Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs im Vorfeld der Insolvenz: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des 323 IV BGB und Art. 72 CISG unter besonderer Berücksichtigung der 103 ff. InsO. Dissertationsschrift 9783161593307, 9783161593314, 3161593308

Das gesetzliche Rücktrittsrecht wegen antizipierten Vertragsbruchs aus § 323 IV BGB führt zu einer Vorverlagerung von Gl

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German Pages 510 [541] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung
I. Einleitung
II. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen zum CISG
1. Gang der Untersuchung
a) Untersuchung der Grundlagen der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG im Wege funktionaler Rechtsvergleichung
b) Vertragsumsteuerung im eröffneten Insolvenzverfahren
c) Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs unter besonderer Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz
2. Auslegungsgrundsätze und Besonderheiten der Auslegung bei Anwendung des CISG
a) Grammatische Auslegung
b) Systematische Auslegung
c) Historische Auslegung und Entstehung des UN-Kaufrechts
d) Teleologische Auslegung
III. Klärung der Begriffe und des der Vertragsumsteuerung zugrundeliegenden Interessenkonflikts
1. Begriffsbestimmung und Abgrenzung
a) Die Begriffe der Vertragsverletzung und Vertragsumsteuerung
aa) Die Vertragsverletzung
bb) Die Vertragsumsteuerung
b) Abgrenzung zu sonstigen Rechtsbehelfen
2. Das Vertragserhaltungsinteresse des Schuldners: pacta sunt servanda
a) Die schuldnerschützende Bedeutung der Vertragsbindung
b) Missbrauchsschutz
3. Das Liberationsinteresse des Gläubigers: die Störung des Synallagmas
a) Primär- und Sekundäranspruch als Verwirklichung des Gläubigerinteresses?
b) Die Notwendigkeit der Vertragsumsteuerung wegen Störung des Synallagmas als ergänzendes Gläubigerrecht
c) Die Vertragsumsteuerung wegen drohender Störung des Synallagmas
d) Legitimation der Vertragsumsteuerung aus sonstigen Gründen
Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung
I. Bestimmung der Fälligkeit in BGB und CISG
1. Das Fälligkeitserfordernis im Rahmen der Vertragsverletzung
2. Fälligkeit der Leistung im BGB
3. Bestimmung der Fälligkeit im UN-Kaufrecht
a) Fälligkeit der Lieferpflicht nach Art. 33 CISG
b) Fälligkeit der Pflicht zur Kaufpreiszahlung nach Art. 58 CISG
II. Verwirklichung des Äquivalenzprinzips und Schutz des funktionellen Synallagmas auf Ebene der Sekundärrechte
1. Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas
a) Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas im BGB
aa) Funktion des § 320 BGB und dessen Grenzen
bb) Die Konstruktion des funktionellen Synallagmas im BGB: Austausch- vs. Einredetheorie
b) Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas im CISG
aa) Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags im CISG
bb) Folgen der Fälligkeitskonstruktion für das funktionelle Synallagma im CISG
2. Die Folgen des Einwands des nicht erfüllten Vertrags auf Sekundärebene
a) Das Bestehen des § 320 BGB als Rücktrittshindernis und dessen teleologische Reduktion
aa) Die ipso iure-Wirkung des § 320 BGB auf Sekundärebene
bb) Ausschluss der ipso iure-Wirkung wegen teleologischer Reduktion des § 320 BGB
b) Konsequenzen der Konstruktion des Synallagmas für die Vertragsaufhebung im CISG
aa) Das Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers bei der Vertragsaufhebung des Käufers
bb) Konsequenzen der Fälligkeitskonstruktion bei der Vertragsaufhebung des Verkäufers
III. Vertragsumsteuerung bei Nicht- und Schlechtleistung
1. Funktion und Symbiose materieller und prozeduraler Ansätze in BGB und CISG
a) Überblick zur Zurückdrängung der Vertragsaufhebung im CISG
b) Überblick zum Vorrang der Nacherfüllung im BGB
2. Prozedurale Ansätze: die Fristsetzungsmodelle
a) Die Fristsetzung nach § 323 I BGB
b) Das Nachfristmodell im UN-Kaufrecht
3. Materielle Ansätze: Gewichtigkeit der Vertragsverletzung
a) Beschränkung und Begründung des Rücktrittsrechts im BGB aufgrund der Gewichtigkeit der Vertragsverletzung
aa) Einschränkungen durch § 323 V 2 BGB bei Schlechtleistungen
bb) Der „Auffang“-Tatbestand des § 323 II Nr. 3 BGB und Ausnahmen vom Fristerfordernis nach § 242 BGB
(1) Die Regelung des § 323 II Nr. 3 BGB
(2) Ausnahmen vom Fristerfordernis nach § 242 BGB
b) Das sofortige Aufhebungsrecht bei wesentlicher Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG
4. Recht zur sofortigen Vertragsumsteuerung bei Säumnis
a) Säumnis als wesentliche Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG
b) Der „Ausnahme“-Tatbestand des § 323 II Nr. 2 BGB
5. Befreiung von der Gegenleistungspflicht bei endgültiger Leistungsverhinderung
a) Das Schicksal der Gegenleistungspflicht in BGB und CISG bei Unmöglichkeit
aa) Automatisches Entfallen der Gegenleistungspflicht und Rücktritt nach § 326 BGB
bb) Folgen der fehlenden Erlöschensanordnung im CISG
b) Finanzielles Unvermögen als (endgültiges) Leistungshindernis
aa) Unmöglichkeit und der Grundsatz „Geld hat man zu haben“ im BGB
bb) Zahlungsunfähigkeit als Leistungshindernis und Entlastungsgrund im CISG
IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit der Leistungen
1. Vertragsumsteuerung bei Teilleistung
a) Teilrücktritt und Rücktritt vom ganzen Vertrag, § 323 V 1 BGB
b) Teilaufhebung und Aufhebung des gesamten Vertrags, Art. 51 CISG
2. Vertragsumsteuerung bei Teilschlechtleistung
a) Teilrücktritt und Rücktritt vom ganzen Vertrag, § 323 V 1 und 2 BGB
b) Teilaufhebung und Aufhebung des gesamten Vertrags, Art. 51 CISG
V. Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung
1. Die Erfüllungsverweigerung im BGB: Ausnahme der Nachfristsetzung
2. Erfüllungsverweigerung im CISG: Ausnahme der Nachfristaufhebung und eigenständiger Störungstatbestand
VI. (Un-)Abhängigkeit von der Verantwortlichkeit der Parteien
1. Die Verantwortlichkeit des Gläubigers im BGB
2. Die Verursachung durch den Gläubiger im UN-Kaufrecht
VII. Vertragsumsteuerung bei Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten
1. Exklusive Anwendbarkeit des § 324 BGB bei Schutzpflichtverletzungen und des § 323 BGB bei Verletzung außerhalb des Synallagmas stehender Pflichten
a) Das Zumutbarkeitskriterium des § 324 BGB als Verknüpfung der Verletzung des Integritätsinteresses mit der vertraglichen Bindung
b) §§ 323, 326 BGB bei außerhalb des Synallagmas stehenden Pflichten?
2. Verletzung außerhalb des Synallagmas stehender Pflichten im CISG
VIII. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG
1. Rückabwicklung und Gefahrtragung in CISG und BGB
a) Zustandsveränderungen im CISG
b) Zustandsveränderungen im BGB
c) Vergleich der Gefahrtragung in CISG und BGB
2. Befreiungswirkung der Vertragsumsteuerung und die Kombination mit Schadensersatz als einheitliches Rechtsbehelfssystem
a) Befreiungswirkung der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG
b) Das Fortbestehen des Vertrags und die Kombination mit Schadensersatz
Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Insolvenzverfahren
I. Äquivalenz- und Verlustprinzip im deutschen Insolvenzverfahren
1. Das funktionelle Synallagma im Spannungsfeld gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung
a) Überblick zur Gläubigerbefriedigung als vorrangiges Verfahrensziel
aa) Die Bedeutung der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung im Kanon der Verfahrensziele
bb) Der par conditio creditorum-Grundsatz als Fundament des Verteilungsmodus
b) Die Einteilung der Gläubiger im Insolvenzverfahren
aa) Quotale Befriedigung der Insolvenzgläubiger, § 38 InsO
bb) Vorweggenommene Befriedigung der Massegläubiger gem. § 53 ff. InsO
c) Die Bedeutung der §§ 55 I Nr. 2 und 103 InsO für die Überwindung des Konflikts zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip
aa) Die Kollision von Äquivalenz- und Verlustprinzip bei nicht vollständiger Erfüllung
bb) Überblick zum funktionellen Synallagma im eröffneten Insolvenzverfahren
2. Entwicklung der h. M. zu den materiellrechtlichen Konsequenzen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung auf noch nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge
a) Der Weg von der Fortbestehens- zur Erlöschenstheorie
aa) Die Fortbestehenstheorie des RG (RGZ 11,49)
bb) Die Erlöschenstheorie des BGH (BGHZ 103, 250)
b) Die seit BGHZ 150, 353 herrschend vertretene Suspensivund Qualitätssprungtheorie
aa) Folgen der Erfüllungswahl
bb) Folgen der Erfüllungsablehnung
cc) Vertragsspaltung bei teilweiser Erbringung teilbarer Leistungen
c) Folgen der Suspensivtheorie auf gesetzliche Rücktrittsrechte des Vertragspartners und Abgrenzung zu sonstigen Lösungsrechten
aa) Rücktritt bei fehlender Erklärung und Erfüllungsablehnung
bb) Rücktritt bei Erfüllungswahl
cc) Rücktritt im Fall der Vertragsspaltung bei unvollständiger Erbringung teilbarer Leistungen
dd) Exkurs: Anwendbarkeit des § 103 InsO auf bestehende Rückgewährschuldverhältnisse
3. Kritik an der Suspensivtheorie und den daraus abgeleiteten Konsequenzen für Sekundärrechte – Befreiung des Rücktrittsrechts von haftungsrechtlichen Erwägungen
a) Die auf haftungsrechtliche Wirkungen beschränkten Folgen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung
aa) Haftungsrechtliche Wirkung der Verfahrenseröffnung und Erfüllungsablehnung
(1) Folgen der Verfahrenseröffnung – ein Blick in die Materialien
(2) Die verfehlten Ableitungen aus der Suspensivtheorie – Begründung der rein haftungsrechtlichen Wirkung der Verfahrenseröffnung und Bestätigungswirkung der Erfüllungsablehnung
bb) Haftungsrechtliche Folgen der Erfüllungswahl
(1) Der Fundamentaldissens um den § 103 InsO zugrundeliegenden Normzweck
(2) Grenzen der haftungsrechtlichen Wirkung der Erfüllungswahl und dogmatische Verortung der mit der Qualitätssprungtheorie verfolgten Ziele in § 35 und §§ 91 ff. InsO
b) Das Bestehen von Rücktrittsrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren
aa) Einschränkungen des § 320 BGB wegen fehlender Vertragstreue des Insolvenzschuldners
bb) Zweckverfehlung des Durchsetzbarkeitserfordernisses in § 323 BGB bei Annahme eines insolvenzbedingten Durchsetzbarkeitsverlusts
cc) § 323 BGB und die begrenzten Modifikationen durch §§ 103 ff. InsO
(1) Rücktritt nach feststehender Nichterfüllung
(2) Rücktritt vor feststehender Nichterfüllung unter Berücksichtigung des Erklärungsaufforderungsrechts des Vertragspartners und § 107 InsO
(3) Rücktritt des Gläubigers bei (bevorstehender) Erfüllungswahl – Erklärungsaufforderungsrecht des Verwalters analog § 103 II 2 InsO?
dd) Folgerichtigkeit der Ergebnisse für die Behandlung gegenseitiger Verträge im Verfahren
(1) Verfahrensteilnahme durch Kombination von Rücktritt und Schadensersatz
(2) Vermeidung dogmatischer Brüche im Fall der Aussonderung
(3) Der Rücktritt wegen insolvenzbedingter Nichterfüllung im Lichte der Materialien zur Konkursordnung unter Berücksichtigung des modernen Rücktrittsmodells im BGB
c) Besonderheiten bei teilweiser Leistungserbringung vor Verfahrenseröffnung – Spaltung des Synallagmas infolge einer Spaltung der haftungsrechtlichen Abwicklung?
aa) Kein Normenkonflikt bei Erfüllungswahl pro futuro und Vor- oder Mehrleistung des Schuldners sowie äquivalentem Leistungsaustausch
bb) Kein Normenkonflikt bei Erfüllungsablehnung und Vor- oder Mehrleistung des Vertragspartners sowie äquivalentem Leistungsaustausch
cc) Der Normenkonflikt bei Erfüllungswahl pro futuro und Vor- oder Mehrleistung des Vertragspartners
dd) Der Normenkonflikt bei Erfüllungsablehnung und Vor- oder Mehrleistung des Schuldners
d) Fazit zum Rücktritt im eröffneten Insolvenzverfahren
II. Behandlung von CISG-Verträgen im Anwendungsbereich der §§ 103 ff. InsO
1. Überblick zum Internationalen Insolvenzverfahrens- und Insolvenzkollisionsrecht
a) Grundlagen des Internationalen Insolvenzverfahrensrechts – Anwendungsbereich der EuInsVO und §§ 335 ff. InsO sowie die daraus folgende Zuständigkeit deutscher Gerichte
b) Grundlagen des Internationalen Insolvenzkollisionsrechts – die lex fori concursus und das auf noch nicht erfüllte Verträge anwendbare Recht
2. Reichweite der lex fori concursus und Anwendbarkeit des CISG in der Insolvenz
a) Kollisionsrechtliche Grenzziehung – Reichweite der lex fori concursus und das sich „daraus“ (nicht) ergebende (Vertrags-)Recht
b) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf CISG-Verträge und Vertragsaufhebung in der Insolvenz des Schuldners
aa) Folgen der Verfahrenseröffnung: Hemmung der Durchsetzung des Primäranspruchs
bb) Vertragsaufhebung nach Artt. 49, 64 CISG in der Insolvenz des Schuldners
cc) Vorfrage der Rechtsgrundabhängigkeit des Eigentumserwerbs nach der lex contractus
dd) Verfahrensteilnahme durch Kombination von Vertragsaufhebung und Schadensersatz
Kapitel 4: Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs unter besonderer Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz
I. Entwicklung der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs in CISG, BGB und internationalen Modellregelungen
1. Umsetzung anerkannten Rechts als gesetzgeberische Intention der Schaffung von § 323 IV BGB – Rücktritt wegen Leistungsgefährdung im BGB von 1896
a) Rücktrittsgründe de lege lata im BGB von 1896 und die positive Vertragsverletzung
aa) Rücktritt wegen zu vertretender Unmöglichkeit und Verzugs
bb) Die positive Vertragsverletzung als Ergänzung des Leistungsstörungsrechts
b) Vorzeitige Erfüllungsverweigerung und sonstige drohende Leistungshindernisse vor Fälligkeit als Rücktrittsgrund im früheren Schuldrecht
aa) Die Einordnung der Erfüllungsverweigerung vor und nach Fälligkeit
bb) Sonstige drohende Leistungshindernisse vor Fälligkeit
cc) Drohende Insolvenz als Rücktrittsgrund vor Fälligkeit im früheren Schuldrecht
2. Die Entwicklung des Art. 72 CISG aus dem Haager Kaufrecht
a) Die Vorläufernorm des Art. 76 EKG
b) Drohende Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens als Fall des Art. 76 EKG
c) Die Entstehung des Art. 72 CISG
3. Der antizipierte Vertragsbruch in internationalen Modellregelungen des Vertragsrechts
a) Die Erfüllungsgefährdung in Art. 7.3.3 und 7.3.4 PICC
b) Die Regelungen der Art. 9:304 und 8:105 PECL
c) Die Erfüllungsgefährdung in III. –3:504 DCFR
d) Fazit zum Vergleich der Regelungen und deren Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz
II. Ratio legis und dogmatische Konstruktion von Art. 72 CISG und § 323 IV BGB
1. Das Telos des Art. 72 CISG basierend auf einer künftigen Vertragsverletzung
a) Die Unvereinbarkeit einer gegenwärtigen Vertragsverletzung mit der dogmatischen Konstruktion des Art. 72 CISG
b) Schutz der Dispositionsfreiheit bei hinreichender Gefährdung des Leistungsinteresses
2. Ratio legis und der Wandel der dogmatischen Konstruktion des Rücktritts wegen antizipierter Vertragsverletzung im BGB durch die Schuldrechtsmodernisierung
a) Prognoseabhängigkeit des Rücktritts wegen drohender Vertragsverletzung – Verabschiedung von der gegenwärtigen (positiven) Vertragsverletzung
b) Teleologische Rechtfertigung des Rücktritts nach § 323 IV BGB
c) Exkurs: Richtlinienkonformität des § 323 IV BGB
III. Die Prognoseanforderungen – der durch das Offensichtlichkeitskriterium geforderte Wahrscheinlichkeitsgrad
1. Subsumtionsuntauglichkeit infolge des offenen Wortlauts
2. Eingrenzung basierend auf systematischen Erwägungen
a) Das normative Umfeld im CISG
b) Die Prognoseabstufung in §§ 321 und 323 IV BGB
3. Die Offensichtlichkeit im Lichte des Normzwecks
a) Prognoseabhängigkeit von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG
b) Relevanz des ultima ratio-Prinzips bei Art. 72 CISG
4. Fazit zum Prognosemaßstab und Kasuistik zum antizipierten Vertragsbruch
a) Kasuistik zu Art. 72 CISG und deren Bedeutung für die Auslegung nach Art. 7 I CISG
b) Kasuistik zu § 323 IV BGB und Berücksichtigung der Rechtsprechung vor dem SMG
IV. Der Prognosebezugspunkt – Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs
1. Die Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit in CISG und BGB
a) Vertragstheoretische Erklärungsmodelle der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung
b) Dogmatik der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung in BGB und CISG
aa) Erfüllungsverweigerung als Prognosebasis einer künftigen wesentlichen Vertragsverletzung im CISG
bb) Erfüllungsverweigerung als Prognosebasis eines künftigen Eintritts der Rücktrittsvoraussetzungen im BGB
c) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung
aa) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung im UN-Kaufrecht
bb) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung im BGB
d) Widerruf der Erfüllungsverweigerung
aa) Widerruf im Zusammenhang mit Art. 72 CISG
bb) Widerruf im Zusammenhang mit § 323 IV BGB
2. Sonstige Leistungsgefährdungen als antizipierter Vertragsbruch
a) Art. 72 CISG: das Drohen einer wesentlichen Vertragsverletzung
b) § 323 IV BGB: das Drohen des Eintritts der Rücktrittsvoraussetzungen
aa) Der drohende Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen – der Prognosebezugspunkt
bb) Anwendbarkeit des § 323 V BGB beim antizipierten Vertragsbruch
cc) 323 IV BGB bei (vorübergehender) Unmöglichkeit vor Fälligkeit neben §§ 311a, 326 BGB
dd) § 323 IV als Teilkodifikation: § 323 BGB analog wegen Leistungsgefährdung?
c) Vertragsumsteuerung hinsichtlich künftiger Sukzessivleistungen
aa) Die Spezialregelung des Art. 73 II und III CISG
bb) Die Normenkonkurrenz zwischen § 323 IV und § 314 BGB
d) Beschränkung auf nach Vertragsschluss in Erscheinung tretende Gefährdungssituationen
aa) Einschränkung von Art. 72 CISG
bb) Einschränkung von § 323 IV BGB
e) Exkurs: Anwendbarkeit von Art. 72 CISG und § 323 IV nach Fälligkeit
aa) Abgrenzung zwischen Art. 72 CISG und Artt. 49, 64 CISG
bb) Abgrenzung zwischen § 323 IV BGB und § 323 I BGB
cc) Fazit zur Beschränkung von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG auf Fälle vor Fälligkeit
3. Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz
a) Der mit der drohenden Insolvenz heraufbeschworene Normenkonflikt mit §§ 103 ff. InsO
aa) Problemaufriss: Umgehung des Verwalterwahlrechts?
bb) Überblick zum Meinungsstand
(1) Meinungsstand zum Rücktritt nach § 323 IV BGB wegen drohender Insolvenz
(a) Vorrang der §§ 103 ff. InsO vor § 323 IV BGB bei „solvenzbedingten Zweifeln“
(b) Vorrang des § 321 II BGB vor § 323 IV BGB bei solvenzbedingten Zweifeln
(c) Erfüllungsablehnung des Verwalters als Ausübung gesetzlicher Befugnisse
(d) Drohender Durchsetzbarkeitsverlust als Rücktrittsschranke
(e) Annahme eines Rücktrittsrechts in den Grenzen des § 323 IV BGB
(f) Fazit zum Meinungsspektrum und Fokus der weiteren Betrachtung
(2) Meinungsstand zur Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG wegen drohender Insolvenz
(a) Die herrschende Auffassung zur drohenden Insolvenz als Aufhebungsgrund
(b) Verdrängender Vorrang des autonomen Insolvenzrechts
(c) Vorrang des CISG vor dem nationalen Insolvenzrecht basierend auf funktional beschränkter Qualifikation der lex concursus
(d) Fazit zum Meinungsspektrum und Fokus der weiteren Betrachtung
cc) Exkurs zum prozessualen normativen Umfeld – Vorzeitige Maßnahmen des Prozessrechts vor der Insolvenz
(1) Klage auf künftige Leistung bei Erfüllungsgefährdung
(a) Klage auf künftige Leistung neben der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs
(b) Klage auf künftige Leistung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit
(2) Sicherungsarrest und einstweilige Verfügung
(a) Einstweilige Maßnahmen vor Fälligkeit
(b) Die ablehnende Haltung der h. M. zur Gläubigerkonkurrenz als Arrestgrund
(c) Ablehnung der Vorwirkung insolvenzrechtlicher Wertungen
(d) Drohende Zahlungsunfähigkeit als Arrestgrund nach § 917 I ZPO
b) Ablehnung contra legem gewonnener vorgreiflicher Sperrwirkungen des Insolvenzrechts
aa) Keine Sperrwirkung wegen Umgehung des Verwalterwahlrechts aus § 103 InsO bei „solvenzbedingten Zweifeln“ nach § 112 InsO analog
bb) Keine Sperrwirkung aufgrund analoger Anwendung des § 119 InsO
cc) Keine Sperrwirkung aufgrund offensichtlichen „Durchsetzbarkeitsverlusts“ oder vorläufiger Untersagung der Zwangsvollstreckung nach § 21 II 1 Nr. 3 InsO
dd) Fazit zur Verdrängung von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG durch das Insolvenzrecht
c) Erfüllungsverweigerung bei drohender Insolvenz
aa) Erfüllungsverweigerung bei drohender Insolvenz – das maßgebliche Erklärungsverhalten
(1) Keine Bindung durch § 103 II InsO bei Erklärungen des vorläufigen Verwalters
(2) Differenzierung zwischen schwachen und starken vorläufigen Insolvenzverwaltern
bb) Das Erfordernis der Endgültigkeit der Verweigerungserklärung bei drohender Insolvenz
(1) Modifizierende Fortführungsvereinbarung als endgültige Verweigerungserklärung
(2) Endgültigkeit der Verweigerung trotz fehlender Bindung des potentiellen Verwalters im eröffneten Verfahren?
d) Offensichtlich drohende Insolvenz als sonstige Leistungsgefährdung
aa) Ablehnung von der Wahlrechtsausübung losgelöster Zumutbarkeitserwägungen
bb) Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz unter Berücksichtigung von § 103 InsO
(1) Fälle feststehender solvenzbedingter Nichterfüllung
(2) Anknüpfung an prognostizierbares Wahlverhalten im Lichte der Ermessensgrenzen
cc) Antizipierter Vertragsbruch in volatilen Märkten unter Berücksichtigung des § 104 InsO
dd) Vertragsumsteuerung bei drohender Insolvenz unter Berücksichtigung des § 105 InsO bei künftigen Sukzessivleistungen und bereits erfolgter teilweiser Leistungserbringung
e) Fazit zum antizipierten Vertragsbruch wegen drohender Insolvenz und Fallgruppenbildung
V. Recht des Gläubigers auf Klärung der Leistungsgefährdung und daraus folgende Indizwirkung
1. Konsequenzen des Ausbleibens von Sicherheiten nach Art. 71 III CISG
2. Recht zur Klärung der Vertragstreue mit Indizwirkung im BGB
3. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung im Vorfeld einer Insolvenz
VI. Ausübung und Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit
1. Pflicht zur Ankündigung der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit
a) Die Notifizierungspflicht des Art. 72 II CISG
aa) Inhalt und Grenzen der Notifizierungspflicht
bb) Folgen unterlassener Anzeige durch den Gläubiger
b) Keine Pflicht zur Klärung der Vertragstreue vor Fälligkeit im Rahmen des § 323 IV BGB
2. Die Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts
a) Vertragsaufhebung gem. Art. 26 CISG und Ablehnung der ipso facto-Aufhebung
b) Ausübung durch Erklärung nach § 349 BGB neben § 326 BGB
3. Beschränkungen der Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts
a) Kein Erklärungsaufforderungsrecht analog § 103 II 3 InsO bei drohender Insolvenz
b) Ausübungsschranken des § 323 IV BGB und Erklärungsaufforderung analog § 350 BGB
c) Ausübungsschranken des Art. 72 CISG und Erklärungsaufforderung analog Art. 48 II CISG
4. Abwendung der Vertragsumsteuerung durch Sicherheitenstellung
a) Abwendung des Aufhebungsrechts durch Sicherheitenstellung nach Art. 72 II CISG
b) Abwendung des Rücktritts nach § 323 IV BGB durch Sicherheiten i.S.d. §§ 232 ff. BGB
c) Sicherheitenstellung zur Abwendung der Vertragsumsteuerung im Spannungsfeld insolvenzrechtlicher Anfechtung
5. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung: die Befreiungswirkung und Erklärungsbindung
a) Befreiungswirkung der Vertragsaufhebung vor Fälligkeit im CISG und Erklärungsbindung
b) Befreiungswirkung des Rücktritts vor Fälligkeit im BGB und Diskussion eines ius variandi
c) Widerruf der Vertragsumsteuerungserklärung bei drohender Insolvenz
VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs
1. Der Schadensersatzanspruch vor Fälligkeit in BGB und CISG
a) Schadensersatz vor Fälligkeit im CISG
aa) Der Schadensersatzanspruch vor Fälligkeit im System der Garantiehaftung
bb) Konkrete und abstrakte Berechnung des Schadensersatzanspruchs
(1) Schadensberechnung nach Artt. 75 f. CISG bei eingetretener Vertragsverletzung
(2) Die Berechnung nach Artt. 75 f. CISG beim antizipierten Vertragsbruch
b) Schadensersatz vor Fälligkeit im BGB
aa) Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs vor Fälligkeit analog § 281 BGB
bb) Konkrete und abstrakte Berechnung des Schadensersatzanspruchs
(1) Schadensersatzberechnung für Deckungsgeschäfte in BGB und HGB bei eingetretener Vertragsverletzung
(2) Die Schadensberechnung beim antizipierten Vertragsbruch in BGB und HGB
c) Diskontierung der Forderung nach der Hoffmann’schen Methode analog § 41 II InsO
2. Anspruchskürzung wegen des Vorwurfs des Festhaltens am Vertrag
a) Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit im CISG
aa) Vertragsaufhebung in Kombination mit Schadensersatz als Maßnahme zur Verringerung des Verlusts nach Art. 77 CISG
bb) Rückausnahme unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikenverteilung
b) Mitverschulden nach § 254 BGB
aa) Vertragsumsteuerung als Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 BGB
bb) Rückausnahme unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikenverteilung
3. Der Schadensersatzanspruch wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz im eröffneten Verfahren – Erhaltung der Aufrechnungslage nach §§ 94 ff. InsO?
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 444 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Bernd Galneder

Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs im Vorfeld der Insolvenz Eine rechtsvergleichende Untersuchung des §  323 IV BGB und Art.  72 CISG unter besonderer Berücksichtigung der §§  103 ff. InsO

Mohr Siebeck

Bernd Galneder, geboren 1989; Studium der Rechtswissenschaften mit wirtschaftswissenschaftlicher Zusatzausbildung in Bayreuth; Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bayreuth; LL.M.-Studium an der La Trobe University in Melbourne (Australien); 2019 Promotion (Bayreuth); seit 2019 Rechtsreferendar am OLG München.

ISBN 978-3-16-159330-7 / eISBN 978-3-16-159331-4 DOI 10.1628/978-3-16-159331-4 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth im November 2019 als Dissertation angenommen. Die Ausarbeitung erfolgte während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Bayreuth. Gesetzgebung sowie die Auswertung von Literatur und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand von Oktober 2018. Zwischenzeitlich hat sich der BGH außerdem zu der höchstrichterlich bislang offengelassenen Frage geäußert, dass der Anwendungsbereich des § 103 InsO nur eröffnet ist, sofern auf beiden Seiten synallagmatisch verbundene Pflichten noch nicht vollständig erfüllt sind. Mit diesem bemerkenswerten Urteil vom 16.5.2019 – IX ZR 44/18 hat sich der BGH der auch hier vertretenen Auffassung angeschlossen, sodass diese Entscheidung in Kapitel 3, dort Fn. 86 noch mitberücksichtigt wurde. Zuvörderst gilt mein besonderer Dank meinem Doktorvater Prof. Dr. Stefan Leible für die Betreuung dieser Arbeit sowie die Aufnahme an seinem Lehrstuhl, an dem ich eine großartige Zeit verbringen durfte. Bei Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M. (Nottingham) möchte ich mich herzlich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens bedanken. Dem Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht als Herausgeber der Reihe „Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht“ danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Schriftenreihe. Zudem möchte ich einer ganzen Reihe von Personen dafür danken, dass sie die Zeit während des Verfassens dieser Arbeit zu einer in jeder Hinsicht wunderbaren Phase meines Lebens gemacht haben. Dank dieser Menschen – die ich hier leider nicht sämtlich nennen kann – stellte sich das Unterfangen einer Doktorarbeit nicht als die möglichst schnell zu überwindende Anstrengung heraus, als die sie in Vorworten häufig dargestellt wird. Es war vielmehr eine rundum fabelhafte Zeit. Allen voran verdanke ich das meinem Lehrstuhlkollegen und sehr guten Freund PD Dr. Michael F. Müller, LL.M. (Austin), dessen ständige Förderung ich hier kaum genügend würdigen kann. Auch dank Dr. Jan Wißling hätte ich mir kein besseres Umfeld als das des Lehrstuhlteams ZR IV wünschen können. Zudem hat mir erst die ausgezeichnete Vorbereitung während des Studiums gemeinsam mit Hanno Menke, LL.M. (Auckland) die

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Vorwort

spätere Lehrstuhltätigkeit ermöglicht. Mit Dr. Felix Ruppert darf ich schließlich einem sehr guten Freund für die regen Austauschmöglichkeiten während unserer gemeinsamen Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Bayreuth danken. Abschließend möchte ich mich besonders bei meiner Schwester Sonja und meinen Eltern Christa und Gerhard Galneder bedanken. Für sie ist es immer eine Freude, mich bei allem zu unterstützen, was ich tue. Dafür bin ich unendlich dankbar. Ihnen widme ich daher diese Arbeit. München, im April 2020

Bernd Galneder

Inhaltsübersicht Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis ........................................................................ XXVII

Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung ....................... 1 I.

Einleitung .............................................................................................. 1

II.

Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen zum CISG ......... 4

III. Klärung der Begriffe und des der Vertragsumsteuerung zugrundeliegenden Interessenkonflikts ...............................................................17

Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung ...........................33 I.

Bestimmung der Fälligkeit in BGB und CISG ......................................33

II.

Verwirklichung des Äquivalenzprinzips und Schutz des funktionellen Synallagmas auf Ebene der Sekundärrechte ....................42

III. Vertragsumsteuerung bei Nicht- und Schlechtleistung..........................57 IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit der Leistungen ............................89 V.

Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung ..........................97

VI. (Un-)Abhängigkeit von der Verantwortlichkeit der Parteien ...............101 VII. Vertragsumsteuerung bei Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten.........................................................................104 VIII. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG .................112

Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Insolvenzverfahren ................................................................... 122

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Inhaltsübersicht

I.

Äquivalenz- und Verlustprinzip im deutschen Insolvenzverfahren .....122

II.

Behandlung von CISG-Verträgen im Anwendungsbereich der §§ 103 ff. InsO ...................................................................................217

Kapitel 4: Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs unter besonderer Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz ............................................................................242 I.

Entwicklung der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs in CISG, BGB und internationalen Modellregelungen .....242

II.

Ratio legis und dogmatische Konstruktion von Art. 72 CISG und § 323 IV BGB .............................................................................272

III. Die Prognoseanforderungen – der durch das Offensichtlichkeitskriterium geforderte Wahrscheinlichkeitsgrad ....................................282 IV. Der Prognosebezugspunkt – Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs ...................................................................................294 V.

Recht des Gläubigers auf Klärung der Leistungsgefährdung und daraus folgende Indizwirkung ............................................................409

VI. Ausübung und Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit ............................................................................................418 VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs ...........................451

Literaturverzeichnis ....................................................................................481 Sachverzeichnis ..........................................................................................507

Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ........................................................................................... IX Abkürzungsverzeichnis ........................................................................ XXVII

Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung ....................... 1 I.

Einleitung .............................................................................................. 1

II.

Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen zum CISG ......... 4 1. Gang der Untersuchung ...................................................................... 4 a) Untersuchung der Grundlagen der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG im Wege funktionaler Rechtsvergleichung ........... 4 b) Vertragsumsteuerung im eröffneten Insolvenzverfahren ................ 6 c) Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs unter besonderer Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz .............. 7 2. Auslegungsgrundsätze und Besonderheiten der Auslegung bei Anwendung des CISG ........................................................................ 8 a) Grammatische Auslegung.............................................................. 9 b) Systematische Auslegung .............................................................10 c) Historische Auslegung und Entstehung des UN-Kaufrechts .........11 d) Teleologische Auslegung .............................................................14

III. Klärung der Begriffe und des der Vertragsumsteuerung zugrundeliegenden Interessenkonflikts ...............................................................17 1. Begriffsbestimmung und Abgrenzung................................................18 a) Die Begriffe der Vertragsverletzung und Vertragsumsteuerung....18 aa) Die Vertragsverletzung ...........................................................18 bb) Die Vertragsumsteuerung .......................................................19 b) Abgrenzung zu sonstigen Rechtsbehelfen .....................................20 2. Das Vertragserhaltungsinteresse des Schuldners: pacta sunt servanda ............................................................................................22 a) Die schuldnerschützende Bedeutung der Vertragsbindung ...........23

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Inhaltsverzeichnis

b) Missbrauchsschutz .......................................................................25 3. Das Liberationsinteresse des Gläubigers: die Störung des Synallagmas ......................................................................................26 a) Primär- und Sekundäranspruch als Verwirklichung des Gläubigerinteresses?.....................................................................26 b) Die Notwendigkeit der Vertragsumsteuerung wegen Störung des Synallagmas als ergänzendes Gläubigerrecht .........................27 c) Die Vertragsumsteuerung wegen drohender Störung des Synallagmas .................................................................................31 d) Legitimation der Vertragsumsteuerung aus sonstigen Gründen ....32

Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung ...........................33 I.

Bestimmung der Fälligkeit in BGB und CISG ......................................33 1. Das Fälligkeitserfordernis im Rahmen der Vertragsverletzung ..........33 2. Fälligkeit der Leistung im BGB .........................................................34 3. Bestimmung der Fälligkeit im UN-Kaufrecht ....................................37 a) Fälligkeit der Lieferpflicht nach Art. 33 CISG .............................38 b) Fälligkeit der Pflicht zur Kaufpreiszahlung nach Art. 58 CISG ....40

II.

Verwirklichung des Äquivalenzprinzips und Schutz des funktionellen Synallagmas auf Ebene der Sekundärrechte..........................................42 1. Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas ................................................................................44 a) Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas im BGB .............................................................44 aa) Funktion des § 320 BGB und dessen Grenzen ........................44 bb) Die Konstruktion des funktionellen Synallagmas im BGB: Austausch- vs. Einredetheorie .......................................46 b) Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas im CISG ....................................48 aa) Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags im CISG ................48 bb) Folgen der Fälligkeitskonstruktion für das funktionelle Synallagma im CISG ..............................................................50 2. Die Folgen des Einwands des nicht erfüllten Vertrags auf Sekundärebene...................................................................................52 a) Das Bestehen des § 320 BGB als Rücktrittshindernis und dessen teleologische Reduktion ....................................................52 aa) Die ipso iure-Wirkung des § 320 BGB auf Sekundärebene.....52 bb) Ausschluss der ipso iure-Wirkung wegen teleologischer Reduktion des § 320 BGB .......................................................53

Inhaltsverzeichnis

XIII

b) Konsequenzen der Konstruktion des Synallagmas für die Vertragsaufhebung im CISG ........................................................55 aa) Das Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers bei der Vertragsaufhebung des Käufers ..............................................55 bb) Konsequenzen der Fälligkeitskonstruktion bei der Vertragsaufhebung des Verkäufers .........................................56 III. Vertragsumsteuerung bei Nicht- und Schlechtleistung..........................57 1. Funktion und Symbiose materieller und prozeduraler Ansätze in BGB und CISG ..................................................................................57 a) Überblick zur Zurückdrängung der Vertragsaufhebung im CISG ............................................................................................58 b) Überblick zum Vorrang der Nacherfüllung im BGB .....................61 2. Prozedurale Ansätze: die Fristsetzungsmodelle..................................63 a) Die Fristsetzung nach § 323 I BGB ..............................................63 b) Das Nachfristmodell im UN-Kaufrecht ........................................64 3. Materielle Ansätze: Gewichtigkeit der Vertragsverletzung ................67 a) Beschränkung und Begründung des Rücktrittsrechts im BGB aufgrund der Gewichtigkeit der Vertragsverletzung .....................68 aa) Einschränkungen durch § 323 V 2 BGB bei Schlechtleistungen ..................................................................68 bb) Der „Auffang“-Tatbestand des § 323 II Nr. 3 BGB und Ausnahmen vom Fristerfordernis nach § 242 BGB .................70 (1) Die Regelung des § 323 II Nr. 3 BGB ..................................70 (2) Ausnahmen vom Fristerfordernis nach § 242 BGB ..............71 b) Das sofortige Aufhebungsrecht bei wesentlicher Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG.........................................................73 4. Recht zur sofortigen Vertragsumsteuerung bei Säumnis ....................75 a) Säumnis als wesentliche Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG .....................................................................75 b) Der „Ausnahme“-Tatbestand des § 323 II Nr. 2 BGB...................77 5. Befreiung von der Gegenleistungspflicht bei endgültiger Leistungsverhinderung.......................................................................79 a) Das Schicksal der Gegenleistungspflicht in BGB und CISG bei Unmöglichkeit ........................................................................80 aa) Automatisches Entfallen der Gegenleistungspflicht und Rücktritt nach § 326 BGB .......................................................80 bb) Folgen der fehlenden Erlöschensanordnung im CISG ............81 b) Finanzielles Unvermögen als (endgültiges) Leistungshindernis ....84 aa) Unmöglichkeit und der Grundsatz „Geld hat man zu haben“ im BGB .......................................................................84

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Inhaltsverzeichnis

bb) Zahlungsunfähigkeit als Leistungshindernis und Entlastungsgrund im CISG......................................................88 IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit der Leistungen ............................89 1. Vertragsumsteuerung bei Teilleistung ................................................90 a) Teilrücktritt und Rücktritt vom ganzen Vertrag, § 323 V 1 BGB ..90 b) Teilaufhebung und Aufhebung des gesamten Vertrags, Art. 51 CISG ................................................................................92 2. Vertragsumsteuerung bei Teilschlechtleistung ...................................94 a) Teilrücktritt und Rücktritt vom ganzen Vertrag, § 323 V 1 und 2 BGB ...................................................................................94 b) Teilaufhebung und Aufhebung des gesamten Vertrags, Art. 51 CISG ................................................................................96 V.

Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung ..........................97 1. Die Erfüllungsverweigerung im BGB: Ausnahme der Nachfristsetzung ................................................................................97 2. Erfüllungsverweigerung im CISG: Ausnahme der Nachfristaufhebung und eigenständiger Störungstatbestand ...............99

VI. (Un-)Abhängigkeit von der Verantwortlichkeit der Parteien ...............101 1. Die Verantwortlichkeit des Gläubigers im BGB ..............................102 2. Die Verursachung durch den Gläubiger im UN-Kaufrecht ...............103 VII. Vertragsumsteuerung bei Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten.........................................................................104 1. Exklusive Anwendbarkeit des § 324 BGB bei Schutzpflichtverletzungen und des § 323 BGB bei Verletzung außerhalb des Synallagmas stehender Pflichten ......................................................104 a) Das Zumutbarkeitskriterium des § 324 BGB als Verknüpfung der Verletzung des Integritätsinteresses mit der vertraglichen Bindung......................................................................................104 b) §§ 323, 326 BGB bei außerhalb des Synallagmas stehenden Pflichten? ...................................................................................106 2. Verletzung außerhalb des Synallagmas stehender Pflichten im CISG ..........................................................................................109 VIII. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG .................112 1. Rückabwicklung und Gefahrtragung in CISG und BGB ..................112 a) Zustandsveränderungen im CISG ...............................................113

Inhaltsverzeichnis

XV

b) Zustandsveränderungen im BGB ................................................115 c) Vergleich der Gefahrtragung in CISG und BGB .........................116 2. Befreiungswirkung der Vertragsumsteuerung und die Kombination mit Schadensersatz als einheitliches Rechtsbehelfssystem ....117 a) Befreiungswirkung der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG ...................................................................................117 b) Das Fortbestehen des Vertrags und die Kombination mit Schadensersatz ...........................................................................118

Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Insolvenzverfahren ...............................................................................122 I.

Äquivalenz- und Verlustprinzip im deutschen Insolvenzverfahren .....122 1. Das funktionelle Synallagma im Spannungsfeld gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung .....................................................................122 a) Überblick zur Gläubigerbefriedigung als vorrangiges Verfahrensziel ............................................................................122 aa) Die Bedeutung der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung im Kanon der Verfahrensziele ...............................................122 bb) Der par conditio creditorum-Grundsatz als Fundament des Verteilungsmodus ...........................................................125 b) Die Einteilung der Gläubiger im Insolvenzverfahren ..................130 aa) Quotale Befriedigung der Insolvenzgläubiger, § 38 InsO......130 bb) Vorweggenommene Befriedigung der Massegläubiger gem. § 53 ff. InsO .................................................................132 c) Die Bedeutung der §§ 55 I Nr. 2 und 103 InsO für die Überwindung des Konflikts zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip ............................................................................134 aa) Die Kollision von Äquivalenz- und Verlustprinzip bei nicht vollständiger Erfüllung .................................................134 bb) Überblick zum funktionellen Synallagma im eröffneten Insolvenzverfahren ................................................................136 2. Entwicklung der h. M. zu den materiellrechtlichen Konsequenzen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung auf noch nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge ........................................138 a) Der Weg von der Fortbestehens- zur Erlöschenstheorie..............138 aa) Die Fortbestehenstheorie des RG (RGZ 11,49) .....................139 bb) Die Erlöschenstheorie des BGH (BGHZ 103, 250)...............140 b) Die seit BGHZ 150, 353 herrschend vertretene Suspensivund Qualitätssprungtheorie .........................................................143 aa) Folgen der Erfüllungswahl....................................................145

XVI

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bb) Folgen der Erfüllungsablehnung...........................................148 cc) Vertragsspaltung bei teilweiser Erbringung teilbarer Leistungen ............................................................................149 c) Folgen der Suspensivtheorie auf gesetzliche Rücktrittsrechte des Vertragspartners und Abgrenzung zu sonstigen Lösungsrechten ..........................................................................153 aa) Rücktritt bei fehlender Erklärung und Erfüllungsablehnung .............................................................................155 bb) Rücktritt bei Erfüllungswahl ................................................157 cc) Rücktritt im Fall der Vertragsspaltung bei unvollständiger Erbringung teilbarer Leistungen ............................................158 dd) Exkurs: Anwendbarkeit des § 103 InsO auf bestehende Rückgewährschuldverhältnisse .............................................159 3. Kritik an der Suspensivtheorie und den daraus abgeleiteten Konsequenzen für Sekundärrechte – Befreiung des Rücktrittsrechts von haftungsrechtlichen Erwägungen ....................................161 a) Die auf haftungsrechtliche Wirkungen beschränkten Folgen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung..................163 aa) Haftungsrechtliche Wirkung der Verfahrenseröffnung und Erfüllungsablehnung ......................................................163 (1) Folgen der Verfahrenseröffnung – ein Blick in die Materialien .........................................................................163 (2) Die verfehlten Ableitungen aus der Suspensivtheorie – Begründung der rein haftungsrechtlichen Wirkung der Verfahrenseröffnung und Bestätigungswirkung der Erfüllungsablehnung ....................................................165 bb) Haftungsrechtliche Folgen der Erfüllungswahl .....................169 (1) Der Fundamentaldissens um den § 103 InsO zugrundeliegenden Normzweck ........................................................169 (2) Grenzen der haftungsrechtlichen Wirkung der Erfüllungswahl und dogmatische Verortung der mit der Qualitätssprungtheorie verfolgten Ziele in § 35 und §§ 91 ff. InsO ..............................................................173 b) Das Bestehen von Rücktrittsrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren ..................................................................178 aa) Einschränkungen des § 320 BGB wegen fehlender Vertragstreue des Insolvenzschuldners ..................................179 bb) Zweckverfehlung des Durchsetzbarkeitserfordernisses in § 323 BGB bei Annahme eines insolvenzbedingten Durchsetzbarkeitsverlusts .....................................................180 cc) § 323 BGB und die begrenzten Modifikationen durch §§ 103 ff. InsO ......................................................................184 (1) Rücktritt nach feststehender Nichterfüllung .......................184

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(2) Rücktritt vor feststehender Nichterfüllung unter Berücksichtigung des Erklärungsaufforderungsrechts des Vertragspartners und § 107 InsO ..................................186 (3) Rücktritt des Gläubigers bei (bevorstehender) Erfüllungswahl – Erklärungsaufforderungsrecht des Verwalters analog § 103 II 2 InsO? ....................................190 dd) Folgerichtigkeit der Ergebnisse für die Behandlung gegenseitiger Verträge im Verfahren.....................................194 (1) Verfahrensteilnahme durch Kombination von Rücktritt und Schadensersatz ............................................................194 (2) Vermeidung dogmatischer Brüche im Fall der Aussonderung ....................................................................199 (3) Der Rücktritt wegen insolvenzbedingter Nichterfüllung im Lichte der Materialien zur Konkursordnung unter Berücksichtigung des modernen Rücktrittsmodells im BGB ...201 c) Besonderheiten bei teilweiser Leistungserbringung vor Verfahrenseröffnung – Spaltung des Synallagmas infolge einer Spaltung der haftungsrechtlichen Abwicklung? ..........................205 aa) Kein Normenkonflikt bei Erfüllungswahl pro futuro und Vor- oder Mehrleistung des Schuldners sowie äquivalentem Leistungsaustausch ..........................................................206 bb) Kein Normenkonflikt bei Erfüllungsablehnung und Vor- oder Mehrleistung des Vertragspartners sowie äquivalentem Leistungsaustausch..........................................207 cc) Der Normenkonflikt bei Erfüllungswahl pro futuro und Vor- oder Mehrleistung des Vertragspartners ........................208 dd) Der Normenkonflikt bei Erfüllungsablehnung und Vor- oder Mehrleistung des Schuldners ................................213 d) Fazit zum Rücktritt im eröffneten Insolvenzverfahren ................217 II.

Behandlung von CISG-Verträgen im Anwendungsbereich der §§ 103 ff. InsO ...................................................................................217 1. Überblick zum Internationalen Insolvenzverfahrens- und Insolvenzkollisionsrecht ..........................................................................220 a) Grundlagen des Internationalen Insolvenzverfahrensrechts – Anwendungsbereich der EuInsVO und §§ 335 ff. InsO sowie die daraus folgende Zuständigkeit deutscher Gerichte ................220 b) Grundlagen des Internationalen Insolvenzkollisionsrechts – die lex fori concursus und das auf noch nicht erfüllte Verträge anwendbare Recht ......................................................................223 2. Reichweite der lex fori concursus und Anwendbarkeit des CISG in der Insolvenz ...............................................................................225

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a) Kollisionsrechtliche Grenzziehung – Reichweite der lex fori concursus und das sich „daraus“ (nicht) ergebende (Vertrags-)Recht.........................................................................225 b) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf CISG-Verträge und Vertragsaufhebung in der Insolvenz des Schuldners ............231 aa) Folgen der Verfahrenseröffnung: Hemmung der Durchsetzung des Primäranspruchs .......................................231 bb) Vertragsaufhebung nach Artt. 49, 64 CISG in der Insolvenz des Schuldners ......................................................235 cc) Vorfrage der Rechtsgrundabhängigkeit des Eigentumserwerbs nach der lex contractus ...............................................237 dd) Verfahrensteilnahme durch Kombination von Vertragsaufhebung und Schadensersatz ..............................................239

Kapitel 4: Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs unter besonderer Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz ............................................................................242 I.

Entwicklung der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs in CISG, BGB und internationalen Modellregelungen .....242 1. Umsetzung anerkannten Rechts als gesetzgeberische Intention der Schaffung von § 323 IV BGB – Rücktritt wegen Leistungsgefährdung im BGB von 1896 ..........................................242 a) Rücktrittsgründe de lege lata im BGB von 1896 und die positive Vertragsverletzung ........................................................244 aa) Rücktritt wegen zu vertretender Unmöglichkeit und Verzugs .................................................................................244 bb) Die positive Vertragsverletzung als Ergänzung des Leistungsstörungsrechts ........................................................245 b) Vorzeitige Erfüllungsverweigerung und sonstige drohende Leistungshindernisse vor Fälligkeit als Rücktrittsgrund im früheren Schuldrecht ..................................................................247 aa) Die Einordnung der Erfüllungsverweigerung vor und nach Fälligkeit ......................................................................247 bb) Sonstige drohende Leistungshindernisse vor Fälligkeit ........250 cc) Drohende Insolvenz als Rücktrittsgrund vor Fälligkeit im früheren Schuldrecht ........................................................253 2. Die Entwicklung des Art. 72 CISG aus dem Haager Kaufrecht ........256 a) Die Vorläufernorm des Art. 76 EKG ..........................................256 b) Drohende Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens als Fall des Art. 76 EKG ............................................................259

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XIX

c) Die Entstehung des Art. 72 CISG ...............................................260 3. Der antizipierte Vertragsbruch in internationalen Modellregelungen des Vertragsrechts ..............................................263 a) Die Erfüllungsgefährdung in Art. 7.3.3 und 7.3.4 PICC .............264 b) Die Regelungen der Art. 9:304 und 8:105 PECL ........................267 c) Die Erfüllungsgefährdung in III. –3:504 DCFR ..........................269 d) Fazit zum Vergleich der Regelungen und deren Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz .............................270 II.

Ratio legis und dogmatische Konstruktion von Art. 72 CISG und § 323 IV BGB .............................................................................272 1. Das Telos des Art. 72 CISG basierend auf einer künftigen Vertragsverletzung...........................................................................272 a) Die Unvereinbarkeit einer gegenwärtigen Vertragsverletzung mit der dogmatischen Konstruktion des Art. 72 CISG ................273 b) Schutz der Dispositionsfreiheit bei hinreichender Gefährdung des Leistungsinteresses...............................................................274 2. Ratio legis und der Wandel der dogmatischen Konstruktion des Rücktritts wegen antizipierter Vertragsverletzung im BGB durch die Schuldrechtsmodernisierung ......................................................276 a) Prognoseabhängigkeit des Rücktritts wegen drohender Vertragsverletzung – Verabschiedung von der gegenwärtigen (positiven) Vertragsverletzung ...................................................277 b) Teleologische Rechtfertigung des Rücktritts nach § 323 IV BGB ....................................................................280 c) Exkurs: Richtlinienkonformität des § 323 IV BGB ....................281

III. Die Prognoseanforderungen – der durch das Offensichtlichkeitskriterium geforderte Wahrscheinlichkeitsgrad ....................................282 1. Subsumtionsuntauglichkeit infolge des offenen Wortlauts ...............283 2. Eingrenzung basierend auf systematischen Erwägungen ..................284 a) Das normative Umfeld im CISG.................................................284 b) Die Prognoseabstufung in §§ 321 und 323 IV BGB ...................287 3. Die Offensichtlichkeit im Lichte des Normzwecks ..........................287 a) Prognoseabhängigkeit von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG .....287 b) Relevanz des ultima ratio-Prinzips bei Art. 72 CISG .................288 4. Fazit zum Prognosemaßstab und Kasuistik zum antizipierten Vertragsbruch ..................................................................................289 a) Kasuistik zu Art. 72 CISG und deren Bedeutung für die Auslegung nach Art. 7 I CISG ....................................................289 b) Kasuistik zu § 323 IV BGB und Berücksichtigung der Rechtsprechung vor dem SMG ...................................................291

XX

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IV. Der Prognosebezugspunkt – Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs ...................................................................................293 1. Die Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit in CISG und BGB.........294 a) Vertragstheoretische Erklärungsmodelle der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung .............................................................295 b) Dogmatik der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung in BGB und CISG ...................................................................................297 aa) Erfüllungsverweigerung als Prognosebasis einer künftigen wesentlichen Vertragsverletzung im CISG ............................297 bb) Erfüllungsverweigerung als Prognosebasis eines künftigen Eintritts der Rücktrittsvoraussetzungen im BGB ...................299 c) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung ..........300 aa) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung im UN-Kaufrecht ..................................................................300 bb) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung im BGB.................................................................................302 d) Widerruf der Erfüllungsverweigerung ........................................306 aa) Widerruf im Zusammenhang mit Art. 72 CISG ....................306 bb) Widerruf im Zusammenhang mit § 323 IV BGB ..................307 2. Sonstige Leistungsgefährdungen als antizipierter Vertragsbruch .....309 a) Art. 72 CISG: das Drohen einer wesentlichen Vertragsverletzung .....................................................................309 b) § 323 IV BGB: das Drohen des Eintritts der Rücktrittsvoraussetzungen ..................................................................................311 aa) Der drohende Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen – der Prognosebezugspunkt............................................................311 bb) Anwendbarkeit des § 323 V BGB beim antizipierten Vertragsbruch .......................................................................314 cc) 323 IV BGB bei (vorübergehender) Unmöglichkeit vor Fälligkeit neben §§ 311a, 326 BGB ......................................317 dd) § 323 IV als Teilkodifikation: § 323 BGB analog wegen Leistungsgefährdung? ...........................................................321 c) Vertragsumsteuerung hinsichtlich künftiger Sukzessivleistungen ...................................................................324 aa) Die Spezialregelung des Art. 73 II und III CISG ..................325 bb) Die Normenkonkurrenz zwischen § 323 IV und § 314 BGB .....................................................................329 d) Beschränkung auf nach Vertragsschluss in Erscheinung tretende Gefährdungssituationen ................................................333 aa) Einschränkung von Art. 72 CISG .........................................333 bb) Einschränkung von § 323 IV BGB .......................................335

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XXI

e) Exkurs: Anwendbarkeit von Art. 72 CISG und § 323 IV nach Fälligkeit ....................................................................................337 aa) Abgrenzung zwischen Art. 72 CISG und Artt. 49, 64 CISG .337 bb) Abgrenzung zwischen § 323 IV BGB und § 323 I BGB .......338 cc) Fazit zur Beschränkung von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG auf Fälle vor Fälligkeit ................................................340 3. Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz ...........................341 a) Der mit der drohenden Insolvenz heraufbeschworene Normenkonflikt mit §§ 103 ff. InsO ...........................................341 aa) Problemaufriss: Umgehung des Verwalterwahlrechts? .........341 bb) Überblick zum Meinungsstand .............................................342 (1) Meinungsstand zum Rücktritt nach § 323 IV BGB wegen drohender Insolvenz ................................................342 (a) Vorrang der §§ 103 ff. InsO vor § 323 IV BGB bei „solvenzbedingten Zweifeln“...........................................343 (b) Vorrang des § 321 II BGB vor § 323 IV BGB bei solvenzbedingten Zweifeln ..............................................345 (c) Erfüllungsablehnung des Verwalters als Ausübung gesetzlicher Befugnisse ...................................................346 (d) Drohender Durchsetzbarkeitsverlust als Rücktrittsschranke ...........................................................347 (e) Annahme eines Rücktrittsrechts in den Grenzen des § 323 IV BGB ...........................................................348 (f) Fazit zum Meinungsspektrum und Fokus der weiteren Betrachtung .....................................................................349 (2) Meinungsstand zur Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG wegen drohender Insolvenz ......................................351 (a) Die herrschende Auffassung zur drohenden Insolvenz als Aufhebungsgrund .......................................................351 (b) Verdrängender Vorrang des autonomen Insolvenzrechts ...............................................................................354 (c) Vorrang des CISG vor dem nationalen Insolvenzrecht basierend auf funktional beschränkter Qualifikation der lex concursus .............................................................355 (d) Fazit zum Meinungsspektrum und Fokus der weiteren Betrachtung .....................................................................357 cc) Exkurs zum prozessualen normativen Umfeld – Vorzeitige Maßnahmen des Prozessrechts vor der Insolvenz ..................358 (1) Klage auf künftige Leistung bei Erfüllungsgefährdung ......358 (a) Klage auf künftige Leistung neben der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs ............................................................... 359

XXII

Inhaltsverzeichnis

(b) Klage auf künftige Leistung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ........................................................360 (2) Sicherungsarrest und einstweilige Verfügung.....................361 (a) Einstweilige Maßnahmen vor Fälligkeit...........................362 (b) Die ablehnende Haltung der h. M. zur Gläubigerkonkurrenz als Arrestgrund ..............................362 (c) Ablehnung der Vorwirkung insolvenzrechtlicher Wertungen .......................................................................363 (d) Drohende Zahlungsunfähigkeit als Arrestgrund nach § 917 I ZPO.............................................................365 b) Ablehnung contra legem gewonnener vorgreiflicher Sperrwirkungen des Insolvenzrechts ..........................................367 aa) Keine Sperrwirkung wegen Umgehung des Verwalterwahlrechts aus § 103 InsO bei „solvenzbedingten Zweifeln“ nach § 112 InsO analog ........................................368 bb) Keine Sperrwirkung aufgrund analoger Anwendung des § 119 InsO ......................................................................371 cc) Keine Sperrwirkung aufgrund offensichtlichen „Durchsetzbarkeitsverlusts“ oder vorläufiger Untersagung der Zwangsvollstreckung nach § 21 II 1 Nr. 3 InsO ....................376 dd) Fazit zur Verdrängung von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG durch das Insolvenzrecht .............................................377 c) Erfüllungsverweigerung bei drohender Insolvenz .......................378 aa) Erfüllungsverweigerung bei drohender Insolvenz – das maßgebliche Erklärungsverhalten .........................................379 (1) Keine Bindung durch § 103 II InsO bei Erklärungen des vorläufigen Verwalters .......................................................379 (2) Differenzierung zwischen schwachen und starken vorläufigen Insolvenzverwaltern ........................................380 bb) Das Erfordernis der Endgültigkeit der Verweigerungserklärung bei drohender Insolvenz.................383 (1) Modifizierende Fortführungsvereinbarung als endgültige Verweigerungserklärung ....................................................383 (2) Endgültigkeit der Verweigerung trotz fehlender Bindung des potentiellen Verwalters im eröffneten Verfahren? .......386 d) Offensichtlich drohende Insolvenz als sonstige Leistungsgefährdung .................................................................................389 aa) Ablehnung von der Wahlrechtsausübung losgelöster Zumutbarkeitserwägungen ....................................................390 bb) Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz unter Berücksichtigung von § 103 InsO .........................................393 (1) Fälle feststehender solvenzbedingter Nichterfüllung ..........393

Inhaltsverzeichnis

XXIII

(2) Anknüpfung an prognostizierbares Wahlverhalten im Lichte der Ermessensgrenzen .............................................396 cc) Antizipierter Vertragsbruch in volatilen Märkten unter Berücksichtigung des § 104 InsO ..........................................400 dd) Vertragsumsteuerung bei drohender Insolvenz unter Berücksichtigung des § 105 InsO bei künftigen Sukzessivleistungen und bereits erfolgter teilweiser Leistungserbringung .............................................................402 e) Fazit zum antizipierten Vertragsbruch wegen drohender Insolvenz und Fallgruppenbildung .............................................406 V.

Recht des Gläubigers auf Klärung der Leistungsgefährdung und daraus folgende Indizwirkung ............................................................409 1. Konsequenzen des Ausbleibens von Sicherheiten nach Art. 71 III CISG...............................................................................409 2. Recht zur Klärung der Vertragstreue mit Indizwirkung im BGB ......411 3. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung im Vorfeld einer Insolvenz .........................................................................................415

VI. Ausübung und Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit ............................................................................................418 1. Pflicht zur Ankündigung der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit ...418 a) Die Notifizierungspflicht des Art. 72 II CISG ............................418 aa) Inhalt und Grenzen der Notifizierungspflicht ........................418 bb) Folgen unterlassener Anzeige durch den Gläubiger ..............421 b) Keine Pflicht zur Klärung der Vertragstreue vor Fälligkeit im Rahmen des § 323 IV BGB ........................................................423 2. Die Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts...............................424 a) Vertragsaufhebung gem. Art. 26 CISG und Ablehnung der ipso facto-Aufhebung .................................................................424 b) Ausübung durch Erklärung nach § 349 BGB neben § 326 BGB .......................................................................427 3. Beschränkungen der Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts ....428 a) Kein Erklärungsaufforderungsrecht analog § 103 II 3 InsO bei drohender Insolvenz .............................................................428 b) Ausübungsschranken des § 323 IV BGB und Erklärungsaufforderung analog § 350 BGB .................................................429 c) Ausübungsschranken des Art. 72 CISG und Erklärungsaufforderung analog Art. 48 II CISG ..........................................433 4. Abwendung der Vertragsumsteuerung durch Sicherheitenstellung ...436 a) Abwendung des Aufhebungsrechts durch Sicherheitenstellung nach Art. 72 II CISG ..................................................................436

XXIV

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b) Abwendung des Rücktritts nach § 323 IV BGB durch Sicherheiten i.S.d. §§ 232 ff. BGB .............................................438 c) Sicherheitenstellung zur Abwendung der Vertragsumsteuerung im Spannungsfeld insolvenzrechtlicher Anfechtung ............441 5. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung: die Befreiungswirkung und Erklärungsbindung .................................................................445 a) Befreiungswirkung der Vertragsaufhebung vor Fälligkeit im CISG und Erklärungsbindung .....................................................445 b) Befreiungswirkung des Rücktritts vor Fälligkeit im BGB und Diskussion eines ius variandi .....................................................448 c) Widerruf der Vertragsumsteuerungserklärung bei drohender Insolvenz ....................................................................................450 VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs ...........................451 1. Der Schadensersatzanspruch vor Fälligkeit in BGB und CISG ........451 a) Schadensersatz vor Fälligkeit im CISG ......................................452 aa) Der Schadensersatzanspruch vor Fälligkeit im System der Garantiehaftung ....................................................................452 bb) Konkrete und abstrakte Berechnung des Schadensersatzanspruchs ........................................................................454 (1) Schadensberechnung nach Artt. 75 f. CISG bei eingetretener Vertragsverletzung ........................................454 (2) Die Berechnung nach Artt. 75 f. CISG beim antizipierten Vertragsbruch .....................................................................456 b) Schadensersatz vor Fälligkeit im BGB .......................................458 aa) Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs vor Fälligkeit analog § 281 BGB ..........................................................458 bb) Konkrete und abstrakte Berechnung des Schadensersatzanspruchs ........................................................................462 (1) Schadensersatzberechnung für Deckungsgeschäfte in BGB und HGB bei eingetretener Vertragsverletzung .........462 (2) Die Schadensberechnung beim antizipierten Vertragsbruch in BGB und HGB ........................................465 c) Diskontierung der Forderung nach der Hoffmann’schen Methode analog § 41 II InsO ......................................................467 2. Anspruchskürzung wegen des Vorwurfs des Festhaltens am Vertrag ............................................................................................469 a) Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit im CISG .........469 aa) Vertragsaufhebung in Kombination mit Schadensersatz als Maßnahme zur Verringerung des Verlusts nach Art. 77 CISG .........................................................................469

Inhaltsverzeichnis

XXV

bb) Rückausnahme unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikenverteilung ..................................................................471 b) Mitverschulden nach § 254 BGB ................................................472 aa) Vertragsumsteuerung als Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 BGB ....................................................................472 bb) Rückausnahme unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikenverteilung ..................................................................474 3. Der Schadensersatzanspruch wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz im eröffneten Verfahren – Erhaltung der Aufrechnungslage nach §§ 94 ff. InsO? ...........................................476

Literaturverzeichnis ....................................................................................481 Sachverzeichnis ..........................................................................................507

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. a. E. a. F. abgedr. ABl. abr. Abs. AEUV Alt. amtl. Anm. Art. AT Aufl. B2B B2C BAG BB Bd. BeckOK BeckOGK BeckRS Begr. Beschl. BG BGB BGBl. BGH BGHZ bspw. BT BVerfG bzgl. C2B C2C CISG C.L.J. COMI

andere Ansicht am angegebenen Ort am Ende alte Fassung abgedruckt Amtsblatt der Europäischen Union abrufbar Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Alternative amtlich; amtliche Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Auflage Business to Business Business to Consumer Bundesarbeitsgericht Betriebsberater [Zeitschrift] Band Beck’scher Online-Kommentar beck-online.GROSSKOMMENTAR Beck-Rechtsprechung Begründer; Begründung Beschluss Bundesgericht [Schweiz] Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen beispielsweise Besonderer Teil Bundesverfassungsgericht bezüglich Consumer to Business Consumer to Consumer Convention on Contracts for the International Sale of Goods Cambridge Law Journal centre of main interests

XXVIII d. h. DB DCFR ders. dies. DNotZ Drucks. DWW DZWIR; DZWir EG EKG Einl. EU EuGH EuInsVO EuZW f.; ff. FK-InsO Fn. FS GS HK-InsO h. M. Herv. d. Verf. Herv. i. Original HGB HK-BGB Hrsg. HS IHR InsO Int&Comp.L.Q. IPRax i. S. d.; i. S. v. JA J.L.C. JURA juris-PK JuS JZ KK-InsO KO Krit. KTS LG lit. Lit.

Abkürzungsverzeichnis das heißt Der Betrieb [Zeitschrift] Draft Common Frame of Reference derselbe dieselbe; dieselben Deutsche Notar-Zeitschrift Drucksache Deutsche Wohnungswirtschaft [Zeitschrift] Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Europäische Gemeinschaft Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen Einleitung Europäische Union Europäischer Gerichtshof Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung Fußnote Festschrift Gedächtnisschrift Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht herrschende Meinung Hervorhebung des Verfassers Hervorhebung im Original Handelsgesetzbuch Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Herausgeber Halbsatz Internationales Handelsrecht [Zeitschrift] Insolvenzordnung International & Comparative Law Quarterly [Zeitschrift] Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Sinne des; im Sinne von Juristische Arbeitsblätter Journal of Law and Commerce Juristische Ausbildung juris Praxiskommentar Juristische Schulung Juristenzeitung Kölner Kommentar zur Insolvenzordnung Konkursordnung Kritisch Zeitschrift für Insolvenzrecht Landgericht litera Literatur

Abkürzungsverzeichnis m. Anm. m. E. m. w. N. MittBayNot MüKoBGB MüKoHGB MüKoInsO MüKoZPO n. F. No. NJCL NJW Nr. NZBau NZG NZI NZM OG OGH OLG p. PECL PICC; UPICC PK-CISG RabelsZ RGZ RIW RL ROM I-VO

Rn. Rz. s S. SJZ SMG sog. st. Rspr. str. u. u. a. UCC UN UNCITRAL UNIDROIT unstr.

XXIX

mit Anmerkung meines Erachtens mit weiteren Nachweisen Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landeskammer Bayern [Zeitschrift] Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung neue Fassung Nummer Nordic Journal of Commercial Law Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Obergericht [Schweiz] Oberster Gerichtshof [Österreich] Oberlandesgericht page Principles of European Contract Law Principles for International Commercial Contracts Praxiskommentar CISG Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft [Zeitschrift] Richtlinie Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Randnummer; Randnummern Randziffer; Randziffern section Seite Schweizerische Juristen-Zeitung Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts sogenannte ständige Rechtsprechung streitig und unter anderem; und andere Uniform Commercial Code [USA] United Nations United Nations Commission on International Trade Law International Institute for the Unification of Private Law unstreitig

XXX Urt. USA v. Var. VerbrR-RL;VRRL vgl. VO Vol. Vorb.; Vorbem. VuR WM z. B. ZEuP ZfBR ZfPW ZGR ZGS Ziff. ZInsO ZIP zit. ZPO z. T. ZVglRWiss ZZP

Abkürzungsverzeichnis Urteil United States of America versus; vom; von Variante Verbraucherrechterichtlinie vergleiche Verordnung Volume Vorbemerkung Verbraucher und Recht [Zeitschrift] Wertpapier Mitteilungen [Zeitschrift] zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das Gesamte Schuldrecht Ziffer Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zivilprozessordnung zum Teil Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess

Kapitel 1

Grundlagen und Gang der Untersuchung I. Einleitung I. Einleitung

Mit dem allseits bekannten Axiom der „Relativität von Schuldverhältnissen“ wird die vertragsrechtliche Terminologie dem Umstand gerecht, dass mittels des Versprechens in Form eines zwei- oder mehrseitigen Rechtsgeschäfts grundsätzlich nur Pflichten und Rechte der Vertragsparteien statuiert werden. Eine „Relativität der Leistungszeit“ ist der Rechtswissenschaft dagegen als solche fremd. Zwar werden wechselseitige Einflüsse zwischen Recht und Zukunft freilich auch dort erkannt und bilden – vornehmlich aus gesetzgeberischer Perspektive zur Bewältigung sich verändernder Umweltbedingungen – etwa den Gegenstand prospektiver Rechtswissenschaft, die sich auf das Recht als Mittel der Zukunftsgestaltung konzentriert.1 Allerdings handelt es sich demgegenüber bei der Leistungszeit um eine, wenn auch von den Parteien vereinbarte, zeitpunktbezogene und damit feste Bezugsgröße, die als absolute Zäsur im „Leben“ der Schuld fortan über das Bestehen von Leistungsstörungsrechten entscheidet. Während sich der Vertrag vor dem Eintritt der Leistungszeit lediglich als bis dahin sanktionsloses Versprechen für die Zukunft begreifen lässt, erweist sich erst das Versäumen jenes Zeitpunkts durch eine Vertragspartei als Bruch des Versprechens, der zur Ausübung von Leistungsstörungsrechten berechtigt. Damit zieht die Leistungszeit auf den ersten Blick eine trennscharfe Linie zur Bestimmung des frühestmöglichen Zeitraums, in dem sich ein Schuldner vertragsbrüchig verhalten kann. Dabei übersieht eine solche formaljuristische Betrachtung allerdings, dass schon das Versprechen für die Zukunft zu einer Bindung der Vertragsparteien führt, deren Aufrechterhaltung ernsthaften Zweifeln begegnet, wenn der anvisierte Leistungsaustausch aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit einer Partei bereits gegenwärtig zum Scheitern verurteilt ist. Dieser Umstand wirft die Frage auf, ob und inwieweit im „Gravitationsfeld“ einer erst künftigen Vertragsverletzung die Antizipation derselben zur Abstandnahme von einem Vertrag berechtigt. Dies ist Gegenstand des antizipierten Vertragsbruchs und der vorliegenden Untersuchung.

1

Vgl. nur Kloepfer, in: FS Lendi (1998) S. 253 [266].

2

Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

Die aufgrund ihrer Wurzeln im englischen Recht auch sog. anticipatory breach-Doktrin2 wurde jüngst als „Lehrstück für Möglichkeiten und Grenzen gelungener europäischer Privatrechtsvereinheitlichung“ gelobt.3 Schließlich fand der antizipierte Vertragsbruch zunächst Einzug in Art. 72 des UN-Kaufrechts4 und ist nunmehr fester Bestandteil des europäischen Privatrechts. Mehrere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich bei der Regelung des antizipierten Vertragsbruchs an Art. 72 CISG orientiert,5 nach dessen Abs. 1 der Gläubiger bereits vor dem für die Vertragserfüllung festgesetzten Zeitpunkt die Vertragsaufhebung erklären kann, wenn offensichtlich ist, dass die andere Partei eine wesentliche Vertragsverletzung begehen wird. Ganz im Zeichen dieser Entwicklung hat auch der deutsche Gesetzgeber, als er 2002 das Schuldrecht reformiert hat, den Rücktritt vor Fälligkeit ausdrücklich im Gesetz verankert: Der Gläubiger kann bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit der Leistung zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden, § 323 IV BGB. Da es sowohl für § 323 IV BGB als auch für Art. 72 CISG auf die künftige Leistungsfähigkeit des Schuldners ankommt, drängt sich insbesondere die Frage auf, wie es sich mit einer drohenden Insolvenz des Vertragspartners als Aufhebungsgrund verhält.6 Damit nähert sich die Fragestellung einer Diskussion, über die bei Anwendbarkeit deutschen Insolvenzrechts schon im Ausgangspunkt keine Einigkeit herrscht: „Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen derjenigen Vertragspartei eröffnet, deren Leistung gestört ist und gelangt § 103 InsO zur Anwendung, kollidiert das Wahlrecht des Insolvenzverwalters mit den Gläubigerwahlrechten des BGB-Leistungsstörungsrechtes. Wie derartige Wahlrechtskollisionen aufzulösen sind, ist bislang noch ungeklärt. Rechtsprechung hierzu gibt es nicht, die literarische Aufarbeitung steckt noch in den Anfängen.“7

Dieses Zitat aus der insolvenzrechtlichen Kommentarliteratur belegt, dass viele Fragen des seit der Konkursordnung von 1877 bestehenden und sich nun aus 2 Rechtsvergleichend zum antizipierten Vertragsbruch im englischen und deutschen Recht, Weidt (2008) passim. 3 Vgl. dazu Dastis (2017) S. 285 f. 4 Hinweis zur Terminologie: In der englischen Originalfassung wird das UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf als Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG) bezeichnet. Dabei haben sich zahlreiche gängige Abkürzungen etabliert: UN-Kaufrecht, UNCITRAL-KaufR, Wiener Kaufrecht, etc. Weitere Beispiele bei Piltz, Internationales Kaufrecht (2008) § 1 Rn. 17. Im Folgenden wird überwiegend die in Deutschland gebräuchliche Abkürzung „CISG“ oder „UN-Kaufrecht“ verwendet. 5 Vgl. nur die Nachweise bei von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europ. VertragsR I und II (2002) S. 506 f.; von Bar/Clive DCFR Vol. I (2009) S. 869. 6 Vgl. dazu auch den Beitrag von Mossler, ZIP 2002, 1831. 7 So Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 101. Zu demselben Befund vgl. Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 126; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 165.

I. Einleitung

3

§ 103 InsO ergebenden Wahlrechts eines Insolvenzverwalters im Zusammenhang mit dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht noch immer nicht geklärt sind. Die Problematik um solche „Wahlrechtskollisionen“, bei denen vom BGB eingeräumte Gläubigerrechte mit den Rechtsfolgen aus den §§ 103 ff. InsO konfligieren, wurde durch Einfügung des § 323 IV BGB im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung noch weiter verschärft. Denn dort stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber ein so weitreichendes Rücktrittsrecht schaffen wollte, dass ein Gläubiger bei drohender Insolvenz des Schuldners vom Vertrag Abstand nehmen kann. Ein unbefangener Blick auf § 323 IV BGB legt indessen nahe, dass die offensichtliche Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das schuldnerische Vermögen auch dazu führt, dass jener Schuldner die geschuldete Leistung nicht erbringen wird und mithin der Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen offensichtlich ist. Dabei kann die Gewährung eines Rücktrittsrechts bei drohender Insolvenz auch nicht pauschal mit dem Argument beiseite gewischt werden, ein solches Rücktrittsrecht wäre im früheren Recht nicht anerkannt gewesen.8 Schließlich versagt ein aus dem positiven Recht gewonnenes Argument bereits definitionsgemäß, wenn – wie mit der Schuldrechtsmodernisierung geschehen – ein System geändert wird.9 Diese Systemänderung gibt daher Anlass, das Verhältnis des Insolvenzrechts zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht im Lichte des antizipierten Vertragsbruchs zu überdenken. Treffend hat Gerhardt formuliert, dass eine solche Wechselbeziehung eine besondere Dimension enthält, „die schon deswegen nicht in die klassische Abgrenzung «Prozeßrecht und materielles Recht» einzuordnen ist, weil das Insolvenzrecht als Teil des Privatrechts unmittelbar das materielle Recht betrifft, dieses regelt prägt, formt und z.T. gegenüber den herkömmlichen Regeln und Typisierungen deformiert.“10 Mit den Worten des vorstehenden Zitats wird im Umfeld des § 323 IV BGB und Art. 72 CISG somit die Frage aufgeworfen, inwieweit das allgemeine Leistungsstörungsrecht durch das insolvenzrechtliche Leistungsstörungsrecht der §§ 103 ff. InsO „deformiert“ wird. Bezogen auf jenen augenscheinlichen Normenkonflikt führt Stamm in seinem Beitrag zur „Entmystifizierung des Insolvenzverwalterwahlrechts“ schließlich umgekehrt aus, dass das Insolvenzrecht nur ein dem Zivilrecht dienendes Verfahrensrecht sei, weshalb auch das Prinzip der Verlustgemeinschaft im eröffneten Insolvenzverfahren nichts an dem „prinzipiellen Vorrang und der Unantastbarkeit der zivilrechtlichen Maximen“ ändern kann.11 Die Proklamation der Unantastbarkeit lehrt damit aber einmal mehr, dass es sich dabei bekanntermaßen um ein Paradox handelt, wenn schließlich zugleich um die Geltung jener unantastbarer Maximen gerungen 8

So aber Mossler, ZIP 2002, 1831 [1837]. Vgl. Unberath (2007) S. 24. 10 Gerhardt, AcP 200 (2000) 426 [427]. 11 Stamm, KTS 72 (2011) 421 [423 und 429]. 9

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

werden muss. Denn wären jene zivilrechtlichen Maximen tatsächlich unantastbar, bedürfte deren Geltungsanspruch keines weiteren Schutzes.12 Tatsächlich wird die Geltung zivilrechtlicher Maximen – hier insbesondere der Befugnisse zur Abstandnahme vom Vertrag – aber dann bedroht, wenn vorgreifliche Vorwirkungen oder Überlagerungen des Insolvenzrechts angenommen werden, die sich als Eingriff in das Zivilrecht selbst mit Belangen des Insolvenzverfahrens weder dem Gesetz entnehmen noch überzeugend begründen lassen.13 Solche Eingriffe lassen sich indessen ganz deutlich bei der Frage beobachten, ob eine drohende Insolvenz einen Aufhebungsgrund i. S. d. § 323 IV BGB und Art. 72 CISG schafft.

II. Gang der Untersuchung und methodische Grundlagen zum CISG II. Gang der Untersuchung und Grundlagen zum CISG

1. Gang der Untersuchung a) Untersuchung der Grundlagen der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG im Wege funktionaler Rechtsvergleichung Mit der in dieser Arbeit untersuchten Dogmatik eines Rechts zur Vertragsaufhebung bzw. zum Rücktritt insbesondere wegen einer Leistungsgefährdung im Lichte einer drohenden Insolvenz wird darauf abgezielt, auf Grundlage der jeweiligen Normen ein kohärentes Regelungssystem zu schaffen.14 Eine a priori insolvenzrechtlich geprägte Betrachtung birgt jedoch die Gefahr, den Blick auf die einem Rücktritt oder einer Vertragsaufhebung wegen einer (drohenden) Vertragsverletzung zugrundeliegenden zivilrechtlichen Wertungen zu verstellen.15 Deshalb werden die auf eine Vertragsverletzung reagierenden Rechte des BGB und CISG in Form einer Abstandnahme vom Vertrag im ersten Abschnitt der Untersuchung vorab außerhalb eines insolvenzrechtlichen Kontexts dargestellt.16 Im Übrigen erweist sich dabei speziell im Kontext von § 323 IV BGB 12

Frei nach N. Kermanis Rede „Feierstunde 65 Jahre Grundgesetz“ v. 23.5.2014, abrufbar unter : „Und doch beginnt ausgerechnet das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit einem Paradox. Denn wäre die Würde des Menschen unantastbar, wie es im ersten Satz heißt, müsste der Staat sie nicht achten und schon gar nicht schützen, wie es der zweite Satz verlangt.“ 13 Burkhard (2007) S. 84. 14 Zum Kohärenzpostulat in der Rechtsdogmatik, Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 54. 15 Vgl. hierzu auch Stamm, KTS 72 (2011) 421 [426]. 16 Mit Blick auf die Anwendbarkeit des CISG nach Artt. 1 ff. CISG bildet eine erste Weichenstellung ein objektiv erkennbares (Art. 1 II CISG) grenzüberschreitendes Element dergestalt, dass die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, Artt. 1 I, 10 CISG, vgl. OGH Urt. v. 10.11.1994, 2 Ob 547/93 = CISG-online No. 117. Sodann kann das CISG entweder aufgrund der sich jeweils in Vertragsstaaten befindenden Niederlassungen

II. Gang der Untersuchung und Grundlagen zum CISG

5

und Art. 72 CISG die Rechtsvergleichung auch für die konkrete Gesetzesanwendung als gewinnbringend.17 Schließlich wird zwar gängiger Weise mit einer funktionalen Analyse nationaler Rechtsordnungen der Grundstein für Rechtsvereinheitlichungsmaßnahmen gelegt.18 Allerdings lässt sich der damit beschriebene Prozess für Zwecke der Auslegung des deutschen Schuldrechts nun gewissermaßen auch umkehren, nachdem sich der Reformgesetzgeber bei der Schaffung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes an dem UN-Kaufrecht orientiert hat:19 Führte ursprünglich der Vergleich nationaler Rechtsordnungen zu einem neuen Einheitsrecht, erlaubt besonders die Stellung von letzterem als Leitbild bei der Schuldrechtsreform vermehrt eine Auslegung nationalen Rechts im Lichte des Einheitsrechts. Dies gilt auch und vor allem dort, wo sich der Reformgesetzgeber ausdrücklich auf das UN-Kaufrecht bezieht – und damit in besonderem Maße für § 323 IV BGB.20 Die rechtsvergleichende Auslegung21 dieser Norm findet damit immerhin Rückhalt im Willen des Gesetzgebers. Dies gilt freilich nicht umgekehrt für die Interpretation des CISG,

(Art. 1 lit. a)) oder mittels einer entsprechenden kollisionsrechtlichen Verweisung (Art. 1 lit. b)) Anwendung finden, zum Verhältnis beider Normen, Schroeter, IHR 2014, 173 [174 f.]. Schließlich sind die Voraussetzungen nach Art. 1 I CISG lediglich erfüllt, sofern – vorbehaltlich Art. 2 CISG – ein in den Anwendungsbereich des CISG fallender Kaufvertrag über Waren Gegenstand der Parteivereinbarung ist, vgl. BGH Urt. v. 28.5.2014, VIII ZR 410/12 = NJW-RR 2014, 1202. Ergänzt wird der Anwendungsbereich durch die Regelung des Art. 3 CISG, wonach Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware einem Kauf gleichstehen. Letztlich steht es den Parteien frei (sog. opt-out-Lösung), das CISG als Regelungsregime durch eine entsprechende Ausschlussvereinbarung abzuwählen, Art. 6 CISG, vgl. dazu OLG München Urt. v. 19.10.2006, 23 U 2421/05 = CISG-online No. 1394; monographisch Köhler (2007) S. 51 ff. 17 Vgl. ferner zu Vor- und Nachteilen der Anwendung des CISG, Koch, IHR 2015, 52 [52 ff.]; Mankowski, in: FS Magnus (2014) S. 255 [264 ff.]; Piltz, NJW 2012, 3061 [3064]; Regula/Kannowski, IHR 2004, 45 [46 ff.]; Stürner, BB 2006, 2029 [2032 f.]; v. Rechenberg/Ludwig/Magnus, Kölner Handbuch Handels- u. Gesellschaftsrecht (2017) Kap. 4 Rn. 84 ff. Monographisch R. Fischer (2008) passim; Giesecke (2014) passim. 18 Krit. Michaels, in: Comparative Law (2006) S. 339 [376 ff.], da allein die funktionale Vergleichung weder ein Rechtssystem bewerten noch als undogmatische Methode ein vereinheitlichtes Regelungssystem formulieren kann. 19 Vgl. nur BT-Drucks. 14/6040, 86, 89, 177 und 181. 20 BT-Drucks. 14/6040, 186. Vgl. exemplarisch aus der Rspr. BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/1 = NJW 2012, 3714 [3715]. 21 Grundlegend – freilich vordergründig mit Blick auf das Verfassungsrecht – dazu, Häberle, JZ 1989, 913 [916 f.]; zur Übertragbarkeit der rechtsvergleichenden Auslegung etwa auf das Schuldrecht, Kischel, Rechtsvergleichung (2015) § 2 Rn. 62.

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

bloß weil Teile davon in das nationale Recht – sei es auch inhaltsgleich – übernommen wurden.22 Ein Rückgriff auf das Heimatrecht ist dort allenfalls eingeschränkt zulässig, sofern dies bei der Entstehung des CISG Vorbildfunktion erfüllt hatte.23 In dem ersten Kapitel widmet sich die Arbeit nach einer Darstellung der Bestimmung der Fälligkeit in BGB und CISG zunächst der Verwirklichung des Äquivalenzprinzips und dem Schutz des funktionellen Synallagmas auf Ebene der Sekundärrechte. Dieses Verständnis ist vor dem Hintergrund des dagegen vom Verlustprinzip beherrschten Insolvenzverfahrens unabdingbar, da die Diskussion um den Bestand etwaiger Sekundärrechte dort von dem Konflikt zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip beherrscht wird. Dem schließt sich sodann im Wege funktionaler Rechtsvergleichung die Betrachtung des Rücktritts und der Vertragsaufhebung in BGB und CISG an.24 Schließlich bildet sowohl der Rücktritt als auch die Vertragsaufhebung nach Fälligkeit mit den dort normierten Voraussetzungen die Systemreferenz einer Abstandnahme vom Vertrag noch vor Fälligkeit, wenn es sowohl nach § 323 IV BGB als auch nach Art. 72 CISG auf eine Prognose des späteren Eintritts jener Voraussetzungen ankommt. Abschließend werden dabei neben der Rechtsfolge des Rücktritts und der Vertragsaufhebung der Schadensersatzanspruch in BGB und CISG als weiterer neben die Abstandnahme vom Vertrag tretender Rechtsbehelf näher beleuchtet. Immerhin ist die Kombination mit kompensatorischen Rechtsbehelfen stets leitendes Motiv einer Abstandnahme vom Vertrag, sodass letztere – insbesondere im Vorfeld einer Insolvenz – nicht gänzlich isoliert betrachtet werden kann. b) Vertragsumsteuerung im eröffneten Insolvenzverfahren Im Anschluss an die Grundlagen der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG widmet sich die Arbeit dem Rücktritt und der Vertragsaufhebung in einem eröffneten Insolvenzverfahren. Die ausführliche Darstellung des damit angesprochenen Fragenkomplexes erfolgt vor dem Hintergrund, dass eine Vertragsbeendigung wegen antizipierten Vertragsbruchs auch bei drohender Insolvenz nur möglich ist, wenn entsprechende Sekundärrechte auch in einem bereits eröffneten Verfahren ausgeübt werden können. Immerhin lässt nur dann eine im Vorfeld der Verfahrenseröffnung bemühte entsprechende Prognose auch den Schluss zu, dass die Berechtigung zur Abstandnahme von einem Vertrag bei 22

Vgl. statt vieler Ferrari, IHR 2013, 137 [140]. Hager (2009) S. 82; krit. dazu in Abweichung zur 4. Aufl. nun Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 94. 24 Grundlegend zur funktionalen Rechtsvergleichung, Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996) § 3 II; vgl. ferner Kischel, Rechtsvergleichung (2015) § 3 Rn. 3 ff. Für eine Analyse funktionaler Rechtsvergleichung im Lichte anderer – insbesondere den Sozialwissenschaften – Disziplinen, vgl. Michaels, in: Comparative Law (2006) S. 339 [343 ff. und 360 ff.]. 23

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drohender Verfahrenseröffnung bereits offensichtlich ist. Angesichts der oben bereits angedeuteten „Wahlrechtskollision“ ist die Möglichkeit der Ausübung von Leistungsstörungsrechte im eröffneten Verfahren stark umstritten. Ausgehend von der seit BGHZ 150, 353 ganz herrschend vertretenen sog. „Suspensivtheorie“ wird insbesondere der Gewährung von Rücktrittsrechten schließlich überwiegend der mit Verfahrenseröffnung eintretende Durchsetzbarkeitsverlust entgegengehalten. Diese Bedenken gegenüber dem Bestehen von Sekundärrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren werden in einer kritischen Würdigung der in Rspr. und Schrifttum herrschend vertretenen Auffassung ausgeräumt. Um die Problematik einer Abstandnahme vom Vertrag gestützt auf gesetzliche Leistungsstörungsrechte in einem eröffneten Verfahren zu vergegenwärtigen, löst sich die Darstellung dabei von dem an einer funktionalen Rechtsvergleichung orientierten Aufbau. So werden ausgehend von dem bereits angedeuteten Konflikt zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip die zentrale Bedeutung des § 103 InsO und die daran geknüpften Rechtsfolgen der Verfahrenseröffnung zunächst in einem rein nationalen Kontext herausgearbeitet. Erst im Anschluss nimmt die Untersuchung sodann die aus der Reichweite der lex fori concursus folgenden Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf die sich aus dem CISG ergebenden Rechte in den Blick. c) Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs unter besonderer Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz Im Anschluss erfolgt basierend auf einem verzahnten und feingliedrigen Einzelvergleich – auch sog. Mikrovergleich25 – die umfassende Betrachtung des § 323 IV BGB und Art. 72 CISG. Neben einem vorherigen Überblick zu vergleichbaren Normen internationaler Modellregelungen im Zuge der Darstellung der Entwicklung der vorgenannten Normen wird dabei abschließend ebenso auf Besonderheiten des Schadensersatzes noch vor Fälligkeit eingegangen. Im Zentrum stehen indessen aufbauend auf der Berücksichtigung der ratio legis und dogmatischen Konstruktion von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG die Betrachtung der Prognoseanforderungen und des jeweiligen Prognosebezugspunkts. Im Rahmen der Untersuchung in Frage kommender Prognosebezugspunkte werden dabei die Vorarbeiten der beiden vorangegangen Kapitel fruchtbar gemacht: So greift die Betrachtung der Tatbestandszweige einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung einerseits und einer sonstigen Leistungsgefährdung vor Fälligkeit andererseits die Grundlagen des Rücktritts und der Vertragsaufhebung auf, um diese als Systemreferenz auf die Besonderheiten eines antizipierten Vertragsbruchs übertragen zu können. Eine besondere rechtliche 25 Grundlegend zur Mikro- und Makro-Vergleichung im deutschsprachigen Raum, Constantinesco, Rechtsvergleichung Bd. 3 (1983) S. 79 ff. m. w. N. Vgl. ferner Kischel, Rechtsvergleichung (2015) § 1 Rn. 17.

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

Würdigung erfährt die Abstandnahme von dem Vertrag wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz unter Berücksichtigung der im dritten Kapitel gefundenen Ergebnisse. 2. Auslegungsgrundsätze und Besonderheiten der Auslegung bei Anwendung des CISG Vereinheitlichtes Recht lebt allein von seiner einheitlichen Anwendung in der Praxis. Ohne eine einheitliche Anwendung verbliebe von den Vereinheitlichungsanstrengungen dagegen nicht mehr übrig als eine Texteinheit mit bloßer Signalwirkung.26 Auf die Notwendigkeit einheitlicher Auslegung in der Rechtsanwendung weist Art. 7 I CISG deshalb explizit hin. Danach sind bei der Auslegung des Übereinkommens sein internationaler Charakter und insbesondere die Notwendigkeit zu berücksichtigen, seine einheitliche Anwendung zu fördern.27 Dies ist zum einen zwingend, um dem sog. „Heimwärtsstreben“ entgegen zu wirken, wonach Rechtsanwender häufig dazu neigen, das vereinheitlichte Recht durch die Brille inländischer Rechtsvorstellungen zu betrachten.28 Art. 7 I CISG verankert deshalb das Gebot einer von nationalen Einflüssen freien und damit autonomen Auslegung basierend auf einer ebenso autonomen Auslegungsmethode.29 Zur Förderung jener einheitlichen Anwendung und nicht zuletzt aufgrund des Fehlens eines internationalen Obergerichts mit verbindlicher Auslegungszuständigkeit müssen ausländische Entscheidungen und Literatur zum CISG Berücksichtigung finden.30 Neben online-Datenbanken31 bildet hierzu der umfangreiche UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods in der Edition von 2016 eine geeignete Hilfestellung.32 Art. 7 I CISG enthält indessen allein Auslegungsgrundsätze, ohne sich zu einzelnen Auslegungsmethoden zu äußern.33 Es wird damit nur „das Interpretationsziel einheitsrechtlich vorgegeben, nicht aber der Weg dorthin.“34 Auch 26

Gruber (2004) S. 62. Der Hinweis auf die Wahrung des guten Glaubens betrifft dagegen nicht die Auslegung, sondern einen Rechtssatz mit materiellem Inhalt, Magnus, RabelsZ 53 (1989) 116 [122 f.]. 28 Vgl. nur Giesecke (2014) S. 7 ff. Anschaulich dazu BGH Urt. v. 2.3.2005, VIII ZR 67/04 = IHR 2005, 158 [159]. 29 Eingängig, Gruber (2004) S. 62 ff. et passim; Hager (2009) S. 82 ff. 30 Linhart (2005) S. 179 ff.; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 91 ff.; vgl. ferner v. Rechenberg/Ludwig/Magnus, Kölner Handbuch Handels- u. Gesellschaftsrecht (2017) Kap. 4 Rn. 86. 31 Vgl. etwa oder . Vgl. ferner die Opinions des „CISG Advisory Council“, einer privaten Initiative namhafter sich mit dem CISG befassender Wissenschaftler: . 32 Abrufbar unter . 33 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari CISG (2013) Art. 7 Rn. 28. 34 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 103. 27

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wenn sich die nationalen Interpretationsmethoden angenähert haben, können sich doch immerhin bei der Beachtung der teleologischen Argumentation, der Heranziehung der Entstehungsgeschichte oder der Gewichtung des Wortlauts Unterschiede ergeben.35 Aufgrund des Bedürfnisses autonomer Auslegung ist daher selbst bei dem Rückgriff auf nationale Interpretationstechniken Vorsicht geboten,36 weshalb im Folgenden in gebotener Kürze Besonderheiten bei der Auslegung des CISG näher betrachtet werden. a) Grammatische Auslegung Trotz der vorgenannten Unterschiede bei der Rechtsfindung, lässt sich mit Blick auf die grammatische Auslegung des CISG festhalten, dass Einigkeit über die vorrangige Bedeutung der Wortlautauslegung herrscht. Schließlich lasse sich die autonome Auslegung offenkundig am besten unter Zugrundelegung des Wortlauts der Vorschriften des Übereinkommens selbst verwirklichen.37 Bei dem Rekurs auf den Wortlaut muss freilich berücksichtigt werden, dass nur die amtlichen Sprachfassungen des CISG herangezogen werden können, d. h. die arabischen, chinesischen, englischen, französischen, russischen und spanischen Fassungen.38 Unabhängig davon, dass ein steter Vergleich sämtlicher Fassungen kaum möglich ist, können sich jedoch auch aus den amtlichen Sprachfassungen Unterschiede ergeben.39 Da sowohl bei den Vorarbeiten als auch bei der Konferenz in Wien ganz überwiegend englisch gesprochen wurde, kann die englische Fassung nach wohl h. M. immerhin eine faktische Vorrangwirkung für sich beanspruchen.40 Bei der deutschen Fassung handelt es sich dagegen allein um eine unverbindliche Übersetzung.41 Deshalb wird im Folgenden stets zumindest auf die englische Fassung Bezug genommen, sofern der Wortlaut den Gegenstand der Betrachtung bildet.

35 Magnus, RabelsZ 53 (1989) 116 [122]. Deutlich Fleischer, AcP 211 (2011) 317 [318]: „Juristische Methodenlehre ist und bleibt im Ausgangspunkt eine nationale Disziplin.“ [Herv. im Original]. 36 Ferrari, IHR 2013, 137 [141]. 37 OGH Urt. v. 23.5.2005, 3 Ob 193/04k = IHR 2005, 165 [167]; U.S. Court of Appeals Urt. v. 21.7.2010, 08-4488 (Forestal Guarani S.A. v. Daros Int'l, Inc.) = CISG-online No. 2112; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 104; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas CISG (2018) Art. 7 Rn. 37 f.; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 7 Rn. 31; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 7 Rn. 14 ff.; MüKoHGB/Ferrari CISG (2018) Art. 7 Rn. 28 ff. alle m. w. N. 38 Abrufbar etwa unter: . 39 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari CISG (2013) Art. 7 Rn. 14. 40 Hager (2009) S. 84 m. w. N.; krit. Bell, in: FS Schwenzer (2011) S. 143 [150 ff.]. 41 Übersicht zu Ungenauigkeiten der deutschen Übersetzung bei, Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 7 Rn. 19.

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Des Weiteren ist an der Behauptung, unter Zugrundelegung des vermeintlich eindeutigen Wortlauts werde die autonome Auslegung am besten gewährleistet, ohnehin problematisch, dass bereits die Feststellung, ob etwas ein- oder mehrdeutig ist, der Auslegung bedarf. Damit beruht das Postulat der alleinigen Zulässigkeit einer weitergehenden Auslegung in Abhängigkeit von der Mehrdeutigkeit des Wortlauts auf einer petitio principii.42 Diese Zirkularität allen Verstehens wird von Gröschner übertragen auf juristische Hermeneutik treffend dahingehend beschrieben, dass Sprache für den Juristen nicht allein das Mittel ist, „um außersprachlich existierende Sachen verständlich zu machen, sondern sie ist für ihn das Medium, in dem er diese Sachen immer schon verstanden haben muß, bevor er sich über sie verständigen kann.“43 Dies muss bei den häufig getroffenen Aussagen berücksichtigt werden, wonach „[a]utonome Auslegung bedeutet, dass die Begriffe des CISG aus sich selbst heraus zu interpretieren sind,“44 weshalb für eine möglichst einheitliche Interpretationsmethode die Wortlautauslegung als „selbstverständlicher Grundsatz an die Spitze“ zu stellen sei.45 Es handelt sich um eine der wesentlichen Erkenntnisse moderner Sprachphilosophie, dass Worte gerade nicht „aus sich heraus“ ermittelt werden können.46 Das Wort muss und kann nur in dem jeweiligen systematischen Kontext gelesen werden, weil dessen Bedeutung in seinem kontextgebundenen Gebrauch in der Sprache liegt. Abstrakte Bedeutungen kann es demgegenüber nicht geben.47 Aufgrund dieser generellen Bedenken gegen eine Überbetonung der grammatischen Auslegung wird deshalb auch im Folgenden dem Wortlaut des CISG keine die sonstigen Methoden verdrängende Vorrangwirkung beigemessen. b) Systematische Auslegung Bereits aus dem oben beschriebenen Erfordernis der Berücksichtigung der Kontextabhängigkeit bei der grammatischen Auslegung folgt die Bedeutung der systematischen Auslegung im Interpretationskanon. Der Grundgedanke systematischer Auslegung, wonach „der Blick des Interpreten stets zwischen der kleineren Einheit und der größeren Einheit hin und herwandern [muss], um in einem allmählichen Prozess des Verstehens den Sinn des Ganzen zu ermitteln,“ lässt sich mithin auch auf das internationale Einheitsrecht übertragen.48 42

Möllers, Juristische Methodenlehre (2017) S. 194; Kuntz, AcP 215 (2015) 387 [397 f.]. Gröschner (2013) S. 93. 44 Vgl. statt vieler, Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 7 Rn. 12 [Herv. d. Verf.]. Umfangreiche Nachweise bei Ferrari, IHR 2013, 137 [139 f.]. 45 Magnus, RabelsZ 53 (1989) 116 [123]. 46 Vgl. für diese auf Wittgenstein zurückgehende Erkenntnis nur, Möllers, Juristische Methodenlehre (2017) S. 114; Kuntz, AcP 215 (2015) 387 [394 ff.]. 47 Kuntz, AcP 215 (2015) 387 [395]. 48 So zum „hermeneutischen Zirkel“, Gruber (2004) S. 149 f. 43

II. Gang der Untersuchung und Grundlagen zum CISG

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Die Berücksichtigung der systematischen Stellung als Auslegungshilfe findet dabei auch im CISG selbst, namentlich in Art. 7 II CISG, eine Stütze im Gesetz. Schließlich steht der Verweis auf „allgemeine Grundsätze“ zum Zwecke der Lückenfüllung der Heranziehung der systematischen Einordnung zum Zwecke der Auslegung sehr nahe. „Denn wenn die allgemeinen, zugrundeliegenden Grundsätze zu beachten sind, so kann erst recht (a maiore ad minus) die erkennbare Einordnung in das System der Konvention herangezogen werden.“49 Dabei muss lediglich berücksichtigt werden, dass es sich bei dem CISG nicht um eine in sich geschlossene Gesamtrechtskodifikation handelt. Die systematische Auslegung hat sich daher innerhalb ein und desselben Regelungssystems, d. h. innerhalb des CISG, zu bewegen. Eine „übergreifende“ systematische Auslegung des CISG lässt sich nicht mit dem Gebot autonomer Auslegung vereinbaren, nachdem im Verhältnis zum UN-Kaufrecht stets allein ein Regelungssystem eines anderen Regelungsgebers in Betracht käme.50 c) Historische Auslegung und Entstehung des UN-Kaufrechts Durch die in Art. 7 I CISG genannten Auslegungsgrundsätze wird im UNKaufrecht ferner die Interpretation im Lichte der legislativen Konzeption und die Heranziehung der Gesetzgebungsgeschichte betont.51 Dies entspricht auch der jüngeren Entwicklung im common law-Rechtskreis, wonach unter Auflockerung der früheren sog. exclusionary rule ein Rückgriff auf Gesetzesmaterialien zulässig ist, um die Bedeutung des Gesetzes zu ermitteln.52 Aufgrund der Wichtigkeit autonomer Auslegung erlangt die historische Auslegung mithin besondere Bedeutung und ist als Auslegungsmethode des CISG anerkannt.53 Schließlich spiegelt sich dort der Wille der Verfasser wieder, der das Ergebnis eines langen Vereinheitlichungsprozesses unter Berücksichtigung verschiedener Rechtsordnungen ist und damit nicht an der Rechtsauffassung nationalen Rechts verhaftet bleibt. Zur Veranschaulichung der hierfür relevanten Quellen soll im Folgenden daher der Entstehungsprozess des UN-Kaufrechts nachgezeichnet werden:

49

Magnus, RabelsZ 53 (1989) 116 [124]. Dagegen für eine übergreifende systematische Auslegung selbst des UN-Kaufrechts, Gruber (2004) S. 150 ff. 51 Faust (1996) S. 45. 52 Vgl. zur Methode in England, Hager (2009) S. 64 ff.; Fleischer, AcP 211 (2011) 317 [334 ff.]. Dass ein Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien keine Selbstverständlichkeit ist, belegt die streng am Wortlaut verhaftete „new textualism“ Strömung in den USA, Fleischer, AcP 2011, 317 [342 ff.]; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 7 Rn. 10; krit. zur historischen Auslegung des CISG, Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas CISG (2018) Art. 7 Rn. 39. 53 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 105 f. MüKoHGB/ Ferrari CISG (2018) Art. 7 Rn. 34 m. w. N. 50

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„The half century of work that culminated in the 1980 Convention was sustained by the need to free international commerce from a Babel of diverse domestic legal systems.“54

Dieses Zitat aus Honnolds Sammlung der Materialien zum CISG deutet über die Bedeutung des UN-Kaufrechts für den internationalen Handel hinaus treffend an, dass sich dessen Entwicklung nur unter Berücksichtigung der wissenschaftlichen Vorarbeiten Rabels nachzeichnen lässt, deren Geschichte in das Jahr 1929 zurückreicht.55 Rabels umfassende rechtsvergleichende Untersuchungen zu den Regeln des Warenkaufs bildeten schließlich zugleich die Grundlage seines Vorschlags an das gerade vom Völkerbund gegründete Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (UNIDROIT), sich um eine Vereinheitlichung des Kaufrechts auf internationaler Ebene zu bemühen.56 Eine vorläufige Zwischenstation auf dem Weg zu einem vereinheitlichten Kaufrecht bildete sodann der von jenen Vorarbeiten wesentlich beeinflusste Vorläufer des CISG: die Haager Übereinkommen zum Einheitlichen Kaufrecht von 1964. Diese wurden mit den am 17.7.1973 erlassenen EKG57 und EAG58 in der Bundesrepublik Deutschland umgesetzt.59 Allerdings verflog schon bald die anfängliche Euphorie, welche der „großen und wie man sagen darf genialen Vereinheitlichungsanstrengung“60 voranging. Das Haager Kaufrecht wurde lediglich von neun Staaten in Kraft gesetzt und befand sich bereits zum Zeitpunkt der Ratifikation in Deutschland auf „einem toten Gleis.“61 Zahlreiche Oststaaten – die an den Verhandlungen nicht teilnahmen –, Entwicklungsländer – denen das Einheitsrecht als Recht der hochindustrialisierten westlichen Länder galt – und nicht zuletzt bedeutende Nationen wie die USA, Frankreich oder skandinavische Staaten – die allesamt Vorbehalte hinsichtlich einzelner Regelungen hatten – entschieden sich gegen eine Ratifizierung. Letztlich wollten selbst einer Rechtsvereinheitlichung aufgeschlossen gegenüberstehende Nationen mit einer Ratifikation nicht der bereits 1969 angekündigten Revision des Einheitlichen Kaufrechts durch die inzwischen eingesetzte sog. United Nations Comission on International Trade Law (UNCITRAL) vorgreifen.62 54

Honnold, Documentary (1989) S. 1. Vgl. dazu die Mitteilung in RabelsZ 3 (1929) 402 [405]; vgl. ferner Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I und II. 56 Schlechtriem, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 27 [27]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Vorbemerkung Rn. 6 f. 57 Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen. 58 Gesetz zur Umsetzung des Einheitlichen Gesetzes über den Abschluss von internationalen Kaufverträgen über bewegliche Sachen. 59 BGBl. 1973 I S. 856 und 868. Vgl. dazu K. Schmidt, Handelsrecht (2014) § 30 Rn. 19. 60 So noch Leser, in: Das Haager Einheitliche Kaufgesetz und das Deutsche Schuldrecht (1973) S. 1 [1] zum EKG. 61 Schlechtriem, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 27 [30]. 62 U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413 [414 f.]. 55

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Nach dem misslungenen Vereinheitlichungsversuch konnte erst ein weiterer Anlauf den Erfolg für ein vereinheitlichtes Kaufrecht sichern:63 die Ausarbeitung eines einheitlichen Kaufrechts unter Einbeziehung zahlreicher Mitgliedsstaaten durch den von den Vereinten Nationen eingesetzten Staatenausschuss UNCITRAL. Das Entstehen der Konvention auf Grundlage des Haager Kaufrechts – die damit weniger ein Neubeginn als eine Überarbeitung der bisherigen Vereinheitlichungsbemühungen ist – gliedert sich im Wesentlichen in drei Phasen: die vorbereitenden Arbeitsgruppen (1970 bis 1977) an deren Ende der „Wiener Entwurf“ stand, die Aufarbeitung durch die gesamte Kommission (1977 bis 1978) mit dem Ergebnis des „New Yorker Entwurfs“ und die diplomatische Konferenz in Wien unter Beteiligung von 62 Staaten (10. März bis 11. April 1980) zur Ausarbeitung der endgültigen Fassung. Dabei hatte UNCITRAL aus den Fehlern des Haager Kaufrechts gelernt und bereits bei der Zusammensetzung der Arbeitsgruppen auf eine repräsentative Vertretung der verschiedenen weltweiten Regionen geachtet.64 Infolgedessen erfreute sich das CISG nach anfänglichem Zögern deutlich größeren Zuspruchs. So wurde das CISG, das als multilateraler völkerrechtlicher Staatsvertrag der Ratifikation bedarf (vgl. Art. 91 CISG), schließlich auch in der Bundesrepublik Deutschland durch Umsetzungsgesetz vom 5.7.1989 am 1.1.1991 in Kraft gesetzt.65 Seitdem entscheiden sich kontinuierlich sowohl wichtige Handelsstaaten als auch Entwicklungsländer für einen Beitritt zum Wiener Kaufrechtsübereinkommen und tragen so zur wachsenden Bedeutung des CISG für den internationalen Warenhandel bei. Aktuell umfasst die Zahl der Vertragsstaaten 89 Nationen.66 Nach alldem lassen sich somit für Zwecke der historischen Auslegung zum einen Debatten der Delegierten im Rahmen der diplomatischen Konferenz in Wien und die Aufzeichnungen der Vorarbeiten heranziehen.67 Dabei ist freilich stets darauf zu achten, dass die Aussagen einzelner Delegierter nicht unbedingt den Mehrheitswillen der Beteiligten wiedergeben.68 Zum anderen ist der sog. Sekretariatskommentar eine bedeutende Quelle für die Auslegung des CISG: 1978 hat die Kommission zum Abschluss der Entwurfsfassung eine eigenständige Kommentierung des Übereinkommensvorschlags beauftragt. Diese Kom-

63

Vgl. von Caemmerer, in: FS Coing (1982) S. 33 [34]. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Einl. I. 65 Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf sowie zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl. 1989 II S. 586. Damit wurden zugleich das EKG sowie das EAG aufgehoben. 66 United Nations Treaty Collection Depositary (Stand: Juli 2018) . 67 Vgl. dazu die Materialiensammlung bei Honnold, Documentary (1989). 68 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 106. 64

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

mentierung findet sich – ebenso wie die Aufzeichnungen der Konferenzberatungen – in den Official Records der Vereinten Nationen wieder.69 Soweit davon ausgegangen werden kann, dass die diplomatische Konferenz in Wien in Folge der Billigung des Entwurfs keine eigenen Vorstellungen entwickelt und aufgrund dieser Prägung den Sinn der Entwurfsverfasser übernommen hat (so die sog. Paktentheorie70), kann auch der Sekretariatskommentar zur historischen Auslegung herangezogen werden.71 Letztlich können die Haager Einheitlichen Kaufgesetze für die historische Auslegung Bedeutung erlangen, nachdem diese das CISG als dessen Vorläufer maßgeblich beeinflusst haben. d) Teleologische Auslegung Liefern weder Wortlaut noch systematische oder historische Auslegung ein aufschlussreiches Interpretationsergebnis, stellt sich aus deutscher Sicht die Normexegese im Wege teleologischer und damit zweckorientierter Auslegung als selbstverständlich dar, um einen in der Sache angemessenen Regelungsgehalt zu ermitteln.72 Zum deutschen Recht hat dabei selbst das BVerfG zur Bestimmung des maßgeblichen Normzwecks der sog. objektiven Auslegungstheorie folgend früh klargestellt, der „Wille des Gesetzgebers ist der im Gesetz objektivierte Wille.“73 Abweichend von der subjektiv-teleologischen Auslegungstheorie wird der maßgebliche Normzweck – sofern dieser nicht bereits auf der Hand liegt – daher nicht vorrangig durch historische Auslegung ermittelt.74 Die Interpretation ist nicht darauf beschränkt, Zwecke des Gesetzgebers nachzuvollziehen. Vielmehr nimmt die historische Auslegung dabei nur eine Nebenrolle ein. Gesetzesmaterialien sind danach nur soweit heranzuziehen, „soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen,“ sodass „Vorarbeiten eines Gesetzes für dessen Auslegung immer nur mit einer gewissen Zurückhaltung, in der Regel bloß unterstützend, zu verwerten” sind.75 In Abkehr von der Begriffsjurisprudenz basiert die maßgebliche „Vernünftigkeit“ 69 United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), abr. unter: . Eine übersichtliche Hilfestellung zu Materialien der einzelnen Vorschriften bietet auch die CISG Database der Pace Law School, abrufbar unter: . 70 Vgl. allgemein zur Paktentheorie, um den Indizcharakter von Entwurfsbegründungen zu berücksichtigen, Fleischer, AcP 211 (2011) 317 [330]. 71 Krit. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas CISG (2018) Art. 7 Rn. 40. 72 Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre (1979) S. 322 ff. 73 BVerfG Beschl. v. 17. 5. 1960, 2 BvL 11/59 u. 11/60 = NJW 1960, 1563 [1564] [Herv. d. Verf.]. 74 Zum Ganzen Möllers, Juristische Methodenlehre (2017) S. 208 ff. 75 BVerfG Beschl. v. 17. 5. 1960, 2 BvL 11/59 u. 11/60 = NJW 1960, 1563 [1564] [Herv. d. Verf.]. Ähnlich BVerfG Beschl. v. 14. 2. 1973, 1 BvR 112/65 = NJW 1973, 1221 [1225]: „Die Auslegung einer Gesetzesnorm kann nicht immer auf die Dauer bei dem ihr zu ihrer

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des Gesetzes danach weniger auf dem formal-logischen Zusammenhang der Begriffe als auf einer „immanenten“ Teleologie.76 Allerdings reichen im Zusammenhang mit der Bedeutung der teleologischen Auslegung bei Vorschriften des CISG die vertretenen Auffassungen von einer „wesentlichen“ oder „erheblichen“ Rolle77 bis zur gänzlich fehlenden Berücksichtigung.78 Das Auseinanderfallen der insofern vertretenen Ansichten scheint freilich besonders in der oben angedeuteten Reichweite der im deutschsprachigen Raum überwiegend befürworteten objektiven Theorie begründet zu liegen. Schließlich droht bei einer darauf basierenden Auslegungsmethode in besonderem Maße, dass der Rechtsanwender bereits bei der Bestimmung des Normzwecks ein subjektives – im internationalen Kontext also vornehmlich ein nationales – Vorverständnis zugrunde legt.79 Die einheitliche Anwendung des Einheitsrechts wird dadurch gefährdet.80 Kritiker einer objektiven Auslegung weisen dementsprechend auch darauf hin, dass es sich dabei tatsächlich um Rechtssetzung handele, die nur schwer mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung in Einklang zu bringen sei.81 Das lässt sich auch kaum mit dem Verweis leugnen, dass „nun einmal die Gerichte für die Auslegung der Gesetze zuständig sind,“82 nachdem es gerade um die Bestimmung der Auslegungsgrenzen geht. Die Loslösung vom historischen Gesetzeszweck führe dazu, dass objektive

Entstehungszeit beigelegten Sinn stehenbleiben. Es ist zu berücksichtigen, welche vernünftige Funktion sie im Zeitpunkt der Anwendung haben kann.“ [Herv. d. Verf.]. Enger nun BVerfG Beschl. v. 14. 6. 2007, 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05 = NJW 2007, 2977 [2982]: „Eine solche Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, ihren Widerhall nicht im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, greift aber unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein.“ [Herv. d. Verf.]. Vgl. ferner BVerfG Beschl. v. 15. 1. 2009, 2 BvR 2044/07 = NJW 2009, 1469 [1470 ff. und Sondervotum 1476 ff.]. 76 Larenz, Methodenlehre (1979) S. 36 und 322 ff. 77 Gruber (2004) S. 183; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 108; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 7 Rn. 23. 78 Bezeichnenderweise blendet Ferrari, offenkundig durch das common law geprägt, in seinen Kommentierungen die teleologische Auslegung aus, vgl. MüKoHGB/Ferrari CISG (2018) Art. 7 Rn. 26 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari CISG (2013) Art. 7 Rn. 28 ff. Vgl. ferner Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas CISG (2018) Art. 7 Rn. 49 f. 79 Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 7 Rn. 37; BeckOGK/Bodenheimer CISG Art. 7 Rn. 16. 80 Gruber (2004) S. 188. 81 Vgl. dazu nur die scharfe Kritik bei Rüthers, JZ 2006, 53 [54 ff.]; vgl. ferner Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 78 IV und § 79. Zur (fehlenden) Grenze zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung aus sprachphilosophischer Perspektive, vgl. Kuntz, AcP 215 (2015) 387 [392 ff.] et passim. 82 So aber Möllers, Juristische Methodenlehre (2017) S. 212.

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

Auslegung in Wahrheit stets subjektiv durch den Rechtsanwender geprägt sei.83 In England und den USA wird deshalb überwiegend nur sehr viel vorsichtiger auf Grundlage (selbst subjektiv-)teleologischer Erwägungen der Wortlaut einer Vorschrift ausgedehnt und die grammatische Auslegung höher gewichtet.84 Andererseits kann eine Interpretation aufgrund des i. R. d. grammatischen Auslegung zu vermeintlicher Sprachevidenz Gesagten nicht mit der Begründung bei dem Wortlaut stehen bleiben, eine alltagssprachliche Bedeutung würde eine Grenze der Auslegung („Wortlautgrenze“) markieren.85 Selbst das zur Veranschaulichung der postulierten Sprachevidenz angeführte Beispiel, wonach eine Katze nicht unter den Begriff „Hund“ subsumiert werden könne,86 verliert schließlich angesichts des – um im Bild zu bleiben – aus dem römischen Recht bekannten Vogelstraußbeispiels, wonach ein Zweifüßer eben auch durchaus ein „Vierfüßer“ sein kann,87 an Überzeugungskraft und zeigt, dass es häufig nicht möglich ist, in der Alltagssprache abschließend die Verwendungsbedingungen der Fachsprache zu definieren.88 Speziell mit Blick auf das CISG lässt zudem allein eine objektiv-teleologische Auslegung Raum für eine progressive Interpretation, um so ggf. überholte rechtliche oder politische Umstände der Entstehungszeit des CISG zu überwinden. Schließlich räumen selbst die einer objektiven Theorie zurückhaltend gegenüberstehenden Teile des deutschen Schrifttums ein, dass es sich bei subjektiver und objektiver Auslegung nicht um Alternativen handelt, weil letztere immerhin zum Zuge kommen kann und muss, sofern sich die subjektive Auslegung als unergiebig erweist. Dieses mit Rücksicht auf das Flexibilitätsargument angenommene Subsidiaritätsverhältnis gelte umso mehr,89 „wenn das zu interpretierende Recht weniger den Charakter einer für die Ewigkeit geschriebenen Kodifikation aufweist.“90

83

Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 79 II. Vgl. dazu aus sprachphilosophischer Sicht auch Gröschner (2013) S. 91. 84 Gruber (2004) S. 184 ff.; Fleischer, AcP 211 (2011) 317 [334 ff. und 339 ff.]. 85 Eingängig dazu, Kuntz in AcP 215 (2015) 387 [392 ff.]. 86 Dieses Beispiel nennt Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie (1977) S. 201, der freilich selbst anmerkt, dass damit eine Analogie nicht ausgeschlossen wird. 87 Vgl. Raisch, Juristische Methoden (1995) S. 16. Da eine § 833 BGB vergleichbare Gefährdungshaftung nur für „Vierfüßer“ normiert war, verlangte die Schädigung durch einen Vogelstrauß eine entsprechende Strapazierung des Wortlauts. 88 Vgl. Kuntz, AcP 215 (2015) 387 [435 ff.] der bzgl. der Grenze unzulässiger Rechtsfortbildung treffend betont, im „Mittelpunkt des Auslegungsvorgangs steht also nicht das „Einpassen“ juristischer Interpretation in einen vorgegebenen Rahmen, sondern die Frage, welche Ergebnisse sich der Norm zurechnen lassen.“ [Herv. d. Verf.]. 89 Kritiker der subjektiven Theorie behaupten daher wiederum, dass so viele Ausnahmen zu machen seien, dass von der Regel kaum noch etwas übrig bleibt, vgl. zur Kritik an der subjektiven Theorie nur Möllers, Juristische Methodenlehre (2017) S. 211; Fleischer, AcP 211 (2011) 317 [323 f.]. 90 Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 79 I und III.

III. Klärung der Begriffe und des Interessenkonflikts

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In der deutschen Methodenlehre wird heute dementsprechend weder eine „strenge“ objektive noch eine „reine“ subjektive Theorie vertreten.91 Übertragen auf das UN-Kaufrecht bedeutet das, dass sich angesichts der Schwächen einer grammatischen Auslegung und einer faktisch ausgeschlossenen Veränderung des Konventionstexts nur mittels objektiv-teleologischer Auslegung eine Etablierung des CISG in der Rechtspraxis sichern lässt.92 Dieses übergeordnete Ziel dauerhafter Etablierung wird schließlich auch vom Willen der Verfasser des CISG getragen. Insbesondere die Überbetonung einer grammatischen und allein subjektiv-teleologischen Auslegung vermag dies nicht zu leisten. Eine teleologische Auslegung, die der Autonomie der Interpretation des CISG hinreichend Rechnung trägt, kann deshalb nicht per se ausgeschlossen werden, sondern muss unter Berücksichtigung des Art. 7 I CISG den Methodenkanon der Auslegung ergänzen.

III. Klärung der Begriffe und des der Vertragsumsteuerung zugrundeliegenden Interessenkonflikts III. Klärung der Begriffe und des Interessenkonflikts

Zusätzlich zu der zivilrechtlichen Darstellung im zweiten Kapitel der Untersuchung erscheinen zunächst vom gesetzten Recht losgelöste Überlegungen zu den hinter den Vertragsumsteuerungsrechten stehenden Erwägungen zielführend, um die unmittelbar am positivierten Recht ansetzenden Betrachtungen bewerten zu können. Die folgenden vertragstheoretischen Erwägungen unterscheiden sich schließlich gerade insofern von den dogmatischen Überlegungen, als erstere im positiven Recht nicht ihre Grenze finden und deshalb das geschaffene Regelungssystem bewerten können.93 Für die Darlegung des materiellen Gerechtigkeitsgehalts der Vertragsumsteuerung soll deshalb durch eine Analyse des den Vertragsumsteuerungsrechten zugrundeliegenden Interessenkonflikts beurteilt werden, weshalb einer Partei gestattet wird, sich einseitig von einem Vertrag zu lösen. Vorab müssen hierfür die Begriffe der Vertragsverletzung und -umsteuerung präzisiert und letztere zu anderen Rechtsbehelfen abgegrenzt werden.

91

Vgl. Fleischer, AcP 211 (2011) 317 [326] m. w. N. Vgl. dazu Gruber (2004) S. 187 f.; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 107. 93 Unberath (2007) S. 24. 92

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

1. Begriffsbestimmung und Abgrenzung a) Die Begriffe der Vertragsverletzung und Vertragsumsteuerung aa) Die Vertragsverletzung Zentraler Anknüpfungspunkt für die Abstandnahme vom Vertrag ist in dem betrachteten Kontext die (künftige) Nichterfüllung einer vertraglich versprochenen Leistung, indem sie entweder nicht oder nicht vollkommen vertragsgemäß erbracht wird, weil sie also mit anderen Worten ausbleibt, verspätet angeboten wird, unvollständig, mangelhaft oder eben in sonst irgendeiner Weise vertragswidrig ist – kurz: die Nichterfüllung des vertraglichen Pflichtenprogramms.94 Dabei erscheint in Anlehnung an Unberath der von der damit angesprochenen Vertragswidrigkeit abgeleitete offenere, aber ebenso neutrale Begriff der Vertragsverletzung vorzugswürdig. Die Vertragsverletzung dient als Formel, mit der jedes Abweichen der Realität von einem schuldvertraglichen Versprechen erfasst wird.95 Anders als der Begriff der Vertragsverletzung insinuiert die „Nichterfüllung“ und der auf Stoll zurückgehende Begriff der „Leistungsstörung“96 eine Ausklammerung der außerhalb von Leistungspflichten liegenden vertraglichen Schutzpflichten. Letztere sind jedoch in die Betrachtung der Teleologie der Vertragsumsteuerungsrechte zwingend mit einzubeziehen, da die Legitimationserwägungen dort zudem begründen müssen, dass der damit verfolgte Güterschutz keine genuin deliktsrechtliche Aufgabe ist.97 Der Begriff des Vertragsbruchs wird in dieser Untersuchung synonym zur Vertragsverletzung verstanden. Dieser Begriff ist als solcher dem positivierten deutschen Recht unbekannt.98 Wenn deshalb anderenorts und speziell im Zusammenhang mit einer Vertragsumsteuerung noch vor Fälligkeit – in freilich 94 Der Begriff der Nichterfüllung (non-performance, inexécution, inadempimento, incumplimiento, nâo-cumprimento, niet-nakoming) findet sich inzwischen in einer Reihe von Rechtsordnungen wieder, vgl. Flessner, ZEuP 1997, 255 [255]; Schlechtriem, IHR 2001, 12 [15 f.]; Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [617]. Die Vertragsverletzung als Oberbegriff kam im BGB erst über Umwege der „positiven Vertragsverletzung“ zum Vorschein, vgl. die Ausführungen zur Entwicklung des antizipierten Vertragsbruchs im früheren Schuldrecht, Kap. 4 I. 1. b). Das BGB versuchte beschränkt auf bestimmte Leistungsstörungen die Vertragsstörungen zu konkretisieren und lenkte durch den zentralen Unmöglichkeitstatbestand den Fokus zu sehr auf das Sachschicksal, Leser, in: FS Kitagawa (1992) S. 455 [456]. Zum System des geltenden Leistungsstörungsrechts, vgl. P. Huber, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 10 ff. Krit. zum Begriff der Pflichtverletzung, Ernst, JZ 1994, 801 [805]. 95 Unberath (2007) S. 182. 96 Stoll (1936) passim. 97 Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [16]. 98 Vgl. Fikentscher, Schuldrecht (1997) § 42 Rn. 311. Daran hat sich auch mit dem SMG nichts geändert. Auch bei der lauterkeitsrechtlichen Behandlung der „Beteiligung am Ver-

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unübersehbarer Anlehnung an das UN-Kaufrecht – an Stelle von der Vertragsverletzung von einem Vertragsbruch die Rede ist,99 sollen deshalb hiermit keine inhaltlichen Abweichungen qualitativer Natur zum Begriff der Vertragsverletzung verbunden sein. Damit ist insbesondere keine dem UN-Kaufrecht ohnehin fremde Kategorisierung in Haupt- und Nebenpflichten verbunden.100 bb) Die Vertragsumsteuerung Daneben dient in Anlehnung an Leser der bereits erwähnte Begriff der „Vertragsumsteuerung“ im Folgenden als ebenso neutraler Begriff der Abstandnahme vom Vertrag in Reaktion auf eine Vertragsverletzung.101 Diese Terminologie hebt sich generalisierend vom nationalen Begriff des „Rücktritts“ und der in der nichtamtlichen Fassung der Konvention gewählten „Vertragsaufhebung“ ab.102 Dabei wird die Wahl der Vertragsumsteuerung als Sammelbegriff den hier betrachteten Konsequenzen der Abstandnahme vom Vertrag wegen einer Vertragsverletzung am besten gerecht – auch wenn damit freilich bereits ein dogmatisches Vorverständnis verbunden ist. Sofern nämlich neutral von einer Umsteuerung des Vertrags die Rede ist, soll hiermit betont werden, dass die damit verbundenen Rechtsfolgen nicht die Auflösung der vertraglichen Bindung zur Folge haben und so der Nichtigkeit des Vertrags gleichgestellt werden. Der Begriff der Umsteuerung bringt ferner hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass der Vertrag im Falle der Vertragsumsteuerung über den Wegfall der beiderseitigen Erfüllungspflichten hinaus Grundlage sowohl der Rückabwicklung als auch etwaiger Schadensersatzansprüche bleibt. So wurde bereits bei der Bestimmung der deutschen Fassung des Haager Einheitlichen Kaufrechts die Vertragsauflösung als vermeintlich passendere Bezeichnung diskutiert und konnte sich bekanntlich nicht gegen die auch heute im UN-Kaufrecht gewählte Terminologie der Vertragsaufhebung durchsetzen. Schließlich werden damit falsche Assoziationen einer rückwirkenden Vernichtung des tragsbruch“ sowie bei der Beurteilung der deliktsrechtlichen oder kreditsicherungsrechtlichen Relevanz der „Verleitung zum Vertragsbruch“ handelt es sich allein um von Rspr. und Schrifttum entwickelte Fallgruppen. 99 Auch wenn in der nichtamtlichen deutschen Fassung des CISG von einer Vertragsverletzung die Rede ist, hat der Begriff des antizipierten Vertragsbruchs Eingang in den Sprachgebrauch gefunden. Soweit ersichtlich geht die Verwendung auf Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386, zurück, der den Begriff für seine vergleichende Darstellung fruchtbar machte. Aus dieser auf einer Übersetzung der „anticipatory breach“-Lehre des common law beruhenden Begriffswahl ergeben sich indessen ebenfalls keine Besonderheiten. 100 Friedrich, AcP 178 (1978) 468 [477 ff.]. 101 Leser (1975) passim; zur internationalen Terminologie, Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [619]. 102 In anderen Rechtsordnungen finden sich die Begriffe „termination“, „résolution“, „résiliation“, „rescission“, vgl. Flessner, ZEuP 1997, 255 [311]; Kötz, Europäisches Vertragsrecht (2015) S. 317 f.

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

Vertrags vermieden.103 Auch die Verbraucherrechterichtlinie vermeidet nun begrüßenswerter Weise den Begriff der Vertragsauflösung.104 Im Gegenteil zur Auflösung bedeutet die Umsteuerung vom Vertrag wegen einer Vertragsverletzung aus Gläubigersicht somit zweierlei: Zum einen wird der Gläubiger von seiner ihn treffenden Leistungspflicht frei und verzichtet durch die Abstandnahme vom Vertrag spiegelbildlich auch darauf, die aus dem Vertrag erwachsende Forderung gegenüber dem Schuldner geltend zu machen – insofern ist die Befreiungswirkung betroffen. Zum anderen bewirkt eine Umsteuerung des Vertrags das Entstehen eines Abwicklungsverhältnisses durch schlichte Umlenkung des Vertragsverhältnisses – insofern ist die Fortwirkung des Vertragsverhältnisses als Grundlage der Rückabwicklung betroffen.105 Schließlich muss im Falle bereits erbrachter Leistungen das Ergebnis der Abstandnahme vom Vertrag durch eine entsprechende Rückabwicklung erreicht werden. Bereits erfolgte Güterverschiebungen müssen beiderseitig ausgeglichen werden und es bedarf einer Regelung, welche Partei in welchem Umfang Risiken bei diesem Ausgleich zu tragen hat.106 Damit verbunden ist der eben angedeutete Aspekt, dass die Befreiung als vermeintliches Spiegelbild der Begründung des Vertrags nicht in die Nichtigkeit desselben mündet, sondern vielmehr Grundlage sekundärer Vertragsansprüche bleibt. Mit dem Begriff der Vertragsumsteuerung werden Assoziationen vermieden, die letzterem im Wege stehen. b) Abgrenzung zu sonstigen Rechtsbehelfen Die Beweggründe für eine Abstandnahme vom Vertrag sind vielfältig und können sowohl in Defekten beim Zustandekommen als auch in Störungen der Durchführung des Vertrags wurzeln.107 Mit dem Rekurs auf die Vertragsverletzung kommt zugleich zum Ausdruck, inwiefern sich das Vertragsumsteuerungsrecht von den übrigen denkbaren Rechten unterscheidet, die eine Abstandnahme vom Vertrag erlauben. In Abgrenzung zu den hier allein interessierenden Störungen bei der Durchführung des Vertrags ist der die Vertragsumsteuerung legitimierende Grund einer Vertragsverletzung damit zum einen gerade kein Irrtum einer Partei, aufgrund dessen eine Bindungswirkung des Vertrags einseitig beseitigt werden kann. Die Störung betrifft dort bereits den 103 Schlechtriem, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) S. 159 [160]. 104 Anders als noch die VerbrauchsgüterkaufRL 1999/44/EG, die in der deutschsprachigen Fassung in Art. 3 von einer Vertragsauflösung spricht, verwendet Art. 18 der VerbraucherrechteRL 2011/83/EU den Begriff des Rücktritts. 105 Grundlegend hierzu Leser (1975) S. 159 et passim; vgl. ferner Döll (2011) S. 51; Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [619]. 106 Ausführlich zum Ganzen Leser (1975) S. 100 ff. 107 Lorenz, in: Schulze/Schulte-Nölke (2001) S. 329 [329].

III. Klärung der Begriffe und des Interessenkonflikts

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Vertragsschluss selbst und nicht den Leistungsaustausch.108 Ganz ähnlich liegt es, wenn versucht wird, eine Vertragsumsteuerung aufgrund eines solchen Irrtums über den Umweg eines Schadensersatzanspruchs zu erreichen, indem durch Verwirklichung des negativen Interesses der Zustand wiederhergestellt wird, wie er ohne die Aufnahme des vertraglichen Kontakts bestehen würde.109 In diese Kategorie fallen schließlich auch etwaige Widerrufsrechte, da diese am Vertragsschlusstatbestand selbst ansetzen und deshalb nicht funktionell äquivalent zur Vertragsbeendigung wegen Durchführungsstörungen sind.110 Dort ist gleichermaßen allein die Aufgabe der Vertragsrechtsordnung betroffen, die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses abzusichern, da die vertragliche Bindung allein dann die Autonomie der Person berücksichtigt und deshalb als gerecht verstanden werden kann.111 Des Weiteren handelt es sich bei der Vertragsumsteuerung in Anknüpfung an eine Vertragsverletzung des Schuldners auch nicht um ein Gestaltungsmittel, das auf ebenfalls in mehreren Rechtsordnungen anzutreffenden Ausprägungen der clausula rebus sic stantibus fußt, wonach eine Vertragsanpassung oder -umsteuerung wegen nachträglicher wesentlicher Veränderung der dem Vertragsschluss zugrundeliegenden Umstände in Betracht kommt (vgl. § 313 BGB).112 Eine gewisse Nähe zur Vertragsumsteuerung wegen Vertragsverletzung im eben erwähnten Sinne ist hier zwar nicht von der Hand zu weisen, nachdem diese hier wie dort eine Reaktion auf ein Ungleichgewicht vereinbarter Vertragspflichten ist. Allerdings liegt die Berechtigung zur Vertragsumsteuerung dabei freilich schon nicht bei derjenigen Partei, deren Interesse an der versprochenen Leistung enttäuscht wird, sondern bei derjenigen, zu deren Lasten die Veränderung des Vertragsrahmens geht. Zudem begründet die Geschäftsgrundlagenstörung selbst keine Vertragsverletzung im Sinne einer Störung des vertragsimmanenten Gegenseitigkeitsverhältnisses.113 Dies spiegelt sich sodann auch bei den anderslautenden Erwägungen zur Legitimation dieser 108

Sonnentag (2016) S. 250. Zur Irrtumsanfechtung im UN-Kaufrecht, vgl. P. Huber, ZEuP 1994, 585. 109 Leser (1975) S. 102. 110 Dastis (2017) S. 33. 111 Canaris (1997) S. 47. 112 Rösler, in: Handwörterbuch des Europ. PrivatR Bd. I (2009) S. 710 [711]. Zur Entwicklung sowie der rechtskonstruktiven Lösung, Zimmermann, AcP 193 (1993) 121 [134 ff.]; MüKoBGB/Finkenauer (2016) § 313 Rn. 20. Für einen Überblick zu europäischen Zivilrechtsordnungen vgl. Abas (1993) passim, sowie zum CISG, Fogt, ZVglRWiss 2016, 200 [248]; Besiekierska (2008) S. 217. Krit. zur Kodifizierung in § 313 BGB, Loyal, NJW 2013, 417. 113 Rittner, in: FS Lange (1970) S. 213, [238] begreift das Synallagma noch als Geschäftsgrundlage. Diese Sichtweise ist überholt, da die Gegenseitigkeit selbst nicht bloße außerhalb der Vereinbarung liegende Grundlage des Vertrags ist, vgl. nur Gernhuber, in: FS Raiser (1974) S. 57 [57]. Dementsprechend kann diese Sichtweise auch in den §§ 320 ff. BGB keinen Rückhalt finden, Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 13 Rn. 4.

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

Vertragsumsteuerung wieder, die nicht auf einer Störung des Synallagmas in Form einer Abweichung vom Vertragsprogramm fußen, sondern ihre Rechtfertigung vielmehr in dem unvorhergesehenen Defekt der von den Parteien vorausgesetzten subjektiven Äquivalenz ihrer Leistungen selbst finden.114 Letztlich sind gesetzliche Vertragsumsteuerungsrechte mit Blick auf deren Rechtfertigungselemente von vertraglich begründeten Rechten zur Abstandnahme von dem Vertrag zu unterscheiden. Auch wenn ein solches vertraglich eingeräumtes Recht an die Nichterfüllung anknüpft, sind solche Rechte mit gesetzlichen Lösungsmöglichkeiten insofern nicht vergleichbar, als sich deren Rechtfertigung schlicht aus dem Parteiwillen ergibt. Sie bedürfen somit, vergleichbar einem Aufhebungsvertrag (consensus contrarius), in den Grenzen der Vertragsfreiheit keiner weiteren Legitimation.115 Rechtfertigungsbedürftige Einschränkungen erfahren solche Rechte vielmehr vorrangig mit Blick auf deren Ausübung aufgrund der mit ihnen verbundenen unsicheren Schwebelage.116 2. Das Vertragserhaltungsinteresse des Schuldners: pacta sunt servanda Literatur und Rechtsprechung konzentrieren sich vordergründig auf die dogmatische Auslegung der mit dem Rücktritt und der Vertragsaufhebung betroffenen Tatbestände. Weit weniger Beachtung wird indessen der Frage geschenkt, worin die auf der ratio legis beruhende Rechtfertigung derselben liegt – warum also ein Gläubiger in Reaktion auf eine Vertragsverletzung einseitig den Vertrag umgestalten darf.117 Dies mag daran liegen, dass die Daseinsberechtigung des Rechts, sich von einem Vertrag und damit einem bindenden Versprechen zu lösen, weil die andere Vertragspartei eine Pflicht aus eben jenem Vertrag verletzt, trivial erscheint. Unabhängig vom Umfang etwaiger über die Beendigung der Bindungswirkung hinausgehender Ersatzpflichten bildet die Anknüpfung an eine durch die andere Partei begangene Vertragsverletzung prima facie das rechtfertigende Element, um die Frage zu beantworten, weshalb eine gesetzliche Vertragsumsteuerung zu gewähren ist. Speziell die im heutigen deutschen Schuldrecht anzutreffenden und aus Gläubigersicht großzügigen Rücktrittsrechte lassen dies als selbstverständlich erscheinen.118 Damit 114

Vgl. nur MüKoBGB/Emmerich (2016) Vor § 320 Rn. 6. Flume, Das Rechtsgeschäft (1979) S. 607 f.; Lorenz, in: Schulze/Schulte-Nölke, S. 329 [340]. Klarstellend dementsprechend Art. 29 CISG. 116 Vgl. etwa § 350 BGB. Die Parteien sind nach Art. 6 CISG ebenso frei, vertragliche Aufhebungsrechte zu vereinbaren. Eine sinngemäße Geltung beanspruchen die Art. 81–84 CISG sodann allein mit Blick auf die Ausführung der Aufhebung, Weber, in: Wiener Kaufrecht (1991) S. 165 [189]; vgl. ferner Sonnentag (2016) S. 506 ff. 117 Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [3]. 118 Dass dies keine Selbstverständlichkeit ist, belegt der Umstand, dass das römische Recht noch kein allgemeines Rücktrittsrecht kannte. Dort standen die Erfüllung in natura 115

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wird jedoch der Blick auf die in Rede stehenden Gläubigerinteressen verengt. Erst durch Einbeziehung der im Folgenden dargestellten Schuldnerinteressen tritt die von Vertragsumsteuerungsrechten zu treffende Abwägung deutlich zu Tage. a) Die schuldnerschützende Bedeutung der Vertragsbindung Der mit gesetzlichen Vertragsumsteuerungsrechten wegen Vertragsverletzungen verbundene Interessenkonflikt entzündet sich an dem Prinzip des pacta sunt servanda, wonach Verträge einzuhalten sind.119 Schließlich ist es mit den Worten Flumes gerade die Idee des Vertrags als Hauptform privatautonomer Gestaltung, „dass das vertraglich Vereinbarte deshalb gilt, weil die Vertragschließenden, ein jeder in Selbstbestimmung, vereinbart haben, dass es so Rechtens sein soll.“120 Dieser Grundsatz ist wiederum Folge der Respektierung privatautonomen Handelns, indem das „Subjekt und seine Selbstbestimmung […] zum Kern und Grund der vertraglichen Selbstbindung“ werden.121 Diese Bindungswirkung, die eine einseitige und opportunistische Auflösung des Versprechens verhindert, ist Ausdruck der Selbstbestimmung und daher ohne Privatautonomie nicht denkbar. Zwar ist die Bindungswirkung allein aus der Privatautonomie ebenso wenig erklärbar.122 Die Geltung dieses Dogmas steht allerdings aus Sicht überpositiver Strömungen auch ohne positivrechtliche Verankerung deshalb außer Zweifel, weil sich die Unterwerfung der Parteien an die Vertragsbindung doch gerade auf den Willen derselben stützen lässt.123 Es

und deren Durchsetzung durch Zwang im Vordergrund. Die actio redhibitoria war ein Sonderrecht allein für den Kauf von Sklaven und Zugtieren, Dastis (2017) S. 85 ff. Im gemeinen Recht verhielt es sich nicht anders. „Dann [wenn der Schuldner dem Forderungsrecht nicht nachkommt] hat der Gläubiger nach allgemeinen Grundsätzen das Recht, den Richter anzurufen; wenn auch der verurteilte Schuldner die Leistung noch verweigert, so tritt Zwang gegen ihn ein.“ Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II (1963) § 262. Zu historischen Grundlagen des Rücktritts und der Entstehung im BGB, vgl. Leser (1975) S. 26 ff. 119 BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 12. 120 Flume, Das Rechtsgeschäft (1979) S. 7 und 599 ff. 121 Stathopoulos, AcP 194 (1994) 543 [551]. 122 Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) 121 [121]; vgl. zu der von Radbruch aufgeworfenen Frage der außervertraglichen Grundlagen des Vertrags nur, Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 53. 123 Vgl. nur aus dem jüngeren Schrifttum, Weller (2009), S. 187; Lorenz, in: Schulze/ Schulte-Nölke (2001) S. 329 [329]; Stathopoulos, AcP 194 (1994) 543 [547 ff.]; Stöhr, AcP 214 (2014) 425 [425 ff.].

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ist danach allein der Konsensgedanke,124 der in einer freiheitlichen Rechtsordnung die Vertragsbindung als Korrelat der Vertragsfreiheit legitimiert.125 Dieser lediglich auf dem Parteienkonsens basierenden Verankerung der Vertragsbindung stehen dagegen positivistische Ansätze freilich skeptisch gegenüber. Vielmehr bewirke erst die Verleihung der Kompetenz zur Selbstbindung durch die Rechtsordnung die Bindung des vertraglichen Versprechens. Der rechtsgeschäftliche Akt des Vertrags ist nach Kelsens Auffassung damit „ein rechtsnormerzeugender Tatbestand, wenn und insoferne die Rechtsordnung dem Tatbestand diese Qualität verleiht; und sie verleiht ihm diese Qualität, indem sie die Setzung des rechtsgeschäftlichen Tatbestandes zusammen mit dem rechtsgeschäftswidrigen Verhalten zur Bedingung einer Zivilsanktion macht.“126 Unabhängig von der positivrechtlichen Verankerung schafft dieses Prinzip das Legitimationsbedürfnis für die Vertragsumsteuerung und jene Konfliktlage bildet auch den Ausgangspunkt der Diskussion um die ratio legis gesetzlicher Vertragsumsteuerungsrechte. Schließlich geht das Interesse des Schuldners gerade dahin, an dem Vertrag festzuhalten, um den Vertragsnutzen zu realisieren und gegebenenfalls getätigte Investitionen zu amortisieren. Dies gilt in besonderem Maße für einen Sachschuldner, der den Vertrag gerade deshalb abschließt, um die Sachleistung gewinnbringend abzusetzen, indem er sich dadurch die Gegenleistung verdient. Deshalb hat der Schuldner regelmäßig ein auf dem Prinzip der Vertragsbindung basierendes Interesse an einer Chance zur Nacherfüllung. Ferner könnten sich die Marktpreise für die Vertragsleistungen zum Nachteil des Schuldners verändert haben, weshalb dieser selbst nach dem vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt der Leistungserbringung am Vertrag festhalten möchte.127 Die Vertragsbindung bewirkt gerade eine Fixierung solcher Risiken, indem der Schuldner seinen Vertragspartner an dem vereinbarten Preis festhalten kann und sich nicht neu zu ungünstigeren Konditionen eindecken muss. Mit dem vertraglichen Versprechen bindet sich jede Partei „an ein wirtschaftliches Opfer auch für den Fall einer späteren Interessenänderung.“128 Hierin kommt die schuldnerbegünstigende Wirkung der Ver-

124 Einer tiefergehenden Analyse der Legitimation der Vertragsbindung bedarf es wegen deren allgemeiner Anerkennung nicht. Zu der Vielfalt normativer Vertragstheorien, die allesamt für sich den Anspruch erheben, die Regeln des Vertragsrechts fundieren zu können, Unberath (2007) S. 71 ff.; vgl. auch Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996) § 24 I. 125 Stöhr, AcP 214 (2014) 425 [427]; Kötz, Europäisches Vertragsrecht (2015) S. 23 ff. 126 Kelsen, Reine Rechtslehre (1960) Rn. 261 [Herv. d. Verf.]. 127 Flessner, ZEuP 1997, 255 [264 f.]; ausführlich zum Liberations-, Gewinn-, Leistungserbringungs- und Vertragsdurchführungsinteresse des Schuldners, Riehm (2015) S. 49 ff.; vgl. ferner Giesecke (2014) S. 15 f. 128 Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [121]; vgl. ferner J. Flume, AcP 215 (2015) 282 [287 ff.].

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tragsbindung zum Ausdruck, die bei der Abwägung mit den Gläubigerinteressen zu berücksichtigen ist.129 Widerspräche die Vertragsumsteuerung nicht dem Interesse des Schuldners, würden die Parteien sich über die Vertragsaufhebung schlicht vertraglich einigen. Die Frage der Legitimation der Abstandnahme vom Vertrag würde sich hier ebenso wenig stellen, wie bei der Einräumung eines vertraglichen Aufhebungsrechts. Schließlich lässt sich eine solche Klausel als antizipierte Zustimmung zur Vertragsumsteuerung deuten.130 Sofern letztere auf einer vertraglichen Einigung beruht, gilt die Maxime volenti non fit iniuria.131 b) Missbrauchsschutz Vor diesem Hintergrund muss die Ausgestaltung eines Vertragsumsteuerungsrechts sicherstellen, dass der Gläubiger die Vertragsverletzung nicht als bloßen Vorwand nutzt, um sich von einem aus sonstigen Gründen unliebsam gewordenen Vertrag loszusagen.132 Schließlich könnte der Gläubiger anderenfalls damit die Gelegenheit ergreifen sich aus sachfremden Gründen von dem Vertrag zu lösen, allein weil sich dieser unabhängig von der Vertragsverletzung als unvorteilhaft erweist.133 Dieser Aspekt der Missbrauchsgefahr ist Ausfluss des Interesses an der Vertragsbindung und daher immer wiederkehrendes Motiv bei der Untersuchung gesetzlicher Vertragsumsteuerungsrechte.134 Dastis bringt diesen Aspekt auf den Punkt, wenn er bei der Abwägung mit den Interessen des Schuldners betont, dass es zu verhindern gilt, dass der Gläubiger „nicht wegen der Nichterfüllung zurücktritt, sondern bloß aus Anlass der Nichterfüllung.“135 Der Schutz des Schuldners vor einer nicht gerechtfertigten und damit missbräuchlichen Einwirkung auf das Vertragsverhältnis durch den Gläubiger lässt sich dabei auf zwei Ebenen erreichen: Zum einen schafft eine genaue Konturierung der Voraussetzungen des Vertragsumsteuerungsrechts die besagte, den Schuldner schützende Rechtssicherheit. Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe läuft dem Ordnungsziel der Vertragsumsteuerung zuwider.136 Durch die Präzisierung tatbestandlicher Anforderungen ist daher sicher zu stel-

129

Weller (2009), S. 464 ff. Geldsetzer (1993) S. 34. 131 Vgl. hierzu näher Canaris, in: FS Wiedemann (2002) S. 3 [7]; Canaris (1997) S. 46. Vgl. ferner aus rechtsvergleichender Sicht zum deutschen und Einheitskaufrecht, Geldsetzer (1993) S. 33 ff. et passim. 132 Unberath (2007) S. 364. 133 Flessner, ZEuP 1997, 255 [265]; Kötz, Europäisches Vertragsrecht (2015) S. 319. 134 Dastis (2017) S. 62 ff. 135 Dastis (2017) S. 63 [Herv. im Original]; vgl. ferner Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [122]. 136 Vgl. Ernst, JZ 1994, 801 [807]. 130

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len, dass der Gläubiger tatsächlich allein wegen der Vertragsverletzung die Abstandnahme vom Vertrag erklärt.137 Zum anderen werden die Interessen des Schuldners darüber hinaus dadurch geschützt, dass dieser auf die auf einer Fehleinschätzung beruhenden oder aus sonstigen Gründen ungerechtfertigten Aufhebungserklärung des Gläubigers seinerseits mit der Vertragsumsteuerung reagieren kann. Erklärt der Gläubiger zu Unrecht die Vertragsumsteuerung, ist diese zwar rechtlich folgenlos, jedoch weiß der Schuldner, dass es nicht zum Leistungsaustausch kommt, soweit es auf die Absicht des Vertragspartners ankommt. Damit begeht der Gläubiger selbst eine Vertragsverletzung. Der Schuldner hat in solchen Situationen aus Gründen der Waffengleichheit ein Interesse, seinerseits einseitig vom Vertrag Abstand zu nehmen. 3. Das Liberationsinteresse des Gläubigers: die Störung des Synallagmas a) Primär- und Sekundäranspruch als Verwirklichung des Gläubigerinteresses? Die vom Willen der Parteien getragene Vertragsbindung erlaubt dem Gläubiger, sein Interesse am Erhalt der Naturalleistung gestützt auf den Primäranspruch mit Hilfe einer Leistungsklage und der sich daran anschließenden Vollstreckung durchzusetzen.138 Ausgehend von dem Grundsatz pacta sunt servanda darf und muss der Gläubiger seinen Schuldner zur Leistung anhalten. Der auf diesem Grundsatz fußende (Nach-)Erfüllungsanspruch ist gerade das „Rückgrat der Obligation“139 und logische Konsequenz der Bindungswirkung von Verträgen, indem auch im Falle einer Vertragsverletzung auf dessen Grundlage die Abweichung vom Versprechen der Parteien beseitigt wird.140 Ist dies nicht möglich oder zur Befriedigung des ursprünglich vereinbarten Leistungsinteresses nicht genügend, tritt neben oder an die Stelle des Primäranspruchs der Sekundäranspruch gegen den Schuldner, indem der Gläubiger hinsichtlich gleichwohl verbleibender Nachteile allein auf Schadensersatz verwiesen wird. Die gestörte Leistung wird durch einen Geldwert ersetzt. Auch damit wird an dem Grundsatz des pacta sunt servanda festgehalten.141 Denn hiermit wird durch Gewährung eines Substituts derjenige Zustand aufgehoben, welcher in der Verletzung des Primäranspruchs seine Ursache hat, und ebenso der vertragliche status ad quem erreicht. 142 Der Sekundäranspruch verwirklicht das

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Umfassend dazu, Schmidt (2003) S. 185 ff. Ausführlich zum Substanz-, Verwendungs- und Solvenzinteresse des Gläubigers an der Naturalerfüllung, Riehm (2015) S. 43 ff. 139 Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 375. 140 Schmidt (2003) S. 141; Kötz, Europäisches Vertragsrecht (2015) S. 300. 141 Weiss in NJW 2015, 3393 [3395]; Schmidt (2003) S. 144 ff. 142 Unberath (2007) S. 207; U. Huber, AcP 210 (2010) 319 [335]. 138

III. Klärung der Begriffe und des Interessenkonflikts

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Gläubigerinteresse durch eine „fiktive, wirtschaftliche Durchführung des Vertrags.“143 Primär- und Sekundäranspruch dienen damit gleichermaßen der Verwirklichung der Bindung an den Vertrag. Die Existenz dieser Ansprüche in einer freiheitlich geprägten Rechtsordnung ist neben der bloßen Vertragsbindung nötig, da der verabredete Leistungsaustausch häufig nicht an Ort und Stelle erfolgt, sodass sich die Parteien von der vertragsmäßigen Erbringung der Leistungen überzeugen könnten. Vielmehr müssen sich die Kontrahenten in einer entwickelten Wirtschaftsordnung auch zuerst in der Zukunft zu erbringenden Leistungen verpflichten können.144 Daher sind die (wertmäßig) auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Ansprüche die geeigneten Mittel zur Verwirklichung der dem Parteiwillen entsprechenden Vertragsbindung. In dieselbe Richtung weist deshalb auch die im common law-Rechtskreis getroffene Ermessenentscheidung des Gesetzgebers, wonach der Primäranspruch von vornherein unter dem ausnahmsweisen Vorbehalt der Klagbarkeit auf Leistung in Natur steht und an seine Stelle nur ein Sekundäranspruch tritt.145 Auf Vollstreckungsebene richtet sich das Interesse des Gläubigers unter Berücksichtigung des Gewaltmonopols des Staates schließlich gleichermaßen auf eine möglichst effektive Vollstreckung.146 b) Die Notwendigkeit der Vertragsumsteuerung wegen Störung des Synallagmas als ergänzendes Gläubigerrecht Allerdings birgt selbst die gerichtliche Anerkennung der auf das Leistungsinteresse gerichteten Ansprüche das Risiko, dass die sich anschließende Vollstreckung erfolglos bleibt. Der Schutz des Gläubigerinteresses durch vertragliche Bindung – respektive Leistungszwang und Sekundäranspruch – ist nicht zuletzt wegen der Gefahr einer Unterkompensation defizitär. Dies gilt auch und vor allem bei einem Austauschvertrag, bei dem der hinter dem vereinbarten Ver-

143

Weiss, NJW 2015, 3393 [3395]. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996) § 24 I; vgl. ferner Flume, Das Rechtsgeschäft (1979) S. 605, der insofern zwischen der Bindung und der Geltung des Vertrags unterscheidet. 145 Stathopoulos, AcP 194 (1994) 543 [555]. Anders als im nationalen Recht ist die Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung des Primäranspruchs im common law die Ausnahme und die Gewährung von Schadensersatz die Regel. Hat der Gläubiger kein besonderes Interesse an der Naturalleistung („specific performance“), besteht allein ein erfüllbares Recht, klagbar ist dies indessen nicht, Riehm (2015) S. 38; Grundmann/Hoerning, in: Ökonomische Analyse der europäischen Zivilrechtsordnungen (2007) S. 420 [432]; Kötz, Europäisches Vertragsrecht (2015) S. 296 ff. Diesen Gegensätzen zwischen dem kontinentaleuropäischen und dem anglo-amerikanischen Rechtskreis trägt letztlich auch Art. 28 CISG Rechnung, Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 28 Rn. 1 ff. 146 Vgl. dazu Stamm (2007) S. 16 f. 144

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

tragsprogramm zurückbleibenden Leistung eine Gegenleistung gegenübersteht, die der Gläubiger aufgrund der weiteren Bindung dennoch bereithalten muss. Der Gläubiger hat somit ein berechtigtes Liberationsinteresse dahingehend, sich wegen der Störung vom Vertrag zu befreien und diesen ggf. zu liquidieren.147 Sofern damit nämlich das Interesse an einem um des Freiwerdens von der eigenen Gegenleistungspflicht willen erfolgenden Verzicht auf die dem Gläubiger gebührende Leistung wegen deren Vertragswidrigkeit betont wird, führt dies bereits einen ganz zentralen Aspekt ins Feld: die Störung zweier synallagmatisch verbundener und sich so gegenüberstehender Leistungspflichten in einem Vertrag. Mit der Störung des Synallagmas wird die Abstandnahme von der Bindungswirkung auf eine tragfähige Stütze gestellt.148 Prägend für diese Art einer vertraglichen Abrede ist nämlich eine zugrundeliegende Finalität dergestalt, dass die den Parteien jeweils obliegenden Leistungen im Sinne eines do ut des ausgetauscht werden. Die eine Leistung wird geschuldet, weil die andere geschuldet wird, ohne dass dafür die tatsächliche Wertrelation von Relevanz wäre.149 Dies verdeutlichen die Begriffe des genetischen, konditionellen und funktionellen Synallagmas, welche die Motivation der rechtlichen Verknüpfung im Rahmen des Entstehens, Fortbestandes und der Durchsetzung der beiderseitigen Leistungspflichten noch stärker zum Ausdruck bringen.150 Übertragen auf die Vertragsumsteuerung bedeutet das, dass die Leistungspflichten nicht nur mit Blick auf ihre Begründung, sondern auch in ihrem Fortbestand voneinander abhängen sollen, sei es, weil die Gegenseitigkeit von vornherein eine dem Leistungsanspruch innewohnende inhaltliche Beschränkung darstellt151 oder zwar die Leistungspflicht schlechthin besteht,152 die Gegenseitigkeit aber einen Einwand oder ein Gegenrecht der in Anspruch genommenen Partei begründet.153 147

Temming, JA 2018, 1 [1 f.]. Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [4 ff.]; Coen, in: FS Schlechtriem (2003) S. 189 [192]; Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [122]. 149 Entscheidend ist damit weniger der Austausch der Leistungen als vielmehr deren wechselseitige Abhängigkeit, Staudinger/Schwarze (2015) Vor §§ 320–326 BGB Rn. 5 ff. 150 Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 13 Rn. 4. 151 So die im deutschen Recht anzutreffende sog. Austauschtheorie, vgl. Canaris, in: FS Koziol (2010) S. 45 [61]; Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 15 I; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. I § 12 III 1; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT (1995) § 16 II 2; BGH Urt. v. 19.12.1991, IX ZR 96/9 = NJW 1992, 1172 [1173]. 152 So die sog. Einredetheorie wonach die Einrede des nichterfüllten Vertrags nicht bloß beredter Ausdruck eines einheitlichen Austauschanspruchs sei, Gernhuber, in: FS Raiser (1974) S. 57 [64 ff.]; Ernst, AcP 199 (1999) 485 [493 ff.]; Gröschler, AcP 201 (2001) 48 [58]; Staudinger/Schwarze (2015) Vor §§ 320–326 BGB Rn. 29. 153 Die Konstruktion des in § 320 BGB verankerten Synallagmas ist strittig, Schur, JuS 2006, 673 [674]; Staudinger/Schwarze (2015) Vor §§ 320–326 BGB Rn. 24. Im CISG entnimmt die h. M. Art. 58 I CISG einer inhaltlichen Beschränkung entsprechend die Grundregel der Zug-um-Zug-Erfüllung, Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 58 Rn. 7 m. w. N.; 148

III. Klärung der Begriffe und des Interessenkonflikts

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Denn gleichermaßen kollidiert eine den Vertragspartner zur Gegenleistung anhaltende Aufrechterhaltung der Vertragsbindung trotz Verletzung des Leistungsinteresses durch Unterkompensation dort mit der ausgleichenden Gerechtigkeit.154 Schließlich folgt daraus für das Befreiungsrecht des vertragstreuen Teils, dass die den Gläubiger treffende Leistungspflicht nicht isoliert von der vertragswidrigen Leistung des Schuldners betrachtet werden kann. Das Interesse des Schuldners, durch Behebung der Vertragsverletzung sich die Gegenleistung zu verdienen, wird begrenzt durch das Interesse des Gläubigers, unangemessen lange an einen gefährdeten Vertrag gebunden zu sein.155 Wäre der Gläubiger unabhängig von der Enttäuschung des eigenen Leistungsinteresses zwingend dazu angehalten, die ihm obliegende Leistung zu erbringen, würde dies wegen der damit verbundenen Loslösung von vertragsimmanenten Wertungen einen Übergang von der dem Vertragsgefüge eigentlich zugrundeliegenden austauschenden Gerechtigkeit (iustitia commutativa) zu einer (der iustitia distributiva gleichenden) einseitigen Zuteilung bedeuten.156 In diesem Sinne wäre ohne innere Rechtfertigung die auf dem Willen der Parteien basierende und als gerecht verstandene Gleichheit der Güterverteilung aufgehoben, da allein der Gläubiger geben müsste und der Schuldner nehmen dürfte. Wenn auch die Wertrelation als objektiver Maßstab neben der subjektiven Äquivalenz insofern keine Rolle spielt, führt doch der Umstand, dass die Parteien mit der Wahl der Gegenleistung jeweils ein Äquivalent der zu erbringenden Leistung bestimmen, dazu, dass jedem Austauschvertrag eine gerechte Abwägungsentscheidung innewohnt.157 Von einem gerechten Aufrechterhalten jenes Austauschverhältnisses könnte aber nicht mehr gesprochen werden, wenn eine Partei ihre vertragsmäßige Leistung erbringen müsste, ohne die dafür versprochene Gegenleistung der anderen Partei zu erhalten. Dieser Einwand rechtfertigt es, dass der leistungsbereite Gläubiger auf die eingetretene Vertragsverletzung und damit hinreichende Gefährdung seines Leistungsinteresses mit der

dagegen Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 58; ähnlich, U. Huber, Gutachten (1981) S. 818 f. Überholt ist hingegen die Auffassung das Abhängigkeitsverhältnis ergebe sich aus einer Bedingung (tacita condicio/implied condition), vgl. hierzu Zimmermann, AcP 193 (1993) 121 [161 ff.]; Dawson, C.L.J. 1981, 83 [88], da hiervon bereits das Verpflichtet-Sein abhinge, Ernst, AcP 199 (1999) 485 [493]. 154 Eingängig dazu Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [4]; Unberath (2007) S. 360 f. 155 Schlechtriem, ZEuP 1993, 217 [235]. 156 Unberath (2007) S. 362; vgl. ferner Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [153]. Eine Aussage zur Geltung der iustitia distributiva im Privatrecht ist damit nicht verbunden. Vgl. hierzu Honsell, in: FS Mayer-Maly (2002) S. 287 [295 ff.]; krit. Canaris (1997) S. 35 ff. und 44 ff. Zur iustitia distributiva im Vertragsrecht, Arnold (2014) S. 135 ff., 153 ff. Zum Ganzen vgl. Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie (2018) § 9 Rn. 351 ff. 157 Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 15 I; vgl. ferner Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [153]; Arnold (2014) S. 44.

