen Ausgangspunkt bildete vielmehr eine vertikale Personenbeziehung – die zwischen Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht Achilles von Brandenburg. Von ihr ausgehend wurden verschiedene politische Netzwerke von der lokalen Ebene bis in außenpolitische Zusammenhänge hinein untersucht. Im Zentrum stand dabei neben der reichen Urkunden- vor allem die umfangreiche Überlieferung der politischen Korrespondenz des Markgrafen Albrecht von Brandenburg mit einer Vielzahl verschiedener politischer Akteure im Reich. Die so gewonnenen Einblicke wurden anschließend aufeinander bezogen und mit der bisherigen Forschung konfrontiert. Im Folgenden sollen nicht die Ergebnisse zu den hier untersuchten historischen Einzelbeispielen wiederholt, sondern mit Blick auf die Fragestellung dieser Arbeit die wesentlichen grundsätzlichen Ergebnisse noch einmal thesenartig zusammengefasst werden. Sie beziehen sich zunächst auf das politische Gefüge des Reiches und seiner Glieder (1–6), dann auf Region und Politik (7–10), anschließend auf Aspekte des Regierens und der politischen Ordnung (11–17), sodann auf politische Akteure (18–22), auf handlungsleitende Motive und politische Handlungsmittel (23–27) und auf die sich aus den Befunden ergebenden Konsequenzen für die Untersuchungsperspektiven und damit auch auf methodische Folgerungen für die brandenburg-preußische und die fränkische Landesgeschichte (28–29) sowie schließlich auf Aspekte des hier verfolgten Ansatzes von Governance und politischen Netzwerken (30–32). 1. Mit Moraws Modell der „königsnahen“, „königsfernen“ und „königsoffenen Landschaften“ lässt sich die Wirksamkeit Kaiser Friedrichs III. um 1470 nur un-
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zureichend beschreiben. Der Kaiser intervenierte zielgerichtet auch in Regionen, die traditionell als „königsfern“ gelten. Dies ergaben nicht zuletzt die Untersuchungen zum Stettiner Erbfolgestreit sowie zur Rolle des Königs von Dänemark im Reich. Umgekehrt erscheint eine viel größere Zahl von Akteuren grundsätzlich am Kaiser interessiert, auch wenn viele von ihnen nicht direkt mit ihm in Kontakt traten. Besonders deutlich wurde dies durch die Analyse von politischem Handeln und der Kommunikation von Akteuren in Franken; so kann hier um 1470 weder von einer „königsnahen“ noch von einer „königsfernen“ Region gesprochen werden. Bei politischem Handeln von regionalen Akteuren wurde der Kaiser als Ordnungsfaktor vielfach mitbedacht; seine bloße Existenz bewirkte und beeinflusste politisches Handeln auch ohne sein persönliches direktes oder indirektes Eingreifen, wie sich nicht zuletzt durch die Untersuchung der Vorfälle von Heideck und Möhren zwischen Herzog Ludwig von Bayern-Landshut und Kurfürst Albrecht von Brandenburg ergab. Die Kategorien „Königsnähe“ und „Königsferne“ zeigen sich hingegen als viel stärker situations-, sach- und interessenbezogen. Ein und dieselbe Person konnte in einer Angelegenheit „königsnah“, in einer anderen „königsfern“ sein – Albrecht von Brandenburg etwa im Falle der Brauneckschen Lehen, die Nürnberger während des kaiserlichen Aufenthalts in ihrer Stadt 1471, die Herzöge von Pommern-Wolgast zu Beginn der 1470er Jahre. Angesichts dieser Befunde erscheint die Unterscheidung „königsnaher“ und „königsferner Landschaften“ zumindest für die Zeit um 1470 als nicht tragfähig; ihre Anwendung würde teilweise gar zu Fehlschlüssen führen. Welche Gefahren mit der Einschränkung des Blicks durch das Modell der „königsnahen“ und „königsfernen Landschaften“ verbunden sind, hat sich unter anderem besonders in der Auseinandersetzung mit der bislang vorherrschenden Deutung der Rolle der Kurfürsten auf dem Treffen von Trier zwischen Karl dem Kühnen und Kaiser Friedrich III. im Jahre 1473 gezeigt. 2. Zu vielfältig, zu gezielt, zu anpassungsfähig, zu reaktionsschnell und häufig doch zu wirkungsvoll zeigt sich das politische Handeln des Königs / Kaisers, als dass man mit Moraw sowohl in Bezug auf Friedrich III. als auch generell von einer „chronischen Überforderung“ des Königtums sprechen könnte. Die Untersuchung der Rolle des Kaisers in verschiedenen politischen Netzwerken ergab vielmehr eine Vielzahl unterschiedlicher Steuerungsmöglichkeiten, mit denen er auf Konflikte, Prozesse der Entscheidungsfindung und Formen der Organisation Einfluss nehmen konnte. Eine wichtige Rolle spielte dabei das Kommissionswesen, wie etwa die Untersuchung des Stettiner Erbfolgestreits sowie von Regionalkonflikten in Franken und Bayern gezeigt hat. Königliches Wirken in regionale und lokale Zusammenhänge hinein beschränkte sich jedoch nicht auf die Einrichtung und Erneuerung von Kommissionen, sondern ging wesentlich darüber hinaus – man denke nicht zuletzt an Ausnahmen aus Beistandsaufrufen, wie sie hier in Konflikten um das Herzogtum Pommern beobachtet werden konnten, oder an die Unterscheidung verschiedener Kommunikationsebenen und Öffentlichkeiten.
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Diese Befunde werden besonders durch die Auswertung von Korrespondenz zu regionalen und lokalen Kontexten in verschiedenen Regionen des Reiches aus dem Handlungsradius Albrechts von Brandenburg untermauert. Eine Stärke herrscherlichen Handelns war der Wechsel zwischen der Betonung der kaiserlichen Position als hierarchische Spitze des Reiches und seinem eher auf Kooperation ausgerichteten Verhalten in politischen Netzwerken, wie sich in dieser Studie von außenpolitischen Zusammenhängen beispielsweise um die Belagerung von Neuss bis in regionale und lokale Zusammenhänge hinein, etwa bei der Verfolgung des „Raubritters“ Wilhelm Zaunrüde, zeigte. Dass der König fast immer nur auf „Bestellung“ eingegriffen habe, trifft auf die politischen Verhältnisse um 1470 somit nicht zu und überbetont einseitig das Kommissionswesen Friedrichs III. Zwischen dem König und den Reichsmitgliedern ist von einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis auszugehen, das neben den von der Forschung bisher hervorgehobenen Gründen – insbesondere einem nicht näher definierten Grundkonsens – für den Zusammenhalt und Fortbestand des Reiches von entscheidender Bedeutung war. Diese Befunde verdeutlichen, dass die bisherige Forschung mit den klassischen Indikatoren von Urkundentätigkeit und -streuung im Raum, Itinerar sowie über die Ermittlung von am König interessierten Gruppen die königliche Wirksamkeit um 1470 nur unzureichend ermitteln kann. Gleichzeitig zeigen sie, inwieweit der Governance-Ansatz und die Perspektive von Politiknetzwerken dieses methodische Instrumentarium erweitern und bisher verdeckt gebliebene Zusammenhänge erhellen können. 3. Insbesondere die „dezentralen Machtgefüge“ oder „interterritorialen Systeme“ erscheinen um 1470 weder in vertikaler noch in horizontaler Richtung so abgeschlossen und in sich gefestigt wie bisher angenommen. Entgegen Moraws Vorstellung hatte auch die Vielzahl der „kleineren“ beziehungsweise weniger bedeutenden Akteure dieser „Machtgefüge“ teilweise beachtliche Handlungsspielräume auf allen Ebenen, auf denen sich politisches Handeln vollzog, und in verschiedenen solchen „Machtgefügen“. Als Beispiele für die vertikale Verknüpfung „dezentraler Machtgefüge“ sind nicht zuletzt die zahlreichen Mitglieder der Familie von Eyb im Zusammenhang mit der Übertragung der Brauneckschen Lehen, das Wirken des Wilhelm Zaunrüde in verschiedenen Räumen von lokalen Zusammenhängen bis in die Außenpolitik hinein oder auch das politische Handeln der Herzöge von Mecklenburg und Pommern sowie der Bischöfe von Bamberg und Würzburg gleichwie der Reichsstadt Dinkelsbühl oder Ottos von PfalzMosbach zu nennen. Die horizontale Offenheit solcher „Machtgefüge“ zeigte sich anhand ihrer vielfältigen, sich nicht zuletzt aus der Korrespondenz ergebenden Vernetzung, etwa durch Herzog Wilhelm von Sachsen als „Relais“ zwischen Brandenburg-Mecklenburg-Pommern und Franken; ebenso kommen hier als Beispiele der Knecht Hans Luft bei seinem Wirken zwischen den Territorien der bayerischen Wittelsbacher
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und den fränkischen Besitzungen Albrechts von Brandenburg, Jobst von Einsiedel oder auch die von Rosenberg als Bindeglieder zwischen Räumen in West und Ost in Frage. Die „Machtgefüge“ erweisen sich also bei genauerem Hinsehen als eher sach-, interessen- und lagebezogene Gebilde und keineswegs absolut bestimmbar und starr, wie Moraw annahm. Für die Zeit um 1470 erscheint es somit adäquater, die entsprechenden politischen Netzwerke zu ermitteln. Das klassische Bild einer hierarchischen Ordnung von Königtum, „zentralen“ und „dezentralen Machtgefügen“ stellt sich somit in der Praxis, die unter der Perspektive politischer Netzwerke und von Governance erst sichtbar wird, als weitaus differenzierter dar. 4. Das Kurfürstenkollegium handelte um 1470 nicht als institutionalisierte Einheit, wie es die Kurfürsteneinung vorsah. Den Kurfürsten scheint zwar ihre gegenseitige Anerkennung wichtiger gewesen zu sein als die kaiserliche Bestätigung, aber ihr überwiegender Teil war zu Beginn des Beobachtungszeitraums vom Kaiser nicht legitimiert und damit in seiner Position unsicher; gleichzeitig schlugen sich die im Einungsvertrag vorgesehenen Formen ihrer Organisation in der Praxis nur vage nieder. Auch von einem solidarischen Verhalten der Kurfürsten untereinander kann nicht grundsätzlich, in diesem Untersuchungszeitraum vielmehr nur ausnahmsweise gesprochen werden, wie an der Untersuchung ihres Handelns in der Reichspolitik der Jahre 1473 und 1474 entwickelt werden konnte – ein einheitliches kurfürstliches „Selbstbewusstsein“ gab es zu dieser Zeit nicht. Je nach Interesse und Gegenstand ergaben sich vielmehr ganz unterschiedliche Kooperationen, aber auch Konflikte einzelner Kurfürsten untereinander, wobei sich auch hier vielfach regionalpolitische mit reichspolitischen Motiven mischten. In der Reichspolitik spielten außerdem nur wenige Vertreter aus ihrem Kreise eine herausragende Rolle, insbesondere gerade die bislang als „königsfern“ bezeichneten und auf diese Weise oft nicht näher berücksichtigten Kurfürsten von Brandenburg und Sachsen. Von den von der Forschung bisher als besonders institutionell verfestigt bezeichneten „rheinischen Kurfürsten“ kann in diesen Tagen keineswegs als Handlungseinheit gesprochen werden. 5. Mit dem Befund vom Fehlen einer zunehmend institutionalisiert handelnden kurfürstlichen Kerngruppe geht der Umstand einher, dass um 1470 kein grundsätzlicher Dualismus zwischen Kaiser und sich formierenden Reichsständen beobachtet werden kann. Als zu vielfältig, im Einzelnen zu situations- und interessenabhängig sowie zu wenig scharf voneinander zu trennen haben sich Personenkonstellationen auf der Ebene der Kur- und weiterer Reichsfürsten erwiesen, als dass von einem echten Dualismus gesprochen werden könnte. In der politischen Praxis ergaben sich dagegen viel stärker teilweise situationsbezogene, teilweise sehr feste und auf Dauer ausgerichtete Netzwerkstrukturen ganz unterschiedlicher Akteure. Solche Orte besonderer Intensität von politischem Handeln sind etwa in der Beziehung zwischen Kaiser Friedrich III. und Kurfürst Albrecht von Brandenburg oder auch mit dem Erzbischof von Mainz zu sehen. Damit be-
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stätigt diese Studie Schuberts These, dass von einem „echten“ Dualismus erst später, am Ausgang des 15. Jahrhunderts gesprochen werden kann. Dieser Befund hat Auswirkungen auf das etablierte Modell zur Erklärung der Entstehung von Reichsinstitutionen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Anscheinend waren für die Ausdifferenzierung und Verfestigung des Reichstages zur Institution kommunikative Prozesse zwischen den Fürsten, die Organisationsund Aktivierungsleistungen Einzelner – man denke hier an die Kommunikationsfunktion Albrechts von Brandenburg oder auch der Reichsstadt Nürnberg – sowie individuelle Interessenlagen auf allen Ebenen politischen Handelns erheblich wichtiger. 6. Politisches Handeln im Inneren des Reiches und außenpolitisches Handeln sind verschieden. Außenpolitik um 1470 kann sowohl als gemeinsames Handeln der Reichsmitglieder im Sinne von Wefers als auch als jede über den eigenen Machtbereich des Herrschers hinausweisende politische Aktion im Sinne von Berg beobachtet werden. Von außenpolitischen Zusammenhängen lassen sich umgekehrt Rückwirkungen auf Herrschaftsorganisation und -praxis von Akteuren sowie auf politisches Handeln insgesamt beobachten, wie die Analyse der Kommunikation zwischen Albrecht von Brandenburg und seiner Gattin Anna sowie dem Hausvogt Sebastian von Seckendorff während des Reichskriegs gegen Karl den Kühnen ergeben hat. Aus partieller Reichsmitgliedschaft eines Akteurs konnten besondere Handlungsspielräume sowohl für ihn selbst als auch für seine Partner erwachsen; dies wird besonders deutlich an der Rolle Karls des Kühnen und Christians von Dänemark in den Jahren 1470 bis 1475. „Innen“ und „außen“ wurden außerdem von den Zeitgenossen reflektiert und immer wieder lagebezogen neu definiert. Wissen um Netzwerkkonstellationen und Vertrauen zwischen den Akteuren haben sich als besonders wichtige Bedingungen für außenpolitisches Handeln ergeben. Deshalb hat die Kategorie der „Auswärtigen Beziehungen“ beziehungsweise der „Außenpolitik“ des Reiches aus der Sicht von Governance und politischen Netzwerken durchaus ihre Berechtigung. Außenpolitisches Handeln erscheint damit aber grundsätzlich anders strukturiert als politisches Handeln zwischen Fürsten innerhalb des Reiches, sodass die Kategorie der „Auswärtigen Politik“ – entgegen vereinzelter Tendenzen der jüngeren Forschung – auf die Reichsebene beschränkt bleiben sollte. 7. Um 1470 wurde um die Abgrenzung von Herrschaftsbereichen und Territorien zwischen verschiedenen Akteuren gerungen. Das sogenannte „Bündelungsmodell“ zur Beschreibung des Ausbaus von Landesherrschaft und der Verfestigung der Territorien erweist sich allerdings angesichts der an politischen Netzwerken und Governance ermittelten Ergebnisse zur Erklärung der dabei ablaufenden Prozesse als nicht ausreichend. Kommunikative Prozesse und die Partnerschaft zwischen „staatlichen“ und „alternativen“ oder „privaten“ Akteuren, „weiche“ Faktoren wie Vertrauen, die Abhängigkeit von Interessennetzwerken und
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Personenbindungen sowie äußere, unabhängige Einflüsse hatten an der Abgrenzung und Ausgestaltung der Territorien wohl erheblich größeren Anteil als bislang angenommen. Dies verdeutlichen besonders die Frage der Brauneckschen Lehen, die Konflikte um Heideck und Möhren sowie die politischen Netzwerke um Nürnberg zwischen 1470 und 1475. „Territorialpolitik“ folgte bisweilen viel stärker situativen Konstellationen in Netzwerken, wobei die Aktivierung oder Intensivierung von Hoheitsrechten ein Teil von politischem Handeln sein konnte, nicht aber um jeden Preis und grundsätzlich verfolgt werden musste sowie ganz anderen Interessen geschuldet sein konnte; dies ergab vor allem die Betrachtung von Konflikten in Franken und Bayern zwischen Albrecht von Brandenburg, Herzog Ludwig dem Reichen und der Reichsstadt Nürnberg. Mehrfachverpflichtungen von Untertanen etwa konnten durchaus im Interesse eines Herrn sein, da diese ihm indirekt Netzwerkverbindungen zu anderen Herren erschließen und damit Handlungsspielräume eröffnen konnten – man denke an die Beispiele des Ludwig von Eyb, des Hans von Seckendorff oder auch der Nürnberger Bürger. Ebenso konnte die Monopolisierung von Herrschaftsrechten „nach unten“ eine Zunahme der Verflechtung „nach oben“ bedeuten, wie sich im Falle der Frage der Brauneckschen Lehen zeigte. Außerdem konnte die Anhäufung einer Vielzahl kleiner, kalkulierbarer Konflikte politische Räume stabilisieren, ohne dass es dazu wirklicher „Territorialisierungsbemühungen“ bedurfte, wie sich an den Beziehungen Albrechts von Brandenburg und der Reichsstadt Nürnberg zeigte. Insgesamt ergibt sich daraus, dass Konflikte um Hoheitsrechte kein eindeutiger Indikator für „Territorialisierungsbemühungen“ sein müssen. In dieser Studie konnte außerdem die von Merz festgestellte, im Laufe des 15. Jahrhunderts grob von Südosten nach Nordwesten des Binnenreichs sich ausbreitende „neu ausgeprägte“ flächenhafte Konzeption von Herrschaft bereits kurz nach der Jahrhundertmitte in Pommern nachgewiesen werden. Die Wahrnehmung unterschiedlicher Herrschafts- und Territorialkonzepte durch die Zeitgenossen passt zum Befund, dass das „Bündelungsmodell“ zur Erklärung von „Territorialisierungsprozessen“ nicht ausreicht, sich vielmehr durchaus situations-, sach- und interessenbezogen Handlungsalternativen boten. 8. Mit der Übernahme der Mark Brandenburg 1470 vereinte Albrecht Achilles verschiedene Territorien in seiner Hand, die schon von den Zeitgenossen als unterschiedlich wahrgenommen wurden. Die überwiegend in landeshistorischen Forschungen auftretenden, einander widersprechenden Interpretationen, zum einen dass allein die fränkischen Territorien der Herrschaftsmittelpunkt des Kurfürsten gewesen seien und die Mark Brandenburg zu einem „Nebenland“ abgesunken sei, zum anderen dass sich der Herrschaftsschwerpunkt ab 1470 von Franken in die Mark verlagert habe, erscheinen jeweils als zu einseitig. Die räumlich unverbundenen Herrschaftsteile hingen in der politischen Praxis nicht unbedeutend voneinander ab. Die Mark Brandenburg bot dem Markgrafen Argumentationsund Handlungsspielräume etwa gegenüber seinen fränkischen Herrschaftskonkur-
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renten in Fragen der „Territorialisierung“, in Brandenburg übliche Abgaben wurden nach Franken übertragen. Umgekehrt wurde in politischen Argumentationen in der Mark auf das Burggraftum Bezug genommen. Die Handlungsspielräume Albrechts von Brandenburg in einem Herrschaftsteil wurden unter anderem von den Bedingungen im jeweils anderen Territorium mitbestimmt und der Transfer von Herrschaftstechniken erfolgte offensichtlich nicht ausschließlich einseitig von Franken in die Mark, sondern durchaus auch umgekehrt. Unter der Governance-Perspektive erweist sich die „Doppelherrschaft“ des Kurfürsten weniger als Problem, sondern eher als Herausforderung und Chance für die Herausbildung neuer Formen des Regierens, etwa unter Einbeziehung Herzog Wilhelms von Sachsen, der stellvertretend Regierungsaufgaben in Franken übernahm; auch besondere Techniken brieflicher Kommunikation konnten Abwesenheit ersetzen helfen. So gesehen erweisen sich auch Bewertungen der hohenzollerischen Herrschaftsteile als „verspätet“ oder „fortschrittlich“ als zu undifferenziert. Der landeshistorische Vergleich birgt in diesem Zusammenhang Gefahren, wenn solche äußerlich getrennt erscheinende Gebilde miteinander in Beziehung gesetzt werden, ohne dass die verdeckten Verflechtungen berücksichtigt werden. Solche von der Frühneuzeitforschung als „zusammengesetzte Staatlichkeit“ bezeichnete Phänomene der „Doppelherrschaft“ können mit dem Governance-Ansatz sowie der Perspektive politischer Netzwerke analysiert, dargestellt und so dem landeshistorischen Vergleich erst zugänglich gemacht werden. 9. Die Rückprojektion von Kennzeichen moderner Verwaltung, etwa hierarchisch gegliederter Instanzen, rationaler Amtsführung ohne Ansehen der Person oder überpersönlicher Verfahrensregeln ebenso wie der Existenz von Schriftlichkeit, erweist sich zur Bestimmung von Staatlichkeit um 1470 als problematisch. In dieser Studie wurde an mehreren Stellen ein für die Verwaltungsgeschichte methodisch unüblicher Weg gewählt, nämlich die „Verwaltung“ nicht als geschlossene Idealstruktur, sondern in ihrem Handeln in Konflikten mit territorialen Nachbarn zu untersuchen. Durch den Fokus auf die Perioden der Abwesenheit des Kurfürsten konnte dabei die vielfältige Korrespondenz des Markgrafen mit seiner „Verwaltung“ für die Rekonstruktion von Verwaltungshandeln nutzbar gemacht werden. Während Schriftlichkeit ebenso der Organisation von Wissen dienen konnte, zeigten sich die durchaus straff anmutenden Strukturen im Verwaltungshandeln als viel stärker an der Praxis orientiert, bisweilen weniger hierarchisiert, oft unter Einbeziehung „informeller“ Netzwerke und „alternativer“ Akteure. Fremde Fürsten, Fürstengattinnen und andere weibliche Familienmitglieder, Pfarrer, Knechte, Niederadlige ohne Dienstverpflichtung und andere kommunizierten, organisierten und reagierten auf vielfältige politische Herausforderungen – besonders zu erwähnen sind hier Herzog Wilhelm von Sachsen sowie Albrechts Gattin Anna. Die hierarchische Struktur zwischen den „Instanzen“ zeigte sich in der Praxis als häufig durchbrochen, nivelliert oder gar teilweise umgekehrt.