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

Befreiung von der Leistungspflicht reagiert.158 Von grundlegender Bedeutung ist dabei, dass die mit der Vertragsumsteuerung wieder gewonnene Dispositionsfreiheit nicht mit einer Auflösung des Vertrags verbunden ist. Die Befreiung bedeutet nicht zugleich einen endgültigen Verzicht auf den Vertragsnutzen und stellt sich deshalb nur auf den ersten Blick als „Resignation“ des Gläubigers dar.159 Das Recht, wertmäßig das positive Interesse zu verlangen, entfällt dadurch nicht. Die Vertragsumsteuerung hat auf dieses sich aus dem Vertrag ergebende Recht deshalb keinen Einfluss, gerade weil mit der Aufhebung auf eine Gefährdung des Leistungsinteresses reagiert wird.160 Die Störung des Synallagmas bildet auch den Anknüpfungspunkt, um die Gewährung eines Vertragsumsteuerungsrechts als Selbsthilferecht zur Wiedererlangung der Dispositionsfreiheit zu erklären. Widerspricht der Leistungsaustausch der ausgleichenden Gerechtigkeit, hat der Gläubiger ein legitimes Interesse, seine Handlungsfreiheit wieder zu gewinnen, um seine Leistung nicht weiter bereithalten zu müssen. Jene Dispositionsfreiheit besitzt einen eigenen wirtschaftlichen Stellenwert, da die Vertragsbindung zu einer Belastung führt, die anderweitige Dispositionen hindert.161 Die Vertragsumsteuerung unterscheidet sich damit von der Durchsetzung des Primär- und Sekundäranspruchs gerade dadurch, dass damit nicht der Schutz des Leistungsinteresses verfolgt wird, sondern die den Vertrag aufsagende Partei auf jene Leistung vielmehr verzichtet, um sich gleichermaßen der eigenen Leistungspflicht zu entledigen. Als Selbsthilferecht erlaubt die Umsteuerung die einseitige Aufhebung der die eigene Dispositionsfreiheit einschränkenden Vertragsbindung deshalb ohne Inanspruchnahme staatlicher Gewalt.162 Wegen der Gegenseitigkeit endigt mit der Pflicht des Gläubigers auch die Pflicht des Schuldners zur Leistungserbringung. Insofern sei in diesem Zusammenhang noch lediglich verdeutlicht, dass die „einseitige Aufhebung“ allein die Rechtsmacht des Gläubigers beschreibt, einseitig auf das Vertragsverhält-

158 Abweichend Treichel (2010) S. 184, der jedoch kaum nachvollziehbar die Äquivalenzstörung mit einer vertraglichen Zweckvereinbarung vermengt und die Störung des Synallagmas als ratio legis des § 323 BGB ablehnt, weil „bei einer Verschiebung dieses Gleichgewichts u. a. heteronome Momente wie Treu und Glauben (§ 242) oder die Verkehrssitte (§ 157) berücksichtigt werden“, um sodann die Äquivalenzstörung als Fallgruppe des Wegfalls der Geschäftsgrundlage einzuordnen. Indessen wird die noch von Rittner, in: FS Lange (1970) S. 213, [238] vertretene Einordnung des Synallagmas als Geschäftsgrundlage heute zutreffend abgelehnt, Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 13 Rn. 4. Zudem stellt vielmehr nur die nachträgliche Störung der von den Parteien vorausgesetzten subjektiven Äquivalenz ihrer Leistungen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage dar, MüKoBGB/Emmerich (2016) Vor § 320 Rn. 6. 159 Flessner, ZEuP 1997, 255 [264]. 160 Unberath (2007) S. 365; Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [620]. 161 Leser, in: FS Wolf (1985) S. 373 [375]; Schmidt (2003) S. 147. 162 Unberath (2007) S. 207 f., 359 ff.

III. Klärung der Begriffe und des Interessenkonflikts

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nis einzuwirken. Daraus folgt freilich eine beiderseitige Aufhebung der Vertragspflichten als Rechtsfolge. Anderenfalls würde der Gläubiger seinerseits mit der Ausübung des Selbsthilferechts den Boden austauschender Gerechtigkeit verlassen. Sind noch keine Leistungen ausgetauscht, erschöpfen sich die unmittelbaren Folgen der Vertragsumsteuerung dann in der Befreiung von den Leistungspflichten.163 c) Die Vertragsumsteuerung wegen drohender Störung des Synallagmas Muss der Schuldner die Leistung entsprechend einer vertraglichen Abrede, die den Zeitpunkt der Leistungserbringung in die Zukunft verschiebt, noch nicht erbringen, liegt beim gegenwärtigen Ausbleiben der Leistung noch keine Abweichung der Realität von dem schuldvertraglichen Versprechen und damit schon keine Vertragsverletzung vor.164 Die für das gerechtfertigte Liberationsinteresse des Gläubigers elementare Störung des Synallagmas fehlt damit. In Ermangelung solcher das Vertragserhaltungsinteresse des Schuldners überwiegenden Umstände fragt sich daher, warum dem Gläubiger bereits gegenwärtig ein Recht zur Vertragsumsteuerung gewährt werden sollte. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen begründet eine bloß drohende Störung des Synallagmas schwerlich einen Verstoß gegen das Gebot austauschender Gerechtigkeit. Will der Gläubiger dennoch die bloß drohende Vertragsverletzung zum Anlass nehmen, um sich vom Vertrag zu lösen, und stützt sich dabei etwa auf eine Täuschung über die Leistungsfähigkeit, handelt es sich zudem in Wahrheit um eine irrtumsbegründete Einwirkung auf das Vertragsverhältnis wegen einer Störung des Vertragsschlusses selbst. Dennoch bilden die obigen Ausführungen zur Rechtfertigung der Vertragsumsteuerung wegen einer realisierten Störung des Synallagmas auch die Grundlage zur Erklärung einer vorzeitigen Vertragsumsteuerung. Diese können auch bei einer bloß drohenden Vertragsverletzung fruchtbar gemacht werden, wenn bereits gegenwärtig davon ausgegangen werden kann, dass auch beim vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt der Leistungserbringung jene Störung eintreten wird. Dann stellt sich nämlich die Frage, ob das später offenkundig überwiegende Liberationsinteresse bereits die gegenwärtige Annahme entsprechender Gläubigerrechte zulässt, weil bereits die aktuelle Gefährdung der Leistung der austauschenden Gerechtigkeit widerspricht. Tatsächlich muss schließlich berücksichtigt werden, dass auch der Wert einer Leistung durch die Wahrscheinlichkeit bestimmt wird, die Leistung wie vertraglich versprochen zu erhalten. Tritt jedoch offensichtlich eine Störung des Synallagmas ein, entspricht die Leistung bereits gegenwärtig nicht mehr dem subjektiven Äquivalenzverhältnis. Die Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht wegen der aktuellen Leistungsgefährdung gerät dann mit der austauschenden Gerechtigkeit 163 164

Clevinghaus (2007) S. 52. Vgl. zur Definition der Vertragsverletzung bereits oben Unberath (2007) S. 182.

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Kapitel 1: Grundlagen und Gang der Untersuchung

in Konflikt.165 Diese vertragstheoretischen Überlegungen ebnen daher den Weg für die einfachgesetzliche Normierung eines Vertragsumsteuerungsrechts wegen drohender Vertragsverletzung. d) Legitimation der Vertragsumsteuerung aus sonstigen Gründen Abschließend muss berücksichtigt werden, dass sich die möglichen Ursachen, die ein Aufhebungsinteresse des Gläubigers begründen, nicht in Störungen des Synallagmas erschöpfen. Allerdings stellt sich die Frage, inwiefern außerhalb jener Enttäuschung eine Vertragsumsteuerung im Konflikt mit dem Grundsatz pacta sunt servanda legitim ist. Während nämlich die Störung des Synallagmas nicht nur ein entsprechendes Aufhebungsinteresse des Gläubigers begründet, sondern gerade diese Vertragsverletzung wegen der unmittelbaren Behinderung des gegenseitigen Austauschverhältnisses und der damit verbundenen Schwere der Pflichtverletzung per se Legitimationswirkung entfaltet, kann bei sonstigen Pflichtverletzungen von letzterem keine Rede sein. Sofern das Leistungsinteresse des Gläubigers in keiner Weise enttäuscht wird, stellt sich gar die Frage, ob überhaupt eine Vertragsverletzung in Betracht kommen kann. Schließlich wird in Fällen der Verletzung des Integritätsinteresses gerade nicht auf das Ausbleiben des status ad quem reagiert. Die hiermit angesprochenen Interessen stehen sich vielmehr insofern diametral gegenüber, als mit dem Vertrag ein bestimmter Leistungserfolg angestrebt wird, während der Rechtsgüterschutz als Ausfluss der Maxime neminem laede die Erhaltung des status quo zum Gegenstand hat.166 Um in diesen Fällen einem Legitimationsdefizit zu begegnen, bedarf es eines immerhin mittelbaren Bezugs zum Vertragsprogramm. Für Zwecke der Vertragsumsteuerung wegen einer drohenden Insolvenz wird darauf jedoch nur am Rande zurück zu kommen sein, wo sich Fragen der Abgrenzung der anwendbaren Normen ergeben.167

165

So zu § 323 IV BGB, Mossler, ZIP 2002, 1831 [1834 dort Fn. 9]. Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [16]; Grigoleit, in: FS Canaris Bd. I (2007) S. 275 [277]. 167 Um mit entsprechenden Irrtümern aufzuräumen, wonach § 324 BGB als ein allgemeiner Auffangtatbestand bei unzumutbaren Leistungsgefährdungen in Betracht komme, soll hierauf allein im Zusammenhang mit § 323 IV BGB näher eingegangen werden. 166

Kapitel 2

Grundlagen der Vertragsumsteuerung Auch vor dem Hintergrund der sich widerstreitenden Interessen bleibt die Anknüpfung an eine Störung des Synallagmas eine Antwort schuldig, ab wann eine Vertragsumsteuerung gerecht erscheint. Die vertragstheoretische Fundierung im Synallagma kann lediglich erklären, warum die Abstandnahme vom Vertrag gerechtfertigt ist.1 Die Formulierung abstrakter Einschränkungsprinzipien zur Lösung des oben genannten Interessenkonflikts bereitet schließlich deshalb Schwierigkeiten, weil die erforderliche Bewertung der Gefährdung des Leistungsinteresses von den beschränkten Wirkungen des Leistungszwangs und des Sekundäranspruchs abhängt, sodass die Frage der hinreichenden Gefährdung kaum abstrakt und universell beantwortet werden kann.2 Nach der Analyse der zugrundeliegenden Interessen, widmet sich das folgende Kapitel daher der positivrechtlichen Ausgestaltung der Vertragsumsteuerungsrechte nach Fälligkeit. Dies ist für die Betrachtung des antizipierten Vertragsbruchs zwingend, da § 323 IV BGB auf jene Voraussetzungen des Rücktritts Bezug nimmt und auch Art. 72 I CISG in Parallele zu Artt. 49 und 64 CISG auf eine wesentliche Vertragsverletzung rekurriert. Die in BGB und CISG jeweils normierten Vertragsumsteuerungsrechte wegen eingetretener Vertragsverletzung bilden demnach die Systemreferenz eines antizipierten Vertragsbruchs. Daneben wird im Folgenden auch auf weitere Rechtsfolgen neben der Vertragsumsteuerung zurückzukommen sein. Schließlich darf eine Betrachtung der Vertragsumsteuerung weder den Preis ausblenden, den diese Partei dafür durch Auferlegung von Rückgewährpflichten zu zahlen hat,3 noch die Kombination mit kompensatorischen Rechtsbehelfen unberücksichtigt lassen.

I. Bestimmung der Fälligkeit in BGB und CISG I. Bestimmung der Fälligkeit

1. Das Fälligkeitserfordernis im Rahmen der Vertragsverletzung Sowohl § 323 BGB als auch Artt. 45, 61 CISG setzen die Rückständigkeit der Schuld als zwar nicht hinreichende, aber doch notwendige Mindestanforderung 1

Dastis (2017) S. 61; Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [122]. Unberath (2007) S. 363. 3 Vgl. Lorenz, in: Schulze/Schulte-Nölke (2001) S. 329 [330]. 2

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

einer Vertragsumsteuerung voraus.4 Die Fälligkeit bildet damit insofern eine Zäsur im Leben der Schuld, als dort die bisherige Berechtigung in eine Verpflichtung umschlägt, aus deren Verstreichenlassen überhaupt erst eine Vertragsverletzung resultiert.5 Sie markiert damit den frühesten Zeitpunkt, ab dem sich der Schuldner vertragswidrig verhält und schafft so die zeitliche Grenze zum antizipierten Vertragsbruch. Dass der Vertrag auch an ein zeitliches Moment anknüpft, folgt aus der Tatsache, dass jeder Vertrag eine Bestimmung der Leistungszeit enthält oder hilfsweise durch gesetzliche Bestimmungen eine Terminbestimmung erfährt.6 Ein bestehendes Vertragsverhältnis hat keine Einigung über irgendwann zu erbringende Leistungen zum Gegenstand.7 Dementsprechend wird die Vertragsverletzung in § 323 I BGB als Nichterbringung einer fälligen Leistung umschrieben. Zwar tritt demgegenüber das Fälligkeitserfordernis bei der Vertragsaufhebung im CISG nicht derart offen zu Tage, wenn Artt. 45, 61 CISG eine Nichterfüllung der nach dem Vertrag oder diesem Übereinkommen obliegenden Pflichten fordern. Jedoch bedingt die eben angesprochene Selbstverständlichkeit der Bestimmung einer Leistungszeit, dass hierbei die Nichterfüllung einer Leistungspflicht bei Fälligkeit gemeint ist.8 Dementsprechend stellt auch Art. 72 I CISG als Regelung des antizipierten Vertragsbruchs spiegelbildlich auf den vor dem für die Vertragserfüllung festgesetzten Zeitpunkt ab. 2. Fälligkeit der Leistung im BGB Fälligkeit wird in Anlehnung an § 271 I BGB als derjenige Zeitpunkt verstanden, ab dem der Gläubiger die Leistung verlangen kann.9 Der Begriff der Fälligkeit als zeitliche Komponente der Leistungsmodalität ist dabei in zweierlei Hinsicht abzugrenzen. Zum einen unterscheidet § 271 BGB insofern zwischen der Zeit, ab welcher der Gläubiger die Leistung verlangen kann, und der Zeit, ab welcher der Schuldner sie bewirken darf. Letzteres betrifft die von der Fälligkeit zu unterscheidende Erfüllbarkeit. Für das Vorliegen einer Pflichtverletzung durch den Schuldner ist vordergründig das Vorliegen einer fälligen Forderung maßgeblich, während die Nichtannahme trotz Erfüllbarkeit lediglich

4

Gernhuber, Erfüllung (1994) § 3 I 3. Friedrich, AcP 178 (1978) 468 [489]. 6 Auch bei einem Kauf auf Abruf liegt es nicht anders. Die insofern maßgeblichen Normen des § 315 BGB bzw. Art. 33 I lit. b CISG lockern lediglich in zeitlicher Hinsicht das Bestimmtheitserfordernis und verschieben die Bestimmung auf den späteren Konkretisierungsakt, vgl. Staudinger/Rieble (2015) § 315 BGB Rn. 4 ff. 7 Nastelski, JuS 1962, 289 [289 f.]. 8 Vgl. nur Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 45 Rn. 5. 9 BGH Urt. v. 11.12.2013, IV ZR 46/13 = NJW 2014, 847 [848]; HK-BGB/Schulze (2017) § 271 Rn. 2; Jauernig/Stadler (2015) § 271 Rn. 2. 5

I. Bestimmung der Fälligkeit

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die Verletzung einer Obliegenheit begründen kann.10 Zum anderen darf die Fälligkeit einer Leistung nicht mit dem Bestehen der Leistungspflicht selbst vermengt werden. Bei dem Rekurs auf das Forderungsrecht oder die Rechtzeitigkeit darf mithin nicht unterschlagen werden, dass mit der Fälligkeit nicht der erst zum Bestehen der Leistungspflicht als solche führende Zeitpunkt gemeint ist. Insofern ist der künftige Ausführungstermin von der Bedingung oder Befristung einer Leistungspflicht zu unterscheiden. Bei letzteren gelangt die Leistungspflicht erst zur Entstehung, sodass eine gleichwohl vorgenommene Leistung der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung unterläge.11 Umgekehrt erfasst schließlich auch § 813 II BGB allein die bereits bestehende aber noch nicht fällige Schuld.12 Fälligkeit i. S. d. § 271 I BGB beschreibt somit den Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger Befriedigung wegen einer existierenden Leistungspflicht fordern kann. Der Regelung des § 271 I BGB, die als dispositive Ergänzungsnorm bei fehlender Leistungszeitbestimmung sofortige Fälligkeit anordnet, lässt sich entnehmen, woraus sich ein Leistungstermin ergeben kann. Danach sind sowohl gesetzliche als auch vertragliche Bestimmungen vorrangig zu berücksichtigen.13 Mit der Berücksichtigung weiterer, insbesondere aus der „Natur des Schuldverhältnisses“ resultierender Umstände ist hingegen keine Anerkennung einer weiteren Rechtsquelle verbunden. Die Bestimmung anhand solcher Umstände ist vielmehr ohnehin Teil der Auslegung einer vertraglichen Vereinbarung.14 Erst wenn auch hiernach eine Leistungszeit nicht bestimmt werden kann, tritt nach § 271 I BGB sofortige Fälligkeit ein.15 Die Parteien sind also zum einen weitestgehend frei darin, vom gesetzlichen Leitbild sofortiger Fälligkeit abzuweichen.16 Zum anderen muss die Anordnung sofortiger Fälligkeit als rechtliches Konstrukt freilich vor dem Hintergrund betrachtet werden, dass

10 Freilich steht das Annahmeverzug begründende Angebot den objektiven Verzugsvoraussetzungen entgegen, sodass ein Rücktritt nach § 323 BGB dann nicht weiter möglich ist, MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 276. 11 Nastelski, JuS 1962, 289 [290]. 12 Staudinger/Lorenz (2007) § 813 BGB Rn. 16. 13 Vgl. bspw. die ebenso dispositiven §§ 488 II, 556b I, 579, 587, 609, 614, 641 I BGB. 14 MüKoBGB/Krüger (2016) § 271 Rn. 30. 15 Abweichend bestimmt § 475 I 1 BGB, dass der Gläubiger die Leistung nur unverzüglich verlangen kann, vgl. zur Vorgängernorm BT-Drucks. 17/12637, 70; sehr krit. weil so über den Umweg der Fälligkeit – maßgeblich ist eine Leistungserbringung ohne schuldhaftes Zögern, § 121 I BGB – auch in § 323 BGB wieder ein Verschuldenskriterium getragen wird, Kohler, NJW 2014, 2817 [2820]; Windorfer, VuR 2014, 216 [220]. 16 § 271a BGB ändert nach überwiegender Auffassung nichts daran, dass die sich aus § 271 I BGB ergebende sofortige Fälligkeit das gesetzliche Leitbild darstellt, Pfeiffer, BB 2013, 323 [325]; Faust, DNotZ 2015, 644 [656]; Palandt/Grüneberg (2019) § 271a Rn. 1. Für eine Berücksichtigung des § 271a BGB im Rahmen der nach § 308 Nr. 1 lit. a BGB zu treffenden Interessenabwägung, AG Mannheim BB 2015, 2515 m. Anm Ayad.

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

im BGB jegliche Sekundärfolgen grundsätzlich von einer fruchtlosen Mahnung oder Fristsetzung abhängen, wodurch die augenscheinlich strenge Fälligkeitsbestimmung deutlich entschärft wird.17 Für die im Umfeld eines antizipierten Vertragsbruchs interessierende vertraglich vereinbarte Hinauszögerung der Fälligkeit muss indessen berücksichtigt werden, dass der Privatautonomie in mehrerer Hinsicht gesetzliche Grenzen gesetzt werden, wenn die Fälligkeitsvereinbarung eine Entgeltforderung betrifft. So wird die vertragliche Bestimmung der Fälligkeit durch die in Umsetzung der Richtlinie RL 2011/7/EU18 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr eingefügte Norm des § 271a BGB beschränkt. Damit werden im geschäftlichen Verkehr – ausgenommen sind nach § 271a V Nr. 2 BGB Verbraucher in der Eigenschaft als Entgeltschuldner19 – die Möglichkeiten beschnitten, überlange Zahlungsfristen für Entgeltforderungen zu vereinbaren.20 Dadurch soll vermieden werden, dass durch das Hinausschieben der Fälligkeit auf Seiten des Schuldners der Eintritt der objektiven Verzugsvoraussetzungen und damit zugleich das Entstehen von Sekundärrechten auf Seiten des Gläubigers verhindert wird.21 Eine wichtige Ausnahme gilt ausweislich der Gesetzesbegründung jedoch für nachträgliche Stundungsvereinbarungen. Da diese eine bereits bestimmte Leistungszeit nur hinausschieben, findet § 271a BGB dort keine Anwendung.22 Nachdem der Anspruch des Gläubigers dort bereits existiert, droht der von der Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr befürchtete Missbrauch der Vertragsfreiheit zum Nachteil des Gläubigers dort nicht in demselben Maße.23 Dem Gläubiger wird dadurch vielmehr die Verständigung mit einem in Zahlungsschwierigkeiten geratenen Schuldner ermöglicht.24 Im Fall einer individualvertraglich vereinbarten Überschreitung der in § 271a BGB geregelten Maximalfrist ist die Vereinbarung nur wirksam, wenn

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Vgl. Riehm (2015) S. 276. ABl. Nr. L 48 S. 1. 19 Damit geht die Norm zu Gunsten von Verbrauchern insofern über die mindestharmonierenden (Art. 12 III RL 2011/7/EU) Vorgaben der RL zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr hinaus, als Verbrauchern längere Zahlungsfristen eingeräumt werden können, Verse, ZIP 2014, 1809 [1810]. 20 MüKoBGB/Krüger (2016) § 271a Rn. 2; krit. zu salvatorischen Klauseln, Faust, DNotZ 2015, 644 [656]. 21 Faust, DNotZ 2015, 644 [645]. Vgl. daher auch § 286 V BGB, der Artt. 3 f. RL 2011/7/EU Rechnung trägt, denen es gerade um die Verhinderung des Verzugseintritts geht, Verse, ZIP 2014, 1809 [1813]. 22 BT-Drucks. 18/1309, 15. 23 Vgl. dazu Erwägungsgrund Nr. 28 RL 2011/7/EU. 24 BeckOK BGB/Lorenz § 271a Rn. 8.1.; MüKoBGB/Krüger (2016) § 271a Rn. 6. Zweifelnd bzgl. der Richtlinienvereinbarkeit, Verse, ZIP 2014, 1809 [1811]. Insgesamt krit. BeckOGK/Krafka BGB § 271a Rn. 19 f. 18

I. Bestimmung der Fälligkeit

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sie ausdrücklich getroffen wird und im Hinblick auf die Belange des Gläubigers nicht grob unbillig ist, § 271a I 1 BGB. Letzteres ist ausweislich des Katalogs des Art. 7 I lit. a – c RL 2011/7/EU basierend auf einer alle Umstände des Falles berücksichtigenden Prüfung zu bestimmen, in der neben der Art der Ware oder der Dienstleistung insbesondere zu berücksichtigen ist, inwiefern eine grobe Abweichung von der guten Handelspraxis vorliegt, die gegen den Grundsatz des guten Glaubens und der Redlichkeit verstößt.25 Daneben sehen dort, wo die Bestimmung auf einer AGB-Klausel beruht, § 308 Nr. 1a und Nr. 1b BGB zudem entsprechende Verschärfungen vor.26 In keinem Fall aber führt ein Verstoß gegen diese Vorschriften zu einer Nichtigkeit des Vertrags (§ 271a IV BGB bzw. § 306 I BGB). Die sich aus einer danach nichtigen AGBKlausel ergebende Anwendbarkeit der gesetzlichen Fälligkeitsregelung des § 271 BGB folgt aus § 306 II BGB. Zwar fehlt daneben bei Verletzung des § 271a BGB eine Entsprechung des § 306 II BGB für § 271a IV BGB.27 Jedoch führt nach einhelliger Auffassung bereits der Umstand, dass der Vertrag im Übrigen wirksam bleiben soll, zur Anwendbarkeit dispositiven Rechts.28 3. Bestimmung der Fälligkeit im UN-Kaufrecht Eine einheitliche und § 271 BGB vergleichbare Fälligkeitsregelung für sämtliche Leistungspflichten existiert im UN-Kaufrecht nicht. Der getrennten Darstellung der Käufer- und Verkäuferpflichten folgend finden sich in den Artt. 33 f. und 58 CISG spezielle Vorschriften zur Liefer- und Zahlungszeit. Hinsichtlich der Erfüllbarkeit lässt sich zugleich ein Gleichlauf der die Fälligkeit der Pflichten des Verkäufers betreffenden Norm des Art. 33 CISG eine Regelung entnehmen.29 Denn eine dem Willen des Käufers widersprechende frühere Lieferung ist gem. Art. 52 I CISG unzulässig. Mit Blick auf die Erfüllbarkeit unterscheidet sich die Norm von der Zweifelsregelung des § 271 II BGB somit darin, dass die Möglichkeit einer früheren Lieferung von dem konkret subjektiv zu bestimmenden Interesse abhängt.30 Dagegen fehlen Regelungen zur Erfüllbarkeit einer Zahlungspflicht. Da eine vorzeitige Zahlung auch kaum dem Interesse des Verkäufers zu widersprechen scheint, ist eine Zurückweisung dort auch praktisch ohne Relevanz.31 25

BT-Drucks. 18/1309, 14. Ausführlich dazu Verse, ZIP 2014, 1809 [1813 ff.]. 27 BT-Drucks. 18/1309, 17. 28 BeckOK BGB/Lorenz § 271a Rn. 26; Staudinger/Bittner (2015) § 271a BGB Rn. 4.28. 29 BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 33 Rn. 2. 30 Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine CISG (2000) Art. 52 Rn. 2. Eine verfrühte Lieferung i. S. d. Art. 52 I CISG liegt hingegen nicht vor, wenn sich die Lieferzeit allein aus Art. 33 lit. c CISG ergibt, Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 52 Rn. 2. 31 Vgl. statt vieler BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 58 Rn. 8; krit. Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 86; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz CISG (2000) Art. 58 Rn. 11. Tritt eine Veränderung der Währungsparität zum Nachteil des Verkäufers ein, kann 26

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

a) Fälligkeit der Lieferpflicht nach Art. 33 CISG Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine die Lieferzeit betreffende Vereinbarung ohnehin vorrangig zu berücksichtigen ist, betont Art. 33 lit. a und lit. b CISG eine sich bereits aus Art. 6 Var. 2 CISG ergebende Selbstverständlichkeit.32 Dort findet sich durch den Bezug auf die Vertragsumstände gleichermaßen der gesetzgeberische Hinweis, dass vorab alle Möglichkeiten vertraglicher Auslegung ausgeschöpft werden sollen. Dabei nimmt Art. 33 lit. a CISG allein einen genauen Zeitpunkt in den Blick, während Art. 33 lit. b CISG auf einen vertraglich bestimmten oder bestimmbaren Zeitraum abstellt. Ebenso genügt es für eine Anwendbarkeit des Art. 33 lit. a CISG, wenn sich ein bestimmter Liefertermin aus internationalen Gebräuchen ergibt, Art. 9 II CISG.33 Erst wenn ein Zeitpunkt oder ein Zeitraum weder bestimmt noch vertraglich bestimmbar ist, gilt nach Art. 33 lit. c CISG letztlich eine angemessene Frist nach Vertragsabschluss als Lieferzeit.34 Ergänzt wird die Fälligkeitsregelung des Art. 33 CISG durch Art. 34 CISG, indem dort insbesondere geregelt ist, dass Dokumente zu dem vertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu übergeben sind. Lässt sich eine solche Vereinbarung auch durch Auslegung nicht ermitteln, ist in entsprechender Anwendung des Art. 33 lit. c CISG auf eine angemessene Frist abzustellen.35 Nach Artt. 53, 60 lit. b CISG zählt schließlich auch die Abnahme der Ware zu den Pflichten des Käufers. Auch hierfür findet sich keine Fälligkeitsregelung im UN-Kaufrecht. Es ist allerdings allgemein anerkannt, dass für die sog. Empfangszeit der Norm des Art. 33 lit. c CISG ebenfalls der allgemeine Grundsatz zu entnehmen ist, dass der Käufer die Ware innerhalb angemessener Frist im Anschluss an die Lieferung übernehmen muss.36 Die Bestimmung der Angemessenheit im Sinne des Art. 33 lit. c CISG ist somit in mehrerer Hinsicht von Bedeutung und hängt unter Abwägung der beiderseitigen Interessen von den Umständen des Einzelfalls ab.37 Basiert die Ver-

dieser die Differenz schließlich im Wege des Schadensersatzes verlangen. Strittig ist einzig, ob sich der Verkäufer dieses Recht bei Annahme vorbehalten muss, dafür Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 58 Rn. 31; Kröll/Mistelis/PeralesViscasillas/Butler/Harindranath CISG (2018) Art. 58 Rn. 33; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 58 Rn. 28; a. A. Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 146. 32 Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 33 Rn. 7. 33 Enderlein, IPRax 1991, 313 [314]. 34 Dies gilt auch für Vereinbarungen die ohne Rechtsbindungswillen getroffen werden. Solche Angaben können allenfalls bei der Bestimmung der angemessenen Lieferzeit Berücksichtigung finden, vgl. Tribunale di Forli, IHR 2013, 161 [164]; Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 33 Rn. 8. 35 MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 34 Rn. 5 m.w.N. 36 Vgl. zur h.M. Schlechtriem/Schwenzer/Lüchinger CISG (2013) Art. 33 Rn. 5 m. w. N. Für eine Pflicht zu sofortiger Annahme, Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 33 Rn. 29. 37 Vgl. nur Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Piltz CISG (2018) Art. 33 Rn. 26 ff.

I. Bestimmung der Fälligkeit

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zögerung auf Hindernissen der Verkäuferseite, die dem Käufer bei Vertragsschluss bekannt oder für ihn erkennbar waren, kann dies die Lieferzeit hinausschieben.38 Vorsicht ist jedoch geboten, wenn eine Berücksichtigung von Umständen stets davon abhängig gemacht wird, dass dem Schuldner jene Umstände bei Vertragsschluss bekannt oder für diesen erkennbar waren.39 Dann droht die Einschränkung des Umfangs etwaiger Schadensersatzpflichten im Gewand einer Fälligkeitsbestimmung vorweggenommen zu werden. Zwar können die Interessen der Parteien bei der Bestimmung der Leistungszeit in Ermangelung einer bestimmten Vereinbarung nicht gänzlich ausgeblendet werden. Gleichermaßen darf jedoch nicht übersehen werden, dass die Einschränkung eines Verzugsschadens unter Gesichtspunkten der Vorhersehbarkeit erst im Rahmen des Art. 74 S. 2 CISG zu erfolgen hat, im Übrigen aber ein objektiver Haftungsmaßstab gilt.40 Dies setzt wiederum überhaupt erst eine Vertragsverletzung voraus, die nicht systemwidrig wegen einer Verneinung der Vorhersehbarkeit daraus resultierender Konsequenzen abgelehnt werden darf.41 Tatsächlich wird deshalb die überwiegend allein im Zusammenhang mit Art. 74 S. 2 CISG geführte Diskussion des korrekten Anknüpfungspunkts der Voraussehbarkeitsregel bereits im Rahmen der Fälligkeit relevant. Insofern bleibt festzuhalten, dass für Art. 74 S. 2 CISG nicht an die Vertragsverletzung anzuknüpfen ist, die den Schadensersatzanspruch erst begründet, sondern auf die Voraussehbarkeit der Konsequenzen jener Umstände abzustellen ist.42 Die Schwierigkeit liegt nun darin begründet, dass erst eine bestimmte Leistungszeit eine Aussage darüber zulässt, welche Umstände im Rahmen des Art. 74 S. 2 CISG eine Einschränkung erlauben – und damit wiederum bei Art. 33 lit. c CISG unbenommen der Kenntnis zu berücksichtigen sind. Abstrakt formuliert sind bei der Ermittlung der Fälligkeit deshalb diejenigen Umstände nicht von der Kenntnis abhängig zu machen, die als Folgen oder Begleitschäden des Ausbleibens der Leistung objektiv betrachtet und vorbehaltlich der Vorhersehbarkeit durch den Verkäufer von ihm als Schuldner zu tragen sind.43 Eine Be38

Honsell/Ernst/Lauko CISG (2009) Art. 33 Rn. 16. Vgl. nur OLG Rostock Urt. v. 15.9.2003, 3 U 19/03 = CISG-online No. 920; Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 33 Rn. 7; Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine CISG (2000) Art. 33 Rn. 8; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 33 Rn. 11; Honsell/ Ernst/Lauko CISG (2009) Art. 33 Rn. 14. 40 Vgl. hierzu Pellegrino, ZEuP 1997, 41 [49 f.]. 41 Die Problematik ähnelt damit dem durch den § 474 III BGB geschaffenen und oben beschriebenem Dilemma der Berücksichtigung von Verschuldenskriterien bereits bei der Bestimmung der Fälligkeit. 42 OGH Urt. v. 14.1.2002, 7 Ob 301/01t = CISG-online No. 643; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 74 Rn. 27; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 74 Rn. 50. 43 Zu den i. R. d. Art. 74 CISG diskutierten Fallgruppen der Nichterfüllungs-, Begleitund Folgeschäden, vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 74 Rn. 51 ff. 39

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

rücksichtigung von Umständen, die zu einer Verkürzung der Lieferzeit zugunsten des Käufers führen, kann dort nicht mit dem Argument abgelehnt werden, diese Umstände seien dem Verkäufer unbekannt, sofern es sich dabei lediglich um von Art. 74 S. 2 CISG erfasste Fallgruppen handelt: das ist eine Frage des Schadensersatzes. b) Fälligkeit der Pflicht zur Kaufpreiszahlung nach Art. 58 CISG Neben der Pflicht zur Abnahme der Ware ist der Käufer verpflichtet den Kaufpreis zu zahlen, Artt. 53 f. CISG.44 Wann der Kaufpreis fällig wird, bestimmt sich bei Fehlen diesbezüglicher Vereinbarungen nach Art. 58 CISG. Wie auch Art. 33 CISG räumt Art. 58 I 1 CISG damit einer stipulierten Fälligkeit den Vorrang ein.45 Zwar bekräftigt die Negativformulierung des Art. 58 I 1 CISG lediglich einen sich ohnehin aus Art. 6 CISG ergebenden Vorrang.46 Allerdings lässt sich daraus zugleich der Schluss gewinnen, dass mit der Reichweite privatautonom vereinbarter Fälligkeitsbestimmungen ein Regelungsbereich betroffen ist, der nationalen Vorschriften entzogen ist, vgl. Art. 4 S. 2 CISG. § 271a BGB findet mithin keine Anwendung und die Parteien unterliegen keinen Einschränkungen bei Entgeltforderungen betreffenden Fälligkeitsvereinbarungen. Ist eine Fälligkeitsvereinbarung dagegen nicht erkennbar, ergibt sich die Fälligkeit der Zahlungspflicht dagegen aus Art. 58 I 1, III CISG. Danach hat der Käufer die Zahlung zu leisten, wenn ihm die Ware oder die Dokumente, die ihn zur Verfügung darüber berechtigen, zur Verfügung gestellt worden sind und der Käufer die Gelegenheit hatte, die Ware zu untersuchen. Dies bemisst sich wiederum anhand vertraglicher Lieferbedingungen oder subsidiär nach Art. 31 CISG.47 Mit Blick auf das Regelungsziel des Art. 58 CISG ist umstritten, ob insofern zwischen Zahlungshandlung und Zahlungseingang zu differenzieren ist.48

44 Art. 54 CISG verpflichtet den Käufer daneben alle Maßnahmen zu ergreifen, die nach dem Vertrag oder Gesetz erforderlich sind, damit die Zahlung geleistet werden kann. Diese Pflicht besteht somit noch vor Zahlungsfälligkeit, sodass insofern die Artt. 61 ff. CISG bereits Anwendung finden und nicht Artt. 71 f. CISG, Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 1 Rn. 11; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 54 Rn. 5 ff. 45 Vgl. OLG München Urt. v. 19.10.2006, 23 U 2421/05 = CISG-online No. 1394. 46 Schlechtriem/Schwenzer/Mohs CISG (2013) Art. 58 Rn. 5; Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 58 -59 Rn. 3. Zu Beispielen der Praxis, vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 149. 47 OG des Kantons Zug IHR Urt. v. 5.3.2013, Z1 2011 36 = 2014, 149 [151]; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs CISG (2013) Art. 58 Rn. 7. Welche Dokumente über die erforderliche Ausschlussfunktion verfügen, bemisst sich nach dem über das jeweilige IPR anwendbare nationale Recht, Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 34. 48 Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 9 f. Schnyder/Straub sprechen von einem „Zahlungs- und Fälligkeitszeitpunkt“. Der Begriff des Fälligkeitszeitpunkts ist jedoch

I. Bestimmung der Fälligkeit

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Nach vereinzelt vertretener Auffassung werde dem Käufer durch die Norm nur die Pflicht auferlegt, zu dem vorgesehenen Zeitpunkt die Zahlungshandlung vorzunehmen. Der dem nachgelagerte Eintritt des Zahlungserfolgs werde von Art. 58 CISG hingegen nicht gefordert. Hierfür soll zum einen der Wortlaut sprechen, wonach der Käufer verpflichtet ist, „den Kaufpreis zu zahlen“ (amtl. Fassung: must pay it/doit le payer). Zudem wäre der Käufer anderenfalls in Abweichung zu Art. 58 CISG gezwungen, eine Banküberweisung noch vor Zurverfügungstellung oder Untersuchung vorzunehmen, um einen rechtzeitigen Zahlungseingang zu gewährleisten.49 Die h. M. differenziert insofern dagegen nicht und entnimmt Art. 58 CISG unmittelbar die Fälligkeit des Zahlungserfolgs.50 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass auch diejenigen, die Art. 58 CISG allein als Fälligkeitsregelung des Zahlungserfolgs begreifen, die Annahme einer sofort eintretenden Fälligkeit nach Erbringung der dem Verkäufer obliegenden Leistung kaum durchhalten und den vermeintlichen Grundsatz vielfach korrigieren.51 Dort, wo der Käufer erst noch die Ware untersuchen darf – wie regelmäßig gem. Art. 58 III CISG – oder nicht wusste, wann genau ihm Ware bzw. Dokumente zur Verfügung gestellt werden, sei die Fälligkeit insofern zu modifizieren, als sie sich um eine „angemessene Zahlungsdauer“ verlängere.52 Das ist im Ergebnis jedoch nichts anderes als die Anerkennung der Tatsache, dass das Eintreffen der Zahlung beim Verkäufer von dem Termin zur Vornahme der Zahlungshandlung zu unterscheiden ist und nur letzteres Art. 58 CISG unterfällt.53 Dies entspricht auch einem teleologisch zu-

missverständlich, wenn gleichermaßen gerade mögliche Anknüpfungspunkte der Fälligkeit beschrieben werden. 49 Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 8 ff.; im Ergebnis ähnlich, die Beschränkung des Art. 58 CISG auf den Zahlungszeitpunkt aber ablehnend MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 58 Rn. 11. 50 OLG Düsseldorf Urt. v. 28.05.2004, I-17 U 20/02 = CISG-online No. 850; BG Schweiz Urt. v. 20.12.2006, 4C.314/2006 = CISG-online No. 1426; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 147; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Mankowski CISG (2018) Art. 58 Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs CISG (2013) Art. 58 Rn. 7; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 58 Rn. 1; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 58 Rn. 10; MüKoHGB/Wertenbruch CISG (2018) Art. 58 Rn. 1; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Butler/Harindranath CISG (2018) Art. 58 Rn. 10; Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 58 -59 Rn. 1; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz CISG (2000) Art. 58 Rn. 8. 51 Bereits zum Entwurf des CISG diese Klarstellung wünschend, U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413 [515]. 52 LG Padua (Italien) Urt. v. 25.2.2004, Nr. 40552 = IHR 2005, 31 [32]; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 153; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 58 Rn. 11; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 58 Rn. 13; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 58 Rn. 3; für eine Analogie des Art. 79 CISG, Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz CISG (2000) Art. 58 Rn. 8. 53 Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 12.

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

treffenden Normverständnis: So wie bei der Betrachtung der Verkäuferpflichten unter Fälligkeitsgesichtspunkten allein die Leistungshandlung maßgeblich ist,54 kommt es auch bei der Käuferpflicht auf die Vornahme der Leistungshandlung an.

II. Verwirklichung des Äquivalenzprinzips und Schutz des funktionellen Synallagmas auf Ebene der Sekundärrechte II. Äquivalenzprinzip und Schutz des funktionellen Synallagmas

Der fehlende Einwand des nicht erfüllten Vertrags auf Seiten des Schuldners findet sich als Negativvoraussetzung weder in § 323 BGB55 noch in Artt. 49, 64 CISG wieder. Als dogmatischer Anknüpfungspunkt verbleibt indessen gleichermaßen die Vertragsverletzung selbst. Nachdem nämlich die Vertragsumsteuerung eine Reaktion auf die Störung des Synallagmas durch den Schuldner ist, kann der ebenfalls auf einer Störung des Synallagmas durch den Gläubiger basierende Einwand des nicht erfüllten Vertrags den sachlich rechtfertigenden Grund in Form der Vertragsverletzung aufheben, die dem Gläubiger die Abstandnahme vom Vertrag erlaubt.56 Zwar zeigen dabei die Verflechtung von Leistungsaustausch und Fälligkeit in Art. 58 CISG sowie die Diskussion um die Einordnung der Durchsetzbarkeit als Aspekt der Fälligkeit im BGB eine gewisse Verwandtschaft zum Fälligkeitserfordernis.57 Tatsächlich können sich insofern Wechselwirkungen ergeben, als etwa eine Fälligkeitsvereinbarung in Form einer Stundung den zur Zug-um-Zug Leistung anhaltenden Einwand des nicht erfüllten Vertrags beseitigt und den Erfüllungszusammenhang entkoppelt.58 Allerdings übersieht eine Gleichsetzung von Fälligkeit und Durchsetzbarkeit, dass dies im Rahmen der Vereinbarung eines do ut des zu einer wechselseitigen Blockade führen würde, da jede Leistung erst fällig wäre, nachdem die andere erbracht ist.59 Dies verdeutlicht, dass mit dem Einwand des nicht erfüllten Vertrags und den daraus folgenden Auswirkungen auf das Vorliegen 54 Schließlich kommt es nach h. M. nicht auf die Vertragsmäßigkeit der Ware an, Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 154; Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 22; a. A. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 45 Rn. 22, doch überzeugt die Befürchtung nicht, das Untersuchungsrecht aus Art. 58 III CISG verlöre seinen Sinn. Nach Untersuchung weiß der Käufer, ob er den nun allein fälligen Kaufpreisanspruch noch vor Begleichung mindern oder durch Aufrechnung kürzen kann. 55 Parallel setzt § 281 BGB laut BT-Drucks. 14/6857, 47 „natürlich auch eine durchsetzbare Forderung voraus.“ 56 Herresthal, JURA 2008, 561 [562]. 57 Dafür etwa Esser/Schmidt, Schuldrecht AT (1995) § 11 II; Gernhuber, Erfüllung (1994) § 3 I 4; Faust, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 119. 58 Krafka, MittBayNot 2011, 459 [462]; Gernhuber, in: FS Raiser (1974) S. 57 [73]; Gröschler, AcP 201 (2001) 48 [60 ff.]. 59 U. Huber, Gutachten (1981) S. 818.

II. Äquivalenzprinzip und Schutz des funktionellen Synallagmas

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einer Vertragsverletzung eine von der Fälligkeit zu unterscheidende Sachfrage betroffen ist.60 Erst der Einwand des nicht erfüllten Vertrags gewährleistet den vereinbarten Erfüllungsmodus fälliger Vertragspflichten, indem er zum Schutz beider Parteien ein aus der synallagmatischen Verbindung resultierendes Sicherheits- und ein Druckmittel bietet.61 Ein auf der Gegenseitigkeit fußendes Zurückbehaltungsrecht verleiht dem Schutz des Schuldners Ausdruck, indem die Gläubigerforderung ohne Erbringung der Gegenforderung nicht durchgesetzt werden kann.62 Mit dem Einwand des nicht erfüllten gegenseitigen Vertrags wird daher – wie Ernst treffend formuliert – „die Gegenseitigkeit zweier Ansprüche in dem jeweils eindirektionalen Anspruch abgebildet.“63 Um auf Sekundärebene den Schutz des funktionellen Synallagmas zu erhalten, lautet im Rahmen der Vertragsumsteuerung die Sachfrage daher, inwiefern die Forderung der die Vertragsumsteuerung erklärenden Partei frei von Einwänden der prozeduralen Verwirklichung des Synallagmas ist und ob sich der Schuldner hierauf berufen muss oder nicht.64 Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des nicht erfüllten Vertrags indessen nicht nur im Spannungsfeld mit einer Vertragsumsteuerung von Bedeutung, sondern entfaltet auch mit Blick auf eine Insolvenz besondere Relevanz. Denn die Verfahrenseröffnung äußert sich dort aus Sicht des BGH dadurch, dass die Durchsetzbarkeit der Forderungen erst angenommen werden kann, wenn die Forderung des Vertragspartners durch Erfüllungswahl des Verwalters zur Masseverbindlichkeit wird. Bis zu diesem Punkt herrsche dagegen ein auf den Einwand des nicht erfüllten Vertrags gestützter sog. Durchsetzbarkeitsverlust,65 der folglich zugleich einer Vertragsumsteuerung im Wege stehe. Daher

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Herresthal, JURA 2008, 561 [562 f.]. Vgl. bereits Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II, S. 634: „das Retentionsrecht des § 364 [= 320 BGB] soll jedem Vertragstheile ein Mittel geben, den anderen Theil zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung zu zwingen.“ 62 Zum damit umschriebenen Begriff der Durchsetzbarkeit, Erman/Westermann (2014) § 323 Rn. 10. 63 Ernst, AcP 199 (1999) 485 [490 f.]. 64 Die Unterscheidung von Einwendungen und Einreden im nationalen Recht, wonach letztere nur peremptorisch oder dilatorisch hemmende, nicht aber die Existenz berührende Gegenrechte sind, die zudem nicht ipso iure-Wirkung entfalten, sondern der Geltendmachung bedürfen, soll hier wegen der Einbettung des Einwands des nicht erfüllten Vertrags in die Fälligkeit im CISG bewusst offen bleiben. Zum Ganzen Gröschler, AcP 201 (2001) 48 [49 ff.]; krit. Canaris, in: FS Koziol (2010) S. 45 [55]; zum CISG vgl. Schlechtriem, in: Symposium Vischer (2005) S. 47 [64]. 65 St. Rspr. seit BGH Urt. v. 25. 4. 2002, IX ZR 313/99 = NJW 2002, 2783 [2785]; jüngst bestätigt in BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NZI 2017, 60 [61]; BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111. Vgl. statt vieler, KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 8 f. 61

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

konzentriert sich der folgende Abschnitt auf jenes Gegenrecht des nicht erfüllten Vertrags, das seinen Ursprung im römischen Recht als exceptio non adimpleti contractus findet und sich nach h. M. im CISG aus Art. 58 CISG ergibt,66 während es ausdrücklich als Einrede in § 320 BGB verankert ist.67 1. Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas a) Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas im BGB aa) Funktion des § 320 BGB und dessen Grenzen Nach § 320 BGB kann der Schuldner die ihm aus einem gegenseitigen Vertrag obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn er ist vorleistungspflichtig – dann kommt allein § 321 BGB zum Zuge. Dafür müssen wie auch bei § 323 I BGB die Leistungspflichten im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen oder nach dem Parteiwillen darin einbezogen sein.68 Das so normierte Zurückbehaltungsrecht dient in einem synallagmatischen Vertragsverhältnis somit zum einen der Sicherung, dass eine Partei ihre Leistung nur erbringen muss, wenn sie auch die Gegenleistung erhält, sowie zum

66 Vgl. dazu jüngst obiter dicta, BGH Urt. v. 21.1.2015 – VIII ZR 352/13 = NJW 2015, 1118 [1120]. 67 Zur Berücksichtigung der § 273 BGB und § 369 HGB im Rahmen des Rücktritts, Canaris, in: FS Koziol (2010) S. 45 [57 f.]; Herresthal, JURA 2008, 561 [567]. Für die Existenz eines allgemeinen Zurückbehaltungsrechts im CISG, vgl. OGH Urt. v. 08.11.2005, 4 Ob 179/05k = CISG-online No. 1156; Hartmann, IHR 2006, 181 [182 ff.]; Schlechtriem, in: Symposium Vischer (2005) S. 47 [62 ff.]; Kern, ZEuP 2000, 837 [840 ff.]; krit. Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 58 -59 Rn. 11. Zur bloßen ex nunc Wirkung des § 321 BGB, vgl. Herresthal, JURA 2008, 561 [568]. Zu Art. 71 CISG, vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter CISG (2013) Art. 25 Rn. 18. Ferner lässt sich für Zwecke der weiteren Betrachtung die Verjährung ausklammern, vgl. Graf Wolffskeel v. Reichenberg, NJW 2015, 2833 [2835 ff.]. Zur Anwendbarkeit von § 218 BGB bei dem CISG unterliegenden Verträgen, Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 202; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 112. 68 Dies ist anders als bei § 323 BGB unstreitig, Medicus/Lorenz, SchuldR-AT (2015) § 20 Rn. 239; Staudinger/Schwarze (2015) § 320 BGB Rn. 12 f.; Schur, JuS 2006, 673 [674]; vgl. auch BGH Urt. v. 13. 12. 2012, IX ZR 9/12 = NJW 2013, 1243 [1244].

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anderen als Druckmittel der Durchsetzung des Anspruchs auf die Gegenleistung.69 Damit wird der Modus der Zug-um-Zug Leistung als gesetzlicher Normalfall statuiert, § 322 I BGB.70 Entfällt die Einrede infolge der Leistungserbringung, tritt die Möglichkeit des Rücktritts an deren Stelle. Schließlich übernimmt der Gläubiger auch unter Verzicht auf § 320 BGB freilich nicht ohne Weiteres das Risiko des Ausbleibens der Gegenleistung.71 Wie der BGH jüngst festgestellt hat, kann das Recht zur Einbehaltung der gesamten Gegenleistung nach § 320 I BGB unter Umständen selbst bei nur geringfügiger Vertragswidrigkeit der Leistung bestehen.72 Zwar enthält § 320 II BGB73 eine Einschränkung dahingehend, dass die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden kann, als die Verweigerung nach den Umständen, „insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils,“ gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Ein solcher Verstoß liegt jedoch auch bei geringfügiger Vertragswidrigkeit der Leistung aufgrund des doppelten Schutzzwecks von § 320 BGB dann nicht vor, wenn es angesichts der Gesamtumstände einer Druckausübung auf den Schuldner bedarf, weil dieser sich der vertragsgemäßen Leistungserbringung zu entziehen versucht.74 Anderenfalls verlöre der Gläubiger das wirksamste Druckmittel, um den Schuldner zur Herstellung des vertragsgemäßen Zustands anzuhalten.75 Eine hiervon abweichende Pflicht zur Teilgegenleistung würde dagegen de facto auf eine aufgedrängte Minderung hinauslaufen. Denn einen Rücktritt vom gesamten Vertrag müsste der Schuldner wegen § 323 V BGB kaum fürchten.76 Richtigerweise spricht die Erheblichkeitsschwelle des § 323 V BGB daher weniger gegen Einschränkungen des Zurückbehaltungsrechts bei geringfügigen Mängeln, als vielmehr für dessen Notwendigkeit.77 Dort, wo der Gläubiger mit der Wahl seiner Rechtsbehelfe die Erreichung des vertragsmäßigen Zustands forcieren will, werden ihm vom Gesetz keine weiteren Schranken auferlegt. Ergänzend ist insofern daher einzig festzuhalten, dass bei einer vereinbarten Ratenlieferung 69

BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1101]; BGH Urt. v. 17.7.2013, VIII ZR 163/12 = NJW-RR 2013, 1458 [1459]; BGH Urt. v. 3.11.2010, VIII ZR 330/09 = NJW-RR 2011, 447 [448]; Unberath (2007) S. 367; MüKoBGB/Emmerich (2016) § 320 Rn. 1. 70 Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 13 Rn. 2 ff. 71 Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [5]. 72 BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1101 ff.]. 73 Daneben enthalten die §§ 640 I 2 und 641 III BGB Regelungen, die jedoch spezifisch das Werkrecht betreffen, vgl. Voit, FS Koeble (2010) 225 [228]. Zu § 320 II BGB i. R. e Mietverhältnisses, BGH Urt. v. 17.6.2015, VIII ZR 19/14 = NJW 2015, 3087 [3091]. 74 BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1101]. 75 Vgl. BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1101]. 76 Wilke, EWiR 2017, 237 [238] (= Anm. zu BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15). 77 Vgl. Ostendorf, NJW 2017, 1100 [1103] (= Anm. zu BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15); ebenso vorbehaltlich der Behebbarkeit allerdings gestützt auf § 266 BGB, Lorenz, NJW 2013, 1341 [1343 f.].

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ebenso wenig ein vertragswidriges Leistungsangebot vorliegt wie bei einer von § 266 BGB abweichend akzeptierten Annahme der Teilleistung dergestalt, dass das Schuldverhältnis inhaltlich entsprechend umgestaltet wird.78 bb) Die Konstruktion des funktionellen Synallagmas im BGB: Austausch- vs. Einredetheorie Im deutschen Schuldrecht herrscht mit Blick auf die rechtskonstruktive Dogmatik des Synallagmas lediglich hinsichtlich der konditionellen Gegenseitigkeit Klarheit, nachdem die §§ 275, 326 BGB deutlich machen, dass der Erfüllungszusammenhang insoweit zum Inhalt des einzelnen Anspruchs gehört, als es um das (Fort-)Bestehen der Ansprüche geht.79 Auch wenn die §§ 320, 322 BGB offenkundig das funktionelle Synallagma – also die wechselseitige Abhängigkeit der Ansprüche bei der Abwicklung des Leistungsaustauschs – gewährleisten, ist die dessen rechtliche Konstruktion dagegen seit jeher streitig. Während die Anhänger der sog. Austauschtheorie annehmen, die Gegenseitigkeit sei eine dem Leistungsanspruch selbst innewohnende inhaltliche Beschränkung,80 bleibt es der Einredetheorie zufolge bei der bloßen Begründung eines Gegenrechts der in Anspruch genommenen Partei, das der Ausübung bedarf.81 Tatsächlich überzeugt prima facie der Gedanke einer forderungsimmanenten Beschränkung, wenn der Vertrag auf einen Zug-um-Zug Austausch und nicht Leistung schlechthin gerichtet ist.82 Denn die mit der Einredekonstruktion verbundene Pflicht, wonach der Schuldner erst durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts den Gläubiger an seine Gegenleistungspflicht erneut erinnern muss, scheint mit der von vornherein bestehenden Vereinbarung eines Austauschverhältnisses im Sinne eines do ut des nur schwer vereinbar zu sein.

78 Vgl. bereits Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II, S. 634: „Uebrigens komme der § 364 [320 BGB] überhaupt nicht zur Anwendung, wenn die auf die Leistung in Anspruch genommene Partei einen Theil der Gegenleistung in der Art als Theilerfüllung angenommen habe, daß darin die Einwilligung in eine Theilung des Schuldverhältnisses selbst zu finden sei.“ 79 Staudinger/Schwarze (2015) Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 30. 80 BGHZ 117, 1; Palandt/Grüneberg (2019) § 320 Rn. 1; Canaris, in: FS Koziol (2010) S. 45 [61]; Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 15 I; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. I (1999) § 12 III 1; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT (1995) § 16 II 2. 81 So nun auch der BGH Urt. v. 7.10.1998 - VIII ZR 100-97 = NJW 1999, 53 [53] und die heute h. L. vgl. Gernhuber, in: FS Raiser (1974) S. 57 [64 ff.]; Ernst, AcP 199 (1999) 485 [493 ff.]; Gröschler, AcP 201 (2001) 48 [58]; MüKoBGB/Emmerich (2016) Vor § 320 Rn. 12; Erman/Westermann (2014) Vor § 320 Rn. 11; Staudinger/Schwarze (2015) Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 28 f.; BeckOK BGB/H. Schmidt § 320 Rn. 8; Soergel/Gsell (2005) Vor § 320 Rn. 10 ff.; Medicus/Lorenz, SchuldR-AT (2015) § 20 Rn. 246; offengelassen bei Looschelders, SchuldR-AT (2016) § 15 Rn. 308. 82 Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 15 I; Canaris, in: FS Koziol (2010) S. 45 [61].

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Dennoch ist die Einredetheorie mit Rücksicht auf die lex lata vorzugswürdig, sodass § 320 I BGB erst mit Erhebung der dilatorischen Einrede seine Wirkung entfaltet.83 Anderenfalls wäre die Norm ein funktionsloser Fremdkörper im BGB: „Da bereits verbunden ist, was durch Ausübung der Einrede allenfalls verbunden werden könnte, muss die Einrede dem Prozessrecht zugewiesen werden, als Einrede die eine Beschränkung des eingeklagten Anspruchs aufdeckt, die der Kläger nicht beachtet […] was angesichts des § 139 ZPO obsolet geworden ist.“84 Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass es sich bei der Gegenseitigkeit um eine Beschränkung der Leistungserbringung handelt, mitnichten aber um eine Beschränkung des geschuldeten Leistungsinhalts selbst. Schließlich erbringt der Schuldner bei Inanspruchnahme auch keine kondizierbare Zuvielleistung, wenn er ohne Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts leistet.85 Anderenfalls wäre das Fehlen eines Rechtsgrunds und die bloße Störung des Kausalgeschäfts gleichgesetzt. Die Schwäche der Austauschtheorie kommt letztlich bei einem Austauschvertrag mit Vorleistungspflicht vollends zum Vorschein: zwar ist hier die Einrede des nicht erfüllten Vertrags definitionsgemäß ausgeschlossen. Doch unter der Prämisse, dass die Verpflichtung zur Zug-um-Zug Leistung denknotwendiger Sinn des Synallagmas wäre, ließe sich der Austauschvertrag mit Vorleistungspflicht nicht als synallagmatischer Vertrag begreifen.86 Dies hätte zur Folge, dass die §§ 323 ff. BGB nicht anwendbar wären. Die bloße Lockerung des funktionellen Synallagmas trifft jedoch keine Entscheidung über dessen konditionellen Charakter. Treffend beschreibt deshalb Ernst, dass sich das Synallagma in dem eindirektionalen Anspruch des Gläubigers dergestalt widerspiegelt, dass der Gläubiger durch Eröffnung der Zugriffsmöglichkeit auf die ihm obliegende Gegenleistung einer gläubigerseitigen Mitwirkungsobliegenheit entspricht. Dabei wird die Berücksichtigung des Abhängigkeitsverhältnisses dem Schuldner wegen der Ausgestaltung als Einrede zur Disposition gestellt.87

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MüKoBGB/Emmerich (2016) Vor § 320 Rn. 12. Gernhuber, in: FS Raiser (1974) S. 57 [65]. Das müssen selbst Befürworter der Austauschtheorie eingestehen, vgl. Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 15 I. 85 Vgl. Ernst, AcP 199 (1999) 485 [493] m. w. N. zu den Beratungen des BGB. 86 Gernhuber, in: FS Raiser (1974) S. 57 [66]. 87 Ernst, AcP 199 (1999) 485 [491 ff.]; dem folgend Soergel/Gsell (2005) Vor § 320 Rn. 13; Staudinger/Schwarze (2015) Vorbem. zu §§ 320–326 BGB Rn. 29. 84

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b) Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags und die Konstruktion des Synallagmas im CISG aa) Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags im CISG Der Einwand des nicht erfüllten Vertrags ergibt sich im CISG nach h. M. erst aus einer Zusammenschau der Absätze von Art. 58 CISG.88 Einerseits tritt gem. Art. 58 I 1 CISG die Fälligkeit der den Käufer treffenden Zahlungspflicht erst nach Verstreichen der üblichen Zahlungsdauer im Anschluss an den Zahlungszeitpunkt ein, der sich nach dem verkäuferseitigen Zurverfügungstellen bemisst.89 Zudem ist der Käufer nach Art. 58 III CISG grundsätzlich nicht zur Zahlung verpflichtet, bevor er die Gelegenheit hatte, die Ware zu untersuchen. Andererseits kann der Verkäufer den Risiken der Vorleistung dadurch begegnen, dass er die Übergabe von Ware oder Dokumenten von der Zahlung abhängig macht, Art. 58 I 2 CISG, oder im Falle der Beförderung die Ware oder Dokumente mit der Maßgabe versendet, dass diese nur gegen Zahlung des Kaufpreises zu übergeben sind, Art. 58 II CISG.90 Das Zusammenspiel dieser Normen erlaubt es den Parteien somit, wechselseitig die Erfüllung der im Synallagma stehenden Pflichten zurückzubehalten. Einerseits weil ohne das Leistungsangebot des Verkäufers schon keine Fälligkeit der Zahlungspflicht eintritt und andererseits, weil ohne das Leistungsangebot des Käufers die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts durch den Verkäufer möglich ist. Macht der Verkäufer davon Gebrauch – aber auch nur dann – entspricht die sich daraus ergebende Situation der Zug-um-Zug Abwicklung de facto der Ausübung § 320 BGB im deutschen Recht.91 Im CISG stellt sich gleichermaßen die Frage, inwiefern eine Partei zur Einbehaltung der Leistung berechtigt ist, wenn der Vertragspartner nur eine vertragswidrige Schlechtleistung erbringt. Die Frage ist, ob der Käufer auch ein Zurückbehaltungs- und Zurückweisungsrecht dergestalt hat, dass er trotz vertragswidrigen Leistungsangebots nicht zahlen und die Ware nicht abnehmen muss. Dies ist im CISG nicht ausdrücklich geregelt. Auch das in Art. 86 CISG erwähnte „Zurückweisungsrecht“ meint nur solche Rechtsbehelfe, die es mit sich bringen, dass der Käufer die bereits gelieferte Ware zurückgeben kann (d. h. Artt. 46 II, 49, 51 II, 72 und 73 CISG). Es handelt sich nicht um einen

88 Ausführlich zu Zurückbehaltungsrechten bei dem CISG unterliegenden Verträgen, Hartmann, IHR 2006, 181 [182 ff.]; Schlechtriem, in: Symposium Vischer (2005) S. 47 [62 ff.]; Kern, ZEuP 2000, 837 [840 ff.]. 89 Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 8 ff. Vgl. ferner die Ausführungen zur Fälligkeit der Pflicht zur Kaufpreiszahlung nach Art. 58 CISG, Kap. 2 I. 3. b). 90 Art. 54 des Entwurfs in Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 46. 91 Witz, in: FS Schlechtriem (2003) S. 291 [296]; Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 58; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 156.

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eigenständigen Rechtsbehelf.92 Die nationale Sicht zur Einbehaltung der Zahlung nach § 320 BGB 93 und zu einem auf § 273 I BGB gestützten Abnahmeverweigerungsrecht94 kann hierauf nicht einfach übertragen werden. Wenn der BGH dort nämlich zur Druckfunktion des § 320 BGB ausführt, „§ 433 I 2 BGB unterscheidet – anders als § 323 V 2, 281 I 3 BGB – nicht zwischen erheblichen und unerheblichen Pflichtverletzungen des Verkäufers,“95 träfe dies zwar auch auf den sich aus Art. 35 I CISG ergebenden Anspruch zu. Allerdings ist bereits die Durchsetzung des Primäranspruchs im UN-Kaufrecht schwächer ausgestaltet und deshalb dessen Tendenz zum Übergang zu kompensatorischen Ansprüchen zu berücksichtigen.96 Richtigerweise ist im CISG daher zu differenzieren:97 Allein bei wesentlichen Vertragsverletzungen ist der Käufer nicht zur Zahlung verpflichtet und zur Zurückweisung berechtigt. Schließlich steht ihm dort auch die Vertragsaufhebung zu, Art. 49 I lit. a CISG.98 Dagegen würde die Annahme eines Zurückbehaltungsrechts gestützt auf Art. 7 I CISG bei unwesentlichen Vertragsverletzungen nach nahezu einhelliger Auffassung „das Rechtsbehelfssystem der Konvention aufweichen.“99 Nach der dem CISG zugrundeliegenden Konzeption wird „vom Käufer in weitergehendem Umfang erwartet, auch vertragswidrige Ware hinzunehmen und sich wegen des Leistungsdefizits anderer Rechtsbehelfe (Herabsetzung des Kaufpreises, Schadensersatz) zu bedienen.“100 Schließlich lässt die Regelung des Art. 52 CISG gerade 92 Schlechtriem/Schwenzer/Bacher CISG (2013) Art. 86 Rn. 5; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 86 Rn. 3. 93 Vgl. oben zur Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB, Kap. 2 II. 1. a). 94 BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1102 f.]. 95 BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1102]. 96 Kantonsgericht Schaffhausen Urt. v. 27.1.2004, 11/1999/99 = CISG-online No. 960; MüKoHGB/Wertenbruch CISG (2018) Art. 60 Rn. 13 a. E.; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 60 Rn. 8; monographisch zum Inhalt der Übernahme nach Art. 60 lit. b) CISG, Danov (2008) S. 97 ff. 97 Eingängig hierzu Kiene (2010) S. 189 f. 98 Dies ist unstr. vgl. nur Kiene (2010) S. 189; Hartmann, IHR 2006, 181 [188]; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 60 Rn. 20; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 60 Rn. 9. 99 Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 60 Rn. 21; vgl. ferner aus der h. M. Kiene (2010) S. 189 f.; Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 60 Rn. 35a ff.; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 172; BeckOGK/Fountoulakis CISG Art. 60 Rn. 19; Brunner/Lerch/Rusch (2014) CISG Art. 60 Rn. 6; nach teilw. vertretener Auffassung bestehe ein Zurückweisungsrecht auch bei nicht wesentlichen Vertragsverletzungen, wenn der Käufer bei der Untersuchung vor Übernahme (Art. 58 III CISG) einen Mangel entdeckt, MüKoHGB/Wertenbruch CISG (2018) Art. 60 Rn. 15; dem folgend MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 60 Rn. 9. Für ein an den übrigen Sekundärrechten orientiertes Zurückbehaltungsrecht, Hartmann, IHR 2006, 181 [188]; ähnlich Fountoulakis, IHR 2005, 244 [248]. Nach aA komme eine Zurückweisungsrecht nur dann in Betracht, wenn die Ware am Lagerort des Verkäufers zur Verfügung gestellt wird, BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 60 Rn. 4; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Butler/Harindranath CISG (2018) Art. 60 Rn. 8. 100 OLG Frankfurt Urt. v. 18.1.1994, 5 U 15/93 = CISG-online No. 123.

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den Schluss zu, dass außerhalb des Anwendungsbereichs der Norm kein Zurückweisungsrecht besteht.101 Anders als nach § 266 BGB macht auch Art. 51 CISG deutlich, dass der Käufer Teilleistungen annehmen muss.102 bb) Folgen der Fälligkeitskonstruktion für das funktionelle Synallagma im CISG Durch die sich erst aus Art. 58 CISG ergebende Wechselseitigkeit wird zugleich das funktionelle Synallagma bei dem UN-Kaufrecht unterliegenden Verträgen konstruiert. Auch dort stellt sich die Frage, ob das Zug-um-ZugPrinzip ipso iure-Wirkung entfaltet oder rechtstechnisch erst durch Ausübung entsprechender Gegenrechte verwirklicht wird. Die Beantwortung dieser Frage ist dabei durch die eben beschriebene Fälligkeitskonstruktion des Art. 58 CISG vorgegeben: Der Umstand, dass Art. 58 I 1 CISG unabhängig von einer Geltendmachung des Käufers überhaupt erst die Fälligkeit – sei es die Pflicht zur Vornahme der Zahlungshandlung oder die des Zahlungserfolgs – in Gang setzt, lässt nämlich nur eine inhaltliche Beschränkung der Gegenleistungspflicht zu.103 Auch Art. 58 III CISG spricht insofern eine klare Sprache, wenn der Käufer vor der Untersuchung der angedienten Ware grundsätzlich nicht zur Zahlung des Kaufpreises „verpflichtet“ ist (amtl. Fassung: not bound to pay/n’est pas tenu de payer). Da die aus der Fälligkeit resultierende Begründung der Zahlungspflicht erst mit der Warenandienung in Gang gesetzt wird, bedarf es keiner weitergehenden Ausübung eines Gegenrechts, um die Zahlung zurückzuhalten.104 Diese ipso iure-Wirkung tritt jedoch nur einseitig zugunsten des Käufers ein, während die Verwirklichung des do ut des aus Verkäufersicht von einer Erklärung abhängt, Art. 58 I 2 und II CISG.105 Daran ändert schließlich auch die Tatsache nichts, dass Bezugspunkt des Zurückbehaltungsrechts des

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Kiene (2010) S. 190. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 508; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 51 Rn. 4. 103 Obwohl der Käufer mit dem Zurverfügungstellen „(erst) verpflichtet“ ist, wird in BGH Urt. v. 3.4.1996, VIII ZR 51/95 = NJW 1996, 2364 [2367] dennoch von einem „Zurückbehaltungsrecht“ gesprochen. 104 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 530; U. Huber, Gutachten (1981) S. 819 spricht insofern von einem „verhaltenem“ Anspruch; dennoch ist in diesem Zusammenhang häufig von einem („fakultativen“) Zurückbehaltungsrecht in Gestalt einer Einrede des Käufers die Rede, vgl. Schlechtriem, in: Symposium Vischer (2005) S. 47 [64]; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Butler/Harindranath CISG (2018) Art. 58 Rn. 30; Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 59; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz CISG (2000) Art. 58 Rn. 9; Witz, in: FS Schlechtriem (2003) S. 291 [302 f.]; Kern, ZEuP 2000, 837 [839]. 105 Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 62 sprechen von einer „Verknüpfungserklärung“. 102

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Verkäufers die zeitlich dem Zurverfügungstellen nachgelagerte Übergabe ist.106 Denn der Verkäufer bleibt hinsichtlich des Zurverfügungstellens vorleistungspflichtig.107 Weist der Käufer vertragswidrige Ware berechtigt zurück, wird daher die Kaufpreisforderung nicht nach Art. 58 I 1 CISG fällig.108 Dies ist das Ergebnis einer rechtspolitischen und auf den Kauf zugeschnittenen Entscheidung. Dem Verkäufer wird die Pflicht einer ersten Andienung auferlegt, wonach er zunächst an den Käufer die Ware absenden oder diesen benachrichtigen soll, sobald die Ware bereitsteht.109 Im Gegenzug wird ihm ein entsprechendes Gegenrecht an die Hand gegeben, sollte der Käufer auf das Leistungsangebot nicht Zug-um-Zug mit der Andienung des Kaufpreises reagieren. Auch im CISG kommt das Synallagma somit in einer Mitwirkungsobliegenheit des Gläubigers zum Ausdruck. Anders als bei der für sämtliche schuldrechtlichen Vereinbarungen geltenden Regelung des § 320 BGB wird das Abhängigkeitsverhältnis aber nur dem Verkäufer zur Disposition gestellt.110 Die im CISG als Normalfall angeordneten Konstellationen, bei denen die Fälligkeit der Gegenleistung von der Erbringung der Vorleistung abhängt, sind im Übrigen auch dem deutschen Recht nicht fremd. Sie werden bei entsprechender Vereinbarung als beständige Vorleistungspflichten bezeichnet.111 Dies wird übersehen, wenn von der überwiegend vertretenen Auffassung ohne Rücksicht auf Wortlaut und Systematik des Art. 58 CISG für beide Parteien die Grundregel der Zug-um-Zug Erfüllung von Liefer- und Kaufpreiszahlungspflicht entnommen wird.112 Auch der BGH hat unter Rekurs auf Artt. 58 und 71 CISG jüngst ausgeführt, 106

Vgl. dazu Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 58 Rn. 9; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Mankowski CISG (2018) Art. 58; Rn. 24; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 58 Rn. 3. 107 Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 58. 108 Hartmann, IHR 2006, 181 [187]; die in Art. 86 CISG geregelte Pflicht zur Inbesitznahme bleibt davon jedoch unberührt, Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 60 Rn. 20. 109 Vgl. U. Huber, Gutachten (1981) S. 821. 110 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 530. 111 Mit der Folge, dass auch dort § 321 BGB und nicht § 320 BGB Anwendung findet, BT-Drucks. 14/6040, 179; Palandt/Grüneberg (2019) § 321 Rn. 8; Staudinger/Schwarze (2015) § 321 BGB Rn. 28. Vgl. zur beständigen Vorleistungspflicht etwa BGH Urt. v. 7.12.2004, X ZR 12/03 = NJW-RR 2005, 388 [389]; BGH Urt. v. 11.7.1989, XI ZR 61/88 = NJW-RR 1989, 1356 [1357]. 112 So aber die h. M. OGH Urt. v. 8.5.2005, 4 Ob179/05 k = IHR 2006, 87 [90]; BG Schweiz Urt. v. 20.12.2006, 4C.314/2006 = CISG-online No. 1426; Schlechtriem, in: Symposium Vischer (2005) S. 47 [63]; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Butler/Harindranath CISG (2018) Art. 58 Rn. 11; Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 58-59 Rn. 11; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 58 Rn. 3; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 58 Rn. 10; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 58 Rn. 7; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Mankowski CISG (2018) Art. 58 Rn. 24; MüKoHGB/Wertenbruch CISG (2018) Art. 58 Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 45 Rn. 22.

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

„dass die Einrede des nicht erfüllten Vertrags, soweit es um konventionsinterne Ansprüche geht, aus dem UN-Kaufrecht entwickelt werden kann.“113

Für eine auf Art. 7 II CISG gestützte Lückenfüllung ist jedoch kein Raum, wenn das CISG insofern keine Lücke aufweist. Die zugrundeliegende Sachfrage wird de lege lata schlicht anders als im deutschen Recht beantwortet. Wenn daher zur Ausfüllung einer vermeintlichen Lücke auf Art. 71 CISG verwiesen wird, lässt die alleinige Regelung einer Unsicherheitseinrede vielmehr den Schluss zu, dass es mit der Regelung des Art. 58 CISG sein Bewenden hat.114 Art. 71 CISG versteht sich gerade als Kompensation für die Vorleistungspflicht des Verkäufers. Die Annahme, dass sich der Käufer nicht zusätzlich auf das Ausbleiben der Lieferung berufen muss, verträgt sich darüber hinaus besser mit den Artt. 45 ff. CISG. Dort sind die Rechtsbehelfe des Käufers abschließend geregelt, mit denen dieser auf eine vertragswidrige Erfüllung reagieren kann.115 Hätte das CISG einen ipso iure geltenden Zug-um-Zug Leistungsaustausch angestrebt, hätte es dies letztlich in derselben Deutlichkeit ausgesprochen, wie es das in Art. 81 II CISG für die Rückabwicklung nach der Vertragsaufhebung tut. Das ist nicht geschehen. Insofern weicht das CISG vielmehr von Art. 71 S. 1 EKG ab. Dort wurde noch der Grundsatz statuiert, wonach „Zahlung des Preises und die Lieferung der Sache Zug-um-Zug zu erfolgen“ haben. 2. Die Folgen des Einwands des nicht erfüllten Vertrags auf Sekundärebene a) Das Bestehen des § 320 BGB als Rücktrittshindernis und dessen teleologische Reduktion aa) Die ipso iure-Wirkung des § 320 BGB auf Sekundärebene Der Streit um die Konstruktion des Synallagmas und die damit zusammenhängenden Fragen der Geltendmachung des § 320 BGB werden bei der Berücksichtigung des Gegenrechts im Rahmen eines Rücktritts deutlich entschärft. Beide Theorien gelangen bei der für den Rücktritt erforderlichen Bewertung der vermeintlichen Vertragsverletzung des Schuldners nämlich zu ipso

113 Vgl. obiter dicta im Rahmen einer Segelanweisung, BGH Urt. v. 21.1.2015, VIII ZR 352/13 = NJW 2015, 1118 [1120]. 114 Anders aber BGH Urt. v. 21.1.2015, VIII ZR 352/13 = NJW 2015, 1118 [1120]. 115 Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 48 Rn. 55 ff.; a. A. OGH Urt. v. 8.5.2005, 4 Ob179/05 k = IHR 2006, 87 [91]; entgegen den obiter in BGH Urt. v. 21.1.2015, VIII ZR 352/13 = NJW 2015, 1118 [1120] geäußerten Bedenken ist der Käufer auch nicht schutzlos einer vertragswidrigen Erfüllung ausgesetzt. Ihm verbleibt das Recht der Minderung aus Artt. 45 lit. a, 50 CISG, vgl. Soergel/Lüderitz/Schüßler-Langeheine CISG (2000) Art. 45 Rn. 6.

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iure-Wirkungen der Einrede.116 Was sich bei der Austauschtheorie ohnehin aus der Annahme einer inhaltlichen Beschränkung ergibt, ist für Anhänger der Einredetheorie Konsequenz des Telos des § 320 BGB. Auch ohne Geltendmachung der Einrede hindert danach bereits das Bestehen derselben die Annahme einer Vertragsverletzung, weil sich der Schuldner solange schlechterdings nicht vertragswidrig verhält.117 „Teleologisch dient das ungeschriebene Kriterium der Durchsetzbarkeit dazu, den Schuldner vor einem Verlust seiner Naturalandienungsmöglichkeit zu bewahren, solange er berechtigt ist, die Leistung zu verweigern.“118 Aufgrund der Sicherungsfunktion des § 320 BGB herrscht deshalb Einigkeit darüber, dass eine zum Rücktritt berechtigende Vertragsverletzung des Schuldners nicht ohne die vollständige und vertragsgemäße Schaffung der Zugriffsmöglichkeit auf die Gegenleistung durch den Gläubiger angenommen werden kann. Dies darf durch einen vorherigen Rücktritt nicht unterlaufen werden. Anderenfalls verhielte sich umgekehrt der Gläubiger vertragswidrig und kann dementsprechend nicht zur einseitigen Vertragsumsteuerung berechtigt sein.119 Da die Einredelage ausreicht, muss der Gläubiger somit die eigene Leistung in Annahmeverzug begründender Weise anbieten, um das Durchsetzbarkeitshindernis des § 320 BGB für den Rücktritt zu überwinden.120 bb) Ausschluss der ipso iure-Wirkung wegen teleologischer Reduktion des § 320 BGB Angesichts der ipso iure-Wirkung auf Sekundärebene stellt sich die Frage, welchen teleologischen Grenzen § 320 BGB in diesem Kontext unterliegt. Dies gilt auch und vor allem für die unberechtigte Erfüllungsverweigerung. Denn es 116 Herresthal, JURA 2008, 561 [565]; MüKoBGB/Emmerich (2016) § 320 Rn. 37. Diese Annahme verträgt sich auch mit der prinzipiell geforderten Geltendmachung einer Einrede insoweit, wenn die hemmende Wirkung als deren eigentlich prägende Eigenschaft betont wird, vgl. dazu Gröschler, AcP 201 (2001) 48 [67 ff.]. 117 Ganz h. M.: BGH Urt. v. 23.5.2003, V ZR 190/02 = NJW-RR 2003, 1318; BGH Urt. v. 11.12.2009, V ZR 217/08 = NJW 2010, 1272 [1274]; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 47; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 28; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 51; Erman/Westermann (2014) § 323 Rn. 10; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 5; juris-PK-BGB/Beckmann (2017) § 323 Rn. 10; Gröschler, AcP 201 (2001) 48 [78]; Herresthal, JURA 2008, 561 [565]; Looschelders, SchuldR-AT (2016) § 22 Rn. 450; Medicus/Lorenz, SchuldR-AT (2015) § 37 Rn. 489. 118 Riehm (2015) S. 320. 119 Erman/Westermann (2014) § 323 Rn. 10; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 47; Gröschler, AcP 201 (2001) 48 [78]; Herresthal, JURA 2008, 561 [565]; zum früheren Schuldrecht U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 52 III 1. 120 MüKoBGB/Emmerich (2016) § 320 Rn. 37; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 51; Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 15; Ernst, AcP 199 (1999) 485 [498 ff.]; Medicus/Lorenz, SchuldR-AT (2015) § 36 Rn. 463; zur Hinderung des Schuldners an der Annahme der Gegenleistung, Ernst, AcP 199 (1999) 485 [513 ff.].

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

wäre sinnlos vom Gläubiger nach § 320 BGB zu verlangen, dass dieser seine „eigene Leistungsbereitschaft erklärt oder herstellt, wenn der Schuldner bereits erklärt hat, dass er seinerseits zur Erfüllung unter keinen Umständen bereit ist.“121 Deshalb besteht die Einrede des nicht erfüllten Vertrags anerkanntermaßen nur für denjenigen, der seinerseits vertragstreu und erfüllungsbereit ist, soweit dabei der teleologische Zusammenhang zwischen der Art der Vertragsuntreue einerseits und der Einschränkung des § 320 BGB andererseits gewahrt bleibt.122 Allein die Nichterfüllung bei Fälligkeit durch den Schuldner genügt freilich nicht, um dessen Erfüllungsbereitschaft in Frage zu stellen. Doch ist kein Raum für eine ipso iure-Wirkung des § 320 BGB auf Sekundärebene, wenn der Schuldner die Einrede durch vertragsablehnendes Verhalten dazu instrumentalisiert, den Leistungsaustausch zu verhindern und den vertragswidrigen Zustand zu perpetuieren. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich der Schuldner zu Unrecht vom Vertrag lossagt oder sonst den Leistungsaustausch endgültig gefährdet.123 Ebenso kann etwa im Fall vorübergehender Unmöglichkeit der schuldnerischen Leistung wegen der einstweiligen Suspendierung der Leistungspflicht zwar nach § 275 BGB analog von einer durchsetzbaren Forderung keine Rede sein.124 Allerdings steht auch dies dem von der ganz h. M. befürworteten Rücktritt bei Fristablauf nach § 323 BGB keineswegs entgegen, nachdem die zeitweise Suspendierung allein dem Schutz vor einer zwangsweisen Durchsetzung eines gegenwärtig nicht realisierbaren Anspruchs dient.125 Da § 320 BGB neben der Sicherung der eigenen Leistung die Funktion der Erzwingung der Gegenleistung erfüllt, ist somit stets die eigene Vertragstreue und Erfüllungsbereitschaft des Schuldners ungeschriebene Voraussetzung des § 320 BGB – dies gilt sowohl auf Primär- als auch auf Sekundärebene.126 Nur wenn der Schuldner vertragstreu ist, d. h. sich aus Gründen der Durchführung des Leistungsaustauschs auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrags beruft, bleibt ihm gegenüber deshalb ein Rücktritt gestützt auf § 323 I BGB gesperrt. 121 U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 52 III 1; grundlegend Staub (1904) S. 57; vgl. ferner RG Urt. v. 10.12.1935, VII 135/35 = RGZ 149, 401 [404]: „Es wäre zwecklos dem einen Teil die Erfüllung seiner Leistung auch dann noch zur Pflicht zu machen, wenn schon feststeht, dass sich der andere Teil auch nach einer solchen Erfüllung unberechtigt weigern werde.“ 122 Eingängig Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 14 Rn. 8. 123 Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 14 Rn. 8. 124 Vgl. die Ausführungen der Anwendbarkeit von § 323 IV BGB bei (vorübergehender) Unmöglichkeit, 4. Kap. IV. 2. b) cc). 125 Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [155]; BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 156. 126 Vgl. BGH Urt. v. 17.7.2013, VIII ZR 163/12 = NJW-RR 2013, 1458 [1459]; BGH Urt. v. 4.7.2002, I ZR 313/99 = NJW 2002, 3541 [3542]; Staudinger/Schwarze (2015) § 320 BGB Rn. 37 ff.; MüKoBGB/Emmerich (2016) § 320 Rn. 28; Palandt/Grüneberg (2019) § 320 Rn. 6; Ernst, AcP 199 (1999) 485 [502 f.]; Looschelders, SchuldR-AT (2016) § 15 Rn. 312.

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Nur dort ist der Schutz vor den Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung gerechtfertigt.127 Würde sich der Schuldner dagegen nicht vertragstreu verhalten und zugleich auf § 320 BGB berufen, um das Ausbleiben des Leistungsaustauschs zu perpetuieren, sähe er sich dem venire contra factum proprium128 Einwand ausgesetzt. Damit markiert die Vertragsuntreue des Schuldners zugleich die Grenze der Mitwirkungsobliegenheit des Gläubigers.129 b) Konsequenzen der Konstruktion des Synallagmas für die Vertragsaufhebung im CISG Können die Parteien ihre Leistung zurückhalten, da die Zahlungspflicht des Käufers wegen fehlender Andienung der Gegenleistung nicht fällig ist bzw. der Verkäufer der Lieferforderung ein Zurückbehaltungsrecht entgegenhält, stellt sich gleichermaßen die Frage der Konsequenzen für die weiteren Rechtsbehelfe. Richtigerweise ist dabei wegen der Konstruktion des Synallagmas durch Kombination aus Fälligkeitsregelung einerseits und Zurückbehaltungsrecht andererseits zwischen der Vertragsaufhebung des Käufers und der des Verkäufers zu differenzieren.130 aa) Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers bei Vertragsaufhebung des Käufers Will der Käufer gestützt auf Art. 49 CISG die Vertragsaufhebung erklären, lässt erst die auf die Lieferung bezogene Ausübung des Zurückbehaltungsrechts aus Art. 58 I 2 oder II CISG den materiellen Rechtfertigungsgrund der Vertragsaufhebung entfallen. Schließlich liegt eine Vertragsverletzung, wie sie Art. 45 CISG als Mindestvoraussetzung für die Wahrnehmung sämtlicher Rechtsbehelfe fordert, dann nicht mehr vor.131 Zu beachten ist dabei, dass unter Zugrundelegung des hier propagierten Regel-Ausnahme-Verhältnisses die Vorleistungspflicht des Verkäufers wegen Art. 58 I 1 CISG den gesetzlichen Standardfall bildet. Dementsprechend bedarf es einer entsprechenden Erklärung des Verkäufers, um die Wirkungen des Zurückbehaltungsrechts und damit das Entfallen der Vertragsverletzung herbeizuführen.132 Anderenfalls verhielte sich der Verkäufer trotz fehlenden Angebots der Zahlung vertragswidrig mit 127

Erman/Westermann (2014) § 320 Rn. 7; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 51. Monographisch Weller (2009), S. 274 ff. et passim. 129 Ernst, AcP 199 (1999) 485 [502 f.]. 130 Ohne Berücksichtigung der Konstruktion des Synallagmas wird überwiegend darauf abgestellt, dass eine Pflichtverletzung nicht gegeben ist, sofern der Schuldner ein Zurückbehaltungsrecht hat, vgl. statt vieler Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter CISG (2013) Art. 25 Rn. 18. 131 Vgl. zur Verneinung von Art. 49 I lit. a CISG wegen des Aussetzungsrechts aus Art. 71 CISG, BGH Urt. v. 27.11.2007, X ZR 111/04 = CISG-online No. 1617. 132 Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 58 Rn. 62 f. 128

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

der Folge, dass eine Nichtlieferung im Sinne der Artt. 45 ff. CISG vorliegt. In diesem Punkt unterscheiden sich die Konsequenzen des Ausbleibens der Gegenleistung im CISG zu den Folgen des Bestehens der Einrede des § 320 BGB beim Rücktritt nach § 323 BGB. Dies liegt in der Annahme einer beständigen Vorleistungspflicht als Ausgangslage des CISG begründet. Beruft sich der Verkäufer dagegen auf den Zug-um-Zug-Austausch, kann bei Einbehaltung der Lieferung wegen ausbleibender Zahlung bereits nicht mehr von einer Nichterfüllung im Sinne des Art. 45 I CISG die Rede sein.133 Auch im UN-Kaufrecht kann das sich aus Art. 58 I 2 bzw. II CISG ergebende Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers indessen nur von einem vertragstreuen Verkäufer den Rechtsbehelfen des Käufers entgegengehalten werden. Mit der Einbehaltung der Lieferung soll allein der Zug-um-Zug-Austausch gesichert werden. Macht der Käufer beispielsweise Schadensersatz geltend, weil der Verkäufer die Ware vertragswidrig anderweitig veräußert hat, sodass ein gewinnbringender Weiterverkauf des Käufers scheiterte, kann sich der Verkäufer gegen den Schadensersatzanspruch des Käufers nicht mit dem Argument wehren, der Käufer habe noch nicht gezahlt.134 Dies folgt nach dem zu der Sicherungsfunktion der Einbehaltung Gesagten daraus, dass die durch ein Zurückbehaltungsrecht erstrebte Sicherung nur dann und so weit eingeräumt werden kann, wie eine vertragsgemäße Abwicklung überhaupt geschützt werden soll. bb) Konsequenzen der Fälligkeitskonstruktion bei der Vertragsaufhebung des Verkäufers Will demgegenüber der Verkäufer die Vertragsaufhebung wegen der ausbleibenden Zahlung erklären, entfaltet das Ausbleiben der dem Verkäufer obliegenden Lieferung wie oben erläutert ipso iure-Wirkung für das Bestehen der vermeintlichen Vertragsverletzung des Käufers. Da die Zahlungspflicht ohne das Zurverfügungstellen der Ware bzw. der entsprechenden Dokumente schon nicht fällig wird, Art. 58 I 1 CISG, liegt bereits aus diesem Grund keine Vertragsverletzung im Sinne des Art. 61 I CISG vor. Einer Erklärung bedarf es hierzu anders als bei dem fehlenden Leistungsangebot des Käufers nicht. Da es sich bei der fehlenden Fälligkeit um einen Umstand handelt, der bereits die materiell-rechtliche Begründung des Forderungsrechts betrifft, hat vielmehr der Verkäufer das Zurverfügungstellen darzulegen.135 Dadurch wird der Anspruch des Verkäufers erst begründet, dessen Nichterfüllung durch das Ausbleiben der Zahlung zu der Vertragsverletzung führt. Da sich der Käufer hierauf schon nicht berufen muss, kann ein vertragswidriges Verhalten des Käufers auch nicht dazu führen, dass ihm die Ausübung 133

Anders wohl Liu, International Sales Law (2016) § 18 Rn. 60 a. E. In Anlehnung an LG Heidelberg BeckRS 2016, 09420. 135 Witz, in: FS Schlechtriem (2003) S. 291 [303]. 134

III. Vertragsumsteuerung bei Nicht- und Schlechtleistung

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eines „Zurückbehaltungsrechts“ zu versagen wäre. Das Zurverfügungstellen durch den Verkäufer begründet die Zahlungspflicht erst – der Ausübung eines hemmenden Gegenrechts bedarf es nicht. Dies aber führt dazu, dass trotz vertragswidrigen Verhaltens des Käufers eine Vertragsverletzung bei Nichtzahlung nicht angenommen werden könnte. Art. 80 CISG greift hier nicht Platz, da die Norm das Aufhebungsrecht beschränkt und nicht begründet. Kann aber der Verkäufer die Ware oder Dokumente nicht zur Verfügung und damit die Kaufpreiszahlung fällig stellen, weil der Käufer dies nicht ermöglicht, verletzt der Käufer seine Abnahmepflicht aus Artt. 53, 60 CISG. Unterlässt er eine hierfür erforderliche Mitwirkungshandlung, erlaubt Art. 64 I lit. b) CISG selbst eine Nachfristsetzung.136 Diese Vertragsverletzung kann sodann den Anknüpfungspunkt einer Vertragsaufhebung bilden. Im Ergebnis führt das vertragswidrige Verhalten des Käufers sodann ebenfalls dazu, dass der Verkäufer einen Rechtsbehelf geltend machen kann, ohne dass er wegen des seiner Mitwirkungsobliegenheit entspricht. Im Übrigen erfährt der Verkäufer einen ausreichenden Schutz über Artt. 71 und 72 CISG.

III. Vertragsumsteuerung bei Nicht- und Schlechtleistung III. Vertragsumsteuerung bei Nicht- und Schlechtleistung

1. Funktion und Symbiose materieller und prozeduraler Ansätze in BGB und CISG Ein Blick auf die in unterschiedlichen Rechtsordnungen anzutreffenden Modelle lehrt, dass sich der eingangs beschriebene Interessenausgleich der Vertragsumsteuerung auf zwei Wegen durch Statuierung einschränkender Voraussetzungen zur Herbeiführung der Befreiungswirkung verwirklichen lässt, mit denen gleichermaßen das Erfordernis einer Vertragsverletzung mit gewissen Gewicht realisiert wird:137 Als materieller Ansatz lassen sich dabei diejenigen rechtlichen Ausgestaltungen begreifen, die an den sich widerstreitenden Interessen selbst ansetzen, indem sie die Vertragsumsteuerung von der Schwere der Vertragsverletzung abhängig machen. Innerhalb dessen ist zu unterscheiden, ob es für die Gewichtigkeit entweder darauf ankommt, dass unter Zugrundelegung des Vertragstypus abstrakt nach Art und Ausmaß ein Verstoß mit er-

136

Kann die Mitwirkungshandlung nicht als Mitwirkungspflicht bei der Annahme qualifiziert werden, verbleibt nur die Möglichkeit der Aufhebung wegen wesentlichen Vertragsbruchs, Schlechtriem/Schwenzer/Mohs CISG (2013) Art. 60 Rn. 7. 137 Vgl. zum Ganzen Flessner, ZEuP 1997, 255 [266 ff.]; Dastis (2017) S. 79 ff. Da weder das deutsche Recht noch das CISG (anders als etwa das französische Recht) einem judiziellen Ansatz folgt, bei dem die Befreiung von der Einschaltung des Richters abhängt, soll hierauf nicht näher eingegangen werden. Vgl. dazu Kötz, Europäisches Vertragsrecht (2015) S. 321 ff.

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

heblichen Gewicht vorliegt oder ob die Schwere andererseits aus Gläubigerperspektive mit Blick auf die Beeinträchtigungen des konkreten Erfüllungsinteresses zu bewerten ist.138 Letzterem folgend schafft das primär auf die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung abstellende Kriterium des Art. 25 CISG einen direkten Bezug zu den Interessen des Gläubigers.139 Dagegen handelt es sich bei dem den §§ 323 ff. BGB primär zugrundeliegenden Nachfristmodell um einen prozeduralen Ansatz, der die Abstandnahme vom Vertrag an die Einhaltung eines Fristverfahrens knüpft und dadurch die Gefährdung des Gläubigerinteresses operational macht.140 Die Unterscheidung materieller und prozeduraler Ansätze in BGB und CISG dient damit im Folgenden zugleich als Differenzierung zwischen zwei funktionalen Systembegriffen zur Klärung der Sachfrage,141 wann eine Vertragsverletzung so schwer wiegt, dass dem Gläubiger auch unter Berücksichtigung der Interessen des Schuldners die Vertragsumsteuerung zu gestatten ist. Dabei wird sich zeigen, dass die Unterschiede trotz der unterschiedlichen Ausprägung dieser Ansätze geringer sind, als dies auf den ersten Blick zu sein scheint. Vielmehr ergänzen sich materielle und prozedurale Ansätze sowohl im BGB als auch im CISG häufiger, als alternativ nebeneinander zu stehen.142 Auch die Vertragsumsteuerung in BGB und CISG wegen bloßer Säumnis, die Bewertung der Folgen einer endgültigen Leistungsverhinderung oder Erfüllungsverweigerung, sowie die Vertragsumsteuerung im Falle vertragswidriger Teilleistungen ließen sich vor dem Hintergrund jener Sachfrage als Ausprägungen materieller und prozeduraler Ansätze fassen. Jedoch stehen dabei Besonderheiten der damit angesprochenen Vertragsverletzungen im Mittelpunkt der Betrachtung, sodass die funktionelle Vergleichung dort mit Blick auf die konkrete Störungsform zugespitzt werden kann. a) Überblick zur Zurückdrängung der Vertragsaufhebung im CISG Das CISG verfolgt bei der Beurteilung der Schwere der Vertragsverletzung einen Ansatz, der die Aufhebung des Vertrags im Kern von rein materiellen Gesichtspunkten abhängig macht, indem die sofortige Vertragsaufhebung bei Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung (amtl.: „fundamental breach

138

Flessner, ZEuP 1997, 255 [267 ff.]. L. Schmidt (2003) S. 120. 140 Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [8]; vgl. ferner Flessner, ZEuP 1997, 255 [271 f.]. 141 Grundlegend zur Methode funktionaler Rechtsvergleichung, Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung (1996) § 3; vgl. ferner Kischel, Rechtsvergleichung (2015) § 3 Rn. 3 ff. und zur Kritik § 3 Rn. 6 ff. 142 Vgl. zu diesem Befund bei dem Vergleich zwischen dem Kommissionsentwurf zur Schuldrechtsmodernisierung und dem CISG bereits, Schlechtriem, ZEuP 1993, 217 [235 f.]. 139

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of contract“/„contravention essentielle au contrat“) i. S. d. Art. 25 CISG ermöglicht wird, Artt. 49 I lit. a, 64 I lit. a CISG.143 Dabei bringt Art. 26 CISG klar zum Ausdruck, dass sich die Vertragsaufhebung stets erst aus einer Erklärung des Gläubigers ergibt.144 Insofern weicht das CISG bewusst durch Eliminierung einer ipso iure-Aufhebung von dem früheren Haager Kaufrecht ab, das teilweise noch einen entsprechenden Rechtsfolgenautomatismus vorsah.145 Die Erklärung zur Herbeiführung der Umgestaltung wird bereits mit dem Absenden wirksam, sofern sie immerhin zugangsfähig ist.146 Der Gläubiger kann sich damit sofort wegen der Leistungsstörung vom Vertrag lösen, ohne diese unter Einräumung einer Frist noch weiter hinnehmen zu müssen. Die Vorzüge der auf einer Einzelfallbewertung basierenden sofortigen Vertragsaufhebung müssen jedoch stets zum Preis erhöhten Prozessrisikos erkauft werden.147 Ein Gläubiger sieht sich dort mit der Beweislast konfrontiert, die Voraussetzungen des grobschlächtigen Art. 25 CISG darzulegen. Schließlich ändert auch der sich im modernen Vertragsrecht durchgesetzte Konsens, wonach nicht erst eine Gerichtsentscheidung, sondern bereits eine Parteierklärung den Vertrag aufhebt, nichts an der Möglichkeit der gerichtlichen Nachprüfung, ob die Vertragsaufhebung begründet war oder nicht.148 Dies konfligiert mit dem Recht des Schuldners, bei unberechtigter Vertragsaufhebung seinerseits die Abstandnahme vom Vertrag zu erklären.149 Zwar lässt sich das Abstellen auf die abstrakte Wesentlichkeit der Vertragsverletzung verglichen mit § 323 BGB teleologisch betrachtet besser mit der zugrundeliegenden Rechtfertigung der 143 Ähnlich das anglo-amerikanische Recht, vgl. Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [617]. Vgl. auch Art. 7.3.1. PICC sowie Art. 9:301 PECL, beide als „fundamental non-performance“. 144 Lohs/Nolting, ZVglRWiss 1998, 4 [12]. 145 Vgl. zu Art. 45 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 41. 146 Zugangsbedürftig ist die Erklärung nicht. Streitig, da eine Art. 15 CISG vergleichbare Norm fehlt und der der Absendetheorie folgende Art. 27 CISG nur eine Aussage über das Übermittlungsrisiko trifft. Neben dem Wortlaut des Art. 27 CISG spricht jedoch auch dessen Entstehungsgeschichte für ein Wirksamwerden mit Absenden, vgl. zu Art. 25 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 27; ausführlich Honsell/Gsell CISG (2009) Art. 27 Rn. 18; ferner Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 314 und 316; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 27 Rn. 22 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 11. Dagegen, Witz/Salger/Lorenz/Salger PK-CISG (2016) Art. 27 Rn. 18; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 27 Rn. 17. 147 MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 7. 148 Kötz, Europäisches Vertragsrecht (2015) S. 330. 149 Vgl. dazu Vgl. etwa Art. 63 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54.

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Vertragsumsteuerung vereinbaren.150 Denn es ist die Schwere der Störung des Synallagmas, die den Ausschlag geben muss, was sich jedoch nicht per se aus dem ergebnislosem Verstreichen der Nachfrist ergibt, sondern stets nur gewichtiges Indiz ist.151 Allerdings schafft die von Nachfristmodellen zugrunde gelegte typisierte Betrachtungsweise den Vorteil der Rechtssicherheit. Schließlich lässt diese Regelungstechnik kaum Raum für Streitigkeiten, wann tatsächlich die Schwelle der Wesentlichkeit überschritten ist. Deshalb ist schließlich auch dem UN-Kaufrecht die formale und damit folgensicherere aus dem deutschen Recht bekannte „Nachfrist procedure“152 nicht fremd und so wird die Regelung alternativ, aber begrenzt auf bestimmte Pflichtverletzungen, dadurch ergänzt, dass nach ergebnislosem Ablauf einer vom Gläubiger gesetzten angemessenen Frist ein Aufhebungsrecht eingeräumt wird, Artt. 49 I lit. b, 64 I lit. b CISG.153 Dies gilt namentlich bei der Nichtlieferung durch den Verkäufer sowie bei der ausbleibenden Zahlung oder fehlenden Abnahme durch den Käufer.154 Letzteres ist im Vergleich zum BGB bemerkenswert, da die Pflicht trotz Normierung in § 433 II BGB dort als – wenn auch selbstständig klagbare – Nebenpflicht eingeordnet wird.155 Die materiellen und prozeduralen Vertragsaufhebungsmodelle des UNKaufrechts sind indessen gleichermaßen vor dem Hintergrund zu betrachten, dass das CISG auf dem Prinzip beruht, wonach die Vertragsaufhebung insbesondere wegen der damit verbundenen Transaktionskosten in Form von Transportkosten und -risiken ultima ratio ist.156 Im Gegenzug lässt das CISG eine 150

Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [9]. Unberath (2007) S. 377. 152 Zur „Nachfrist procedure“, vgl. nur die Beratungen des 22. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 354 f. 153 Fountoulakis, ERA Forum (2011), 7 [16] plädiert insofern für den Oberbegriff der „core obligations“. Zum Verhältnis der beiden Aufhebungsrechte, Enderlein, IPRax 1991, 313 [314 f.]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 49 Rn. 8; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger (2018) CISG Art. 49 Rn. 2. 154 Zum Begriff der Nichtlieferung in Art. 49 I lit. b CISG, Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 262 ff. 155 Vgl. BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1102] „die Pflicht des Käufers auf Abnahme der Kaufsache stellt im Allgemeinen keine Gegenleistung für die Lieferung der Kaufsache dar […].“ Der Rücktritt nach § 323 I BGB wird von der h.L. unter Verweis auf die Gesetzesbegründung bejaht, die eine Verletzung der im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Pflicht nicht fordert, Wenzel, DB 2003, 1887 [1888]; Palandt/Weidenkaff (2019) § 433 Rn. 46; Staudinger/Beckmann (2013) § 433 BGB Rn. 227; Erman/Grunewald (2017) § 433 Rn. 57; differenzierend unter Rekurs auf § 323 V 1 BGB und den Interessenfortall, MüKoBGB/Westermann (2016) § 433 Rn. 69; nur sofern die Abnahme Hauptpflicht sei, HK-BGB/Saenger (2017) § 433 Rn. 15. 156 Vgl. nur Benicke, IPRax 1997, 326 [329]; Freiburg (2001) S. 48. Vgl. zum kompensationslosen Ausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, OGH Urt. v. 7.9.2000, 8 Ob 22/00v = IHR 2001, 42 [43]. 151

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Entlastung für die Schadensersatzhaftung in Art. 79 CISG nur in engen Grenzen zu. Die Aufhebungsvorschriften sind damit Ausdruck der Tendenz des CISG zur Zurückdrängung der Vertragsaufhebung (favor contractus).157 Da diesem Umstand mit dem Wesentlichkeitskriterium Rechnung getragen wird, muss dies stets bei der Auslegung berücksichtigt werden. b) Überblick zum Vorrang der Nacherfüllung im BGB Mit dem Nachfristmodell in § 323 I BGB hat sich der Reformgesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung dafür entschieden, dass der Gläubiger grundsätzlich nicht sofort bei Ausbleiben der versprochenen Leistung zum Fälligkeitstermin zurücktreten kann. In überschießender Umsetzung der sich aus Art. 3 der Verbrauchsgüterkauf-RL (1999/44/EG) und Art. 18 der Verbraucherrechte-RL (2011/83/EU) ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben nicht nur für Business to Consumer (B2C) Kaufverträge, sondern daneben auch umgekehrt für C2B Verträge sowie für den Business to Business (B2B) und den Consumer to Consumer (C2C) Geschäftsverkehr bei sämtlichen Austauschgeschäften wird dem Schuldner vielmehr grundsätzlich zunächst die Möglichkeit der Nachbesserung eingeräumt. Dieser im Kern prozedurale Ansatz schafft eine Hierarchie der Rechtsbehelfe und den grundsätzlichen Vorrang der Nacherfüllung.158 Das teleologische Charakteristikum der Fristsetzung ist damit die „außergerichtliche, vorprozessuale Verstärkung des Naturalleistungsanspruches zur Wahrung sowohl der Interessen des Gläubigers als auch der des Schuldners.“159 Erst nach Fristablauf wird der Schuldner einem die Vertragsdurchführung hindernden Rechtsbehelf ausgesetzt. Gerade diese Betonung der Vertragserhaltung sowie die von diesem prozeduralen Ansatz vermittelte Rechtssicherheit ist der Grund, weshalb sich das Nachfristverfahren rechtsvergleichend als „Exportschlager“ erwiesen und insbesondere Einzug in das Einheitskaufrecht des CISG gefunden hat.160 Bei alldem darf freilich nicht übersehen werden, dass auch das Nachfristmodell nicht ohne materiale Elemente auskommt. So muss die Länge der Frist angemessen sein. Zudem statuiert § 323 V BGB im Falle quantitativer und qualitativer Teilleistungen Erheblichkeitsschwellen. 157

BGHZ 202, 258 = NJW 2015, 867 [869]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 49 Rn. 3 ff.; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 49 Rn. 1; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 465; Fountoulakis, ERA Forum (2011), 7 [17]. 158 Vgl. nur Looschelders, SchuldR-BT (2018) § 4 Rn. 82. Zu der hier nicht weiter zu vertiefenden Frage, inwiefern dem Verkäufer ein genuines Recht zur zweiten Andienung zusteht. Dafür unter Berufung auf § 433 II BGB Schroeter in AcP 207 (2007) 28 [34]. Krit. Jud, JuS 2004, 841[844]; Lorenz, NJW 2006, 1175 [1176]. 159 Riehm (2015) S. 275. 160 Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [123].

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Diese im BGB nur versteckt zum Vorschein tretende Symbiose materieller und prozeduraler Ansätze erfolgt im CISG anschaulich durch den Kombinationskatalog in Artt. 49 I, 64 I CISG. Dabei wird im CISG die Vertragserhaltung mit dem Erfordernis einer wesentlichen Vertragsverletzung und wegen der nur eingeschränkten Möglichkeit der Nachfristaufhebung sogar noch stärker betont. Zum anderen hat das UN-Kaufrecht jedoch auch keine zwingende Vorschaltung der Ersatzlieferung (Art. 46 II CISG) oder Nachbesserung (Art 46 III CISG) vor Augen. Schließlich kann der Gläubiger unbeschadet eines Angebots zur zweiten Andienung nach Art. 48 I CISG die Aufhebung des Vertrags erklären, sofern die Voraussetzungen des Art. 49 CISG vorliegen.161 Lediglich nach Art. 48 II 2 CISG darf der Käufer keinen Rechtsbehelf ausüben, der mit der Nacherfüllung durch den Verkäufer unvereinbar ist, sofern der Käufer der zugangsbedürftigen (Art. 48 IV CISG) Erklärungsaufforderung nach Art. 48 II 1 CISG nicht nachkommt.162 Tatsächlich hält jedoch auch das BGB nicht ausnahmslos an dem grundsätzlichen Vorrang der Nacherfüllung fest. Der Vorrang des Abwartens eines Fristablaufs wird auch im BGB wegen materieller Erwägungen teilweise durchbrochen. Einerseits sieht schließlich § 323 II BGB Ausnahmen von dem Fristerfordernis vor. Andererseits statuiert § 326 BGB eine fristenunabhängige Umsteuerung des Vertrags dort, wo das Synallagma erheblich gestört wird, weil eine Leistungserbringung endgültig unmöglich ist. Diese als Ausnahme zu dem Nachfristprinzip formulierten Regelungen lassen sich dabei sämtlich als Ausdruck des Erfordernisses einer gewichtigen Vertragsverletzung verstehen,163 bei denen prozessuale und materielle Ansätze ineinandergreifen. In diesem im Zusammenspiel materieller und prozessualer Ansätze verankerten Bestreben der Vertragserhaltung gleichen sich daher BGB und CISG. 161

Zu Unrecht daher LG Regensburg Urt. v. 24.9.1998, 18 HKO 11092/96 = CISG-online No. 1307. Vgl. ferner Honsell, SJZ 1992, 345 [352]; Magnus, in: FS Schlechtriem (2003) S. 599 [605 ff.]. 162 Die Nacherfüllungsmöglichkeit kann sich nach h. M. auf die Beurteilung der Wesentlichkeit auswirken. Zum Meinungsstand, vgl. Kiene (2010) S. 90 ff. Aus der h. M. vgl. zu Art. 44 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 40; Fountoulakis, IHR 2003, 160 [162 ff.]; Rolland, in: FS Schlechtriem (2003) S. 629 [645]; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 64; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 48 Rn. 29 ff.; für eine ähnliche Abstufung MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 49 Rn. 29; offengelassen in BGH Urt. v. 3.4.1996, VIII ZR 51/95 = NJW 1996, 2364 [2366]; a. A. wohl LG Berlin Urt. v. 15.9.1994, 52 S 247/94 = CISG-online No. 399. Die Berücksichtigung einer Nachlieferungsmöglichkeit bei der Beurteilung der Wesentlichkeit wird teilw. kritisiert, weil diese im Rahmen des Art. 46 II CISG denknotwendig gegeben ist und damit dem Ersatzlieferungsrecht die Grundlage entzogen wird, Kiene (2010) S. 96. Für eine unterschiedliche Festlegung in Art. 46 II CISG und Art. 49 I lit a CISG daher, Karollus, ZIP 1993, 490 [494 ff.]. 163 L. Schmidt (2003) S. 124.

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2. Prozedurale Ansätze: die Fristsetzungsmodelle a) Die Fristsetzung nach § 323 I BGB Die Norm des § 323 I BGB erfasst Verzögerungen der Leistung und Schlechtleistungen. Sofern in § 323 I BGB der Rücktritt wegen des Eintritts einer solchen Pflichtverletzung von einer Fristsetzung abhängig gemacht wird, handelt es sich ebenfalls um einen Ausfluss des Synallagmas, „weil das richtig verstandene Synallagma eben keine übermäßige Verzögerung der Leistung erlaubt.“164 Schließlich sind die gegenseitig zu erbringenden Leistungen weder irgendwo noch irgendwann zu erbringen, § 271 I BGB.165 Die Fristsetzung dient somit dem Zweck, das Liquidationsinteresse des Gläubigers und das Vertragserhaltungsinteresse des Schuldners in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen, indem der Schuldner dadurch eine zweite Chance für seine vertragsgemäße Leistungserbringung erhält.166 Anders als bei § 326 I BGB steht ein endgültiges Ausbleiben der Leistung nicht fest, sodass in Verwirklichung privatautonomer Selbstverantwortung die Umsteuerung des Vertrags nicht nur von einer Erklärung, sondern zur Herbeiführung der Rücktrittsvoraussetzungen auch dem Setzen einer Frist abhängt.167 Da die Leistungserbringung dem Schuldner noch möglich und somit nachholbar ist, wird das Abwägungsproblem mit Hilfe des Nachfrist-Ansatzes basierend auf einer typisierten Betrachtungsweise gelöst, indem die Gefährdung des Leistungsinteresses typischerweise für hinreichend erachtet wird, sobald der Schuldner nicht leistet, obwohl er hierzu erneut Gelegenheit bekommen hat. Anders gewendet soll vor diesem Zeitpunkt das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit hingegen noch nicht derart stark erschüttert sein, dass dem Gläubiger die Vertragsdurchführung nicht mehr zuzumuten wäre.168 Auf Fragen der Wesentlichkeit der Vertragsverletzung kommt es bei dieser formalen Betrachtungsweise zunächst nicht an. Die hinreichende Schwere der Pflichtverletzung folgt – vorbehaltlich einer Einschränkung nach § 323 V BGB bei bereits erfolgtem Leistungsaustausch – allein aus dem sich der Pflichtverletzung anschließenden erfolglosen Fristablauf. Selbst bei dieser verfahrenstechnischen Bestimmung der Gefährdung des Gläubigerinteresses handelt es 164

Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [5]. Nastelski, JuS 1962, 289 [289]. 166 Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 889 [893]. 167 Canaris, JZ 2001, 499 [510]. Da Art. 3 V der Verbrauchsgüterkauf-RL (1999/44/EG) nur den Fristablauf fordert, ist § 323 I BGB dahingehend richtlinienkonform auszulegen, dass es einer Fristsetzung nicht bedarf, vgl. nur Unberath, ZEuP 2005, 5 [28 f.]; Dubovitskaya, JZ 2012, 328 [332]. Dies gilt weiterhin jedenfalls für die Schlechtleistung, da zwar Art. 18 II der Verbraucherrechte-RL 2011/83/EU verlangt, dass der Verbraucher den Unternehmer „auffordert“, jedoch wird davon nur der Fall der Nichtlieferung erfasst, Dastis (2017) S. 133. 168 Schroeter, AcP 207 (2007) 28 [36]; Unberath (2007) S. 369. 165

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sich jedoch wie bereits erwähnt nicht um einen prozeduralen Ansatz in Reinform. Schließlich bildet bereits die zwingende „Angemessenheit“ der Frist ein materielles Kriterium, das unter Berücksichtigung der Parteiinteressen der Konkretisierung bedarf.169 Letztlich kann daher auch der Ablauf einer zu kurz bemessenen Frist keine unmittelbaren Rechtsfolgen entfalten, sondern setzt bekanntermaßen eine angemessene Frist in Gang.170 Die Frage, wann eine Frist zu kurz oder noch angemessen ist, wird maßgeblich durch den normativen Zweck des Fristablaufs für die Gewährung von Sekundärrechten bestimmt, nämlich die prozedurale Bestimmung der Erheblichkeit einer eingetretenen Pflichtwidrigkeit unter Einräumung einer Nacherfüllungsmöglichkeit.171 Bei der Abwägung der Gläubiger- und Schuldnerinteressen muss indessen berücksichtigt werden, dass das vertragswidrige Verhalten des Schuldners für eine höhere Gewichtung der Dispositionsfreiheit des Gläubigers streitet. Das bedeutet, dass die „Obergrenze“ der Angemessenheit durch die Dringlichkeit der Verwendungsplanung des Gläubigers und den daraus folgenden Interessenfortfall bestimmt wird, und je kürzer zu bemessen ist, desto zeitnäher er die Leistung vereinbarungsgemäß benötigt.172 b) Das Nachfristmodell im UN-Kaufrecht Nach den Artt. 49 I lit. b, 64 I lit. b CISG kann ein Gläubiger auch bei dem UN-Kaufrecht unterliegenden Kaufverträgen nach Ablauf einer Frist den Vertrag aufheben. Ausweislich der in Bezug genommenen Artt. 47 I und 63 I CISG hat die Frist zur Herbeiführung dieser Aufwertung dabei wie auch im Rahmen des § 323 I BGB „angemessen“ (amtl.: „reasonable“ bzw. „raisonnable“). zu sein.173 Zudem muss eine der dort genannten Kernpflichten unerfüllt bleiben. Bei den übrigen in Artt. 49 I lit. b, 64 I lit. b CISG nicht genannten Fällen einer Vertragsverletzung ist eine entsprechende „Aufwertung“ hingegen ausge-

169 Canaris, FS Kropholler (2008) 3 [9]; vgl. ferner MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 71 ff. 170 BT-Drucks. 14/6040, 138; st. Rspr. vgl. nur BGH Urt. v. 12.8.2009, VIII ZR 254/08 = NJW 2009, 3153 [3154]; krit. dazu Riehm (2015) S. 280 f. 171 Heinrichs, in: FS Derleder (2005) S. 87 [98 ff.]; Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 19 Rn. 19. 172 Eingängig dazu Riehm (2015) S. 284 f. 173 Ausführlich zu Folgen einer unangemessen kurzen Nachfrist, Friehe, IHR 2010, 230 [241 ff.].

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schlossen. Eine Vertragsaufhebung kommt dort nur in Betracht, wenn die Vertragsverletzung wesentlich i. S. d. Art. 25 CISG ist.174 Bei der Nachfristaufhebung wird die vertragstreue Partei von der Pflicht zur Klärung befreit, ob das Ausbleiben der Leistung als solches bereits einen wesentlichen Vertragsbruch darstellt.175 Nach ganz h. M. kann bei den Artt. 49 I lit. b, 64 I lit. b CISG formal auf die Feststellung der Wesentlichkeit gerade deshalb verzichtet werden, weil die Nichterfüllung einer solchen Pflicht nach dem Ablauf einer angemessenen Frist stets eine wesentliche Vertragsverletzung im materiellen Sinne darstellt.176 Unter diesen Voraussetzungen entgeht dem Gläubiger im Wesentlichen das, was er nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen (Art. 25 CISG). Gerade deshalb konnten sich anderslautende Vorschläge nicht durchsetzen, die im Rahmen der Konferenzberatungen einen Gleichlauf mit Art. 47 I CISG befürworteten, und so mit Blick auf den Verkäufer die Nachfrist auf sämtliche „seiner Pflichten“ erstrecken wollten.177 Der schwedische Vertreter Hjerner hat die Gesetz gewordene Fassung dementsprechend wie folgt begründet: „The restriction on the scope of subparagraph (b) in cases of non-delivery was perfectly sound because the situation was not the same as if the seller had delivered defective goods.

174

Rolland, in: FS Schlechtriem (2003) S. 629 [644]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 49 Rn. 46; Schlechtriem, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) S. 159 [167]. Eine andere Frage ist, ob der Fristablauf dort bei der Beurteilung der Wesentlichkeit eine Rolle spielt. Richtigerweise kann dies nur indiziell berücksichtigt werden, Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 294; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 336; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 49 Rn. 16. 175 Freiburg (2001) S. 154. Die Diskussion, ob der Eintritt der Voraussetzungen der Artt. 49 I lit. b, 64 I lit. b CISG zugleich eine wesentliche Vertragsverletzung begründet, wird gerade mit Blick auf Art. 72 CISG praxisrelevant. Da nämlich Art. 72 I CISG lediglich von einer künftigen wesentlichen Vertragsverletzung, nicht aber von einem hypothetischen Fristablauf, spricht, stellt sich dort die Frage, ob ein hypothetischer Fristablauf eine künftige wesentliche Vertragsverletzung darstellt. Vgl. dazu die Ausführungen zu Art. 72 CISG. 176 Vgl. Schlechtriem, ZEuP 1993, 217 [235]; Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [231]; Lohs/Nolting, ZVglRWiss 1998, 4 [13]; Lurger, IHR 2001, 91 [94]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 470; Huber/Mullis, CISG (2007) S. 234; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 47 Rn. 2; juris-PK-BGB/Geiben CISG (2017) Art. 49 Rn. 6; a. A. Kiene (2010) S. 180 f.; wohl auch Trommler (2001) S. 185. 177 Vgl. die kanadischen, niederländischen und deutschen Diskussionsbeiträge bei den Beratungen des 22. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 354 f. Sehr krit. dazu ferner Canaris, FS Kropholler (2008) 3 [9 dort Fn. 16]; Grundmann, in: FS Canaris (2007) S. 307 [317].

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In the latter case, the buyer would not be able to transform a simple breach into a fundamental breach by the mere fact of allowing the seller additional time. On the other hand, non-delivery should in all cases amount to a fundamental breach.“178

Daher lässt allein der Umstand, dass das CISG die Annahme einer wesentlichen Vertragsverletzung bei Fristablauf anders als noch das Haager Kaufrecht nicht mehr explizit ausspricht, nicht den Schluss zu, dass eine solche Aufwertung zu verneinen wäre.179 Zwar enthielt etwa Art. 27 II 2 EKG noch ausdrücklich einen entsprechenden Hinweis (amtl.: „Failure to deliver within this period shall amount to a fundamental breached of the contract.“). Dies lag jedoch allein daran, dass sich das Aufhebungsrecht erst aus Art. 26 EKG ergeben konnte, wo eine wesentliche Vertragsverletzung gefordert wurde. Da Art. 49 I lit. b CISG diese Rechtsfolge nun selbst ausspricht, bedarf es dieses Hinweises schlicht nicht mehr. Damit lässt sich festhalten, dass bereits das Haager Kaufrecht bei Fristablauf einer Kernpflicht eine wesentliche Vertragsverletzung annahm, woran sich mit dem UN-Kaufrecht nichts ändern sollte. Des Weiteren kann eine in diesem Zusammenhang ebenso vereinzelt gebliebene Kritik nicht überzeugen, die sich auf Besonderheiten quantitativer Teilleistungen i. S. d. Art. 51 I Var. 1 CISG stützt. Danach finde bei der Fristaufhebung eine „Aufwertung“ deshalb nicht statt, weil Art. 51 II CISG eine Aufhebung nur dann zulässt, wenn die teilweise Nichterfüllung eine wesentliche Vertragsverletzung für den ganzen Vertrag ist. Da dort aber die Teilnichtlieferung kein Recht zur Aufhebung des ganzen Vertrags nach Art. 49 I lit. b CISG begründen kann, verbiete sich der Schluss von dem Fristablauf auf das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung. 180 Dabei wird freilich übersehen, dass dort lediglich in Bezug auf den ausgebliebenen Teil die für Art. 49 I lit. b CISG erforderliche Nichtlieferung vorliegt. Da eine Fristaufhebung bereits tatbestandlich lediglich insoweit möglich ist, als auch eine Nichtlieferung vorliegt, lässt allein die fehlende Anwendbarkeit von Art. 49 I lit. b CISG bei teilweise erbrachter Lieferung zur Aufhebung des gesamten Vertrags diesen Schluss nicht zu. Art. 49 I lit. b CISG ist dort deshalb schlicht nicht anwendbar, weil mit der Teilnichtlieferung keine gesamte Nichtlieferung vorliegt und nicht, weil der Fristablauf bei gänzlicher Nichtlieferung keine wesentliche Vertragsverletzung begründen würde. Mehr noch erlauben die einschlägigen Ausführungen des Sekretariatskommentars einen Umkehrschluss in letzterem Sinne: „The use of the word "only" in article 47 (2) [= Art. 51 CISG] also has the effect of negating the implication which might have been thought to flow from article 45 (I) (b) [= Art. 49 I 178

Vgl. den schwedischen Diskussionsbeitrag bei den Beratungen des 22. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 354 [Herv. d. Verf.]. 179 So aber Kiene (2010) S. 181. 180 Kiene (2010) S. 181 und 207.

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lit. b CISG] that the entire contract could be avoided on the grounds that the seller failed to deliver a part of the goods within the additional period of time fixed by the buyer in accordance with article 43 [= Art. 47 CISG] even though such failure to deliver did not in itself amount to a fundamental breach of the entire contract.“181

Der auf den ausgebliebenen Teil bezogene Fristablauf („such failure“) begründet eben dann nicht „in itself“ eine wesentliche Vertragsverletzung, wenn teilweise vertragsgemäß geleistet wurde, wohl aber, wenn die Leistung wegen der Nichtlieferung komplett ausbleibt. 3. Materielle Ansätze: Gewichtigkeit der Vertragsverletzung Anders als im deutschen Schuldrecht steht im UN-Kaufrecht ein materiell rechtlicher Ansatz im Mittelpunkt der Betrachtung. Ausgehend vom Grundtatbestand der wesentlichen Vertragsverletzung nach Art. 25 CISG kommt es für die Vertragsaufhebung auf die Gewichtigkeit der Vertragsverletzung an. Der Gläubiger kann dann nach Artt. 49 I lit. a bzw. 64 I lit. a CISG sofort die Vertragsaufhebung erklären. Daneben wird jedoch auch das prozedurale Nachfristmodell des BGB von materiellen Ansätzen flankiert. Die Gewichtigkeit der Vertragsverletzung kann dabei auf zwei Ebenen des Rücktrittstatbestands eine Rolle spielen. So wirkt sich die (Un-)Erheblichkeit in § 323 V 2 BGB als Schranke des Rücktrittsrechts nach § 323 I BGB aus, während die Gewichtigkeit in § 323 II Nr. 3 BGB zur Begründung eines sofortigen Rücktrittsrecht führt. Funktionell dient die Berücksichtigung der Gewichtigkeit der Vertragsverletzung somit sowohl im UN-Kaufrecht als auch im BGB dem schuldnerischen Interesse der Vertragserhaltung.182 Gemeinsamkeiten weisen das CISG und das BGB ferner insofern auf, als sich die Erheblichkeit erst auf Ebene der Tatbestandskonturierung der Rechtsbehelfe auswirkt.183 Denn das Vorliegen einer Vertragsverletzung selbst hängt gleichermaßen nicht vom Ausmaß der Vertragsverletzung ab. Anders als noch die Haager Kaufgesetze184 sieht Art. 35 CISG keine Einschränkung dahingehend vor, dass nur eine (nicht un-) erhebliche Vertragsverletzung die Vertragswidrigkeit begründet. Schließlich geht dieses Erfordernis dort im Tatbestand des Art. 25 CISG auf, wo der Rechtsbehelf an die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung geknüpft wird.185 Parallel 181

Vgl. zu Art. 47 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 44 [Herv. d. Verf.]. 182 Giesecke (2014) S. 204. 183 Vgl. dazu Giesecke (2014) S. 62 f. und 84. 184 Art. 33 II EKG lautete: „No difference in quantity, lack of part of the goods or absence of any quality or characteristic shall be taken into consideration where it is not material.“ 185 Zur Rolle des Haager Kaufrechts bei der Normgenese des Art. 35 CISG, VI Yearbook, 1973 (Document A/CN.9/75), p. 64 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 142). Aufgrund dieser bewussten Abweichung zu Art. 33 II EKG sollten „gewisse Toleranzen“

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differenziert auch das BGB bei der Bestimmung des Mangels in § 434 BGB nicht zwischen erheblichen und unerheblichen Mängeln.186 Eine allfällige Korrektur auf Ebene der Rechtsbehelfe erfolgt erst durch §§ 281 I 3 und 323 V 2 BGB. a) Beschränkung und Begründung des Rücktrittsrechts im BGB aufgrund der Gewichtigkeit der Vertragsverletzung aa) Einschränkungen durch § 323 V 2 BGB bei Schlechtleistungen Besonderheiten schafft § 323 V BGB für den fristenabhängigen Rücktritt durch Normierung materialer Einschränkungen für quantitative und qualitative Teilleistungen.187 In § 323 V 1 BGB hat sich der Gesetzgeber in Fällen der Teilleistung für den Grundsatz des Teilrücktritts entschieden. Ein darüber hinausgehender Rücktritt vom ganzen Vertrag ist nur möglich, wenn der Gläubiger auch an der erbrachten Teilleistung kein Interesse hat.188 Umgekehrt geht § 323 V 2 BGB in Fällen der Schlechtleistung grundsätzlich davon aus, dass der Gläubiger, sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen, zurücktreten kann. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Schlechtleistung unerheblich ist.189 Während also für den Fall der Teilleistung der Gläubiger beweisen muss, dass er kein Interesse an der Teilleistung hat, obliegt es in Fällen der Schlechtleistung dem Schuldner, die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung positiv nachzuweisen, möchte er den Rücktritt des Gläubigers abwehren. Diese Beweislast wird dem Gläubiger in Fällen qualitativer Teilleistung somit nicht zugemutet und dieses RegelAusnahme-Verhältnis lässt den Schluss zu, dass sich der Gläubiger bei einer nicht nur teilweise, aber schlecht erbrachten Leistung grundsätzlich nicht zusätzlich rechtfertigen muss.190 Ausgehend von der Systematik des Nachfristmodells dient § 323 V 2 BGB somit als Korrektiv des lediglich prozessualen Ansatzes des § 323 I BGB.191

aus den „verobjektivierten Maßstäben“ des Art. 35 II CISG nur zurückhaltend abgeleitet werden, so aber MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 35 Rn. 8; krit. daher Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 35 Rn. 32. 186 Vgl. nur OLG-Karlsruhe NJW-RR 2009, 777 [778]; MüKoBGB/Westermann (2016) § 434 Rn. 8. Für den B2C-Verkehr gibt Art. 3 I der Verbrauchsgüterkauf-RL (1999/44/EG) dieses Ergebnis zwingend vor. 187 Lorenz, NJW 2006, 1925 [1925]. 188 Vgl. zur Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit der Leistung, Kap. 2 IV. 189 BT-Drucks. 14/6040, 186 f.; Kindl, WM 2002, 1313 [1322]. 190 Lorenz, NJW 2006, 1925 [1925]; Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, 383 [384]. 191 Dagegen könne nach Leible, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke (2008) S. 97 [104] allein das Überschreiten der Schwelle des § 323 V 2 BGB die Fristsetzung entbehrlich machen und damit ein sofortiges Rücktrittsrecht begründen.

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Es sind deshalb nach § 323 V 2 BGB solche Fälle auszuklammern, in denen „das Leistungsinteresse im Grunde nicht gestört ist.“192 Hierin kommt die Funktion der Norm, die stark formalisierte Begründung von Rücktrittsrechten wegen Leistungsstörungen zu korrigieren, klar zum Ausdruck. Denn während die Nichtleistung trotz Fristablauf somit stets für hinreichend wesentlich erachtet wird, hält § 323 V 2 BGB für Fälle der Schlechtleistung eine weitergehende eigenständige Wesentlichkeitsschwelle bereit.193 Die Beurteilung, ob eine Pflichtverletzung unerheblich i. S. d. § 323 V 2 BGB ist, erfordert nach der Rechtsprechung des BGH „eine umfassende Interessenabwägung“.194 Ob es auch in den Fällen des § 323 II Nr. 3 BGB zusätzlich einer Prüfung des § 323 V 2 BGB bedarf, wird kaum diskutiert. Dies ist jedoch mit Blick auf die ratio des § 323 V 2 BGB von vornherein zu verneinen. Denn die Norm geht davon aus, dass das Rücktrittsrecht ohne Rücksicht auf den tatsächlichen Interessenfortfall und die Erheblichkeit allein wegen des Fristablaufs gewährt wird.195 Solche Überlegungen werden jedoch bereits bei der im Rahmen des § 323 II Nr. 3 BGB anzustellenden Abwägung mit eingestellt. Die Möglichkeit des Rücktritts bei einer Schlechtleistung hängt wegen der Voraussetzungen des § 323 V 2 BGB jedoch nicht davon ab, dass eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt, welche die Schwelle des Art. 25 CISG erreicht.196 Die Gemeinsamkeiten in der Berücksichtigung der Gewichtigkeit dürfen diesen Eindruck bei der bloßen Einschränkung als de minimis Regel nicht erwecken.197 Eine anderslautende Norminterpretation wäre nämlich zum einen weder von dem Wortlaut der Norm, noch von dem Willen des Gesetzgebers gedeckt.198 Zum anderen versagt Art. 3 VI der Verbrauchsgüterkauf-RL (1999/44/EG), welcher § 323 V BGB zugrunde liegt, die Vertragsauflösung umgekehrt nur bei „geringfügiger“ Vertragswidrigkeit.199 Der funktionelle Unterschied liegt darin, dass Art. 25 CISG sicherstellt, dass die Vertragsaufhebung als ultima ratio die Ausnahme bleibt, während nach Art. 3 VI der Ver-

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BT-Drucks. 14/6040, 187 [Herv. d. Verf.]. Vgl. zum Ganzen Schmidt-Räntsch, in: FS Wenzel (2005) S. 409 [411 ff.]. Krit. zur Berücksichtigung von arglistigem Verhalten des Schuldners Lorenz, NJW 2006, 1925 [1925]. 193 Rolland, in: FS Schlechtriem (2003) S. 629 [642]. 194 BGH Urt. v. 6.2.2013, VIII ZR 374/11 = NJW 2013, 1365 [1366]. Nach neuerer Rspr. des BGH liege Unerheblichkeit jedenfalls nicht mehr ab einem Mangelbeseitigungsaufwand vor, der 5% des Kaufpreises übersteigt, BGH Urt. v. 28.5.2014, VIII ZR 94/13 = NJW 2014, 3229. Umfangreiche Nachweise zur Rspr. Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 32. 195 Lorenz, NJW 2006, 1925 [1925]. 196 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 328. 197 Dastis (2017) S. 134; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 39. 198 Vgl., BT-Drucks. 14/6040, 187. 199 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 214; Höpfner, NJW 2011, 3693 [3695].

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brauchsgüterkauf-RL (1999/44/EG) umgekehrt der Ausschluss des Rücktrittsrechts die Ausnahme bildet.200 Während im UN-Kaufrecht deshalb eine Nachfristaufhebung a priori allein bei der Verletzung bestimmter Kernpflichten in Betracht kommt, lässt das BGB eine Fristsetzung ohne Einschränkung auf die Vertragsverletzung zu, um dies im Einzelfall über § 323 V BGB zu korrigieren. bb) Der „Auffang“-Tatbestand des § 323 II Nr. 3 BGB und Ausnahmen vom Fristerfordernis nach § 242 BGB (1) Die Regelung des § 323 II Nr. 3 BGB Als Ausnahme zu § 323 I BGB erlaubt § 323 II Nr. 3 BGB den Rücktritt, wenn besondere Umstände vorliegen, welche unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass bei der Anwendbarkeit kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts die Norm des § 440 S. 1 Var. 3 BGB anders als § 323 II Nr. 3 BGB allein auf die Interessen des Käufers abstellt, während die des Verkäufers außer Betracht bleiben.201 Der BGB-Gesetzgeber löst sich mit § 323 II Nr. 3 BGB beschränkt auf Fälle der Schlechtleistung somit ebenfalls von der typisierten Betrachtungsweise des Nachfristmodells und ebnet den Weg für eine einzelfallabhängige Bestimmung von Rücktrittsschwellen. Die Norm ist als „Auffangtatbestand für die in den Nummern 1 und 2 nicht erfassten Fälle konzipiert und soll den Gerichten entsprechende Bewertungsspielräume geben.“202

Unter Berücksichtigung des Umstands, dass auch § 323 II Nr. 1 und 2 BGB teleologisch betrachtet nur schwerlich als bloße Ausnahmen von § 323 I BGB einzuordnen sind, weil die dortige Gewährung eines Rücktritts unter Ausklammerung des Fristablaufs von gänzlich anderen Rechtfertigungserwägungen getragen wird,203 ist auch mit Blick auf § 323 II Nr. 3 BGB festzuhalten, dass die Entbehrlichkeit der Frist der Norm eine eigenständige Begründung der Legitimation des Rücktritts bedingt. Dabei bleibt die Systemkohärenz neben § 324 BGB nur gewahrt, wenn ausschließlich leistungspflichtorientierte Störungen berücksichtigt werden.204 Wo es basierend auf einem Lebenssachverhalt zu 200 Faber, ZEuP 2006, 676 [693 f.]; M. Müller/Matthes, AcP 204 (2004) 732 [745]; a. A. Kiene (2010) S. 138 ff.; wohl auch Schwartze, ZEuP 2000, 544 [567]. 201 BeckOGK/Höpfner BGB § 440 Rn. 35. Vgl. hierzu jüngst BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 240/15 = NJW 2017, 153 [154], wo der BGH § 440 S. 1 Var. 3 BGB nutzt, „um Abwimmelungs- und Hinhaltetaktiken von Verkäufern zu durchkreuzen, die sich unterhalb der Schwelle zur ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung bewegen.“ Mankowski, NJW 2017, 156 [156] (= Anm. zu BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 240/15). 202 BT-Drucks. 14/6040, 186. 203 Vgl. zum Rücktritt bei Säumnis und Erfüllungsverweigerung, Kap. 2 III. 4. und V. 204 Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 889 [905 ff.]; Temming, JA 2018, 1 [4]; zu § 324 BGB s. sogleich die Ausführungen zur Vertragsumsteuerung bei Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten.

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Überschneidungen kommt, liegen dennoch zwei unterschiedliche Störungstatbestände vor, sodass von einer Konsumtion des § 324 BGB durch § 323 II Nr. 3 BGB nicht die Rede sein kann.205 Tragender Aspekt ist bei § 323 II Nr. 3 BGB, dass dem Gläubiger trotz des Vorliegens einer Leistungspflichtverletzung die mit der Fristsetzung verbundene „zweite Chance“ des Schuldners nicht zuzumuten wäre, weil jede andere Beurteilung eine Überbetonung des Grundsatzes der Vertragserhaltung bedeutet.206 Dabei darf dieser vom Grundsatz des Fristsetzungserfordernis ausgehende Ansatz jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Abwägungsentscheidung zu Gunsten des Gläubigers allein das Ergebnis einer hypothetischen Fristsetzung unter Hinzutreten „weiterer besonderer Umstände“ wäre. Vielmehr erlaubt die Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung unter rein materiellen Gesichtspunkten. Es kommt primär auf den Interessenfortfall des Gläubigers an.207 Auch wenn der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang von einem „Auffangtatbestand“ spricht,208 kann deshalb kaum von einem Subsidiaritätsverhältnis zwischen § 323 I bzw. § 323 II Nr. 1 und 2 BGB und § 323 II Nr. 3 BGB die Rede sein. Die von dem Gesetzgeber damit zum Ausdruck gebrachte Vorsicht ist vielmehr als Appell gegen eine vorschnelle Annahme des Überwiegens von Gläubigerinteressen zu verstehen. Inwiefern eine hypothetisch gesetzte Nachfrist unzumutbar wäre, hat dabei allenfalls indiziellen Charakter. Ob parallel zu Art. 25 CISG einschränkend die Vorhersehbarkeit für den Schuldner zu berücksichtigen ist, ist umstritten. Der Wortlaut der Norm sieht eine solche Einschränkung nicht vor.209 Richtigerweise ist deshalb vermittelnd davon auszugehen, dass auch die fehlende Vorhersehbarkeit allenfalls Indiz des Überwiegens der Schuldnerinteressen sein kann.210 (2) Ausnahmen vom Fristerfordernis nach § 242 BGB In seiner seit 13.06.2014 geltenden Fassung beschränkt sich § 323 II Nr. 3 BGB auf Fälle der Schlechtleistung. Außerhalb von § 323 II Nr. 1 und 2 BGB bleibt es daher bei einer nachholbaren Leistung nach dem Gesetzeswortlaut bei dem

205

Vgl. Grigoleit, in: FS Canaris Bd. I (2007) S. 275 [280]. Riehm, NJW 2014, 2065 [2067]. 207 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 113 ff. 208 BT-Drucks. 14/6040, 186. 209 Ablehnend deshalb Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 116; ähnlich Schwarze, der dies allein im Rahmen des Mitverschuldens bei einem Schadensersatzanspruch für beachtlich hält, Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 114 f. Für eine Berücksichtigungsfähigkeit deshalb MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 128; dem folgend BeckOK BGB/H.Schmidt § 323 Rn. 30. Zur Vorhersehbarkeit bei § 326 BGB a. F. vgl. Beinert (1979) S. 148 ff. 210 Die Diskussion verliert bei richtigem Normverständnis an Schärfe. Denn es handelt sich bei dem Vorhersehbarkeitskriterium allein um eine Auslegungsregel, vgl. sogleich die Ausführungen zu Art. 25 CISG. 206

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zwingenden Grundsatz der vorherigen Fristsetzung. Die Bewertung der Nichtleistung ist damit einer Abwägung der Parteiinteressen zur sofortigen Gewährung eines Rücktrittsrechts nicht zugänglich. Eine Ausklammerung der Nichtleistung, und damit – wie nicht zuletzt der Vergleich zu Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG zeigt – per se schwereren Pflichtverletzung, erscheint auf den ersten Blick zwar paradox. Dies ist jedoch wegen der europarechtlichen Determination für Fälle der Nichtleistung durch Art. 18 II der Verbraucherrechterichtlinie im B2C-Verhältnis zwingend.211 Denn die Richtlinie sieht insofern keine Ausnahme vom Fristsetzungserfordernis vor. Indem der Reformgesetzgeber ohne Not auch für sämtliche Rechtsgeschäfte die Nichtleistung aus § 323 II Nr. 3 gestrichen hat, wird eine flexible den Umständen des Einzelfalls gerecht werdende Beurteilung, wie sie etwa Artt. 49 I lit. a und 64 I lit. a CISG vor Augen hat, de lege lata gesperrt.212 Allerdings lassen sich aus dem Telos des Fristerfordernisses selbst entsprechende Rückausnahmen praeter legem bilden. Zum einen sollen nämlich im Falle einer Nichtleistung nach Auffassung des Reformgesetzgebers selbst mögliche Härten über § 242 BGB zu korrigieren sein.213 Jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs der Verbraucherrechterichtlinie ist dieser Weg nicht ausgeschlossen und so betont auch der BGH in ständiger Rechtsprechung, „dass ein sofortiger Rücktritt dann möglich ist, wenn feststeht, dass der Schuldner die angemessene Nachfrist nicht einhalten wird. Denn dann wäre das Erfordernis der Nachfrist eine reine Förmelei.“214

Indem der BGH in dieser Entscheidung ohne den Umweg über § 323 II Nr. 3 a. F. BGB allein unter Berücksichtigung des Telos von § 323 I BGB auf die Überflüssigkeit der Frist abhebt, lässt sich dieser Gedanke auch auf die geltende Rechtslage übertragen.215 Daneben scheint dieser auf das Treu und Glauben Gebot gestützte Ansatz – auch wenn eine Klärung des EuGH insofern noch aussteht – als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts die Auslegung des Art. 18 II der Verbraucherrechterichtlinie zu beeinflussen.216 Wo nämlich eine Fristsetzung, die dem Schuldner eine zweite Chance zur Leistungserbringung 211

Nach Art. 4 der VerbraucherrechteRL 2011/83/EU ist die Richtlinie vollharmonisie-

rend. 212

Schmitt, VuR 2014, 90 [95]; Temming, JA 2018, 1 [3 ff.]. BT-Drucks. 17/12637, 59. 214 Vgl. nur BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3717] in casu konnten diese Voraussetzungen auf Basis der Feststellungen des Berufungsgerichts indessen nicht festgestellt werden. 215 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 127 ff.; krit. Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 22. 216 Dafür Riehm, NJW 2014, 2065 [2069]; Schmitt, VuR 2014, 90 [96]; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. A 53; zur Anwendbarkeit des unionsrechtlichen Missbrauchverbots auf Richtlinien, Schmidt-Kessel, in: JbJZivRWiss (2001) S. 61 [67 ff.]; krit. Weiss, NJW 2014, 1212 [1215]. 213

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gewähren soll, evident sinnlos ist, ist es kaum vorstellbar, dass das Unionsrecht an diesem Erfordernis festhalten will. Die Berufung des Schuldners auf die fehlende Frist wäre dort rechtsmissbräuchlich. Da es nach alledem bei den zum früheren § 323 II Nr. 3 BGB-2002 diskutierten Fallgruppen im Fall der Nichtleistung – Interessenfortfall, Arglist oder fehlende Erfüllungsbereitschaft des Schuldners217 – letztlich allein um Ausnahmen vom Fristerfordernis unter materiellen Gesichtspunkten geht, sollte dementsprechend auch die Lösung des Problems in Einschränkungen des Fristerfordernis gesucht werden. Insbesondere ein extensiver Rückgriff auf die Norm des § 323 IV BGB ist insofern nicht zielführend.218 Zum einen ist die Norm nur vor Fälligkeit anwendbar und setzt zum anderen den späteren Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen voraus. Letzteres verlangt indessen eine Prognose über die künftige Gewährung eines Rücktrittsrechts basierend auf einer in den Rücktrittsvoraussetzungen zum Ausdruck kommenden Interessenabwägung, auf die nicht einfach im Wege eines Zirkelschlusses verzichtet werden kann.219 b) Das sofortige Aufhebungsrecht bei wesentlicher Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG Bereits dem Haager Kaufrecht lag der Gedanke zugrunde, dass eine Vertragsaufhebung nur in Betracht kommen soll, wenn die Vertragsverletzung „wesentlich“ ist, während bei weniger gravierenden Verstößen allein ein Ausgleich durch Schadensersatz oder Minderung der Gegenleistung erfolgen sollte.220 Dementsprechend können nach Artt. 49 I lit. a und 64 I lit. a CISG Käufer sowie Verkäufer bei einem „wesentlichen Vertragsbruch“ der anderen Partei sofort die Vertragsaufhebung erklären. Die Voraussetzungen ergeben sich aus Art. 25 CISG.221 Die Norm fordert zunächst, dass der Partei im Wesentlichen das entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Einschränkend wird jedoch weiterformuliert, dass dies nicht gelte, wenn die vertragsbrüchige Partei diese Folge nicht vorausgesehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte. Dadurch wird die Maßgeblichkeit des konkreten Pflichtenprogramms mit einem Vorhersehbarkeitskriterium verbunden.222 Dabei wirft gerade der „Nachteil“, demzufolge der vertragstreuen Partei im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, die 217

Vgl. nur Temming, JA 2018, 1 [5 ff.]. Dafür aber Temming, JA 2018, 1 [6]; Weiss, NJW 2014, 1212 [1214]; Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [918]; Gutzeit, NJW 2012, 3717 (= Anm. zu BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10). 219 Ausführlich dazu der Exkurs zur Anwendbarkeit von § 323 IV BGB nach Fälligkeit. 220 von Caemmerer, in: FS Coing (1982) S. 33 [35]. 221 Monographisch, Trommler (2001) S. 55 ff. 222 Lurger, IHR 2001, 91 [92]; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 6. 218

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Frage auf, ob stets das Vertragsinteresse frustriert worden sein muss oder ob nicht vielmehr ein Verstoß mit erheblichem Gewicht erforderlich, aber auch ausreichend ist. Der Wortlaut der Norm deutet dabei eine subjektivierende Auffassung an, wenn dort das Vorliegen eines „Nachteils“ mit dem, was die Partei nach dem Vertrag „hätte erwarten dürfen“, kombiniert wird.223 Die Enttäuschung des Vertragsinteresses bildet auch deshalb eindeutig den Schwerpunkt der Betrachtung, da davon abhängt, ob ein „solcher“ (amtl.: „if it results in such detriment to the other party as“) Mangel vorliegt. Die h. M. bejaht eine wesentliche Beeinträchtigung deshalb dann, wenn sie so gewichtig ist, dass das Interesse der Partei an der Durchführung des Vertrags dadurch beseitigt wird.224 Die enttäuschten Erwartungen des Gläubigers müssen sich dabei in der vertraglichen Vereinbarung niederschlagen.225 Beruht die Vertragswidrigkeit etwa auf einer Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit ist daher, wie der BGH jüngst festgestellt hat, nicht allein auf die objektive Schwere der Mängel abzustellen.226 Vielmehr ist insbesondere mit Blick auf Käuferinteressen im Falle vertragswidriger Lieferung regelmäßig zu fordern, dass es bei mangelhafter Ware auf die Nutzlosigkeit ankommt (sog. „reasonable-usetest“227).228 Das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung knüpft Art. 25 CISG zusätzlich an ein Vorhersehbarkeitskriterium. Einigkeit herrscht darüber, dass dieses Merkmal nicht als subjektives Verschuldenselement missverstanden werden darf.229 Unterschiedlich wird allerdings der maßgebliche Zeitpunkt beurteilt, wann die Voraussehbarkeit gegeben sein muss.230 Richtigerweise kann 223 Schlechtriem, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) S. 159 [164]. Teilweise abweichend Grundmann, in: FS Canaris (2007) S. 307 [320 f.]. 224 Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari CISG (2018) Art. 25 Rn. 9; BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 25 Rn. 21; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 25 Rn. 4; Kappus, NJW 1994, 984 [984]; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 12 f. alle m. w. N. Teilweise abweichend Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 25 Rn. 9. 225 Lurger, IHR 2001, 91 [91 f.]; Holthausen, RIW 1990, 101 [102]; Westermann, DZWir 1997, 45 [47]. Es steht den Parteien auch zu, die Wesentlichkeit selbst zu definieren, wobei dies sodann in die Nähe eines privatautonom vereinbarten Vertragsaufhebungsrechts rückt, Grundmann, FS Canaris (2007) 307 [319]; BGH Urt. v. 24.9.2014, VIII ZR 394/12 = GWR 2014, 500 m. Anm. Ostendorf. 226 BGH Urt. v. 24.9.2014, VIII ZR 394/12 = NJW 2015, 867 [869]. 227 MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 22. 228 Förster, NJW 2015, 830 [831] (= Bespr. von BGH Urt. v. 24.9.2014, VIII ZR 394/12); vgl. ferner zu einer „unzumutbaren Verwertung“ bereits, BGH Urt. v. 3.4.1996, VIII ZR 51/95 = NJW 1996, 2364 [2366]. 229 Vgl. nur Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 319. 230 Dies wird im Sekretariatskommentar offengelassen und soll vom Einzelfall abhängen. „Article 23 [= Art. 25 CISG] does not specify at what moment the party in breach should have foreseen the consequences of the breach, whether at the time the contract was concluded or at the time of the breach. In case of dispute, that decision must be made by the tribunal.“

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insofern jedoch nur der Zeitpunkt des Vertragsschlusses relevant sein, da der Vertrag ein Instrument zur Fixierung der Parteiinteressen und der Risikenverteilung ist. Diese einvernehmliche Bindung darf nicht durch Berücksichtigung nachträglicher Ereignisse unterlaufen werden.231 Die eigentliche und mit der Bewertungsgrundlage verbundene Frage ist daher, welche Bedeutung diesem Merkmal zukommt – mit anderen Worten, inwiefern bei der Fixierung der Parteiinteressen und Risikenverteilung die Vorhersehbarkeit eine Rolle spielen kann. Zutreffend wird nämlich darauf hingewiesen, dass das Kriterium Überbleibsel einer erst nachträglichen Anpassung der Bestimmung des Nachteils ist, der ohnehin von den konkreten Vertragserwartungen des Gläubigers abhängt. Da allein die Erheblichkeit des Vertragsbruchs nicht ausschlaggebend ist, sei das Kriterium nun vielmehr „überflüssig geworden.“232 Da es nach dem endgültigen Normtext allein darauf ankommt, die Bedeutung der verletzten Vertragspflicht zu bewerten, und insofern vorrangig die Parteivereinbarungen zu berücksichtigen sind, erschöpft sich das Vorhersehbarkeitsmerkmal letztlich in einer Auslegungsregel. Der Gläubiger hat zu beweisen, dass eine wesentliche Pflicht betroffen ist, wobei nur solche dem Schuldner ungünstigen Umstände Berücksichtigung finden können, welche ihm bei Vertragsschluss bekannt oder zumindest objektiv erkennbar waren. Die Norm bietet einen „ergänzenden Maßstab für die Wesentlichkeit“ und stellt durch die am Vorhersehbaren ausgerichtete Bestimmung klar, dass der „simple Rückschluss vom objektiv eingetretenen Nachteil auf die vertraglich geschützte Erwartung“ unzulässig ist.233 4. Recht zur sofortigen Vertragsumsteuerung bei Säumnis a) Säumnis als wesentliche Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG Die bloße Säumnis, d. h. das bloße Verstreichenlassen des Fälligkeitstermins, begründet allein grundsätzlich keine wesentliche Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG.234 Dies gilt insbesondere für die Versäumung des Zahlungster-

Art. 23 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 26. 231 Eingängig hierzu Flume, AcP 215 (2015) 282 [287 ff.]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 319; Trommler (2001) S. 160 ff.; Holthausen, RIW 1990, 101 [105]; Freiburg (2001) S. 56. 232 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter CISG (2013) Art. 25 Rn. 5; vgl. zur historischen Auslegung ferner Trommler (2001) S. 143. 233 Honsell/Gsell CISG (2009) Art. 25 Rn. 20; vgl. ferner MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 18; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 320. 234 Vgl. statt vieler Sauthoff, IHR 2005, 21 [21]; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 49 Rn. 5; großzügiger wohl EBJS/G. Müller (2015) HGB § 376 Rn. 85.