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Der Zuwachs an Strukturen der „Verwaltung“ wurde von den Zeitgenossen durchaus kritisch hinterfragt, wie etwa die Reflexionen Albrechts von Brandenburg über die Einführung einer „Straßenpolizei“ gezeigt haben – auch eine vermeintlich „fortschrittliche“ Finanzverwaltung war nicht alternativlos; handlungsleitend wirkten vielmehr Parameter wie Effizienz, Chance der Durchsetzung sowie der Faktor Zeit. Räte und andere „Verwaltungsbeamte“ konnten bei der Verfolgung von Interessen ihres Herrn zugleich gezielt Eigeninteressen verfolgen, ohne ihren Eid zu brechen – dies führten die Untersuchungen zu Ludwig von Eyb, Hertnidt vom Stein, Peter Knorr oder auch zur Familie von Seckendorff vor Augen; wie die Rekonstruktion des Zusammenspiels von Verwaltungsakteuren vom Markgrafen bis hin zum hohenzollerischen Amtmann im Konfliktfall gezeigt hat, konnten die Spielräume der einzelnen „Instanzen“ in der Praxis beachtlich groß sein. 10. Die Kontroversen der Forschung um „Fehde“ und „Raubrittertum“ erscheinen aus der Perspektive politischer Netzwerke und von Governance weit weniger grundsätzlich. Hinter Raubüberfällen standen oft weitgespannte und mehrere Generationen umfassende Interessengeflechte; mit ihnen wurden häufig neue Netzwerke aktiviert. Die Akzeptanz solcher Übergriffe hing wesentlich von den Individualinteressen der Einzelakteure ab, ebenso die Legitimität der Verfolgung von Übergriffen. Weiche Faktoren wie Wissen um Netzwerkkonstellationen und Interessen waren wichtige Voraussetzungen für die effektive Verfolgung von Gewalt, wie die Auswahl von geeigneten Personen zur Herstellung von Sicherheit im Umfeld Albrechts von Brandenburg gezeigt hat. Individuelle Kooperationen – das lokale Geleitnetzwerk zu Heideck sei hier ebenso genannt wie das Kooperationsnetzwerk mehrerer Städte zur Ergreifung des Wilhelm Zaunrüde – erscheinen als bisweilen erheblich effizienter als „Institutionen“, etwa eine „Straßentruppe“. Die Gegenüberstellung von „öffentlicher“ und „privater“ Gewaltausübung zeigt sich angesichts dieser vielfältigen Kooperationen als Rückprojektion der modernen Vorstellung vom Gewaltmonopol im Anstaltsstaat. 11. Herrschertreffen als zentrale politische Ereignisse an einem Ort zu betrachten, erweist sich für die Zeit um 1470 vielfach als problematisch. Vielmehr vollzog sich gleichzeitig an verschiedenen Orten des Reiches politisches Handeln, das sich gegenseitig bedingen konnte, wie insbesondere die Konstellationen im Reich um die Reichsversammlungen von Trier und Köln verdeutlicht haben. Persönliche Abwesenheit musste nicht unbedingt politisches Desinteresse oder gar Missfallen bedeuten; sie konnte vielmehr von den politischen Bedürfnissen sich überlagernder Themenfelder bewirkt sein, wie etwa Albrechts von Brandenburg reichspolitische Rolle bei den Tagen 1473 und 1474 im Zusammenhang mit einer polnischen Gesandtschaft oder auch die Herzog Ludwigs des Reichen beim Tag von Augsburg 1474 verdeutlicht haben. Kommunikation konnte Abwesenheit wirksam „überspielen“. 12. Ursprünglich an anderen Epochen entwickelte Modelle zu symbolischer Kommunikation und Ritualen lassen sich nicht unreflektiert auf die Verhältnisse
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um 1470 übertragen. Anders als in quellenärmeren Zeiten können Aushandlungsund Entscheidungsprozesse in Form von mündlichen Beratungen um 1470 vielfach nachvollzogen werden. Verhandlungen über „handfeste Interessen“ gingen mit der Aushandlung der später öffentlich zu vollziehenden Inszenierungen eine untrennbare Verbindung ein, sie bedingten einander. Rituale konnten durchaus vereinnahmt, missbraucht, umgedeutet und bewusst instrumentalisiert werden. Somit konnten sie gleichermaßen die Ordnung stabilisieren wie destabilisieren. Besonders hervorzuheben sind hier der herrscherliche Adventus, das Geleit, Sitzordnungen und Zeremonielles auf Reichsversammlungen. 13. Normen wie die Goldene Bulle, kurfürstliche Einungsverträge oder kaiserliche Landfrieden, aber auch lokale Rechte spielten um 1470 eine wichtige Rolle für die politischen Strukturen und politisches Handeln, und zwar weit über die symbolisch-rituelle Praxis hinaus. Ihre praktische Anwendung hing wesentlich von der Überschneidung von Interessen der beteiligten Akteure und Personenkonstellationen ab, wie besonders deutlich am Umgang mit den Regelungen der Goldenen Bulle bei der Herrschaftsweitergabe in der Mark Brandenburg im Jahre 1470 gezeigt werden konnte. Insbesondere schriftlich fixierte Rechtstexte regelten situationsbezogen politisches Handeln und Verhalten insgesamt; Governance-Prozesse konnten mit ihrer Hilfe angeregt, geordnet und legitimiert werden, wie sich etwa an der Bedeutung der Landfrieden zeigte. Zur effektiven Normsetzung bedurfte es weder eines einheitlichen Gesetzgebers noch einheitlicher Überwachungsinstitutionen. Was unter modernstaatlicher Perspektive als mangelnde Rechtsgeltung oder Effektivität verstanden werden könnte, erweist sich unter der Governance-Perspektive als flexibles und durchaus wirksames Strukturierungsmittel. 14. Um 1470 waren Höfe nicht die alleinigen Zentren politischen Handelns. Insbesondere die Vorstellung vom Kaiserhof als einzigem Mittelpunkt „staatlicher Existenz“ erweist sich als unzutreffend. Stattdessen ergeben sich stärker polyzentrische Kooperationsstrukturen zwischen zahlreichen Akteuren verschiedenen Ranges im Reich, die politisches Handeln bündelten und koordinierten. Politisches Handeln vollzog sich innerhalb dieser Netzwerke zwischen verschiedenen Punkten größerer Verdichtung, die sich gegenseitig bedingten; geographisch ist Politik deshalb vielfach nicht eindeutig zu lokalisieren, wie sich nicht zuletzt aus den Entwicklungen um Karl den Kühnen und Friedrich den Siegreichen immer wieder zeigte. Die für diese Netzwerke unabdingbare Kommunikation erfolgte mündlich und brieflich. 15. Die für die Mediävistik bekannte Gestaltung von Personenverbindungen, Verwandtschaft, Freundschaft und Lehen, ist vertikal und horizontal zu erweitern um eine Bindung durch Information und Kommunikation sowie um eine durch Konflikt; bei letzterer ist nicht zuletzt an die Verbindungen Kaiser Friedrichs III. mit Friedrich dem Siegreichen sowie Karl dem Kühnen zu denken. Akteure konnten durch die Bündelung von Wissen und vielfältigen Informationen sowie durch
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ihre gezielte Weiterleitung beachtliche Einflussmöglichkeiten erlangen, sodass Wissen und Information Machtfaktoren werden konnten, die gleichberechtigt neben den herkömmlichen Kriterien für Macht stehen. Zu nennen sind die in dieser Studie unter anderen näher behandelten Akteure Herzog Wilhelm von Sachsen, Ludwig von Eyb, Albrecht Klitzing, Hertnidt vom Stein, aber auch die Knechte Hans Luft oder Fritz Keubel sowie Jobst von Einsiedel. Außerdem konnten – entgegen Wertungen der jüngeren Forschung – an der Intensivierung vertikaler Personenbeziehungen auch Niederrangige Interessen haben; diese Bindungen mussten nicht nur der Herrschaftskonsolidierung dienen und konnten gleichermaßen wie horizontale Bindungen als „strategisches Mittel“ eingesetzt werden. 16. An zahlreichen Stellen dieser Studie traten Neutrale auf, insbesondere als Vermittler in Konflikten. Neben dem von Oschema als spezifisch „mittelalterlich“ bezeichneten Modus von Neutralität als einer gleich intensiven Beziehung zu beiden Streitparteien lassen sich um 1470 weitere Formen erkennen: zum einen Neutralität aus Eigeninteressen – man denke an das Engagement etwa der Reichsstadt Dinkelsbühl oder auch des Bischofs von Eichstätt in Regionalkonflikten in Franken –, zum anderen Neutralität durch Konflikt, das heißt Akteure, die sich in dem einen Konflikt als Partei gegenüberstanden und in einem anderen als neutrale Vermittler an einer Lösung mitwirkten – wie sich besonders im Zusammenhang mit dem Stettiner Erbfolgestreit zeigte. 17. Der Ansatz zur Bestimmung von „Orten der Macht“ bei herrscherlichen Aufenthalten in einer Stadt hat sich auch für die Zeit um 1470 als tragfähig erwiesen. Dabei sind allerdings immer auch die vielfältigen Verbindungen der Beteiligten zu berücksichtigen, die die Bewegungsmöglichkeiten des Herrschers in der Stadt wesentlich beeinflussen konnten. Dies hat vor allem die Analyse des Auf enthalts Kaiser Friedrichs III. in Nürnberg 1471 ergeben. 18. Reichsstädte traten in ihrem politischen Handeln anderen Akteuren mehrgestaltig gegenüber, als Subjekt oder als Summe vieler einzelner Bürger, wie sich besonders am Beispiel Nürnbergs gezeigt hat. Die Spezifika des „Akteurs Stadt“ wurden von den Zeitgenossen reflektiert, wie nicht zuletzt aus der Korrespondenz Albrechts von Brandenburg hervorgeht. So ergeben sich Besonderheiten in den städtischen Handlungsoptionen sowie im politischen Umgang mit ihnen durch andere Akteure. So waren insbesondere „weiche“ Mittel der Beeinflussung wichtig. Zu nennen sind nicht zuletzt Begünstigungen, die sich bis zur Korruption verdichten konnten, der Einsatz lehnrechtlicher Bindungen zwischen Bürgern, Niederadel und Fürsten sowie Argumentationen mit Spott, Hohn und Ironie. Reichsstädtische Politik zeigte sich außerdem vielfach stark personalisiert in Führungspersönlichkeiten, die in politischen Netzwerken bald eigenständig, bald für ihre Stadt auftreten konnten, man denke an Niklas Muffel, Jobst Tetzel oder auch Hans Egen. Von einer grundsätzlichen Abneigung zwischen Bürgertum und Adel kann angesichts der hier beobachteten vielfältigen Verflechtungen und der häufigen Koope-
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ration zwischen ihnen keine Rede sein, wie sich bei der Analyse verschiedener politischer Aktivitäten zwischen Wilhelm Zaunrüde, Albrecht von Brandenburg, Nürnberg, Dinkelsbühl, Regensburg oder etwa Augsburg gezeigt hat. Reichsstädte waren somit – entgegen der Annahme in Teilen der Forschung – vielfach gleichberechtigte politische Partner und hatten den Fürsten durchaus vergleichbare Handlungsmittel und damit auch Anteil an der Ausbildung neuer Formen politischer Interaktion. Dies wird allerdings erst sichtbar, wenn modernstaatliche Vorannahmen abgelegt werden. 19. Bei der Untersuchung von geistlichen Kollegialinstituten als „Stätten der Begegnung zwischen Kirche und Welt“ kann es helfen, nicht nur die Verflechtung eines Instituts mit der „Welt“, sondern auch die vielfältigen Verbindungen zwischen mehreren solcher Einrichtungen zu untersuchen. Die Betrachtung der Frage der Brauneckschen Lehen zwischen den Domkapiteln von Bamberg und Eichstätt unter der Perspektive politischer Netzwerke etwa hat besonders vor Augen geführt, dass so verdeckte Verflechtungen sichtbar werden, mit denen bislang als merkwürdig bezeichnete Vorgänge plausibler zu erklären sind. 20. Frauen erfüllten in der Politik um 1470 wichtige Funktionen. In dieser Studie erscheinen sie nicht nur passiv, sondern vielfach als quasi selbstständig handelnd. Dabei sind zum einen (weibliche) Netzwerke hervorgetreten, über die in familiären wie in politischen Fragen gleichermaßen Einfluss genommen werden konnte, wie die Beispiele Dorotheas von Dänemark und Annas von Sachsen gezeigt haben. Zum anderen übernahm nicht nur, aber gerade verstärkt in besonderen Situationen etwa Albrechts von Brandenburg Gattin wichtige Funktionen in der Herrschaftsorganisation – von der Sorge um die Gesundheit der Familienmitglieder über Informations- und Koordinierungstätigkeiten bis hin zur Verwaltungsorganisation. 21. Die etablierte Vorstellung von Räten als treue Diener ihrer Herren, die sich – insbesondere im Falle der „gelehrten Räte“ – im Wesentlichen durch ihre Fachqualifikation auszeichnen, erscheint vor dem Hintergrund der Ergebnisse dieser Studie als vielfach zu kurz gegriffen. Neben der prosopografischen Untersuchung dieses Elitenphänomens hinsichtlich ihrer „Bildungskarrieren“ ist bei der Rekonstruktion ihrer Bedeutung für die Politik ihrer Herren zu berücksichtigen, dass ihr Wissen insbesondere um Netzwerkstrukturen sowie individuelle Befindlichkeiten anderer politischer Akteure, aber auch ihre Verwandtschaftsverflechtungen die politische Wirksamkeit und Handlungsspielräume ihrer Herren maßgeblich beeinflussten. Räte waren vielfach somit weniger „Beamte“ als vielmehr „Strippenzieher“ oder gar selbst „Politiker“, wie nicht zuletzt Ludwig von Eyb, Hertnidt vom Stein, Albrecht Klitzing oder auch Sebastian von Seckendorff verdeutlichen. 22. Die Prosopografie ist nicht Teil eines Modells, sondern lediglich Hilfsmittel und Methode. Um 1470 rechtfertigt an vielen Stellen die Masse der Überlieferung die unkritische und alleinige Anwendung des eigentlich für quellenärmere Zeiten entwickelten Ansatzes nicht mehr. Nicht von vornherein sollte deshalb die
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Betrachtung entweder auf Individuen oder auf Gruppen beschränkt werden; mit Politiknetzwerken wird dagegen unvoreingenommen das Verhältnis von Individuen und Gruppen untersucht. Erst dann sind die individuellen Verknüpfungen der Akteure nachzuvollziehen, wie sich in dieser Studie vor allem im Zusammenhang mit den Räten immer wieder zeigte. 23. Die Ehre hat sich auch im Zusammenhang mit politischem Handeln um 1470 auf allen hier untersuchten Ebenen als wichtige Kategorie erwiesen – von außenüber reichspolitische und niederadlige bis hin zu reichsstädtisch-bürgerlichen Kontexten. Sie erfüllte verschiedene Zwecke. Zum einen diente sie der Steuerung von Personenbindungen durch einen Höherrangigen, wie etwa der Bezug auf den gemeinsamen Adventus durch Kaiser Friedrich III. gezeigt hat. Daneben erscheint der Rückgriff auf die Ehre als Argumentationsmittel in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen; verschiedene Akteure konnten unterschiedlich mit ihr argumentieren, wie sich im Zusammenhang mit Karl dem Kühnen zeigte. Die Ehre konnte gleichermaßen handlungsleitend und handlungshemmend wirken. Neben der Vorstellung von Ehrvermehrung und -minderung konnte auch eine absolute Ehrvorstellung beobachtet werden. 24. Wutausbrüche, Ironie, Lachen, Spott und Hohn: Emotionen waren um 1470 feste Bestandteile politischer Kommunikation und politischen Handelns bei Fürsten ebenso wie Städten und einer Vielzahl anderer Akteure. Die Anspielung auf Emotionen konnte zum einen zur Steuerung von Beziehungen und des Hoflebens insbesondere bei Abwesenheit dienen, wie sich aus der Betrachtung der Kommunikation Albrechts von Brandenburg mit seiner Gattin Anna während des Reichskrieges gegen Burgund ergab; vor allem Ironie hatte daneben ihren festen Platz in der Korrespondenz des Markgrafen insgesamt. Sie konnte etwa als Ausdruck verdeckten Tadels dienen oder auch als allgemeine Handlungsanweisung an die Verwaltung gegenüber politischem Handeln der Gegner ausgegeben werden, wie die Kommunikation Albrechts von Brandenburg mit seinen Räten in verschiedensten Zusammenhängen vor Augen geführt hat. Spott, Hohn und Ironie wurden außerdem gezielt als politisches Mittel nach außen eingesetzt, um einem Gegner entgegenzutreten, insbesondere um Reaktionen zu provozieren – ebenso durch die Verbreitung von Spottliedern oder in mündlichen Verhandlungen, wie sich besonders im Zusammenhang mit der reichsstädtisch-nürnbergischen Politik gezeigt hat. Häufig lässt sich auch ein Zwang zur Reaktion auf Herabsetzungen erkennen – allerdings wirkte er nicht absolut, sondern bestimmte neben anderen Parametern das Handeln der Akteure. Emotionen treten als handlungsleitende Motive somit gleichberechtigt neben klassische Formen der Interaktion. Gleichwohl bleibt häufig offen, inwieweit die Erwähnung von Emotionen in den Quellen mit tatsächlichen Gefühlsregungen zusammenhängt. 25. Wichtiger Bestandteil der politischen Kommunikation um 1470 waren Gerüchte. Immer wieder wurden Gerüchte weitergegeben, überprüft oder berichtigt – gleichzeitig wurden auf ihrer Grundlage politisches Handeln ausgelöst und
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mit ihnen Öffentlichkeiten manipuliert. Dies verdeutlichen nicht nur die Netzwerke um die Belagerung von Neuss, sondern nicht zuletzt auch die regionalfränkischen Auseinandersetzungen um Heideck, Möhren und Nürnberg, der Fall Zaunrüde sowie die Frage der Brauneckschen Lehen. 26. Der Austausch von Geschenken und die Gewährung von Vergünstigungen waren fester Bestandteil des Instrumentariums des Königs, von Fürsten und von Bürgern, um Nähe zwischen politisch Handelnden zu bewirken beziehungsweise Einzelne aus einer Gruppe hervorzuheben und gegebenenfalls an sich zu binden. Der Schritt vom bloßen Gabentausch zur Korruption ergibt sich aus der Akzeptanz der in dem jeweiligen politischen Netzwerk vereinten Akteure. Besonders in reichsstädtischem Kontext hat sich diese Art von „kurzfristiger“ Personenbindung für Fürsten als ein wirksames politisches Mittel erwiesen. Eindrückliche Beispiele sind die innerfamiliären „Gabennetzwerke“ der Hohenzollern und Wettiner sowie die Beziehungen Albrechts von Brandenburg zu Erzbischof Adolf von Mainz und zu Nürnberg. 27. Die Auswertung der politischen Kommunikation des Markgrafen und seiner Korrespondenzpartner hat auch unterschiedliche Formen brieflicher Kommunikation zu Tage gefördert. Mit der Häufung von Schreiben zu einem Regelungsgegenstand an verschiedene Empfänger konnte Öffentlichkeit an anderen Orten manipuliert und politisches Handeln über Distanzen hinweg gesteuert werden. Als methodisch besonders ergiebig hat sich die Betrachtung von Parallelkorrespondenz erwiesen, also von mehreren Schreiben eines Ausstellers an verschiedene Empfänger in derselben Angelegenheit. Ihr Vergleich ergab ganz unterschiedliche Möglichkeiten der Beeinflussung von Entscheidungsprozessen, Versuche der Beschleunigung von politischen Prozessen, der Überprüfung politischen Handelns anderer und des gegenseitigen Ausspielens von Akteuren durch die gezielte Steuerung von Wissensständen und die situative Betonung von Vertraulichkeit. Diese Techniken waren nicht auf Kurfürst Albrecht von Brandenburg beschränkt, sondern können ebenso bei Niederadligen und bei Räten beobachtet werden – Sebastian von Seckendorff ist hier stellvertretend zu nennen. 28. Während es in der Forschung üblich ist, mit Perspektivwechseln zwischen Reichs- und Landesgeschichte auf die jeweils andere Ebene zu blicken, hat es sich hier als tragfähig herausgestellt, von einer vertikalen Personenbindung – Kaiser Friedrichs III. und Kurfürst Albrechts von Brandenburg – auszugehen und von ihr aus politische Netzwerke auf verschiedenen Ebenen des Reiches zu ermitteln, d. h. für die Analyse eine Perspektivüberwindung vorzunehmen. Am Ende der Betrachtung stehen damit keineswegs die Auflösung der verschiedenen Ebenen, sondern vielmehr das bessere Verständnis ihrer Abhängigkeiten, sodass politische Netzwerke ebenso Gegenstand landes- wie reichs- und außenpolitischer Untersuchungen mit ihrem jeweils spezifischen Erkenntnisinteresse sein können; dabei sollte allerdings die gegenseitige Durchdringung der Ebenen stärker als bisher berücksichtigt werden.
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29. Damit eröffnet der hier verfolgte Ansatz von Governance und politischen Netzwerken auch in methodischer Hinsicht Perspektiven für die fränkische ebenso wie die brandenburgisch-preußische Landesgeschichtsforschung. Dadurch erst werden nicht zuletzt die vielfältigen Verflechtungen verschiedener Räume sichtbar, sodass Fragestellungen umfassender behandelt werden können, die bislang durch einen verengten landeshistorischen Blick nur eingeschränkt analysiert wurden. Entgegen jüngeren Tendenzen in landeshistorischen Forschungen ist damit aber keineswegs eine vollkommene Entgrenzung verbunden – durch Gov ernance und politische Netzwerke werden vielmehr bislang verborgene Räume erst sichtbar und ihr Wandel sowie ihre Lage- und Interessengebundenheit jetzt deutlich. 30. Politisches Handeln eines Akteurs hing von zahlreichen Parametern ab, die sich mit Hilfe politischer Netzwerke darstellen lassen. Er war eingebunden in eine Vielzahl unterschiedlich geformter Netzwerkstrukturen mit vielfältiger Zielsetzung. Die verschiedenen Netzwerke überlagerten sich und bestimmten in ihrer Summe wesentlich das Handeln eines Akteurs. Diese Feststellung bedeutet nicht, die Charakteristika moderner Politik anachronistisch zurück zu projizieren, sondern folgt den Reflexionen der Zeitgenossen. Damit wird für die Politik um 1470 der Versuch, politisches Handeln eines Akteurs nur aus einem Ereignis oder einer Konfliktkonstellation heraus zu erklären, zunehmend problematisch. Die Betrachtung der Abhängigkeiten und Wechselwirkungen politischen Handelns auf den verschiedenen Ebenen des Reiches, in denen sich dieses vollzog, ermöglicht es vielfach, Politik um 1470 plausibler zu deuten. So rücken auch bisher vernachlässigte Parameter, insbesondere die Zeit, in den Blick der Untersuchung – wie gerade die Betrachtung der Reichsversammlungen der Jahre 1473/1474, der regional-fränkischen Konflikte, aber auch des „Prozesses“ gegen Friedrich den Siegreichen gezeigt haben. 31. Mit dem Analysekonzept der Politiknetzwerke wird hier ein neuer Ansatz zur Ermittlung, Ordnung und Analyse politischen Handelns sowie der Strukturen, in denen es sich vollzieht, vorgeschlagen. Es handelt sich bewusst um kein geschlossenes Modell zur Erklärung der Politik um 1470 insgesamt. Durch die Betrachtung von sieben Dimensionen von Politiknetzwerken, der Akteure, der Funktionen, der Struktur, der Institutionalisierung, Verhaltensregeln, Machtbeziehungen und Akteursstrategien zeigen sich immer wiederkehrende Mechanismen und Grundmuster politischen Handelns, die zusammengenommen Politik und Verfassung um 1470 adäquat abbilden. Dabei kann insbesondere mit der Verbindung von Interessen- und Strukturkonfiguration politisches Handeln im 15. Jahrhundert besser verstanden werden; denn sie ermöglichen es, die von Quirin diagnostizierte Komplexität politischer Verhältnisse in jenen Tagen zu entschlüsseln, zu ordnen sowie Abhängigkeiten und Zusammenhänge aufzuzeigen, ohne von vornherein die Existenz oder Nicht-Existenz von „Staat“ anzunehmen. Vielmehr wird der Blick frei für das Wechselspiel einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure mit vielgestaltigen Handlungsoptionen und -mechanismen.