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mins, weil dadurch das Interesse an der Vertragsdurchführung auf Verkäuferseite regelmäßig nicht entfällt.235 Der Gläubiger kann dann eine angemessene Frist setzen, um ein Aufhebungsrecht zu begründen. Die Möglichkeit der Fristsetzung wäre im CISG im Übrigen überflüssig, würde jede Säumnis eine wesentliche Vertragsverletzung begründen.236 Ähnlich wie nach § 323 II Nr. 2 BGB kann jedoch bei dem Vorliegen eines sogenannten Fixgeschäfts bereits der bloße Zeitablauf und ergebnislose Eintritt der Fälligkeit zur sofortigen Vertragsaufhebung berechtigen.237 Eine besondere Vorschrift hierzu fehlt im UNKaufrecht.238 Um die Voraussetzung des Art. 25 CISG zu erfüllen, dass der Partei im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, ist erforderlich und ausreichend, dass „für beide Parteien ersichtlich der Vertrag mit der fristgerechten Lieferung stehen und fallen sollte.“239 Es sind also zusätzliche, über die Bestimmung der bloßen Fälligkeit hinausgehende Anhaltspunkte erforderlich.240 Dies kann sich wie auch im Rahmen des § 323 II Nr. 2 BGB aus der Parteivereinbarung oder aus den Gesamtumständen ergeben.241 Letzteres ist insbesondere bei volatilen Märkten und Waren, die in kurzer Zeit starken Preisschwankungen ausgesetzt sind, sowie bei Saisonware anzunehmen.242

235 OLG Karlsruhe Urt. v. 15.2.2016, 1 U 192/14 = CISG-online No. 2740; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 25 Rn. 30. 236 So jüngst OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 03859. 237 Handelsgericht des Kantons Zürich Urt. v. 25.6.2007, HG050430/U/ei = CISG-online No. 1564. 238 Vgl. dagegen Art. 7.3.1 (2) lit. b PICC „In determining whether a failure to perform an obligation amounts to a fundamental non-performance regard shall be had, in particular, to whether strict compliance with the obligation which has not been performed is of essence under the contract;“ 239 OLG Düsseldorf Urt. v. 21.4.2004, I-15 U 88/03 = CISG-online No. 915; vgl. ferner aus der jüngeren Rspr. OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 03859; OLG Köln Urt. v. 24.4.2013, 16 U 106/12 = IHR 2015, 60 [64]; aus der Lit. Magnus/Lüsing, IHR 2007, 1 [3 f.]. 240 Sauthoff, IHR 2005, 21 [22]. 241 MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 25 Rn. 29. 242 UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods 2016 Ed. p. 231. Ausführlich zur (Ir-)Relevanz von INCOTERMS, Magnus/Lüsing, IHR 2007, 1 [5 ff.]; Ostendorf, IHR 2009, 100 [100 ff.].

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b) Der „Ausnahme“-Tatbestand des § 323 II Nr. 2 BGB Abweichend von § 323 I BGB gestattet § 323 II BGB unter den dort genannten Voraussetzungen einen sofortigen Rücktritt.243 Zwar deuten systematische Stellung und Formulierung der Norm an, dass es sich hierbei um Unterfälle des Rücktrittsrechts aus § 323 I BGB handelt. Zutreffend weist Canaris allerdings darauf hin, dass das Telos dieser vermeintlich bloßen „Ausnahmetatbestände“ diesen Schluss nur schwerlich zulässt.244 Indem § 323 II BGB nämlich nicht nur auf die Fristsetzung, sondern ganz allgemein auf das Erfordernis des Ablaufs einer angemessenen Frist verzichtet, wird damit zugleich die für das Rücktrittsrecht konstitutive Bewertung der Erheblichkeit der Vertragsverletzung ausgeklammert. Wenn aber erst die übermäßige Verzögerung der Leistung durch Fristablauf zu einer hinreichenden Störung des Synallagmas führt, die den Rücktritt rechtfertigt, bedarf es für eine „Ausnahme“ vom Fristerfordernis einer gesonderten teleologischen Begründung. Eine solche Ausnahme sieht § 323 II Nr. 2 BGB im Falle einer entsprechenden Vereinbarung über die termingerechte Leistung vor.245 Die Norm erfasst das sogenannte relative – und damit nicht bereits Unmöglichkeit begründende246 – Fixgeschäft, das auf einer entsprechenden Übereinkunft der Parteien beruht. In Umsetzung von Art. 18 Abs 2 UAbs 2 der VerbrR-RL kann sich diese Bestimmung dabei auch aus anderen Umständen als der Mitteilung bei Vertragsschluss ergeben, sofern diese den Vertragsschluss begleiteten.247 Ein sofortiger Rücktritt ist somit nach § 323 II Nr. 2 BGB möglich, wenn der Schuldner die Leistung bis zu einem im Vertrag bestimmten Termin oder innerhalb einer im Vertrag bestimmten Frist nicht bewirkt, obwohl die termin243 Auf §§ 440 S. 1 Var. 1 und 2 bzw. 636 Var. 1 und 2 BGB braucht hier nicht näher eingegangen werden. Zum einen ist die Fristsetzung reine Formalität, wenn der Schuldner beide Arten der Nacherfüllung berechtigt verweigert, BeckOK BGB/Faust § 440 Rn. 28. Zum anderen liegt dem Fehlschlagen der Nachbesserung eine dem Fristablauf ähnliche typisierte Betrachtung zugrunde, da auch hier ein Abwarten wegen der nachhaltigen Störung des Synallagmas unzumutbar erscheint, BT-Drucks. 14/6040, 233; Staudinger/Martinek (2013) § 440 BGB Rn. 18. 244 Vgl. Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [13 ff.] 245 Auch der § 323 BGB zugrundeliegende Art. 3 V der RL 1999/44/EG verlangt wenigstens den Ablauf einer angemessenen Frist, Dubovitskaya, JZ 2012, 328 [332]. 246 Ist die Einhaltung der Leistungszeit derart wesentlich, dass es sich bei einer verspäteten Leistung um keine Erfüllung mehr bzw. um eine andere als die ursprünglich geschuldete Leistung handelt, liegt ein sog. absolutes Fixgeschäft vor, das zur Unmöglichkeit führt, st. Rspr. seit BGHZ 60, 14 [16]. Krit. Schwarze, AcP 207 (2007) 437 [449 ff.]; Dubovitskaya, AcP 215 (2015) 581 [592 ff.]. 247 BT-Drucks. 17/12637, 58. Riehm, NJW 2014, 2065 [2066] nimmt insofern ein Umsetzungsdefizit an, weil die Richtlinie auch bei einer verfrühten Lieferung ein sofortiges Rücktrittsrecht vorsehe. Ausführlich zur Richtlinienkonformität des Wiederauflebens des Fristsetzungserfordernisses bei erneutem Erfüllungsverlangen, Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 889 [901 f.].

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

oder fristgerechte Leistung nach einer Mitteilung des Gläubigers an den Schuldner vor Vertragsschluss oder auf Grund anderer den Vertragsabschluss begleitenden Umstände für den Gläubiger wesentlich ist. Neben der vertraglichen Fälligkeitsbestimmung bedarf es somit zweier zusätzlicher Voraussetzungen:248 Erstens muss die termingerechte Leistung wesentlich sein – allein die kalendermäßige Bestimmung reicht nicht.249 Die Leistungspflicht soll mit Einhaltung der Leistungszeit vereinbarungsgemäß vielmehr „stehen und fallen“.250 Zweitens ist erforderlich, dass die Wesentlichkeit der termingerechten Leistung durch eine Mitteilung des Gläubigers oder durch sonstige den Vertragsabschluss begleitende Umständen – bspw. Kauf von Saisonware – zum Ausdruck kommt. Die Wesentlichkeit der termingerechten Leistung muss also im Rahmen der Vertragsverhandlungen für den Schuldner ersichtlich werden. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Gläubiger ohne Einhaltung des prozeduralen Nachfristverfahrens wegen der bloßen Säumnis zurücktreten. Dabei erfährt das sofortige Rücktrittsrecht seine Legitimation jedoch nicht aus dem bloßen Verweis auf einen dort stets anzunehmenden „wesentlichen Vertragsbruch“.251 Das wäre zirkulär, da mit der Behauptung der Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung – wie Art. 25 CISG zeigt – bereits das Ergebnis einer Interessenabwägung umschrieben wird. Die Möglichkeit der Vertragsumsteuerung ergibt sich unter den genannten Voraussetzungen vielmehr bereits aus dem Inhalt des Vertrags selbst, sodass ein rechtfertigungsbedürftiger Konflikt mit der Maxime pacta sunt servanda hier von vornherein nicht droht. Schließlich lässt sich das Ende des Vorrangs der Naturalerfüllung unter Einhaltung der Voraussetzungen des § 323 II Nr. 2 BGB mit dem Parteiwillen selbst begründen.252 Denn in der Mitteilung des Gläubigers bzw. in dem Vorliegen entsprechender den Vertragsabschluss begleitender Umstände kann wegen des Vertragsschlusses ein vom Schuldner konsentiertes Erklärungsverhalten erblickt werden, das die Annahme einer konkludenten Vereinbarung der Möglichkeit der sofortigen Vertragsumsteuerung bei säumiger Leistungserbringung trägt.253 Schließlich wird parallel dazu auch dem in § 376 HGB enthaltenen, sprachlich aber sehr viel enger formulierten Erfordernis einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung („ist bedungen“) durch die Annahme konkludenter Fixabreden Rechnung getragen.254 Die teleologische Rechtfertigung „der Ausnahme“ des § 323 II Nr. 2 BGB erwächst damit gerade aus dem 248

MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 117. Vgl. nur BGH Urt. v. 28.1.2003, X ZR 151/00 = NJW 2003, 1600 [1600]. 250 Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [14]; zur Subsumtionstauglichkeit dieser tradierten Formel, Schmitt, VuR 2014, 90 [92]; Schwarze, AcP 207 (2007) 437 [441]. 251 So aber offenkundig in Anlehnung an das CISG, Schlechtriem, IHR 2001, 12 [17]. 252 Riehm (2015) S. 374. 253 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 118; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 23a. 254 Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 889 [890]; Schmitt, VuR 2014, 90 [93]; Oetker/Koch (2017) HGB § 376 Rn. 15 ff.; vgl. aus der Rspr. BGH Urt. v. 12.12.1990, VIII ZR 332/89 = 249

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Vertrag selbst, indem sie von dem Willen der Parteien getragen wird.255 Dogmatische Funktion des § 323 II Nr. 2 BGB ist deshalb auch die Reduktion der den Gläubiger treffenden Beweislast hinsichtlich der Voraussetzungen des sofortigen Rücktritts, indem die Feststellung eines Interessenüberwiegens qua Fristablauf nicht weiter erforderlich ist.256 5. Befreiung von der Gegenleistungspflicht bei endgültiger Leistungsverhinderung Im BGB hat der Tatbestand der Unmöglichkeit, wenn also die Erbringung der geschuldeten Leistung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht unter jedem denkbaren Aufwand dauerhaft nicht erbracht werden kann,257 mit der Schuldrechtsreform erfreulicherweise an Bedeutung verloren. Schwierige Differenzierungen zwischen subjektiver und objektiver, verschuldeter und unverschuldeter sowie anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit wurden in § 275 I BGB eingeebnet.258 Obwohl der Reformgesetzgeber mit Blick auf Schwächen des früheren Leistungsstörungsrechts die Vorzüge des Regelungsmodells des UN-Kaufrechts betont hat, das ohne an die Unmöglichkeit der Leistung anknüpfende Vorschriften auskommt, wurde jener Tatbestand jedoch nicht aus dem BGB verbannt.259 Dementsprechend wird hinsichtlich weiterer Folgen differenziert und so verweist § 275 IV BGB mit Blick auf das Schicksal der Gegenleistung auf § 326 BGB. Demengegenüber ist bekanntermaßen dem UNKaufrecht mit dem zentralen Begriff der wesentlichen Vertragsverletzung die Unmöglichkeit als eigenständige Störungskategorie fremd.260 Die Unmöglichkeit fügt sich dort als eine Störungsform unter anderen in das System der Vertragsverletzung ein.261

NJW 1991, 1292 [1293] bei entsprechendem Handelsbrauch. Zurückhaltend BGH Urt. v. 28.1.2003, X ZR 151/00 = NJW 2003, 1600 [1600], wonach „sich jeder Zweifel gegen die Annahme eines Fixgeschäfts auswirkt.“ Krit. MüKoHGB/Grunewald (2018) § 376 Rn. 9. 255 BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 13. 256 Schwarze, AcP 207 (2007) 437 [448]. 257 Vgl. nur HK-BGB/Schulze (2014) § 275 Rn. 2; Riehm (2015) S. 309 spricht von „naturgesetzlicher oder rechtlicher“ Unmöglichkeit. Zu der hier nicht weiter zu vertiefenden Frage, inwiefern aus § 275 I BGB eine Vernichtung des Leistungsanspruchs, nicht aber der Leistungspflicht resultiere, Freitag, NJW 2014, 113 [115]. 258 Canaris, JZ 2001, 499 [499 ff.]. 259 BT-Drucks. 14/6040, 86. 260 Die Unmöglichkeit ist dem CISG nicht gänzlich unbekannt. Nach Art. 82 I CISG verliert der Käufer sein Aufhebungsrecht, wenn es ihm unmöglich ist, die Ware im wesentlichen in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat. 261 Monographisch, N. Fischer (2001) S. 127 ff.

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a) Das Schicksal der Gegenleistungspflicht in BGB und CISG bei Unmöglichkeit aa) Automatisches Entfallen der Gegenleistungspflicht und Rücktritt nach § 326 BGB Mit Blick auf die Gegenleistung hält § 326 BGB eine im Verhältnis zu § 323 BGB geltende Spezialregelung für das Entfallen der Gegenleistungspflicht wegen Unmöglichkeit der vom Schuldner zu erbringenden Leistung nach § 275 BGB bereit. Nach § 326 I 1 HS 1 BGB entfällt ipso iure der Anspruch des Schuldners auf die Gegenleistung, wenn auch der Schuldner nach § 275 I BGB endgültig nicht zu leisten braucht.262 Durch Anknüpfung an das Sachschicksal und die endgültig fehlende Erbringbarkeit der Leistung handelt es sich dabei um eine vom Eintritt des Fälligkeitstermins unabhängige Befreiung des Gläubigers.263 Das automatische Entfallen der Gegenleistungspflicht ist wiederum eine Konsequenz der vertragsrechtlichen Austauschgerechtigkeit in Form des Synallagmas, das an dieser Stelle wegen der automatisch eintretenden Umsteuerung des Vertragsprogramms streng konditionell ausgestaltet ist.264 Die Gegenseitigkeit der Verbindlichkeiten verbietet ein Fortbestehen der einen, trotz endgültigen Wegfalls der anderen Leistungspflicht. Würde dies noch von einer Erklärung oder Fristsetzung des Gläubigers abhängen, wäre dies reiner Formalismus. Mit Blick auf § 275 II und III BGB ist einzig problematisch, wann die Befreiung eintritt, da es sich hierbei um Einreden handelt.265 Richtigerweise entfällt die Gegenleistungspflicht indessen auch hier rückwirkend aufgrund der den Gestaltungsrechten ähnelnden Rechtsfolge.266 Dagegen stößt das automatische Entfallen der Gegenleistungspflicht zwar dort auf Bedenken, wo der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung verschuldet und der Gläubiger ein Interesse an der Erbringung der Gegenleistung hat.267 Jedoch lässt sich dem nach einhelliger Auffassung dadurch begegnen, dass § 326 I BGB – sofern der Gläubiger nicht das stellvertretende commodum verlangt, §§ 285, 326 III 262 Zur teleologischen Reduktion bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit und vom Gläubiger geschuldeter Sachleistung, MüKoBGB/Ernst (2016) § 326 Rn. 14 ff.; dem folgend, Schmidt-Recla, ZGS 2007, 181 [184 f.]; Palandt/Grüneberg (2019) § 326 Rn. 2a; teilw. abweichend Soergel/Gsell (2005) § 326 Rn. 16; Staudinger/Schwarze (2015) § 326 BGB Rn. B 28; BeckOGK/Herresthal BGB § 311a Rn. 136. 263 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130 a. E.; vgl. ferner MüKoBGB/Ernst (2016) § 311a Rn. 39. 264 Staudinger/Schwarze (2015) § 326 BGB Rn. A 1; Zimmermann, AcP 193 (1993) 121 [145]. 265 Kindl, WM 2002, 1313 [1316]; Freitag, NJW 2014, 113 [114]. 266 MüKoBGB/Ernst (2016) § 326 Rn. 8; Kindl, WM 2002, 1313 [1318]; differenzierend Staudinger/Schwarze (2015) § 326 BGB Rn. B 23. 267 Ernst bezeichnet es gar als „Systembruch, dass das Gesetz auch für die Vertragsaufhebung wegen schuldhaft (§ 276) herbeigeführter Unvollziehbarkeit des Vertrages eine „Automatik“ (Abs. 1) einsetzt.“ MüKoBGB/Ernst (2016) § 326 Rn. 2 [Herv. im Original].

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BGB – teleologisch reduziert wird und dementsprechend eine Schadensersatzberechnung unter Berücksichtigung der Erbringung der Gegenleistung erfolgt.268 Im Übrigen befreit eine neben § 326 I 1 HS 1 BGB tretende Rücktrittserklärung gestützt auf § 326 V BGB den Gläubiger deshalb nur von den mit § 326 I 1 HS. 1 BGB verbundenen Ungewissheiten, falls der Gläubiger den Grund der Nichtleistung nicht kennt.269 Daher ist das in § 326 V BGB normierte Rücktrittsrecht mit Rücksicht auf dessen ratio auch weniger im Zusammenhang mit § 326 I BGB als vielmehr mit den Rücktrittsschwellen des § 323 V BGB zu betrachten. Während es nach § 326 I 1 BGB nämlich bei den ipso iure-Wirkungen der Unmöglichkeit verbleibt, entfaltet der Rücktritt konstitutive Wirkung allein bei der irreparablen Schlechtleistung (§ 326 I 2 BGB) und dem Rücktritt vom ganzen Vertrag bei teilweiser Unmöglichkeit (§ 326 I 1 HS. 2 BGB).270 Für jede dieser Störungen verweist § 326 V BGB auf § 323 BGB mit der Maßgabe, dass die Fristsetzung entbehrlich ist. Schließlich wäre eine Fristsetzung bei Fortfall der Leistungspflicht nach § 275 BGB zwar sinnlos,271 ein Rücktritt vom ganzen Vertrag ist dort jedoch zusätzlich an § 323 V BGB zu messen. Ein automatischer Wegfall der gesamten Gegenleistungspflicht ist hier nicht gleichermaßen angezeigt wie bei dem endgültigen Ausbleiben der gesamten synallagmatisch verbundenen Leistung. bb) Folgen der fehlenden Erlöschensanordnung im CISG Die Unmöglichkeit bildet im UN-Kaufrecht keine eigenständige Kategorie einer Pflichtverletzung, sondern ist eine Störungsursache unter anderen.272 Dass auch die Folgen anfänglicher Unmöglichkeit unter das Leistungsstörungsregime des CISG fallen, ist indessen keine Selbstverständlichkeit. Ausweislich des Art. 4 S. 2 lit. a CISG regelt das UN-Kaufrecht nämlich keine Fragen der Gültigkeit des Vertrags. Anders als der geltende § 311a BGB sah jedoch etwa auch noch § 306 BGB a. F. als Ausfluss des römisch-rechtlichen Grundsatzes impossibilium nulla est obligatio vor, dass die anfängliche Unmöglichkeit in

268 Umstritten ist lediglich die dogmatische Konstruktion, vgl. BeckOGK/Herresthal BGB § 326 Rn. 92 ff.; vgl. ferner Faust, in: FS Huber (2006) S. 239 [242]; Schmidt-Recla, ZGS 2007, 181 [184 f.]; Staudinger/Schwarze (2015) § 326 Rn. B 25 ff.; MüKoBGB/Ernst (2016) § 326 Rn. 14 ff.; Palandt/Grüneberg (2019) § 326 Rn. 2a. 269 BT-Drucks. 14/7052, 193. 270 Looschelders, SchuldR-AT (2017) § 35 Rn. 716 ff.; MüKoBGB/Ernst (2016) § 326 Rn. 107 f.; Staudinger/Schwarze (2015) § 326 BGB Rn. F 1 ff.; HK-BGB/Schulze (2014) § 326 Rn. 18. 271 Staudinger/Schwarze (2015) § 326 BGB Rn. F 3. 272 Vgl. nur Kiene (2010) S. 200; Schlechtriem, IHR 2001, 12 [16]; vgl. ferner Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [232 f.].

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die Nichtigkeit des Vertrags mündet.273 Allerdings ist eine solche (ehemalige) nationale Sichtweise für Art. 4 S. 2 lit. a CISG freilich nicht bindend. Zudem ergibt sich nach einhelliger Auffassung bereits aus Art. 68 S. 3 CISG, dass das UN-Kaufrecht selbst bei anfänglicher Unmöglichkeit von der Gültigkeit des Vertrags ausgeht. Die Norm statuiert eine besondere Gefahrtragungsregel bei der dem Verkäufer bekannten anfänglichen Unmöglichkeit und setzt so die Wirksamkeit des Vertrags voraus.274 Anderslautende Vorschläge der Wiener Konferenz, die auf eine Nichtigkeit abzielten, konnten sich gerade nicht durchsetzen.275 Eine Unterscheidung zwischen anfänglicher und nachträglicher Unmöglichkeit ist im UN-Kaufrecht daher ebenso wenig angezeigt, wie die nunmehr auch in § 275 I BGB obsolet gewordene Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Unmöglichkeit.276 Um das Schicksal des Gegenleistungsanspruchs bei Unmöglichkeit der schuldnerischen Leistung darstellen zu können, muss zunächst auf die Folgen der Unmöglichkeit auf Seiten des Schuldners eingegangen werden. Aus Sicht des deutschen Juristen scheint der Ausschluss der Leistungspflicht bei physischer Unmöglichkeit freilich ontologisch vorgegeben zu sein, während die Ausgestaltung der Überleitung auf Sekundärrechte lediglich eine Frage positiv-rechtlicher Wertung ist.277 Eine § 275 BGB entsprechende Erlöschensanordnung findet sich im CISG jedoch nicht. Daher sind die Konsequenzen dieser fehlenden Erlöschensanordnung streitig, wobei sich der Streit auf den rechtskonstruktiven Weg des Ausschlusses des Erfüllungsanspruchs beschränkt.278 Die dazu vertretenen Auffassungen schwanken dabei einerseits zwischen der bloß prozessualen Berücksichtigung, indem der Anspruch auf Naturalerfüllung zwar fortbestehe, aber die Erfüllungsklage nach Art. 28 CISG (i. V. m. § 275 273 Ähnlich etwa Art 20 OR, § 878 ABGB, sec 6 SGA 1979, vgl. Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 4 Rn. 44. Vgl. ferner die Regelung des Art. 74 EKG, dazu U. Huber, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 199 [204]; ausführlich, N. Fischer (2001) S. 246 ff. 274 Ganz h. M., vgl. nur Bach/Stieber, IHR 2006, 59 [60]; N. Fischer (2001) S. 247; umfangreiche Literaturnachweise bei Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 4 Rn. 44. 275 Vgl. den indischen Beitrag bei den Beratungen des 32. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 406: “In his delegation's view, there would be no contract in such a case, since the parties had assumed that the goods existed whereas in fact they no longer did." [Herv. d. Verf.]. 276 Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 79 Rn. 17; so aber, Trommler (2001) S. 106 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 79 Rn. 53 f. Krit. zur Unterscheidung zwischen subjektiver und objektiver Unmöglichkeit im deutschen Recht, Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel/Kramme (2018) § 275 Rn. 13; Riehm (2015) S. 311 ff. da sich die meisten verbleibenden Konstellationen als Fälle von des § 275 II, III BGB erweisen. 277 Riehm (2015) S. 308. 278 Vgl. nur MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 79 Rn. 8; krit. dazu N. Fischer (2001) S. 292 ff.

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BGB) als unzulässig abzuweisen ist,279 und andererseits der bereits materiell rechtlichen Berücksichtigung durch eine auf Art. 79 CISG gestützte Lückenfüllung nach Art. 7 II CISG,280 wonach die Unmöglichkeit sich unmittelbar auf den Erfüllungsanspruch auswirkt. Letztlich gelangen damit beide Auffassungen zu dem Ergebnis, dass die Erfüllung schlicht nicht verlangt werden kann und sich die Folgen des Ausbleibens der Leistung nach den allgemeinen Regeln richten. Vorzugswürdig erscheint indessen die Annahme, den Erfüllungsanspruch unter den Vorbehalt der Erbringbarkeit zu stellen. Dass Unmögliches nicht geleistet werden kann ist evident und muss nicht erst mühsam über den Umweg des Prozessrechts begründet werden.281 Da das UN-Kaufrecht bei Unmöglichkeit nicht das ipso iure-Erlöschen der schuldnerischen Leistung explizit ausspricht, schweigt es sich freilich auch zum Schicksal der Gegenleistungspflicht aus. Eine dem BGB teilweise vergleichbare konditionelle Ausgestaltung des Synallagmas mit ipso iure-Wirkungen für den Gegenleistungsanspruch ergibt sich aus Käufersicht jedoch bereits aus der Konstruktion des Synallagmas im CISG.282 Dadurch, dass nach Art. 58 I 1 CISG unabhängig von einer Geltendmachung des Käufers die Kaufpreisforderung erst mit dem Leistungsangebot des Verkäufers fällig wird, ist der Kaufpreiszahlungsanspruch inhaltlich beschränkt.283 Bei unmöglicher Lieferung tritt hinsichtlich der Kaufpreiszahlungspflicht deshalb bereits keine Fälligkeit ein. Anders liegt es, wenn der Käufer vorleistungspflichtig ist oder dem Käufer die Leistungserbringung nicht möglich ist. Dann – und um den sich aus Art. 58 I 1 CISG ergebenden Schwebezustand zu beenden – müssen die Par-

279 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 338; vgl. zu Art. 65 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 55: „Even if the impediment is of such a nature as to render impossible any further performance, the other party retains the right to require that performance under article 42 or 58. It is a matter of domestic law not governed by this Convention […].“ 280 Ausführlich Bach/Stieber, IHR 2006, 59 [61 ff.]; U. Huber, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 199 [206]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 79 Rn. 29; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 79 Rn. 53; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 79 Rn. 9; BeckOGK/Bach CISG Art. 79 Rn. 69; BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 336; U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413 [467]. 281 Bach/Stieber, IHR 2006, 59 [64]; BeckOGK/Bach CISG Art. 79 Rn. 69; beide m. w. N. Krit. auch U. Huber, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 199 [207]: „Es ist nicht der Sinn des Art. 28 UN-Kaufrecht, dem Schuldner die Möglichkeit zu geben, gegen einen Erfüllungsanspruch materiellrechtliche Haftungsbefreiungsgründe ins Feld zu führen, die nur das Heimatrecht des Gerichts, nicht aber das einheitliche Kaufrecht anerkennt.“ 282 Vgl. dazu ausführlich den Abschnitt zur Fälligkeit und Konstruktion des Synallagmas im UN-Kaufrecht. 283 Bach/Stieber, IHR 2006, 59 [64].

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

teien den Vertrag durch entsprechende Erklärung aufheben. Dabei ist das endgültige Ausbleiben der Gegenleistung aufgrund von Unmöglichkeit regelmäßig ein wesentlicher Vertragsbruch, der nach Artt. 49 I lit. a, 64 I lit. a CISG zur Vertragsaufhebung berechtigt.284 Daneben verbleibt aufgrund der Nichterfüllung die Möglichkeit eine Frist zu setzen, um die Vertragsumsteuerung nach Artt. 49 I lit. b, 64 I lit. b CISG zu bewirken und so vergleichbar § 326 V BGB die Unsicherheit um die Unmöglichkeit als Störungsursache zu vermeiden.285 b) Finanzielles Unvermögen als (endgültiges) Leistungshindernis aa) Unmöglichkeit und der Grundsatz „Geld hat man zu haben“ im BGB Im Rahmen des Unmöglichkeitstatbestandes gelten speziell im Umfeld einer Zahlungsunfähigkeit und damit auch im Bereich einer materiellen Insolvenz Besonderheiten, auf die bereits an dieser Stelle eingegangen werden soll, um entsprechende Irrtümer auszuräumen. Denn insofern muss freilich der vielzitierte Lehrsatz „Geld hat man zu haben“ beachtet werden, wonach § 275 BGB auf Geldschulden nicht anwendbar ist.286 Dies folge aus dem von dem geltenden Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht abgeleiteten Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung, wonach vielmehr jeder für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat.287 So hat der Rechtsausschuss in seiner Begründung zu § 275 BGB ausgeführt: „Dass der Schuldner sich auf finanzielles Unvermögen nicht berufen kann, […] folgt aus allgemeinen Grundsätzen sowie der Existenz der Insolvenzordnung, die ansonsten überflüssig wäre.“288

284 OLG Celle Urt. v. 24.5.1995, 20 U 76/94 = CISG-online No. 152; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 321. 285 Treffend weist Kiene (2010) S. 202 darauf hin, dass Art. 49 I lit. b CISG einen wirksamen Erfüllungsanspruch voraussetzt, der nicht besteht, wenn man mit der h. M. im Falle der Unmöglichkeit ein Erlöschen annimmt. Dass diese Sichtweise „rein formalistisch“ sei, vermag darüber kaum hinweghelfen. Überzeugender erscheint es daher, auf Sekundärebene die aus allgemeinen Grundsätzen des CISG abgeleitete Erlöschensanordnung schlicht außer Acht zu lassen, um so die Aufhebung des Art. 49 I lit. b CISG offen zu halten, Bach/Stieber, IHR 2006, 59 [64]. 286 Vgl. nur MüKoBGB/Ernst (2016) § 275 Rn. 13; krit. dazu, Kähler, AcP 206 (2006) 805 [806 ff.]. Ausnahmen gelten, wenn sich der (Herausgabe-)Anspruch auf bestimmte Banknoten richtet sowie nach h. M. bei einer Konkretisierung nach § 300 II BGB, Palandt/Grüneberg (2019) § 275 Rn. 3; Jauernig/Stadler (2015) § 275 Rn. 2. 287 BGH Urt. v. 28.2.1989, IX ZR 130/88 =NJW 1989, 1276 [1278]. 288 BT-Drucks. 14/7052, 183.

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Vorsicht ist jedoch geboten, wenn sich dieser Lehrsatz verselbstständigt und mit „finanziellem Unvermögen“ schlagwortartig unterschiedliche Fragenkomplexe vermengt werden.289 Häufig scheint sich der Blick von der begrifflich noch im Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung enthaltenen Beschränkung auf Haftungsfragen zu lösen und auf Fragen des Bestehens der Schuld überzugreifen. Auch wenn die Haftung einer Person i. S. d. „Unterworfenseins ihres Vermögens unter den Zugriff der Gläubiger in der Zwangsvollstreckung“ der Schuld „wie ein Schatten“ folgen mag, entfällt die Haftung nicht umgekehrt kategorisch bei einer auf § 275 BGB gestützten Befreiung von dem Leistensollen.290 Dementsprechend betonen selbst die Materialien zu § 275 BGB, „dass eine Befreiung von der Leistung bei Geldschulden nicht schlechthin ausgeschlossen ist.“291 Treffend wird daher im Schrifttum darauf hingewiesen, dass es sich einerseits bei der Anwendbarkeit von § 275 BGB auf Zahlungsverpflichtungen, andererseits bei der darauf fußenden Entlastung von der Schadensersatzhaftung, sowie letztlich der Unfähigkeit der Beschaffung einer (Sach-)Leistung infolge Geldmangels um jeweils getrennt zu behandelnde Sachfragen handelt.292 Dazu deshalb im Einzelnen: Es ist im Ansatz verfehlt, die unbeschränkte Vermögenshaftung mit Hilfe des § 275 BGB zu realisieren. Schließlich wird der Zugriff des Gläubigers auf das Vermögen des Schuldners durch die mit § 275 IV BGB erreichte Überleitung auf Sekundäransprüche nicht gefährdet. Da sich indessen auf Ebene des Sekundäranspruchs die Frage der Haftung i. S. v. Verantwortlichkeit stellt,293 ist die Verwirklichung der unbeschränkten Vermögenshaftung in § 276 BGB entsprechend zu verorten. Lediglich insoweit folgt aus dem Prinzip unbeschränkter Vermögenshaftung daher, dass bei einer Geldschuld aufgrund der „Natur der Schuld“ die Verantwortlichkeit zu bejahen ist.294 Soweit nämlich damit die an das Vertretenmüssen gekoppelte finanzielle Einstandspflicht betroffen ist, lässt sich tatsächlich aus der Existenz des Insolvenzrechts der Schluss gewinnen, dass der Schuldner eine Zahlungsunfähigkeit stets zu vertreten hat.295 Mit Blick auf die § 275 BGB zuzuweisende Überleitungsfunktion 289

Vgl. dazu Erman/Westermann (2017) § 275 Rn. 2 a. E.; HK-BGB/Schulze (2017) § 275 Rn. 8; Staudinger/Caspers (2015) § 275 BGB Rn. 74. 290 Zur Unterscheidung der Schuld von Haftung, Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 2 IV. 291 BT-Drucks. 14/7052, 183 [Herv. d. Verf.]. 292 Eingängig dazu BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 30.1 ff. 293 Zum Begriff der Haftung i. S. v. Verantwortlichkeit einerseits und i. S. v. Vermögenshaftung andererseits, Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 2 IV. 294 BT-Drucks. 14/6040, 132; zutreffend auch BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [536]; krit. Kähler, AcP 206 (2006) 805 [828 ff.]. Allein die „Natur“ oder das „Wesen“ der Geldschuld bildet freilich keine argumentative Grundlage, vgl. nun auch, jurisPK-BGB/Touissant (2017) § 244 Rn. 19 dort Fn. 32; allgemein zum „Wesensargument“, Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 7 V. 295 BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 30.5.

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

von dem Primär- auf den Sekundäranspruch ist es demgegenüber schlicht irrelevant, ob § 275 BGB bei Geldschulden für anwendbar gehalten wird.296 Schließlich träte bei Anwendbarkeit von § 275 BGB auf die Geldschuld an die Stelle des Naturalerfüllungsanspruchs ein auf Zahlung gerichteter und damit inhaltsgleicher Schadensersatzanspruch, wobei das Vertretenmüssen nach dem eben Gesagten stets vorliegt.297 Allerdings muss berücksichtigt werden, dass nie feststeht, ob die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auch eine endgültige ist – im Gegenteil ist die ex ante zu treffende Annahme, ein Schuldner werde nicht mehr zu Geld kommen, nicht möglich.298 Lediglich dies hat zur Folge, dass insofern nicht die auf eine endgültige Unmöglichkeit zugeschnittenen §§ 275, 283 und 326 BGB Anwendung finden können.299 Vielmehr richten sich bei Annahme vorübergehender Unmöglichkeit wegen finanziellen Unvermögens die Folgen nach den §§ 281 und 323 BGB analog.300 Damit lässt sich die Diskussion um das Prinzip „Geld hat man zu haben“ zuspitzen: es geht allein um die Ablehnung der Haftungsentlastung bei finanziellem Unvermögen, nicht um die Befreiung von dem konkreten Leistensollen. Denn die Herleitung aus der Existenz der InsO rechtfertigt allein den Ausschluss der wertmäßigen Haftungsbefreiung, „weil es sonst weder zur Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 I InsO noch zur Durchsetzung der Geldforderung durch Pfändung von anderen Gegenständen als Geld käme, § 803 II ZPO.“301 Dies folgt jedoch nicht aus der in § 275 BGB angeordneten Überleitung auf den (bei der Geldschuld ohnehin inhaltsgleichen) Schadensersatzanspruch, 296 Sog. objektive Unmöglichkeit scheint bei einer Wertverschaffungsschuld ohnehin von vornherein ausgeschlossen zu sein, BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 32 und 121. Diese seltenen Fälle wirtschaftlicher Unmöglichkeit werden vielmehr von § 313 BGB erfasst, BeckOK BGB/Lorenz § 275 Rn. 33 297 BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 30.3. 298 Anders mag es bei einer insolventen Gesellschaft als Schuldnerin sein, wenn die Verfahrenseröffnung – unter dem Vorbehalt eines anderslautenden Insolvenzplans (vgl. § 225a III InsO) – zur Auflösung der Gesellschaft führt, vgl. § 728 I BGB, § 131 I Nr. 3 HGB (i. V. m. § 9 PartGG), § 60 I Nr. 4 GmbHG, sodass die Rückkehr zur Zahlungsfähigkeit nach vollständiger Abwicklung endgültig ausgeschlossen erscheint. 299 So die h. M., vgl. Staudinger/Caspers (2014) § 275 BGB Rn. 50 m. w. N. Selbst wenn bei vorübergehender Unmöglichkeit nach heute kaum noch vertretener Auffassung bei Unzumutbarkeit am Vertrag festzuhalten das Leistungshindernis als endgültig unmöglich anzusehen sein soll, Medicus, in: FS Heldrich (2005) S. 347 [351], ergeben sich bei entsprechender Anwendung des § 326 BGB keine Besonderheiten für die Gegenleistungspflicht. Schließlich ist § 326 I BGB bei – wie dargestellt im Falle von Geldschulden stets – verschuldeter Unmöglichkeit nach ganz herrschender Auffassung einzuschränken, vgl. bereits oben BeckOGK/Herresthal BGB § 326 Rn. 92 ff. 300 BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 32. Ausführlich zur Anwendbarkeit der Verzugsregeln auf Sekundärebene bei nur vorübergehender Unmöglichkeit, Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [151 ff.]; MüKoBGB/Ernst (2016) § 275 Rn. 147 f.; Gsell, in: FS Buchner (2009) S. 267 [270 ff.]; Soergel/Ekkenga/Kuntz (2014) § 275 Rn. 68 f. 301 Kähler, AcP 206 (2006) 805 [814].

III. Vertragsumsteuerung bei Nicht- und Schlechtleistung

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sondern aus der allein in § 276 BGB zu verortenden Frage des Vertretenmüssens.302 Das ergibt sich auch unübersehbar aus den Materialien zu § 275 BGB. Danach kann man „§ 275 auch nicht in dem Sinn verstehen (und dann für richtig halten wollen), als regele er das vollständige Freiwerden des Schuldners auch von sekundären Leistungspflichten.“303 Diese Differenzierung ebnet sodann auch den Weg für dogmatisch überzeugende Ergebnisse insbesondere bei einer die Schuld betreffenden Unfähigkeit zur Vornahme der geschuldeten Handlung oder Beschaffung einer Sachleistung infolge finanziellen Unvermögens. Hier kann die aus der unbeschränkten Vermögenshaftung geschöpfte Floskel „Geld hat man zu haben“ zu falschen Annahmen verleiten, wonach bei Zahlungsunfähigkeit generell kein Fall des § 275 BGB vorliegen könne.304 Anschaulich hat das OLG Karlsruhe hierzu ausgeführt: „Von Geldleistungspflichten wird der Schuldner nur nach den besonderen Bestimmungen der Insolvenzordnung befreit. Für die Entscheidung des hier zu beurteilenden Falles ist jedoch nicht der dargestellte Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung maßgeblich. Vielmehr geht es darum, ob der Schuldner trotz Unvermögens zu einer (gegebenenfalls nicht vertretbaren) Handlung gezwungen werden kann.[…] Unter diesen Umständen kann die Bekl. bereits im Erkenntnisverfahren den materiell-rechtlichen Einwand, zur Erfüllung der Betriebspflicht nicht in der Lage zu sein (§ 275 I BGB), geltend machen.“305

In casu ging es um die Aufrechterhaltung eines Geschäftsbetriebs durch den nach § 17 II 1 InsO zahlungsunfähigen Schuldner in vom Gläubiger angemieteten Geschäftsräumen.306 Dort geht es nicht um den Satz „Geld hat man zu haben“, sondern um die eine Schuld und Primärpflicht betreffende Frage, „ob der Schuldner trotz Unvermögens zu einer (ggf. nicht vertretbaren) Handlung gezwungen werden könne.“307 Ist das wegen finanziellen Unvermögens zu verneinen, liegt ein Fall vorübergehender Unmöglichkeit vor, der zu einer Suspendierung jener Pflicht führt.308 Schließlich ist es gerade Aufgabe des § 275 I BGB, bei der Durchsetzung des Primäranspruchs die Leistungsunfähigkeit des Schuldners bereits auf materiell-rechtlicher Ebene zu berücksichtigen, indem 302 BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 2 ff.; Kähler, AcP 206 (2006) 805 [826]. Zutreffend daher auch BGH Urt. v. 4.2.2015, VIII ZR 175/14 = NJW 2015, 1296 [1297]. 303 BT-Drucks. 14/6040, 127. 304 So aber Treichel (2010) S. 95; HK-BGB/Schulze (2017) § 275 Rn. 8. Vgl. dagegen BT-Drucks. 14/7052, 183. 305 OLG Karlsruhe Urt. v. 8.11.2006 - 9 U 58/06 = BeckRS 2006, 13578 [Herv. d. Verf.]. 306 OLG Karlsruhe Urt. v. 8.11.2006 - 9 U 58/06 = BeckRS 2006, 13578. 307 MüKoBGB/Ernst (2016) § 275 Rn. 56; anders Staudinger/Caspers (2015) § 275 BGB Rn. 75, dessen Auffassung jedoch die Erfüllung des Primäranspruchs mit der in §§ 280 ff. BGB beheimateten Pflicht bei Nichterfüllung dafür einzustehen vermengt und insgesamt zu sehr an § 179 BGB a. F. verhaftet ist. Krit. dazu Kähler, AcP 206 (2006) 805 [819]; jurisPK-BGB/Touissant (2017) § 244 Rn. 19. 308 Vgl. zur unstreitigen Suspendierung der Leistungspflicht bei vorübergehender Unmöglichkeit nur BT-Drucks. 14/7052, 183; vgl. statt aller MüKoBGB/Ernst (2016) § 275 Rn. 137 m. w. N.

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

der Erfüllungszwang suspendiert wird.309 Das finanzielle Unvermögen führt dann zur Unmöglichkeit der Primärpflicht i. S. d. § 275 BGB. Die Haftung bleibt bei alldem unberührt. Im Übrigen bemisst sich der Rücktritt nach § 323 BGB. Letzteres liegt jedoch nicht an der a priori fehlenden Anwendbarkeit von § 275 BGB bei finanziellem Unvermögen, sondern allein daran, dass selbst die Zahlungsunfähigkeit weder den Tatbestand der objektiven noch der subjektiven dauernden Unmöglichkeit der Erfüllung verwirklicht.310 bb) Zahlungsunfähigkeit als Leistungshindernis und Entlastungsgrund im CISG Aufbauend auf der zum BGB getroffenen Differenzierung lassen sich auch für die Behandlung der Unmöglichkeit nach dem CISG im Umfeld einer Zahlungsunfähigkeit geeignete Schlüsse ziehen. Dort wurde darauf hingewiesen, dass es sich einerseits bei der Unfähigkeit der Leistungserbringung infolge Geldmangels sowie den daraus resultierenden Folgen für den Naturalerfüllungsanspruch und andererseits bei der Entlastung von der Schadensersatzhaftung um jeweils getrennt zu behandelnde Sachfragen handelt. Insofern lässt sich dem Sekretariatskommentar auch mit Blick auf eine Zahlungsunfähigkeit eine den Ausführungen zum BGB im Ergebnis gleichende Aussage entnehmen: „Although it is probably true that the insolvency of the buyer by itself is not an impediment which exempts the buyer from liability for non-payment of the price, the unanticipated imposition of exchange controls, or other regulations of a similar nature, may make it impossible for him to fulfil his obligation to pay the price at the time and in the manner agreed. The buyer would, of course, be exempted from liability for damages for the non-payment (which as a practical matter would normally mean interest on the unpaid sum) only if he could not overcome the impediment by, for example, arranging for a commercially reasonable substitute form of payment.“311

Treffend wird dabei zwischen der Unmöglichkeit als Hindernis der Naturalerfüllung einerseits und der den Schadensersatz betreffenden Haftungsfrage andererseits differenziert. Das CISG verleitet hier nicht zuletzt deshalb weniger zu Fehlschlüssen, weil dem Naturalerfüllungsanspruch von vornherein Art. 28 CISG entgegenstehen kann, wenn die jeweilige Rechtsordnung die Durchset309

Eingängig Gsell, in: FS Buchner (2009) S. 267 [272 ff.]; Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [145 ff.]; Riehm (2015) S. 307 f. vgl. ferner Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel/Kramme (2018) § 275 Rn. 4. Dass der Schuldner – selbst bei verschuldeter – Unmöglichkeit denknotwendig nicht nach § 888 ZPO mit Zwangsgeld zur Vornahme angehalten werden kann, ist unstreitig, vgl. nur MüKoZPO/Gruber (2016) § 888 Rn. 13 ff. 310 Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Zweckverfehlung des Durchsetzbarkeitserfordernisses in § 323 BGB im eröffneten Insolvenzverfahren, Kap. 3. I. 3. 311 So zu Art. 65 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 56 [Herv. d. Verf.].

IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit

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zung dieses Anspruchs nicht vorsieht, sodass die Befreiungs- und Überleitungsfunktion des Unmöglichkeitstatbestands dort keine Bedeutung erlangt.312 Während dementsprechend die Haftung von der Insolvenz nicht betroffen ist, wird selbst für die Kaufpreiszahlungspflicht der Unmöglichkeitstatbestand als faktisches Hindernis der Anspruchsdurchsetzung nicht kategorisch geleugnet, sondern explizit offengehalten. Schließlich geht es dort schlicht um die tatsächliche Erbringbarkeit der Leistung. Die davon zu trennende Frage der Haftung richtet sich nach den allgemeinen Regeln wegen des Ausbleibens einer Leistung. Eine Haftungsentlastung findet nur in den engen Grenzen des Art. 79 CISG statt. Da die dort umschriebene Kontrollsphäre den normativen Verantwortlichkeitsbereich des Schuldners begrenzt, der Schuldner aber auch das Risiko seiner eigenen Insolvenz beherrscht, kommt eine Entlastung nicht in Betracht.313

IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit der Leistungen IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit

Im eröffneten Insolvenzverfahren sieht § 105 InsO eine gesonderte Behandlung für den bereits teilweise erfüllten gegenseitigen Vertrag vor, weshalb an dieser Stelle zunächst die zivilrechtliche Behandlung der Vertragsumsteuerung bei Teilleistungen beleuchtet werden soll. Eine solche Teilleistung im quantitativen Sinne (im Folgenden: „Teilleistung“) liegt vor, wenn der Schuldner nur einen Teil seiner Leistung vertragsgemäß erbracht hat, während der andere Teil ausbleibt. Daneben kann die zwar voll erbrachte, aber nur teilweise vertragsgemäße Leistung als qualitative Teilleistung (im Folgenden: „Teilschlechtleistung“) bezeichnet werden.314 Letztere ist wiederum gesondert zu würdigen, wenn es sich um eine teilbare Leistung handelt. Denn dort gilt es wie auch bei der quantitativen Teilleistung zu klären, ob eine auf den vertragswidrigen Teil beschränkte Umsteuerung des Vertrags möglich ist und unter welchen Umständen eine Abstandnahme von dem gesamten Vertrag in Betracht kommt.315

312

Vgl. auch Riehm (2015) S. 308. MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 79 Rn. 24; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 79 Rn. 16. 314 Lorenz, NJW 2006, 1925 [1925]. 315 Bei Sukzessivlieferungsverträgen lassen sich Störungen in Bezug auf einzelne Lieferungen als quantitative Teilleistungen einordnen. Während solche Störungen im BGB allein von § 323 V BGB erfasst werden, hält das CISG mit Art. 73 CISG eine lex specialis bereit, MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 51 Rn. 5 und Art. 73 Rn. 3. Sind allein künftige Teillieferungen eines Sukzessivlieferungsvertrags betroffen, ist eine (teilweise) Vertragsumsteuerung allein gestützt auf einen antizipierten Vertragsbruch denkbar. Darauf wird deshalb im Zusammenhang mit Artt. 72 bzw. 73 II CISG sowie § 323 IV BGB eingegangen. 313

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

1. Vertragsumsteuerung bei Teilleistung a) Teilrücktritt und Rücktritt vom ganzen Vertrag, § 323 V 1 BGB Im Rahmen der Darstellung des § 323 V 2 BGB wurde bereits angedeutet, dass sich der Gesetzgeber anders als bei der Teilschlechtleistung bei der Teilleistung für den Grundsatz des Teilrücktritts entschieden hat. Dies wurde durch die von § 323 V 2 BGB abweichende Einführung des Wortes „nur“ in § 323 V 1 BGB deutlich gemacht.316 Ein darüber hinausgehender Rücktritt vom ganzen Vertrag ist damit nur möglich, wenn der Gläubiger auch an der Teilleistung kein Interesse hat. Gelingt der Beweis des Interessenfortfalls nicht, führt § 323 V 1 BGB zu einer Aufspaltung des Vertrags. Die Anwendbarkeit des § 323 V 1 BGB hängt dabei davon ab, dass die Leistungen teilbar sind. Erbringt der Schuldner eine Teilleistung wirft die Teilbarkeit der schuldnerischen Leistung indessen keine Probleme auf, schließlich impliziert diese Teilleistung zugleich ihre faktische Teilbarkeit.317 Daneben darf jedoch bei der Frage der Anwendbarkeit von § 323 V 1 BGB der Blick nicht auf die gestörte Leistung des Schuldners beschränkt bleiben. Der Vertrag lässt sich nämlich auch nur dann aufspalten, wenn auch die vom Gläubiger zu erbringende Gegenleistung teilbar ist. Maßgeblich ist insofern die technische oder rechtliche Teilbarkeit sowie die Teilbarkeit unter Berücksichtigung des Parteiwillens.318 Bei Unteilbarkeit der Gegenleistung kommt es dagegen nicht auf einen Interessenfortfall an, da dort auch eine partielle Rückabwicklung nicht möglich ist.319 Ist die Teilbarkeit zu verneinen, verbleibt allein § 323 I BGB, ohne dass dem Gläubiger zusätzlich der Beweis des Interessenfortfalls obliegt.320 Da das Regelungskonzept des § 323 V 1 BGB gedanklich die Möglichkeit des Teilrücktritts voraussetzt, lässt sich in einer solchen Konstellation „das mit dem Teilrücktritt angestrebte Ergebnis einer Beschränkung „des Vertrags” auf den durchgeführten Teil nicht erreichen. Der Gläubiger kann seine – unteilbare – Leistung nicht auf einen Teil beschränken, der der Teilleistung des Schuldners entspricht.“321

316

BT-Drucks. 14/6040, 186. BGH Urt. v. 16.10.2009, V ZR 203/08 = LMK 2010, 295516 m. Anm. Cziupka. 318 Einzelheiten bei Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 173 ff.; Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, 383 [385 ff.]. 319 Vgl. nur BGH Urt. v. 16.10.2009, V ZR 203/08 NJW 2010, 146 [147]; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 137; vgl. auch Canaris, in: FS Medicus (2009) S. 17 [36 ff.], der jedoch eine auf den Parteiwillen gestützte Unteilbarkeit ausklammert. 320 Dann bleibt problematisch, dass das Rücktrittsrecht ohne jede Berücksichtigung einer Erheblichkeitsschwelle bestünde, sodass dem Gläubiger selbst bei geringfügigen Leistungsdefizit der Totalrücktritt offensteht, BGH Urt. v. 16.10.2009, V ZR 203/08 = LMK 2010, 295516 m. Anm Cziupka. MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 205 a. E. will § 323 V 1 BGB daher auch bei Unteilbarkeit der Gegenleistung anwenden; dagegen für eine analoge Anwendung des § 323 V 2 BGB, Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 192. 321 BGH Urt. v. 16.10.2009, V ZR 203/08 = NJW 2010, 146 [147]. 317

IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit

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Ein weiteres Anwendbarkeitsproblem für § 323 V 1 BGB ergibt sich im Kaufrecht aus der Einordnung der Mankolieferung als Mangel in § 434 III Var. 2 BGB.322 Die an sich vorliegende Teilleistung soll wegen etwaiger Abgrenzungsschwierigkeiten wie eine Teilschlechtlieferung behandelt werden, mit der Folge, dass nach Auffassung des Reformgesetzgebers nicht § 323 V 1 sondern stets allein § 323 V 2 BGB Anwendung findet.323 Diese Einordnung ist deshalb von nicht zu vernachlässigender Bedeutung, weil die niedrigere Schwelle des § 323 V 2 BGB früh (allein) zum Totalrücktritt berechtigt. Da die Norm des § 434 III Var. 2 BGB somit zur Stellschraube für die Bestimmung der Rücktrittsschranken wird, muss für die Anwendbarkeit von § 323 V 1 BGB zunächst diejenige des § 434 III Var. 2 BGB geklärt werden: § 434 III Var. 2 BGB findet keine Anwendung, wenn der Schuldner nur zur teilweisen Tilgung seiner Schuld einen Teil anbietet und der Gläubiger diese Teilleistung als solche annimmt. Bloße Erkennbarkeit reicht nicht. Es muss sich um eine sog. offene Teillieferung handeln, da sonst die Abgrenzungsschwierigkeiten verbleiben, die § 434 III Var. 2 BGB gerade verhindern will.324 Liegt eine offene Teillieferung vor, verhält es sich dagegen nicht anders als bei der Vereinbarung einer von vornherein geteilten Leistung, wo kein Raum für § 434 III Var. 2 BGB bleibt. Sind sich die Parteien hinsichtlich der Teilerfüllung nämlich einig, ist diese „für sich genommen nicht mangelhaft und sie wird es auch nicht dadurch, dass der Verkäufer die Lieferung des Rests unterlässt.“325 Liegt dagegen keine Annahme als Teilleistung vor, verbleibt es bei der Anwendbarkeit des Gewährleistungsrechts nach § 434 III BGB. Erst dann stellt sich die Frage, wie sich die Einordnung als Teilschlechtleistung auf die Anwendbarkeit von § 323 V 1 oder 2 tatsächlich auswirkt, worauf im Zusammenhang mit der Teilschlechtlieferung eingegangen wird.326 Außerhalb des § 433 III Var. 2 BGB bleibt es dagegen bei der Anwendbarkeit von § 323 V 1 BGB. Ist § 323 V 1 BGB anwendbar, entscheidet der Interessenfortfall über die Möglichkeit des Totalrücktritts. Dieser ist nur möglich, sofern der Gläubiger 322

Vgl. auch zum Werkvertragsrecht § 633 II 2 BGB. BT-Drucks. 14/6040, 187. Zum Meinungsstand, BeckOK BGB/Faust § 434 Rn. 114 f.; ausführlich dazu Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115; M. Müller/Matthes, AcP 204 (2004) 732 [752 f.]; Thier, AcP 203 (2003) 399 [424 ff.]. 324 Thier, AcP 203 (2003) 399 [424 f.]; MüKoBGB/Westermann (2016) § 434 Rn. 48; HK-BGB/Schulze (2017) § 434 Rn. 21; BeckOK BGB/Faust § 434 Rn. 113. 325 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 217 f. 326 Dieser Ansatz ist auch mit Art. 3 der VerbrauchsgüterkaufRL 1999/44/EG vereinbar, da dort allein Rücktrittsschwellen „in bezug auf das betreffende Verbrauchsgut“ (Art. 3 II RL) geregelt und bezüglich des „Ganzen“ der in einem Vertrag zusammengefassten Leistungen keine Vorgaben gemacht werden, vgl. M. Müller/Matthes, AcP 204 (2004) 732 [737 f. und 754]. Inwiefern daher Raum für einen Teilrücktritt bei Annahme einer Schlechtleistung (i. S. d. § 434 III BGB) und mehreren Verbrauchsgütern (i. S. d. Artt. 1 II lit. b und Art. 3 RL 1999/44/EG) ist und welche Schwellen dort zu berücksichtigen sind, wird deshalb sogleich bei der Schlechtlieferung erörtert. 323

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sein fehlendes Teilleistungsinteresse beweisen kann. Gelingt dies nicht, weil eine partielle Verwirklichung des Leistungsinteresses plausibel ist, bleibt es bei dem Teilrücktritt.327 Maßgeblich ist dabei nicht, dass die Teilleistung für den Gläubiger irgendeinen Wert hat. Vielmehr kommt es auf den ursprünglich vom Gläubiger gewählten Vertragszweck an. Schließlich ist § 323 V 1 BGB als Mittel zur Vertragserhaltung nur so weit gerechtfertigt, als es der Wahrung der auf der Privatautonomie basierenden Vertragsbindung dient. Daher ist der Gläubiger allein daran festzuhalten, „nicht aber muss er seine Zweckverfolgung infolge der Pflichtverletzung des Schuldners modifizieren, d. h. seine Interessen ändern.“328 b) Teilaufhebung und Aufhebung des gesamten Vertrags, Art. 51 CISG Art. 51 CISG findet sich bei den Rechtsbehelfen des Käufers wegen einer Vertragsverletzung durch den Verkäufer wieder. Anders als das BGB beschränkt sich das UN-Kaufrecht daher bei der gesonderten Würdigung von Teilleistungen auf quantitative Abweichungen von Pflichten des Verkäufers. Eine entsprechende Norm findet sich im Abschnitt über die Rechte des Verkäufers wegen Vertragsverletzungen durch den Käufer indessen nicht. Nach wohl überwiegender Auffassung im Schrifttum findet dort – etwa bei der vertragswidrigen Abnahmeverweigerung einer Teillieferung329 – jedoch Art. 51 CISG analoge Anwendung, mit der Folge, dass die Aufhebung durch den vertragstreuen Verkäufer entsprechend zu beschränken ist.330 Voraussetzung der Anwendbarkeit von Art. 51 CISG ist die Teilbarkeit der Leistungen, die in der physischen und wirtschaftlichen Eigenständigkeit der Teile als Gegensatz zur Sachgesamtheit zum Ausdruck kommt.331 Mit Blick auf die Anwendbarkeit lässt sich ähnlich wie zu § 434 III Var. 2 BGB konstatieren, dass Art. 35 I CISG durch den Bezug auf die „Menge“ in jeder Quantitätsabweichung eine Vertragswidrigkeit erblickt. Wie auch im BGB ist aufgrund dieser Gleichsetzung eine Abgrenzung auf Tatbestandsebene der Mangelhaftigkeit weder erforderlich noch geboten.332 Dagegen ist – anders als bei der schwierigen Einordnung in § 323 V 1 und 2 BGB – auch auf Rechtsfolgenseite 327

Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 187. Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [127]. 329 Anders als im BGB ist der Käufer grundsätzlich verpflichtet auch Teilleistungen anzunehmen. Vgl. dazu ausführlich beim Einwand des nichterfüllten Vertrags im CISG. 330 Freiburg (2001) S. 164; Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 64 Rn. 8; BeckOGK/Fountoulakis CISG Art. 64 Rn. 17 beide m. w. N. Für Sukzessivlieferungsverträge ergibt sich (nur) dies bereits unmittelbar aus Art. 73 I CISG. 331 Ganz h. M.: vgl. BG Urt. v. 16.7.2012, 4A_753/2011 = IHR 2014, 99 [102]; OGH Urt. v. 31.8.2010, 4 Ob 98/10f = IHR 2011, 85 [87]; Lohs/Nolting, ZVglRWiss 1998, 4 [17]; Kiene (2010) S. 205; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 51 Rn. 2 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 51 Rn. 2. 332 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 35 Rn. 8. 328

IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit

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wegen der Gleichbehandlung von Teilleistung und Teilschlechtleistung in Art. 51 CISG eine ggf. schwierige Unterscheidung nicht angezeigt. Indem auch Art. 52 II CISG den Übergang zwischen teilbarer und einheitlicher Ware fließend macht, verliert die Diskussion um die Teilbarkeit der Leistungen im CISG dadurch gegenüber dem BGB insgesamt deutlich an Schärfe.333 Für eine Teilaufhebung gelten nach Art. 51 I CISG bei der Lieferung nur eines Teils der Ware durch den Verkäufer für den Teil, der fehlt, die Artt. 46 bis 50 CISG. Eine Teilaufhebung ist daher möglich, wenn das Ausbleiben insoweit eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt. Bei dem Verweis auf die Artt. 46 bis 50 CISG ist indessen fraglich, ob der ausgebliebene Teil der Teilleistung eine „Nichtlieferung“ i. S. d. Art. 49 I lit. b darstellt. Nur so bliebe dem Käufer insoweit auch die Nachfristaufhebung erhalten und er wäre nicht auf die Aufhebung wegen wesentlicher Vertragsverletzung beschränkt. Die Einordnung der Teilleistung in Art. 35 I CISG spricht auf den ersten Blick zwar dagegen.334 Richtigerweise führt dies jedoch allein dazu, dass der Gläubiger von der sich aus Artt. 38 f. CISG ergebenden Rügeobliegenheit nicht befreit wird, während eine auf den ausbleibenden Teil bezogene Nachfristaufhebung möglich bleibt.335 Schließlich werden dadurch auch nicht die Schranken des Art. 46 II und III CISG umgangen, da hinsichtlich des ausgebliebenen Teils weder Ersatz noch Nachbesserung in Betracht kommt.336 Hinsichtlich der Aufhebung des gesamten Vertrags geht Art. 51 II CISG wie auch das BGB bei einer Teilleistung vom Grundsatz der Teillaufhebung aus.337 Die Aufhebung des gesamten Vertrags ist nach Art. 51 II Var. 1 CISG möglich, wenn die unvollständige Lieferung eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt. Damit wird allein auf das sich aus Art. 49 I lit. a CISG ergebende Aufhebungsrecht verwiesen, sodass es darauf ankommt, ob dem Gläubiger wegen der Teilleistung das entgeht, was er nach dem gesamten Vertrag hätte erwarten dürfen. Ein Vertragsaufhebungsrecht aus Art. 49 I lit. b CISG kann sich indessen freilich nur für den ausgebliebenen Teil ergeben, da nur insoweit die dafür

333

Vgl. auch Coen, in: FS Schlechtriem (2003) S. 189 [200]. Kiene (2010) S. 205. 335 Heute ganz h. M.: Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 476; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 51 Rn. 8 und 11; nun auch Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 51 Rn. 40; davon scheint auch Art. 47 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 44 auszugehen, da nur die Aufhebung des gesamten Vertrags nicht über die Nachfristsetzung erreicht werden kann. 336 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 51 Rn. 6. 337 BG Urt. v. 16.7.2012, 4A_753/2011 = IHR 2014, 99 [101]; OGH Urt. v. 31.8.2010, 4 Ob 98/10f = IHR 2011, 85 [87]; Coen, in: FS Schlechtriem (2003) S. 189 [201]; Heiderhoff/Skamel, JZ 2006, 383 [384]. 334

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erforderliche Nichterfüllung vorliegt.338 Dies wird ebenfalls durch die Einfügung des Wortes „nur“ verdeutlicht. Die Norm hat damit hinsichtlich der Aufhebung des gesamten Vertrags vorrangig klarstellenden Charakter.339 2. Vertragsumsteuerung bei Teilschlechtleistung a) Teilrücktritt und Rücktritt vom ganzen Vertrag, § 323 V 1 und 2 BGB Bei der Teilschlechtleistung stellt sich die Frage, ob stets unter Berücksichtigung von § 323 V 2 BGB bereits ein Rücktritt vom ganzen Vertrag in Betracht kommt oder ob ein Teilrücktritt möglich bzw. in entsprechender Anwendung von § 323 V 1 BGB ohne Interessenfortfall sogar zwingend ist. Der erste Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz340 sah in § 323 I 3 BGB-E noch vor: „Beschränkt sich die Pflichtverletzung auf einen Teil der Leistung, so kann der Gläubiger vom ganzen Vertrag nur zurücktreten, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat.“

Eine weitere Differenzierung sah der allgemein auf die sich auf einen Teil beschränkende „Pflichtverletzung“ abstellende Entwurf nicht vor und glich so Art. 51 CISG. Davon ist der Reformgesetzgeber jedoch abgewichen. Aus der Begründung zum geltenden § 323 V 2 BGB ergibt sich, dass im Falle einer Teilschlechtleistung – und damit auch nach § 433 III Var. 2 BGB in Fällen einer nicht offenen Teilleistung – nicht differenziert werden solle, ob der Mangel die ganze oder nur Teile der Leistung erfasst.341 Zur Begründung wird angeführt, die teilweise Schlechtleistung sei in aller Regel von der vollständigen Schlechtleistung „kaum abgrenzbar“.342 Deshalb bleibe es allein bei § 323 V 2 BGB, während § 323 V 1 BGB keine zusätzlichen Beschränkungen statuiert. Der Gläubiger soll bereits bei nicht unerheblicher Pflichtverletzung vom ganzen Vertrag zurücktreten.

338 Vgl. nur LG Heidelberg Urt. v. 3.7.1992, O 42/92 = CISG-online No. 38; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 51 Rn. 18 ff.; unzutreffend dagegen wohl OLG Düsseldorf Urt. v. 10.2.1994, 6 U 119/93 = CISG-online No. 115. 339 Vgl. zu Art. 47 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 44: „Although this provision reiterates the rule which would otherwise be applied under article 45 (1) (a) [= Art. 49 I lit. a], it is useful that it be made clear. The use of the word "only" in article 47 (2) [= Art. 51 II] also has the effect of negating the implication which might have been thought to flow from article 45 (I) (b) [= Art. 49 I lit. b] that the entire contract could be avoided on the grounds that the seller failed to deliver a part of the goods within the additional period of time […].“ 340 Abgedruckt in Canaris, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 3 ff. 341 BT-Drucks. 14/6040, 186. 342 BT-Drucks. 14/6040, 187.

IV. Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit

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„Bei einer unerheblichen Pflichtverletzung kann der Gläubiger dann gar nicht vom Vertrag zurücktreten, also weder vom ganzen Vertrag noch von Teilen desselben.“343

Anders als gem. Art. 51 CISG ist die Teilschlechtleistung nach der Regierungsbegründung damit einer separaten Rechtsfolge nicht zugänglich. Der wohl überwiegende Teil des Schrifttums lässt einen Teilrücktritt dennoch auch bei der Teilschlechtleistung zu und wendet sich gegen eine Gleichstellung des § 323 V BGB mit § 433 III BGB. Hinsichtlich eines Totalrücktritts soll sodann § 323 V 1 neben Satz 2 der Norm anwendbar sein, sodass der Rücktritt vom gesamten Vertrag zusätzlich davon abhängt, dass der Gläubiger an der vertragsgemäßen Teilleistung kein Interesse hat.344 Schließlich wäre § 323 V 1 BGB anderenfalls nahezu funktionslos und der nicht weniger zu berücksichtigende gesetzgeberische Wille, den Bestand des Kaufvertrags zu schützen,345 wäre kaum verwirklicht.346 Im Übrigen ist richtigerweise im B2CGeschäftsverkehr die Möglichkeit des Teilrücktritts bei unterscheidbaren Verbrauchsgütern347 durch richtlinienkonforme Auslegung nach Art. 3 der Verbrauchsgüterkauf-RL (1999/44/EG) sogar zwingend vorgegeben.348 Denn die befürchteten Abgrenzungsschwierigkeiten ändern nichts daran, „dass aufgrund der Richtlinie eine Abgrenzung zwischen dem Mangel eines Verbrauchsguts und dem Mangel eines von mehreren Verbrauchsgütern unausweichlich ist.“349 Davon aber weicht die Betrachtung einer Leistungserbringung innerhalb eines 343

BT-Drucks. 14/6040, 187. Grigoleit/Riehm, ZGS 2002, 115 [120]; Kindl, WM 2002, 1313 [1320]; Thier, AcP 203 (2003) 399 [426]; Jauernig/Berger (2015) § 434 Rn. 24; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 267; Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 27; HK-BGB/Schulze (2017) § 434 Rn. 21; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. C 7; nach a. A. erstrecke sich die Gleichstellung auch auf den Bereich des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, Erman/Grunewald (2017) § 434 Rn. 63; so auch BeckOK BGB/Faust § 434 Rn. 115 f. der jedoch auch einen Teilrücktritt zulässt. 345 Vgl. nur die Begr. zur Forcierung des Nacherfüllungsmöglichkeiten in BT-Drucks. 14/6040, 89: „Dies [ein fehlendes Recht zur zweiten Andienung] stimmt nicht mit dem allgemeinen Rechtsbewusstsein überein und widerspricht den Bedürfnissen des heutigen Handels mit industriellen Massengütern. Der Käufer, der eine mangelhafte Sache erhalten hat, hat nicht primär ein Interesse an der Rückgängigmachung des Kaufs […].“ Bezogen auf eine vertragsgemäße Teilleistung lässt sich daher festhalten, dass auch der Gesetzgeber davon ausging, dass ein Käufer ein Interesse daran hat, die Teilleistung zu behalten – sei es eine Teil- oder Teilschlechtlieferung. 346 Thier, AcP 203 (2003) 399 [426]. 347 Art. 1 II lit. b der Verbrauchsgüterkauf-RL (1999/44/EG). 348 Vgl. hierzu auch die „Quelle-Entscheidung“ des BGH Urt. v. 26.11.2008, VIII ZR 200/05 = NJW 2009, 427, wobei hier zusätzlich der Wortlaut dem Auslegungsergebnis von EuGH Urt. v. 17. 4. 2008, C-404/06, ECLI:EU:C:2008:231 (Quelle) zu Art. 3 RL 1999/44/EG entgegenstand. 349 M. Müller/Matthes, AcP 204 (2004) 732 [743] [Herv. d. Verf.]; a. A. BeckOK BGB/Faust § 434 Rn. 115 a. E. 344

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

Mangels in § 434 III Var. 2 BGB ab. Letztlich handelt es sich aber auch außerhalb der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung bei der Anwendung des § 323 V 1 BGB auf die Teilschlechtleistung nicht um eine angesichts der klaren Äußerung des nationalen Gesetzgebers unzulässige Analogie contra legem.350 Wird nämlich die Wortlautgrenze wie hier ersichtlich nicht überschritten und legt gerade die ratio des § 323 V 1 BGB nahe, dass der – wie aufgezeigt ohnehin ambivalente – Wille des Gesetzesgebers hinter dem Willen des Gesetzes zurücktreten kann,351 ist auch außerhalb des B2C-Geschäftsverkehrs angesichts der vorgetragenen Argumente ein Teilrücktritt zuzulassen und der Totalrücktritt an die höhere Schwelle des § 323 V 1 BGB zu knüpfen. b) Teilaufhebung und Aufhebung des gesamten Vertrags, Art. 51 CISG Bei einer Teilschlechtlieferung wirft die Verweisung des Art. 51 I CISG die Frage auf, ob bezogen auf den vertragswidrig erbrachten Teil eine Nachfristaufhebung möglich ist. Schließlich kann insoweit nur schwerlich von einer „Nichtlieferung“ die Rede sein. Anders als bei der Teilleistung ist die Anwendbarkeit der Rügevorschriften daher unstreitig.352 Darüber hinaus ist nach ganz herrschender Auffassung bei einer Teilschlechtlieferung eine Teilaufhebung gestützt auf eine Nachfristaufhebung ausgeschlossen. Möglich ist dies vielmehr nur bei Annahme einer wesentlichen Vertragsverletzung.353 Tatsächlich würde anderenfalls trotz der Gleichbehandlung von Teil- und Teilschlechtleistung in Art. 51 CISG die Beschränkung der Nachfristaufhebung auf die Fälle der Nichterfüllung in Artt. 49, 64 CISG leer laufen.354 Hinsichtlich der Aufhebung des gesamten Vertrags nach Art. 52 II CISG ergeben sich im Vergleich zur Teilleistung indessen keine Unterschiede. Möglich ist allein eine Aufhebung wegen wesentlicher Vertragsverletzung, weil dem Gläubiger entgeht, was er nach dem gesamten Vertrag hätte erwarten dürfen. Dort kann zudem der Umstand, dass die Aufspaltung des Vertrags bei teilweise vertragswidriger Leistung zusätzlich erschwert wird, dazu führen, dass dies in die Abwägungsentscheidung einzufließen hat.355

350

Vgl. dazu M. Müller/Matthes, AcP 204 (2004) 732 [750]. Zu Grenzen objektiver Auslegung Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 79 II. 352 Vgl. nur MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 51 Rn. 15. 353 Kiene (2010) S. 210 f.; Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 51 Rn. 47; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 51 Rn. 9; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 51 Rn. 15; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 51 Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/MüllerChen CISG (2013) Art. 47 Rn. 7. 354 Rechtspolitisch hierzu sehr krit. Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [9 dort Fn. 16]. 355 Kiene (2010) S. 211. 351

V. Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung

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V. Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung V. Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung

1. Die Erfüllungsverweigerung im BGB: Ausnahme der Nachfristsetzung Dadurch, dass der ernsthaften und endgültigen356 Erfüllungsverweigerung mit § 323 II Nr. 1 BGB eine dogmatische Heimat gegeben wurde, wird nicht nur die Einordnung der Erfüllungsverweigerung als positive Forderungsverletzung oder als Fall des § 326 BGB a. F. entbehrlich.357 Vor allem nämlich lässt die nun gewählte rechtskonstruktive Einordnung eindeutige Schlüsse auf das der Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung zugrundeliegende Telos zu. Denn nach § 323 II Nr. 1 BGB ist allein der erfolglose Fristablauf, nicht aber das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 323 I BGB entbehrlich.358 Das bedeutet, dass die Erfüllungsverweigerung selbst nicht die in § 323 I BGB geforderte Vertragsverletzung darstellt – unabhängig davon, ob zugleich eine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung der Leistungstreuepflicht vorliegt. Diese bleibt in der Nichtleistung trotz Fälligkeit zu erblicken und wird durch die Verweigerungserklärung auch nicht etwa konsumiert.359 Die Erfüllungsverweigerung überwindet allein den fruchtlosen Ablauf einer angemessenen Frist, deren Abwarten dort sinnfrei wäre. Zwar kann zur teleologischen Begründung des sofortigen Rücktrittsrechts nicht von einem Angebot zur Vertragsaufsage die Rede sein, da dem Gläubiger dann auch die Möglichkeit verbliebe, dieses abzulehnen. Auch wenn der Gläubiger wegen der Ausgestaltung als Gestaltungsrecht das Schicksal über den Vertrag in der Hand hat, kann er den Schuldner allein mit dessen Nichtausübung nicht umgekehrt zur Leistung anhalten. Der Konsensgedanke kann auf die Erfüllungsverweigerung zudem deshalb nicht ohne Weiteres übertragen werden, weil der Schuldner einerseits regelmäßig die vertragliche Pflicht insgesamt in Abrede stellt und andererseits die Einigung über eine sich anschließende Schadensersatzpflicht des Schuldners bloße Fiktion ist.360 Auch die Erklärung des sofortigen Rücktritts mit einem Verzicht auf das Naturalerfüllungsrecht stößt an ihre Grenzen, wenn sich der Schuldner wegen eines vermeintlichen Leistungsverweigerungsrechts zur Einbehaltung berechtigt hält, nachdem

356 Zur Vereinbarkeit mit Art. 18 II VRRL, wo allein eine „Weigerung“ gefordert wird, Dauner-Lieb/Langen/Dauner-Lieb/Dubovitskaya (2016) BGB § 323 Rn. 25. 357 BT-Drucks. 14/6040, 185. 358 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 97; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 93. 359 So noch der Ansatz Lesers zum früheren Schuldrecht, Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [654]. 360 Eingängig Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386.

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

der Verzicht eine bewusste Entscheidung über die Preisgabe jenes Erfüllungsrechts insinuiert.361 Der Grund, weshalb der Fristablauf entbehrlich ist, ist deshalb schlicht, dass der Gläubiger im Fall der endgültigen und ernsthaften Erfüllungsverweigerung den Schuldner beim Wort nehmen kann.362 Die schuldnerseitige Negierung der Vertragsbindung stellt unabhängig von der Berechtigung ein von der Absicht des Schuldners getragenes factum proprium dar, an dem sich der Schuldner festhalten lassen muss, während das Element des Zeitablaufs bei der neben die Nichtleistung tretenden Weigerung sachfremd und nicht erforderlich ist.363 Damit erübrigen sich Überlegungen zum hinreichenden Ausmaß der Vertragsverletzung gleichermaßen.364 Nicht eindeutig geregelt ist dagegen nach wie vor die aus dem Verhältnis von Fristsetzung und Entbehrlichkeit nach § 323 II BGB resultierende Bindungswirkung, wenn der Gläubiger eine Frist setzt, obwohl ein solcher Ausnahmetatbestand bereits im Zeitpunkt der Fristsetzung vorlag. Konkret geht es um die Folgen der Fristsetzung trotz bereits vorliegender Erfüllungsverweigerung. Setzt der Gläubiger in Kenntnis der Umstände, die § 323 II BGB verwirklichen, eine Frist, liegt der venire contra factum proprium-Einwand nahe, wenn er dennoch unter Berufung auf diese Umstände vor Fristablauf zurücktritt.365 Schließlich weckt der Gläubiger damit das Vertrauen, er biete dem Schuldner trotz sofortiger Rücktrittsmöglichkeit eine spätere Andienungsmöglichkeit. Dagegen ist m.E. wohl zwischen § 323 II Nr. 1 und Nr. 2 BGB zu differenzieren, da der Rücktritt bei einer Erfüllungsverweigerung nach § 323 II Nr. 1 BGB wegen der schuldnerseitigen Negierung der Vertragsbindung seinerseits auf einem factum proprium fußt. Deshalb ist dort kein Grund ersichtlich, warum sich der Erfüllung verweigernde Schuldner mit seinem venire contra factum proprium-Einwand durchsetzen soll. Demgegenüber signalisiert der Gläubiger im Fall des § 323 II Nr. 2 BGB tatsächlich, dass die Leistungserbringung entgegen der Vereinbarung gerade nicht mit der Einhaltung der ur-

361

Mit der Begründung des Verzichts jedoch Riehm (2015) S. 377. Diese Lösung entspricht der von RG Urt. v. 11.7.1902, II 129/02 = RGZ 52, 150 [152] bereits zu § 326 BGB a. F. entwickelten „Verzichtslösung“. Vgl auch Böß (1932) S. 12. 362 Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [14]. 363 So bereits Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386; vgl. ferner Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [652 ff.]. 364 Konsequenterweise kommt es hier auch schon nicht auf das Vorliegen eines gegenseitigen Vertrags an Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [14]. Krit. MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 93; Staudinger/Schwarze (2015) § 326 BGB Rn. B 89; krit. ferner zum alten Schuldrecht (jedoch auch unter Geltung von § 283 BGB a. F.), U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 51 III 2. 365 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 95; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 98; vgl. ferner BGH Urt. v. 17.2.1995, V ZR 267/93 = NJW-RR 1995, 853 [855].

V. Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung

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sprünglichen Leistungszeit „stehen und fallen“ soll. Bei einem relativen Fixgeschäft wird der Gläubiger somit berechtigterweise durch die Fristsetzung gebunden. 2. Erfüllungsverweigerung im CISG: Ausnahme der Nachfristaufhebung und eigenständiger Störungstatbestand Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG benennen ferner die Erfüllungsverweigerung und gestatten dem Gläubiger die sofortige Vertragsaufhebung, wenn der Schuldner erklärt, dass er die dort genannten Pflichten nicht innerhalb der nach Artt. 47 und 63 CISG „so gesetzten Frist“ erfüllt. Die Vertragsaufhebung hängt hierbei nicht von der beweisbedürftigen Prüfung des Art. 25 CISG ab, weil die Verweigerung der Erfüllung der dort genannten Pflichten nach Eintritt der Fälligkeit stets eine wesentliche Vertragsverletzung begründet.366 Der Gläubiger kann daher vom Nachweis der Voraussetzungen des Art. 25 CISG befreit werden. Die Vertragsaufhebung wegen nachzeitiger Erfüllungsverweigerung fügt sich somit insofern nahtlos in die Konzeption des CISG ein, als dort die Vertragsaufhebung gleichermaßen mit der Wesentlichkeit der Vertragsverletzung begründet werden kann. Das Verhältnis der in Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG geregelten sofortigen Vertragsaufhebung wegen Erfüllungsverweigerung zur Nachfrist wird in den Artt. 47 II 1 a. E. und 63 II 1 a. E. CISG konsequent umgesetzt. Denn während die Nachfrist nach diesen Regelungen grundsätzlich zur Suspendierung der in Artt. 45 I und 61 I CISG genannten Rechte führt, endet die Bindung des Gläubigers im Falle der Erfüllungsverweigerung durch den Schuldner schon vor dem Fristablauf.367 In Abweichung zu Art. 27 CISG muss die Verweigerungserklärung dabei ausweislich des Wortlauts der Normen (amtl.: „has received notice“ bzw. „n’ait reçu“) auch tatsächlich zugegangen sein.368 Erhält der Gläubiger eine solche Anzeige, kann er sofort den Vertrag aufheben.369 Somit bildet die Erfüllungsverweigerung nach Fristsetzung eine Ausnahme der Nachfristaufhebung. Zutreffend wird darauf hingewiesen, dass das Recht sofortiger Vertragsaufhebung wegen einer Erfüllungsverweigerung damit nur dann in Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG beheimatet ist, wenn sich die Erfüllungsverweigerung auf die „so gesetzte Frist bezieht“. Es muss also eine 366

Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [624]; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 49 Rn. 11. Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 47 Rn. 14 ff.; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 63 Rn. 14. Dies scheint Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 95 dort Fn. 445 zu übersehen. 368 Vgl. nur UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods 2016 Ed. p. 292; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 63 Rn. 14. 369 BG Urt. v. 20.12.2006, 4C.314/2006 = CISG-online No. 1426; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 49 Rn. 11 367

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

nach Fristsetzung erklärte Erfüllungsverweigerung vorliegen, die kumulativ zur Nachfrist vorliegt.370 Der dort normierte Fall der Erfüllungsverweigerung befreit nur vom „Ablauf der Frist, macht die Nachfrist aber nicht schon selbst entbehrlich.“371 Der Wortlaut der Vorschriften, der auch in den Artt. 47 II 1 und 63 II 1 CISG eine Entsprechung hat, lässt keine andere Auslegung zu. Die alleinige Normierung als Ausnahmetatbestand bedeutet jedoch nicht, dass eine vor Fristsetzung erklärte Erfüllungsverweigerung folgenlos bleiben muss. Das Recht zur sofortigen Vertragsaufhebung ist dann schlicht zutreffend in Artt. 49 I lit. a und 64 I lit. a CISG zu verorten, weil die Erfüllungsverweigerung stets eine wesentliche Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG darstellt.372 Somit bildet die Erfüllungsverweigerung vor Fristsetzung einen eigenständigen Störungstatbestand. Ein praktischer Unterschied ergibt sich aus dieser Differenzierung vordergründig für die sich aus Artt. 47 II 1 und 63 II 1 CISG Suspendierung von Rechtsbehelfen. Unklar ist nämlich, ob der Gläubiger auch dann an seine Fristsetzung gebunden ist, wenn bereits zu jenem Zeitpunkt eine Erfüllungsverweigerung vorlag. So läge es nämlich, würde der Bindungsausschluss der Artt. 47 II 1 a. E. und 63 II 1 a. E. CISG nur bei nach Fristsetzung erklärten Erfüllungsverweigerungen greifen. Die Problematik gleicht damit der Diskussion um den venire contra factum proprium-Einwand zum Verhältnis zwischen § 323 I und II BGB. Denn Artt. 47 II 1 a. E. und 63 II 1 a. E. CISG scheinen die Suspendierung nur dann aufzuheben, wenn der Schuldner nach der Fristsetzung (amtl.: „within the period so fixed“ bzw. „dans le délai ainsi imparti“) die Erfüllung verweigert. Eine bereits vorher erklärte Erfüllungsverweigerung kann sich aber noch nicht auf eine Erfüllung „innerhalb der so gesetzten Frist“ beziehen. Diese Einschränkung im Wortlaut der Normen wäre überflüssig, wenn auch bei vor Fristsetzung erklärten Erfüllungsverweigerungen eine Ausnahme zuzulassen wäre. Richtigerweise bleibt der Gläubiger deshalb bei einer vor Fristsetzung erklärten Verweigerung des Schuldners an seine Fristsetzung gebunden. Dieser Befund widerspricht zwar der hier zum BGB vorgeschlagenen Lösung. Zum einen ergibt sich dieses Ergebnis für das UN-Kaufrecht jedoch zwingend aus den Artt. 47 II 1 a. E. und 63 II 1 a. E. CISG. Zum anderen steht diese Lösung im Einklang mit der ungleich stärkeren Zurückdrängung der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht als im BGB.

370

Kiene (2010) S. 185. Kiene (2010) S. 186. 372 Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [624]; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 49 Rn. 11; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 20; Kiene (2010) S. 186 und 198; Trommler (2001) S. 108 alle m. w. N. 371

VI. Verantwortlichkeit der Parteien

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VI. (Un-)Abhängigkeit von der Verantwortlichkeit der Parteien VI. Verantwortlichkeit der Parteien

Da mit dem Prinzip des pacta sunt servanda Interessen des Schuldners betont werden, läge es nahe, die Vertragsumsteuerung spiegelbildlich davon abhängig zu machen, dass der Schuldner jene Verletzung auch verschuldet hat oder sonst die Verantwortung dafür trägt. Schließlich scheint die Vertragsbeendigung einer Sanktion für die Pflichtverletzung zu gleichen.373 Das ist jedoch mitnichten der Fall und folgt daraus, dass die Rechtfertigung der Vertragsumsteuerung vielmehr in der gegenseitigen Abhängigkeit der Vertragspflichten begründet liegt. Die Vertragsumsteuerung wird erst in der Kombination mit dem Schadensersatz zur „Sanktion“ und ist daher Folge und nicht Zweck derselben.374 Allein die Vertragsumsteuerung ist weder Ausgleich noch Sanktion im herkömmlichen Sinne und begegnet daher nicht auf Ebene des Schadensersatzes als Abrechnung des gesamten Vertrags zur Verwirklichung des Synallagmas, sondern als ein Mittel zur Anpassung des gestörten Leistungsaustauschs.375 Daher kann es für die Vertragsumsteuerung allein auf das objektive Vorliegen der Vertragsverletzung und die damit verbundene Gefährdung des Leistungsinteresses ankommen.376 Das Verschuldenskriterium sagt dagegen wenig darüber aus, welche Wirkungen sich aus dem Verschulden für die allein maßgebliche Störung des Leistungsaustauschs ergeben.377 Daher hängt die Vertragsumsteuerung weder im CISG noch im BGB von der Verantwortung des Schuldners ab.378

373

Vgl. Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 15 Rn. 34; Weiss, NJW 2015, 3393 [3395]. 374 Vgl. Dastis (2017) S. 53. Vgl. daneben zu § 324 BGB, Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [125 f.]. 375 So schon zum EKG, Leser, in: Das Haager Einheitliche Kaufgesetz und das Deutsche Schuldrecht (1973) S. 1 [3]. 376 U. Huber, Gutachten (1981) S. 762 f. 377 Unberath (2007) S. 364. Zur Arglist als stets wesentliche Vertragsverletzung, vgl. BGH Urt. v. 3.04.1996, VIII ZR 51/95 = NJW 1996, 2364 [2367]; dagegen Trommler (2001) S. 62; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter CISG (2013) Art. 25 Rn. 19; differenzierend Benicke, IPRax 1997, 326 [330]; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari CISG (2018) Art. 25 Rn. 23; teilweise abweichend Kiene (2010) S. 72 f. 378 Rolland, in: FS Schlechtriem (2003) S. 629 [638]; Looschelders, SchuldR-AT (2017) § 32 Rn. 673; Schlechtriem, IHR 2001, 12 [16]. Vor der Schuldrechtsreform hing der Rücktritt unter § 326 BGB a. F. und dem Institut der positiven Vertragsverletzung noch von einem Vertretenmüssen ab, vgl. Flessner, ZEuP 1997, 255 [296].

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

1. Die Verantwortlichkeit des Gläubigers im BGB Umgekehrt kann die Verantwortlichkeit des Gläubigers eine Rolle spielen, weil es widersprüchlich erscheint, ihm das Recht zur Vertragsumsteuerung zuzugestehen, obwohl er selbst die Vertragswidrigkeit verursacht hat.379 Eine mit Blick hierauf wichtige Einschränkung für § 326 I 1 BGB stellt deshalb die Norm des § 326 II 1 BGB dar.380 Deren Rechtsgedanke findet sich so für § 323 sowie für § 326 V BGB auch in § 323 VI BGB wieder.381 § 326 II 1 Var. 1 BGB betrifft die Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht zugunsten des Schuldners, während § 323 VI Var. 1 BGB dem Gläubiger das Rücktrittsrecht verwehrt. Gleichermaßen sind dabei die Auswirkungen der Gläubigerverantwortung auf die Folgen der Leistungsstörung betroffen.382 Die Regelung ist damit Ausfluss der in § 242 BGB verankerten tu quoque-Regel, wonach der Gläubiger aus der Vertragsverletzung des Schuldners keine Rechte ableiten kann, sofern er sich nicht selbst vertragstreu verhält.383 Ist der Gläubiger allein oder weit überwiegend für den Ausfall der Leistung bzw. den Umstand verantwortlich, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, ist sein Liberationsinteresse nicht schützenswert.384 Daneben ist im BGB der Rücktritt ausgeschlossen (§ 323 VI Var. 2 BGB) bzw. bleibt die Gegenleistungspflicht des Gläubigers trotz Unmöglichkeit aufrechterhalten (§ 326 II 1 Var. 2 BGB), wenn der Umstand, der den Gläubiger zum Rücktritt berechtigen würde bzw. aufgrund dessen der Schuldner nach § 275 BGB nicht zu leisten braucht, zu einer Zeit eintritt, zu welcher der Gläubiger im Verzug der Annahme und vom Schuldner nicht zu vertreten ist 379

Kiene (2010) S. 257. Krit. statt vieler mit Blick auf die Daseinsberechtigung des § 323 VI BGB, MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 268; ähnlich Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 228 ff., weil sich nahezu alle denkbaren Fallkonstellationen auch durch eine konsequente Gesetzesanwendung, insbesondere der Berücksichtigung von § 320 BGB, bereits ohne Rückgriff auf die „Vertragstreue“ lösen lassen, vgl. auch Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 28. 381 P. Huber, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 193; § 323 VI BGB findet im Rahmen des Rücktritts nach § 324 BGB keine Anwendung. Insofern wurde bewusst auf eine Verweisungsnorm verzichtet, da diese Ausschlüsse (in BT-Drucks. 14/6040, 187 noch § 323 V BGB) auf die Fälle des § 324 BGB nicht ohne Weiteres zu übertragen sind, BT-Drucks. 14/7052, 192 f. 382 MüKoBGB/Ernst (2016) § 326 Rn. 110 f. 383 Monographisch dazu Teubner (1975) passim. Als spezielle Regelung muss ein darüber hinausgehender Rückgriff auf § 242 BGB jedoch dementsprechend die Ausnahme bilden, BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 41. 384 Unberath (2007) S. 368. Die beiderseits zu vertretende Unmöglichkeit ist im BGB bewusst weiterhin nicht geregelt, BT-Drucks. 14/6040 S. 187. Die h. M. löst das Problem durch Wegfall der Gegenleistungspflicht nach § 326 I BGB und eine schadensersatzrechtliche Abrechnung nach §§ 280, 283 bzw. 311a II BGB einerseits und § 280 I BGB andererseits, die jeweils nach der Mitverschuldensquote zu kürzen sind, vgl. statt vieler Medicus/Lorenz, SchuldR-AT, § 35 Rn. 443 f. m.w.N. 380

VI. Verantwortlichkeit der Parteien

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(§ 300 I BGB). Damit wird jedoch nicht auf Umwegen doch eine (fehlende) Verantwortlichkeit des Schuldners zum Erfordernis des Rücktrittsrechts erhoben. Vielmehr folgt das Gesetz dem Prinzip, dass der Rücktritt ausnahmsweise ausgeschlossen ist bzw. die Gegenleistungspflicht aufrecht erhalten bleibt, weil dem Gläubiger bei Hinzutreten der Voraussetzungen des Gläubigerverzugs das Störungsrisiko zugewiesen wird und deshalb ihm allein ein entsprechender Vorwurf gemacht werden kann.385 2. Die Verursachung durch den Gläubiger im UN-Kaufrecht Zwar berührt eine Entlastung nach Art. 79 CISG wegen Art. 79 V CISG ein Vertragsaufhebungsrecht im UN-Kaufrecht nicht. Hingegen entlastet Art. 80 CISG – der in seiner Unbestimmtheit eine kaum näher eingeschränkte Kodifikation des Gebots von Treu und Glauben (Art. 7 I CISG) bildet – umfassend nicht nur von Schadensersatzpflichten, sondern sperrt auch eine Vertragsaufhebung.386 Danach kann sich eine Partei auf die Nichterfüllung von Pflichten durch die andere Partei nicht berufen, soweit diese Nichterfüllung durch ihre Handlung oder Unterlassung verursacht wurde.387 Dabei ist die Frage, ob das Gläubigerverhalten eine Vertragsverletzung darstellt, ebenso unbeachtlich wie fehlendes Verschulden des Gläubigers. Es kommt allein auf einen wesentlichen Kausalbeitrag an.388 Die Norm ist daher mit § 323 VI Alt. 1 bzw. § 326 II 1 Alt.1 BGB vergleichbar.389 Liegen diese Voraussetzungen vor, entfällt das Aufhebungsrecht des Gläubigers.390 Zwar findet sich in Art. 80 CISG keine Entsprechung der §§ 323 VI Var. 2 bzw. 326 II 1 Var. 2 BGB, weil der Annahmeverzug dem UN-Kaufrecht als solcher fremd ist. Überwiegend wird jedoch davon ausgegangen, dass sich diese Fälle bereits unter Art. 80 CISG fassen lassen, sodass das UN-Kaufrecht

385

BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 37; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. E 2. 386 Bach/Stieber, IHR 2006, 97 [98]; Rathjen, RIW 1999, 561 [565], Schlechtriem/ Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 689; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 80 Rn. 2. 387 Die Folgen beiderseitiger Mitverursachung sind im CISG ebenfalls nicht geregelt. Auch hier lässt sich durch Rückgriff auf Artt. 77 S. 2, 80 CISG ein interessengerechtes Ergebnis durch Berücksichtigung der Verursachungsbeiträge bei der Schadensverteilung erreichen, Saenger, in: FS Magnus (2014) S. 291 [297 ff.]; Bach/Stieber, IHR 2006, 97 [99 ff.]; vgl. jüngst BGH Urt. v. 26.9.2012, VIII ZR 100/11 = NJW 2013, 304 [307]. 388 Leible/M. Müller, IHR 2013, 45 [46]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 80 Rn. 3; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 80 Rn. 5; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 80 Rn. 2. 389 Kiene (2010) S. 258. 390 Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 80 Rn. 7; Schlechtriem, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) S. 159 [166].

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

gestützt auf diese Norm zu dem BGB vergleichbaren Ergebnissen gelangt.391 Indem das CISG mit der Verursachung einen entsprechenden Kausalzusammenhang fordert,392 der gleichzeitig Grund und Grenze der Einschränkung bildet, (amtl.: „caused by“/„due à“) und das BGB maßgeblich auf Verantwortlichkeit abstellt, gelangen beide Regelwerke nach dieser Auffassung zu ähnlichen Ergebnissen.393 Indessen hält das UN-Kaufrecht mit Art. 69 I CISG bereits eine spezielle Regelung bereit, die den Gedanken der §§ 323 VI Var. 2, 326 II 1 Var. 2 BGB aufgreift, namentlich den Übergang der Risikotragung aufgrund der fehlenden Annahme trotz vertragsgemäßen Leistungsangebots, und infolgedessen dem Verkäufer den Kaufpreiszahlungsanspruch erhält. Dadurch wird dasselbe Ergebnis erreicht wie durch §§ 323 IV Var. 2, 326 II 1 Var. 2 BGB, ohne dass es eines Rückgriffs auf die allgemeine und nicht näher spezifizierte Regel des Art. 80 CISG bedarf.394

VII. Vertragsumsteuerung bei Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten VII. Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten

1. Exklusive Anwendbarkeit des § 324 BGB bei Schutzpflichtverletzungen und § 323 BGB bei Verletzung außerhalb des Synallagmas stehenden Pflichten a) Das Zumutbarkeitskriterium des § 324 BGB als Verknüpfung der Verletzung des Integritätsinteresses mit der vertraglichen Bindung § 323 BGB wird ergänzt durch die Norm des § 324 BGB, die Verletzungen von Pflichten aus § 241 II BGB und damit Schutzpflichten in den Blick nimmt.395 Diese Pflichten dienen anders als Leistungspflichten nicht der Erreichung des status ad quem, sondern der Wahrung des status quo.396 Der Rücktritt hängt dort von der Zumutbarkeit ab, an dem Vertrag festzuhalten, wodurch eine einzelfallabhängige Bewertung des Ausmaßes der Vertragsverletzung geboten ist.

391

Häufig werden die Aufhebungsvoraussetzungen fehlen. Offen gelassen deshalb bei OGH Urt. v. 22.11.2011, 4 Ob 159/11b = IHR 2012, 114 [117]; vgl. ferner OLG Koblenz Urt. v. 31.1.1997, 2 U 31/96 = IHR 2003, 172 [175]; OLG München Urt. v. 8.2.1995, 7 U 1720/94 = CISG-online No. 143. 392 Zu Fragen der Ursächlichkeit im Einzelnen, Leible/M. Müller, IHR 2013, 45 [46 ff.]. 393 Kiene (2010) S. 260. 394 Kötz, Europäisches Vertragsrecht (2015) S. 334 dort Fn. 40. Vgl. auch BeckOGK/Herresthal BGB § 326 Rn. 28, der zusätzlich auf Art. 80 CISG als „Parallelvorschrift“ abstellt. 395 BT-Drucks. 14/6040, 125. 396 Zum Ganzen Medicus/Lorenz, SchuldR-AT, § 39 Rn. 517 ff.

VII. Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten

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Es bedarf weder einer Fristsetzung noch einer Abmahnung.397 In der weiteren Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag und nicht der eingetretenen Verletzung der Rücksichtnahmepflicht als solcher liegt die materielle Rechtfertigung für die Abkehr vom Vertrag. Zumutbarkeit i. S. d. § 324 BGB meint daher das Ergebnis einer Prognose, inwiefern das weitere Festhalten an dem Vertrag für den Gläubiger unter Abwägung der beiderseitigen Interessen erträglich ist.398 Außerhalb des § 323 IV BGB ist daher der Norm des § 324 BGB anders als § 323 BGB ein Prognoseelement immanent. Der bemerkenswerte Unterschied des § 324 BGB zu § 323 BGB liegt teleologisch betrachtet darin, dass damit eine Beeinträchtigung des Integritätsinteresses Auslöser des Rücktritts ist. Die Einräumung eines Rücktrittsrechts ist hier alles andere als selbstverständlich, da deren Folgen den Erfolg der Durchführung des Vertrags gänzlich unberührt lassen können.399 Anders als i. R. d. § 323 BGB ist der legitimierende Umstand nicht die Störung des Synallagmas, sondern die Gefährdung des allgemeinen Güterschutzes.400 Da der Vertragspartner dort – in Anlehnung an die positive Vertragsverletzung mit den Worten Staubs – etwas tut, was er unterlassen soll,401 passt eine Fristsetzung dort nicht. Daher wurde im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung auch von der anfänglich angestrebten Verflechtung des Rücktritts auch wegen Schutzpflichtverletzungen in einen allgemeinen Rücktrittstatbestand wegen Pflichtverletzung abgesehen.402 Um aufgrund einer Verletzung des Integritätsinteresses den Rücktritt vom Vertrag zu legitimieren, bedarf es eines spezifischen Bezugs zwischen der Schutzpflichtverletzung und dem Leistungsaustausch. Diese Begründung liefert das generalklauselartige Kriterium der Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag. Die Unzumutbarkeit, die in der Schutzpflichtverletzung allein ihren Ursprung hat, begründet einerseits die Verknüpfung mit dem Schicksal des Vertrags und verlangt dabei andererseits eine hinreichende

397

HK-BGB/Schulze (2014) § 324 Rn. 2; MüKoBGB/Ernst (2016) § 324 Rn. 9; für eine bloße Indizwirkung juris-PK-BGB/Beckmann (2016) § 324 Rn. 13; ähnlich Staudinger/Schwarze (2015) § 324 BGB Rn. 43; abweichend Palandt/Grüneberg (2019) § 324 Rn. 4; Erman/Westermann (2017) § 324 Rn. 7. 398 Staudinger/Schwarze (2015) § 324 BGB Rn. 38. Krit. MüKoBGB/Ernst (2016) § 324 Rn. 7 f. der allein auf die realisierte Treuwidrigkeit abstellt. Ernst beschränkt sich jedoch auf aus persönlichem Umgang und Treueverhältnissen resultierende Illoyalität. In solchen Fällen personenbezogener Unzumutbarkeit plädiert dann auch Schwarze für einen von einer Prognose unabhängigen Rücktritt, Staudinger/Schwarze (2015) § 324 BGB Rn. 40 ff. 399 Grigoleit, in: FS Canaris Bd. I (2007) S. 275 [293 f.]. 400 BT-Drucks. 14/6040, 141, 187. 401 Staub, in: FS 26. Deutscher Juristentag (1902) S. 29 [31]. 402 Vgl. § 323 des Diskussionsentwurfs des Bundesministeriums der Justiz zur Schuldrechtsmodernisierung einerseits und §§ 323 und 324 der Konsolidierten Fassung des Diskussionsentwurfs andererseits, abgedruckt in Canaris, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 21 und 374 f. Zur Krit. Ernst, JZ 1994, 801 [805 f.].

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

Schwere der Pflichtverletzung.403 Erst dieses Zusammenspiel schafft die Legitimation der Vertragsumsteuerung wegen solcher Pflichtverletzungen. Ferner führt die Konzentration des § 324 BGB auf Schutzpflichten zu der häufig übersehenen Erkenntnis, dass derartige Pflichtverletzungen aus dem Anwendungsbereich des § 323 BGB auszuklammern sind, sodass insbesondere die „kleine Generalklausel“ des § 323 II Nr. 3 BGB von der Aufgabe der Normierung eines Rücktritt auch wegen Schutzpflichtverletzungen entlastet wird.404 b) §§ 323, 326 BGB bei außerhalb des Synallagmas stehenden Pflichten? Die Annahme, der Fristablauf werde die hinreichende Schwere der Vertragsverletzung begründen, scheint nur bei im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungspflichten und sog. leistungsbezogenen Nebenpflichten zuzutreffen.405 Letztere sind einer Hauptleistungspflicht dienend zugeordnet, sodass deren Verletzung ebenfalls zu einer Leistungspflichtverletzung und bei Einbindung in das Gegenseitigkeitsverhältnis zu einer Störung des Synallagmas führt.406 Es verwundert deshalb, dass der Reformgesetzgeber in – vermeintlicher407 – Fortführung der bisherigen Rechtslage bewusst auf eine einschränkende Formulierung des § 323 I BGB verzichtete, weil die Verletzung einer im Synallagma stehenden Pflicht nicht erforderlich sei.408

403 Grigoleit, in: FS Canaris Bd. I (2007) S. 275 [294]. Einer weitergehenden Feststellung der Wesentlichkeit bedarf es nicht. Der RegE zu § 324 BGB sah dieses Erfordernis noch vor, BT-Drucks. 14/6040, 187. Davon wurde jedoch abgesehen, da das Wesentlichkeitskriterium in der Zumutbarkeit aufgehe, BT-Drucks. 14/7052, 186, 192. 404 Vgl. Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [17]; Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 889 [905]; Weiss, NJW 2014, 1212 [1215]. Krit. Schlechtriem/Schmidt-Kessel, SchuldR-AT (2005) Rn. 509 ff. wonach § 324 BGB nur ein Unterfall des § 323 BGB sei. 405 Ein Beispiel für eine Pflicht, die weder leistungsbezogene Neben-, noch Rücksichtnahmepflicht ist bietet Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 6: Der Verkäufer eines KFZ nimmt entgegen einer entsprechenden Vereinbarung nicht die Anmeldung des KFZ für den Käufer vor. 406 Grigoleit, in: FS Canaris Bd. I (2007) S. 275 [279]; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 4. 407 Selbst die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 14/6040, 183, meldet mit Blick auf BGH Urt. v. 30.5.1990, VIII ZR 207/89 Bedenken an. Zudem durfte in BGH Urt. v. 16.3.1988, VIII ZR 184/87, worauf sich die Materialien berufen, auf das Vorliegen einer Hauptleistungspflicht geschlossen werden. Daneben stand in BGH Urt. v. 30.5.1990, VIII ZR 207/89 der in Rede stehenden Pflicht eine Gegenleistung gegenüber. Vgl. zu § 326 BGB a. F. ferner Beinert (1979) S. 152 f.; Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 10. 408 BT-Drucks. 14/6040, 183; dem folgend Kindl, WM 2002, 1313 [1321]; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht (2017) § 44 Rn. 486; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 5; Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 10; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 4; Jauernig/Stadler (2015) § 323 Rn. 6.

VII. Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten

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Nach teilweise in der Lit. vertretener Auffassung scheidet ein Rücktrittsrecht dort dennoch aus.409 Denn wegen der fehlenden Verletzung einer mit der verletzten Leistung korrespondierenden Verpflichtung zur Gegenleistung fehle zugleich die aus der Pflichtverletzung resultierende Legitimation des Rücktritts.410 Schließlich bewirkt der Rücktritt die Befreiung von der Leistungspflicht wegen des (teilweisen) Ausbleibens der korrespondierenden Gegenleistung und ist daher nicht einmal als entsprechender Teilrücktritt denkbar, wenn sich für eine Leistungspflicht keine Gegenleistungspflicht ermitteln lässt. § 323 V 1 BGB sieht in solchen Fällen jedoch gerade den Grundsatz des Teilrücktritts vor.411 Dort, wo auch keine schadensersatzrechtliche Kompensation der Verletzung dieser Pflicht möglich ist, hat der Gläubiger das Ausbleiben der Leistung daher als eigenes Leistungsrisiko zu tragen.412 Dieser Einwand lässt sich auch nicht dadurch entkräften, dies erscheine bei einer Pflichtverletzung unangemessen, der auch § 323 V 2 BGB nicht entgegengehalten werden könnte.413 Denn als Unerheblichkeitsschwelle erfüllt § 323 V 2 BGB die einschränkende Funktion des Korrektivs einer nur prima facie bestehenden Rücktrittsrechtfertigung. Zudem spricht für eine Beschränkung auf synallagmatische Pflichten vor allem der systematische Einwand, dass der Rücktritt nach § 323 I BGB auch dazu dient, einen durch § 320 BGB hervorgerufenen Schwebezustand zu beenden.414 § 320 BGB erfasst unstreitig nur im Synallagma stehende Pflichten.415 Wenn § 323 I BGB allein einen Übergang von der Verweigerung der Gegenleistung zur Beseitigung der gegenseitigen Leistungspflichten schafft, darf dort nichts anderes gelten.416 409 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 13 f.; Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 15 Rn. 20; Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [5]; vgl. bereits Ernst, JZ 1994, 801 [806 f.]. 410 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 13. 411 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 13. 412 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 13. 413 So aber etwa Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 5; ähnlich Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 10. 414 Vgl. dazu Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [5]; vgl. auch Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 13 Rn. 3. 415 BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1002]; BGH Urt. v. 13.12.2012, IX ZR 9/12 = NJW 2013, 1243 [1244]; Medicus/Lorenz, SchuldR-AT (2015) § 20 Rn. 239; Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 14 Rn. 3 ff.; Staudinger/Schwarze (2015) § 320 BGB Rn. 12 f.; Schur, JuS 2006, 673 [674]. 416 Diese Auslegung ist auch mit Art. 18 Verbraucherrechte-RL vereinbar, da die Richtlinie den Rücktritt bei Nichtlieferung und damit bei Verletzung synallagmatisch verbundener Pflichten statuiert. Ähnlich liegt es bei der Verbrauchsgüterkauf-RL, da der Verkäufer zwar nach Art. 3 I der RL für jede Vertragswidrigkeit haftet. Nach Art. 3 V 2. Spiegelstr. kann der Verbraucher dann Vertragsauflösung verlangen, wenn der Verkäufer nicht innerhalb angemessener Frist Abhilfe geschaffen hat. Allerdings meint „Abhilfe“ allein Nachbesserung (Art. 1 II lit. f RL 1999/44/EG) des Verbrauchsguts sowie Ersatzlieferung (arg. ex Art. 3 III 1 und 2 der RL 1999/44/EG) und bezieht sich so ebenfalls auf eine im Synallagma stehende Pflicht.

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Andererseits erscheint angesichts der Materialien die Forderung nur schwer haltbar, es bedürfe für die Anwendbarkeit des § 323 I BGB zwingend einer Gegenleistung für die gestörte Leistung. Zudem zielt § 323 III BGB mit der Abmahnung gerade auf synallagmatisch meist nicht verbundene Unterlassenspflichten ab und verlöre sonst jede Bedeutung.417 Die Norm ist jedoch kein „gesetzgeberischer Missgriff ohne Anwendungsbereich“.418 Denn zum einen erfasst § 324 BGB nur Verletzungen des Integritätsinteresses.419 Zum anderen helfen allein die Regelungen über die Unmöglichkeit nicht weiter, sofern eine vertragliche Unterlassenspflicht (etwa ein Wettbewerbsverbot) den Nichteintritt eines bestimmten Erfolgs bezweckt. Da bei einer bloßen auf jenen Erfolg gerichteten Handlung noch keine Unmöglichkeit eintritt, verbleibt dem Gläubiger nur die Möglichkeit der Abmahnung nach § 323 III BGB.420 Diesen Bedenken kann jedoch bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass es den Parteien freisteht zu vereinbaren, welche Pflichten synallagmatisch eingebunden sind.421 Daraus folgt für § 323 BGB, dass es sich zumindest um die Verletzung einer Pflicht handeln muss, die nach dem Parteiwillen unauflösbar mit den im Austauschverhältnis stehenden Leistungspflichten verbunden ist, unabhängig davon, ob ihr eine konkrete Gegenleistung gegenüber steht.422 Konsequenzen ergeben sich daraus auch für die Auslegung des § 326 BGB. Neben den bereits angesprochenen Fällen irreparabler Schlechtleistung und dem Rücktritt vom ganzen Vertrag bei teilweiser Unmöglichkeit, § 326 I 2 und 1 HS. 2 BGB, erfasst § 326 V BGB nach in der Lit. vertretenen Auffassung auch die unmöglich gewordenen, synallagmatisch aber nicht verknüpften Leistungspflichten.423 Letzteres gerade deshalb, weil der Wegfall der Leistungspflicht nach § 326 I 1 BGB – wiederum unstreitig – nur

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BT-Drucks. 14/7052, 192; beispielhaft sind insofern Verstöße gegen vertragliche Konkurrenzverbote. 418 So Faust, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 123 a. E. zur Parallelbestimmung des § 281 III BGB. Krit. dazu Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 126; vgl. ferner Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 70; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 206. 419 So aber MüKoBGB/Ernst § 323 Rn. 13 und 81. Vgl. dagegen HK-BGB/Schulze (2017) § 323 Rn. 11; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 126; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 206 ff. 420 BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 206. 421 Ganz h. M., vgl. nur jüngst BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 NZI 2017, 60 [60]. 422 Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 9 ff.; dem folgend Looschelders, SchuldR-AT (2017) § 31 Rn. 668; ähnlich Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 25; vgl. ferner MüKoBGB/Ernst § 323 Rn. 14. 423 Looschelders, SchuldR-AT (2017) § 35 Rn. 718a; Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [20]; Soergel/Gsell (2005) § 326 Rn. 120; Jauernig/Stadler (2015) § 326 Rn. 27.

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synallagmatisch verbundene Pflichten erfasst.424 Eine interessengerechte Korrektur erfolge dann auch hier durch die Schwelle des § 323 V BGB.425 Eine unterschiedliche Behandlung unmöglich gewordener, nicht im Synallagma stehender Nebenpflichten einerseits und auch nach Fristablauf nicht erfüllter Nebenpflichten andererseits erscheint jedoch nicht interessengerecht, da hier wie dort die an sich erforderliche Störung des Synallagmas fehlt. Es kommt dementsprechend ebenfalls darauf an, ob die Pflicht nach dem Parteiwillen in das Gegenseitigkeitsverhältnis eingebunden ist.426 2. Verletzung außerhalb des Synallagmas stehender Pflichten im CISG Die Unterscheidung zwischen Neben- und Hauptpflichten ist dem CISG fremd.427 Ein spezielles Vertragsaufhebungsrecht für Schutzpflichtverletzungen findet sich im UN-Kaufrecht folglich nicht und eine Übertragung der Lehre von Neben- und Schutzpflichten darf deshalb auch nicht im Wege der Auslegung (Art. 7 I CISG) Einzug in das Einheitskaufrecht finden.428 Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass eine Vertragsaufhebung in den damit angesprochenen Fällen unter Geltung des CISG nicht in Betracht käme. Zwar scheidet eine Vertragsaufhebung nach Artt. 49 I lit. b, 64 I lit. b CISG gestützt auf eine Fristsetzung aus, da sich das CISG hier wiederum auf bestimmte (Haupt-)Pflichten festlegt. Ob die verletzte Pflicht in nationaler Terminologie Haupt- oder Ne-

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Vgl. nur Staudinger/Schwarze (2015) § 326 BGB Rn. F 24 m. w. N. Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [20]. 426 Schwarze lässt einen Rücktritt auch bei solchen nicht in das Gegenseitigkeitsverhältnis eingebundenen Nebenpflichten analog §§ 326 V BGB zu, wenn das Interesse an der Hauptleistung infolgedessen entfallen ist, Staudinger/Schwarze (2015) § 326 BGB Rn. F 25. Konsequent klammert Ernst mit Blick auf die ratio des § 326 V BGB solche Pflichtverletzungen aus und beschränkt die Norm auf Verletzungen synallagmatisch verbundener Pflichten, MüKoBGB/Ernst (2016) § 326 Rn. 108; so auch BeckOGK/Herresthal BGB § 326 Rn. 33 ff.; § 323 BGB, HK-BGB/Schulze (2017) § 326 Rn. 18. 427 Fountoulakis, ERA Forum (2011), 7 [8]; Benicke, IPRax 1997, 326 [328]. Das Haager Kaufrecht sah in Artt. 55, 70 EKG noch Auffangvorschriften für sonstige Pflichtverletzungen vor. Trotz der Vergleichbarkeit mit der positiven Vertragsverletzung, konnte eine die Aufhebung erlaubende wesentliche Vertragsverletzung jedoch wegen Art. 10 EKG ebenfalls nur bei Verletzung von Kernpflichten angenommen werden, vgl. Dölle/U. Huber (1976) EKG Art. 55 Rn. 1 und 6. Die Vorschriften wurden bei Ausarbeitung des CISG früh für überflüssig erachtet, vgl. VI Yearbook, 1973 (Document A/CN.9/75), p. 73 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 151). 428 Freiburg (2001) S. 120; Magnus, ZEuP 1999, 642 [653]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 102; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 25 Rn. 7. 425

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benpflicht ist, spielt jedoch bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG vorliegt, zunächst schlicht keine Rolle.429 Die wertungsoffene Variante der Vertragsaufhebung wegen wesentlicher Vertragsverletzung lässt eine Aufhebung des Vertrags somit unabhängig von der Einordnung der Pflichtverletzung zu. Ob sich die Pflichtverletzung sodann tatsächlich als wesentlich herausstellt, wird jedoch wiederum maßgeblich davon abhängen, ob die Pflicht in einem engen Zusammenhang mit dem Güteraustausch und damit im Synallagma steht.430 Es muss jedoch beachtet werden, dass überhaupt eine Vertragsverletzung vorliegen muss. Art. 25 CISG legt insofern allein den Maßstab fest, wann eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegt.431 Das UN-Kaufrecht findet gem. Art. 5 CISG von vornherein keine Anwendung auf die Haftung des Verkäufers für den durch die Ware verursachten Tod oder die Körperverletzung einer Person. Dadurch wird die Frage aufgeworfen, inwiefern in nationaler Terminologie bei Schutzpflichtverletzungen von einer Vertragsverletzung i. S. d. CISG die Rede sein kann. Denn eine § 241 II BGB vergleichbare Regelung, wonach das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte und Rechtsgüter des anderen Teils verpflichten kann, fehlt.432 Die Artt. 30 und 53 CISG beschränken sich mit Blick auf das Pflichtenprogramm vorbehaltlich weiterer Parteivereinbarungen vielmehr auf konkrete Pflichten zur Durchführung des Kaufvertrags. Schutzpflichten gewähren dagegen abstrakten Güterschutz. Sofern die Begründung solcher Pflichten nicht auf dem Parteiwillen beruht, weil das individuelle Erklärungsverhalten keinen entsprechenden Anknüpfungspunkt bietet, sind solche Pflichten deshalb nicht per se als Vertragspflichten von dem CISG unterliegenden Verträgen zu qualifizieren.433 Zwar werden von Art. 5 CISG auf dem Verhalten des Verkäufers beruhende Schäden ebenso wenig erfasst wie Sachschäden.434 Damit ist jedoch keine Aussage über das Vorliegen einer Vertragsverletzung bei den Güterschutz betreffenden Verletzungshandlungen getroffen. Wenn zur Begründung angeführt 429 BGH Urt. v. 3.4.1996, VIII ZR 51/95 = NJW 1996, 2364 [2365]; OLG Frankfurt Urt. v. 17.9.1991, 5 U 164/90 = NJW 1992, 633 [634 f.]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 325; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 9. Vgl. auch Leser, in: FS Kitagawa (1992) S. 455 [457], der insofern von einer „vertikalen“ Stufung der Vertragsverletzungen spricht. 430 MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 9; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari CISG (2018) Art. 25 Rn. 6; Schlechtriem, Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) 159 [165]. 431 Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 25 Rn. 7. 432 Kiene (2010) S. 217. 433 Offen gelassen in BGH Urt. v. 23.07.1997, VIII ZR 134/96 = NJW 1997, 3309. 434 Dadurch soll die Produkthaftung für Personenschäden unabhängig von ihrer rechtlichen Konstruktion unberührt bleiben, vgl. Pellegrino in ZEuP 1997, 41 [55]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 5 Rn. 1; Kiene (2010) S. 217; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari CISG (2013) Art. 5 Rn. 7; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 5 Rn. 3, m. w. N.

VII. Verletzung nicht synallagmatisch verbundener Pflichten

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wird, der Vertragspartner mache sich dort nach Artt. 45, 74 ff. CISG schadensersatzpflichtig und daraus lasse sich ein allgemeiner Grundsatz der Konvention herleiten, ist das zirkulär. Schließlich setzen auch diese Normen „vertragswidriges“ Verhalten voraus. 435 Das Vorliegen einer Vertragsverletzung darf auch nicht mit der Frage vermengt werden, inwiefern der Gläubiger Ersatz wegen Verletzungen des Integritätsinteresses verlangen kann, wenn dies gerade erst die Folge einer Vertragsverletzung ist.436 Aus dem Erfordernis einer „Vertrags“-verletzung ergibt sich für das UN-Kaufrecht vielmehr, dass das gesetzliche Pflichtenprogramm des CISG betroffen sein muss oder die Pflicht von den Parteien dem CISG unterworfen wurde.437 Das Ausbleiben welcher Schäden der Käufer nach dem Kaufvertrag erwarten kann, hängt dabei insbesondere von dem Kaufgegenstand (Art. 35 CISG) ab.438 Eine Vertragsaufhebung kommt daher bereits mangels Vertragsverletzung nicht in Betracht, wenn eine entsprechende Vereinbarung der Parteien oder die erforderliche Koinzidenz von Leistungs- und Schutzpflicht fehlt.439 Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang bei einer Vertragsaufhebung zu berücksichtigen, dass Art. 25 CISG ein frustriertes Leistungsinteresse fordert, wenn es darauf ankommt, dass dem Gläubiger im Wesentlichen entgeht, was er nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Mit Blick auf nicht im Synallagma stehende „Nebenpflichten“ kann hierfür das bereits zu § 323 BGB aus dem Grundsatz des Teilrücktritts gewonnene Argument für das CISG fruchtbar gemacht werden.440 Auch Art. 51 CISG sieht bei einer Teilleistung zunächst eine 435 Dafür aber Kiene (2010) S. 217; Magnus, ZEuP 1993, 79 [95]; Honsell, SJZ 1992, 345 [349]; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 30 Rn. 17; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 30 Rn. 8; P. Krebs (2000) S. 584. Daneben wird auf die Artt. 85 ff. CISG verwiesen. Diese Pflichten stehen jedoch in einem engen Zusammenhang zum Güteraustausch. Ähnlich daher Pellegrino, ZEuP 1997, 41 [55 f.]. Wie hier BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 25 Rn. 6; Honsell/Ernst/Lauko CISG (2009) Art. 30 Rn. 18; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Piltz CISG (2018) Art. 30 Rn. 27; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz/Schüßler-Langeheine CISG (2000) Art. 30 Rn. 3. 436 Vgl. hierzu Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 74 Rn. 3. 437 Ferrari, IHR 2013, 137[155]; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund CISG (2018) Art. 25 Rn. 27; Honsell/Gsell CISG (2009) Art. 25 Rn. 11; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari CISG (2018) Art. 25 Rn. 6; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 11; vgl. ferner die in diesem Zusammenhang viel zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. NJW 1992, 633. Auch dort ergab sich die „Nebenpflicht“ aus vertraglichen Vereinbarungen. Ebenso gelang das Handelsgericht des Kantons Zürich in seinem häufig zitierten Urteil „aufgrund einer Analyse der Parteiabrede“ zu einer Vertragspflicht, SZIER 1996, 51 [53]; Vgl. auch UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods 2016 Ed. p. 32: „Where the damage to property is not “caused by the goods”, as where the buyer’s property is damaged by delivery of the goods, the liability issue must be settled on the basis of applicable domestic law.“ 438 Schlechtriem/Schroeter Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 189. 439 So im Ergebnis auch Najork (2000) S. 72 f.; Kock (1995) S. 236 ff. 440 Vgl. oben der Argumentation von MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 13 folgend.

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nur teilweise Vertragsaufhebung und damit Befreiung von der korrespondierenden Gegenleistungspflicht vor. Das ist jedoch nicht möglich, wenn sich für die Teilleistung keine Gegenleistung ermitteln lässt. Dementsprechend muss auch im UN-Kaufrecht die betroffene Pflicht zumindest nach dem Parteiwillen in das Synallagma eingebunden sein.

VIII. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG VIII. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung

Als Rechtsfolge der Vertragsumsteuerung sind im BGB wie auch im CISG die Befreiungswirkung und die Rückabwicklung des Vertrags zu unterscheiden.441 Zwar dürfen dabei hinsichtlich der mit der Rückabwicklung betroffenen Fragen nicht diejenigen Interdependenzen unberücksichtigt bleiben, die sich aus der Reaktion des Gesetzes auf Zustandsveränderungen der zurück zu gewährenden Leistung ergeben. Solche Regelungen betreffen in Form einer Wertersatzpflicht stets zugleich Fragen der Gefahrtragung und können darüber hinaus zum Ausschluss (so Art. 82 CISG) des Befreiungsrechts führen. Darauf soll jedoch in den folgenden Ausführungen nur knapp eingegangen werden. Da bei der Vertragsumsteuerung noch vor Fälligkeit ein Leistungsaustausch regelmäßig allenfalls teilweise stattfand, ist hier vorrangig die Betrachtung des weiteren Schicksals des Vertrags und dessen Liquidation von Interesse. Von größerem Interesse ist dort vielmehr die verbleibende Möglichkeit, auf Schadensersatz überzugehen. Daher wird im Folgenden auch auf die Kombinationsmöglichkeit der Vertragsumsteuerung mit diesem kompensatorischen Sekundäranspruch eingegangen. 1. Rückabwicklung und Gefahrtragung in CISG und BGB Für den Fall, dass bereits ein Leistungsaustausch stattfand, sieht Art. 81 II CISG ebenso wie §§ 346 I, 348 BGB die Pflicht vor, wonach die empfangene Leistung als das, was in Erfüllung des Vertrags dauerhaft im Vermögen des Empfängers bleiben sollte,442 nach Erklärung der Vertragsumsteuerung zurück zu gewähren ist. Bestehen solche Rückgewährpflichten für beide Parteien, weil bereits ein beiderseitiger Leistungsaustausch stattfand, hat die Rückabwicklung gleichermaßen Zug-um-Zug zu erfolgen. Das funktionelle Synallagma lebt damit auch bei der Rückabwicklung fort. Rücktritt und Vertragsaufhebung führen dabei jedoch nicht zur Vertragsnichtigkeit. Die Restitution basiert gleichermaßen vielmehr auf einem Rückgewährschuldverhältnis das durch entsprechende Umsteuerung des fortbestehenden Vertragsprogramms entsteht.

441 442

Vgl. Leser (1975) S. 101 für den Oberbegriff der „Abwicklung“. Annus, JA 2006, 184 [185]; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 81 Rn. 10.

VIII. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung

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Diese heute im BGB unumstrittene Auffassung443 ergibt sich für das UN-Kaufrecht ebenfalls bereits aus den Materialien zu Art. 81 CISG, wenn dort ausgeführt wird: "Other continuing obligations may be found in the contract itself or may arise out of the necessities of justice."444 Eine andere Auslegung würde schließlich zudem das autonome Rückabwicklungsregime des CISG umgehen.445 a) Zustandsveränderungen im CISG Unterschiede zwischen BGB und CISG ergeben sich, wenn die Leistung in Form der erhaltenen Ware nicht im Wesentlichen in dem Zustand zurückgegeben werden kann, wie sie der Rückgewährschuldner erhalten hat. Nach Art. 82 I CISG verliert der Käufer das Aufhebungsrecht dann gänzlich, sofern nicht ein Ausnahmegrund nach Art. 82 II CISG vorliegt.446 Bei teilweiser Verschlechterung entfällt das Aufhebungsrecht analog Art. 51 CISG in entsprechendem Umfang.447 Die Einschränkung, dass die Ware im Wesentlichen in dem ursprünglichen Zustand zurückgegeben werden muss, klammert dabei weder allein Bagatellfälle aus, noch ist eine Veränderung erforderlich, die ihrem Grad nach einer wesentlichen Vertragsverletzung gleicht.448 Das UN-Kaufrecht beruht so – scheinbar – auf dem Grundsatz der unversehrten Rückgabe. Allerdings wird dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis de 443

Vgl. nur Döll (2011) S. 53; BGH Urt. v. 28. 11. 2007, VIII ZR 16/07 = NJW 2008,

911. 444 Vgl. zu Art. 66 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 57 [Herv. d. Verf.]. Vgl. ferner LG Düsseldorf Urt. v. 11.10.1995, 2 O 506/94 = CISG-online No. 180; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Bridge CISG (2018) Art. 81 Rn. 6; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari CISG (2018) Art. 81 Rn. 9; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 81 Rn. 2; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 81 Rn. 1; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 772; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 318; Kiene (2010) S. 282; Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [238]. Die Negierung einer ex-tunc Wirkung der Vertragsaufhebung ist im CISG dennoch nicht unumstritten, umfangreiche Nachweise bei Sonnentag (2016) S. 245 ff. vgl. ferner M. Krebs (2000) S. 50 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 81 Rn. 6 ff. 445 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 773. 446 Für den Verkäufer gilt Art. 82 I CISG (analog) nicht, OLG Karlsruhe Urt. v. 14.2.2008, 9 U 46/07 = IHR 2008, 53 [54 f.]; Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [242]. 447 OGH Urt. v. 31.8.2010, 4 Ob 98/10f = IHR 2011, 85 [87]. 448 Die häufig anzutreffende Bezeichnung als Bagatellregelung erscheint mit Blick auf die ratio der Norm zu restriktiv, wenn es darauf ankommt, dass die Rücknahme der Ware als Entsprechung der ursprünglichen Leistung für den Verkäufer nicht unangemessen ist, BGH Urt. v. 25.06.1997, VIII ZR 300/96 = NJW 1997, 3311 [3312]; BG (Schweiz) Urt. v. 18.5.2009, 4 A 68/2009 = IHR 2010, 27 [31].

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facto durch die Weite der Einschränkungen des Art. 82 II CISG ins Gegenteil verkehrt.449 Bemerkenswert ist insofern nämlich insbesondere der Ausnahmetatbestand des Art. 82 II lit. a CISG, wonach Art. 82 I CISG keine Anwendung findet, wenn die Verschlechterung nicht auf einer Handlung oder Unterlassung des Käufers beruht. Zugleich ergibt sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit der Vertragsaufhebung von der Rückgabemöglichkeit eine eigene Regelung der Risikoverteilung für die gelieferte Sache.450 Da nach Art. 82 II lit. a CISG nämlich nur innerhalb seines Risiko- und Verantwortungsbereichs liegende Verschlechterungen den Käufer treffen, lässt dies den Umkehrschluss zu, dass selbst die Gefahr des zufälligen Untergangs und höherer Gewalt vom Verkäufer zu tragen ist.451 Ähnlich liegt es im Fall des Art. 82 II lit. c CISG, wonach der Verkäufer vorbehaltlich der Kenntnis des Käufers um die Vertragswidrigkeit auch das Risiko der geschäftsüblichen Verwendung zu tragen hat.452 Insofern muss gerade hier berücksichtigt werden, dass ihm nach Art. 84 II lit. b CISG immerhin die aus der Sache gezogenen Vorteile und damit insbesondere auch das commodum ex negotiatione gebühren.453 Letztlich gilt Art. 82 I CISG nicht, wenn die Verschlechterung infolge der in Art. 38 CISG vorgesehenen Untersuchung eingetreten ist, Art. 82 II lit. b CISG. Daraus folgt, dass auch hier der Verkäufer den wirtschaftlichen Nachteil der Veränderung zu tragen hat. Bleibt das Aufhebungsrecht wegen dieser großzügigen Regelungen erhalten und kommt es zu einer Rückabwicklung, führt dies zu einem Zurückspringen der Gefahr und der Käufer schuldet neben der Rückgewähr allein den Gegenwert der Vorteile, die er aus der Ware gezogen hat, Art. 84 II CISG.454 Im Ergebnis verliert der Käufer damit das Aufhebungsrecht nur, wenn die Verschlechterung darauf beruht, dass er die Kaufsache anders als vertraglich vorausgesetzt gebraucht hat.455 Liegt allerdings ein solcher Fall vor und bleibt die Aufhebung nach Art. 82 I CISG deshalb gesperrt, erfolgt eine ipso iure eintretende Berücksichtigung des Sachschicksals in bemerkenswert anderem 449 450

Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 81 Rn. 10. Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225

[243]. 451

Kiene (2010) S. 263; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 82 Rn. 10; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 82 Rn. 14; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 82 Rn. 5. Zur Bestimmung des Risiko- und Verantwortungsbereichs i. R. d. Art. 82 II lit. a CISG, vgl. Huber/Kröll, IPRax 2003, 309 [314] (zugleich Anm. zu OLG Karlsruhe Urt. v. 19.12.2002, 19 U 8/02 = BeckRS 2003, 09235); Hof’s-Gravenhage Urt. v. 23.4.2003, Nr. 99/474 = IHR 2004, 119 [119 f.]. 452 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 81 Rn. 11. 453 Witz/Salger/Lorenz/Salger PK-CISG (2016) Art. 82 Rn. 9. Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 82 Rn. 26; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 84 Rn. 36 ff. 454 Witz/Salger/Lorenz/Salger PK-CISG (2016) Art. 82 Rn. 5. Zur Berücksichtigung notwendiger Verwendungen und sonstiger Aufwendungen, Schmidt-Ahrendts, IHR 2006, 67 [68 ff.]; M. Krebs (2000) S. 77. 455 Vgl. M. Krebs (2000) S. 102 f.

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Zusammenhang als im BGB. Nach § 326 BGB treten nämlich im Falle der Unmöglichkeit vor dem Leistungsaustausch automatisch die Rücktrittsfolgen ein, während Zustandsveränderungen im Rahmen der Rückabwicklung nur wertersatzmäßig berücksichtigt werden. Umgekehrt zeitigt eine Unmöglichkeit bei dem CISG unterliegenden Verträgen vor dem Leistungsaustausch keine automatisch eintretenden Rechtsfolgen für die Gegenleistungspflicht, wohingegen nach Leistungsaustausch der Verlust des Aufhebungsrechts eintritt, wenn es dem Käufer „unmöglich“ (amtl.: „if it is impossible“/„ s’il lui est impossible“) ist, die Ware im Wesentlichen in dem Zustand zurückzugeben, in dem er sie erhalten hat, Art. 82 I CISG. b) Zustandsveränderungen im BGB Das UN-Kaufrecht überwindet eine Blockierung der Vertragsaufhebung wegen Zustandsveränderungen durch Benutzung eines Surrogats und durch Ausgleichszahlungen für Vorteile somit nur partiell.456 Anders verhält es sich nunmehr im BGB. Ein Ausschluss des Rücktrittsrechts ist unabhängig von wesentlichen Verschlechterungen nicht mehr vorgesehen. An Stelle der Rückgewähr wird in § 346 II 1 BGB vielmehr eine verschuldensunabhängige Wertersatzpflicht angeordnet.457 Das gilt für Fälle, in denen die Rückgewähr der Leistung ihrer Natur nach nicht möglich ist, § 346 II 1 Nr. 1 BGB, sowie bei Veränderungen nach Leistungserbringung, soweit letztere nicht auf der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme beruhen, § 346 II 1 Nr. 2 und 3 BGB.458 Bei der Berechnung der Höhe der Wertersatzpflicht gem. § 346 II 2 BGB ist sodann die vertraglich bestimmte, und allenfalls entspr. §§ 441 III, 638 III BGB zu kürzende,459 Gegenleistung zugrunde zu legen.460 Im Ergebnis vergleichbar mit den Befreiungen des Art. 82 II CISG entfällt die Wertersatzpflicht in den Grenzen des § 346 III 1 BGB.461 Das ist der Fall,

456

Leser, in: FS Kitagawa (1992) S. 455 [468]. §§ 350 f. BGB a. F. sahen ähnlich dem UN-Kaufrecht noch den Ausschluss des Rücktritts vor, wenn es sich um wesentliche zu vertretende Verschlechterungen handelte. Krit. mit Blick auf die daraus resultierende Gefahrtragung, „um dem Übel dieser Vorschriften zu begegnen“ bereits Schwenn, AcP 152 (1952–1953) 138 [143 ff.]. 458 Zur ungeschriebenen Voraussetzung des § 275 BGB für § 346 II 1 BGB, BGH Urt. v. 10.10.2008, V ZR 131/07 = NJW 2009, 63 [64]; krit. Kohler, AcP 214 (2014) 362 [372]; Annus, JA 2006, 184 [186]; nun auch MüKoBGB/Gaier (2016) § 346 Rn. 39. 459 Vgl. nur Gaier, WM 2002, 1 [9]. 460 Krit. zur Berücksichtigung der vereinbarten Wertproportionalität von Leistung und Gegenleistung auch bei der wertmäßigen Rückabwicklung in BGH Urt. v. 19.11.2008, VIII ZR 311/07 = NJW 2009, 1068; Faust, JuS 2009, 271 [273]. 461 Es verbleibt dann – parallel zu Art. 84 II CISG – allein eine Herausgabe einer verbliebenen Bereicherung nach § 346 III 2 BGB und ein Anspruch auf das Surrogat aus § 285 457

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wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel frühestens bei der Verarbeitung o.ä. zeigt, § 346 III 1 Nr. 1 BGB.462 Ferner, wenn der Gläubiger selbst die Verschlechterung oder den Untergang in weitem Sinne zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, § 346 III 1 Nr. 2 BGB.463 Schließlich bevorteilt § 346 III 1 Nr. 3 BGB den Rückgewährschuldner bei einem gesetzlichen Rücktrittsrecht auf aus rechtspolitischer Sicht nicht unumstrittene Weise, indem die Pflicht zum Wertersatz entfällt, wenn die Verschlechterung beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Grund dieser Privilegierung ist die Annahme, dass der nicht ordnungsgemäß leistende Rückgewährgläubiger nicht darauf vertrauen dürfe, dass der Gefahrübergang endgültig sei.464 c) Vergleich der Gefahrtragung in CISG und BGB Nach alledem zeichnet sich mit Blick auf die Gefahrtragung im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses bei dem Vergleich von BGB und CISG folgendes Bild: Nach § 346 III 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB springt in Fällen überholender Kausalität die Sachgefahr auf den Rückgewährgläubiger zurück, nachdem die Wertersatzpflicht dort ausgeschlossen ist. Der zufällige Untergang führt hiernach jedoch noch nicht zu einer Befreiung von der Wertersatzpflicht, denn maßgeblich ist allein, ob die Verschlechterung auch eingetreten wäre, wäre der

BGB, Lorenz, NJW 2015, 1725 [1727]; MüKoBGB/Gaier (2016) § 346 Rn. 47; a. A. Staudinger/Caspers (Neub. 2014) § 285 BGB Rn. 13, der die §§ 346 ff. BGB für abschließend hält. 462 Insofern ist der Wortlaut „während“ zu eng, Annus, JA 2006, 184 [187]. 463 Das Vertretenmüssen ist in Entsprechung des § 326 II BGB als Verantwortlichkeit zu verstehen und erfasst jede Verschlechterung, die auf eine Ursache aus der Sphäre des Rückgewährgläubigers zurückzuführen ist, MüKoBGB/Gaier (2016) § 346 Rn. 51; Annus, JA 2006, 184 [187]. Ein Vertretenmüssen idS liegt analog § 326 II 1 Alt. 2 BGB deshalb auch dann vor, wenn sich der Rückgewährgläubiger mit der Rücknahme im Annahmeverzug befindet, denn die Risikoverteilung ist dann ebenso dem Gläubiger zugewiesen, Staudinger/Kaiser (2012) § 346 BGB Rn. 197; MüKoBGB/Gaier (2016) § 346 Rn. 51; juris-PKBGB/Faust (2017) § 346 Rn. 68. 464 BT-Drucks. 14/6040, 196. Teile der Literatur plädieren deshalb für eine teleologische Reduktion und beschränken die Norm auf Fälle, bei denen das Rücktrittsrecht auf einer Pflichtverletzung des Rücktrittsgegners beruht, juris-PK-BGB/Faust (2017) § 346 Rn. 74; Staudinger/Kaiser (2012) § 346 BGB Rn. 207; Erman/Westermann (2017) § 346 Rn. 27; Annus, JA 2006, 184 [188]; Kamanabrou, NJW 2003, 30 [31]; a. A. Forst, ZGS 2011, 107 [109]. Str. ist hingegen, ob die Norm ab Kenntnis um das Bestehen des Rücktrittsrechts einer teleologischen Reduktion bedarf, vgl. nur juris-PK-BGB/Faust (2017) § 346 Rn. 76; Meyer, JURA 2011, 244 [250].

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Leistungsaustausch unterblieben.465 Anders liegt es, wie bereits eben angedeutet, in den Fällen des § 346 III 1 Nr. 3 BGB, da hier die Gefahr des zufälligen Untergangs auf den Rückgewährgläubiger zurückspringt. Abgesehen davon, dass dem Rückgewährschuldner nach § 346 III 1 Nr. 3 BGB darüber hinaus das Haftungsprivileg eigenüblicher Sorgfalt eingeräumt wird,466 ähneln sich die Regelungen des BGB und des CISG in diesem Punkt, wenngleich aufgrund des Sphärengedankens des Art. 82 II lit. a CISG im UN-Kaufrecht ein weiterer Verantwortungsbereich beim Käufer verbleibt.467 2. Befreiungswirkung der Vertragsumsteuerung und die Kombination mit Schadensersatz als einheitliches Rechtsbehelfssystem a) Befreiungswirkung der Vertragsumsteuerung in BGB und CISG Die mit der Vertragsumsteuerung verbundene Befreiungswirkung, welche beiden Parteien die Erfüllung der vertraglichen Pflichten erlässt, ergibt sich expressis verbis aus Art. 81 I 1 CISG. Im BGB wird sie in § 346 I BGB hingegen schlicht vorausgesetzt.468 Eine vergleichbare Regelung findet sich allein für den Schadensersatz in § 281 IV BGB, jedoch wird hierdurch nur der Schuldner aus seiner Leistungspflicht entlassen, indem der Gläubiger nicht weiter Erfüllung verlangen kann.469 Erst durch die der Vertragsumsteuerung zugedachte beiderseitige Befreiungswirkung entfallen die unerfüllten Primärpflichten gleichermaßen. Die Parteien gewinnen ihre Dispositionsfreiheit zurück.470

465 Staudinger/Kaiser (2012) § 346 BGB Rn. 198 f.; MüKoBGB/Gaier (2016) § 346 Rn. 52. 466 Da niemand bzgl. eigener Sachen Sorgfaltspflichten unterliegen kann, herrscht in der h.L. Konsens über die mangelnde Tauglichkeit der Umsetzung dieser Privilegierung unter Rekurs auf § 277 BGB, juris-PK-BGB/Faust (2017) § 346 Rn. 77 f.; MüKoBGB/Gaier (2016) § 346 Rn. 56; Kohler, AcP 206 (2006) 683 [706 ff.]. 467 Es war auch gerade ein Anliegen des BGB-Gesetzgebers, solche Differenzierungen zu vermeiden, BT-Drucks. 14/6040, 196. Krit. aber Lorenz, in: Schulze/Schulte-Nölke (2001) S. 329 [345 f.]; Soergel/Lobinger (2010) § 346 Rn. 127; Honsell, in: FS Picker (2010) S. 363 [366 ff.]; differenzierend Kaiser, JZ 2001, 1057 [1060 ff.]. 468 Palandt/Grüneberg (2019) Einf v § 346 Rn. 3. 469 Nach verbreiteter Auffassung entfalle bei gegenseitigen Verträgen „erst-recht“ in Entsprechung des § 326 I BGB auch der Erfüllungsanspruch des Schuldners, U. Huber, AcP 210 (2010) 319 [335 ff.]; HK-BGB/Schulze (2017) § 281 Rn. 11; Jauernig/Stadler (2015) § 281 Rn. 14; wie hier MüKoBGB/Ernst (2016) § 325 Rn. 8 unter Berufung auf „Wortlaut, Systematik, Teleologie und Entstehungsgeschichte der betroffenen Vorschriften.“ 470 Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari CISG (2018) Art. 81 Rn. 11 f.; Leser, in: FS Kitagawa (1992) S. 455 [464]; ders., FS Wolf (1985) 373 (375); Zimmermann, AcP 193 (1993) 121 [124].

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b) Das Fortbestehen des Vertrags und die Kombination mit Schadensersatz Die Vertragsaufhebung hat somit wie auch der Rücktritt das Ziel, dass die Vertragsparteien von ihren Leistungspflichten frei werden und beide Parteien Restitution bereits erbrachter Leistungen fordern können.471 Die Vertragsumsteuerung führt jedoch gleichermaßen nicht zur Nichtigkeit des Vertrags, sondern der vertragliche Rahmen bleibt erhalten, wird entsprechend modifiziert und dient weiter als Grundlage etwaiger Schadensersatzansprüche. Anderenfalls ginge insbesondere die (ursprünglich) vertraglich fixierte Verteilung desjenigen Risikos, dass Marktpreise fallen, nicht zu Lasten der benachteiligten Partei, deren Interesse allein durch eine Restitution enttäuscht bliebe.472 Die auch in der Begründung zu § 346 BGB zu findende Aussage, die Vertragsumsteuerung habe das Ziel, „die vor dem Vertragsschluss bestehende Rechtslage wiederherzustellen“ 473 als hätten die Parteien „nie etwas von dem Vertrag gehört,“474 ist schon deshalb verfehlt. Damit würde vielmehr wieder eine der größten Errungenschaften der Schuldrechtsmodernisierung über Bord geworfen werden, die nun in § 325 BGB normiert ist.475 Denn die Erklärung bedeutet nicht, dass unter Ausschluss weitergehender Ansprüche allein eine rückwärts gerichtete Auflösung erlaubt wäre. Zwar mag es prima facie paradox erscheinen, dass eine Partei eine Vertragsbeendigung erklärt, um sodann denjenigen wirtschaftlichen Nutzen einzufordern, den erst jener Vertrag verkörpert. Schließlich begeht das Synallagma bei der Vertragsumsteuerung „sozusagen Selbstmord, um das Synallagma zu schützen.“476 Doch ist dies gerade eine Besonderheit der auf eine Vertragsverletzung reagierenden Vertragsumsteuerung, die keine vollständige Vertragsauflösung ab initio erreichen will. Während die Vertragsgrundlage mit Blick auf die Verpflichtung zur Erbringung der ursprünglich geschuldeten Leistung endet und insofern in eine vertragliche Rückabwicklung mündet, 471

Gerade letzteres ist im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen keine Selbstverständlichkeit, vgl. hierzu Art. 66 des EntwurfsCommentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 57. 472 Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [620]. 473 BT-Drucks. 14/6040, 189. 474 So Weiss, NJW 2015, 3393 [3395] mit dem Hinweis, dass sich auch aus § 325 BGB nichts anderes ergebe, da die Norm nur bewerkstelligt, „dass aus einem einstigen Wahlrecht (nach altem Recht) ein Kombinationsrecht wird.“ Dabei wird jedoch übersehen, dass eine Kombination des vertraglichen Schadensersatzanspruchs mit dem Rücktritt nur dann möglich ist, wenn das Vertragsverhältnis als Rückabwicklungsverhältnis fortlebt. Vgl. auch Meier, ZfPW 2016, 233 [244]; Gaier, WM 2002, 1 [4]. 475 §§ 325, 326 BGB a. F. sahen noch eine Alternativität von Schadensersatz und Rücktritt vor; de lege ferenda bereits Leser, in: FS Kitagawa (1992) S. 455 [463]. Dies beruhte auf einer der Begriffsjurisprudenz zuzuordnenden Begründung, da bei dem Rücktritt die auflösende Bedingung Modell stand, die sich mit einer solchen Parallelität nicht vertrug, Manthe, in: FS Musielak (2004) S. 337 [341]; Zimmermann, AcP 193 (1993) 121 [165]. 476 So die pointierte Bemerkung bei Coen, in: FS Schlechtriem (2003) S. 189 [192].

VIII. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung

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bleibt sie zur Verfolgung weiterergehender Zwecke gerade bestehen.477 Die Vertragsumsteuerung in diesem Sinne ist vielmehr „notwendiger Bestandteil der Anpassung des Programmes an die durch die Störung entstandene neue Situation.“478 Zweck des Rechtsbehelfs ist damit die Erreichung des Zustands nach Vertragsschluss, aber vor dem Leistungsaustausch (status quo ante contractum), sodass das Rückgewährschuldverhältnis „widerspruchsfrei als Fortsetzung des ursprünglichen Vertrags unter umgekehrten Vorzeichen angesehen werden kann.“479 Beispielhaft führt Art. 81 I 2 CISG deshalb aus, dass die Aufhebung nicht Bestimmungen des Vertrages über die Beilegung von Streitigkeiten oder sonstige Bestimmungen des Vertrages, welche die Rechte und Pflichten der Parteien regeln, berührt. Zwar verzichten Rücktritt und Vertragsaufhebung bei der Abwicklung des gestörten Programms auf die Verwirklichung des wirtschaftlichen Nutzens des Vertrags für eine Partei.480 Doch hindern vorbehaltlich fehlenden Vertretenmüssens (§ 280 I 2 BGB) bzw. vorbehaltlich einer Befreiung und fehlender Vorhersehbarkeit481 (Artt. 79 und 74 S. 2 CISG) weder Rücktritt noch Vertragsaufhebung eine kumulierte Geltendmachung mit Schadensersatzansprüchen, um so der vertragstreuen Partei den wirtschaftlichen Nutzen des Vertrags isoliert zukommen zu lassen, § 325 BGB bzw. Artt. 45 II und 61 II CISG.482 Dabei behält die Vertragsumsteuerung aus Gläubigersicht die Alleinzuständigkeit dafür, den Gläubiger von der Gegenleistungspflicht zu befreien und im Falle bereits erbrachter Leistungen Rückgewähransprüche zu begründen. Schließlich hebt auch § 281 IV BGB nur den störungsbetroffenen Primäranspruch auf und § 326 III BGB zeigt, dass die Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht bei der Bestimmung der Störungsfolgen dem BGB nicht fremd ist.483 Macht der Gläubiger von der befreienden Vertragsumsteuerung nicht Gebrauch, kann er seine Gegenleistung erbringen und sein Erfüllungsinteresse im Wege des Schadensersatzes befriedigen. Der Gläubiger kann die Vertragsumsteuerung mit dem Schadensersatz kombinieren, muss das aber nicht tun.484 Auch im deutschen Recht bedarf es mithin der Verwendung der überholten Begriffe Differenz- oder Surrogations-„theorie“ in diesem Zusammenhang nicht mehr, um in schadensrechtlicher Einkleidung eine Einwirkung auf den Gegenleistungsanspruch zu konstruieren. Es handelt sich jeweils schlicht um 477

Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [620]. Leser, in: FS Wolf (1985) S. 373 (374). 479 Döll (2011) S. 51; vgl. auch Clevinghaus (2007) S. 52. Übereinstimmend zum CISG, Sonnentag (2016) S. 250. 480 Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [620]. 481 Monographisch dazu Faust (1996) passim. 482 Vgl. auch Art. 7.3.5 (2) UNIDROIT-PICC (2016) und Art. 8:102 PECL. 483 Staudinger/Schwarze (2015) § 280 Rn E 48; MüKoBGB/Ernst (2016) Vor § 320 Rn. 4 und § 325 Rn. 1; Gsell, JZ 2004, 643 [644]. 484 Riehm (2015) S. 402. 478

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Kapitel 2: Grundlagen der Vertragsumsteuerung

das logische Ergebnis der nach freiem Belieben möglichen Wahrnehmung gesetzlich eingeräumter Kombinationsmöglichkeiten der Ausübungsrechte der Vertragsumsteuerung einerseits und des Schadensersatzes andererseits.485 Der Weg der Geltendmachung der Differenz, ohne zurückzutreten, ist im reformierten Recht nicht mehr gangbar.486 Auch im UN-Kaufrecht kann der Gläubiger die Rückforderung einer bereits erbrachten Leistung nach Art. 81 II CISG und Befreiung von der Gegenleistungspflicht für Zwecke der isolierten Geltendmachung des wirtschaftlichen Vertragsnutzens allein über eine Vertragsaufhebung erreichen. Anderenfalls werden die Voraussetzungen der Artt. 49, 64 und 75 f. CISG und der dahinter stehende Regelungsgedanke der Zurückdrängung der Vertragsaufhebung umgangen.487 Bei kumulierter Geltendmachung von Vertragsumsteuerung und Schadensersatz entsteht somit sowohl im UN-Kaufrecht als auch im BGB im Ergebnis ein einheitlicher Rechtsbehelf des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung. Dabei können sodann Regelungen der Vertragsumsteuerung zu erlangten Nutzungen mit dem Schadensersatz für entgangene Nutzungen konfligieren, sodass der Rückgewährsanspruch ggf. schadensrechtliche Modifikationen erfährt.488 Dies ergibt sich wiederum aus dem eben bereits angedeuteten Zusammenspiel der unterschiedlichen Zielsetzungen von Vertragsumsteuerung und Schadensersatz: Die sich aus der Vertragsumsteuerung ergebenden Folgen bezwecken eine Stornierung bzw. Rückabwicklung des Leistungsaustauschs weitestgehend ungeachtet vermögensmäßiger Nachteile der vertragstreuen Partei. Dabei 485 Vgl. nur BeckOGK/Herresthal BGB § 326 Rn. 95. Das eigentliche Problem bleibt sodann allein die Bindung der Rücktrittserklärung, vgl. BeckOGK/Schall BGB § 349 Rn. 8 ff. Für die Annahme eines ius variandi, Gsell, JZ 2004, 643 [647 f.]; krit. nun Palandt/Grüneberg (2019) § 325 Rn. 2; vgl. zum UN-Kaufrecht gestützt auf den aus Artt. 15 II, 16 II lit. b CISG folgenden Rechtsgedanken, sofern sich der Schuldner mangels Zugang der Erklärung noch nicht auf die Aufhebung eingestellt hat, Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 12; Honsell/Gsell CISG (2009) Art. 26 Rn. 19. Vgl. ferner die Ausführungen zur Befreiungswirkung und Erklärungsbindung als Rechtsfolge der Vertragsumsteuerung beim antizipierten Vertragsbruch, Kap. 4 VI. 5. 486 Vgl. Unberath (2007) S. 248.; Gsell, JZ 2004, 643 [647]; MüKoBGB/Ernst (2016) § 325 Rn. 8; Erman/Westermann (2017) § 325 Rn. 1; Prütting/Wegen/Weinreich/Stürner (2018) § 325 Rn. 4; Soergel/Benicke/Hellwig (2014) § 281 Rn. 254 ff.; vgl. ferner Manthe, in: FS Musielak (2004) S. 337 [353 f.]; a. A. Heinrichs, in: FS Derleder (2005) S. 87 [103]; U. Huber, AcP 210 (2010) 319 [335 ff.]; Clevinghaus (2007) S. 213 ff. 487 Riehm (2015) S. 452 f.; Schmidt-Ahrendts (2007) S. 119 ff.; OLG Bamberg Urt. v. 13.1.1999, 3 U 83/98 = CISG-online No. 516; OGH Urt. v. 6.2.1996, 1 Ob 518/95 = CISGonline No. 224; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 45 Rn. 27; Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 45 Rn. 83; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 45 Rn. 22; a. A. Schlechtriem, in: FS Georgiades (2006) S. 383 [387 ff.]. 488 Einzelheiten sind str. vgl. BGH Urt. v. 14.4. 2010, VIII ZR 145/09 = NJW 2010, 2426 [2428]; Riewert (2014) S. 246 ff. und 356 ff.; Clevinghaus (2007) S. 243 ff.; von Olshausen, in: FS Huber (2006) S. 471 [475 ff.]; Gsell, JZ 2004, 643 [645 f.]; zum CISG vgl. SchmidtAhrendts (2007) S. 66 ff.; Witz/Salger/Lorenz/Salger PK-CISG (2016) Art. 45 Rn. 11.

VIII. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung

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kann es jedoch nicht sein Bewenden haben. Bei der Gewährung von Schadensersatz, der den Gläubiger so stellen soll, wie er bei korrekter Erfüllung stünde, ist diese Neutralität der Rückabwicklung sodann dergestalt zu berücksichtigen, dass die Folgen der Vertragsumsteuerung ggf. als Rechnungsposten einzustellen sind. Anschaulich hat der BGH daher zum reformierten deutschen Recht ausgeführt, dass „damit im Ergebnis ein zweistufiges Ausgleichssystem geschaffen wird, ist kein Widerspruch in sich, sondern logische Konsequenz des vom Gesetzgeber gewollten Nebeneinanders von Rücktritt und Schadensersatz.“489

489

BGH Urt. v. 14.4. 2010, VIII ZR 145/09 = NJW 2010, 2426 [2428] [Herv. d. Verf.].

Kapitel 3

Vertragsumsteuerung im eröffneten Insolvenzverfahren Die Diskussion um einen antizipierten Vertragsbruch wegen drohender Insolvenz lässt sich nicht ohne Klärung der Folgen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf einen gegenseitigen Vertrag führen. Da sowohl § 323 IV BGB als auch Art. 72 CISG die Vertragsumsteuerung auf eine Prognose stützen, hängt die vorzeitige Vertragsbeendigung des Gläubigers von der Möglichkeit ab, von jenen Gestaltungsrechten auch im eröffneten Verfahren Gebrauch machen zu können. Letzteres korreliert wiederum mit der Frage, inwiefern insolvenzrechtliche Regelungen einer Anwendbarkeit des schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts entgegenstehen. Das folgende Kapitel widmet sich daher dem Rücktrittsrecht in einem eröffneten Insolvenzverfahren und klärt, inwiefern ein Gläubiger angesichts der insolvenzvertraglichen Regelungen der §§ 103 ff. InsO aus § 323 BGB Rechte ableiten kann. Parallel stellt sich die Frage, wie es sich bei Anwendbarkeit nationaler Verfahrensvorschriften der deutschen InsO mit einer Vertragsaufhebung bei dem CISG unterliegenden Verträgen verhält. Um die Besonderheiten der Aufhebung eines CISG-Vertrags in einem der deutschen InsO unterworfenem Verfahren entsprechend zu würdigen, löst sich die folgende Darstellung von einem verzahnten Vergleich.

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip im deutschen Insolvenzverfahren I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

1. Das funktionelle Synallagma im Spannungsfeld gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung a) Überblick zur Gläubigerbefriedigung als vorrangiges Verfahrensziel aa) Die Bedeutung der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung im Kanon der Verfahrensziele An prominenter Stelle äußert sich die „Präambel“1 der Insolvenzordnung zu dem Ziel des Verfahrens dahingehend, dass die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen sind, indem dessen Vermögen verwertet und

1

Vgl. zu dieser Paraphrase des § 1 InsO, K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 1 Rn. 3.