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32. Dieser Schnitt durch die Politik im Reich von 1470 bis 1475 führt schließlich vor Augen, dass die Entwürfe vom „Werden des modernen Staates“, vom „Zurückbleiben“, vom „Verfall“ oder von der „Modernisierung“ des Reiches sowie vom „systematischen Ausbau der Landesherrschaft“ die Komplexität der ablaufenden Prozesse nur unzureichend beschreiben. Sie wurden entweder am Idealtypus des „modernen Anstaltsstaates“ des 19. und 20. Jahrhunderts oder an Fortschrittsvorstellungen und ersten Krisenerfahrungen entwickelt. Demgegenüber lassen sich heute aus der Perspektive von Governance Formen des Regierens und des politischen Handelns erkennen, die sich den bisherigen Ansätzen weitgehend entzogen. Durch die Betrachtung politischer Netzwerke treten die weitgespannten, offenen und verdeckten Verbindungen zwischen einer Vielzahl politisch Handelnder klarer vor Augen. Trotz der auf den ersten Blick chaotisch anmutenden politischen Realität auf allen Ebenen zeichnen sich nun doch klare Funktionsweisen und -mechanismen innerhalb verschiedener Netzwerke ab, die durch die Verknüpfung von Interessen einerseits und Strukturen andererseits politisches Handeln erst ermöglichen. Aus dieser Perspektive funktionierte „Politik“ anders, als es die klassische Verfassungsgeschichte mit ihren Methoden und Modellen, die für den Untersuchungszeitraum offensichtlich nicht mehr ausreichen, sehen und beschreiben kann. Es zeigen sich nämlich erheblich komplexere Formen von Governance und verschiedene Lenkungsformen, von hierarchiefreier Kooperation über Kooperation im „Schatten der Hierarchie“ bis hin zum Regieren in hierarchischen Strukturen; diese Lenkungsformen sind in der Regel situations- und sachbezogen, überwiegend problemorientiert und unterschiedlich institutionalisiert. Diese Formen des Regierens sichtbar zu machen, ist ein wichtiger Nutzen der Netzwerkperspektive. Man wird im Reich des fortschreitenden 15. Jahrhunderts von einer Art politischer Schwellenzeit auszugehen haben, die weder allein als „noch-mittelalterlich“ noch als „schon-frühmodern“ hinreichend zu beschreiben ist und für die weder nur klassisch mittelalterliche noch frühneuzeitliche verfassungsgeschichtliche Erklärungsmodelle tragen1. Aus diesem Blickwinkel erscheinen auch die Beziehungen Kaiser Friedrichs III. und Markgraf Albrechts von Brandenburg in einem klareren Bild. Von einem untätigen Kaiser kann keine Rede sein, vielmehr zeigen sich seine Methoden politischen Handelns viel wirkungsvoller und bisweilen effizienter als bisher gedacht und solchen ähnlich, die für uns erst mit der Überwindung nationalstaatlicher Denkmuster unter der Governance-Perspektive verständlich werden. Auch Albrechts von Brandenburg Politik erscheint nun nuancierter, als sie mit dem Bild vom kaisertreuen Fürsten umschrieben werden kann. Warum ein Reichsfürst wie Albrecht von Brandenburg eine „politische Stellung im Reich [erlangen konnte],
1
Vgl. Bernd Schneidmüller, Grenzerfahrung und monarchische Ordnung. Europa 1200– 1500 (München 2011), S. 26–41.
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die die materiellen Kräfte seines Landes weit überragte“2 – wie sich die Forschung bis in jüngere Zeit über seine Rolle in der Politik des Reiches wunderte –, wird im Lichte seiner Netzwerkeinbindungen und seiner Ressourcen jenseits materieller Kategorien, nämlich seiner Möglichkeiten zu Information und Kommunikation, günstiger Verwandtschafts- und Freundschaftsbeziehungen sowie Interessenüberschneidungen mit dem Kaiser und zahlreichen Reichsfürsten, besser verständlich.
2 Quellenkunde zur deutschen Geschichte im Spätmittelalter (1350–1500), hg. und bearb. von Winfried Dotzauer (Darmstadt 1996), S. 105.
Quellen- und Literaturverzeichnis I. Quellen 1. Ungedruckte Quellen und Sammlungen Bamberg, Staatsarchiv A 160 III Brandenburgische Urkunden Lade 595 Hochstift Bamberg Bamberger Lehenhof, B 58/IV Lehenhof (Neuverzeichnung) Geheimes Hausarchiv Plassenburg Berlin, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Brandenburg-Preußisches Hausarchiv Rep. 25 Kurfürst Friedrich I. (1415–1440) und Familie Rep. 27 Kurfürst Albrecht Achilles (1470–1486) und Familie VII. Hauptabteilung, Urkunden Mark als Reichsstand Haussachen der Landesherren Märkische Ortschaften Beeskow-Storkow Zichow Weltliche Reichsstände in Beziehung zur Mark Pommern Mecklenburg Fremde Mächte in Beziehung zur Mark Dänemark Nichtmärkische Urkunden Ansbach-Bayreuth Greifswald, Landesarchiv Rep. 2, Ducalia Hannover, Hauptstaatsarchiv Celle Or 100 Lüneburg Stadt
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Koblenz, Landeshauptarchiv Abt. 1 Erzstift und Kurfürstentum Trier A Urkunden der geistlichen und staatlichen Verwaltung Nürnberg, Staatsarchiv Reichsstadt Nürnberg Kaiserliche Privilegien, Urkunden (Rep. 1a) Päpstliche und fürstliche Privilegien, Urkunden (Rep. 1b) Losungsamt, 35 neue Laden, Urkunden (Rep. 2a) Losungsamt, 7-farbiges Alphabet, Urkunden (Rep. 2b) Ratskanzlei, A-Laden, Urkunden (Rep. 15) Ratskanzlei, A-Laden, Akten (Rep. 15a) A2 A3 A24 Ratskanzlei, D-Laden, Akten (Rep. 18a) Ratskanzlei, Briefbücher des Inneren Rates (Rep. 61a) Fürstentum Brandenburg-Ansbach Ansbacher Generalakten (Rep. 103aI) Verträge mit benachbarten Reichsständen (Rep. 105) Nachbarliche Verträge mit Bamberg Nachbarliche Verträge mit der Pfalz Beziehungen zu Benachbarten (Rep. 105a) A. Bamberger Bücher B. Nürnberger Bücher Fehdeakten (Rep. 106a) Geheimes Archiv, Herrschaftliche Bücher (Rep. 132) Nürnberg, Stadtarchiv A 1 Urkundenreihe D 2/IV Spitalamt / Akten E 16/1 Kreß / Grundherrschaft, Neunhof / Urkunden E 22/I Tetzelstiftung / Urkunden E 49/1 Holzschuher / Urkunden E 56/II Ebner / Grundherr-Urkunden E 56/III Ebner / Akten Schwerin, Landeshauptarchiv 1. Urkunden, Chroniken und Fürstengenealogien 1.1–12 Verträge mit dem Reich, deutschen Territorien, Städten und (Ritter-) Orden 1.3 Brandenburg-Preußen 1.21 Pommern 1.10–1 Außermecklenburgische Staatsverträge Pommern
I. Quellen
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2. Älteres Aktenarchiv 2.11–2/1 Auswärtige Beziehungen einschl. Reich 2. Dänemark 5. Pommern 20.1 Diplomatische Angelegenheiten und Korrespondenzen Weimar, Thüringisches Hauptstaatsarchiv Historische Schriften und Drucke F 860 Burkhardt, Carl August Hugo, Politik des Markgrafen Albrecht Achill. Historisch-kritisches Fragment (Jena 1855 Ms.). F 861 Regesten zu den Archivalien aus dem Plassenburger und weimarischen Archive sowie aus dem Berliner Haus- und Staatsarchive, dem Dresdner Staatsarchive Bibliotheken etc., zusammengestellt von Carl August Hugo Burkhardt (Jena 1855 Ms.). F 862 Archivalien aus dem Plassenburger Archiv zu Bamberg, gesammelt von Carl August Hugo Burkhardt (Jena 1854 Ms.). F 1474a–t Dr. Victor Bayers gesammelte Materialien zu einer Geschichte über den Markgrafen und Kurfürsten Albrecht Achilles von Brandenburg (1414– 1486) (o. O. o. J. Ms.). F 1510–1513 Burkhardts Sammlungen von Urkunden aus bayerischen und anderen Archiven zu einer Geschichte über den Markgrafen und Kurfürsten Albrecht Achill (4 Bde.) (o. O. o. J. Ms.).
2. Veröffentlichte Quellen Work-in-Progress-Datenbank der Regesta Imperii zu den Regesten Friedrichs III.: http://f3.regesta-imperii.de/ [Stand: 7. Februar 2013]. Acten zum Neusser Krieg 1472–1475, mitgeteilt von Adolf Ulrich, in: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 49 (1889), S. 1–183. Aeneas Silvius, Germania, und Jakob Wimpfeling, „Responsa et replicae ad Eneam Silvium“, hg. von Adolf Schmidt (Köln / Graz 1962). Anonyme Chronik. Von 991–1483, in: Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg, Bd. 3 (Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert 22, Leipzig 1892), S. 445–529. Ausgewählte Urkunden zur Territorialgeschichte der Kurpfalz 1156–1505, hg. von Meinrad Schaab, bearb. von Rüdiger Lenz (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe A: Quellen 41, Stuttgart 1998). Baierische Landtags-Handlungen in den Jahren 1429 bis 1513, hg. von Franz von Krenner: Bd. 10: Niederländische Landtage, im Straubinger Landantheile. Unter der Alleinregierung Herzog Albrechts IV. vom Jahre 1470 anfangend, mit eingeschalteter Geschichte des Löwlerbundes, bis zum Augsburger Vertrag 1492 (München 1804). Bd. 12: Nieder- und Oberländische Landtage im vereinigten Landshut-Ingolstädter Landantheile. Von dem Regierungsantritte des Herzogs Georg 1479 anfangend, bis zum Jahre 1496 einschlüssig (München 1804).
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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– Art. „Gregor von Heimburg“, in: RGG 3 (42000), Sp. 1264. – Kirche, Dynastie und Landesherrschaft. Die Kurpfalz im Spätmittelalter, in: Mittelalter. Der Griff nach der Krone. Die Pfalzgrafschaft bei Rhein im Mittelalter, hg. von Volker Rödel (Schätze aus unseren Schlössern 4, Regensburg 2000), S. 75–84. – Art. „Hofordnungen“, in: Verf.-Lex. 11 (22004), Sp. 685–689. – Konkubinen und Bastarde. Günstlinge oder Außenseiter an Höfen des Spätmittelalters?, in: Der Fall des Günstlings. Hofparteien in Europa vom 13. bis zum 17. Jahrhundert. 8. Symposium der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, hg. von Jan Hirschbiegel / Werner Paravicini (Residenzenforschung 17, Ostfildern 2004), S. 417–480. – Waiblingen. Eine Stadt im Spätmittelalter (Waiblingen in Vergangenheit und Gegenwart 16, Remshalden 2005). – Skandalgeschichten oder Forschungsdesiderate? Illegitime Verbindungen im Spätmittelalter aus geschichtswissenschaftlicher Perspektive, in: „…wir wollen der Liebe Raum geben“. Konkubinate geistlicher und weltlicher Fürsten um 1500, hg. von Andreas Tacke (Göttingen 2006), S. 38–92. – Art. „Hofordnungen“, in: Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Hof und Schrift, hg. von Werner Paravicini, bearb. von Jan Hirschbiegel / Jörg Wettlaufer (Residenzenforschung 15,3, Ostfildern 2007), S. 391–407. – Margarete „Maultasch“: Zu Spielräumen von Frauen im Rahmen dynastischer Krisen des Spätmittelalters, in: Margarete „Maultasch“. Zur Lebenswelt einer Landesfürstin und anderen Tiroler Frauen des Mittelalters. Vorträge der wissenschaftlichen Tagung im Südtiroler Landesmuseum für Kultur- und Landesgeschichte Schloss Tirol, Schloss Tirol, 3. bis 4. November 2006, hg. von Julia Hörmann-Thurn und Taxis (Schlern-Schriften 339, Innsbruck 2007), S. 51–79. – Orte der Macht. Herrschaftsschwerpunkte, Handlungsräume und Öffentlichkeit unter Heinrich VII. (1308–1313), in: Vom luxemburgischen Grafen zum europäischen Herrscher. Neue Forschungen zu Heinrich VII., hg. von ders. unter Mitarb. von Wolfgang Krauth (CLUDEM 23, Luxemburg 2008), S. 69–145. – Heinrich VII. und die Welt um 1300. Traditionelle Ansätze, neue Überlegungen und das Governance-Konzept, in: Europäische Governance im Spätmittelalter. Heinrich VII. von Luxemburg und die großen Dynastien Europas, hg. von Michel Pauly (Publications du CLUDEM 27, Luxembourg 2010), S. 531–547. – Der Herrscher in der Stadt. Überlegungen zu Handlungsorten und Handlungsräumen Heinrichs VII. (1308–1313) in Deutschland und Italien, in: Stadtgestalt und Öffentlichkeit. Die Entstehung politischer Räume in der Stadt der Vormoderne, hg. von Stephan Albrecht (Köln / Weimar / Wien 2010), S. 73–100. Widmer, Andreas, „daz ein bub die eidgnossen angreif“. Eine Untersuchung zu Fehdewesen und Raubrittertum am Beispiel der Gruber-Fehde (1390–1430) (Geist und Werk der Zeiten. Arbeiten aus dem Historischen Seminar der Universität Zürich 85, Bern u. a. 1995). Widmer, Berthe, Geleitbriefe und ihre Anwendung in Basel zur Zeit des hier tagenden Generalkonzils von 1431–1449, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 92 (1992), S. 9–99.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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II. Literatur und Hilfsmittel
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– Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. Ein Studienbuch (München 52005). – Amtleute und Diener in der spätmittelalterlichen Landesherrschaft, in: Das Recht und seine historischen Grundlagen. FS Elmar Wadle, hg. von Tiziana J. Chiusi / Thomas Gergen / Heike Jung (Berlin 2008), S. 1223–1237. Wolf, Armin, Die Gesetzgebung der entstehenden Territorialstaaten, in: Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, Bd. 1: Mittelalter (1100– 1500). Die gelehrten Rechte und die Gesetzgebung, hg. von Helmut Coing (Veröffentlichun gen des Max-Planck-Instituts für europäische Rechtsgeschichte, München 1973), S. 517–800. – Gesetzgebung in Europa 1100–1500. Zur Entstehung der Territorialstaaten (München 1996). Wolf, Susanne, Die Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und König Maximilians (1486–1493). Grundlagen und Probleme habsburgischer Reiseherrschaft am Ende des Mittelalters (Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters 25, Köln 2005). Wolff, Helmut, Und er was frolich und wolgemut…. Zum Aufenthalt Kaiser Friedrichs III. 1471 in Nürnberg, in: Studien zum 15. Jahrhundert. FS Erich Meuthen, hg. von Joachim Helmrath / Heribert Müller in Zusammenarbeit mit Helmut Wolff, Bd. 2 (München 1994), S. 805–820. Worstbrock, F[ranz] J[osef], Art. „Mayr, Martin“, in: Verf.-Lex. 6 (21987), Sp. 241–248. – Art. „Mayr, Martin [Nachtr.]“, in: Verf.-Lex. 11 (22004), Sp. 981. Wülfing, I[nge]-M[aren], Art. „Christian I., Kg. von Dänemark“, in: Lex.MA 2 (1983), Sp. 1909 f. Wüllner, Wolfgang, Das Landgebiet der Reichsstadt Nürnberg (Altnürnberger Landschaft, Mitteilungen. Sonderheft 19, Nürnberg 1970). Wüst, Günther, Pfalz-Mosbach (1410–1499). Geschichte einer pfälzischen Seitenlinie des 15. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Territorialpolitik (Diss. phil. Heidelberg 1976). Wüst, Wolfgang, Reichsstädtische Kommunikation in Franken und Schwaben. Nachrichtennetze für Bürger, Räte und Kaufleute im Spätmittelalter, in: ZBLG 62 (1999), S. 681–707. – Auf der Suche nach dem fränkischen Modellstaat. Territorialisierung – Modernisierung – Identifizierung, in: Franken. Vorstellung und Wirklichkeit in der Geschichte, hg. von Werner K. Blessing / Dieter J. Weiß (Franconia 1, Neustadt a.d.A. 2003), S. 141–167. – Die politischen Kräfte am Übergang zur Neuzeit und ihre Fixierung im spätmittelalterlichen Franken, in: Franken im Mittelalter. Francia orientalis, Franconia, Land zu Franken: Raum und Geschichte, hg. von Johannes Merz / Robert Schuh (Hefte zur bayerischen Landesgeschichte 3, München 2004), S. 121–147. – Netzwerke in Franken. Zwischenstaatliche Kommunikation in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Nachdenken über fränkische Geschichte, hg. von Erich Schneider (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte. IX. Reihe: Darstellungen aus der fränkischen Geschichte 50, Neustadt a.d.A. 2005), S. 107–128. – Überterritoriale Werte- und Vertrauensbildung: Geheimnisse, Gesetze, Ordnungen und Satzungen im Austausch, in: Frankens Städte und Territorien als Kulturdrehscheibe. Kommunikation in der Mitte Deutschlands, hg. von dems. (Mittelfränkische Studien 18, Ansbach 2008), S. 161–168.
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– Macht, Ökonomie und das Phänomen stiftischer „Vielregiererei“. Typen geistlicher Hofund Regierungsprogramme, in: Höfe und Residenzen geistlicher Fürsten. Strukturen, Regionen und Salzburgs Beispiel in Mittelalter und Neuzeit, hg. von Gerhard Ammerer u. a. (Residenzenforschung 24, Ostfildern 2010), S. 109–133. – Methodische Impulse? Regensburg als Schnittstelle zwischen Reichs- und Landesgeschichte, in: Regensburg, Bayern und das Reich. FS Peter Schmid, hg. von Tobias Appl / Georg Köglmeier (Regensburg 2010), S. 247–267. – Rechnungsbücher und Governance: Zählen, Zahlen und Regieren in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, in: Zahlen und Erinnerung. Von der Vielfalt der Rechnungsbücher und vergleichbarer Quellengattungen, hg. von Helmut Flachenecker / Janusz Tandecki (Publikationen des Deutsch-Polnischen Gesprächskreises für Quellenedition 5, Toruń 2010), S. 225–250. – / Untheim, Carina, Frankens Städte und Territorien als Kulturdrehscheibe. Kommunikation in der Mitte Deutschlands in Mittelalter und Neuzeit, in: Frankens Städte und Territorien als Kulturdrehscheibe. Kommunikation in der Mitte Deutschlands, hg. von Wolfgang Wüst (Mittelfränkische Studien 18, Ansbach 2008), S. 9–16. Wunder, Gerd, Reichsstädte als Landesherrn, in: Zentralität als Problem der mittelalterlichen Stadtgeschichtsforschung, hg. von Emil Meynen (Städteforschung. Reihe A: Darstellungen 8, Köln / Wien 1979), S. 79–91. – Die Bürger von Hall. Sozialgeschichte einer Reichsstadt 1216–1802 (Forschungen aus Württembergisch Franken 16, Sigmaringen 1980). – Personendenkmale der Michaelskirche in Schwäbisch Hall (Schwäbisch Hall 1987). – Sibilla Egen. Wohltäterin der Reichsstadt Hall um 1470–1538, in: ders., Lebensläufe. Bauer, Bürger, Edelmann, Bd. 2 (Forschungen aus Württembergisch Franken 33, Sigmaringen 1988), S. 90–99. Wunder, Heide, Einleitung. Dynastie und Herrschaftssicherung: Geschlechter und Geschlecht, in: Dynastie und Herrschaftssicherung in der Frühen Neuzeit. Geschlechter und Geschlecht, hg. von ders. (ZHF. Beiheft 28, Berlin 2002), S. 9–27. Wyluda, Erich, Lehnrecht und Beamtentum. Studien zur Entstehung des preußischen Beamtentums (Schriften zur Verfassungsgeschichte 9, Berlin 1969). Zeilinger, Gabriel, Die Uracher Hochzeit 1474: Form und Funktion eines höfischen Festes im 15. Jahrhundert (Kieler Werkstücke. Reihe E: Beiträge zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 2, Frankfurt a. M. 2003). – Lebensformen im Krieg. Eine Alltags- und Erfahrungsgeschichte des süddeutschen Städtekriegs 1449/1450 (VSWG. Beiheft 196, Stuttgart 2007). – Das Netz wird dichter. Neue Veröffentlichungen zu alteuropäischen Städtelandschaften, in: Jahrbuch für Regionalgeschichte 25 (2007), S. 89–99. Zeumer, Karl, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV., 1. Teil: Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit 2, Weimar 1908). Ziehen, Eduard, Mittelrhein und Reich im Zeitalter der Reichsreform 1356–1504, Bd. 1: 1356– 1491 (Frankfurt a. M. 1934).
II. Literatur und Hilfsmittel
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Zimmermann, Gerhard, Grundlagen und Wandlungen der politischen Landschaft, in: Oberfranken im Spätmittelalter und zu Beginn der Neuzeit, hg. von Elisabeth Roth (Bayreuth 1979), S. 11–51. Zippelius, Reinhold, Allgemeine Staatslehre. Politikwissenschaft. Ein Studienbuch (München 15 2007). Zmora, Hillay, Adelige Ehre und ritterliche Fehde. Franken im Spätmittelalter, in: Verletzte Ehre, hg. von Klaus Schreiner / Gerd Schwerhoff (Köln / Weimar / Wien 1995), S. 92–109. – State and nobility in early modern Germany. The knightly feud in Franconia, 1440–1567 (Cambridge studies in early modern history, Cambridge 1997). Zorn, Wolfgang, Augsburg. Geschichte einer deutschen Stadt (Augsburg 21972). Zotz, Thomas, Informelle Zusammenhänge zwischen Hof und Stadt, in: Informelle Strukturen bei Hof. Dresdener Gespräche III zur Theorie des Hofes, hg. von Reinhardt Butz / Jan Hirschbiegel (Vita curialis. Formen und Wandel höfischer Herrschaft 2, Berlin 2009), S. 157–168. Zuchold, Gerd-H., Friedrich Wilhelm IV. und das deutsche Mittelalter. Die Heldensage als Bedeutungsträger staatshistorischen Denkens des Monarchen, in: Der verkannte Monarch. Friedrich Wilhelm IV. in seiner Zeit, hg. von Peter Krüger / Julius H. Schoeps in Verb. mit Irene Diekmann (Potsdam 1997), S. 159–180. Zürn, Michael, Governance in einer sich wandelnden Welt – eine Zwischenbilanz, in: Govern ance in einer sich wandelnden Welt, hg. von Gunnar Folke Schuppert / Michael Zürn (Politische Vierteljahresschrift. Sonderheft 41, Wiesbaden 2008), S. 553–580. Zwierlein, Cornel, Sicherheitsgeschichte. Ein neues Feld der Geschichtswissenschaften, in: Geschichte und Gesellschaft 38 (2012), S. 365–386.