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

123

der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung getroffen wird, § 1 S. 1 InsO.2 Die anvisierte bestmögliche Gläubigerbefriedigung – mag die Befriedigung angesichts hoher Ausfallquoten auch als „lebenserleichternde Selbsttäuschung“ abgetan werden3 – wird damit ins Zentrum des Prinzipienkatalogs der Insolvenzordnung gerückt.4 Auch wenn die Umbenennung von der Konkurs- in die Insolvenzordnung auf den ersten Blick einen Paradigmenwechsel andeuten mag, weil damit weniger das Zusammenlaufen der Gläubiger (Konkurs) als die mangelnde Liquidität des Schuldners (Insolvenz) unterstrichen wird,5 stehen die Gläubiger im Mittelpunkt des Insolvenzgeschehens. Der mit einer Änderung der Namenswahl verbundenen Konnotation kann keine programmatische Wirkung beigemessen werden, die dem Verfahren seine der Gläubigerbefriedigung dienende Funktion absprechen würde.6 Der internationale Vergleich lehrt zwar, dass die überragende Bedeutung der bestmöglichen Verwertung des schuldnerischen Vermögens zu Gunsten der Gläubiger keine Selbstverständlichkeit ist. So werden etwa im französischen Recht vordergründig Sanierungs- und Arbeitnehmerinteressen betont, während das Insolvenzrecht in den USA vorrangig dazu dient, dem Schuldner einen fresh start zu ermöglichen und konsequenterweise Schuldnerinteressen in den Vordergrund stellt.7 Mit der in §§ 286 ff. InsO ermöglichten Restschuldbefreiung erhält jedoch auch im deutschen Recht der redliche Schuldner die Perspektive auf eine Rückkehr in eine gesicherte wirtschaftliche Existenz, § 1 S. 2 InsO.8 Ferner werden auch hierzulande nicht die Augen vor den Vorzügen einer sanierungsfreundlichen Ausgestaltung des Insolvenzrechts verschlossen. 2

Im RegE betonte die Norm noch „Interessen des Schuldners und seiner Familie sowie die Interessen der Arbeitnehmer“, BT-Drucks. 12/2443, 9. Im Anschluss an den Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 12/7302, 155, wurde die Norm „gestrafft und dadurch auf ihre wesentlichen Elemente zurückgeführt“, BT-Drucks. 12/8506, 2. 3 Flessner, KTS 71 (2010) 127 [142]. 4 Zu Prinzipien des deutschen Insolvenzverfahrens, vgl. die Übersicht bei BeckOK InsO/Madaus § 1 Rn. 22 ff. 5 Krit. zur Priorisierung von Sanierung einerseits und Gläubigerbefriedigung andererseits Paulus, NZI 2015, 1001 [1003 f.]; für eine entsprechende Änderung des § 1 InsO daher, Frind, ZInsO 2011, 373 [381]. 6 MüKoInsO/Ganter/Lohmann (2014) § 1 Rn. 99. 7 Vgl. dazu Paulus, NZI 2015, 1001 [1001 f.]; Flessner, ZEuP 2004, 887 [891]. Zur jüngeren Gesetzgebung Frankreichs und der damit verbundenen Sanierungspräferenz, vgl. Flessner, KTS 71 (2010) 127 [130 ff.]. Von vergleichbaren vorinsolvenzlichen Verfahren wurde hierzulande abgesehen. Stattdessen wurden mit dem Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO die Handlungsoptionen des Schuldners gestärkt, Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 88 Rn. 15. 8 Zur Verfassungsmäßigkeit der Restschuldbefreiung, BVerfG Beschl. v. 3. 2. 2003, 1 BvL 11/02, 12/02, 13/02, 16/02 und 17/02 = NZI 2003, 162. Vgl. dazu BT-Drucks. 12/2443, 19 und 40; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 875a ff.; krit. dazu Braun/Heinrich, NZI 2011, 505 [511].

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

So betont § 1 S. 1 InsO, dass in einem Insolvenzplan insbesondere eine Regelung zum Unternehmenserhalt getroffen werden kann und verweist damit auf §§ 217 ff. InsO, die großzügige Abweichungen zum Regelinsolvenzverfahren zulassen. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf würde die Reform der InsO gar „ihre Aufgabe verfehlen, wenn sie Insolvenz lediglich als einen Verteilungskonflikt auffaßte.“9 Mit der Erklärung der „Marktkonformität der Insolvenzabwicklung“ zum weiteren Reformziel nahm der Gesetzgeber ganz bewusst die Sicherung des Wettbewerbs um die beste Verwertungsart in den Blick.10 Verstärkt wurde dieses Bestreben durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG), das neben den Insolvenzplan betreffenden Änderungen insbesondere auf Erleichterungen der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO zielte.11 Durch Forcierung der Eigenverwaltung und des Insolvenzplans wurde damit der Schritt in die Richtung einer der Sanierung offener begegnenden Insolvenzkultur gemacht.12 Gleichwohl hält der Gesetzgeber weiterhin an der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung als vorrangiges Verfahrensziel fest.13 So liegt auch dem mit dem ESUG geschaffenen sog. Debt Equity Swap (§§ 217 S. 2, 225a InsO) die Erkenntnis zugrunde, dass nur über den Zugriff auf Mitgliedschaftsrechte eine optimale Haftungsverwirklichung zu Gunsten der Gläubiger möglich ist.14 Die überragende Bedeutung der Gläubigerinteressen wird auch im Insolvenzplanverfahren durch § 251 InsO bestätigt, wonach einzelnen Gläubigern die Beantragung der Versagung der Insolvenzplanbestätigung gestattet ist, sobald diese dadurch – ohne entsprechenden Ausgleich15 – schlechter gestellt werden.16 Im Übrigen bilden weder Sanierung noch Restschuldbefreiung einen mit der Gläubigerbefriedigung nicht zu vereinbarenden Gegensatz: Zwar sollte der in § 1 S. 1 und 2 InsO angelegte Konflikt der Verfahrensaufgaben nicht basierend auf

9

BT-Drucks. 12/2443, 75 f. BT-Drucks. 12/2443, 78. Vgl. dazu ferner Bigus/Eger, ZInsO 2003, 1 [3 ff.]. 11 BGBl. I S. 2582. 12 Krit. zur bislang überwiegend fehlenden Bereitschaft zu einer Sanierung, Vallender, NZI 2010, 838 [841 ff.]. 13 BR-Drucks. 127/11, 22. 14 Braun/Heinrich, NZI 2011, 505 [506]. 15 Nach § 251 III InsO liegt bei finanziellem Ausgleich keine Schlechterstellung vor, BTDrucks. 17/5712, 35. 16 Zudem werden mit dem Obstruktionsverbot in § 245 InsO Interessen einzelner Gläubiger geschützt. Parallel bleibt die Eigenverwaltung verwehrt, sobald die Anordnung Nachteile für Gläubiger erwarten lässt, § 270 II Nr. 2 InsO. Zwar wurden mit dem ESUG die Anforderungen insofern gelockert, als eine „Verzögerung des Verfahrens“ nicht mehr zur Versagung der Eigenverwaltung führt, BT-Drucks. 17/5712, 38. Lockerungen des Nachteilsbegriffs sind damit jedoch nicht beabsichtigt, Hofmann, NZI 2010, 798 [798 f.]. 10

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

125

geringfügige Formulierungsunterschiede – „dienen“ einerseits und „Gelegenheit geboten“ andererseits – reduziert werden.17 Allerdings bleibt die Restschuldbefreiung als sich anschließendes Verfahren lediglich Fernziel des Insolvenzverfahrens.18 Daneben wird mit der Sanierung schlicht der Weg für eine Verteilung schuldnerischen Vermögens auf sonstige Weise geebnet. Das Ziel der Unternehmenssanierung bleibt die Maximierung der zur Verfügung stehenden Haftungsmasse im Vergleich zu anderen Verwertungsformen.19 Auf einen Gleichrang der Sanierung mit der Gläubigerbefriedigung gerichtete Akzentuierungswünsche sind damit systemwidrig.20 Die Insolvenz des Inhabers eines Privatvermögens stellt jenes Vermögen nicht in den Dienst gesamtwirtschaftlicher oder sozialer Zwecke und die Erhaltung von Unternehmen ist „kein eigenständiges Ziel des Insolvenzverfahrens.“21 Auch wenn die bestmögliche Gläubigerbefriedigung von Fernzielen flankiert wird, liegt dem Insolvenzverfahren „ein einheitliches Hauptziel zugrunde: die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger.“22 bb) Der par conditio creditorum-Grundsatz als Fundament des Verteilungsmodus Zur Realisierung einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung weicht das Insolvenzverfahren mit Blick auf die Gläubigerstellung bei der Forderungsdurchsetzung von der Einzelvollstreckung ab. Während nämlich § 804 III ZPO mit der Normierung des Prioritätsprinzips bei konkurrierenden Gläubigern eine

17 BeckOK InsO/Madaus § 1 Rn. 16. In diese Richtung aber Jaeger/Henckel (2004) InsO § 1 Rn. 20. 18 MüKoInsO/Ganter/Lohmann (2014) § 1 Rn. 98 f.; gegen eine Einordnung der Restschuldbefreiung als Verfahrensziel, Jaeger/Henckel (2004) InsO § 1 Rn. 20; a. A. Madaus, JZ 2016, 548 [550 ff.]; FK-InsO/Schmerbach (2018) InsO § 1 Rn. 14; zum Verbraucher- und Kleininsolvenzverfahren wohl auch BGH Urt. v. 21.2.2008, IX ZB 62/05 = NZI 2008, 382 [383]. 19 Thole (2010) S. 56 ff.; Kirchhof, in: FS Gerhardt (2004) S. 443 [456]; Vallender, NZI 2010, 838 [841]; Flessner, KTS 71 (2010) 127 [141]; Madaus, JZ 2016, 548 [549]. Vgl. auch jüngst BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [533]: Auch dort wird betont, dass die Sanierung nur „gleichrangig“ neben der Liquidation steht, um das „vorrangige“ Ziel der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger zu erreichen. 20 Braun/Heinrich, NZI 2011, 505 [516]; vgl. ferner Jaeger/Henckel (2004) InsO § 1 Rn. 2 ff.; dagegen Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ahrens (2017) InsO § 1 Rn. 5 ff. 21 BT-Drucks. 12/2443, 109. Vgl. dazu ferner FK-InsO/Schmerbach (2018) InsO § 1 Rn. 12; Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 2.19 f. 22 BT-Drucks. 12/2443, 108. Auch die mit einer Hierarchie der Verfahrenszwecke verbundene Gefahr einer allein von Gläubigerinteressen fehlgeleiteten Auslegung, vgl. K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 1 Rn. 3; Flessner, KTS 71 (2010) 127 [143]; Vallender, NZI 2010, 838 [839], spricht dem Verfahren nicht dessen Primärziel ab.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Einflussnahme des Einzelnen auf die Vollstreckung zulässt,23 wird in der Gesamtvollstreckung nach dem Prinzip der Gläubigergleichbehandlung die gleichmäßige Befriedigung der staatlichen Verantwortungssphäre überantwortet.24 Die hoheitliche vollstreckungsrechtliche Funktion des Insolvenzverfahrens ist damit vordergründig die Unterbindung des individuellen Zugriffs der Gläubiger auf das Schuldnervermögen, vgl. §§ 38, 87, 89, 259a InsO, um jenes Vermögen im Wege einer umfassenden Haftungsverwirklichung durch Beschlagnahme, Verwaltung und Veräußerung einer Verteilung und damit gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger zuzuführen, §§ 80, 148 ff. InsO.25 Der Übergang von dem der Einzelvollstreckung zugrundeliegenden Prioritätsprinzip zu der gemeinschaftlichen Verteilung des Insolvenzverfahrens wird dabei durch die §§ 16 ff. InsO eröffnet.26 Liegt ein solcher Eröffnungsgrund vor und reicht das Vermögen des Schuldners voraussichtlich aus, um die Kosten des Verfahrens zu decken, ergeht ein Eröffnungsbeschluss, §§ 26, 27 InsO. Die Eröffnungsgründe bilden damit neben dem förmlichen Eröffnungsverfahren die materielle Rechtfertigung des einschneidenden Schritts der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.27 Die Abweichung von dem einzelvollstreckungsrechtlichen Prioritätsprinzip gewährleistet die gleichmäßige Vermögensverteilung unter den Gläubigern und die Zuordnung von Verlusten.28 Aufbauend auf dem Verfahrensziel der bestmöglichen Befriedigung ist das Verfahren demnach geprägt vom Grundsatz der proportionalen Verlustgemeinschaft, wonach jeder Gläubiger prozentual den gleichen Verlust tragen soll.29 Diese gleiche Befriedigungsaussicht bei der quotalen Verteilung des Schuldnervermögens ist Ausfluss der Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzverfahren.30 Zwar legt sich § 1 InsO mit Blick auf die Haftungsverwirklichung bei der Ausgestaltung einer als gerecht verstandenen Verteilung nicht fest, sondern verhindert mit der „gemeinschaftlichen“ Verteilung lediglich den individuellen Vollstreckungszugriff.31 Auch anderenorts wird eine quotale Verteilung des Vermögens nicht ausdrücklich angeordnet. Gleichwohl wird nicht bezweifelt, dass die Insolvenzordnung auf 23

Vgl. dazu Hoffmann (2016) 102 ff.; Stamm (2007) S. 160 ff. BGH Urt. v. 13.7.1983, VIII ZR 246/82 = NJW 1983, 2147 [2147 f.]; Berger, ZZP 121 (2008) 407 [408 ff.]; v. Gleichenstein, NZI 2015, 49 [52]. 25 BT-Drucks. 12/2443, 83; BeckOK InsO/Madaus § 1 Rn. 2 f. 26 Mohrbutter/Ringstmeier/Mohrbutter, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 1 Rn. 1. 27 K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 16 Rn. 1. 28 Krit. dazu Paulus, NZI 2015, 1001 [1004 ff.]. 29 Monographisch, Weiland (2010) S. 9 ff.; zum Begriff des „Grundsatz der Verlustgemeinschaft“ vgl. bereits Pagenstecher/Grimm, Konkurs (1968) S. 2. Krit. zum Ganzen, Knospe, ZInsO 2014, 861 [864 ff.]. 30 Die Gleichbehandlung äußert sich ferner in Teilhaberechten am Verfahren selbst, Berger, ZZP 121 (2008) 407 [413]. 31 Jaeger/Henckel (2004) InsO § 1 Rn. 6. 24

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

127

dem „fast schon anthropologisch verankerten Fundament“32 einer quotal gleichmäßigen Verteilung des schlicht nicht ausreichenden Schuldnervermögens fußt: dem sog. par conditio creditorum-Grundsatz.33 Nachdem der par conditio creditorum-Grundsatz unbestrittene Geltung für sich beansprucht, verwundert es, dass sich unter den im Schrifttum vertretenen mannigfaltigen Begründungsversuchen bislang kein Ansatz durchsetzen konnte. Anhänger der von allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen geprägten Auffassungen begnügen sich insofern mit dem Gedanken, angesichts der staatlichen Koordinierung der Vollstreckung entspreche nur die par conditio creditorum der insofern maßgeblichen iustitia distributiva oder – unter Betonung des exklusiven Anwendungsbereichs für das Verhältnis Staat-Bürger – proportionalen Elementen der iustitia commutativa.34 In eine ähnliche Richtung weist diejenige Auffassung, die sich zur Legitimation der par conditio creditorum auf den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz aus Art. 3 GG stützt.35 Daneben werden Versuche einer überpositiven Begründung in Form einer materiell-haftungsrechtlichen Ausgleichshaftung unternommen, die auf einer wechselseitigen Haftung aufgrund der jeweiligen Einflussnahme auf das Schuldnervermögen und der damit verbundenen Verantwortung für die Insolvenz basiert.36 Dagegen stützt sich ein von der Privatautonomie geprägter Erklärungsansatz auf die Annahme, das Insolvenzverfahren diene der Ersetzung einer rein zivilrechtlichen Vergleichsvereinbarung zwischen sämtlichen Beteiligten.37 Auf wiederum vergleichbare Art und Weise nimmt eine andere Auffassung letztlich eine Vergemeinschaftung der Gläubigerrechte infolge der beschränkenden Wirkung der Rechtsgemeinschaft im Innenverhältnis (§§ 748, 752 BGB) an.38 32

Paulus, NZI 2015, 1001 [1006]. BGH Urt. v. 13.3.2003, IX ZR 64/02 = NJW 2003, 1865 [1867]; v. Gleichenstein, NZI 2015, 49 [53 f.]; Bork, ZIP 2014, 797 [798 f.]; Stürner, NZI 2005, 597 [597]; Zipperer, NJW 2016, 750 [753 ff.]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 38; BeckOK InsO/Madaus § 1 Rn. 31; MüKoInsO/Ganter/Lohmann (2014) § 1 Rn. 52; alle m. w. N. Dem Insolvenzverwalter steht bei der Berechnung der Quote im Rahmen der Schlussverteilung nach § 196 InsO dementsprechend kein Ermessen zu, K. Schmidt/Jungmann (2016) InsO § 196 Rn. 10. 34 Vgl. dazu Zipperer, NJW 2016, 750 [754]; ders., in: FS Vallender (2015) S. 843 [847 ff.]; vgl. ferner Häsemeyer, KTS 43 (1982) 507 [517]; Paulus, in: FS Vallender (2015) S. 397 [400 f.]; ders., NZI 2015, 1001 [1006]; Windel, JURA 2002, 230 [231]. 35 v. Gleichenstein, NZI 2015, 49 [54]; ähnlich Berger, ZZP 121 (2008) 407 [414 f.]. Krit. zu verfassungsrechtlichen Ansätzen, Knospe, ZInsO 2014, 861 [862 f.]; Kodek, KTS 75 (2014) 215 [253]. 36 Grundlegend dazu Häsemeyer, KTS 43 (1982) 507 [515 ff.]; vgl. ferner Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 2.33; dem folgend Bauer, DZWIR 2007, 188 [189 f.] mit dem zusätzlichen Verweis auf das Gebot der Gewährung effektiven Rechtschutzes; Windel, JURA 2002, 230 [232]. Krit. dazu Hoffmann (2016) 196 f.; Thole (2010) S. 64 f.; Berger, ZZP 121 (2008) 407 [414]. 37 Vgl. Stamm (2007) S. 169. 38 BeckOK InsO/Madaus § 1 Rn. 31. 33

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Diese mühsamen Versuche einer Begründung der angesichts des sonst geltenden Prioritätsprinzips rechtfertigungsbedürftigen Gleichbehandlung bei der Vermögensverteilung brauchen hier nicht wiederholt zu werden.39 An dieser Stelle soll vielmehr die apodiktische Formulierung der Gläubigergleichbehandlung als einzig „gerechter“ Verteilungsmodus relativiert werden, um einer inflationären Berufung auf diesen Grundsatz zur Rechtfertigung sämtlicher Auslegungsergebnisse entgegenzusteuern.40 Schließlich belegt bereits der insofern kaum zu erzielende Konsens, dass bei der Diskussion um die Legitimation der Gleichbehandlung bei der Verteilung ebenso wie bei der Berücksichtigung schutzbedürftiger Gläubigergruppen eine rein verfahrensrechtliche Frage der Haftungsabwicklung betroffen ist, die kein materiellrechtliches Vorbild hat.41 Anderslautende Ansätze sind daher abzulehnen. Der Grundsatz gleichmäßiger Quotenverteilung ist vielmehr untrennbar verbunden mit der alle Gläubiger ebenso gleichermaßen treffenden Beendigung der Vollstreckungsmöglichkeit (§ 89 InsO), da mit Beendigung des individuellen Vollstreckungszugriffs – im Unterschied zur Einzelvollstreckung – eine zeitliche Differenzierung im Sinne der Priorität ihre Überzeugungskraft verliert.42 Die mit dem Vollstreckungsverbot kombinierte Gläubigergleichbehandlung bei der Vermögensverteilung erfährt ihre Rechtfertigung wiederum dadurch, dass im Fall der Insolvenz eine vollumfängliche Verwertung des schlicht nicht ausreichenden schuldnerischen Vermögens unausweichlich wird, sodass einer bestmöglichen Wertausschöpfung durch Überantwortung der Vollstreckung auf das staatliche Gewaltmonopol gegenüber einer Zerschlagung durch Einzelvollstreckungsakte der Vorzug zu gewähren ist.43 Das Vollstreckungsverbot ist damit nicht wie vielfach angenommen bloße Folge der Gläubigergleichbehandlung.

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Eingängig dazu Grünberger (2013) S. 460 ff.; Hoffmann (2016) 193 ff.; Thole (2010) S. 63 ff. 40 In Anlehnung an Hoffmann (2016) 1. 41 Berger, ZZP 121 (2008) 407 [414 f.]. Freilich lässt auch dies allein noch keinen Schluss auf die Rechtfertigung der Abweichung von dem Prioritätsprinzip zu, vgl. dazu die berechtigte Krit. bei Hoffmann (2016) 207 f. 42 Ähnlich im Ergebnis Hoffmann der unter der Prämisse, dass Prioritätsprinzip könne keinen materiellen Verteilungsgerechtigkeitsgehalt für sich beanspruchen, Hoffmann (2016) 102 ff., die Gleichbehandlung als materiell-rechtliches Auffangprinzip versteht, das Anwendung findet, sobald eine andere Verteilung nicht angezeigt ist. Diese Auffanglösung gerät freilich in Schwierigkeiten, wenn es um die Legitimation der Gewährung von Vorrechten geht. Vage muss daher die kaum näher beschriebene Eingrenzung bleiben: „Von dieser urwüchsigen Form der Verteilungsgerechtigkeit darf nicht nach Belieben abgewichen werden […]; eine Privilegierung könne durch «besondere sachliche Gesichtspunkte» gerechtfertigt werden.“ So Hoffmann (2016) 209. 43 Vgl. dazu Stamm (2007) S. 168 ff. und 179.

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Zwar wird daher treffend betont, dass sich etwaige Vorrangrechte – insbesondere Fiskusprivilegien – vor dem par conditio creditorum-Grundsatz rechtfertigen müssen.44 Dementsprechend wird es als wesentlicher Verdienst der weitestgehend (vgl. § 39 InsO) klassenlosen Insolvenzordnung begrüßt, dass mit ihr im Zeichen der Verteilungsgerechtigkeit noch in der Konkursordnung vorhandene Vorrechte bestimmter Gläubigergruppen abgeschafft wurden,45 um zu den bereits bei der Entstehung der KO geäußerten Bedenken zurück zu kehren, wonach „jede, noch so „gute“ Vorrechtsordnung […] ein Übel [ist], je feiner ersonnen, je mehr abgestuft und ausgebildet, ein desto schlimmeres Übel.“46

Allerdings werden Aufweichungen des par conditio creditorum-Grundsatzes vor diesem Hintergrund nicht schlechthin ausgeschlossen und so sperrt die fehlende Relevanz eines zeitlichen Kriteriums nicht schlechterdings die Berücksichtigung eines Ungleichgewichts bei der Haftungsabwicklung, das aus der strukturellen Unterlegenheit einer Gläubigergruppe resultiert. Dementsprechend zeigt auch ein Blick auf andere Rechtsordnungen, dass dort verschiedenen Vorrangrechten mit der nicht per se angreifbaren Begründung das Wort geredet wird, dass Privilegien bei der Verteilung nicht isoliert von den Schwierigkeiten bei der Einräumung insolvenzfester Sicherheiten betrachtet werden können.47 Tatsächlich bleibt deshalb beispielsweise auch mit Blick auf Arbeitnehmer zum deutschen Recht hervorzuheben, dass sich der Gesetzgeber mit dem sog. Insolvenzgeld anstelle eines Arbeitnehmerprivilegs schlicht für einen sozialrechtlichen Schutz entschieden hat.48 Das Verlustprinzip schließt damit nicht aus, dass (de lege ferenda) die Einräumung von Vorrangrechten ein Ungleichgewicht kompensieren kann, sofern bei der allein auf der Privatautonomie fußenden Begründung von Sicherheiten nicht hinreichend dem Schutz schutzbedürftiger (Klein-)Gläubigergruppen Rechnung getragen wird.49 44

Vgl. zu etwaigen „frontalen Angriffen auf die par conditio creditorum“ in Deutschland etwa, Vallender, NZI 2005, 599 [600 ff.]; vgl. ferner Bauer, DZWIR 2007, 188 [188]; Paulus, in: FS Vallender (2015) S. 397 [398 f.]; differenzierend Kodek, KTS 75 (2014) 215 [255]; Stürner, NZI 2005, 597 [597 f.]. 45 Vgl. dazu BT-Drucks. 12/2443, 81. 46 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 238. 47 Rechtsvergleichend zum insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, Bork, ZIP 2014, 797 [798 f.]; Kodek, KTS 75 (2014) 215 [221 ff.]; Wiórek (2005) S. 99 ff. und 185 ff. Zu Gläubigerprivilegien zugunsten der öffentlichen Hand in Deutschland, vgl. Weiland (2010) S. 113 ff. 48 Vgl. dazu nur Gottwald/Bertram, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 110 Rn. 3 ff. 49 Bork, ZIP 2014, 797 [799 f.]; Kodek, KTS 75 (2014) 215 [249 f.]. Für eine Privilegierung der Deliktsgläubiger de lege ferenda daher, Wagner, in: FS Gerhardt (2004) S. 1043 [1047 ff.]; dagegen Häsemeyer, KTS 43 (1982) 507 [520 f.]. Zum Ganzen Hoffmann (2016) 228 ff. Vgl. ferner jüngst zur vorrangigen Berücksichtigung von Finanzsicherheiten, „um

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b) Die Einteilung der Gläubiger im Insolvenzverfahren Ausgehend von dem Grundsatz des par conditio creditorum erhellt sich der Blick auf den gegenseitigen jeweils noch nicht vollständig erfüllten Vertrag in der Insolvenz und die Regelung des § 103 InsO erst vor dem Hintergrund der Einteilung der Gläubiger durch die Insolvenzordnung in Insolvenz- und Massegläubiger, §§ 38, 53 InsO. Diese Einteilung soll daher im Folgenden mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen kurz skizziert werden. Ausgeklammert werden dagegen für die weitere Konzentrierung auf die Folgen der Verfahrenseröffnung auf den nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag sonstige privatrechtlich eingeräumte Befriedigungsvorrechte, deren auf der Privatautonomie fußende Priorität auch in der Insolvenz fortwirkt. Insbesondere die im materiellen Recht angelegte Berücksichtigung dinglich gesicherter Gläubiger (§§ 47 ff. InsO) und die Frage, inwiefern diese Rechte wiederum einer speziellen insolvenzrechtlichen Gesetzlichkeit unterworfen werden,50 kann hier ebenso unberücksichtigt bleiben, wie die Bevorzugung von Aufrechnungsberechtigten (§§ 94 ff. InsO) unter den Insolvenzgläubigern. Diese hier nicht zu vertiefende Frage von – abgesehen von den engen Voraussetzungen des § 88 oder der §§ 129 ff. InsO – in der Insolvenz fortbestehenden Gläubigerrechten lässt sich mit dem plakativen Satz beschreiben: „Was man vor Eintritt der Insolvenz erworben hat, soll man nachher behalten dürfen.“51 Damit wird dem Bedürfnis einer auch im Insolvenzverfahren berücksichtigten Sicherung kreditierender Gläubiger Rechnung getragen, dessen Befriedigung für ein freies unternehmerisches Wirtschaften unbedingt erforderlich ist.52 aa) Quotale Befriedigung der Insolvenzgläubiger, § 38 InsO Hat ein Gläubiger, dem der Schuldner mit seinem gesamten Vermögen und nicht nur mit einem bestimmten Vermögensgegenstand haftet (persönlicher Gläubiger),53 einen zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner, so ist dieser Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO. Handelt es sich nicht um einen auf Zahlung einer Geldsumme gerichteten Anspruch, gestattet § 45 InsO eine entsprechende Umrechnung. Vorausgesetzt ist damit nur, dass sich die Forderung auf eine Leistung richtet, die die Stabilität des Finanzsystems zu sichern“, EuGH Urt. v. 10.11.2016, C-156/15, ECLI:EU:C:2016:851 (Private Equity Insurance Group) Rn. 51. 50 Vgl. etwa zur Behandlung des Sicherungseigentums in der Insolvenz nach § 51 Nr. 1 InsO, Gerhardt, AcP 200 (2000) 426 [427]. Aus rechtsvergleichender Sicht, Wiórek (2005) S. 146 ff. 51 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 2.21. Ausführlich zu Aus- und Absonderungsrechten in der Insolvenz, Mohrbutter/Ringstmeier/Vortmann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 8 Rn. 1 ff. 52 Stürner, NZI 2005, 597 [598]; Bigus/Eger, ZInsO 2003, 1 [3]. 53 BeckOK InsO/Jilek § 38 Rn. 4 ff.; Uhlenbruck/Sinz (2015) InsO § 38 Rn. 5 ff.

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auch außerhalb des Insolvenzverfahrens aus dem schuldnerischen Vermögen im Wege der Einzelvollstreckung beigetrieben werden könnte.54 Von besonderer Bedeutung für die Abgrenzung von einer Insolvenz- zu einer Masseforderung ist dabei, dass die Forderung bereits zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet ist. Diese Grenzziehung folgt daraus, dass der Schuldner mit der Verfahrenseröffnung grundsätzlich auch die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen verliert und damit auch der Gläubigereinfluss nebst Vermögensumsetzung im Schuldnervermögen endet.55 Wann eine Forderung i. S. d. § 38 InsO begründet ist, um die Trennlinie zwischen Insolvenz- und Masseforderungen zu ziehen, wird im Allgemeinen davon abhängig gemacht, ob der „Rechtsgrund“ oder mit anderen Worten der „Schuldrechtsorganismus“ der Entstehung bei der Verfahrenseröffnung bereits gelegt war. Das bedeutet, dass im Augenblick der Verfahrenseröffnung zumindest die schuldrechtliche Grundlage abgeschlossen sein muss, auch wenn sich eine durchsetzbare Forderung daraus erst nach Verfahrenseröffnung ergibt.56 Damit ist es für die Einordnung als Insolvenzforderung unerheblich, wenn die Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt lediglich noch nicht fällig ist.57 Dies ergibt sich bereits aus § 41 I InsO,58 wonach nicht fällige Forderungen gegen den Schuldner als fällig gelten und mithin nach § 174 InsO angemeldet werden können.59 Die §§ 41 ff. InsO dienen der Verwirklichung des par conditio creditorum-Grundsatzes, indem den Gläubigern der dort geregelten Forderungen angesichts der gesicherten Rechtsgrundlage eine Geltendmachung im Insolvenzverfahren ermöglicht wird, ohne die Interessen der übrigen Gläubiger zurückzudrängen.60 Aufgrund der auf einer gesicherten Rechtsgrundlage basierenden Erwägungen ist für eine Anwendbarkeit des § 41 InsO erforderlich, 54 Zur Abgrenzung zwischen Vermögens- und Nichtvermögensansprüchen im Einzelnen, Jaeger/Henckel (2004) InsO § 38 Rn. 63 ff.; Uhlenbruck/Sinz (2015) InsO § 38 Rn. 11 ff. 55 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 16.10; MüKoInsO/Ehricke (2013) § 38 Rn. 15. Eine Durchbrechung dieser Grundregel des maßgeblichen Zeitpunkts sieht in engen Grenzen lediglich § 55 II bis IV InsO vor, Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Homann (2017) InsO § 55 Rn. 2. 56 BGH Beschl. v. 6.2.2014, IX ZB 57/12 = NZI 2014, 310 [311]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 375; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ahrens (2017) InsO § 1 Rn. 29; Jaeger/Henckel (2004) InsO § 38 Rn. 82; MüKoInsO/Ehricke (2013) § 38 Rn. 16; Uhlenbruck/Sinz (2015) InsO § 38 Rn. 26. 57 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, 124. Vgl. dazu ferner BGH Beschl. v. 22.9.2011, IX ZB 121/11 = NZI, 2011, 953 [954]; BGH Beschl. v. Urt. v. 6.2.2014, IX ZB 57/12 = NZI 2014, 310 [311]. 58 Vgl. zu § 41 II InsO ferner die Ausführungen zur Diskontierung der Forderung nach der Hoffmann’schen Formel bei der Berechnung des Schadensersatzes wegen antizipierten Vertragsbruchs, Kap. 4 VII. 1. c). 59 Die Norm betrifft nicht Forderungen des Insolvenzschuldners, BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NJW-RR 2017, 173 [173]. 60 Muthorst, ZIP 2009, 1794 [1795]; Uhlenbruck/Knof (2015) InsO § 41 Rn. 1.

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dass immerhin das Ob des Fälligkeitseintritts und damit eine feststehende Leistungspflicht gewiss ist.61 Lediglich sog. zukünftige Forderungen, bei denen der anspruchsbegründende Tatbestand vor Verfahrenseröffnung noch nicht abgeschlossen ist, sondern erst in Aussicht genommen oder versprochen wird, nehmen dagegen nicht am Insolvenzverfahren teil.62 Die Befriedigung einer solchen geldwerten Forderung aus der Insolvenzmasse (§ 35 bis 37 InsO) kann sodann nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden, §§ 87, 89 InsO. Das bedeutet, dass die Forderung während des laufenden Insolvenzverfahrens nur noch im Anmelde- und Feststellungsverfahren mit dem Ergebnis quotaler Befriedigung geltend gemacht werden kann, §§ 174 ff. und 187 ff. InsO.63 Im Übrigen ist eine Geltendmachung der restlichen Forderungen – vorbehaltlich einer Restschuldbefreiung (§ 201 III InsO) – nur im Anschluss des Insolvenzverfahrens nach dessen Aufhebung möglich, § 201 I InsO.64 bb) Vorweggenommene Befriedigung der Massegläubiger, § 53 ff. InsO Während ein Insolvenzgläubiger nach den vorstehenden Ausführungen regelmäßig nur Aussicht auf eine quotale Befriedigung erhält, ordnet § 53 InsO an, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens und die sonstigen in § 55 InsO geregelten Masseverbindlichkeiten vorweg aus der Insolvenzmasse zu berichtigen sind.65 Das bedeutet, dass die Berichtigung dieser Verbindlichkeiten vor und unabhängig von der Verteilung an die Insolvenzgläubiger erfolgt, so wie sie inhaltlich geschuldet sind. In zeitlicher Hinsicht hebt § 55 I Nr. 1 InsO in Konsequenz der Regelung des § 38 InsO dabei als Grundregel darauf ab, ob die Verbindlichkeit erst nach Eröffnung des Verfahrens durch den Verwalter begründet wurde. Die Befriedigung der Massegläubiger wird sodann nicht mehr vom Gleichbehandlungsgrundsatz beherrscht.66 Deshalb bedarf es keiner Umrechnung in Geld nach § 45 InsO.67 Ebenso wenig erfolgt eine Vorverlagerung

61 Ganz h. M.: Bitter, NZI 2000, 399 [400 f.]; Andres/Leithaus/Leithaus (2014) InsO § 41 Rn. 2; BeckOK InsO/Jungmann § 41 Rn. 33 ff.; Braun/Bäuerle (2017) InsO § 41 Rn. 2; MüKoInsO/Bitter (2013) § 41 Rn. 8. 62 Ausführlich dazu Muthorst, ZIP 2009, 1794 [1799]; vgl. auch Jaeger/Henckel (2004) InsO § 41 Rn. 3. 63 Vgl. dazu nur Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 372 ff. 64 Krit. zur Praxis „schweigender Vertragspartner“, die ein (vorzeitiges) Ende des Verfahrens abwarten, Wegener, ZVI 2016, 425 [426 f.]. 65 Die §§ 54 und 55 InsO sind nicht abschließend, vgl. nur Kayser/Thole/Lohmann (2016) InsO § 53 Rn. 3. 66 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 14.02. 67 Kayser/Thole/Lohmann (2016) InsO § 53 Rn. 5.

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der Fälligkeit im Wege einer Fiktion. Die Masseverbindlichkeiten sind vielmehr zu begleichen, sobald Fälligkeit eingetreten ist.68 Lediglich sofern die Insolvenzmasse (voraussichtlich) nicht ausreicht, um zwar die Verfahrenskosten, nicht aber die fälligen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen, hat der Insolvenzverwalter mit den sich aus §§ 209 f. InsO ergebenden Folgen dem Gericht anzuzeigen, dass Maßeunzulänglichkeit vorliegt, § 208 I InsO.69 In diesem Zusammenhang lassen sich sog. gewillkürte und oktroyierte Masseverbindlichkeiten unterscheiden. Die Entstehung oktroyierter Masseverbindlichkeiten kann der Verwalter nicht verhindern, § 55 I Nr. 2 Var. 2 InsO, sondern allenfalls unter Einhaltung etwaiger Kündigungsfristen beenden – aus solchen Schuldverhältnissen erwachsende Verbindlichkeiten werden der Masse mithin bis zu einer Beendigung des Schuldverhältnisses „aufgezwungen“.70 Dagegen beruhen gewillkürte Masseverbindlichkeiten auf einer autonomen Entscheidung des Insolvenzverwalters und werden deshalb insbesondere durch die Regelungen der §§ 61 und 90 InsO flankiert. So weist § 61 InsO das Risiko zukünftiger Masseunzulänglichkeit in Anknüpfung an die Situation der Vertragsverhandlungen und des Vertragsabschlusses nur dort dem Verwalter zu, wo die Masseverbindlichkeit durch eine Rechtshandlung des Verwalters begründet wurde.71 Lediglich in demselben Umfang entfällt daneben nach § 90 InsO schließlich die Einschränkung der Vollstreckung von Masseverbindlichkeiten, indem nur Gläubiger oktroyierter Masseverbindlichkeiten einen Aufschub der Zwangsvollstreckung hinnehmen müssen.72 Die Unterscheidung zwischen oktroyierten und gewillkürten Masseverbindlichkeiten liegt auch der von § 55 I Nr. 2 Var. 1 und 2 InsO erfassten Vertragshaftung der Insolvenzmasse zugrunde. Die dort geregelte Massehaftung ist zugeschnitten auf die in den §§ 103 ff. enthaltenen Regelungen über gegenseitige, jeweils noch nicht vollständig erfüllte Verträge in der Insolvenz. Dort wird die Einordnung als Masseverbindlichkeit sowohl im Falle eines entsprechenden Erfüllungsverlangens, vgl. insbesondere § 103 I InsO, als auch im Falle fortbestehender Schuldverhältnisse angeordnet, vgl. insbesondere §§ 108 f. InsO.73 Die von § 55 I Nr. 2 Var. 1 InsO vorausgesetzte Möglichkeit des Insolvenzverwalters, die Erfüllung zur Insolvenzmasse mit der Folge der Einordnung als Masseverbindlichkeit verlangen zu können, führt damit bereits 68

K. Schmidt/Thole (2016) InsO § 53 Rn. 9. Krit. zu fehlenden Kontrollmöglichkeiten bei unzutreffender Anzeige der Masseunzulänglichkeit, Adam, DZWIR 2009, 181 [181 ff.]; Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 7.78 a. E.; vgl. auch MüKoInsO/Hefermehl (2013) § 208 Rn. 40; Kayser/Thole/Landfermann (2016) InsO § 208 Rn. 11 ff.; dagegen K. Schmidt/Jungmann (2016) InsO § 208 Rn. 20. 70 Krit. aus rechtspolitischer Sicht, Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 14.17. 71 BGH Urt. v. 6.5.2004, IX ZR 48/03 = NZI 2004, 435 [436]. 72 Uhlenbruck/Mock (2015) InsO § 90 Rn. 3 ff. 73 Vgl. dazu Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 400 ff.; KK-InsO/Röpke (2017) § 103 Rn. 116 ff. 69

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zu der Frage der Behandlung gegenseitiger, noch nicht vollständig erfüllter Verträge in der Insolvenz. Indem nämlich erst jene Regelung dem Verwalter die Berechtigung verschafft, in Abkehr vom Verlustprinzip Masseverbindlichkeiten begründen zu dürfen, schafft sie die denknotwendigen Voraussetzungen einer Erfüllungswahl i. S. d. § 103 I InsO.74 c) Die Bedeutung der §§ 55 I Nr. 2 und 103 InsO für die Überwindung des Konflikts zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip aa) Die Kollision von Äquivalenz- und Verlustprinzip bei nicht vollständiger Erfüllung In der Einzelvollstreckung wird das in den §§ 320, 322 BGB in Form des funktionellen Synallagmas verwirklichte Äquivalenzprinzip durch §§ 756, 765 ZPO abgesichert, indem jede Partei nur zur Leistung gezwungen werden kann, wenn ihr zugleich die volle Gegenleistung präsentiert wird.75 Parallel ergibt sich in einem eröffneten Insolvenzverfahren das Regelungsbedürfnis bei dem von keiner Seite vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag aus einer Fragestellung, die unter der schillernden Bezeichnung der „Insolvenzfestigkeit des § 320 BGB“ oder „Insolvenzfestigkeit des Synallagmas“ firmiert.76 Dort stellt sich die Frage, ob die Einrede des nicht erfüllten Vertrags in der Insolvenz weiteren Bestand hat, mit der Folge, dass sich insbesondere der Vertragspartner des insolventen Schuldners auf das sich daraus ergebende Zurückbehaltungsrecht berufen kann. Wurde der Vertrag bereits von beiden Seiten noch vor Verfahrenseröffnung vollständig erfüllt, hat es dabei – vorbehaltlich einer insolvenzrechtlichen Anfechtung – sein Bewenden.77 Der Prinzipienkonflikt um das Schicksal der Einrede aus § 320 BGB in der Insolvenz droht ebenso von vornherein nicht, wenn eine Vertragspartei die ihr obliegende Leistung bereits vollständig erbracht hat. Das funktionelle Synallagma ist nicht betroffen und auch das Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB steht der Partei, die bereits geleistet hat, nicht mehr zu. Hat nämlich zum einen der Insolvenzschuldner voll geleistet, hat der Gläubiger die Gegenleistung schlicht – vorbehaltlich der gläubigerschützenden Wirkung des § 82 InsO – an die Masse zu leisten. Hat zum anderen ein Gläubiger vorinsolvenzlich bereits vollständig geleistet, ohne das sich aus § 320 BGB ergebende Leistungsverweigerungsrecht geltend zu machen, kann er die ihm zustehende Forderung nur als Insolvenzforderung i. S. d. § 38 InsO geltend 74

Vgl. Stamm, KTS 72 (2011) 421 [429]. Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [3]; Pagenstecher/Grimm, Konkurs (1968) S. 46. 76 Vgl. statt vieler Marotzke (2001) Rn. 2.8 ff.; Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103– 119 Rn. 4 ff. 77 M. Huber, NZI 2002, 467 [467]; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 45; HKInsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 14. 75

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machen.78 Des durch Verwirklichung des funktionellen Synallagmas vermittelten Schutzes hat sich der Gläubiger durch die Vorleistung begeben,79 sodass durch ein Festhalten am Verlustprinzip auch das Äquivalenzprinzip nicht wiederbelebt wird. Eine Wiederbelebung des Äquivalenzprinzips würde nunmehr allein eine Rückabwicklung bedeuten. Dem steht jedoch de lege lata die sich aus § 105 S. 2 InsO ergebende Wertung entgegen, wonach eine Rückforderungsmöglichkeit selbst bei Nichterfüllung des Anspruchs auf die Gegenleistung nicht besteht.80 Daraus ergibt sich mithin, dass selbst der konditionelle Charakter des Synallagmas nach Verfahrenseröffnung nicht geschützt wird, indem dem Vertragspartner die Rückabwicklung versagt wird. Die Problematik lässt sich damit auf die Frage zuspitzen, wie sich die Verwirklichung des Verlustprinzips im eröffneten Verfahren auf den durch das Äquivalenzprinzip vermittelten Schutz des funktionellen Synallagmas bei dem jeweils noch nicht vollständig erfüllten, gegenseitigen Vertrag auswirkt. Die strikte Aufrechterhaltung des Äquivalenz- und Verlustprinzips würde bei dem sich in der Abwicklungsphase befindenden synallagmatischen Vertrag zu einer Pattsituation führen, wie die Ausgangssituation der Einordnung des Gläubigers als Insolvenzgläubiger unschwer erkennen lässt: wäre der Gläubiger gezwungen, ohne Rücksicht auf den Erhalt der Gegenleistung zu leisten, würde man ihm die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gegenüber dem Insolvenzschuldner rauben.81 Der Schutz des funktionellen Synallagmas bliebe versagt, müsste der Gläubiger bei bloßer Aussicht auf quotale Befriedigung leisten. Eine dem subjektiven Äquivalenzprinzip entsprechende Erbringung der Gegenleistung durch den Insolvenzschuldner wird wiederum durch die aus dem Verlustprinzip folgende Vorgabe bloß quotaler Befriedigung verhindert. Das dem gegenseitigen Vertrag zugrundeliegende subjektive Äquivalenzverhältnis kann demnach nur gewahrt werden, sofern unter Verdrängung des Verlustprinzips eine vollständige Gläubigerbefriedigung ermöglicht wird.82

78 Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 6 f.; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 104. 79 Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 17. 80 M. Huber, NZI 2002, 467 [467]; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 7; HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 14; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 182. Für die Schaffung eines eigenständigen Paragraphen daher, Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 105 Rn. 23. 81 Vgl. bereits Pagenstecher/Grimm, Konkurs (1968) S. 50; vgl. ferner nur Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 5; Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.03. 82 Vgl. dazu auch Wegener (2007) S. 6 f.

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bb) Überblick zum funktionellen Synallagma im eröffneten Insolvenzverfahren Den Ausgleich zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip zu erreichen, ist die Aufgabe des § 103 InsO im Zusammenspiel mit § 55 I Nr. 2 InsO.83 Diese Normen stimmen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Insolvenzverfahrens mit dem Abwicklungsschutz des funktionellen Synallagmas ab.84 Denn nach § 103 I InsO kann der Insolvenzverwalter bei einem gegenseitigen, zur Zeit der Eröffnung von beiden Teilen noch nicht vollständig erfüllten Vertrag anstelle des Schuldners vertragsgemäß erfüllen, um durch Überwindung des fortgeltenden § 320 BGB die Erfüllung vom anderen Teil zu verlangen.85 Ist dagegen eine außerhalb des Synallagmas liegende Pflicht noch nicht erfüllt, findet § 103 InsO entgegen der wohl herrschenden – dabei jedoch meist nicht näher begründeten – Auffassung keine Anwendung bzw. bedarf es einer Erfüllungswahl seitens des Verwalters zur Durchsetzung der Forderung nicht.86 Schließlich werden solche sonstigen Pflichten nur über das nach ganz herrschender Auffassung nicht insolvenzfeste Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB geschützt.87 Da der Verwalter § 320 BGB also nicht überwinden muss, um die

83 Anschaulich bezeichnet Stamm, KTS 72 (2011) 421 [432] § 103 InsO als bloße „Paraphrase des § 320 BGB“. 84 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.08. 85 Ausgenommen sind von vornherein Verträge mit fehlender Massebezogenheit, bei denen die Leistung entweder höchstpersönlich oder aus dem pfändungsfreien Vermögen zu erbringen ist, vgl. BGH Urt. v. 19.2.2014 – IV ZR 163/13 = NZI 2014, 369 [370]; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 43 ff.; vgl. bereits § 15 KO-E, Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 86. Zum Ganzen, K. Schmidt, KTS 65 (2004) 241 [244 ff.]. 86 Jüngst noch offen gelassen in BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NZI 2017, 60 [61]; dagegen noch BGH Urt. v. 22.1.2009, IX ZR 66/07 = NJW 2009, 1414 [1415]: „Macht der Insolvenzverwalter einen nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis wurzelnden Anspruch geltend, ist § 103 InsO unanwendbar.“ Nun wie hier BGH Urt. v. 16.5.2019, IX ZR 44/18 = NZI 2019, 587 [588 f.]. Der noch überwiegende Teil des Schrifttums spricht sich gegen das Erfordernis einer synallagmatischen Verbindung für § 103 InsO aus, Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [365 f.]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 491; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 24; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 17; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 16; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 67; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 199; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 123. Ebenso Marotzke, der allerdings auch § 273 BGB entgegen der h. M. für insolvenzfest hält, Marotzke (2001) Rn. 4.100; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 70. Einschränkend sei nach teilw. abweichender Auffassung zumindest zu fordern, dass immerhin noch ein klagbarer Anspruch vorliegen muss, da eine Erfüllungswahl sonst sinnfrei wäre, Heidland, ZInsO 2011, 201 [201]; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 58; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 18. 87 Vgl. dazu nur BGH Urt. v. 13.12.2012, IX ZR 9/12 = NJW 2013, 1243 [1244].

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Forderung des Schuldners durchzusetzen, bedarf es daher von vornherein keiner „Anwendbarkeit“ des § 103 InsO.88 Mit Blick auf einen Kaufvertrag ist insofern allerdings insbesondere darauf hinzuweisen, dass auch im Falle einer mangelbehafteten Lieferung eine unvollständige Lieferung i. S. d. § 103 InsO vorliegt, nachdem die von Sach- und Rechtsmängeln freie Lieferung auch Hauptpflicht des Verkäufers ist, § 433 I 2 BGB.89 Folge der Erfüllungswahl ist sodann ausweislich der eigentlich entscheidenden Rechtsfolge des § 55 I Nr. 2 Var. 1 InsO die Verpflichtung zur vollen Befriedigung der Verbindlichkeiten aus dem gegenseitigen Vertrag.90 Die Erfüllungswahl erfolgt durch empfangsbedürftige Willenserklärung, die wegen der bloß haftungsrechtlichen Veränderung bereits bestehender Vertragspflichten keinen Formanforderungen genügen muss.91 Zweck des sich aus §§ 103 I und 55 I Nr. 2 Var. 1 InsO ergebenden Erfüllungswahlrechts – insoweit herrscht Einigkeit92 – ist mithin, im Interesse der Massemehrung und damit zur Erreichung einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung durch Vertragserfüllung die dem Insolvenzverwalter vorteilhaft erscheinende Gegenleistung zu verdienen, auf die er ohne die Erfüllungswahl wegen des aus dem funktionellen Synallagma vermittelten Schutzes keinen durchsetzbaren Anspruch hätte.93 Nachdem es sich sodann um eine gewillkürte Masseverbindlichkeit handelt, haftet der Verwalter den Gläubigern dabei ersatzweise persönlich, § 61 InsO.94 Macht der Verwalter von der Möglichkeit, die Gegenleistung zur Masseverbindlichkeit zu erheben, dagegen keinen Gebrauch, bleibt das Vertragsverhältnis mit dem

88 Wie hier Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 172 ff.; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 111; vgl. auch unter treffender Betonung der privatautonomen Bestimmung der synallagmatischen Verknüpfung, BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 40.2; vgl. ferner zum früheren Recht, Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [5]. 89 Vgl. nur Ringstmeier/Homann, ZIP 2002, 505 [507]; Scherer, NZI 2002, 356 [357]; Schluck-Amend, in: FS Wellensiek (2011) S. 231 [233]. 90 Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 35. 91 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 190. Eine konkludente Erfüllungswahl ist möglich, wird vom BGH jedoch an hohe Anforderungen geknüpft, BGH Urt. v. 13.2.2014, IX ZR 313/12 = NZI 2014, 400 [401]; vgl. ferner BGH Urt. v. 19.11.2015, IX ZR 198/14 = NZI 2016, 128 [129]; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 36 ff.; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 26. Zu einem konkludenten Erfüllungsverlangen bei stillschweigendem Bezug von Versorgungsleistungen (Strom und Gas) nach Verfahrenseröffnung, vgl. jüngst BGH Urt. v. 25.2.2016, IX ZR 146/15 = NZI 2016, 484 [485]. 92 Vgl. näher zur teleologischen Betrachtung des § 103 InsO, Kap. 3 I. 3. a) bb). 93 Vgl. von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [455 ff.]; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 2; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 7. 94 Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 461.

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sich aus dem funktionellen Synallagma ergebenden Defekt bestehen.95 Zu berücksichtigen bleibt bei fehlender Erklärung des Verwalters, dass § 103 II 2 InsO dem Gläubiger ein Recht zur Aufforderung zur Wahlrechtsausübung gegenüber dem Verwalter gewährt. Die Vorschrift ermöglicht es dem Gläubiger, die Unsicherheit zu beenden, nachdem das Schweigen des Verwalters auf die Erklärungsaufforderung als endgültige Ablehnung gilt, § 103 II 3 InsO. Der Verwalter hat sich dabei unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen unverzüglich und damit ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 I 1 BGB) innerhalb einer angemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen zu erklären.96 Hervorzuheben bleibt die vom Gesetzgeber für selbstverständlich erachtete Auffassung – die im Gesetzestext demnach „nicht besonders zum Ausdruck gebracht zu werden“ braucht – wonach die Entscheidung des Verwalters auch erzwungen werden kann, wenn die Erfüllungszeit noch nicht eingetreten ist.97 Aus § 103 InsO folgt damit der Grundsatz der Insolvenzfestigkeit des funktionellen Synallagmas.98 Lediglich partielle Modifizierungen erfährt die Aufrechterhaltung dieser materiell-rechtlichen Ausgangslage durch die §§ 103 ff. InsO. Während bei bestimmten Dauerschuldverhältnissen in den §§ 108 ff. InsO das automatische Fortdauern des Vertrags verbunden mit erleichterten Kündigungsmöglichkeiten angeordnet wird, bestimmen die §§ 104 und 115 f. InsO die ipso iure eintretende Beendigung bestimmter Vertragsverhältnisse. Außerhalb dessen verbleibt es bei dem durch §§ 106 und 107 I InsO lediglich modifizierten Grundsatz, dass der Insolvenzverwalter zwischen den beiden Möglichkeiten der Haftungsabwicklung wählen kann. 2. Entwicklung der h. M. zu den materiellrechtlichen Konsequenzen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung auf noch nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge a) Der Weg von der Fortbestehens- zur Erlöschenstheorie Die Beantwortung der um die Verwirklichung des funktionellen Synallagmas in der Insolvenz kreisenden Fragen wird beherrscht von den Folgen der Verfahrenseröffnung auf einen gegenseitigen, noch nicht vollständig erfüllten Vertrag. Dabei blickt die Beurteilung des Fortbestehens des synallagmatischen Verhältnisses in der Insolvenz auf eine wechselhafte Rechtsprechung zurück.

95 Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 6; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 20. 96 BT-Drucks. 12/2443, 145; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 207. Zur Ausnahme nach § 107 II InsO und der Diskussion weiterer Ausnahmen vgl. die Ausführungen zur Kritik an der Suspensivtheorie und den daraus abgeleiteten Konsequenzen, Kap. 3 I. 3. 97 BT-Drucks. 12/2443, 145. 98 Vgl. statt vieler Jacoby, ZIP 2014, 649 [651].

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Die vorstehenden Ausführungen bildeten in der Vergangenheit gar den Gegenstand eines „Fundamentaldissenses“ zwischen dem BGH und Stimmen der Wissenschaft.99 Dies liegt in der Tatsache begründet, dass sich allein aus der gesetzlichen Einordnung der Forderung aus dem beiderseitig noch nicht vollständig erfüllten Vertrag als Insolvenzforderung als status quo der Verfahrenseröffnung noch nicht ergibt, wie sich die Verfahrenseröffnung materiellrechtlich auf noch nicht erfüllte Verträge auswirkt.100 aa) Die Fortbestehenstheorie des RG (RGZ 11,49) Den Beginn der Rechtsprechungsentwicklung zu den Folgen der Verfahrenseröffnung auf den nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag markiert eine Entscheidung des RG vom 15.2.1884.101 Nachdem sich die Senate des BGH bis 1988 der dort genannten Auffassung anschlossen, dass die Verfahrenseröffnung den Vertrag zunächst nicht berührt, wurde die rechtliche Würdigung der Verfahrenseröffnung über mehr als 100 Jahre durch die in der Lit. heute auch noch vereinzelt als „Fortbestehenstheorie“102 bezeichnete Rspr. geprägt.103 Der Entscheidung vom 15.2.1884 lag ein Fall zugrunde, in dem der Konkursverwalter die Erfüllung eines zwischen dem späteren Gemeinschuldner und einem Gläubiger vor Verfahrenseröffnung geschlossenen Vertrags wählte und diesen auch erfüllte, obwohl die dem Schuldner aus jenem Vertrag zustehende Forderung bereits vor Verfahrenseröffnung von einem Dritten gepfändet worden war. Die gepfändete Forderung wurde dem Dritten zur Einziehung überwiesen, allerdings war zwischen dem Konkursverwalter und dem Dritten streitig, ob letzterem insofern ein Recht auf abgesonderte Befriedigung zustand. Bezogen auf die Folgen der Eröffnung des Konkurses und die Bindung des Verwalters an Rechte Dritter an Forderungen aus dem Vertrag stellte das RG mit Blick auf den dem heutigen § 91 InsO vergleichbaren § 15 KO klar: „Die Eröffnung des Konkurses hebt einen vom Gemeinschuldner abgeschlossenen zweiseitigen Vertrag nicht auf. […] [Der Verwalter] tritt, wie der § 15 a. a. O. ausdrücklich sagt, bei der Erfüllung des Vertrages an die Stelle des Gemeinschuldners, muß also alles leisten, was dieser dem anderen Kontrahenten zu gewähren hatte. Umgekehrt kann er auch nicht mehr beanspruchen, als dem Gemeinschuldner zustand. Darin liegt ausgesprochen, daß der Kon-

99

Vgl. dazu MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 2. Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.02. 101 RG Urt. v. 15.2.1884, III 286/83 = RGZ 11, 49. Vgl. dazu ferner BGH Urt. v. 13.07.1967, II ZR 268/64 = BGHZ 48, 203 [205]. Monographisch zu den Entwicklungslinien der Rspr. Baldringer (2014) S. 29 ff. 102 Vgl. nur Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 472. 103 BGH Urt. v. 13.7.1967, II ZR268/64 = NJW 1967, 2203 [2204]; BGH Urt. v. 27.11.1981, V ZR 144/80 = NJW 1982, 768 [769]; BGH Urt. v. 25.02.1983, V ZR 20/82 = NJW 1983, 1619 [1619]; BGH Urt. v. 14.12.1983, VIII ZR 352/82 = NJW 1984, 1557 [1558]. 100

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kursverwalter nur diejenige Leistung, zu welcher der andere Kontrahent bei der Konkurseröffnung dem Gemeinschuldner verpflichtet war, fordern darf. […] Letzterer [der Verwalter] muß, wenn er Erfüllung des Vertrages verlangt, die Änderungen desselben, durch welche Dritte wohlerworbene Rechte erlangt haben, wie der Gemeinschuldner selbst anerkennen.“104

Das RG nahm darauf aufbauend in seiner folgenden Rechtsprechungslinie hin, dass eine Konkurseröffnung erstens den gegenseitigen Vertrag nicht aufhebt und zweitens der Verwalter Pfändungen und Verfügungen über die aus dem Vertrag resultierenden Forderungen und im Verhältnis zum Vertragspartner bestehende Aufrechnungslagen hinzunehmen hat.105 Lediglich infolge der Erfüllungsablehnung durch den Verwalter sollte nach der – deshalb auch als „Umgestaltungstheorie“106 bezeichneten – Auffassung der Rspr. eine das Verfahren überdauernde Umgestaltung des Rechtsverhältnisses erfolgen. Erst, aber immerhin die Erfüllungsablehnung gestaltete das Rechtsverhältnis in dem Sinne um, dass durch Verrechnung an die Stelle der gegenseitigen Leistungsansprüche ein als Konkursforderung geltend zu machender, einseitiger Anspruch des Vertragspartners wegen der Nichterfüllung trat.107 Auf schwerlich begründbare Art und Weise sollte damit zu Gunsten der Masse im Falle einer Vorleistung des Gemeinschuldners immerhin ein Bereicherungsanspruch begründet werden, indem die mit der Ablehnung bewirkte Umgestaltung den Rechtsgrund der Leistungen entfallen lassen sollte.108 bb) Die Erlöschenstheorie des BGH (BGHZ 103, 250) In Abweichung zur Umgestaltungstheorie entschied der IX. Zivilsenat des BGH auf Grundlage von § 17 KO jedoch mit Urteil vom 11.2.1988, dass die Erfüllungsansprüche bei einem gegenseitigen, nicht vollständig erfüllten Vertrag mit Verfahrenseröffnung erlöschen.109 Mit jener Annahme des Erlöschens erübrigten sich freilich auch Überlegungen zur Insolvenzfestigkeit des § 320 BGB. Schließlich musste das Erlöschen der Erfüllungsansprüche auch zu einem Erlöschen des synallagmatischen Verhältnisses führen. Prägnant führte der BGH zu den Folgen der Verfahrenseröffnung auf einen sich in der Abwicklung befindenden Vertrag aus, dass

104

RG Urt. v. 15.2.1884, III 286/83 = RGZ 11, 49 [51 f.] [Herv. d. Verf.]. Vgl. dazu nur Kreft, ZIP 1997, 865 [866]; Wazlawik, NZI 2018, 337 [338]. 106 Vgl. etwa BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 6. 107 BGH Urt. v. 29.1.1987, IX ZR 205/85 = NJW 1987, 1702 [1702 f.]; vgl. ferner Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [299]. 108 RG Urt. v. 12.4.1912, II 506/11 = RGZ 79, 209 [211]; vgl. ferner Bork, FS Zeuner (1994) 297 [312]; weitere Nachw. bei Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 19 dort Fn. 41. 109 BGH Urt. v. 11.2.1988, IX ZR 36/87 = NJW 1988, 1790. 105

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„[…] die gegenseitigen Erfüllungsansprüche aus diesem Schuldverhältnis erloschen geblieben und nicht wieder aufgelebt [sind].“110

Die damit eingeläutete Wende der Rechtsprechung wurde mit einem Urteil vom 20.12.1988 bestätigt und hat so die nächste Dekade der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Folgen der Verfahrenseröffnung geprägt.111 Danach sollten bereits mit der Verfahrenseröffnung die Ansprüche erlöschen und das Rechtsverhältnis umgestaltet werden. Dagegen wurde abweichend von der Umgestaltungstheorie des RG der Erfüllungsablehnung keine Gestaltungswirkung mehr beigemessen, nachdem die Ansprüche ohnehin durch Verfahrenseröffnung erloschen sein sollten.112 Selbst wenn der BGH damit nicht ausgesprochen haben sollte, dass der Vertrag insgesamt erlösche, sondern nur die Erfüllungsansprüche,113 zwang die Verfahrenseröffnung mithin ipso iure zu einer Umwandlung der Konkursforderung in eine Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung.114 Erst mit der Erfüllungswahl sollte der weggefallene Erfüllungsanspruch erneut aufleben. Diese Annahme einer gestaltenden Rechtsfolge war dabei von vornherein von Bedenken geprägt, dass der Verwalter im Falle der Erfüllungswahl „den Kaufpreis an den Gläubiger zahlen [muss], der die Kaufpreisforderung vor Konkurseröffnung gepfändet hat, oder an den Zessionar, dem der Gemeinschuldner vor Konkurseröffnung seinen Kaufpreisanspruch zur Sicherung von Forderungen des Zessionars abgetreten hat. Danach dürfte der Konkursverwalter die Kaufpreisforderung nicht zur Masse ziehen, vielmehr stünde dem Pfandgläubiger oder Sicherungszessionar ein Absonderungsrecht an der Kaufpreisforderung zu.“115

Angesichts dessen würde ein Verwalter Verträge nicht mehr aus der Masse erfüllen, sofern die Gegenleistung oder auch nur ein Mehrwert etwa einem Zessionar und nicht dem Schuldner zuflössen. Nicht nur um diese „Nachteile zu vermeiden, sondern vor allem aus konkursrechtlichen Erwägungen“ sah sich

110 BGH Urt. v. 11.2.1988, IX ZR 36/87 = NJW 1988, 1790 [1791] [Herv. d. Verf.] mit Verweis auf BGH Urt. v. 29.1.1987, IX ZR 205/85 = NJW 1987, 1702 [1703]. Bereits dort nahm der BGH beiläufig an, dass der Erfüllungsanspruch des Verwalters „ebenso“ erloschen sei, ging aber noch von einer Umwandlung in der Weise aus, „daß an die Stelle des gegenseitigen Schuldverhältnisses der einseitige Anspruch des Vertragsgegners auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung tritt.“ 111 BGH Urt. v. 20.12.1988, IX ZR 50/88 = NJW 1989, 1282. Vgl. dazu ferner Kreft, ZIP 1997, 865. 112 BGH Urt. v. 21.11.1991, IX ZR 290/90 = NJW 1992, 507 [508]; Bärenz, NZI 2006, 72 [74]; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 7 ff. 113 Vgl. die späteren um Zurückhaltung bemühten Ausführungen des damaligen Vorsitzenden, Kreft, FS Uhlenbruck (2000) 387 [393 dort Fn. 22]; Kreft, in: FS Kirchhof (2003) S. 275 [276]; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 13. 114 K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 103 Rn. 11. 115 BGH Urt. v. 20.12.1988, IX ZR 50/88 = NJW 1989, 1282 [1282].

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der BGH zu der Annahme einer umgestaltenden Wirkung der Verfahrenseröffnung veranlasst.116 „Allein die Willenserklärung des Konkursverwalters, nämlich die positive Erklärung nach § 17 KO, […] läßt den Anspruch des Vertragspartners des Gemeinschuldners gegen den Konkursverwalter auf Leistung aus der Masse (§ 59 I Nr. 2 KO) und den erloschenen Anspruch gegen den Vertragspartner auf die Gegenleistung wieder entstehen. […] Wenn aber die erloschenen Erfüllungsansprüche aus den gegenseitigen Verträgen erst durch die Willenserklärung des Konkursverwalters wieder entstehen können, gebührt der Anspruch auf die Leistung des Vertragsgegners der Masse, die der gleichmäßigen Befriedigung der Konkursgläubiger dienen soll. […] [Der] offensichtliche Zweck des § 17 KO, dem Konkursverwalter im Interesse der Masse durch die Erfüllung eines Vertrags den Anspruch auf die ihm vorteilhaft erscheinende Gegenleistung zu verschaffen, würde vereitelt, wenn der durch die Wahl der Erfüllung wieder entstehende Anspruch auf die Gegenleistung in der Person des Zessionars des Gemeinschuldners auflebte“117

Erst mit dem Erfüllungsverlangen wurde der ursprüngliche Anspruch mit dem bisherigen Inhalt nach dem Schuldverhältnis damit wieder neu begründet und zur Masseschuld aufgewertet.118 Die Erlöschenstheorie war dementsprechend von Beginn an ein Mittel zum Zweck, mit dessen Hilfe der Erfüllungsanspruch befreit von allen vor Verfahrenseröffnung entstandenen Belastungen erschlossen werden sollte.119 Schließlich wurden die Folgen der Verfahrenseröffnung noch mit Blick auf eine Aufrechnung dahingehend erweitert, dass der Vertragspartner des Insolvenzschuldners nicht mit einem vor Verfahrenseröffnung entstandenen Anspruch gegen den aufgrund des Erfüllungsverlangens neu begründeten Anspruch der Masse aufrechnen konnte.120 Tatsächlich handelte es sich somit vor allem hinsichtlich der Verhinderung der Zessionsfolgen weniger um eine Sicherung der Masse als um eine nachträgliche Anreicherung derselben um Vermögensbestandteile, die bereits vor Verfahrenseröffnung aus dem Vermögen des späteren Gemeinschuldners ausgeschieden sind. Mit der Erlöschenstheorie wurden an sich insolvenzrechtlich geschützte Aufrechnungslagen zerstört und Sicherungsnehmern zedierte Forderungen genommen, die das Haftungsrecht sonst gleichermaßen zu respektieren gehabt hätte.121

116

BGH Urt. 20.12.1988, IX ZR 50/88 = NJW 1989, 1282 [1283]. BGH Urt. 20.12.1988, IX ZR 50/88 = NJW 1989, 1282 [1283 f.] [Herv. d. Verf.]. 118 BGH Urt. v. 21.11.1991, IX ZR 290/90 = NJW 1992, 507 [508]; vgl. ferner M. Huber, NZI 2002, 467 [468]; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 107 Rn. 6. 119 Vgl. nur Kirchhof, in: FS Gerhardt (2004) S. 443 [445 f.]; Adam, DZWir 1998, 227 [228]; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 21. 120 BGH Urt. v. 4.5.1995, IX ZR 256/93 = NJW 1995, 1966 [1967]. Vgl. ferner Kreft, in: FS Fischer (2008) S. 297 [298]; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 40. 121 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.07. 117

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b) Die seit BGHZ 150, 353 herrschend vertretene Suspensiv- und Qualitätssprungtheorie Die Erlöschenstheorie sah sich abgesehen von der rechtspolitischen Fragwürdigkeit des erzielten Ergebnisses von Beginn an auch interpretatorischen Einwänden ausgesetzt. Denn im Gesetz steht von alledem nichts.122 Weder der Wortlaut des § 103 InsO noch eine grammatische Auslegung der Vorgängervorschrift des § 17 KO bieten einen Anhaltspunkt für eine Beendigung oder Umwandlung gegenseitiger, noch nicht vollständig erfüllter Verträge bereits mit der Verfahrenseröffnung.123 Zudem ließ sich gestützt auf die Erlöschenstheorie nicht begründen, wie akzessorische Sicherheiten im Fall der Neubegründung der Erfüllungsansprüche neue Wirksamkeit erlangen können.124 Den Ausweg aus diesem Problem in der ergänzenden Vertragsauslegung zu suchen, wonach die Sicherheit zugleich für die wiederauflebende Forderung bestellt werde,125 wurde daher nicht mit Unrecht als „Krücke“ abgetan, mit der lediglich die überschießende Theorienbildung der Rspr. wieder eingedämmt werden musste.126 Des Weiteren lässt sich eine konstitutive Neubegründung mit Erfüllungswahl kaum mit der Formfreiheit der Wahlrechtsausübung vereinbaren.127 Neben diesen Einwänden sah sich die Erlöschenstheorie letztlich zwingenden systematischen Gegenargumenten ausgesetzt: So ist es zum einen widersprüchlich, das Erlöschen der Ansprüche mit Verfahrenseröffnung als Grundregel in § 103 InsO zu verankern, wenn die §§ 115 ff. InsO insofern gerade entsprechende Ausnahmen normieren. Zum anderen folgt aus § 201 I InsO das grundsätzliche Weiterbestehen der Ansprüche, wenn diese das Verfahren überdauern und nach Aufhebung wieder geltend gemacht werden können.128 Dementsprechend wird ein Erlöschen und eine Umgestaltung der Ansprüche allein aufgrund der Verfahrenseröffnung heute weder im Schrifttum noch in der Rspr.

122 Marotzke, ZZP 2002, 507 [508] (= Anm. zu BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = BGHZ 150, 353). 123 Henkelmann (2009) S. 88 f.; Marotzke (2001) Rn. 3.45 f.; Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [302]; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 9. 124 Bärenz, NZI 2006, 72 [72 f.]. 125 So der Vorschlag von Kreft, ZIP 1997, 865 [870 f.]. 126 So Roth, in: FS Rolland (1999) S. 305 [307]. 127 Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [314]. 128 Marotzke (2001) Rn. 3.44; Bärenz, NZI 2006, 72 [73]; Adam, DZWir 1998, 227 [229]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 476. Zu weiteren systematischen Einwänden unter Geltung der KO, vgl. Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [305 ff.].

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angenommen.129 Mit der heute vom BGH vielmehr vertretenen sog. „Suspensivtheorie“130 hat die Rspr. begrüßenswerter Weise einen Rückbezug der Rechtsfolgen des Gesamtvollstreckungsrechts zum materiellen Zivilrecht vollzogen und sich dabei wieder den vorstehenden Annahmen des RG zur Verfahrenseröffnung angenähert.131 In Abkehr von der Erlöschenstheorie stellte der IX. Senat mit Urteil vom 25.4.2002 ausdrücklich unter Rekurs auf § 320 BGB fest: „Soweit der BGH bislang davon gesprochen hat, dass derartige Ansprüche mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlöschen, wird dies der Rechtslage nicht voll gerecht. Die Verfahrenseröffnung bewirkt keine materiell-rechtliche Umgestaltung des gegenseitigen Vertrags, sondern hat wegen der beiderseitigen Nichterfüllungseinreden der Vertragspartner (§ 320 BGB) nur zur Folge, dass diese ihre noch ausstehenden Erfüllungsansprüche, soweit es sich nicht um Ansprüche auf die Gegenleistung für schon erbrachte Leistungen handelt, nicht durchsetzen können.“132

Materiellrechtlich verlieren die Erfüllungsansprüche danach ex lege wegen der aus der Verfahrenseröffnung resultierenden Folgen und des damit verbundenen wechselseitigen Bestehens der Einrede aus § 320 BGB lediglich ihre Durchsetzbarkeit.133 Der Vertragspartner kann sich aufgrund der Verfahrenseröffnung auf § 320 BGB berufen, weil er als Insolvenzgläubiger nur Aussicht auf

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Soweit ersichtlich deutet nach Aufgabe der Erlöschenstheorie allein Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [363] noch an, „dass die Hauptleistungspflichten mit der Verfahrenseröffnung ihre Durchsetzbarkeit verlieren und der Vertrag zunächst nur als Abwicklungsverhältnis mit Sekundärrechten fortbesteht […].“ [Herv. d. Verf.]. 130 Vgl. M. Huber, ZIP 2013, 493 [493]; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 42 ff. Die Terminologie variiert: „Undurchsetzbarkeitstheorie“, BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 8; „Theorie der insolvenzrechtlichen Modifizierung des Vertrags“, Bärenz, NZI 2006, 72 [73]; „Theorie vom Verlust der Durchsetzbarkeit der Erfüllungsansprüche“, M. Huber, NZI 2002, 467 [468]; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht (2010) Kap. 31 Rn. 5; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 3; „Theorie der Vertragskontinuität“, Marwedel ZInsO 2011, 937 [937]. 131 BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = BGHZ 150, 353 = NJW 2002, 2783. Besprechung des Urteils bei Graf/Wunsch, ZIP 2002, 2117; Marotzke, ZZP, 2002, 507; Mohrbutter/Mohrbutter, DZWIR 2003, 1 [3 ff.]. Vgl. zur Rückkehr der Rspr. vor 1988 auch, M. Huber, NZI 2002, 467 [469]. Zum Rückbezug des Vollstreckungsrechts auf das materielle Privatrecht, vgl. Stamm (2007) S. 150 et passim; vgl. ferner Hoffmann (2016) 108; Zöllner, AcP 190 (1990) 471 [493 f.]. 132 BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = NJW 2002, 2783 [2785] [Herv. d. Verf.]. 133 Seit BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 ständige Rspr., vgl. nur aus der jüngeren Rspr., BGH Urt. v. 17.11.2005, IX ZR 162/04 = NZI 2006, 229 [231]; BGH Urt. v. 17.12.2009, IX ZR 214/08 = NZI 2010, 180 [180]; BGH Urt. v. 7.2.2013, IX ZR 218/11 = NZI 2013, 296 [296 f.]; BGH Urt. v. 19.11.2015, IX ZR 198/14 = NZI 2016, 128 [129]; BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NZI 2017, 60 [61]; BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112]. Vgl. dazu ferner Gehrlein, NZI 2015, 97 [97].

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

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quotenmäßige Befriedigung hat.134 Ebenso kann der Insolvenzverwalter dem Vertragspartner die Einrede des nicht erfüllten Vertrags entgegenhalten, weil letzterer ohne Erfüllungswahl des Verwalters eine Leistung mit Wirkung gegen die Masse nicht erbringen kann.135 Es tritt ein beiderseitiger Durchsetzbarkeitsverlust ein, der sich reflexartig aus dem Schutz des funktionellen Synallagmas ergibt.136 Das Schicksal akzessorischer Sicherheiten ist mit dem Fortbestehen der Forderungen, die lediglich vorübergehend ihre Durchsetzbarkeit verlieren, geklärt. Solche Sicherheiten sichern die Forderung wegen Nichterfüllung, sodass die von der Erlöschenstheorie aufgeworfene Problematik obsolet ist.137 Auch das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen § 103 InsO und §§ 104 und 115 ff. InsO bleibt gewahrt, nachdem das Erlöschen der Rechtsverhältnisse die vom Grundsatz des Fortbestehens abweichende Ausnahme bleibt. Letztlich lässt sich die Annahme eines bloßen vorübergehenden Durchsetzbarkeitsverlusts mit § 201 I InsO vereinbaren, nachdem die Forderungen stets fortbestanden haben.138 aa) Folgen der Erfüllungswahl Trotz der Ablehnung der Erlöschensfolge mit Verfahrenseröffnung muss berücksichtigt werden, dass der BGH mit der Suspensivtheorie zwar einer gestaltenden Einwirkung der Verfahrenseröffnung auf den Vertrag eine Absage erklärt hat. Gleichwohl befürwortet er mit Blick auf die Folgen einer Erfüllungswahl des Verwalters eine Rechtsfolge, die in Ergänzung des Durchsetzbarkeitsverlusts in der Literatur überwiegend als „Qualitätssprungtheorie“139 oder auch „Originär-Entstehungstheorie“140 bezeichnet wird. Zur Erreichung massemehrender Ergebnisse nimmt der BGH nämlich mit dem Verweis auf seine bisherige Rspr. an, dass mit der Erfüllungswahl die aus dem gegenseitigen Vertrag folgenden Ansprüche

134 Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 44; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 1. 135 MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 16 f.; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 11. 136 Vgl. auch Stamm, KTS 72 (2011) 421 [431]; Schluck-Amend, in: FS Wellensiek (2011) S. 231 [235]. 137 Kreft, in: FS Kübler (2015) S. 359 [368 f.]; Gottwald/M. Huber, InsolvenzrechtsHandbuch (2015) § 34 Rn. 48 f. 138 MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 22. 139 Marotzke, ZZP, 2002, 507 [510] (= Anm. zu BGHZ 150, 353); M. Huber, ZInsO 2005, 449 [450]; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 48; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 263; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 102; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 133. 140 Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 477.

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„die Rechtsqualität von originären Masseverbindlichkeiten und -forderungen beigelegt [wird]. An dem Anspruch der Schuldnerin […] für solche Leistungen, welche nach Verfahrenseröffnung […] erbracht wurden, konnte die Kl. auf Grund der vor Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens erfolgten Sicherungszession Rechte gegenüber der vom Bekl. verwalteten Masse nicht wirksam erwerben.141

Der an die Erfüllungswahl anknüpfende Anspruch entsteht damit zwar nicht neu, erlangt aber immerhin eine neue rechtliche Qualität.142 Die Ansprüche werden „zwar inhaltlich, aber nicht rechtlich identisch“ wie die ursprünglichen Erfüllungsansprüche aus dem gegenseitigen Vertrag behandelt.143 Diese Annahme der Neubegründung als Masseforderung bzw. -verbindlichkeit anstelle des Erlöschens zeitigt damit für Aufrechnungen und noch vor Verfahrenseröffnung vorgenommene Zessionen dieselben Folgen wie zuvor unter der Erlöschenstheorie.144 Die novierende Wirkung der Erfüllungswahl bleibt damit bestehen.145 Insoweit ist daher die zu § 17 KO ergangene Rspr. übertragbar.146 Durch die Änderung der haftungsrechtlichen Qualität im Falle der Erfüllungswahl wird die Anwendung des § 91 InsO und des § 96 I Nr. 1 InsO legitimiert, um – freilich zum Preis der Veränderung der materiellrechtlichen Ausgangslage – ein massegünstiges Ergebnis zu erreichen.147 Ergänzend wird zur dogmatischen Begründung vorgetragen, dass der Schuldner vor Verfahrenseröffnung nicht über den „originären Masseanspruch“ verfügen konnte.148 Eine vor Verfahrenseröffnung erfolgte Zession ist damit unwirksam und eine Aufrechnung ausgeschlossen. Im Falle einer Sicherungszession entfällt das Absonderungsrecht des Zessionars.149 Im Ergebnis soll dadurch der Masse der Gegen141

BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = NJW 2002, 2783 [2785] [Herv. d. Verf.]. Gehrlein, NZI 2015, 97 [99]; Kreft, in: FS Uhlenbruck (2000) S. 387 [394]; Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [362]; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 68; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 39 ff. 143 BGH Urt. v. 9.3.2006, IX ZR 55/04 = NZI 2006, 350 [350]; Gehrlein, NZI 2015, 97 [99]; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 68 f.; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 50; KKInsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 263; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 13; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 133. 144 Henckel spricht daher auch von einer „modifizierten Erlöschenstheorie“, Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191. 145 Vgl. Graf/Wunsch, ZIP 2002, 2117 [2120]; von Wilmowsky, ZIP 2012, 401 [402 f.]; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 3. 146 Vgl. nur Kreft, in: FS Fischer (2008) S. 297 [298]: „Freilich werden die mit der sog. Erlöschenstheorie verbundenen Ergebnisse […] durch die dogmatische Neuausrichtung nicht in Frage gestellt.“ Vgl. ferner Kreft, FS Uhlenbruck (2000) 387 [395]. 147 Vgl. Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 32 f.; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 47 f.; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 107 ff.; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 50; HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 33 f. 148 KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 271. 149 Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 149. 142

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anspruch zufließen, sofern der Verwalter auch mit Mitteln der Masse die Forderung des Vertragspartners werthaltig macht, da die Leistung aus der Masse sonst nur einem Gläubiger zugutekäme und nicht der Gläubigergesamtheit.150 Die Auffassung der Rspr. soll dabei vordergründig von dem Sinn und Zweck des Verwalterwahlrechts getragen werden, da die Norm des § 103 InsO (bzw. die Vorgängervorschrift des § 17 KO) einen verstärkten Masseschutz anstrebe: „der offensichtliche Zweck des § 17 KO, dem Konkursverwalter im Interesse der Masse durch die Erfüllung eines Vertrags den Anspruch auf die ihm vorteilhaft erscheinende Gegenleistung zu verschaffen, würde vereitelt, wenn der durch die Wahl der Erfüllung wieder entstehende Anspruch auf die Gegenleistung in der Person des Zessionars des Gemeinschuldners auflebte; dann würde durch die Leistung des Konkursverwalters entgegen seiner in § 17 KO vorausgesetzten Absicht die zur Befriedigung der Konkursgläubiger bestimmte Masse verkürzt.“151

Die Auffassung des BGH zu den Zessionsfolgen wird damit von der Erwägung getragen, dass die Erbringung einer Leistung aus der Insolvenzmasse nur bezahlt werden soll, sofern ihr die entsprechende Gegenleistung zugutekommt.152 Mit Blick auf den Verlust der Aufrechnungsberechtigung des Vertragspartners folge aus dem Sinn und Zweck des Verwalterwahlrechts, dass die angestrebte Mehrung der Masse nicht zu Lasten der sonstigen Gläubiger behindert werden darf.153 Geprägt wurde dieses Ansinnen von Kreft – dem seinerzeit Vorsitzenden des für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Senats – der die Aufrechterhaltung einer vom späteren Gemeinschuldner vorgenommenen (Sicherungs-)Zession im eröffneten Verfahren sowie die Möglichkeit der Aufrechnung gegen den Erfüllungsanspruch der Masse für die Gläubigergleichbehandlung als „katastrophal“ bewertet.154 Die aus einer vollständig identischen Behandlung der beiderseitigen Erfüllungsansprüche mit dem ursprünglichen Vertrag folgende materiellrechtlich unverändert beibehaltene Abtretung sowie die fortbestehende Aufrechnungslage stellen sich als „unverdiente Geschenke (windfall profits)“ dar, die „durch nichts zu rechtfertigen“ sind.155 Im Übrigen liefe de 150

K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 45 f. So noch unter Zugrundelegung der Erlöschenstheorie, BGH Urt. v. 20.12.1988, IX ZR 50/88 = NJW 1989, 1282 [1284]; vgl. ferner BGH Urt. v. 22.2.2001, IX ZR 191/98 = NJW 2001, 3704 [3705]. Der BGH nimmt in seiner grundlegenden Entscheidung zur Suspensivtheorie a. a. O. auf die vorstehenden Urteile ausdrücklich Bezug. 152 Roth, in: FS Rolland (1999) S. 305 [305 f.]; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 5; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 271; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 138 und 149 ff. 153 Kreft, in: FS Fischer (2008) S. 297 [298 f.]; vgl. ferner § 17 KO, Adam, NJW 1995, 3103 [3103 f.]. 154 MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 9 f.; dem im Ergebnis folgend, Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 10. 155 MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 10. Vgl. ferner K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 46: „Das dieses Ergebnis nicht gewollt sein kann, ist weitgehend unstreitig.“ 151

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facto das Wahlrecht des Verwalters leer, da dieser hiervon kaum Gebrauch mache, sofern er sich nicht sicher sein kann, dass der Vertragspartner keine zur Aufrechnung geeigneten Forderungen hatte und eine Verfügung über den Erfüllungsanspruch des Gemeinschuldners unterblieben war.156 bb) Folgen der Erfüllungsablehnung Durch die „Wahl“ der Nichterfüllung belässt es der Insolvenzverwalter dagegen bei den durch die Suspensivtheorie eingetretenen Rechtsfolgen. Die bestehende materielle Rechtslage in Form des Durchsetzbarkeitsverlusts wegen des beiderseitigen Bestehens der Nichterfüllungseinreden wird lediglich bestätigt. Insbesondere wirkt die Ablehnung der Erfüllung nicht umgestaltend auf das Vertragsverhältnis ein.157 Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, „bleibt der Vertrag in der Lage bestehen, in welcher er sich bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befand.“158

Die Ablehnung erschöpft sich darin, dass der Verwalter nicht mehr Erfüllung wählen kann. Bezogen auf die aus der Verfahrenseröffnung resultierenden Folgen entfaltet die Ablehnung mithin lediglich deklaratorische Wirkung und klärt die Ungewissheit über das Wahlverhalten des Verwalters in einem negativen Sinne.159 Der Gläubiger wird somit für die Dauer des Verfahrens (§ 201 I InsO) auf eine Anmeldung seines „Nichterfüllungsschadens“ zur Tabelle verwiesen, während eine klageweise Geltendmachung versperrt bleibt, § 87 InsO. Ein wesentlicher Unterschied zur Erlöschenstheorie ist dabei, dass die mit der Forderungsanmeldung verbundene Einwirkung auf das Vertragsverhältnis lediglich eine Option des Gläubigers ist, von der dieser keinen Gebrauch machen muss. Verzichtet der Gläubiger hierauf, bleibt der Vertrag mit dem Defekt des Durchsetzbarkeitsverlusts bestehen und der Gläubiger kann nach Aufhebung des Verfahrens und vorbehaltlich der Restschuldbefreiung den Primäranspruch weiter geltend machen. Macht der Gläubiger von der Anmeldung der Forderung we-

156 Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [363]; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 10. 157 BGH Urt. v. 27.5.2003, IX ZR 51/02 = NZI 2003, 491 [494]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 484; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 46; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 72 f. Abweichend Wazlawik, NZI 2018, 337 [341]. 158 BGH Urt. v. 7.2.2013, IX ZR 218/11 = NZI 2013, 296 [296], so auch BGH Urt. v. 19.11.2015, IX ZR 198/14 = NZI 2016, 128 [129]. 159 Bärenz, NZI 2006, 72 [74]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 519; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 27; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 18; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 51; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 314 f.

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gen Nichterfüllung jedoch Gebrauch – und nur dann – vollzieht sich eine Umgestaltung des Vertrags.160 Streitig ist insofern lediglich die vom BGH – weil im Ergebnis für unerheblich gehalten – bislang offen gelassene Frage, ob sich die Forderung wegen Nichterfüllung aus § 103 II InsO oder (bzw. und) aus den allgemeinen leistungsstörungsrechtlichen Regeln der §§ 280 ff. BGB ergibt.161 cc) Vertragsspaltung bei teilweiser Erbringung teilbarer Leistungen Ausweislich des § 103 I InsO kann der Verwalter sowohl bei einem nicht als auch bei einem noch nicht vollständig erfüllten Vertrag Erfüllung wählen. Unanwendbar ist die Norm allein, sofern eine Partei vor Verfahrenseröffnung vollständig geleistet hat.162 Bei den vorstehenden Ausführungen blieb bislang jedoch unberücksichtigt, wie es sich bei bereits vor Verfahrenseröffnung teilweiser Leistungserbringung durch eine Partei verhält. In diesem Zusammenhang ist auch zum geltenden Recht der Blick auf eine noch zur Konkursordnung ergangene Rspr. erhellend, mit welcher der BGH bei teilweiser Leistungserbringung vor Verfahrenseröffnung eine Vertragsspaltung für die insolvenzmäßige Abwicklung zugelassen hat.163 Denn durch die im Anschluss mit der sog. „Sachsenmilchentscheidung“164 bestätigte Auffassung wurde das Alles-oder-Nichts-Prinzip mit Blick auf die Wahlrechtsmöglichkeiten aufgeweicht und eine Spaltung des Vertrags zugelassen, sofern vor Verfahrenseröffnung bereits ein teilweiser Leistungsaustausch stattgefunden hat.165 Der BGH 160 Bärenz, NZI 2006, 72 [74]; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 18; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 75 f.; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 22. 161 Darauf wird bei den Ausführungen zur Verfahrensteilnahme durch Kombination aus Rücktritt und Schadensersatz zurück zu kommen sein. Für eine Begründung basierend allein auf allgemeinem Leistungsstörungsrecht des BGB, Stamm, KTS 72 (2011) 421 [433 f.]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 520; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 54 ff.; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 79.1; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 93; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 317; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 166. Für einen rein insolvenzrechtlichen Ausgleichsanspruch, Windel, JURA 2002, 230 [233]; Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.06; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 35; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 34 und 241 ff.; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 317 f. Für eine Kombination zur Begründung der Anspruchsgrundlage, Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 69. Offen gelassen von Baldringer (2014) S. 156; Kepplinger (2000) S. 210; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 56; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 2; HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 41; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 22. 162 Vgl. die Ausführungen zur Bedeutung der §§ 55 I Nr. 2, 103 InsO für die Überwindung des Konflikts zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip, Kap. 3 I 1. c). 163 BGH Urt. v. 4.5.1995, IX ZR 256/93 = NJW 1995, 1966. 164 BGH Urt. v. 27.2.1997, IX ZR 5/96 = WM 1997, 794. 165 Graf/Wunsch, ZIP 2002, 2117 [2119]; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht (2010) Kap. 31 Rn. 7. Zum Meinungsstand bzgl. der Zulässigkeit einer auf künftige Leistungen beschränkten Erfüllungswahl in der KO, Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [9 f.].

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ließ sich dabei von Gedanken des Masseschutzes leiten, um in Begründung einer Einschränkung der zum Entscheidungszeitpunkt noch zugrunde gelegten Erlöschenstheorie einen anteiligen Gegenleistungsanspruch für von der Masse vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen zu erzielen: „Vielmehr ist es angezeigt, die mit der Eröffnung des Konkursverfahrens und dem Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters verbundenen Rechtsfolgen auf den Teil der Gegenleistung zu beschränken, der auf die bei Verfahrenseröffnung noch ausstehende Erfüllungsleistung der Masse entfällt. Bei teilweise erbrachten Leistungen des Gemeinschuldners wird mithin die auf diesen Teil entfallende Gegenleistung weder durch die Eröffnung des Konkursverfahrens noch durch das Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters berührt.“166

Im Anschluss an diese Rspr., die bei Vor- oder Mehrleistungen des späteren Insolvenzschuldners unabhängig von der Erfüllungswahl der Masse einen anteiligen Gegenleistungsanspruch sichert, entschied der BGH, dass auch im Fall einer Vor- oder Mehrleistung des Vertragspartners eine auf den verbleibenden Vertragsteil beschränkte Erfüllungswahl möglich ist. Die Anwendung des vorstehenden Rechtsgedankens „auf einen Fall, in dem nicht der Gemeinschuldner, sondern der Vertragspartner vor Konkurseröffnung ihm obliegende teilbare Leistungen zum Teil erbrachte, hat zur notwendigen Folge, daß die Masse für die entsprechenden Gegenleistungen nicht aufzukommen hat.“ [Der Teilanspruch des Verwalters wird durch das Erfüllungsverlangen] „auch nicht neu begründet, sondern bleibt als Konkursforderung bestehen.“167

Speziell dieser Ansatz gewährt dem Verwalter den großen Vorteil, den Vertragspartner auch bei Erfüllung des lediglich verbleibenden Vertragsteils an denselben vertraglichen (Sonder-)Konditionen festzuhalten.168 Diese Rspr. sollte nunmehr in § 105 S. 1 und 2 InsO in Gesetzesform gegossen werden.169 Materiell-rechtlich soll der einheitliche Vertrag zwar als solcher bestehen bleiben, die Verfahrenseröffnung jedoch zu einer der teilweisen Erfüllung entsprechenden Spaltung des Vertrags führen.170 Damit wird der noch unerfüllte Vertragsteil wie ein gegenseitiger Vertrag behandelt, auf den die Vertragsparteien im Eröffnungszeitpunkt noch keinerlei Leistungen erbracht haben. Auch unter 166

BGH Urt. v. 4.5.1995, IX ZR 256/93 = NJW 1995, 1966 [1967] [Herv. d. Verf.]. BGH Urt. v. 27.2.1997, IX ZR 5/96 = WM 1997, 794 [794 f.]; vgl. dazu ferner Kreft, in: FS Uhlenbruck (2000) S. 387 [394]. 168 Braun/Kroth (2017) InsO § 105 Rn. 13. 169 KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 7. Zudem sollte sich dadurch die mühsame Konstruktion sog. Wiederkehrschuldverhältnisse erübrigen, BT-Drucks. 12/2443, 145 f.; vgl. dazu Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [10]. Die Konstruktion dieser Schuldverhältnisse, die als Rahmenvertrag die Ausgestaltung jeweils singulärer Verträge definieren sollten, hat mit Inkrafttreten der InsO somit an Bedeutung verloren, MüKoBGB/Gaier § 314 Rn. 7. Dabei handelt es sich um gewöhnliche Dauerschuldverhältnisse, denen nun mit § 105 InsO begegnet werden kann, Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 36 Rn. 5 ff. 170 KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 10; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 16. 167

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Zugrundelegung der Suspensiv- und Qualitätssprungtheorie hat es damit bei den vorstehenden sein Bewenden, dass sich die mit der Erfüllungswahl verbundene Rechtsfolge der Aufwertung zu Masseverbindlichkeiten auf die noch ausstehenden Erfüllungsleistungen beschränken lässt – mit den sich daraus für Zessionen und Aufrechnungslagen ergebenden Konsequenzen.171 Dagegen folgt die Abwicklung des bereits von einer Seite erfüllten Vertragsteils den allgemeinen Regeln und wird so wie ein gegenseitiger Vertrag behandelt, der einseitig voll erfüllt wurde.172 Damit erhält die Masse einen Anspruch auf das anteilige Entgelt für die vom Schuldner bis zur Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen, auch wenn der Insolvenzverwalter die Vertragserfüllung ablehnt.173 Demgegenüber stellt § 105 S. 1 InsO klar, dass der Vertragspartner mit dem der bereits erbrachten Teilleistung entsprechenden Betrag (§ 45 InsO) seines Anspruchs auf die Gegenleistung Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO ist, auch wenn der Insolvenzverwalter wegen der noch ausstehenden Leistung Erfüllung verlangt.174 Hinsichtlich der vor Verfahrenseröffnung in das Vermögen des Schuldners übergegangenen Teilleistung verbietet § 105 S. 2 InsO konsequenterweise, dass der Vertragspartner wegen der Nichterbringung der entsprechend anteiligen Gegenleistung – vorbehaltlich eines Aussonderungsrechts nach § 47 InsO – Rückgabe des Geleisteten aus der Masse verlangen kann. Abweichungen hiervon werden lediglich in Form einer Verrechnung zugelassen, sofern beide Parteien bereits teilweise vor Verfahrenseröffnung Leistungen erbracht haben. Zum einen findet eine Verrechnung statt, wenn sich die gleichwertigen Teilleistungen decken, weil beide Vertragsparteien mit Rücksicht auf die subjektive Äquivalenzentscheidung im gleichen Umfang geleistet haben. Es verbleiben sodann nur noch unerfüllte Teilansprüche in entsprechendem Umfang, auf die § 103 InsO anwendbar ist.175 Hat zum anderen bereits ein beiderseitiger Austausch von Teilleistungen stattgefunden, wobei eine Partei mehr geleistet hat als die andere, findet lediglich insoweit eine Verrechnung statt, als sich die Teilleistungen decken. Mit der verbleibenden Differenz zu Gunsten derjenigen Partei, die mehr geleistet hat, verhält es sich wie in den Fällen, in denen eine Vertragspartei teilweise geleistet hatte, die andere hingegen nichts.176

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Vgl. Kreft, in: FS Kübler (2015) S. 359 [368]; Gottwald/M. Huber, InsolvenzrechtsHandbuch (2015) § 35 Rn. 25. 172 Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 15. 173 BGH Urt. v. 1.12.2011, IX ZR 79/11 = NZI 2012, 76 [79]; Gehrlein, NZI 2015, 97 [97]; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 144. 174 BGH Urt. v. 17.12.2009, IX ZR 214/08 = NZI 2010, 180 [181]; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 25. 175 BGH Urt. v. 17.12.2009, IX ZR 214/08 = NZI 2010, 180 [181]; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 37; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 19. 176 MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 38 und 53 f.

152

Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Irrelevant ist für die auf den unerfüllten Vertragsteil beschränkte Wahlrechtsausübung, ob die vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilleistung den vertraglichen Vereinbarungen entsprach oder in Abweichung zu § 266 BGB vorgenommen wurde.177 Um die Parteien jedoch so behandeln zu können, als hätten sie zwei selbstständige Verträge geschlossen, setzt die vorstehend beschriebene Vertragsspaltung die Teilbarkeit der Leistungen voraus, vgl. auch § 105 S. 1 InsO.178 Diese ist insbesondere bei Verträgen über fortlaufende Lieferungen von Waren oder Energie ohne Weiteres gegeben, die auch der Gesetzgeber bei Schaffung des § 105 InsO im Blick hatte.179 Darauf bleibt § 105 InsO jedoch nicht beschränkt. Das Teilbarkeitserfordernis bereitet indessen auch im Übrigen kaum Schwierigkeiten, nachdem die h. M. im Sinne des Masseschutzes ein sehr weites Verständnis zugrunde legt und genügen lässt, wenn sich die erbrachten Leistungen „feststellen und bewerten“ lassen.180 Da es insbesondere nicht darauf ankommt, dass sich die bereits erbrachte Leistung auch wirtschaftlich einer konkreten anteiligen Gegenleistung zuordnen lässt, sind kaum Sachverhalte denkbar, in denen bei gleichzeitig fehlender vollständiger Erfüllung die Teilbarkeit zu verneinen wäre.181 Ein Fall der Unteilbarkeit mag deshalb etwa in dem seltenen Fall der Lieferung von Unikaten vorliegen, die nur bei vollständiger Lieferung wirtschaftlichen Wert verkörpern.182 Dort bleibt es bei dem Alles-oder-Nichts-Prinzip der Wahlrechtsausübung. Zwar ist daneben auch in Fällen einer Grundstücksveräußerung die Teilbarkeit regelmäßig zu verneinen.183 Allerdings stößt die Beibehaltung des Alles-oder-Nichts-Prinzips der Wahlrechtsausübung dort regelmäßig nicht auf Bedenken: hat der spätere Insolvenzschuldner als Käufer lediglich eine Anzahlung geleistet und der veräußernde Vertragspartner deshalb auch noch nicht das Eigentum an dem Grundstück verschafft, kann der Vertragspartner bei Erfüllungsablehnung das

177

Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 35 Rn. 23. HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 44. 179 BT-Drucks. 12/2443, 145. 180 St. Rspr. vgl. nur BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = NJW 2002, 2783 [2784]. Vgl. ferner aus der Lit. Gehrlein, NZI 2015, 97 [100]; M. Huber, NZI 2002, 467 [469]; Kreft, in: FS Uhlenbruck (2000) S. 387 [390 ff.]; Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [368]; Braun/Kroth (2017) InsO § 105 Rn. 4; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 105 Rn. 8 ff. Krit. Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 105 Rn. 8. 181 Mohrbutter/Mohrbutter, DZWIR 2003, 1 [5]; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 105 Rn. 3. Höchstpersönlich zu erbringende und damit unteilbare Leistungen liegen bereits außerhalb des Anwendungsbereichs des § 103 InsO, BeckOK InsO/Berberich § 105 Rn. 21. 182 Vgl. K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 105 Rn. 11. 183 Vgl. dazu BGH Urt. v. 7.2.2013, IX ZR 218/11 = NZI 2013, 296 [296]. 178

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

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Grundstück aussondern und im Gegenzug erhält der Schuldner seine Anzahlung zurück.184 Im umgekehrten Fall des Verkaufs durch den Schuldner kann (insofern ist ohnehin § 106 I InsO zu berücksichtigen) der Verwalter Erfüllung wählen und so den übrigen Kaufpreis zur Masse ziehen. c) Folgen der Suspensivtheorie auf gesetzliche Rücktrittsrechte des Vertragspartners und Abgrenzung zu sonstigen Lösungsrechten Nach den vorstehenden Ausführungen liegt das Schicksal der sich aus dem gegenseitigen Vertrag ergebenden Erfüllungsansprüche allein in der Hand des Verwalters. Der Vertragspartner ist der bei dem Verwalter monopolisierten Wahlrechtsausübung ausgesetzt, der anstelle des Insolvenzschuldners über die vertragsgemäße Abwicklung oder die Verweisung auf die Quote für die Forderung wegen Nichterfüllung entscheidet.185 Damit unterscheidet sich das insolvenzvertragliche Leistungsstörungsrecht grundlegend von dem Leistungsstörungsrecht des BGB. Schließlich ist letzterem außerhalb von § 275 II und III BGB ein Wahlrecht des Schuldners bei dessen nicht vertragsgemäßer Leistung fremd. Vielmehr hat dort der Gläubiger die Wahl, ob er infolge des vertragswidrigen Verhaltens Gestaltungsrechte geltend macht und so auf das Schicksal der Erfüllungsansprüche einwirkt.186 Nach der Verfahrenseröffnung kollidieren somit das Wahlrecht des Verwalters aus § 103 InsO mit den sich insbesondere aus § 323 ff. BGB ergebenden schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechten des Vertragspartners.187 Die Auflösung dieser Wahlrechtskollision steckt nach wie vor in den Anfängen.188 Eindeutige Aussagen der Rspr. zu gesetzlichen Rücktrittsrechten des Gläubigers in der Insolvenz gibt es nicht.189 Im Umfeld zu Lösungsrechten des Vertragspartners hat der BGH bislang lediglich zu Kündigungsrechten klargestellt, dass „weder die Insolvenzeröffnung noch die Erfüllungsablehnung durch den Insolvenzverwalter ein vertraglich eingeräumtes Kündigungs- oder Rücktrittsrecht [beeinflussen].“190

184

Die Grundlage des schuldnerischen Rückforderungsrechts lässt BGH Urt. v. 7.2.2013, IX ZR 218/11 = NZI 2013, 296 [297] offen. Dies hätte sich zwanglos aus dem Rückgewährschuldverhältnis ergeben, das aus dem Rücktritt des Vertragspartners erwächst, der im Übrigen auch zur Geltendmachung des Aussonderungsanspruchs erforderlich ist, dazu sogleich. 185 Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 116 ff. 186 Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 101. 187 Monographisch Wegener (2007) S. 55 ff.; Burkhard (2007) S. 78 ff.; vgl. ferner Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [8 ff.]. 188 Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 126; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 165; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 101. 189 Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 101. 190 BGH Urt. v. 17.11.2005, IX ZR 162/04 = NZI 2006, 229 [231] [Herv. d. Verf.]. Vgl. statt vieler Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 157.

154

Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Insofern wird deshalb auch die viel diskutierte, aber hier nicht zu vertiefende Frage virulent, inwiefern sog. Lösungsklauseln für den Insolvenzfall angesichts des § 119 InsO wirksam sind.191 Dabei handelt es sich um die vertraglich vereinbarte Einräumung von erstens an die Insolvenz anknüpfenden entweder gesetzlich nicht vorgesehenen Rücktritts- oder Kündigungsrechten bzw. zweitens gesetzlich nicht vorgesehenen automatischen Vertragsbeendigungen oder Modifikationen der Rechtsfolgen eines gesetzlichen Rücktritts- oder Kündigungsrechts oder drittens um die vertraglich vereinbarte Vorverlagerung einer gesetzlich vorgesehenen Vertragsbeendigung für den Insolvenzfall.192 Auf solche vertraglich vereinbarten Rechte, die anders als die hier betrachtete Vertragsumsteuerung wegen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts losgelöst von der Störung des Synallagmas entsprechende Rechtsfolgen zeitigen, braucht hier nicht näher eingegangen zu werden.193 Immerhin mit Blick auf gesetzliche Kündigungsrechte des Vertragspartners gibt eine Entscheidung vom 14.9.2017 Aufschluss über deren Schicksal in der Insolvenz. Zu der bis dahin nicht entschiedenen Frage, ob das für Werk(lieferungs)verträge geltende gesetzliche Kündigungsrecht aus § 648 BGB in der Insolvenz Bestand hat, stellt der BGH klar: „Die Insolvenzordnung enthält keine Vorschrift, welche das Kündigungsrecht des Bestellers in der Insolvenz des Unternehmers ausschließt. Der Schutz der Masse verlangt keine derartige Einschränkung des Kündigungsrechts.“194

Das jederzeitige Kündigungsrecht mit der in § 648 S. 2 BGB verbundenen Vergütungspflicht wird demnach von der Insolvenz nicht berührt. Anders soll es sich lediglich mit einer Kündigung aus wichtigem Grund verhalten (jetzt § 648a BGB), die der Besteller allein auf die Insolvenz des Schuldners stützt, um sich der Vergütungspflicht für noch nicht erbrachte Leistungen zu entziehen. Wurde der Vertrag in Kenntnis eines bereits gestellten Eröffnungsantrags geschlossen, stellt die Verfahrenseröffnung keinen wichtigen Grund für die Kündigung dar: „Sowohl das Risiko der verzögerten Entscheidung über die Erfüllung der Verträge als auch dasjenige der Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren hat der Vertragspartner des Insolvenzschuldners nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch hinzunehmen; eine Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen sie nicht.“195

191

Monographisch dazu Wöllner (2009) passim; Schwörer (2000) passim; zum Streitstand vgl. nur die zahlreichen Nachweise bei BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = BeckRS 2016, 08553 [dort Rn. 19 und 21]. 192 Piekenbrock, ZIP 2018, 1 [2]. 193 Lediglich mit Blick auf die Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz wird auf eine etwaige Ausübungssperre aus § 119 InsO zurück zu kommen sein. 194 So BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112] zu inhaltsgleichen Vorschrift des § 649 BGB a. F. (bis 31.12.2017). 195 BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [114].

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

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Eine Ausnahme hiervon ist nach einer Entscheidung des VII. Senats vom 7.4.2016 allenfalls dann zuzulassen, wenn sich der Besteller mit der Kündigung auf einen Eigenantrag des Auftragnehmers stützt und der Vertrag noch im Vorfeld der Insolvenz geschlossen wurde: „[…] denn auf Grund des Eigeninsolvenzantrags des Auftragnehmers ist der Auftraggeber regelmäßig berechtigt, den Bauvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen. Durch den Eigeninsolvenzantrag bringt der Auftragnehmer aus Sicht des Auftraggebers zum Ausdruck, eine Gewähr für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung nicht mehr geben zu können. Das für die Fortsetzung des Bauvertrags erforderliche Vertrauensverhältnis wird hierdurch – ungeachtet der Frage, ob der Auftragnehmer seine Arbeiten zu diesem Zeitpunkt bereits eingestellt hat oder weiterhin erbringt – nachhaltig gestört.“196

Zum Gradmesser wird für ex nunc wirkende Kündigungsrechte „aus wichtigem Grund“ somit die Frage, ob der Vertragsschluss bereits in Kenntnis der Insolvenz erfolgte. Schließlich wurde die vorstehende Entscheidung des VII. Senats im Anschluss nicht von dem für das Insolvenzrecht zuständigen IX. Senat beanstandet, sondern nur mit Rücksicht auf die Kenntnis des Vertragspartners um die bevorstehende Insolvenz nicht übertragen.197 Während sich somit für ex nunc wirkende Kündigungsrechte eine Linie des BGH abzeichnet, bleibt die Rspr. Aussagen zu gesetzlichen Rücktrittsrechten bislang schuldig.198 aa) Rücktritt bei fehlender Erklärung und Erfüllungsablehnung Wegen des im Falle der Erfüllungsablehnung durch den Verwalter auf § 320 BGB gestützten Durchsetzbarkeitsverlusts soll aufgrund des damit verbundenen Fehlens einer Rücktrittsvoraussetzung ein Rücktritt laut großen Teilen des der Suspensivtheorie folgenden Schrifttums ausgeschlossen bleiben.199 Insofern muss zwar darauf hingewiesen werden, dass eine vereinzelt vertretene 196 So zur Regelung des § 8 II Nr. 2 VOB/B, die daher auch nicht vom gesetzlichen Leitbild des § 649 BGB a. F. (jetzt § 648 BGB) abweiche und damit nicht gem. § 134 BGB wegen Verstoßes gegen §§ 103, 119 InsO unwirksam sei, BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [535 f.]. 197 BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [113] geht darauf ausdrücklich ein. 198 Soweit ersichtlich hat sich in der höchstrichterlichen Rspr. allein das BAG mit einem Rücktritt im eröffneten Verfahren befasst und diesen unter Berufung auf den mit Verfahrenseröffnung (bzw. bereits nach § 21 II 1 Nr. 3 InsO) eintretenden Durchsetzbarkeitsverlust verneint, BAG Urt. v. 10.11.2011, 6 AZR 357/10. Unabhängig davon, dass sich dem – im Fall ging es um den Rücktritt von einem Aufhebungsvertrag zwischen Arbeitgeber und nehmer – kaum eine allgemeingültige Aussage entnehmen lässt, kann dem nicht gefolgt werden: vgl. die Ausführungen zur Zweckverfehlung des Durchsetzbarkeitserfordernisses bei der aus der Verfahrenseröffnung gefolgerten Rücktrittssperre, Kap. 3 I. 3. b) bb). 199 Vgl. Wöllner (2009) S. 73; Heidland, ZInsO 2011, 201 [203]; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 139 ff.; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 102 und 106 und die in den folgenden Fn. genannten.

156

Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Vermengung von Fälligkeit und Durchsetzbarkeit nur zu weiterer Verwirrung bei der Bewertung der Folgen der Suspensivtheorie beiträgt: wenn nämlich ausgeführt wird, aus der Insolvenzeröffnung folge, dass „die vertraglichen Ansprüche jedoch nicht durchsetzbar und folglich nicht fällig“ sind,200 wird übersehen, dass die als Einredefreiheit verstandene Durchsetzbarkeit einer Forderung nichts über deren Fälligkeit besagt.201 Allerdings gelangt die der Suspensivtheorie folgende herrschende Auffassung unabhängig davon schon wegen des Durchsetzbarkeitsverlusts zu einer Sperrung des Rücktrittsrechts. Aus der auf § 320 BGB gestützten Nichtdurchsetzbarkeit der Erfüllungsansprüche folge zugleich eine Rechtsausübungssperre. Der Gläubiger kann danach keine Frist zur Herbeiführung des Rücktrittsrechts aus § 323 BGB setzen.202 Dies folge nach dieser Auffassung daraus, dass ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung die insolvenzrechtlichen Sonderregelungen greifen.203 Darüber hinaus seien nach teilweise vertretener Auffassung selbst nach der Erfüllungsablehnung des Verwalters die Gläubigerrechte suspendiert und insbesondere ein Rücktritt ausgeschlossen. Mit dem Wegfall der Durchsetzbarkeit entfalle schließlich eine zentrale Voraussetzung des § 323 I BGB.204 Nach Erfüllungsablehnung können nach dieser Auffassung zudem auch Rechte nach § 437 BGB während des Insolvenzverfahrens nicht geltend gemacht werden.205 Eine dogmatisch fragwürdige und lediglich im Ergebnis begrüßenswerte Ausnahme sei allein für den Rücktritt des Vorbehaltsverkäufers in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers zuzulassen: weil sich die Sicherungsfunktion des vorbehaltenen Eigentums – das anders als etwa die Sicherungsübereignung eine Aussonderung erlaubt, §§ 47, 51 Nr. 1 InsO – sonst nicht verwirklichen ließe und der Gläubiger auf den Rücktritt angewiesen ist (§ 449 II BGB), könne

200 So Bärenz, NZI 2006, 72 [75] [Herv. d. Verf.], der deshalb einen auf § 323 IV BGB oder § 324 BGB gestützten Rücktritt erwägt. Dem folgend Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 34. Ebenso für einen Rücktritt gem. § 324 BGB jedoch ohne Begründung, HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 40 und 55. Ähnlich M. Huber, in: FS Musielak (2004) S. 267 [282]. 201 Vgl. dazu die Ausführungen zur Verwirklichung des Äquivalenzprinzips außerhalb der Insolvenz, Kap. 2 II. 202 Heidland, ZInsO 2011, 201 [203]; M. Huber, NZI 2016, 525 [527]; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 30 a. E.; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 15 f.; KKInsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 317; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 78; wohl auch BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 103. 203 FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 30 a. E. 204 Stehle, JURA 2005, 78 [82]; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 139; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 57. So im Ergebnis auch, Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 31 und 95. Lediglich beschränkt auf eine noch vor Verfahrenseröffnung gesetzte Frist, K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 58. 205 MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 139.

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der Verkäufer dort im Falle der Erfüllungsablehnung durch den Verwalter des insolventen Käufers nach § 323 I BGB zurücktreten.206 bb) Rücktritt bei Erfüllungswahl Mit der Erfüllungswahl tritt der Verwalter an die Stelle des Schuldners. Die Abwicklung des Vertrags und die Durchsetzung der daraus erwachsenden Ansprüche richten sich dann für beide Parteien nach den allgemeinen Regeln.207 Die §§ 320 ff. BGB gelten dementsprechend wegen nun eintretender Vertragsverletzungen in demselben Umfang, wie sie auch außerhalb des Insolvenzverfahrens Anwendung finden.208 Ein Rücktritt nach § 323 BGB ist demnach unproblematisch möglich, wenn die Erbringung der fälligen Gegenleistung durch den Verwalter trotz Erfüllungswahl ausbleibt und eine im Anschluss daran vom Vertragspartner gesetzte Frist fruchtlos verstreicht. Bezogen auf das Erfordernis einer fälligen Forderung muss freilich berücksichtigt werden, dass sich die Fälligkeit weiterhin nach den ursprünglichen Vereinbarungen richtet.209 Tritt der Gläubiger wirksam zurück oder stehen ihm Schadensersatzansprüche zu, ist er auch mit seinen Sekundäransprüchen Massegläubiger. Zwar lässt sich die Einordnung als Masseverbindlichkeit dort kaum auf § 55 I Nr. 2 InsO stützen. Denn es handelt sich dabei weder um Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Insolvenz verlangt wird, noch um oktroyierte Verbindlichkeiten i. S. d. §§ 103 ff. InsO. Allerdings werden die Ansprüche des Vertragspartners zwanglos von § 55 I Nr. 1 InsO erfasst, nachdem diese sodann auf einer dem Verwalter zurechenbaren Pflichtverletzung beruhen.210 Schwieriger zu beurteilen ist dagegen das Schicksal eines bereits vorinsolvenzlich entstandenen gesetzlichen Rücktrittsrechts im Fall der Erfüllungswahl.211 Hat der Vertragspartner dem Schuldner noch vor Verfahrenseröffnung eine Frist gesetzt und ist diese fruchtlos verstrichen, stellt sich schließlich die 206

Stehle, JURA 2005, 78 [82]; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 139 und 143; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 31. 207 Vgl. nur BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 106; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 94; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 312. 208 MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 166. 209 Vgl. jüngst BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NZI 2017, 60 [60 f.]; § 41 InsO ändert hieran nichts, da die mit der Fälligkeitsfiktion nur die Verfahrensbeteiligung als Insolvenzgläubiger ermöglicht, Muthorst, ZIP 2009, 1794 [1795]. 210 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 335; ohne Bedenken einer Einordnung in § 55 I Nr. 2 InsO Gottwald/Klopp/Kluth/Wimmer, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 56 Rn. 18; BeckOK InsO/Erdmann § 55 Rn. 40; Jaeger/Henckel (2004) InsO § 55 Rn. 45; K. Schmidt/Thole (2016) InsO § 55 Rn. 34; krit. Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 140 ff. 211 Monographisch dazu Wegener (2007) S. 94 ff. jedoch unter der Prämisse, „dass die novierende Wirkung der Erfüllungswahl nach § 103 I InsO zu einer Beendigung des Schuldnerverzugs“ führe.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Frage, ob der Vertragspartner dieses Recht auch noch im Fall der Erfüllungswahl des Verwalters ausüben kann, solange jedenfalls die Leistung noch nicht erbracht wurde.212 Ähnlich liegt es hinsichtlich der Frage, ob eine vor Verfahrenseröffnung gesetzte, aber noch nicht abgelaufene Frist weiterläuft, mit der Folge, dass dem Vertragspartner bereits aus dem Ablauf derselben die daraus erwachsenden Sekundärrechte zur Seite stehen. Nach wohl überwiegender Auffassung wird dem Vertragspartner ein Rücktrittsrecht in diesen Fällen gleichermaßen abgesprochen.213 Aus dem mit Verfahrenseröffnung eintretenden Durchsetzbarkeitsverlust resultiere eine Rechtsausübungssperre, die der Ausübung eines vorinsolvenzlich entstandenen Rücktrittsrechts ebenso entgegensteht, wie dem Rücktritt gestützt auf eine noch vor Verfahrenseröffnung gesetzte, aber noch nicht verstrichene Frist.214 Selbst wenn der Leistungsanspruch infolge der Erfüllungswahl wieder durchsetzbar wird, stehe der Sinn und Zweck des § 103 InsO einer Ausübung eines solchen Rücktrittsrechts entgegen.215 Getragen werde dieses Ergebnis von der Norm des § 112 Nr. 1 InsO, die dies für die Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen ausdrücklich feststellt.216 cc) Rücktritt im Fall der Vertragsspaltung bei unvollständiger Erbringung teilbarer Leistungen Auch wenn betont wird, dass trotz der im Falle einer wegen bei Verfahrenseröffnung bereits erbrachten Teilleistung angenommenen Aufspaltung der Vertrag materiell-rechtlich unverändert Bestand hat, gestattet die herrschende Auffassung einen Bruch mit dem Schutz der synallagmatischen Verknüpfung.217 Der aus der synallagmatischen Verknüpfung resultierende Schutz des Vertragspartners soll getrennt auf die jeweiligen Vertragsteile zurückschrumpfen. 212 Auch außerhalb der Insolvenz ist lebhaft umstritten, ob das Rücktrittsrecht des Gläubigers durch ein vertragsgemäßes Leistungsangebot des Schuldners zu Fall gebracht werden kann, vgl. Althammer, NJW 2006, 1179 [1181]; Faust, in: FS Huber (2006) S. 239 [243 ff.]; Finn, ZGS 2004, 32 [33 ff.]; Hanau, NJW 2007, 2806 [2808 ff.]; Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 [3462 f.]; Schwab, JR 2003, 133 [134]; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 144 ff.; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. D 3 ff. Tatsächlich gehen die Materialien jedoch ganz selbstverständlich davon aus, dass der „Schuldner die Unsicherheit jederzeit dadurch beenden [kann], dass er die geschuldete Leistung erbringt.“ BT-Drucks. 14/6040, 185. Krit. dazu, Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [37]. 213 Wegener (2007) S. 97; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 325 ff. und 331 ff.; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 16 f.; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 139; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 104 und 107. 214 MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 139. 215 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 325 f. 216 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 325; ähnlich Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63. 217 Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 16 und 23.

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

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Dieses Konzept führt im Ergebnis zu zwei getrennten Verträgen, die zueinander nicht einmal mehr in einem Konnexitätsverhältnis stehen sollen.218 Dementsprechend geht die herrschende Auffassung davon aus, der Vertragspartner könne nicht gestützt auf § 320 BGB seine infolge der Erfüllungswahl geschuldete Teilleistung mit der Begründung zurückhalten, dass er hinsichtlich des anderen Vertragsteils nur Aussicht auf eine quotale Gegenleistung hat.219 Konsequenterweise folgt nach herrschender Auffassung aus § 105 InsO außerdem ein Ausschluss des Rücktrittsrechts für den ganzen Vertrag wegen der teilweisen Nichtleistung. Ohne diesen Ausschluss liefe die Regelung des § 105 schließlich weitgehend leer, da sich der Vertragspartner unter Berücksichtigung der materiellrechtlichen Voraussetzungen durch einen Rücktritt wegen teilweiser Nichtleistung vom Vertrag trennen könnte.220 Anderenfalls werde das Wahlrecht des Verwalters unterlaufen, die Erfüllungswahl auf den noch ausstehenden Teil zu beschränken.221 Es verbleibt danach für beide Seiten bei der Möglichkeit, einen Rücktritt lediglich begrenzt auf den mit Wirkung für die Masse fortgesetzten Vertragsteil zu erklären. Der Rücktritt muss auf einer Pflichtverletzung nach Erfüllungswahl basieren und beschränkt sich auf den zur Erfüllung gewählten Vertragsteil. Dementsprechend ist auch nur die Rückforderung aus dem Rückgewährschuldverhältnis, dem der abgespaltene Vertragsteil zugrunde liegt, eine Masseverbindlichkeit.222 dd) Exkurs: Anwendbarkeit des § 103 InsO auf bestehende Rückgewährschuldverhältnisse Von der Ausübung etwaiger Gegenwahlrechte im eröffneten Verfahren ist die Frage zu unterscheiden, inwiefern § 103 InsO auf die Erfüllung von Ansprüchen aus Rückabwicklungsschuldverhältnissen anwendbar ist. Anerkannt ist

218

Vgl. Schaaf/Mushardt, BB 2013, 2056 [2056]; von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285

[291]. 219 Henkelmann (2009) S. 181 ff.; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 46; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 105 Rn. 11; BeckOK InsO/Berberich § 105 Rn. 32; Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103–119 Rn. 16; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 105 Rn. 30; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 11 f.; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 47; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 23. 220 Jacoby, ZIP 2014, 649 [656]; BeckOK InsO/Berberich § 105 Rn. 34.1; Braun/Kroth (2017) InsO § 105 Rn. 7. Abweichend in der Begründung Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 105 Rn. 16 f. 221 Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 46; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 105 Rn. 32. 222 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 96.

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lediglich, dass ein vor Verfahrenseröffnung erklärter Rücktritt wirksam bleibt.223 Schließlich hat der Verwalter nach ständiger Rspr. des BGH „den vertraglichen Anspruch des Schuldners in dem Zustand hinzunehmen, in dem er im Zeitpunkt der Eröffnung bestand.“224

Ob § 103 InsO im Anschluss Anwendung findet, lässt sich auf den ersten Blick deshalb anzweifeln, weil selbst die sich aus §§ 346 ff. BGB ergebenden Rückgewährpflichten zwar in einem gegenseitigen Vertrag ihren Ursprung haben, das sich aus der Ausübung des Rücktrittsrechts aus § 323 BGB ergebende Rückabwicklungsschuldverhältnis jedoch nach herrschender Auffassung nicht seinerseits einen gegenseitigen Vertrag darstellt. Die Rückabwicklungspflichten werden nicht durch konsentierte Parteierklärungen erzeugt, sondern durch einseitige Ausübung eines Gestaltungsrechts, das den gegenseitigen Vertrag umsteuert.225 Dies wurde auch vom Gesetzgeber in § 348 S. 2 BGB berücksichtigt, indem § 320 und 322 BGB nur für entsprechend anwendbar erklärt werden.226 § 103 I InsO fordert jedoch ausdrücklich das Vorliegen eines zur Zeit der Verfahrenseröffnung beiderseitig noch nicht erfüllten gegenseitigen Vertrags. Die damit aufgeworfene Frage wurde vom BGH bislang nicht entschieden, sondern ausdrücklich offen gelassen.227 Der BGH scheint indessen zu einer Anwendung des § 103 InsO jedenfalls auf Rückgewährschuldverhältnisse aus erklärtem Rücktritt zu neigen, wenn er zugleich obiter dicta betont, dass eine darauf bezogene Erfüllungswahl des Verwalters bei vor Verfahrenseröffnung erklärtem Rücktritt des Vertragspartners nur angenommen werden könnte, wenn der Verwalter „als Folge der Umgestaltung des Vertragsverhältnisses eine an den Vertragspartner bewirkte Leistung zurückverlangt.“228 Damit wird die Anwendbarkeit des § 103 InsO auf das Rückgewährschuldverhältnis schließlich vorausgesetzt. Da im Fall des Rücktritts auch das Rückabwicklungsverhältnis Zug um Zug zu erfüllende Rückgewährpflichten begründet, § 348 BGB, spricht mit den fehlenden Bedenken des BGH auch nichts gegen

223 Vgl. nur BGH Urt. v. 22.1.2009, IX ZR 66/07 = NZI 2009, 235 [235 f.]; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 58; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 52.2; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 317. 224 Vgl. zuletzt BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NZI 2017, 60 [61]. 225 BGH Urt. v. 7.11.2001, VIII ZR 213/00 = NJW 2002, 506 [507]; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 88; MüKoBGB/Gaier (2016) § 348 Rn. 2 ff.; Erman/Röthel (2017) § 348 Rn. 1. 226 MüKoBGB/Gaier (2016) § 348 Rn. 2. 227 Vgl. zuletzt BGH Urt. v. 12.10.2017, IX ZR 288/14 = NZI 2018, 22 [23]; ebenso BGH Urt. v. 22.1.2009, IX ZR 66/07 = NZI 2009, 235 [236]. Vgl. dazu ferner Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 17. 228 BGH Urt. v. 22.1.2009, IX ZR 66/07 = NZI 2009, 235 [236].

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eine (analoge) Anwendbarkeit des § 103 InsO.229 Dort ist gleichermaßen die vom Normzweck des § 103 InsO erfasste Sachfrage betroffen, dem Verwalter die Geltendmachung einer (Rück-)Forderung zu ermöglichen, auf die er wegen der (entsprechenden) Geltung des § 320 BGB keinen Anspruch hätte. Auch wenn es sich bei dem Rückabwicklungsschuldverhältnis nicht um ein genetisches Synallagma handelt, bei dem sich das do ut des als Leistungsmodus auf den beiderseitigen Parteiwillen zurückführen lässt, stellt der Gesetzgeber mit § 348 BGB das Fortleben des funktionellen Synallagmas in dem lediglich umgesteuerten gegenseitigen Vertrag ausdrücklich klar. Es handelt sich gem. § 323 I BGB um die Rückabwicklung der Wertbewegung innerhalb eines synallagmatischen Vertrags, dessen funktioneller Schutz fortbesteht.230 Der Verwalter kann somit gestützt auf § 103 InsO die Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses verlangen, für das die §§ 346 f. BGB den Umfang der Pflichten statuieren. Insofern ist lediglich darauf hinzuweisen, dass der Verwalter damit nicht zugleich Befriedigung aus der Masse eines darüber hinausgehenden Schadensersatzanspruchs wählt, den der Vertragspartner mit dem Rücktritt kombiniert, § 325 BGB. Dabei handelt es sich nicht um eine sich „aus dem Rücktritt ergebende Verpflichtung“, für die § 348 BGB die entsprechende Anwendung der §§ 320, 322 BGB anordnet.231 Insoweit bleibt der Vertragspartner Insolvenzgläubiger. 3. Kritik an der Suspensivtheorie und den daraus abgeleiteten Konsequenzen für Sekundärrechte – Befreiung des Rücktrittsrechts von haftungsrechtlichen Erwägungen Die Diskussion um vermeintlich materiell-rechtliche Folgen der Verfahrenseröffnung und der Wahlrechtsausübung verliert häufig aus dem Blick, dass es sich bei dem Insolvenzrecht um Verfahrensrecht handelt, das in Verwirklichung einer allseitigen Gläubigerbefriedigung eine Haftungsfunktion erfüllt. Auch wenn das Insolvenzrecht im Dienst des par conditio creditorum-Grundsatzes in mehrerer Hinsicht von der Einzelvollstreckung abweicht, handelt es 229

So daher auch die h. M., von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [474]; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 15; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 36; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 30; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 87 ff.; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 15; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 33; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 95. 230 Häsemeyer, KTS 63 (2002) 603 [606 f.]; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 90; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 95; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 90. Aufgrund dessen ist auch die vereinzelt gebliebene Auffassung Muthorsts abzulehnen, wonach mangels direkter Anwendbarkeit des § 103 InsO eine Bestimmung fehle, die das sich aus §§ 348, 320 BGB ergebende Zurückbehaltungsrecht für insolvenzfest erklärt, Muthorst, KTS 70 (2009) 467 [472 ff.]. 231 Vgl. Scherer, NZI 2002, 356 [359]. Vgl. dazu ferner Staudinger/Kaiser (2012) § 348 BGB Rn. 6.

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sich gleichwohl um an der Verwirklichung der Gläubigerbefriedigung orientiertes und damit im Ausgangspunkt dem materiellen Recht dienendes Verfahrensrecht.232 Mit der Einordnung des Insolvenzrechts als Haftungsordnung geht das Prinzip des geringstmöglichen Eingriffs in das Vertragsrecht des Bürgerlichen Rechts einher.233 Dies wird häufig übersehen, wenn durch Behauptung etwaiger Normkollisionen leichtfertig eine Verdrängung materiellen Rechts durch das Insolvenzrecht angenommen wird und sonstige schutzwürdige Interessen einzelner Gläubiger ohne gesetzliche Grundlage ausgeblendet werden.234 Dabei ruft selbst die Regierungsbegründung zum Entwurf der InsO in Erinnerung, dass damit das Verhältnis zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht auf den Kopf gestellt zu werden droht, wenn dort klargestellt wird: „Insolvenz ist auch nicht der Notstand des Privatrechts, der gleichsam die Errichtung einer privaten Notstandsverfassung rechtfertigte. So wenig wie sonst im marktwirtschaftlichen Prozeß wäre es im Insolvenzfall angemessen, die einzelwirtschaftlichen Dispositionen der Beteiligten durch richterliche Sozialgestaltung oder durch die Entscheidung der von der Insolvenz in irgendeiner Weise berührten außenstehenden Interessenten zu ersetzen.“235

Eingriffe der verfahrensrechtlichen Insolvenzordnung in das materielle Recht sind damit nur dort zuzulassen, wo sie vom Gesetzgeber – wie mit Blick auf das Insolvenzvertragsrecht etwa in §§ 115 f. InsO geschehen – angeordnet werden oder unbedingt erforderlich sind.236 Dieser Erkenntnis lässt sich mit einer getrennten Würdigung der haftungsrechtlichen und materiell-rechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung Rechnung tragen. Dabei wird sich zeigen, dass die verfahrensrechtliche Wahlrechtsausübung zwar denknotwendig mittelbaren Einfluss auf das Bestehen von Sekundärrechten ausübt, nachdem die haftungsrechtliche Zuordnung über die vertragsmäßige Abwicklung des Austauschgeschäfts entscheidet. Jedoch führen weder die sich aus der Verfahrenseröffnung noch die sich aus der Wahlrechtsausübung ergebenden Konsequenzen zu einer kompromisslosen Verdrängung der Sekundärrechte.

232

Auch wenn die Verwirklichung materiellen Rechts teilweise von eigenständigen Zielen des Prozessrechts konterkariert wird, handelt es sich bei dessen dienender Funktion um den Grundsatz, krit. zum Ganzen Zöllner, AcP 190 (1990) 471 [475 ff.]. 233 Roth, in: FS Rolland (1999) S. 305 [315]. 234 Vgl. parallel zum Verhältnis zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht, Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 26 Rn. 6 ff. 235 BT-Drucks. 12/2443, 75. 236 Vgl. K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 7.

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a) Die auf haftungsrechtliche Wirkungen beschränkten Folgen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung aa) Haftungsrechtliche Wirkung der Verfahrenseröffnung und Erfüllungsablehnung (1) Folgen der Verfahrenseröffnung – ein Blick in die Materialien Der Blick auf die Rspr. zu den Folgen der Verfahrenseröffnung und den damit verbundenen Annahmen materiell-rechtlicher Auswüchse hat gezeigt, dass die dem Verwalterwahlrecht beigemessenen Rechtsfolgen auf eine wechselhafte Entwicklung zurückblicken. Nachdem der BGH mit der Erlöschenstheorie zwischenzeitlich den Höhepunkt einer von materiell-rechtlichen Aufladungen geprägten Rspr. zu den Folgen der Verfahrenseröffnung erreicht hat, ist die gegenwärtige Spruchpraxis mit der Suspensivtheorie begrüßenswerter Weise um Zurückhaltung bemüht. Um jedoch in Fortführung dieser Entwicklung in einem nächsten Schritt der Verfahrenseröffnung und der Wahlrechtsausübung wieder ihre ursprünglich rein haftungsrechtliche Funktion zuzuweisen, können vorab die Materialien zur Entwurfsvorschrift des § 17 KO von 10.2.1877 in ihrer Klarheit deutlich zur Entmystifizierung237 des Verwalterwahlrechts beitragen. Schließlich geht § 103 InsO inhaltlich unverändert auf diese Vorschrift zurück.238 Für Zwecke einer historischen Auslegung können daher auch die Materialien zur Konkursordnung fruchtbar gemacht werden, um den Blick auf die lediglich haftungsrechtlichen Auswirkungen der Verfahrenseröffnung zu erhellen.239 So ergibt sich aus den Entwurfsbegründungen zunächst die Feststellung, dass der rechtliche Bestand des nicht erfüllten gegenseitigen240 Vertrags durch die Verfahrenseröffnung nicht in Frage gestellt werden kann. Es komme vielmehr nur in Frage, „[…] ob und inwieweit ein solches Rechtsverhältnis, wenn es vor der Eröffnung des Verfahrens noch nicht erfüllt war, nach derselben in der vertragsmäßigen Weise noch erfüllt werden

237

In Anlehnung an Stamm in KTS 2011, 421 [438]. Bereits im RegE zur heutigen InsO wurde das „Wahlrecht des Insolvenzverwalters bei gegenseitigen Verträgen […] inhaltlich unverändert aus dem geltenden Konkursrecht übernommen“, BT-Drucks. 12/2443, 145, vgl. auch Tintelnot, ZIP 1995, 616 [616 f.]. 239 Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 1. 240 Wie auch in § 15 des Entwurfs zur Konkursordnung sprach § 17 KO lediglich von einem „zweiseitigen“ Vertrag. Es bestand jedoch früh Einverständnis darüber, dass damit nur gegenseitige Verträge i. S. d. §§ 320 ff. BGB gemeint waren, vgl. nur Pagenstecher/Grimm, Konkurs (1968) S. 48; Tintelnot, ZIP 1995, 616 [616]. 238

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kann oder muß.“241 […] „Dasselbe [eröffnete Verfahren] hemmt die Ausführung der schwebenden obligatorischen Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners.“ [Der Gläubiger hat] „kein Recht, auf der vollen, vertragsmäßigen Vollstreckung derselben zu beharren.“242

Der Grund für die „Hemmung“ der schwebenden obligatorischen Verbindlichkeiten wird dann nicht näher im materiellen Recht gesucht. Zutreffend beschränkt sich die Wirkung der Verfahrenseröffnung schlicht auf einen Ausschluss der Vollstreckungsmöglichkeit. Auf den Einwand des nicht erfüllten Vertrags kommen die Entwurfsbegründungen deshalb auch nur klarstellend zu sprechen, indem dort ausgeführt wird, dass jener Einwand bei Erfüllungswahl durch den Verwalter nicht per se wegen der Konkurseröffnung verfängt. Der Gläubiger kann sich nicht allein wegen der Verfahrenseröffnung auf § 320 BGB berufen. Zugleich wird vielmehr klargestellt, dass die Einrede durch die Konkurseröffnung überhaupt nicht berührt wird – eine Selbstverständlichkeit, die heute als die „Insolvenzfestigkeit“ des Einwands des nicht erfüllten Vertrags deklariert wird.243 „Der Mitkontrahent kann die Leistung seiner Verbindlichkeit nicht unter dem Vorgeben verweigern, dass ihm eine Gegenleistung zustände. Denn soweit die letztere noch rückständig ist, muss ihm der Verwalter für dieselbe gerecht werden.“ […] „Verlangt der Verwalter die Erfüllung, so muß er natürlich seinerseits die von dem Gemeinschuldner noch rückständige Leistung vollständig vornehmen. In dieses nach allen Rechtssystemen begründete Recht des Mitkontrahenten, die von ihm geforderte Erfüllung seiner Leistungen abzulehnen, wenn ihm nicht die Gegenleistung gewährt wird, soll selbstverständlich nicht eingegriffen werden.“244

Im Anschluss werden die an eine Erfüllungsablehnung geknüpften Folgen auf prägnante Art und Weise deutlich relativiert, indem die Materialien die Erfüllungsablehnung auf die schlicht unveränderte Beibehaltung der Folgen der Verfahrenseröffnung reduzieren. „Ist einerseits der Verwalter nicht verpflichtet, die persönlichen Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners, andererseits aber berechtigt, die Forderung desselben nach eröffnetem Konkurse zur Ausführung zu bringen, so ist damit das Wahlrecht des Verwalters gegeben, die Erfüllung des Vertrages zu verlangen oder es bei der Nichterfüllung desselben zu belassen. Des letzteren braucht das Gesetz nicht Erwähnung zu thun; die Nichterfüllung ist die unmittelbare Folge der Konkurseröffnung; das Gesetz braucht nur auszusprechen, daß der Verwalter befugt ist, auf der beiderseitigen Vertragserfüllung zu bestehen.“245 241

Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 82 f. [Herv. im Original]. 242 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 85 [Herv. d. Verf.]. Vgl. dazu ferner Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [304 f.]. 243 Zum Streit unter Geltung der Konkursordnung, vgl. statt vieler Schollmeyer (1997) S. 22 ff. 244 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 86 und 88 [Herv. d. Verf.]. Vgl. dazu ferner Musielak, AcP 179 (1979) 189 [199]. 245 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 86 [Herv. d. Verf.]. Krit. dazu Musielak, AcP 179 (1979) 189 [194 ff.].

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Tatsächlich wird die Beschreibung der Nichterfüllung damit zu einer redundanten Umschreibung ohnehin bestehender Folgen der Konkurseröffnung: Einerseits ist nämlich mit den Worten der Begründung der Verwalter berechtigt, die Forderung zur Ausführung zu bringen, d. h. Erfüllung des Vertrags zu wählen, oder andererseits nicht verpflichtet, die Verbindlichkeiten zur Ausführungen zu bringen, um es damit bei der Nichterfüllung zu belassen. Selbst den knappen Begründungen des RegE der Insolvenzordnung, die in einem Satz zur Rechtsfolge der Erfüllungsablehnung Stellung nehmen, lässt sich eine Aussage entnehmen, die dieses Befund stützt: „In Absatz 2 wird die Rechtsfolge einer Ablehnung der Erfüllung des Vertrags durch den Verwalter verdeutlicht.“246

Die Nichterfüllung erschöpft sich in der Bestätigung der mit der Verfahrenseröffnung eingetretenen Rechtsfolgen, die wiederum auf die Hemmung der Einzelvollstreckung begrenzt bleiben, § 38 InsO.247 Vorschriften des materiellen Rechts müssen zur Begründung dieses Ergebnisses weder bemüht noch geopfert werden. (2) Die verfehlten Ableitungen aus der Suspensivtheorie – Begründung der rein haftungsrechtlichen Wirkung der Verfahrenseröffnung und Bestätigungswirkung der Erfüllungsablehnung Die vorstehenden Ausführungen ebnen den Weg für eine Klärung der Rechtsprechungslinie zu den Folgen der Verfahrenseröffnung, die sich wieder auf ihre haftungsrechtliche Funktion besinnt.248 Freilich sieht sich der BGH seit seiner Abkehr von der Erlöschenstheorie mit seiner Rspr. zu den Folgen der Verfahrenseröffnung deutlich weniger Kritik ausgesetzt. Während sich die Diskussion nunmehr auf die dogmatische Begründung des mit der Qualitätssprungtheorie erreichten Ergebnisses konzentriert,249 wird die Klärung der materiellrechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung durch einen auf § 320 BGB gestützten beiderseitigen Durchsetzbarkeitsverlust überwiegend begrüßt. Dass § 320 BGB insolvenzfest ist, wird nicht mehr bestritten.250 Allerdings kann auch die auf § 320 BGB gestützte Beschreibung der sich aus der Verfahrenseröffnung ergebenden Rechtsfolgen nicht überzeugen. Mit der Suspensivtheorie

246

BT-Drucks. 12/2443, 145. Stamm, KTS 72 (2011) 421 [433]. 248 Vgl. selbst Kreft, in: FS Fischer (2008) S. 297 [299], der nun von einer „rein insolvenzrechtlichen Wirkung der mit § 103 Abs. 1 InsO verbundenen Rechtsfolgen“ spricht, denen nicht immer die notwendige Beachtung geschenkt wurde und wird. 249 Vgl. dazu sogleich die Kritik an der haftungsrechtlichen Wirkung der Erfüllungswahl. 250 Eingängig Stamm, KTS 72 (2011) 421 [424 ff.]. Umstritten bleibt allein die Insolvenzfestigkeit des § 320 BGB bei teilbaren Leistungen i. S. d. § 105 InsO. Vgl. dazu unten die Besonderheiten bei teilweiser Leistungserbringung. 247

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wird versucht Vollstreckungsschutz zu gewähren, der sich schlicht aus § 89 InsO ergibt, ohne dabei ein materiell-rechtliches Vorbild haben zu können. So lässt sich die Allgemeingültigkeit des auf die Einrede aus § 320 BGB gestützten beiderseitigen Durchsetzbarkeitsverlusts bereits in Zweifel ziehen, wenn die Vertragsparteien eine Vorleistungspflicht vereinbart haben. Selbst der Verwalter des vertraglich vorleistungspflichtigen Insolvenzschuldners solle dem Vertragspartner dann § 320 BGB entgegenhalten können,251 obwohl § 320 BGB ausweislich des klaren Wortlauts der Norm dann an sich keine Anwendung findet, sondern lediglich Raum für § 321 BGB bliebe.252 Darüber hinaus stößt die mit § 320 BGB begründete Durchsetzbarkeitssperre mit Verfahrenseröffnung auf Bedenken, weil der Regelungsumfang der von der h. M. propagierten Insolvenzfestigkeit jener Einrede bereits durch die §§ 38, 87 InsO stark beschnitten wird. Schließlich beschränkt sich die Funktion des § 320 BGB im eröffneten Verfahren aus Gläubigersicht auf die bloße Sicherungsfunktion, während die der Norm nicht weniger zugedachte Druckfunktion gänzlich zurücktreten muss.253 Umgekehrt lässt die Suspensivtheorie außer Acht, dass die Einrede aus § 320 BGB durch die eigene Vertragstreue des Insolvenzschuldners in Frage gestellt wird.254 Dies lässt unberücksichtigt, dass die Einrede des nicht erfüllten Vertrags neben § 320 II BGB unter teleologischen Gesichtspunkten empfindlichen Einschränkungen unterliegt.255 Darüber hinaus kann der Gläubiger vorbehaltlich einer Erfüllungswahl durch den Verwalter wegen § 89 InsO auch keine Verurteilung zur Leistung Zug um Zug erreichen.256 Allerdings hat die Erhebung der Einrede aus § 320 BGB – deren Bestehen auf Seiten des Insolvenzschuldners bzw. Verwalters aus Sicht der Rspr. zur Perpetuierung der Folgen der Verfahrenseröffnung führen soll – gem. § 322 I BGB „nur die Wirkung, dass der andere Teil zur Erfüllung Zug um Zug zu verurteilen ist.“ Solange der Verwalter nicht Erfüllung wählt, kann der Vertragspartner jedoch nicht einmal ein derart bedingtes Urteil erwirken. Des Weiteren führt die fehlende „Durchsetzbarkeit“ der Forderung des Vertragspartners mitnichten automatisch zur Undurchsetzbarkeit der Forderung des Schuldners. Nachdem der Verwalter nämlich nach § 103 I InsO jederzeit Erfüllung wählen kann, steht die Durchsetzbarkeit der Forderung des Insolvenzschuldners außer 251 Kepplinger (2000) S. 221; Marotzke (2001) Rn. 5.38; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 16; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 12. Vgl. ferner von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [461]: „Das Recht der Insolvenzverwaltung verlangt jedoch, diesen Ausschluss bei Insolvenz des Vorleistungspflichtigen nicht anzuwenden.“ 252 Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 13. 253 Vgl. dazu die Ausführungen zur Verwirklichung des Äquivalenzprinzips außerhalb der Insolvenz, Kap. 2 II. 254 Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 13. Dem folgend Baldringer (2014) S. 142. 255 Vgl. zum Einwand des nicht erfüllten Vertrags auf Sekundärebene, Kap. 2 II. 2. 256 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 6, 25 und 221

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Frage.257 Da der Schuldner auch außerhalb der Insolvenz die Einrede aus § 320 BGB überwinden müsste, um seine Forderung zu realisieren, verbietet sich jedenfalls aus Verwaltersicht die Annahme eines „generellen“ Durchsetzbarkeitsverlusts.258 Deshalb wird mit der Annahme eines ipso iure eintretenden und auf § 320 BGB gestützten Durchsetzbarkeitsverlusts letztlich die Konstruktion des funktionellen Synallagmas im BGB missachtet. Schließlich wird die Verwirklichung des funktionellen Synallagmas im eröffneten Verfahren dem Vertragspartner nicht zur Disposition gestellt. Damit wird übersehen, dass sich der BGB-Gesetzgeber mit § 320 BGB gegen die Normierung der Austauschtheorie entschieden hat.259 Insgesamt taugt die Einrede des § 320 BGB somit nicht, um das Vollstreckungsverbot im materiellen Recht abzubilden. Die Suspensivtheorie lässt von § 320 BGB nicht mehr übrig als ein auf deren Sicherungsfunktion zurückgestütztes Gerippe, das insbesondere bereits im einfachen Fall der Vereinbarung einer Vorleistungspflicht an einem Begründungsdefizit krankt. Die Schwächen einer im materiellen Recht beheimateten Hemmung des Vollstreckungszugriffs vermeidet die von Häsemeyer und Teilen der Literatur vertretene rein verfahrensrechtliche Würdigung der Verfahrenseröffnung, die vertragsrechtliche Deutungen ablehnt und einer rein haftungsrechtlichen Betrachtungsweise den Vorzug gewährt.260 Der Erfüllungsanspruch aus einem nicht abgewickelten Vertrag soll danach weder erlöschen noch seine Durchsetzbarkeit im materiellrechtlichen Sinne verlieren.261 Vielmehr entscheide der Verwalter „allein über die haftungsrechtliche Berücksichtigung der Vertragsschuldverhältnisse im Verfahren, nämlich deren Überleitung auf die Masse unter definitiver Abwicklung mit ihr (§§ 103 I, 55 I Nr. 2 InsO) oder die Verweisung des Vertragspartners auf die Insolvenzquote (§§ 103 II 1, 105 InsO) nach Maßgabe der Leistungsdifferenz.“262

Diese Ausführungen erscheinen insofern überzeugend, als auch die aus gegenseitigen, bei Verfahrenseröffnung noch nicht erfüllten Verträgen folgenden Probleme aus dem verfahrensrechtlichen Verlustprinzip resultieren. Daher lassen sich auch die durch die Verfahrenseröffnung und die Wahlrechtsausübung

257 So aber der BGH in ständiger Rspr., vgl. nur BGH Urt. v. 17.12.2009, IX ZR 214/08 = NZI 2010, 180 [181]. So auch unter der Prämisse, dass dem Vertragspartner das „Recht von sich aus zu leisten nicht zusteht“, Baldringer (2014) S. 120. 258 Vgl. Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [199]; Marotzke, ZZP, 2002, 507 [510 f.] (= Anm. zu BGHZ 150, 353); von Wilmowsky, ZIP 2012, 401 [404]; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 8; a. A. MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 17. 259 Vgl. zur Konstruktion des funktionellen Synallagmas im BGB, Kap. 2 II. 1. a). 260 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.05. Dem folgend Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 12. 261 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.07. 262 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.07 [Herv. d. Verf.].

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erzeugten Rechtsfolgen bereits mit einem „Eingriff“ in die spezifisch verfahrensrechtliche Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten lösen.263 Der Verwalter entscheidet schlicht über deren haftungsrechtliche Berücksichtigung entweder durch deren Überleitung auf die Masse oder Verweisung des Gläubigers auf bloß quotale Befriedigung.264 Eine aus § 320 BGB abgeleitete Begründung ist zur Erzielung dieses Ergebnisses weder erforderlich noch möglich. Erst recht stellt sich weder die Verfahrenseröffnung noch die Wahlrechtsausübung als Eingriff in das materielle Recht dar. Im Gegenteil wird in die §§ 320 ff. BGB durch die Verfahrenseröffnung – mit den Worten der Verfasser der Konkursordnung – „selbstverständlich nicht eingegriffen“.265 Die Nichterfüllung des Verwalters ist keine Ausübung eines besonders eingeräumten Rechts, sondern beschreibt die „Verweisung und Beschränkung des Gläubigers auf das, was ihm als Insolvenzgläubiger zusteht.“266 Die Erfüllungswahl hat demnach nur Gestaltungswirkung im haftungsrechtlichen Sinne, indem der Verwalter im Gegenzug für die Erbringung der Gegenleistung nun auch den schuldnerischen Anspruch in voller Höhe realisieren kann.267 Demgegenüber entfaltet die Erfüllungsablehnung nicht einmal Gestaltungswirkung.268 Zwar spricht § 103 II 2 InsO anders als noch § 17 II KO nun von einem „Wahlrecht“ des Verwalters, was prima facie auf eine Erklärung mit Gestaltungswirkung hindeuten mag.269 Allerdings wird damit zum einen keine eigenständige Rechtsfolge normiert, nachdem die Formulierung lediglich für Zwecke der Erklärungsaufforderung durch den Vertragspartner verwendet wird.270 Zum anderen lässt sich der haftungsrechtliche Status der Ansprüche aus einem noch nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag bereits ohne eine Erfüllungsablehnung bestimmen, nachdem bereits im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung eine sich der sofortigen Anwendung des § 38 InsO entziehende Schwebelage nicht vorliegt: als Insolvenzgläubiger i. S. d. § 38 InsO kann der Vertragspartner seine Forderung schlicht lediglich nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen, § 87 InsO, während die zur

263 Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 9 und 32; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 7. 264 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.07. 265 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 88. 266 So Marotzke (2001) Rn. 3.55. 267 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 27. 268 Dagegen will Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.23 auch der Erfüllungsablehnung insofern haftungsrechtliche Gestaltungswirkung beimessen, als der Verwalter sich erst mit der Wahlrechtsausübung auf die Abwicklung festlegt. 269 Vgl. Henkelmann (2009) S. 81 f. 270 Kepplinger (2000) S. 81.

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Masse gehörige Forderung im Umkehrschluss zu § 103 I InsO einer Geltendmachung durch den Verwalter nicht zugänglich ist.271 bb) Haftungsrechtliche Folgen der Erfüllungswahl (1) Der Fundamentaldissens um den § 103 InsO zugrundeliegenden Normzweck Die Auslotung der Rechtsfolgen einer Erfüllungswahl wird nach wie vor von dem „Fundamentaldissens“272 im Streit um die Bestimmung des § 103 InsO innewohnenden Normzwecks beherrscht.273 Unumstritten ist mit Blick auf die ratio des Verwalterwahlrechts zunächst, dass in Übereinstimmung mit den Materialien zu § 17 KO – auf die auch der Reformgesetzgeber der InsO Bezug nimmt274 – der Zweck des § 103 InsO die Schaffung eines verfahrensrechtlichen Instruments zur Überwindung des aus der synallagmatischen Verbindung resultierenden Konflikts zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip ist. § 103 InsO dient damit jedenfalls dem in der Insolvenz fortbestehenden Schutz des Vertragspartners durch das funktionelle Synallagma. Insoweit herrscht Einigkeit.275 Mittelbar bewirkt § 103 InsO damit zugleich, den Insolvenzverwalter von der Notwendigkeit zu entheben, „einen mit dem alten Vertrag inhaltsgleichen neuen Vertrag zu schließen, um ihm die Vorteile des alten Vertrages ungeschmälert zu erhalten.“276 Andererseits hat der Reformgesetzgeber in § 1 InsO eine ausdrückliche Bestimmung des Zwecks des gesamten Insolvenzverfahrens getroffen.277 Als vorrangiges Verfahrensziel kann die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung somit bei der für die teleologische Auslegung erforderlichen Bestimmung des Normzwecks des § 103 InsO schwerlich komplett ausgeklammert werden. Dementsprechend wird für § 103 InsO zunehmend eine doppelte Schutzwirkung propagiert, wonach die Norm neben dem Schutz des Vertragspartners zugleich 271

Baldringer (2014) S. 144 und 152; Marotzke (2001) Rn. 3.48 ff.; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 5 und 66; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 27, 32 und 154 spricht von einem bloßen Verzicht auf das Gestaltungsrecht der Erfüllungswahl. 272 MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 2. 273 Monographisch aus der jüngeren Lit.: Henkelmann (2009) S. 128 ff.; Kepplinger (2000) S. 58 ff.; Marotzke (2001) Rn. 2.6 ff.; Wegener (2007) S. 30 ff. 274 BT-Drucks. 12/2443, 145. 275 BGH Urt. v. 1.12.2011, IX ZR 79/11 = NZI 2012, 76 [79]; BGH Urt. v. 7.3.2002, IX ZR 457/99 = NZI 2002, 380 [382]; Gerhardt, in: GS Knobbe-Keuk (1997) S. 169 [174]; Kesseler, ZIP 2005, 2046 [2049]; Kreft, in: FS Kübler (2015) S. 359 [364]; Muthorst, KTS 70 (2009) 467 [469 f.]; Roth, in: FS Rolland (1999) S. 305 [312]; Stamm, KTS 72 (2011) 421 [437]. 276 MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 41; vgl. ferner Kreft, in: FS Kübler (2015) S. 359 [364 f.]. 277 Allgemein zur Bestimmung des Gesetzeszwecks vgl. Möllers, Juristische Methodenlehre (2017) S. 156 f.

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dem Masseschutz verschrieben ist.278 Während der BGH in früheren zu § 17 KO ergangenen Entscheidungen nämlich noch verstärkt den Schutz des Vertragspartners betonte,279 gelangt die Rspr. und das ihr folgende Schrifttum nun mit der vom Gedanken des Masseschutz getragenen Qualitätssprungtheorie zu einer Besserstellung der Masse gegenüber der Vertragsabwicklung außerhalb der Insolvenz. Dadurch wird unabhängig von einer bereits erfolgten Zession oder bestehenden Aufrechnungslage der Masse stets die Gegenleistung für das zugewiesen, was mit Mitteln der Masse erwirtschaftet wurde.280 Allein dieses Normverständnis werde dem Hauptanliegen des Verfahrens, dem par conditio creditorum, gerecht.281 In seiner jüngeren Rspr. beschränkt sich der BGH dementsprechend mit Blick auf die Zielsetzung des § 103 InsO darauf: „Der Zweck des Erfüllungswahlrechts ist es, die Masse zu schützen und im Interesse einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung zu mehren.“282

Die entscheidende Frage ist damit, inwieweit die hinter einer Erfüllungswahl stehende Überlegung und Motivation, namentlich zur Erreichung einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung die dem Insolvenzverwalter vorteilhaft erscheinende Gegenleistung zu verdienen, den Schluss auf einen darüber hinausgehenden Masseschutz als Normzweck rechtfertigt. Teile der Literatur messen § 103 InsO zwar nicht derart weitreichende materiellrechtliche Wirkung bei, weisen jedoch gleichwohl in eine ähnliche vom Normzweck des Schutzes der Masse geprägte Richtung, indem auf anderem Wege ein Schutz vor nachteiliger Erfüllungswahl gewährleistet wird. So bedient sich eine Auffassung zum Schutz vor nachteiliger Wahlrechtsausübung des Instituts der Insolvenzzweckwidrigkeit und hält eine Erfüllungswahl insbesondere für unwirksam, wenn da-

278 BGH Urt. v. 20.10.2011, IX ZR 10/11 = NZI 2011, 936 [937]; BGH Urt. v. 11.5.2006, IX ZR 247/03 = NZI 2006, 457 [459]; Baldringer (2014) S. 107; Henkelmann (2009) S. 139 ff.; Wöllner (2009) S. 131; Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [309]; M. Huber, ZInsO 2005, 449 [450]; Tintelnot, ZIP 1995, 616 [618]; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 4. Krit. dazu Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 9 f. 279 Vgl. etwa BGH Urt. v. 17.3.1972, V ZR 53/70 = NJW 1972, 875 [876]; BGH Urt. v. 14.12.1983, VIII ZR 352/82 = NJW 1984, 1557 [1578]; BGH Urt. v. 16.01.1986, VII ZR 138/85 = NJW 1986, 1176 [1177]. 280 Vgl. nur BGH Urt. v. 4.5.1995, IX ZR 256/93 = NJW 1995, 1966 [1967]. Zum Paradigmenwechsel der Rspr. zur ratio legis des § 103 InsO, Kreft, in: FS Uhlenbruck (2000) S. 387 [395 f.]; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 9; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 107 Rn. 1. 281 Vgl. Kreft, ZIP 1997, 865 [866] zur Vorgängervorschrift des § 17 KO. 282 BGH Urt. v. 15.11.2012, IX ZR 169/11 = NZI 2013, 178 [179]; vgl. ferner BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112].

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mit nur einem Zessionar „zu einer werthaltigen Forderung oder einem Insolvenzgläubiger zu einer werthaltigen Aufrechnungslage verholfen wird.“283 Kritiker der letztgenannten Ansicht halten dem jedoch zutreffend entgegen, dass für eine Unwirksamkeit wegen Insolvenzzweckwidrigkeit regelmäßig jedenfalls die subjektiven Voraussetzungen fehlen.284 In eine ähnliche vom Schutz vor nachteiliger Erfüllungswahl geprägte Richtung weist die von Marotzke vertretene Auffassung, wonach bei vor Verfahrenseröffnung vorgenommener Abtretung von vornherein mit der Forderungszuständigkeit des Verwalters ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 103 InsO fehle.285 Allerdings gerät auch diese Auffassung mit einer konsistenten Würdigung vor Verfahrenseröffnung vorgenommener Abtretungen in Schwierigkeiten. Gerade im Fall der Sicherungszession geht § 166 II InsO nämlich umgekehrt von der Berechtigung zur Einziehung der wirksam abgetretenen Forderung aus. Dieser Einwand wird umgangen, wenn das Erfordernis der Forderungszuständigkeit gerade nicht gelten soll, sofern der Verwalter nach § 166 II InsO zur Einziehung berechtigt ist.286 Dort müsse man dem Verwalter zugleich das Recht zubilligen, „sein nur wegen § 166 II nicht gänzlich folgenloses Erfüllungsverlangen einseitig zu widerrufen oder – wenn man so weit nicht gehen will – es nach § 119 II BGB anzufechten, wenn er es in Unkenntnis des den Erfüllungsanspruch der Masse belastenden Absonderungsrechts des Zessionars […] erklärt hat.“287 Auch wenn dadurch an dem Erfordernis der Forderungszuständigkeit somit nicht konsequent festgehalten wird, ist dieser Ansicht zuzugeben, dass sie die Erfüllungswahl i. S. d. § 103 I InsO im Zusammenspiel mit § 55 I Nr. 2 InsO auf ihre haftungsrechtliche Funktion zurückführt: die haftungsrechtliche Zuordnung der Forderung des Vertragspartners als Masseverbindlichkeit.288 Insbesondere die zivilrechtliche Wirksamkeit 283

Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 2.20; Häsemeyer, in: FS Bundesgerichtshof (2000) S. 727 [731 f.]. 284 Jaeger/Windel (2007) InsO § 103 Rn. 27. 285 So Marotzke, ZZP, 2002, 507 [512] (= Anm. zu BGHZ 150, 353); Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 46 ff. der jedoch betont, dass eine ggf. gleichwohl für die Masse günstige vollständige Erfüllung der Forderung des Vertragspartners als Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr. 1 (nicht Nr. 2) InsO möglich bleibt. Ausführlich dazu Marotzke (2001) Rn. 4. 10 ff. Ähnlich Adam, DZWir 1998, 227 [228]; Roth, in: FS Rolland (1999) S. 305 [313 f.]. 286 Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 47. 287 Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 47. Parallel entfalle nachträglich die Wirkung des § 55 I Nr. 2 InsO, wenn der Vertragspartner gegen den Erfüllungsanspruch der Masse aufrechnet, Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 55. 288 Daher wird § 103 I InsO teilweise als Regelung rein deklaratorischer Natur eingeordnet, da sich das Erfüllungswahlrecht bereits aus der konstitutiv wirkenden Norm § 55 I Nr. 2 InsO ergibt, Stamm, KTS 72 (2011) 421 [433]; von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [458]; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 8 f.; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 7; wohl auch Schluck-Amend, in: FS Wellensiek (2011) S. 231 [235].

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einer vor Verfahrenseröffnung vorgenommenen Abtretung wird nicht dem Masseschutz preisgegeben.289 Lediglich die Befreiung des § 103 InsO von solchen den eigentlichen Normzweck überlagernden Masseschutzerwägungen führt zu systematisch und teleologisch zutreffenden Ergebnissen. Mit einer rechtspolitisch motivierten Zweckorientierung wird der aus § 103 InsO folgende Bedeutungsgehalt der Norm überspannt.290 Bei der Auslegung des § 103 InsO im Lichte des in § 1 S. 1 InsO verankerten Masseschutzes als oberster Richtschnur realisiert sich die Gefahr einer rein an der Gläubigergesamtheit orientierenden Auslegung, die § 103 InsO mit ergebnisorientierten Zweckaufladungen überfrachtet und schutzbedürftige Interessen einzelner Vertragspartner außer Acht lässt.291 Werden rechtspolitisch motivierte Auslegungsziele beiseitegelassen, bietet der Wortlaut des § 103 InsO für eine Erstreckung des Normzwecks auf den Schutz der Masse keinen Anhaltspunkt. Der Streit um die Folgen einer Erfüllungswahl belegt vielmehr, dass sich die Diskussion um den Schutzzweck des § 103 InsO zu verselbstständigen droht. Die Benennung weiterer Normziele als die Realisierung von Vertragswerten bei Aufrechterhaltung des dem funktionellen Synallagma entsprechenden Schutzes des Vertragspartners droht allein unzureichend reflektierter Ergebnisorientierung Vorschub zu leisten.292 Den gleichwohl gerechtfertigten Bedenken – insbesondere bei bereits erfolgten Abtretungen oder Aufrechnungen – ist deshalb außerhalb des § 103 InsO durch die einschlägigen verfahrensrechtlichen (§§ 91, 94 ff. und 129 ff. InsO) und privatrechtlichen (§§ 119 ff. BGB) Normen zur Geltung zu verhelfen.293 Damit besinnt sich auch die Bestimmung des Normzwecks auf die gesetzgeberischen Materialien zum Entwurf der Konkursordnung zurück, die angesichts der

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Die h. M. lehnt diese Auffassung deshalb bereits gestützt auf 91 InsO ab, MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 205; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 100 beide m. w. N. Vereinzelt wird zudem gegen das Erfordernis der Forderungszuständigkeit angeführt, dass das Wahlrecht an das gesamte Schuldverhältnis und nicht an einzelne Forderungen anknüpft, BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 52.1. 290 Vgl. Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 4; a. A. M. Huber, ZInsO 2005, 449 [450]: „So gesehen enthält § 103 InsO eine Regelung für die Massemehrung.“ [Herv. d. Verf.]. 291 Vgl. die scharfe Kritik bei von Wilmowsky, ZIP 2012, 401 [404 f.]. Vgl. ferner Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 10; K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 1 Rn. 2. So hält auch BGH Urt. v. 22.2.2001, IX ZR 191/98 = NJW 2001, 3704 [3705] einer sich zu weit von § 17 KO lösenden Auslegung entgegen: „Der Grundsatz der Meistbegünstigung der Masse, unabhängig von einem Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters, findet im Gesetz keinen Rückhalt.“ 292 Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 7 f. 293 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 13; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 10.

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Übernahme des § 17 KO in § 103 InsO mit lediglich redaktionellen Änderungen noch heute heranzuziehen sind.294 Tatsächlich beschränkt sich die Entwurfsbegründung nach der Darstellung der zivilrechtlichen Ausgangslage auf eine lediglich dem funktionellen Synallagma Rechnung tragende ratio legis: „Diese Regel ergiebt sich aus einer Gegenüberstellung der erörterten beiden Richtungen des zweiseitigen Vertrages. Ist einerseits der Verwalter nicht verpflichtet, die persönlichen Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners, andererseits aber berechtigt, die Forderung desselben nach eröffnetem Konkurse zur Ausführung zu bringen, so ist damit das Wahlrecht des Verwalters gegeben […].“295

(2) Grenzen der haftungsrechtlichen Wirkung der Erfüllungswahl und dogmatische Verortung der mit der Qualitätssprungtheorie verfolgten Ziele in § 35 und §§ 91 ff. InsO Unter Zugrundelegung des sich auf die Auflösung des Konflikts zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip beschränkenden Normzwecks des § 103 InsO ist auch der Umfang der haftungsrechtlichen Folgen der Erfüllungswahl zu bestimmen. Nach den vorstehenden Ausführungen kann allein die Wahlrechtsausübung eine Anreicherung der Masse durch Befreiung der schuldnerischen Forderung von wohlerworbenen Rechten Dritter – in Form von (Sicherungs)Abtretungen und Aufrechnungslagen – kaum rechtfertigen.296 Ebenso wie die Erlöschenstheorie die Verhinderung der Zessionsfolgen kaum mit dem rein formalen Argument des Wiederauflebens der Forderung begründen konnte, leuchtet nicht ein, weshalb die aus der Erfüllungswahl resultierende Beilegung der Rechtsqualität von „originären“ Masseverbindlichkeiten297 etwas an dem gleichzeitig angenommenen unveränderten Fortbestand der Forderungen ändern soll.298 Daher überzeugt auch nicht der ebenso rein formaljuristische Einwand, dass der Schuldner über den erst nach Verfahrenseröffnung konstruierten originären Masseanspruch vor Insolvenzverfügung nicht durch Abtretung verfügen konnte.299 Auch wenn betont wird, Sinn und Zweck des § 103 InsO sei die Entlastung des Verwalters von der Notwendigkeit, einen neuen inhaltlich identischen Vertrag zu schließen, kann daraus nicht gefolgert werden, dass dem Erfüllungsverlangen des Verwalters für Abtretungen und Aufrechnungs-

294

Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 4 und 13. Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 86 [Herv. d. Verf.]. 296 Vgl. Gerhardt, in: GS Knobbe-Keuk (1997) S. 169 [174]. 297 BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = NJW 2002, 2783 [2785]. 298 Wieser, JZ 2003, 231 [232]. Vgl. die plakative Kritik bei Stamm, KTS 72 (2011) 421 [442], der den Etikettenwechsel der Qualitätssprungtheorie treffend als Etikettenschwindel bezeichnet. 299 So KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 271. 295

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lagen die gleichen Wirkungen wie dem Abschluss eines derartigen neuen Vertrags beizumessen sind.300 Dabei bleibt sämtlich unberücksichtigt, dass diese Entlastung kein der Massemehrung dienender Selbstzweck, sondern bloßer Reflex des Schutzes des funktionellen Synallagmas ist. Zweck der Erfüllungswahl ist allein die Überwindung der Einrede des Vertragspartners aus § 320 BGB. Deshalb bleibt der Verwalter an den Vertrag gebunden, wie er diesen bei Verfahrenseröffnung vorfindet – und nicht, wie er ihn vorfinden könnte. Dementsprechend kann nicht bestritten werden, dass im Fall einer bereits erfolgten Abtretung die Forderung nie zur Masse gehört hat, sodass sich Zession außerhalb des Anwendungsbereichs der §§ 80, 91 InsO bewegt.301 Mit Blick auf die Sperrung einer vor Verfahrenseröffnung anfechtungsfrei erlangten Aufrechnungslage muss ebenso berücksichtigt werden, dass der Vertragspartner den Vertrag ggf. ursprünglich gerade mit der berechtigten Erwartung geschlossen hat, aufrechnen zu können. Diesen Schutz will § 94 InsO erhalten. Konnte der Vertragspartner bei Vertragsschluss davon ausgehen, dass er – wie Tintelnot treffend formuliert – im Hinblick auf sein Guthaben beim Schuldner meinte, „kein Geld in die Hand nehmen zu müssen, widerspricht die Annahme einer Zahlungspflicht dem Schutz durch § 94 InsO und setzt den Vertragspartner gegenüber anderen Aufrechnungsberechtigten ungerechtfertigt zurück.“302 Die damit beschriebenen Übergriffe in das materielle Recht und in gesicherte Rechtspositionen lassen sich auch nicht damit rechtfertigen, dass es die unwissentliche Erfüllung einer für die Masse wertlosen Forderung durch den Verwalter zu verhindern gilt.303 Zwar ist es für den Verwalter, der im Rahmen einer Unternehmensfortführung schnell entscheiden muss, de facto häufig nicht möglich, vorherige Abtretungen und bestehende Aufrechnungslagen zu überblicken. Übertriebene Sorgfaltsanforderungen würden die für eine erfolgreiche Verwaltung elementare Entschlusskraft des Verwalters daher lähmen.304 Nichtsdestotrotz kann die Vermeidung von Haftungsrisiken des Verwalters, die sich aus Erschwernissen der Prüfung etwaiger Aufrechnungslagen und bereits vorgenommener Abtretungen zu Beginn der Verwaltung ergeben, kaum die Korrektur einer vorinsolvenzlich gesicherten materiellen Rechtslage rechtfertigen.305 Da der Schutz vor nachteiliger Wahlrechtsausübung zudem nicht 300

So aber Kreft, in: FS Kübler (2015) S. 359 [366 f.]. Roth, in: FS Rolland (1999) S. 305 [309]. 302 Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 290. Vgl. ferner Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [311]; Stamm, KTS 72 (2011) 421 [448 f.]. 303 Vgl. Häsemeyer, in: FS Bundesgerichtshof (2000) S. 727 [731]; Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [201]; Kesseler, ZIP 2005, 2046 [2048]. 304 Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [201 und 205]. 305 Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [312 f.]; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 288 f. Vgl. ferner Jaeger/Windel (2007) InsO § 96 Rn. 27 der daher allein für eine Anfechtung nach § 119 II BGB wegen eines Irrtums über die Werthaltigkeit der Forderung plädiert. 301

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die Verhinderung von Zessionsfolgen und Aufrechnungslagen rechtfertigt, wo der Verwalter Kenntnis von dem wirtschaftlichen Wert der schuldnerischen Forderung hat, bildet dieses Motiv kein allgemeingültiges Fundament der bisherigen Rechtsprechungslinie. Es verwundert daher, wenn gleichwohl überwiegend selbst Kritiker der Qualitätssprungtheorie die Erreichung der damit verfolgten Ziele für geboten halten.306 Zwar verbürgt die sich nicht aus dem Gesetz ergebende Konstruktion der Erlöschens- oder Qualitätssprungtheorie nicht die Richtigkeit der damit erzielten Ergebnisse.307 Gleichwohl handelt es sich im Sinne der Gläubigergleichbehandlung um durchaus begrüßenswerte Ziele, wenn der Ertrag für Leistungen aus der Masse auch der Masse gebühren soll.308 Das Kernanliegen der Rechtsprechung lautet: Werte, die mit Massemitteln geschaffen werden, sollen nicht Sicherungsnehmern zu Gute kommen und einzelne Insolvenzgläubiger sollen sich durch Tilgung des Gegenleistunganspruchs der Masse mit Hilfe einer Aufrechnung keinen Vorteil verschaffen.309 Unter Berücksichtigung dieses von wirtschaftlichen Erwägungen geprägten Motivs der Rspr. lässt sich sowohl eine treffende Begründung des erzielten Ergebnisses als auch eine tragfähige dogmatische Grundlage finden. Schließlich zeigen die anhaltenden Bemühungen allesamt, dass eine Begründung der massemehrenden Ergebnisse nur in denjenigen haftungsrechtlichen Bestimmungen zu finden ist, die der Wahlrechtsausübung insofern vorgehen, als sie den Umfang der Masse definieren. Das wird lediglich vernebelt, wenn der BGH und die ihm folgenden Teile des Schrifttums mit der Erfüllungswahl eine „originär“ neu entstehende Masseverbindlichkeit bei gleichzeitig unverändertem Fortbestand des Vertrags annehmen wollen. Durch die Qualitätssprungtheorie wird § 103 InsO der Charakter einer „Zubringervorschrift“310 oder eines „Rückholrechts“311 beigemessen und damit in die Nähe von §§ 91, 94 ff. und 129 ff. InsO gerückt.

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Vgl. etwa Wieser, JZ 2003, 231 [233]; Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [200]; von Wilmowsky, ZIP 2012, 401 [405]; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 49; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 10; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 30 und 356 ff. Dagegen hält Stamm, KTS 72 (2011) 421 [442 ff.] daran fest, dass es sich lediglich um eine reine Billigkeitsrechtsprechung ohne gerechtfertigte Grundlage handelt. Krit. ferner Marwedel ZInsO 2011, 937 [937 f.]. 307 Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [201]. 308 Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [200 f.] 309 BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = NJW 2002, 2783 [2785]; BGH Urt. v. 20.12.1988, IX ZR 50/88 = NJW 1989, 1282 [1282]; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 271. 310 Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 49. 311 Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 33.

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Wenn dementsprechend noch immer das Fehlen einer dogmatisch befriedigenden Begründung moniert wird,312 liegt dies daran, dass zur Erzielung dieser Ergebnisse der Boden der Rechtsauslegung verlassen und das Feld der im Verantwortungsbereich des Gesetzgebers liegenden Definition der Masse betreten wird. Ursprung des Problems ist die Tatsache, dass die Masse zur Realisierung der exekutorischen Funktion des Insolvenzrechts nach wie vor zu „statisch als ein auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bezogenes Vollstreckungssubstrat“ definiert wird.313 Selbst nachdem § 35 I InsO der Dynamik der Abwicklungsprozedur des Insolvenzverfahrens nun insoweit Rechnung trägt, als auch das während des Verfahrens vom Schuldner hinzuerworbene Vermögen vom Insolvenzbeschlag erfasst wird, wird die auf den Zeitpunkt der Eröffnung konzentrierte Sichtweise der §§ 35, 91, 94 ff. InsO den Besonderheiten des nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrags nicht gerecht. Treffend hat K. Schmidt daher – wenn auch in einem anderen Kontext – zur Definition der Reichweite der Masse darauf hingewiesen, dass „Insolvenzverwaltung […] nicht nur Ausübung von Verfügungsmacht, sondern Verfahren, der Verwalterbereich nicht nur ein Sondervermögen, sondern ein Aktionszentrum“ ist.314 Das Konzept eines vom Verwalter beherrschten Aktionsbereichs lässt sich jedoch nur dann widerspruchsfrei verwirklichen, wenn die Definition des Masseschutzes in §§ 91 und 94 ff. InsO mit dem Instrument der Erfüllungswahl nach § 103 I InsO harmoniert. Diese Harmonie lässt sich durch die konsistente Beschreibung einer dynamischeren haftungsrechtlichen Reichweite des Insolvenzbeschlags erreichen – nicht durch einen fragwürdigen in § 103 InsO beheimateten Übergriff in das materielle Recht. In der Sache geht es um Veränderungen des faktischen Vermögensbestands als „Ist-Masse“ hin zu der Teilungsmasse als „Soll-Masse“. Dementsprechend sind die Problemfälle nicht durch eine dogmatische Manipulation über § 103 InsO zu bewältigen, sondern ist an den hierfür einschlägigen Vorschriften des Insolvenzrechts anzusetzen.315 Es erscheint daher insgesamt vorzugswürdig, die Lösung in den Normen der den § 35 InsO ergänzenden §§ 91 und 94 ff. InsO zu suchen, indem dort auf das als entscheidend anerkannte Merkmal das Werthaltigmachen abgestellt wird.316 Für eine vor Verfahrenseröffnung vorgenommene Zession und eine 312 Mohrbutter/Mohrbutter, DZWIR 2003, 1 [4]; Wieser, JZ 2003, 231 [231 f.]; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 36; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 47; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 47; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 28. Vgl. dagegen den „Appell“ Krefts in Kreft, in: FS Kübler (2015) S. 359 [369 f.]. 313 Vgl. K. Schmidt, KTS 65 (2004) 241 [247]. 314 So K. Schmidt, KTS 65 (2004) 241 [247] zu dem auf unvertretbare Handlungen gerichteten Insolvenzbeschlag. 315 Bork, Insolvenzrecht (2017) S. 104. 316 Vgl. auch, Gerhardt, in: GS Knobbe-Keuk (1997) S. 169 [170]; vgl. Henkelmann (2009) S. 236 ff.; 269 ff.; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 356 ff. und 374 ff.

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Aufrechnung gegen die auf die Gegenleistung des Vertragspartners gerichtete Masseforderung gilt daher Folgendes: Auch wenn § 91 InsO den Rechtserwerb nicht verhindert, sobald der zivilrechtliche Erwerbstatbestand vor Verfahrenseröffnung beendet ist, muss schließlich für die insolvenzrechtliche Betrachtung der aus einem gegenseitigen Vertrag erwachsenden Forderung berücksichtigt werden, dass der Zessionar lediglich eine Forderung erwirbt, welcher der Vertragspartner vorbehaltlich der Erfüllungswahl die Einrede aus § 320 BGB entgegenhalten kann (§ 404 BGB). Vorbehaltlich der Erfüllungswahl ist diese Forderung damit ohne wirtschaftlichen Wert.317 Tatsächlich erlangt die Forderung ihren wirtschaftlichen Wert erst durch die spätere Erfüllungswahl und Leistungserbringung durch den Verwalter. Dieser Ansatz entspricht immerhin der § 91 InsO zugrundeliegenden Interessenlage, für die § 91 InsO die Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Rechtserwerbs auf Seiten des Zessionars ausspricht. Denn der Zessionar käme allein aufgrund einer nach Verfahrenseröffnung – weil dem Aktionsbereich des Verwalter entspringenden – vorgenommen Verwertungsentscheidung in den Genuss einer nun wirtschaftlich werthaltigen Forderung. Daher bedarf es einer Korrektur der haftungsrechtlichen Grenzen des Insolvenzbeschlags dergestalt, dass der Masse diejenige Gegenleistung gebührt, die mit Mitteln der Masse erwirtschaftet wurde. Der Zessionar bleibt dagegen mit der Schadensersatzforderung wegen der Einräumung einer wirtschaftlich wertlosen Sicherheit Insolvenzgläubiger.318 Parallel kann durch einen entsprechenden Rückgriff auf §§ 94 ff. InsO verhindert werden, dass der Vertragspartner für die erst nach Verfahrenseröffnung 317 Gerhardt, in: GS Knobbe-Keuk (1997) S. 169 [171]; Roth, in: FS Rolland (1999) S. 305 [309]; Bork, Insolvenzrecht (2017) S. 105; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 360. 318 Nach einer um einen Interessenausgleich bemühten, mit dem Gesetz aber kaum in Einklang zu bringenden Auffassung wird die Wirksamkeit der Abtretung angenommen, jedoch ein am Wert der an den Vertragspartner erbrachten Leistung orientierter Bereicherungsausgleich zwischen Zessionar und Insolvenzschuldner zugelassen, weil die mit der Erfüllung verbundene Ausräumung des § 320 BGB auf Seiten des Vertragspartners zu einer Bereicherung des Zessionars führe. Schließlich führe § 91 InsO in seiner entsprechenden Anwendung immerhin zur haftungsrechtlichen Unwirksamkeit des Werthaltigmachens, Gerhardt, in: GS Knobbe-Keuk (1997) S. 169 [173 ff.]; Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [206 f.]; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 291 f.; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 362 ff. Dass sich die Vertreter dieser Auffassung überwiegend zu einer genauen Benennung der bereicherungsrechtlichen Grundlage bedeckt halten und schlicht auf „§ 812 BGB“ rekurrieren, belegt, dass eine solche nicht zu finden ist. Zum einen lässt sich in der Erfüllung an den Vertragspartner keine rechtsgrundlose Leistung an den Zessionar erblicken. Zum anderen scheitert eine Nichtleistungskondiktion, da sich weder der Wegfall der Einrede aus § 320 BGB als vermeintlich erlangtes Etwas auf Seiten des Zessionars als eine dem Insolvenzschuldner zugewiesene Rechtsposition entpuppt (Eingriffskondiktion) noch der Verwalter auf eine Schuld des Zessionars zahlt (Rückgriffskondiktion), vgl. auch die Krit. bei Adam, DZWir 1998, 227 [228 f.]; Roth, in: FS Rolland (1999) S. 305 [311 f.].

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durch Leistungserbringung des Verwalters werthaltig gemachte Forderung mittels Aufrechnung eine Befriedigung erfährt. Zwar taugt die rein formale Behauptung eines Neuentstehens der Forderung als Begründung ebenso wenig wie die Feststellung, dass der Vertragspartner vorbehaltlich einer Erfüllungswahl nur auf den Erhalt einer Quote vertrauen konnte, weshalb die Situation der in § 96 I Nr. 1 InsO geregelten fehlenden schutzwürdigen Aufrechnungslage entspreche.319 Dem lässt sich nämlich entgegenhalten, dass sich die Schutzwürdigkeit des Vertragspartners im vielmehr maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses kaum leugnen lässt. Denn zu diesem Zeitpunkt bestand die Aufrechnungslage.320 Dementsprechend liegt die Lösung des bei § 94 InsO zu verortenden Problems darin begründet, unter Berücksichtigung des Werthaltigmachens erst durch die Erfüllungswahl dem Vertragspartner – rechtskonstruktiv im Wege einer teleologischen Reduktion des § 94 InsO – durch den Aufrechnungsausschluss ein Sonderopfer aufzuerlegen.321 b) Das Bestehen von Rücktrittsrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren Die Kritik an der Suspensivtheorie verlangt eine dezidierte Hinterfragung der Folgen des vermeintlichen „Durchsetzbarkeitsverlusts“ für Rücktrittsrechte des Vertragspartners. Klar ist nach der haftungsrechtlichen Wirkung der Wahlrechtsausübung bereits, dass jedenfalls aus der Erfüllungsablehnung selbst kein Recht zum Rücktritt abgeleitet werden kann.322 Damit wird lediglich der haftungsrechtliche Status als Insolvenzgläubiger perpetuiert. Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass es sich bei der Wahlrechtsausübung um keine Erklärung handelt, die materiell-rechtlich auf den Austauschvertrag einwirkt, sondern allein für Zwecke des Verfahrens die haftungsrechtliche Behandlung des Vertrags bestimmt.323 Dementsprechend bemisst sich das Bestehen eines Rücktrittsrecht anhand des Vorliegens der Voraussetzungen des § 323 BGB. Die vom Verlust der prozessualen Durchsetzbarkeit geprägten generellen Einwände gegen einen Rücktritt im eröffneten Verfahren erweisen sich als unbegründet.

319 So aber Henkelmann (2009) S. 271 f.; MüKoInsO/Brandes/Lohmann (2013) § 96 Rn. 11 f. 320 Vgl. bereits zu § 55 S. 1 Nr. 1 KO, Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [310]. 321 Vgl. Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [207]; Wieser, JZ 2003, 231 [232]; Bork, Insolvenzrecht (2017) S. 105. Abweichend Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 377 f. wonach ohnehin die Rückwirkung des § 389 BGB zu einem rückwirkenden Entfallen der Voraussetzungen des § 103 InsO führe. 322 Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 97. 323 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.16 und 20.23.

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aa) Einschränkungen des § 320 BGB wegen fehlender Vertragstreue des Insolvenzschuldners Zunächst wird bei einer auf § 320 BGB gestützten insolvenzbedingten Rücktrittssperre übersehen, dass sich das auf die Gläubigerforderung beziehende Erfordernis der Durchsetzbarkeit in § 323 BGB nicht grenzenlos besteht. Bei der Ableitung einer Rücktrittssperre aus § 320 BGB bleiben die teleologischen Einschränkungen unberücksichtigt, denen die Einrede des nicht erfüllten Vertrags auch außerhalb der Insolvenz mit Rücksicht auf deren Funktion in einem gegenseitigen Vertrag unterliegt. Im Rahmen der Darstellung der Folgen des Einwands des nicht erfüllten Vertrags auf Sekundärebene wurde bereits dargestellt, weshalb in Abweichung zur Konstruktion des funktionellen Synallagmas im BGB zwar schon das Bestehen der Einrede aus § 320 BGB auf Sekundärebene ipso iure-Wirkung zeitigt.324 Das bedeutet, dass ein Rücktritt des Gläubigers gesperrt ist, sobald auf Seiten des Schuldners die Einrede aus § 320 BGB ausgeübt werden kann, ohne dass sich der Schuldner hierauf berufen muss. Allerdings wurde in diesem Zusammenhang ebenfalls bereits darauf hingewiesen, dass dabei zwingend zugleich zu berücksichtigen ist, unter welchen Umständen die Norm des § 320 BGB unter Berücksichtigung ihrer Sicherungs- und Druckfunktion ihrerseits teleologisch zu reduzieren ist. So steht die Einrede aus § 320 BGB nur derjenigen Partei zu, die sich selbst vertragstreu und erfüllungsbereit verhält. Dagegen bleibt die Berufung auf § 320 BGB von vornherein verwehrt, wenn damit allein der vertragswidrige Zustand perpetuiert werden soll.325 Dies hat der u.a. für das Kaufrecht zuständige VIII. Senat des BGH auch in einer Entscheidung jüngeren Datums gerade in dem Fall hervorgehoben, in dem sich ein Insolvenzverwalter „unter Bezugnahme auf § 103 InsO“ zu Unrecht vom Vertrag losgesagt hat, obwohl er vorher gem. § 103 I InsO konkludent die Vertragserfüllung gewählt hatte. Das Vorliegen der objektiven Verzugsvoraussetzungen auf Seiten des Schuldners bzw. Verwalters wurde durch § 320 BGB nicht in Frage gestellt, denn „[…] diese Einrede [des § 320 BGB] hat die Funktion, die geschuldete Gegenleistung zu erzwingen, und setzt deshalb voraus, dass derjenige, der sich auf sie beruft, seinerseits erfüllungsbereit ist. Derjenige, der deutlich gemacht hat, dass er nicht am Vertrag festhalten will, kann sich die Einrede nicht zunutze machen.“326

Diese Rspr. lässt sich mit Blick auf § 320 BGB auch auf diejenigen Fälle übertragen, in denen es der Verwalter von vornherein bei der Nichterfüllung be-

324 Vgl. die Ausführungen zu den Folgen des Einwands des nicht erfüllten Vertrags auf Sekundärebene, Kap. 2 II. 2. 325 Vgl. auch Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 14 Rn. 8. 326 BGH NZI 2013, 891 [893] [Herv. d. Verf.].

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lässt. Schließlich wird damit nur der status quo der Einordnung als Insolvenzgläubiger und damit die Nichterfüllung der vertraglichen Pflicht perpetuiert. Der Verwalter entscheidet sich – mit den Worten des BGH in der vorstehenden Entscheidung – also dafür, nicht an dem vertraglichen Pflichtenprogramm festhalten zu wollen. Dass es sich bei der verbleibenden Möglichkeit einer Forderungsanmeldung um „genau diejenige Befriedigung handelt, die das Insolvenzrecht vorsieht,“ ändert an der für § 323 BGB allein maßgeblichen Nichterfüllung der vertraglichen Pflicht nichts.327 Auch außerhalb der Insolvenz würde niemand bestreiten, dass der bloße Verweis auf Schadensersatz nichts an der Verweigerung der vertraglichen Erfüllung mit den sich daraus für § 320 BGB ergebenden Konsequenzen ändert. Allein auf die Verweigerung der vertraglichen Erfüllung kommt es jedoch für die §§ 320 ff. BGB an. Mangels eigenen Leistungsvermögens und im Widerspruch zur eigenen Vertragstreue kann sich daher weder der Verwalter noch der Schuldner im eröffneten Verfahren auf das sich aus § 320 BGB ergebende Leistungsverweigerungsrecht berufen, sofern es mit der insolvenzbedingten Nichterfüllung sein Bewenden hat.328 Damit tritt im Übrigen erneut deutlich zu Tage, dass § 320 BGB entgegen der verbreiteten Annahme der Suspensivtheorie nicht geeignet ist, das insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot im materiellen Recht abzubilden.329 Die Verwehrung des Rücktritts im eröffneten Verfahren lässt sich damit nicht auf § 320 BGB stützen. bb) Zweckverfehlung des Durchsetzbarkeitserfordernisses in § 323 BGB bei Annahme eines insolvenzbedingten Durchsetzbarkeitsverlusts Neben den auch außerhalb der Insolvenz zu berücksichtigenden Einschränkungen des § 320 BGB ist das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Durchsetzbarkeit in § 323 BGB ohnehin stets vor dessen teleologischen Hintergrund zu betrachten. Das Durchsetzbarkeitserfordernis dient dazu, trotz des Vorliegens der in § 323 BGB genannten Voraussetzungen „den Schuldner vor einem Verlust seiner Naturalandienungsmöglichkeit zu bewahren, solange er berechtigt ist, die Leistung zu verweigern.“330 Wenn trotz einer rein haftungsrechtlichen Wirkung der Verfahrenseröffnung dennoch betont wird, der Vertragspartner könne sich nach Verfahrenseröffnung nicht mehr wegen der Nichter-

327

So aber von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [469 f. und 473]. Stamm, KTS 72 (2011) 421 [428]; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 13. 329 Vgl. dazu bereits die Ausführungen zu den verfehlten Ableitungen aus der Suspensivtheorie, Kap. 3 I. 3. 330 Riehm (2015) S. 320. 328

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füllung seiner Forderung auf § 323 BGB berufen, „weil diese als Insolvenzforderung nicht mehr durchsetzbar ist“331, „weshalb die Ausübung des Rücktrittsrechts zwingend scheitern muss“332, droht dabei ohne Grund die – nach § 89 InsO zweifelsfrei fehlende – prozessuale Durchsetzbarkeit mit dem materiellrechtlichen Erfordernis der Durchsetzbarkeit im Rahmen des § 323 BGB vermengt zu werden. Dagegen muss sich die Verwehrung eines Rücktrittsrechts unter Berufung auf einen insolvenzbedingten Durchsetzbarkeitsverlust an dem Zweck des Durchsetzbarkeitserfordernisses in § 323 BGB messen lassen, ohne dabei von einer terminologischen Begriffsnähe geblendet zu werden. Das Telos des Durchsetzbarkeitserfordernisses in § 323 BGB wird bei der mit Verfahrenseröffnung postulierten Rücktrittssperre indessen komplett aus den Augen verloren. Der Regelungszweck des in § 323 BGB hineingelesenen Durchsetzbarkeitserfordernisses wird ad absurdum geführt, wenn der Rücktritt mit der rein formaljuristischen Aussage verwehrt wird, dass die fehlende Durchsetzungsmöglichkeit infolge des Vollstreckungsverbots eine Abstandnahme vom Vertrag verbiete. Schließlich kann der Schuldner dem Rücktritt spätestens dann bei gleichzeitiger Nichtleistung trotz Fälligkeit kein schützenswertes Interesse zur Aufrechterhaltung des vertraglichen Pflichtenprogramms entgegensetzen, wenn infolge endgültiger Nichterfüllungswahl der durch die Insolvenz eingetretene Defekt des Vertrages perpetuiert wird. Der verfahrensrechtliche Verlust der Durchsetzbarkeit steht einem Rücktritt dann nicht im Wege, weil das Ausbleiben der Leistung seinen Grund allein in der von dem Vollstreckungsverbot flankierten Einordnung als Insolvenzgläubiger hat und gerade nicht auf der berechtigten Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts basiert, das dem Schuldner seine Naturalandienungsmöglichkeit berechtigterweise erhalten würde.333 Damit rückt die Situation vielmehr in die Nähe eines Rücktritts wegen (vorübergehender) Unmöglichkeit der schuldnerischen Leistung nach § 275 BGB. Dabei handelt es sich um eine Norm, die bereits auf materiell-rechtlicher Ebene die fehlende Durchsetzbarkeit berücksichtigt und konsequenterweise die sofortige Überleitung auf Sekundärrechte anordnet, §§ 275 IV, 283, 326 331 Vgl. statt vieler, Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 31 und 228 m. w. N. Ebenso BAG Urt. v. 10.11.2011, 6 AZR 357/10 = NZA 2012, 205 [208]. Vgl. ferner die Ausführungen zu den Folgen der Suspensivtheorie für Rücktrittsrechte des Gläubigers, Kap. 3. I. 2. c). 332 Wöllner (2009) S. 73. 333 Rechtsfehlerhaft wurden deshalb in BAG Urt. v. 10.11.2011, 6 AZR 357/10 = NZA 2012, 205 [208] die Voraussetzungen des § 323 BGB unter Berufung auf den insolvenzbedingten Durchsetzbarkeitsverlust verneint. Die fehlende prozessuale Durchsetzbarkeit des streitgegenständlichen Abfindungsanspruchs nach Verfahrenseröffnung hindert den Rücktritt nicht. Richtigerweise hätte das BAG daher – unter der Prämisse, dass der Aufhebungsvertrag überhaupt ein gegenseitiger Vertrag ist – davon ausgehen müssen, dass das dispositive Rücktrittsrecht aus § 323 BGB bei einem Aufhebungsvertrag konkludent abbedungen wird. Dies wurde offen gelassen.

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BGB.334 Freilich wurde bereits im Rahmen der Befreiung von der Gegenleistungspflicht bei endgültiger Leistungsverhinderung darauf hingewiesen, dass finanzielles Unvermögen nicht in die Anwendbarkeit der §§ 283, 326 BGB mündet.335 Allerdings liegt dies lediglich daran, dass finanzielles Unvermögen keine dauernde Unmöglichkeit bedingt. Während eine vorübergehende Suspendierung der Primärpflicht nach § 275 I BGB analog davon unberührt bleibt,336 hat es daneben jedoch mit einer fristenabhängigen Gewährung von Sekundärrechten (§§ 281, 323 BGB) sein Bewenden. Auch bei vorübergehender Suspendierung – mit anderen Worten also vorübergehender „Durchsetzbarkeitssperre“ – der Primärpflicht wegen sonstiger Leistungshindernisse bleibt ein fristenabhängiger Rücktritt mithin möglich. Dieser Befund wird auch außerhalb der Insolvenz nicht bezweifelt.337 Der sachlich rechtfertigende Grund für die Abstandnahme von dem Vertrag in Form der Vertragsverletzung wird dementsprechend auch durch den insolvenzbedingten Durchsetzbarkeitsverlust nicht aufgehoben. Allein darauf kommt es bei dem materiellen Durchsetzbarkeitserfordernis in § 323 BGB jedoch an.338 Der verfehlte Schluss von den aus der Suspensivtheorie abgeleiteten Folgen auf eine Rücktrittssperre hat seinen Ursprung somit in einer Vermengung der Klagbarkeit des Anspruchs mit dessen materiell-rechtlichen Bestand und dem Telos des Durchsetzbarkeitserfordernis bei Sekundärrechten. Damit stellt sich die Verneinung des Rücktrittsrechts aufgrund des Vollstreckungsverbots aus § 89 InsO als leidlicher Rückschritt dar. Schließlich belegte Windscheid339 bekanntermaßen bereits im Jahr 1856 die heute gefestigte Anschauung, dass das materielle Recht als Prius das Erzeugende ist, während die Klage als das Spätere das Erzeugte beschreibt – Anspruch und Klage sind getrennt zu betrachten.340 Das im Geiste dieser Entwicklung entstandene BGB geht daher zwar davon aus, dass bei materiell-rechtlich gegebenen Ansprüchen gerichtlicher Rechtschutz ganz selbstverständlich zuerkannt wird und nur ausnahmsweise

334 Vgl. dazu Gsell, in: FS Buchner (2009) S. 267 [272 ff.]; Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [145 ff.]; Riehm (2015) S. 307. 335 Vgl. dazu die Ausführungen bei den Grundlagen der Vertragsumsteuerung zum finanziellen Unvermögen als endgültiges Leistungshindernis. 336 Vgl. dazu die Ausführungen zu OLG Karlsruhe BeckRS 2006, 13578 bei den Grundlagen der Vertragsumsteuerung zum finanziellen Unvermögen als endgültiges Leistungshindernis. 337 Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [151 ff.]; Gsell, in: FS Buchner (2009) S. 267 [270 ff.]; BeckOGK/Riehm BGB § 275 Rn. 32; MüKoBGB/Ernst (2016) § 275 Rn. 147 f.; Soergel/Ekkenga/Kuntz (2014) § 275 Rn. 68 f. 338 Eingängig dazu Herresthal, JURA 2008, 561 [562]. 339 Vgl. nur Windscheid (1856) S. 46 et passim: „Unter Verwirklichung der Actio verstehe ich daher nicht Befriedigung des Anspruchs, sondern das Wirklichwerden des Gerichts.“ 340 Vgl. zum Ganzen ferner Zöllner, AcP 190 (1990) 471.

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versagt werden darf.341 Diese Erkenntnis scheint die Anhänger der Suspensivtheorie jedoch zu dem verfehlten (Umkehr-)Schluss zu verleiten, dass dort, wo selbst der gerichtliche Rechtschutz zur Durchsetzung der Forderung versagt wird, auch der Bestand des subjektiven Rechts und mithin das Rücktrittsrecht betroffen sein muss. Das trifft nicht zu. Ein solches Eigenleben entfaltet das Insolvenzrecht nicht.342 Die Emanzipation des Prozessrechts von dem zu verwirklichenden materiellen Recht erlaubt im Kontext der Einordnung des Vertragspartners bei einem noch nicht erfüllten gegenseitigen Vertrag als Insolvenzgläubiger vielmehr die Erkenntnis, dass die nur vorübergehende Verhinderung des Vollstreckungszugriffs sich weder in dem Bestand des Anspruchs niederschlägt noch die Geltendmachung von Sekundärrechten hindert. In den vorstehenden Ausführungen wurde dargelegt, dass das Erfordernis der „Durchsetzbarkeit“ – im materiell-rechtlichen Sinne – bei der Geltendmachung von Sekundärrechten stets vor dem Hintergrund zu betrachten ist, dass damit dem Schuldner eine schützenswerte Naturalandienungsmöglichkeit erhalten werden soll. Da bei der bloß quotalen Befriedigung als Insolvenzgläubiger von einer schützenswerten Erhaltung der Naturalandienungsmöglichkeit keine Rede sein kann, wird der Rücktritt nicht durch die fehlende „Durchsetzbarkeit“ – im verfahrensrechtlichen Sinne – des Primäranspruchs behindert. Abschließend sei daher darauf hingewiesen, dass die geschilderten Missverständnisse um den Durchsetzbarkeitsverlust zusätzlich durch die Terminologie der h. M. heraufbeschworen werden.343 Allein dass der Vertragspartner vorbehaltlich der Erfüllungswahl nicht in voller Höhe vollstrecken darf und die Forderung mithin uneinbringlich – bzw. mit den Worten des BGH nicht „durchsetzbar“ – ist, darf nicht dazu verleiten, die fehlende vollstreckungsrechtliche Realisierung mit dem Durchsetzbarkeitserfordernis des § 323 BGB gleichzusetzen. Parallel zeigt bereits ein Blick auf den Sicherungsfall einer akzessorisch ausgestalteten Interzession, dass an dem Verlust der „Durchsetzbarkeit“ einer Forderung im Insolvenzfall nicht immer formaljuristisch festzuhalten ist. So wird auch bei der mit einer Bürgschaft gesicherten Forderung nicht bestritten, dass im klassischsten aller Sicherungsfälle – der Insolvenz des Hauptschuldners, vgl. § 773 I Nr. 3 BGB – § 768 I 1 BGB teleologisch zu reduzieren und damit auf eine „durchsetzbare“ Hauptforderung zu verzichten ist. Schließlich soll die Sicherheit den Sicherheitennehmer nach Sinn und Zweck genau davor

341

Zöllner, AcP 190 (1990) 471 [473]. Freilich wird besonders im Insolvenzfall deutlich, dass materielles Recht und Verfahrensrecht durchaus als Sinneinheit zu betrachten sein können. Vgl. Zöllner, AcP 190 (1990) 471 [482 f.] mit dem Bsp. bevorrechtigter Befriedigung Ab- und Aussonderungsberechtigter. Doch ist im hiesigen Kontext hierfür kein Grund gegeben. 343 Krit. zur Terminologie des BGH auch, von Wilmowsky, ZIP 2012, 401 [403 f.]. 342

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schützen.344 Auch dort muss das Erfordernis einer durchsetzbaren Forderung des Vertragspartners unter teleologischen Gesichtspunkten hinterfragt werden und darf nicht durch eine begriffsjuristische Gesetzesanwendung zu sinnwidrigen Ergebnissen verleiten. Terminologisch sollte dem in Anlehnung an die Materialien zur Konkursordnung vorgebeugt werden, indem künftig allein davon die Rede ist, dass die Verfahrenseröffnung die Ausführung des Schuldverhältnisses hemmt.345 cc) § 323 BGB und die begrenzten Modifikationen durch §§ 103 ff. InsO (1) Rücktritt nach feststehender Nichterfüllung Nach den vorstehenden Ausführungen lässt sich bei einer feststehenden insolvenzbedingten Nichterfüllung das Vorliegen der für § 323 BGB erforderlichen Verletzung einer im Synallagma stehenden Pflicht nicht leugnen. Entscheidet sich der Verwalter nicht für die vertragsgemäße Befriedigung des Vertragspartners als Massegläubiger, §§ 103 I, 55 I Nr. 2 InsO, erklärt er anstelle des Schuldners eine „ernsthafte und endgültige“ Verweigerung i. S. d. § 323 II Nr. 1 BGB.346 Nach den vorstehenden Ausführungen hindert der insolvenzbedingte „Durchsetzbarkeitsverlust“ die Entstehung des gesetzlichen Rücktrittsrechts aus § 323 BGB ebenso wenig wie die von der mit Rechtsfehlern behafteten Erlöschenstheorie getragene und damit überholte Auffassung, die Nichterfüllungswahl löse keine Gewährleistungsrechte aus, „da sie keine Erfüllungsverweigerung i.S. der §§ 281 II, 323 II Nr. 1, 440 I BGB darstellt, sondern nur deklaratorisch das Erlöschen der beiderseitigen Vertragspflichten bestätigt.“347 Ebenso verfehlt ist die Annahme ein Rücktritt scheitere daran, § 103 I InsO ordne nicht an, dass der Verwalter in die Pflichtverletzung des Schuldners eintritt.348 Der Verwalter hat den Vertrag so hinzunehmen, wie er ihn vorfindet, sodass das Vertragsverhältnis auch mit der vorinsolvenzlichen Pflichtverletzung des Schuldners belastet bleibt.349 Die Verfahrenseröffnung macht die Nichterfüllung einer fälligen Leistungspflicht nicht ungeschehen. Steht die Nichterfüllung des Verwalters fest, liegen die Voraussetzungen des § 323 BGB

344 Vgl. BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 113; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 259 f. Im Fall der Veränderung der Hauptforderung durch Bestätigung eines Insolvenzplans ergibt sich dies ohne Weiteres aus § 254 II 1 InsO, vgl. dazu Bülow, Recht der Kreditsicherheiten (2017) Rn. 971. 345 Vgl. Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 85. 346 Zutreffend daher auch der VIII. Senat in BGH Urt. v. 17.7.2013, VIII ZR 163/12 = NZI 2013, 891 [893]. 347 So Scherer, NZI 2002, 356 [358]. 348 So Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 332. 349 Vgl. Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 105.

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vor. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Verweigerungserklärung des Verwalters anders behandelt werden soll als die des Schuldners. § 103 InsO entfaltet vor dem Hintergrund der rein haftungsrechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung keinerlei zivilrechtliche Modifikationen der Sekundärrechte des Vertragspartners.350 Gerade weil der Verwalter nicht die Rechtsmacht hat, die Erfüllung des Anspruchs des Vertragspartners ablehnen zu dürfen, muss in der Nichtgeltendmachungsentscheidung der Insolvenzverwaltung eine Erfüllungsverweigerung im leistungsstörungsrechtlichen Sinne erblickt werden. Denn auch wenn der Verwalter damit erklärt, er werde den Vertragsanspruch in der Weise erfüllen, wie es für Insolvenzgläubiger vorgesehen ist, namentlich durch bloß quotale Befriedigung, mag es sich dabei zwar „exakt um die Erfüllung [handeln], die das Insolvenzrecht vorsieht.“351 Mitnichten handelt es sich dabei aber – und allein darauf kommt es für §§ 281 und 323 BGB an – um eine Erfüllung, wie sie der Vertrag vorsieht. Steht die Nichterfüllung infolge der Verweigerung des Verwalters somit fest, kann der Vertragspartner auch sofort zurücktreten, wenn seine Forderung noch nicht fällig ist. Dass der Vertragspartner den Verwalter auch vor Fälligkeit zur Wahlrechtsausübung auffordern kann, sodass eine Erfüllungsverweigerung dieselben sich aus § 103 II InsO ergebenden Bindungswirkungen zeitigt, hielt der Gesetzgeber für selbstverständlich und verzichtete demnach auf eine entsprechende klarstellende Regelung.352 Das an die Verweigerungserklärung anknüpfende Rücktrittsrecht ergibt sich im eröffneten Verfahren – die Frage ist nicht mit der Problematik zu verwechseln, inwiefern der Vertragspartner gestützt auf § 323 IV BGB im Vorfeld der Insolvenz zurücktreten kann353 – sodann schlicht aus § 323 IV BGB. Schließlich ist aufgrund der Verweigerung offensichtlich, dass die Voraussetzungen des § 323 I, II Nr. 2 BGB eintreten werden. § 41 InsO gilt indessen nicht, nachdem die §§ 40 ff. InsO allein dazu dienen, die Gläubigerforderung für Zwecke der finanziellen Bewertung ihrer Einreden und dergleichen zu entkleiden.354 Hervorzuheben bleibt abschließend lediglich, dass sich dagegen keine weiteren Abweichungen aus § 112 InsO für das Rücktrittsrecht ergeben. Im Gegenteil spricht die bloß partielle Einschränkung von Sekundärrechten beschränkt auf bestimmte Schuldverhältnisse dafür, dass es außerhalb des Anwendungsbereichs des § 112 InsO mit der Anwendbarkeit schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts sein Bewenden hat. Bei der Heranziehung des § 112 InsO zur Begründung eines generellen Ausschlusses von Rücktrittsrechten des 350

Stamm, KTS 72 (2011) 421 [434]. So von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [469 f. und 473] [Herv. d. Verf.] der aufgrund dessen eine Erfüllungsverweigerung i. S. d. §§ 281, 323 BGB ablehnt. 352 BT-Drucks. 12/2443, 145. 353 Vgl. dazu die Ausführungen zur Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs, Kap. 4 IV. 3. 354 Vgl. Stamm, KTS 72 (2011) 421 [425]. 351

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Vertragspartners in der Insolvenz darf nicht übersehen werden, dass die Kündigungssperre eine Ergänzung der §§ 108 ff. InsO ist.355 Dort wird jedoch gerade abweichend vom Grundsatz des § 103 InsO ein Fortbestehen der Schuldverhältnisse angeordnet. Die Kündigungssperre ist auf diese Besonderheit zugeschnitten und kann daher als spezielle Ausnahmeregelung nicht als allgemeiner Grundsatz herangezogen werden.356 Schließlich kann § 112 InsO außerhalb der Anordnung des Fortbestehens bestimmter Dauerschuldverhältnisse einem einzelnen Gläubiger schwerlich das Sonderopfer auferlegen, das Fortbestehen eines punktuellen Austauschverhältnisses zu dulden, wenn neben der allgemeinen Vermögensverschlechterung des Schuldners die Nichterfüllung der konkreten Gegenleistung feststeht.357 Die nicht zu beanstandenden, sich aus § 112 InsO ergebenden Einschränkungen für die Kündigung eines fortbestehenden Dauerschuldverhältnisses mit sich ständig aktualisierenden (Gegen-)Leistungspflichten können demnach nicht einfach auf sämtliche Schuldverhältnisse übertragen werden. (2) Rücktritt vor feststehender Nichterfüllung unter Berücksichtigung des Erklärungsaufforderungsrechts des Vertragspartners und § 107 InsO Hat sich der Verwalter noch nicht mit den sich aus § 323 II Nr. 1 BGB ergebenden Folgen erklärt, hängt das Rücktrittsrecht des Vertragspartners von dem erfolglosen Ablauf einer angemessenen Frist ab. Für die prozedurale Bestimmung der hinreichenden Störung des Synallagmas muss der Vertragspartner zur Abwägung seines Liquidationsinteresses mit dem Vertragserhaltungsinteresse des Schuldners mithin eine Nacherfüllungsmöglichkeit einräumen und das erfolglose Verstreichen dieser Frist abwarten.358 Allerdings wird dies im eröffneten Verfahren durch das Recht des Vertragspartners zur Erklärungsaufforderung in § 103 II 2 InsO relativiert. Da der Verwalter nach einer Erklärungsaufforderung nämlich unverzüglich zu erklären hat, ob er die Erfüllung verlangen will, wird das Fristerfordernis des § 323 I BGB zu Gunsten des Vertragspartners modifiziert.359 Anders als im Leistungsstörungsrecht des BGB sah sich der Gesetzgeber aufgrund der aus der Insolvenz des Schuldners resultierenden Unsicherheiten veranlasst, dem Vertragspartner ein Recht zur Klärung der Leistungsgefährdung an die Hand zu geben. Die Länge der dem Verwalter eingeräumten Frist soll dabei davon abhängen, 355

So Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 325. Vgl. M. Huber, in: FS Musielak (2004) S. 267 [278 f.]; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 103. 357 Vgl. dazu Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [15 ff.]. 358 Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 889 [893]; Heinrichs, in: FS Derleder (2005) S. 87 [98 ff.]; Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 19 Rn. 19. Vgl. dazu ferner bereits die Ausführungen zur Fristsetzung nach § 323 I BGB, Kap. 2 III. 2. a). 359 Vgl. Stamm, KTS 72 (2011) 421 [435 f.]. 356

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„wieviel Zeit der Verwalter braucht, um die Vor- und Nachteile der Erfüllung dieses Vertrags für die Insolvenzmasse beurteilen zu können; häufig wird er sich dazu einen ersten Überblick über die Möglichkeiten einer zeitweiligen Fortführung der Geschäfte des Schuldners verschaffen müssen.“360

Sofern der für eine etwaige Nacherfüllung erforderliche Zeitraum länger ist, muss dieser dem Verwalter demnach nicht eingeräumt werden. In den für die Abwägung der Vor- und Nachteile der Vertragserfüllung erforderlichen Zeitraum ist lediglich einzustellen, dass sich der Verwalter auch einen ersten Überblick über Fortführungsaussichten der Geschäfte des Schuldners verschaffen muss. Dementsprechend darf der gesetzgeberischen Verwendung des Begriffs „unverzüglich“ auch keine weitergehende Bedeutung beigemessen werden. Zwar geht aus den Materialien nämlich hervor, dass der Gesetzgeber damit auf die Legaldefinition des § 121 I 1 BGB rekurriert,361 sodass die Erklärung ohne schuldhaftes Zögern erfolgen soll. Allerdings bildet der Verschuldensbezugspunkt allein die Pflicht des Verwalters, sich einen zügigen Überblick über Fortführungsaussichten der Geschäfte des Schuldners zu verschaffen. Nicht dagegen darf die aus dem gegenseitigen Vertrag erwachsende Vertragspflicht zum Gegenstand einer Verschuldensprüfung gemacht werden. Der Erklärungszeitraum darf damit nicht mit der Begründung verlängert werden, dass sich die Erfüllung vertraglicher Pflichten insolvenzbedingt wegen der Knappheit des schuldnerischen Vermögens verzögert. Unabhängig davon, dass ein finanzielles Unvermögen stets zu vertreten ist, würde sonst über das Kriterium der Unverzüglichkeit i. S. d. § 121 I 1 BGB ein Verschuldenskriterium in die Gewährung des Rücktrittsrechts getragen werden, das mit der Schuldrechtsreform dankenswerterweise aus § 323 BGB verbannt wurde.362 Gesetzliche Abweichungen hiervon ergeben sich in umgekehrter Richtung aus § 107 II InsO. Die Norm gewährt dem Verwalter eine Schonfrist, da der Vorbehaltsverkäufer in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers sonst alsbald den Rücktritt erklären könnte, um sodann (§ 449 II BGB) nach § 985 BGB i. V. m. § 47 InsO die Sache auszusondern.363 Nach § 107 II 1 InsO braucht der Insolvenzverwalter die Erklärung nach § 103 II 2 InsO indessen erst unverzüglich nach dem Berichtstermin (§ 156 InsO) abzugeben. Zwar spricht § 107 II InsO eine Rücktrittssperre nicht ausdrücklich aus.364 Allerdings dient die Regelung

360

BT-Drucks. 12/2443, 145. BT-Drucks. 12/2443, 145. 362 Vgl. dazu die Paralleldiskussion nach Einführung des § 475 I 1 BGB. Treffend wird dort bemängelt, dass mit der Kopplung der Fälligkeit an das „schuldhafte Zögern“ ein Verschuldenskriterium in den verschuldensunabhängigen Rücktritt Einzug zu finden droht, Kohler, NJW 2014, 2817 [2820]; Windorfer, VuR 2014, 216 [220]. 363 Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [8]. 364 Vgl. daher den Vorschlag de lege ferenda von Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [11]. 361

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dem Ziel, „das Vermögen im Besitz des Schuldners zunächst zusammenzuhalten, um Fortführungs- und Sanierungschancen zu wahren.“365 Da dieses unmissverständlich geäußerte Regelungsziel nur durch einen Ausschluss des Rücktritts des Vorbehaltsverkäufers realisiert werden kann, lässt sich § 107 II InsO mithin eine dahingehende leistungsstörungsrechtliche Modifikation entnehmen, dass sich der Vorbehaltsverkäufer solange nicht auf § 323 BGB berufen kann. Als lex specialis ist die gesetzlich angeordnete Ausnahme des § 107 II InsO zum schuldrechtlichen Leistungsstörungsrecht zu akzeptieren. Einer Analogie aus § 112 InsO bedarf es zur Erzielung dieses Ergebnisses nicht.366 Nachdem die Regelung des § 107 II 1 InsO von der Erwägung getragen wird, dass der Verwalter unter Eigentumsvorbehalt erworbene Sachen zunächst in der Masse behalten kann, die er im Falle der Fortführung des Unternehmens benötigt, selbst „wenn ihm in der ersten Phase des Insolvenzverfahrens keine ausreichende Liquidität für die Wahl der Erfüllung des Kaufvertrages zur Verfügung steht“,367 stellt sich die Frage, ob sich dieser zugrundeliegende Regelungsgedanke auf weitere Fälle außerhalb des Kaufs unter Eigentumsvorbehalt übertragen lässt. Tatsächlich plädieren große Teil des Schrifttums unter Rekurs auf § 107 II InsO für eine weitere Ausnahme von § 103 II 3 InsO, wenn durch die Druckausübung auf den Verwalter der Erhalt wichtiger betrieblicher Mittel gefährdet wird. Dies folge bei für die Unternehmensfortführung unentbehrlichen Verträgen aus dem sich aus §§ 22 I 2 Nr. 2, 158 I InsO ergebenden Fortführungsgebot.368 Jedenfalls bei einer Rechtshandlung von besonderer Bedeutung i. S. d. § 160 InsO müsse dem Verwalter immerhin die Möglichkeit eingeräumt werden, die entsprechende Zustimmung einzuholen. Auch wenn die Wirksamkeit der Wahlrechtsausübung ausweislich des § 164 InsO hiervon nicht abhängt, sieht sich der Verwalter dort immerhin mit Haftungskonsequenzen konfrontiert, sodass der Fristbemessung entsprechend Rechnung zu tragen ist.369

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BT-Drucks. 12/2443, 146. Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 107 Rn. 17. Für eine analoge Anwendung des § 112 Nr. 1 InsO jedoch, Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [9 ff.]. Zu weit geht freilich die von Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 18.35 [dort Fn. 146] aus § 91 InsO abgeleitete Rücktrittssperre ab Verfahrenseröffnung. Schließlich ist ein dinglicher Rechtserwerb mit dem bloß schuldrechtlich wirkenden Rücktritt nicht verbunden, vgl. nur Burkhard (2007) S. 87 ff. 367 BT-Drucks. 12/2443, 146. 368 Vgl. von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [459]. 369 Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [372 f.]; Tintelnot, ZIP 1995, 616 [617]; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 26; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 53; HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 26; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 3; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 129. 366

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Höchstrichterlich ist diese Frage noch nicht entschieden.370 Dagegen gelangt das OLG Köln in einem Beschluss vom 2.12.2002 zu einem vermittelnden Ergebnis, das sich im Wesentlichen auf das Merkmal der Unverzüglichkeit des § 103 II 2 InsO stützt. Im zugrundeliegenden Fall forderte der Vertragspartner nach Verfahrenseröffnung den Verwalter am 13.6.2002 zur Ausübung des Wahlrechts bis zum 21.6.2002 auf. Der Verwalter berief sich in entsprechender Anwendung des § 107 II InsO darauf, bis zum Berichtstermin am 3.9.2002 abwarten zu können. Ihm steht nach allgemeiner Auffassung stets eine nach den Umständen angemessene Frist zur Klärung der Voraussetzungen für die durchdachte Ausübung der Wahl zur Verfügung. Speziell dann, wenn die Weiterführung der Verträge nur bei einer Fortführung des Betriebs wirtschaftlich sinnvoll ist, wird ihm für den Regelfall bereits aus allgemeinen Überlegungen gestattet, mit der Wahlrechtsdurchführung bis nach dem Berichtstermin zu warten, um dort die nötige Abklärung herbeizuführen zu können. Insoweit handelt es sich nicht um eine Analogie zu § 107 InsO, sondern um die Ausformung eines allgemeinen Prinzips, das bei der Festlegung, was unverschuldetes Zögern ist, die gesamten Umstände heranzieht.371

Weil bei Verträgen, deren Weiterführung nur bei Betriebsfortführung wirtschaftlich sinnvoll ist, sich für den Regelfall in dem Abwarten des Berichtstermins kein schuldhaftes Zögern erblicken lasse, erübrigte sich der Rückgriff auf § 107 II InsO für das OLG Köln. Dieser an das Tatbestandsmerkmal der Unverzüglichkeit anknüpfende Ansatz erscheint insofern begrüßenswert, als er einer Analogie zu § 107 II InsO mit Zögern begegnet, sobald Betriebsmittel betroffen sind, an deren Weiterbenutzung ein Interesse des Verwalters bzw. der Masse besteht. Schließlich sieht sich der pauschale Verweis auf den Gedanken des § 107 II InsO mit dem schwerwiegenden systematischen Einwand konfrontiert, dass damit die Grundregel des § 103 II 2 InsO leerliefe und durch die Ausnahmevorschrift des § 107 II 1 InsO derogiert werden würde.372 Die behauptete Regelungslücke besteht daher nicht. Allerdings kann darüber hinaus in § 103 II 2 InsO nicht hineingelesen werden, dass „im Regelfall“ der Berichtstermin abzuwarten ist. Welche Überlegungsfrist angemessen ist, richtet sich stets nach den Umständen des jeweiligen Falls.373 § 103 II 2 InsO soll die zügige Klärung der Leistungsgefährdung erleichtern und dem Vertragspartner gerade keine weiteren Sonderopfer auferlegen. Entscheidend ist basierend auf dem Merkmal eines schuldhaften Zögerns deshalb stets eine Abwägung der beiderseitigen Interessen.374 Dabei mögen der Berichtstermin und das nach 370

Eine analoge Anwendung des § 107 II InsO wurde ausdrücklich offen gelassen in BGH Urt. v. 1.3.2007, IX ZR 81/05 = NZI 2007, 335 [336]. 371 OLG Köln Beschl. v. 2.12.2002, 15 W 93/02 = NZI 2003, 149 [149]. 372 MüKoInsO/Ott/Vuia (2013) § 107 Rn. 18; BeckOK InsO/Berberich § 107 Rn. 33; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 35 f. 373 So jüngst BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [113]. 374 Vgl. gestützt auf den Rechtsgedanken des § 107 II 2 InsO, Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 161.

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§ 160 InsO erforderliche Zustimmungserfordernis Argumente einer Abwägung zu Gunsten des Verwalters sein, sodass § 107 II InsO als Referenz dienen kann. Allerdings werden die Interessen des Vertragspartners damit nicht ipso iure verdrängt, sondern können im Einzelfall – etwa wenn der Vertragspartner seinerseits zügig umdisponieren muss, um die Aufrechterhaltung des eigenen Geschäftsbetrieb nicht zu gefährden – überwiegen.375 Es bleibt mit Blick auf das Rücktrittsrecht des Vertragspartners damit bei der eingangs beschriebenen Angemessenheitsprüfung. (3) Rücktritt des Gläubigers bei (bevorstehender) Erfüllungswahl – Erklärungsaufforderungsrecht des Verwalters analog § 103 II 2 InsO? Wählt der Verwalter Erfüllung des gegenseitigen Vertrags, sind die sich daraus ergebenden Pflichten wie geschuldet zu erfüllen. Das Bestehen eines Rücktrittsrechts des Vertragspartners wirft damit keine speziellen Probleme auf: dies beurteilt sich anhand derselben Voraussetzungen des § 323 BGB wie auch außerhalb des Insolvenzverfahrens. Wählt der Verwalter zunächst Erfüllung und verweigert diese sodann dennoch ernsthaft und endgültig, kann der Vertragspartner dementsprechend insbesondere Mehrkosten eines etwaigen Deckungsgeschäfts ohne Weiteres nach §§ 280 I, III, 281 I, II, 323 I, II BGB geltend machen.376 Problematisch gestaltet sich für die Prüfung der Rücktrittsbefugnis damit allerdings zum einen die Frage, inwiefern eine vor Erfüllungswahl gesetzte Frist weiterläuft. Zum anderen wird insbesondere im Fall der Erfüllungswahl virulent, inwiefern ein bereits vorinsolvenzlich entstandenes Rücktrittsrecht weiter ausgeübt werden kann. Beide Fragen werden von großen Teilen der Literatur unter Berufung auf eine vermeintlich zwischenzeitlich eintretende „Zäsur“ durch Verfahrenseröffnung in Form eines Durchsetzbarkeitsverlusts verneint.377 Dagegen hat der BGH immerhin für einen nach § 108 I InsO fortbestehenden Mietvertrag jüngst klargestellt, dass ein Verzug mit der Insolvenzeröffnung nicht endet.378 Zutreffend stellt der erkennende Senat insofern allein auf materiell-rechtliche Wertungen ab: 375 K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 36; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 211 ff. Wohl auch Heidland, ZInsO 2011, 201 [202]. 376 Vgl. nur BGH Urt. v. 17.7.2013, VIII ZR 163/12 = NZI 2013, 891 [893]. Streitig ist seit jeher allerdings, ob § 61 InsO auch auf Sekundäransprüche anwendbar ist, sodass bei deren durch die Masseunzulänglichkeit bedingten Nichterfüllung eine persönliche Haftung des Verwalters in Betracht kommt, vgl. ausführlich dazu Thole/Pogoda, NZI 2018, 377 [379 ff.]. In BGH Urt. v. 11.1.2018, IX ZR 37/17 = NZI 2018, 258 deutet die Rspr. eine vorsichtige Abkehr der bisher restriktiven Spruchpraxis an. 377 Heidland, ZInsO 2011, 201 [203]; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 332; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 104; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 16; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 103. 378 BGH Urt. v. 17.6.2015, VIII ZR 19/14 = NZI 2015, 809 [813].

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„Der Schuldnerverzug endet für die Zukunft grundsätzlich nur dann, wenn eine seiner Voraussetzungen entfällt, die zu seinem Eintritt geführt haben oder wenn gegen die Forderung eine materiell-rechtliche Einrede besteht beziehungsweise geltend gemacht wird, die der Forderung die Durchsetzbarkeit nimmt […]. Die Insolvenzeröffnung ändert an einem zuvor eingetretenen Verzug indes nichts, sondern lässt diesen fortbestehen.“379

Unmittelbar hat der BGH damit zwar allein eine Aussage zu solchen Vertragstypen getroffen, aus denen oktroyierte Masseverbindlichkeiten erwachsen, § 55 I Nr. 2 Var. 2 InsO, da der Verwalter deren Erfüllung wegen § 108 InsO vorbehaltlich einer Kündigung hinzunehmen hat. Allerdings lässt sich diese Auffassung auch auf sonstige Verträge übertragen, bei denen die Erfüllung von einer entsprechenden Erklärung des Verwalters abhängt. Zum einen streitet dafür die Tatsache, die auch im Wortlaut des § 103 I InsO Niederschlag gefunden hat („anstelle des Schuldners“), dass der Verwalter den Vertrag so hinzunehmen hat, wie er ihn bei Verfahrenseröffnung vorfindet.380 Eine Zäsur, die einen Fristablauf unterbrechen oder ein bestehendes Rücktrittsrecht vernichten würde, ergibt sich damit nicht aus der Verfahrenseröffnung. Vor allem haben die vorstehenden Ausführungen zu den lediglich haftungsrechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung gezeigt, dass der damit eintretende status quo der Einordnung als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) den Bestand des Forderungsrechts des Vertragspartners und eine Vertragsverletzung des Schuldners unberührt lässt. Dementsprechend ist kein Grund ersichtlich, weshalb die allein im Verantwortungsbereich des Schuldners liegende Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine bereits vor Verfahrenseröffnung gesetzte Frist unterbrechen oder ein vorinsolvenzlich entstandenes Rücktrittsrecht sperren soll.381 Deshalb sollte auch von relativierenden Aussagen Abstand genommen werden, wonach eine bereits in Gang gesetzte Frist „aber nur mit Vorsicht! – angemessen zu verlängern“ sei.382 Zögerlicher Annäherungen an die hier vertretene Auffassung, nach der eine Frist gegenüber dem Verwalter weiterläuft, bedarf es nicht,383 nachdem § 103 InsO nicht in die sich aus § 323 BGB ergebenden Befugnisse eingreift. Daher wirkt sich die Erklärungsfrist des Verwalters aus § 103 II InsO auch insofern nicht zu Lasten des Vertragspartners aus, als sich eine für Zwecke des Rücktritts vor Verfahrenseröffnung gesetzte, aber noch nicht abgelaufene angemessene Frist um denjenigen Zeitraum verlängert, den der Verwalter ohne

379

BGH Urt. v. 17.6.2015, VIII ZR 19/14 = NZI 2015, 809 [813] [Herv. d. Verf.]. Vgl. zuletzt BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NZI 2017, 60 [61]. 381 Graf/Wunsch, ZIP 2002, 2117 [2121]; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 187; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 57. 382 So Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 106. 383 Zurückhaltend etwa HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 30, wonach sich bereits in Gang gesetzte Fristen „in angemessenem Umfang“ verlängern. 380

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schuldhaftes Zögern für eine Entscheidung über die Wahlrechtsausübung benötigt.384 Das Erklärungsaufforderungsrecht des Vertragspartners aus § 103 II InsO soll dem Vertragspartner die Klärung der Leistungsgefährdung schließlich erleichtern und nicht erschweren.385 Der Schluss, aus § 103 II InsO lasse sich die gesetzliche Wertung folgern, dass dem Vertragspartner eine Schwebephase zuzumuten sei, wird damit weder vom Wortlaut noch dem Telos der Norm getragen.386 Das Regelungsziel würde in sein Gegenteil verkehrt. Selbst wenn sich der Verwalter noch nicht nach § 103 II InsO erklären muss, ändert dies nichts an einer hinreichend schweren Störung des Synallagmas basierend auf der prozeduralen Betrachtung des § 323 BGB. Zu berücksichtigen bleiben hinsichtlich der Verlängerung einer noch nicht verstrichenen Frist damit allein die gesetzlichen Modifikationen des § 107 II InsO.387 Ändert somit auch eine Erfüllungswahl nichts an dem weiteren Lauf einer vor Verfahrenseröffnung gesetzten Frist bzw. kann auch ein bereits bestehendes Rücktrittsrecht weiterhin ausgeübt werden, ist damit untrennbar die Frage verbunden, ob der Verwalter ein Erklärungsaufforderungsrecht dergestalt hat, dass dieser den Vertragspartner auffordern kann, sich über die Ausübung des Rücktrittsrechts zu erklären. Das Leistungsstörungsrecht des BGB sieht ein solches Recht des Schuldners nicht vor. § 350 BGB gestattet ein entsprechendes Recht auf Seiten des Schuldners nur im Falle eines vertraglichen Rücktrittsrechts.388 Jedoch erachten Teile des Schrifttums diese „bürgerlichrechtliche Ausgangssituation nicht nur bedenklich, sondern völlig inakzeptabel“ und schlagen deshalb in analoger Anwendung des § 103 II 2 InsO vor, im eröffneten Verfahren dem Verwalter ein solches Aufforderungsrecht zuzugestehen.389 Dem ist zuzugeben, dass eine Erfüllungswahl sinnvollerweise nur erfolgen kann, wenn sich der Verwalter vorher über die Ausübung etwaiger Vertragsumsteuerungsrechte des Vertragspartners vergewissern kann. Anderenfalls stünde dem Vertragspartner umgehend die Lösung vom Vertrag offen, um als Massegläubiger einen etwaigen Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Da die Einschränkung des § 350 BGB auf vertragliche Rücktrittsrechte von 384 In diese Richtung jedoch, Bärenz, NZI 2006, 72 [74]; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 58; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 139. Ebenso noch unter Zugrundelegung der Erlöschenstheorie Wegener (2007) S. 94 ff.; unklar nun Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 106 ff. 385 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, 145. 386 So aber Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 332; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63. 387 Vgl. dazu BT-Drucks. 12/2443, 146. Vgl. dazu schon oben die Ausführungen zum Rücktritt vor feststehender Nichterfüllung. 388 Vgl. Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 142; BeckOGK/Schall BGB § 350 Rn. 9; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 24; MüKoBGB/Gaier (2016) § 350 Rn. 2; vgl. ferner Hanau, NJW 2007, 2806 [2808]. 389 Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [35]. So auch Althammer NJW 2006,1179 [1181]; Braun/Kroth InsO § 103 Rn 63.

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der Erwägung getragen wird, dass ein – wie im Anwendungsbereich des § 323 BGB – immerhin vertragsbrüchiger Schuldner die sich aus dem Bestehen des Rücktrittsrechts ergebenden Ungewissheiten hinzunehmen hat,390 erscheint im Sinne der „Waffengleichheit“ ein entsprechendes Erklärungsaufforderungsrecht auf Seiten des Verwalters angezeigt. Schließlich hat der Verwalter die Krise und die eingetretenen Leistungsstörungen nicht verursacht.391 Andererseits muss berücksichtigt werden, dass der Gesetzgeber die Beschränkung des § 350 BGB gerade damit rechtfertigt, dass der Schuldner den sich aus dem Bestehen des Gestaltungsrechts ergebenden Schwebezustand jederzeit dadurch beenden kann, dass er die geschuldete Leistung erbringt.392 Es fragt sich daher, warum der Verwalter bessergestellt werden soll und nicht ebenso das Rücktrittsrecht des Vertragspartners allein – im Wege konkludenter Erfüllungswahl – durch Erbringung der geschuldeten Leistung zunichtemachen kann. Diejenige Interessenlage, die der Gesetzgeber gerade nicht von § 350 BGB erfasst wissen wollte, weicht nicht von derjenigen außerhalb des Insolvenzverfahrens ab, wenn sich durch die Verfahrenseröffnung nichts an der Pflichtverletzung des Schuldners ändert, nachdem der Verwalter den Vertrag in diesem Stadium hinzunehmen hat. Der Sanktionscharakter, welcher der Einschränkung in § 350 BGB zugrunde liegt, wird damit nicht in Frage gestellt.393 Zudem kann der Verwalter ebenso durch mit der Leistungserbringung verbundener Erfüllungswahl das Rücktrittsrecht des Vertragspartners zu Fall zu bringen.394 Wenn der Gesetzgeber den Vertragspartner mit dem Erklärungsaufforderungsrecht aus § 103 II InsO bewusst privilegiert, kann diese einseitige Besserstellung daher auch nicht einfach contra legem im Sinne der „Waffengleichheit“395 eingeebnet werden. Bis zu einer tatsächlichen Erbringung der geschuldeten Leistung hat es vielmehr auch im Fall der Erfüllungswahl mit der elektiven Konkurrenz der

390 BT-Drucks. 14/6040, 185. Vgl. dazu auch die Ausführungen zur Beschränkung der Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts beim antizipierten Vertragsbruch, Kap. 4 VI. 3. 391 Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [36]. 392 BT-Drucks. 14/6040, 185. Gegen die Übertragung des § 350 BGB auf gesetzliche Rücktrittsrechte daher, Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 142; BeckOGK/Schall BGB § 350 Rn. 9; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 24; MüKoBGB/Gaier (2016) § 350 Rn. 2; vgl. ferner Hanau, NJW 2007, 2806 [2808]. Krit. Ramming, ZGS 2003, 113 [117]; Schwab, JR 2003, 133 [134 ff.]; ähnlich Palandt/Grüneberg (2019) § 350 Rn. 1; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. D 6. 393 Vgl. dazu MüKoBGB/Gaier § 350 Rn. 2. 394 Anders liegt es in den Fällen des antizipierten Vertragsbruchs, da der Gesetzgeber diese Fälle nicht mitbedacht hat und die Interessenlage dort eine andere ist. Vgl. daher dazu die Ausführungen zur Beschränkung der Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts beim antizipierten Vertragsbruch, Kap. 4. VI. 3. 395 So Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [36].

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Gläubigerrechte sein Bewenden,396 sofern sich Vertragspartner und Verwalter nicht individualvertraglich abweichend einigen. dd) Folgerichtigkeit der Ergebnisse für die Behandlung gegenseitiger Verträge im Verfahren (1) Verfahrensteilnahme durch Kombination von Rücktritt und Schadensersatz Die Gewährung des Rücktrittsrechts im eröffneten Verfahren ebnet auch den Weg für eine dogmatisch treffende Würdigung der Teilnahme des Vertragspartners als Insolvenzgläubiger am Verfahren. Da die zur Disposition des Gläubigers stehende – nach § 103 II 1 InsO kann der Vertragspartner an dem Verfahren teilnehmen – Umwandlung des Primäranspruchs in ein Abrechnungsverhältnis eine materiellrechtliche Einwirkung auf den Erfüllungsanspruch betrifft, gerät eine rein haftungsrechtliche Betrachtung hier an ihre Grenzen.397 Aus der haftungsrechtlichen Einordnung als Insolvenzgläubiger ergibt sich allein, dass der Anmeldung einer Forderung in Höhe des vollen Primäranspruchs ohne Erbringung der Gegenleistung der Umstand entgegensteht, dass es eine ungerechtfertigte Besserstellung bedeuten würde, könnte der Vertragspartner die Forderung aus einem gegenseitigen Vertrag vollumfänglich anmelden, ohne die Gegenleistung erbringen zu müssen. Anderenfalls stünde der Vertragspartner besser als außerhalb der Insolvenz. Dass insoweit eine haftungsrechtliche Frage betroffen ist, die sich nicht allein mit § 320 BGB begründen lässt, verdeutlicht erneut das Beispiel des vorleistungspflichtigen Schuldners:398 Trotz der Vorleistungsberechtigung hat der Vertragspartner eine – wenn auch nachgelagerte – Gegenleistung zu erbringen, sodass eine Forderungsanmeldung in voller Höhe der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung widerspräche.399 Allerdings ist dies auch außerhalb der Insolvenz aus leistungsstörungsrechtlicher Sicht keine Besonderheit. Schließlich würde dort auch per definitionem niemand eine Berechnung des Schadensersatzes nach der Surrogationsmethode zulassen, ohne dass der Gläubiger seine Gegenleistung erbringt. Dennoch geht

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Eingängig dazu außerhalb der Insolvenz, BGH Urt. v. 20.1.2006, V ZR 124/05 = NJW 2006, 1198 [1199]. 397 So auch Marwedel ZInsO 2011, 937 [937]. 398 Im umgekehrten Fall des vorleistungspflichtigen Vertragspartners scheitert eine Forderungsanmeldung ohne Erbringung der Gegenleistung bereits an der fehlenden Fälligkeit. § 41 InsO gilt nicht, da der Fälligkeitseintritt nicht gewiss ist, solange dieser im Belieben des Vertragspartners steht, von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [461]. 399 Dieses haftungsrechtliche Moment muss dementsprechend nicht gekünstelt konstruiert werden, indem dem Verwalter „eine dem § 320 BGB entsprechende Einrede“ zugestanden wird, vgl. Marotzke (2001) Rn. 5.38.

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die h. M. unter Ausschluss einer Anmeldung der Forderung in voller Höhe verbunden mit der Erbringung der Gegenleistung davon aus, es dürfe bei der Verfahrensteilnahme des Vertragspartners lediglich ein Abrechnungsverhältnis verbleiben.400 Dementsprechend wird dem Gläubiger die Leistungserbringung selbst dann verwehrt, wenn dieser die gesamte Leistung erbringt, um den auf die Gegenleistung des Insolvenzschuldners gerichteten Erfüllungsanspruch als Insolvenzgläubiger geltend machen zu können. Da der Gläubiger ohne Erfüllungswahl – so die h. M. – nicht mit Wirkung „für und gegen die Masse“ erfüllen könne, scheide eine Berechnung der Insolvenzforderung nach der Surrogationsmethode aus.401 Zwar mag dieses Gläubigerverhalten kaum von praktischer Relevanz sein, da die damit verbundene Verbesserung der bloß quotalen Befriedigungsaussicht den Vertragspartner regelmäßig davon abhält, die volle Leistung zu erbringen. Allerdings bleiben Fälle denkbar, in denen der Vertragspartner ein Interesse daran hat, die geschuldete Leistung abzusetzen. Zudem schärft die Hinterfragung des Ausschlusses der Surrogationsmethode bei der Teilnahme am Verfahren den Blick auf deren dogmatische Einordnung: die von der h. M. zur Ablehnung einer Berechnung nach der Surrogationsmethode bemühte Begründung, der Vertragspartner könne nicht „für und gegen die Masse erfüllen“, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Die §§ 103 ff. InsO klären lediglich Grenzen des Erfüllungsrechts des Verwalters. Insbesondere verweist die Einschränkung des § 103 II 1 InsO, wonach der Vertragspartner nur als Insolvenzgläubiger die Nichterfüllungsforderung geltend machen kann, lediglich auf die an die Einordnung als Insolvenzgläubiger knüpfenden Einschränkungen. Die Beschränkung der herrschenden Auffassung auf ein Abrechnungsverhältnis wird daher offenkundig von der Erwägung getragen, dass es eine Schmälerung der Masse zu Lasten der Gläubigergemeinschaft bedeuten könnte, würde der Vertragspartner basierend auf einem aus Schuldnersicht ungünstigen Vertrag der Masse seine Leistung „aufdrängen“, um seinen Erfüllungsanspruch in voller Höhe anzumelden.402 Allerdings genügt diese Feststel-

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Während über die Grundlage des verbleibenden Abrechnungsverhältnisses keine Klarheit herrscht, wird dieses Ergebnis nicht bestritten, vgl. statt vieler Baldringer (2014) S. 154 ff.; Dahl/Schmitz, NZI 2013, 631 [631]; Stamm, KTS 72 (2011) 421 [428]; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 30; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 2. Dagegen erblickt von Wilmowsky in der Verrechnung die Verwirklichung eines Befriedigungsvorrechts des Vertragspartners, das diesem unter Berücksichtigung der vorinsolvenzlichen Verteilungsverhältnisse zusteht, um den Wert der schuldnerischen Forderung für die Befriedigung des Vertragspartners zu reservieren, von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [462 ff.]; ders., ZIP 2012, 401 [406 f.]. 401 Vgl. Baldringer (2014) S. 115; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 80.1; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 320; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 191; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 173. 402 Vgl. bereits Musielak, AcP 179 (1979) 189 [201].

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lung nicht, um den Gläubiger unter Verweis auf die Anmeldung des Differenzschadens dazu zu zwingen, seine Leistung zu behalten.403 Damit wird erneut nur durch eine inflationäre Bemühung des par conditio creditorum-Prinzips übersehen, dass der Verwalter den Vertrag so hinzunehmen hat, wie er bei Verfahrenseröffnung bestand.404 Eine Anreicherung der Masse durch Befreiung derselben von einem ungünstigen durch den Insolvenzschuldner abgeschlossenen Vertrag kann allein in den Grenzen der §§ 129 ff. InsO erfolgen. Die vorstehenden Ausführungen ebnen zudem den Weg für die dogmatisch zutreffende Einordnung der Anmeldung des Differenzschadens durch den Vertragspartner. Eine dogmatische Begründung, wie sich die Umwandlung der Forderung in ein Abrechnungsverhältnis vollzieht, bleibt die h. M. unter Zugrundelegung der Suspensivtheorie nämlich bislang schuldig.405 Handelt es sich bei der Umwandlung in ein Abrechnungsverhältnis durch Verfahrensteilnahme indessen um die Ausübung eines dem Gläubiger zur Disposition gestellten (§ 201 I InsO) Gestaltungsrechts, beschreibt die Teilnahme am Verfahren durch Anmeldung der Forderung wegen Nichterfüllung in Höhe des Differenzschadens schlicht das materiellrechtliche Ergebnis eines (konkludent erklärten) Rücktritts kombiniert (§ 325 BGB) mit einem Schadensersatzanspruch.406 Wie bereits bei den Grundlagen zur Vertragsumsteuerung dargelegt wurde, ergibt sich eine Berechnung nach der sog. Differenzmethode allein aus einer kombinierten Geltendmachung von Rücktritt und Schadensersatz.407 Damit berücksichtigt die Verankerung der zur Tabelle angemeldeten Forderung im schuldrechtlichen Leistungsstörungsrecht auch die beschränkte Funktion der Forderungsanmeldung nach den §§ 174 ff. InsO:408 Dabei handelt es sich lediglich um eine Aufweichung des für die Einzelvollstreckung erforderlichen Titelerfordernisses, indem an dessen Stelle ein Anmeldeverfahren zur Feststellung unbestrittener und streitiger Forderungen tritt. Materiellrechtliche Folgen, die eine Einwirkung auf einen gegenseitigen Vertrag zur Folge hätten, lassen sich daraus nicht ableiten. 403 Vgl. auch die Kritik von Musielak, AcP 1979, 189 [201 ff.], dessen Überlegungen auch unter Zugrundelegung der Suspensivtheorie übertragen werden können. 404 Vgl. dazu nur jüngst BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NZI 2017, 60 [61]. 405 Vgl. statt vieler Baldringer (2014) S. 144 f.; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 161 f. 406 Str., wie hier Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 28 ff.; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 54 ff. Es ist dagegen widersprüchlich, den zur Tabelle angemeldeten Anspruch wegen Nichterfüllung als rein leistungsstörungsrechtlichen Schadensersatzanspruch aus einem Abrechnungsverhältnis einzuordnen, ohne zugleich einen Rücktritt zuzulassen, Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 228, so aber Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 57; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 78 und 166. 407 Vgl. die Ausführungen zum Fortbestehen des Vertrags in Kombination mit Schadensersatz, Kap. 2 VIII. 2. 408 Vgl. dazu Stamm (2007) S. 168.

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Dementsprechend kann auch allein die Einordnung der angemeldeten Forderung als mit dem konkludent erklärten Rücktritt kombinierte Schadensersatzforderung dazu beitragen, die Diskussion der Auswirkungen der Aufhebung des Verfahrens von der Annahme im materiellen Recht beheimateter Rechtsfolgen zu befreien. Schließlich soll die Anmeldung zur Tabelle zwar nach einhelliger Auffassung zum Erlöschen aller aus dem gegenseitigen Vertrag noch unerfüllten Ansprüche führen. Allerdings lässt sich insofern eine Antwort auf die Frage vermissen, worin der Grund dieses Erlöschens zu erblicken ist.409 Der Grund weshalb der Gläubiger eine Forderung, für deren Ausbleiben er bereits den Differenzschaden zur Tabelle angemeldet hat, nach Aufhebung des Verfahrens nicht weiter verfolgen darf, lässt sich schwerlich in der Beteiligung am Insolvenzverfahren als Insolvenzgläubiger als solcher erblicken. Vielmehr führt die schuldrechtliche Transformation des Leistungsanspruchs in einen Schadensersatzanspruch durch Rücktritt und Geltendmachung des Differenzschadens dazu, dass ein Gläubiger nach Aufhebung des Verfahrens gem. § 201 InsO lediglich den über die Quote hinausgehenden Teil der Schadensersatzforderung verlangen kann.410 Da infolge des mit dem Rücktritt kombinierten Schadensersatzanspruchs lediglich eine Differenzforderung verbleibt, kann der Vertragspartner nach Verfahrensaufhebung – vorbehaltlich einer Restschuldbefreiung, § 201 III InsO, oder abweichenden Regelungen eines Insolvenzplans, § 227 InsO – auch lediglich die Differenz dieser (Differenz)Forderung abzüglich der erhaltenen Quote geltend machen. Die Primäransprüche sind dagegen aufgrund der mit dem Rücktritt verbundenen Befreiungswirkung entfallen.411 Komplettiert wird die Folgerichtigkeit der vorstehenden Ergebnisse letztlich noch durch zweierlei von großen Teilen des Schrifttums abweichend beurteilten Aspekten: Erstens stößt die Annahme der für den vertraglichen Schadensersatzanspruch erforderlichen schuldhaften Pflichtverletzung auf keine Bedenken, gleich ob der Vertragspartner Schadensersatz im Wege der Surrogations-

409 Vgl. statt vieler Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 226; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 90; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 317 ff. 410 So auch Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 74, die jedoch fälschlicherweise die Transformation des Leistungsanspruchs allein aus §§ 280 ff. BGB ableiten, weil sie den Rücktritt aufgrund des anhaltenden Durchsetzbarkeitsverlusts für gesperrt halten. 411 Erneut sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass § 281 IV BGB keine Aussage über den Primäranspruch des Schuldners treffen kann, sondern nur diesen aus seiner Leistungspflicht in natura entlässt, MüKoBGB/Ernst (2016) § 325 Rn. 8. Vgl. ferner bereits die Ausführungen zur Befreiungswirkung der Vertragsumsteuerung und die Kombination mit Schadensersatz als einheitliches Rechtsbehelfssystem, Kap. 2 VIII. 2.

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methode anmeldet oder in Kombination mit dem Rücktritt den Differenzschaden geltend macht.412 Bereits im Zusammenhang mit der Frage, inwiefern das finanzielle Unvermögen ein endgültiges Leistungshindernis darstellt, wurde ausführlich dargelegt, dass der Grundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung zwar keine beschränkende Auslegung des § 275 BGB bedingt, sehr wohl jedoch auf Ebene des Sekundäranspruchs eine in § 276 BGB zu verortende Haftungsbefreiung verbietet.413 Dagegen muss dem Einwand, aufgrund eines „Rechts zur Nichterfüllung“ könne das Verhalten des Verwalters nicht schuldhaft sein, eine klare Absage erteilt werden.414 Es wurde bereits hinreichend darauf hingewiesen, dass die Bestätigung der haftungsrechtlichen Zuordnung als Insolvenzgläubiger kein „Recht“ des Verwalters im Sinne einer Befugnis zum Vertragsbruch ist. Zweitens umfasst der Schadensersatzanspruch in Ermangelung einer anderslautenden Regelung auch den entgangenen Gewinn (§ 252 BGB).415 Etwas anderes lässt sich auch nicht aus dem bloßen Umstand ableiten, dass davon abgesehen wurde, in § 103 II InsO die Wendung „Schadensersatz wegen Nichterfüllung“ zu übernehmen, wie sie noch § 111 II 1 des Referentenentwurfs zur InsO enthielt.416 Weshalb der Regierungsentwurf zur „Forderung wegen Nichterfüllung“ zurückgekehrt ist, wird nicht näher begründet.417 Allein weil sich der Gesetzgeber – wohl nicht zuletzt aufgrund der seinerzeit bevorstehenden Schuldrechtsreform – nicht zur Rechtsnatur der angemeldeten Forderung äußern wollte, kann daraus jedoch nicht geschlossen werden, dass sich der Verwalter mit der Erfüllungsablehnung aus dem Vertragsverhältnis lösen können soll, ohne dass bei der Berechnung ein entgangener Gewinn berücksichtigt wird.418 Ebenso lässt sich aus § 45 InsO kein Argument gegen die hier vertretene Auffassung gewinnen, weil eine Umrechnung nur nach dem

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Stamm, KTS 72 (2011) 421 [434]. Krit. von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [470]; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 34; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 98; wohl auch Bork, Insolvenzrecht (2017) S. 108. 413 Vgl. dazu die Ausführungen im zweiten Kapitel zu finanziellem Unvermögen als Leistungshindernis. 414 Vgl. nur Musielak, AcP 179 (1979) 189 [203]. 415 Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 521; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 69; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 58; wohl auch K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 56; a. A. Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [374]; Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 2.24; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 245; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 317 f. 416 Vgl. Bundesministerium der Justiz, Gesetz zur Reform des Insolvenzrechts (Referentenentwurf 1989) S. 64 und 110. Vgl. dazu Buchegger, in: FS Matscher (1993) S. 49 [57]. 417 Die Materialien, BT-Drucks. 12/2443, 145, gehen hierauf nicht ein. 418 So aber Baldringer (2014) S. 154; Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [374].

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Wert der Forderung erfolge.419 Denn die für die Verfahrensbeteiligung mit quotaler Befriedigung denknotwendige Umrechnung trifft zum Umfang etwaiger Forderungen wegen Nichterfüllung keine Aussage. Damit ist vielmehr eine Frage aufgeworfen, deren Beantwortung sich aus den leistungsstörungsrechtlichen Bestimmungen des BGB ergibt und der Umrechnung damit logisch vorausgeht. Wenn die Gegenansicht einen den entgangenen Gewinn umfassenden Schadensersatzanspruch letztlich immerhin dann zulassen will, sofern dieser schon vor Verfahrenseröffnung erworben wurde, wird damit der Umfang der Forderung von dem zufälligen Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung abhängig gemacht.420 Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, weshalb der Vertragspartner basierend auf diesem Zufallsmoment schlechter gestellt werden sollte, als er außerhalb des Verfahrens infolge der Nichterfüllung stünde.421 (2) Vermeidung dogmatischer Brüche im Fall der Aussonderung Lediglich diejenige Auslegung, die im Falle der Erfüllungsablehnung einen Rücktritt zulässt und allein darauf die Beendigung des Vertragsprogramms stützt, stellt auch die von der h. M. befürwortete Aussonderung durch den Vorbehaltsverkäufer bei einem Eigentumsvorbehalt in der Käuferinsolvenz auf eine dogmatisch tragfähige Stütze. So bleibt die Annahme einer auf den Durchsetzbarkeitsverlust gestützten Rücktrittssperre eine Antwort schuldig, warum diese spätestens im Fall der Nichterfüllung bei einem Kauf unter Eigentumsvorbehalt nicht gelten soll.422 Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb § 449 II BGB nur Fälle außerhalb des Insolvenzverfahrens im Blick haben sollte.423 Durch § 107 II InsO wird dem Verwalter des insolventen Käufers lediglich in Abweichung zu § 103 II InsO ermöglicht, bis zu dem dort genannten Zeitpunkt die Grundlage seines Besitzrechts erhalten. Spätestens dann muss es für den Vorbehaltsverkäufer jedoch möglich sein, das Besitzrecht des insolventen Käufers durch Rücktritt zu Fall zu bringen. Ein Erlöschen des Besitzrechts aufgrund der Erfüllungsablehnung stünde wiederum im krassen Gegensatz zu der nunmehr unbestrittenen Auffassung, dass der Erfüllungsablehnung

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So aber Marotzke, Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S. 183 [185 f.]; ders. (2001) Rn. 5.30. Zurückhaltender aber nun, Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 93. 420 MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 190. So aber Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 167. 421 Stamm, KTS 72 (2011) 421 [434] spricht deshalb insofern von einer „Freud’schen Fehlleistung“ des Gesetzgebers. 422 Vgl. M. Huber, in: FS Musielak (2004) S. 267 [282 f.]. 423 So aber Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 107 Rn. 77. Dies wird auch übersehen, wenn der Rücktritt nur im Fall der Erfüllungswahl für möglich gehalten wird, so Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 107 Rn. 16 f. Wie hier nun auch MüKoInsO/Ganter (2013) § 47 Rn. 72.

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des Verwalters eine solche Gestaltungswirkung gerade nicht zukommt.424 Allein dass der Vorbehaltsverkäufer als Vertragspartner auf den Rücktritt „angewiesen“ ist,425 weil sich die Sicherungsfunktion des vorbehaltenen Eigentums sonst nicht verwirklichen ließe,426 umschreibt ebenso nur das gewünschte Ergebnis, erklärt aber nicht, wie der Rücktritt dort die vermeintlich aus dem Durchsetzbarkeitsverlust resultierende Rücktrittssperre überwindet. Da eine solche Rücktrittsperre nicht existiert, bedarf es auch nicht des kaum überzeugenden Kunstgriffs einer analogen Anwendung des § 216 II 2 BGB, weil Verjährung und die durch die Verfahrenseröffnung eingetretene Durchsetzbarkeitssperre vergleichbar seien.427 Letztlich harmoniert dieses Verständnis mit der in § 107 I InsO Gesetz gewordenen Auffassung, dass auch umgekehrt in der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers nur ein berechtigter Rücktritt desselben das Anwartschaftsrecht des Vorbehaltskäufers beseitigen kann – nicht dagegen die Verfahrenseröffnung oder gar ein „Recht“ zur Erfüllungsablehnung.428 Dass der auf § 323 BGB gestützte Rücktritt durch den Vertragspartner im Falle der Erfüllungsablehnung zu dogmatisch befriedigenden Ergebnissen gelangt, zeigt auch in aller Deutlichkeit eine Entscheidung jüngeren Datums, in der sich der BGH zur Grundlage eines Rückforderungsrechts des Verwalters für vor Verfahrenseröffnung geleistete Anzahlungen des Schuldners in Stillschweigen hüllt.429 In casu kaufte der spätere Insolvenzschuldner ein Grundstück. Im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung hatte der Schuldner bereits eine Anzahlung geleistet, war jedoch noch nicht als Eigentümer eingetragen, weshalb der Verwalter nach der Aussonderung durch den Vertragspartner Rückzahlung der Anzahlung begehrte. Während der BGH zutreffend betont, dass weder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch die Erfüllungsablehnung des Verwalters selbst einen Anspruch auf Rückzahlung der vom Schuldner vor der Eröffnung erbrachten Teilleistungen auslösen,430 hätte sich das streitgegenständlich bejahte Rückforderungsrecht auf eine Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses stützen lassen (§ 346 BGB), das sich wiederum aus dem 424 So aber Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [375]; Windel, JURA 2002, 230 [235]; Scherer, NZI 2002, 356 [358]; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 298. 425 So etwa Stehle, JURA 2005, 78 [82]. 426 MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 139. 427 Dafür Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 107 Rn. 21. 428 Ausführlich dazu Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 67. 429 BGH Urt. v. 7.2.2013, IX ZR 218/11 = NZI 2013, 296. Besprechung bei Dahl/Schmitz, NZI 2013, 631, die eine rechtliche Einordnung des Rückforderungsrechts des Vertragspartners jedoch ebenfalls offen lassen. Ebenso dazu Gehrlein, NZI 2015, 97 [100]: „Der Verwalter kann ausnahmsweise dem Grunde nach die Rückzahlung des angezahlten Kaufpreises verlangen, wenn der Verkäufer seinerseits den Kaufgegenstand nach § 47 InsO ausgesondert hat.“ [Herv. d. Verf.]. 430 BGH Urt. v. 7.2.2013, IX ZR 218/11 = NZI 2013, 296 [296].

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auf § 323 BGB gestützten Rücktritt des Vertragspartners ergibt. Dies wird vom BGH allerdings in zweifacher Hinsicht vernebelt, indem er sich weder zu dem Rücktrittsrecht des Vertragspartners noch zu der Rechtsgrundlage des Rückforderungsrechts des Verwalters äußert. Zwar räumt der BGH nämlich selbst ein, „bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens stand dem Herausgabeanspruch der Bekl. aus § 985 BGB der Anspruch auf Übereignung gem. § 433 I BGB entgegen. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens änderte daran zunächst nichts.“431

Im Anschluss bleibt das Schicksal des zugrundeliegenden Vertrags jedoch unberücksichtigt, wenn der BGH, ohne weiter auf den Kaufvertrag einzugehen, ausführt: „Lehnt der Verwalter die Erfüllung des Vertrags ab, kann der Eigentümer aussondern.“432

Daraus folgert der BGH ohne nähere Begründung das Ergebnis: „Sondert der Verkäufer in der Insolvenz des Käufers die Kaufsache aufgrund des bei ihm verbliebenen Eigentums aus, kann der Verwalter seinerseits die Rückgewähr der bereits erbrachten Teilleistungen des Schuldners verlangen.“433

Eine Rechtsgrundlage des Rückforderungsrechts des Verwalters wird vergeblich gesucht. Dieses hätte sich jedoch zwanglos aus der Wahl der Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses nach § 346 BGB ergeben, wenn der BGH bereits für Zwecke der Aussonderung des Vertragspartners berücksichtigt hätte, dass damit zugleich nach § 323 BGB von dem zugrundeliegenden Kaufvertrag zurückgetreten wurde, um den Anspruch aus §§ 985, 986 BGB (§ 47 S. 2 InsO) realisieren zu können. Diese an einem Begründungsdefizit leidenden dogmatischen Brüche werden vermieden, wenn ein Rücktritt durch die Verfahrenseröffnung nicht gesperrt wird.

(3) Der Rücktritt wegen insolvenzbedingter Nichterfüllung im Lichte der Materialien zur Konkursordnung unter Berücksichtigung des modernen Rücktrittsmodells im BGB Abschließend lassen sich neben den vorstehenden Erwägungen selbst aus den Materialien zu § 17 KO aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnen, welche die hier vertretene Annahme des Bestehens eines Rücktrittsrechts im Falle der insolvenzbedingten Nichterfüllung bekräftigen. Dabei unterscheiden die Materialien treffend zwischen der Frage des Rücktritts wegen der Verfahrenseröffnung selbst und dem Rücktritt wegen davon unabhängiger Umstände: 431

BGH Urt. v. 7.2.2013, IX ZR 218/11 = NZI 2013, 296 [296]. BGH a. a. O. [297]. 433 BGH a. a. O. [297]. 432

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„Die Ausführung der Gegenleistung durch diesen [den Verwalter] giebt dem Mitkontrahenten im Allgemeinen keinen Grund, vom Vertrage zurückzutreten. Die Preußische Konkursordnung macht (§16 Abs. 2) den Zusatz: «sofern nicht etwa der Mitkontrahent des Gemeinschuldners wegen der durch die Konkurseröffnung eingetretenen Veränderung der Umstände befugt ist, auf Grund der allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen das Geschäft aufzuheben», und auch die Oesterreichische Konkursordnung macht (§ 22 a. E.) den Vorbehalt: «im Uebrigen werden dadurch die Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts über die Zulässigkeit des Rücktritts von einem Vertrage […] nicht berührt.» Insoweit diese Zusätze dem Kontrahenten das Recht vorbehalten sollen, aus einem vor der Eröffnung des Konkursverfahrens oder unabhängig von diesem begründetem Umstande, z.B. wegen Betrugs, Irrthums, Verzugs u.s.w. von dem Vertrag abzugehen, sind sie überflüssig und nur geeignet, Missverständnis hervorzurufen. Ein solcher Rücktrittsgrund wird nicht berührt; es fragt sich vielmehr nur, ob die Eröffnung des Konkursverfahrens selbst einen Grund zur Aufhebung des Vertrages zu Gunsten des Mitkontrahenten abgeben soll. Diese Frage muß verneint werden.“434

In den Entwurfsbegründungen wird damit explizit betont, dass die Konkurseröffnung als solche weder zu einer großzügigeren noch zu einer restriktiveren Handhabe des Rücktrittsrechts führt. Dem ist beizupflichten, denn die Gewährung eines Rücktrittsrechts im Fall der Erfüllungswahl „[…] würde von Seiten des Mitkontrahenten offenbar eine Chikane sein, wenn er eine Leistung zurückweisen wollte, die ihm ganz dasselbe gewährt, was er durch die Leistung des Gemeinschuldners haben würde.“435

Umgekehrt weisen die Materialien explizit darauf hin, dass es dem Gläubiger unbenommen bleibt, insbesondere wegen eines Verzugs von dem Vertrag abzugehen. Eine Klarstellung wurde für überflüssig erachtet und bewusst weggelassen, um keine Missverständnisse hervorzurufen.436 Zwar wird anderenorts wiederum betont, dass die „bloße Nichterfüllung“ durch den Verwalter nicht „die Auflösung des Vertrags herbeiführen kann.“437 Doch sollte damit nur ausgeschlossen werden, dass „wenn die Gegenleistung nicht in der bedungenen Weise erfolgt, der Vertrag rückgängig wird und das Geleistete aus dem Eigenthum des Empfängers wieder ausscheidet.“438

434 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 86 [Herv. d. Verf.]. 435 Hahn/Mugdan, a. a. O. 436 Dementsprechend ging auch Rabel ganz selbstverständlich davon aus, dass der solvente Teil den Verwalter zu einer Erklärung auffordern und der Verwalter sich im Falle des Schweigens nicht auf Erfüllung bestehen kann, „so [die] deutsche Konkursordnung, § 17 II. Natürlich wird im weiteren Verlauf die Nichterfüllung einen Rücktrittsgrund schaffen.“ Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 388 [Herv. d. Verf.]. 437 So Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 103 zu § 21 des Entwurfs. 438 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 104 [Herv. d. Verf.].

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Wie auch im geltenden § 105 S. 2 InsO sollte dadurch lediglich sichergestellt werden, dass ein auf eine Weigerung der Erfüllung gestützter Rücktritt nicht zu einer Rückforderung des Gegebenen aus der Masse führt. Es ging also nur um die Frage, ob „nicht der Mitkontrahent berechtigt sein soll, seine dem Gemeinschuldner gemachte Leistung aus der Masse zurückzufordern […] und dann konsequenter Weise auch verpflichtet [zu sein] eine etwa vom Gemeinschuldner schon empfangene Gegenleistung zurückzugewähren.“439 Speziell vor dem Hintergrund dieses Regelungsziels sind daher auch die folgenden Aussagen zu betrachten: „[…] die Nichterfüllung, welche in Folge des Konkursverfahrens eintritt, hebt nicht den Vertrag auf; das Gleistete bleibt im Vermögen und in der Masse des Gemeinschuldners; eine Kondiktion desselben (sine causa oder ob causam datorum) ist ausgeschlossen; der Kontrahent hat nur einen Entschädigungsanspruch. Damit soll keineswegs ein, auf einem anderen Grunde beruhendes Recht des Kontrahenten oder des Verwalters zum Rücktritt von dem Vertrage oder zur Rückforderung des Gegebenen beseitigt sein, – beruhe dieses Recht auf einem dem Vertrage beigefügten Abkommen [...] oder beruhe es auf einem Verzuge, welchen sich schon vor der Eröffnung des Konkursverfahrens der Gemeinschuldner oder nach der Eröffnung der Verwalter, falls von ihm die Erfüllung begehrt worden, hat zu Schulden kommen lassen.“440

Der Gesamtzusammenhang des vorstehenden Zitats belegt, dass nur solche Aufhebungsgründe ausgeschlossen werden, die als Folge der Nichterfüllung den Vertrag mit der Folge vernichten, dass das Geleistete nicht in der Masse des Gemeinschuldners verbliebe. Die Verneinung einer „Nichterfüllung“ erfolgt allein vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der Entwurfsberatungen noch nicht abschließend geklärten Konstruktion des Synallagmas. Schließlich geht aus den Materialien die Befürchtung hervor, die Gegenseitigkeit könne sich als clausula cassatoria in einer auflösenden Bedingung für den Fall der Nichterfüllung äußern.441 Nachdem für „das Konkursrecht […] eine solche Theorie nicht zugelassen werden“ darf,442 da dem Gläubiger anderenfalls ohne entsprechende Sicherung die Vindikation offen stünde, waren die Verfasser mit einer rein zweckorientierten Argumentation um das Bestreiten einer Nichterfüllung bemüht.443 439 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 102. 440 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 106 [Herv. d. Verf.]. 441 So nämlich das damalige französische Recht, Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 104. 442 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 104. 443 Letztlich können die Entwurfsbegründungen in dem Bemühen eine Nichterfüllung zu verneinen nicht überzeugen: „Denn bestand die rückständige Gegenleistung des Gemeinschuldners in Geld, so tritt der Fall einer kontraktlichen Nichterfüllung, eines Kontrakt-

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Die Annahme einer zum Rücktritt berechtigenden Nichterfüllung bei Erfüllungsverweigerung des Verwalters ist allerdings mit dem modernen Verständnis des Rücktritts als bloßes Vertragsumsteuerungsrecht mit dem erklärten Regelungsziel des Fortdauerns der Rechtsverhältnisse und dem Verbleib des Gegebenen in der Masse vereinbar. Dieses Ergebnis muss nicht mühsam durch Ablehnung der Nichterfüllung konstruiert werden. Unter Berücksichtigung dessen verträgt sich der Rücktritt – in der seinerzeit nicht denkbaren Kombination mit Schadensersatz – vielmehr mit dem Regelungsziel, wonach „die Wirksamkeit und der Inhalt des obligatorischen Rechtsverhältnisses trotz des durch den Konkurs eintretenden Unterbleibens der weiteren Erfüllung bestehen bleibt und in Folge dieses Unterbleibens sich in einen Entschädigungsanspruch auflöst […].“444

Dies ist aus materiell-rechtlicher Sicht nichts anderes als die Umschreibung der Kombination der Rücktrittsfolgen mit einem Schadensersatzanspruch unter der Prämisse, dass der Vertrag mit dem Rücktritt nicht in die Nichtigkeit mündet. Die Verfasser der Konkursordnung hinderte freilich noch ein von der Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz geprägtes Vorverständnis an der dogmatischen Formulierung dieses Ergebnisses. So wie im früheren Schuldrecht die interessenwidrige Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz durch eine Schadensberechnung nach der „Differenzmethode“ umgangen wurde – die im Ergebnis nichts anderes als eine schadensrechtlich eingekleidete Vertragsumsteuerung darstellte445 – steht nun auch bei der insolvenzbedingten Nichterfüllung einem Rücktritt nichts mehr im Wege. Mit der Erkenntnis, dass der Vertrag infolge des Rücktritts lediglich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgesteuert wird und der Überwindung der Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz durch § 325 BGB lässt sich das von den Verfassern der Konkursordnung angestrebte Ergebnis endlich auch mit dem materiellen Recht vereinbaren.

bruchs im eigentlichen Sinn überhaupt nicht ein. […] Der Mitkontrahent, welcher die verkaufte Sache übergeben oder welcher die ausbedungene Arbeit geliefert hat, liquidirt [sic] den vertragsmäßigen Preis, soweit dieser ihm nach dem Vertrage zusteht, in voller Höhe […]. Reicht dieses nicht zur Befriedigung aller Gläubiger aus, […] so liegt dieser Umstand nicht in der zwischen ihm und dem Gemeinschuldner bestehenden Obligation, sondern in seinem Rechtsverhältnis zu den übrigen konkurrierenden Gläubigern.“ So Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 104. Warum die Behauptung eines Rechtsverhältnisses zwischen den konkurrierenden Gläubigern dazu führen soll, dass das Ausbleiben der Leistung keine Nichterfüllung mehr sein soll, bleibt jedoch offen. 444 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 108 [Herv. d. Verf.]. 445 Gsell, JZ 2004, 643 [649]; vgl. ferner von Olshausen, in: FS Huber (2006) S. 471 [493 ff.].

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

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c) Besonderheiten bei teilweiser Leistungserbringung vor Verfahrenseröffnung – Spaltung des Synallagmas infolge einer Spaltung der haftungsrechtlichen Abwicklung? Die vorstehenden Ausführungen legen nahe, dass auch im Fall einer teilweisen Leistungserbringung vor Verfahrenseröffnung die Folgen der haftungsrechtlichen Qualifikation nicht zu einer Beeinträchtigung der Gegenwahlrechte materiellen Rechts des Vertragspartners führen. Insofern müssen jedoch die sich aus der Norm des § 105 InsO ergebenden Besonderheiten berücksichtigt werden. Die damit aufgeworfene Problematik tritt bereits durch die Inkonsistenz der aus der ohnehin fragwürdigen Norm des § 105 InsO abgeleiteten Rechtsfolgen zu Tage. Während danach eine auf den künftigen Vertragsteil beschränkte Erfüllungswahl (im Folgenden: „Erfüllungswahl pro futuro“) möglich sein soll, betont selbst der BGH, dass sich außerhalb teilbarer Leistungen die positive Wahlrechtsausübung stets auf den gesamten Vertrag und damit sämtliche sich daraus ergebenden Pflichten zu erstrecken hat. Ein „Rosinenpicken“ im Sinne einer auf einzelne Ansprüche und Rechte beschränkten Erfüllungswahl ist nicht möglich.446 Auch die in § 55 I Nr. 2 InsO nunmehr447 enthaltene Einschränkung „soweit“ darf nicht zu einer anderslautenden Auslegung verleiten, da eine solche Aufspaltung des einheitlichen Vertragsverhältnisses nicht von der ursprünglichen Willensübereinstimmung gedeckt ist.448 Im Folgenden wird zu zeigen sein, dass die – dafür von Teilen der Literatur auch heftig kritisierte449 – Reichweite der § 105 InsO entnommenen Vertragsspaltung mit dem Schutz des funktionellen Synallagmas in der Insolvenz bricht,

446 St. Rspr., vgl. nur BGH Urt. v. 10.8.2006, IX ZR 28/05 = NZI 2006, 575 [577]; BGH Urt. v. 17.10.2013, IX ZR 10/13 = NZI 2013, 891 [892]; BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112]. Vgl. ferner Wazlawik, NZI 2018, 337 [338]. 447 § 59 I Nr. 2 KO enthielt diese vermeintliche Einschränkung nicht. Der Gesetzgeber scheint sich den Gefahren seiner Formulierung nicht bewusst gewesen zu sein, da sich die Materialien insofern allein der sprachlichen Änderung des vorher bloß „zweiseitigen“ in einen „gegenseitigen“ Vertrag widmen, BT-Drucks. 12/2443, 126. 448 BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 55 und 71; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 105. 449 Vgl. Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [202]: „rechtspolitischer Missgriff“; Häsemeyer, FS Bundesgerichtshof (2000) 727 [735]: fraglich was noch von „privatautonomer Verpflichtungs- und Abwicklungssubstanz […] übrig bleibt“; Marwedel ZInsO 2011, 937 [940]: „unerhöhrtes Geschenk“; Stamm, KTS 72 (2011) 421 [444 f.]: „die Konzeption des § 105 InsO [ist] schon in sich verfehlt“ und ein „Fremdkörper in unserer Rechtsordnung“; von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285 [294]: der postulierte Rechtssatz lasse „sich nicht aus dem BGB herleiten. Mit den Verteilungsregeln, die im Insolvenzrecht gelten, ist er unvereinbar.“; Marotzke (2001) Rn. 4.164: „Ein Gesetz, das an so gravierenden Fehlern leidet wie § 105 Satz 1 InsO […]“; Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.27: „grundsätzlich fragwürdig“; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 105 Rn. 4: „sachlich kaum zu rechtfertigen“.

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ohne dogmatisch und sachlich gerechtfertigt zu sein. Schließlich soll der Vertrag zwar unverändert fortbestehen, wenn der Verwalter sein Wahlrecht lediglich hinsichtlich des noch unerfüllten Teils ausübt.450 Gleichwohl wird dem Vertragspartner von der h. M. sowohl die Einrede aus § 320 BGB als auch ein Rücktritt nach § 323 BGB verwehrt, sofern sich dieser dafür auf die bloß quotale Befriedigungsaussicht hinsichtlich der Gegenleistung für die vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilleistung beruft.451 Dabei lässt sich der Streit um die Konsequenzen der haftungsrechtlichen Abwicklung vor Verfahrenseröffnung bereits erbrachter Teilleistungen auf Gegenwahlrechte des Vertragspartners auf bestimmte Konstellationen zuspitzen, von denen zunächst zwei Fallgruppen auszusortieren sind: aa) Kein Normenkonflikt bei Erfüllungswahl pro futuro und Vor- oder Mehrleistung des Schuldners sowie äquivalentem Leistungsaustausch Keinerlei Schwierigkeiten ergeben sich, sofern bei Verfahrenseröffnung der Insolvenzschuldner bereits geleistet hat und der Verwalter Erfüllung auch des übrigen Vertragsteils verlangt. Schließlich hat der Vertragspartner bereits einen Teil der Leistung erhalten und erhält infolge der Erfüllungswahl die vertraglich geschuldete Leistung auch im Übrigen als Massegläubiger.452 Der Vertragspartner erhält Aussicht auf volle Befriedigung, sodass die Situation der Erfüllungswahl des gesamten Vertrags entspricht. Dementsprechend kann der Vertragspartner aus den §§ 320 ff. BGB auch allein wegen Pflichtverletzungen des Verwalters Rechte ableiten. Es droht kein Normkonflikt zwischen den §§ 320 ff. BGB und § 105 InsO, nachdem dem Vertragspartner bei vertragsgemäßer Erfüllung schon keine Rechte aus §§ 320 ff. BGB zustehen. Dem entspricht bei beiderseitigem teilweisen Leistungsaustausch und einer Erfüllungswahl pro futuro auch die Konstellation, in welcher der Schuldner mehr oder ein der Leistung des Vertragspartners entsprechendes Äquivalent geleistet hat. Auch hier ergeben sich keine Besonderheiten, da auch dies dem Fall der auf den gesamten Vertrag bezogenen Erfüllungswahl entspricht. Schließlich wurde der Vertragspartner für bereits erbrachte Leistungen ebenso bereits befriedigt und erhält im Übrigen volle Befriedigungsaussicht. Rechte aus den §§ 320 ff. BGB stehen dem Vertragspartner nicht zu. 450 Vgl. KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 10; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 16. 451 Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 46; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 105 Rn. 11 und 16f.; BeckOK InsO/Berberich § 105 Rn. 32; Braun/Kroth (2017) InsO § 105 Rn. 7; Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103–119 Rn. 16; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 105 Rn. 30; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 11 f.; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 47; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 23. 452 Vgl. bereits Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [9].

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bb) Kein Normenkonflikt bei Erfüllungsablehnung und Vor- oder Mehrleistung des Vertragspartners sowie äquivalentem Leistungsaustausch Auch die Konstellation in welcher der Vertragspartner bereits geleistet hat und der Verwalter die Erfüllung des übrigen Vertragsteils ablehnt, wirft bei näherem Hinsehen keine Besonderheiten auf. Der Vertragspartner erhält lediglich Aussicht auf quotale Befriedigung, sodass die Situation der Erfüllungsablehnung des gesamten Vertrags entspricht.453 Daher kann nach hier vertretener Auffassung der Vertragspartner nach § 323 BGB zurücktreten, um sich nicht nur mit einer etwaigen Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung, sondern auch seiner ggf. umzurechnenden Rückforderung als Insolvenzgläubiger am Verfahren zu beteiligen. Denn § 105 S. 2 InsO verdeutlicht lediglich die fehlende Berechtigung des Vertragspartners, wegen der Nichterfüllung seines Anspruchs auf die Gegenleistung die Rückgabe einer vor der Eröffnung des Verfahrens in das Vermögen des Schuldners übergegangenen Teilleistung aus der Insolvenzmasse zu verlangen. Das Entstehen eines Masseanspruchs droht hier jedoch keineswegs automatisch, da das Rückgewährschuldverhältnis seinerseits der insolvenzmäßigen Abwicklung nach den §§ 38, 87, 103 (analog) InsO unterliegt.454 Dafür müssen weder das Rücktrittsrecht eingeschränkt noch die Rücktrittsfolgen modifiziert werden.455 Dagegen bietet die Norm keinen Anhaltspunkt dafür, dass ein Rückgabeanspruch nicht zur Tabelle angemeldet werden könne.456 Dem wird entgegengehalten: „Der Vertragspartner soll das durch die Vorleistung eingegangene Ausfallrisiko nicht dadurch rückgängig machen können, dass er die an den Schuldner erbrachte Leistung aus der Masse zurückerhält. Ein etwaiger Rückgabeanspruch kann mithin auch nicht als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle angemeldet werden.“457

Dem kann nicht gefolgt werden, weil die damit inzident behauptete Wechselwirkung nicht besteht. Schließlich ist der Schluss von einem Nichtbestehen einer Masseverbindlichkeit auf einen Ausschluss der Forderungsanmeldung zur Tabelle insofern widersprüchlich, als für letztere unter dieser Prämisse kein Raum verbliebe. Lässt man die Materialien zu § 105 S. 2 InsO zu Wort kommen, lässt auch der Reformgesetzgeber hieran keine Zweifel, denn „soweit ihm [dem Vertragspartner] für den Fall der Nichterfüllung durch den Schuldner ein gesetzliches oder vertragliches Rücktrittsrecht zusteht, kann er sich nicht durch Ausübung

453

Vgl. auch Marwedel ZInsO 2011, 937 [938]; Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [7]. Vgl. Marotzke (2001) Rn. 7.17; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 105 Rn. 31. Vgl. die Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 103 InsO auf das Rückgewährschuldverhältnis aus § 346 BGB, Kap. 3 I. 2. c) dd). 455 Vgl. Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 105 Rn. 20 f. 456 So aber Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 105 Rn. 9; MüKoInsO/Kreft (2013) § 105 Rn. 38; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 105 Rn. 32. 457 So Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 105 Rn. 32. 454

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dieses Rücktrittsrechts nach der Verfahrenseröffnung einen Masseanspruch auf Rückgewähr seiner Teilleistung verschaffen.“458

Die vorstehenden Ausführungen setzen sogar voraus, dass der Vertragspartner von einem gesetzlichen Rücktrittsrecht, das ihm für den Fall der Nichterfüllung durch den Schuldner zusteht, Gebrauch machen kann. Daraus erwächst freilich kein Masseanspruch auf Rückgewähr. Damit stützen die Äußerungen des Gesetzgebers vielmehr die hier vertretene Auffassung, dass der Vertragspartner im Falle einer Erfüllungsablehnung zurücktreten kann, ohne dass dem ein „Durchsetzbarkeitsverlust“ entgegenstehen würde. Dementsprechend verhält es sich wiederum bei beiderseitigem teilweisen Leistungsaustausch bei Erfüllungsablehnung auch mit der Konstellation, in welcher der Vertragspartner mehr oder ein der Leistung des Schuldners entsprechendes Äquivalent geleistet hat. Der Vertragspartner kann wegen des teilweisen Ausbleibens der Gegenleistung von der Option des Rücktritts Gebrauch machen, muss dabei jedoch die Grenzen des § 323 V 1 BGB berücksichtigen.459 Die Erfüllung des daraus entstehenden Rückgewährschuldverhältnisses steht unter dem Vorbehalt der darauf bezogenen Erfüllungswahl des Verwalters. Unterbleibt letztere, verbleibt die Möglichkeit des Vertragspartners zur Teilnahme am Verfahren als Insolvenzgläubiger, wobei wegen § 348 BGB in die Berechnung der Rückforderung des Vertragspartners das Bestehen der Rückforderung des Schuldners einfließen muss. cc) Der Normenkonflikt bei Erfüllungswahl pro futuro und Vor- oder Mehrleistung des Vertragspartners Als konfliktgeladen erweist sich dagegen die Behandlung des Falles, in dem bei Verfahrenseröffnung der Vertragspartner bereits teilweise geleistet hat und der Verwalter hinsichtlich des übrigen Vertragsteils Erfüllung wählt. Denn dort stellt sich die Frage, ob sich der Vertragspartner wegen der bloß quotalen Befriedigungsaussicht hinsichtlich der anteiligen Gegenleistung für die vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilleistung auf die §§ 320 ff. BGB berufen kann. Der Vertragspartner könnte so die weitere Erfüllung von der Erbringung der Gegenleistung auch für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen abhängig machen und sich damit dem Erfüllungsverlangen des Verwalters entziehen. Dieser Situation entspricht wiederum auch die Konstellation, in der im Fall der Erfüllungswahl pro futuro auch beide Parteien vor Verfahrenseröffnung teilweise Leistungen erbracht haben, jedoch der Vertragspartner bereits mehr geleistet hat als der Schuldner. In diesen Fällen nimmt die h. M. jedoch eine Rücktrittssperre an, damit sich der Vertragspartner nicht über § 323 BGB dem partiellen Erfüllungsverlangen 458 459

BT-Drucks. 12/2443, 146 [Herv. d. Verf.]. Vgl. zur Beschränkung durch § 323 V BGB, Kap. 2 III. 3. a) aa) und IV.

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des Verwalters entziehen bzw. über § 320 BGB Erbringung der anteiligen und bereits erbrachten Leistung entsprechenden Gegenleistung erzwingen kann.460 Zwar lässt sich weder dem Wortlaut des § 105 S. 1 noch dem des § 105 S. 2 InsO eine solche materiell-rechtliche Wirkung entnehmen, die dem Vertragspartner seine Rechte aus §§ 320 ff. BGB nähme.461 Der Streit um das Bestehen von Gegenwahlrechten des Vertragspartners, die sich auf vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen stützen, entzündet sich jedoch an der Frage, inwiefern sich aus dem § 105 InsO zugrundeliegendem Regelungsgedanken ergibt, dass die Erhebung der Einrede aus § 320 BGB oder die Ausübung des Rücktrittsrechts unter Berufung auf die bloß quotale Befriedigung für die erbrachte Teilleistung gesperrt bleibt. Könnte der Vertragspartner mit dieser Begründung einem Erfüllungsverlangen des Verwalters § 320 BGB entgegenhalten, sähe sich der Verwalter stets gezwungen, auch die Gegenleistung für die vom Vertragspartner vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilleistung zu erbringen, um die Einrede des nicht erfüllten Vertrags auszuräumen. Das scheint jedoch nicht mit dem von dem Gesetzgeber zu § 105 S. 1 InsO erklärten Regelungsziel zu harmonieren. Danach müsse der Vertragspartner nämlich den „Anspruch auf die Gegenleistung für seine Leistungen aus der Vergangenheit als Insolvenzgläubiger geltend machen, unabhängig davon, ob der Verwalter für die Zukunft die Erfüllung wählt oder diese ablehnt.“462

Insofern erscheint die Befürchtung begründet, ein unverändertes Festhalten an §§ 320 ff. BGB durch den Vertragspartner könnte entgegen dem Normzweck des § 105 InsO dem Verwalter die Möglichkeit nehmen, Erfüllung des unerfüllten Vertragsteils zu wählen, ohne dafür die Gegenleistung für die anteilige Vorleistung des Vertragspartners erbringen zu müssen.463 Andererseits rechtfertigt das Vorleistungsrisiko, das der Vertragspartner mit der Teilleistung auf sich genommen hat, lediglich, ihn mit der Forderung auf die (anteilige) Gegenleistung auf eine Geltendmachung als Insolvenzgläubiger zu verweisen. Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, ob der Vertragspartner auch seine Rechte aus den §§ 320 ff. BGB aufgeben muss.464 Dagegen wird zwar vorgebracht, müsste 460 Vgl. statt vieler Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [367 f.]; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 47; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 23. 461 Zweifelnd daher auch K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 105 Rn. 2. Dies räumen auch Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 105 Rn. 16 f. ein, die einen Rücktritt nach § 323 BGB im Ergebnis jedoch ablehnen, weil infolge der Verfahrenseröffnung dem Vertragspartner keine durchsetzbare Forderung mehr zustehe. 462 BT-Drucks. 12/2443, 145 [Herv. d. Verf.]. Krit. dazu Marwedel ZInsO 2011, 937 [938 f.]. 463 So etwa Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 105 Rn. 32. 464 So aber etwa Braun/Kroth (2017) InsO § 105 Rn. 7 f.; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 47; vgl. ferner Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 48

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„der Insolvenzverwalter auch die der Vorleistung entsprechende Gegenleistung aus der Masse erbringen, würde der Vertragspartner von den normalen insolvenzrechtlichen Folgen einer ungesicherten Vorleistung zum Nachteil der Masse und damit der Gläubigergesamtheit entlastet. Dafür gibt es keinen überzeugenden Grund.“465

Doch gibt es dafür sehr wohl einen Grund: die von § 103 InsO anerkannte Aufrechterhaltung des Schutzes der synallagmatischen Verknüpfung. Wenn der Verwalter von der Erfüllung absieht, realisiert sich das Vorleistungsrisiko insofern, als sich der Vertragspartner wegen seiner Vorleistung allein in der Rolle des Insolvenzgläubigers wiederfindet. Entscheidet sich der Verwalter jedoch für die Erfüllung, muss er sich die Gegenleistung des Vertragspartners durch Erbringung der gesamten geschuldeten Leistung aus der Masse verdienen. Dies entspricht der Lösung der in § 103 InsO verankerten Insolvenzfestigkeit des Synallagmas und stellt folglich mitnichten ein Sonderopfer der Masse dar. Umgekehrt hat vielmehr der Vertragspartner ein Sonderopfer zu erbringen, wenn er entgegen der ursprünglichen synallagmatischen Verknüpfung und damit ggf. im Widerspruch zu seiner Kalkulation, die unter Berücksichtigung des gesamten Geschäftsumfangs erfolgt, zu einer Leistung gezwungen werden kann.466 Das ist eine Benachteiligung des Vertragspartners, die – insofern mit der Qualitätssprungtheorie vergleichbar – über den Normzweck der §§ 103, 105 InsO hinaus lediglich der Masseanreicherung dient,467 was sich auch nicht mit der euphemistischen Bezeichnung als „verstärkte Gläubigergleichbehandlung“468 beschönigen lässt. Die Bedeutung des Schutzes des Äquivalenzprinzips tritt hier sogar besonders hervor, wenn der Verwalter eine von dem Vertragspartner günstig kalkulierte Leistung verlangt, dabei jedoch zugleich die Erfüllung solcher Forderungen verweigert, die jene Kalkulation erst ermöglicht haben.469 Zwar wird diesem Einwand mit der Aussage begegnet, soweit die Erfüllungswahl pro futuro verbunden mit der bloß quotalen Gegenleistung für bereits erbrachte Vor- oder Mehrleistungen die Kalkulationsgrundlage des Vertragspartners in Frage stellt, „teile er das Schicksal aller Gläubiger, bei denen sich das

465

MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 47. Marotzke, Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S. 183 [189 f.]; vgl. ferner zu verfassungsrechtlichen Bedenken, Marotzke (2001) Rn. 4.162 ff. Zurückhaltender Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [203 f.]. 467 So auch die treffende Kritik von Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.27. Vgl. dazu auch die Kritik bei Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [10] zur fragwürdigen Unterscheidung im früheren Recht zwischen Wiederkehrschuldverhältnissen und Sukzessivlieferungsverträgen, die nun in § 105 InsO fortlebt. 468 Vgl. MüKoInsO/Kreft (2013) § 105 Rn. 1 [Herv. d. Verf.]. 469 So bereits Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [11]; vgl. ferner Tintelnot, ZIP 1995, 616 [619]. 466

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allgemeine Vorleistungsrisiko verwirklicht.“470 Allerdings muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass dieser Einwand zu kurz greift: Mit der Vorleistung übernimmt der Vertragspartner lediglich das Risiko, dass die Gegenleistung des Schuldners ausfällt, sodass der Vertragspartner nur quotale Befriedigung erhält. Dagegen trifft der Vertragspartner mit dem ihm zur Disposition gestellten teilweisen Verzicht auf den Schutz des funktionellen Synallagmas471 keine Aussage darüber, dass er trotz Störung des Synallagmas zur weiteren vollumfänglichen Erfüllung gezwungen werden kann. Der Verwalter muss deshalb, möchte er von dem Vertragspartner eine Leistung beziehen, schlicht einen neuen Vertrag aushandeln – ein Rosinenpicken bleibt ihm verwehrt.472 Mit der Ablehnung einer Verdrängung der sich aus §§ 320 ff. BGB ergebenden Rechte liefe die in § 105 InsO vorausgesetzte Spaltung der haftungsrechtlichen Abwicklung durch Erfüllungswahl auch nicht leer.473 Es kann für den Vertragspartner durchaus sinnvoll sein, sich im Insolvenzverfahren anteilig als Insolvenzgläubiger zu beteiligen und den Vertrag pro futuro als Massegläubiger zu erfüllen. Doch bleibt die Entscheidung über ein Eingehen auf das nur anteilige Erfüllungsangebot dem Gläubiger überlassen. Anders als es die h. M. glauben machen möchte, kann er zu letzterem von dem Verwalter nicht gezwungen werden, wenn ihm § 323 BGB die Abstandnahme vom Vertrag erlaubt.474 Im Übrigen sieht sich vielmehr die an der Modifikation der §§ 320 ff. BGB durch § 105 InsO festhaltende h. M. dem systematischen Einwand ausgesetzt, dass sich damit die Norm des § 108 III InsO in einer bloß deklaratorischen Aussage erschöpfen würde.475 Dort wird beschränkt auf Fälle der Fortgeltung bestimmter Dauerschuldverhältnisse klargestellt, dass der Vertragspartner dem Verwalter keine Ansprüche wegen vor Verfahrenseröffnung erbrachter Leistungen entgegenhalten kann, weil er insoweit Insolvenzgläubiger ist.476 Diese Spezialregelung wäre überflüssig, ergäbe sich schon aus § 105 InsO eine materiell-rechtliche Einwirkung auf die §§ 320 ff. BGB. Der Vorwurf gegen die von der h. M. angenommene Umkehrung des hier vertretenen 470 BeckOK InsO/Berberich § 105 Rn. 2.1; vgl. auch M. Huber, NZI 2002, 467 [470]; Braun/Kroth (2017) InsO § 105 Rn. 7 f. 471 Vgl. zur Konstruktion des funktionellen Synallagmas im BGB, Kap. 2 II. 1. 472 Stamm, KTS 72 (2011) 421 [444] 473 Dagegen lässt sich nach Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [203] die gleichwohl vorzugswürdige Erhaltung der Einrede aus § 320 BGB nicht mit dem gesetzgeberischen Zweck des § 105 InsO vereinbaren. 474 Wie hier Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 105 Rn. 6. 475 Die vermeintlich allein klarstellende Funktion wird von der h. M. bedenkenlos hingenommen, vgl. Gehrlein, NZI 2015, 97 [106]; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 108 Rn. 6; BeckOK InsO/Berberich § 108 Rn. 43; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 108 Rn. 23K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 108 Rn. 12; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 108 Rn. 43 f. 476 So die h. M., HK-InsO/Pohlmann-Weide (2017) § 108 Rn. 19; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 108 Rn.15; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 108 Rn. 44.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Regel-Ausnahme-Verhältnisses mit Blick auf § 105 InsO einerseits und § 108 III InsO andererseits wird im Übrigen auch von dem Wortlaut der beiden Normen getragen: Während nämlich § 108 III InsO bei dem Fortbestehen bestimmter Dauerschuldverhältnisse explizit anordnet, dass der Vertragspartner dort vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen „nur“ als Insolvenzgläubiger geltend machen kann, fehlt diese Einschränkung der Formulierung in § 105 S. 1 InsO. Dies zeigt, dass sich der Zweck des § 105 S. 1 InsO darauf beschränkt, dem Verwalter eine gespaltene Haftungsabwicklung durch eine Erfüllungswahl pro futuro ermöglichen möchte – die §§ 320 ff. BGB bleiben davon unberührt. Abschließend soll anhand eines Beispiels zu einem Bauvertrag verdeutlicht werden, zu welch unhaltbaren Ergebnissen die Befolgung der h. M. auf dem Rücken des Vertragspartners führt. Als Ausgangslage diene der Fall eines insolventen Werkunternehmers, der bei Verfahrenseröffnung noch keine Leistungen erbracht hat, während der Besteller noch vor Verfahrenseröffnung eine Anzahlung geleistet hat. Wird der Vertrag nun unter Ausschluss der §§ 320 ff. BGB gespalten, stünde dem Besteller als Vertragspartner wegen der Gegenleistung für die Anzahlung nur ein nach § 45 InsO umzurechnender Anspruch als Insolvenzgläubiger zu, der auf eine der Anzahlung entsprechenden Bauleistung gerichtet ist. Dagegen müsste der Insolvenzverwalter nur so weit leisten, als dies mit dem noch ausstehenden Werklohn korrespondiert. Dass dies nun zu kaum hinnehmbaren Ergebnissen führt, sei durch die Wiedergabe des Lösungsvorschlags Krefts verdeutlicht: „Deckte etwa die Vorauszahlung bei einem Vertrag zur Errichtung eines Neubaus die Bauarbeiten bis zum Dachboden ab, so brauchte der Insolvenzverwalter nur noch die auf das Dachgeschoß entfallenden Arbeiten zu leisten. Das ist jedoch ohne die vorausgehenden Arbeiten nicht möglich. Deshalb ließe sich daran denken, daß der Insolvenzverwalter das Werk von Grund auf, aber nur so weit errichtet, wie dies dem noch ausstehenden Werklohn entspricht (also z.B. bis Decke Erdgeschoß). Dieses Teilwerk könnte dann abgenommen werden, ähnlich wie dies für den Fall der Kündigung angenommen wird. Wegen der noch ausstehenden Bauleistungen müßte der Auftraggeber einen weiteren Werkvertrag abschließen und den dafür anfallenden Werklohn (erneut) entrichten. Diese Lösung lässt jedoch außer Betracht, daß der Auftragnehmer nach Werkvertragsrecht das versprochene Werk als Erfolg schuldet. Verlangt der Insolvenzverwalter Erfüllung, ist er vertraglich zur Herbeiführung dieses Erfolgs verpflichtet. […] Das hat indes zur notwendigen Konsequenz, daß der Insolvenzverwalter in einem solchen Fall für die mit Massemitteln bewirkte Erfüllung den gesamten vereinbarten Werklohn verlangen kann. Der Auftraggeber muß in Höhe der Vorauszahlung mithin zweimal zahlen.“477

Abgerundet wird dieses Ergebnis durch die Feststellung, dass diese Doppelbelastung „im allgemeinen nicht interessenwidrig oder gar unzumutbar“ sei, nachdem dem Auftraggeber daneben noch Kündigungsmöglichkeiten aus

477

Kreft, in: FS Uhlenbruck (2000) S. 387 [400 f.] [Herv. d. Verf.].

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§ 648 BGB bleiben.478 Abgesehen von den Unstimmigkeiten die sich daraus ergeben, dass Teilbarkeit für Zwecke der Vertragsspaltung bejaht wird, um dann mit dem geschuldeten Erfolg die Einheit der Leistung zu betonen, ist die Kündigung angesichts des § 648 S. 2 BGB ein schwacher Trost. Vor allem aber ist erneut bei dem Verweis auf das Insolvenzrisiko, das der Vertragspartner bei einer ungesicherten Anzahlung zu tragen habe, darauf hinzuweisen, dass sich damit das Risiko einer quotalen Befriedigung realisieren mag; das Risiko zweimal in Anspruch genommen zu werden trägt der Vertragspartner deshalb jedoch nicht. Diese grundlose Benachteiligung des Vertragspartners, die der Vorleistung die Erfüllungswirkung aus § 362 BGB nimmt, findet im Gesetz auch keine Stütze.479 Konsequenz der hier vertretenen Auffassung ist somit, dass der Verwalter die gesamte Gegenleistung aus der Masse anbieten muss, sofern sich der Vertragspartner auf § 320 BGB beruft. Schließlich hat sich der Gesetzgeber in § 320 BGB gegen die Austauschtheorie entschieden, sodass der aus dem funktionellen Synallagma fließende Schutz zur Disposition des Gläubigers steht.480 Beruft sich der Gläubiger auf § 320 BGB und verweigert der Verwalter die Erbringung der geschuldeten Gegenleistung, kann der Gläubiger nach § 323 II Nr. 1 BGB zurücktreten, nachdem der Rücktritt nach § 323 BGB gerade dazu dient, den durch § 320 BGB hervorgerufenen Schwebezustand zu beenden.481 Hat der Schuldner bereits Leistungen erbracht, muss insoweit zum einen § 323 V 1 BGB berücksichtigt werden. Im Übrigen sei nochmals darauf verwiesen, dass der Vertragspartner mit einer Rückforderung aus dem Rückgewährschuldverhältnis nur Insolvenzgläubiger ist. dd) Der Normenkonflikt bei Erfüllungsablehnung und Vor- oder Mehrleistung des Schuldners Virulent wird das Verhältnis zwischen § 105 InsO und §§ 320 ff. BGB des Weiteren, wenn bei Verfahrenseröffnung der Schuldner bereits teilweise geleistet hat und der Verwalter hinsichtlich des übrigen Vertragsteils die Erfüllung ablehnt. Dem entspricht wiederum bei beiderseitigem teilweisen Leistungsaustausch bei Erfüllungsablehnung auch die Konstellation, in welcher der Schuldner mehr geleistet hat als der Vertragspartner. Denn dort stellt sich bei Annahme einer Vertragsspaltung die Frage, ob der Verwalter für die bereits erbrachte schuldnerische (Mehr-)Leistung anteilige Gegenleistung von dem

478

Kreft, in: FS Uhlenbruck (2000) S. 387 [401]. Vgl. die Krit. bei Kesseler, ZIP 2005, 2046 [2050]: „Erfüllung ist Erfüllung und das auch im Insolvenzrecht.“ 480 Vgl. zur Konstruktion des funktionellen Synallagmas, Kap. 2 II. 1. a) bb). 481 Vgl. Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [5]; vgl. auch Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 13 Rn. 3. 479

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Vertragspartner verlangen kann. Dies wird von der h. M. bejaht.482 Könnte sich der Vertragspartner hier jedoch auf die §§ 320 ff. BGB berufen, weil der übrige Vertragsteil unerfüllt bleibt, würde sich der Vertragspartner der Geltendmachung der anteiligen Gegenleistung entziehen. Dementsprechend wird dem Vertragspartner die Ausübung dieser Gläubigerrechte überwiegend verwehrt.483 Eine gesonderte Vergütung der bereits erbrachten Vor- bzw. Mehrleistung bei Sperrung der §§ 320 ff. BGB bedeutet dagegen erneut ein mit dem Schutz des funktionellen Synallagmas nicht zu vereinbarendes „cherry-picking“.484 Zu berücksichtigen ist zwar, dass dem Rücktritt bei bereits teilweise erfolgtem Leistungsaustausch durch § 323 V 1 BGB Grenzen gesetzt werden. Dort hat sich der Gesetzgeber ausdrücklich („nur“) für den Grundsatz des Teilrücktritts entschieden. Ein die bereits erbrachte Teilleistung umfassender Rücktritt vom ganzen Vertrag ist damit ohnehin nur möglich, wenn der Gläubiger auch an der Teilleistung kein Interesse hat.485 Liegt allerdings tatsächlich ein solcher Interessenfortfall vor, ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Vertragspartner entgegen der von der Privatautonomie getragenen Vertragsbindung seine ursprüngliche Zweckverfolgung modifizieren sollte.486 Der Vertragspartner kann sich einer anteiligen Gegenleistungserbringung durch Rücktritt vom gesamten Vertrag entziehen. Dem Verwalter bleibt dann – ggf. durch Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses – allein die Rückforderung des bereits Geleisteten. Steht dem Vertragspartner indessen wegen § 323 V 1 BGB regelmäßig nur der auf den noch ausbleibenden Teil bezogene Teilrücktritt offen, hat es mit der Pflicht zur anteiligen Gegenleistung für eine bereits erbrachte Teilleistung sein Bewenden. Die daraus resultierende „Vertragsspaltung“ vollzieht sich allerdings allein basierend auf dem Gestaltungsrecht des Vertragspartners aus § 323 BGB – jedoch weder aus der Verfahrenseröffnung noch aus der Wahlrechtsausübung.

482 BGH Urt. v. 1.12.2011, IX ZR 79/11 = NZI 2012, 76 [79]; grundlegend unter Geltung der KO, BGH Urt. v. 4.5.1995, IX ZR 256/93 = NJW 1995, 1966 [1967]; vgl. ferner Gehrlein, NZI 2015, 97 [97]; M. Huber, ZInsO 2005, 449 [451]; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 32; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 36; umfangreiche Nachweise bei von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285 [289 dort Fn. 5]. 483 Henkelmann (2009) S. 181 ff.; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 46; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 105 Rn. 11; BeckOK InsO/Berberich § 105 Rn. 32; Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103–119 Rn. 16; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 105 Rn. 30; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 11 f.; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 47; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 23. 484 So die Krit. bei Schluck-Amend, in: FS Wellensiek (2011) S. 231 [237 f.]. 485 BT-Drucks. 14/6040, 186. Vgl. ferner bereits die Ausführungen zur Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit von Nicht- und Schlechtleistung, Kap. 2 IV. 486 Vgl. zu § 323 V 1 BGB, Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [127].

I. Äquivalenz- und Verlustprinzip in der InsO

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Darüber hinaus kann der Vertragspartner auch regelmäßig dem anteiligen Gegenleistungsanspruch des Verwalters selbst dann nicht mit § 320 BGB begegnen, wenn er sich nicht für einen (Teil-)Rücktritt entscheidet. Erneut ist der Grund hierfür indessen in den Schranken der zivilrechtlichen Sekundärrechte selbst zu suchen: Bereits bei der Darstellung der Einrede des nicht erfüllten Vertrags zur Verwirklichung des Äquivalenzprinzips wurde unter Berücksichtigung des doppelten Schutzzwecks des Zurückbehaltungsrechts betont, dass § 320 II BGB zwar selbst bei verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils anwendbar bleiben kann.487 Anderenfalls verlöre der Gläubiger sein wichtigstes Druckmittel und sähe sich einer aufgedrängten Minderung ausgesetzt. Allerdings muss insofern ebenso berücksichtigt werden, dass dann bereits keine vertragswidrige Leistung gegeben ist, wenn es sich entweder von vornherein um eine vereinbarte Ratenlieferung handelt oder eine abweichend von § 266 BGB konsentierte Annahme der Teilleistung dergestalt vorliegt, dass das Schuldverhältnis inhaltlich entsprechend umgestaltet wird.488 Dann kann der Verwalter auch die anteilige Gegenleistung verlangen, ohne dass § 320 BGB anwendbar ist. Insoweit ist der Einwand verfehlt, zivilrechtlich sei eine Umgestaltung des Vertrags schlechthin nicht möglich.489 Auch wenn der Verwalter freilich beweispflichtig hinsichtlich der Frage bleibt, ob der Vertragspartner die Vorleistung als Teilerfüllung angenommen hat, wird es sich regelmäßig so verhalten, dass der Vertragspartner an der Teilerfüllung – insbesondere unter Berücksichtigung des in § 320 II BGB speziell normierten Treu und Glauben Gebots – interessiert ist und diese dementsprechend als solche akzeptiert. Insgesamt kann der Verwalter dementsprechend regelmäßig aufgrund der zivilrechtlichen Schranken des § 320 BGB anteilige Gegenleistung verlangen. In den verbleibenden Fällen hat es jedoch mit der Wertbewegung sein Bewenden und der Vertragspartner kann sich auf § 320 BGB berufen.490 Tritt der Vertragspartner vom gesamten Vertrag zurück, – und nur dann – kann der Verwalter durch Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses die von dem Insolvenzschuldner vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilleistung zurückfordern. 487

Vgl. die Ausführungen zu BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1101] bei der Darstellung der Verwirklichung des Äquivalenzprinzips außerhalb der Insolvenz. 488 Vgl. bereits Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II, S. 634: „Uebrigens komme der § 364 [320 BGB] überhaupt nicht zur Anwendung, wenn die auf die Leistung in Anspruch genommene Partei einen Theil der Gegenleistung in der Art als Theilerfüllung angenommen habe, daß darin die Einwilligung in eine Theilung des Schuldverhältnisses selbst zu finden sei.“ 489 So aber von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285 [294]. 490 Bork, in: FS Wellensiek (2011) S. 201 [203 ff.]; Marwedel ZInsO 2011, 937 [940]; Häsemeyer, KTS 34 (1973) 2 [8]; Schluck-Amend, in: FS Wellensiek (2011) S. 231 [239]; von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285 [304 ff.]; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 273; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 186.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Außerhalb dessen fehlt einem Rückforderungsrecht des Verwalters dagegen jede Grundlage.491 Zwar betont Kreft, dass es keinen Sachgrund gebe, weshalb der Vertragspartner die Vor- bzw. Mehrleistung unentgeltlich als „Insolvenzgewinn“ behalten darf.492 Dem folgend gestatten Teile des Schrifttums eine zweifelhafte Ausnahme vom Fortbestand der vertraglichen Grundlage im eröffneten Verfahren zu Gunsten der Masse: Obwohl der Vertrag auch nach Erfüllungsablehnung unstreitig als Rechtsgrund fortbesteht, stehe dem Verwalter ein Rückforderungsrecht an einer vor Verfahrenseröffnung erbrachten Teilleistung des Schuldners zur Seite, wenn das Interesse des Verwalters an der anteiligen Gegenleistung entfallen ist. Streitig ist unter Anhängern dieser Auffassung lediglich, worin dessen Grundlage (§ 326 IV oder § 812 BGB) zu suchen ist.493 Die Suche nach einer fehlenden rechtlichen Grundlage belegt jedoch, dass bereits kein Grund ersichtlich ist, dem Verwalter Rechte einzuräumen, die dem Schuldner auch außerhalb der Insolvenz nicht zustehen, um bereits vor Eröffnung verwirklichte wirtschaftliche Dispositionen ungeschehen zu machen.494 Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung scheitert ersichtlich, da der Vertrag als Rechtsgrundlage erhalten bleibt.495 In Ermangelung einer Verletzung der weiterhin möglichen Erfüllungspflicht des Vertragspartners kann der Verwalter auch nicht nach §§ 323, 326 BGB rückabwickeln. Der – vermeintlich fehlende – Sachgrund liegt dabei auf der Hand: Auch außerhalb der Insolvenz darf eine Vorleistung ohne Erbringung einer anteiligen Gegenleistung behalten werden, sofern der Vorleistende die weitere Leistungserbringung einstellt, weil er das Interesse an dem vollständigen Leistungsaustausch verliert. Es ist immerhin lediglich die „Vertragsuntreue des Schuldners bzw. des Insolvenzverwalters, die den ungleichen Vollzugsstand gefrieren lässt“.496 Aus diesem Grund kommt dann letztlich auch kein Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht.497 Es verbleiben allein die Möglichkeiten in den Grenzen des insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechts der §§ 129 ff. InsO.498 491

Dagegen plädiert Bork, in: FS Wellensiek (2011) S. 201 [207 f.] bei unteilbarer Leistung des Vertragspartners für ein Rückforderungsrecht bzgl. der Schuldnerleistung aus § 326 IV BGB; so auch Dahl/Schmitz, NZI 2013, 631 [633]. Auch insoweit liegt Unmöglichkeit jedoch nicht vor, da es für § 326 BGB auf die Möglichkeit der Erbringung der Leistung ankommt, die trotz fehlender Teilbarkeit möglich bleibt. Vgl. daher auch die Krit. bei von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285 [305]. 492 Kreft, in: FS Kübler (2015) S. 359 [364]; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 32. 493 Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.26; HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 51; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 34 und § 105 Rn. 26; offen gelassen in BGH NZI 2003, 491 [493]. 494 Vgl. zu § 15 KO-E bereits, Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den ReichsJustizgesetzen – Bd. 4, S. 87. 495 BGH Urt. v. 19.4.2007, IX ZR 199/03 = NZI 2007, 404 [405]. 496 So Marwedel ZInsO 2011, 937 [940]. 497 von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285 [305 f.]. 498 Vgl. dazu von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285 [309].

II. CISG-Verträge und §§ 103 ff. InsO

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d) Fazit zum Rücktritt im eröffneten Insolvenzverfahren Die Erkenntnis der Einordnung der Verfahrenseröffnung als rein verfahrensrechtliches Moment erlaubt die Überwindung einer sklavisch an das materielle Recht gekoppelten Begründung der haftungsrechtlichen Folgen der Verfahrenseröffnung. § 320 BGB taugt nicht, um einen Vollstreckungsausschluss zu umschreiben. Indem die Suspensivtheorie ohne Not die Klagbarkeit eines Anspruchs mit dessen Bestehen vermengt, leitet die h. M. daraus eine nicht haltbare Rücktrittssperre in der Insolvenz ab. Der Schluss von der Suspensivtheorie bei der Durchsetzung des Primäranspruchs auf die Verwehrung der Geltendmachung von Sekundärrechten erfolgt rein formaljuristisch ohne Berücksichtigung des Schutzes des Synallagmas auch in der Insolvenz und kann nicht aufrechterhalten werden. Maßgeblich sind vielmehr die in §§ 320 ff. BGB normierten Voraussetzungen, die nur in sehr begrenztem Umfang insolvenzrechtlichen Modifikationen unterliegen. Damit können die vorstehenden Ausführungen zum einen die Grundlage bilden, um die von der Suspensivtheorie angestoßene Entwicklung fortzuführen, die Rechtsfolgen der Verfahrenseröffnung auf ein auch mit dem materiellen Recht zu vereinbarendes Konzept zu reduzieren. Zum anderen wird dadurch der Weg für die weitere Betrachtung im Umfeld eines antizipierten Vertrags geebnet. Schließlich wird durch die Verfahrenseröffnung als solche ein Rücktrittsrecht des Vertragspartners nicht ausgeschlossen.

II. Behandlung von CISG-Verträgen im Anwendungsbereich der §§ 103 ff. InsO II. CISG-Verträge und §§ 103 ff. InsO

Im Anschluss an die Klärung der Folgen der Verfahrenseröffnung auf einen nach deutschem Schuldrecht zu beurteilenden Vertrag widmet sich der folgende Abschnitt der Behandlung von CISG-Verträgen in einem deutschen Insolvenzverfahren. Nachdem bereits der Anwendungsbereich des CISG nur eröffnet ist, sofern die Parteien ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben,499 ist dabei stets zugleich ein grenzüberschreitender Vorgang betroffen. Im Umfeld eines Insolvenzverfahrens stellen sich damit insbesondere Fragen der internationalen Zuständigkeit für die Verfahrenseröffnung, der Reichweite der sich in einer Anerkennung äußernden grenzüberschreitenden Wirkungserstreckung sowie des anwendbaren Rechts.500 Speziell Fragen des anwendbaren Rechts bereiten bei der Betrachtung von CISG-Verträgen in der Insolvenz 499 Ob die Lieferung der Kaufsache grenzüberschreitend erfolgt, ist dagegen unerheblich, MüKoBGB/Martiny CISG (2018) Art. 1 Rn. 20 ff. 500 Vgl. nur Schollmeyer (1997) S. 89 ff.; Bork, Insolvenzrecht (2017) S. 273 f.; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 912 f.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Schwierigkeiten. Denn einerseits regelt das CISG keine verfahrensrechtlichen Fragen.501 Der insofern ergänzungsbedürftige Charakter des CISG tritt gerade mit Blick auf die gerichtliche Durchsetzung in Art. 28 CISG ausdrücklich zum Vorschein.502 Andererseits bereiten die – teilweise freilich überladenen – materiell-rechtlichen Einflüsse des Insolvenzverfahrens Schwierigkeiten bei Fragen des anwendbaren Rechts, wodurch eine Grenzziehung zwischen anwendbarem Vertragsrecht einerseits und nationalen Insolvenzrecht andererseits erschwert wird. Zur Beantwortung der sich in einem grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren stellenden Fragen sind aus deutscher Sicht die §§ 335 ff. InsO nur dann zu Rate zu ziehen, sofern nicht der Anwendungsbereich der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO503) eröffnet ist, die als unmittelbar geltendes Recht in ihrem Anwendungsbereich den Vorschriften des deutschen Internationalen Insolvenzrechts vorgeht.504 Ein europäisches Einheitsinsolvenzrecht, das im Wege der Harmonisierung an die Stelle nationaler Insolvenzrechte tritt, existiert dagegen nach wie vor nicht. Auch nach Überarbeitung der am 1.5.2002 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren505 durch die am 5.6.2015 in Kraft getretene und seit dem 26.6.2017 anwendbare Verordnung (EU) 2015/848 führt die EuInsVO kein umfassendes „materielles“ Insolvenzrecht ein.506 Hervorzuheben sind in diesem Kontext daher lediglich entsprechende Wegbereiter wie die 2003 vorgestellten Principles of European Insolvency Law, die als akademisches Regelungsmodell – und insofern vergleichbar mit den Principles of European Contract Law507 – basierend auf Gemeinsamkeiten der einzelstaatlichen europäischen Insolvenzrechte einen Referenzrahmen für künftige Harmonisierungsbestrebungen schaffen.508 501

Honsell/Siehr CISG (2009) Art. 4 Rn. 33. Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari CISG (2013) Vor Artt. 1 – 6 Rn. 30 f. 503 Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren, ABl. Nr. L 141 S. 19. 504 Parzinger NZI 2016, 63 [64]; BGH NZI 2011, 420 [421]. 505 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, ABl. Nr. L 160 S. 1. 506 Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 915. 507 Vgl. die Ausführungen zum antizipierten Vertragsbruch in internationalen Modellregelungen, Kap. 4 I. 3. 508 Abgedruckt in McBryde/Flessner/Kortmann, Principles of European Insolvency Law (2003) S. 11 ff. Speziell gegenseitige Verträge bereiteten der Arbeitsgruppe Schwierigkeiten. Denn während sämtliche kontinentaleuropäische Rechtsordnungen insolvenzrechtliche Bestimmungen zur Behandlung solcher Verträge enthalten, hat es im englischen Recht mit dem Zusammenspiel des allgemeinen Vertragsrechts mit allgemeinen insolvenzrechtlichen Grundsätzen sein Bewenden, Flessner, ZEuP 2004, 887 [898 f.]; vgl. dazu ferner SchmidtKessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [258]. Dem sind die spärlichen Regelungen der §§ 6.1 bis 6.3 der Principles geschuldet, die in ihrem Regelungsgehalt nicht über die in § 103 InsO getroffenen Aussagen hinausgehen. 502

II. CISG-Verträge und §§ 103 ff. InsO

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Zudem bemüht sich UNCITRAL um die Förderung der Vereinheitlichung des Insolvenzrechts, indem zum einen mit dem Model Law on Cross Border Insolvency von 1997509 eine Modellkodifikation der Harmonisierung grenzüberschreitender Verfahren Vorschub leisten soll510 und indem zum anderen der Legislative Guide on Insolvency Law Part One and Two von 2004511, Part Three von 2010512 und Part Four von 2013513 dem nationalen Gesetzgeber Empfehlungen für die Änderung des nationalen Insolvenzrechts an die Hand gibt.514 Da die tatsächliche Umsetzung solcher Vereinheitlichungen jedoch nicht absehbar ist, sondern selbst der 22. Erwägungsgrund der EuInsVO vielmehr die Tatsache anerkennt, „dass aufgrund der großen Unterschiede im materiellen Recht ein einziges Insolvenzverfahren mit universaler Geltung für die Union nicht realisierbar ist“,

bleibt die Relevanz mitgliedstaatlicher Insolvenzrechte ungebrochen.515 Die folgenden Ausführungen widmen sich dementsprechend der Betrachtung von CISG-Verträgen im Lichte der §§ 103 ff. InsO. Nachdem damit vordergründig eine nach dem Insolvenzkollisionsrecht zu beurteilende Frage der Reichweite anwendbaren Rechts betroffen ist, konzentriert sich der folgende Abschnitt auf die Darstellung von denjenigen Anknüpfungssachverhalten, in denen deutsches Insolvenzrecht zur Anwendung gelangt. Zwar kann diese Betrachtung der kollisionsrechtlich zu beurteilenden Anwendbarkeit deutschen Insolvenz-

509 Abrufbar unter . 510 Vgl. dazu etwa Kodek, KTS 75 (2014) 215 [236]. 511 Abrufbar unter . Part One und Part Two bilden eine Systematisierung der regelungsbedürftigen Aspekte einer Insolvenz. Speziell Part Two widmet sich dabei dem Treatment of contracts, S. 119 ff. Die dort beschriebene Ausgangsproblematik deckt sich mit der oben beschriebenen Bedeutung des § 103 InsO für die Überwindung des Konflikts zwischen Äquivalenzund Verlustprinzip: „The first difficulty is that, unlike all other assets of the insolvency estate, contracts are usually tied to liabilities or claims. That is, it is often the case that the estate must perform or pay in order to enjoy the rights that are potentially valuable assets. The result is that difficult decisions must be made about the treatment of a contract so as to produce the most value for the estate.“ 512 Abrufbar unter . Part Three des Legislative Guides widmet sich Konzerninsolvenzen. 513 Abrufbar unter . Part Four widmet sich den Verpflichtungen bei einer sich abzeichnenden Insolvenz. 514 Kodek, KTS 75 (2014) 215 [238]. 515 Mankowski/Müller/J. Schmidt/Müller (2016) EuInsVO Einl. Rn. 56.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

rechts nicht losgelöst von der nach dem Internationalen Insolvenzverfahrensrecht zu beurteilenden Zuständigkeit erörtert werden kann.516 Da allerdings das Anknüpfungsmoment des Internationalen Insolvenzrechts von dem lex fori concursus-Grundsatz geprägt ist (vgl. Art. 7 EuInsVO, § 335 InsO), wonach das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen grundsätzlich dem Recht des Eröffnungsstaats unterliegen,517 genügt der folgende Überblick zu einer Zuständigkeitseröffnung für deutsche Gerichte, um anschließend die eigentliche Betrachtung von CISG-Verträgen im Lichte der §§ 103 ff. InsO vorzunehmen.518 1. Überblick zum Internationalen Insolvenzverfahrens- und Insolvenzkollisionsrecht a) Grundlagen des Internationalen Insolvenzverfahrensrechts – Anwendungsbereich der EuInsVO und §§ 335 ff. InsO sowie die daraus folgende Zuständigkeit deutscher Gerichte Während Art. 1 I und II EuInsVO kursorische Aussagen zum sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Europäischen Insolvenzverordnung enthalten,519 trifft die Verordnung selbst keine ausdrücklichen Bestimmungen zu deren räumlichen Anwendungsbereich. Es versteht sich indessen von selbst, dass die Verordnung ersichtlich auf innergemeinschaftliche Insolvenzen anwendbar ist.520 Lediglich Dänemark beteiligt sich ausweislich des 88. Erwägungsgrunds521 nicht an der Annahme dieser Verordnung, sodass dort aus deutscher Sicht die §§ 335 ff. InsO anwendbar bleiben.522 Des Weiteren werden reine Binnensachverhalte ohne jeden Auslandsbezug nach herrschender Auffassung im Schrifttum von der Verordnung nicht erfasst, was sich mittelbar aus den Erwägungsgründen 1, 3, 8 und 76 der EuInsVO sowie der Rechtsgrundlage 516

Vgl. zum „Ort der hypothetisch faktischen Verfahrenseröffnung“ bei dem kollisionsrechtlichen Parallelproblem der Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen durch das hierfür angerufene Gericht, Mankowski/Müller/J. Schmidt/Müller (2016) EuInsVO Art. 7 Rn. 99. 517 Vgl. dazu sogleich die Grundlagen des Internationalen Insolvenzkollisionsrechts. 518 In diesem Kontext wird daher auch nicht näher auf die nicht weniger „notorische Problemzone“ der Abgrenzung zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationalem Zivilprozessrecht bei sog. Annexstreitigkeiten (vgl. dazu jetzt Art. 6 EuInsVO) eingegangen, vgl. dazu jüngst zu einem Anspruch aus Art. 53 CISG, BGH NZI 2015, 1033 m. Anm Mankowski. 519 Zu den Konkretisierungen des sachlichen und persönlichen Anwendungsbereichs durch die 2015 in Kraft getretene EuInsVO, vgl. Garcímartin, ZEuP 2015, 694 [696 ff.]. 520 MüKoBGB/Kindler (2018) EuInsVO Art. 1 Rn. 23. 521 „Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet.“ 522 BeckOK InsO/Mock EuInsVO Art. 1 Rn. 19. Zum Opt-in Großbritanniens und Irlands vgl. Mankowski/Müller/J. Schmidt/J. Schmidt (2016) EuInsVO Art. 1 Rn. 52.