Register unter Mitarbeit von Katharina Moser Das Register führt alle vorkommenden Orts- und Personennamen auf, sofern sie im Text wörtlich vorkommen. Auf die Aufnahme der Stichworte „Albrecht von Brandenburg“ und „Friedrich III.“ wurde verzichtet, wenn jeweils ihre Person gemeint ist; mit ihnen in Verbindung stehende Stichworte (z.B. „Hof“) wurden hingegen berücksichtigt. Auch moderne Gelehrte fanden Eingang in das Register, soweit sie im Haupttext erwähnt werden. Personen und Familien werden regelmäßig unter ihrem jeweiligen Familien- bzw. Geschlechternamen aufgeführt. (Erz-)Bischöfe werden unter ihrem jeweiligen (Erz-)Bistum, weltliche Herrschaftsträger unter ihrem Herrschaftsgebiet zusammengefasst. Frauen sind bei ihrer Herkunftsfamilie eingeordnet. Erscheinen sie im Text jedoch nur im Zusammenhang mit ihrem Ehepartner, werden sie im Register zusätzlich bei der Familie des Ehepartners aufgeführt. Ausschließlich in Quellenzitaten erscheinende Namen werden ausnahmsweise kursiv gesetzt. Nur in Anmerkungen vorkommende Einträge sind mit * gekennzeichnet. Umfangreiche Einträge folgen einer thema tischen Binnengliederung. Zusätzlich zum Abkürzungsverzeichnis (S. 14-16) werden folgende Abkürzungen verwendet:
Ä. Älterer Bf. Bischof Bfe. Bischöfe bfl. bischöflich Bgf. Burggraf Bgfen. Burggrafen bgfl. burggräflich Bgft. Burggrafschaft/ Burggraftum Btm. Bistum dt. deutsch Ebf. Erzbischof Ebfe. Erzbischöfe Ebtm. Erzbistum Ehzg. Erzherzog Ehzge. Erzherzöge Fam. Familie Fs. Fürst Fsn. Fürstin Ft. Fürstentum geb. geboren Gf. Graf Gfen. Grafen
Gfn. Gräfin Gft. Grafschaft Hzg. Herzog Hzge. Herzöge Hzgn. Herzogin Hzgt. Herzogtum Hzgter Herzogtümer ital. italienisch J. Jüngerer Kf. Kurfürst Kfen. Kurfürsten Kfn. Kurfürstin kfl. kurfürstlich Kft. Kurfürstentum Kg. König Kge. Könige Kgn. Königin kgl. königlich Kgr. Königreich Kgt. Königtum Ks. Kaiser Ksn. Kaiserin ksl. kaiserlich
Ksr. Kaiserreich Lgf. Landgraf Lgfen. Landgrafen Lgfn. Landgräfin Lgft. Landgrafschaft Mgf. Markgraf Mgfen. Markgrafen Mgfn. Markgräfin Mgft. Markgrafschaft/ Markgraftum Mgften. Markgrafschaften/ Markgraftümer mgfl. markgräflich Pfgf. Pfalzgraf Pfgfen. Pfalzgrafen Pfgfn. Pfalzgräfin Pfgft. Pfalzgrafschaft röm. römisch s. siehe St. Sankt städt. städtisch ungar. ungarisch verh. verheiratet
Register Aachen 153 –– Krönung Kg. Friedrichs 1442 362 Absberg –– Engelhard v. (Amtmann zu Gunzenhausen) 335* –– Georg v. (mgfl. Kanzler) 101*, 104*, 108*, 121* Achill 17, 18 Adelmann v. Adelmannsfelden (Adelsgeschlecht) 361 Agamemnon 17 Alkibiades 76 Allersberg 339* Altdorf, bayerischer Pfleger v. 313 –– s. Friedrich v. Parsberg Altenburger Teilung 102, 315 Althoff, Gerd 41, 58*, 550–553 Altmühl 339* Altomünster 361 Alvensleben, Busso v. (Marschall Albrechts v. Brandenburg) 168 Alvermann, Dirk 244 Amman, Jörg 362 Ammerndorf 339 Ampferbach 297* Andernach 210 Andreasi, Marsilio de (Sekretär v. Mgf. Ludovico Gonzaga) 161 Angermeier, Heinz 27, 38 Anklam 242 Ansbach, ansbachisch (Onolczpach, Onoldspach, Onoltzpach), Ansbacher 75, 93, 129, 134*, 186*, 202, 206–211, 213, 217, 249, 271, 285, 313 f., 316, 321, 324, 327, 335, 339*, 340 f., 343, 354, 356, 366, 394*, 396 f., 450, 457, 530, 532*, 538 f., 547 f., 571, 589, 593 –– Bürger s. Fritz Rott –– St. Gumbert 265* –– Patronatsrecht 265* –– Stiftspropstei 263 –– Stiftsscholasterie s. Peter Knorr –– s. auch Johann v. Eyb; Peter Knorr –– Hof/Residenz 71, 107, 116, 185, 199, 202–204, 207, 209, 212–215, 217, 260, 265, 307, 314, 319 f., 334, 347, 376, 400, 439*, 476, 478, 521, 534*, 535, 548*,565*, 567, 573*
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–– Hofgericht 316 –– Hofgesellschaft 300 –– Lehngericht 296 –– Räte s. Brandenburg –– Statthalter s. Brandenburg –– s. auch Brandenburg –– Mgfen. v. s. Brandenburg –– Mgft. s. Brandenburg –– Schloss 75* –– Vogtei 289 Arberg, eichstättischer Pfleger v. s. Ludwig v. Eyb Argentinien, Polizei 522 Argon (Egen) (Fam.) 362–365, 372, 380, 577 –– Anton v. 364 –– Chronik über das „Herkommen der stat zu Augspurg“ 362 –– Jakob v. 360, 364 f., 370 –– Peter v. (Augsburger Bürgermeister) 361–365, 366*, 370 f. –– Sigmund v. 364 f., 370 –– s. auch Augsburg, St. Antonskapelle; Augsburg, Haus am Weinmarkt Arzt (Augsburger und Nürnberger Fam.) 370–372, 380, 577 –– Anna (geb. Graser; verh. m. Johann Arzt) s. Graser –– Anton (Bruder v. Wilhelm (I.) Arzt) 371* –– Bernhard (Bruder v. Wilhelm (I.) Arzt) 371* –– Felizitas (Tochter v. Wilhelm (I.) Arzt) 371* –– Hans II. (Bruder v. Wilhelm (I.) Arzt) 371* –– Hans III. (Sohn v. Wilhelm (I.) Arzt) 371* –– Johann (verh. m. Anna Graser) 371 –– Klara (Schwester Ulrichs (II.) Arzt, verh. m. Anton Paumgartner) 372 –– Leonhard (Bruder v. Wilhelm (I.) Arzt) 371* –– Regina (Tochter v. Wilhelm (I.) Arzt) 371* –– Sibilla (Tochter v. Wilhelm (I.) Arzt, verh. m. Jakob Fugger) 371 –– Ulrich (I.) 370 –– Ulrich (II.) (Sohn v. Ulrich (I.) Arzt) 365, 370 f.
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Register
–– Wilhelm (I.) (Sohn v. Ulrich (II.) Arzt) 371 f. –– Wilhelm II. (Sohn v. Wilhelm (I.) Arzt) 371* Arzt –– Wilhelm (begütert in Auburg u. Illkofen, möglicherweise identisch m. Wilhelm I. Arzt) 369–371 Aschaffenburg –– Stadt 112, 126 Askanier –– als Herren d. Mark Brandenburg 39* Aub 250 Auburg 370 Auer, Eberhart/Erhart 359 f. Auerbach, Landgericht 330* Aufseß, Heinrich v. (Hauptmann auf d. Gebirge) 387 Auge, Oliver 43, 51 Augsburg –– Bf. v. 132*, 138, 246, 322, 367*, 379, 404*, 409, 411, 451 –– Johann v. Werdenberg (ksl. Kommissar) 227, 229, 231* –– Domkapitel 371 –– Dompropst s. Johann v. Pfalz-MosbachNeumarkt –– Stadt/Reichsstadt 30*, 133, 136 f., 151, 156*, 157, 172, 179, 190*, 196, 200*, 360–366, 370–372, 382, 406, 413, 441, 450–452, 455–458, 460–463, 471, 550, 577 f., 609 –– Bürger/Bürgerschaft 360 f., 372, 376, 381 –– Bürgermeister 365* –– s. Peter v. Argon; Heinrich Langenmantel –– Bürgerrecht 371 –– Familien 363, 372, 381 –– s. v. Argon; Arzt; Langenmantel –– Haus d. Peter Egen am Weinmarkt 362 –– Paktbürger 371 –– Rat 365*, 370 –– St. Antonskapelle 364* –– Chronistik 361*, 471 –– Anonymus (Chronist) 363* –– Augsburger Chronik 360
–– Chronik d. Burkhard Zink 363* –– Chronik d. Hektor Mülich 361 –– Chronik über das „Herkommen der stat zu Augspurg“ s. v. Argon –– Fortsetzung d. Chronik des Hektor Mülich durch Georg Diemer (Demersche Fortsetzung) 361 –– Reichstag 1473 128, 132, 134, 136, 192*, 230*, 285 f., 440 f. –– angekündigter Reichstag 1473/1474 136*, 137, 139, 142, 146, 150, 152, 156, 445 f., 448, 593 –– Reichstag 1474 83, 119, 188, 449 f., 452, 454 f., 457 f., 462, 470, 473, 478, 493 f., 550, 552, 583, 587, 606 Bach 297* Bachmann, Adolf 88, 205 Baden, badisch 115, 208 –– Haus 114 –– Mgfen. v., Mgft. 141, 359 –– Jakob 114 –– Johann s. Ebf. Johann v. Trier –– Karl I. 115 –– Margarethe (verh. m. Albrecht v. Brandenburg) 114 f., 201, 301 –– Margarethe (verh. m. Adolf II. v. Nassau-Idstein) 114 Baden-Baden s. Niederbaden Bahn 231 Baiersdorf 279 –– Hanns Falckner zu 430 Baldersheim (Dorf) 250 Bamberg, bambergisch –– Bamberger Annalen 250 –– Bf. v., Btm. 139, 205*, 249, 251, 253 f., 256, 257*, 258–260, 262–264, 265*, 266– 268, 275 f., 279, 285, 287 f., 290–295, 303, 305–307, 324, 369, 396*, 401, 418, 461, 480, 491, 509, 520, 531, 578, 601 –– Albrecht v. Wertheim 254* –– Lehnbuch 253 –– Anton v. Rotenhan 266 –– Georg v. Schaumberg 256 f., 258*, 262–264, 267, 285, 287, 291 f., 562 –– Heinrich III. Groß v. Trockau 297 –– Lehnbuch 297 –– Otto 245
Register
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–– Philipp v. Henneberg 293 –– Erbkämmerer d. Bistums s. Brandenburg –– Gericht, bfl. 264 –– Heilige s. Reich, Ks. Heinrich; Reich, Ksn. Kunigunde –– Kämmerer 260* –– Kanzlei, bfl. 288 –– Lehngericht 250 –– Präbende s. Heinrich Schott –– Reliquientranslation nach Pommern s. Pommern –– Überlieferung, bfl. 277 Domkapitel 258*, 260–263, 265–267, 292, 307, 578, 609 –– Domdekan s. Hertnidt v. Stein –– Domherr s. Anselm v. Eyb; Johann v. Eyb; Balthasar v. Schaumberg; Georg v. Schaumberg; Hans v. Schaumberg; Matthias v. Schaumberg; Thomas v. Schaumberg –– Domkanonikat 261, 265*, 267* –– s. auch Albrecht v. Eyb; Hertnidt v. Stein –– Domkantor s. Johann v. Eyb –– Domkellnerei 265 –– Domkellner s. Johann v. Eyb; Hertnidt v. Stein –– Dompropstei 260, 263 f. –– Dompropst s. Martin v. Lichtenstein; Georg v. Schaumberg; Albrecht Gf. zu Wertheim –– Lehen 260 –– Domscholasterie 261 –– Domscholaster s. Albrecht v. Eyb; Johann v. Eyb –– Familien s. Eyb; Redwitz; Schaumberg –– Pfründe 264, 265*, 304 –– s. auch Johann Neustetter Landgericht 330 Michaelsberg, Kloster 244* –– Patronatsrechte über St. Jacobi in Stettin 244* Stadt 94, 103, 208, 244 f., 249, 263, 279, 297, 418*, 570 –– Bürger 253 Stift 253*, 254, 288, 438
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–– -er Richtung 1450 388 –– St. Stephan 265* –– Kanonikat s. Peter Knorr –– Tag v. 1458 585 Bamberger, Leonhard (Nürnberger Bürger, Besitzer v. Emskirchen) 429 Barbig 370 Barby, Gf. v. 194 Barnekow, Jaroslaw 232 Barth 242 Basel 143, 413, 445, 510 Bayer, Victor 89 Bayern, bayerisch, Hzgt., Hzge. v. 81, 141, 205, 206*, 208, 239, 251, 257, 276, 310 f., 317–321, 323 f., 326 f., 329, 333 f., 345– 348, 351, 354, 370*, 371, 376, 381, 392*, 395, 401, 403, 405, 408 f., 414, 428, 431– 433, 436, 438, 444, 447, 449, 451, 455, 459, 462 f., 465, 467*, 468, 470, 472 f., 485, 509 f., 526*, 527, 552, 566, 595, 597, 600 f., 604 –– Albrecht V. 353 –– politischer Berater s. Wiguleus Hund –– Friedrich d. Weise, Hzg. 437* –– Bayern-Landshut, niederbayerisches Hzgt., Hzge. v. 132, 310, 314*, 324, 345, 353, 356, 367, 405, 414, 428, 440, 448, 459, 472, 544 –– Georg (Sohn v. Hzg. Ludwig d. Reichen u. Amalia v. Sachsen) 329, 356, 372, 378, 460 –– Hedwig (Gattin Georgs v. BayernLandshut) s. Kge. v. Polen –– Ludwig d. Reiche (ksl. Kommissar) 132 f., 135, 138*, 141, 171, 230*, 309*, 310–314, 316–329, 330*, 331– 333, 336 f., 344–347, 353*, 355 f., 358*, 364 f., 367 f., 372, 378, 388, 394 f., 396*, 403, 404*, 405, 407–414, 415*, 419, 428, 432 f., 435, 437–460, 462 f., 466–473, 476, 480, 484, 490, 493 f., 512, 519, 523, 526 f., 533, 542, 544*, 561, 568, 572, 577, 586, 592, 596, 600, 604, 606 –– Einung v. Bayern-Landshut u. Nürnberg s. Nürnberg –– Hof 371, 457 –– Hofmarschall 324
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Register
Kanzler s. Martin Mair Landshuter Hochzeit 466 Lehnsleute 202 Pfleger s. Hans Münchauer Rat 329, 412, 453 f., 456–458 –– s. Konrad v. Heideck; Johann v. d. Leiter; Martin Mair –– Sendbote 440 –– Bayern-München, oberbayerisches Hzgt., Hzge. v. 411, 436, 439 –– Albrecht IV. 137, 141, 146, 193, 207 f., 292, 332–356, 367 f., 370*, 377, 379, 382, 404*, 428, 436, 438 f., 441, 445, 450–453, 456, 461, 462*, 465* –– Elisabeth (verh. m. Kf. Ernst v. Sachsen, Schwester Albrechts) 186*, 441 –– Margarethe (verh. m. Federico Gonzaga) 204* –– Diener s. Wilhelm Zaunrüde –– Räte 461–463 –– Bayerischer Krieg 464* –– Förster 333 –– Landgerichte s. Auerbach; Graisbach; Hirschberg; Sulzbach –– Landsasse 329, 331, 355 –– Pfalz-bayerische Ämter 271 –– Pfleger 334 –– v. Altdorf s. Friedrich v. Parsberg –– s. auch Reich; Wittelsbacher Bayreuth 465* –– Amtmann 104 –– Bürgermeister 104 –– Einwohner 104 –– Hauptmann 104 –– Kastner 104 Beeskow 256* Behaim (Nürnberger Fam.) 253* Beheim, Michel (Chronist) 455 Beilngries 339* Belbuck, Kloster, Lektor s. Johannes Bugenhagen Berching 339* Berg, Dieter 47–49, 514 f., 603 Bergstraße 141 Berlin 94, 313 –– Dompropst s. Albrecht Klitzing –– Hof
–– Frauenzimmerordnung am Berliner Hof 214 –– s. auch Brandenburg –– Küchenmeister s. Hans Schult –– Siegesallee 17 –– Tiergarten 17 Bessarion, Basilius (Kardinal) 173* Biberehren (Dorf) 250 Bilsen, Wolter van (Kölner Abgesandter in Regensburg) 413 Bingen, Kurverein v. 113 Blendinger, Friedrich 370 Bock, Jörg 429* Böhmen, böhmisch 39, 139, 142 –– Kgr., Kgt., Kge., Kur 111*, 112, 115, 118, 124*, 125, 126*, 131, 134, 137–143, 145 f., 148, 150 f., 153, 155–157, 159, 193 f., 217, 310, 356, 358, 366, 372 f., 382, 442*, 509, 566, 572* –– Georg v. Podiebrad 83, 115, 118, 142, 310, 355, 358, 372 f. –– Vladislav II. (Sohn Kg. Kasimirs v. Polen) 83, 115, 137, 140 f., 151, 194, 358, 372 –– s. Ungarn –– -er Adel 184 –– s. Johann v. Rosenberg; Ulrich v. Rosenberg –– Lehen s. Heideck –– Sprache 135 –– Statthalter s. Heinrich v. Münsterberg Bonn 191* Boockmann, Hartmut 363, 524 f. Boss v. Waldeck, Anna (Gattin d. Hans v. Neuneck) 404* Boxdorf 297, 298* Brandenburg, brandenburgisch 88, 102–105, 107 f., 122, 124, 129, 131, 132*, 139, 157, 164, 169*, 213, 216 f., 219, 226, 244 f., 266, 277, 284, 295, 311, 316, 318 f., 325 f., 331–334, 357, 359, 381, 402*, 412, 443, 448, 451, 459, 460–465, 469, 470, 487, 496, 509 f., 530 f., 592, 594, 599, 601, 612 –– brandenburgisches/hohenzollerisches Haus 100, 120, 239* –– Fränkische Herrschaftsteile, Mgfter. 17, 70, 73*, 75, 87, 93, 122, 200, 294 f.,
Register
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302 f., 307, 318, 320, 333, 337, 352, 372, 509, 510, 525, 529, 530 f., 533–535, 567*, 575*, 597, 604 f. Untertanen 410* Bgft. Nürnberg s. Nürnberg Mgft. Ansbach 17, 142*, 311, 407, 532*, 536* –– Unterland (unter d. Gebirg) 93, 271, 294 f., 302, 438 –– s. Ansbach Mgft. Kulmbach 17, 304, 311, 532*, 536* –– Oberland (auf d. Gebirg) 93, 104, 271, 295, 302, 428 –– Hauptmann 203* –– s. Heinrich v. Aufseß –– s. Plassenburg Mark, Kurmark, Kur, Kft., Kurwürde, märkisch 17, 70 f., 75 f., 80 f., 87, 91, 93 f., 98– 103, 104*, 106*, 107–109, 111, 116–118, 121–123, 125 f., 131, 142*, 145, 148, 158, 162, 165 f., 200*, 201, 209, 211, 217, 220 f., 223–226, 231, 234, 236 f., 239–243, 245– 247, 256, 259, 260, 274, 278, 280, 287, 294 f., 305, 307, 312, 316, 318, 322, 331, 335–337, 347, 352, 354, 387, 389, 401 f., 408, 423 f., 427, 430, 435, 476, 478, 491, 509, 520, 525, 529–535, 541, 549*, 555, 558–560, 565, 573*, 593, 597, 604 f., 607 –– Geistliche 104* –– Inhaber v. Hofämtern i. d. Mark 104* –– Landstände 106 –– märkische Städte 223* Mgfen. und Kfen. –– s. Wittelsbacher –– zollersche Mgfen. u. Kfen. v., Bgfen. v. Nürnberg 17, 73, 78, 99 f., 103, 104*, 105, 108, 112, 114, 117*, 120, 122, 124, 126, 127*, 128, 132 f., 148– 150, 153*, 155, 163, 165 f., 169 f., 172*, 175, 192, 195, 208, 219–222, 224 f., 231, 235–238, 240, 242, 255, 256*, 258, 274, 278, 284, 286–288, 294 f., 304, 307, 312, 316 f., 324, 326, 339*, 343, 347, 356, 360, 368, 393, 407 f., 414, 419, 422, 429, 439, 444 f., 449, 451, 453 f., 456, 460, 469, 476, 489, 493, 498, 509, 515, 526, 531, 550, 564 f., 577, 583, 593, 602
721 –– Amalia (verh. m. Hzg. Caspar v. Pfalz-Zweibrücken-Veldenz) 208 –– Barbara (Tochter v. Mgf. Johann d. Alchemisten, verh. m. Ludovico III. Gonzaga v. Mantua) 161, 174, 204*, 213*, 215 f., 574 –– Frauenzimmer/Frauenzimmerordnung 216 –– Barbara (Tochter v. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Heinrich XI. v. Glogau u. Crossen) 584* –– Cäcilie (Schwester v. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Wilhelm v. Braunschweig-Wolfenbüttel) 114* –– Dorothea (Schwester v. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Hzg. HeinIV. v. Mecklenburg) 114*, rich 163*, 223, 235 –– Dorothea, Kgn. v. Dänemark (Tochter v. Mgf. Johann v. Brandenburg, verh. m. 1. Kg. Christoph v. Däne mark, 2. Kg. Christian v. Dänemark) 162, 163*, 164 f., 174, 184–186, 188, 203, 208, 210, 466, 574 f., 589, 609 –– Leibgedinge 185 –– Hofdamen 210 –– Dorothea (Tochter v. Kf. Friedrich II. v. Brandenburg, verh. m. Hzg. Johann IV. v. Sachsen-Lauenburg) 238* –– Dorothea (Tochter v. Kf. Albrecht v. Brandenburg) 239* –– Elisabeth (Tochter v. Kf. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Gf. Eberhard v. Württemberg) 203* –– Elisabeth (Tochter v. Kf. Albrecht v. Brandenburg) 239* –– Elisabeth (Tochter v. Mgf. Johann, verh. m. Wartislaw X. v. Brandenburg,) 235, 237, 238, 242 –– Erasmus (Sohn v. Kf. Friedrich II. v. Brandenburg) 100* –– Friedrich, Bgf. 253 –– Friedrich I., Kf. (VI. als Bgf. v. Nürnberg) 99, 237, 413* –– Friedrich d. Jüngere (d. Fette) (Sohn v. Mgf. Friedrich I., verh. m. Agnes v. Pommern) 163*, 237*