II. CISG-Verträge und §§ 103 ff. InsO

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des Art. 81 AEUV ergibt.523 Allerdings muss insofern berücksichtigt werden, dass der EuGH zum einen nicht nur zu einer sehr großzügigen Annahme eines grenzüberschreitenden Bezugs neigt,524 sondern zum anderen in der Literatur vertretenen Einschränkungen eine Absage erteilt hat, die einen grenzüberschreitenden Bezug zu einem Drittstaat nicht genügen lassen.525 So herrscht im Schrifttum zwar mangels entsprechender Regelung Streit darüber, ob über das Vorliegen des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen in der Union hinaus ein „qualifizierter Unionsbezug“ dergestalt erforderlich ist, dass der grenzüberschreitende Bezug ebenfalls zu einem anderen Mitgliedstaat besteht.526 Auch wenn die Anerkennung und Durchsetzbarkeit eines weltweiten Geltungsanspruchs der EuInsVO außerhalb von Mitgliedstaaten freilich von dem jeweiligen Drittstaat abhängt, hat sich dieser Streit für die Praxis seit dem Urteil des EuGH vom 16.1.2014 („Schmid“) jedoch erledigt.527 Sofern sich nicht aus den Normen der EuInsVO selbst etwas anderes ergibt,528 beansprucht die EuInsVO damit auch im Verhältnis zu Drittstaaten einen entsprechenden Geltungsanspruch. Damit findet die EuInsVO ausweislich ihres 25. Erwägungsgrunds lediglich bei Verfahren in Bezug auf einen Schuldner keine Anwendung, der den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in einem Drittstaat hat. Aus deutscher Sicht bleibt für die §§ 335 ff. InsO somit lediglich ein schmaler Anwendungsbereich. Für diese Regelungen ist nur dort Raum, wo die Verfahrenseröffnung in einem Drittstaat bzw. Dänemark erfolgt,529 und selbst in diesen Fällen kommen jene Regelungen nur in Betracht, wenn sich einem deutschen Gericht eine insolvenzrechtliche Frage als Vorfrage stellt. Ist der Anwendungsbereich der EuInsVO eröffnet, bemisst sich die internationale Zuständigkeit nach Art. 3 EuInsVO. Wird bei einem Insolvenzgericht 523 BeckOK InsO/Mock EuInsVO Art. 1 Rn. 20; Mankowski/Müller/J. Schmidt/J. Schmidt (2016) EuInsVO Art. 1 Rn. 56; MüKoBGB/Kindler (2018) EuInsVO Art. 1 Rn. 23. 524 So hielt EuGH Urt. v. 8.6.2017, C-54/16, ECLI:EU:C:2017:433 (Vinyls Italia) Rn. 46 Art. 13 EuInsVO-2000 (= jetzt Art. 16 EuInsVO) bereits dann für anwendbar, „wenn die Parteien den Vertrag dem Recht eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, in dem sie beide ansässig sind, unterworfen haben.“ [Herv. d. Verf.]. 525 EuGH Urt. v. 16.1.2014, C-328/12, ECLI:EU:C:2014:6 (Schmid) Rn. 19 ff. Vgl. dazu ferner BGH NZI 2014, 672. 526 Umfangreiche Nachweise zu beiden Auffassungen bei Mankowski/Müller/J. Schmidt/J. Schmidt (2016) EuInsVO Art. 1 Rn. 58 f. [dort Fn. 79 und 86]. 527 EuGH Urt. v. 16.1.2014, C-328/12, ECLI:EU:C:2014:6 (Schmid) Rn. 17 ff.; bestätigt in EuGH Urt. v. 4.12.2014, C-295/13, ECLI:EU:C:2014:2410 Rn. 28 ff.; Gottwald/Kolmann/Keller, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 131 Rn. 16 ff. Vgl. dazu ferner bereits Leible/Staudinger, KTS 61 (2000) 533 [538 f.]. Krit. dazu MüKoBGB/Kindler (2018) EuInsVO Art. 1 Rn. 28 f. m. w. N. zur Gegenansicht. 528 So knüpfen etwa die Artt. 8, 10 oder 16 EuInsVO explizit an die Belegenheit im Gebiet eines Mitgliedsstaats an. Zum Ganzen Mankowski/Müller/J. Schmidt/J. Schmidt (2016) EuInsVO Art. 1 Rn. 64 ff. 529 Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 935.

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Insolvenzantrag gestellt, muss dieses von Amts wegen (Art. 4 EuInsVO) prüfen, ob der Schuldner in dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats dem das Gericht angehört den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, Art. 3 I 1 EuInsVO (sog. Centre of Main Interests – COMI). Aus Sicht eines „verobjektivierten Verkehrskreises“530 ist damit ausgehend von dem Grundsatz „eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz“531 zur Realisierung einer Einheitsanknüpfung mit nur genau einem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen stets eine abwägende Konzentration und Fokussierung geboten.532 Konkretisierungen erfährt diese Anknüpfung zunächst durch Art. 3 I 2 EuInsVO. Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen ist danach insbesondere der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist.533 Damit wird die Definition des COMI durch ein internes und ein externes Element geprägt, das auch Abweichungen von den in Art. 3 I UAbs 2 – 4 EuInsVO geäußerten Vermutungen zulässt, wonach sich der Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses insbesondere regelmäßig am Sitz einer Gesellschaft oder am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person befinde.534 Der Begriff der Interessen des Schuldners ist dabei weit zu verstehen und lässt sich als allgemeine wirtschaftliche Tätigkeit umschreiben.535 Mit dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen knüpft der Unionsgesetzgeber weiterhin dem kollisionsrechtlichen Grundprinzip entsprechend an die engste Verbindung für die jeweilige Rechtsbeziehung an.536 Ein deutsches Gericht ist da-

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Mankowski, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 1467 [1477]. Eingängig zu ratio und Grenzen dieses Prinzips in der EuInsVO, J. Schmidt, KTS 76 (2015) 19 [20 ff.]. 532 Mankowski/Müller/J. Schmidt/Mankowski (2016) EuInsVO Art. 3 Rn. 6 f. 533 Vgl. dazu bereits unter Geltung der EuInsVO-2000, EuGH Urt. v. 20.10.2011, C-396/09, ECLI:EU:C:2011:671 (Interedil). 534 The underlying idea is to look for the “brain” of the debtor, not for its “muscels”, Garcímartin, ZEuP 2015, 694 [705]. Krit. mit Blick auf die Frage wie sich das Gewicht der Vermutung zur Maßgeblichkeit des Ortes der Verwaltung der Interessen verhält, Thole, ZEuP 2014, 39 [53 ff.]. 535 Mankowski/Müller/J. Schmidt/Mankowski (2016) EuInsVO Art. 3 Rn. 13 f. 536 Mankowski/Müller/J. Schmidt/Mankowski (2016) EuInsVO Art. 3 Rn. 15. Vgl. ferner Leible/Staudinger, KTS 61 (2000) 533 [543]. Zwar bleibt der Schuldner damit frei in der Entscheidung, wo er seinen COMI ansiedelt. Gemeinsam ist den Regelungen des Art. 3 I UAbs 2 – 4 EuInsVO aber die Berücksichtigung einer missbräuchlichen Verlagerung des COMI durch entsprechende an den Zeitraum der Verlagerung ansetzende Ausnahmen. Unabhängig von der Frage, in welchem Umfang eine Korrektur der Verlagerung des COMI durch den Einwand des Rechtsmissbrauchs möglich ist, vgl. noch zur EuInsVO-2000, Gruber, in: FS Schilken (2015) S. 679 [682 ff.], wird damit einem forum shopping im Insolvenzrecht begegnet. Vgl. Erwägungsgrund 5 der EuInsVO; vgl. ferner Parzinger NZI 2016, 63 [65]. Zum Ganzen Eidenmüller ZGR 2006, 467. Zur umgekehrten Frage, mit welchen Gestaltungsmöglichkeiten Gläubiger einer Verlegung des COMI entgegenwirken können, vgl. Mankowski, ZIP 2010, 1376. 531

II. CISG-Verträge und §§ 103 ff. InsO

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mit zuständig, wenn der Insolvenzschuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in Deutschland hat. Die innerhalb dessen zu bestimmende örtliche Zuständigkeit wird sodann der lex fori concursus überantwortet, sodass die nationalen Regelungen der §§ 3 und 4 InsO sowie §§ 12 ff. ZPO und hilfsweise der neu eingefügte Art. 102c § 1 EGInsO Anwendung finden. Da dagegen das in den §§ 335 ff. InsO geregelte deutsche Internationale Insolvenzrecht nach dem zum räumlichen Anwendungsbereich der EuInsVO Gesagten ohnehin nur zur Anwendung gelangt, wenn die Verfahrenseröffnung in einem Drittstaat bzw. Dänemark erfolgt, braucht die auf das nationale Internationale Insolvenzrecht gestützte Zuständigkeitseröffnung für Zwecke der vorliegenden Betrachtung nicht weiter vertieft zu werden. Schließlich führt bei Eröffnung in einem Drittstaat/Dänemark auch der dort regelmäßig anzutreffende lex fori concursus-Grundsatz nicht zur Anwendbarkeit deutschen Insolvenzrechts. Dort verbleibt allein im Rahmen eines Partikularverfahrens die Möglichkeit der Anwendung deutschen Insolvenzrechts.537 b) Grundlagen des Internationalen Insolvenzkollisionsrechts – die lex fori concursus und das auf noch nicht erfüllte Verträge anwendbare Recht Als Folge der großzügigen Anerkennung unter Zugrundelegung des Universalitätsprinzips richtet sich das Insolvenzverfahren sowohl nach der EuInsVO als auch nach deutschem Internationalen Insolvenzrecht grundsätzlich nach dem Insolvenzrecht desjenigen Staates, in dem auch das Insolvenzverfahren eröffnet wurde – die sog. lex fori concursus.538 Dies ergibt sich im Anwendungsbereich der EuInsVO expressis verbis aus Art. 7 EuInsVO und für das deutsche Internationale Insolvenzrecht aus § 335 InsO. Auch nach Art. 35 EuInsVO finden auf das Sekundärinsolvenzverfahren die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats Anwendung, in dessen Hoheitsgebiet das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden ist, soweit in der Verordnung nichts anderes bestimmt ist, die

537 Eine Durchbrechung des Universalitätsprinzips stellt ein Partikularinsolvenzverfahren dar, dessen Wirkung auf das im jeweiligen Eröffnungsstaat belegene Vermögen des Schuldners beschränkt ist, vgl. Artt. 3 II 2, 34 S. 3 EuInsVO. Dabei lässt sich zwischen isolierten Partikularinsolvenzverfahren (Art. 3 IV EuInsVO bzw. §§ 354 ff. InsO) und nach einem Hauptinsolvenzverfahren eröffneten Sekundärinsolvenzverfahren (Art 3 III EuInsVO bzw. §§ 356 InsO) differenzieren, J. Schmidt, KTS 76 (2015) 19 [27]; Mankowski, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 1467 [1518]; Thole, ZEuP 2014, 39 [62]. Das in Art. 36 EuInsVO geregelte „synthetische“ Sekundärinsolvenzverfahren stellt dagegen kein Sekundärinsolvenzverfahren im eigentlichen Sinne dar. Getragen von dem Ziel der Zurückdrängung der Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren werden die Gläubiger im Wege einer entsprechenden „Zusicherung“ nur so gestellt, als wäre tatsächlich ein Sekundärinsolvenzverfahren durchgeführt werden. Vgl. Parzinger NZI 2016, 63 [66]; Pluta/Keller, in: FS Vallender (2015) S. 437 [443 ff.]; Schuster, NZI 2017, 873 [873 ff.]. 538 Bork, Insolvenzrecht (2017) S. 279; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 932.

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lex fori concursus secundarii.539 Über diese Anknüpfung entscheidet die Zuständigkeitseröffnung somit zugleich mittelbar über das anwendbare Recht und es kommt zu dem willkommenen Effekt des Gleichlaufs zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht (lex propria in foro proprio).540 Nach dem nationalen Recht des Eröffnungsstaates richten sich sodann insbesondere die Grenzen der anzuerkennenden Beschlagnahmewirkungen oder Befugnisse des Schuldners und des Verwalters sowie das die Anmeldung, Prüfung und Feststellung der Gläubigerforderungen betreffende Verfahren.541 Wichtige Durchbrechungen im Interesse der Gewährleistung von Vertrauensschutz und Rechtssicherheit sieht das Internationale Insolvenzrecht punktuell durch entsprechende Sonderanknüpfungen vor (Artt. 8 ff. EuInsVO und § 336 InsO).542 Einen Katalog der mit der Verfahrenseröffnung, -durchführung und -beendigung zusammenhängenden und nach der lex fori concursus zu bestimmenden Regelungen enthält die nicht abschließende Regelung des Art. 7 II 2 EuInsVO. Die folgenden Ausführungen können sich dabei für die Betrachtung von CISGVerträgen in einem deutschen Insolvenzverfahren auf die mit der lex fori concursus verbundene Verweisung auf das auf noch nicht erfüllte Verträge anwendbare Recht beschränken. Nach Art. 7 II 2 lit. e) EuInsVO regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung insbesondere wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt. Ist ein deutsches Gericht zuständig, sind nach der lex fori concursus dementsprechend die §§ 103 ff. InsO anzuwenden, um die Folgen der Verfahrenseröffnung für laufende Verträge zu bestimmen.543 Im deutschen Internationalen Insolvenzrecht wird diese Rechtsfolge unmittelbar § 335 InsO entnommen.544 Etwas schwieriger gestaltet es sich lediglich im Zusammenhang mit einem Partikularinsolvenzverfahren. Schließlich lassen sich grenzüberschreitend geschlossene Verträge nicht als im jeweiligen Inland belegener Vermögensgegenstand begreifen und sich damit nicht ohne Weiteres dem Haupt- bzw. Partikularinsolvenzverfahren zuordnen. Nicht zuletzt zur Klärung der Frage des anwendbaren Rechts muss ein Vertrag jedoch dem Haupt- oder Partikularinsolvenzverfahren zugeordnet werden. Insofern scheint eine Zuordnung zu demjenigen Verfahren angezeigt, zu dem der Vertrag die engere Verbindung aufweist, indem er – entsprechend der sich auch aus Art. 4 II Rom I-VO ergebenden Wertung – bei der Niederlassung von der 539

MüKoBGB/Kindler (2018) EuInsVO Art. 34 Rn. 6. Mankowski, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 1467 [1492]. 541 Vgl. jüngst auch zur insolvenzrechtlichen Qualifikation des § 64 II GmbHG, EuGH, C-594/14, ECLI:EU:C:2015:806 (Kornhaas) Rn. 14 ff. unter besonderer Berücksichtigung, dass die Norm „untrennbar mit jedem Insolvenzverfahren verbunden ist“. 542 Vgl. dazu J. Schmidt, KTS 76 (2015) 19 [22 ff.]. 543 Mankowski/Müller/J. Schmidt/Müller (2016) EuInsVO Art. 7 Rn. 32; MüKoBGB/Kindler (2018) EuInsVO Art. 7 Rn. 29. 544 Vgl. statt vieler Gottwald/Kolmann/Keller, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 133 Rn. 57; Mohrbutter/Ringstmeier/Wenner, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 20 Rn. 312. 540

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Vertragspartei lokalisiert wird, welche die für den Vertrag charakteristische Leistung erbringt.545 Liegt dieser Ort in Deutschland, sind von dem mit dem Partikularinsolvenzverfahren befassten deutschen Gericht ebenfalls die Regelungen der §§ 103 ff. InsO zur Bestimmung der Verfahrensfolgen anzuwenden. 2. Reichweite der lex fori concursus und Anwendbarkeit des CISG in der Insolvenz a) Kollisionsrechtliche Grenzziehung – Reichweite der lex fori concursus und das sich „daraus“ (nicht) ergebende (Vertrags-)Recht Ergibt sich nach dem zu den Grundlagen des Internationalen Insolvenzrechts Gesagten, dass sich bei Zuständigkeit eines deutschen Gerichts die Folgen einer Verfahrenseröffnung auf einen laufenden Vertrag nach den §§ 103 ff. InsO richten, stellt sich die Frage einer Grenzziehung zwischen der lex fori concursus und der lex contractus. Es bedarf mit anderen Worten einer Klärung, inwieweit sich „aus“ der lex fori concursus das auf laufende Verträge anwendbare Recht ergibt und inwiefern daneben Raum für das sich aus dem CISG ergebende Vertragsrecht bleibt. Schließlich findet sich im Zusammenhang mit dem Umfang der Verweisung im Schrifttum etwa die verwirrende Äußerung, „insofern überlagert die lex fori concursus das Vertragsstatut hinsichtlich des Fortbestands der vertraglichen Pflichten nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und eines etwaigen Wahlrechts des Insolvenzverwalters.“546

Wenn des Weiteren davon die Rede ist, „[u]nabhängig vom Vertragsstatut entscheidet die lex fori concursus über die wechselseitigen Pflichten des Insolvenzschuldners und seines Vertragspartners nach der Eröffnung“547, oder wenn ähnlich angenommen wird, die „lex fori concursus verdrängt insoweit grundsätzlich die nach der Rom I-VO bestimmte lex contractus“548, muss dies auf Bedenken stoßen. Damit tritt eine Ungewissheit über die Reichweite der lex fori concursus und des damit verbundenen Insolvenzstatuts zu Tage, die unter der Prämisse, dass das Insolvenzrecht an die Stelle des materiellen Vertragsrechts tritt, im Stil einer Spezialität eine gänzliche Verdrängung der lex contractus ab Verfahrenseröffnung insinuiert. Schließlich würden danach – mit 545

Mankowski/Müller/J. Schmidt/Mankowski (2016) EuInsVO Vor Art. 34–51 Rn. 67 f.; so auch zur Abgrenzung der Verwalterbefugnisse zwischen Haupt- und Sekundärverwalter bei schwebenden Verträgen, K. Schmidt/Brinkmann (2016) InsO Art. 27 EuInsVO Rn. 26. Vgl. dazu ferner Schollmeyer (1997) S. 125 ff. 546 BeckOK InsO/Mock EuInsVO Art. 7 Rn. 37 [Herv. d. Verf.]. Ebenso Mohrbutter/Ringstmeier/Wenner, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 20 Rn. 312. 547 Braun/Tashiro (2017) InsO Art. 7 EuInsVO Rn. 24 [Herv. d. Verf.]. 548 So MüKoBGB/Kindler (2018) EuInsVO Art. 7 Rn. 29 [Herv. d. Verf.]. Vgl. ferner Kindler/Nachmann/Kindler, Insolvenzrecht in Europa (2014) § 4 Rn. 67; Paulus (2017) EuInsVO Art. 7 Rn. 30.

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den Worten des vorstehenden Zitats – selbst bei Vorliegen eines CISG-Vertrags die „Pflichten des Insolvenzschuldners und seines Vertragspartners nach Eröffnung“549 nicht mehr nach dem UN-Kaufrecht, sondern nach dem nationalen Insolvenzrecht zu bestimmen sein. Ob das zur Anwendung berufene verfahrensrechtliche Insolvenzrecht eine Aussage über die aus einem Vertrag erwachsenden Pflichten treffen kann, muss bezweifelt werden. Die Annahme einer schrankenlosen Verdrängung der lex contractus mit Verfahrenseröffnung droht bei der Beurteilung der kollisionsrechtlichen Frage des anwendbaren Sachrechts das Erfordernis einer funktionellen Qualifikation aus den Augen zu verlieren. Die vorstehenden Zitate sind dabei ersichtlich von einem Vorverständnis geprägt, das dem Insolvenzstatut funktionell die Regelung sämtlicher – auch materiell-rechtlicher – Sachfragen zuweist, die im Zusammenhang mit der Behandlung laufender Verträge im Insolvenzverfahren auftreten. Tatsächlich wird die trennscharfe Abgrenzung von denjenigen Wirkungen, die sich nach der lex fori concursus beurteilen, zu denjenigen, die der lex contractus unterliegen, dadurch erheblich erschwert, dass im deutschen Recht seit jeher Unklarheit über die sich aus dem Insolvenzstatut, namentlich die §§ 103 ff. InsO, ergebenden Rechtsfolgen der Verfahrenseröffnung herrscht.550 Offensichtlich noch von den von der Erlöschenstheorie zugrunde gelegten Rechtsfolgen geblendet hält daher auch Schollmeyer zu gegenseitigen Verträgen im Internationalen Insolvenzrecht fest: „Auch das Problem der sogenannten «Konkursfestigkeit des § 320 BGB» zeigt, daß es nicht möglich ist, eine solche [teleologisch-funktionelle] Grenzziehung zum Zwecke kollisionsrechtlicher Qualifikation vorzunehmen. Mit einer Kollisionsregel, inhalts derer «insolvenzrechtliche» Fragen sich nach der lex fori concursus, «vertragsrechtliche» nach der lex contractus richten sollten, wäre die genannte Fragestellung nicht zuzuordnen, da es gerade unklar ist, ob § 320 BGB ipso iure konkursfest ist oder die Konkursfestigkeit erst durch § 17 KO (§ 103 InsO) verliehen bekommt.“551

Allerdings darf die von dem nationalen Recht heraufbeschworene Unsicherheit insbesondere über die Folgen der Verfahrenseröffnung und die Geltung des § 320 BGB nicht zu einer Kapitulation vor der Aufgabe einer Grenzziehung zwischen der lex fori concursus und der lex contractus basierend auf einer funktionellen Qualifikation der betroffenen Normen führen. Diese Ungewissheit darf nicht zum Anlass genommen werden, um losgelöst von funktionellen Erwägungen und unter pauschaler Berufung auf den par conditio creditorumGrundsatz sämtliche Sachfragen der lex fori concursus zu zuweisen.552 Es 549

Braun/Tashiro (2017) InsO Art. 7 EuInsVO Rn. 24. Vgl. dazu bereits die Ausführungen zur Entwicklung der h. M. zu den materiellrechtlichen Konsequenzen der Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 2. 551 Schollmeyer (1997) S. 145. 552 So aber Schollmeyer (1997) S. 162 ff. Vgl. dazu ferner MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 15 Rn. 18. 550

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wurde bereits darauf hingewiesen, dass auch der par conditio creditorumGrundsatz keine Daseinsberechtigung als uneinschränkbares Dogma genießt, sodass es schon im Ansatz verfehlt ist, darauf gestützt einen pauschalen Vorrang der lex fori concursus zu behaupten.553 Nachdem der BGH mit der Suspensivtheorie einen großen Schritt in Richtung der hier vertretenen rein haftungsrechtlichen Deutung der §§ 103 ff. InsO unternommen hat,554 erhellt sich auch der Blick auf eine treffende kollisionsrechtliche Qualifikation der aus dem Tatbestand der Verfahrenseröffnung resultierenden Rechtsfolgen. So wurde bereits vorstehend bei der Kritik an der Suspensivtheorie und an den der Verfahrenseröffnung beigemessenen Rechtsfolgen betont, dass auch im deutschen Recht Eingriffe der verfahrensrechtlichen Insolvenzordnung in das materielle Recht nur dort zuzulassen sind, wo sie vom Gesetzgeber – wie etwa in §§ 115 f. InsO geschehen – angeordnet werden oder unbedingt erforderlich sind.555 Freilich muss bei der Bestimmung der sich im Zusammenhang mit einem bei Verfahrenseröffnung noch laufenden Vertrag stellenden Sachfragen daher berücksichtigt werden, dass dem Gesetzgeber insofern vier Regelungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen: a) der Vertrag erlischt (vgl. § 115 InsO); b) an die Stelle von Erfüllungsansprüchen tritt mit Verfahrenseröffnung automatisch ein Anspruch wegen der Nichterfüllung (vgl. § 104 InsO); c) der Vertrag wird ggf. unter Einräumung besonderer Kündigungsmöglichkeiten wie bei einer Abwicklung außerhalb der Insolvenz fortgesetzt (vgl. § 108 InsO); d) der Vertrag wird fortgesetzt, wobei der Insolvenzverwalter darüber entscheidet, ob es mit der (teilweisen) Nichterfüllung sein Bewenden hat oder ob die (weitere) Erfüllung verlangt wird (vgl. § 103 InsO).556 Je nachdem, von welcher Regelungsmöglichkeit der Gesetzgeber Gebrauch gemacht hat, mag die Verfahrenseröffnung damit zwar Auswirkungen auf den noch laufenden Vertrag entfalten. Einscheidendste Folge ist dabei etwa die mit Verfahrenseröffnung automatisch eintretende Beendigung des Vertrags, bei der sich mithin eine Einwirkung auf das Vertragsverhältnis nicht leugnen lässt, sodass insoweit eine die lex contractus verdrängende Bestimmung der lex fori concursus vorliegt. Allerdings zeigt der Kanon der gesetzgeberischen Regelungsmöglichkeiten ebenso deutlich, dass eine Verfahrenseröffnung nicht per se zur Durchbrechung des bei der lex contractus beheimateten pacta sunt servanda-Grundsatzes führt. Dies ist gerade bei der hier interessierenden nach § 103 InsO zu beurteilenden Folge der Verfahrenseröffnung der

553 Vgl. die Ausführungen zum par conditio creditorum als Fundament der Verteilungsgerechtigkeit, Kap. 3 I. 1. a) bb). 554 Vgl. dazu insbesondere die Ausführungen zu den auf die haftungsrechtliche Wirkung beschränkten Folgen der Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 3. a). 555 So auch K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 7. Vgl. ferner die Ausführungen zur Kritik an der Suspensivtheorie, Kap. 3 I. 3. 556 Vgl. mit teilweisen Abweichungen, MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 1.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Fall, nachdem – wie bereits ausführlich dargelegt557 – die Verfahrenseröffnung den Vertrag und sich daraus ergebende Sekundärrechte dort unberührt lässt. Dass der pacta sunt servanda-Grundsatz in der Insolvenz des Schuldners per se „nicht aufrechterhalten“ werden kann, mit der Folge, dass die lex fori concursus insofern stets spezieller wäre, liegt also mitnichten „auf der Hand.“558 Ganz im Gegenteil kann dort, wo der Gesetzgeber nicht die automatische Beendigung mit Verfahrenseröffnung anordnet, von einer alternativlosen Verdrängung des Vertragsstatuts durch die lex fori concursus also keine Rede sein. Dies gilt nicht nur für die um besondere Kündigungsmöglichkeiten ergänzte Fortsetzung des Vertrags wie bei einer Abwicklung außerhalb der Insolvenz (§ 108 InsO), sondern auch für diejenige „Fortsetzung“ des Vertrags, bei welcher der Verwalter lediglich über den haftungsrechtlichen Status der Ansprüche entscheidet (§ 103 InsO). In beiden Fällen bleibt das nach der lex contractus zu bestimmende Pflichtenprogramm mit den sich daraus ergebenden Sekundärrechten von der lex fori concursus unberührt. Dementsprechend lässt sich auch aus dem in der Vorschrift des § 119 InsO zum Ausdruck kommenden zwingenden Charakter der §§ 103 ff. InsO kein genereller Vorrang der lex fori concursus vor dem Schuldvertragsstatut ableiten.559 Zwar verdrängen die §§ 103 ff. InsO als Insolvenzstatut, soweit sie insolvenzrechtliche Modifikationen des Vertragsrechts enthalten, die ggf. abweichenden Normen eines ggf. abweichenden ausländischen Schuldvertragsstatuts. Allerdings lässt sich daraus kein genereller Vorrang des Insolvenzstatuts ableiten, wenn solche Sachfragen betroffen sind, zu denen die lex fori concursus mit Rücksicht auf ihre haftungsrechtliche Funktion schlicht keine Aussage trifft. Lediglich dann, wenn umgekehrt das Insolvenzstatut ausdrücklich eine insolvenzspezifische Einschränkung der Lösungsrechte vornimmt, liegt eine insolvenzrechtliche Modifikation der Regeln über das Schicksal des Vertrags vor mit der Folge, dass diese nicht gestützt auf die vermeintlich beachtliche lex contractus umgangen werden darf. Insoweit – nicht mehr und nicht weniger – wird letztere durch die lex fori concursus verdrängt, weil tatsächlich eine materiell-rechtliche Modifikation durch das Verfahrensrecht vorliegt. Deshalb ging das OLG Karlsruhe in einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 zu weit, als es trotz des an sich maßgeblichen französischen Insolvenzrechts eine insolvenzbedingte Kündigung zuließ, bei der sich der Gläubiger auf ein nach dem maßgeblichen deutschen Vertragsrecht zulässiges vertragliches Kündigungsrecht wegen Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Schuldners

557

Vgl. dazu die Ausführungen zu den auf die haftungsrechtliche Wirkung beschränkten Folgen der Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 3. 558 So aber Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 1.06. 559 So jedoch Jahr, in: Stellungnahmen (1992) S. 171 [171] zur der insoweit inhaltsgleichen Regelung des Vorentwurfs zur InsO.

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stützte,560 obwohl das französische Insolvenzrecht eine Bestimmung enthält, wonach ungeachtet etwaiger gesetzlicher oder vertraglicher Regelungen eine Beendigung eines laufenden Vertrags nicht einzig auf der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beruhen darf.561 Das erkennende OLG hielt es für „unerheblich, dass nach französischem Insolvenzrecht (hier: Art. 37 VI des Gesetzes vom 25. 1. 1985) Vertragsbestimmungen, die im Fall der Insolvenz des Vertragspartners die Auflösung oder Kündigung des Vertrags vorsehen, unwirksam sind. Mit dieser Bestimmung werden nicht allein die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters, insbesondere dessen Gestaltungsrechte, und die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf laufende Vertragsbeziehungen geregelt, wofür das ausländische Insolvenzrecht maßgebend ist, sondern die Bestimmung greift in Vertragsbeziehungen ein, indem es bestimmte vertragliche Vereinbarungen für unwirksam erklärt.“562

Indem sich das OLG Karlsruhe auf den Standpunkt stellt, dass lediglich diejenige Frage nach französischem Insolvenzrecht zu entscheiden ist, ob der französische Verwalter ein Wahlrecht hat,563 hat es die Grenzen der funktionellen Qualifikation und den Umfang der Verweisung auf die lex fori concursus zu eng gezogen. Auch wenn eine insolvenzrechtliche Regelung insofern in die vorgefundene Vertragsbeziehung eingreift, als sie einzelne Vertragsvereinbarungen – in casu Kündigungsrechte – für unwirksam erklärt, handelt es sich nicht um eine Frage, die sich lediglich nach dem für den betroffenen Vertrag geltenden Recht richtet. Nachdem der Umfang der Verweisung auf die lex fori concursus neben der Regelung des Erfüllungswahlrechts des Insolvenzverwalters insbesondere Regelungen zum Fortbestehen beziehungsweise zur automatischen Beendigung bestimmter Vertragstypen umfasst, ist umgekehrt auch das Verbot der Kündigung eines Vertrags auf Grund der Insolvenz Gegenstand der die lex contractus verdrängenden lex fori concursus.564 Insgesamt ist somit zur Bestimmung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts einer differenzierteren Lösung als der pauschalen Verweisung auf die lex fori concursus der Vorzug zu gewähren. Die kollisionsrechtliche Grenzzie-

560

Dem Fall lag die Vereinbarung deutschen Rechts und damit die VOB/B in der im Jahr 1991 geltenden Fassung zugrunde. Vgl. jetzt § 8 II Nr. 1 VOB/B. 561 OLG Karlsruhe Urt. v. 15.12.2012, 13 U 150/10 = NZI 2012, 526. Damit ging die französische Regelung sogar über den geltenden § 119 InsO hinaus, sodass es keiner Klärung der im deutschen Recht umstrittenen Frage bedurfte, ob das vertragliche Kündigungsrecht der insolvenzbedingten Kündigung wegen der Umgehung des Verwalterwahlrechts gesperrt ist, zum Meinungsstand vgl. die zahlreichen Nachweise bei BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = BeckRS 2016, 08553 [dort Rn. 19 und 21]. 562 OLG Karlsruhe Urt. v. 15.12.2012, 13 U 150/10 = NZI 2012, 526 [527]. 563 OLG Karlsruhe a. a. O. 564 So daher auch die Krit. von Damman/Lehmkuhl, NJW 2012, 3069 [370 f.]; vgl. ferner Pfeiffer, in: FS Schütze (2014) S. 421 [423]; Vallender/Liersch (2017) EuInsVO Art. 7 Rn. 22; Paulus (2017) EuInsVO Art. 7 Rn 30; zweifelnd Piekenbrock, ZIP 2018, 1 [8].

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hung hat – worauf bereits Schmidt-Kessel in seinem Beitrag zu CISG-Verträgen in der Insolvenz aufmerksam gemacht hat – basierend auf einer funktionalen Qualifikation zu erfolgen, mit der die sich mit Verfahrenseröffnung stellenden Fragen funktional entweder dem Insolvenz- oder dem Vertragsrecht zugeordnet werden.565 Bei der Auslotung dieser kollisionsrechtlichen Trennlinie zwischen Insolvenz- und Vertragsrecht ist dabei stets die beschränkt haftungsrechtliche Funktion des Insolvenzrechts zu berücksichtigen: Daraus folgt, dass erstens verfahrensmäßige Hindernisse der Prozessunterbrechung und des Vollstreckungsverbots oder die Haftung der Masse für Verwalterhandeln sowie die Privilegierung des Gläubigeranspruchs bei der Vertragsdurchführung Teil der lex fori concursus sind.566 Ebenso von der Verweisung auf die lex fori concursus umfasst sind zweitens solche Regelungen, die etwa mit einer Erleichterung (vgl. § 109 InsO) oder – wie im Beispiel des dem OLG Karlsruhe zugrundeliegenden Falls – mit einer Erschwerung von Kündigungsmöglichkeiten zu einer Modifikation vertragsrechtlicher Regelungen führen. Insoweit liegt also tatsächlich eine Verdrängung vor. Allerdings muss mit Blick auf die Wirrungen der höchstrichterlichen Rechtsprung zu den Folgen einer Verfahrenseröffnung im vergangenen Jahrhundert erneut davor gewarnt werden, vorschnell insolvenzrechtlichen Bestimmungen eine solche den Vertrag modifizierende Wirkung beizumessen. Dort, wo die lex fori concursus nämlich drittens weder den rechtlichen Bestand des gegenseitigen Vertrags berührt noch zu einer Modifikation vertragsrechtlicher Regelungen führt, wird über das Schicksal der bei Verfahrenseröffnung noch nicht erfüllten Verträge nach der lex contractus entschieden. Dort leuchtet es nicht ein, weshalb per se das Insolvenzrecht des jeweiligen Eröffnungsstaats mit verdrängender Wirkung über Kündigungs- oder Rücktrittsrechte auch des Vertragspartners entscheiden soll.567 Sofern unter Berücksichtigung der rein haftungsrechtlichen Wirkung einer Verfahrenseröffnung erkannt wird, dass die lex fori concursus überhaupt keine Aussage zur Modifikation des weiteren Bestands des Vertrags trifft, löst sich das Problem einer Grenzziehung dort schlicht auf. Treffend wurde deshalb darauf hingewiesen, dass sich der Umfang der Verweisung auf die lex fori concursus in Art. 7 II 2 lit. e) EuInsVO auf insolvenzrechtliche Modifikationen der Regeln über den Fortbestand des Vertrags beschränkt, der Vertrag als solcher im Übrigen aber Gegenstand selbstständiger Anknüpfung bleibt.568 Liegt eine solche insolvenzrechtliche Modifikation nicht vor, lassen sich die Fragen, wie der Vertrag beendet wird und unter welchen Voraussetzungen bzw. in welchem Umfang wegen der Beendigung ein Schadensersatzanspruch entsteht, nur nach 565

Eingängig dazu Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [267 ff.]. Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [267 f.]. 567 So aber Gottwald/Kolmann/Keller, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 133 Rn. 57. 568 So Mankowski/Müller/J. Schmidt/Müller (2016) EuInsVO Art. 7 Rn. 32 f. [Herv. im Original]. 566

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der lex contractus beantworten.569 Diese Fragen weisen – wie die Diskussion der auf haftungsrechtliche Wirkungen beschränkten Verfahrenseröffnung gezeigt hat – keine insolvenzrechtlichen Besonderheiten auf, sondern sind funktional dem Vertragsrecht zuzuordnen. Dort bleibt somit Raum für die Anwendung des UN-Kaufrechts. b) Auswirkungen der Verfahrenseröffnung auf CISG-Verträge und Vertragsaufhebung in der Insolvenz des Schuldners Nach alledem verdrängt der Verweis auf die lex fori concursus für das auf laufende Verträge anwendbare Recht nicht pauschal die Anwendbarkeit des Vertragsstatuts. Die lex fori concursus bleibt vielmehr denknotwendig auf die funktional als insolvenzrechtlich einzuordnenden Regelungen beschränkt. Liegt ein Vertrag vor, auf den das UN-Kaufrecht nach den Artt. 1–6 CISG Anwendung findet, sind solche Fragen auch nach UN-Kaufrecht zu entscheiden, die der lex contractus zuzuordnen sind. Dazu zählen insbesondere die Fragen, wie der Vertrag vorbehaltlich einer besonderen insolvenzrechtlichen Anordnung beendet wird und unter welchen Voraussetzungen bzw. in welchem Umfang wegen der Beendigung ein Schadensersatzanspruch entsteht. Das bedeutet speziell bei Anwendung des § 103 InsO, dass sich die insolvenzrechtliche Norm darauf beschränkt, über die Einordnung der Gläubigerrechte als Masseoder Insolvenzforderung zu entscheiden, während im Übrigen insbesondere die sich aus dem CISG ergebenden Sekundärrechte greifen können. Eine „Verdrängung“ der lex fori concursus durch die lex contractus kann es dadurch nicht geben, nachdem § 103 InsO auch sonst keine weitergehende Wirkung entfaltet.570 aa) Folgen der Verfahrenseröffnung: Hemmung der Durchsetzung des Primäranspruchs Mit den unmittelbaren Folgen der Verfahrenseröffnung und der daraus resultierenden Hemmung der Durchsetzung des Primäranspruchs ist eine der lex fori concursus zuzuordnende Frage betroffen, nachdem es sich dabei um eine rein haftungsrechtliche Folge zur Realisierung der Gesamtvollstreckung handelt. Dementsprechend regelt nach Art. 7 II 2 lit. f) EuInsVO das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung auch, wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt. Der Begriff der Rechtsverfolgungsmaßnahmen umfasst insbesondere Maßnahmen der 569

Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [268]. Vgl. dazu die Ausführungen zu den auf die haftungsrechtliche Wirkung beschränkten Folgen der Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 3. Teilweise abweichend unter Zugrundelegung des früher herrschend vertretenen Normverständnisses zu § 103 InsO, Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [270 f.]. 570

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

Einzelzwangsvollstreckung.571 Mithin ergibt sich auch für einen CISG-Vertrag aus der ein Vollstreckungsverbot anordnenden insolvenzrechtlichen Regelung des § 89 InsO, dass aufgrund der Einordnung als Insolvenzgläubiger im status quo der Verfahrenseröffnung eine Anspruchsdurchsetzung ausgeschlossen und eine Verfahrensbeteiligung nur als Insolvenzgläubiger möglich ist, § 87 InsO. Die Verfahrenseröffnung hemmt die Ausführung des Schuldverhältnisses mit Blick auf die Durchsetzung des Primäranspruchs.572 Auf Ebene der Bestimmung der Folgen der Verfahrenseröffnung und der Durchsetzung des sich aus dem CISG-Vertrag ergebenden Anspruchs in Natur entsteht daher kein Konflikt, weil das CISG insofern keine eigenen Vorschriften enthält, sondern vielmehr nationale Regelungen des Insolvenzrechts respektiert. Dies ergibt sich unübersehbar aus den Materialien zu den späteren Artt. 14 ff. CISG. Denn bereits bei den Vorarbeiten zu der Konferenz in Wien wurde darum gerungen, inwiefern insbesondere die Insolvenz Einfluss auf die Wirksamkeit einer auf den Abschluss eines CISG-Vertrags gerichteten Erklärung ausüben soll. Dabei musste dem Vorschlag einer entsprechenden Regelung der Folgen einer Insolvenzverfahrenseröffnung auf die Wirksamkeit der Vertragsschlusserklärungen der Erkenntnis weichen, dass eine Vereinheitlichung in diesem Bereich kaum sinnvoll möglich ist: „[…] it was considered that it would be inappropriate to attempt to unify widely differing national bankruptcy rules in the context of the present draft Convention.“573

Die mit der Verfahrenseröffnung verbundenen Rechtsfolgen sind damit bewusst aus dem Regelungsbereich des CISG ausgenommen, was Raum für das von dem jeweiligen IPR – in diesem Zusammenhang Art. 7 II 2 lit. e) und f) EuInsVO – berufene nationale Recht belässt, sodass bereits deshalb kein Normenkonflikt droht. Zwar soll nach teilweise vertretener Auffassung das CISG dennoch insofern abschließend sein, als andere als die genannten Gründe (Artt. 16, 17, 18 II CISG) – wie eine etwaige nationale Regelung des Konkursrechts – von vornherein nicht zur Unwirksamkeit des Vertrags führen können.574 Unabhängig davon, dass sich aus Sicht des deutschen Insolvenzrechts eine solche Unwirksamkeit nicht aus § 103 InsO ergibt, schweigt sich die Konvention ausweislich der Materialien jedoch deshalb zu der damit aufgeworfenen Frage aus, weil die Folgen der Verfahrenseröffnung nicht vom Regelungsbereich des CISG erfasst sein sollen. Infolge des bewussten Verzichts auf eine

571 Zahlreiche Nachweise bei Mankowski/Müller/J. Schmidt/Müller (2016) EuInsVO Art. 7 Rn. 38 [dort Fn. 86]. 572 Vgl. bereits oben mit Verweis auf Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 85. 573 VIII Yearbook, 1977 (Document A/CN.9/128), p. 85 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 286). 574 So Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 15 Rn. 14 f.

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einheitsrechtliche Regelung liegen solche Sachfragen damit außerhalb des Regelungsanspruchs des CISG, sodass das Gültigkeitsproblem nach dem jeweils anwendbaren nationalen Recht zu lösen ist.575 Parallel zu der im Zusammenhang mit der Suspensivtheorie geäußerten Kritik an der verfehlten Heranziehung des § 320 BGB muss dabei auch nicht die im UN-Kaufrecht statuierte Konstruktion des funktionellen Synallagmas durch Kombination eines Zurückbehaltungsrechts mit einer beständigen Vorleistungspflicht in Art. 58 CISG bemüht werden,576 um die aus der Verfahrenseröffnung folgende Vollstreckungssperre im materiellen Recht abzubilden. Diese Folge ergibt sich unmittelbar aus der lex fori concursus. Umgekehrt muss freilich berücksichtigt werden, dass § 103 InsO die Anwendbarkeit von denjenigen Normen respektiert, die den Schutz des funktionellen Synallagmas im eröffneten Verfahren gewährleisten. Trotz des anhaltenden Streits um die Reichweite des Normzwecks des § 103 InsO herrscht insofern Einigkeit.577 Das bedeutet für einen CISG-Vertrag im eröffneten deutschen Insolvenzverfahren, dass der Verwalter nach § 103 I InsO Erfüllung der Gegenleistung aus der Masse anbieten muss, um ein auf dem funktionellen Synallagma fußendes Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers aus Art. 58 I 2, II CISG zu überwinden bzw. um die Fälligkeit der Zahlungspflicht des Käufers nach Art. 58 I, III CISG auszulösen. Letzteres ergibt sich aus der Konstruktion des funktionellen Synallagmas im UN-Kaufrecht, die in Abweichung zur allgemeinen Regel des § 320 BGB einseitig einer inhaltlichen Beschränkung der Gegenleistungspflicht durch Statuierung einer beständigen Vorleistungspflicht des Verkäufers folgt.578 Mit Blick darauf ergibt sich auch nichts anderes aus § 41 InsO. Der BGH hat unlängst parallel bereits zu einem deutschen Recht unterliegenden Vertrag festgestellt, dass die Norm nur der Teilnahme und Umrechnung entsprechender Gläubigerforderungen dient und nicht Forderungen des Insolvenzschuldners betrifft.579

575

Freiburg (2001) S. 276; BeckOGK/Buchwitz CISG Art. 15 Rn. 22; Honsell/Dornis CISG (2009) Vor Art. 14–24 Rn. 23; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 15 Rn. 18; MüKoHGB/Ferrari CISG (2018) Art. 15 Rn. 16 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter CISG (2013) Art. 15 Rn. 8. Vgl. ferner bereits U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413 [441], der zwar für Tod und Wegfall der Geschäftsfähigkeit eine von der h. M. abweichende Lösung favorisiert, aber immerhin den Konkurs als „ein nach nationalem Recht zu lösendes Gültigkeitsproblem“ einstuft. 576 Vgl. dazu die Ausführungen zur Verwirklichung des Äquivalenzprinzips und dem Schutz des Synallagmas auf Ebene der Sekundärrechte bei den Grundlagen der Vertragsumsteuerung, Kap. 2 II. 577 Vgl. die Ausführungen zum Fundamentaldissens um den § 103 InsO zugrundeliegenden Normzweck, Kap. 3 I. 3. a) bb). 578 Vgl. dazu die Ausführungen zur Verwirklichung des Äquivalenzprinzips und dem Schutz des Synallagmas auf Ebene der Sekundärrechte bei den Grundlagen der Vertragsumsteuerung, Kap. 2 II. 579 BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NJW-RR 2017, 173 [173].

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Dagegen muss die noch offensichtlich durch die Erlöschenstheorie des BGH-geprägte von Schmidt-Kessel geäußerte Annahme nicht mehr bemüht werden, wonach sich der vermeintliche Konflikt zwischen dem CISG und nationalem Insolvenzrecht bei der Durchsetzung in Natur erst unter Berücksichtigung des Art. 28 CISG ergebe. Danach erfasse die Norm nicht nur verfahrensrechtliche Hindernisse der Durchsetzung im Rahmen des Erkenntnisverfahrens und der Vollstreckung, sondern auch den – so die weitere Prämisse dieser Auffassung – von dem Recht des Urteilsstaats angeordneten materiellrechtlichen Verlust des Anspruchs auf Naturalerfüllung bei Verfahrenseröffnung.580 Vertretbar – wenn auch vom überwiegenden Teil des Schrifttums abgelehnt581 – erscheint insofern zwar noch erstere Annahme, dass Art. 28 CISG nicht schlechthin eine solche Auslegung in materiellrechtlicher Hinsicht verbietet, wonach die Norm neben prozessualen sowie vollstreckungsrechtlichen Beschränkungen auch materiellrechtliche Instrumente des nationalen Rechts erfasst, die dem Erfüllungsbegehren den Boden entziehen.582 Allerdings wird mit der von Schmidt-Kessel vertretenen Auffassung vorausgesetzt, dass die Verfahrenseröffnung überhaupt einen aus dem nationalen Recht folgenden materiell-rechtlichen Anspruchsverlust bewirkt. Ein solcher Fall liegt jedoch bereits nicht vor, solange das nationale Insolvenzrecht den Untergang des Anspruchs mit Verfahrenseröffnung nicht anordnet. Genau so liegt es jedoch bei Anwendbarkeit des § 103 InsO. Spätestens seit Aufgabe der Erlöschenstheorie durch den BGH wird ein ipso iure-Erlöschen des Anspruchs mit Verfahrenseröffnung nicht mehr vertreten.583 Vielmehr hat es mit der rein verfahrensrechtlichen Suspendierung der Vollstreckungsmöglichkeit sein Bewenden. Der mit der Verfahrenseröffnung eintretende Verlust der Möglichkeit der Einzelvollstreckung muss damit bei einem CISG-Vertrag ebenso wenig wie im BGB erst mühsam über vermeintlich aus der Verfahrenseröffnung resultierende materiell-rechtliche Einwände mit Hilfe des Art. 28 CISG realisiert werden. Da mit der Verfahrenseröffnung eine verfahrensrechtliche Frage betroffen ist, die keinen in dem Übereinkommen geregelten Gegenstand betrifft, also keine sog. 580

Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [272]. Krit. dazu BeckOGK/Thomale/Lindemann CISG Art. 28 Rn. 14 ff.; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 28 Rn. 10; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 28 Rn. 10; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 28 Rn. 10 f. wonach die Norm mit Rücksicht auf ihre Entstehungsgeschichte exklusiv der eingeschränkten Erzwingbarkeit von Erfüllungsansprüchen in den Common-Law-Ländern Rechnung tragen soll, sodass es nur darauf ankommt, ob eine Verurteilung zur Erfüllung in der jeweiligen Rechtsordnung abstrakt vorgesehen ist. Vgl. dazu U.S. District Court for the Northern District of Illinois Urt. v. 7.12.1999, 99 C 5153 = CISG-online No. 439. 582 So Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 28 Rn. 10. Als prominentes Beispiel wird aus deutscher Sicht § 275 BGB angeführt. Zur Krit. vgl. die vorstehende Fn. 583 Vgl. die Ausführungen zu der seit BGH Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = BGHZ 150, 353 ganz herrschend vertretenen Suspensivtheorie, Kap. 3 I 2. b). 581

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interne Lücke i. S. d. Art. 7 II CISG vorliegt, gelangt schlicht das nationale Recht (§§ 87, 89 InsO) zur Anwendung. bb) Vertragsaufhebung nach Artt. 49, 64 CISG in der Insolvenz des Schuldners Da die Nichterfüllung des Verwalters nach § 103 II InsO keine Ausübung eines besonders eingeräumten Rechts beschreibt, sondern die bloße Verweisung und Beschränkung des Gläubigers auf das ist, was ihm als Insolvenzgläubiger zusteht,584 entscheidet der Verwalter damit allein über die haftungsrechtliche Berücksichtigung der Vertragsschuldverhältnisse im Verfahren.585 Auch bei einem CISG-Vertrag beeinflusst die Wahlrechtsausübung damit das Entstehen etwaiger Sekundäransprüche allenfalls insofern mittelbar, als das insolvenzbedingte Ausbleiben der Nichtleistung zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Vertragsaufhebung führen kann. Schließlich hindert die im Zusammenhang mit den Folgen der Verfahrenseröffnung auf einen CISG-Vertrag geäußerte Feststellung, dass das CISG diese Folgen nicht selbst normiert, sondern die nationalen Regelungen des Insolvenzrechts akzeptiert, nichts daran, dass bestimmte der lex contractus zuzuordnende Fragen vom CISG erfasst werden.586 Dementsprechend lässt sich mit Teilen des Schrifttums in der Erfüllungsablehnung des Verwalters ein wesentlicher Vertragsbruch i.S.d Art. 25 CISG erblicken, da hierin eine endgültige Erfüllungsverweigerung zu erblicken ist.587 Umgekehrt führt § 103 II 2 InsO jedoch nicht zu Lasten des Gläubigers zu einer Fristverlängerung oder -unterbrechung. Die Angemessenheit der Frist im Rahmen der der Nachfristaufhebung nach Artt. 49 I lit. b), 64 I lit. b) CISG wird im eröffneten Verfahren wie auch bei § 323 I BGB durch das Recht des Vertragspartners zur Erklärungsaufforderung in § 103 II 2 InsO relativiert und zu Gunsten des Vertragspartners modifiziert.588 Abweichungen hiervon ergeben sich wiederum allein in den engen Grenzen des § 107 II InsO,589 da insoweit tatsächlich eine das Vertragsrecht hinsichtlich der Angemessenheit einer Frist (Artt. 47 I, 63 I CISG) modifizierende Regelung des Insolvenzrechts vorliegt. Solche Regelungen liegen nach dem zu den Folgen der Verfahrenseröffnung auf CISGVerträge Gesagten außerhalb des Anwendungsbereichs des CISG und werden vom UN-Kaufrecht dementsprechend respektiert. Letztlich ergeben sich auch 584

Vgl. auch Marotzke (2001) Rn. 3.55. Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.07. 586 Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari CISG (2013) Art. 4 Rn. 33. 587 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [272]; dem folgend Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari CISG (2013) Art. 4 Rn. 33. 588 Vgl. zum Rücktritt nach § 323 I BGB im eröffneten Verfahren, Stamm, KTS 72 (2011) 421 [435 f.]. 589 Vgl. zum gesetzlichen Rücktrittsrecht vor feststehender Nichterfüllung unter Berücksichtigung des Erklärungsaufforderungsrechts des Vertragspartners, Kap. 3 I. 3. b) cc) (2). 585

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bei teilweiser Leistungserbringung vor Verfahrenseröffnung keine Besonderheiten für eine Vertragsaufhebung unter Berücksichtigung des Art. 51 CISG,590 sofern der hier vertretenen Auffassung gefolgt wird, dass auch § 105 InsO keine das Synallagma modifizierende Wirkung entfaltet. Die Ausführungen zur ablehnenden Haltung zur Spaltung des Vertrags gestützt auf § 105 InsO gelten damit für die Vertragsaufhebung bei einem CISG-Vertrag mutatis mutandis.591 Bemerkenswert ist dabei, dass dieses Ergebnis mit der hier ohnehin vertretenen Auffassung harmoniert, dass die Verfahrenseröffnung nicht zu einer anderen Beurteilung der insolvenzbedingten Nichtleistung verglichen mit dem Ausbleiben der Leistung außerhalb des Insolvenzverfahrens führt.592 Im Schrifttum wurde darauf hingewiesen, dass [e]ine irgendwie geartete Rechtfertigung der Nichterfüllung [sich] jedenfalls nicht aus den Verwalterwahlrechten nach autonomen nationalem Recht [ergibt]; dieses wird vielmehr verdrängt.“593

Während ersteres zutrifft, bedarf es jedenfalls im deutschen Recht einer solchen „Verdrängung“ nicht. Bereits aus der rein haftungsrechtlichen Bewertung der Folgen der Verfahrenseröffnung und Wahlrechtsausübung folgt, dass vertragliche Sekundärrechte hiervon nicht betroffen werden. Erneut löst sich der Konflikt und das Problem einer Grenzziehung zwischen lex fori concursus und lex contractus somit dadurch auf, dass ein Normenkonflikt schon nicht droht, nachdem in diesem Zusammenhang ein der lex contractus zugewiesener Fragenkomplex betroffen ist, zu dem sich das nationale Insolvenzrecht ausschweigt. Hervorzuheben bleibt daher, dass auch ein etwaiger „Durchsetzbarkeitsverlust“, wie ihn die Suspensivtheorie bei der Verfahrenseröffnung annimmt,594 die Vertragsaufhebungsrechte des Vertragspartners auch nicht mittelbar beeinflusst. Zwar muss der Verwalter zur Realisierung des Anspruchs der Masse im Wege der Erfüllungswahl etwaige sich aus Art. 58 CISG ergebende Einwände des Vertragspartners überwinden, da der Schutz des funktionellen Synallagmas auch im eröffneten Verfahren erhalten bleibt.595 Jedoch darf der Schutzes der Aufrechterhaltung des funktionellen Synallagmas nicht in sein Gegenteil verkehrt werden, indem die bloß mangelnde Klagbarkeit des 590 Vgl. dazu die Ausführungen zur Vertragsumsteuerung bei Teilbarkeit von Nicht- und Schlechtleistung, Kap. 2 IV. 591 Vgl. dazu oben die Ausführungen: Besonderheiten bei teilweiser Leistungserbringung vor Verfahrenseröffnung – Spaltung des Synallagmas infolge einer Spaltung der haftungsrechtlichen Abwicklung, Kap. 3 I. 3. c). 592 Vgl. die Ausführungen zum Bestehen von Rücktrittsrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren, Kap. 3 I. 3. b). 593 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [272]. 594 Urt. v. 25.4.2002, IX ZR 313/99 = BGHZ 150, 353. Vgl. zur Entwicklung der h. M. zu den materiellrechtlichen Konsequenzen der Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 2. 595 Vgl. die Ausführungen zur Hemmung des Primäranspruchs infolge der Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 3. a).

II. CISG-Verträge und §§ 103 ff. InsO

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Primäranspruchs dem Vertragspartner etwaige Sekundärrechte abschneidet. Wie bereits zum Rücktritt des Vertragspartners im eröffneten Verfahren ausgeführt, kann sich nämlich umgekehrt mangels eigenen Leistungsvermögens und im Widerspruch zur eigenen Vertragstreue weder der Verwalter noch der Schuldner im eröffneten Verfahren auf den Einwand des nicht erfüllten Vertrags berufen, sofern es mit der insolvenzbedingten Nichterfüllung sein Bewenden hat.596 Nichts anderes gilt im UN-Kaufrecht, da eine Einbehaltung nur dann und so weit zur Verdrängung von Sekundärrechten führt, wie eine vertragsgemäße Abwicklung geschützt wird: Zum einen kann das sich aus Art. 58 I 2 bzw. II CISG ergebende Zurückbehaltungsrecht des Verkäufers damit nur von einem vertragstreuen Verkäufer den Rechtsbehelfen des Käufers entgegengehalten werden. Zum anderen verletzt der Käufer seine Abnahmepflicht aus Artt. 53, 60 CISG, wenn der Verkäufer die Ware oder Dokumente infolge der Insolvenz des Käufers nicht zur Verfügung und damit die Kaufpreiszahlung nicht fällig stellen kann.597 cc) Vorfrage der Rechtsgrundabhängigkeit des Eigentumserwerbs nach der lex contractus Zu beachten ist lediglich mit Blick auf die Rechtsfolgen der Vertragsaufhebung, dass vor allem im Umfeld einer Insolvenz die Klärung der Vorfrage der Rechtsgrundabhängigkeit des Eigentumserwerbs im Sinne der lex contractus zu entscheiden ist. Im BGB lässt die mit dem Rücktritt verbundene Umsteuerung des Vertrags die dingliche Ebene bereits wegen der Geltung des Abstraktionsprinzips gänzlich unberührt. Zwar führt mit der h. M. auch die Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht dazu, dass jener Vertrag in einer Rückgewährschuldverhältnis umgesteuert wird und nicht rückwirkend wegfällt.598 Diese Annahme zeitigt jedoch nicht nur für das dem CISG unterliegende schuldrechtliche Verhältnis Konsequenzen, sondern kann sich auch auf Ebene des Sachen-

596 Stamm, KTS 72 (2011) 421 [428]; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 13. Vgl. ferner die Ausführungen zu Einschränkungen des § 320 BGB wegen fehlender Vertragstreue des Insolvenzschuldners, Kap. 3 I. 3. b) aa). 597 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Konsequenzen der Konstruktion des Synallagmas für die Vertragsaufhebung im CISG, Kap. 2 II 2. b). 598 Vgl. zu Art. 66 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 57; Sonnentag (2016) S. 245 dort Fn. 2; LG Düsseldorf Urt. v. 11.10.1995, 2 O 506/94 = CISGonline No. 180; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari CISG (2011) Art. 81 Rn. 9; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 81 Rn. 1; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 772; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 318; Kiene (2010) S. 282; Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [238]; M. Krebs (2000) S. 50 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 81 Rn. 6 ff.; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 773.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

rechts auswirken, was wiederum wegen der damit verbundenen Frage der Massezugehörigkeit in einer Insolvenz von Bedeutung sein kann.599 Denn auch wenn das Kaufrechtsübereinkommen ausweislich des Art. 4 S. 2 lit. b) CISG nicht die Wirkungen betrifft, die der Vertrag auf das Eigentum an der verkauften Ware haben kann und damit Eigentumsfragen an sich vom Regelungsbereich des CISG ausgenommen werden – maßgeblich ist vielmehr der in vielen Rechtsordnungen anzutreffende (vgl. etwa Art. 43 EGBGB) Grundsatz der lex rei sitae und damit die Anknüpfung an den Ort der belegenen Sache600 – könnten sich mit Blick auf die dingliche Ebene dort Unterschiede ergeben, wo das nationale Recht von einer Rechtsgrundabhängigkeit des Eigentumserwerbs ausgeht.601 Anders als bei dem Abstraktionsprinzip folgenden Rechtsordnungen hängt unter Geltung eines solchen Einheitsprinzips die Eigentumslage und das Rückabwicklungsregime dann von der Vorfrage ab, ob die Umsteuerung des Vertrags zu dessen Wegfall führt, weil auch insofern die lex rei sitae und nicht die lex contractus gelten soll.602 Vor diesem Hintergrund sind auch die in der 33. Beratung geäußerten Bedenken zur Entwurfsvorschrift des späteren Art. 81 CISG zu betrachten: „The application of article 66 [= Art. 81 CISG] as it stood would bring about a fundamental change in the situation. That might not be a matter of grave concern in so far as it related merely to the respective rights of buyer and seller, but it appeared that article 66 would also encompass the possibility of the buyer's bankruptcy and other situations involving the rights of third parties. In such cases, therefore, it would be difficult to reconcile the article with domestic legislation. […]His delegation therefore proposed the addition of another paragraph to article 66 [= Art. 81 CISG] in order to make it clear that it was not intended that the seller's rights should interfere with those of third parties or creditors in the event of the buyer's bankruptcy.“603

Dieser klarstellende Antrag hat im Anschluss nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht. Dies ging offenkundig wesentlich darauf zurück, dass dieser Zusatz – wie auch der Vorsitzende der Beratung angemerkt hat – überflüssig ist, nachdem solche Folgen der Insolvenz nicht in den Anwendungsbereich des CISG fallen.604 Gleichwohl gewährleistet nur die Einordnung als sog. 599

Sonnentag (2016) S. 249; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Vor Artt. 81–84 Rn. 4. 600 Vgl. nur MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 4 Rn. 20. 601 So bspw. Spanien, Frankreich, Italien, Schlechtriem/Schroeter, Internationales UNKaufrecht (2016) Rn. 773. 602 Sonnentag (2016) S. 254. 603 Vgl. die Beratungen des 33. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 414. [Herv. d. Verf.]. 604 Vgl. die Beratungen des 33. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 414: „In any case, article 4 (b) of the draft Convention made it clear that such matters fell outside its scope.“

II. CISG-Verträge und §§ 103 ff. InsO

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„selbstständige Anknüpfung“ dieser Vorfrage dergestalt, dass sich das anwendbare Recht nach der lex contractus und damit UN-Kaufrecht bemisst, das vorzugswürdige Ergebnis einer Rückabwicklung allein nach den CISG-Regelungen.605 Auch aus Sicht einer Rechtsordnung, in der das Einheitsprinzip gilt, führt dann die Umsteuerung nicht dazu, dass der Rückgewährgläubiger zusätzlich vindizieren könnte.606 Zwar ergibt sich dies mangels entsprechender Regelungen nicht expressis verbis aus dem CISG – Art. 4 S. 2 lit. b) CISG nimmt unmittelbar allein die Hauptfrage des Sachenrechtsstatuts aus.607 Jedoch ist die Einordnung dieser Vorfrage in dem Sinne einheitsfreundlich zu klären, dass durch Ausschluss von Vindikation und Vindikationsnebenfolgen die CISG-Regeln nicht durch ein Rückabwicklungsregime nationalen Rechts umgangen werden.608 Es entsteht damit auch im UN-Kaufrecht ein Rückgewährschuldverhältnis, Art. 81 CISG, das schlicht seinerseits einer Wahlrechtsausübung durch den Verwalter zugänglich ist.609 Entscheidet sich der Verwalter für die Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses findet eine Rückabwicklung statt, wohingegen der Vertragspartner im Fall der Erfüllungsablehnung mit seiner Forderung aus dem Rückgewährschuldverhältnis auf die Verfahrensteilnahme als Insolvenzgläubiger beschränkt bleibt. Ein Aussonderungsrecht ergibt sich infolge der Vertragsaufhebung dagegen freilich nicht, sodass auch bei bereits erfolgtem Leistungsaustausch mitnichten automatisch der Käufer einen bereits entrichteten Kaufpreis bzw. der Verkäufer bereits übereignete Ware zurückerhält.610 dd) Verfahrensteilnahme durch Kombination von Vertragsaufhebung und Schadensersatz Auch bei CISG-Verträgen erweist sich die im Rahmen der Verfahrensteilnahme angemeldete Forderung somit als das Ergebnis einer dem Vertragspartner – freilich unter Berücksichtigung des Vorliegens der Voraussetzun-

605 Sonnentag (2016) S. 254 f. Zum Ganzen Kropholler, Internationales Privatrecht (2006) § 32. 606 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 773. 607 MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 4 Rn. 20. 608 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 773; Sonnentag (2016) S. 256; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Vor Artt. 81–84 Rn. 4; Vgl. dazu ferner unter Berücksichtigung nationalen Insolvenzrechts, Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Bridge CISG (2018) Art. 81 Rn. 15 f.; a. A. M. Krebs (2000) S. 53. 609 Vgl. dazu parallel die Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 103 InsO auf bestehende Rückgewährschuldverhältnisse, Kap. 3 I. 2. c) dd). 610 Dies scheint Freiburg (2001) S. 270 ff. zu übersehen, die sich deshalb vordergründig der – hier mit Blick auf Vertragsumsteuerungsrechte des Vertragspartners der insolventen Partei nicht zu vertiefenden – Frage widmet, inwiefern Art. 82 CISG eine Vertragsaufhebung durch die insolvente Partei selbst bzw. deren Verwalter hindert.

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Kapitel 3: Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren

gen – zur Disposition stehenden Kombination (Art. 81 II CISG) aus Vertragsaufhebung und Schadensersatz. Wie auch bei einem nach deutschen Schuldrecht zu beurteilenden Vertrag hängt die Höhe der Forderung damit davon ab, das Vertragsverhältnis im Wege einer Vertragsaufhebung des Vertragspartners in ein Abrechnungsverhältnis mündet. Bereits bei den Grundlagen der Vertragsumsteuerung wurde darauf hingewiesen, dass auch im UN-Kaufrecht der Gläubiger die Rückforderung einer bereits erbrachten Leistung nach Art. 81 II CISG und Befreiung von der Gegenleistungspflicht für Zwecke der isolierten Geltendmachung des wirtschaftlichen Vertragsnutzens allein über eine Vertragsaufhebung erreichen kann. Anderenfalls werden die Voraussetzungen der Artt. 49, 64 und 75 f. CISG umgangen.611 Soweit es zu einer insolvenzbedingten Nichterfüllung wegen der Erfüllungsablehnung des Verwalters kommt, werden freilich regelmäßig die Voraussetzungen der Vertragsaufhebung vorliegen. Umgekehrt kann der von weiten Teilen im Schrifttum vertretenen Ansicht, wonach eine Leistungserbringung durch den Vertragspartner per se gesperrt sei, weil dieser nicht mit Wirkung „für und gegen die Masse“ erfüllen könne,612 nicht gefolgt werden. Eine solche Beschränkung lässt sich den §§ 103 ff. InsO nicht entnehmen.613 Hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs kommt eine Entlastung nach Art. 79 CISG regelmäßig nicht in Betracht. Da nämlich die dort umschriebene Kontrollsphäre den normativen Verantwortlichkeitsbereich des Schuldners begrenzt, der Schuldner aber auch das Risiko seiner eigenen Insolvenz beherrscht, kommt eine Entlastung nicht in Betracht. Wählt daher ein Insolvenzverwalter nach dem anwendbaren Recht die Nichterfüllung des Vertrags, greift Art. 79 CISG nicht.614 Des Weiteren berechnet sich der Schadensersatz nach den Artt. 74 ff. CISG. Damit erfasst die Anmeldung einer Schadensersatzforderung gem. Art 74 S. 1 CISG entgegen einer teilweise im deutschen Schrift-

611

Wie hier Riehm (2015) S. 452 f.; Schmidt-Ahrendts (2007) S. 119 ff.; OLG Bamberg Urt. v. 13.1.1999, 3 U 83/98 = CISG-online No. 516; OGH Urt. v. 6.2.1996, 1 Ob 518/95 = CISG-online No. 224; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 45 Rn. 27; Honsell/Schnyder/Straub CISG (2009) Art. 45 Rn. 83; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 45 Rn. 22; vgl. ferner unter Betonung der Parallelen zum deutschen Schuldrecht MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 74 Rn. 9; a. A. Schlechtriem, in: FS Georgiades (2006) S. 383 [387 ff.]. 612 Vgl. Baldringer (2014) S. 115; BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 80.1; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 320; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 191; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 173. 613 Vgl. dazu die Ausführungen zur Verfahrensteilnahme durch Kombination von Rücktritt und Schadensersatz, Kap. 3 I. 3. b) dd) (1). 614 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [272]; dem folgend MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 79 Rn. 24. Vgl. ferner Kröll/Mistelis/PeralesViscasillas/Atamer CISG (2018) Art. 91 Rn. 47; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 79 Rn. 16.

II. CISG-Verträge und §§ 103 ff. InsO

241

tum vertretenen Auffassung, die lediglich eine Umrechnung des Werts des Primärforderung zulässt,615 auch den entgangenen Gewinn des Vertragspartners. Eine anderslautende den Umfang des Schadensersatzanspruchs modifizierende Regelung lässt sich den §§ 103 ff. InsO nicht entnehmen.

615

Baldringer (2014) S. 154; Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [374]; Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 2.24; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 245; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 317 f. Vgl. ferner Marotzke, Insolvenzrecht im Umbruch (1991) S. 183 [185 f.]; ders. (2001) Rn. 5.30; zurückhaltender aber nun, Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 93.

Kapitel 4

Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs unter besonderer Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz I. Entwicklung der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs in CISG, BGB und internationalen Modellregelungen I. Entwicklung des antizipierten Vertragsbruchs

1. Umsetzung anerkannten Rechts als gesetzgeberische Intention der Schaffung von § 323 IV BGB – Rücktritt wegen Leistungsgefährdung im BGB von 1896 Die Vorschrift des § 323 IV BGB fand erst im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung Einzug in das BGB.1 Im früheren Recht war ein Rücktritt vor Fälligkeit wegen vorzeitiger Erfüllungsverweigerung oder sonstiger Leistungsgefährdung hingegen gesetzlich nicht verankert.2 Anschaulich führt die Begründung zum Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Schuldrechts mit Blick auf die frühere Rechtslage deshalb aus: „Nach dem Wortlaut des geltenden Rechts hätte der Gläubiger in dem Fall, dass vor Fälligkeit eine unbehebbare Leistungshinderung droht oder der Schuldner unmissverständlich und endgültig Leistungsweigerung ankündigt, an sich keine Möglichkeit zum Rücktritt […].“3

Die Rechtsentwicklung blieb allerdings nicht bei jenem Gesetzeswortlaut stehen. Bereits unter Geltung früheren Schuldrechts war das mögliche Bestehen

1

Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts v. 26.11.2001, BGBl. I S. 3138. Dasselbe gilt für den neu geschaffenen Rücktritt in § 321 II BGB. Dies war auch dort allgemein anerkannt, „sofern der Vorleistungsberechtigte sich entweder weigert, die Gegenleistung Zug um Zug zu bewirken oder dem Vorleistungspflichtigen Sicherheit zu leisten oder wenn er innerhalb einer gesetzten Frist über sein beabsichtigtes Verhalten keine Erklärung abgibt.“ BGH Urt. v. 8.10.1990, VIII ZR 247/89 = NJW 1991, 102 [105] m. w. N. 3 BT-Drucks. 14/6040, 186. Dort noch als Abs. 3 des § 323 BGB. Die Vorschrift wurde später durch die dortige Einfügung der Abmahnung inhaltsgleich in Abs. 4 verschoben, BTDrucks. 14/7052, 192. 2

I. Entwicklung des antizipierten Vertragsbruchs

243

eines Rücktrittsrechts vor Fälligkeit trotz einer fehlenden gesetzlichen Grundlage allgemein anerkannt.4 Zentrales Anliegen der Schuldrechtsmodernisierung war wiederum die Kodifikation von Rechtsinstituten, welche die höchstrichterliche Rechtsprechung im Dialog mit der Wissenschaft zum früheren Schuldrecht entwickelt hatte.5 Ausgehend von der bereits früheren Anerkennung des Rücktritts vor Fälligkeit sah sich der Gesetzgeber darum auch in der Begründung zum Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes kaum dazu veranlasst, die Grenzen jenes Rücktrittsrechts näher zu konkretisieren. Trotz der offenen Formulierung dieses neuen Tatbestands beschränken sich die Materialien auf den Verweis anerkannten Rechts, denn schließlich „gestatten Rechtsprechung und Literatur seit langem den Rücktritt auch schon vor Fälligkeit. Die dogmatische Grundlage der Rechtsbehelfe bei diesem sog. vorweggenommenen Vertragsbruch ist streitig; überwiegend wird […] darin eine positive Forderungsverletzung gesehen. Das Ergebnis entspricht der Regelung in den einheitlichen Kaufrechten – früher Artikel 76 EKG, jetzt Artikel 72 Abs. 1 UN-Kaufrecht.“6

Diese spärliche Begründung des Reformgesetzgebers lässt die Intention erkennen, dass mit § 323 IV BGB nicht mehr und nicht weniger als ein Ende der lebhaft geführten Diskussion um die rechtliche Konstruktion des Rücktritts vor Fälligkeit erreicht werden sollte. Angesichts des eigens formulierten Ziels der Positivierung anerkannter Rechtsgrundsätze betonen somit bereits die Materialien selbst die Berücksichtigung der konkret-historischen Auslegung bei der Interpretation des § 323 IV BGB. Da sich ein Rücktrittsrecht wegen bloßer Leistungsgefährdung im BGB von 1896 expressis verbis nicht wiederfand,7 4

Aus der Rspr. RG Urt. v. 11.7.1902 = RGZ 52, 150 [152]; RG Urt. v. 23.2.1904, II 298/03 = RGZ 57, 105 [115]; BGH Urt. v. 21.3.1974, VII ZR 139/71 = NJW 1974, 1080 [1081]; BGH Urt. v. 10.12.1986, VIII ZR 349/85 = NJW 1987, 831 [832]; BGH Urt. v. 18.1.1991, V ZR 315/89 = NJW 1991, 1822 [1823]. 5 Vgl. Dauner-Lieb, in: Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001) S. 305 [305]. 6 BT-Drucks. 14/6040, 186. 7 Da sich die Materialien ersichtlich auf die zum früheren BGB entwickelten Rechtsgrundsätze beziehen, bedarf es hier keiner vertieften Darstellung des gemeinen Rechts oder des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs von 1861, ausführlich Weidt (2008) S. 78 ff. Das gemeine Recht hielt an Stelle einer Vertragsauflösung oder eines Schadensersatzes wegen Nichterfüllung auch bei einem Vertragsbruch vorbehaltlich des Eintritts von Unmöglichkeit, Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II (1963) § 360, am Grundsatz der Naturalerfüllung und erforderlichenfalls dessen zwangsweiser Durchsetzung fest, Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II (1963) § 262. Eine einseitige Aufhebung war nur in engen Grenzen möglich, Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II (1963) §§ 341 ff. Ein allgemeines Rücktrittsrecht kannte das gemeine Recht nicht, vgl. Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II, S. 109. Zwar wurde nach überwiegender Auffassung der Unmöglichkeit der Fall gleichgestellt, dass der Gläubiger infolge des Verzugs des Schuldners das Interesse an der Leistung verloren hat, U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 36 I 5; Mugdan, Die

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

hatte sich die Entwicklung eines solchen Rechtsgrundsatzes an dem Gefüge des früheren Leistungsstörungsrechts zu orientieren. Darauf wird deshalb im Folgenden vorab eingegangen, um die darauf aufbauende Konstruktion eines Rücktrittsrechts bereits vor Fälligkeit zu veranschaulichen. a) Rücktrittsgründe de lege lata im BGB von 1896 und die positive Vertragsverletzung aa) Rücktritt wegen zu vertretender Unmöglichkeit und Verzugs Das im Wesentlichen auf dem einheitlichen Pflichtverletzungstatbestand aufbauende System des Leistungsstörungsrechts stellt im Vergleich zum früheren Recht einen Paradigmenwechsel dar, den ebenfalls erst die Schuldrechtsmodernisierung mit sich brachte.8 Im Zentrum des Leistungsstörungsrechts stand bis zu dessen Überarbeitung vielmehr der Tatbestand der Unmöglichkeit. Die Folgen für gegenseitige Verträge ergaben sich vorrangig aus den §§ 323 bis 325 BGB a. F.9 Dort war die Wirkung der Unmöglichkeit bei gegenseitigen Verträgen als Schuldbefreiungsgrund einerseits und Haftungstatbestand andererseits verankert.10 Während nämlich die §§ 323 und 324 BGB a. F. die Unmöglichkeit als Schuldbefreiungsgrund erfassten, regelte § 325 BGB a. F. den Schadensersatz wegen Nichterfüllung und alternativ den Rücktritt bei vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit. Nach § 325 I 1 BGB a. F. konnte der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen oder alternativ von dem Vertrag zurücktreten, wenn die aus einem gegenseitigen Vertrag dem Schuldner obliegende Leistung infolge eines Umstandes, den er zu vertreten hat, unmöglich wurde. Indem mit der Unmöglichkeit „ein praktisch seltener Fall als Ausgangspunkt eines ganzen Systems“ gewählt wurde,

gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II, S. 115; Weidt (2008) S. 81; krit. Windscheid/Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II (1963) § 280 dort Fn. 1 und § 361. Allerdings baute auch diese von Billigkeitserwägungen getragene Gleichbehandlung auf dem Verzug auf, sodass dem gemeinen Recht eine einseitige Vertragsaufhebung vor Fälligkeit fremd blieb. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch v. 1861 ermöglichte in den §§ 354 bis 356 bei Verzug des Schuldners ua. das Abgehen vom Vertrag, wenn der Gläubiger dem Schuldner vorher zudem eine Frist zur Nachholung des Versäumten eingeräumt hat. Hierzu hat das Reichsgericht entschieden, dass das Fristsetzungserfordernis bei einer Erfüllungsverweigerung nach Fälligkeit überflüssig ist. Diese Grundsätze wurden alsbald auf die „zum voraus kundgegebene Weigerung“ übertragen, sodass dem Gläubiger bereits vor Fälligkeit die entsprechenden Rechtsbehelfe zustanden, RGZ 7, 44 [44]. Vgl. hierzu ferner Böß (1932) S. 5 ff.; Auweter (1984) S. 93 ff. beide m. w. N zur Rspr. 8 Vgl. hierzu P. Huber, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 10 ff. 9 Daneben enthielten die §§ 275, 279 ff. und 306 ff. BGB a. F. allgemeine Bestimmungen zur Unmöglichkeit. 10 Palandt/Heinrichs (1993) Vor § 323 Rn. 1.

I. Entwicklung des antizipierten Vertragsbruchs

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lag hierin zugleich eine der großen Schwächen des früheren Schuldrechts begründet.11 Neben der Unmöglichkeit bildete der maßgeblich auf dem Verzug des Schuldners basierende Rücktritt oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung die zweite Säule des Leistungsstörungsrechts.12 Nach § 326 BGB a. F. konnte bei einem gegenseitigen Vertrag der Gläubiger dem sich in Verzug befindenden Schuldner eine Frist zur Leistungsbewirkung setzen, verbunden mit der Erklärung, dass er die Annahme der Leistung nach dem Ablauf der Frist ablehne (sog. Ablehnungsandrohung). Nach Fristablauf hatte der Gläubiger die Wahl Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder zurückzutreten.13 Verzug meinte dabei die zu vertretende Verzögerung der Leistung trotz Nachholbarkeit derselben. Anderenfalls, also bei einer nicht nachholbaren Leistung, gelangten die Regelungen zur Unmöglichkeit zur Anwendung.14 Durch dieses Entweder-oder sollten die zum Rücktritt berechtigenden Leistungsstörungen einer umfassenden und abschließenden Regelung zugeführt werden. bb) Die positive Vertragsverletzung als Ergänzung des Leistungsstörungsrechts Die Dichotomie des früheren Leistungsstörungsrechts führte allerdings zu unbefriedigenden Ergebnissen, da sie den vielfältigen Störungsformen nicht gerecht werden konnte. Die Annahme der Verfasser des BGB, mit der Unmöglichkeit der Leistung und dem Schuldnerverzug alle möglichen Arten der Verletzung von Pflichten aus dem Schuldverhältnis und deren Folgen abzubilden, erwies sich schon bald als unzutreffend.15 Das BGB war insofern lückenhaft,16 als es mit den dargestellten Normen nur das Ausbleiben des vom Schuldner zu bewirkenden Leistungserfolgs erfassen konnte. Außerhalb der Unmöglichkeit konnte der Gläubiger de lege lata nur aus dem Verzug des Schuldners ein Rücktrittsrecht ableiten. Eine unsorgsame Ausführung der Leistungshandlung oder die Verletzung weiterer Verhaltenspflichten hatten die Gesetzesverfasser noch nicht einer entsprechenden Regelung zugeführt.17 Allerdings hat Staub 11

U. Huber, Gutachten (1981) S. 757; vgl. ferner Leser, in: FS Kitagawa (1992) S. 455 [456]. 12 Fikentscher, Schuldrecht (1997) § 42 Rn. 309; Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 23 I. 13 Eine Fristsetzung vor Fälligkeit blieb wirkungslos, U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 42 I 3. 14 Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 23 I. 15 Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 24 I. 16 Anfänglich versuchte das RG die zu findende Regelung unmittelbar § 276 BGB a. F. zu entnehmen, RG Urt. v. 29.11.1922, V 271/22 = RGZ 106, 25. Die Rspr. hielt hieran jedoch nicht fest, da die – auch dem geltenden § 276 BGB entsprechende – Norm nur einen Haftungsmaßstab enthielt, so BGHZ 11, 80 [83]; krit. bereits Staub, in: FS 26. Deutscher Juristentag (1902) S. 29 [34]; Lehmann, AcP 96 (1905) 60 [82]. 17 Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 24 I.

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

bereits 1902 – und damit kurz nach dem Inkrafttreten des BGB – diese Lücke erkannt und sie für das folgende Jahrhundert mit seinem grundlegenden Vortrag im Rahmen des 26. Deutschen Juristentags geschlossen. Dabei legte er überzeugend dar, dass sich die benannten Störungen nicht als Fall der Unmöglichkeit begreifen lassen, sondern deshalb vielmehr über das neu geschaffene Institut der sog. positiven Vertragsverletzung zu lösen sind.18 Der Beitrag baute auf der Feststellung auf, dass mit den Vorschriften des BGB „ausreichend Fürsorge getroffen [ist] für alle Fälle, wo jemand eine Leistung nicht bewirkt, die er zu bewirken verpflichtet ist, wo jemand unterlässt, was er thun soll. Dagegen enthält das BGB eine gleiche Vorschrift nicht für die zahlreichen Fälle, in denen jemand eine Verbindlichkeit durch positives Thun verletzt, in denen jemand thut, was er unterlassen soll, oder die Leistung, die er zu bewirken hat zwar bewirkt, aber fehlerhaft.“19 [Es ist daher] „etwas getan, was hätte unterbleiben sollen; oder es ist zwar die Leistung bewirkt worden, die bewirkt werden sollte, aber sie ist fehlerhaft bewirkt worden.“20

Die Rechtsfolgen einer solchen positiven Vertragsverletzung beschränkten sich dabei nicht nur auf Schadensersatz, sondern wurden in Analogie zu § 326 BGB a. F. auch auf den Rücktritt erstreckt.21 Mit Blick auf die daraus erwachsenden Rechtsfolgen schränkte Staub allerdings bereits das Bestehen des Rücktrittsrechts ein. Denn das Rücktrittsrecht solle danach nur bei solchen Pflichtverletzungen bestehen, „durch welche wesentliche Vertragspflichten verletzt werden. Wer positive Rechtsverletzungen vornimmt, welche die Erreichung des Vertragszwecks gefährden, muss sich gefallen lassen, dass die Rechtsfolgen dieser Pflichtverletzungen ebenso beurtheilt werden, wie die Pflichtverletzungen desjenigen, der durch sein negatives Verhalten, durch schuldhafte Verzögerung der geschuldeten Leistung die Erreichung der Vertragszwecke gefährdet.“22

Das RG übernahm die Lehre von der positiven Vertragsverletzung zügig.23 Die positive Vertragsverletzung wurde damit als dritte Form der Leistungsstörung neben die Unmöglichkeit und den Verzug gestellt.24 Die Rspr. bejahte auch die Rechtsfolge des Rücktritts wegen positiver Vertragsverletzung in Analogie zu § 326 BGB a. F. und griff dabei die bereits von Staub erwogene Einschränkung auf. Das Rücktrittsrecht wegen positiver Vertragsverletzung bestehe

18 Staub, in: FS 26. Deutscher Juristentag (1902) S. 29 ff.; vgl. ferner hierauf aufbauend Staub (1904) passim; zur Kritik vgl. grundlegend, Stoll, AcP 136 (1932) 257; Fritz, AcP 134 (1934) 197. 19 Staub, in: FS 26. Deutscher Juristentag (1902) S. 29 [31] [Herv. d. Verf.]. 20 Staub, in: FS 26. Deutscher Juristentag (1902) S. 29 [32]. 21 Staub, in: FS 26. Deutscher Juristentag (1902) S. 29 [44 ff.]. 22 Staub, in: FS 26. Deutscher Juristentag (1902) S. 29 [49] [Herv. d. Verf.]. 23 Grundlegend RG Urt. v. 6.3.1903, II 388/02 = RGZ 54, 98 [100]. 24 Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [649].

I. Entwicklung des antizipierten Vertragsbruchs

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„mit der aus der Vorschrift des § 326 BGB sich unmittelbar ergebenden Einschränkung, dass diese rechtliche Folge nur an solche positiven Vertragsverletzungen geknüpft werden kann, durch welche die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird.“25

Dieser Rechtssatz sollte die Rechtsprechung zum Rücktritt wegen positiver Vertragsverletzung trotz seiner Unbestimmtheit bis zur Schuldrechtsmodernisierung prägen. Der Rücktritt wegen positiver Vertragsverletzung erwies sich daher von Beginn an als konturenlos.26 Allen Unwägbarkeiten zum Trotz ergänzte der auf die Lehre von der positiven Vertragsverletzung gestützte Rücktritt seither das Gefüge des Leistungsstörungsrechts.27 Ein Rücktritt kam somit auch nach Rspr. des BGH bei Handlungen in Betracht, „welche die Erreichung des Vertragszwecks gefährden, also auch die Verletzung von sich aus dem Vertrag ergebenden Nebenpflichten, wie Vorbereitungs- und Obhutspflichten, Auskunfts- und Anzeigepflichten, Mitwirkungspflichten usw., wenn infolgedessen dem anderen Teile die Fortsetzung des Vertrages nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist.“28

b) Vorzeitige Erfüllungsverweigerung und sonstige drohende Leistungshindernisse vor Fälligkeit als Rücktrittsgrund im früheren Schuldrecht Da dem früheren Schuldrecht ein Rücktrittsrecht noch vor Fälligkeit fremd war, eine Lösung hierfür sich aber gleichwohl an den dort geltenden Rechtsgrundsätzen orientieren musste, bot das Institut der positiven Vertragsverletzung eine willkommene Fassade für die vermeintlich dogmatische Einkleidung juristischer Einzelfallentscheidungen. Auch wenn der Rücktritt damit einer einheitlichen Konstruktion folgte, ließ sich zwischen einer vor Fälligkeit erklärten Erfüllungsverweigerung und sonstigen drohenden Leistungshindernissen differenzieren. aa) Die Einordnung der Erfüllungsverweigerung vor und nach Fälligkeit Die rechtliche Behandlung einer Erfüllungsverweigerung bereitete im früheren Schuldrecht selbst nach Fälligkeit mangels einer spezialgesetzlichen Regelung Schwierigkeiten.29 In seiner grundlegenden Entscheidung zur Erfüllungsverweigerung vom 23.2.1904 im Lichte der positiven Vertragsverletzung – d. h.

25

RG Urt. v. 6.3.1903, II 388/02 = RGZ 54, 98 [99 f. und 102] [Herv. d. Verf.]. Vgl. die scharfe Kritik bei Friedrich, AcP 178 (1978) 468 [488 dort. Fn. 118]. 27 BGH Urt. v. 19.10.1977, VIII ZR 42/76 = NJW 1978, 260 [260]. 28 BGH Urt. v. 19.10.1977, VIII ZR 42/76 = NJW 1978, 260 [260]; grundlegend hierzu BGH Urt. v. 13.11.1953, I ZR 140/52 = BGHZ 11, 80. 29 Ausführlich Weidt (2008) S. 87 ff.; monographisch zum Ganzen Frohberg (1979) passim. 26

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

nach dem Jahr 190230 – sprach sich das Reichsgericht dafür aus, in Fällen dieser Art sei der Gläubiger „schon auf Grundlage der unberechtigten und vertragswidrigen Annullierungserklärung berechtigt, in entsprechender Anwendung des § 326 vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen […].“31

Dem lag ein Fall zugrunde, bei dem der Vorwurf im Raum stand, der Käufer habe sich zu Unrecht vom Vertrag losgesagt.32 Daran anknüpfend erblickte auch Staub in der Erfüllungsverweigerung selbst die positive Vertragsverletzung, die zum sofortigen Rücktritt berechtige, indem an sie die Rechtsfolgen des § 326 BGB a. F. geknüpft werden.33 Auch der BGH hielt an dem so gefundenen Ergebnis der Einordnung der Erfüllungsverweigerung als zum Rücktritt berechtigender Unterfall einer positiven Vertragsverletzung fest.34 Parallel zu der später im Schrifttum zum CISG35 anzutreffenden Konnotation konstatierte auch die Rspr. mit „leicht dramatischem Akzent“36, dass die Erfüllungsverweigerung eine „in ihrem Gewicht über das bloße Unterlassen der geschuldeten Leistung weit hinausgehende positive Vertragsverletzung“ sei.37 Dagegen konnten sich anderslautende Stimmen nicht durchsetzen, die in dem „Ur-Fall aller Leistungsstörungen“38 einen eigenständigen Verletzungstyp erblickten oder einen Unterfall des Verzugs annehmen wollten.39 Konsens herrschte jedenfalls über das Ergebnis des Bestehens eines sofortigen Rücktrittsrechts, da auch

30 Mit Urt. v. 11.07.1902 stützte sich das RG noch unmittelbar auf § 326 BGB a. F. und begründete dies damit, dass der Schuldner auf die Fristsetzung verzichte, RG Urt. v. 11.7.1902 = RGZ 52, 150 [152], sog. Verzichttheorie, Böß (1932) S. 12. Krit. dazu, Staub (1904) S. 56. 31 RG Urt. v. 23.2.1904, II 298/03 = RGZ 57, 105 [113]. 32 RG Urt. v. 23.2.1904, II 298/03 = RGZ 57, 105 [112] vgl. ferner RG Urt. v. 10.12.1935, VII 135/35 = RGZ 149, 401 [403]. 33 Staub (1904) S. 56. Krit. Lehmann, AcP 96 (1905) 60 [113], wonach die analoge Anwendung von § 326 BGB a. F. und sofortige Annahme der sich daraus ergebenden Rechte „zur reinen Willkür“ ausarte, wenn sie ohne den „Wegfall des Interesses“ gewährt werden. Letztere Einschränkung hat schließlich auch in § 326 II BGB a. F. Niederschlag gefunden. 34 BGH Urt. v. 15.11.1967, VIII ZR 150/65 = BGHZ 49, 56 [59]; BGH Urt. v. 11.1.1984, VIII ZR 255/82 = BGHZ 89, 296 [302]; BGH Urt. v. 14.3.1984, VIII ZR 284/82 = BGHZ 90, 302 [308]; umfangreiche Nachweise zur Rspr. bei Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145 [148 dort Fn. 14]; krit. statt vieler Friedrich, AcP 178 (1978) 468 [488 ff.]. 35 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 33: „Vertragsverletzung in ihrer reinsten Form.“ 36 Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145 [153]. 37 BGH Urt. v. 19.10.1988, VIII ZR 22/88 = NJW 1989, 451 [452] [Herv. d. Verf.]. 38 Fikentscher, Schuldrecht (1997) § 45 Rn. 367. 39 Für die Einordnung als eigenständiger Typ der Vertragsverletzung Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [654]; vgl. ferner Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145 [152 f.]. Für die Anwendung der Verzugsvorschriften unter Ausklammerung des Fristerfordernisses,

I. Entwicklung des antizipierten Vertragsbruchs

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bei analoger Zugrundelegung der Verzugsregeln nach ganz herrschender Auffassung auf das Fristsetzungserfordernis des § 326 BGB a. F. verzichtet wurde.40 Der Gläubiger konnte freilich zwischen der weiteren Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs und den sich aus § 326 BGB a. F. ergebenden Rechten wählen.41 Indem das Reichsgericht diesen Ansatz auch auf die Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit übertrug, qualifizierte es diese Fälle ebenfalls als positive Vertragsverletzungen mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen.42 Die früher herrschende Lehre und die Rspr. des BGH schlossen sich dem an.43 Die höchstrichterliche Rspr. brachte auch in der Folgezeit hinsichtlich dieser dogmatischen Einordnung keine Neuerungen mit sich.44 Zudem plädierten selbst diejenigen Stimmen des Schrifttums, die sich nach Fälligkeit für die entsprechende Anwendbarkeit des § 326 BGB a. F. unter Verzicht auf die Fristsetzung aussprachen, für die Einordnung der Verweigerungserklärung noch vor Fälligkeit als positive Vertragsverletzung. Während nämlich nach Fälligkeit noch unter Verzicht auf das Fristerfordernis mit § 326 BGB a. F. (analog) operiert werden konnte, war mangels Überwindung des Fälligkeitserfordernisses bei einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung ein Rückgriff auf die positive Vertragsverletzung unausweichlich.45 Schließlich setzte § 326 BGB a. F. für den

Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 24 I a [dort Fn. 8]; Frohberg (1979) S. 134 ff.; Fikentscher, Schuldrecht (1997) § 45 Rn. 367. 40 Vgl. Wertenbruch, AcP 193 (1993) 191 [191 dort Fn. 2]. 41 Wertenbruch, AcP 193 (1993) 191 [195 ff.]. 42 Vgl. RG Urt. v. 17.9.1918, III 100/18 = RGZ 93, 285 [286]; RG Urt. v. 7.10.1919, II 127/19 = RGZ 96, 341 [343]; RG Urt. v. 2.2.1922, VI 463/21 = RGZ 104, 275 [278]; RG Urt. v. 10.12.1935, VII 135/35 = RGZ 149, 401 [404]. Das RG hielt damit zwar an der Einordnung als positive Vertragsverletzung fest und forderte, dass die Vertragsfortsetzung nicht zumutbar sein dürfe, schwankte jedoch teilweise in der Begründung, vgl. Böß (1932) S. 12 f. 43 BGH Urt. v. 21.3.1974, VII ZR 139/71 = NJW 1974, 1080 [1081]; BGH Urt. v. 10.12.1986, VIII ZR 349/85 = NJW 1987, 831 [832]; BGH Urt. v. 18.1.1991, V ZR 315/89 = NJW 1991, 1822 [1823]; BGH Urt. v. 21.12.1984, V ZR 233/82 = WM 1985, 392 [394]; BGH Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 358/02 = NJW-RR 2004, 50 [52] alle m. w. N. aus Lit. und Rspr.; vgl. ferner Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 24 I a [dort Fn. 8]; Auweter (1984) S. 123 f.; Frohberg (1979) S. 137 ff. Nur vereinzelt wurde dies in Zweifel gezogen und für einen eigenständigen Störungstyp plädiert, Friedrich, AcP 178 (1978) 468 [490]; Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [654]; a. A. Medicus, Bürgerliches Recht (1999) Rn. 308; Peters, JR 1998, 186 [189]. 44 Auweter (1984) S. 100. 45 BGH Urt. v. 18.12.1985, VIII ZR 47/85 = NJW 1986, 842 [843]; Palandt/Heinrichs (1993) § 326 Rn. 20; Staudinger/Otto (1995) § 326 Rn. 136 ff.; Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 24 I a [dort Fn. 8]; ähnlich U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 51 II der die Einordnung als positive Vertragsverletzung gleichermaßen dem Grunde nach befürwortete, jedoch systematisch den Rücktritt wegen Erfüllungsverweigerung als Gewohnheitsrecht begriff; für eine Lösung über § 325 BGB a. F. Fritz, AcP 134 (1934) 197 [212 ff.];

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Verzug eine Mahnung „nach dem Eintritte der Fälligkeit“ voraus. Somit konnte der Gläubiger bereits vor Fälligkeit stets sofort zurücktreten, sofern das Schuldnerverhalten den Schluss auf eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zuließ.46 bb) Sonstige drohende Leistungshindernisse vor Fälligkeit Mit der Gleichstellung der Erfüllungsverweigerung vor und nach Fälligkeit war noch nicht entschieden, inwiefern sonstige Leistungsgefährdungen vor Fälligkeit zum Rücktritt berechtigten. Jedoch lässt sich auch hinsichtlich dieser Vertragsgefährdungen dem wegweisenden Urteil des RG vom 23.2.1904 eine Aussage entnehmen. Dort wies der Senat nämlich darauf hin, dass eine zum Rücktritt berechtigende Erfüllungsverweigerung gerade nicht vorliegt, wenn der Erklärende seinerseits berechtigterweise vorzeitig vom Vertrag zurückgetreten ist. Im Fall ging es um die vermeintlich unberechtigte „Annullierung“ künftiger Lieferungen, da bereits vergangene Lieferungen des Verkäufers mangelhaft waren, woraus der Käufer auf die andauernde Mangelhaftigkeit der weiteren, also noch nicht fälligen, Lieferungen schloss. Danach „seien im Wege der Analogie bei gegenseitigen Verträgen auch aus positiven Vertragsverletzungen des einen Teiles dem anderen Teile die in § 326 ausgesprochenen Rechte dann zu gewähren, wenn durch jene Vertragsverletzungen die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird.“47

Neben der Feststellung, dass ein Rücktritt auch hinsichtlich künftiger Lieferungen möglich ist, lässt vor allem die Aussage aufhorchen, wann die Voraussetzungen eines solchen Rücktritts wegen Gefährdung des Vertragszwecks gegeben sind. Der folgende Ansatz ist nämlich insofern bemerkenswert, als sich der Senat dort von bloßen Zumutbarkeitserwägungen als ratio decidendi löst und den Rücktritt auf eine tragfähigere Stütze stellt, indem das Bestehen des Rücktrittsrechts mit einem Prognoseurteil begründet wird. Insofern führt das RG nämlich aus, alle „Voraussetzungen für [die] Anwendung des auf diesem Wege gefundenen rechtlichen Grundsatzes sind gegeben, wenn bei einem Sukzessivlieferungsgeschäfte in einer Weise an-

anders Medicus, Bürgerliches Recht (1999) Rn. 308, der selbst die Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit den gesetzlichen Regelungen des Schuldnerverzugs unterstellen wollte. 46 Grundlegend zu den Anforderungen an das schuldnerische Verhalten BGH Urt. v. 18.9.1985, VIII ZR 249/84 = NJW 1986, 661 [661]. 47 RG Urt. v. 23.2.1904, II 298/03 = RGZ 57, 105 [115]. „Danach verletzt der Berufungsrichter das Gesetz mit seiner Annahme, dass dem Beklagten nach Sachlage nur die Rechtsbehelfe der Minderung und Wandelung bezüglich der gemachten Lieferungen zugestanden hätten.“ RG Urt. v. 23.2.1904, II 298/03 = RGZ 57, 105 [116] [Herv. d. Verf.].

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dauernd mangelhaft geliefert wurde, welche die Annahme rechtfertigt, es sei nicht zu erwarten, dass künftig anders geliefert werde, und danach durch einen vom Verkäufer zu vertretenden Umstand die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist.“48

Der BGH knüpfte hieran nicht konsequent an, differenzierte jedoch ebenfalls zwischen der Erfüllungsverweigerung sowie sonstigen Leistungsgefährdungen und ließ einen Rücktritt in beiden Fällen zu.49 So ließ der BGH in einer Entscheidung die Bestimmung des Fälligkeitstermins offen, denn es sei „anerkannten Rechtes, daß sich eine Partei nicht am Vertrage festhalten zu lassen braucht, wenn der Vertragspartner bei der Abwicklung des Vertrages durch schuldhaftes Verhalten eine solche Unsicherheit in das Vertragsverhältnis hineinbringt, daß dem vertragstreuen Teile die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann.“50

In einer früheren Entscheidung stellt der BGH klar, die „erforderliche Prüfung, ob sich die Kl. angesichts des Verhaltens der Bekl. vorzeitig vom Vertrage lossagen durfte, hängt vielmehr davon ab, ob der Kl. unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles gem. § 242 BGB nach Treu und Glauben überhaupt noch zuzumuten war […] weiterhin zu erfüllen.“51

Dabei soll es entscheidend darauf ankommen, ob „der Grad der Verletzung so erheblich ist, daß nicht nur der Vertragszweck gefährdet ist, sondern daß dem Verletzten infolge dieser Gefährdung die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann.“52

In einem anderen Fall stellt der BGH entscheidend darauf ab, „ob sich die Unzuverlässigkeit des Beklagten hinsichtlich der hier geforderten Leistungstreue bei einer Gesamtwürdigung seines Verhaltens als so schwerwiegend darstellte, dass dem anderen Teil die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden konnte. Ein solches Verhalten kann auch schon vor Fälligkeit des Erfüllungsanspruchs den Vertragszweck gefährden.“53

48

RG Urt. v. 23.2.1904, II 298/03 = RGZ 57, 105 [115] [Herv. d. Verf.]. Ausdrückliche Ablehnung einer Erfüllungsverweigerung, „wenn die schwerwiegende Vertragsverletzung zwar noch nicht eingetreten, ihr Eintritt jedoch sicher ist“ und Einordnung als positive Vertragsverletzung etwa in BGH Urt. v. 28.1.2003, X ZR 151/00 = NJW 2003, 1600 [1601] = Bestätigung von BGHZ 104, 6 [13]. 50 BGH Urt. v. 19.2.1969, VIII ZR 58/67 = NJW 1969, 975 [976]. 51 BGH Urt. v. 13.11.1953, I ZR 140/52 = NJW 1954, 229 [229]. 52 BGH Urt. v. 13.11.1953, I ZR 140/52 = NJW 1954, 229 [230]; vgl. ferner BGH Urt. v. 19.10.1977, VIII ZR 42/76 = NJW 1978, 260 [260]: „Es genügt demnach schon eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Vertragspartners, um eine positive Vertragsverletzung anzunehmen, wenn diesem das Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist.“ 53 BGH Urt. v. 25.6.1976, V ZR 168/74 = WM 1976, 1111 [1112]. 49

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Aus den vorstehenden Entscheidungen ergibt sich, dass das Bestehen eines Rücktritts vor Fälligkeit stets einzelfallbezogen von der Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag abhing. Die Entscheidung darüber musste der von reinen Billigkeitserwägungen geprägten Spruchpraxis der Gerichte anheimfallen. Da die tragende Rechtfertigung dort noch in dem gegenwärtigen Verstoß gegen die Leistungstreuepflicht – als generelle Verpflichtung, den Vertragszweck weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen – gesucht wurde, hingen sowohl Tatbestandskonturierung als auch Rechtsfolgen von der Bewertung des Einzelfalles in einer „der Lage allein gerecht werdenden Gesamtschau“ ab.54 Exemplarisch für die Bemühungen um eine Eingrenzung formulierte der BGH zu dem auf eine positive Vertragsverletzung gestützten Rücktritt noch vor Ablauf der Lieferzeit etwa: „Was im einzelnen als Verstoß gegen die Leistungstreuepflicht anzusehen ist, läßt sich nicht allgemein festlegen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Bei einem einfachen Austauschgeschäft ist die Leistungstreuepflicht in der Regel schwächer als bei einem Dauerschuldverhältnis. Indessen kann auch bei einem einfachen Austauschgeschäft ein Verstoß gegen die Leistungstreuepflicht gegeben sein. Bei einem derartigen Geschäft sind jedenfalls dann strenge Anforderungen an die Leistungstreuepflicht des Schuldners zu stellen, wenn es sich nicht um einen alltäglichen Kauf […] handelt […]. In diesem Fall können Verstöße gegen die Leistungstreuepflicht, die unter anderen Umständen möglicherweise nicht allzuschwer ins Gewicht fielen, erheblich sein.“55

Ex lege ergab sich daraus ein unstrukturiertes und kaum nachzuzeichnendes Bild für die Behandlung sonstiger Leistungsgefährdungen vor Fälligkeit. Eine verallgemeinerungsfähige Aussage zum Tatbestand des Rücktritts wegen Leistungsgefährdung blieb die Rspr. schuldig. Erst später betonte der BGH dagegen in einer seiner letzten Entscheidungen zum früheren Schuldrecht die Prognoseabhängigkeit zur Konkretisierung eines auf eine positive Vertragsverletzung gestützten Rücktritts vor Fälligkeit. Diese noch zum früheren Schuldrecht ergangene Rspr. war dabei ganz offenkundig bereits durch die Schaffung des neuen § 323 IV BGB beeinflusst. Tatsächlich rekurrierte der BGH nämlich auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, „der auch in § 323 IV BGB n. F. Ausdruck gefunden hat.“56 Dem Gläubiger sei das Abwarten der Vertragsverletzung danach unzumutbar, „wenn feststeht, dass der Auftragnehmer eine Vertragsfrist oder einen vertraglich vereinbarten Termin aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht einhalten wird und wenn diese Vertragsverletzung von erheblichem Gewicht ist.“57 Neben der Tatsache, dass der Rücktritt so freilich jedoch zum

54

BGH Urt. v. 19.2.1969, VIII ZR 58/67 = NJW 1969, 975 [976]. BGH Urt. v. 19.10.1977, VIII ZR 42/76 = NJW 1978, 260 [260] [Herv. d. Verf.]. 56 BGH Urt. 12.9.2002, VII ZR 344/01 = NJW-RR 2003, 13 [13] [Herv. d. Verf.]. 57 BGH Urt. v. 28.1.2003, X ZR 151/00 =NJW 2003, 1600 [1601]; vgl. ferner BGH Urt. v. 4.5.2000, VII ZR 53/99 = NJW 2000, 2988 [2990]; BGH Urt. v. 12.9.2002, VII ZR 344/01 = NJW-RR 2003, 13 [13]. 55

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einen noch immer unter dem Vorbehalt der teleologisch fragwürdigen Einschränkung des Vertretenmüssens stand, ließ der BGH damit zum anderen die Frage offen, wann eine Vertragsverletzung mit „erheblichem Gewicht“ vorliegt. cc) Drohende Insolvenz als Rücktrittsgrund vor Fälligkeit im früheren Schuldrecht Gerade weil mit der Schaffung des § 323 IV BGB ausweislich der Gesetzesbegründung keine Änderung der Rechtslage verbunden sein sollte, sondern vielmehr die Kodifizierung bisher anerkannten Rechts die gesetzgeberische Intention bei Fassung der Vorschrift bildete,58 lohnt ein Blick auf die Frage, inwiefern im früheren Schuldrecht eine drohende Insolvenz zum Rücktritt vor Fälligkeit berechtigte. Allerdings zeigt die Analyse der Literatur und der zum früheren Schuldrecht ergangenen Rspr., dass sich der Blick bei der Betrachtung eines Rücktritts wegen antizipierten Vertragsbruchs dort vordergründig auf die Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit konzentrierte. Angesichts der zudem nur nebulösen Konturierung des Rücktritts wegen sonstiger Leistungshindernisse vor Fälligkeit verwundert es daher nicht, dass ein Rücktritt wegen drohender Insolvenz kaum diskutiert wurde.59 Gleichwohl widmete sich der BGH im Umfeld der Unsicherheitseinrede aus § 321 BGB immerhin in einer Entscheidung vom 8.10.1990 ausführlich einem Rücktrittsrecht vor Fälligkeit basierend auf Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit des Schuldners.60 Dort wurde zunächst klargestellt, dass eine vertragliche Lösungsklausel in einem Leasingvertrag unwirksam ist, wenn diese allein daran anknüpft, ob „sonstige Umstände vorliegen, aus denen sich eine wesentliche Verschlechterung oder eine erhebliche Gefährdung des Vermögens des Leasingnehmers ergibt.“ Dies stellt für den Leasingnehmer eine unangemessene Benachteiligung dar, „weil sie die Befugnis zur fristlosen Kündigung ohne Rücksicht darauf, ob der Anspruch des Leasinggebers auf die Gegenleistung gefährdet ist, ausschließlich an eine – wie immer geartete – wesentliche Vermögensverschlechterung oder erhebliche Gefährdung des Vermögens des Leasingnehmers knüpft.“61

58

Vgl. BT-Drucks. 14/6040, 186. So gehen die großen Gesamtdarstellungen zum früheren Schuldrecht hierauf nicht ein, sondern widmen sich vordergründig der vor Fälligkeit erklärten Erfüllungsverweigerung und erwähnen auch sonstige drohende Leistungshindernisse nur am Rande, vgl. exemplarisch Esser/Schmidt, Schuldrecht AT (1995) § 28 III; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 51 I; Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 24 I. 60 BGH Urt. v. 8.10.1990, VIII ZR 247/89 = NJW 1991, 102. 61 BGH Urt. v. 8.10.1990, VIII ZR 247/89 = NJW 1991, 102 [104] [Herv. d. Verf.]. 59

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Der BGH hält die vertragliche Regelung somit vor allem deshalb für unwirksam, weil damit unzulässigerweise auch Fälle erfasst sind, in denen die Vermögensverschlechterung bzw. -gefährdung auf Seiten des Schuldners nicht zu einer konkreten Gefährdung des Gegenanspruchs des Gläubigers führt. Dass eine hiervon losgelöste Vertragsklausel nicht hinnehmbar ist, werde durch die Vorschriften § 321 BGB und Art. 73 EKG verdeutlicht, deren wirksame Ausübung eine konkret anspruchsgefährdende Vermögensverschlechterung erfordert.62 Dementsprechend wendet sich der BGH im Anschluss einem gesetzlichen Rücktrittsrecht vor Fälligkeit wegen der offensichtlich drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu. Denkbar knapp begnügt sich der BGH dort jedoch mit dem Hinweis: „Zwar wird bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 321 BGB dem Vorleistungspflichtigen nach allgemeiner Meinung ein Rücktrittsrecht […] einzuräumen sein, sofern der Vorleistungsberechtigte sich entweder weigert, die Gegenleistung Zug um Zug zu bewirken oder dem Vorleistungspflichtigen Sicherheit zu leisten oder wenn er innerhalb einer gesetzten Frist über sein beabsichtigtes Verhalten keine Erklärung abgibt. Für eine Anwendung des § 321 BGB und ein darauf gestütztes Recht zur Lösung vom Vertrag ist aber […] kein Raum mehr, wenn der Vorleistungspflichtige seine Vorleistung schon voll erbracht hat.“63

Aufgrund der fehlenden Anwendbarkeit des § 321 BGB infolge der Erbringung der Vorleistung sah sich der BGH dann nicht weiter dazu veranlasst, festzustellen, ob immerhin eine den tatbestandlichen Anforderungen des § 321 BGB genügende Anspruchsgefährdung vorlag. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung wie die des späteren § 323 IV BGB, die auch außerhalb der Vorleistungspflicht bei entsprechender Anspruchsgefährdung einen Rücktritt erlaubt, hinderte den BGH somit an einer Stellungnahme zu einem gesetzlichen Rücktrittsrecht wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Ob hieraus allerdings tatsächlich der Schluss gezogen werden kann, dass eine Vermögensverschlechterung auf Seiten des Schuldners schlechterdings nicht zum Rücktritt berechtigen konnte, mit der Folge, dass auch die lediglich an die frühere Rechtslage anknüpfende Norm des § 323 IV BGB dort ein Rücktrittsrecht nicht gewährt, muss gleichwohl bezweifelt werden.64 Zum einen muss nämlich trotz der in den Materialien getroffenen Aussagen beachtet werden, dass ein aus dem positiven Recht gewonnenes Argument eben definitionsgemäß versagt, wenn – wie mit der Schuldrechtsmodernisierung geschehen – ein System geändert wird.65 Dementsprechend kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Regelung zum antizipierten Vertragsbruch in § 323 IV BGB die Eierschalen einer an dem Verhalten 62 BGH Urt. v. 8.10.1990, VIII ZR 247/89 = NJW 1991, 102 [104]. Abweichend wurde dagegen in BGH Urt. v. 6.6.1984, VIII ZR 65/83 = WM 1984, 1217 [1219] wegen der dort in der Lösungsklausel enthaltenen Beispielsfälle entschieden, da damit eine Gefährdung der Gegenansprüche des Gläubigers vorausgesetzt wurde. 63 BGH Urt. v. 8.10.1990, VIII ZR 247/89 = NJW 1991, 102 [105]. 64 So aber Mossler, ZIP 2002, 1831 [1837]. 65 Vgl. Unberath (2007) S. 24.

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des Schuldners anknüpfenden, auf Zumutbarkeitserwägungen gestützten Betrachtung zur Gewährung eines Rücktrittsrechts vor Fälligkeit abgestreift hat. Vielmehr liegt mit der auf einer Prognose aufbauenden Feststellung der objektiven Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs eine Norm vor, die auch den Bedenken des BGH an einer hiervon losgelösten Abstandnahme vom Vertrag hinreichend Rechnung trägt. Zum anderen führte das Schweigen des BGH auch nicht dazu, dass das Schrifttum einem gesetzlichen Rücktrittsrecht wegen des drohenden Konkurses des Schuldners einhellig eine Absage erteilt hätte. So wurde insbesondere bei Devisentermingeschäften selbst im früheren Schuldrecht gestützt auf eine positive Vertragsverletzung bei drohendem Konkurs des Bankkunden von einem Teil des Schrifttums ein Rücktrittsrecht der Bank vor Fälligkeit bejaht.66 Unter Rekurs auf die Rspr. des BGH zum Rücktritt vor Fälligkeit bei sonstigen drohenden Leistungshindernissen soll danach der Bank bei Zahlungsunfähigkeit und drohender Konkurseröffnung über das Vermögen des Bankkunden ein Rücktrittsrecht unabhängig davon zustehen, ob ein Konkursverwalter an dem Devisentermingeschäft festhalten könnte und dann auch für seine Erfüllung sorgen müsste. Denn auch wenn der Fall der drohenden Verfahrenseröffnung damit zwar nicht der Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit gleichgestellt werden kann, bringt die mit der drohenden Eröffnung des Konkursverfahrens verbundene Unsicherheit über die Wahlrechtsausübung immerhin eine solch erhebliche Unsicherheit in das Vertragsverhältnis, dass „dem vertragstreuen Teil die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann.“67 Abgesehen davon, dass bereits unter Geltung der Konkursordnung bezweifelt werden musste, ob Devisentermingeschäfte angesichts des § 18 KO (vgl. nun § 104 InsO) überhaupt einer Wahlrechtsausübung nach § 17 KO (vgl. nun § 103 InsO) zugänglich waren,68 blieb diese Auffassung wiederum nicht ohne Kritik.69 Wenn insofern allerdings ins Feld geführt wird, der Tatbestand einer positiven Vertragsverletzung könne dort nicht erfüllt sein, weil sich in der Herbeiführung des Konkurses durch den Schuldner

66

Vgl. Obermüller, WM 1984, 325 [326 ff.]. So Obermüller, WM 1984, 325 [326] unter Rekurs auf BGH Urt. v. 19.2.1969, VIII ZR 58/67 = NJW 1969, 975. Vgl. dazu bereits die vorstehenden Ausführungen zum Rücktritt vor Fälligkeit wegen sonstiger drohender Leistungshindernisse. 68 Unter der Prämisse, dass auch ein etwaiges Verwalterwahlrecht das vorzeitige Rücktrittsrecht nicht hindert, stellt sich Obermüller, WM 1984, 325 [327] auf den Standpunkt, es komme nicht darauf an, ob insofern § 17 oder § 18 KO einschlägig sein sollte. Es wird noch gesondert darauf zurück zu kommen sein, inwiefern die Norm des § 104 InsO die Ausübung eines Vertragsumsteuerungsrechts wegen antizipierten Vertragsbruchs beeinflusst, vgl. dazu die Ausführungen zum antizipierten Vertragsbruch bei Fixgeschäften unter Berücksichtigung des § 104 InsO, Kap. 4 IV. 3. d) cc). 69 Dagegen Mossler, ZIP 2002, 1831 [1837]; van de Loo, ZIP 1988, 352 [353 f.]. 67

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kein pflichtwidriges Verhalten erblicken lasse,70 da bereits die hierfür erforderliche schuldhafte Handlung fehle,71 belegt dies nur erneut, dass sich solche Erwägungen nicht unreflektiert auf die geltende Rechtslage übertragen lassen. Bei der Betrachtung der Rücktrittsvoraussetzungen ist im geltenden Schuldrecht für den subjektiven Vorwurf der Herbeiführung der Vertragsverletzung begrüßenswerter Weise kein Platz mehr.72 Nach alledem lässt sich für den Rücktritt wegen des drohenden Konkurses des Schuldners im früheren Schuldrecht somit kein aussagekräftiges Bild zeichnen, das eine historische Auslegung des § 323 IV BGB im Umfeld einer Insolvenz erleichtern würde. 2. Die Entwicklung des Art. 72 CISG aus dem Haager Kaufrecht a) Die Vorläufernorm des Art. 76 EKG Speziell bei der Auslegung des CISG müssen die Zusammenhänge zu dessen Entstehen im Blick behalten werden. Schließlich ist internationale Rechtsvereinheitlichung gerade auf dem Gebiet des Privatrechts ohne die Bewusstmachung von dessen geschichtlicher Entwicklung kaum möglich. Dies gilt vor allem für das CISG, das wesentlich vom Haager Kaufrecht beeinflusst wurde, welches wiederum das Ergebnis umfassender rechtsvergleichender Vorarbeiten ist.73 Dabei geht Art. 72 CISG auf Art. 76 des Haager Einheitlichen Kaufrechts zurück. Bereits diese Norm erfasste neben der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung gleichermaßen sonstige Leistungsgefährdungen.74 Anders als Art. 72 II CISG statuierte das Haager Kaufrecht indessen noch keine Pflichten zur vorherigen Einholung einer Stellungnahme des Schuldners. Die Norm unterschied zudem wie auch § 323 IV BGB weniger deutlich zwischen der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung einerseits und sonstigen Leistungsgefährdungen andererseits, sondern erschöpfte sich in der lediglich Art. 72 I CISG gleichenden Aussage: „Ist es vor dem für die Erfüllung festgesetzten Zeitpunkt offensichtlich, dass eine Partei eine wesentliche Vertragsverletzung begehen wird, so kann die andere Partei die Aufhebung des Vertrags erklären.“

In den Entwurfsberatungen lag der Vorschrift eine subjektivierende Formulierung zugrunde, in der ein Verschuldensvorwurf anklang. Danach kam es noch

70

So van de Loo, ZIP 1988, 352 [354]. So Mossler, ZIP 2002, 1831 [1837]. 72 Vgl. dazu die Ausführungen zur (Un-)Abhängigkeit der Vertragsumsteuerung von der Verantwortlichkeit der Parteien bei den Grundlagen der Vertragsumsteuerung, Kap. 2 VI. 73 Vgl. von Caemmerer, in: FS Coing (1982) S. 33 [33 f.]. 74 Zu einer Art. 76 EKG unterfallenden Verweigerungserklärung vgl. BGH Urt. v. 14.3.1984, VIII ZR 284/82 = NJW 1984, 2034 [2035 f.]. 71

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maßgeblich darauf an, dass eine Partei „ihren Willen erkennen lässt, eine wesentliche Vertragsverletzung zu begehen“.75 Die vorzeitige Vertragsaufhebung hing damit vordergründig von dem subjektiv geprägten Bestreben des Schuldners ab, Vertragspflichten zu missachten. Davon wurde jedoch begrüßenswerter Weise abgesehen, da es nur auf die Tatsache ankommen sollte, ob eine künftige wesentliche Vertragsverletzung offensichtlich zu befürchten ist.76 Die Absicht einer Partei, einen Verstoß gegen ihre Vertragspflichten zu begehen oder ein sonstiger Verschuldensvorwurf, wurde zutreffend als ein für die Vertragsaufhebung irrelevantes Moment eingestuft.77 Deshalb sollten die Ursprünge der hieran teilweise anknüpfenden anticipatory breach-Lehre aus dem common law weder bei der Auslegung des EKG noch bei der des späteren CISG überbetont werden.78 Maßgeblich war damit nämlich vielmehr allein die rein objektiv zu bestimmende Wesentlichkeit der prognostizierten Vertragsverletzung. Mit Blick auf das Ausmaß der Vertragsverletzung sollte dabei bereits im Haager Kaufrecht die Vertragsaufhebung wegen der Schwere des Eingriffs in den Vertrag von einer Vertragsverletzung mit entsprechendem Gewicht abhängen.79 Allerdings provozierte die Fassung von Art. 10 EKG als Vorläufernorm des Art. 25 CISG noch weitere Auslegungsschwierigkeiten, die jedoch nur auf den ersten Blick zu einer subjektivierten Bestimmung der Wesentlichkeit einluden.80 So lautete Art. 10 EKG: „Eine Vertragsverletzung wird im Sinne dieses Gesetzes immer dann als wesentlich angesehen, wenn die Partei, die sie begangen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass eine vernünftige Person in der Lage der anderen Partei den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn sie die Vertragsverletzung und ihre Folgen vorausgesehen hat.“

Das Abstellen auf den hypothetischen Parteiwillen zur Konkretisierung eines unbestimmten Rechtsbegriffs wirkt auf den ersten Blick zwar befremdlich, 75 So Art. 87 des Entwurfs von 1956, in deutscher und französischer Sprache abgedruckt in RabelsZ 22 (1957) 124 ff. In diesem Zusammenhang wird häufig postuliert, diese Formulierung gehe auf Vorarbeiten Rabels zurück, vgl. etwa Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 1; dabei darf nicht übersehen werden, dass Rabel zwar der Erfüllungsverweigerung den „aus der tatsächlichen Handlungsweise des Verkäufers erschließbaren Willen“ gleichsetzen wollte, insofern aber weiterführend einschränkte, es „versteht sich außerdem dabei im modernen Recht von selbst, dass es mehr auf das objektive Benehmen als auf den inneren Willen ankommt;“ Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 383. 76 Riese, RabelsZ 29 (1965) 1 [82]; Dölle/Leser (1976) EKG Art. 76 Rn. 4. 77 Vgl. Riese, RabelsZ 29 (1965) 1 [82]; Mertens/Rehbinder (1975) EKG Art. 76 Rn. 2. 78 Insofern müssen auch die Tatbestandszweige des sog. self-disablement und die der frustration-Doktrin unterschieden werden, vgl. Weidt (2008) S. 52 ff. und 132 ff. Nur letztere ähnelt Art. 72 CISG, indem die Vertragsumsteuerung dort nicht davon abhängt, dass das Unvermögen im Risikobereich des Schuldners lag. 79 Leser, in: Das Haager Einheitliche Kaufgesetz und das Deutsche Schuldrecht (1973) S. 1 [4]. 80 Vgl. nur Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter CISG (2013) Art. 25 Rn. 3 m. w. N.

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wenn damit tatsächlich eine objektive Interessenwertung erreicht werden soll.81 Trotz dieser verwickelten Formulierung kam es damit jedoch wie auch bei dem heutigen materiellen Ansatz des CISG im Kern darauf an, dass für die vertragsbrüchige Partei erkennbar das Interesse des Vertragspartners an der Vertragsdurchführung wegen der Vertragsverletzung entfällt.82 Wie auch Art. 25 CISG entschied sich damit Art. 10 EKG gegen solche materiellen Ansätze, welche die Gewichtigkeit der Vertragsverletzung allein an die abstrakte Bedeutung der verletzten Vertragsbestimmung unter Zugrundelegung eines Vertragstypus knüpfen.83 Das Erfordernis des Interessenfortfalls wurde schließlich lediglich umschrieben, wenn es nach Art. 10 EKG darauf ankam, dass die den Vertrag verletzende Partei „hätte wissen müssen, dass eine vernünftige Person in der Lage der anderen Partei den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn sie die Vertragsverletzung und ihre Folgen vorausgesehen hätte.“ Da es auf die Sicht einer „vernünftigen Person“ ankam, wurde somit ein verobjektivierter Maßstab zugrunde gelegt und ein hypothetisches Verfahren zum Gradmesser, das ex ante die Vertragsverletzung bei Annahme der Erkennbarkeit unterstellt.84 Art. 76 EKG sah keine weitere Nachfristsetzung vor.85 Sowohl in Fällen der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung als auch bei sonstigen Leistungsgefährdungen konnte der Gläubiger sofort den Vertrag aufheben, wenn die künftige Vertragsverletzung die Wesentlichkeitsschwelle des Art. 10 EKG erreichte. Andererseits sollte Art. 76 EKG auch die im Haager Kaufrecht anzutreffenden prozeduralen Fristansätze nicht generell überspielen. Das Einheitskaufrecht kannte ebenfalls begrenzt auf Verstöße gegen bestimmte Vertragspflichten eine Aufwertung zu einer wesentlichen Vertragsverletzung durch Fristsetzung.86 Zutreffend wies deshalb bereits Leser darauf hin, dass der Wortlaut des Art. 76 EKG insofern zu „ergänzen“ sei, als „auch diejenigen Pflichtverletzungen einzubeziehen sind, die erst durch eine fruchtlos verstrichene Nachfrist zur wesentlichen Vertragsverletzung werden und bei denen es offensichtlich ist, dass innerhalb der Nachfrist eine Veränderung der Lage nicht zu erwarten ist.“87 Dem ist lediglich hinzuzufügen, dass es sich dabei freilich um eine be-

81 Vgl. von Caemmerer, in: FS Coing (1982) S. 33 [39 ff.] m. w. N. zu Ursprüngen des Art. 10 EKG aus dem common law und der Entwicklung der Norm im Rahmen der Haager Konferenz. 82 von Caemmerer, in: FS Coing (1982) S. 33 [45 ff.]; Dölle/U. Huber (1976) EKG Art. 10 Rn. 12 f.; monographisch zur Vertragsaufhebung im Haager Kaufrecht, Schultze-v. Lasaulx (1977) passim. 83 Vgl. Riese, RabelsZ 29 (1965) 1 [39]. Dölle/U. Huber (1976) EKG Art. 10 Rn. 21. 84 Dölle/U. Huber (1976) EKG Art. 10 Rn. 17 ff. 85 Mertens/Rehbinder (1975) EKG Art. 76 Rn. 3. 86 Vgl. Artt. 27 II, 31 II EKG. In Artt. 44 II, 62 II und 66 II EKG führte der Fristablauf ipso iure zur Vertragsaufhebung. 87 Dölle/Leser (1976) EKG Art. 76 Rn. 20 a. E.

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denkenlose Auslegung des Art. 76 EKG und nicht um eine sich am Rande zulässiger Rechtsfortbildung bewegende „Ergänzung“ des Wortlauts handelt. Schließlich konnte auch im Haager Kaufrecht bei einer Nachfristaufhebung eine Aufwertung zu einer wesentlichen Vertragsverletzung angenommen werden, sodass der hypothetische Fristablauf als wesentliche Vertragsverletzung unter den Wortlaut subsumiert werden konnte. b) Drohende Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens als Fall des Art. 76 EKG Die Reichweite der gesetzlichen Regelungen des Haager Kaufrechts wurde in Art. 8 EKG nahezu identisch mit dem späteren Art. 4 CISG umschrieben. Da andere als materiell-kaufrechtliche Fragen nicht geregelt werden sollten, schwieg sich auch das EKG zu Tatbeständen des Verfahrensrechts aus. Insbesondere mit Blick auf Rechte eines Konkursverwalters sollte es mit dem nationalen Recht sein Bewenden haben.88 Der Wortlaut des Art. 76 EKG traf dementsprechend keine eindeutige Aussage darüber, inwiefern die Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens oder eine irgendwie gelagerte Wahlrechtsausübung durch einen Verwalter eine mögliche Erscheinungsform des dort geregelten antizipierten Vertragsbruchs bildeten. Etwas anders verhielt es sich lediglich mit der Norm des Art. 73 EKG, die als Vorläufervorschrift des Art. 71 CISG ein Retentionsrecht gewährte, wenn die „wirtschaftliche Lage der anderen Partei so schwierig geworden ist, daß berechtigter Anlaß zu der Befürchtung besteht, die andere Partei werde einen wesentlichen Teil ihrer Pflichten nicht erfüllen.“ Wichtigster Grund für die Anwendung des Art. 73 EKG war damit gerade die (drohende) Zahlungsunfähigkeit, sodass insbesondere die Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens oder dessen Ablehnung mangels Masse zur Einbehaltung der Leistung berechtigten.89 In diesem Zusammenhang wurden im deutschen Schrifttum dementsprechend zutreffend die mittelbaren Beeinflussungen des sich aus dem deutschen Konkursrecht (§ 17 KO) ergebenden Wahlrechts des Verwalters hervorgehoben: Wählte der Verwalter Erfüllung, entfiel das Retentionsrecht und eine Vorleistungspflicht lebte wieder auf, soweit nicht zu befürchten war, dass auch der Konkursverwalter nicht die Gegenleistung erbringen konnte.90 Auch wenn das überschaubare Schrifttum zum Haager Kaufrecht kaum näher auf eine konkursbedingte Aufhebung nach Art. 76 EKG unter Berücksichtigung des nationalen Verfahrensrechts eingeht, erlauben somit immerhin die 88

Dölle/Herber (1976) EKG Art. 8 Rn. 10. Mertens/Rehbinder (1975) EKG Art. 73 Rn. 4; Dölle/U. Huber (1976) EKG Art. 73 Rn. 10. 90 Dölle/U. Huber (1976) EKG Art. 73 Rn. 19. Zu etwaigen Anfechtungsrisiken bei der Ausübung des Stoppungsrechts unter Geltung der Konkursordnung, vgl. ferner U. Huber, in: FS Weber (1975) S. 253 [270 f.]. 89

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zu Art. 73 EKG geäußerten Erwägungen auch Schlüsse über das Bestehen eines Aufhebungsrechts wegen antizipierten Vertragsbruchs im Umfeld eines Gesamtvollstreckungsverfahrens. Wollte sich der vertragstreue Teil wegen der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage endgültig vom Vertrag trennen, musste er schließlich nach Art. 76 EKG vorgehen.91 Dort, wo das nationale Verfahrensrecht dem Verwalter entsprechende Rechte zur Erfüllung eines vor Verfahrenseröffnung vom Schuldner geschlossenen Vertrags einräumt, ist es damit naheliegend, dass selbst bei bevorstehender Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens nicht i. S. d. Art. 76 EKG ohne Weiteres auf ein konkursbedingtes Ausbleiben der Leistung geschlossen werden konnte. Ob eine Partei eine wesentliche Vertragsverletzung begehen wird, erschien damit selbst bei drohender Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens nicht offensichtlich. Gleichwohl hat sich ein belgisches Gericht in einer Entscheidung vom 8.9.1981 ohne Berücksichtigung nationalen Verfahrensrechts auf den Standpunkt gestellt, dass der ersichtlich drohende Konkurs des Käufers den Verkäufer nach Art. 76 EKG zur Aufhebung berechtige.92 In der, soweit ersichtlich, einzigen Entscheidung zur Vertragsaufhebung wegen drohender Insolvenz nach Art. 76 EKG ließ es das Gericht genügen, dass dem aus Italien stammenden Gläubiger schon Wochen vor Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des aus Belgien stammenden Schuldners deutlich gewesen sein konnte, dass der Schuldner aufgrund der Zahlungsunfähigkeit seine Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag nicht mehr erfüllen könne.93 c) Die Entstehung des Art. 72 CISG Aus den zwischen 1970 und 1977 stattfindenden Vorarbeiten der UNCITRAL Arbeitsgruppen ging ein Entwurf hervor, der wiederum 1977 der UNCITRAL Kommission zur Revision und Überarbeitung vorlag.94 Art. 49 dieses Entwurfs enthielt bereits eine Vorschrift, die aufbauend auf Art. 76 EKG dem späteren Art. 72 CISG im Wesentlichen glich: „If prior to the date for performance of the contract it is clear that one of the parties will commit a fundamental breach, the other party may declare the contract avoided.“

Auf dem Weg zu dieser Formulierung wiederholten sich indessen die bereits aus den Vorarbeiten zum Haager Kaufrecht bekannten Bestrebungen, der Ver-

91

Dölle/Leser (1976) EKG Art. 76 Rn. 26. Die Entscheidung RB Van Koophandel te Turnhout findet sich zusammengefasst bei Schlechtriem/Magnus, Rechtsprechung zu EKG und EAG (1987) S. 399. 93 Vgl. Schlechtriem/Magnus, Rechtsprechung zu EKG und EAG (1987) S. 399 f. 94 Vgl. die Preparation of the 1977 UNCITRAL „Sales“ Draft in VIII Yearbook, 1977 (Document A/32/17), p. 26 ff. (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 318 ff.). Ausführlich zur Entstehung, Strub, Int&Comp.L.Q. 1989, 475 [488 ff.]. 92

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tragsaufhebung wegen antizipierten Vertragsbruchs eine subjektivierende Fassung zugrunde zu legen. Ähnlich zu Art. 87 des Entwurfs zum Haager Kaufrecht, der noch auf den „erkennbaren Willen“ des Schuldners abstellte, eine wesentliche Vertragsverletzung zu begehen,95 plädierten Teile der eingesetzten Arbeitsgruppe für eine am (vorwerfbaren) Verhalten des Schuldners anknüpfende Regelung. Nach den Vertretern dieser Auffassung sollte die Vertragsaufhebung nur dann möglich sein, „if the other party so conducts himself as to disclose an intention to commit a fundamental breach of contract.“96

Diese Modifikation war wegen des Verweises auf die repudation-doctrine zum einen durch Vertreter des anglo-amerikanischen Rechtskreises geprägt.97 Zum anderen wurde die Formulierung von den rechtspolitischen Bedenken getragen, dass eine Vertragsaufhebung wegen eines antizipierten Vertragsbruchs aufgrund der sonst bestehenden Unsicherheiten ohnehin nur gewährt werden sollte, wenn eine entsprechende Absicht zum Vertragsbruch zu Tage tritt.98 Bis heute blieb dagegen der Terminus erhalten, wonach die andere Partei eine wesentliche Vertragsverletzung „begehen wird“ (amtl.: „will commit“/„commettra“). Hier scheint noch eine dem common law entlehnte Anknüpfung an ein vorwerfbares Verhalten mit zu schwingen – die begrüßenswerter Weise etwa in Art. 7.3.3 der PICC überwunden wurde. Während sich die Änderungsvorschläge zur Umformulierung der Prognosegrundlage bekanntermaßen nicht durchsetzen konnten, wurde auch bereits im Rahmen der Vorarbeiten vereinzelt vorgeschlagen, die Nachfolgeregelung des Art. 76 EKG um eine Vorschrift zu ergänzen, welche die Abwendung der Vertragsaufhebung durch Sicherheiten oder Garantien vorsieht.99 Sämtliche Änderungsvorschläge blieben im Stadium der Vorarbeiten noch erfolglos. Da Art. 49 des Entwurfs von 1977 ohne weitere Veränderungen die Kommissionsarbeiten zwischen 1977 und 1978 passierte, bildete diese Norm zugleich die Basis der Konferenzberatungen in Wien. Die Vorschrift wurde lediglich verschoben und fand als Art. 63 Einzug in den Kommissionsentwurf 95

Vgl. oben Art. 87 des Entwurfs von 1963. V Yearbook, 1974 (Document A/CN.9/87), p. 41 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 187) [Herv. d. Verf.]. 97 Vgl. dazu Weidt (2008) S. 27. 98 V Yearbook, 1974 (Document A/CN.9/87), p. 41 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 187): “This proposal was supported by one representative who referred to the doctrine of repudation and held that an anticipatory breach could never be safely assured unless an intention to this effect was disclosed.” 99 „One observer suggested that article 76 should contain a provision whereby a guarantee or adequate assurance of performance would prevent a declaration of avoidance.“ V Yearbook, 1974 (Document A/CN.9/87), p. 41 f. (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 187 f.). 96

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von 1978.100 Neuerungen schuf erst kurz vor dem Ende der Konferenzberatungen und der Beschlussfassung die Einfügung der heutigen Art. 72 II und III CISG, mit denen die bereits in den Vorarbeiten vorgeschlagene Abwendung durch Sicherheiten umgesetzt wurde.101 Diese beiden Absätze gehen zurück auf zwei im Rahmen der 34. Komiteesitzung geäußerte Vorschläge des ägyptischen Vertreters, in denen die Bedeutung der späteren Art. 71 und 72 CISG speziell für Entwicklungsländer betont wurde. Gerade aus dem niedrigeren Wahrscheinlichkeitsgrad im späteren Art. 71 CISG folge zum einen ein Missbrauchspotential für ökonomisch stärkere Parteien. Selbst bei Offensichtlichkeit der späteren Vertragsverletzung sollte zum anderen darüber hinaus eine Möglichkeit der Abwendung des scharfen Rechtsbehelfs der Vertragsaufhebung möglich sein.102 Während der Änderungsvorschlag einer Verknüpfung der Verschlechterungseinrede mit dem Aufhebungsrecht in einer Norm kaum Zuspruch fand, führte der ägyptische Vertreter daher ferner aus: „It would be greatly preferable to provide an opportunity for the party in default to re-establish himself. Moreover, the extreme solution provided for in article 63 [= Art. 72 CISG] was far from being justified in all cases, even in the event of bankruptcy.“103 [Dies ergänzte der Delegierte später.] „However, the remedy in article 63 as adopted whereby a party might proceed directly to avoidance of contract was rather drastic; even if the other party had already been declared bankrupt, his creditors might still be prepared to fulfil the contract.“104

Der Vorschlag zweifelte damit die Daseinsberechtigung eines Vertragsaufhebungsrechts wegen antizipierten Vertragsbruchs nicht insgesamt an, sondern betonte, dass sowohl der spätere Art. 71 als auch Art. 72 CISG „had a raison d'être and could be useful.“105 Die daraufhin eingesetzte ad-hoc Arbeitsgruppe schlug hierauf aufbauend vor, die zwei folgenden Absätze einzufügen, und gab Art. 72 CISG damit seine heutige Form: „(2) If time allows, the party intending to declare the contract avoided must give notice reasonably in advance to the other party in order to permit him to provide adequate assurance of his performance.

100 Text of Draft Convention on Contracts for the International Sale of Goods approved by the United Nations Commission on International Trade Law – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 5 ff. (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 382 ff.). 101 Zur Beschlussfassung über Art. 63 des Entwurfs vgl. 10th plenary meeting – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 221. 102 Dazu ferner Strub, Int&Comp.L.Q. 1989, 475 [489]. 103 Vgl. die Beratungen des 34. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 419. 104 Vgl. die Beratungen des 35. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 420. 105 Vgl. die Beratungen des 34. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 420.

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(3) The requirements of the preceding paragraph do not apply if the other party has declared that he will not perform his obligations.“106

Nachdem bei sonstigen Leistungshindernissen hinsichtlich einer vorherigen Ankündigung der Vertragsaufhebung in der ad-hoc Arbeitsgruppe Einigkeit herrschte, wurden bei der Formulierung etwaiger Rückausnahmen zwar Bedenken geäußert.107 Dennoch verblieb es trotz vereinzelter Gegenstimmen bei der heute in Art. 72 II CISG anzutreffenden Einschränkung „if time allows“. Damit lassen sich auch Interessen des Gläubigers bei der Ankündigung hinreichend berücksichtigen. Mit der zusätzlichen Einräumung einer Abwendungsmöglichkeit durch Sicherheitenstellung stellt sich der Gesetz gewordene Vorschlag somit als ausgewogene Kompromisslösung dar, um die bis zum Schluss der Konferenzverhandlungen gerungen wurde.108 3. Der antizipierte Vertragsbruch in internationalen Modellregelungen des Vertragsrechts Die Schaffung eines optionalen Instruments im internationalen Rechtsverkehr wie das des UN-Kaufrechts, dessen Anwendbarkeit mittels eines opt-out-Mechanismus nach Art. 6 CISG abgewählt werden kann, ist nur ein Mittel zur Erreichung Rechtssicherheit schaffender Rechtsharmonisierung.109 Dabei handelt es sich um eine weniger einschneidende Vereinheitlichungsmaßnahme als bei der daneben insbesondere auf europäischer Ebene in Betracht kommenden Möglichkeit legislativer (Voll-)Harmonisierung. Einen Unterfall optionaler Instrumente bilden Modellregelungen, die als „Normangebot“ die nationalen Vorschriften nicht verdrängen, aber mit diesen insofern in einen Wettbewerb treten, als die Parteien sich bei der Vertragsgestaltung an den Modellregelungen als neutralem Vertragsprogramm orientieren können110 – und sei es auch

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Report of the first Committee – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 131. Vgl. den Bericht der ad-hoc Arbeitsgruppe durch den französischen Vertreter im 37. Meeting in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 431. 108 Strub, Int&Comp.L.Q. 1989, 475 [483]. 109 Zu Begriff und Formen der Rechtsharmonisierung, vgl. Kischel, Rechtsvergleichung (2015) § 2 Rn. 41 ff. 110 Vgl. Art. 1:101 Abs. 2 PECL und § 4 der Präambel zu den UPICC (2016). Zu beachten ist, dass diese Regeln allein über eine Rechtswahlvereinbarung zur Anwendung gelangen können, sofern eine Verweisung auf ein nichtstaatliches Regelwerk nach dem für die (staatliche) Gerichtsbarkeit maßgeblichen IPR zulässig ist, vgl. etwa zu Art. 3 Rom I-VO MüKoBGB/Martiny Rom I-VO (2015) Art. 3 Rn. 32 ff.; vgl. ferner Leible, in: FS Jayme (2004) S. 485 [490 ff.]. Allgemein zu optionalen Instrumenten zur Befriedigung des Vereinheitlichungsbedürfnisses, Maultzsch, ZfPW 2015, 282 [288]. 107

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nur als Konkretisierung der lex mercatoria.111 Hierzu zählen insbesondere die Principles of International Commercial Contracts (PICC), die Principles of European Contract Law (PECL) und der Draft Common Frame of Reference (DCFR). Auch diese Regelwerke haben die Handlungsmöglichkeiten des Gläubigers bei der Erfüllungsgefährdung jeweils mit eigenen Regelungen bedacht.112 Da der zugrundeliegende Sachverhalt der Erfüllungsgefährdung stets der gleiche ist, lohnt ein Blick auf die dort gezogenen Grenzen eines Vertragsumsteuerungsrechts. Betont werden muss in diesem Zusammenhang jedoch, dass solche Modellregelungen zwar für eine interne Lückenfüllung nach Art. 7 II Var. 1 CISG nicht unmittelbar herangezogen werden. Die dort genannten Grundsätze sind ausweislich der Norm dem CISG selbst zu entnehmen.113 Allerdings kann die Einordnung der internationalen Modellregelungen als lex mercatoria dazu führen, dass die Normen gem. Art. 9 II CISG bei der Vertragsauslegung eines dem CISG unterfallenden Vertrags Berücksichtigung finden.114 a) Die Erfüllungsgefährdung in Art. 7.3.3 und 7.3.4 PICC Eine Regelung zum antizipierten Vertragsbruch enthalten auch die UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (PICC oder auch UPICC) in der nunmehr vierten Edition von 2016, herausgegeben vom Internationalen Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts.115 Bei der Einrichtung han-

111 Vgl. Art. 1:101 Abs. 3 PECL. Zur lex mercatoria, Kischel, Rechtsvergleichung (2015) § 11 Rn. 48 ff.; von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europ. VertragsR I/II (2002) S. XXVI. 112 Nicht näher wird hingegen auf den Verordnungsentwurf des Common European Sales Law (CESL) eingegangen, da sich jener Kommissionsvorschlag in absehbarer Zeit nicht durchsetzen wird. Vgl. hierzu nur Staudenmayer, NJW 2011, 3491; Balthasar, RIW 2012, 361; deren Art. 116 lautet: „Der Käufer kann den Vertrag beenden, bevor die Erfüllung fällig wird, wenn der Verkäufer erklärt hat oder anderweitig offensichtlich ist, dass Nichterfüllung eintreten wird, und wenn die Nichterfüllung die Beendigung des Vertrags rechtfertigen würde.“ Überbleibsel der Harmonisierungsbestrebungen sind derzeit Richtlinienvorschläge zu Verträgen über digitale Inhalte und zum Online-Warenhandel, vgl. Graf von Westphalen, BB 2016, 1411; Staudenmayer, ZEuP 2016, 801. Zum ebenfalls nicht näher behandelten Code Européen des Contrats, Lein (2015) S. 13. 113 Vgl. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 140; Flechter, in: FS Magnus (2014) S. 193 [203]; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 7 Rn. 39. Dafür aber Magnus, RabelsZ 59 (1995) 469 [492 f.]; vgl. auch Cour de Cassation (BE) Urt. v. 19.6.2009, C.07.0289.N = CISG-online No. 1963; wohl auch Schubert (2016) S. 24. 114 Ausführlich Teichert (2007) S. 112 ff.; Viscasillas, in: CISG Methodology (2009) S. 287 [309 ff.]. 115 Abr. unter . Die hier relevanten Vorschriften gleichen denen der dritten Edition, abgedruckt in ZEuP 2013, 165 ff.

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delt es sich um eine intergouvernementale Unterorganisation des Völkerbundes. Das aus ihr hervorgegangene Regelwerk ist das Ergebnis einer Kodifikation internationalen Handelsvertragsrechts und umfasst dabei unter anderem Regelungen zum Vertragsschluss, zur Auslegung von Verträgen sowie zu Rechtsbehelfen bei Nichterfüllung, ohne dass diese Regelungen für sich einen unmittelbaren Geltungsanspruch erheben würden.116 Vielmehr steht es den Vertragsparteien frei, auf die dort gefassten Klauseln zurückzugreifen. In der Präambel des Regelwerks wird ferner für den Modellcharakter im Rahmen neuer Gesetzesvorhaben – sei dies auf nationaler oder internationaler Ebene – geworben.117 Art. 7.3.3 PICC (2016) lautet in seiner englischen Originalfassung: „Where prior to the date for performance by one of the parties it is clear that there will be a fundamental non-performance by that party, the other party may terminate the contract.“118

Der Wortlaut gleicht damit in mehrerer Hinsicht der in der Originalfassung des Art. 72 UN-Kaufrecht gewählten Terminologie. Eine Art. 25 CISG vergleichbare Konkretisierung der „fundamental non-performance“ findet sich in Art. 7.3.1 (2) PICC (2016). Dies überrascht auch nicht vor dem Hintergrund, dass das CISG bei der Ausarbeitung der Principles stets als Referenzmaterial diente.119 Neben den weiteren unverkennbaren Gemeinsamkeiten lässt der direkte Vergleich mit Art. 72 CISG in zweierlei Hinsicht Parallelen mit Blick auf das Prognoseerfordernis erkennen. Zum einen macht Art. 7.3.3 PICC (2016) klar, dass überhaupt nur eine Prognose das maßgebliche Entscheidungskriterium für die Gewährung eines Vertragsumsteuerungsrechts sein kann. Zum anderen gleicht der Grad der Wahrscheinlichkeit dem des UN-Kaufrechts. Hier wie dort werden an das Prognoseerfordernis strenge Maßstäbe gestellt, wenn verlangt wird, dass der Eintritt der Vertragsverletzung in der Gegenwart klar ist. Damit gleicht die Normstruktur auch der des § 323 IV BGB. Auffallend ist demgegenüber die fehlende Differenzierung zwischen der Erfüllungsverweigerung und sonstigen drohenden Vertragsverletzungen. Dabei beschränkt sich Art. 7.3.3 PICC (2016) ausweislich der Begründung der Regelung nicht auf die Erfüllungsverweigerung.120 Die separate Behandlung der Erfüllungsverweigerung findet sich indessen allein in Art. 72 III CISG. Damit 116 Dabei verstehen sich die PICC weniger als starres und detailreiches Modellgesetz, sondern als Katalog anerkannter Grundsätze, vgl. Magnus, RabelsZ 59 (1995) 469 [491]. 117 Vgl. Introduction to the 2016 Edition, abr. Unter . Zum Ganzen Teichert (2007) S. 38 ff.; Vogenauer, ZEuP 2013, 7; vgl. ferner Wichard, RabelsZ 60 (1996) 269 [271 ff.]; Zimmermann, ZEuP 2005, 264. 118 Ausführlich hierzu Saidov, Uniform Law Review 2006, 795 [803 ff.]. 119 Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [33]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UNKaufrecht (2016) Rn. 18. 120 Vgl. Kommentierung der Arbeitsgruppe zu Art. 7.3.3. PICC (2016), abr. unter .

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verbunden ist die fehlende Hinweispflicht für sonstige Erfüllungsgefährdungen, wie sie sich nur in Art. 72 II CISG wiederfindet.121 Denn die in Art. 7.3.2. PICC umschriebene „Notice of termination“ stellt allein klar, dass es einer Erklärung bedarf, um das Aufhebungsrecht auszuüben.122 Dabei erlaubt gerade jene Hinweispflicht, indem sie die Kommunikation der Parteien im Spannungsfeld mit einer bloß drohenden Gefährdung fördert, einen besseren Ausgleich der gegenüberstehenden Interessen der Parteien.123 Positiv ist dagegen zu bewerten, dass Art. 7.3.3 PICC anders als Art. 72 I CISG („will commit“) den Blick von dem Verhalten des Schuldners löst und schlicht darauf abstellt, dass eine wesentliche Vertragsverletzung eintreten wird („will be“).124 Eine der Unsicherheitseinrede des § 321 BGB und dem Aussetzungsrecht des Art. 71 CISG vergleichbare Regelung lässt sich den UNIDROIT Principles nicht unmittelbar entnehmen. Vereinzelt wird eine Entsprechung des Aussetzungsrechts aus Art. 71 CISG in Art. 7.1.3 PICC verortet.125 Während in Art. 7.1.3 (1) PICC die § 320 BGB vergleichbare exceptio non adempleti contractus normiert wird,126 ordnet Art. 7.1.3 (2) PICC an: „Where the parties are to perform consecutively, the party that is to perform later may withhold its performance until the first party has performed.“

Aus dem Umstand, dass danach nur dem vorleistungsberechtigten Gläubiger ein Retentionsrecht gewährt wird, wird der voreilige Schluss gezogen, den Principles sei ein Aussetzungsrecht des Vorleistungspflichtigen fremd.127 Überwiegend wird mit Blick auf ein § 321 BGB und Art. 71 CISG vergleichbares Aussetzungsrecht dagegen zutreffend auf – den mit Art. 8:105 PECL vergleichbaren128 – Art. 7.3.4 PICC rekurriert.129 Diese Regelung gewährt zunächst

121 Brödermann (2018) UPICC Art. 7.3.3 Rn. 4; Vogenauer/Kleinheisterkamp/Huber PICC (2009) Art. 7.3.3 Rn. 10; Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [35]. 122 Art. 7.3.2 I PICC (2016) lautet in seiner Originalfassung: „The right of a party to terminate the contract is exercised by notice to the other party.“ 123 Saidov, Uniform Law Review 2006, 795 [810]; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 37. 124 Vgl. dazu Liu, in: International Sales Law (2016) § 18 Rn. 58. 125 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 5. 126 Vogenauer/Kleinheisterkamp/Schelhaas PICC (2009) Art. 7.1.3 Rn. 1. 127 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 5. 128 Vogenauer/Kleinheisterkamp/Huber PICC (2009) Art. 7.3.4 Rn. 2; vgl. hierzu sogleich. 129 Vogenauer/Kleinheisterkamp/Huber PICC (2009) Art. 7.3.4 Rn. 2; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 71 Rn. 1 dort Fn. 3; Schubert (2016) S. 44 und 64. § 321 I BGB legt den Fokus dabei freilich mehr auf die (finanzielle) Situation der anderen Partei als auf die drohende Vertragsverletzung, Vogenauer/Kleinheisterkamp/Huber PICC (2009) Art. 7.3.4 Rn. 2.