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Register –– Friedrich II., Kf. (Bruder v. Mgf. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Hzgn. Katharina v. Sachsen) 84, 99–102, 104*, 105–107, 114 f., 117, 119, 121, 127*, 163, 164*, 201, 220, 224*, 226 f., 238, 245, 409, 525 –– Friedrich II., Mgf. v. BrandenburgAnsbach-Kulmbach (d. Ältere) (Sohn v. Mgf. Albrecht v. Brandenburg u. Anna v. Sachsen ) 300, 302, 422, 460 –– Friedrich V. (Sohn v. Mgf. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Sophie v. Polen) 238, 239* –– Georg (Sohn v. Mgf. Albrecht v. Brandenburg) 165, 203* –– Georg, Mgf. v. Brandenburg-Ansbach-Kulmbach 342* –– Georg Friedrich, Mgf. v. Brandenburg-Ansbach-Kulmbach 338 –– Johann d. Alchimist, Mgf. 100, 162, 185, 235, 278, 548* –– Johann, Bgf. v. Nürnberg 252–254, 300 –– Johann Cicero, Kf. (Statthalter in d. Mark, Sohn v. Kf. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Margarete v. Sachsen) 114*, 121 f., 158, 202*, 203*, 222*, 223*, 237*, 238, 239*, 242*, 467, 476, 529 f. –– Kasimir, Mgf. v. BrandenburgKulmbach 342* –– Margaretha (Tochter v. Kf. Friedrich II. v. Brandenburg, verh. m. Bogislaw v. Pommern-Wolgast) 201, 214, 238–240, 246, 574 –– Hofdamen/Jungfrauen 201, 214 –– Margarethe (Tochter v. Albrecht v. Brandenburg, Äbtissin d. Klarissenklosters Hof) 239* –– Magdalena (Schwester v. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Friedrich d. Frommen v. Braunschweig-Lüneburg) 114* –– Siegmund, Mgf. v. BrandenburgKulmbach (Sohn v. Kf. Albrecht v. Brandenburg) 121, 239*
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–– Sybille (Tochter v. Kf. Albrecht v. Brandenburg, verh. m. Wilhelm v. Jülich-Berg) 239 –– Ursula (Tochter v. Kf. Albrecht v. Brandenburg; verh. m. Heinrich v. Münsterberg) 140*, 239* Amtmann/Amtleute 313 f., 319, 330, 334– 336, 345, 347, 352, 374*, 375, 427, 430, 489, 537–539, 587, 606 –– Bayreuth s. Bayreuth –– Burgthann s. Georg Klack –– Cadolzburg s. Albrecht Stieber –– Crailsheim s. Heinrich v. Seckendorff –– Gunzenhausen s. Engelhard v. Absberg –– Hof s. Hof –– Hoheneck s. Lorenz v. Eberstein –– Hohentrüdingen s. Hohentrüdingen –– Kolmberg s. Heinrich v. Luchau –– Kulmbach s. Kulmbach –– Neustadt s. Siegmund v. Schwarzenberg –– Plassenburg s. Plassenburg –– Roth s. Albrecht Klack –– Schwabach s. Sebastian v. Seckendorff –– Winsbach s. Georg v. Zedwitz –– Wunsiedel s. Wunsiedel Amtsträger 104, 319, 544, 583 (mgfl. brandenburgisches) Archiv, Hausarchiv 94 Botenwesen 71, 478 Dispositio Achillea 122, 134, 295, 307 Dispositio Friedrichs I. 1437 99, 109 Edelknecht 376* Erbeinungen 475, 588* –– Erbeinung m. Hessen u. Sachsen 120, 165 Frauenzimmer/Jungfrauen/Hofdamen 199 f., 204, 211 f., 214, 422 Geleitsknechte (gleitzleut) 315, 320, 322, 336, 340 f., 347, 366, 490, 512, 538 s. Roth Geleitsrechte 315 Geleitstraßenverzeichnis s. Nürnberg Gesandte s. Stephan Scheuch; Martin Heiden v. Uehlfeld Handlohn/Lehnware 294, 424 f. Hauptmann
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–– im ersten Markgrafenkrieg s. Ludwig v. Eyb –– Feldhauptmann s. Ludwig v. Eyb Hausvogt 209–211, 217, 514, 591, 603 –– s. Ludwig v. Eyb; Konrad v. Luchau; Sebastian v. Seckendorff Hof 116, 326*, 535, 571 –– s. Ansbach; Berlin Hofmeister 210, 301 –– s. Ludwig v. Eyb; Wilhelm v. Rechberg; Werner v. d. Schulenburg; Hans v. Seckendorff –– Hofmeister d. Mgfin. s. Ludwig v. Eyb Hofpersonal 210 Kammermeister s. Georg v. Waldenfels Kanzlei 87*, 184, 265, 288, 340, 388 –– Kanzler s. Georg v. Absberg; Bf. Friedrich v. Lebus; Johann Volcker –– Mitglied d. Kanzlei s. Hertnidt v. Stein –– register/registern 340 Kaplan d. Mgfn. Anna s. Hans Stublinger Kastner zu Burgthann s. Georg Haußner Knechte –– Jörg 208, 566* „Krefftlein“ 207 Lehngericht s. Ansbach Lehnsleute s. Nürnberg Leibarzt v. Mgf. Albrecht v. Brandenburg 203, 212 –– s. Nicklas Marschall s. Busso v. Alvensleben; Konrad v. Luchau mgfl. Patronatsrecht über St. Gumbert in Ansbach s. Ansbach mgfl. Protonotar s. Johann Spet Räte 100, 107, 113, 121, 138–141, 143, 145–148, 150–152, 153*, 164, 172 f., 194–197, 245, 247, 256*, 264, 275 f., 278, 283–285, 290, 292, 300 f., 315–320, 322– 324, 326–331, 335 f., 338, 340, 343, 354, 356–360, 367, 394, 408, 410, 412, 424– 426, 435–438, 444, 446*, 457–462, 465*, 478, 499, 535 f., 538, 560, 563 f., 581, 583, 592, 610 –– s. Albrecht v. Eyb; Anselm v. Eyb; Ludwig v. Eyb d. Ä.; Martin I. v. Eyb; Martin II. v. Eyb; Martin Heiden v. Uehlfeld; Rafan v. Helmstädt; Hein-
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rich Hobeck; Gottfried v. Hohenlohe; Heinrich v. Kindsberg; Albrecht Klitzing; Peter Knorr; Melchior v. Neuneck; Jakob Protzer; Werner v. d. Schulenburg; Heinz Seyboth v. Rambach; Johann Spet; Hertnidt v. Stein; Hans v. Talheim; Reuß v. Thüngen; Georg v. Waldenfels –– Rentmeister s. Sixt Canzler –– Ritterschaft 332* –– Salbuch 339 –– Schwanenorden s. Schwanenorden –– Sekretär s. Johann Volker –– Statthalter –– in d. Mark s. Mgf. Johann Cicero v. Brandenburg; Bf. Friedrich v. Lebus –– in Franken 113, 207*, 208, 312 f., 316, 317*, 325, 335, 337, 354, 375, 424, 427, 434, 436, 538, 540, 547, 566, 606 –– s. Melchior v. Neuneck; Sebastian v. Seckendorff –– Straßentruppe/Polizeitruppe/Straßenpolizei 374, 375*, 376 f., 382, 521, 541, 543, 606 –– Hauptmann s. Fritz Keubel/Kleinfriedel; Hans Luft –– Teilnehmer d. ksl. Gesandtschaft nach Ungarn s. Wilhelm v. Lentersheim; Lorenz Thumen; Sebastian v. Wallenrod –– Truppen 201, 309 –– Untertanen 132, 209, 389, 410, 424, 430, 445, 450, 465, 519 –– s. Fricz Lebkuchner –– Untervogt zu Kitzingen s. Jobst Offenheuser Braun, Hans (Nürnberger Bürger) 420* Brauneck (Herrschaft) 251*, 252, 255*, 285, 300*, 301 –– Herren v. s. Hohenlohe-Brauneck –– Burg 250 –– -sche Lehen 81, 84, 134, 247–249, 251– 259, 262, 264, 266–271, 273, 275–308, 402, 403*, 411, 413, 417–419, 426, 428– 431, 435, 441, 470, 473, 477 f., 480 f., 491, 493, 499, 512, 516*, 519 f., 527 f., 531, 540, 562, 564, 570, 578, 596, 600 f., 604, 609, 611 –– Lehnsinhaber s. Nürnberg –– Siegel 293
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Register
Braunschweig 499* Braunschweig-Lüneburg, Hzge. v. 114* –– Friedrich d. Fromme (verh. m. Magdalena v. Brandenburg) 114* –– Margareta (verh. m. Hzg. Heinrich v. Mecklenburg-Stargard) 114* Braunschweig-Lüneburg-Grubenhagen, Hzge. v. 241* Braunschweig-Wolfenbüttel, Hzge. v. –– Heinrich II. (verh. m. Helene v. Kleve) 240 –– Sophia (Nonne) 114* –– Wilhelm (verh. m. Cäcilie v. Brandenburg) 114* Březan, Wenzel 356* Brichsenstat 302 Bruck 298*, 465 Bruckberg, Schloss 201 Brunkeberg, Schlacht bei 166 Brunner, Otto 23, 37, 350, 380, 520, 523–525 Bubenreuth 297* Buch (Dorf) 250, 297* Buchau (Reichsstadt) 229* Buchen, Wachenbuchen 251* Buchhorn (Friedrichshafen) 419 Büdingen, Herren v. 251* Bugenhagen, Johannes (Rektor an d. Ratsschule Treptow, Lektor im Kloster Belbuck) 234*, 245*, 526* Bukowina 559 Burgebrach 297* Burgerroth (Dorf) 250 Burgstall 297, 298* Burgthann 354* –– Amtmann s. Georg Klack –– Kastner s. Georg Haußner Burgund, burgundisch, Hzgt., Hzge. 82 f., 137, 139 f., 144–150, 152, 155–157, 178, 179–184, 187–189, 191–193, 196*, 197, 216, 401, 409, 488, 567*, 610 –– Karl d. Kühne 81 f., 128, 130, 136 f., 138*, 139 f., 143*, 144–146, 149 f., 152, 154 f., 157*, 159, 167, 178–182, 187–190, 192–197, 200*, 209, 216 f., 332, 376*, 477, 406, 433, 457, 466, 474, 479–481, 483, 485, 488, 490 f., 497, 510, 513 f., 530, 550, 567 f., 583, 600, 603, 607, 610 –– als Vogt des Erzstifts Köln 130, 188
–– Maria (Tochter Karls d. Kühnen) 181 f. –– Boten 194 –– Gesandtschaften 180 –– Hof 173 –– Königsprojekt 145 f., 175 –– Münzen 202 –– Räte 153 –– Truppen 179 Burkhardt, Carl August Hugo 73 f., 88–92, 256, 303, 396, 529 Cadolzburg 150, 153, 279, 321, 418, 422 f. –– Amtmann s. Albrecht Stieber Castel 302 Chemnitz 88* Chmel, Joseph 84 Cicero 76 Cölln 256*, 282 f. Crailsheim 339* –– Amtmann s. Heinrich v. Seckendorff Creglingen 250, 255*, 300*, 301–303 –– Burg 250* Croӱ, Gf. Antoine I. v. Porcean u. Guines 204* Crumbnawe 355 –– Albrecht v. (Gefolgsmann Johanns II. v. Rosenberg) 355 –– Hans 355 –– Jörg 355 Dänemark, dänisch, Kgr., Kgt., Kge. 162, 163*, 164, 166, 169, 175, 181 f. –– Christian, Kg. 81, 161–175, 178–188, 192, 197, 205, 223*, 458, 466, 479, 484 f. 488, 491, 493, 494, 498, 503, 513, 515, 563 f., 567 f., 571, 593, 600, 603 –– Christoph II., Kg. 162 –– Christoph III., Kg. 162, 163*, 166 –– Dorothea, Kgn. s. Brandenburg –– Johann I. 181* –– Hofdamen/Jungfrauen v. Kgn. Dorothea 210 –– Räte s. Albrecht Klitzing –– Untertanen 167, 220 Darmstadt 302 Deeg, Dietrich 309 Deichsler, Heinrich (Nürnberger Bierbrauer, Chronist) 369 f., 416*
Register Derrer (Nürnberger Fam.) 269, 297*, 298* –– Fritz 298* –– Wilhelm (Nürnberger Ratsmitglied) 269* Deutscher Bund 73 Deutscher Orden 163, 405, 477 –– Ballei s. Franken –– Hochmeister 223 –– Kommenden s. Ellingen; Nürnberg; Virnsberg Deutschland, deutsch, Teutsche Lande, Deutsche nacion 20 f., 22*, 24, 27 f., 35–37, 39*, 41, 44, 46*, 72 f., 87*, 93, 135, 146, 163*, 195, 236, 271*, 274, 310*, 379, 384*, 416, 500*, 502, 504, 509, 565, 580* –– Mitteldeutschland 236 –– Norddeutscher Raum 274 –– Ostdeutscher Raum 274 –– Süddeutschland, süddeutsch 36*, 79, 93, 108, 274, 294, 361*, 387, 467*, 525 –– Deutsches Ksr. 17 –– Ks. Wilhelm II. 17 –– Deutsches Kgt. 21*, 27, 30, 48, 76, 248, 565, 580* –– s. auch Reich Diemer, Georg 361, 365* Diettersberger, Wilwolt 208 Dietzesau, Johann v. 209 Dillingen 205 Dinkelsbühl (Reichsstadt) 138*, 339*, 378, 406–408, 413, 467, 492, 509, 576–578, 601, 608 f. –– Bürgermeister 138*, 410, 473, 476, 511 –– s. Hans Egen –– Spital 408* –– Stadtknechte 407* –– Städtetag 1460 408* Dithmarschen 165, 167 f., 178, 180, 184, 510 –– Einwohner 167 Dresden 106 Droysen, Johann Gustav 72 f., 89* Dücker, Julia 551* Dummeldorf, Hofmark 353* Eberstein, v. –– Asmus (sächsischer Rat) 103 –– Lorenz (Amtmann zu Hoheneck) 427 Ebner (Nürnberger Fam.) 253* Eckersmühlen 333*
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Effolderbach 251* Egen, Lorenz (Nürnberger Kaufmann) 429 Egen s. v. Argon Egen (Haller Fam.) 406 –– Hans (verh. m. Barbara Langenmantel, Bürgermeister v. Dinkelsbühl) 138*, 398, 406–408, 415, 424*, 434, 450, 468, 478, 512, 568, 576, 608 Egloffstein, weibl. Familienmitglied 210 Ehenheim, Sixt v. 207 Ehm(-Schnocks), Petra 145, 147–150, 153, 156, 506 Ehrenbreitstein, Festung 106, 154 Eichstätt –– Bf. v., Btm. 133, 138*, 257, 260*, 268, 290, 307, 322, 369, 401, 403*, 409–411, 412*, 413, 438 f., 441, 442*, 443–445, 447–452, 460, 462 f., 467 f., 473, 492, 579, 608 –– Gabriel v. Eyb 261 f., 264 –– Johann v. Eych 266 –– Wilhelm v. Reichenau 266, 277, 403, 406, 446*, 448, 455–459, 461, 463, 568 –– Tätigkeit als ksl. Kommissar 277, 404*, 405 f., 461 –– Amtmann zu Kipfenberg s. Hans v. Schaumberg –– Amtmann zu Nassenfels s. Lorenz v. Schaumberg –– Diener d. Bf. s. Hans v. Schaumberg –– Hof 267 f., 578 –– Hofmeister s. Konrad v. Luchau; Hans v. Schaumberg; Lorenz v. Schaumberg –– Marschall s. Hans v. Schaumberg –– Pfleger s. Martin v. Eyb –– Pfleger zu Arberg s. Ludwig v. Eyb –– Pfleger zu Wahrberg s. Ludwig v. Eyb; Hans v. Seckendorff –– Rat d. Bf. s. Peter v. Schaumberg –– Domkapitel 267, 578, 609 –– Dekan s. Johann v. Eyb –– Domherren s. Albrecht v. Eyb; Sigmund v. Eyb; Melchior v. Schaumberg –– Domkantorat s. Sigmund v. Eyb –– Kantor s. Sigmund v. Eyb –– Dompropst s. Johann v. Eyb; Wilhelm v. Reichenau
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Register
–– Kanonikate s. Gabriel v. Eyb; Johann v. Eyb –– Hochstift 403, 445 –– Hochstiftverwaltung 578 –– Stadt 263, 277, 327, 428, 439, 466 –– Tag 1471 277 –– geplanter Tag 1473 368, 444, 445* –– Tag 1474 465 –– Tag 1476 467 Eidgenossen, Eidgenossenschaft 82 f., 180, 526*, 552 Einsiedel, Jobst v. 142 f., 146, 566, 602, 608 Elbe –– Gebiete 30*, 126* –– Mittelelbe 30*, 125* Ellingen, Deutschordenskommende 335*, 404 –– Komtur s. Melchior v. Neuneck Ellrichshausen, Georg v. (Würzburger Generalvikar) 262 Eltersdorf 297*, 298* Emskirchen 429 –– s. Leonhard Bamberger; Georg Haiden Endres, Rudolf 338 England, englisch 202 Erding 367 Erfurt 103, 261, 292 Erlach 255*, 300*, 301 –– Burg 250* Erlangen 410 –– Fam. v. 249* Erlbach 339* Eschenbach 395, 398 –– Verhandlungen v. Eschenbach 395–398, 402*, 440 „Esslinger“ 429 Europa, europäisch 21*, 35, 36*, 39*, 41, 44*, 45, 46*, 47, 48*, 75*, 76, 177, 314, 509*, 595 –– Europäische Union 517* Eutin, Kirche, Kapitel 163* Eyb, Herren v. 259 f., 262–267, 284, 286, 288, 296, 299–301, 304, 307, 403*, 477 f., 480 f., 484, 490 f., 493, 512, 521, 539 f., 579, 601 –– Albrecht (mgfl. Rat, Domkanoniker, Domscholaster in Bamberg, Inhaber d. Pfarrei Haßfurt, Inhaber des Würzburger Archidiakonats Iphofen, Domherr in Eichstätt) 260–265, 267*, 292
–– Anselm (mgfl. Rat, Domherr in Bamberg, ständiger Beisitzer am Kammergericht) 260*, 261 f., 264, 284–286, 304, 429 –– Barbara (verh. m. Sigmund v. Lentersheim) 266* –– Gabriel (Domkanoniker in Bamberg) s. Bf. Gabriel v. Eichstätt –– Johann (Domherr, Domkellner, Domkantor, Domscholaster in Bamberg, Inhaber v. Domkanonikaten in Eichstätt und Würzburg, Dekan und Propst in Eichstätt, Inhaber d. Stiftspropstei v. St. Gumbert in Ansbach und in Spalt) 263–266, 267*, 301 –– Ludwig IV. 263 –– Ludwig d. Ä. (zu Sommersdorf, mgfl. Rat u. Lehnsmann, Hofmeister d. Mgfn., Hausvogt, Feldhauptmann, Hauptmann im ersten Markgrafenkrieg, Inhaber d. Erbkämmereramts d. Bgft. Nürnberg, Hauptmann d. fränkischen Zweiges d. Schwanenordens, Eichstättischer Pfleger zu Arberg u. Wahrberg) 17, 73*, 93, 101*, 108*, 121*, 137, 145, 151–153, 155, 156*, 248, 255*, 259–269, 273–277, 284, 286, 288–308, 326, 329, 331, 389, 402 f., 425*, 426*, 434, 438 f., 444 f., 447 f., 478 f., 485, 519 f., 527, 538*, 539 f., 548*, 549, 556, 564, 568, 571*, 572, 574, 581, 604, 606, 608 f. –– Gültbuch 260*, 284*, 299 –– Lehnsgericht 293 –– Ludwig d. J. 247*, 262 –– Margarethe (Tochter Ludwigs v. Eyb) 266 –– Martin I. (mgfl. Rat, Eichstättischer Pfleger) 263, 300*, 301 –– Martin II. (mgfl. Rat) 263* –– Sigmund (Domherr u. Kantor in Eichstätt) 267* Eyb, Volker v. 389, 396 Eych, Johann v. s. Bf. Johann v. Eichstätt Fahlbusch, Friedrich Bernward 385 Feucht 354 Fichtelberg, Bergwerk am 300* Fleischmann, Peter 269, 393 Forli, Bf. Alexander Numai (päpstlicher Legat) 183, 188
Register Fouquet, Gerhard 304, 393 f., 579 Franken, fränkisch 17, 23*, 30*, 31*, 73*, 76, 81, 87, 93–95, 102, 104, 116, 121, 131, 200 f., 217, 247, 249, 251*, 260, 271, 274, 287*, 289, 294 f., 301–308, 311– 313, 314*, 315, 317, 319*, 320, 325–327, 328*, 330, 333, 336–338, 342, 346–348, 350–352, 354, 381, 384*, 388–391, 398*, 400, 403, 412 f., 418, 424 f., 427 f., 436– 440, 445, 447, 449, 451, 453, 462, 466, 467*, 468, 470, 472 f., 476 f., 479 f., 482– 486, 489, 491 f., 496, 498, 503, 505, 509– 512, 516, 518, 520, 526 f., 529–533, 535, 541 f., 548*, 565 f., 568, 574, 587, 592– 595, 597, 599–602, 604 f., 608, 611 f. –– Fränkische Territorien, „Territorienlandschaft“ 70, 93, 99, 122, 126, 255, 271, 294 f., 302, 305, 307, 318, 320 f., 330*, 333, 337, 388, 390, 405, 509, 510, 525, 529, 530–534, 567*, 575*, 597, 604 –– Ballei d. deutschen Ordens 404 f. –– Kommenden s. Ellingen; Nürnberg; Virnsberg –– Landkomtur 324, 335*, 396, 400 f., 405 f., 410, 431–435, 446, 450, 452, 466, 468, 473 –– s. Melchior v. Neuneck –– freyß 330 f. –– guldin zoll 302 –– „Herzog v. Franken“ 525 f. –– Knechte 330*, 331 –– Regionaladel 104*, 206, 259, 303 f., 352, 391 –– Ritter 330*, 331, 376* Frankenreich 55*, 56 Frankfurt a. Main 30*, 112, 126, 127*, 182*, 413, 441, 445, 564* –– Bürger 429 –– Kurverein v. 111 –– „Reformation v. 1442“ 352* –– Versammlungen –– Reichstag v. 1489 127* –– Tag v. 1456 126* –– Tag v. März 1457 126*, 127* –– Tag v. Mai 1457 126*, 127* –– Wahl Maximilians 1486/Reichstag v. 1486 127*, 506, 564* Frankreich, Kgr. 148, 179, 193 f., 217, 549*
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–– Kge. 146, 171*, 179, 188, 205, 401 –– Karl VIII. 176 f. –– Ludwig XI. 552 –– Gesandte 194 Freiröttenbach 298* Freising, Bf. Nicodemus 310*, 409 Fried, Pankraz 595 Friedrich II., Ks. s. Reich Friedrich d. Große s. Preußen Friedrichshafen s. Buchhorn Fuchs v. Wallburg, Elisabeth (verh. m. Heinrich v. Schaumberg) 267* Führer (Nürnberger Fam.) 253* Fütterer (Nürnberger Fam.) 253* Fugger, Jakob (verh. m. Sibilla v. Argon) 371 Fulda, Abt v. 249 Garnier, Claudia 189, 485, 563, 567 Gartz, Hauptmann v. s. Werner v. d. Schulen burg Geldern, Hzgt. 138*, 144, 146 f., 178–180, 184 Gelnhausen –– Kurverein v. 113, 126 Gemeiner, Carl Theodor 369 Gera 101*, 103, 105 Gerlich, Alois 34 Geuder (Nürnberger Fam.) 269, 297* –– Endres 277 –– Hermann 297 Giech v. Thurnau 89 Giengen, Schlacht bei 227* Gilomen, Hans-Jörg 186 Glockengießer, Johann 365 Glogau-Crossen –– Heinrich XI., Hzg. 203*, 239* –– Erbfolgestreit 237 Gnodstadt 255 Göppingen 136 Görz, Gf. Leonhard v. 215* Goldene Bulle 83, 96, 98–100, 101*, 102 f., 106, 108–111, 117, 121–124, 157 f., 352*, 408*, 476, 482, 488, 556, 558–561, 607 Gonzaga 174 –– s. auch Mgfen. v. Mantua Goslar 499 Grabfeld 249 Graisbach, Landgericht 319*, 329, 330*, 331, 445 f.