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allein das Recht auf Sicherheitengewähr bei Zweifeln an der Leistungsfähigkeit und knüpft daran ein vorübergehendes Aussetzungsrecht, sowie subsidiär das Recht der Vertragsumsteuerung: „A party who reasonably believes that there will be a fundamental non-performance by the other party may demand adequate assurance of due performance and may meanwhile withhold its own performance. Where this assurance is not provided within a reasonable time the party demanding it may terminate the contract.“

Aus der systematischen Stellung neben Art. 7.3.3 PICC und dem Wortlaut „will be a […] non performance“ folgt, dass die Vorschrift ebenfalls nur vor Fälligkeit Anwendung findet.130 Während also § 321 I 1 und 2 BGB sowie Art. 71 I und III HS 2 CISG bei Zweifeln der Leistungsfähigkeit dem Vorleistungspflichtigen ein Zurückbehaltungsrecht gewähren, das der Vorleistungsberechtigte durch Sicherheitengewähr abwehren kann, erlaubt Art. 7.3.4 (1) PICC ein Zurückbehaltungsrecht des Vorleistungspflichtigen umgekehrt nur, soweit und sofern dies mit der Forderung nach Sicherheitengewähr verknüpft wird.131 Das Zurückbehaltungsrecht des Vorleistungspflichtigen folgt dort somit dem Recht auf Sicherheitengewähr und nicht umgekehrt. Darüber hinaus muss allerdings jedenfalls dann, wenn entsprechend Art. 7.3.3 PICC vor dem Zeitpunkt der Fälligkeit klar ist, dass die andere Partei ihre Leistung nicht erbringen wird, a maiore ad minus möglich sein, dass der Vorleistungspflichtige seine Leistung auch ohne Sicherheiten zu verlangen zurückhalten kann. Dies wiederum entspricht sodann § 321 I BGB und Art. 71 CISG.132 b) Die Regelungen der Art. 9:304 und 8:105 PECL Ganz ähnlich wie mit Art. 7.3.3 PICC (2016) verhält es sich mit Art. 9:304 der Principles of European Contract Law (PECL). Dabei handelt es sich um die Norm eines privaten Regelwerks, das von einer auf Initiative von Ole Lando gegründeten Kommission (deshalb auch „Lando-Kommission“) entworfen wurde. Die Erstellung des zwischen 1982 und 2002 entworfenen Regelwerks wurde ebenfalls von der Bestrebung getragen, den europaweiten Handel durch Anregungen zur Rechtsvereinheitlichung voranzutreiben, indem von der Kommission klassische Sachprobleme des Vertragsrechts formuliert wurden, um basierend auf den in verschiedenen europäischen Rechtsordnungen anzutreffenden Lösungsvorschlägen gemeinsame Grundsätze herauszuarbeiten.133 Dabei ging es weniger um die Entwicklung revolutionärer Regelungen als um die

130

Vogenauer/Kleinheisterkamp/Huber PICC (2009) Art. 7.3.4 Rn. 3. Vogenauer/Kleinheisterkamp/Huber PICC (2009) Art. 7.3.4 Rn. 12. 132 Vogenauer/Kleinheisterkamp/Schelhaas PICC (2009) Art. 7.1.3 Rn. 25. 133 Martens, EuZW 2010, 527 [528]; Schubert (2016) S. 22 ff.; Kischel, Rechtsvergleichung (2015) § 2 Rn. 48 ff. 131

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

„Ausarbeitung moderner und sachgemäßer einheitlicher europäischer Regeln“.134 Art. 1:101 Abs. 2 PECL sieht – wenn auch nur deklaratorisch – ausdrücklich vor, dass die Regelungen durch Vereinbarung der Parteien zur Anwendung gelangen können. Der Adressatenkreis geht dabei über den der potenziellen Vertragsparteien hinaus, indem sich der Regelungskatalog daneben sowohl an die Gesetzgebung als auch an die nationalen Gerichte wendet, die bei der Beantwortung nicht gesetzlich geregelter Fragen auf die Grundregeln zurückgreifen sollen – wissend, dass sich dort ein Kernbestand europäischer Rechtsordnungen widerspiegelt.135 Anders als die PICC umfasst der sachliche Anwendungsbereich der PECL zwar auch Verbraucherverträge, jedoch lassen die beiden Regelwerke häufig eine gar wörtliche Ähnlichkeit erkennen.136 So lautet auch Art. 9:304 PECL: „Where prior to the time for performance by a party it is clear that there will be a fundamental non-performance by it the other party may terminate the contract.“

Das Vorliegen einer wesentlichen Nichterfüllung bemisst sich anhand der Art. 25 CISG vergleichbaren Katalogvorschrift des Art. 8:103 PECL.137 Ebenso wenig wie Art. 7.3.3. PICC (2016) sieht Art. 9:304 PECL hingegen eine Notifizierungspflicht bei sonstigen Erfüllungsgefährdungen vor. Folge ist dort die auf eine Prognose gestützte Gleichbehandlung einer Leistungsgefährdung mit der Nichterfüllung nach Fälligkeit, sofern sie wesentlich und ihr Ausbleiben offensichtlich ist.138 Liegen demgegenüber bloße Zweifel hinsichtlich der Leistungsfähigkeit vor, verbleibt es Art. 7.3.4 PICC (2016) entsprechend139 bei der Möglichkeit des Art. 8:105 (1) PECL, Gewähr für Erfüllung zu verlangen und dies mit einem Zurückbehaltungsrecht zu verbinden: „A party who reasonably believes that there will be a fundamental non-performance by the other party may demand adequate assurance of due performance and meanwhile may withhold performance of its own obligations so long as such reasonable belief continues.“

Das Retentionsrecht wird in Art. 8:105 (2) PECL durch ein § 321 II BGB und Art. 7.3.4 (2) PICC (2016) vergleichbares Recht zur Vertragsaufhebung ergänzt, sofern die Sicherheitengewähr ausbleibt. Das Verhältnis von Zurückbehaltungsrecht zu Sicherheitengewähr entspricht demgegenüber dem des Art. 7.3.4 PICC (2016). Auch dort wird das Zurückbehaltungsrecht bei einem 134

Lando, Regeln des Europ. VertragsR (1999) S. 567 [570]. von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europ. VertragsR I und II (2002) S. XXV f. 136 Lein (2015) S. 9. 137 von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europ. VertragsR I und II (2002) S. 504. 138 von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europ. VertragsR I und II (2002) S. 505. 139 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 5 erblickt in Art. 9:201 (2) PECL die Entsprechung des Aussetzungsrechts nach Art. 71 CISG. Art. 9:201 PECL ist jedoch allein Ausdruck der exceptio non adempleti contractus, vgl. von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europ. VertragsR I und II (2002) S. 489. 135

I. Entwicklung des antizipierten Vertragsbruchs

269

vernünftigen Grund zur Annahme, es komme zu einer wesentlichen Nichterfüllung, an die Forderung nach Sicherheiten geknüpft. Dabei geht der Wortlaut des Art. 8:105 PECL insofern sogar noch über Art. 7.3.4 PICC hinaus, als das Retentionsrecht nur so lange besteht, wie die Zweifel weiterhin begründet sind.140 c) Die Erfüllungsgefährdung in III. – 3:504 DCFR Bei einem vergleichenden Blick auf Modellregelungen zum europäischen Vertragsrecht darf schließlich der Draft Common Frame of Reference (DCFR) nicht unberücksichtigt bleiben. Der umfassende Regelungskatalog mit vordergründig akademischen Charakter141 geht dabei über das Vertragsrecht hinaus, indem er unter anderem auch das Sachenrecht betreffende Regelungen trifft (Book IX). Gerade in Bezug auf das Vertragsrecht ergeben sich indessen nur wenige Abweichungen zu den in den PECL getroffenen Regelungen, die vielmehr überwiegend ohne tiefgreifende Überarbeitung in den DCFR übertragen wurden.142 Als Fortentwicklung zu den PECL hat auch der DCFR das Problem einer vorfälligen Leistungsgefährdung erkannt und in der Norm des III. – 3:504 DCFR einer den übrigen Modellgesetzen vergleichbaren Regelung zugeführt. Die Norm lautet: „A creditor may terminate before performance of a contractual obligation is due if the debtor has declared that there will be a non-performance of the obligation, or it is otherwise clear that there will be such a non-performance, and if the non-performance would have been fundamental.“

Auffallend ist jedoch im Vergleich zu Art. 9:304 PECL und Art. 7.3.3. PICC (2016), dass die Norm des DCFR zwischen der Erfüllungsverweigerung und der sonstigen Erfüllungsgefährdung als Gefährdungstatbestand differenziert. Diese Unterscheidung findet sich in dieser Form allein in Art. 72 CISG.143 Anders als im BGB wird somit berücksichtigt, dass vorzeitige Erfüllungsverweigerung und sonstige Erfüllungsgefährdung in vertragstheoretischer Hinsicht unterschiedlich zu verorten sind und deshalb auch von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängen müssen.144 Das Prognoseerfordernis erstreckt sich 140

Ein praktischer Unterschied wird sich daraus hingegen wohl kaum ergeben, Vogenauer/Kleinheisterkamp/Huber PICC (2009) Art. 7.3.4 Rn. 12. 141 von Bar/Clive/Schulte-Nölke DCFR Outline ed. (2009) S. 6; Schulte-Nölke, NJW 2009, 2161 [2162]. So ist von „lehrbuchartigen Inhalten“ die Rede, Pfeiffer, ZEuP 2008, 679 [686]; krit. Jansen/Zimmermann, NJW 2009, 3401. 142 Lein (2015) S. 11. Zu nennenswerten Unterschieden, Jud, in: Schmidt-Kessel, Der gemeinsame Referenzrahmen (2009) S. 72 [81 ff.]; Pfeiffer, ZEuP 2008, 679 [690]. 143 Hager, in: FS Schwenzer (2011) 681 [691]. 144 Vgl. die Ausführungen zu vertragstheoretischen Erklärungsmodellen der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung, Kap. 4 IV. 1. a).

270

Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

schließlich allein auf die Vertragsumsteuerung wegen sonstiger Umstände, aufgrund derer die Vertragsverletzung droht. Die systematisch auf III. – 3:504 folgende Vorschrift des III. – 3:505 DCFR sieht demgegenüber ein Vertragsumsteuerungsrecht im Falle des Ausbleibens angemessener Sicherheitengewähr vor: „A creditor who reasonably believes that there will be a fundamental non-performance of contractual obligation by the debtor may terminate if the creditor demands an adequate assurance of due performance and no such assurance is provided within reasonable time.“

Der nennenswerte Unterschied zu III. – 3:504 des DCFR ist damit, dass dort im Gegenzug zu dem zusätzlichen Erfordernis des Ausbleibens der Sicherheitengewähr der Prognosemaßstab herabgesenkt wird. Indem dort bereits eine vernünftige Annahme ausreichend ist, gleicht die Norm § 321 II BGB, ohne freilich auf Vorleistungsfälle beschränkt zu sein.145 Ein Zurückbehaltungsrecht wegen Zweifeln an der Leistungsfähigkeit sieht daneben jedoch III. – 3:401 DCFR vor.146 III. – 3:401 (2) DCFR lautet: „A creditor who is to perform a reciprocal obligation before the debtor performs and who reasonably believes that there will be non-performance by the debtor when the debtor’s performance becomes due may withhold performance of the reciprocal obligation for as long as the reasonable belief continues. However, the right to withhold performance is lost if the debtor gives an adequate assurance of due performance.“

Diese Norm entspricht § 321 BGB und Art. 71 CISG und legt dabei anders als Art. 7.3.4 PICC (2016) und Art. 8:105 (1) PECL dasselbe Verständnis für das Verhältnis zwischen Zurückbehaltungsrecht und Sicherheitengewähr zugrunde.147 d) Fazit zum Vergleich der Regelungen und deren Berücksichtigung einer drohenden Insolvenz Der kurze Überblick zu Art. 7.3.3 PICC (2016) sowie Art. 9:304 PECL und III. – 3:504 DCFR hat gezeigt, dass die dort verankerten Regelungen zu einer Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs sich im Wesentlichen ähneln. Sämtliche Aufhebungsrechte gleichen sich in ihren strengen Anforderungen hinsichtlich der Prognoseanforderungen. Zudem werden die hier betrachteten Regelungen allesamt von Aussetzungsrechten insbesondere bei der Vorleistungspflicht einer Partei flankiert. Insofern lassen sich mithin unverkennbare Gemeinsamkeiten sowohl mit Art. 72 CISG als auch mit § 323 IV BGB erkennen. Graduelle Unterschiede ergeben sich bei der Differenzierung

145

Leible, in: Schulze/v. Bar/Schulte-Nölke (2008) S. 97 [103]. von Bar/Clive DCFR Vol I (2009) S. 872. 147 Vgl. dazu Sagaert/Storme/Terryn/Philippe, The Draft Common Frame of Reference (2012) S. 45. 146

I. Entwicklung des antizipierten Vertragsbruchs

271

zwischen der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung einerseits und sonstigen drohenden Leistungshindernissen andererseits. Während diese in Art. 72 CISG ausdrücklich angelegte Unterscheidung lediglich der Regelung des III. – 3:504 DCFR bekannt ist, differenzieren Art. 7.3.3 PICC (2016) und Art. 9:304 PECL insofern nicht und sehen dementsprechend auch keine gesonderten Notifizierungspflichten des Gläubigers vor. Art 72 CISG erweist sich somit als die am meisten um einen beiderseitigen Interessenausgleich bemühte Vorschrift zur Vertragsumsteuerung wegen einer vor Fälligkeit drohenden Vertragsverletzung. Mit Blick auf mögliche Anwendungsfälle stellt sich letztlich noch die Frage, wie die hier dargestellten Modellregelungen die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners bzw. die drohende Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens einordnen. Leider wird dieser Anwendungsfall, soweit ersichtlich, im Schrifttum zu den Modellregelungen nicht gesondert gewürdigt. Die Materialien zu den UNIDROIT-Principles schweigen sich hierzu aus und beschränken sich auf die Klarstellung, dass neben der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung auch sonstige, allerdings nicht näher bestimmte Umstände zur Vertragsaufhebung berechtigen, sofern diese den Eintritt eines wesentlichen Vertragsbruchs offensichtlich erscheinen lassen.148 Im Übrigen begnügt sich das Schrifttum mit einem Verweis auf die sich zu Art. 72 CISG entwickelte Kasuistik.149 Ganz ähnlich verhält es sich mit Art. 9:304 PECL150 und III. – 3:504 DCFR151. Insgesamt scheut die Diskussion um eine drohende Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens über das schuldnerische Vermögen als Anwendungsfall eines zur Vertragsumsteuerung berechtigenden antizipierten Vertragsbruchs damit eine entsprechende Stellungnahme. Der Grund hierfür scheint ersichtlich in der unterschiedlichen Ausgestaltung nationaler Insolvenzrechtsordnungen begründet zu liegen. Eine hiervon losgelöste Aussage zum Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen des Vertragsumsteuerungsrechts ist kaum möglich.

148 Vgl. Kommentierung der Arbeitsgruppe zu Art. 7.3.3. PICC (2016), abr: unter . Vgl. dazu ferner Bonell (2006) UPICC in Practice Art. 7.3.3. 149 Vgl. etwa Brödermann (2018) UPICC Art. 7.3.3 Rn. 1; Vogenauer/Kleinheisterkamp/Huber PICC (2009) Art. 7.3.3 Rn. 11 f. 150 von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europ. VertragsR I und II (2002) S. 504 ff. 151 Vgl. von Bar/Clive DCFR Vol I (2009) S. 867 ff.

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

II. Ratio legis und dogmatische Konstruktion von Art. 72 CISG und § 323 IV BGB II. Ratio legis und dogmatische Konstruktion

1. Das Telos des Art. 72 CISG basierend auf einer künftigen Vertragsverletzung Nach dem zu den Grundlagen der §§ 323 ff. und Artt. 49, 64 CISG Gesagten findet eine Vertragsumsteuerung ihre Rechtfertigung in der zu einer Störung des Synallagmas führenden und damit hinreichend schweren Vertragsverletzung des Schuldners. Die Fälligkeit bildet dabei einen entscheidenden Wendepunkt, weil deren Eintritt den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Vertragsverletzung markiert. Da der Grundsatz des pacta sunt servanda vor Fälligkeit nicht weniger gilt und eine die Vertragsumsteuerung legitimierende hinreichend schwere Vertragsverletzung mithin fehlt, scheint das Interesse des Schuldners an der Vertragserhaltung dort daher zwingend zu überwiegen. Häufig wird dennoch zur Begründung des Aufhebungsrechts aus Art. 72 CISG lediglich ein praktisches Bedürfnis aus Gläubigersicht betont, aber keine die beiderseitigen Interessen berücksichtigende Legitimationsgrundlage entwickelt.152 Selbst wenn offensichtlich ist, dass eine Partei eine wesentliche Vertragsverletzung begehen wird, sodass der Gläubiger ein Lösungsinteresse hat, ergibt sich daraus selbst nicht, warum bereits gegenwärtig ein Aufhebungsrecht gewährt werden soll, wenn jenes Recht seine Legitimation an sich erst durch die Verwirklichung einer wesentlichen Vertragsverletzung erfährt. Dementsprechend provozieren allein den Normzweck berücksichtigende Erklärungen die Kritik, wonach ein solches Recht zur Vertragsumsteuerung leicht missbräuchlich verwendet werden könne. Schließlich belaste es schwächere Parteien damit, dass diese sich zu der Gewährung nicht geschuldeter Sicherheiten verpflichtet fühlen, um vorbeugend den Eindruck einer Gefährdungslage abzuwenden.153 Verbunden mit der Bestimmung der teleologischen Rechtfertigung wirft die dogmatische Konstruktion des Art. 72 CISG Fragen auf. Schlechtriem führt insofern indessen aus, die dogmatische Einordnung könne offenbleiben, da dies „eher eine Frage des zufällig zu Gebote stehenden dogmatischen Instrumentariums“ sei.154 Allerdings wird die Diskussion um die auf der ratio legis basierende Legitimation der Norm ganz entschieden von der in der Konvention nicht zufällig gewählten dogmatischen Konstruktion beeinflusst. Ergibt sich der für die teleologische Auslegung erforderliche Normzweck nämlich nicht ohne

152

Vgl. hierzu auch Saidov, Uniform Law Review 2006, 795 [796]. Saidov, Uniform Law Review 2006, 795 [802]; weitere Nachweise bei Dawson, C.L.J. 1981, 83 [83 dort Fn. 1]. 154 Schlechtriem, Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) 159 [170]. 153

II. Ratio legis und dogmatische Konstruktion

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Weiteres aus der Norm, ist dieser seinerseits durch Auslegung zu ermitteln.155 Das Art. 72 CISG zugrundeliegende Telos lässt sich nicht losgelöst von dessen Tatbestand und dogmatischer Einordnung ermitteln. a) Die Unvereinbarkeit einer gegenwärtigen Vertragsverletzung mit der dogmatischen Konstruktion des Art. 72 CISG Der teleologischen Rechtfertigung einer Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsgefährdung wird nur wenig Beachtung geschenkt.156 Häufig wird zur Begründung insofern schlicht die apodiktische Aussage angeführt, ein Zuwarten sei dem Gläubiger nicht zumutbar, sofern der Eintritt der Vertragsverletzung offensichtlich ist.157 Mit dieser Annahme wird indessen allein von einem Sein auf das Sollen geschlossen. Allein aus der Aussage, dass das Zuwarten unzumutbar ist, lässt sich kein als Begründung tauglicher normativer Satz ableiten.158 Diese Aussage bleibt vielmehr eine Antwort schuldig, worin die Rechtfertigung einer legitimierungsbedürftigen Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit als Akt der Fremdbestimmung liegt – warum also das Zuwarten im Falle der Offensichtlichkeit unzumutbar ist.159 Soll eine Vertragsumsteuerung bereits im Vorfeld der Fälligkeit begründet werden, ließe sich freilich an die Gefährdung der Leistung per se als Verletzung einer von der Fälligkeit unabhängigen Vertragspflicht anknüpfen. Der Umstand, dass die Erwartung der Vertragserfüllung des Gläubigers enttäuscht zu werden droht und dass er sich deshalb in einer unsicheren Position befindet, würde demnach einen eigenständigen Störungstatbestand bereits in der Gegenwart begründen.160 Die Leistungsgefährdung würde damit einer Vertragsverletzung gleichgestellt werden. Die dogmatische Konstruktion dieses Wertungsmodells setzt indessen auch die Annahme bereits vor Fälligkeit bestehender Vertragspflichten dahingehend voraus, dass dem Vertrag ein implizites Versprechen zugrunde liege, wonach die Leistungsfähigkeit bereits vor Fälligkeit nicht gefährdet werden darf.161 Dabei wäre freilich in terminologischer Hinsicht 155

Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 78 IV. Vgl. speziell zum CISG Schlechtriem, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) S. 159 [170]. 157 MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 1; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 1; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 1; von Bar/Zimmermann, Grundregeln des Europ. VertragsR I und II (2002) S. 505. 158 Zur Dichotomie von Sein und Sollen, vgl. Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 15. 159 So Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [6] zu § 323 BGB. 160 Liu, in: International Sales Law (2016) § 18 Rn. 2. So auch bereits die frühen Erklärungsansätze bei antizipierter Erfüllungsverweigerung im common law, vgl. Dawson, C.L.J. 1981, 83 [96]; Weidt (2008) S. 68 beide m. w. N. 161 Ausdrücklich in diese Richtung weist etwa § 2-609 (1) des US-amerikanischen Uniform Commercial Code (UCC): „A contract for sale imposes an obligation on each party that the other's expectation of receiving due performance will not be impaired.“ 156

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

die Einordnung als „antizipierter“ Vertragsbruch verfehlt. Denn soll die Leistungsgefährdung eine eigenständige und bereits gegenwärtige Vertragsverletzung begründen, wird eine Vertragsverletzung weder „antizipiert“ noch „vorweggenommen“. Tatsächlich wird auch im CISG bei einer endgültigen Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit die gegenwärtige Verletzung von Leistungstreuepflichten befürwortet.162 Als ein die wesentliche Vertragsverletzung begründender Umstand ließe sich so bereits in der Gegenwart die Gewährung eines Aufhebungsrechts begründen. Unabhängig vom Bestehen solcher Pflichten darf jedoch nicht übersehen werden, dass diese Erklärungsversuche allein im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung entwickelt wurden. Der Tatbestand des Art. 72 CISG, von dem die Erfüllungsverweigerung nur einen Spezialfall darstellt, will jedoch sämtliche Leistungsgefährdungen erfassen.163 Nach dem Wortlaut der Norm kommt es allein darauf an, ob offensichtlich ist, dass eine Partei eine wesentliche Vertragsverletzung begehen wird. Die vorzeitige Erfüllungsverweigerung mag somit zwar eine gegenwärtige Vertragsverletzung begründen. Die Bestimmung der Art. 72 CISG zugrundeliegenden teleologischen Rechtfertigung hat jedoch zu akzeptieren, dass die Norm offenkundig auf eine prognostizierte Vertragsverletzung abstellt.164 Schließlich erlaubt die bloße Annahme einer gegenwärtigen Vertragsverletzung wegen der drohenden Verletzung irgendeiner künftigen Vertragspflicht nicht automatisch, dass sofortige Rechtsbehelfe zu gewähren sind. b) Schutz der Dispositionsfreiheit bei hinreichender Gefährdung des Leistungsinteresses Für die Bestimmung der teleologischen Rechtfertigung ist damit zunächst der Blick auf die Befreiungswirkung als Rechtsfolge des Art. 72 CISG erhellend: Die Vertragsaufhebung wegen antizipierten Vertragsbruchs führt zu einer Vertragsumsteuerung und bewirkt so, dass der Gläubiger seine Dispositionsfreiheit wiedererlangt. Für die Legitimation der Norm greift jedoch auch die verbreitete Aussage zu kurz, wonach die Umsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs

162 Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [627]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 74 Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 74 Rn. 12; Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 74 Rn. 5; wohl auch Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 74 Rn. 10. 163 Vgl. die Ausführungen zu Art. 63 des Entwurfs in Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 53; vgl. ferner die Beratungen in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 419. Aus der Rspr. vgl. nur BGH Urt. V. 15.2.1995, VIII ZR 18/94 = NJW 1995, 2101. 164 Lubbe, RabelsZ 68 (2004) 444 [464].

II. Ratio legis und dogmatische Konstruktion

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den Schutz der Dispositionsfreiheit des Gläubigers noch vor Fälligkeit bezweckt.165 Denn allein die aus der Rechtsfolge abgeleitete ratio legis erklärt noch nicht die rechtfertigungsbedürftige Abwägung mit dem schuldnerischen Interesse an der Vertragserhaltung. Damit wird vielmehr allein das Gläubigerinteresse berücksichtigt und die – dogmatisch in Art. 25 CISG beheimatete – Abwägung mit Schuldnerinteressen ausgeklammert. Die Bestimmung des Normzwecks beschreibt lediglich den ersten Schritt teleologischer Interpretation.166 Ähnlich verhält es sich daher, wenn Teile des Schrifttums betonen, Art. 72 CISG sei Ausdruck des Effizienzgedankens, indem die Norm eine frühzeitige Reaktion auf ein drohendes Leistungshindernis erlaubt. Art. 72 CISG würde damit auch dem Schutz gemeinschaftlicher Interessen dienen.167 Allein solche einseitig interessenbezogenen Erwägungen können die Vertragsaufhebung als Selbsthilferecht jedoch nicht legitimieren, sondern treten als mögliche ratio legis nur neben den Schutz der Dispositionsfreiheit des Einzelnen. Hinsichtlich der Legitimation der Vertragsaufhebung wurde bereits die Bedeutung der hinreichend schweren Störung des Synallagmas für die Überwindung der Vertragsbindung dargelegt. Gerade diese Störung rechtfertigt es, den Gläubiger aus dem Pflichtenprogramm zu entlassen, und damit den Schutz der Dispositionsfreiheit höher als Schuldnerinteressen zu gewichten. Bei bloßer Leistungsgefährdung liegt eine solche Störung des Synallagmas zwar noch nicht vor. Es muss aber berücksichtigt werden, dass sich ein Versprechen in Form eines gegenseitigen Vertrags freilich nicht in der Verwirklichung des do ut des zum Fälligkeitstermin erschöpft. Der gegenseitige Vertrag dient darüber hinaus auch der Verwirklichung wirtschaftlicher Entschlüsse und Planungen der Parteien in der Zukunft.168 Die auf dem Konsens der Parteien beruhende169 Vertragsbindung entfaltet eine Zukunftswirkung, die damit der Verwirklichung einer der wichtigsten Funktionen des Leistungsversprechens dient.170 Die Bindungswirkung des Vertrags führt zu einer beiderseitigen Einschränkung der Dispositionsfreiheit bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Dies gilt sowohl für die schuldnerische Leistung als auch für den Einsatz der Mittel des 165 Vgl. Freiburg (2001) S. 165; Trommler (2001) S. 48 f.; Schubert (2016) S. 160 f.; Lohs/Nolting, ZVglRWiss 1998, 4 [25]; BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 72 Rn. 3; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Sanger CISG (2018) Art. 72 Rn. 1; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 1; Brunner/Altenkirch (2014) CISG Art. 72 Rn. 1; Schott (1992) S. 2; Leser, in: FS Wolf (1985) S. 373 [375]. 166 Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 78 IV; vgl. ferner Larenz, Methodenlehre (1979) S. 322 ff. 167 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 4; ferner zu den Parallelregelungen der Unidroit Principles, Saidov, Uniform Law Review 2006, 795 [798 f.]. Zu einer ökonomischen Analyse des Art. 72 CISG, vgl. Steinmetzler (2001) S. 209 ff. 168 Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [654]. 169 Grundlegend Flume, BGB AT II § 34 zum BGB und U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413 [445 f.] zum UN-Kaufrecht. 170 Lorenz, in: FS Wolfsteiner (2008) S. 121 [121].

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Gläubigers.171 Damit ist die bereits vor Fälligkeit bestehende vertragliche Bindung eine wirtschaftliche Ressource mit wirtschaftlichem Gegenwert.172 Die Beeinträchtigung dieses der Einschränkung der Dispositionsfreiheit beigemessenen wirtschaftlichen Gegenwerts bereits durch die Gefährdung des Äquivalenzverhältnisses erlaubt es letztlich, bereits dort eine Vertragsaufhebung zuzulassen. Da der Wert einer Leistung ganz entscheidend durch die Wahrscheinlichkeit bestimmt wird, die Leistung wie versprochen zu erhalten, entspricht die Leistung bereits gegenwärtig nicht mehr dem subjektiven Äquivalenzverhältnis. Das schuldnerische Interesse an der Aufrechterhaltung der Vertragsbindung ist nicht mehr schützenswert. Die Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht widerspräche wegen der aktuellen Leistungsgefährdung der austauschenden Gerechtigkeit.173 Eine die Unzumutbarkeit begründende Legitimation, ab wann der Schutz der Dispositionsfreiheit in Abweichung zum Prinzip des pacta sunt servanda bereits gegenwärtig zu gewähren ist, liefert dabei erst die mit dem Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit umschriebene Prognoseabhängigkeit. Denn mit dem Offensichtlichkeitskriterium wird nicht mehr und nicht weniger als die Sachfrage geklärt, ob bereits eine Vorverlagerung des Schutzes der Dispositionsfreiheit erfolgen kann.174 Demgegenüber behält das Kriterium der wesentlichen Vertragsverletzung nach Art. 25 CISG die Alleinzuständigkeit für die Feststellung einer hinreichend schweren Vertragsverletzung – wann also der Schutz der Dispositionsfreiheit das Vertragserhaltungsinteresse des Schuldners überwiegt. Denn nur dort, wo offensichtlich eine Vertragsverletzung droht, die bei ihrem Eintritt zur Berechtigung der Vertragsaufhebung führen würde, wäre das Äquivalenzverhältnis hinreichend gestört. 2. Ratio legis und der Wandel der dogmatischen Konstruktion des Rücktritts wegen antizipierter Vertragsverletzung im BGB durch die Schuldrechtsmodernisierung Trotz des Rekurses auf die frühere Rechtslage in den Materialien kommt bei der Vorschrift des § 323 IV BGB kaum zum Ausdruck, dass im früheren Schuldrecht die Erfüllungsverweigerung im Mittelpunkt der Betrachtung einer vorweggenommenen Vertragsverletzung stand. Demgegenüber sah U. Huber in seinem Gutachten zur Einführung eines Leistungsstörungsrechts in § 326 b des Modellentwurfs noch ein differenzierteres Konzept vor: „Ist bei einem gegenseitigen Vertrag die Leistung des Schuldners [1] unmöglich, oder [2] weigert der Schuldner sich ernstlich und endgültig, die Leistung in der durch den Vertrag 171

Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [655.] Vgl. Mustill, in: Butterworth Lectures 1989–90 (1990) S. 45. 173 Vgl. parallel zu § 323 IV BGB, Mossler, ZIP 2002, 1831 [1834 dort Fn. 9]. 174 Vgl. oben Schlechtriem, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) S. 159 [170]. 172

II. Ratio legis und dogmatische Konstruktion

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vorgesehenen Weise zu erbringen, oder ist [3] aus sonstigen Gründen offensichtlich, daß der Schuldner die Leistung nicht bewirken wird, so ist der Gläubiger, auch vor Fälligkeit seiner Forderung und ohne Setzung einer Nachfrist, zum Rücktritt berechtigt.“175

Die Erfüllungsverweigerung wurde dort parallel zur Unmöglichkeit als eigenständiger und von der Fälligkeit unabhängiger Störungstatbestand ausgewiesen und von sonstigen Gefährdungen der Leistung ausgeklammert. Nur bei diesen sonstigen Gründen sollte es darauf ankommen, ob das künftige Ausbleiben der geschuldeten Leistung offensichtlich ist. Dies traf wiederum zu, wenn aller Voraussicht nach auszuschließen ist, dass der Schuldner innerhalb einer hypothetischen Nachfrist – der Vorschlag plädierte für ein dem heutigen § 323 I BGB entsprechendes Nachfristsetzungsmodell – sein Leistungsvermögen zurückgewinnen wird.176 Der Reformgesetzgeber hat dem bei der Schaffung des § 323 IV BGB nur teilweise entsprochen. Selbst von der Entlehnung an den differenzierenden Art. 72 CISG blieb nur ein verkürzter Tatbestand übrig. Denn ohne weitergehende Differenzierung gewährt § 323 IV BGB ein Rücktrittsrecht schlicht dann, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Damit scheint der Gesetzgeber prima facie von dem selbst gesteckten Ziel der Positivierung anerkannter Rechtsgrundsätze abzurücken. Denn im Tatbestand des § 323 IV BGB findet sich ausdrücklich weder die vorzeitige Erfüllungsverweigerung wieder noch – in Anlehnung an die positive Vertragsverletzung – die Zumutbarkeit am Vertrag festzuhalten. Gerade vor dem Hintergrund dieser Ambivalenz gesetzgeberischer Bestrebung und tatsächlicher Umsetzung bedarf es einer näheren Konturierung der teleologischen Rechtfertigung des § 323 IV BGB unter Berücksichtigung des positivierten Tatbestands der Norm. a) Prognoseabhängigkeit des Rücktritts wegen drohender Vertragsverletzung – Verabschiedung von der gegenwärtigen (positiven) Vertragsverletzung Ohne Berücksichtigung der dogmatischen Konstruktion des § 323 IV BGB wird heute in unübersehbarer Nähe zur positiven Vertragsverletzung von Teilen des Schrifttums wegen der mit der Erfüllungsverweigerung verbundenen Verletzung von Leistungstreuepflichten die Verwandtschaft zu § 324 BGB behauptet.177 Wegen der Einordnung dieser Pflichten als Ausfluss des in § 242

175

U. Huber, Gutachten (1981) S. 838 [Ziffern eingefügt durch Verf.]. U. Huber, Gutachten (1981) S. 839. 177 Ramming, ZGS 2002, 412 [416]; Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [231]; Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [916]; Emmerich, Leistungsstörungen (2005) § 22 Rn. 9 einerseits und Rn. 13 andererseits. Ähnlich Kindl, WM 2002, 1313 [1321 f.], der die vorzeitige Erfüllungsverweigerung mal in § 323 IV BGB verortet und mal als „Konsequenz“ eines auf § 282 BGB gestützten Schadensersatzanspruchs in § 324 BGB. Zu § 282 BGB, vgl. OLG 176

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

BGB verankerten Gebots von Treu und Glauben in seiner Konkretisierungsund Ergänzungsfunktion wird die Erfüllungsgefährdung damit in die Nähe des Rücktritts wegen einer Verletzung von Nebenpflichten gerückt.178 Wiederum andere Autoren lassen deshalb die dogmatische Einordnung des § 323 IV BGB bewusst offen und betonen den Charakter einer „Zwitternorm“.179 Auch die Materialien zu § 323 IV BGB beschränken sich darauf, dass die „dogmatische Grundlage der Rechtsbehelfe bei diesem sog. vorweggenommenen Vertragsbruch […] streitig [ist]; überwiegend wird – vor allem im Fall der ernsthaften Erfüllungsweigerung – darin eine positive Forderungsverletzung gesehen.“180 Dementsprechend erblickt auch das Schrifttum das Telos des § 323 IV BGB schlicht darin, dass ein Zuwarten dem Gläubiger nicht zumutbar sei, sofern der Eintritt der Vertragsverletzung offensichtlich ist.181 Daran anlehnend deutet ein Nichtannahmebeschluss des BGH jüngeren Datums eine Spiegelung des § 323 II Nr. 3 BGB in § 323 IV BGB an, wobei die entscheidende Weichenstellung allein durch die Fälligkeit bedingt werde. Der BGH führt hierzu aus, „der Besteller kann ohne Fristsetzung vom Vertrag sofort zurücktreten, wenn die Fortsetzung des Vertrags auch unter Berücksichtigung des Interesses des Unternehmers an der Vertragserfüllung für ihn unzumutbar ist. Ist die Leistung fällig, ergibt sich das aus § 323 II Nr. 3 BGB. […] Ist die Leistung nicht fällig, ergibt sich das Rücktrittsrecht aus § 323 IV BGB.“182

Während über die dogmatische Konstruktion des Rücktritts vor Fälligkeit im früheren Recht Unklarheit herrschte, stellt der Tatbestand des § 323 IV nun allerdings unmissverständlich auf den prognostizierten Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen und damit eine künftige Vertragsverletzung ab. Die zusätzliche Annahme einer gegenwärtigen Verletzung einer Leistungs(treue)pflicht zur Herbeiführung der sich aus § 323 BGB ergebenden Rechtsfolgen ist ein überflüssiger Kunstgriff, mit dem unausgesprochen an der Figur der positiven Vertragsverletzung festgehalten wird, wofür seit Schaffung des § 323 IV BGB kein weiterer Bedarf besteht. Das wird verschleiert, wenn § 323 IV BGB darauf Hamm NJW-RR 2013, 1136 [1138]; beschränkt auf die Erfüllungsverweigerung, Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130. 178 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 134 dort Fn. 253; ausführlich zur Behandlung von Leistungstreuepflichten, Weller (2009) passim. Zu den Funktionskreisen des § 242 BGB, Stürner (2010) S. 390 f. 179 Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [916]. 180 BT-Drucks. 14/6040, 186. 181 Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [916]; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 6; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 159; Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 15 Rn. 34. 182 BGH Beschl. v. 8.5.2008, VII ZR 201/07 = NJW-RR 2008, 1052 [1053] [Herv. d. Verf.]; diese Aussage ist freilich unter Berücksichtigung der Neufassung des § 323 II Nr. 3 BGB problematisch, wenn dort die Nichtleistung nicht weiter erfasst wird, vgl. DaunerLieb/Langen/Dauner-Lieb/Dubovitskaya (2016) BGB § 323 Rn. 33.

II. Ratio legis und dogmatische Konstruktion

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beruhe, „dass manche Handlungsweisen des Schuldners, die das Bevorstehen einer Vertragsverletzung als offensichtlich erscheinen lassen, ihrerseits bereits als Pflichtverletzungen gewertet werden können.“183 Das ist nicht von der Hand zu weisen und tatsächlich mag zwar bei einer Erfüllungsverweigerung wegen der Negierung der Vertragspflicht eine gegenwärtige Vertragsverletzung angenommen werden. Jedoch lässt sich dies nicht auf sonstige Leistungsgefährdungen übertragen, die nicht per se die Verletzung eines impliziten Versprechens über die Leistungstreue darstellen, welche die Folgen des Rücktritts rechtfertigt.184 Schließlich trifft die bloße Annahme, dass die offensichtlich drohende Vertragsverletzung ihrerseits eine Pflichtverletzung bedeuten kann, keine Aussage über die Angemessenheit der Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung. Wenn sonstige Leistungsgefährdungen „wie eine Unmöglichkeit behandelt“ werden sollen, handelt es sich auch dabei um „keine Erklärung, sondern nur eine Formulierung des gewünschten Ergebnisses.“185 Bei der Leistungsgefährdung selbst handelt es sich damit allein um die für § 323 IV BGB erforderliche Prognosegrundlage, wobei das Bestehen des Rücktrittsrechts von der darauf basierenden Prüfung der Voraussetzungen des Rücktritts abhängt, weil das Gesetz dort die erforderliche Interessenabwägung trifft. Es stimmt daher nicht, dass „§ 323 IV BGB keine Interessenabwägung vorsieht.“186 Diese wird vielmehr mit Hilfe der Prognoseabhängigkeit zwingend vorausgesetzt. Bloß weil für die Gefährdungsbewertung zur Herbeiführung der Rechtsfolgen ex ante der Blick auf eine künftige Vertragsverletzung zwingend ist, bedeutet dies indessen nicht, dass letztere dergestalt in die Gegenwart projiziert wird, dass sich die Vertragsgefährdung in eine Vertragsverletzung verwandeln würde. Die gegenwärtige Erfüllungsgefährdung als „eigenständiger Störungstatbestand“187 beschreibt nicht mehr und nicht weniger als eine Situation noch vor Fälligkeit, bei der Umstände den prognostizierten Schluss erlauben, die Leistungspflicht werde nicht erfüllt werden.188 Dogmatisch wird der Rücktritt damit nicht an eine gegenwärtige Pflichtverletzung geknüpft.189

183

Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 11. Vgl. Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 134; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 213. 185 So bereits Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 385. 186 So aber Temming, JA 2018, 1 [6]. 187 BGHZ 193, 315 Rn. 20; Weidt (2008) S. 107 und 233; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 134; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130. 188 Vgl. Rodemann/Schwenker, ZfBR 2012, 627 [628] (= Anm. zu BGHZ 193, 315). 189 Weidt (2008) S. 107. 184

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b) Teleologische Rechtfertigung des Rücktritts nach § 323 IV BGB Der teleologischen Rechtfertigung des Rücktritts wegen Erfüllungsgefährdung im BGB wird ähnlich zu Art. 72 UN-Kaufrecht bis heute nur wenig Beachtung geschenkt.190 Dies verleitet mancherorts dazu, § 323 IV BGB vorschnell den Stempel einer „reinen Billigkeitserwägung“191 aufzudrücken. Die Gesetzesbegründung beschränkt sich insofern auf den Zweck der Norm „ein unzumutbares Abwarten des Fälligkeitszeitpunktes zu vermeiden.“192 Diese die Unzumutbarkeit bereits voraussetzenden Annahme bleibt jedoch eine Antwort schuldig, warum die weitere Bindung an das Schuldverhältnis der Aufrechterhaltung des als gerecht verstandenen Austauschverhältnisses widerspricht.193 Die Annahme der Unzumutbarkeit ist das Ergebnis jener Betrachtung und kann nicht zugleich deren Begründung sein. Insofern können jedoch die zu Art. 72 CISG gefundenen Ergebnisse fruchtbar gemacht werden: In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass der Schutz der Dispositionsfreiheit das Interesse des Schuldners an der Vertragsbindung überwiegt, wenn der künftige Eintritt der Voraussetzungen der Vertragsauflösung offensichtlich ist.194 Unzumutbar ist die Aufrechterhaltung der vertraglichen Bindung gerade deshalb, weil der Gläubiger trotz der offensichtlich künftigen Vertragsstörung und damit entgegen der Vertragsäquivalenz mit dem weiteren Vorhalten der Gegenleistung belastet und in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt wird. Dies widerspricht der dem bindenden Versprechen zugrundeliegenden subjektiven Wertrelation,195 weil der Wert einer Leistung ganz entscheidend auch durch die Wahrscheinlichkeit bestimmt wird, die Leistung wie versprochen zu erhalten.196 Führt eine Prognose deshalb dazu, dass die Leistung wertmäßig bereits gegenwärtig nicht mehr dem subjektiven Äquivalenzverhältnis entspricht, widerspricht auch die Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht der austauschenden Gerechtigkeit.197 190

Vgl. zu diesem Befund nur Hager, in: FS Schwenzer (2011) S. 681 [681]. So Weiss, NJW 2014, 1212 [1214]. 192 BT-Drucks. 14/6040, 186. 193 Anschaulich zur fehlenden Tauglichkeit des Zumutbarkeitskriteriums, Treichel (2010) S. 189 ff., der mit der „Unzumutbarkeit anhand umfassender Interessenabwägung“ zur Bestimmung der ratio legis des § 323 BGB Aspekte der Risikotragung, der Pflichtverletzung, des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und ökonomische Elemente vermengt sowie im krassen Widerspruch zum geltenden § 323 BGB selbst das Vertretenmüssen der Pflichtverletzung durch den Schuldner für relevant hält, Treichel (2010) S. 194. 194 Schubert (2016) S. 160 f.; BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 72 Rn. 3; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Sanger CISG (2018) Art. 72 Rn. 1; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 1; Brunner/Altenkirch CISG (2014) Art. 72 Rn. 1; Schott (1992) S. 2; Leser, in: FS Wolf (1985) S. 373 [375]. 195 Vgl. bereits bei den teleologischen Grundlagen, Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 15 I; Arnold (2014) S. 44. 196 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1834 dort Fn. 9]. 197 Vgl. ferner zu einer ökonomischen Analyse der Rücktrittsrechte, Dastis (2017) S. 68 ff. Wenn Riha (2007) S. 246 ff. den Rücktritt im Gegensatz zu „kompensatorischen 191

II. Ratio legis und dogmatische Konstruktion

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c) Exkurs: Richtlinienkonformität des § 323 IV BGB Die mit der Schuldrechtsmodernisierung geschaffene Norm des § 323 IV BGB sah sich seitdem keinen äußeren Einflüssen ausgesetzt. Während die Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU aufgrund der in Art. 4 der Richtlinie angeordneten Vollharmonisierung für Fälle der Nichtlieferung zu der Änderung von § 323 II Nr. 2 und 3 BGB zum 13.6.2014 führte, blieb § 323 IV BGB von den Änderungen verschont. Dabei ist die Vereinbarkeit eines Rücktrittsrechts vor Fälligkeit wegen drohender Nichtleistung alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Denn der insoweit maßgebliche Art. 18 der VRRL sieht ein solches Rücktrittsrecht nicht vor. Die Norm statuiert vielmehr abschließend allein Ausnahmen von dem zwingenden Fristerfordernis im Falle der Nichtlieferung. Zudem bezieht sich Art. 18 IV VRRL ersichtlich nur auf von dem Rücktritt zu unterscheidende „zusätzliche“ Rechtsbehelfe. Die Vereinbarkeit von § 323 IV BGB mit der Verbraucherrechterichtlinie erscheint deshalb prima facie zweifelhaft.198 Denn indem Art. 18 der VRRL keine entsprechende Ausnahme vorsieht, scheint die Richtlinie davon auszugehen, als müsste es der Verbraucher auf eine zum Scheitern verurteilte Nichtlieferung ankommen lassen.199 Eine Abweichung hiervon selbst zu Gunsten des Verbrauchers wäre dann wegen des Vollharmonisierungscharakters nicht möglich, Art. 4 VRRL. Demgegenüber wurde bereits im Zusammenhang mit der auf § 242 BGB gestützten extensiven Auslegung des § 323 II Nr. 3 BGB im Falle der Nichtlieferung ausgeführt, dass abweichend von Art. 18 VRRL immerhin dort eine Ausnahme von dem Fristerfordernis zuzulassen ist, wo sich die Berufung des Schuldners auf den fehlenden Fristablauf als rechtsmissbräuchlich darstellt.200 Das Verbot rechtsmissbräuchlichen Verhaltens gilt als gemeinsames Prinzip des europäischen Privatrechts auch für die Auslegung privatrechtlicher Normen im Lichte von Richtlinien.201 Dies hat der EuGH jüngst bestätigt, als er der Praxis des sog. AGG-Hoppings – wo Zugang zu einer Beschäftigung gesucht wird, nur um den Status als Bewerber zu erreichen

Rechtsbehelfen“ als Mittel der (Re-)Allokation beschreibt, weil es dort darum gehe, „ob der Käufer die Sache behält oder nicht“, wird die ökonomische Analyse freilich von vornherein auf einen bereits erfolgten Austausch zugespitzt. 198 Krit. äußert sich dazu soweit ersichtlich allein Weiss, NJW 2014, 1212 [1215], wonach „§ 323 IV BGB innerhalb des Anwendungsbereichs der Verbraucherrechtrichtlinie richtlinienkonform zu reduzieren“ sei. Allerdings scheint er sich auf Fälle der Anwendbarkeit des § 323 IV BGB nach Fälligkeit zu beschränken, die richtigerweise ohnehin abzulehnen ist, vgl. dazu sogleich. 199 Vgl. auch Schmitt, VuR 2014, 90 [96 f.]. 200 Vgl. zum „Auffang“-Tatbestand des § 323 II Nr. 3 BGB, Kap. 2 III. 3. a) bb). 201 Ausführlich dazu, Schmidt-Kessel, in: JbJZivRWiss (2001) S. 61 [67 ff.]; speziell zu § 323 II Nr. 3 BGB vgl. Riehm, NJW 2014, 2065 [2069]; Schmitt, VuR 2014, 90 [96]; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. A 53.

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und Entschädigungsansprüche des AGG geltend machen zu können202 – einen Riegel vorschob mit der Begründung, dass sich niemand in „missbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Union berufen“ darf.203 Es erscheint allerdings ebenso rechtsmissbräuchlich, einen Gläubiger zum Abwarten des in Art. 18 I VRRL vorgesehenen Liefertermins anzuhalten, wenn offensichtlich ist, dass dieser nicht eingehalten wird und der Gläubiger in Folge dessen nach Art. 18 II VRRL vom Vertrag zurücktreten könnte. Eine weitere Einschränkung der Dispositionsfreiheit ginge dann ohne innere Rechtfertigung einseitig zu Lasten des Gläubigers. Das bedeutet übertragen auf § 323 IV BGB, dass sich der unternehmerische Schuldner gegenüber dem Verbraucher nicht darauf berufen kann, er habe noch nicht geliefert, obwohl dies offensichtlich nicht erfolgen wird. § 323 IV BGB ist damit richtlinienkonform und auch im B2C-Geschäftsverkehr anwendbar.204

III. Die Prognoseanforderungen – der durch das Offensichtlichkeitskriterium geforderte Wahrscheinlichkeitsgrad III. Prognoseanforderungen

Die Frage der dogmatischen Konstruktion der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs wurde vorstehend dahingehend beantwortet, dass in Abhängigkeit von der auf eine Prognose gestützten Bewertung einer künftigen Vertragsverletzung der Schutz der Dispositionsfreiheit des Gläubigers gewährleistet wird. Der Annahme einer gegenwärtigen Vertragsverletzung bedarf es nicht. Zwar führt dieses Ergebnis zu der Erkenntnis, dass eine Vertragsumsteuerung im Vorfeld der Fälligkeit von contra legem gewonnenen Zumutbarkeitserwägungen zu befreien ist, doch bleibt die Frage, ob die Gefährdung der Leistung zugleich eine Vertragsverletzung in der Gegenwart begründet, vordergründig eine rein akademische Diskussion. Treffend hat daher bereits Schlechtriem zu Art. 72 CISG darauf hingewiesen, dass die praktisch relevante und deshalb auch allen Begründungsansätzen gemeinsame Sachfrage vielmehr ist, wie sicher der Eintritt der künftigen Vertragsverletzung ist.205 Schließlich erfüllt die Formulierung des Prognosemaßstabs die gemeinsame Funktion der Bestimmung des für die Vorverlagerung des Vertragsumsteuerungsrechts erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrads. 202 Vgl. die Vorlagefrage in BAG Beschl. v. 18.6.2015, 8 AZR 848/13 = NZA 2015, 1063 [1064]. 203 EuGH, C-423/15, ECLI:EU:C:2016:604 (Kratzer) Rn. 42. Hinsichtlich einer weiteren Konturierung hielt sich der EuGH bedeckt. Es sei „Sache des nationalen Gerichts, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts […] festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens im Ausgangsverfahren erfüllt sind.“ 204 Ähnlich Schmitt, VuR 2014, 90 [97]. 205 Schlechtriem, in: Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) S. 159 [170].

III. Prognoseanforderungen

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Mit Blick auf den Prognosemaßstab fordert Art. 72 I CISG, dass schon vor dem für die Vertragserfüllung festgesetzten Zeitpunkt der spätere Eintritt einer wesentlichen Vertragsverletzung „offensichtlich“ ist (amtl.: „it is clear“/„il est manifeste“). Dabei ist stets auf die Sicht eines objektiven Beobachters abzustellen.206 Dies folgt bereits aus dem aus Art. 8 II CISG ableitbaren Grundgedanken.207 Mit dem Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit orientiert sich § 323 IV BGB unübersehbar an Art. 72 I CISG. Als das für den Rücktritt wegen antizipierter Vertragsverletzung konstituierende Begriffsmerkmal bezieht sich die Norm dabei auf den späteren Eintritt der in § 323 I BGB normierten Rücktrittsvoraussetzungen.208 Erforderlich ist demnach eine entsprechende Prognose, wobei die zu Art. 72 CISG entwickelten Maßstäbe eine Orientierungshilfe hinsichtlich der Prognoseanforderungen bieten.209 Schließlich nimmt die Gesetzesbegründung zum Entwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hierauf explizit Bezug.210 Mit Blick auf die Bewertungsperspektive fehlt zwar eine Art. 8 II CISG vergleichbare Regelung. Auch die §§ 133, 157 BGB passen insofern nicht, nachdem abgesehen von der Erfüllungsverweigerung kein Erklärungsverhalten den Prognosegegenstand bildet. Jedoch folgt bereits aus der Formulierung „offensichtlich“ selbst, dass die der Prognose zugrundeliegenden Umstände objektiv zu würdigen sind.211 1. Subsumtionsuntauglichkeit infolge des offenen Wortlauts Durch die in der amtlichen Fassung getroffene Wortwahl „it is clear“ bzw. „il est manifeste“ wird zunächst klar, dass im UN-Kaufrecht einerseits eine sehr hohe und naheliegende Wahrscheinlichkeit gefordert wird.212 Sie soll „allgemein einleuchten“.213 Andererseits soll eine darüber hinausgehende und an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nach ganz überwiegender Auffassung nicht erforderlich sein.214 Zwar ließe der Wortlaut der Norm – speziell in der 206

Fogt, ZVglRWiss 2016, 200 [255]; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 10; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 7. 207 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 15. 208 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 135. 209 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1832]; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 220. 210 BT-Drucks. 14/6040, 186. 211 Vgl. Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 136. 212 LG Krefeld Urt. v. 28.4.1993, 11 O 210/92 = CISG-online No. 101; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 257; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 5; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 9. 213 LG Berlin Urt. v. 30.9.1992, 99 O 123/92 = CISG-online No. 70. 214 LG Berlin Urt. v. 30.9.1992, 99 O 123/92 = CISG-online No. 70; Huber/Mullis, CISG (2007) S. 345; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 15; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 7; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 4.

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maßgeblichen amtlichen Fassung – eine solche Auslegung zu. Allerdings ist das Absehen von diesen strengen Anforderungen freilich zum einen dem pragmatischen Umstand geschuldet, dass dem Gläubiger der Beweis an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kaum gelingen wird. Zum anderen ergibt die nach Art. 72 II CISG mögliche Sicherheitengewähr dort, wo der Eintritt der wesentlichen Vertragsverletzung in letzter Gewissheit feststeht, keinen Sinn mehr.215 Umgekehrt lässt sich der Begriff jedoch auch mit der Forderung „sehr hoher und naheliegender Wahrscheinlichkeit“ kaum näher eingrenzen.216 Kaum anders verhält es sich im Zusammenhang mit § 323 IV BGB. Der Begriff „offensichtlich“ kann den Norminterpreten ebenfalls allein zu einem strengen Bewertungsmaßstab anhalten.217 Der als Summe von Indizien zu verstehende und deshalb quantitativ geprägte Begriff „offensichtlich“ und dessen Äquivalente der amtlichen Fassungen des UN-Kaufrechts bereiten deshalb Schwierigkeiten bei der Auslegung, weil den Begriffen eine Unbestimmtheit im Sinne eines Mehr-oder-Weniger bereits tatbestandlich innewohnt. Dadurch kann die Prognose zwar den unverzichtbaren Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werden.218 Ein semantisch interpretierbarer Tatbestand, der eine trennscharfe Subsumtion im Sinne eines Entweder-Oder erlaubt, lässt sich allein gestützt auf den Wortlaut jedoch kaum bestimmen.219 Letztlich lässt sich daraus lediglich ableiten, dass bei der Prognose ein strenger Maßstab anzulegen ist. Vor diesem Hintergrund können auch die folgenden Ausführungen nur zu einer näheren Eingrenzung und Quantifizierung der Indizien betragen. 2. Eingrenzung basierend auf systematischen Erwägungen a) Das normative Umfeld im CISG Im systematischen Vergleich unterscheidet sich das Prognoseerfordernis des Art. 72 CISG von dem des Art. 71 CISG. Letztere Norm gewährt ein Aussetzungsrecht, wenn sich nach Vertragsschluss herausstellt, dass die andere Partei einen wesentlichen Teil ihrer Pflichten nicht erfüllen wird. Dort wird mit Blick auf die weniger einschneidende Rechtsfolge des bloß vorläufigen Rechtsbehelfs lediglich eine beträchtliche oder hohe Wahrscheinlichkeit für ausreichend

215 Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [25]; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 7. 216 So auch Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 72 Rn. 4; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 15. 217 Für eine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, OLG Brandenburg Urt. v. 27.4.2016, 4 U 153/14 = BeckRS 2016, 09264 Rn. 71. 218 Saidov, Uniform Law Review 2006, 795 [805]. 219 Vgl. dazu Röhl/Röhl, Rechtslehre (2008) § 78 II.

III. Prognoseanforderungen

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erachtet.220 Bereits bei den Beratungen zu Art. 63 des UNCITRAL-Entwurfs stand neben der Notifizierungspflicht die Formulierung der Evidenzschwelle des späteren Art. 72 CISG im Vergleich zu Art. 62 des Entwurfs und damit dem späteren Art. 71 CISG im Vordergrund.221 Von Relevanz ist hier weniger die Diskussion, ob „it is clear“/„il est manifeste“ sprachlich eine höhere Gewissheit fordert, als die Frage, ob dies auch tatsächlich im Vergleich zu „it becomes apparent“/„il apparaît“ – wie es Art. 62 des Entwurfs und der spätere Art. 71 CISG verlangen – gefordert werden sollte.222 Nach heute wohl unumstrittener Auffassung liegen die Anforderungen an den Grad der Wahrscheinlichkeit bei Art. 72 CISG über denen des Art. 71 CISG.223 Dieser Befund wurde unter Berücksichtigung der Entwurfsberatungen nur vereinzelt in Zweifel gezogen.224 Schließlich ergibt sich daraus sehr wohl, dass die Vertragsverletzung bei Art. 72 CISG mit größerer Sicherheit bevorstehen soll als nach Art. 71 CISG. Denn dort wurde ausdrücklich klargestellt, dass die Einfügung der Worte „it is clear“ im späteren Art. 71 CISG dazu führen würde, dass kein Unterschied mehr zur Norm des späteren Art. 72 CISG bestünde. Es sollte für eine Partei leichter sein, die Vertragspflicht temporär zu suspendieren, als den Vertrag endgültig aufzuheben.225 Vor diesem Diskussionshintergrund wurde zur Erreichung der systematischen Abstufung der unterschiedliche Wortlaut beibehalten. 220 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 600; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 71 Rn. 4; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 71 Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 22 ff.; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 71 Rn. 10. 221 Vgl. United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 419 und 431. Vgl. ferner Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht (1981) S. 88 f. 222 Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht (1981) S. 88. 223 UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods 2016 Ed. p. 324; Bridge, J.L.C. 2005, 405 [415]; Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [24]; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 257; Huber/ Mullis, CISG (2007) S. 345; Liu, in: International Sales Law (2016) § 18 Rn. 39; Trommler (2001) S. 49; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 4; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 5; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 72 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 15; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 4; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 9; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 7; Brunner/Altenkirch (2014) CISG Art. 72 Rn. 5. 224 In diese Richtung soweit ersichtlich lediglich Herber/Czerwenka (1991) CISG Art. 72 Rn. 2; ähnlich Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht (1981) S. 89; dagegen aber Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 613 dort Fn. 455. 225 Strub, Int&Comp.L.Q. (1989), 475 [494]; vgl. ferner die amerikanischen und norwegischen Diskussionsbeiträge Honnolds und Rognliens bei den Beratungen des 37. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 432.

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Daneben herrscht mit Blick auf den allein für Sukzessivleistungen geltenden Art. 73 II CISG Einigkeit, dass bei Art. 72 CISG höhere Anforderungen gelten.226 So genügt i. R. d. Art. 73 II CISG basierend auf der bereits teilweisen Nichterfüllung ein „triftiger Grund“ zur Annahme einer wesentlichen Vertragsverletzung in Bezug auf die künftige Sukzessivleistung (amtl.: „good grounds to conclude“/„sérieuses raisons de penser qu’il y aura“).227 Anders als bei Art. 72 CISG liegt im Zusammenspiel mit der Nichterfüllung einer eine Teillieferung betreffenden Pflicht eine gesichertere Prognosebasis vor.228 Die bereits eingetretene Vertragswidrigkeit erschüttert das Vertrauen in die künftige Erfüllung. Diese Prognosebasis fehlt bei der nach Art. 72 CISG erforderlichen Betrachtung einer einzelnen künftigen Leistung im Rahmen eines Vertragsverhältnisses und deshalb hat dort ein strengerer Maßstab zu gelten.229 Daneben wird in systematischer Hinsicht angeführt, ein strenger Prognosemaßstab sei anzulegen, damit etwaige Nacherfüllungsrechte aus Artt. 34 S. 2 und 37 CISG nicht unterlaufen werden.230 Danach behält der Verkäufer auch bei vorzeitiger Dokumentenübergabe oder Lieferung ein Recht zur Nacherfüllung, soweit dies für den Käufer nicht „unzumutbare Unannehmlichkeiten oder unverhältnismäßige Kosten verursacht.“ In diesen Einschränkungen liegt letztlich auch die Kernaussage dieser Normen begründet, da noch vor dem Lieferzeitpunkt weniger das Bestehen eines Mängelbeseitigungsrechts als die Bestimmung dort geltender Grenzen einer Regelung bedarf. Schließlich muss dem Schuldner jedenfalls vor dem Liefertermin grundsätzlich die Mängelbeseitigung offen stehen.231 Zwar wird das aus Artt. 34 S. 2 und 37 CISG resultierende Nacherfüllungsrecht anders als das des Art. 48 CISG dabei nicht ausdrücklich unter den Vorbehalt einer Vertragsaufhebung gestellt.232 Dennoch

226 Vgl. nur Liu, in: International Sales Law (2016) § 18 Rn. 54; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 72 Rn. 4; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 12. 227 Deshalb geht Art. 73 CISG dort vor, wo ein Sukzessivlieferungsvertrag vorliegt, vgl. UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods 2016 Ed. p. 324; Højesteret [DK] Urt. v. 17.10.2007, U2008.181H = CISG-online No. 2014. 228 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 12. 229 Allerdings ähnelt die zu Art. 72 CISG ergangene Judikatur dort Art. 73 II CISG, wo bei laufenden Geschäftsbeziehungen frühere Vertragsverletzungen im Rahmen der nach Art. 72 CISG anzustellenden Prognose mitberücksichtigt werden, vgl. etwa OLG Düsseldorf Urt. v. 14.1.1994, 17 U 146/93 = CISG-online No. 119; United States District Court, Southern District of New York Urt. v. 29.5.2009, 08 Civ. 1587 = CISG-online No. 1892. 230 So etwa Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 9; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 7; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 5. 231 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 37 Rn. 3. 232 Vgl. hierzu bereits das Kapitel zur Dogmatik der Vertragsumsteuerung bei eingetretener Vertragsverletzung.

III. Prognoseanforderungen

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verbleibt daneben nach unumstrittener Auffassung die Möglichkeit einer Vertragsaufhebung gestützt auf Art. 72 CISG.233 Die Normen stehen damit einerseits nicht in einem Exklusivitätsverhältnis dergestalt, dass eine Vertragsaufhebung nur in Betracht käme, wenn die Zumutbarkeitsgrenzen der Artt. 34 S. 2 und 37 CISG überschritten werden. Als Regulativ muss jedoch andererseits der Prognosemaßstab des Art. 72 CISG der in Artt. 34 S. 2 und 37 CISG getroffenen Abwägungsentscheidung gerecht werden, wonach eine Nacherfüllung bei vorzeitiger Lieferung im Sinne des favor contractus grundsätzlich möglich sein soll. b) Die Prognoseabstufung in §§ 321 und 323 IV BGB In systematischer Hinsicht lässt sich – wiederum parallel zu Artt. 71 und 72 CISG – eine Abstufung des Wahrscheinlichkeitsgrads zu § 321 I BGB erkennen. Das Bestehen der Unsicherheitseinrede wird dort davon abhängig gemacht, dass die mangelnde Leistungsfähigkeit „erkennbar wird“. Dafür genügt zwar nicht der bloße „Anschein einer Gefährdung der Gegenleistung.“234 Demgegenüber liegt eine Gefährdung im Sinne des § 321 I BGB jedoch bereits vor, „wenn nach vernünftigem Ermessen zu befürchten ist, die Gegenpartei werde zur vertragsgemäßen Bewirkung der Gegenleistung außerstande sein.“235 Vergleichbar zu der im UN-Kaufrecht zu Artt. 71 und 72 CISG geführten Diskussion236 wird insofern zutreffend ausgeführt, dass § 321 I BGB im Gegensatz zur § 323 IV BGB nur zu einer vorübergehenden Einbehaltung der Leistung berechtigt, sodass für die den Schuldner stärker belastende endgültige Abstandnahme vom Vertrag ein höherer Wahrscheinlichkeitsgrad zu fordern ist.237 3. Die Offensichtlichkeit im Lichte des Normzwecks a) Prognoseabhängigkeit von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG Mit Blick auf das Telos von Art. 72 CISG wurde bereits ausgeführt, dass nur in Abhängigkeit von dem späteren Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung die Vertragsbindung überwunden werden kann.238 Die Offensichtlichkeit verkörpert dieses Abhängigkeitsverhältnis. Damit dies gewahrt bleibt, 233 Vgl. nur Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll CISG (2018) Art. 37 Rn. 21; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 37 Rn. 15; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 37 Rn. 16 alle m. w. N. 234 BT-Drucks. 14/6040, 179. 235 Staudinger/Schwarze (2015) § 321 BGB Rn. 45. 236 Vgl. nur UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods 2016 Ed. p. 324. 237 Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [229]; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 136; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130. 238 Vgl. die Ausführungen zum Telos des Art. 72 CISG basierend auf einer künftigen Vertragsverletzung, Kap. 4 II. 1.

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muss gestützt auf eine teleologische Auslegung bei der Prognose ein strenger Maßstab gelten. Dies lässt sich auch auf § 323 IV BGB übertragen.239 Der Reformgesetzgeber hat sich zur Beurteilung, wann eine künftige Vertragsverletzung den sofortigen Rücktritt rechtfertigt, einer Verweisungstechnik bedient. Nur der offensichtlich spätere Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen erlaubt den sofortigen Rücktritt. Damit auch bei § 323 IV BGB – parallel zum künftigen Eintritt einer wesentlichen Vertragsverletzung – die in § 323 I und II BGB definierten Grenzen die Alleinzuständigkeit für die Feststellung einer hinreichend schweren Vertragsverletzung behalten, muss bei der Prognose ein strenger Maßstab gelten. Dementsprechend wird auch im Rahmen des § 323 IV BGB ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad gefordert. Auch hier schwanken die die Offensichtlichkeit nur umschreibenden Formulierungen zwischen mit „Sicherheit zu erwartender Wahrscheinlichkeit“240 und wohl darunter anzusiedelnder „sehr hoher Wahrscheinlichkeit, die allgemein einleuchtet“241. b) Relevanz des ultima ratio-Prinzips bei Art. 72 CISG Mit der Anknüpfung an solche teleologischen Erwägungen ist die Frage verbunden, inwiefern auf der Prognoseebene die Tendenz des UN-Kaufrechts zur Zurückdrängung der Vertragsaufhebung berücksichtigt werden muss. Die Vertragsaufhebung bildet dort immerhin grundsätzlich die ultima ratio, um auf eine Vertragsverletzung zu reagieren.242 Dieser Umstand soll sich auch bei den Prognoseanforderungen widerspiegeln, indem gerade diese Erwägung einen strengen Maßstab bedingt.243 Diese Argumentation scheint indessen Grundsätze der Vertragsaufhebung wegen einer realisierten wesentlichen Vertragsverletzung unbesehen der Besonderheiten eines antizipierten Vertragsbruchs auf Art. 72 CISG zu übertragen. Die Zurückdrängung der Vertragsaufhebung mag ein allgemeiner Grundsatz des UN-Kaufrechts sein,244 ist jedoch kein das gesamte UN-Kaufrecht überragendes Dogma. Funktional dient es vielmehr vorrangig der Vermeidung hoher Transaktionskosten in Form von Lager-, Transport- oder Versicherungskosten bei einem internationalen Warenhandel, die 239

Vgl. die Ausführungen zur ratio legis und zum Wandel der dogmatischen Konstruktion des Rücktritts wegen antizipierten Vertragsbruchs im BGB durch die Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 II. 2. 240 Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 23; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 6; Jauernig/Stadler (2015) § 323 Rn. 15; wohl auch Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 162; ebenso MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 136, der jedoch betont, dass absolute Gewissheit ebensowenig gefordert werden kann. 241 Weidt (2008) S. 131; Mossler, ZIP 2002, 1831 [1832]; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 134. 242 Vgl. nur BGH Urt. v. 24.9.2014, VIII ZR 394/12 = CISG-online No. 2545 = BGHZ 202, 258 [267]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 312. 243 MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 7. 244 Vgl. zu Art. 7 II CISG, Janssen/Kiene, in: CISG Methodology (2009) S. 261 [274].

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von etwaigen Zollbestimmungen und Währungsrisiken begleitet werden können.245 Eine normative Stütze findet sich deshalb in den Artt. 46 II, 48 CISG sowie in den Evidenzschwellen der Vertragsaufhebung in Artt. 25, 49 und 64 CISG. Vor diesem funktionellen Hintergrund verliert diese Einschränkung aber dort an Schärfe, wo ein Warenaustausch noch nicht stattfand.246 Richtigerweise bedingt daher die bei eingetretener Vertragsverletzung angenommene Zurückdrängung der Vertragsaufhebung keine Einschränkung des Tatbestandsmerkmals der Offensichtlichkeit im Sinne einer Subsidiarität.247 Dem Bedürfnis, Verträge möglichst aufrecht zu erhalten, wird im Rahmen eines antizipierten Vertragsbruchs vielmehr durch die Regelung des Art. 72 II CISG und dem Erfordernis einer wesentlichen Vertragsverletzung Rechnung getragen.248 Die Annahme der Offensichtlichkeit ist deshalb eine von dieser Erwägung unabhängig zu beantwortende Vorfrage. 4. Fazit zu Prognosemaßstab und Kasuistik zum antizipierten Vertragsbruch Insgesamt bleibt damit festzuhalten, dass der in der Offensichtlichkeit verankerte Prognosemaßstab durch die vielerorts getroffene Umschreibung als sehr hohe Wahrscheinlichkeit kaum präzisiert wird. Eine systematische und teleologische Auslegung erlaubt demgegenüber immerhin eine Tatbestandskonturierung. Denn speziell wegen des Zwecks des Tatbestandsmerkmals, eine Vorverlagerung des Rechts zur Vertragsumsteuerung allein in Abhängigkeit von einer späteren wesentlichen Vertragsverletzung bzw. in Abhängigkeit vom Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen zuzulassen, ist stets ein strenger Maßstab zu fordern. Um gleichwohl verbleibenden Unsicherheiten bei der praktischen Anwendung von Art. 72 CISG und § 323 IV BGB vorzubeugen, bietet sich darüber hinaus ein Blick auf die sich bislang entwickelte Kasuistik an. a) Kasuistik zu Art. 72 CISG und deren Bedeutung für die Auslegung nach Art. 7 I CISG Der Sekretariatskommentar nennt als mögliche Anwendungsfälle des Art. 72 CISG die Zerstörung der Fabrik des Verkäufers durch einen Brand oder die Verhängung eines Embargos.249 Wegen der mit der Prognose und dem Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit verbundenen Unwägbarkeiten hat sich zu Art. 72 CISG des Weiteren in der internationalen Rspr. eine umfangreiche Kasuistik entwickelt, die zur weiteren Präzisierung der Anforderungen des 245 Vgl. Janssen/Kiene, in: CISG Methodology (2009) S. 261 [274]; Magnus/Lüsing, IHR 2007, 1 [2]; Kiene (2010) S. 106; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 49 Rn. 3. 246 Schlechtriem, in: FS Georgiades (2006) S. 383 [388]. 247 Vgl. auch Bridge, J.L.C. 2005, 405 [414 f.]. 248 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 616. 249 Vgl. zu Art. 63 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 53.

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Aufhebungsrechts beiträgt.250 Dabei erschöpft sich die Berücksichtigung der Rechtsprechung der Gerichte anderer Nationen nicht allein in einer möglichen Orientierungshilfe. Schließlich hat die Auslegung der Normen des UN-Kaufrechts stets im Lichte des Art. 7 I CISG zu erfolgen und damit deren „einheitliche Anwendung“ zu berücksichtigen.251 Dadurch wird zwar kein Präjudizienrecht vorgeschrieben, jedoch ergibt sich aus der Förderungspflicht des Art. 7 I CISG zumindest eine Berücksichtigungspflicht in Form einer sog. persuasive authority.252 Eine offensichtlich drohende wesentliche Vertragsverletzung wurde in der Rspr. in einem Fall bejaht, in dem der Käufer bereits mit der Bezahlung der Rechnung aus einem früheren Vertrag im Verzug und auch nicht bereit war, Sicherheit für die Bezahlung der Rechnung aus einem neuen Vertrag über die noch ausstehende Leistung zu gewähren.253 Jedenfalls dort, wo der Käufer im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung seinen bereits fälligen Zahlungspflichten nicht Folge leisten konnte und für die künftige Leistung keine Sicherheit gewähren kann, sprechen somit die überwiegenden Gründe für ein die künftige Leistung betreffendes Aufhebungsrecht des Verkäufers.254 Dies ist gerade im Umfeld einer drohenden Insolvenz deshalb von besonderem Interesse, weil die darin erkennbare Tendenz der Mitberücksichtigung von Verfehlungen aus früheren Geschäftsbeziehungen der vertragstreuen Partei die Beweisführung erheblich erleichtert.255 Die vergangenen Vertragsverletzungen entfalten Indizwirkung für den Eintritt der künftigen Vertragsverletzung, sodass der vertragstreuen Partei, die in Interna des vertragsbrüchigen Teils keinen Einblick hat, der Nachweis künftiger Zahlungsunfähigkeit gestützt auf bisherige Erfahrungen der laufenden Geschäftsbeziehungen gelingen kann. Der BGH hat in einem Fall, in dem ein Hersteller gegenüber dem Verkäufer eine Liefersperre ausgesprochen hat, die Möglichkeit einer Aufhebung nach Art. 72 CISG erwogen, weil es dort offensichtlich schien, dass der Verkäufer dem Käufer nicht mehr Eigentum verschaffen konnte. Zwar wurde dies offen gelassen, da der Käufer von seinem Aufhebungsrecht erst nach Fälligkeit Ge-

250 Umfangreiche Nachweise zur Rspr. bei UNCITRAL Digest of Case Law on the United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods 2016 Ed. p. 324 ff. 251 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 96 ff. 252 Ausführlich dazu Ferrari, IHR 2013, 137 [151 f.]; vgl. ferner Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 96. 253 OLG Düsseldorf Urt. v. 14.1.1994, 17 U 146/93 = CISG-online No. 119. 254 United States District Court, Southern District of New York Urt. v. 29.5.2009, 08 Civ. 1587 = CISG-online No. 1892. Vgl. ferner LG Berlin Urt. v. 30.9.1992, 99 O 123/92 = CISG-online No. 70, wo sich die maßgeblichen Umstände ebenfalls aus Verfehlungen der Zahlungspflichten vorheriger Geschäftsbeziehungen ergaben. 255 Zur Beweisführungspflicht des Gläubigers, Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 17.

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brauch gemacht hat, allerdings hat der BGH das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 72 CISG auch an keiner Stelle angezweifelt.256 Eingestuft als antizipierter Vertragsbruch i. S. d. Art. 72 CISG wurde ferner das Setzen eines Ultimatums des Verkäufers zur wesentlichen Änderung eines – einem Akkreditiv entsprechenden – sog. letter of credit durch den Käufer entgegen der vertraglichen Vereinbarung und verbunden mit der Aussage, anderenfalls sich nicht länger an den Vertrag gebunden zu sehen und die Kaufsache anderweitig zu veräußern.257 Umgekehrt wurde auch der Fall der Nichteröffnung eines Akkreditivs durch den Käufer trotz entsprechender Vereinbarung bei wiederholter Mahnung des Verkäufers als tatbestandlich i. S. d. Art. 72 CISG eingestuft.258 Diese Fälle reihen sich somit in die Kategorie des antizipierten Vertragsbruchs wegen des Verhaltens des Schuldners ein, die Leistung von der Erfüllung ursprünglich nicht vereinbarter Forderungen abhängig zu machen.259 Ausdrücklich verneint wurde das Vorliegen eines antizipierten Vertragsbruchs dagegen in einem Fall, in dem der Verkäufer die Ware wegen eines Streits über eine vermeintliche Vereinbarung über das Transportmittel vorübergehend zurückhielt, nachdem der Verkäufer eine entsprechende Transportvereinbarung nicht beweisen konnte.260 Ferner begründet allein das Ausbleiben einer Zahlung – gleich ob bei einem Sukzessiv- oder Einzellieferungsvertrag – nicht automatisch einen antizipierten Vertragsbruch.261 b) Kasuistik zu § 323 IV BGB und Berücksichtigung der Rechtsprechung vor dem SMG Die höchstrichterliche Rspr. zum geltenden § 323 IV BGB ist überschaubar und gewährt vordergründig eine Aussage darüber, wann die Voraussetzungen der Norm gerade nicht vorliegen. Schließlich hat der BGH in seinem vielzitierten Urteil zur Nachfristsetzung noch vor Fälligkeit der Leistung mit Blick auf § 323 IV BGB allein klargestellt, dass das sich daraus ergebende Rücktrittsrecht nach Fälligkeit nicht mehr ausgeübt werden kann. Schließlich liege dann kein Tatbestand der Erfüllungsgefährdung mehr vor und es bestehe „kein Grund, demjenigen Gläubiger, der die Erleichterung des § 323 IV BGB nicht in Anspruch nimmt, noch die Möglichkeit des Rücktritts ohne eine Fristsetzung einzuräumen.“262 Dem Urteil des BGH lässt sich jedoch noch eine weitere 256

BGH Urt. v. 15.2.1995, VIII ZR 18/94 = CISG-online No. 149 = NJW 1995, 2101. U.S. District Court of Illinois Urt. v. 7.12.1999, 99 C 5153 (Magellan International Corporation v. Salzgitter Handel GmbH) = CISG-online No. 439. 258 Supreme Court of Queensland v. 17.11.2000, SC No 10680 of 1996 (Downs Investments Pty Ltd v. Perjawa Steel SDN BHD) = CISG-online No. 587. 259 Vgl. auch Schiedsgericht Hamburger Freundschaftliche Arbitrage Urt. v. 29.12.1998, RKS E 5a Nr. 19 = CISG-online No. 638. 260 Bezirksgericht der Saane Urt. v. 20.2.1997, T 171/95 = CISG-online No. 426. 261 Handelskammer Zürich Urt. v. 31.5.1996, ZHK 273/95 = CISG-online No. 1291. 262 BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3715]. 257

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§ 323 IV BGB betreffende Aussage entnehmen. So stützt der erkennende Senat sein Ergebnis der fehlenden Anwendbarkeit der Norm zusätzlich mit dem Verweis auf die parallele Auslegung zu Art. 72 CISG.263 Das Urteil reiht sich damit in eine Serie von Entscheidungen ein, bei denen die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung des modernisierten Schuldrechts auf das UN-Kaufrecht zurückgreift.264 Dies gilt, wie das vorstehende Urteil belegt, in besonderem Maße für die dem CISG entlehnte Norm des § 323 IV BGB. Ausführlich hat sich das OLG Brandenburg in einer Entscheidung jüngeren Datums mit den Prognoseanforderungen des § 323 IV BGB in einem Verfahren auseinandergesetzt, das einen Rücktritt noch vor Fälligkeit von einem Kaufvertrag über zwei Eigentumswohnungen zum Gegenstand hatte.265 Auch dort scheiterte der vor Fälligkeit erklärte Rücktritt. Denn der Gläubiger hätte die „aus seiner Sicht bis zur Fälligkeit nicht mehr zu beseitigenden Mängel und/oder nicht fertigstellbaren Restleistungen zumindest so genau bezeichnen“ müssen, dass die beklagte Schuldnerin „die Möglichkeit hat, ihrerseits dazu gezielt vorzutragen“.266 Begründet wird dies damit, dass die Schuldnerin anderenfalls „wahllos […] für jede der Vielzahl von Einzelleistungen vortragen müsste,“ dass diese bereits vor der Rücktrittserklärung mangelfrei erbracht wurden oder bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit noch hätte erbracht werden können – was nicht „Sinn der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast sein“ könne.267 Zwar überrascht diese Begründung der Ablehnung der Rücktrittsvoraussetzungen auf den ersten Blick. Denn damit scheint die substantiierte Ankündigung des Rücktritts vor Fälligkeit zur Voraussetzung desselben gemacht zu werden, damit der Schuldner die Zweifel an der Leistungsgefährdung ausräumen kann, ohne dass § 323 IV BGB abweichend zu Art. 72 II CISG eine solche Pflicht vorsieht.268 Tatsächlich scheiterte der Rücktritt indessen bereits daran, dass der Gläubiger – wie das OLG Brandenburg überzeugend darlegt – aus der maßgeblichen ex ante-Sicht nicht den Anforderungen der Offensichtlichkeit im Rahmen der Prognose genügen konnte, nachdem dieser sich auf pauschale Verweise auf teilweise bereits veraltete Auflistungen über den Bauzustand beschränkte.269 Festzuhalten bleibt damit, dass auch eine fehlende Ankündigung der Abstandnahme vom Vertrag im Rahmen der gerichtlichen Feststellung der Rücktrittsvoraussetzungen nicht davon befreit, die Offensichtlichkeit der zur Vertragsumsteuerung berechtigenden sonstigen Leistungsgefährdung im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zu beurteilen. De lege lata ist der 263

BGH a. a. O. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 20. 265 OLG Brandenburg Urt. v. 27.4.2016, 4 U 153/14 = BeckRS 2016, 09264. 266 OLG Brandenburg a. a. O. Rn. 69. 267 OLG Brandenburg a. a. O. Rn. 69. 268 Vgl. dazu ausführlich unten im Kapitel zu den Instrumenten zur Klärung der Leistungsgefährdung. 269 OLG Brandenburg Urt. v. 27.4.2016, 4 U 153/14 = BeckRS 2016, 09264 Rn. 70 ff. 264

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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Gläubiger vor Ausübung seiner Rechte nicht verpflichtet, den Schuldner dezidiert auf die drohende Störung und deren Ursachen hinzuweisen. Der Fall des OLG Brandenburg zeigt jedoch, dass – jedenfalls sofern keine Erfüllungsverweigerung vorliegt – einem Gläubiger von einem kommunikationslosen Abgehen vom Vertrag abzuraten ist, da rückblickend der Beweis des offensichtlichen Eintritts der Rücktrittsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Erklärung schwer zu führen ist. Weitere Indizien zur Bejahung der Offensichtlichkeit im Sinne des § 323 IV BGB müssen letztlich noch gefunden werden – die Rechtsprechung steht hier erst am Beginn der erforderlichen Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals. Schließlich sollte auch die zum Rücktritt vor Fälligkeit unter Geltung früheren Schuldrechts ergangene Rechtsprechung270 nicht unbesehen auf § 323 IV BGB übertragen werden.271 Denn auch wenn der Gesetzgeber an dem bereits im früheren Recht anerkannten Rücktritt vor Fälligkeit nichts ändern, sondern überwiegend den Streit um dessen dogmatische Grundlage beenden wollte,272 hat er sich mit dem Modell einer prognostizierten Vertragsverletzung von der Überlegung einer gegenwärtigen Verletzung der Leistungstreuepflicht distanziert. Diese Wandelung spiegelt sich in den Anforderungen des Rücktrittsrechts wieder, die nun eng an den späteren Eintritt der gesetzlich determinierten Rücktrittsvoraussetzungen gekoppelt sind. Die im früheren Recht anzutreffende Gewährung eines Rücktrittsrechts gestützt auf bloße Zumutbarkeitserwägungen stößt daher auf Bedenken.273

IV. Der Prognosebezugspunkt – Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

Art. 72 CISG knüpft bei der Betrachtung der für die Prognose relevanten Vertragsverletzung autonom an das spätere Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG an. Dabei statuiert die Norm in Abhängigkeit von der Gefährdungsursache weitere unterschiedliche Anforderungen für das Bestehen des Aufhebungsrechts. Insofern ist ausweislich des Art. 72 II und III

270

Ausführlich dazu oben im Kapitel über die Entwicklung der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs. Vgl. grundlegend dazu RG Urt. v. 23.2.1904, II 298/03 = RGZ 57, 105 [115 f.]; vgl. ferner BGH Urt. v. 13.11.1953, I ZR 140/52 = NJW 1954, 229 [229 f.]; BGH Urt. v. 19.2.1969, VIII ZR 58/67 = NJW 1969, 975 [976]; BGH Urt. v. 25.6.1976, V ZR 168/74 = WM 1976, 1111 [1112]; BGH Urt. v. 28.1.2003, X ZR 151/00 = NJW 2003, 1600 [1601]. 271 Vgl. aus dem Schrifttum etwa die umfangreichen Nachweise auf zum früheren Recht ergangene Urteile bei Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 163. 272 BT-Drucks. 14/6040, 186. 273 Vgl. dazu BGH Beschl. v. 8.5.2008, VII ZR 201/07 = NJW-RR 2008, 1052.

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

CISG zwischen der Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit einerseits und sonstigen Leistungsgefährdungen andererseits zu differenzieren. Demgegenüber kommt es nach § 323 IV BGB auf den späteren Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen an. Auch wenn § 323 IV BGB nicht weiter unterscheidet, werfen die im Art. 72 CISG angelegten Tatbestandszweige auch dort ganz unterschiedliche Fragen auf. Während mit Blick auf die Erfüllungsverweigerung gleichermaßen deren Widerruf und Anforderungen an das Erklärungsverhalten im Vordergrund stehen, bedarf es bei sonstigen Leistungsgefährdungen einer genaueren Betrachtung des Prognosebezugspunktes. Insofern stellt sich im BGB darüber hinaus die Frage, wie es sich mangels einer Parallelbestimmung zu Art. 72 II CISG mit Kommunikationsinstrumenten zur Klärung der Vertragstreue verhält oder ob der Schuldner den Rücktritt durch Sicherheitenstellung abwenden kann. Sofern im Folgenden von „sonstigen Leistungsgefährdungen“ die Rede ist, handelt es sich dabei in Abgrenzung zur Erfüllungsverweigerung um sämtliche Gefährdungen des Erfolgseintritts, die aus dem Verhalten der anderen Partei oder sonstigen externen Umständen herrühren und den Erfolgseintritt unwahrscheinlich erscheinen lassen.274 1. Die Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit in CISG und BGB Nachdem sich die Einordnung der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung in Art. 72 CISG bereits aus dessen Abs. 3 ergibt, konzentrieren sich Lit. und Rspr. vordergründig auf deren tatbestandliche Anforderungen. Weniger Beachtung wird dagegen deren ratio legis und dogmatischen Konstruktion geschenkt. Das ist angesichts der Ambivalenz der Tatbestandsformulierung des Art. 72 CISG einerseits und der Konzeption der Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsverweigerung im common law andererseits bedauerlich.275 Zum einen hat nämlich dort die Anerkennung der Erfüllungsverweigerung als anticipatory breach ihren Ursprung.276 Deshalb lohnt ein Blick auf hier anzutreffende Erklärungsmodelle, die maßgeblich auf das schuldnerische Verhalten abstellen.277 Zum ande-

274 Weidt plädiert insofern für den Begriff der „objektiven Leistungsgefährdung“, Weidt (2008) S. 130 ff. Nachdem der dem gegenübergestellte Begriff der „subjektiven“ Leistungsgefährdung allerdings bereits eine Gleichschaltung von „nicht wollen“ und „nicht können“ insinuiert, wird von dieser Terminologie Abstand genommen, um den Besonderheiten der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung hinreichend Rechnung zu tragen. 275 Vgl. dazu die vielzitierte Entscheidung Hoechster v De la Tour [1853] 2 El & Bl 678. 276 Vgl. nur die Verweise bei, Supreme Court of Queensland – Court of Appeal Urt. v. 12.10.2001, SC No 10680 of 1996 = CISG-online No. 955; Vanwijck-Alexandre, IBLJ 2001, 353 [355 ff.]; vgl. ferner zur internationalen Entwicklung Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 382. 277 Ausführlich hierzu Weidt (2008) S. 64 ff. Vgl. auch § 2–610 des UCC; vgl. ferner bereits zum EKG Dölle/Leser (1976) EKG Art. 76 Rn. 10.

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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ren betont Art. 72 CISG allein die objektiv drohende Vertragsstörung und erwähnt die Erfüllungsverweigerung nur am Rande.278 Ganz ähnlich verhält es sich mit der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung im BGB. Kündigt der Schuldner „unmissverständlich und endgültig“ die Leistungsverweigerung an, soll dies ausweislich der Materialien einen Fall des § 323 IV BGB bedeuten.279 Dennoch hat die vorzeitige Erfüllungsverweigerung dort keine Erwähnung gefunden. a) Vertragstheoretische Erklärungsmodelle der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung Das Schrifttum begnügt sich bei der Vertragsumsteuerung wegen vorzeitiger Erfüllungsverweigerung häufig mit der Aussage, wonach die „ratio dieser Regelung einfach“ sei, da es dort sinnlos wäre, dem Schuldner eine weitere Möglichkeit zur vertragsgemäßen Leistung zu gewähren.280 Überwiegend glaubt man sich damit also aller Erläuterungen über eine legitime Verwendung enthoben, „weil Evidentes nicht des Beweises bedarf.“281 Anderenorts erfährt die Erfüllungsverweigerung eine fast mystische Einkleidung, wonach die Vertragsverletzung dort „in ihrer reinsten Form“ begegne.282 Im Gegensatz dazu wird teilweise immerhin versucht, die Vertragsaufhebung bei Erfüllungsverweigerung mit der Privatautonomie zu begründen: Die Aufhebung sei danach Ausfluss der Anerkennung der Freiheit der Parteien, den Vertrag im Einvernehmen eigenverantwortlich insofern zu gestalten, als eine Befreiung von den ursprünglichen Pflichten vereinbart wird – die Erfüllungsverweigerung soll sich damit als entsprechendes Angebot des Schuldners darstellen.283 Geht der Gläubiger auf die so verstandene Erfüllungsverweigerung ein, rückt das Vertragsaufhebungsrecht damit in die Nähe einer vertraglichen Vereinbarung. Dies entspricht der früher im englischen Recht vertretenen Konsensualtheorie.284

278

Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 2. Vgl. BT-Drucks. 14/6040, 186. 280 Vgl. nur BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 72 Rn. 29.1; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 72 Rn. 11; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 27; offen gelassen von Jan (1992) S. 97 ff. 281 So bereits die Kritik bzgl. der Erfüllungsverweigerung von Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145 [150] zu der bedenkenlosen Anleihe aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis im früheren deutschen Schuldrecht: „Doch lehrt eine kritische Analyse schnell, dass evident gar nichts ist und nicht zu Ende gedacht fast alles.“ 282 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 33. 283 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 618. 284 Vgl. Hoechster v De la Tour [1853] 2 El & Bl 678; Bradley and Others v H. Newsom, Sons & Company [1919] AC 16, 52; verworfen in Moschi v Lep Air Services Ltd [1973] AC 331; vgl. ferner ausführlich hierzu, Weidt (2008) S. 65 f. 279

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

Allerdings kann der auf einen Konsens gestützte Ansatz nicht überzeugen. Die Konsensualtheorie läuft in zweierlei Hinsicht auf eine mit dem tatsächlichen Parteiwillen nicht zu vereinbarende Fiktion hinaus.285 Zum einen wird der Schuldner nämlich regelmäßig das Bestehen der vertraglichen Bindung insgesamt in Abrede stellen. Selbst wenn der Gläubiger hierauf eingeht indem er vom Vertrag abgeht, ist dies daher keine Annahme eines auf die Vertragsumsteuerung gerichteten Angebots, sondern vielmehr die Hinnahme der Tatsache der künftigen Nichterfüllung. Zum anderen wird die sich anschließende Schadensersatzpflicht des Schuldners in den seltensten Fällen von dessen Willen getragen. Schließlich will sich der Schuldner von seinen Pflichten gänzlich lossagen und keine neuen Verpflichtungen an deren Stelle treten lassen.286 Zwar taugt die Erklärung des Schuldners somit nicht als Anknüpfung für eine auf den Konsens gestützte Vertragsaufhebung, jedoch lässt sie sich als ein factum proprium begreifen, an dem sich der Schuldner festhalten lassen muss.287 Weil die Erfüllungsverweigerung die Vertragspflicht negiert, dabei mangels objektiver Abweichung der Realität vom schuldvertraglichen Versprechen jedoch keine Vertragsverletzung bedeutet, handelt es sich dort bei der Vertragsumsteuerung um ein von der Leistungszeit wie von dem Vorliegen einer Vertragsverletzung unabhängiges Gestaltungsrecht. Rabel bezeichnete den Sachverhalt der Erfüllungsverweigerung dementsprechend als ein „Gegenstück zu einem Vertrag.“288 Auch wenn damit die Schwächen der Konsensualtheorie vermieden werden, ist die Nähe dieses Ansatzes zur Figur der „repudation“ des common law unverkennbar.289 Konsequenterweise differenzieren Befürworter einer solchen eigenständigen vertragstheoretischen Einordnung der Erfüllungsverweigerung als „Negation des Vertrags“ nicht zwischen einer vor und nach Fälligkeit erfolgten Erklärung. Schließlich bedarf es dort gleichermaßen für die Vertragsumsteuerung keines weiteren Elements der Steigerung oder Absicherung.290 Das werde bei der Negation des Vertrags nach Fälligkeit nur verdeckt oder konsumiert durch die Nichtleistung in der Zeit, indem eine Nachfristsetzung oder sonstige Wesentlichkeitsbestimmung entfällt, während bei der Verweigerung vor Fälligkeit jenes Verhalten allein die Vertragsumsteuerung trägt und rechtfertigt.291

285

Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386; vgl. auch zur Diskussion im englischen Recht, Weidt (2008) S. 67 ff.; Strub, Int&Comp.L.Q. (1989), 475 [478 ff.]. 286 Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386; Weidt (2008) S. 66. 287 Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386; vgl. auch BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 13. 288 Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386. 289 So Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [652] zum früheren deutschen Schuldrecht. 290 Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [654]. 291 Vgl. Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [654]; vgl. ferner Friedrich, AcP 178 (1978) 468 [488].

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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b) Dogmatik der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung in BGB und CISG aa) Erfüllungsverweigerung als Prognosebasis einer künftigen wesentlichen Vertragsverletzung im CISG Trotz der damit angedeuteten Eigenständigkeit der (vorzeitigen) Erfüllungsverweigerung als Störungstyp ist entscheidend, dass die Begründung des Vertragsaufhebungsrechts auch mit der in Art. 72 CISG gewählten dogmatischen Konstruktion vereinbar sein muss. Insofern setzt die Auslegung des Tatbestands praeter legem gewonnenen Erwägungen Grenzen und ist die Diskussion von nationalen Einflüssen zu befreien.292 Der Sekretariatskommentar äußert sich hierzu wie folgt: „The future fundamental breach may be clear either because of the words or actions of the party which constitute a repudiation of the contract or because of an objective fact […].“293

Dem Wortlaut des Art. 72 I CISG entsprechend ist daher zwischen dem künftigen wesentlichen Vertragsbruch selbst und der Erfüllungsverweigerung als bloßer Prognosebasis zu unterscheiden. In Abweichung zu der im englischen Recht gewählten dogmatischen Konstruktion muss deshalb auch bei einer Erfüllungsverweigerung das Verständnis des UN-Kaufrechts von der Erfüllungsverweigerung als antizipierter Vertragsverletzung respektiert werden.294 Der Begriff der Vertragsverletzung umschreibt insofern jedes Abweichen der Realität von einem schuldvertraglichen Versprechen.295 Demgegenüber stellt sich die Erfüllungsverweigerung als von der Abweichung der Realität vom Vertragsprogramm unabhängige, aber vom Schuldnerwillen getragene Negierung des vertraglichen Versprechens selbst dar.296 So plausibel der dem antizipierten Vertragsbruch im anglo-amerikanischen Recht zugrundeliegende Gedanke der Anknüpfung an eine gegenwärtige Verletzung einer Leistungstreuepflicht damit sein mag, orientiert sich das UN-Kaufrecht mit der Vertragsverletzung an dem Pflichtengefüge des Vertrags.297 Dabei handelt es sich um eine bewusste Abweichung von anderslautenden Vorschlägen einer im Vorfeld der Wiener

292 Zur Unvereinbarkeit echter rechtsvergleichender Auslegung mit Art. 7 I CISG, Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 110; Schlechtriem/Schwenzer/Ferarri CISG (2013) Art. 7 Rn. 40. 293 Vgl. zu Art. 63 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 53 [Herv. d. Verf.]. Vgl. ferner Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [26]. 294 Lubbe, RabelsZ 68 (2004) 444 [464]; zum englischen Recht, Weidt (2008) S. 77 f. 295 Unberath (2007) S. 182. 296 Vgl. Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [653]. 297 Zur parallelen Diskussion im deutschen Schuldrecht, Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145 [150].

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Konferenz tätigen Arbeitsgruppe, die – wiederum beeinflusst durch das common law – maßgeblich an das Erklärungsverhalten anknüpfte.298 Dort wurde eine Formulierung vorgeschlagen, wonach die Vertragsaufhebung erlaubt sei, „if the other party so conducts himself as to disclose an intention to commit a fundamental breach of contract.“

Bekanntermaßen konnten sich jedoch auch weniger restriktive Einschränkungen wie die Einfügung der Wendungen „from the conduct of the parties“ oder „from the conduct or situation of one of the parties, or the conditions on which his performance is dependent“ nicht durchsetzen.299 Schließlich lässt nur das Verständnis einer prognostizierten Vertragsverletzung das vorzugswürdige Ergebnis der Vermeidung einer gespaltenen dogmatischen Konstruktion bei der Begründung des Aufhebungsrechts aus Art. 72 I CISG zu. Wie auch in den Fällen sonstiger Leistungsgefährdungen liegt eine gegenwärtige Vertragsverletzung nicht vor, sondern wird infolge der Verweigerungserklärung lediglich antizipiert. Die allein auf die Negierung einer Vertragspflicht fußende Begründung würde sich zudem mit dem zwingenden Erfordernis einer wesentlichen Vertragsverletzung in Widerspruch setzen: allein die Negierung (irgend-)einer Vertragspflicht trifft hierüber keine Aussage. Dementsprechend fordern auch Vertreter sämtlicher Auffassungen, dass die Verweigerung eine Verpflichtung betrifft, deren Nichterfüllung eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen würde.300 Dies bestätigen auch Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG, wo sich die Erfüllungsverweigerung im Katalog der Aufhebungsrechte nur für Verweigerungen der Erfüllung von Kernpflichten wiederfindet. Dann kann vor Fälligkeit nichts anderes gelten. Letztlich wurde von den Verfassern des CISG damit der Konsensualtheorie und der Ableitung eines Aufhebungsrechts aus dem Vertrag selbst eine Absage erteilt.301 Denn – abgesehen von den mit dieser Fiktion verbundenen Schwächen der Konsensualtheorie302 – würde sich das Aufhebungsrecht aus einer Vereinbarung der Parteien ergeben, würde sich Art. 72 III CISG in einer bloß deklaratorischen Aussage erschöpfen. Schließlich wäre die Regelung des Art. 72 CISG nicht erforderlich gewesen, ließe sich das Aufhebungsrecht bei einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung bereits aus einer vertraglichen Vereinbarungen entwickeln.

298

Vgl. bereits oben zur Entstehung des Art. 72 CISG. Vgl. V Yearbook, 1974 (Document A/CN.9/87), p. 41 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 187). 300 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 618; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 34; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 29. 301 So jedoch Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 618. 302 Vgl. zu den vertragstheoretischen Erklärungsmodellen, Kap. 4 IV. 1. a). 299

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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bb) Erfüllungsverweigerung als Prognosebasis eines künftigen Eintritts der Rücktrittsvoraussetzungen im BGB Die noch vor Fälligkeit erklärte Erfüllungsverweigerung soll als ein klassischer Anwendungsfall des Rücktritts bereits vor Fälligkeit dem mit der Schuldrechtsreform neu geschaffenen § 323 IV BGB unterfallen. Dementsprechend benennt auch die Begründung zum Gesetzesentwurf des SMG die „unmissverständliche und endgültige Leistungsverweigerung“ des Schuldners vor Fälligkeit als einen dem § 323 IV BGB zugedachten Tatbestandszweig. Es verwundert deshalb, dass dies – wie auch in Art. 72 CISG – in § 323 IV BGB keine gesonderte Berücksichtigung findet. U. Huber hat deshalb bereits zu dem Diskussionsentwurf zur Schuldrechtsmodernisierung auf fast polemische Weise bemängelt, wenn „der Gesetzgeber nach 100 Jahren glaubt, es sei geboten, die Erfüllungsverweigerung gesetzlich zu regeln, soll er Tatbestand und Rechtsfolge beim Namen nennen.“303 Im geltenden Recht führt die Verweisung des § 323 IV BGB auf den künftigen Eintritt der Voraussetzungen des Rücktritts dagegen nun dazu, dass die Erfüllungsverweigerung „auseinandergerissen“ wird, je nachdem ob diese vor oder nach Fälligkeit erklärt wird:304 während sich der Rücktritt bei nach Fälligkeit erklärter Verweigerung nach § 323 II Nr. 1 BGB richtet, führt die vorzeitige Verweigerung wegen des § 323 II Nr. 1 BGB dazu, dass der Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen „offensichtlich“ ist im Sinne des § 323 IV BGB. Es gelten damit auch vor Fälligkeit die in § 323 II Nr. 1 BGB geregelten Anforderungen an das Erklärungsverhalten des Schuldners.305 Tatsächlich verleitete die offene Formulierung des § 323 IV BGB auch zu der Auffassung, wonach die ernsthafte und endgültige Verweigerung der Erbringung der geschuldeten Leistung vor Eintritt der Fälligkeit nicht nach § 323 IV BGB zu beurteilen sei, sondern ausschließlich § 324 BGB unterfalle. So hält etwa Kindl die Anwendbarkeit von § 324 BGB allein deshalb für „konsequent“, weil der Schadensersatzanspruch bei vorzeitiger Erfüllungsverweigerung dem § 282 BGB zuzuordnen sei.306 Das Unvermögen des Reformgesetzgebers eine schadensersatzrechtliche Komplementärvorschrift für den antizipierten Vertragsbruch zu schaffen, lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Regelung des § 323 IV BGB zu. Das Ausweichen auf § 324 BGB scheint ein Relikt der Einordnung der Erfüllungsverweigerung als positive Vertragsverletzung zu sein, die mangels einer entsprechenden Vorschrift über den Umweg einer gegenwärtigen Verletzung der Leistungstreuepflicht bemüht werden musste. Dafür besteht heute kein weiterer Anlass.

303

U. Huber, in: Zivilrechtswissenschaft und Schuldrechtsreform (2001) S. 31 [179]. Vgl. MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 96; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 21a. 305 Vgl. dazu sogleich. 306 Kindl, WM 2002, 1313 [1322]. 304

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Insofern wird ferner vorgetragen, dass nämlich nicht offensichtlich sein könne, „dass der Schuldner seine Haltung bis zum Eintritt der Fälligkeit beibehalten wird.“307 Diese Auffassung ist unabhängig von einer teilweise vorsichtig geäußerten parallelen Anwendbarkeit von § 324 BGB kaum haltbar.308 Zum einen steht bereits der Einwand, wonach nicht auszuschließen ist, dass der Schuldner seine Haltung bis zum Eintritt der Fälligkeit ändert, der Einordnung in § 323 IV BGB nicht entgegen. Schließlich erfolgt die nach § 323 IV BGB erforderliche Prognose stets aus ex ante Sicht. Durfte der Gläubiger dort von einem offensichtlichen Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen ausgehen, weil die Erfüllungsverweigerung endgültig ist, berührt eine spätere Rückbesinnung des Schuldners den bereits erfolgten Rücktritt nicht.309 Zum anderen zielt die Verweigerung auf die außerhalb von § 241 II BGB anzusiedelnde Leistungspflicht selbst ab und nicht auf die von § 241 II BGB lediglich erfassten Schutzpflichten.310 Des Weiteren hat Weidt zutreffend darauf hingewiesen, dass die Verweigerung „automatisch die Unzumutbarkeit für den Gläubiger begründet, am Vertrag festzuhalten.“311 Für die in § 324 BGB vorgesehene Einzelfallprüfung ist daher kein Raum. Insofern können auch die vorstehenden vertragstheoretischen Ausführungen fruchtbar gemacht werden: die teleologische Rechtfertigung des Rücktritts wegen vorzeitiger Erfüllungsverweigerung wird von dem Verhalten des Schuldners getragen, ohne dass es noch eines weiteren Elements der Steigerung oder Absicherung bedarf, weil die künftige Störung des Synallagmas damit offensichtlich ist.312 c) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung aa) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung im UNKaufrecht Trotz der Einordnung der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung in Art. 72 I CISG passt das Offensichtlichkeitskriterium nicht unmittelbar auf solche Fälle. Insofern wird zwar angeführt, dort sei in der Regel immer davon auszugehen, 307 So Ramming, ZGS 2002, 412 [415 f.]; auch der daneben bemühte Einwand, wonach die „Verweigerung der Leistung vor Fälligkeit keine Verletzung der eigentlichen Leistungspflicht“ sei, ist als Argument gegen die Einordnung als antizipierte Vertragsverletzung zirkulär. Vgl. ferner Emmerich, Leistungsstörungen (2005) § 22 Rn. 9 und 13. 308 Vgl. ferner Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130, wonach sich die Erfüllungsverweigerung „zugleich unter § 324 BGB subsumieren“ lasse. Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [917] plädieren für ein „Zusammenspiel von § 323 IV BGB (i. V. m. § 323 II Nr. 1 BGB) und § 324 BGB.“ 309 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 136. 310 Vgl. auch Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [230 f.]. Der offene Wortlaut von § 241 II BGB soll allein klarstellen, „dass die gemeinten Schutzpflichten nicht dem entsprechen, was schon nach allgemeinem Deliktsrecht geboten ist.“ BT-Drucks. 14/6040, 125. 311 Weidt (2008) S. 108 [Herv. d. Verf.]. 312 Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [654].

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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dass die künftige Nichterfüllung offensichtlich ist.313 Charakteristisch für die Erfüllungsverweigerung ist allerdings, dass nicht eine Gesamtschau der objektiven Umstände die Prognosegrundlage bildet. Vielmehr wird, wie Rabel bereits früh treffend formuliert hat, das Interesse des Gläubigers an der Leistung nicht erfüllt werden, „soviel es auf die Absicht des Schuldners ankommt.“314 Das Merkmal der Offensichtlichkeit muss daher mit Blick auf die Erklärung des Schuldners eine subjektivierende Modifikation erfahren. Der Schluss auf die Offensichtlichkeit trifft nur so weit zu, wie die Erfüllungsverweigerung auch endgültig ist, weil dann die maßgebliche Absicht des Schuldners unzweifelhaft ist.315 Zwar lässt sich dies der Vorschrift des Art. 72 CISG nicht unmittelbar entnehmen. Denn auch Art. 72 III CISG spricht nur davon, dass die Partei „erklärt hat, dass sie ihre Pflichten nicht erfüllen wird.“ Mit der Erwähnung der Erfüllungsverweigerung in Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG verhält es sich nicht anders. Dennoch handelt es sich bei dem Endgültigkeitserfordernis nicht etwa um eine fälschlicherweise von § 323 II Nr. 1 BGB fehlgeleitete Gesetzesinterpretation. Eine Erfüllungsverweigerung ist nämlich auch im UN-Kaufrecht nur tatbestandlich, wenn sie eine Art. 72 CISG entsprechende Prognosebasis liefert. Deshalb müssen die inhaltlichen Anforderungen an die Verweigerungserklärung mit Blick auf deren Prognosetauglichkeit präzisiert werden. „Hierfür muss ein Schuldner seine Vertragspflicht ernstlich und ausdrücklich oder unzweideutig deutlich verneinen oder leugnen.“316 Es muss sich um sein „letztes Wort“ handeln.317 Nur dann lässt die erkennbare Absicht den Schluss auf den offensichtlichen Eintritt der Vertragsverletzung zu. Das bedeutet freilich nicht, dass eine Erfüllungsverweigerung nur ausdrücklich abgegeben werden kann.318 Es kommt lediglich darauf an, dass die Absicht des Schuldners erkennbar ist, Art. 8 II CISG. Die Erfüllungsverweigerung ist deshalb auch an keine Form gebunden, um den Tatbestand des Art. 72 I CISG zu erfüllen.319 Es genügt eine Erklärung, aus der sich indirekt das Vorliegen einer Erfüllungsverweigerung ergibt, insbesondere deshalb, weil der Schuldner die Erfüllung von nicht vereinbarten Konditionen abhängig macht, er erklärt, 313

MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 7. Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 385 [Herv. d. Verf.]. 315 OLG Düsseldorf Urt. v. 22.7.2004, I-6 U 210/03 = CISG-online No. 916; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 9; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 8; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 618; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 11. 316 OLG Düsseldorf Urt. v. 22.7.2004, I-6 U 210/03 = CISG-online No. 916. 317 OLG Düsseldorf Urt. v. 22.7.2004, I-6 U 210/03 = CISG-online No. 916; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 8. 318 Krit. statt vieler, Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 27; Strub, Int&Comp.L.Q. 1989, 475 [499]. 319 Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 11. 314

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nicht rechtzeitig zu liefern, oder durch eine unzutreffende Behauptung des Nichtbestehens des Vertrags.320 Demgegenüber ist wiederum freilich aufgrund der Notifizierungspflicht des Art. 72 II CISG eine Grenzziehung erforderlich, da diese nur bei einer Erfüllungsverweigerung entfällt, Art. 72 III CISG. Auch wenn Art. 72 I CISG die Erklärung nicht als factum proprium in den Mittelpunkt der Betrachtung stellt, bildet die zugrundeliegende Absicht des Schuldners das charakteristische Spezifikum der Vertragsaufhebung wegen einer Erfüllungsverweigerung. Die Ausnahme des Art. 72 III CISG gilt daher, sofern und soweit der Schuldner nicht nur nicht leisten kann, sondern nicht leisten will. Zwar soll etwa im englischen Recht ein endgültiges „nicht können“ dem „nicht wollen“ mit Blick auf sich daraus ergebende Rechtsfolgen unter Umständen gleichgestellt werden, indem auch die Erklärung von Letzterem zur sofortigen Vertragsumsteuerung berechtigt.321 Jedoch geht es bei Art. 72 II und III CISG nicht um die Herbeiführung dieser Rechtsfolge. Eine Erklärung, nicht rechtzeitig liefern zu können, mag gleich einer Erklärung, nicht liefern zu wollen, den künftigen Eintritt einer wesentlichen Vertragsverletzung offensichtlich machen. Es ist jedoch nicht offensichtlich, dass die Anzeige zum Zwecke der Abwendung durch Sicherheitengewähr überflüssig wäre.322 Allein darum geht es bei der Einordnung als Erfüllungsverweigerung nach Art. 72 III CISG, sodass stets ein endgültiger Nichtleistungswille erforderlich ist.323 bb) Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung im BGB Weil die vorzeitige Verweigerung wegen des § 323 II Nr. 1 BGB dazu führt, dass der Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen „offensichtlich“ ist, werden auch die in § 323 II Nr. 1 BGB geäußerten Erklärungsanforderungen zum Gradmesser im Rahmen des § 323 IV BGB.324 Der Tatbestand der Erfüllungsverweigerung selbst wird jedoch auch in den §§ 281 II, 323 II Nr. 1 und

320 Supreme Court of Queensland v. 17.11.2000, SC No 10680 of 1996 = CISG-online No. 587; Schiedsgericht Hamburger Freundschaftliche Arbitrage Urt. v. 29.12.1998, RKS E 5a Nr. 19 = CISG-online No. 638; OLG Düsseldorf Urt. v. 22.7.2004, I-6 U 210/03 = CISGonline No. 916; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 35; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 75 Rn. 11; Brunner/Altenkirch (2014) CISG Art. 72 Rn. 11. 321 Vgl. dazu Weidt (2008) S. 118 m. w. N. 322 Ähnlich sucht auch Strub, Int&Comp.L.Q. (1989), 475 [499] die Lösung in Art. 72 II CISG. Es bleibe dort bei der Anzeigepflicht und eine Ausnahme findet nur in den Grenzen „when time allows“ statt. 323 Liu, in: International Sales Law (2016) § 18 Rn. 63. 324 HK-BGB/Schulze (2017) § 323 Rn. 12; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 221.

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286 II Nr. 3 BGB kaum näher definiert, sondern jeweils als bekannt vorausgesetzt.325 Seit der Schuldrechtsmodernisierung ist für den – vormals noch als positive Vertragsverletzung eingeordneten – Rücktritt wegen Erfüllungsverweigerung ein Verschulden freilich nicht mehr erforderlich.326 Gemeinsam ist diesen Normen indessen mit Blick auf die Bestimmtheit der Verweigerungserklärung lediglich, dass diese „ernsthaft und endgültig“ erfolgen muss. Damit wurde eine tradierte Rechtsprechung zum früheren Schuldrecht in Gesetzesform gegossen,327 die auch heute noch hilfsweise durch die Forderung abgesichert wird, es müsse sich um das „letzte Wort“ des Schuldners handeln.328 Dies führt auch im Schrifttum dazu, dass die Anforderungen an die Erfüllungsverweigerung in katalogartigen Umschreibungen gipfeln, wonach die Verweigerung „unmissverständlich, endgültig und ernsthaft“ erfolgen muss, „so dass jenseits vernünftiger Zweifel feststeht, dass er [der Schuldner] unter keinen Umständen mehr zur freiwilligen Erfüllung bereit ist.“329 Dabei können selbst die nunmehr gesetzlich verankerten Bestimmtheitsanforderungen zweier kumulativ vorliegender Einschränkungsmerkmale nur als Appell verstanden werden, die Annahme einer Erfüllungsverweigerung mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen an strenge Anforderungen zu knüpfen.330 Ein Erkenntnisgewinn ergibt sich daraus nicht. Treffend hat bereits Gernhuber mit Blick auf das zum früheren Recht entwickelte Begriffspaar darauf hingewiesen, dass „das, was endgültig sein soll, auch immer ernstlich gemeint sein muss, und das, was nicht gar so ernstlich gemeint ist, niemals endgültig sein kann, [daher] fügt das Ernstliche dem Endgültigen nichts hinzu, was in ihm noch enthalten wäre, und kann deshalb als überflüssiger Ballast aus dem Begriffselement ausgeschieden werden.“331 Für den sofortigen Rücktritt ist damit nicht mehr und nicht weniger als die Endgültigkeit der Verweigerung maßgeblich. Deshalb sollte auch die

325

Weidt (2008) S. 115. MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 107; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 18; zum Rechtsirrtum vgl. BGH NJW 2013, 1431 [1433]. 327 Der Reformgesetzgeber betont daher selbst, dass „auf die zu § 326 bzw. zur positiven Forderungsverletzung im Zusammenhang mit § 326 entwickelten Grundsätze“ zurückgegriffen werden kann, BT-Drucks. 14/6040, 185. 328 Vgl. nur RG Urt. v. 22.6.1917, II 30/17 = RGZ 91, 30 [31]; BGH Urt. v. 21.3.1974, VII ZR 139/71 = NJW 1974, 1080 [1081]; BGH Urt. v. 18.1.1991, V ZR 315/89 = NJW 1991, 1822 [1823]; BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3716]; BGH Urt. v. 18.9.2014, VII ZR 58/13 = NJW-RR 2014, 1512 [1513]; aus der Lit. Emmerich, Leistungsstörungen (2005) § 22 Rn. 10; HK-BGB/Schulze (2017) § 323 Rn. 6; Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 18. 329 Vgl. nur MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 101 [Herv. i. Original]; vgl. ferner BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 21a. 330 Vgl. etwa aus der jüngeren Rspr. BGH NJW 2011, 2872 [2873]. 331 Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145 [145]. 326

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Erklärung vor Fälligkeit nicht zu höheren Anforderungen an die Annahme der Ernsthaftigkeit führen.332 Vor dem Hintergrund, dass diese § 323 II Nr. 1 BGB enthaltene Begriffspaarung damit als redundant und tautologisch bezeichnet werden muss,333 löst sich auch der Streit um die scheinbar defizitäre Umsetzung des Art. 18 II VRRL auf. Anders als bspw. § 323 II Nr. 1 BGB sieht die Richtlinie zwar nämlich vor, dass das sich aus Art. 18 I VRRL ergebende Fristsetzungserfordernis bereits dann nicht gilt, „wenn sich der Unternehmer geweigert hat,“ die Waren zu liefern. Aufgrund dieser auf den ersten Blick weniger strengen Voraussetzungen wurde in § 323 II Nr. 1 BGB vereinzelt ein Umsetzungsdefizit erblickt, weil die Richtlinie mit Vollharmonisierungscharakter „jede Weigerung“ genügen lasse. Damit lasse sich die Forderung, dass die Weigerung auch das „letzte Wort“ sein muss, im Anwendungsbereich der Richtlinie nicht mehr aufrechterhalten.334 Wie aber die Befürworter dieser Auffassung selbst einräumen, verlangt auch Erwägungsgrund 52 der Richtlinie eine Weigerung durch „unmissverständliche Erklärung“. Die Vergleichbarkeit zu § 323 II Nr. 1 BGB wird noch bekräftigt von der englischsprachigen Fassung der Erwägungsgründe. Denn dort ist in Erwägungsgrund 52 der VRRL noch deutlicher von einem „unequivocal statement“ die Rede.335 Da auch im BGB das Erfordernis der Ernsthaftigkeit durch den Begriff der Endgültigkeit der Verweigerung konsumiert wird, decken sich somit die Anforderungen der Richtlinie mit denen des BGB.336 Ist damit vorrangig die Endgültigkeit des schuldnerischen Verhaltens maßgeblich, mit dem dieser seine Weigerung signalisiert, ist eine (vorzeitige) Verweigerungserklärung stets auch dann anzunehmen, wenn der Schuldner endgültig erklärt, dass er zur geschuldeten Leistung nur unter anderen, zusätzlichen Bedingungen, als sie ursprünglich vereinbart waren, bereit ist.337 Die Endgültigkeit manifestiert sich damit erst recht bei einem unberechtigten Lossagen vom Vertrag.338 Ein bloßes Bestreiten genügt dagegen nicht, wenn darin gerade 332 So aber Riehm (2015) S. 379, der diese Forderungen jedoch sogleich wieder einschränkt, nachdem dies „im Rahmen der allgemeinen Auslegungsgrundsätze ohne weitere berücksichtigt werden“ könne. 333 Vgl. dazu auch Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [896]; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 21.1. 334 Riehm, NJW 2014, 2065 [2066]; dem wohl folgend Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 18. 335 Schmitt, VuR 2014, 90 [96]. 336 Treffend weist Riehm jedoch darauf hin, dass „die Auslegungskompetenz für die Frage, wann eine Weigerung den Anforderungen des § 323 II Nr. 1 BGB genügt, bei Verbrauchsgüterkaufverträgen nicht mehr dem BGH, sondern dem EuGH zusteht.“ Riehm, NJW 2014, 2065 [2066]. Diese Klärung steht noch aus. 337 Vgl. nur BGH NJW-RR 2004, 50 [52]; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 103; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 91. 338 Seit RG Urt. v. 11.7.1902, II 129/02 = RGZ 52, 150 [152] st. Rspr.

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nicht die geforderte Endgültigkeit zum Ausdruck kommt.339 Eine andere Frage ist, wie die Erklärung oder das Verhalten des Schuldners zu deuten ist, wonach dieser nicht leisten kann, ob also das „nicht leisten können“ dem „nicht leisten wollen“ gleichgestellt werden kann. Teilweise wird im Schrifttum für eine solche Gleichbehandlung von „nicht wollen“ und „nicht können“ plädiert.340 Auch der BGH hat zum früheren Recht zwar ausgeführt: „Die Äußerung des Schuldners, innerhalb angemessener Nachfrist die Leistung keinesfalls erbringen zu können, steht in der Tat einer Leistungsverweigerung gleich.“341

Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass der BGH eine derartige Gleichbehandlung stets zugleich davon abhängig gemacht hat, dass innerhalb angemessener Nachfrist nicht mit einer Leistung gerechnet werden kann. Eine Erfüllungsverweigerung wurde deshalb dann wiederum nicht angenommen, wenn der Schuldner allein „nicht in der Lage gewesen sein sollte, die vereinbarte Frist (und nicht etwa eine […] gesetzte Nachfrist) einzuhalten.“342

Mangels Endgültigkeit genügt es daher nicht, wenn der Schuldner erklärt, dass er zeitweilig zur Leistung nicht imstande ist.343 Dementsprechend hat der BGH in einer Entscheidung jüngeren Datums zutreffend in aller Deutlichkeit der Gleichbehandlung des bloß „nicht können“ mit dem „nicht wollen“ widersprochen. Unzutreffend sei nämlich die Auffassung, wonach ein Grund zum Rücktritt schon dann bestehe, „wenn der Schuldner erklärt, er werde zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leisten können. Allein das begründet keine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung i. S. des § 323 II Nr. 1 BGB. In diesem Fall, in dem nur feststeht, dass der Schuldner zum Fälligkeitszeitpunkt nicht leistet, aber offen ist, ob der Schuldner innerhalb einer angemessenen Nachfrist seine Leistung noch erbringen wird, ist die Nachfristsetzung nach Sinn und Zweck des § 323 I BGB gerade nicht entbehrlich.“344

Das bedeutet für den Rücktritt wegen antizipierten Vertragsbruchs, dass dort, wo der Schuldner im Fälligkeitszeitpunkt offensichtlich nicht leisten kann, der 339

BGH Urt. v. 29.6.2011, VIII ZR 202/10 = NJW 2011, 2872 [2873]; vgl. auch BGH Urt. v. 16.3.1988, VIII ZR 184/87 = NJW 1988, 1778 [1780]; BGH Urt. v. 18.9.2014, VII ZR 58/13 = NJW-RR 2014, 1512 [1513 f.]; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 18. 340 Weidt (2008) S. 118. 341 BGH Urt. v. 30.10.1991, VIII ZR 9/91 = NJW 1992, 235 [235]; vgl. ferner BGH Urt. v. 19.9.1983, VIII ZR 84/82 = NJW 1984, 48 [49]. 342 BGH Urt. v. 28.1.2003, X ZR 151/00 = NJW 2003, 1600 [1601] [Herv. d. Verf.]. Der BGH gestattete dort einen Schadensersatzanspruch vor Fälligkeit jedoch unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung, BGH Urt. v. 28.1.2003, X ZR 151/00 = NJW 2003, 1600 [1601]. 343 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 98. 344 BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3716 dort Rn. 22] [Herv. d. Verf.].

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Rücktritt nach § 323 IV BGB von einem hypothetischen Fristablauf abhängt. Erst wenn diese Voraussetzung erfüllt oder die Fristsetzung aus sonstigen Gründen entbehrlich ist, kann der Gläubiger sofort zurücktreten. d) Widerruf der Erfüllungsverweigerung aa) Widerruf im Zusammenhang mit Art. 72 CISG Vor dem Hintergrund der dogmatischen Konstruktion der Vertragsaufhebung wegen antizipierten Vertragsbruchs und deren Ausgestaltung als Gestaltungsrecht ist auch die Frage zu beantworten, ob der Schuldner seine Erfüllungsverweigerung widerrufen kann, sodass der Gläubiger die Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG darauf nicht mehr stützen kann. Die Konvention schweigt sich hierzu aus.345 Nach teilweise vertretener Auffassung ist eine einmal erklärte Erfüllungsverweigerung unwiderruflich.346 Der vertragstreue Gläubiger hätte demnach die Möglichkeit den Vertrag aufzuheben, obwohl im Zeitpunkt der Ausübung des Aufhebungsrechts weder eine Erfüllungsverweigerung vorliegt noch aus sonstigen Gründen eine wesentliche Vertragsverletzung droht. Das ist eine nur schwerlich mit der Bemühung um Zurückdrängung der Vertragsaufhebung zu vereinbarende Annahme.347 Die Befürwortung einer Bindung des Schuldners an die Erfüllungsverweigerung ist zu sehr an der Konsensualtheorie verhaftet, die in der Verweigerung ein Angebot zur Vertragsaufhebung erblickt. Tatsächlich liegt ein solches Angebot, dass der Gläubiger infolgedessen annehmen würde, jedoch nicht vor. Der Gläubiger nimmt vielmehr lediglich die durch die Erfüllungsverweigerung hervorgerufene Tatsachenlage hin.348 Von jener Hinnahme der Tatsachenlage kann im maßgeblichen Zeitpunkt der Ausübung des Aufhebungsrechts jedoch keine Rede mehr sein, wenn eine Erfüllungsverweigerung wegen des Widerrufs aktuell nicht mehr vorliegt. Deshalb ist auch eine weniger restriktive Ansicht abzulehnen, wonach der Schuldner seine Erfüllungsverweigerung widerrufen kann, solange sich der Gläubiger noch nicht auf die Vertragsbeendigung „eingestellt hat“.349 Diese Auffassung ist zu sehr an die Einordnung der Erklärung als factum proprium angelehnt, an dem sich der Schuldner festhalten lassen müsse. Das tritt ganz deutlich zum Vorschein, wenn sich die Anhänger

345

Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 30. Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 27; vgl. ferner Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [633], der einer Erfüllungsverweigerung jedoch auch ipso iure-Wirkung beimisst. 347 Teilw. Abw. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 30. 348 Vgl. die vorstehenden Ausführungen zur Ablehnung der Konsensualtheorie; grundlegend Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386. 349 In diese Richtung Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 36; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 30; ähnlich Jan (1992) S. 119 ff. gestützt auf einen behaupteten Handelsbrauch i. S. d. Art. 9 CISG. 346

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dieser Ansicht auf die Parallelvorschrift des § 2–611 (1) UCC berufen.350 Denn anders als Art. 72 CISG stützt sich die Vertragsbeendigung im anglo-amerikanischen Recht von vornherein allein auf die vorzeitige Erklärung der Erfüllungsverweigerung selbst.351 Damit unterscheidet sich dieser Ansatz aber insofern von dem Art. 72 I CISG zugrundeliegenden Modell, als dort die Erklärung als solche allein die erforderliche Prognosegrundlage schafft. Wenn sich der Gläubiger auf die Verweigerung „einstellen“ will, kann und muss er schlicht die Aufhebung erklären. Davor entfaltet die Verweigerungserklärung keine Bindungswirkung. Erst nach wirksamer Ausübung des Vertragsaufhebungsrechts ist der Widerruf der Erfüllungsverweigerung denknotwendig nicht mehr möglich. Insofern verhält es sich also nicht anders als mit der nachträglichen Veränderung sonstiger Leistungsgefährdungen.352 Die Ersatzfähigkeit von durch die widerrufene Erfüllungsverweigerung entstandenen Schäden bleibt hiervon freilich unberührt.353 bb) Widerruf im Zusammenhang mit § 323 IV BGB Auch das BGB schweigt zu dem Widerruf des Schuldners seiner vorzeitigen Erfüllungsverweigerung, um das Rücktrittsrecht aus § 323 IV BGB vor dessen Ausübung durch den Gläubiger zu beseitigen. Eine § 103 II 3 InsO vergleichbare Vorschrift, die es dem Schuldner umgekehrt verbietet noch auf Erfüllung zu bestehen, wenn der Gläubiger Klärung der Verhältnisse wünscht, fehlt. In einer Entscheidung zum geltenden Schuldrecht hat der BGH indessen klargestellt, dass sich ein Gläubiger jedenfalls dann nicht mehr auf eine an zusätzliche, nicht vereinbarte Vertragskonditionen geknüpfte Verweigerungserklärung stützen kann, wenn er sich auf diese Konditionen einlässt. Ein solches Verhalten des Schuldners berechtigt den Gläubiger aber nur dann und nur solange zum Rücktritt vom Vertrag oder zur Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung, wie er sich auf die vom Schuldner gestellten Bedingungen nicht einlässt.354

Nicht geklärt ist damit, ob der Schuldner selbst von seiner Verweigerungserklärung wieder abrücken darf. Allerdings lässt sich die Verweigerung wie auch im UN-Kaufrecht wegen der Ablehnung der Konsensualtheorie als nicht mit

350

So Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 30; vgl. ferner Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 36 dort Fn. 104. § 2–611 (1) UCC lautet: „Until the repudiating party's next performance is due he can retract his repudiation unless the aggrieved party has since the repudiation cancelled or materially changed his position or otherwise indicated that he considers the repudiation final.“ 351 Vgl. § 2–610 UCC. 352 Vgl. nur MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 12; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 10. 353 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72. Rn. 20. 354 BGH Urt. V. 15.10.2003, VIII ZR 358/02 = NJW-RR 2004, 50 [52 f.] [Herv. d. Verf.].

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dem Schuldnerwillen zu vereinbarende Fiktion weder als eine Willenserklärung noch als eine rechtsgeschäftsähnliche Erklärung begreifen, sondern als eine bloße Willensäußerung, die der Schuldner korrigieren kann.355 Bei dem Widerruf der Erfüllungsverweigerung geht es allein darum, „dass der Schuldner den Tatbestand, den er durch die ursprüngliche Erfüllungsverweigerung gesetzt hat, wieder beseitigt.“356 Es leuchtet auch nicht ein, weshalb durch Versagung der Rücknahmemöglichkeit einer Erfüllungsverweigerung zusätzliche Barrieren errichtet werden sollen, die verhindern, dass unrechtmäßiges Verhalten zugunsten eines rechtmäßigen aufgegeben wird.357 Will der Gläubiger das Vertragsverhältnis umsteuern, um die beiderseitigen Leistungspflichten entfallen zu lassen und den Vertrag zu liquidieren, hat er die Konsequenzen zu ziehen, solange die Störung anhält. Anderenfalls könnte der Gläubiger ohne jedes Risiko auf Kosten des Schuldners am Markt spekulieren, indem er diesen trotz dessen erneuter Erfüllungsbereitschaft hinhält. Ein Missbrauch des Vertragsumsteuerungsrechts wird dadurch geradezu provoziert.358 Dementsprechend hat auch der BGH bereits zum früheren Recht im Falle eines Deckungsverkaufs in Folge einer Erfüllungsverweigerung des Käufers klargestellt, dass der Schuldner jedenfalls noch erfüllen kann: „Möglicherweise geht allerdings der Gläubiger, der […] die verkaufte Sache vor seiner Erklärung, Schadensersatz zu verlangen, an einen Dritten veräußert, ein gewisses Risiko ein. Da er bis zu diesem Zeitpunkt seine Erfüllungsforderung aufrechterhält, muß er damit rechnen, daß der Schuldner auf diese Forderung doch noch eingeht.“359

Dem wurde zwar entgegengehalten, „dass es das Risiko des sich unberechtigt vom Vertrage lossagenden Käufers ist, ob er mit dem Widerruf seiner „repudation“ zu spät kommt. Der Käufer muss darauf gefasst sein, dass der Verkäufer sich auf die mit der Erfüllungsverweigerung geschaffene Lage inzwischen eingestellt hat und vom Vertrag abgegangen ist.“360 Dass der Gläubiger vom Vertrag „abgeht“, indem er ein Rücktrittsrecht ausübt, hängt allerdings vom Vorliegen der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts ab und steht nicht in dessen Belieben. Damit bildet erst die Ausübung des Rücktrittsrechts eine

355 Weidt (2008) S. 186; Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145 [154]; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 11; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 109; vgl. auch zum früheren Recht BGH Urt. v. 5.7.1990, VII ZR 352/89 = NJW-RR 1990, 1300 [1301]; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 53 IV 1; wohl auch BGH Urt. v. 1.12.1976, VIII ZR 266/75 = NJW 1977, 580 [581]; krit. dazu Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [634]; offen gelassen von Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 92 und B 97; a. A. Fritz, AcP 134 (1934) 197 [212 f.], der jedoch die Verweigerung in die Nähe einer Willenserklärung rückt. 356 So zum früheren Recht, U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 53 IV 2. 357 Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145[154]. 358 Weidt (2008) S. 188; Recht, U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 53 IV 3. 359 BGH Urt. v. 1.12.1976, VIII ZR 266/75 = NJW 1977, 580 [581]. 360 Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [634].

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Schranke für den Widerruf der Erfüllungsverweigerung. In einer späteren Entscheidung lässt der BGH hieran keine Zweifel: „Die eingeschränkte Wirkung der Weigerung bedeutet u. a., daß die Möglichkeit, ohne Fristsetzung Schadensersatz zu verlangen, wieder fortfallen kann. Die Weigerung ist keine rechtsgeschäftliche, das Vertragsverhältnis verändernde Erklärung, an welcher der Unternehmer festgehalten werden könnte. Sie stellt lediglich ein Verhalten dar, an das die Erleichterung anknüpft, keine – sonst erforderliche – Frist setzen zu müssen. Nutzt der Besteller diese Erleichterung nicht, dann gibt es keine Berechtigung mehr für sie, sobald der Unternehmer sich bereit findet zu erfüllen, bevor der Besteller Gewährleistungsrechte geltend macht.“361

2. Sonstige Leistungsgefährdungen als antizipierter Vertragsbruch a) Art. 72 CISG: das Drohen einer wesentlichen Vertragsverletzung Für das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG gilt derselbe Maßstab wie bei der Vertragsaufhebung nach Artt. 49 I lit. a und 64 I lit. a CISG.362 Insofern kann daher auf die vorstehenden Ausführungen zur Dogmatik der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht wegen erwiesener Vertragsverletzung verwiesen werden. Es kommt danach vorbehaltlich einer vertraglichen Bestimmung der Wesentlichkeit darauf an,363 ob die drohende Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Vorhersehbarkeit so gewichtig ist, dass das Interesse der Partei an der Durchführung des Vertrags dadurch beseitigt wird. Eine auf Art. 72 CISG gestützte Vertragsaufhebung kommt damit regelmäßig nur bei drohender Verletzung synallagmatisch verbundener Pflichten in Betracht.364 Sofern ein Fixgeschäft vereinbart wurde, genügt dementsprechend auch bereits die drohende Säumnis, um ein Aufhebungsrecht aus Art. 72 CISG zu begründen.365 Allein auf die abstrakte Schwere einer etwaigen Vertragsverletzung ohne Berücksichtigung des konkreten Erfüllungsinteresses ist hingegen nicht abzustellen.366 Auffallend ist im Vergleich zu Art. 71 CISG indessen das Fehlen eines entsprechenden Störungskatalogs. Allerdings besteht wegen der Weite des Art. 71 I lit. a und b CISG tatsächlich ohnehin in der 361

BGH Urt. 5.7.1990, VII ZR 352/89 = NJW-RR 1990, 1300 [1301] [Herv. d. Verf.]. Vgl. nur Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 12 dort Fn. 34 m. w. N. 363 Eingängig Grundmann, FS Canaris (2007) 307 [319]; BGH Urt. v. 24.9.2014, VIII ZR 394/12 = GWR 2014, 500 m. Anm. Ostendorf. 364 Vgl. das Kapitel zur Aufhebung bei der Verletzung außerhalb des Synallagmas stehender Pflichten im CISG. 365 Vgl. dazu ausführlich den Abschnitt zur sofortigen Vertragsumsteuerung wegen Säumnis. 366 BGH NJW 2015, 867 [869]; Kappus, NJW 1994, 984 [984]; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Ferrari CISG (2018) Art. 25 Rn. 9; BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 25 Rn. 21; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 25 Rn. 4; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 25 Rn. 13; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 25 Rn. 12 f. 362

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Sache kein Unterschied.367 Die Ursache der drohenden Vertragsverletzung ist für die Anwendbarkeit des Art. 72 CISG dementsprechend ohne Relevanz.368 Die Norm des Art. 72 CISG nimmt durch den autonomen Rekurs auf die wesentliche Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG allein den Vertragsaufhebungsgrund in den Blick, wie er sich parallel in Artt. 49 I lit. a und 64 I lit. a CISG wiederfindet. Prima facie löst sich der Tatbestand dadurch von der Überlegung, dass eine drohende Vertragsverletzung erforderlich und ausreichend ist, die bei ihrem Eintritt gem. Artt. 49 und 64 CISG zur Berechtigung der Vertragsaufhebung führen würde.369 Denn ob auch die drohende Nichtlieferung (Art. 49 I lit. b CISG) sowie das drohende Ausbleiben der Zahlung oder der Abnahme (Art. 64 I lit. b CISG) innerhalb einer hypothetisch gesetzten angemessenen Frist von Art. 72 CISG erfasst ist, wird von der Norm nicht expressis verbis vorgegeben. Allerdings handelt es sich bei der Nachfristaufhebung, jeweils gestützt auf eine prozedurale Betrachtung, ebenso stets um wesentliche Vertragsverletzungen. Die Schaffung der alternativen Aufhebungstatbestände in jeweils einer Vorschrift belegt, dass sie dasselbe rechtliche Gewicht haben. Die Gleichwertigkeit wird dabei durch den Ablauf einer vom Gläubiger gesetzten angemessenen (Artt. 47 I und 63 I CISG) Frist zur Nachholung der vertraglichen Kernpflicht erreicht.370 Die Voraussetzungen des Art. 25 CISG liegen unter diesen Umständen deshalb stets vor. Letztlich entspricht dies auch der zu Art. 76 EKG vertretenen Auffassung, die eine solche Erstreckung des Wortlauts darauf befürwortet, dass innerhalb der Nachfrist eine Veränderung der Lage offensichtlich nicht zu erwarten ist.371 Für dieses Ergebnis streitet auch ein systematischer Vergleich mit der überwiegenden Auffassung hinsichtlich der Frage, ob in einem Sukzessivlieferungsvertrag hinsichtlich einer bereits ausgebliebenen Rate eine Nachfristsetzung möglich ist. Denn diese ist in Art. 73 I CISG ebenso wenig ausdrücklich genannt. Auch dort wird jedoch nach ganz überwiegender Auffassung angenommen, dass der fehlende Verweis auf die Möglichkeit der Nachfristsetzung unschädlich ist, da bei erfolglosem Ablauf einer Nachfrist vom Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung

367 Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 11; ähnlich Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 13; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 7. 368 Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 5. 369 Vgl. hierzu Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 6; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 49 Rn. 2. 370 Eingängig hierzu Friehe, IHR 2010, 230 [247 f.]; vgl. ferner Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [231]; ders., in: FS Wolf 1985, S. 373 [385]; Lurger, IHR 2001, 91 [92]; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Bach CISG (2018) Art. 49 Rn. 51 ff.; krit. jedoch ohne Begründung Kiene (2010) S. 180. 371 Vgl. oben zur Entstehung des Art. 72 CISG, Dölle/Leser (1976) EKG Art. 76 Rn. 20.

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i. S. d Art. 25 auszugehen ist. 372 Es ist deshalb parallel zur Verweisung des Art. 51 CISG kein Grund ersichtlich, weshalb dem Gläubiger dieser Formaltatbestand im Zusammenhang mit Art. 72 CISG genommen werden sollte. Übertragen auf Art. 72 CISG bedeutet das somit, dass der Vertrag aufgehoben werden kann, sofern die Prognose gelingt, wonach das Ausbleiben der in Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG genannten Kernpflichten nach Ablauf einer hypothetisch gesetzten angemessenen Frist droht. Dies ist aus Gläubigersicht deshalb von Vorteil, weil dieser grundsätzlich die tatsächlichen Voraussetzungen des Aufhebungsrechts und damit auch die des Art. 25 CISG nachzuweisen hat.373 Der Gläubiger wird bei der Nachfristaufhebung indessen vom Nachweis einer wesentlichen Vertragsverletzung entbunden.374 Es genügt der hypothetische Fristablauf. Daher wird der Gläubiger im Rahmen des Art. 72 CISG – wie im direkten Anwendungsbereich von Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG – vom Nachweis der Wesentlichkeit befreit, sofern der erfolglose Ablauf der hypothetisch gesetzten angemessenen Frist offensichtlich ist. Den Gläubiger trifft sodann lediglich mit Blick auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit in Form von Offensichtlichkeit die Beweislast. b) § 323 IV BGB: das Drohen des Eintritts der Rücktrittsvoraussetzungen aa) Der drohende Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen – der Prognosebezugspunkt Aus der Begründung des Reformgesetzgebers zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz folgt, dass § 323 IV BGB neben der endgültigen Leistungsverweigerung für den Fall ein sofortiges Rücktrittsrecht gewähren soll, dass vor Fälligkeit „eine unbehebbare Leistungshinderung“ droht.375 Darüber hinaus sind 372

Handelsgericht des Kantons Zürich Urt. v. 5.2.1997, HG 950347 = CISG-online No. 327; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 636; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 73 Rn. 7; BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 73 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 73 Rn. 11; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 73 Rn. 11; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 161. Lediglich abweichend in der Begründung, wonach Art. 73 I CISG anordne, dass die Teillieferung wie ein selbstständiger Vertrag zu behandeln sei, sodass Artt. 49 und 64 CISG Anwendung finden können, MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 73 Rn. 6; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 73 Rn. 4; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 30. Für eine lediglich indizielle Wirkung der Nachfrist Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 73 Rn. 11. Generell dagegen Herber/Czerwenka (1991) CISG Art. 73 Rn. 2. 373 Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 17; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 18; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 30; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 72 Rn. 13. 374 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 49 Rn. 15; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 49 Rn. 5. 375 BT-Drucks. 14/6040, 186.

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die Materialien wenig ergiebig. Mit dem Verweis auf ein „unbehebbares“ – und damit nicht nur vorübergehendes – Leistungshindernis scheint die Begründung das Vorliegen von Unmöglichkeit zur Voraussetzung des Rücktritts wegen antizipierten Vertragsbruchs zu erheben. Dagegen wird die Frage, unter welchen Umständen sonstige Leistungsgefährdungen zum Rücktritt berechtigen, welche Umstände insofern also den maßgeblichen Prognosebezugspunkt bilden, von der Norm selbst dahingehend beantwortet, dass es auf den offensichtlichen Eintritt der „Voraussetzungen des Rücktritts“ ankommt. Unter Berücksichtigung dessen ist es daher für § 323 IV BGB nicht erforderlich, dass bereits vor Fälligkeit feststeht, dass die Leistungserbringung für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.376 Maßgeblich ist wegen des mit dem Verweis auf den künftigen Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen verbundenen Bezugs auf § 323 I BGB nach einhelliger Auffassung vielmehr ein hypothetischer Fristablauf, sofern kein Fall des § 323 II BGB vorliegt.377 Erforderlich ist ferner, dass eine Leistungspflicht betroffen ist, die zumindest nach dem Parteiwillen unauflösbar mit den im Austauschverhältnis stehenden Leistungspflichten verbunden ist und damit im Synallagma steht.378 Die Prognose erstreckt sich damit auf sämtliche gesetzliche Rücktrittsvoraussetzungen einschließlich der hypothetischen Nachfristsetzung bzw. deren Entbehrlichkeit.379 Auch bei einer drohenden Nicht- oder Schlechtleistung liegen die Voraussetzungen des § 323 IV BGB demnach – vorbehaltlich des § 323 II BGB – nicht vor, wenn der Schuldner zwar offensichtlich nicht im Zeitpunkt der Fälligkeit vertragsgemäß leisten kann, es aber nicht ausgeschlossen erscheint, dass dieser im Stande ist binnen einer ab Fälligkeit laufenden angemessenen Frist noch die Leistung nachzuholen.380 Dagegen bezieht sich nach von Ernst vertretener Auffassung die Offensichtlichkeit, wonach die Voraus-

376 Zur Anwendbarkeit des § 323 IV BGB im Fall der Unmöglichkeit i. S. d. § 275 BGB, vgl. sogleich. 377 Weniger deutlich hat BGH Beschl. v. 8.5.2008, VII ZR 201/07 = NJW-RR 2008, 1052 allein an die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses angeknüpft. Der BGH ließ den Zeitpunkt der Fälligkeit dort offen und stützte das Rücktrittsrecht mal auf den früheren § 323 II Nr. 3 BGB und mal auf § 323 IV BGB. 378 Vgl. dazu die Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 323 BGB bei außerhalb des Synallagmas stehenden Pflichten, Kap. 2 VII. 379 OLG Brandenburg Urt. v. 27.4.2016, 4 U 153/14 = BeckRS 2016, 09264 Rn. 67; Gsell EWiR 2013, 99 (= Anm. zu BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10); Ramming, ZGS 2002, 412 [415]; Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [229]; Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 23; BeckOK BGB/H. Schmidt § 323 Rn. 7; BeckOK BGB/Faust § 437 Rn. 13; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 215; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12; Jauernig/Stadler (2015) § 323 Rn. 15; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 132; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 161. Lediglich auf eine Prognose über den Eintritt einer „erheblichen Vertragsverletzung bei Fälligkeit“ abstellend, Weidt (2008) S. 130. 380 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 132.

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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setzungen des Rücktritts eintreten werden allein auf die Nicht- oder Schlechterfüllung trotz Fälligkeit, nicht hingegen auf „die Regelvoraussetzung der fruchtlos abgelaufenen Nachfrist.“381 Eine Begründung, weshalb bereits die bloß drohende Säumnis zum Rücktritt berechtigen soll, fehlt dabei. Tatsächlich ist für diese vom Wortlaut des § 323 IV BGB abweichende Auslegung auch kein Grund ersichtlich. Denn im Gegenteil kann wegen des Verweises auf die Rücktrittsvoraussetzungen die bloße Gefahr der Unpünktlichkeit erst recht kein Rücktrittsrecht begründen, wenn selbst die real eingetretene Säumnis wegen § 323 I BGB für sich den Rücktritt nicht rechtfertigt.382 Auch bei einem antizipierten Vertragsbruch darf nicht übersehen werden, dass das BGB die für den Rücktritt erforderliche Gewichtigkeit der Vertragsverletzung prozedural bestimmt. Dies ist im Rahmen des § 323 IV BGB durch einen zumindest hypothetischen Fristablauf zu berücksichtigen. Schließlich hat der BGH auch mit Blick auf einen nach Treu und Glauben entbehrlichen Fristablauf nach Fälligkeit klargestellt, dass ein sofortiger Rücktritt zwar dann möglich ist, „wenn feststeht, dass der Schuldner die angemessene Nachfrist nicht einhalten wird. Denn dann wäre das Erfordernis der Nachfrist eine reine Förmelei.“383 Damit ist aber ebenfalls (lediglich nach Fälligkeit) eine Prognose über den hypothetischen Fristablauf verbunden.384 Nur dann kann auf den Fristablauf verzichtet werden. Im Anwendungsbereich des § 323 IV BGB bedeutet dies, dass der Prognosebezugspunkt damit grundsätzlich der hypothetische Fristablauf ist. Dagegen wird dort der Zeitpunkt der Fälligkeit der maßgebliche Prognosebezugspunkt, wo die Fristsetzung entbehrlich ist. Insofern sind primär die Tatbestände des § 323 II BGB zu berücksichtigen. Hervorzuheben ist dabei neben der (vorzeitigen) Erfüllungsverweigerung das relative Fixgeschäft.385 Sind die in § 323 II Nr. 2 BGB normierten Voraussetzungen erfüllt, kann der Gläubiger demnach bereits zurücktreten, wenn offensichtlich ist, dass der Schuldner im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht leisten wird.386 Nichts anderes gilt auch dann, wenn zumindest eine Partei Kaufmann ist, sodass im Falle real eingetretener Säumnis die speziellere Norm des § 376 HGB Anwendung fände, §§ 345, 1 ff.

381

MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 135. So Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 161. 383 BGH NJW 2012, 3714 [3717 Rn. 26]. Vgl. ferner oben zu den Ausnahmen vom Fristablauf nach § 242 BGB. 384 So hat auch der BGH die Frage der Entbehrlichkeit nach § 242 BGB offen gelassen, weil „jegliche Feststellungen dazu [fehlen], welche Nachfrist noch angemessen gewesen wäre und ob offensichtlich gewesen war, dass diese nicht eingehalten worden wäre.“ BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3717 Rn. 26] [Herv. d. Verf.]. 385 Zum Rücktritt wegen antizipierten Vertragsbruchs bei einem absoluten Fixgeschäft vgl. sogleich die Ausführungen zu § 323 IV BGB bei (vorübergehender) Unmöglichkeit. 386 Vgl. nur Ramming, ZGS 2002, 412 [415]. 382

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HGB.387 Denn nach im Schrifttum ganz überwiegend vertretener Auffassung verdrängt diese Sonderregelung § 323 BGB nur in dem Umfang, in dem § 376 I HGB Anwendungsvorrang zukommt.388 Außerhalb dessen, d. h. mit Blick auf in § 323 V BGB enthaltene Rücktrittsschwellen und die Gewährung eines Rücktrittsrechts vor Fälligkeit, ist ein ergänzender Rückgriff auf § 323 BGB daher nicht ausgeschlossen. Dementsprechend bleibt § 323 IV BGB neben § 376 HGB anwendbar und der Gläubiger kann zurücktreten, wenn der Schuldner im Zeitpunkt der Fälligkeit offensichtlich nicht leistet.389 bb) Anwendbarkeit des § 323 V BGB beim antizipierten Vertragsbruch Insbesondere im Falle sonstiger Leistungsgefährdungen stellt sich im Rahmen des § 323 IV BGB die Frage der Anwendbarkeit der Rücktrittsschwellen aus § 323 V BGB. Schließlich dienen die dort normierten Einschränkungen für quantitative sowie qualitative Teilleistungen dazu, den bloß prozeduralen Ansatz des BGB bei der Bewertung der Vertragsverletzung zur Herbeiführung der Rechtsfolgen des Rücktritts zu korrigieren.390 Dementsprechend scheint bei der Prüfung eines bloß hypothetischen Fristablaufs eine materielle Einschränkung nicht weniger angezeigt zu sein. Nach im Schrifttum wohl überwiegend vertretener Auffassung sind deshalb die Erheblichkeitsschwelle des § 323 V 2 BGB und der Vorbehalt vom Totalrücktritt aus § 323 V 1 BGB auf den Rücktritt wegen antizipierten Vertragsbruchs ebenso anwendbar.391 Demnach müsse der Rücktritt hieran zusätzlich gemessen werden, sofern die sich abzeichnende

387

§ 376 HGB ist nach h. M. lex specialis zu § 323 II Nr. 2 BGB, ausführlich EBJS/G. Müller (2015) HGB§ 376 Rn. 8 ff.; teilw. abweichend Canaris, in: FS Konzen (2006) S. 43 [49]. Zur Diskussion der teleologischen Reduktion des persönlichen Anwendungsbereichs wegen § 376 I 2 HGB, vgl. Herresthal, ZIP 2006, 883 [889 f.]. 388 Das Vorrangverhältnis wirkt sich damit primär auf den Verlust des Primäranspruchs und die Berechnung des Schadensersatzes aus. Unterschiedliche Anforderungen an die Fixabrede und das Bestehen eines Rücktrittsrechts ergeben sich daraus demgegenüber auch nach Neufassung des § 323 II Nr. 2 BGB nicht. Die Statuierung eines Rücktrittsrechts in § 376 I HGB erklärt sich nur historisch, Canaris, FS Konzen (2006) 43 [47 f.]; Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [900], Canaris, Handelsrecht (2006), § 29 Rn. 27; Oetker/Koch (2017) HGB § 376 Rn. 1. 389 Canaris, Handelsrecht (2006), § 29 Rn. 28; K. Schmidt, Handelsrecht (2014) § 29 Rn. 25 dort Fn. 74; Baumbach/Hopt/Hopt (2018) § 376 Rn. 10; BeckOK HGB/Schwartze § 376 Rn. 12; EBJS/G. Müller (2015) HGB § 376 Rn. 44; Heidel/Schall/Stöber (2015) HGB § 376 Rn. 13); MüKoHGB/Grunewald (2018) § 376 Rn. 5; Koller/Kindler/Roth/ Morck/Roth (2015) HGB § 376 Rn. 8; Oetker/Koch (2017) HGB § 376 Rn. 29. 390 Vgl. dazu das Kapitel zur Beschränkung und Begründung des Rücktrittsrechts im BGB aufgrund der Gewichtigkeit der Vertragsverletzung. 391 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 133; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 143; Prütting/Wegen/Weinreich/Stürner (2018) § 323 Rn. 10; wohl auch Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 173.

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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Pflichtverletzung darin besteht, dass eine Leistung nur zum Teil oder nicht vertragsgemäß erbracht wird. Schließlich überwinde § 323 IV BGB lediglich das Tatbestandsmerkmal der Fälligkeit. § 323 V BGB entfalte demnach deshalb eine für § 323 IV BGB begrenzende Wirkung, weil das Rücktrittsrecht vor Fälligkeit nicht weiter reichen könne als danach. Demgegenüber wird die damit stillschweigend postulierte Geltung der Erheblichkeitsschwellen vor dem Leistungsaustausch zutreffend aus einem anderen Blickwinkel kritisiert – namentlich bei der Bedeutung des § 323 V BGB für ein vor dem Leistungsaustausch bestehendes Zurückweisungs- oder Annahmeverweigerungsrecht. Dabei stellt sich noch vor dem Leistungsaustausch die Frage, ob ein Käufer eine teilweise vertragswidrige Ware stets zurückweisen kann oder ob dieses „Recht“ mittelbaren Einschränkungen durch § 323 V BGB unterliegt. Letzteres trifft jedoch nicht zu. Insofern muss nämlich zum einen berücksichtigt werden, dass § 323 V 1 und 2 BGB nach deren eindeutigen Wortlaut erst dann gelten, wenn der Schuldner (Verkäufer) die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt hat.392 Zum anderen sei die fehlende Anwendbarkeit des § 323 V BGB vor dem Übergang des Erfüllungsanspruchs zum Gewährleistungsstadium deshalb wertungsgerecht, weil den Gläubiger dort weitere erhebliche Nachteile treffen wie die kürzere Verjährung des § 438 I BGB und der im Vergleich zu § 275 II BGB für den Verkäufer leichtere Einwand der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung des § 439 III BGB. Dem Käufer müsse daher die Möglichkeit verbleiben, diese Einschränkungen durch Zurückweisung der vor Gefahrübergang als mangelhaft erkannten Sache abzuwehren,393 und infolgedessen auch zurückzutreten. Dieser Sichtweise hat sich auch der BGH jüngst angeschlossen, selbst wenn der erkennende Senat den Begriff des „Zurückweisungsrechts“ dabei weitestgehend vermeidet.394 Zutreffend wurde darauf hingewiesen, dass ein Zurückweisungsrecht ohnehin nicht mehr als die Gesamtheit der Regeln beschreibt, die dem Gläubiger wegen der Berechtigung zur Einbehaltung der eigenen Leistung zugleich die Verweigerung der Abnahme einer vertragswidrigen Leistung ermöglichen, ohne in irgendeine Form des Verzugs zu geraten.395 In casu billigte der BGH trotz eines nur geringfügigen Mangels nicht nur die Einbehaltung des vollständigen Kaufpreises wegen der mit § 320 BGB verbundenen Druckfunktion der Norm.396 Vielmehr könne

392

Lorenz, NJW 2013, 1341 [1343] [Herv. im Original]. Lorenz, NJW 2013, 1341 [1343]; Canaris, in: Karlsruher Forum (2003) S. 5 [74]. 394 BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 m. Anm. Ostendorf. 395 Treffend Wilke in EWiR 2017, 237 [238] (= Anm. zu BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15); deutlich auch Canaris, in: Karlsruher Forum (2003) S. 5 [74]: „Irgendein „Recht“ zur Zurückweisung der Sache braucht der Käufer nicht; vielmehr kann er die Annahme der Sache einfach deshalb ablehnen, weil diese gemäß § 433 I 2 BGB nicht vertragsgemäß ist […].“ 396 BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1101 f.]. 393

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der Käufer zusätzlich bis zur Beseitigung des geringfügigen Mangels die Annahme verweigern, wobei sich das Verweigerungsrecht mangels der Einbindung der Annahmepflicht aus § 433 II BGB in das Synallagma aus § 273 I BGB ergibt.397 Schließlich unterscheidet der insofern allein maßgebliche § 433 I 2 BGB anders als § 323 V 2 BGB nicht zwischen erheblichen und unerheblichen Pflichtverletzungen des Verkäufers.398 Der BGH hat sich damit der ganz überwiegenden Auffassung der Literatur angeschlossen.399 Die Gegenansicht missachtet, worauf Canaris bereits früh aufmerksam gemacht hat, „die Zäsur zwischen Erfüllungs- und Gewährleistungsrecht, indem sie Einschränkungen, die nur für Letzteres gelten, einfach auf Ersteres überträgt.“400 Einschränkend ist zwar lediglich darauf hinzuweisen, dass der Käufer die Annahme nicht bei einem unbehebbaren Mangel verweigern kann, wenn also die Leistung nach § 275 I bis III BGB teilweise ausgeschlossen ist. Denn dann bietet der Schuldner alles an, wozu er nach § 433 I BGB noch verpflichtet ist – es handelt sich dann um die gesamte noch geschuldete Leistung.401 Allerdings braucht der Käufer die Ware dann nicht abzunehmen, wenn er nach §§ 326 V i. V. m. 323 BGB vom gesamten Vertrag zurücktritt, wobei § 323 V BGB mangels einer bewirkten Leistung ebenso wenig Anwendung findet.402 Kann ein Käufer somit auch nach Fälligkeit die nur geringfügig vertragswidrige Ware zurückweisen, werden folglich die für den Rücktritt geltenden 397 BGH Urt. v. 26.10.2016, VIII ZR 211/15 = NJW 2017, 1100 [1102 f.]. Mangels vertragsgemäßen Angebots kommt der Käufer dabei nach § 294 BGB auch nicht in Annahmeverzug. 398 BGH a. a. O. 399 Wobei das Zurückweisungsrecht mal auf § 266 und mal auf § 273 oder § 320 BGB gestützt wird. Vgl. Canaris, in: Karlsruher Forum (2003) S. 5 [74 f.]; Lamprecht, ZIP 2002, 1790 [1791]; Lorenz, NJW 2013, 1341 [1343]; Jud, JuS 2004, 841 [843 ff.]; Riehm (2015) S. 293; Palandt/Weidenkaff (2019) § 433 Rn. 47; Dauner-Lieb/Langen/Büdenbender (2016) BGB § 437 Rn. 113; BeckOK BGB/Faust § 433 Rn. 40 f.; juris-PK-BGB/Pammler (2017) § 433 Rn. 11; Staudinger/Beckmann (2015) § 433 BGB Rn. 220; Erman/Grunewald (2017) Vor § 437 Rn. 6 und 11. Ablehnend zu einem Zurückweisungsrecht jedoch, Prütting/Wegen/Weinreich/D. Schmidt (2018) § 437 Rn. 25; HK-BGB/Saenger (2017) § 433 Rn. 10; wohl auch Jauernig/Berger (2015) § 437 Rn. 29. 400 Canaris, in: Karlsruher Forum (2003) S. 5 [74]. 401 Vgl. nur BeckOK BGB/Faust § 433 Rn. 40. 402 Wie hier, BeckOK BGB/Faust § 433 Rn. 40b. Vgl. ferner BT-Drucks. 14/6040, 186 f.; Canaris, in: Karlsruher Forum (2003) S. 5 [74 f.]; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 217 ff. Nach anderer – wohl noch überwiegend vertretener – Auffassung müsse ebenso „wie im Fall der quantitativen Teilunmöglichkeit […] wegen der durch § 326 V BGB angeordneten entsprechenden Anwendung von § 323 V 2 BGB eine nicht vertragsgemäße Leistung noch nicht „bewirkt“ sein.“ Lorenz, NJW 2013, 1341 [1342 und 1344] [Herv. i. Original]; Erman/Grunewald (2017) Vor § 437 Rn. 11; vgl. auch Jud, JuS 2004, 841 [845 f.]. Allerdings erblickt selbst Lorenz NJW 2013, 1341 [1342], die Rechtfertigung des § 323 V BGB in der Vermeidung einer Rückabwicklung, die jedoch bei einer unbehebbaren Teilstörung vor dem Leistungsaustausch nicht droht.