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Register
–– Pfleger s. Hans v. Seckendorff Graser, Anna (verh. m. Johann Arzt) 372 Graßmannsdorf 297* Graus, František 46, 51 Graz 129, 270*, 275, 276*, 283, 402, 411 Greifenhaus 219 Greifswald –– Juristen 232, 243, 574 –– s. Johann Parleberg –– Professoren 243 –– s. Johann Philipp Palten Groland (Nürnberger Fam.) 269, 270* –– Nikolaus 297*, 298* –– Peter 297*, 298* Groß (Nürnberger Fam.) 253* –– Niklas (Älterer Herr, Mitglied im Septemvirat) 268*, 275 f., 279, 414, 415*, 422*, 461 Groß v. Trockau, Heinrich s. Bf. Heinrich v. Bamberg Großgeschaidt, Wiese 420* Gründlach, Herren v. 249*, 289* Grumbach, Johann v. s. Bf. Johann v. Würzburg Grundherr, Michel (Nürnberger Bürgermeister) 253 Gützkow, Gft. 242 Guldinmundlin, Contz (Nürnberger Bürger) 429 Gunzenhausen 335* –– Amtleute v. 335* –– s. auch Engelhard v. Absberg Guteneck 353* –– Schloss 353* Guttenberg, Erich Frhr. v. 525
–– Jobst 268*, 276*, 277, 414, 415*, 422*, 451 f., 461 –– Katharina (Tochter d. Alexius) 420 f. –– Peter (Nürnberger Bürgermeister) 253 –– Ruprecht (Mitglied d. städt. Rates, Älterer Bürgermeister, Älterer Herr) 396 f., 402, 421 f., 447, 468 Hamann, Manfred 237 Hamburg 165, 168* Hanisch, Wilhelm 456 Hanse –– Hanseraum 163 –– Städte 163*, 164*, 165 f., 223 Hardegg, Gf. Johann III. zu s. Bgf. Johann v. Magdeburg Harsdorffer, Peter (Nürnberger Bürger) 277, 279, 444 Haßfurt, Pfarrei 262 –– s. Albrecht v. Eyb Haußner, Georg (mgfl. Kastner zu Thann) 354 Havelberg, Bf. v. 223*, 225 Heermann, Norbert (Propst d. Stiftes Třeboň, Chronist) 356* Hefler, Georgius 175* Heideck, Herrschaft, Herren v. 201, 308– 311, 315–321, 327 331–333, 335, 339, 343, 345 f., 348, 459, 526, 538, 558, 561, 600, 604, 606, 611 –– Johann IV. 310 –– Konrad v. (Rat Hzg. Ludwigs v. Bayern) 308–310, 344 –– Geleit zu 81, 314, 317–319, 321, 323, 325, 328, 332, 338–340, 343, 346 f., 477, 488, 518 f., 522, 596 f. –– Geleitsknechte s. Roth Habsburger, habsburgisch, Dynastie, Haus –– Geleitstreit zu 315, 321, 509, 526, 593 18, 77 f., 82, 97, 115 f., 175, 181, 187, 500 –– Stadt 309, 314–316, 318, 320 f., 332, –– s. auch Österreich 335, 343 Haiden, Georg 429 –– Bürgermeister 316 Halberstadt 140* –– Amt 314 Hall 406 –– Burg 309 –– Fam. s. Egen –– Einwohner 309, 318 Halle 132 –– Knechte/Stadtknechte 316 Haller (Nürnberger Fam.) 297* –– Pfleger 314 f., 318 –– Alexius (verh. m. Martha Schürstab) –– s. Konrad v. d. Thann 420 f. –– Ratsperson/Ratmann 316 –– Endres 268* –– s. auch Heinz Vogt
Register –– Richter 316 Heiden v. Uehlfeld, Martin (mgfl. Rat, ständiger Gesandter Albrechts v. Brandenburg am Hof Friedrichs III.) 284 Heidenheim a. d. Brenz 407* Heiliges Land 237, 284 Heilsbrunn, Kloster, Abt 209 Heimann, Heinz-Dieter 46 Heimburg, Gregor v. 547 Heimpel, Hermann 150 Heinig, Paul-Joachim 78 f., 118, 125, 129, 141, 156, 167, 168, 221, 226, 385, 391, 440, 449, 459, 497 f., 566 Heinrich VII., Ks. s. Reich Hektor 76 Helfenstein, Konrad v., Gf. 326 f. Helmstädt, Rafan v. (mgfl. Rat) 402 Henneberg, Philipp v., Gf. s. Bf. Philipp v. Bamberg Herrieden 448 Herzogenaurach, Erbfriedenseinung v. 258 Hessen, hessisch 251 –– Lgfen. v., Lgft. 120, 128, 165, 190, 205*, 302, 306, 563 –– Hermann (Domherr, Hauptmann d. Ebtm. Köln) 188 –– Erbeinung m. Brandenburg u. Sachsen s. Brandenburg Hildesheim, Stift, Koadjutor/Administrator s. Balthasar v. Mecklenburg Hilpoltstein 313, 449 –– Halsgericht 313 –– Pfleger 313, 333* –– s. Paul Zenger Hintze, Otto 72 f. Hirschberg, Landgericht 209, 319, 330* Hirschmann, Gerhard 393 Hobeck, Heinrich (mgfl. Rat) 104*, 121 Höfler, Constantin 88 Hönningen 191 Hof 105 –– Amtmann 104 –– Bürgermeister 104 –– Einwohner 104 –– Hauptmann 104 –– Kastner 104 –– Klarissenkloster, Äbtissin s. Margarethe v. Brandenburg
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Hofman, Contz (Inhaber eines Hofes zu Poppenreuth) 298* Hofmann, Martin (Autor d. Bamberger Annalen) 250 Hohen 252 Hoheneck 300 –– Amtmann s. Lorenz v. Eberstein Hohenlohe (Haus) 256* –– -Brauneck, Herren v. 248–250, 251*, 252 f., 256, 289*, 300, 306, 339* –– Anna s. Hohenlohe-Weikersheim –– Gottfried (Domherr und Propst im Trierer Domkapitel) 248*, 250* –– Gottfried II. 297* –– Hans 300* –– Konrad IV. (verh. m. Anna v. Hohenlohe-Weikersheim) 248, 250, 254 –– Margarethe (Tochter v. Konrad v. Hohenlohe-Brauneck u. Anna v. Hohenlohe-Weikersheim, verh. m. Gf. Heinrich v. Schwarzburg-Wachsenburg) 250–252, 254 f. –– -Weikersheim, Herren v. –– Anna (verh. m. 1. Konrad v. Hohenlohe-Brauneck, 2. Konrad v. Weinsberg) 250–254, 256 –– Friedrich 250 –– Ulrich 250 –– Gfen. v. –– Gottfried (mgfl. Rat) 104*, 121, 256* –– Kraft V. 256* Hohenstadt, Dorf 444 Hohentrüdingen, Amtmann v. 335* Hohenzollern, hohenzollerisch, Dynastie, Haus 17 f., 71 f., 73*, 75 f., 90 f., 94, 98, 120, 122, 165, 245, 271, 295 f., 300–303, 307, 315, 348, 480, 496, 516*, 525*, 526*, 529, 530 f., 535, 605 f., 611 –– s. auch Brandenburg; Nürnberg; Reich Holstein 163*, 185* –– Gft., Gfen. v. 167 –– Adolf VIII. 162 –– Edelleute 165 –– s. auch Dänemark –– Hzgt. 167, 179, 183 f. –– s. auch Dänemark Holzendorf, Tamme 222*
730
Register
Holzschuher (Nürnberger Fam.) 253*, 269, 297*, 298*, 430 –– Anton 270*, 298* –– Fritz 270*, 298* –– Hans (Ratsmitglied) 269*, 270* –– Heinrich 298* –– Jeremias 298* –– Sebald 270* –– Seytz 298* –– Ulrich 270* Hund, Wiguleus (bayerischer Rechtsgelehrter u. Geschichtsschreiber, Kanzler u. Rektor d. Universität Ingolstadt, Berater Hzg. Albrechts V. v. Bayern) 353*, 360*, 361 Illkofen 370 Imhof (Nürnberger Fam.) 297* –– Catharina 443 –– Christian (Nürnberger Bürger) 340* Imperium 47, 53*, 70* Ingolstadt 133, 324, 326, 441 –– Kanzler u. Rektor d. Universität s. Wiguleus Hund Interregnum 189 Iphofen, Würzburger Archidiakonat 262 –– s. auch Albrecht v. Eyb Isenburg (Haus) 251* –– Dieter v. s. Ebf. Dieter v. Mainz Italien 44*, 161, 169 f., 174*, 176–178 –– Edle 170* Jansen, Dorothea 489 Jeger, Contz 430 Jellinek, Georg 52 Jena 73, 89 –– Universität 73* Jerusalem 164 Jülich-Kleve-Berg, Hzgt., Hzge. v. 181, 192 –– Gerhard 192 –– Wilhelm 192, 239* –– Grafen 192 –– Herren 192 –– Prälaten 192 –– Ritter 192 Kärnten 129 Kammin, Bf. v. 223 –– -er Chronik 244
Kanter, Erhard Waldemar 74 Kantzow, Thomas (Sekretär d. Hzge. v. Pommern, Chronist) 240–242 Karl IV., Ks s. Reich Karl d. Kühne s. Burgund Kaschuben, Hzgt./Ft. 221 Katzenelnbogen, Gft. 302 Keller, Johann (ksl. Rat) 141 Keubel, Fritz genannt Kleinfriedel (Hauptmann d. mgfl. „Straßentruppe“) 376, 608 Kilianstädten 251* Kindsberg, Heinrich v. (mgfl. Rat) 402 Kintzinger, Martin 48, 49, 514, 579 Kipfenberg, Amtmann zu s. Hans v. Schaumberg Kitzingen 209, 249, 252, 253*, 302 –– gerechtikait 300* –– Pfandschaft 255 –– Untervogt s. Jobst Offenheuser Klack –– Albrecht (mgfl. Amtmann v. Roth) 313 f., 321 –– Knecht s. Roth –– Georg (mgfl. Amtmann zu Burgthann) 289* Kleinfriedel s. Fritz Keubel Kleinsendelbach 297* Kleve, Hzge. v. 182* –– Helene v. (verh. m. Heinrich II. v. Braunschweig-Lüneburg) 240 Klitzing, Albrecht (Berliner Dompropst, brandenburgisch-dänischer Rat) 165, 169– 174, 187, 194–196, 563 f., 571, 583, 608 f. Knörringen, Burkhart v. 365 Knorr, Peter (mgfl. Rat, Inhaber d. Stiftsscholasterie an St. Gumbert in Ansbach, Propst v. St. Gumbert in Ansbach, Kanoniker bei St. Stephan in Bamberg) 104*, 214*, 240*, 265*, 292*, 358, 411*, 431– 434, 450 f., 457, 460, 462 f., 541, 548*, 571*, 572, 581, 606 Koblenz 106, 151, 153, 183 Köln –– Ebtm., Ebfe., Kur, Kft. 97, 119, 123 f., 127, 138, 152, 191, 195 –– Ruprecht v. d. Pfalz 115 f., 118 f., 130, 148, 188, 191*, 447, 457, 485
Register –– Hauptmann d. Ebtm. s. Hermann v. Hessen –– Domkapitel 130, 139 –– Erzstift 130, 138* –– Stiftsadel 130 –– Stiftsfehde 83, 128, 130, 188 –– Stiftsstädte 130 –– Vogt s. Karl d. Kühne v. Burgund –– Stadt 107, 151–154, 157*, 189*, 193, 209, 403, 413, 446 f., 499*, 510, 550 –– Abgesandter i. Regensburg s. Wolter van Bilsen –– städt. Rat 139 –– Verhandlungen 1473 132, 153–155, 606 Königsaurach 298 Königsberg i. d. Neumark 231 Königsfeld 419 Königshofen 207 Koler, Erkenbrecht 297 Kolmberg –– Amtmann s. Heinrich v. Luchau Konstanz, Bf. Hermann 419* Kraftshof 297, 298* Kreß (Nürnberger Fam.) 253*, 269, 270*, 297* –– Hans 297*, 298* –– Jeronimus (Ratsmitglied) 269* –– Niklas (Nürnberger Bürger) 429 –– Sebald 297*, 298*, 420* Krieger, Karl-Friedrich 27, 38, 274, 449, 453 f., 456 Küchlin (Geistlicher) 362 Kulmbach –– Mgft. –– Amtmann 104 –– Hauptmann 104 –– Kastner 104 –– s. Brandenburg –– Stadt 104, 209, 339 –– Bürgermeister 104 –– Einwohner 104 Kurfürsten, kfl., Kurfürstenkollegium s. Böhmen; Brandenburg; Köln; Mainz; Pfalz; Reich; Sachsen; Trier Kurpfalz s. Pfalz Kurverein s. Bingen; Frankfurt a. Main; Gelnhausen; Reich; Rhense Laibstadt, Bergwerk bei 309
731
Laineck 465* –– Bewohner s. Eberhard Schütz Landshut –– Landshuter Erbfolgekrieg –– s. Bayern-Landshut Langendiebach 251* Langenloh 290* Langenmantel (Augsburger Fam.) 361*, 363 f., 372, 577 –– Ältere Linie (‚v. Sparren‘, ‚v. Rohrbach‘, ‚v. Radau‘) 370 –– Anna 370 –– Jüngere Linie (RR v. Wertheim, v. Westheim) 365* –– Heinrich II. (Augsburger Bürger, Bürgermeister) 363, 365, 366* –– Heinrich III. (Augsburger Bürger, Sohn d. Heinrich) 361, 364 f., 366*, 370, 372, 381 –– Familienwappen 365* Langenmantel, Barbara (verh. m. Hans Egen) 406* Laubendorf 297* Lauf, Vertrag v. 309 f., 388 Lauingen, Vertrag v. 408 Lebkuchner, Fricz (brandenburgischer Untertan) 464* Lebus, Bf. v. 223* –– Friedrich Sesselmann (mgfl. Kanzler, Statthalter u. Regent i. d. Mark) 106, 121, 223* Lech 132* Leiningen, Gfen. v. 419* Leipzig 149* –– -er Teilung 1485 124 Leiter, Johann v. d. (Rat Hzg. Ludwigs v. Bayern) 310 Lentersheim –– Sigmund v. (verh. m. Barbara v. Eyb) 266* –– Wilhelm v. 135 Leuchtenberg, Ludwig v. 369 Lhotsky, Alphons 76 Lichtenau –– Gericht 290* –– Veste 271, 280 Lichtenfels 103, 401 Lichtenstein, Martin v. (Bamberger Dompropst) 263
732
Register
Link, Hans 419 Linz (am Rhein) 135, 191, 206 Loe, Arnold v. 420 Löffelholz (Nürnberger Fam.) –– Hans (Nürnberger Bürger) 420* –– Wilhelm (Nürnberger Bürger) 410, 422 Lombardei 81, 169, 172 Lothringen, Hzg., Hzgt. 139, 141 Luchau, Heinrich v. (Amtmann v. Kolmberg) 427 –– Konrad v. (Hofmeister d. Bf. v. Eichstätt, Marschall, Hausvogt am Hof v. Ansbach) 439 Ludwig d. Bayer, Ks. s. Reich Lübeck 109, 163*, 165, 168 –– Bürgermeister 164* –– Kirche, Kapitel 163* Lüneburg 165, 168* –– städt. Rat 163 Lüttich 413* –– Bf. v. 413* –– Johann v. Wallenrode 413* Luft, Hans (Knecht, Hauptmann d. „mgfl. Straßentruppe“) 338, 376, 438, 510, 541, 566, 601, 608 Luxemburger –– Heinrich VII., Ks. s. Reich –– Karl IV., Ks. s. Reich –– Sigmund, Ks. s. Reich Magdeburg –– Bgfen. 256*, 280 –– Johann III., Gf. zu Hardegg 254 –– Michael, Gf. zu Hardegg 280, 300 f., 306 Mailand –– Hzgt., Hzge. v. 81, 169–177, 187, 489, 563 –– Bianca Maria Sforza (verh. m. Kg. Maximilian I.) 177 –– Bianca Maria Visconti (Tochter v. Filippo Maria Visconti, verh. m. Francesco I. Sforza) 171* –– Filippo Maria Visconti 171 –– Francesco I. Sforza (verh. m. Bianca Maria Visconti) 171* –– Galeazzo Maria Sforza (Sohn v. Francesco I. Sforza u. Bianca Maria Visconti) 170–172, 174–177, 187
–– Gian Galeazzo Sforza (Sohn v. Galeazzo Maria Sforza) 145*, 176 –– Ludovico Maria Sforza, „Moro“ (Sohn v. Francesco I. Sforza u. Bianca Maria Visconti) 176 f., 187 –– Königsprojekt 81, 172, 178, 563 –– s. auch Sforza; Visconti Main 118, 208 –– mittlerer Main 118, 255 –– Untermain 30, 130 –– Maindörfer 255, 300*, 301–303 –– s. auch Gnodstadt; Martinsheim; Oberickelsheim; Obernbreit; Sickershausen; Steft Mainz –– Bfe., Ebtm., Ebfe., Kur, Kfen. 97, 113 f., 116–119, 123 f., 127, 129, 132, 134–141, 143, 145 f., 148, 150, 154 f., 158, 170, 171*, 172, 190, 192*, 193, 209, 211, 235*, 278, 282–285, 411, 415, 422, 426, 429 f., 435, 442*, 451, 455, 564, 602 –– Adolf v. Nassau 113–117, 128 f., 134– 138, 143–145, 154, 167*, 190, 284, 286, 421*, 428, 430, 457, 479, 482– 484, 487, 507, 564*, 589, 591, 611 –– Tätigkeit als Erzkanzler 85, 116, 129, 134, 140, 167, 279, 282, 307 –– Kanzler 141 –– Diether v. Isenburg 111*, 118, 128 –– Dietrich v. 442 –– Kanzler s. Martin Mair –– Rat s. Martin Mair –– Konrad v. Weinsberg 251* –– Räte 194 –– Domkapitel 128 –– Erzstift 128 f., 141 –– Stadt 112, 116, 126 –– Stiftsfehde 115, 116*, 117, 128 Mair, Martin (niederbayer. Rat und Kanzler, Nürnberger Rat u. Stadtschreiber, Rat u. Kanzler d. Ebfe. Jakob v. Trier u. Dietrich v. Mainz, verh. m. Catharina Imhof) 107*, 157*, 317–319, 321, 372, 413, 442–444, 452, 459–464, 466*, 467, 469, 472, 490, 493, 571 f., 587 Malmersdorf 290* Malmsbach, Burg 289* Maltzan auf Wolde, Bernd 237
Register Manlich, Mathias 361* Mantegna, Andrea (Maler) 162 Mantua, mantuanisch –– Stadt 161, 162* –– Castello San Giorgio 161 –– Camera dipinta/Camera degli Sposi/ Camera picta 175, 215, 556, 590 –– Mgft., Mgfen. v. 161, 172–175, 215 f., 590 –– Barbara Gonzaga (verh. m. Gf. Eberhard v. Württemberg) 215 –– Dorotea Gonzaga (Tochter Ludovicos III. Gonzaga) 174 –– Federico Gonzaga (verh. m. Margarethe v. Bayern-München) 204* –– Francesco Gonzaga (Kardinal, Sohn v. Ludovico III. Gonzaga u. Barbara v. Brandenburg) 161, 174* –– Ludovico III. Gonzaga (verh. m. Barbara v. Brandenburg) 161, 170, 172*, 173–175, 215 –– Ludovico Gonzaga (Sohn v. Ludovico III. u. Barbara v. Brandenburg) 161 –– Rodolfo Gonzaga 216 –– Hof 161*, 586* –– Botschafter in Mailand s. Zaccaria Saggi da Pisa –– Gesandte 216 –– Sekretär v. Ludovico Gonzaga s. Marsilio de Andreasi Marschalk v. Schney, Agnes 266, 267* Martinsheim 255 Mayer, Theodor 22 f. Maximilian I., Kaiser s. Habsburger; Reich Mecklenburg, mecklenburgisch, Hzge., Hzgt. 114*, 163, 164*, 168, 184, 186*, 219, 223–225, 231, 233–238, 240–242, 246, 483, 486 f., 509, 568, 601 –– Albrecht VI. 233* –– Balthasar (Geistlicher, Koadjutor/Administrator des Stifts Hildesheim) 233* –– Elisabeth, Äbtissin v. Kloster Ribnitz 114* –– Heinrich IV., „d. Dicke“ (verh. m. Dorothea v. Brandenburg) 114*, 163*, 185*, 222, 224 f., 233*, 237 –– Johann VI. (verlobt m. Sophia v. Pommern-Wolgast) 233, 235, 237
733
–– Magnus II. (verh. m. Sophia v. Pommern-Wolgast) 186*, 224* –– Ulrich 223*, 224 –– Linie Mecklenburg-Stargard, Hzge., Hzgt. v. 235 –– Heinrich (verh. m. Margareta v. Brandenburg) 114* –– Magdalena (verh. m. Wartislaw X. v. Pommern) 235, 236*, 574 –– Ulrich II. 224* –– Teilherzogtümer/Landesteile 224 –– Einwohner 163* Meißen, Mgft. 39 Mendel (Nürnberger Fam.) 297* Mergentheim 339* Merseburg, Bf. v. 223* Merz, Johannes 525 f., 604 Metz 143 –– Treffen v. 1473 143* Mexiko 522 Mickel, Ulrich (Nürnberger Bürger) 429 Mindelzell 371 Minutoli, Julius v. 86 Mittelmeerraum 36* Mitterauer, Michael 199 Modena, Hzgt. 174* Möhren 81, 314*, 323–333, 335, 338, 344– 348, 459, 485, 518, 528 –– Burg 323 f., 326, 330 f. –– Halsgericht/Halsgerichtsbezirk 325, 329, 331, 561, 600, 604, 611 –– s. auch Hans v. Seckendorff Moers, Gfen v. 138*, 576 Monnet, Pierre 386 Montfort-Tettnang, Gfen v. –– Haug (ksl. Rat) 141, 227*, 459 –– Ulrich 365* Monninger, Hans 207*, 208 Moraw, Peter 25 f., 28, 30–38, 43 f., 46 f., 58, 68, 78, 199 f., 206, 236, 351, 381, 390, 497 f., 501, 503–508, 510–512, 529 f., 532, 565, 577 f., 580, 594, 599–602 Morsel, Joseph 380 Most, Ingeborg 379 Mülich, Hektor 361, 363*, 365* Müller, Heribert 58 Müllner, Johannes (Nürnberger Chronist) 394, 396
734
Register
Münchauer, Hans (niederbayerischer Pfleger) 367 Münchberg, Viehzoll v. 402* München s. Bayern-München Münsterberg, Heinrich v. (Statthalter v. Böhmen) 140*, 239* Münzer, Raimar 419* Muffel (Nürnberger Fam.) 392* –– Niklas 391–401, 406, 410, 429, 435, 447 f., 468, 472, 483, 485, 487, 493, 533, 567, 576 f., 590, 608 –– s. auch Neumarkt Nassau-Idstein, Gfen. v. –– Adolf II. (Vater v. Ebf. Adolf v. Mainz, verh. m. Margarethe v. Baden) 114 –– Adolf s. Ebf. Adolf v. Mainz Nassenfels, Amtmann s. Lorenz v. Schaumberg Nestor 76 Neugebauer, Wolfgang 595 Neuhaus, Burg 250 Neumark 231 Neumarkt 357, 392* –– Hof v. Pfgf. Otto v. Pfalz-Mosbach, Hofleute 360 Neumarkt/Muffel/Weigel (Fam.) –– Marquard, Butigler 392* Neuneck(-Glatt) (schwäbisches Adels geschlecht) –– Anna s. Anna Boss v. Waldeck –– Hans v. 404* –– Melchior v. (Sohn d. Hans, mgfl. Rat und Statthalter, Landkomtur d. Ballei Franken, Komtur v. Ellingen und Nürnberg, ksl. Kommissar) 282, 400–405, 406*, 412*, 431, 511, 591 –– s. auch Ballei Franken, Kommenden Ellingen, Nürnberg Neunhof 297, 298* Neuss 182*, 188, 218, 480, 485, 565, 567 –– Neusser Krieg/Belagerung v. 83, 130, 179, 183, 189 f., 197 f., 215 f., 514, 551*, 565, 573*, 588, 592, 601, 611 Neustadt a. d. Aisch 106, 368 –– Amtmann s. Siegmund v. Schwarzenberg Neustadt a. d. Donau 339* Neustetter, Johann (Inhaber einer Bamberger Pfründe) 264
Nicklas (Meister, Leibarzt Albrechts v. Brandenburg) 203 Niederndorf 297* Niederbaden (Baden-Baden) 136*, 139, 155 f., 550 –– Treffen v. 1473 128, 136, 155, 459* Niedertor, Heinrich v. 420 Niitemaa, Vilho 163 f. Nimwegen 138*, 139* Nördlingen –– Messe 202 –– Stadt 413 Noger –– Katharina 229 –– Rüdiger 229 Nolte, Cordula 199 f., 212 f., 529 f. Nordseeraum 500* Norwegen, norwegisch, Kgr. 168 Nürnberg, nürnbergisch –– Deutschordenskommende 404 f. –– Komtur s. Melchior v. Neuneck –– Stadt 30*, 81, 89*, 101, 111*, 133, 134*, 185, 205 f., 209, 265, 268*, 269, 270*, 271–273, 275–283, 285–294, 297, 305– 309, 314, 320, 322, 326, 328, 332, 338– 341, 359, 365*, 368–373, 377 f., 381 f., 383*, 384, 387–389, 391–403, 404*, 405–410, 413*, 414–452, 453*, 454– 459, 461–474, 476 f., 479 f., 483–485, 487, 489–494, 499, 503, 508, 510, 512, 519, 523, 527 f., 531, 533, 540, 541*, 550, 552, 554 f., 561 f., 569 f., 572, 576– 578, 585–590, 592 f., 596, 600, 603 f., 608–611 –– Bierbrauer s. Heinrich Deichsler –– Bürger 249, 253, 258, 268–270, 273, 275–277, 289, 293 f., 297 f., 306, 316, 354, 368, 376, 387, 389, 391, 395, 410, 420*, 425 f., 429 f., 437, 443 f., 447, 457, 464, 476, 492, 526, 604 –– s. Leonhard Bamberger; Hans Braun; Contz Guldinmundlin; Lorenz Egen; Peter Harsdörffer; Christian Imhof; Niklas Kreß; Hans Löffelholz; Wilhelm Löffelholz; Ulrich Mickel; Anthon Paumgartner; Hans Pirkheimer; Conrad Schütz; Heinz Toppler –– Butigler s. Marquard v. Neumarkt
Register –– Einung zw. Nürnberg u. Bayern-Landshut 276, 378, 408 f., 433, 443, 450 –– Einwohner 436 –– Familien 253*, 269, 275* –– s. Arzt; Behaim; Derrer; Ebner; Führer; Fütterer; Geuder; Groland; Groß; Haller; Holzschuher; Imhof; Kreß; Löffelholz; Mendel; Muffel; Nützel; Pfinzing; Rieter; Rummel; Schreyer; Schürstab; Tetzel; Tucher; Ußmer; Volckamer; Waldstromer –– Geleit 412 –– Gesandtschaft/Gesandte 275, 411, 415, 461, 589 –– Handwerker 419 –– Haus 296* –– Jagdrecht Nürnberger auf mgfl. Gebiet 464, 589 –– Kaufleute 354, 368, 372 –– s. Lorenz Egen –– Kirchen/Geistliche Einrichtungen –– Heiliggeistspital 253* –– Kloster St. Egidien 378*, 393 –– Abt Sebald 268*, 341* –– Eucharius-Kapelle, Sarg 419 –– St. Lorenz 419 –– Pfarrei 433 –– Propstei 433 –– St. Sebald 101 –– Knecht s. Fritz Rott –– Lehen/Handlohn 268, 269*, 294, 297, 307, 424–426, 464*, 587 –– Burglehen 249, 252 –– Inhaber Brauneckscher Lehen 253*, 269 f., 273, 275, 291, 426 –– Kronvasallen 268* –– Nürnberger Lehnsleute 253, 258, 268, 272–275, 280, 287, 289, 293, 298, 425, 464, 474 –– Lichtenhof 422 –– Städt. Institutionen/Organe 270, 275, 280 f., 382, 397, 410, 413, 429, 440, 444, 448, 467, 579, 589 –– Amtmann auf d. Burg 254* –– Kanzlei 338 –– Schreiber s. Johann Teubler –– städt. Rat 269, 278–281, 289, 294, 308, 392–394, 395*, 397, 400, 403, 408, 413*, 414, 416–418, 424, 426,
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433, 441, 448, 464 f., 467*, 526, 554*, 589 –– Ältere d. Rates/Ältere Herren 275*, 392, 415*, 421*, 422*, 444 –– s. Niklas Groß; Peter Harsdorffer; Niklas Muffel –– Bürgermeister 275, 413*, 449 –– s. Michel Grundherr; Peter Haller –– älterer Bürgermeister s. Ruprecht Haller; Niklas Muffel; Jobst Tetzel –– jüngerer Bürgermeister s. Gabriel Tetzel; Jobst Tetzel –– Gesandte s. Niklas Groß; Jobst Haller; Gabriel Tetzel –– Kleiner Rat 393 –– Mitglieder 269*, 416 f., 422*, 423, 589 –– s. Wilhelm Derrer; Ruprecht Haller; Hans Holzschuher; Jeronimus Kreß; Niklas Muffel; Paulus Rieter; Erasmus Schürstab; Hans Schürstab; Andreas Tucher; Anton Tucher; Hans Volckamer –– Oberster Hauptmann s. Jobst Tetzel –– Oberster Losunger s. Niklas Muffel; Jobst Tetzel –– Losungsstuben 394 –– Stadtschreiber s. Martin Mair –– Rathaus 420, 421*, 422* –– Ratsverlässe 277, 396*, 417, 422*, 543 –– Burggrafschaft/Burggraftum 17, 219 f., 245, 252 f., 280, 293*, 295, 297, 305, 339, 341, 364*, 526, 531, 605 –– Bgfen. v. s. Brandenburg –– bgfl. Gerichtsrechte 526 –– Erbkämmereramt s. Ludwig v. Eyb –– Geleit/Geleitstraßen 338, 339* –– Geleitstraßenverzeichnis 15. Jahrhundert 338–341, 348, 489, 542 f. –– Geleitstraßenverzeichnis v. 1565 338, 402 –– Ksl. Landgericht 123*, 253 f., 258, 272 f., 306, 309, 363 f., 395*, 516* –– Landgebiet 270, 275*, 281, 289, 308, 436, 528, –– Alte Landschaft 270 f., 273
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Register
–– Neue Landschaft 270 f. –– Reichsstädtische Überlieferung 95, 279 f., 298, 410, 414, 417, 554 –– Annalen d. Reichsstadt Nürnberg s. Johannes Müller –– Chronisten/Chronistik 369*, 471 f. –– s. Heinrich Deichsler; Johannes Müllner –– Tuchersche Fortsetzung d. Nürnberger Jahrbücher 416 –– Versammlungen –– Fürstentag 1465 396 –– Nürnberger Fortsetzung des Regensburger Reichstags 1471 227 –– Reichstag 1444 420 –– Reichstag 1466 396 –– Reichstag 1467 245, 396 –– Reichstag 1470 101, 411 f. –– Tag v. 1456 126* Nützel (Nürnberger Fam.) 253* Oberickelsheim 255 Oberland s. Brandenburg Obermeidbach 297* Obermichelbach 297* Obernbreit 255 Oberpfalz/oberpfälzisch 333, 358, 361, 428, 436, 440, 492, 510 Ochenbruck 354, 419 Österreich, österreichisch 354 –– Ehzge. 409 –– Albrecht VI. 115, 354* –– Katharina (Schwester Kaiser Friedrichs III., verh. m. Karl I. v. Baden) 115, 138 –– Ladislaus Postumus, Kg. v. Böhmen u. Ungarn 309 f. –– Margarethe (Schwester Kaiser FriedIII., verh. m. Friedrich II. v. richs Sachsen) 115, 211 –– Maximilian 132 –– s. auch Reich –– Sigmund, Hzg. v. Tirol 83, 171*, 471, 552, 586 –– Erblande 77, 80, 84*, 116, 123 –– Kaufleute 354, 381 Öttingen, Gft, Gfen. v. 407 f. –– Ludwig 368
–– Ulrich 407* –– Wilhelm 261* Offenheuser, Jobst (Untervogt z. Kitzingen) 208 Oldenburg, Gfen. v. 162 –– Gerhard (Bruder v. Kg. Christian v. Dänemark) 165, 167 –– s. Dänemark Ortenberg 251 Oschema, Klaus 66, 230, 485, 568, 608 Ostsee 219 –– Ostseeraum 43, 165, 186 f., 219, 500* Ostwestfalen-Lippe 544* Palthen, Johann Philipp (Greifswalder Professor) 232* Pappenheim (Reichserbmarschalle) 228*, 231, 246 –– Christian v. (Sohn v. Heinrich v. Pappenheim) 229 –– Georg v. 207*, 209 –– Heinrich v. 101*, 227, 229, 364*, 365, 420* –– Rudolf v. 229 Papst, Papsttum, päpstlich 37 f., 92*, 116*, 120*, 126*, 128 f., 152, 169, 180, 182*, 263 f., 266*, 292*, 439, 551* –– s. Piccolomini, Eneas Silvius –– Legaten –– s. Bf. Alexander v. Forli; Luca de Tolentis; Francesco Todeschini-Piccolomini –– Kardinaldiakon s. Francesco TodeschiniPiccolomini –– Kardinäle s. Basilius Bessarion; Georgius Hefler –– Zeremonienmeister s. Agostino Patrizi Parleberg, Johann v. (Geistlicher, Greifswalder Jurist) 232, 234*, 243 Parsberg, Friedrich v. (Pfleger zu Altdorf) 314 Pasewalk 234, 241* Passau, Bf. v. 116, 409 Patrizi, Agostino (päpstlicher Zeremonienmeister) 416, 418* Patze, Hans 22, 564 Paumgartner, Anton (Nürnberger Bürger) 372, 393, 405, 429
Register Pavia 169 Perger, Richard 420 Petersohn, Jürgen 244 Pfalz, Pfgfen., Pfgft. (bei Rhein), pfälzisch, Kur, Kurpfalz 97, 102, 107*, 109, 113, 117–119, 122, 124, 126–128, 131, 133 f., 137, 139–143, 148, 158, 197, 250, 275*, 304, 306, 328, 359, 409, 411*, 412, 414, 428, 436, 441–443, 447, 454–456, 458, 468, 470, 473, 479, 510, 552 –– Friedrich d. Siegreiche, Pfgf., Kf. 83 f., 97, 102, 106, 108*, 109, 111, 113, 115– 120, 122 f., 124*, 128, 130, 137, 191*, 195, 229*, 317, 358*, 369, 396*, 409 f., 414 f., 419*, 422, 428, 436 f., 440, 444, 447, 449 f., 453–456, 458, 468–470, 473, 478 f., 491, 493 f., 507, 510, 550, 552, 558, 561, 572 f., 583, 585, 587, 591*, 592 f., 607, 612 –– Ludwig III., Pfgf., Kf. 115 –– Mechthild (verh. m. 1. Ludwig v. Württemberg-Urach, 2. Erzhzg. Albrecht VI. v. Österreich) 115, 191* –– Philipp, Pfgf. (arrogierter Sohn Friedrichs d. Siegreichen) 109, 369 –– Ruprecht II., Pfgf. 250 –– Ruprecht III., Pfgf., Kg. s. Reich –– Ruprecht, Pfgf. s. Ebf. Ruprecht v. Köln –– Delegation/Gesandte 453 f., 456 –– Erztruchsessenamt 109 –– Räte 141 –– Untertanen 120 –– Linie Pfalz-Mosbach-Neumarkt –– Albrecht, Pfgf. s. Bf. Albrecht v. Straßburg –– Johann (Dompropst in Augsburg) 132* –– Otto, Pfgf. (Hzg.) 107*, 314, 317, 354 f., 357–359, 369, 377, 381 f., 411, 509, 601 –– Hof s. Neumarkt –– Hofleute 360, 522 –– Hofmeister s. Hans v. Wolffstein –– Kastner s. Johannes Schreiber –– Pfleger z. Altdorf s. Friedrich v. Parsberg –– Schreiber s. Johannes Schreiber –– Linie Pfalz-Neumarkt, Hzge. v.
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–– s. Kg. Christoph II. v. Dänemark –– Linie Pfalz-Zweibrücken-Veldenz, Hzge. v. 457 –– Amalia s. Amalia v. Brandenburg –– Ludwig, Pfgf. (Hzg.) (ksl. Hauptmann) 203, 208, 457 –– Kaspar, Pfgf. (Hzg.) 208, 239* –– Stephan, Pfgf. 457 Pfalzel 154 Pfarrkirchen 354* –– Landgericht 354* –– s. auch Reichenberg Pfatter (Pfetting) 354, 370 Pfinzing (Nürnberger Fam.) 253, 420 –– Katharina 420 f. –– s. Haller –– Ludwig 289* Pfreimd 361 Piccolomini, Eneas Silvius (päpstlicher Legat, Papst Pius II.) 18 Pillenreuther Weiher, Schlacht 388 Pirkheimer, Hans (Nürnberger Bürger) 297* Pius II. s. Eneas Silvius Piccolomini Plassenburg –– Amtmänner 104 –– Burg, Residenz 93, 104, 121, 340 –– Bürgermeister 104 –– Einwohner 104 –– Hauptleute 104 –– Humanistenschule 548* –– Kastner 104 Podiebrad, Georg v. s. Kg. Georg v. Böhmen Polen, polnisch, Kgr., Kge. 139 f., 142, 148, 163*, 165 f., 193, 221, 356, 372 f., 409, 514, 593, 606 –– Hedwig 372 f. –– s. auch Bayern-Landshut –– Kasimir IV. 83, 137, 194, 224*, 232 –– Sophie 239 –– s. auch Kg. Vladislaw v. Böhmen –– Gesandter s. Stiber v. Ponitz –– Gesandtschaften 140–142, 146, 150 f., 153 f., 156 f., 411 Pomerania 526* Pommern, pommersch, Hzgt. Hzge. v. 104, 163 f., 166, 219, 220–229, 232–247, 283 f., 480, 484, 487, 491, 498, 509 f., 514, 526, 531, 600 f., 604
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Register
–– Hzgt. Stettin 84, 219, 220–222, 226*, 231, 237*, 243, 246, 414, 480 –– Stettiner Erbfolgestreit 81, 100*, 220, 222, 230, 232, 233*, 243–247, 316, 458, 476 f., 480, 482–484, 486–488, 491, 498 f., 502–504, 509, 514, 531, 562, 568, 574, 585, 593, 600, 608 –– Hzgt. Wolgast 164, 219, 221 f., 224*, 226 f., 232, 233*, 238, 242, 509, 525, 531, 600 –– Agnes (verh. m. Friedrich d. Fetten v. Brandenburg) 237* –– Barnim (Sohn Erichs II.) 239* –– Barnim VIII. 237* –– Bogislaw V. 221* –– Bogislaw X. (verh. m. Margaretha v. Brandenburg) 222*, 234*, 237–242, 246 –– Erftmar (Sohn v. Wartislaw X. v. Pommern-Wolgast u. Elisabeth v. Brandenburg) 235 –– Erich II. 220*, 221, 233–235, 237, 239, 245* –– Kasimir (Sohn Erichs II.) 239* –– Otto I. 219 –– Otto III. 219, 237, 498, 525 –– Sophia (verlobt m. Johann VI. v. Mecklenburg; verh. m. Magnus v. Mecklenburg) 237 –– Swantibor (Sohn v. Wartislaw X. v. Pommern-Wolgast und Elisabeth v. Brandenburg) 235 –– Wartislaw IX. (verh. m. Sophia v. Sachsen-Lauenburg) 221*, 235 –– Wartislaw X. (verh. 1. m. Elisabeth v. Brandenburg; 2. Magdalena v. Meckf., lenburg) 220*, 221, 222*, 234 236*, 238, 240, 242 f., 245*, 246 –– Wartislaw (Sohn Erichs II.) 239* –– Geistlichkeit 245 f. –– Gesandtschaft zum ksl. Hof 220*, 223*, 498 –– brandenburgische Lehnsoberhoheit 220, 225, 234, 237, 243, 245 f., 491, 525 –– Räte/Juristen s. Matthias Wedel –– Reliquientranslation v. Bamberg n. Pommern 244 f., 480 –– „Pommernkrieg“/Pommernfeldzug 238
–– Pommernmission/Christianisierung 244 f., 247 –– pommersche Geschichtsschreibung 253 –– Articuli coram legatis imperatoris oblati pro parte ducum Stettinensium 232, 234* –– Genealogia cristianitatis ducum Stettinensium 244 –– Liber Sancti Jacobi s. Stettin –– Stettiner Chronik (Cronica de ducatu Stettinensi et Pomeraniae gestorum inter Marchiones Brandenburgenses et duces Stettinenses) 231–234, 236, 244 –– Untertanen/Bewohner 221 f. Ponitz, Stiber v. (Gesandter Kg. Kasimirs v. Polen) 224* Poppenreuth 297, 298* –– Inhaber eines Hofes s. Contz Hofman Potsdam, Schloss Sanssouci 73 Prenzlau 233*, 234, 241 –– Erster Frieden v. 225, 233*, 234 f., 237, 239 f., 243, 246 –– Zweiter Frieden v. 238, 240–242 Pretslaifer, Hans 367 Preußen, preußisch 72, 75, 105, 303, 496, 534, 535*, 594 f., 599, 612 –– Kge. –– Friedrich d. Große 73 –– Friedrich Wilhelm IV. 198 –– Preußische Historiographie 125 –– s. auch Deutschland Priebatsch, Felix 86, 92, 168, 213, 395 f., 398, 433 Prietzel, Malte 585 Protzer, Jakob (mgfl. Rat) 220*, 318, 320 f., 357 Prüm, Kloster 134 Quirin, Heinz 58, 74 f., 79, 475, 612 Rabeler, Sven 267 f., 582 Ranke, Leopold v. 17, 72, 74, 89 Ratzeburg, Bf. v. 223* Raumer, Georg Wilhelm v. 88 Rechberg, Wilhelm v. (mgfl. Hofmeister) 300*, 301 Reckenhof 297* Redwitz (Fam.) 262
Register –– Katharina (verh. m. Burkhard v. Schaumberg) 267* Regensburg –– Bf. 409 –– Stadt 135, 163 f., 200, 222*, 228, 278*, 369–371, 376, 382, 413–415, 418, 550, 578, 609 –– Kaufleute 354, 381 –– Kloster St. Paul, Äbtissin 184 –– Regensburger Chronik des Carl Theodor Gemeiner 369 –– Tag 1471 („Großer Christentag“) 83, 85, 109, 116 f., 130, 164, 174, 222, 223*, 224*, 225, 227, 232, 278, 352, 413–415, 441, 445, 470, 506, 550, 591* Regnitz (Fluss) 270 Rehwein, Johann (ksl. Rat) 141 Reich, Hl. röm., dt. 18–20, 21*, 22, 25–27, 30*, 32*, 33, 36*, 38, 44*, 45 f., 49–51, 56, 58, 68–71, 74, 76, 78–83, 88 f., 94, 96–98, 100, 109 f., 112, 116, 119, 123, 129, 145 f., 147*, 148, 150, 152 f., 159, 161–163, 167 f., 172, 174, 178–189, 193, 195, 217, 220 f., 225–227, 245, 252*, 283, 300*, 303 f., 324, 341*, 350, 382, 388, 409, 417*, 419, 435, 455*, 475, 478 f., 482, 484–504, 511, 513–515, 526, 531 f., 551, 563–566, 575, 590, 591*, 594, 599– 601, 603, 606 f., 611–614 –– Binnenreich 80, 82 f., 84*, 85, 116 f., 125, 129, 158, 208, 228, 412, 445, 495, 565, 604 –– Deutschland s. Deutschland –– Kge. u. Ks. –– Albrecht II., Kg. 251*, 390 –– Friedrich I. Barbarossa, Ks. 220 –– Friedrich II., Ks. 21 –– Friedrich III., Ks. –– Erzkanzler s. Ebf. Adolf v. Mainz –– Geheimagent 181, 182* –– ksl. Hauptmann s. Ludwig v. Veldenz –– Hof 65*, 78, 87, 100 f., 124, 129, 136, 138, 151, 158, 170*, 173*, 220, 228, 230*, 268, 275 f., 284, 307, 411, 445, 459–461, 498, 565, 589, 590*, 607 –– Gericht
739
–– Fürstengericht 454–456 –– Hofgericht 364 –– Kammergericht 129 –– ständiger Beisitzer s. Anselm v. Eyb –– Richter/Kammerrichter 109, 131, 449, 453–455, 457, 473, 479 –– Innerer Rat 141 –– Kanzlei 85, 116, 129, 167, 278, 281, 285*, 417, 419 –– Taxator 85 –– Kommission/Kommissionswesen/ Kommissare 228, 229*, 231*, 233, 277*, 442, 451, 504, 600 f. –– s. auch Brandenburg; Bf. Johann v. Augsburg; Hzg. Ludwig v. Bayern-Landshut; Bf. Wilhelm v. Eichstätt; Melchior v. Neuneck; Hzge. v. Sachsen; Bf. v. Straßburg; Gf. Eberhard v. Württemberg –– Prokurator s. Heinrich Seyboth –– Räte s. Johann Keller; Haug v. Montfort; Johann Rehwein; Gf. Rudolf v. Sulz; Gf. Haug v. Werdenberg –– Sterndeuter 143 –– Heinrich II., Ks. (Heiliger des Btm. Bamberg) 244, 418* –– Heinrich VII., Ks. 55 –– Karl IV., Ks. 31*, 39*, 45, 390*, 417*, 500* –– Kunigunde, Ksn. (Heilige des Btm. Bamberg) 244 –– Ludwig d. Bayer, Ks. 220, 221* –– Maximilian I., Ks. 27, 76, 127*, 176 f., 187, 197, 205, 226, 506 f., 563 –– Hofordnung 563 –– Ruprecht 39*, 162 –– Sigmund, Ks. 49, 251*, 362 –– Wenzel, Kg. 250, 252 f., 256, 306 –– kgl. Hofgericht 254 –– Erbmarschall s. Pappenheim; Weinsberg –– Königs-/Kaiserhof 30 f., 46, 128 f., 159, 228, 565 –– Kurfürsten, kurfürstlich, Kurfürsteneinung, Kurfürstenkollegium 37 f., 75, 81, 96–
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––
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Register
98, 101 f., 105–125, 127*, 128, 130, 132, 134–136, 139 f., 142–150, 154–160, 170, 172*, 177, 195, 317, 428, 476 f., 479–484, 486–488, 490, 505–507, 514 f., 551*, 554–556, 560, 600, 602 –– Kurverein/Einung 105, 107, 115*, 126, 147, 149, 150, 155 –– Einungsvertrag 1446 110, 126, 157 –– gemayner 113 –– s. Bingen; Frankfurt; Gelnhausen; Rhense –– „Elbkurfürstentümer“ 126* –– rheinische Kurfürsten 97, 98*, 101 f., 111, 125 f., 127*, 130, 143, 145, 149, 155, 158 f., 487, 507, 602 –– s. auch Böhmen; Brandenburg; Köln; Mainz; Pfalz; Sachsen; Trier (ksl.) Landfrieden 332, 351 f., 367 f., 374, 377–380, 382, 406, 407*, 408*, 426 f., 457, 467*, 480, 482, 488, 490, 503, 517, 519, 521–524, 539, 558*, 561 f., 607 Nationalbewusstsein 185, 485 Reichsfürst(en)/-tum 49, 85, 101, 107, 133, 140, 158, 179–181, 183, 192, 194 f., 197, 220, 230, 245, 302*, 329, 357*, 408, 430, 477, 493, 495, 498, 503, 506–508, 513 f., 551*, 560*, 562, 598, 602, 613 f. Reichshauptleute, „Reichshauptmann“ 189, 493 Reichsheer 206, 215, 551* Reichskammergericht 342* Reichskrieg 81, 109, 119, 181, 189, 211, 216 f., 225, 354*, 394, 408, 410, 457, 466, 479, 490 f., 493, 603, 610 Reichsmitglieder/Reichsangehörige 47, 49, 69, 77, 87, 96, 129, 145, 182, 187, 217, 222, 230*, 419, 484 f., 499*, 501, 513 f., 529, 583, 601, 603 Reichsreform 27, 36*, 83, 96*, 504 Reichsstädte 80 f., 205, 272*, 273, 322, 378, 385, 406–408, 409*, 411*, 422, 466*, 477, 508, 528, 571, 575–577, 579, 583, 598, 608 f. –– s. Augsburg; Hall; Nürnberg; Ulm Reichstag 67*, 85, 97, 138*, 147, 157, 193*, 389*, 410, 414, 416*, 449, 470, 473, 500*, 505 f., 508*, 515, 551, 560*, 591, 603
–– s. Augsburg; Frankfurt; Nürnberg; Regensburg; Worms –– Reichsverband 514 –– Reichsversammlung 411*, 422, 446, 470, 493, 499, 506, 508, 554, 560, 593, 607, 612 –– Reichsverteidigung 189, 194, 217, 477 Reichelsberg, Burg 250 Reichenau, Wilhelm v. (Dompropst zu Eichstätt, Eichstätter Bf.) s. Bf. Wilhelm v. Eichstätt Reichenberg (Pfarrkirchen), Landgericht 354* Reinach, Hans v. 365 Reinhard, Wolfgang 59 Reinle, Christine 378, 523 Repperndorf 252, 302 f. Resch, Hans 420 Reussen, weiße 163* Rhein, rheinisch 181, 191, 436, 457 –– Gebiete/Flussabschnitte –– Mittelrhein 30, 118, 126, 130, 302 –– Niederrhein 30, 138 –– Oberrhein 30 –– Rheinland, rheinisch 36, 130 –– rheinische Kfen. s. Reich –– rhein. Ebfe. 118 –– s. Köln; Mainz; Trier Rhense, Kurverein v. 111 Ribe, Ständeversammlung v. 167 Riedel, Adolph Friedrich Johann 88, 92, 104 Rieter (Nürnberger Fam.) 269, 270*, 297 –– Paulus (Ratsmitglied) 269* Röthenbach bei St. Wolfgang 339* Rogge, Jörg 400, 471 Rom 169, 265, 266* Rorichen 231 f., 550 Rosenberg (böhmisches Adelsgeschlecht) 356–358, 360, 366 f., 373*, 602 –– Georg 209 –– Heinrich 366 –– Johann II. 355, 356*, 357 f., 366 f., 372 f., 381, 485 –– „Rosenbergsche Chronik“ d. Norbert Heermann 356 Rotenhan, Anton v. s. Bf. Anton v. Bamberg Roth 313, 339 –– Amtmann 313–315, 318–320, 333* –– s. Albrecht Klack
Register –– Bürgermeister 313 –– -er Richtung 257*, 265*, 289 –– in Heideck gefangen gesetzter Geleitsknecht 315–318, 321–323, 325*, 332 –– Rat 313 –– Zöllner 313 Rothaurach 297* Rothenberg 297* Rothenburg ob der Tauber –– Stadt 152, 154, 156, 169, 273*, 324, 407, 423*, 431, 467, 554, 593 –– Bürgermeister 154* –– Rat 154* –– Interdikt v. 155 Rott, Fritz (Ansbacher Bürger) 467 Rottweil, Hofgericht/Reichshofgericht 330*, 365*, 419* Rückingen –– Herren v. 251* –– Burg 251* Rüd v. Kollenberg, Heinz 287* Rügen, Ft. 221 Rumänien 559 Rummel (Nürnberger Fam.) –– Franz 449 –– Hans 289* –– Niklas 229 –– Ulrich 289* Rutmansberg 339* Rutzendorf 290*
741
–– Anna (verh. m. Albrecht v. Brandenburg, Schwester v. Ernst u. Amalia v. Sachsen, Nichte Hzg. Wilhelms v. Sachsen) 114, 133, 185, 186*, 198, 200*, 201–206, 209– 213, 215–218, 315, 394, 441, 460, 466, 476, 487, 514, 539, 574 f., 589 f., 603, 605, 609 f. –– Elisabeth (verh. m. Kf. Ernst v. Sachsen) s. Hzge. v. Bayern-München –– Ernst, Kf. (Bruder v. Albrecht d. Beherzten, Anna und Amalia, Neffe v. Wilhelm, verh. m. Elisabeth v. Bayern) 101*, 106, 113–116, 118, 124, 125*, 131, 133, 149, 158, 186*, 197*, 285, 418, 440 f. –– Friedrich I., Kf. 114 –– Friedrich II., Kf. (Vater v. Kf. Ernst) 114 f., 133, 315 –– Katharina (verh. m. Friedrich II. v. Brandenburg) 114 f., 203* –– Margarete v. Sachsen (verh. m. Kf. Johann Cicero v. Brandenburg) 239 –– Wilhelm (d. Tapfere) (Onkel v. Ernst, Albrecht u. Anna, ksl. Kommissar) 101*, 102 f., 112, 131, 140, 148 f., 153, 158, 193*, 197, 205, 222*, 239, 315 f., 318, 322 f., 336– 338, 341, 347, 396*, 401, 418, 433, 437, 439–441, 446, 485, 487, 492, 509, 530 f., 538, 541 f., 566, 575*, 593, 601, 605, 608 –– Bruderkrieg 131 –– Erbeinung m. Brandenburg u. Hessen s. Brandenburg –– Herrschaftsteile Saale 30, 125* –– Fränkische 102, 131, 315 Sachsen, sächsisch, Hzgt., Hzge., Kfen., Kur –– Thüringische 102, 131, 315 101–103, 105 f., 109, 111, 114 f., 118– –– Kanzlei Hzg. Wilhelms 102 120, 125–127, 131–137, 138*, 145, 148– –– Räte 194, 451 150, 155, 158, 165, 190, 205, 223, 230*, –– s. Asmus v. Eberstein 315, 317, 323 f., 327, 343, 367, 409, 415, –– Teilungen 418 f., 440–444, 447, 449, 451, 460, 468, –– s. Altenburger Teilung 478, 480, 482, 487, 498, 509, 523, 539*, –– s. Leipziger Teilung 568, 597, 602 –– Albrecht d. Beherzte (Bruder v. Kf. Ernst) Sachsen-Lauenburg, Hzge. v. –– Johann IV. (V.) (verh. m. Dorothea v. 101*, 113, 118, 125, 131, 133, 149, 158, Brandenburg) 109, 169, 238*, 419 186*, 189*, 190, 192*, 197*, 203, 205, –– Sophia (verh. m. Wartislaw IX. v. Pom285* mern-Wolgast) 235 –– Amalia (Tochter Hzg. Friedrichs II., Sachsenspiegel 548* Schwester v. Ernst u. Anna v. Sachsen, Gattin Ludwigs v. Bayern-Landshut) Saggi da Pisa, Zaccaria (Botschafter Mantuas in Mailand) 175 133, 441, 460
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Register
Salzburg 361 –– Ebf. v. 409 Savoyen, Hzge. v. –– Amadeus IX. 171 –– Bona (verh. m. Galeazzo Maria Sforza) 171 –– Ludwig 171 Della Scala, Cangrandes II. 310* Schauenburg (Geschlecht) 167 Schaumberg (Adelsgeschlecht) 262*, 266 f., 484, 579 –– Balthasar (Bamberger Domherr) 267 –– Burkhard (verh. m. Katharina v. Redwitz) 267* –– Georg (Bamberger Dompropst, Bf. v. Bamberg) s. Bf. Georg v. Bamberg –– Georg (Sohn v. Hans v. Schaumberg und v. Agnes Marschalk v. Schney) 266 –– Georg (Bamberger Domherr, Sohn v. Burkhard v. Schaumberg u. v. Katharina v. Redwitz) 267 –– „Groß-Heinz“ 267 –– Hans (Bamberger Domherr, Sohn v. Hans v. Schaumberg u. Agnes Marschalk v. Schney) 266, 267 –– Hans (Hofmeister des Bf. v. Eichstätt, Marschall, Amtmann zu Kipfenberg, Diener d. Bischofs, verh. m. Agnes Marschalk v. Schney) 266, 267* –– Hans gen. Knoch (Diener d. Bf., bfl. Hofmeister in Bamberg u. Eichstätt) 267*, 438* –– Heinrich (verh. m. Elisabeth Fuchs v. Wallburg) 267* –– Lorenz (Amtmann zu Nassenfels, Eichstättischer Hofmeister) 267* –– Matthias (Bamberger Domherr, Sohn v. Burkhard v. Schaumberg u. v. Katharina v. Redwitz) 267 –– Melchior (Eichstättischer Domherr) 267* –– Peter (Rat d. Bf. v. Eichstätt) 267* –– Thomas (Bamberger Domherr, Sohn v. Heinrich v. Schaumberg u. v. Elisabeth Fuchs v. Wallburg) 267 –– Veit 357* –– Wilwolt 247* Schenken v. Limburg 359 Scheubel, Ulrich 369
Scheuch, Stephan 108 Schlesien, Hzgt., Hzge. v. 39*, 167, 223 Schleswig, Hzgt., Hzge. v. 167 Schleiz 101*, 103 Schlupwachter, Hermann 232 Schmid, Alois 595 Schnaid 297* Schneider, Joachim 304, 346 Schneidmüller, Bernd 41 Schoppershof 447* Schott, Heinrich (Inhaber einer Bamberger Präbende) 261* Schottland, schottisch, Kgr., Kg. 178, 180, 184, 593 Schreiber, Johannes (pfalz-bayerischer Kastner und Schreiber) 313 f. Schreyer (Nürnberger Fam.) –– Sebald 429* –– Stephan 429* Schubert, Ernst 24, 27, 38, 45, 498, 507, 516, 545, 603 Schubert, Klaus 487, 489 Schürstab (Nürnberger Fam.) 269, 297*, 421 –– Erasmus (Ratsmitglied) 269*, 277, 421* –– Erasmus d. Jüngere 421* –– Georg 429 –– Hans (Ratsmitglied) 269* –– Martha (verh. m. Alexius Haller) 421* Schütz, Dr. Conrad (Nürnberger Bürger) 268* Schütz, Eberhard zu Laineck 465 Schulenburg, Werner von der (brandenburgischer Hofmeister, mgfl. Rat, Hauptmann v. Gartz) 17, 222* Schult, Hans (Küchenmeister zu Berlin) 423 Schwabach (Fluss) 270 Schwabach 138*, 388, 418 f. –– Amtmann s. Sebastian v. Seckendorff Schwaben 157*, 526* –– Gerichte 330* –– Schwäbischer Bund 406, 408, 469* Schwamberg, Bogislaw v., (Swannberg, Wohuslawen v.) (Hofmeister u. Hauptmann d. ungar. Kg. in Böhmen) 366 f. Schwand 437* –– Zoll zu 437 Schwanenorden 290, 332, 348 –– fränkischer Zweig 260 –– Hauptmann s. Ludwig v. Eyb
Register Schwanstetten 437* Schwarzach 270 Schwarzburg, Gfen. v. –– Gerhard v. s. Bf. Gerhard v. Würzburg –– Linie Schwarzburg-Wachsenburg –– Heinrich v. (verh. m. Margaretha v. Hohenlohe-Brauneck) 251, 254 Schwarzenberg, Siegmund v. (Amtmann v. Neustadt) 427 Schwarzenbruck 354, 419 Schweden, Kgr. 165 f., 187 –– Kg. Karl Knutsson Bonde 166 Schweiz 384*, 508* Schwerin, Bf. v. 223* Seckendorff v. (fränkische Adelsfam.) 323*, 328 f., 331, 345, 403*, 477, 484, 539, 606 –– Hans (mgfl. Hofmeister) 210 –– Hans, zu Birkenfels 331 –– Hans (eichstättischer Pfleger zu Wahrberg) 266* –– Hans (Ritter zu Hilpoltstein) 449 –– Knechte 449 –– Hans (zu Möhren, Pfleger v. Graisbach) 323 f., 326–332, 345, 347 f., 485, 519, 527 f., 561, 583, 604 –– Heinrich (Heinz), Aberdar (Amtmann zu Crailsheim) 318, 320 f., 331 –– Ranwingen 210 –– Sebastian (mgfl. Hausvogt, Statthalter) 105, 207–212, 217, 329, 331, 402 f., 581, 591, 603, 609, 611 –– Sebastian (Amtmann zu Schwabach) 316, 357 Seyboth v. Rambach, Heinrich (mgfl. Rat, ksl. Prokurator) 180, 192, 275–277, 411, 589 Seyboth, Reinhard 311, 313, 352, 374 Sforza (ital. Fam.) 174, 176 f. –– s. auch Hzge. v. Mailand Sickershausen 255 Sierck, Jakob v. s. Ebf. Jakob v. Trier Sigmund, Ks. s. Reich Sinzig 190* Sixt Canzler (mgfl. Rentmeister) 209 Skandinavien 236 Sobießlaw, Micheln v. (Gefolgsmann Johanns II. v. Rosenberg) 355 Soldin, Vertrag v. 220, 240
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Sommersdorf 297* –– Ritter s. Ludwig v. Eyb Spalt, Stiftspropstei 263 –– Inhaber s. Johann v. Eyb Spessart 206* Spet, Johann (mgfl. Rat u. Protonotar) 327*, 328, 591 Speyer, Domkapitel 304 Spieß, Karl-Heinz 133, 568, 585 Spitz, Pfleger s. Wolfgang Zaunrüde Sprandel, Rolf 31 Stargard, Augustinus v. 244 –– Protocollum 244 Staufer, staufisch (Adelsgeschlecht) 25, 27, 500* –– Ks Friedrich Barbarossa s. Reich –– Ks. Friedrich II. s. Reich –– staufische Königsherrschaft 392 Steft 255 Stein, Georg v. (i. d. Diensten Kg. Matthias v. Ungarn) 157*, 165* Stein, Hertnidt vom (mgfl. Rat, Mitglied d. mgfl. Kanzlei, Bamberger Domdekan, Domkanoniker, Inhaber d. Domkellnerei) 17, 139, 145, 220*, 245, 247, 260 f., 264– 266, 292, 444 f., 451, 564, 571*, 574, 581, 606, 608 f. Stein, Sigmund v. 365* Steinhausen, Georg 88, 199, 204 f., 212 Stetten, Paul v. 364 Stettin 231, 244 f. –– -er Chronik s. Pommern –– -er Erbfolgestreit s. Pommern –– Geistlichkeit 245 –– Kirche St. Jacobi –– Prior Dietrich 244 f. –– Patronatsrechte des Klosters Michaelsberg in Bamberg s. Bamberg –– Liber Sancti Jacobi 244 Steußling (Geschlecht) 261 Stieber, Albrecht (Amtmann zu Cadolzburg) 430 Stockholm 166 Stollberg-Rilinger, Barbara 41 Straßburg –– Bf. v. 134, 136, 184, 192 –– Albrecht v. Pfalz-Mosbach 292 –– Stadt 141, 143, 183, 413, 510
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Register
Straubing 367–369, 382 –– -er Niederland 369 –– Landgericht 377 Stublinger, Hans (Kaplan d. Mgfn. Anna v. Brandenburg) 202, 211 Süddeutscher Städtekrieg 387 Sulz, Gfen. v. –– Alwig 419* –– Johann 419* –– Rudolf (ksl. Rat) 141, 419* Sulzbach, Landgericht 330 Sulzer, Sibilla 371 Talheim, Hans v. (mgfl. Rat) 357*, 415 Tangermünde 93 Tauberbischofsheim 211 Tellenbach, Gerd 28 Tetzel (Nürnberger Fam.) 253*, 297, 426, 447 –– Gabriel III. (jüngerer Bürgermeister) 275– 277, 414 –– Jobst V. (jüngerer Bürgermeister, älterer Bürgermeister, oberster Hauptmann, oberster Losunger, mgfl. Lehnsmann) 275*, 276*, 279, 414*, 422, 426, 443 f., 447, 449, 468 f., 472, 608 Teubler, Johann (Nürnberger Kanzleischreiber) 451 Teunz (Deitz), Schloss 361 Thann, Konrad v. d. (Pfleger zu Heideck) 314, 316, 318 Thann s. Burgthann Thüngen, Reuß v. (mgfl. Rat) 220* Thüringen, thüringisch 102, 131, 315 –– s. auch Hzge. v. Sachsen Thumen, Lorenz 135 Thumser, Matthias 93, 148, 150, 260 Thurn und Taxis, Post 478 Tirol 526 –– Gfen., Hof 586 –– s. Österreich Todeschini-Piccolomini, Francesco (Kardi naldiakon, päpstlicher Legat) 170 f., 174*, 415, 418* Tolentis, Luca de (päpstlicher Legat) 145*, 153* Toppler, Heinz (Nürnberger Bürger) 420 Třeboň, Stift, Propst s. Norbert Heermann
Treptow, Ratsschule, Rektor s. Johannes Bugenhagen Treuchtlingen 324* Trier –– Ebtm., Ebfe., Kfen., Kur 97, 106, 118 f., 124, 126 f., 129 f., 132, 135, 137–141, 143, 146–148, 150, 155 f., 158, 190, 192*, 193 –– Jakob v. Sierck 442 –– Kanzler s. Martin Mair –– Rat s. Martin Mair –– Johann v. Baden 106, 114–118, 126*, 127*, 129, 134, 144, 147, 149, 154 f. –– Räte 194 –– Domkapitel 248* –– Domherr s. Gottfried v. HohenloheBrauneck –– Propst s. Gottfried v. HohenloheBrauneck –– Kloster St. Maximin 144 –– Stadt 136, 143, 146, 148–151, 153, 155– 157, 446, 550 –– Stift 134 –– Verhandlungen/Treffen 1473 82, 128, 132*, 144 f., 150, 153, 155, 157*, 159, 178, 179*, 188, 189*, 494, 497, 506, 550, 566, 600, 606 –– Verträge 79 Troppau 140, 142, 145 –– Herren v. 241* Tucher (Nürnberger Fam.) 253*, 269, 297* –– Andreas (Ratsmitglied) 269* –– Anton (Vater v. Anton) 416*, 451 –– Anton (Sohn v. Anton, Ratsmitglied) 269*, 416*, 422 –– Tuchersche Fortsetzung d. Nürnberger Jahrbücher s. Nürnberg Türken 83, 135, 136*, 137, 139, 146, 148, 163 f., 283, 396, 412, 414, 430, 458 Twellenkamp, Markus 248 f., 252, 256 Übertwerch, Heinz 397 Ukraine 559* Ulm –– Bf. 411 –– Reichsstadt 133, 229, 363, 406 f., 413 Ulmer, Daniel 340* Ulrichs, Cord 304
Register Ungarn, ungar., Kgr. 135, 137, 142, 148, 151, 157, 309, 356, 373, 509 –– Kge. 83, 409 –– Matthias Corvinus 83, 115, 134, 142, 151, 310, 356, 358, 360, 373, 377, 381 f. –– Hofmeister u. Hauptmann des ungar. Kg. in Böhmen s. Bogislaw v. Schwamberg –– s. auch Georg v. Stein Union, Nordische 166 –– s. auch Dänemark Unterzeitlbach (Ziedellbach) 361 Ußmer (Nürnberger Fam.) 297* –– Stefan 277* Venedig, Republik 175 Villach 129, 275 Virnsberg, Deutschordenskommende 404 Visconti (ital. Fam.) –– Carlos 145*, 153* –– s. Mailand Vitzthum, Bernhard (Ritter) 407* Vogelsberg 249, 302 Vogt, Heinz (Heidecker Ratmann) 319 Volckamer (Nürnberger Fam.) 269, 297* –– Hans (Mitglied d. Nürnberger Rates) 269* Volker, Johann (mgfl. Sekretär, Kanzler) 104*, 282, 292*, 316, 323, 325*, 327*, 328, 391, 395, 398, 410, 431–435, 438, 591 Voltaire 73* van Waarden, Frans 62, 475–477, 486, 489 f. Wachenbuchen 251* Wächtersbach 251* Wahrberg, eichstättischer Pfleger s. Ludwig v. Eyb; Hans v. Seckendorff Waiblingen 385* Waldenfels, Georg v. (Kammermeister v. Kf. Friedrich v. Brandenburg, mgfl. Rat) 104*, 121 Waldstromer (Nürnberger Fam.) 403, 404*, 406 –– Franz 404* –– Lorenz 404* Walkersbrunn –– Dorfmeister 296 –– Gemeinde 296
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Wallenrode (fränkisches Rittergeschlecht) 413* –– Johann v. s. Bf. Johann v. Lüttich –– Sebastian v. 135 Wallenstein, Hans v. 255*, 289 Wallesau 313 –– Amtleute 313 Walter, Georg 232 Wassertrüdingen 335* Weber, Max 536 Wedel, Matthias (pommerscher Rat) 220*, 232 Wefers, Sabine 48 f., 514, 603 Weigel s. Neumarkt Weimar 88 f. Weinfurter, Stefan 41 Weinsberg v. –– Konrad (verh. m. Anna v. HohenloheBrauneck, Reichserbmarschall d. Kge. Sigmund und Albrecht) 251, 255 f. –– Konrad s. Ebf. Konrad v. Mainz Weiß, Dieter J. 70 Weißenburg 313, 323, 339* –– Forst 84 –– -er Krieg 118, 131 –– Stadt 378 Weißenfels 149* Wellheim 326 f. –– Pfarrer 326 –– Wälder um 326 Wemding 445 Wenden, Hzgt./Ft. 221 Werdenberg, Gf. 419* –– Haug v. 141, 146, 457, 459 –– Johann II. v. s. Bf. Joahnn v. Augsburg Werminghoff, Albert 248, 262, 303 Wertheim, Gfen. v. –– Albrecht s. Bf. Albrecht v. Bamberg –– Albrecht (Bamberger Dompropst) 260 –– Johann 376* Westerstetten, Berchtold v. 360 Wettelsheim, Pfarrer 324 Wetterau 249, 251, 255*, 289, 302 Wettiner 102*, 611 –– s. Hzge. v. Sachsen Wetzendorf 297*, 298* Wien 255*, 364 –– Vertrag v. 255 Wiener Neustadt 269*, 270* –– Hof Friedrichs III. s. Reich
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Register
Willersdorf 297* Wilsnack 164 f. –– Verhandlungen v. 224* Windsbach, Amtmann s. Georg v. Zedwitz Windsheim 378, 407 –– Zehnt zu 300* Wirtheim 251* Wismar 168* Wittelsbach, wittelsbachisch, Dynastie 83, 188, 322, 329, 409, 428, 441, 450 –– Bayerische Wittelsbacher 141*, 257, 370*, 438, 444, 459, 468, 552, 601 –– s. Bayern –– Mgfen. u. Kfen. v. Brandenburg –– Ludwig (Sohn Ludwigs d. Bayern) 221 –– Pfälzische Wittelsbacher 468 –– s. Pfalz Wolff, Helmut 415, 417, 420, 423 Wolffstein, Hans v. (Hofmeister Pfgf. Ottos v. Pfalz-Mosbach) 357* Wolfstein, Jörg v. 404* Wolgast 242 Worms 112, 126 –– Reichstag 1495 38 Württemberg, Gft., Gfen. v. 171*, 215, 239, 324, 327, 409 –– Eberhard, Gf. (verh. m. Barbara Gonzaga, ksl. Kommissar) 191, 215 f., 284*, 404* –– Eberhard II., Gf., Hzg. (verh. m. Elisabeth v. Brandenburg) 239* –– Ulrich, Gf. 207*, 209, 241*, 419* Würzburg –– Bfe., Btm. 113, 133, 155, 205*, 250, 251, 253, 254, 256, 257*, 260*, 262, 265*, 289, 290, 302, 306, 322, 332*, 369, 394, 396*, 409, 411, 413, 439, 441, 442*, 467*, 509, 519, 525, 601 –– Gerhard v. Schwarzburg 250*, 254* –– Johann v. Grumbach 339, 442*, 572* –– Archidiakonat 263* –– s. Iphofen –– Generalvikar s. Georg v. Ellrichshausen –– Patronatsrecht über St. Gumbert in Ansbach s. Ansbach
–– Domkapitel 265* –– Domkanonikat s. Johann v. Eyb –– Pfründen 304 –– Inhaber Heckelpach 202, 211 –– s. Haßfurt –– Landgericht 330 –– Lehen 299*, 300* –– Stadt 155, 182, 202, 249, 428 –– Stift 250* Würzburg, Hans v. 264 Wüst, Wolfgang 595 f. Wunsiedel –– Amtmann 104 –– Bürgermeister 104 –– Einwohner 104 –– Hauptmann 104 –– Kastner 104 Xanten, Propst v. 194 Zaunrüde (Zainrud, Zaunrud, Zaunried, Zaunrieder) auf Guteneck –– Hans 353 –– Wilhelm (Diener Albrechts v. Bayern) 81, 353–355, 357 f., 360, 365–370, 372–374, 376, 378–382, 477, 482, 503, 509, 514, 519, 522, 524, 539, 558, 577, 596, 601, 606, 609, 611 –– Knechte 369 –– Sebastian 369 –– Wolfgang (Pfleger zu Spitz) 354* Zedwitz, Georg v. (Amtmann zu Windsbach) 206, 567 Zeitz 103 Zenger, Paul (Pfleger v. Hilpoltstein) 314 Zentbechhofen 297 Zerbst 315* Zichow 256* Zingel, Emeram (Nürnberger) 277 Zink, Burkhard (Augsburger Chronist) 363, 370 Zmora, Hillay 350 f., 381 Zollern s. Hohenzollern 71*, 529 Zweifelsheim 297*