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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Erheblichkeitsschwellen des § 323 V BGB nicht ausgelöst. Es stimmt daher nicht, wenn im Zusammenhang mit § 323 IV BGB die Berücksichtigung des § 323 V BGB gefordert wird, weil das Rücktrittsrecht vor Fälligkeit nicht weiter reiche als danach, sodass stets die Grenzen des § 323 V BGB gelten.403 Denn auch nach Fälligkeit kann ein Gläubiger noch vor dem Leistungsaustausch die Ware zurückweisen, sodass § 323 V BGB keine Anwendung findet und ein Rücktritt vom bloßen Fristablauf abhängt. Es kommt für die Anwendbarkeit von § 323 V BGB nicht auf den Zeitpunkt der Fälligkeit an, sondern darauf, ob der Gläubiger die teilweise vertragswidrige Ware bereits „in die Hand genommen hat“.404 Übertragen auf § 323 IV BGB bedeutet das, dass erst recht kein Anlass besteht, die auf einen erfolgten Leistungsaustausch zugeschnittenen Regelungen vor Fälligkeit anzuwenden und den Gläubiger den Rücktritt nach § 323 IV BGB zu verwehren.405 Dies gilt jedenfalls für das Kaufrecht, da das Gesetz dort nach alldem einem Käufer nicht die Annahme einer vertragswidrigen Leistung aufbürdet.406 Insbesondere findet § 640 I 2 BGB dort keine analoge Anwendung, da die Norm spezifisch der Verbesserung der Rechtsstellung des Werkunternehmers dient.407 cc) 323 IV BGB bei (vorübergehender) Unmöglichkeit vor Fälligkeit neben §§ 311a, 326 BGB Bereits im Zusammenhang mit dem Prognosebezugspunkt wurde darauf hingewiesen, dass § 323 IV BGB trotz des insofern missverständlichen Hinweises der Materialien auf eine „unbehebbare Leistungshinderung“408 keine tatsächlich oder rechtliche Unmöglichkeit fordert.409 Denn im Gegenteil ist überall dort, wo die Leistungserbringung nach § 275 BGB bereits endgültig unmöglich ist, unabhängig vom Eintritt der Fälligkeit schon § 326 BGB einschlägig.410 Ein Rückgriff auf § 323 IV BGB ist dann zur Herbeiführung der Rücktrittsfolgen weder notwendig, noch wäre bei endgültiger Unmöglichkeit der gesamten Leistung damit eine konstitutive Einwirkung auf das Vertragsverhältnis verbunden. Schließlich entfällt die Gegenleistungspflicht gem. dem in § 326 I 1

403

So aber Prütting/Wegen/Weinreich/Stürner (2018) § 323 Rn. 10. Vgl. Lorenz, NJW 2013, 1341 [1342]. 405 Vgl. Weidt (2008) S. 182. 406 Abweichend für den Werkvertrag, Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [228]. Tatsächlich kann nämlich der Besteller nach § 640 I BGB nicht die Abnahme des Werks wegen unwesentlicher Mängel verweigern. 407 BGH NJW 2017, 1100 [1103]; dem folgend BeckOK BGB/Faust § 433 Rn. 40a. Vgl. dazu auch die Begründung in BT-Drucks. 14/1246, 6. 408 BT-Drucks. 14/6040, 186. 409 Vgl. die Ausführungen zum drohenden Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen als Prognosebezugspunkt, Kap. 4 IV 2. b). 410 Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 15 Rn. 35. 404

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HS 1 und IV BGB angeordneten Befreiungs- und Rückabwicklungsmechanismus im Fall der Unmöglichkeit der schuldnerischen Leistung automatisch, ohne dass es auf den Zeitpunkt der Fälligkeit ankommt.411 Ebenso wenig kommt es auf die Fälligkeit an, wenn der Gläubiger nach § 326 V BGB bei der bereits endgültig irreparablen Schlechtleistung (§ 326 I 2 BGB) bzw. teilweiser Unmöglichkeit (§ 321 I 1 HS. 2 BGB) vom gesamtem Vertrag zurücktritt. Auch dann bedarf es der Heranziehung des § 323 IV BGB nicht, weil es im Fall der an das Sachschicksal anknüpfenden Rücktrittsbefugnis aus § 326 V BGB schon nicht auf die Fälligkeit ankommt.412 Etwas anders scheint es indessen bei der Gefährdung der Leistung in den besonderen Fällen absoluter Fixgeschäfte zu liegen. In diesen Fällen ist die Einhaltung der Leistungszeit nach dem Zweck des Vertrags und der zugrundeliegenden Interessenlage für den Gläubiger derart wesentlich, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr bzw. eine andere als die geschuldete Leistung darstellen würde. Es tritt sodann ebenfalls Unmöglichkeit ein, sodass sich die Folgen für den Gegenleistungsanspruch bereits aus § 326 BGB ergeben.413 Die Fälligkeit ist bei absoluten Fixschulden mithin nicht bloße Modalität der Leistung, sondern wird gar zum Identitätsmerkmal derselben.414 Allerdings tritt die Unmöglichkeit dort eben frühestens erst im Zeitpunkt des ergebnislosen Verstreichens der Fälligkeit ein und nicht vorher.415 Da § 326 BGB damit vor Fälligkeit selbst dann nicht einschlägig ist, wenn die verspätete Leistungserbringung offensichtlich ist, bedarf es hier des Rückgriffs auf § 323 IV BGB. Vor Fälligkeit muss der Gläubiger somit noch den Rücktritt erklären, um die Vertragsumsteuerung zu bewirken. Deshalb bilden absolute Fixgeschäfte eine Kategorie des antizipierten Vertragsbruchs, in der § 323 IV BGB i. V. m. § 326 BGB Anwendung findet.

411 Weidt (2008) S. 109; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 136; zögernd Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130 a. E., wonach sich die „Möglichkeit zum Rücktritt vor Fälligkeit in den Unmöglichkeitsfällen jedenfalls aus § 326 V i. V. m. § 323 IV BGB ergibt, wenn nicht sogar unmittelbar aus § 326 V BGB.“ [Herv. d. Verf.]; vgl. auch BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 210 und 222. 412 BeckOK BGB/Faust § 437 Rn. 13 a. E. 413 So die h. M., ständige Rspr. seit BGH Urt. v. 30.11.1972, VII ZR 239/71 = BGHZ 60, 14 [16]; vgl. aus der Lit. statt vieler Palandt/Grüneberg (2019) § 271 Rn. 17. Krit. zum Ganzen Dubovitskaya, AcP 215 (2015) 581 [584 ff.]; Riehm (2015) S. 372 f. 414 Gernhuber, Erfüllung (1994) § 3 I 1. 415 Abweichend plädiert Dubovitskaya dafür, die sich aus der Unmöglichkeit ergebenden Konsequenzen bei Wesentlichkeit der Terminbestimmung nicht starr an die Fälligkeit zu knüpfen, da der Zeitpunkt, bis zu dem die Leistung sinnvollerweise noch nachgeholt werden kann („Erfüllungszeitraum“), noch nach Eintritt der Fälligkeit liegen kann. Erst nach Ablauf des Erfüllungszeitraums, innerhalb dessen eine Nachholung noch tatsächlich möglich ist, verliert der Gläubiger sein Interesse endgültig an der Leistung, sodass erst dann die Annahme der Unmöglichkeit gerechtfertigt ist, Dubovitskaya, AcP 215 (2015) 581 [596 f.].

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Gänzlich anders liegen die Dinge dagegen im Fall einer drohenden sog. vorübergehenden Unmöglichkeit.416 Dort ist der das Leistungshindernis begründende Zustand noch nicht endgültig eingetreten zu sein, sondern es besteht ex ante noch die Möglichkeit der Behebung des Hindernisgrunds. Insofern ist auffallend, dass zur Veranschaulichung der vorübergehenden Unmöglichkeit Beispiele angeführt werden, die sich mit den zu § 323 IV BGB genannten Beispielsfällen decken. So ist etwa bei (künftigen) Streiks, Naturkatastrophen und bei von Ein- oder Ausfuhrverboten bedingten Herstellungs- oder Transportengpässen von vorübergehender Unmöglichkeit als faktischem oder rechtlichem Hindernis die Rede, das auch den Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen offensichtlich erscheinen lässt.417 Dies verwundert allerdings nicht, da bei vorübergehender Unmöglichkeit nach h. M. tatsächlich die Durchsetzung des Primäranspruchs gem. § 275 BGB analog vorübergehend gehemmt ist.418 Schließlich wurde die im Regierungsentwurf zu § 275 BGB noch enthaltene Formulierung „soweit und solange diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist“419 lediglich wegen der damit aufgeworfenen Folgeprobleme für den Rücktritt und Schadensersatz nicht übernommen.420 Jedoch richten sich Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung infolge des Leistungshindernisses – nachdem §§ 283 und 326 BGB allein auf die endgültige Unmöglichkeit zugeschnitten sind – bei bloß vorübergehender Unmöglichkeit nach ebenso h. M. nach den Regelungen über die Leistungsverzögerungen. Da die Leistung noch nachholbar ist, greift vielmehr das in §§ 281 und 323 BGB umgesetzte Nachfristmodell Platz, da hier der Vorrang der Naturalerfüllung betroffen

416 Krit. zur Terminologie weil ungewiss sein kann, ob das Leistungshindernis jemals wieder wegfällt, und die Leistung damit tatsächlich nur „vorübergehend“ nicht erbracht werden kann, Medicus, in: FS Heldrich (2005) S. 347 [347]; teilw. abweichend Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [144 f.]. Vgl. ferner Riehm (2015) S. 314; P. Schmidt (2007) S. 87 ff. 417 Vgl. Gsell, in: FS Buchner (2009) S. 267 [267] zu vorübergehender Unmöglichkeit einerseits und Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 137 zu § 323 IV BGB andererseits. Weitere Bsp. bei Däubler, in: FS Heldrich (2005) S. 55 [57 f.]; Kaiser, in: FS Hadding (2005) S. 121 [121 f.]. 418 BT-Drucks. 14/7052, 183; BGH Urt. v. 12.3.2013, XI ZR 227/12 = NJW 2013, 3437 [3442]. Vgl. statt aller MüKoBGB/Ernst (2016) § 275 Rn. 137 m. w. N. Eine Klage ist als „zur Zeit unbegründet“ abzuweisen, BGH NZI 2010, 956 [959], sofern sie nicht als Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO mit dem Ziel eines Urteils auf bedingte Leistung i. S. v. § 726 ZPO erhoben wurde, Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [147]; Riehm (2015) S. 315 ff.; teilw. abw. für eine befristete Verurteilung, Gsell, in: FS Buchner (2009) S. 267 [272 ff.]; a. A. Kaiser, in: FS Hadding (2005) S. 121 [127 ff.], die die Frage nach dem Schicksal von Leistung- und Gegenleistungspflicht und dem Wegfall des Hindernisses damit nicht dem Erkenntnis- sondern Zwangsvollstreckungsverfahren überlassen will. 419 BT-Drucks. 14/6040, 6 [Herv. d. Verf.]. 420 Vgl. die Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 14/6857, 11; vgl. ferner Canaris, JZ 2001, 499 [500 und 510].

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bleibt.421 Erforderlich ist damit für einen Rücktritt – vorbehaltlich deren Entbehrlichkeit422 – ein fruchtloser Fristablauf, wobei mit Blick auf das Fälligkeitserfordernis derjenige Zeitpunkt maßgeblich ist, in dem der vertraglich oder gesetzlich vorgesehene Leistungszeitpunkt ohne das Leistungshindernis eintreten würde.423 Das bedeutet, dass vor diesem fingierten Fälligkeitseintritt im Falle bloß vorübergehender Unmöglichkeit § 323 IV BGB zur Anwendung gelangt und der Gläubiger zurücktreten kann, wenn das Leistungshindernis auch noch nach Ablauf einer hypothetischen Frist der Leistungserbringung im Wege steht. Es bedarf somit in doppelter Hinsicht einer hypothetischen Prüfung: Zum einen ist nach dem regulären Zeitpunkt der Fälligkeit zu fragen, da angesichts der analogen Anwendung des § 275 BGB so lange die Durchsetzbarkeit des Primäranspruchs gehemmt ist. Zum anderen hängt das Rücktrittsrecht darauf aufbauend von dem hypothetischen Fristablauf ab, sofern die Fristsetzung nicht ausnahmsweise entbehrlich ist. Unklar ist demgegenüber letztlich, weshalb nach vereinzelt vertretener Auffassung § 311a II BGB Vorrang gegenüber § 323 IV BGB haben soll, wenn der unbehebbare Mangel schon bei Vertragsschluss vorlag.424 Schließlich ist nicht einzusehen, warum § 311a II BGB in einem solchen Fall verdrängende Wirkung beigemessen werden sollte, nachdem die Norm die Befreiung von der Gegenleistung nicht regelt, sondern allein Fragen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung sowie des Aufwendungsersatzes bei anfänglicher Unmöglichkeit.425 Einschlägig ist daher auch bei einem anfänglich unbehebbaren Mangel vielmehr § 326 V BGB, wobei erneut darauf hinzuweisen ist, dass es selbst

421 Vgl. zum Rücktritt basierend auf dem fruchtlosen Fristablauf bei vorübergehender Unmöglichkeit, Arnold, JZ 2002, 866 [869]; Riehm (2015) S. 318 ff.; Canaris, in: FS Huber (2006) S. 143 [151 ff.]; Däubler, in: FS Heldrich (2005) S. 55 [60 f.]; Gsell, in: FS Buchner (2009) S. 267 [271 f.]; Freitag, NJW 2014, 113 [116 f.]; Wieser, MDR 2002, 858 [861]; P. Schmidt (2007) S. 101 f.; MüKoBGB/Ernst (2016) § 275 Rn. 147 f.; Staudinger/Caspers (2014) § 275 BGB Rn. 50; krit. Kaiser, in: FS Hadding (2005) S. 121 [135 ff.]; a. A. Faust, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 227 f.; ähnlich Medicus, in: FS Heldrich (2005) S. 347 [351], wonach bei Unzumutbarkeit am Vertrag festzuhalten endgültige Unmöglichkeit vorliegen soll; dem folgend Erman/Westermann (2017) § 275 Rn. 12. 422 Eingängig zur Diskussion der Gleichstellung von vorübergehender und dauernder Unmöglichkeit bei Unzumutbarkeit, am Vertrag festzuhalten, Arnold, JZ 2002, 866 [870 f.]; Medicus, FS Heldrich (2005) 347 [351]. 423 Canaris, in: Karlsruher Forum (2003) S. 5 [53]; Gsell, in: FS Buchner (2009) S. 267 [273] spricht insofern von der „Soll-Fälligkeit“. 424 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 133; dem folgend Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 11. Das verwundert, da Ernst selbst § 311a II BGB nur „klarstellende Funktion“ beimisst und betont, dass sich die Norm einzig in dem Bezugspunkt des Verschuldens von § 283 BGB unterscheidet, MüKoBGB/Ernst (2016) § 311a Rn. 4 ff. 425 BT-Drucks. 14/6040, 164; HK-BGB/Schulze (2017) § 311a Rn. 6; Palandt/Grüneberg (2019) § 311a Rn. 4; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 210. Nichts anderes ergibt

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vor Fälligkeit der Anwendung des § 323 IV BGB nicht bedarf.426 Insofern ist schließlich allenfalls die Frage betroffen, inwiefern § 323 IV BGB auf nach Vertragsschluss entstehende oder in Erscheinung tretende Gefährdungen zu beschränken ist.427 Ob ein Rücktritt wegen antizipierten Vertragsbruchs auch bei schon bei Vertragsschluss vorliegenden Leistungshindernissen in Betracht kommt, betrifft jedoch allein tatbestandliche Grenzen des § 323 IV BGB, über die § 311a II BGB keinerlei Aussage trifft. dd) § 323 IV als Teilkodifikation: § 323 BGB analog wegen Leistungsgefährdung? Mit der Schaffung von § 323 IV BGB wollte der Gesetzgeber auch die ehemals von der positiven Vertragsverletzung erfassten Fallgestaltungen regeln, die hier als sonstige drohende Leistungshindernisse bezeichnet werden.428 Der Rücktritt vor Fälligkeit wurde im früheren Recht indessen – freilich aufgrund der Begrenzung des Leistungsstörungsrechts auf Verzug und Unmöglichkeit – weniger an eine Prognose über den künftigen Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen geknüpft. Erforderlich war vielmehr im Einzelfall, dass dem Gläubiger unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände wegen der Gefährdung des Vertragszwecks und des damit verbundenen Verstoßes gegen die Leistungstreuepflicht das Festhalten am Vertrag unzumutbar erschien.429 Zwar hat diese gesetzgeberische Intention der Umsetzung des früher anerkannten Rechts im Wortlaut des § 323 IV BGB keinen unmittelbaren Niederschlag gefunden. Es muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass sich seit der Schuldrechtsmodernisierung in den §§ 323 ff. BGB nunmehr sämtliche Leistungsstörungen abbilden lassen. Mit Blick auf den Rücktritt ist damit § 323 BGB einschlägig, sofern keine Schutzpflichten betroffen sind430 und kein Fall endgültiger Unmöglichkeit431 vorliegt. Diese Gesetzessystematik legt den klaren Schluss nahe,

sich, wenn insofern zwischen dem für § 311a BGB erforderlichen und ausreichenden anfänglichen Leistungshindernis als kausales Ereignis und der erst später eintretenden Unmöglichkeit differenziert wird, vgl. dazu Fest, WM 2005, 2168 [2169 ff.]. 426 BeckOK BGB/Faust § 437 Rn. 13 a. E.; teilw. abweichend Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 132 a. E. 427 Vgl. dazu die Ausführungen zur Beschränkung auf nach Vertragsschluss in Erscheinung tretende Gefährdungssituationen, Kap. 4 IV. 2. d). 428 BT-Drucks. 14/6040, 186. 429 Vgl. die Ausführungen zu sonstigen drohenden Leistungshindernissen im früheren Schuldrecht, Kap. 4 I. 1. b) bb). 430 Wegen des in § 324 BGB enthaltenen Zumutbarkeitskriteriums und der darin enthalten Prognose über die Zumutbarkeit, künftig am Vertrag festzuhalten, lässt sich auch eine bloße Gefährdung des Integritätsinteresses zwanglos unter die Norm subsumieren, Staudinger/Schwarze (2015) § 324 BGB Rn. 45 ff. 431 Vgl. die vorstehenden Ausführungen zu § 323 IV BGB bei Unmöglichkeit.

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dass ein Rücktritt vor Fälligkeit wegen sonstiger Leistungsgefährdung stets an § 323 IV BGB zu messen ist. Dennoch wird über den bereits im Zusammenhang mit der Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit angedeuteten extensiven Rückgriff auf § 324 BGB hinaus vertreten, dass § 323 IV BGB wegen seiner vermeintlich zu engen Formulierung vor dem Hintergrund der früheren Rechtslage eine bloße Teilkodifikation sei.432 Es könne daher weiterhin auf die zum früheren Recht entwickelten richterrechtlichen Regeln zurückgegriffen werden.433 Der Rechtsgedanke der Unzumutbarkeit der weiteren Bindung an das Schuldverhältnis werde mit § 323 IV BGB nicht „ausgeschöpft“, weil die Unzumutbarkeit nicht notwendig erst bei der von der Norm geforderten Offensichtlichkeit vorliege, sodass Raum für eine analoge Anwendung des § 323 BGB bleibe.434 Selbst der BGH hat sich in einem einen Werkvertrag betreffenden Nichtannahmebeschluss vom Wortlaut des § 323 IV BGB gelöst, indem er bei der Bestimmung der Anforderungen des Rücktrittsrechts den Zeitpunkt der Fälligkeit offen gelassen hat, nachdem gleichermaßen die Vertragserfüllung „unzumutbar“ sei: „Der Besteller kann ohne Fristsetzung vom Vertrag sofort zurücktreten, wenn die Fortsetzung des Vertrags auch unter Berücksichtigung des Interesses des Unternehmers an der Vertragserfüllung für ihn unzumutbar ist. Ist die Leistung fällig, ergibt sich das aus § 323 II Nr. 3 BGB. Denn dann liegen besondere Umstände im Sinne dieser Regelung vor. Ist die Leistung nicht fällig, ergibt sich das Rücktrittsrecht aus § 323 IV BGB.“435

Dabei wurde darüber hinaus die Rüge, die fehlende Fähigkeit zur Mängelbeseitigung sei nicht festgestellt, als unbegründet zurückgewiesen, weil allein maßgeblich sei, „ob die Kl. zu Recht das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Bekl. verloren haben.“436 Allerdings bleibt der BGH damit eine Antwort schuldig, weshalb das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit „zu Recht“ entfällt. Der vorgenannten Rüge ist daher zuzugeben, dass die im Vergleich zur früheren Rechtslage begrüßenswerte Tatbestandskonturierung des Rücktritts vor Fälligkeit unterlaufen wird, wenn sich die Rspr. unter Berufung auf den Verlust des Vertrauens in die Leistungsfähigkeit der strengen, in § 323 IV BGB statuierten Prognoseanforderungen entledigt. Deshalb kann auch nicht der Auffas-

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Vgl. Ramming, ZGS 2002, 412 [415], der die vorzeitige Verweigerung allein von § 324 BGB erfasst sieht. 433 Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [231 ff.]; Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 15 Rn. 33 und 36; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 160 und B 168 ff. 434 Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 168. 435 BGH Beschl. v. 8.5.2008, VII ZR 201/07 = NJW-RR 2008, 1052 [1052] [Herv. d. Verf.]. 436 BGH Beschl. v. 8.5.2008, VII ZR 201/07 = NJW-RR 2008, 1052 [1053]. Dabei bezieht sich der BGH jedoch allein auf das zum früheren Schuldrecht ergangene Urteil BGH Urt. v. 8.12.1966, VII ZR 144/64 = NJW 1967, 388.

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sung gefolgt werden wonach § 321 BGB zeige, dass auch ein geringerer Gefährdungsgrad ausreiche.437 Schließlich gewährt diese Norm bei einer Vorleistungspflicht zunächst nur ein Zurückbehaltungsrecht, das erst bei Hinzutreten eines erfolglosen Fristablaufs zum Rücktrittsrecht erstarkt. Der gewichtigste Einwand gegen den auf Zumutbarkeitserwägungen gestützten Begründungsansatz folgt damit bereits aus dem im Wortlaut von § 323 IV BGB anklingenden Umstand, dass sich ein allein an der „Verletzung einer Leistungstreuepflicht“ und der „Unzumutbarkeit“ ansetzendes Rücktrittsrecht von den gesetzlichen Grenzen der Rücktrittsrechte löst. Schließlich herrscht Einigkeit darüber, dass die Leistungstreuepflicht als Pflicht, „alles zu unterlassen, was den Vertragszweck gefährden oder vereiteln könnte, und alles Notwendige zu tun, um die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verpflichtung sicherzustellen“438, nicht grenzenlos besteht. Ob tatsächlich eine Verletzung jener Pflicht mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen angenommen werden kann, erfordert stets und mit Blick auf mögliche Rechtsfolgen eine wertende Betrachtung.439 Das aber würde seinerseits Legitimationsfragen aufwerfen und nicht beantworten, warum dem Gläubiger vor Fälligkeit die Möglichkeit der Vertragsumsteuerung gewährt wird. Dementsprechend nötigte bereits das alte Schuldrecht den Gerichten über den Umweg der positiven Vertragsverletzung einzelfallbezogene Aussagen praeter legem ab.440 Die Vertragsumsteuerung wegen Erfüllungsgefährdung fügt sich nach alledem nur dann widerspruchsfrei in das System der Rücktrittsrechte ein, wenn sich die Zumutbarkeit an den Grenzen orientiert, die der Gesetzgeber mit Blick auf die erforderliche hinreichende Schwere einer Vertragsverletzung statuiert.441 Der Gesetzgeber hat mit § 323 IV BGB selbst entschieden, inwieweit er den Rechtsgedanken der Unzumutbarkeit wegen Leistungsgefährdung „ausschöpft“442 bzw. wann sich der Schuldner wegen mangelnder Vorbereitung der Erfüllung als Vertragspartner „disqualifiziert“443. Die verhältnismäßige Ausgestaltung der vertraglichen Beziehung vor Fälligkeit und damit die Zumutbarkeit der Begrenzung privater Rechte ist nun im Gesetz definiert: Nunmehr ist 437

So Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 168 f. Zwar soll der Rücktritt dann zusätzlich von der vergeblichen Frist zur Beseitigung der Gefährdung abhängen. Allerdings – und insofern unterscheidet sich diese Sichtweise von der bloßen Ergänzung des § 323 IV BGB durch ein Recht zur Klärung der Vertragstreue – kann eine solche Frist nicht über den künftigen Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen als Prognosebezugspunkt hinweghelfen, sondern nur das Erreichen des geforderten Wahrscheinlichkeitsgrads stützen. 438 BGH Urt. v. 30.3.1995, IX ZR 182/94 = NJW 1995, 1954 [1955] ebenso BGH Urt. v. 19.10.1977, VIII ZR 42/76 = NJW 1978, 260 [260]. 439 Vgl. Weller (2009) S. 314. 440 Vgl. exemplarisch, BGH Urt. v. 19.10.1977, VIII ZR 42/76 = NJW 1978, 260 [260]. 441 Zweifelnd dennoch Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [232]. 442 Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 168. 443 Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [231].

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der Rücktritt vor Fälligkeit nur zulässig, wenn „die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden.“ Eine Loslösung von dem offensichtlichen Eintritt der Voraussetzungen eines Rücktritts basierend auf Zumutbarkeitserwägungen würde dazu führen, dass eine Partei im Vorfeld einer möglichen Vertragsverletzung gegebenenfalls weiterreichende Rücktrittsmöglichkeiten hat als nach deren tatsächlichem Eintritt.444 Daher kann selbst ein dem Gläubiger eingeräumtes Recht zur Klärung der Vertragstreue die Prognoseanforderungen des § 323 IV BGB nur ergänzen,445 nicht aber den dort normierten Prognosebezugspunkt durch eine irgendwie gelagerte Unzumutbarkeit modifizieren. Deshalb ist der Rücktritt auch getrennt und bezogen auf die jeweilige Vertragsverletzung an § 323 BGB einerseits und § 324 BGB andererseits zu messen, wo es basierend auf einem Lebenssachverhalt zu Überschneidungen von Vertragsstörungen kommt.446 Ein Wertungswiderspruch ergibt sich daraus nicht.447 c) Vertragsumsteuerung hinsichtlich künftiger Sukzessivleistungen Einen besonderen Platz bei der Betrachtung sonstiger Leistungsgefährdungen nimmt der auf künftige Leistungen bezogene antizipierte Vertragsbruch bei Sukzessivlieferungsverträgen ein. Bei den damit in Rede stehenden Vereinbarungen handelt es sich nach nationalem Verständnis um auch als Raten- oder Teillieferungsvertrag bezeichnete Verträge über eine Mehrzahl zeitlich gestreckt zu erbringender Lieferungen, bei denen bereits bei Vertragsschluss der lediglich in Abweichung zu § 266 BGB in Raten zu erbringende gesamte Leistungsumfang feststeht. Die damit beschriebenen sog. echten Sukzessivlieferungsverträge sind von den als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Verträgen abzugrenzen, bei denen eine Fixierung jenes Leistungsumfangs bei Vertragsschluss noch nicht vorliegt, sondern der Umfang der Hauptleistung erst mit Hilfe der Zeit quantifizierbar wird, sog. unechte Sukzessivlieferungsverträge.448

444 Zwar erlaubt § 440 S. 1 Var. 3 BGB die Entbehrlichkeit der Fristsetzung, wenn die Nacherfüllung dem Käufer unzumutbar ist. Allerdings wird der Käufer damit nur vom Erfordernis des Fristablaufs befreit, während dann anders als vor dem Leistungsaustausch auch die Einschränkungen des § 323 V BGB Anwendung finden, vgl. oben. 445 Vgl. BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3715]. 446 Vgl. Grigoleit, in: FS Canaris Bd. I (2007) S. 275 [280] zum Verhältnis zwischen § 323 II Nr. 3 und § 324 BGB. 447 So aber Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [231 f.]. 448 Vgl. M. Müller/Matthes, AcP 204 (2004) 732 [750]; Schwab, ZGS 2003, 73 [79]; MüKoBGB/Gaier § 314 Rn. 5 und 8; Palandt/Grüneberg (2019) § 314 Rn. 2; BeckOGK/Martens BGB § 314 Rn. 18; Staudinger/Olzen (2015) § 241 BGB Rn. 368 ff. Allgemein zum Begriff des Dauerschuldverhältnisses, Grigoleit, in: FS Lorenz (2014) S. 795 [796 ff.]; Meier, ZfPW 2016, 233 [245 ff.]; Mülbert, in: FS H.P. Westermann (2008) S. 491 [493 ff.].

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Anders als im BGB werden im UN-Kaufrecht die bei einer Vertragsaufhebung von einem – damit abweichend von der nach Art. 51 CISG abredewidrigen Teillieferung – Vertrag über „aufeinander folgende Lieferungen“ (amtl.: „contract for delivery of goods by instalments“/„contrats à livraisons successives“) bestehenden Interessen in Art. 73 CISG gesondert gewürdigt.449 Dabei regelt Art. 73 II CISG speziell die Aufhebung hinsichtlich künftiger Raten. Die im nationalen Recht anzutreffende Abgrenzung bei Verträgen über zeitlich gestreckte Teillieferungen zwischen solchen mit oder ohne bereits bei Vertragsschluss fixierten Leistungsumfang ist für die Anwendbarkeit von Art. 73 CISG ohne Belang. Ebenso wenig muss es sich um gleichartige Waren handeln. Ausreichend ist die Lieferung einer zusammengehörenden Ware in Raten.450 Lediglich die alleinige Vereinbarung einer Kaufpreiszahlung in Raten genügt für Art. 73 CISG ausweislich des Wortlauts der Norm nicht.451 aa) Die Spezialregelung des Art. 73 II und III CISG Bereits Art. 75 des Haager Kaufrechts enthielt für den antizipierten Vertragsbruch im Rahmen von Sukzessivlieferungen folgende Regelung:452 „(1) Gibt bei Verträgen über Sukzessivlieferung die Nichterfüllung einer nur eine Lieferung betreffenden Pflicht durch eine der Parteien der anderen Partei berechtigten Anlass zu der Befürchtung, dass Pflichten in Bezug auf künftige Lieferungen nicht erfüllt werden, so kann sie innerhalb kurzer Frist die Aufhebung des Vertrages für die Zukunft erklären. (2) Der Käufer kann außerdem innerhalb der gleichen Frist die Aufhebung des Vertrages für die künftigen Lieferungen oder für die bereits erhaltenen Lieferungen oder für beide erklären, wenn die Lieferungen wegen des zwischen ihnen bestehenden Zusammenhanges für ihn nicht mehr von Interesse sind.“

Die Norm unterschied sich damit von Art. 73 CISG lediglich insofern, als Art. 75 EKG keine Art. 73 I CISG vergleichbare Vorschrift enthielt. Der dort geregelte Fall wurde im EKG schlicht den allgemeinen Regeln überlassen, da

449

Monographisch zum Sukzessivlieferungsvertrag im (früheren) deutschen Recht und CISG, von Scheven (1984) S. 4 ff. und 94 ff. et passim. 450 Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [41]; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 73 Rn. 2; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 73 Rn. 3; vgl. zu Art. 64 des Entwurfs in Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54: „The contract calls for the delivery by instalments if it requires or authorizes the delivery of goods in separate lots.“. Die Ansicht Art. 73 CISG finde auf Dauerschuldverhältnisse keine Anwendung, Soergel/Lüderitz/Dettmeier CISG (2000) Art. 73 Rn. 2, ist offensichtlich von nationalen Rechtsauffassungen beeinflusst. 451 Vgl. MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 73 Rn. 2; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 73 Rn. 2 und 9 beide m. w. N. 452 Vgl. dazu BGH Urt. v. 28.3.1979, VIII ZR 37/78 = NJW 1979, 1779 [1781].

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sich insoweit auch keine zwingend regelungsbedürftigen Besonderheiten ergaben. Weil es sich um teilbare Leistungen handelt wurde die rechtliche Einordnung – vergleichbar mit der in § 323 V 1 BGB getroffenen Lösung – den allgemeinen Regeln zugewiesen.453 Nach dem für den antizipierten Vertragsbruch bei einem Sukzessivlieferungsvertrag maßgeblichen Art. 73 II CISG bleibt Prognosebezugspunkt das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 CISG. Insofern gelten daher bezogen auf die künftige Teillieferung die zu Art. 72 CISG getroffenen Aussagen auch für Art. 73 II CISG, wobei sich die Bewertung des Gewichts der Vertragsverletzung nicht auf den gesamten Vertragszeitraum, sondern auf das Volumen des verbliebenen Vertrags bezieht.454 Das Erfordernis einer künftigen wesentlichen Vertragsverletzung darf indessen nicht mit der bereits eingetretenen Pflichtverletzung verwechselt werden, für die Art. 73 II CISG (irgend-)eine Nichterfüllung einer eine Teillieferung betreffenden Pflicht genügen lässt.455 Denn mit Blick auf künftige Lieferungen greift Art. 73 II CISG gerade den bereits von Art. 75 EKG zugrunde gelegten Gedanken auf, dass ein Sukzessivlieferungsvertrag als Vereinbarung über zeitlich gestreckte Teillieferungen die Vermutung nahelegt, wonach die jeweiligen Einzellieferungen bezogen auf ihre Vertragsmäßigkeit vergleichbar sind. Die bereits realisierte Vertragswidrigkeit einer gelieferten Rate bekräftigt anlässlich einer begründeten Wiederholungsgefahr die Prognose über die Vertragswidrigkeit einer künftigen Rate, sofern sich die eingetretene Verletzung nicht umgekehrt als „Ausreißer“ isolieren lässt.456 Aufgrund dieser Vermutung senkt Art. 73 II CISG die Prognoseanforderungen im Vergleich zu Art. 72 CISG für die Aufhebung des Vertrags für die Zukunft. Schließlich genügt nach Art. 73 II CISG bereits, dass der Gläubiger „triftigen Grund zur Annahme“ (amtl.: „gives the other party good grounds to conclude“/„de sérieuses raisons de penser“) hat, dass eine wesentliche Vertragsverletzung in Bezug auf künftige Teillieferungen zu erwarten ist. Der Sekretariatskommentar hebt dabei in aller Deutlichkeit hervor, dass damit geringere Prognoseanforderungen verbunden sind, als mit der von Art. 72 I CISG geforderten Offensichtlichkeit: 453

Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 73 Rn. 1 dort Fn. 3. So deutlich OLG Brandenburg Urt. v. 18.11.2008, 6 U 53/07 = IHR 2009, 105 [111], da nur so ein „hinreichend voneinander abgetrennter Anwendungsbereich von Art. 64 CISG und Art. 73 II CISG“ verbleibt. Vgl. ferner MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 73 Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 73 Rn. 20. 455 Vanwijck-Alexandre, IBLJ 2001, 353 [374]; vgl. zu Art. 64 des Entwurfs in Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54: „The test does not look to the seriousness of the current breach.“ 456 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 73 Rn. 12 f.; Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [45]; Bridge, J.L.C. 2005, 405 [419]; Liu, in: International Sales Law (2016) § 18 Rn. 56. 454

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“It should be noted that article 64 (2) [= Art. 73 II CISG] permits the avoidance of the contract in respect of future performance of an instalment contract even though it is not "clear" that there will be a fundamental breach of the contract in the future as would be required by article 63 [= Art. 72 CISG].”457

Aufgrund der gesicherteren Prognosegrundlage sieht Art. 73 II CISG des Weiteren anders als Art. 72 II CISG keine Ankündigung der Aufhebung vor. Ebenso wenig erlaubt Art. 73 II CISG dem Schuldner die Vertragsaufhebung durch Sicherheitengewähr abzuwehren. Im Gegenzug ist die Aufhebung einer künftigen Rate bei einem Sukzessivlieferungsvertrag allerdings zeitlich beschränkt, nachdem der Gläubiger die Aufhebung hinsichtlich der künftigen Teillieferung nur „innerhalb angemessener Frist“458 erklären kann. Das CISG weicht hier begrüßenswerter Weise von der Vorgängerregelung des EKG ab, die bereits nach „kurzer“ Frist einen Ausschluss des Aufhebungsrechts vorsah.459 Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger von der Pflichtwidrigkeit bezüglich der jeweils letzten, nicht ordnungsgemäßen Teillieferung erfährt.460 Unerheblich ist dagegen, ob der Gläubiger die bereits realisierte Pflichtverletzung gerügt hat – die Artt. 39, 43 CISG finden keine entsprechende Anwendung. Während sich Art. 43 CISG nämlich ausdrücklich auf die Artt. 41, 42 CISG beschränkt, bezieht sich Art. 39 CISG allein auf die bezüglich der konkret mangelbehafteten Ware vorgesehenen Folgen. Da Art. 73 II CISG selbst eine entsprechende Ausübungsfrist vorsieht, wird dem Käufer somit das sich daraus ergebende Aufhebungsrecht „nicht durch die Unterlassung der fristgerechten Mängelrüge bezüglich schon gelieferter Teilmengen vom UN-Kaufrecht verwehrt.“461 Aufgrund dieser speziellen Unterschiede gebührt Art. 73 II CISG letztlich auch der Vorrang gegenüber Art. 72 CISG bei der mit einer gegenwärtigen Pflichtverletzung begründeten Aufhebung künftiger Lieferpflichten.462 Liegt ein Sukzessivlieferungsvertrag vor und gibt eine realisierte Verletzung einer fälligen Pflicht Anlass zu berechtigten Zweifeln an der Vertragsmäßigkeit künftiger Lieferungen, gelten die niedrigeren Prognoseanforderungen des 457

So die Ausführungen zu Art. 64 des Entwurfs in Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54. 458 Vgl. von Scheven (1984) S. 257 f. 459 Da eine Lücke somit nicht ersichtlich ist, sollte das Recht zur Abwehr durch Sicherheitenstellung auch nicht über Art. 7 II CISG auf Art. 73 II CISG übertragen werden, so aber Bridge, J.L.C. 2005, 405 [421]. 460 Vgl. nur OLG Brandenburg Urt. v. 18.11.2008, 6 U 53/07 = IHR 2009, 105 [111]. 461 Schiedsgericht der Börse für landwirtschaftliche Produkte Wien Urt. v. 10.12.1997, S 2/97 = CISG-online No. 351. 462 Ganz h. M.: MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 73 Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 73 Rn. 28; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 73 Rn. 24 ff.

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Art. 73 II CISG mit den dort genannten Einschränkungen für die Ausübung des Aufhebungsrechts. Dagegen findet allein Art. 72 CISG Anwendung, wenn noch keine gegenwärtige, eine Teillieferung betreffende Pflichtverletzung vorliegt, sondern der Zeitraum vor dem ersten Fälligkeitstermin betroffen ist und sich der Gläubiger allgemein etwa auf eine Vermögensverschlechterung oder Erfüllungsverweigerung des Schuldners beruft.463 Ein weiteres Konkurrenzproblem mit Blick auf Art. 73 II CISG ergibt sich aus dem umstrittenen Verhältnis von Art. 51 zu Art. 73 CISG. Nach im Schrifttum vertretener Auffassung soll Art. 51 CISG innerhalb von Art. 73 CISG ergänzend anwendbar bleiben, sodass sämtliche Rechtsbehelfe und damit auch die Vertragsaufhebung ggf. auf den vertragswidrigen Teil zu beschränken sind.464 Diese Sichtweise hat darüber hinaus zu der weiterführenden Annahme geführt, ein „Vorgehen über Art. 51 II hat hier den Vorteil, dass über Artt. 49 I lit. b, 47 der gesamte Vertrag aufgehoben werden kann, ohne dass der Nachweis des „triftigen Grundes“ in Art. 73 II erbracht werden muss.“465 Dagegen bleibt nach anderer Auffassung im Rahmen eines Sukzessivlieferungsvertrags über Art. 51 CISG lediglich Raum für die Ausübung anderer Rechtsbehelfe der Art. 45 ff. CISG als der Vertragsaufhebung. Für letztere handelt es sich danach bei Art. 73 CISG um eine abschließende Regelung, sodass eine entsprechende Anwendung des Art. 51 I CISG ausscheidet, die zu einer Beschränkung auf eine die Teillieferung betreffende Teilaufhebung führen würde.466 Diese Auffassung ist vorzugswürdig, nachdem der Wortlaut des Art. 73 I CISG jeden

463 Zutreffend wird daher, eine Überschneidung der Anwendungsbereiche von vornherein verneint, vgl. dazu Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [43 ff.]; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 73 Rn. 12; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 73 Rn. 18; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 73 Rn. 28; BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 73 Rn. 31 f.; wohl auch MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 73 Rn. 19; nach vereinzelt gebliebener Auffassung können sich vorranglose Überschneidungen ergeben, Soergel/Lüderitz/Dettmeier CISG (2000) Art. 73 Rn. 10; Herber/Czerwenka (1991) CISG Art. 73 Rn. 10; wohl auch Handelskammer Zürich Urt. v. 31.5.1996, ZHK 273/95 = CISG-online No. 1291. 464 Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen CISG (2013) Art. 51 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 73 Rn. 39; Soergel/Lüderitz/Dettmeier CISG (2000) Art. 73 Rn. 4; BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 73 Rn. 39; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 73 Rn. 7. 465 So Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 73 Rn. 39 a. E.; vgl. ferner BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 73 Rn. 39; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 73 Rn. 16. 466 MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 73 Rn. 3; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 73 Rn. 14; für eine Anwendung des Art. 51 CISG lediglich auf teilbare Einzellieferungen des Sukzessivlieferungsvertrags nun Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 73 Rn. 7.

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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Fall der Vertragswidrigkeit einer Teillieferung erfasst und nicht nur das komplette Ausbleiben derselben.467 Gerade mit Blick auf den von der anderen Auffassung geäußerten „Vorteil des Vorgehens über Art. 51 II CISG“ gegenüber Art. 73 II CISG muss schließlich auch Art. 73 III CISG berücksichtigt werden. Diese Norm erlaubt unter dem Vorbehalt eines engen Zweckzusammenhangs eine Vertragsaufhebung sowohl für schon ordnungsgemäß erbrachte als auch für künftige Raten, wenn der Käufer den Vertrag in Bezug auf eine Lieferung aufgehoben hat. Das Prognoserisiko des Art. 73 II CISG für künftige Raten entfällt damit nur in den spezifisch engen Grenzen des von Art. 73 III CISG geforderten Zweckzusammenhangs.468 Dies darf nicht durch Art. 51 II CISG umgangen werden. bb) Die Normenkonkurrenz zwischen § 323 IV und § 314 BGB Eine spezielle Regelung zur Bewältigung des sich im Rahmen von Störungen bei Sukzessivlieferungsverträgen stellenden Interessenkonflikts fehlt im BGB.469 Der Gesetzgeber hielt hinsichtlich der Rückabwicklung bei bereits erbrachten Leistungen die allgemeine Regel des § 323 V 1 BGB für passend und ausreichend. Denn es sei oft die „sinnvollere Lösung, den Vertrag auf die durchführbaren oder durchgeführten Teile zu beschränken. Bei Sukzessivlieferungsverträgen ist eine solche Beschränkung bzw. Beschränkbarkeit des Rücktritts anerkannte Regel. […] Der Regelung dieser Fälle dient § 323 Abs. 4 Satz 1 RE [jetzt § 323 V 1 BGB].“470

Dass dagegen hinsichtlich künftiger Raten allein § 323 V 1 BGB den Besonderheiten des Sukzessivlieferungsvertrags nicht gerecht wird, ergibt sich aus einem Verweis, den der Gesetzgeber anderenorts im Zusammenhang mit § 314 BGB äußert. Danach sei das dort geregelte und mit dem SMG neu geschaffene allgemeine Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund mit Art. 73 II CISG vergleichbar, „der bei einer schwerwiegenden Störung von Sukzessivlieferungsverträgen ein Aufhebungsrecht des beeinträchtigten Teils auch hinsichtlich der noch ausstehenden Leistungen (Art. 73 II) vorsieht, das damit wie eine Kündigung wirkt.“471

467

MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 73 Rn. 3. Vgl. dazu MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 73 Rn. 22 ff.; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 73 Rn. 27; a. A. Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 73 Rn. 29. 469 Dagegen sah U. Huber in § 326 d seines Entwurfs noch eine Spezialregelung vor, die weitestgehend Art. 73 II CISG entsprach, deren Anwendungsbereich zugleich aber auf Dauer- und Wiederkehrschuldverhältnisse ausgedehnt wurde, um Abgrenzungsschwierigkeiten vorzubeugen, U. Huber, Gutachten (1981) S. 678 und 842 f. 470 BT-Drucks. 14/6040, 186. 471 BT-Drucks. 14/6040, 177. 468

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Die Materialien unterscheiden damit nicht näher zwischen echten und unechten Sukzessivlieferungsverträgen – freilich lässt selbst der BGH hier keine einheitliche Linie der begrifflichen Abgrenzung erkennen.472 Hinsichtlich der Abstandnahme von künftigen Raten versteifen sich die Materialien indessen lediglich auf eine Einordnung als Dauerschuldverhältnis, wenn diese insofern allein auf § 314 BGB Bezug nehmen. Schließlich lassen sich dieser Regelung nur Dauerschuldverhältnisse unterwerfen, während die Norm bei einem von vornherein fixierten Leistungsumfang nicht anwendbar ist. Zu der Frage, ob der Rücktritt von künftigen Raten bei echten Sukzessivlieferungsverträgen deshalb umgekehrt uneingeschränkt § 323 IV BGB unterfällt, äußern sich die Materialien nicht. Zudem muss im Rahmen des § 314 BGB berücksichtigt werden, dass die Kündigung vorbehaltlich einer Entbehrlichkeit zusätzlich von einer Frist abhängig gemacht wird, sofern der wichtige Grund in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag – beim Sukzessivlieferungsvertrag also die Vertragswidrigkeit einer Rate – besteht, § 314 II BGB. Darüber hinaus unterliegt die Kündigung den Einschränkungen des § 314 III BGB, wonach der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen kann, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Dem Reformgesetzgeber ist somit jedenfalls zuzugeben, dass die auf § 314 BGB gestützte Abstandnahme hinsichtlich künftiger Raten tatsächlich nicht nur der Rechtsfolge des Art. 73 II CISG entspricht, sondern auch den dort anzutreffenden Einschränkungen der Rechtsausübung folgt. Die Nähe zu Dauerschuldverhältnissen scheint des Weiteren dazu geführt zu haben, dass Teile der Literatur den Rücktritt wegen noch nicht fälliger Teilleistungen bei einem Sukzessivlieferungsvertrag auf § 323 III BGB stützen.473 Abweichend von § 323 IV BGB knüpft diese Norm an eine gegenwärtige Pflichtverletzung an, während aufgrund der Art der Pflichtverletzung ein Fristsetzung nicht in Betracht kommt, sodass an deren Stelle eine Abmahnung tritt. Die Anforderungen an die Abstandnahme von künftigen Raten würden damit § 314 II BGB gleichen, während eine solche vorherige Androhung des Rücktritts § 323 IV BGB fremd ist. Vor allem wird dabei aber bereits übersehen, dass § 323 III BGB nur nach dem Parteiwillen in das Synallagma eingebun-

472 Vgl. BGH Urt. v. 5.11.1980, VIII ZR 232/79 = NJW 1981, 679 [680] wie hier einerseits und BGH Urt. v. 12.12.2005, II ZR 283/03 = NJW 2006, 765 [765] andererseits, wo der BGH auch den als Dauerschuldverhältnis ausgestalteten Gaslieferungsvertrag als Sukzessivlieferungsvertrag bezeichnet. Selbst § 510 I BGB vermengt unter der amtlichen Überschrift „Ratenlieferungsverträge“ diese Vertragstypen. Nur § 510 I 1 Nr. 1 BGB entspricht der oben beschriebenen Definition des echten Sukzessivlieferungsvertrags. 473 Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 15 Rn. 37.

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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dene Unterlassenspflichten erfasst, nicht dagegen die Besorgnis der vertragsgemäßen Erbringung künftiger Leistungen.474 Diese Auffassung zur Abstandnahme von künftigen Raten innerhalb eines Sukzessivlieferungsvertrags ist daher abzulehnen. Für die hier allein interessierende Vertragsbeendigung lässt sich der Normenkonflikt damit auf § 323 IV BGB einerseits und § 314 BGB andererseits zuspitzen.475 Daher ist wie folgt zu differenzieren: Liegt ein echter Sukzessivlieferungsvertrag vor, ist § 314 BGB mangels Vorliegens eines Dauerschuldverhältnisses von vornherein nicht anwendbar. Daher richtet sich die Vertragsumsteuerung hinsichtlich künftiger Raten dort allein nach § 323 IV BGB, während im Übrigen der Rücktritt wegen bereits erbrachter Raten unter dem Vorbehalt des § 323 V 1 BGB steht.476 Die Ausübung des Rücktritts unterliegt damit lediglich den im Rahmen des § 323 BGB geltenden Einschränkungen.477 Erforderlich und ausreichend ist demnach die Prognose über den offensichtlichen Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen. Auch wenn § 323 IV BGB als allgemeine Regel keine Abstufung der Prognoseanforderungen vorsieht, lässt sich insofern immerhin der zu Art. 73 II CISG entwickelte Gedanke übertragen: Die Vergleichbarkeit der Raten begründet eine Wiederholungsgefahr, sofern sich die eingetretene Verletzung nicht umgekehrt als „Ausreißer“ isolieren lässt,478 sodass die von § 323 IV BGB geforderte Offensichtlichkeit leichter zu beweisen sein sollte. Gelingt auch dieser Beweis nicht, ist ein Ausweichen auf § 324 BGB mit der Begründung vermeintlicher Unzuverlässigkeit dagegen nicht möglich.479 Schließlich bezieht sich § 324 BGB allein auf die

474

BT-Drucks. 14/7052, 192; HK-BGB/Schulze (2017) § 323 Rn. 11; Prütting/Wegen/Weinreich/Stürner (2018) § 323 Rn. 28; vgl. dazu ferner bereits die Ausführungen zur Anwendbarkeit von § 323 I BGB bei außerhalb des Synallagmas stehenden Pflichtverletzung. Krit. zu § 323 III BGB, MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 81 und Faust, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 123 a. E. zur Parallelbestimmung des § 281 III BGB. 475 Ob ein als Dauerschuldverhältnis einzuordnender (unechter) Sukzessivlieferungsvertrag vorliegt, ist freilich auch für die Anwendbarkeit von speziell auf Dauerschuldverhältnisse zugeschnittene Rechtsvorschriften des nationalen Rechts von Relevanz, vgl. dazu Meier, ZfPW 2016, 233 [235 f.] mit Hinweis auf die bspw. in § 25 II 2, § 55 II 2 InsO oder §§ 90 II Nr. 2, Nr. 3, § 209 II Nr. 2, Nr. 3 InsO enthaltenen Spezialregeln. 476 Vgl. dazu ferner die Ausführungen zur Vertragsumsteuerung bei Teilleistung in Kap. 2 IV. 477 Vgl. die Ausführungen über die Ausübung und Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit, Kap. 4 VI. 478 Vgl. dazu schon oben, MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 73 Rn. 12 f. 479 So aber Schwab, ZGS 2003, 73 [76] unter Hinweis auf den Lösungsweg über die pVV im früheren Recht.

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Verletzung nicht leistungsbezogener Schutzpflichten und ist kein Mittel zur Umgehung der sich aus § 323 IV BGB ergebenden Prognoseanforderungen.480 Liegt dagegen ein unechter Sukzessivlieferungsvertrag und damit ein § 314 BGB unterfallendes Dauerschuldverhältnis vor, kollidieren die Anwendungsbereiche von § 323 IV BGB und § 314 BGB. Da keiner der beiden Anwendungsbereiche einer vermeintlich spezielleren Norm völlig in dem der anderen Norm aufgeht, liegt kein Fall logischer Spezialität vor, sodass es auf den Sinn und Zweck sowie die hinter den betroffenen Regelungen stehenden Wertungen ankommt, um die Frage des Vorrangs zu beantworten.481 Insofern muss daher berücksichtigt werden, dass nach allgemein vertretener Auffassung bei bereits in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnissen ein ex nunc wirkendes Kündigungsrecht grundsätzlich das sich aus § 323 BGB ergebende Rücktrittsrecht verdrängt.482 Allerdings ist dieser Grundsatz nur für den Regelfall aufgestellt, weil die Parteien eines Dauerschuldverhältnisses „im Allgemeinen kein Interesse haben, wegen einer nachträglich eingetretenen Störung auch die bereits erbrachten Leistungsteile rückgängig zu machen. Besteht ausnahmsweise ein derartiges Interesse, kann auch bei einem Dauerschuldverhältnis ein Rücktrittsrecht oder ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen. Das Gleiche kann dann gelten, wenn – etwa bei Störungen bereits der ersten Lieferungen – eine vollständige Rückabwicklung des Vertrags unschwer möglich und nach der Interessenlage auch sachgerecht ist.“483

Mit Blick auf künftige Raten kommt es nicht zu einer Rückabwicklung, die in einem Dauerschuldverhältnis auf Bedenken stoßen würde. Insofern ist vielmehr allein die Wiedererlangung der Dispositionsfreiheit betroffen, sodass die Situation der Zeit noch vor Vollzug entspricht. Es lassen sich jedoch lediglich dort Einwände gegen die Anwendbarkeit des allgemeinen Leistungsstörungsrechts neben § 314 BGB erheben, wo das Sekundärrecht auf eine Leistungsphase einwirkt, die nicht von der gestörten Leistungsphase betroffen ist.484 Damit steht einer Anwendung des § 323 IV BGB und damit einer Anwendung des 480 M. Müller/Matthes, AcP 204 (2004) 732 [751]. Allein weil im früheren Recht mangels gesetzlicher Regelung für den Rücktritt vor Fälligkeit die positive Vertragsverletzung bemüht werden musste, kann nun nicht ohne Weiteres auf §§ 282, 324 BGB zurückgegriffen werden, die nur einen Ausschnitt der der pVV unterfallenden Fälle erfassen. 481 Vgl. zum Zusammentreffen (Konkurrenz) mehrerer Rechtssätze, Larenz, Methodenlehre (1979) S. 250 ff. 482 St. Rspr. vgl. nur BGH Urt. v. 19.2.2002, X ZR 166/99 = NJW 2002, 1870 [1870]; vgl. ferner BeckOGK/Martens BGB § 314 Rn. 85; HK-BGB/Schulze (2017) § 314 Rn. 2; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 35 f.; Erman/Westermann (2017) § 314 Rn. 18 alle m. w. N. 483 BGH Urt. v. 19.2.2002, X ZR 166/99 = NJW 2002, 1870 [1870] [Herv. d. Verf.]; vgl. ferner BGH Urt. v. 25.3.1987, VIII ZR 43/86 = NJW 1987, 2004 [2006]. Zwar beziehen sich beide Urteile auf die frühere Rechtslage, doch lässt sich der auf die zugrundeliegende Interessenlage gestützte Gedanke auch auf das geltende Recht übertragen. 484 Eingängig dazu Grigoleit, in: FS Lorenz (2014) S. 795 [801 ff.].

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sich lediglich auf die phasenbezogene Gefährdung konzentrierenden Sekundärrechts allein mit Blick auf künftige Raten nichts im Wege. Bedenken können sich allein bei der Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen ergeben, wobei der Gesetzgeber insofern bereits durch den Verweis auf § 323 V 1 BGB deutlich gemacht hat, dass er § 323 BGB bei Sukzessivlieferungsverträgen für anwendbar hält.485 Bezogen auf die Abstandnahme von künftigen Raten bei unechten Sukzessivlieferungsverträgen stehen § 314 BGB und § 323 IV BGB daher zueinander in freier Konkurrenz.486 Es ließe sich zwar prima facie daran zweifeln, ob die damit erreichte gespaltene Statuierung von Voraussetzungen einer Abstandnahme von künftigen Raten bezweckt war, je nachdem ob ein echter oder ein unechter Sukzessivlieferungsvertrag vorliegt. Allerdings löst sich der Konflikt bei der Anwendung von § 314 und § 323 IV BGB durch Berücksichtigung des strukturellen Unterschieds der Normen auf: Während nämlich nach § 314 II und III BGB eine Fristsetzung und Ausübung innerhalb angemessener Frist erforderlich ist, weil die Kündigung dort eine gegenwärtige Pflichtverletzung zum Anlass nimmt, handelt es sich bei der von § 323 IV BGB erfassten prognostizierten Vertragsverletzung um einen Fall des antizipierten Vertragsbruchs. Ist der Eintritt der Voraussetzungen des Rücktritts offensichtlich, bedarf es aufgrund der gesicherten Prognose de lege lata keiner Androhung durch Fristsetzung. Auch die zeitliche Einschränkung des § 314 III BGB ergibt nur dort Sinn, wo sich der Gläubiger mit Wirkung pro futuro auf eine bereits begangene Pflichtverletzung beruft;487 nicht dagegen wo das Recht – wie bei § 323 IV BGB – zur Abstandnahme auf der kontinuierlich anhaltenden Offensichtlichkeit des künftigen Eintritts der Rücktrittsvoraussetzungen beruht.488 d) Beschränkung auf nach Vertragsschluss in Erscheinung tretende Gefährdungssituationen aa) Einschränkung von Art. 72 CISG Überwiegend wird im Schrifttum für die Anwendbarkeit des Art. 72 CISG eine in zeitlicher Hinsicht wirkende Schranke gefordert, wonach der drohende Eintritt der Vertragsverletzung nicht bereits bei Vertragsschluss vorgelegen haben darf. Eine Ausnahme sei nur dort zu machen, wo dieser dem Gläubiger nicht 485

BT-Drucks. 14/6040, 186. Vgl. auch Mülbert, in: FS H.P. Westermann (2008) S. 491 [511 ff.]. 487 Vgl. zum doppelten Regelungsziel des § 314 III BGB, MüKoBGB/Gaier § 314 Rn. 20; vgl. ferner die Abgrenzung zu § 626 II BGB vor dem teleologischen Hintergrund des § 314 III BGB in BGH NJW 2011, 1438 [1440]. 488 Anders Grigoleit, in: FS Lorenz (2014) S. 795 [809], der jedoch nicht auf § 323 IV BGB eingeht. Vgl. ferner Ramming, ZGS 2003, 113 [114]: es ist aber weder „sinnvoll“ noch „von Gesetzes wegen geboten“, die Tatbestände der außerordentlichen Kündigungs- und Rücktrittsrechte (contra legem) zu vereinheitlichen. 486

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bekannt und auch objektiv nicht erkennbar war.489 Allerdings geben weder die Entwurfsberatungen noch der Wortlaut der Norm Anlass zu einer solchen Einschränkung. Lediglich Art. 71 CISG stellt klar, dass sich das Drohen der Vertragsverletzung nach Vertragsschluss herausstellen muss (amtl.: „becomes apparent“/„lorsqu’il apparaît“).490 Huber beruft sich insofern daher über Art. 7 II CISG auf einen allgemeinen in Artt. 71 und 35 III CISG zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken.491 Fountoulakis stützt ihr Ergebnis demgegenüber auf den sich aus Artt. 80 und 77 CISG ergebenden Rechtsgedanken der Mitverantwortlichkeit.492 Tatsächlich muss bei der Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG die vertragliche Risikenverteilung insofern berücksichtigt werden, als derjenige, der einen Vertrag bewusst spekulativ abschließt, den Vertrag nicht vorzeitig aufheben kann, dessen Erfüllung schon bei Vertragsschluss zweifelhaft ist.493 Der Gläubiger würde sich widersprüchlich verhalten, wenn er den Vertrag wegen der Realisierung eines Risikos aufhebt, das er bei Vertragsschluss sehenden Auges in Kauf genommen hat. Dies stellt einen Verstoß gegen das venire contra factum proprium Verbot dar. Jenes Verbot ist wiederum Ausfluss des Treu und Glauben Prinzips, wie es sich ausdrücklich auch in Art. 7 I CISG a. E. wiederfindet.494 Damit handelt es sich bei diesem Ergebnis aber weniger um eine nach Art. 7 II CISG zu beantwortende Frage der internen Lückenfüllung. Vielmehr folgt dies bereits aus der sich an Art. 7 I CISG zu orientierenden Auslegung des Art. 72 CISG selbst.495 Ergibt sich daraus das Auslegungsergebnis, liegt 489 Brunner/Altenkirch (2014) CISG Art. 72 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 16; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 4; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 4; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 14. 490 Dies geht zurück auf Vorschläge der Bundesrepublik Deutschland und der Niederlande im Vorfeld der Konferenzberatungen, vgl. Analysis of Comments and Proposals by Governments and International Organizations on the Draft Convention (Document A/Conf.97/9) (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 401): „Paragraph (1) be revised to make it clear that the deterioration may have occurred prior to the conclusion of the contract but the knowledge of it must have come to the other party after the conclusion of the contract.“ 491 MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 4; dem folgend Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 4. 492 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 16. 493 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 6; ähnlich Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 14. 494 Vgl. nur OLG Köln Urt. v. 21.5.1996, 22 U 4/96 = CISG-online No. 254; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 7 Rn. 25. 495 Gleichwohl handelt es sich bei dem Treu und Glauben Prinzip zugleich um einen allgemeinen Grundsatz i. S. d. Art. 7 II CISG, MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 7 Rn. 33. Zum Ganzen Janssen/Kiene, in: CISG Methodology (2009) S. 261 [272 f.] vgl. ferner Ferrari, IHR 2013, 137 [154].

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eine Lücke i. S. d. Art. 7 II CISG nicht vor.496 Letztlich muss deshalb auch kein sich aus Art. 71 CISG ergebendes allgemeines Prinzip bemüht werden, wenn sich jenes Ergebnis auch aus einer systematischen Normauslegung ergibt.497 Wenn nämlich die vorübergehende Suspendierung nach Art. 71 CISG nur zulässig ist, sofern sich die Umstände erst nach Vertragsschluss herausstellen, muss dies a maiore ad minus auch für die Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG gelten. bb) Einschränkung von § 323 IV BGB Anders als § 321 BGB enthält das in § 323 IV BGB normierte Rücktrittsrecht wie auch Art. 72 CISG keine ausdrücklichen Einschränkungen, wonach die drohende Störung erst nach Abschluss des Vertrags erkennbar geworden sein darf. Indessen muss auch bei dem Vergleich zu § 321 BGB berücksichtigt werden, dass es nicht auf den Eintritt der Gefährdung ankommt. Die Norm lässt nunmehr Erkennbarkeit nach Vertragsschluss genügen.498 Mit der geltenden Fassung des § 321 I BGB reagierte der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung auf die zur früheren Unsicherheitseinrede geäußerte Kritik, wonach ein Schutzbedürfnis des Vorleistungspflichtigen auch in dem Fall bestehe, in dem die Gegenleistung bereits bei Vertragsschluss gefährdet war, ohne dass dies der Vorleistungspflichtige wusste.499 Neben der erst nachträglich eingetretenen Gefährdung sind damit auch solche anfänglichen Risiken erfasst, „die der Vorleistungspflichtige bei einer gebotenen Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Vorleistungsberechtigten nicht erkennen konnte.“500 Diese Überlegungen zum Schutzbedürfnis des Gläubigers lassen sich auf § 323 IV BGB übertragen, nachdem auch diese Norm im venire contra factum proprium-Einwand ihre Grenze findet. Während schließlich der bloße Eintritt der Gefährdung die Rücktrittsbefugnis unberührt lässt, weil sich der Gläubiger nicht treuwidrig verhält, solange er von der Gefährdung keine Kenntnis hat, wäre es dagegen widersprüchlich, würde sich der Gläubiger für Zwecke des

496

Grenzen der Auslegung und Lückenfüllung nach Art. 7 I und II CISG sind freilich fließend, vgl. zum Ganzen Paal, ZVglRWiss 2011, 64 [77 ff.]; Schlechtriem, in: Symposium Vischer (2005) S. 47 [48 und 57]. 497 Allgemein zur systematischen Auslegung nach Art. 7 I CISG, Ferrari, IHR 2013, 181 [186]. 498 § 321 BGB lautete in seiner bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung noch: Wer aus einem gegenseitigen Vertrage vorzuleisten verpflichtet ist, kann, wenn nach dem Abschlusse des Vertrags in den Vermögensverhältnissen des anderen Teiles eine wesentliche Verschlechterung eintritt, durch die der Anspruch auf die Gegenleistung gefährdet wird, die ihm obliegende Leistung verweigern, bis die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit für sie geleistet wird. 499 BT-Drucks. 14/6040, 178 f. 500 BT-Drucks. 14/6040, 179.

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Rücktritts auf eine ihm von vornherein bekannte Leistungsgefährdung berufen.501 Damit lassen sich auch die zu Art. 72 CISG getroffenen Aussagen auf § 323 IV BGB übertragen. Gleichermaßen verfängt aufgrund der vertraglichen Risikenverteilung der Gedanke, dass einem Gläubiger nicht vorzeitig das Recht zur Vertragsumsteuerung gewährt werden kann, wenn dieser den Vertrag bewusst spekulativ abschließt.502 Waren die betreffenden Umstände bereits beim Abschluss erkennbar, verhielte sich der Gläubiger damit widersprüchlich, wenn er sich später auf die von bekannten Risiken der Leistungserbringung beruft.503 Liegt Erkennbarkeit in diesem Sinne nicht vor, hindert dagegen selbst eine bereits bei Vertragsschluss vorliegende Leistungsgefährdung den Rücktritt wegen antizipierten Vertragsbruchs nicht. Parallel hat der BGH getragen von denselben Erwägungen schließlich jüngst auch eine Kündigung aus wichtigem Grund wegen der Insolvenz des Schuldners dort verneint, wo der Vertragsschluss nach dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erfolgte. Dagegen könne bei Vertragsschluss noch vor dem Eigenantrag des Schuldners in der Verfahrenseröffnung ein wichtiger Grund zur Kündigung erblickt werden.504 Der dieser Linie zugrundeliegende Rechtsgedanke ist letztlich für die Geltendmachung von Käuferrechten nach erfolgtem Leistungsaustausch auch in 442 I BGB gesetzlich verankert.505 Die Norm ist Ausdruck des allgemeinen Verbots widersprüchlichen Verhaltens,506 sodass sich deren Regelungsgehalt nicht auf gewährleistungsrechtliche Besonderheiten des zeitlichen Stadiums der Vertragsabwicklung beschränkt, sondern

501 Zu § 321 BGB vgl. nur BeckOK BGB/H. Schmidt § 321 Rn. 16; MüKoBGB/Emmerich (2016) § 321 Rn. 9. 502 Vgl. zu Art. 72 CISG, MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 6. 503 Ramming, ZGS 2003, 209 [210]. 504 BGH NZI 2018, 111 [113 f.]. Vgl. dazu bereits die Ausführungen zu den Folgen der Suspensivtheorie auf Rücktrittsrechte des Gläubigers. 505 Vgl. auch Art. 2 III der Verbrauchsgüterkauf-RL (1999/44/EG), wonach bereits keine Vertragswidrigkeit des Verbrauchsguts vorliegt, „wenn der Verbraucher zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kenntnis von der Vertragswidrigkeit hatte oder vernünftigerweise nicht in Unkenntnis darüber sein konnte oder wenn die Vertragswidrigkeit auf den vom Verbraucher gelieferten Stoff zurückzuführen ist.“ 506 BGH Urt. v. 15.6.2012, V ZR 198/11 = NJW 2012, 2793 [2795]; MüKoBGB/Westermann (2016) § 442 Rn. 1; Staudinger/Matusche-Beckmann (2013) § 442 BGB Rn. 1 ff.; Dauner-Lieb/Langen/Büdenbender (2016) BGB § 442 Rn. 4. Abweichend Köhler, JZ 1989, 761 [763 f.]; BeckOK BGB/Faust § 442 Rn. 2, wonach vorrangig das Allgemeininteresse an der Minimierung von Transaktionskosten geschützt werde. Krit. dazu BeckOGK/Stöber BGB § 442 Rn. 5.

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auch auf den Zeitraum vor Fälligkeit übertragen lässt.507 Das Verhalten des Käufers ist dort nicht weniger widersprüchlich.508 e) Exkurs: Anwendbarkeit von Art. 72 CISG und § 323 IV nach Fälligkeit aa) Abgrenzung zwischen Art. 72 CISG und Artt. 49, 64 CISG Bereits aus den Materialien zum Entwurf des UN-Kaufrechts geht hervor, dass der spätere Art. 72 CISG als Art. 63 des Entwurfs speziell auf Fälle künftiger Vertragsverletzungen zugeschnitten ist.509 Unter Berücksichtigung der Funktion des Art. 72 CISG ist der zeitliche Anwendungsbereich der Norm somit begrenzt. Ratio legis der Norm ist allein der präventive Schutz der Dispositionsfreiheit und Art. 72 CISG findet deshalb von vornherein keine Anwendung nach Eintritt der Fälligkeit. Das Recht zur Vertragsaufhebung richtet sich dann vielmehr nach den Artt. 49 und 64 CISG.510 Anders als die sich aus Artt. 49 und 64 CISG ergebenden Vertragsaufhebungsrechte ist die Ausübung des Aufhebungsrechts nach Art. 72 CISG zwar auch nicht an eine Frist gebunden, jedoch muss die Ausübung spätestens – unter Berücksichtigung des Anzeigeerfordernisses aus Art. 72 II CISG – bis zum Erfüllungstermin erfolgen.511 Dieses Normverständnis hat auch der BGH in einer frühen Entscheidung zum UN-Kaufrecht zugrunde gelegt. Danach scheide nach Fälligkeit eine Anwendung des Art. 72 CISG aus, „weil die Verkäuferin mit der vertragsgemäßen Einlagerung der Ware in einem Lagerhaus […] die ihr obliegende Lieferpflicht – wenn auch mangelhaft – erfüllt hat. Von einer erst drohenden künftigen Vertragsverletzung, wie Art. 72 CISG sie für eine präventive Vertragsaufhebung voraussetzt, kann deshalb hier nicht gesprochen werden.“512

Konsequenterweise zieht die Rspr. allein Art. 49 CISG als einzig mögliche Rechtsgrundlage einer Vertragsaufhebung in Betracht. Daneben hat der BGH zutreffend in einer noch früheren Entscheidung ausdrücklich klargestellt, Art. 72 CISG diene „lediglich dem Schutz gegen eine künftige Verletzung des

507

Vgl. Dauner-Lieb/Langen/Büdenbender (2016) BGB § 442 Rn. 1; Bachmann, AcP 211 (2011) 395 [420]. 508 Staudinger/Matusche-Beckmann (2013) § 442 BGB Rn. 49; BeckOK BGB/Faust § 442 Rn. 30; BeckOGK/Stöber BGB § 442 Rn. 8; dagegen Erman/Grunewald (2017) § 442 Rn. 21. 509 United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 87 und 419 f. 510 Huber/Mullis, CISG (2007) S. 346; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 4; MüKoHGB/Mankowski (2018) CISG Art. 72 Rn. 6; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 6. 511 Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 252; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 16. 512 BGH Urt. v. 3.4.1996, VIII ZR 51/95 = CISG-online No. 135 [Herv. d. Verf.].

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Vertrages und ist daher zeitlich der Lieferung und ihren verschiedenen Störungsformen vorgelagert […]. Für erst mit der Fälligkeit auftretende Vertragsverletzungen verbleibt es demgegenüber bei den hierfür geltenden Vorschriften, insbesondere dem Recht des Käufers auf Vertragsaufhebung nach Art. 49 CISG.“513 Diese Sichtweise wurde vom BGH jüngst bestätigt, wonach die Vorschrift des Art. 72 CISG lediglich dem Schutz gegen einen künftigen Vertragsbruch dient und daher nicht bei Vertragsverletzungen greift, die bei oder nach Fälligkeit auftreten.514 bb) Abgrenzung zwischen § 323 IV BGB und § 323 I BGB Nach teilweise im Schrifttum vertretener Auffassung soll § 323 IV BGB auch nach Fälligkeit Anwendung finden. Voraussetzung sei allein, dass der Tatbestand bereits vor Fälligkeit erfüllt war. Zur Begründung wird unter Hinweis auf den insofern offenen Wortlaut „bereits“ angeführt, dass § 323 IV BGB lediglich eine Ausweitung der Rücktrittsrechte beabsichtige, das aber „im Umkehrschluss“ nicht heiße, dass das Rücktrittsrecht nach Fälligkeit ausgeschlossen sein soll.515 Im Gegenteil sei der Schuldner „Erst-recht“ zum Rücktritt nach § 323 IV BGB berechtigt, wenn die bloße Gefährdung in eine Interessenverletzung umschlägt.516 Daneben spreche für eine solche Auslegung, dass § 323 BGB das Rücktrittsrecht regelt und nicht die Rücktrittserklärung. Ein Ausschluss der Anwendbarkeit von § 323 IV nach Fälligkeit führe aber dazu, „dass das Rücktrittsrecht vom Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abhängt, worüber § 323 BGB keine Aussage trifft und was im Übrigen systemfremd wäre.“517 Richtigerweise ist ein solches Überdauern des Rücktrittsrechts abzulehnen. Die Ablehnung der Heranziehung des § 323 IV BGB nach Fälligkeit ist kein Sinn entbehrender Umkehrschluss, sondern eine Bestimmung des Anwendungsbereichs der Norm unter Berücksichtigung ihrer teleologischen Funktion. Die Norm bezweckt allein den Schutz der Dispositionsfreiheit gestützt auf eine Prognose wegen einer drohenden und damit noch nicht real eingetretenen Leistungsstörung.518 Für einen solchen präventiven Schutz ist nach Eintritt der Fälligkeit kein Raum. Die Voraussetzungen des Rücktritts bemessen sich dann vielmehr anhand des § 323 I BGB, wo das Gesetz vom Grundsatz einer vorhe-

513 BGH Urt. v. 15.2.1995, VIII ZR 18/94 = CISG-online No. 149 = NJW 1995, 2102 [Herv. d. Verf.]. 514 BGH Urt. v. 24.9.2014, VIII ZR 394/12 = CISG-online No. 2545 = BGHZ 202, 258 [271] = NJW 2015, 867 [870]. 515 Weiss, NJW 2014, 1212 [1214]; vgl. ferner Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [918]; Gutzeit, NJW 2012, 3717 (= Anm. zu BGH Urt. v. 14. 6. 2012, VII ZR 148/10). 516 Temming, JA 2018, 1 [6]. 517 Weiss, NJW 2014, 1212 [1214]. 518 Vgl. dazu die Ausführungen zur ratio legis des § 323 IV BGB, Kap. 4 II. 2.

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rigen Fristsetzung ausgeht, weshalb auch eine vor Fälligkeit „auf Vorrat“ erklärte Frist ein Rücktrittsrecht nicht begründen kann.519 Damit verfängt auch der oben genannte argumentum a fortiori Einwand nicht, nachdem die ratio legis der betroffenen Tatbestände dort eine andere ist.520 Zwar verliert auch die vor Fälligkeit erklärte Erfüllungsverweigerung dort nicht ihre Bedeutung, sondern kann dazu führen, dass das Fristerfordernis nach § 242 BGB entfällt, weil der Schuldner die nach Fälligkeit gesetzte Frist offensichtlich nicht einhalten kann.521 Wenn jedoch die Fristsetzung dort nach § 242 BGB für entbehrlich gehalten wird, dann nicht wegen des sich aus § 323 IV BGB ergebenden Rechtsgedankens, sondern deshalb, weil eine real eingetretene Leistungsstörung vorliegt, bei der eine Nachfrist reine Förmelei wäre.522 Der BGH hat dementsprechend anderslautenden Stimmen der Literatur in seiner jüngeren Rechtsprechung auch eine klare Absage erteilt. Die Möglichkeit des Rücktritts nach § 323 IV BGB bestehe „nicht mehr, wenn die Fälligkeit eingetreten ist. Denn in diesem Zeitpunkt liegt kein Tatbestand der Erfüllungsgefährdung mehr vor. Vielmehr hat sich die Pflichtverletzung nunmehr erwiesen. Für diesen Fall enthält das Gesetz in 323 I BGB die Regel, dass ein Rücktritt grundsätzlich erst dann möglich ist, wenn eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt wird und diese erfolglos abgelaufen ist.“523

Eine andere Lesart würde sich auch in deutlichen Widerspruch zum Wortlaut der Norm setzen, wonach der Rücktritt zulässig sei, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. In dieser auf ein erst noch bevorstehendes Ereignis abstellenden Formulierung kommt der gesetzgeberische Wille klar zum Ausdruck, mit der Norm allein die Erfüllungsgefährdung zu erfassen.524 Letztlich kann auch der dogmatische Einwand nicht überzeugen, diese Auslegung sei systemfremd, weil das Rücktrittsrecht so vom Zeitpunkt der Erklärung abhänge. Damit wird das Verhältnis zwischen dem Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen und der Ausübung des Gestaltungsrechts auf den Kopf gestellt. Das Rücktrittsrecht hängt vom Vorliegen eines im Zeitpunkt der Erklärung bestehenden Rücktrittsgrunds ab und nicht – wie unter

519

Grundlegend BGH NJW 2012, 3714 [3715 f.]. Eingängig dazu Larenz, Methodenlehre (1979) S. 377: „Ob eine gesetzliche Regel […] die Grundlage […] für ein argumentum a majore ad minus […] zu bilden vermag, das ist somit nicht eine Frage der formalen Logik, sondern der gesetzlichen Teleologie und der in ihr zum Ausdruck gelangenden Wertung, also der ratio legis.“ 521 BGH NJW 2012, 3714 [3717]; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 163; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 214. 522 Vgl. dazu die Ausführungen zum Auffangtatbestand des § 323 II Nr. 3 BGB und zu den Ausnahmen vom Fristerfordernis nach § 242 BGB, Kap. 2 III. 3. a) bb). 523 BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3715 Rn. 17] [Herv. d. Verf.]. 524 Vgl. BT-Drucks. 14/6040, 186. 520

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Berufung auf die Systematik behauptet wird525 – umgekehrt. Systemkonform im Vergleich zu anderen Gestaltungsrechten ist daher allein diejenige Auslegung, welche die Wirksamkeit der Ausübung des Gestaltungsrechts davon abhängig macht, dass die Voraussetzungen im Zeitpunkt der Ausübung vorliegen.526 Da auch in der Begründung zu § 323 IV BGB deutlich wird, dass die Norm lediglich dem bereits anerkannten Rücktritt vor Fälligkeit eine dogmatische Heimat geben sollte,527 weist daher der gesamte Auslegungskanon auf das Ergebnis der Anwendbarkeit allein vor Fälligkeit hin.528 cc) Fazit zur Beschränkung von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG auf Fälle vor Fälligkeit Daneben sah sich der BGH in seiner oben zitierten Entscheidung zu § 323 IV BGB noch dazu veranlasst klarzustellen, dass schließlich auch Art. 72 CISG nach Fälligkeit keine Anwendung finde.529 Dieser Annahme eines Gleichlaufs der Anwendungsbereiche kann uneingeschränkt gefolgt werden.530 Indessen wurde gegen dieses rechtsvergleichende Argument eingewandt, dies liege im UN-Kaufrecht allein daran, dass Artt. 49 I lit. a und 64 I lit. a CISG sonst kein eigener Anwendungsbereich verbleibe. Denn diese Normen erlauben, so die Autoren dieser Ansicht weiter, eine Vertragsaufhebung ohne Fristsetzung und ohne weitere Interessenabwägung,531 weshalb der Gläubiger – anders als im BGB – bei fehlender Erfüllungsbereitschaft sofort „zurücktreten“ kann. Da im BGB keine den Artt. 49 I lit. a und 64 I lit. a CISG vergleichbaren Normen existieren, sei diese „Lücke“ über eine Anwendbarkeit des § 323 IV BGB nach Fälligkeit zu schließen.532 Dabei wird jedoch erstens übersehen, dass Art. 72 CISG grundsätzlich eine Anzeige vor Ausübung der Vertragsaufhebung fordert, die Artt. 49 und 64 CISG fremd ist. Schließlich passt dieser Klärungsmechanismus nur bei einer drohenden Vertragsverletzung. Zweitens darf die Tatsache, dass der deutsche Gesetzgeber Ausnahmen von der prozeduralen Bestimmung der Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung durch den Ablauf einer Frist nur in § 323 II BGB formuliert hat, nicht vorschnell als Lücke deklariert werden. Wie vom BGH ausgeführt, darf eine extensive Auslegung des § 323 IV BGB, die das Telos der Norm nicht berücksichtigt, nicht zu einer 525

Vgl. dazu oben, Weiss, NJW 2014, 1212 [1214]. Vgl. nur Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 178 und D 8. 527 BT-Drucks. 14/6040, 186. 528 So die h. M. BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714; Odemer, JURA 2016, 842 [850]; Palandt/Grüneberg (2019) § 323 Rn. 23; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 133; Jauernig/Stadler (2015) § 323 Rn. 15. 529 BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3715]. 530 Vgl. zur Abgrenzung zwischen Art. 72 CISG und Artt. 49, 64 CISG, Kap. 4 IV. 2. e). 531 Die Interessenabwägung ist bei einer auf Artt. 49 I lit. a und 64 I lit. a CISG gestützten Vertragsaufhebung freilich in Art. 25 CISG beheimatet. 532 Bassler/Büchler, AcP 214 (2014) 888 [918]. 526

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Umgehung der sich aus §§ 323 I und II BGB ergebenden Voraussetzungen führen. Dogmatisch zutreffend hat der BGH die Problematik fehlender Erfüllungsbereitschaft innerhalb eines hypothetischen Fristablaufs nach Fälligkeit daher bei der Entbehrlichkeit der Frist (nach § 242 BGB) verortet, gerade nicht in § 323 IV BGB.533 Dementsprechend lässt auch ein Vergleich zum UN-Kaufrecht richtigerweise allein den Schluss auf die fehlende Anwendbarkeit von § 323 IV BGB nach Fälligkeit zu. 3. Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz a) Der mit der drohenden Insolvenz heraufbeschworene Normenkonflikt mit §§ 103 ff. InsO aa) Problemaufriss: Umgehung des Verwalterwahlrechts? Während bei der Betrachtung einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung die Anforderungen an das Erklärungsverhalten des Schuldners und die Möglichkeit zur Rückkehr zu vertragstreuem Verhalten durch einen Widerruf der Verweigerungserklärung im Vordergrund standen, hat die Darstellung der Vertragsumsteuerung wegen sonstiger Leistungsgefährdungen insbesondere gezeigt, inwiefern Prognoseanforderungen und die Bestimmung des Prognosebezugspunkts tatbestandliche Grenzen ziehen, um das Lösungsinteresse des Gläubigers mit dem Vertragserhaltungsinteresse des Schuldners in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Mit der drohenden Insolvenz534 des Schuldners als Aufhebungsgrund vor Fälligkeit wird nun das Feld eines weiteren Fragenkomplexes betreten. Abgesehen von den damit verbundenen Prognoseschwierigkeiten begegnet eine Vertragsumsteuerung des Gläubigers dort mehreren schwerwiegenden Bedenken: Neben der Tatsache, dass eine zur Beendigung des vertraglichen Pflichtenprogramms führende Vertragsumsteuerung die Sanierung des schuldnerischen Unternehmens torpedieren kann,535 sind dort zwangsläufig auch Interessen anderer Gläubiger betroffen. Das Schuldrecht nimmt aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse auf solche Interdependenzen jedoch keine Rücksicht, sodass eine zwar vor Verfahrenseröffnung erfolgende, aber immerhin an der Insolvenz anknüpfende Vertragsumsteuerung auch Fragen einer etwaigen Vorwirkung insolvenzrechtlicher Bestimmungen aufwirft. Vor allem nämlich gerät das in § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG

533 BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3717]; vgl. ferner die Ausführungen zu Ausnahmen der Frist nach § 242 BGB, Kap. 2 III. 3. a) bb). 534 Sofern im Folgenden von einer „drohenden Insolvenz“ die Rede ist, beschränkt sich dieser Terminus nicht auf § 18 InsO, sondern beschreibt die Besorgnis (irgend-)eines drohenden Eröffnungsgrundes i. S. d. §§ 16 ff. InsO, der zu einer Verfahrenseröffnung und damit zu dem Bestehen des Verwalterwahlrechts aus § 103 InsO führt. 535 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142.

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verankerte schuldrechtliche Instrument der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs dort in Konflikt mit dem in § 103 InsO statuierten Verwalterwahlrecht, dem auch CISG-Verträge unterliegen.536 Dieser Konflikt äußert sich dabei im Wesentlichen auf zwei Wegen: Zum einen erscheint aus insolvenzrechtlicher Perspektive problematisch, dass bei Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts noch im Vorfeld der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Umgehung des Verwalterwahlrechts droht. Wenn das Verfahrensrecht die Disposition über das Schicksal des Vertrags dem Verwalter überantwortet, scheint im Sinne einer systemkohärenten Auslegung prima facie ein auf die Insolvenz des Schuldners gestütztes Lösungsrecht des Gläubigers ausgeschlossen zu sein. Zum anderen fragt sich aus schuldrechtlicher Sicht, inwiefern die Existenz des Verwalterwahlrechts die im Rahmen von § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG anzustellende Prognose beeinflusst. Angesichts der strengen Prognoseanforderungen, von denen die beiden Normen die Antizipation einer nur drohenden Vertragsverletzung abhängig machen,537 muss schließlich bezweifelt werden, inwiefern unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Erfüllungswahl durch den Verwalter selbst bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das schuldnerische Vermögen der spätere Eintritt einer Vertragsverletzung „offensichtlich“ sein kann. Der folgende Abschnitt widmet sich daher nach einem Überblick zu dem hierzu vertretenen Meinungsstand zunächst vermeintlichen Vor- oder Sperrwirkungen des insolvenzrechtlichen Verfahrensrechts, um im Anschluss unter Berücksichtigung der §§ 103 ff. InsO die Möglichkeiten einer Vertragsumsteuerung im Umfeld der Insolvenz in die Tatbestandszweige von § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG einzubetten. bb) Überblick zum Meinungsstand (1) Meinungsstand zum Rücktritt nach § 323 IV BGB wegen drohender Insolvenz Im Schrifttum werden zu den mit einem Rücktritt vor Fälligkeit wegen drohender Insolvenz aufgeworfenen Fragen ausgehend von der zivilrechtlichen Ausgangslage Besonderheiten des Insolvenzrechts teilweise überbetont und anderenorts für gänzlich unbeachtlich gehalten. So reichen die hierzu vertretenen Auffassungen von einem kompromisslosen Vorrang der §§ 103 ff. InsO über die auf dasselbe Ergebnis hinauslaufende Negierung einer Vertragsverletzung bei der Erfüllungsablehnung des Verwalters bis zu lediglich an tatbestandlichen Grenzen des § 323 IV BGB anknüpfenden Ansätzen. Einen ersten Zugriff auf jene Diskussion nahm dabei Mossler mit seinem Beitrag zum „Rücktrittsrecht vor Fälligkeit bei solvenzbedingten Zweifeln an der Leistungsfähigkeit 536

Vgl. dazu die Ausführungen zu CISG-Verträgen in der Insolvenz, Kap. 3 II. Vgl. dazu die Ausführungen zu den Prognoseanforderungen und den durch das Offensichtlichkeitskriterium geforderten Wahrscheinlichkeitsgrad, Kap. 4 III. 537

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des Schuldners“ als direkte Reaktion auf die Schuldrechtsmodernisierung vor.538 Dort wird ein auf insolvenzrechtliche Wertungen gestützter genereller Vorrang der §§ 103 ff. InsO gegenüber dem sich aus § 323 IV BGB ergebenden Rücktrittsrecht propagiert. Diese Position steht damit in krassen Widerspruch zu der Auffassung von Befürwortern einer Ablehnung eines solchen Vorrangs, wonach die Grenzen des Rücktrittsrechts vielmehr im Tatbestand des § 323 IV BGB selbst zu suchen sind. (a) Vorrang der §§ 103 ff. InsO vor § 323 IV BGB bei „solvenzbedingten Zweifeln“ Unabhängig davon, wie offensichtlich das spätere Ausbleiben der Erfüllung aufgrund der drohenden Insolvenz des Schuldners ist, soll nach teilweise vertretener Auffassung ein Rücktritt nach § 323 IV BGB von vornherein am Vorrang des § 103 InsO – genauer: am Vorrang des sich daraus ergebenden Verwalterwahlrechts – scheitern. Die Besorgnis und Vermeidung einer Aushöhlung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters erfreut sich in der Literatur großen Zuspruchs.539 Getragen wird dieser Vorrang von der Überlegung, dass § 323 IV BGB nur „vertragsspezifische“ Störungen erfassen könne, wohingegen bei „solvenzbedingten“ Zweifeln die Interessen aller Gläubiger des Schuldners betroffen sind. Dort greife vorrangig mit der par conditio creditorum das zu berücksichtigende Prinzip der Gläubigergleichbehandlung Platz, das schon mit dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes Geltung beanspruche.540 Das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung rechtfertige demnach eine Zurückdrängung der an sich aus einer Störung der Vertragsäquivalenz ergebenden Folgen, bei denen allein das zweiseitige Rechtsgeschäft berücksichtigt wird. Bei der Abgrenzung zwischen vertragsspezifischen Zweifeln einerseits und solvenzbedingten Zweifeln andererseits soll demnach nur dann Raum für einen Rücktritt bleiben, wenn sich der Gläubiger auf einen Umstand berufen kann, „der nur ihn und nicht die Gesamtheit der Gläubiger betrifft“, und somit nicht, wenn „die Leistungsfähigkeit des Schuldners dagegen allgemein zweifelhaft geworden ist“.541 Im letzteren Fall soll für ein einseitiges Lösungsrecht des

538

Mossler, ZIP 2002, 1831. Grundlegend Mossler, ZIP 2002, 1831 [1835 ff.]; Wegener (2007) S. 114 f.; FKInsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 120; Jauernig/Stadler (2015) § 323 Rn. 15; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 36 Rn. 25 a. E.; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63; wohl auch Bärenz, NZI 2006, 72 [74]. Offengelassen von Baldringer, NZBau 2005, 183 [187]. Für eine Ausübungssperre speziell zum Kauf unter Eigentumsvorbehalt mit dem Argument des Vorrangs von § 107 II InsO, M. Huber, in: FS Musielak (2004) S. 267 [275]; dem folgend, K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 58; wohl auch Prütting, NZI 2002/4, VI. 540 Wegener (2007) S. 115. 541 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1836]. 539

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Gläubigers, das auf eine Störung der Vertragsäquivalenz reagiert und die Gläubigergleichbehandlung zu konterkarieren droht, kein Platz sein.542 Dieses Risiko haben vielmehr alle Partner eines hinausgeschobenen Leistungsaustauschs gemeinsam zu tragen.543 Dass ein Gläubiger im Interesse der Masse bis zur Ausübung des Wahlrechts mit der daraus resultierenden Ungewissheit belastet wird, sei als in den §§ 103 ff. InsO zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren.544 Ist das Verfahren erst eröffnet, wird schließlich durch § 103 II 2 InsO dem Vertragspartner gestattet, dem Verwalter eine Frist zu setzen, womit seinen Interessen hinreichend Rechnung getragen werde.545 Neben der Betonung des Gläubigergleichbehandlungsprinzips stützen sich Befürworter eines Vorrangs der §§ 103 ff. InsO deshalb auf den erforderlichen Schutz des Verwalterwahlrechts vor einer „Aushöhlung“ oder einem „Unterlaufen“ desselben durch einen Rücktritt vor Fälligkeit.546 Die Zulässigkeit eines Rücktritts nach § 323 IV BGB wäre für das Wahlrecht des Insolvenzverwalters „katastrophal“.547 Damit wird das Verwalterwahlrecht per se als schützenswertes Interesse anerkannt. Da das Wahlrecht als für die Masse günstigste Rechtsfolge Ausfluss des in § 1 S. 1 InsO postulierten Ziels der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung ist, sei es im Interesse der Gläubigergesamtheit vorrangig zu berücksichtigen.548 Gestützt werden diese Annahmen von der Überlegung, dass sich die Zulässigkeit eines solchen Rücktrittsrechts faktisch auch auf das Schicksal anderer Verträge des Schuldners auswirke. Solche Interdependenzen der Vertragsverhältnisse werden im allgemeinen Zivilrecht nicht ausreichend berücksichtigt und dieser Umstand sei zu korrigieren.549 Sofern ein Rücktritt wegen solvenzbedingter Zweifel für möglich erachtet wird, werde der Schuldner nämlich unweigerlich in die Insolvenz getrieben. Schließlich würde der Rücktritt eines Gläubigers dazu führen, dass der Schuldner eines Teils seines Auftragsbestandes verlustig wird, auf den er gegebenenfalls angewiesen ist, mit der Folge, dass die mangelnde Leistungsfähigkeit für einen anderen Gläubiger noch offensichtlicher wird. Die Umsteuerung des Vertrags wäre nicht nur Rechtsfolge

542

Mossler, ZIP 2002, 1831 [1835]. Wegener (2007) S. 115. 544 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1836]; vgl. auch de lege ferenda, Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63; vgl. ferner Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103 – 119 Rn. 8; Wegener (2007) S. 118. 545 Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103–119 Rn. 8. 546 Prütting, NZI 2002/4, VI; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142. 547 Wegener (2007) S. 68. 548 Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103–119 Rn. 7. 549 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1835]. 543

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des Rücktritts des Einzelnen, sondern würde zugleich die künftige Nichterfüllung manifestieren – die zukünftige Nichterfüllung wäre eine „self-fulfilling prophecy“.550 Mit Blick auf die dogmatische Konstruktion wird die deshalb für erforderlich gehaltene Sperrwirkung für den künftigen Zeitraum ab Verfahrenseröffnung mit der allgemeinen Erwägung einer höheren Gewichtung des Insolvenzverwalterwahlrechts aus § 103 InsO begründet. Dagegen versuchen Teile des Schrifttums dieses Ergebnis für den Zeitraum zwischen Eröffnungsantrag und Verfahrenseröffnung auf eine analoge Anwendung des § 112 InsO zu stützen.551 In ihrem direkten Anwendungsbereich verbietet die Norm nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Kündigung eines Miet- oder Pachtverhältnisses wegen eines Verzugs mit der Entrichtung der Miete oder Pacht, der in der Zeit vor dem Eröffnungsantrag eingetreten ist oder wegen einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Schuldners. Die Kündigungssperre dient dem Schutz der Gläubigergesamtheit vor den negativen Auswirkungen einer so begründeten Kündigung, indem dem Mieter bzw. Pächter die nötigen Betriebsmittel nicht entzogen werden und das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit erhalten bleibt.552 Ein solches durch ein Lösungsrecht des Gläubigers heraufbeschworenes Spannungsverhältnis zwischen Gläubigerund Verwalterrechten liegt nach den Anhängern dieser Auffassung auch bei einer Rücktrittsberechtigung nach § 323 IV BGB vor. Das habe der Gesetzgeber anscheinend übersehen.553 Deshalb soll der § 112 InsO zugrundeliegende Gedanke im Wege einer Analogie für den Zeitraum ab Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf die Ausübung des gesetzlichen Rücktrittsrechts aus § 323 IV BGB erstreckt werden.554 (b) Vorrang des § 321 II BGB vor § 323 IV BGB bei solvenzbedingten Zweifeln Zu dem nämlichen Ergebnis eines generellen Ausschlusses des § 323 IV BGB unter Zugrundelegung der begrifflich an Mosslers Differenzierung angelehnten Unterscheidung zwischen vertragsspezifischen und solvenzbedingten Zweifeln gelangt auch die vereinzelt gebliebene Literaturmeinung Beckmanns, die sich auf eine systematische Auslegung der §§ 321 II und 323 IV BGB stützt.555 Zur Begründung wird dabei zwar nicht die Prämisse eines Vorrangs insolvenz-

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Mossler, ZIP 2002, 1831 [1832 und 1836]. Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142 dort Fn. 262. 552 Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 112 Rn. 2; Gottwald/M. Huber, InsolvenzrechtsHandbuch (2015) § 37 Rn. 15. 553 Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63. 554 Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63. 555 juris-PK-BGB/Beckmann (2017) § 323 Rn. 9. 551

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rechtlicher Grundsätze angeführt. Allerdings zeige § 321 II BGB, dass der Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen bei solvenzbedingten Zweifeln nicht offensichtlich sein könne. Denn nach § 321 II BGB kann der Gläubiger – freilich nur sofern er vorleistungspflichtig ist – bei der Gefährdung seines Anspruchs wegen einer Vermögensverschlechterung des Schuldners nach erfolglosem Fristablauf zurücktreten. In der Abhängigkeit dieses augenscheinlich auf eine Vermögensverschlechterung zugeschnittenen Rücktrittsrechts von einer Fristsetzung komme deshalb zum Ausdruck, „dass bei solvenzbedingten Zweifeln an der Leistungsfähigkeit nicht «offensichtlich» sein soll, dass die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts eintreten werden.“556 (c) Erfüllungsablehnung des Verwalters als Ausübung gesetzlicher Befugnisse Zu einer ebenfalls pauschalen Ablehnung des Rücktrittsrechts aus § 323 IV bei einer drohenden Insolvenz gelangt derjenige Teil des Schrifttums, der den Vorrang insolvenzrechtlicher Normen konstruiert, indem selbst bei Erfüllungsablehnung des Verwalters nach § 103 II InsO das Vorliegen einer Vertragsverletzung geleugnet wird. Dort wo die Erfüllungswahl möglich ist, ist der Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen damit nicht offensichtlich und selbst die offensichtliche Erfüllungsablehnung gestatte kein Rücktrittsrecht. Zur Begründung von letzterem wird angeführt, dass die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters schlechterdings nicht als Pflichtverletzung begriffen werden könne.557 Auch wenn das RG die Erfüllungsablehnung des Verwalters noch als positive Vertragsverletzung eingeordnet hat,558 sei für ein solches Verständnis kein Raum. Schließlich werde dem Insolvenzverwalter mit § 103 II 1 InsO eine gesetzliche Befugnis an die Hand gegeben, in deren Ausübung nur schwerlich zugleich eine Pflichtverletzung erblickt werden könne.559 Diese Auffassung beruft sich dabei auch auf eine zum früheren Recht unter Geltung des funktionsgleichen § 17 KO gefestigte Literaturmeinung, wonach diese Vorschrift den Verwalter zur Verweigerung eines unter diese Vorschrift fallenden Vertrags berechtige. Das Wahlrecht, einerseits zu erfüllen oder andererseits nicht zu erfüllen, wurde auch dort von Teilen des Schrifttums gerade nicht als Alternative aufgefasst, sich einerseits vertragstreu zu verhalten oder andererseits unter 556

juris-PK-BGB/Beckmann (2017) § 323 Rn. 9. Weidt (2008) S. 128; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 164; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 228; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12. 558 „Wenn der Konkursverwalter bei einem beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Vertrage die Erfüllung nach § 17 KO ablehnt, so erlischt zwar der Vertrag nicht, wohl aber erlöschen die Erfüllungsansprüche; an ihre Stelle tritt ein Anspruch des Gegners auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung, […] da die Erfüllungsverweigerung regelmäßig eine positive Vertragsverletzung enthält.“ RG Urt. v. 1.2.1932, VI 472/31 = RGZ 135, 167 [170]. 559 Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 164; Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 21 Rn. 6. 557

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Hinnahme der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen den Vertragspflichten zuwider zu handeln.560 Die Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters soll deshalb vielmehr auf „eigenständigen Wertungen“ beruhen.561 Bekräftigt werde diese Auffassung dadurch, dass auch der aus der Ablehnung erwachsende Verrechnungsanspruch aus § 103 II 1 InsO seine Grundlage nicht in bürgerlichrechtlichen Vorschriften habe, sondern auf insolvenzrechtlichen Wertungen beruhe. Die in § 103 II 1 InsO geregelte Forderung wegen der Nichterfüllung entspringe ausdrücklich nicht einer Nichtleistung infolge Leistungsverweigerung.562 Abgesehen davon, dass die dogmatische Einordnung des in § 103 II 1 InsO vorgesehenen Schadensersatzanspruchs umstritten ist,563 bleiben die Anhänger dieser Auffassung jedoch eine Antwort schuldig, welche „insolvenzrechtlichen Wertungen“ Vorrang vor dem sich aus § 323 IV BGB ergebenden Rücktrittsrecht haben sollen. (d) Drohender Durchsetzbarkeitsverlust als Rücktrittsschranke Zu dem Ergebnis der Nichtanwendbarkeit des § 323 IV BGB bei drohender Insolvenz muss konsequenterweise auch derjenige Teil der Literatur gelangen, der den Rücktritt als Gegenwahlrecht im eröffneten Verfahren sowohl bei noch ausstehender Wahlrechtsausübung durch den Verwalter als auch bei dessen Nichterfüllungswahl verwehrt. Diese Problematik firmiert häufig unter dem Schlagwort einer „Wahlrechtskollision“564 und wird aufbauend auf der Suspensivtheorie vom überwiegenden Schrifttum dahingehend beantwortet, dass die „Wahl“ des Gläubigers, nach § 323 BGB zurückzutreten, bei der „Kollision“ mit dem Verwalterwahlrecht bereits deshalb das Nachsehen hat, weil der mit der Verfahrenseröffnung eintretende „Durchsetzbarkeitsverlust“ einem Rücktritt des Gläubigers im Wege stehe.565 Da ab der Verfahrenseröffnung die Einrede des nichterfüllten Vertrags die Durchsetzung der Forderung des Gläubigers hindert und das Vertragsverhältnis gewissermaßen „eingefroren“ werde, muss diese Auffassung zu dem Ergebnis gelangen, dass die Voraussetzungen des § 323 IV BGB nicht vorliegen, wenn sich die dafür erforderliche Prognose auf einen Zeitpunkt nach Verfahrenseröffnung bezieht. Schließlich wird mit 560

Vgl. nur m. w. N., Musielak, AcP 179 (1979) 189 [191 dort Fn. 8]. So Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12 zur Anwendbarkeit des § 323 IV BGB im eröffneten Verfahren. 562 Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 164; Weidt (2008) S. 128. 563 Ausführlich hierzu, Marotzke (2001) Rn. 5.14 ff.; vgl. ferner Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 166; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 317. 564 Vgl. statt vieler nur Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 101 ff.; Wegener (2007) S. 55 ff.; Burkhard (2007) S. 77 ff. 565 So Wöllner (2009) S. 73; Heidland, ZInsO 2011, 201 [203]; Stehle, JURA 2005, 78 [82]; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 317; MüKoInsO/P. Huber (2013) § 103 Rn. 139 ff.; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 102. Vgl. zu den Folgen der Suspensivtheorie auf gesetzliche Rücktrittsrechte des Vertragspartners, Kap. 3 I. 2. c). 561

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dieser Norm allein auf die Fälligkeit und nicht zugleich auf die Durchsetzbarkeit verzichtet.566 Da danach selbst bei einer Erfüllungsablehnung die Rücktrittsvoraussetzungen nicht vorliegen, ist Konsequenz dieser Auffassung, dass selbst bei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Nichterfüllungswahl oder einer aus sonstigen Gründen insolvenzbedingten Nichterfüllung der Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen mangels Durchsetzbarkeit nicht offensichtlich ist. Dass damit „ein deutlicher Unterschied zu der Situation außerhalb der Insolvenz“ besteht, wird dabei hingenommen.567 Erst wenn der Verwalter Erfüllung wählt – mit der Folge dass die Forderung wieder durchsetzbar ist – und offensichtlich wird, dass die Forderung auch als Masseverbindlichkeit nicht bedient wird, sei wieder Raum für § 323 IV BGB, da erst nun wieder die Rücktrittsvoraussetzungen eintreten können. (e) Annahme eines Rücktrittsrechts in den Grenzen des § 323 IV BGB Die Ansicht der Gesetzgeber befürworte mit der Norm des § 112 InsO dort, wo über die bloße in § 112 Nr. 2 InsO erwähnte Verschlechterung der Vermögensverhältnisse hinaus auch der Gegenleistungsanspruch des Gläubigers gefährdet wird, einen Ausschluss von Vertragsaufhebungsmöglichkeiten, ist auch auf Kritik gestoßen. Diese Annahme liege jenseits des zu respektierenden legislativen Gestaltungsermessens. „Denn das Insolvenzrecht soll zwar im Guten wie im Schlechten (meist im Schlechten) eine Gleichbehandlung aller Gläubiger bewirken, nicht jedoch einzelne Gläubigergruppen mit Sonderopfern belasten.“568 Deshalb kann sich der Rücktritt zwar schwerlich allein auf die drohende Insolvenz stützen, nachdem der Verwalter noch Erfüllung des noch nicht erfüllten gegenseitigen Vertrags wählen kann. § 103 InsO entfaltet somit jedoch lediglich insofern eine verdrängende Vorwirkung, als mit dem Eröffnungsantrag „am Horizont ganz konkret die Möglichkeit der Verfahrenseröffnung“ und der Erfüllungswahl erscheint.569 Damit findet eine Beschränkung des sich aus § 323 IV BGB ergebenden Rücktrittsrechts indessen allein innerhalb der tatbestandlichen Grenzen der Norm statt. Schließlich ist auch dem Wortlaut der Norm eine Ausklammerung von solvenzbedingten Zweifeln offenkundig fremd.570 Zur Bejahung der Voraussetzungen des § 323 IV BGB muss sich die Offenkundigkeit der Nichterfüllung damit auf die konkrete in Rede stehende

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Bopp (2009) S. 175; Wegener (2007) S. 117. Wegener (2007) S. 117. 568 Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [17]. 569 Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [28]. 570 Burkhard (2007) S. 134. 567

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Verpflichtung beziehen – das Fehlen der Mittel zur Bedienung sämtlicher Verbindlichkeiten ist nicht ausreichend.571 Somit bildet die Vermögensverschlechterung allein freilich keinen passenden Anknüpfungspunkt für ein Rücktrittsrecht. Liegt jedoch eine konkrete Gefährdung des Gegenleistungsanspruchs vor, die in der Insolvenz lediglich ihre Ursache hat, ist kein materiell rechtfertigender Grund erkennbar, warum der Rücktritt ausgeschlossen sein sollte. Dass die finanzielle Leistungsfähigkeit alle Gläubiger betreffen kann, steht der Annahme eines vertragsspezifischen Leistungshindernisses in dem bloß bipolaren Verhältnis nicht entgegen.572 Es lässt sich zwar auch kaum leugnen, dass der Schuldner erst recht in Bedrängnis gerät, wenn reihenweise mehrere Gläubiger aufgrund finanzieller Schwierigkeiten von den jeweiligen Vertragsverhältnissen Abstand nehmen möchten.573 Treffend beschreibt Gsell aber, diese Gefahr mache es gleichwohl „nicht erforderlich, § 323 IV BGB generell hinter den insolvenzrechtlichen Vorschriften zurücktreten zu lassen. Vielmehr wird ihr in vielen Fällen bereits durch die tatbestandlichen Grenzen des § 323 IV BGB begegnet.“574 Nur wo allein in der Insolvenz der Rücktrittsgrund gesucht wird, ist deshalb § 323 IV BGB „gesperrt“ bzw. liegen dessen Voraussetzungen nicht vor.575 Deshalb bleibe nach dieser Auffassung dann ohne Weiteres Raum für einen Rücktritt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 26 InsO mangels Masse abgelehnt wurde oder immerhin feststeht, dass die Forderung selbst nach Erfüllungswahl des Verwalters als Masseforderung uneinbringlich wäre.576 (f) Fazit zum Meinungsspektrum und Fokus der weiteren Betrachtung Insbesondere unter Berücksichtigung des bereits zur Vertragsumsteuerung in einem eröffneten Verfahren Gesagten erlaubt der vorstehende Überblick eine Selektion der für die weitere Betrachtung zu berücksichtigenden Auffassungen: So muss derjenigen Auffassung eine Absage erteilt werden, die einen Rücktritt nach § 323 IV BGB deshalb verwehrt, weil selbst die im Fall der Verfahrenseröffnung erklärte Erfüllungsablehnung des Verwalters nach § 103 II InsO nicht zum Rücktritt berechtige, nachdem es sich dabei um die Ausübung gesetzlicher Befugnisse handele.577 Dem kann nicht gefolgt werden. Schließlich entfaltet die „Wahl“ der Erfüllungsablehnung gem. § 103 II InsO nach dem 571 Wegener (2007) S. 113; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12. 572 Vgl. Burkhard (2007) S. 133. 573 Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138. 574 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138. 575 Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [26 ff.]; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 223. 576 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138 a. E.; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 223. 577 Vgl. dazu vorstehend (c).

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dazu bei den Grundlagen der Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren Gesagten lediglich deklaratorische Wirkung und klärt die Ungewissheit über das Wahlverhalten des Verwalters in einem negativen Sinn.578 Die Nichterfüllung des Verwalters ist keine Ausübung eines besonders eingeräumten „Rechts“, sondern beschreibt allein die Beschränkung des Gläubigers auf das, was ihm als Insolvenzgläubiger zusteht.579 Da der Vertragspartner infolge der Erfüllungsablehnung zurücktreten kann,580 lässt sich § 323 IV BGB auch nicht mit der Begründung verneinen, bei der drohenden Erfüllungsablehnung handele es sich um die Ausübung gesetzlicher Befugnisse. Ferner kann bei der weiteren rechtlichen Bewertung insbesondere die im Schrifttum vertretene Annahme eines Vorrangs des § 321 II BGB vor § 321 IV BGB bei solvenzbedingten Zweifeln bereits an dieser Stelle herausgefiltert werden.581 Zwar erscheint dieser Ansatz prima facie insofern begrüßenswert, als damit immerhin der Versuch einer im Zivilrecht beheimateten Lösung unternommen wird. Dennoch kann diese Ansicht aus zwei gewichtigen Gründen kaum überzeugen: Es wird nämlich weder berücksichtigt, dass § 321 II BGB zum einen nur Fälle einer Vorleistungspflicht erfasst, indem damit die sich aus § 321 I BGB ergebende Schwebelage überwunden werden soll,582 noch dass zum anderen in § 323 IV BGB bereits durch das Offensichtlichkeitskriterium der hypothetische Fristablauf enthalten ist. § 321 BGB ist speziell auf die Vorleistungspflicht zugeschnitten, regelt deshalb aber mitnichten exklusiv und abschließend Gläubigerrechte im Fall von Vermögensverschlechterungen auf Seiten des Schuldners. Es verbleibt damit die Frage, ob § 323 IV BGB bei „solvenzbedingten“ Zweifeln stets hinter den §§ 103 ff. InsO zurücktreten muss. Gleich ob dieses Ergebnis durch einen Vorrang der §§ 103 ff. InsO bzw. durch eine analoge Anwendung des § 112 InsO583 oder unter Berücksichtigung des drohenden Durchsetzbarkeitsverlusts erreicht wird584, soll ein Rücktritt zum Schutz des Verwalterwahlrechts und aufgrund der Ausstrahlung des par conditio creditorumGrundsatzes danach selbst dann ausgeschlossen sein, wenn das Ausbleiben der Leistung offensichtlich ist. Zwar wird im Zuge dessen zutreffend auf die fehlende Berücksichtigung von Interdependenzen mit weiteren Vertragspartnern 578 Bärenz, NZI 2006, 72 [74]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 519; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 27; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 18; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 51; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 314 f. 579 Vgl. auch Marotzke (2001) Rn. 3.55. 580 Vgl. dazu die Ausführungen zum Bestehen von Rücktrittsrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren bei der Kritik an der Suspensivtheorie, Kap. 3 I. 3. b). 581 Vgl. dazu vorstehend (b). 582 Vgl. nur BT-Drucks. 14/6040, 180; MüKoBGB/Emmerich (2016) § 321 Rn. 23. 583 Vgl. vorstehend (a). 584 Vgl. vorstehend (d).

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bei der auf das einzelne synallagmatische Verhältnis konzentrierten Betrachtung des § 323 BGB aufmerksam gemacht. Allerdings differenziert diese Auffassung auch kaum weiter zwischen Zweifeln, die isoliert in der mangelnden Solvenz wurzeln, und solchen, die zugleich das konkrete Austauschverhältnis betreffen.585 Damit setzt sich diese Auffassung in krassen Widerspruch zu derjenigen Ansicht, die eine Zulässigkeit des Rücktritts allein anhand der tatbestandlichen Grenzen des § 323 IV BGB misst.586 Daher konzentriert sich die weitere Betrachtung zunächst auf etwaige vorgreifliche Sperrwirkungen des Insolvenzrechts, um im Anschluss die Zulässigkeit eines Rücktritts bei drohender Insolvenz unter Berücksichtigung der tatbestandlichen Grenzen des § 323 IV BGB zu würdigen. (2) Meinungsstand zur Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG wegen drohender Insolvenz Mit Blick auf das UN-Kaufrecht lässt das Schrifttum – überwiegend ohne auf Besonderheiten nationalen Insolvenzrechts einzugehen587 – eine drohende Insolvenz ohne Weiteres als Aufhebungsgrund i. S. d. Art. 72 CISG zu.588 Unter Zugrundelegung deutschen Insolvenzrechts wird die Diskussion um die Zulässigkeit einer Vertragsaufhebung wegen antizipierten Vertragsbruchs indessen vor dem Hintergrund des § 103 InsO zusätzlich durch den völkerrechtlichen Charakter der Konvention verschärft. Sollte das nationale Insolvenzrecht überhaupt eine vorgreifliche Sperrwirkung entfalten oder die Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Voraussetzungen des Art. 72 CISG im Wege stehen, stellt sich nämlich die Frage, ob dies bei einem dem UN-Kaufrecht unterliegenden Vertrag Bestand haben kann. (a) Die herrschende Auffassung zur drohenden Insolvenz als Aufhebungsgrund Zuvörderst ist bei der Darstellung der herrschenden Auffassung zur Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG wegen drohender Insolvenz die australische Entscheidung Roder Zelt- und Hallenkonstruktionen GmbH v. Rosedown Park Pty Ltd and Reginald R Eustace zu nennen, die zu dem Ergebnis gelangt, dass die

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Vgl. dazu auch Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [16 f.]. Vgl. vorstehend (e). 587 Soweit ersichtlich äußern sich hierzu allein Mossler, ZIP 2002, 1831 [1838] und Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [272 ff.] und gelangen dabei zu konträren Ergebnissen, dazu sogleich. 588 Schubert (2016) S. 168; Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [28]; Lubbe, RabelsZ 68 (2004) 444 [464]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 615; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 13; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 8; wohl auch Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 11. 586

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drohende Insolvenz eines Schuldners den Gläubiger bei einem dem CISG unterfallenden Vertrag zur vorzeitigen Vertragsaufhebung berechtigt.589 Schließlich wird eine offensichtlich drohende Insolvenz nach herrschender Auffassung im Schrifttum gerade unter Rekurs auf jenes Urteil überwiegend als Fall des Art. 72 I CISG eingeordnet.590 Das verwundert auf den ersten Blick, nachdem Judge van Doussa mit seinem Urteil vom 28.4.1995 fälschlicherweise allein auf Art. 25 CISG und nicht Art. 72 CISG abstellte, um ein Vertragsaufhebungsrecht zu konstruieren. Zur Beantwortung der Frage, inwiefern der Antrag des Schuldners auf Anordnung von im australischen Gesellschaftsrecht verankerten Verwaltungsmaßnahmen einen wesentlichen Vertragsbruch i. S. d. Art. 25 CISG bedeuten kann, führt das Gericht nämlich aus: „In my opinion the appointment of an administrator by Rosedown [= Schuldner] constituted a fundamental breach of the contract within the meaning of Article 25 which would justify Roder [= Gläubiger] notifying a declaration of avoidance. The resolution of the directors making that appointment amounted to an acknowledgment by them that the company was insolvent or was likely to become so. That fact, and the placement of the company under administration, in the circumstances of this case, resulted in such detriment to Roder as substantially to deprive it of what it was entitled to expect under the contract.“591

Dabei wurde zwar übersehen, dass sich im Fall ein Vertragsbruch angesichts eines erst künftigen Zahlungsziels tatsächlich noch nicht realisiert hat. Zudem kann allein die (bevorstehende) Anordnung von Verwaltungsmaßnahmen als solche nicht Gegenstand eines wesentlichen Vertragsbruchs bilden, da allein dies nicht dazu führt, dass dem Gläubiger im Wesentlichen entgeht, was er nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen. Gleichwohl wird die Entscheidung als „Bilderbuchbeispiel“ für eine Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG angeführt.592 Denn die eingetretene oder nur drohende Insolvenz belege schließlich offensichtlich, dass die Zahlung des Käufers ausbleiben werde, sodass der Verkäufer zur Vertragsaufhebung berechtigt sei. 589 FCA (Adelaide, SA) v. 28.4.1995, SG 3076 of 1993 (Roder Zelt- und Hallenkonstruktionen GmbH v. Rosedown Park Pty Ltd and Reginald R Eustace) = CISG-online No. 218. 590 Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [28]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UNKaufrecht (2016) Rn. 615; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 13; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 8; wohl auch Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 11. 591 FCA (Adelaide, SA) v. 28.4.1995, SG 3076 of 1993 (Roder Zelt- und Hallenkonstruktionen GmbH v. Rosedown Park Pty Ltd and Reginald R Eustace) = CISG-online No. 218 para 58. 592 Vgl. die Krit. zu der Entscheidung bei Lubbe, RabelsZ 68 (2004) 444 [464]: „An analysis in terms of art. 25 disregards the fact that the substantial deprivation had in actual fact not occured at the moment of breach and that, in so far as Rosedown’s [= Schuldner] conduct merely foreshadowed such a result as likely to occur, the case constitutes a textbook example of conduct amounting to an anticipatory breach within the meaning of art. 72 (1) of the Convention.“ [Herv. d. Verf.].

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Während die überwiegenden Literaturstimmen sich mit dem Verweis auf Roder Zelt- und Hallenkonstruktionen GmbH v. Rosedown Park Pty Ltd and Reginald R Eustace begnügen, um eine drohende Insolvenz als Fall des Art. 72 CISG einzuordnen, geraten bei dem Rekurs der herrschenden Auffassung auf dieses Urteil leider häufig die in der Entscheidung zusätzlich getroffenen Aussagen zu etwaigen Besonderheiten nationalen Verfahrensrechts in Vergessenheit. So hat das australische Gericht in seiner Entscheidung zudem klargestellt, dass eine in der Konvention geregelte Vertragsaufhebung möglich bleibt, selbst wenn Vorschriften nationalen Verfahrensrechts – die Parteien stritten u. a. um die Folgen der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts593 – insbesondere die Wiedererlangung des Eigentums hindern:594 „Whilst the provisions of Part 5.3A control the circumstances in which the property of the company may be recovered or taken by other parties, they do not freeze or suspend the exercise of every right held by a creditor. The provisions operate only according to their terms, and rights which are not modified or suspended may be exercised as if the administration had not occurred. Whilst s.440C curtailed Roder's right to recover the goods from Rosedown during the administration, in my opinion none of the provisions of the Law prevented Roder from notifying a declaration of avoidance of the contract.“595

Die Entscheidung betont mithin, dass das Recht zur Vertragsaufhebung in einem Verfahren auch dann Bestand hat, sofern das Verfahren der Verwaltung des schuldnerischen Vermögens für Zwecke der Sanierung und Gläubigerbefriedigung dient. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieses Aufhebungsrecht – wie in der Entscheidung unter Zugrundelegung australischen Insolvenzrechts – durch besondere insolvenzrechtliche Vorschriften nicht modifiziert wird. Dann führt die bloße Anordnung von Verwaltungsmaßnahmen nicht zu einer Suspendierung des Aufhebungsrechts. Mit demselben Ergebnis zeigt sich die wohl herrschende Auffassung freilich bei der Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG unbeeindruckt von Regelungen nationalen Verfahrensrechts. 593

FCA (Adelaide, SA) v. 28.4.1995, SG 3076 of 1993 (Roder Zelt- und Hallenkonstruktionen GmbH v. Rosedown Park Pty Ltd and Reginald R Eustace) = CISG-online No. 218 para 22 ff. 594 Die insofern einschlägigen Regelungen werden in FCA (Adelaide, SA) v. 28.4.1995, SG 3076 of 1993 = CISG-online No. 218 para 57 wie folgt zitiert: „The object of Part 5.3A of the Law is stated in s.435A: «The object of this Part is to provide for the business, property and affairs of an insolvent company to be administered in a way that: (a) maximises the chances of the company, or as much as possible of its business, continuing in existence; or (b) if it is not possible for the company or its business to continue in existence – results in a better return for the company's creditors and members than would result from an immediate winding up of the company.» […] Thus the company cannot be wound up during that period: s.440A. Generally, charges are unenforceable: s.440B; and owners and lessors cannot recover property used by the company: s.440C.“ 595 FCA (Adelaide, SA) v. 28.4.1995, SG 3076 of 1993 (Roder Zelt- und Hallenkonstruktionen GmbH v. Rosedown Park Pty Ltd and Reginald R Eustace) = CISG-online No. 218 para 58.

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Ohne näher auf den Vorbehalt einer Modifikation durch nationales Verfahrensrechtsrecht einzugehen, wird danach eine Abstandnahme vom Vertrag bei drohender Insolvenz zugelassen.596 Das Recht zur Vertragsaufhebung bemisst sich wie auch außerhalb der Fälle einer Insolvenz schlicht nach den tatbestandlichen Grenzen des Art. 72 CISG.597 (b) Verdrängender Vorrang des autonomen Insolvenzrechts Grundlegend anders beurteilt Mossler das Verhältnis zwischen § 103 InsO und Art. 72 UN-Kaufrecht.598 Zwar berücksichtigt auch er, dass bei den Kommissionsberatungen die drohende Insolvenz ausdrücklich als vom Anwendungsbereich des Art. 72 CISG erfasst erachtet wurde.599 Allerdings gelangt er unter der Prämisse, dass auch § 323 IV BGB bei „solvenzbedingten Zweifeln“ aufgrund vorrangig zu berücksichtigender insolvenzrechtlicher Wertungen nicht anwendbar sei, zu dem Ergebnis, dass dies auch für Art. 72 CISG gelte.600 Der vorrangige Schutz des Verwalterwahlrechts sperre nach alldem auch das sich aus Art. 72 CISG ergebende Vertragsaufhebungsrecht. Damit beurteilt Mossler die Zulässigkeit der Vertragsaufhebung wegen drohender Insolvenz im Vergleich zu der h. M. im Schrifttum gänzlich umgekehrt. Die drohende Insolvenz wird aufgrund nationalen Verfahrensrechts aus dem Anwendungsbereich des Art. 72 CISG herausgeschnitten. Unter Zugrundelegung dessen ist zwar zweifelhaft, ob es der völkerrechtliche Vorrang der Konvention erlaubt,601 dass das nationale Verfahrensrecht seinerseits Vorrangwirkung gegenüber Art. 72 CISG entfalten kann. Dabei lässt Mossler auch nicht die völkerrechtliche Dimension dieses Problemkreises außer Betracht, indem er betont, dass mit dieser Sichtweise zwar ein Verstoß gegen völkerrechtliche Verpflichtungen verbunden sein kann. Schließlich dürfe 596 Vgl. Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [28]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 615; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 13; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 8 alle m. w. N. 597 Zurückhaltend jedoch Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 9: „The buyer’s insolvency may not necessarily make it clear that it will not fulfil its obligation to pay and the circumstances need to be evaluated as a whole […].“ 598 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1837 f.]. 599 Vgl. dazu bereits die Ausführungen zur Entstehung des Art. 72 CISG und die Beratungen des 34. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 419. 600 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1838]. 601 Nach Auffassung des BVerfG führt selbst die inhaltliche Abweichung einer innerstaatlichen Gesetzgebungsmaßnahme von einer völkervertraglichen Regelung (sog. treaty override) nicht zur Verfassungswidrigkeit des völkerrechtswidrigen Gesetzes, vgl. zuletzt BVerfG Beschl. v. 15.12.2015, 2 BvL 1/12 = NJW 2016, 1295 [1298 ff.]. Jedoch äußert sich der völkervertragliche Vorrang immerhin in einer im Zweifel völkervertragskonformen Auslegung, vgl. auch BVerfG Beschl. v. 26.3.1987, 2 BvR 589/79 = NJW 1987, 2427 [2427].

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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das nationale Insolvenzrecht nicht zu einer Verdrängung der sich aus der völkerrechtlichen Konvention ergebenden Rechte führen, wenn Art. 72 CISG in dieser Situation „an sich“ ein Aufhebungsrecht gewährt.602 Allerdings seien die Bestimmungen des UN-Kaufrecht – so seine Begründung zur Auflösung dieses Normenkonflikts – „zwangsläufig in den Kontext der jeweiligen nationalen Rechtsordnung einzuordnen. Insbesondere muss der Anwendungsbereich der Bestimmungen des UN-Kaufrechts im Verhältnis zu den übrigen Bestimmungen – hier des Insolvenzrechts – definiert werden.“603 (c) Vorrang des CISG vor dem nationalen Insolvenzrecht basierend auf funktional beschränkter Qualifikation der lex concursus Wiederum anders wird die Möglichkeit der Vertragsaufhebung gestützt auf Art. 72 CISG im Umfeld einer Insolvenz von Schmidt-Kessel im Rahmen seiner Betrachtung von CISG-Verträgen in der Insolvenz beurteilt.604 Bemerkenswert ist dabei weniger, dass er zu demselben Ergebnis der überwiegenden Auffassung im Schrifttum zur Zulässigkeit der Vertragsaufhebung gelangt, als die Tatsache, dass dieses Ergebnis gerade in Abweichung zu Mosslers Lösungsvorschlag auch unter konkreter Berücksichtigung der §§ 103 ff. InsO Bestand haben soll. Dabei gelangt Schmidt-Kessel nach einer kollisionsrechtlichen Grenzziehung im Wege einer funktionalen Qualifikation der betroffenen Sachfragen mit Blick auf das Schicksal eines offenen gegenseitigen Vertrags zunächst zur Anwendbarkeit der lex contractus. Denn nur danach lasse sich insbesondere auch die Frage beantworten, wie der schwebende Vertrag beendet wird.605 Der Verweis in Art. 4 II lit. e) EuInsVO a. F. (heute unverändert Art. 7 II lit. e) EuInsVO606) auf die lex concursus und die damit tatsächlich dem Insolvenzstatut zuzuweisenden Fragestellungen sei deshalb in diesem Zusammenhang auf die Zurechnung des Verwalterhandelns, die Privilegierung des Gläubigers bei Vertragsdurchführung und die Hindernisse der Durchsetzung des Primäranspruchs in Natur beschränkt, während sich im Übrigen das Schicksal des Vertrags nach der lex contractus – also UN-Kaufrecht – richtet.607 Findet das CISG Anwendung, haben sich auch die Folgen des Insolvenzverwalterverhaltens daher daran zu messen. Daraus ergeben sich im Falle einer Nichterfüllungswahl des Verwalters die zu Gebote stehenden Rechtsbehelfe: „Das CISG kennt kein Wahlrecht des Verwalters. Die Ablehnung der Erfüllung durch den Verwalter stellt unter der Konvention einen wesentlichen Vertragsbruch i. S. v. Art. 25 CISG 602

Mossler, ZIP 2002, 1831 [1838]. Mossler, ZIP 2002, 1831 [1838]. 604 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255. 605 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [264 ff.]. 606 Vgl. auch bereits dazu die Ausführungen zur Reichweite der lex fori concursus und der Anwendbarkeit des CISG in der Insolvenz, Kap. 3 II. 607 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [268]. 603

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

dar, weil darin eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zu sehen ist. Eine irgendwie geartete Rechtfertigung der Nichterfüllung ergibt sich jedenfalls nicht aus den Verwalterwahlrechten nach autonomen nationalem Recht; dieses wird vielmehr verdrängt.“608

Damit hindert eine (drohende) Insolvenz den Gläubiger nicht, die sich aus dem UN-Kaufrecht ergebenden Rechtsbehelfe geltend zu machen. „Der Gläubiger kann daher nach Artt. 45 I lit. a, 49 I lit. a respective nach Artt. 61 I lit. a, 64 I lit. a CISG gegebenenfalls jeweils i. V. m. [sic] Art. 71 CISG vom Vertrag zurücktreten […].“609 [Demgegenüber setzen sich] „Aufhebungssperren, welche im autonomen Recht zum Schutze des Verwalterwahlrechts und damit der Masse enthalten sind, […] gegenüber dem CISG nicht durch.“610

Zusammenfassend setze sich daher das CISG gegenüber den autonomen Insolvenzvorschriften des nationalen Rechts weitestgehend durch, sodass eine auf Art. 72 CISG gestützte Vertragsaufhebung nicht gesperrt wird, nachdem sich aus den Verwalterrechten keine Rechtfertigung der Nichterfüllung ergibt.611 Dies wird zudem von der Erwägung getragen, dass das CISG gegenüber autonomen Regeln nationalen Insolvenzrechts qua völkervertraglicher Verpflichtung Vorrang hat.612 Offen bleibt bei den vorstehenden Ausführungen allerdings, ob nicht schlicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 72 CISG fehlen, sofern eine Erfüllungswahl durch den Verwalter nicht ausgeschlossen werden kann. Allein, dass nationales Verfahrensrecht nicht die sich aus dem UN-Kaufrecht ergebenden Rechte beschneidet, trifft noch keine Aussage darüber, inwiefern im konkreten Einzelfall auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des Vertragsaufhebungsrechts gegeben sind. Diese Bedenken können auch nicht einfach mit der Überlegung beiseite gewischt werden, dass eine Erfüllungswahl stets die Ausnahme sei. In seiner Abhandlung zu einstweiligen Maßnahmen im internationalen Warenhandelsrecht nimmt Schubert im Zusammenhang mit Art. 72 CISG jedoch genau das an: „Für die Fälle der Insolvenz und staatlichen Hoheitseingriffen wird man allerdings in der Tat sagen müssen, dass kaum eine schwerere Störung der Vertragsabwicklung denkbar ist. Auch wenn eine staatliche Maßnahme zwischenzeitlich aufgehoben werden kann oder ein Insolvenzverwalter im Rahmen der jeweiligen nationalen Rechtsordnung sich zur Erfüllung 608

Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [272] [Herv. d. Verf.]. Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [272]. Zwar nennt Schmidt-Kessel nicht Art. 72 CISG. Allerdings ergibt sich der in Bezug genommene „Rücktritt“ und damit die Vertragsaufhebung wegen antizipierter Vertragsverletzung allein aus Art. 72 CISG und nicht aus Art. 71 CISG. 610 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [274]. 611 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [272 f.]. 612 Schmidt-Kessel, in: FS Schlechtriem (2003) S. 255 [274]. Auch insofern bleibt allein zu konstatieren, dass eine völkerrechtswidrige Auslegung nicht von Verfassung wegen gesperrt bleibt, vgl. BVerfG Beschl. v. 15.12.2015, 2 BvL 1/12 = NJW 2016, 1295 [1298 ff.]. 609

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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des Vertrags entschließen könnte, handelt es sich bei diesen glücklichen Wendungen um große Ausnahmen, die sich zudem außerhalb jeglicher Einflussmöglichkeit der Vertragspartner befinden.“613

(d) Fazit zum Meinungsspektrum und Fokus der weiteren Betrachtung Insgesamt lassen sich die Fragestellungen im Falle eines dem CISG unterfallenden Vertrags damit in ähnlicher Weise zuspitzen wie unter Geltung des § 323 IV BGB. Klärungsbedürftig bleibt nämlich, inwiefern bei drohender Insolvenz das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 72 CISG angenommen werden kann. Schließlich wird die Möglichkeit der Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG dort überwiegend bejaht, ohne dass ein sich aus dem nationalen Verfahrensrecht ergebende Wahlrecht des späteren Verwalters berücksichtigt wird.614 Dass es sich bei der möglichen Erfüllungswahl eines Verwalters aber nicht – wie teilweise im Schrifttum angenommen – nur um eine „glückliche Wendung“ handelt, die per se als „große Ausnahme“ deklariert werden kann,615 liegt auf der Hand. Die mittelbaren Einflüsse des über die lex concursus anwendbaren nationalen Verfahrensrechts616 müssen daher im Folgenden näher untersucht werden. Von vornherein zu einem abweichenden Ergebnis von der lediglich mittelbaren Berücksichtigung eines potentiellen Verwalterwahlrechts gelangt indessen diejenige Auffassung, wonach eine vorgreifliche Sperrwirkung der §§ 103 ff. InsO anzunehmen sei, die auch bei einem CISG-Vertrag Vorrangwirkung genießen soll.617 Dementsprechend haben sich die folgenden Ausführungen sowohl für § 323 IV BGB als auch für Art. 72 CISG zunächst auf die Frage etwaiger vorgreiflicher Sperrwirkungen zu konzentrieren, um im Anschluss das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Normen bei drohender Insolvenz würdigen zu können.

613

Schubert (2016) S. 168. Daneben nimmt Schubert (2016) S. 189 ein Aufhebungsrecht aus Art. 72 CISG an, wenn ein auf Unternehmensfortführung gerichtetes Sanierungsverfahren stattfindet. Dabei geht er davon aus, dass „[m]oderne Sanierungsverfahren […] auf einem Verzicht der Gläubiger auf ihre Forderungen [basieren], für die sie im Gegenzug Anteile an der Schuldnergesellschaft erhalten.“ Weil dies stets mit hohen Risiken verbunden ist, sei auch stets eine Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG zu zulassen. Tatsächlich ist ein solcher nun in §§ 217 S. 2, 225a InsO geregelter debt-equity-swap allerdings nur eine Option in einem Planverfahren unter vielen, sodass ein solch pauschaler Schluss nicht möglich ist. 614 Vgl. vorstehend (a). 615 So Schubert (2016) S. 168. 616 Vgl. die Ausführungen zu CISG-Verträgen im Anwendungsbereich der §§ 103 ff. InsO, Kap. 3 II. 617 Vgl. dazu vorstehend (b).

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cc) Exkurs zum prozessualen normativen Umfeld – Vorzeitige Maßnahmen des Prozessrechts vor der Insolvenz Die Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs knüpft an das Vorliegen eines entsprechenden Gefährdungstatbestands an. Da jener Gefährdungstatbestand zunächst schlicht eine Situation noch vor Fälligkeit beschreibt, bei der gegenwärtige Umstände den prognostizierten Schluss nahelegen, die Leistungspflicht werde nicht erfüllt werden, berühren sich § 323 IV BGB und Art. 72 CISG mit weiteren auf eine Erfüllungsgefährdung reagierenden Vorschriften.618 Dies trifft auch auf prozessuale Regelungen zu, namentlich auf die Klage auf künftige Leistung und auf einstweilige Sicherungsmaßnahmen. Zwar scheidet dort eine wechselseitige Beeinflussung durch das dem materiellen Recht dienende Prozessrecht insoweit aus, als damit anders als mit der Vertragsumsteuerung ein Festhalten an dem Vertrag durch den Gläubiger verfolgt wird. Allerdings wird in diesem prozessualen Kontext eine einschränkende Auslegung von gläubigerbegünstigenden Normen im Vorfeld einer Insolvenz mit ganz ähnlichen Argumenten propagiert, wie dies bei der Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz der Fall ist. Wegen der insofern vergleichbaren Interessenlage wird deshalb im Folgenden näher auf das prozessuale normative Umfeld des antizipierten Vertragsbruchs eingegangen. (1) Klage auf künftige Leistung bei Erfüllungsgefährdung Indem die Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs eine drohende Leistungsstörung in den Blick nimmt, betrifft die Vorschrift des § 323 IV BGB in prozessualer Hinsicht einen auch von § 259 ZPO erfassten Lebenssachverhalt. Nach § 259 ZPO kann Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Nach h. M. handelt es sich bei dem Besorgniserfordernis um eine Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage auf künftige Leistung.619 § 259 ZPO bezweckt als Auffangtatbestand in Ergänzung der §§ 257 f. ZPO einen Gläubigerschutz bei Leistungsgefährdungen auf prozessualem Wege, indem der Gläubiger noch vor Fälligkeit einen Vollstreckungstitel erhält, um eine rasche Zwangsvollstreckung vorzubereiten.620 Der Gesetzgeber sah sich zur Einführung der Norm veranlasst, weil allein die §§ 257 und 258 ZPO den Anforderungen des Verkehrsschutzes aus 618

MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 134; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130; Flessner, ZEuP 1997, 255 [275]. 619 Vgl. BGH Urt. v. 20.6.2005, II ZR 366/03 = NJW-RR 2005, 1518 [1518]; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018) § 90 Rn. 15; MüKoZPO/Becker-Eberhard (2016) § 259 Rn. 12; Saenger/Saenger ZPO (2017) § 259 Rn. 4; a. A. Stein/Jonas/Roth (2016) ZPO § 259 Rn. 14. 620 Both, DWW 2010, 82 [82 f.]; Musielak/Voit/Foerste (2018) ZPO § 259 Rn. 1; Saenger/Saenger ZPO (2017) § 259 Rn. 1. Zur Entstehung der §§ 257 ff. ZPO, Weidt (2008)

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seiner Sicht nicht genügen.621 Erfasst wird somit insbesondere das ernstliche Bestreiten der Forderung,622 ohne dass sich der Anwendungsbereich der Norm hierauf beschränken würde.623 In den Grenzen des Art. 28 CISG berührt sich die Klage auf künftige Leistung schließlich auch unter Geltung des UN-Kaufrechts mit Art. 72 CISG. Denn die in Artt. 28, 46, 62 CISG gewählte Kompromisslösung führt dazu, dass die Parteien auf der Ebene des materiellen Rechts einen Anspruch auf Erfüllung haben, den Gerichten auf Ebene der prozessualen Durchsetzung die Klagbarkeit des Anspruchs aber freigestellt wird, wenn auch nach nationalem Recht keine Klagbarkeit bestünde.624 Da es um die Verwirklichung des Primäranspruchs geht, bedeutet dies,625 dass der Gläubiger unter Geltung deutschen Prozessrechts auch im UN-Kaufrecht mit einer Erfüllungsklage auf die drohende Vertragsverletzung reagieren kann. (a) Klage auf künftige Leistung neben der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs Anders als § 323 IV BGB und Art. 72 CISG zielt § 259 ZPO freilich auf die Sicherung der Verwirklichung des Erfüllungsanspruchs ab. Die Möglichkeit der präventiven Absicherung prozessualer Durchsetzung des Naturalerfüllungsanspruchs steht jedoch weder im deutschen Schuldrecht noch unter Geltung des CISG in einem Alternativitätsverhältnis zur Vertragsumsteuerung. Letzterer werden im Verhältnis zum Erfüllungsanspruch vielmehr allein tatbestandliche Grenzen des materiellen Rechts gesetzt, wenn der Rücktritt im BGB grundsätzlich von der Fristsetzung abhängt und die Vertragsverletzung im CISG wesentlich sein muss. Diese Anforderungen der Vertragsaufhebung gelten unabhängig von der Klagbarkeit des Erfüllungsanspruchs nach nationalem Recht.626 Dem Gläubiger steht das Festhalten an dem Vertrag trotz antizipierten Vertragsbruchs sowohl im deutschen Recht als auch im UN-Kaufrecht frei.627

S. 170; Henssler, NJW 1989, 138 [141]. Zum Verhältnis der Klage auf künftige Leistung zur Unterlassungsklage, Henckel, AcP 174 (1974) 97 [104 f.]. 621 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 8, S. 100. 622 Ständige Rspr. seit BGH Urt. v. 17.4.1952, III ZR 109/50 = BGHZ 5, 342 [344]. 623 So ausdrücklich BGH Beschl. v. 20.11.2002, VIII ZB 66/02 = NJW 2003, 1395 [1396]; vgl. ferner BGH Urt. v. 5.4.2001, IX ZR 441/99 = NJW 2001, 2178 [2180]; MüKoZPO/Becker-Eberhard (2016) § 259 Rn. 13. 624 Riehm (2015) S. 450. 625 Die umstrittene Frage, inwiefern Art. 28 CISG auch auf Rückabwicklungsansprüche Anwendung findet, ist hierfür irrelevant, vgl. hierzu MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 28 Rn. 5 m. w. N. 626 Riehm (2015) S. 451; Weidt (2008) S. 173. 627 Weidt (2008) S. 173 f.

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(b) Klage auf künftige Leistung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Allerdings ist die Anwendbarkeit des § 259 ZPO gerade im Falle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners umstritten. Der BGH hat dies, soweit ersichtlich, bislang nur für den Fall bejaht, in dem Zahlungsunfähigkeit bereits vorlag.628 Im Übrigen wurde aber offengelassen, ob auch die drohende Zahlungsunfähigkeit genügt, wenn der BGH um Zurückhaltung bemüht formuliert, „jedenfalls bei schon eingetretener Zahlungsunfähigkeit des Mieters hält der Senat die Anwendung des § 259 ZPO für gerechtfertigt.“629

Der wohl überwiegende Teil der Literatur lehnt hier die Besorgnis der Nichterfüllung i. S. d. § 259 ZPO indessen ab.630 Wenn dies mit dem Argument verneint wird, dabei handele es sich bloß um ein allgemeines Risiko,631 kann dies nicht überzeugen, da damit allein der Grad der Wahrscheinlichkeit des Ausbleibens der Leistung betroffen ist. Von einem allgemeinen Risiko kann nicht mehr gesprochen werden, sofern durch die drohende Insolvenz die Erfüllung der konkreten Vertragspflichten gefährdet ist. Ist die drohende Zahlungsunfähigkeit – mit den Worten des § 323 IV BGB – offensichtlich und erscheint die Vertragserfüllung etwa angesichts fehlender ausreichender Mittel der Masse nahezu ausgeschlossen, ist kein Grund ersichtlich, weshalb hier der in § 259 ZPO geforderte Besorgnisgrund nicht gegeben sein soll. Eine sichere Erkenntnis fordert § 259 ZPO ebensowenig wie § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG und auch auf ein voluntatives Element kommt es trotz des insofern missverständlichen Wortlauts „sich entziehen“ nicht an.632 Auch dass der Arrest (§§ 916 ff. ZPO) hier vorrangig sei,633 ergibt sich weder aus dem Gesetz noch sprechen teleologische Gründe für einen Vorrang des Vollstreckungsschutzes gegenüber der Klage auf künftige Leistung.634 Letztlich deuten die Materialien zu § 259 ZPO zwar darauf hin, dass vordergründig ein Bestreiten der Forderung durch den Schuldner erfasst sein soll: „Die Voraussetzung wird namentlich dann gegeben sein, wenn der Schuldner die Verbindlichkeit schon, bevor sie fällig ist, ausdrücklich bestreitet.“635

628

BGH Beschl. v. 20.11.2002, VIII ZB 66/02 = NJW 2003, 1395. BGH Beschl. v. 20.11.2002, VIII ZB 66/02 [Herv. d.Verf.]; bestätigt in BGH Urt. v. 4.5.2011, VIII ZR 146/10 = NJW 2011, 2886 [2887]. 630 So jedoch ohne nähere Begründung Stein/Jonas/Roth (2016) ZPO § 259 Rn. 15; Schreiber, JURA 2009, 754 [756]; MüKoZPO/Becker-Eberhard (2016) § 259 Rn. 13; Saenger/Saenger ZPO (2017) § 259 Rn. 4. 631 Saenger/Saenger ZPO (2017) § 259 Rn. 4. 632 Peter, JuS 2011, 322 [323]; Saenger/Saenger ZPO (2017) § 259 Rn. 4. 633 So wohl Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018) § 90 Rn. 18. 634 Henssler, NJW 1989, 138 [142]. 635 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 8, S. 100. 629

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Allerdings hat der BGH insofern bereits zutreffend klargestellt, dass dieser Begründung nicht zu entnehmen sei, dass sich die Heranziehung des § 259 ZPO auf die Fälle des Bestreitens beschränkt.636 Erforderlich und ausreichend ist im Einklang mit der Begründung zu den §§ 257 ff. ZPO vielmehr stets, dass sich in Abwägung mit dem Interesse des Schuldners am Erhalt seiner prozessualen Rechtsposition aus der Schutzbedürftigkeit des Gläubigers ein praktisches Bedürfnis für die Klage bereits vor Fälligkeit ergibt.637 Ein praktisches und auch schützenswertes Interesse verbleibt auf Seiten des Gläubigers bei drohender Insolvenz des Schuldners insbesondere deshalb, weil Gläubiger wieder ungehindert in das Vermögen des Schuldners vollstrecken können, wenn das Insolvenzgericht nach § 26 InsO den Antrag auf Verfahrenseröffnung mangels Masse abweist.638 Einer zu extensiven Heranziehung des § 259 ZPO neben den §§ 257 f. ZPO kann damit ausreichend mit restriktiven Prognoseanforderungen im Einzelfall begegnet werden, ohne die Möglichkeit der Klage auf künftige Leistung für die drohende Zahlungsunfähigkeit pauschal abzulehnen. (2) Sicherungsarrest und einstweilige Verfügung Die Zwangsvollstreckung aus einem auf § 259 ZPO gestützten Titel in das schuldnerische Vermögen zur Befriedigung des Gläubigers darf erst nach Eintritt der Fälligkeit erfolgen, §§ 726 I, 751 I ZPO.639 Die Klage auf künftige Leistung erlaubt dem Gläubiger allein ein rascheres Vorgehen bei der Vollstreckung ab Fälligkeitseintritt. Dahingehende Bedenken, dass sich der Schuldner der Vollstreckung entziehe, reichen für § 259 ZPO nicht aus. Sieht sich der Gläubiger im Stadium der Erfüllungsgefährdung mit einer drohenden Vollstreckungsvereitelung durch den Schuldner konfrontiert, gewähren jedoch Arrest und einstweilige Verfügung als einstweilige Sicherungsmittel des Prozessrechts weiteren Schutz vor einer schuldnerischen Leistungsvereitelung, §§ 916, 935 ZPO.640 Arrest und einstweilige Verfügung schützen davor, dass der Rechtschutz zu spät kommt.641 Während der Arrest gem. § 916 I ZPO der Sicherung einer auf Geld gerichteten Forderung bzw. eines Anspruchs dient, der in eine Geldforderung übergehen kann, sichert die einstweilige Verfügung alle übrigen Ansprüche, § 935 ZPO.642 636

BGH Beschl. v. 20.11.2002, VIII ZB 66/02 = NJW 2003, 1395 [1396]. Ausführlich Henssler, NJW 1989, 138 [141 f.]; vgl. ferner Peter, JuS 2011, 322 [323]; Both, DWW 2010, 82 [84 f.]. Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den ReichsJustizgesetzen – Bd. 8, S. 99. 638 Vgl. zu letzterem nur K. Schmidt/Keller (2016) InsO § 26 Rn. 64. 639 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht (2018) § 90 Rn. 15. 640 Both, DWW 2010, 82 [84]; MüKoZPO/Drescher (2016) Vor § 916 Rn. 1. 641 Henckel, AcP 174 (1974) 97 [106]. 642 Zur ausnahmsweisen Zulässigkeit der praeter legem entwickelten sog. Leistungsverfügung, vgl. nur jüngst OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2016, 04038 Rn. 15; Stein/Jonas/Grunsky (2002) ZPO Vor § 935 Rn. 31 ff. 637

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(a) Einstweilige Maßnahmen vor Fälligkeit Nach § 916 II (i. V. m. § 936) ZPO wird die Zulässigkeit des Arrests ausdrücklich nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Anspruch betagt, also mit anderen Worten noch nicht fällig ist, oder bedingt ist, es sei denn, dass der bedingte Anspruch wegen der entfernten Möglichkeit des Eintritts der Bedingung einen gegenwärtigen Vermögenswert nicht hat. Dies gilt auch unabhängig davon, ob der Gläubiger bereits gestützt auf § 259 ZPO über einen Titel verfügt, aus dem jedoch wegen §§ 726 I, 751 I ZPO nicht vollstreckt werden darf.643 Die Einschränkung der Sicherungsmöglichkeit bei fehlendem gegenwärtigen Vermögenswert bezieht sich ausweislich des Wortlauts der Norm allein auf bedingte Ansprüche. Für noch nicht fällige Ansprüche gilt dies nicht.644 (b) Die ablehnende Haltung der h. M. zur Gläubigerkonkurrenz als Arrestgrund Neben dem in § 89 I InsO angeordneten Vollstreckungsverbot für die Dauer des Insolvenzverfahrens muss gerade im Vorfeld einer Insolvenz bei einstweiligen Sicherungsmaßnahmen die sich aus § 88 InsO ergebende sog. Rückschlagsperre beachtet werden.645 Unabhängig von der Insolvenzanfechtung (insb. § 131 I Nr. 1 InsO) erfolgt bei Vollstreckungsmaßnahmen im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens dadurch ein Schutz der Gläubigergleichbehandlung, indem die vollstreckungsrechtliche Sicherheitengewährung ipso iure mit dinglicher Wirkung gegenüber jedermann für unwirksam erklärt wird.646 Die insolvenzrechtliche Rückschlagsperre umfasst dabei sowohl den Vollzug, §§ 928 ff. ZPO, des Arrests als auch den Vollzug ggf. im Wege einstweiliger Verfügung – etwa Eintragung einer Vormerkung647 – ergangener Sicherheiten.648 Lebhaft umstritten ist, inwiefern über die positivierte Rückschlagsperre hinaus eine drohende Insolvenz von vornherein als Arrestgrund zu versagen ist. Die wohl überwiegende Auffassung verneint in einem Atemzug die Möglichkeit des Bestehens eines Arrestgrunds sowohl bei drohender Insolvenz als auch

643 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Hartlein, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung (2016) § 916 ZPO Rn. 10; MüKoZPO/Drescher (2016) Vor § 916 Rn. 8. 644 Musielak/Voit/M. Huber (2018) ZPO § 916 Rn. 15 f.; Saenger/Kemper ZPO (2017) § 916 Rn. 3. 645 Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Hartlein, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung (2016) Vor §§ 916 – 945b ZPO Rn. 26. 646 BGH Urt. v. 19.1.2006, IX ZUR 232/04 = NZI 2006, 224; Gottwald/Eckardt, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 33 Rn. 51; Uhlenbruck/Mock (2015) InsO § 88 Rn. 1. 647 Vgl. hierzu BGH Urt. v. 15.7.1999, IX ZR 239-98 = NJW 1999, 3122 [3123]. 648 Schmidt K./Keller (2016) InsO § 88 Rn. 27 f.; Uhlenbruck/Mock (2015) InsO § 88 Rn. 22.

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bei drohender Konkurrenz anderer Gläubiger.649 Die Rspr. beschränkt sich dabei, soweit ersichtlich, – Aussagen des BGH zu Arrest und einstweiliger Verfügung finden sich wegen § 542 II ZPO selten – auf bloße Fälle der Gläubigerkonkurrenz und verneint dort das Vorliegen eines Arrestgrunds.650 Eine solche Auslegung entspreche nach einer Entscheidung „dem Willen des historischen Gesetzgebers“ [und verhindert] „eine ungesunde Verschärfung des Gläubigerwettlaufs sowie unter Umständen eine dadurch künstlich herbeigeführte vorzeitige Illiquidität des Schuldners.“651

Dies wird durch Teile der Literatur dahingehend konkretisiert, eine Folge der Gegenauffassung wäre, „dass jeder Schuldner mit mehreren Gläubigern allein wegen dieses Umstandes Arrestverfahren zu befürchten hätte und nach Vollziehung von Arrestbefehlen in aller Regel selbst bei sonst günstiger Zukunftsprognose Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) einträte oder mindestens drohte (§ 18 InsO), es also zwangsläufig zu Insolvenzverfahren käme.“652 Dabei handelt es sich um einen Einwand, der auch im Zusammenhang mit dem Rücktritt wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz bemüht wird.653 Des Weiteren stehe der Annahme eines Arrestgrundes der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung entgegen. Denn die Gläubigerkonkurrenz könne nur dann zu einer Anspruchsgefährdung führen, wenn das Vermögen zur Befriedigung aller Gläubiger nicht ausreicht. Dann seien aber „nach den Wertungen des Insolvenzrechts alle Gläubiger grundsätzlich gleich zu behandeln.“654 (c) Ablehnung der Vorwirkung insolvenzrechtlicher Wertungen Bereits der Wortlaut lässt eine dahingehende Einschränkung hingegen nicht zu. Dies wird immerhin auch von den Anhängern der h. M. kaum bestritten.655 Im Gegenteil bleibt mit einer sich im Vordringen befindlichen Auffassung zu konstatieren, dass – mit den Worten des § 917 I ZPO – eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung ohne Verhängung des Arrests gerade wegen §§ 88 f. 649 Musielak/Voit/M. Huber (2018) ZPO § 917 Rn. 4; BLAH/Hartmann (2018) ZPO § 917 Rn. 7 und 10; MüKoZPO/Drescher (2016) § 917 Rn. 5 und 12; Saenger/Kemper ZPO (2017) § 917 Rn. 6; Thomas/Putzo/Reichold (2016) § 917 Rn. 2; allein zur Gläubigerkonkurrenz Schilken, in: FS Leipold (2009) S. 159 [163 ff.]; Foerste, ZZP 106 (1993) 143 [146 ff.]; Mertins, JuS 2008, 692 [692 f.]; Buciek, NJW 1987, 1063 [1064]. 650 Grundlegend RG Urt. v. 25.2.1881, II 428/80 = RGZ 3, 416 ff. zu § 797 I CPO dem wortgleichen Vorläufer des § 917 I ZPO; vgl. ferner BGH Urt. v. 1.3.2007, IX ZR 261/03 = NJW 2007, 2485 [2487]; BGH Urt. v. 19.10.1995, IX ZR 82/94 = BGHZ 131, 95 [105]; OLG Bamberg Urt. v. 12.11.2012, 4 U 168/12 = WM 2013, 649 Rn. 59. 651 BGH Urt. v. 19.10.2995, IX ZR 82/94 = BGHZ 131, 95 [105]. 652 Musielak/Voit/M. Huber (2018) ZPO § 917 Rn. 4. 653 Vgl. nur Mossler, ZIP 2002, 1831 [1832]. 654 MüKoZPO/Drescher (2016) § 917 Rn. 12. 655 Vgl. Schilken, in: FS Leipold (2009) 159 [163] der Gläubigerkonkurrenz als Arrestgrund jedoch ablehnt; dennoch krit. Buciek, NJW 1987, 1063 [1063 f.].

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InsO droht.656 Eng damit zusammen hängt zudem der Umstand, dass das einzelvollstreckungsrechtliche Prioritätsprinzip auch im Arrestverfahren gilt, §§ 930 I 2, 804 III ZPO, während der Gleichbehandlungsgrundsatz der Gesamtvollstreckung (vgl. §§ 21 II 1 Nr. 3, 88, 129 ff. InsO) keine über das Insolvenzverfahren hinausgehende Vorwirkung entfaltet. Dann droht vielmehr eine Ungleichbehandlung dergestalt, dass der Schuldner in Abweichung von dem Prioritätsprinzip selbst entscheiden kann, welchen Gläubiger er befriedigt, um dabei einem anderen Gläubiger das Vorrecht zu nehmen.657 Die Gläubiger werden in dieser Ausgangsposition der Prämierung des aufmerksamen Gläubigers gleich behandelt.658 Dass damit bei der individualistischen Arrestpfändung ein Wettlauf der Gläubiger verbunden sein kann (§§ 930 I 2, 804 III ZPO), ist eine bewusste gesetzgeberische Wertung.659 Denn dient die Zwangsvollstreckung funktional der Substitution der Schuldnerhandlung zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung,660 muss die staatliche Zwangsverfügung im Gleichlauf mit einer privatautonomen Verfügung prioritär wirken.661 Zutreffend betont Schilken, dass sich die Anwendung und Auslegung des § 917 I ZPO selbst ohnehin an den klassischen Auslegungsmethoden zu orientieren hat und nicht das wünschenswerte Ergebnis eines Für und Wider der Gläubigergleichbehandlung im Spannungsfeld mit insolvenzrechtlichen Regelungen sein darf.662 Die h. M. „überfrachtet“ das Arrestverfahren mit insolvenzrechtlichen Überlegungen.663 Bereits § 21 II 1 Nr. 3 InsO dient dazu, die Wirkung des Vollstreckungsverbots des § 89 InsO in das Eröffnungsverfahren vorzuziehen.664 Dort unterliegt aber die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen dem Ermessen des Insolvenzgerichts. Die Annahme einer Vorwirkung geht damit nicht nur über den zeitlichen Anwendungsbereich des § 21 InsO hinaus, sie käme auch einer „Ermessensreduktion auf null“ gleich.665 Eine weitergehende Vorwirkung, als sie auch das insolvenzrechtliche Anfechtungsrecht nur nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässt, darf deshalb nicht in die §§ 917 ff.

656 Hoffmann (2016) 120 ff.; Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Hartlein, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung (2016) § 917 ZPO Rn. 9; Schuschke/Walker/Walker ZPO (2016) § 917 Rn. 8; Wieczorek/Schütze/Thümmel (2014) ZPO § 917 Rn. 17; Stein/Jonas/Grunsky (2002) ZPO § 917 Rn. 11; Grunsky, NJW 1976, 553 [553] (zugleich Anm. zu LG Augsburg NJW 1975, 2350). Vgl. ferner zum Ganzen, Berger, ZZP 121 (2008) 407 [410 ff.]. 657 Vgl. Hoefler (1991) S. 85. 658 Stamm (2007) S. 174. 659 Vgl. Foerste, ZZP 106 (1993) 143 [146 f.]; Schuschke/Walker/Walker ZPO (2016) § 917 Rn. 8. Vgl. ferner Hoffmann (2016) 122. 660 Eingängig dazu, Stamm (2007) S. 150 und 172 ff. 661 Berger, ZZP 121 (2008) 407 [411]. 662 Schilken, in: FS Leipold (2009) 159 [163]. 663 Wieczorek/Schütze/Thümmel (2014) ZPO § 917 Rn. 17. 664 Uhlenbruck/Vallender (2015) InsO § 21 Rn. 26a. 665 Berger, ZZP 121 (2008) 407 [423].

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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ZPO hineingelesen werden. Systematische Einwände sind deshalb vielmehr allenfalls im Recht der Einzelvollstreckung zu suchen. Insofern zieht Foerste aus der Norm des § 710 ZPO zwar den vorsichtigen Schluss, ein dinglicher Arrest sei bei der Gefahr späterer Vermögenslosigkeit des Schuldners deshalb nicht möglich, weil der Gesetzgeber auf jene Gefahr mit dem besonderen Schutz einer Ausnahme von der vorläufigen Vollstreckbarkeit nur gegen Sicherheitsleistung reagiert habe. Weil § 710 ZPO diesen besonderen Schutz für nötig halte, sei ein Arrest nicht ausreichend und dies impliziere, dass der Arrest bereits nicht möglich sei.666 Warum aber die tatsächliche Gewährung weitergehenden Schutzes auch der Gewährung weniger einschneidender Schutzmaßnahmen entgegenstehen soll, ist unklar. Das Gegenteil ist der Fall. (d) Drohende Zahlungsunfähigkeit als Arrestgrund nach § 917 I ZPO Die Sichtweise der h. M. lässt dabei zudem die nötige Unterscheidung zwischen drohender Insolvenz einerseits und der bloßen Gläubigerkonkurrenz andererseits vermissen. Bei letzterer scheint tatsächlich immerhin wegen des Ausnahmecharakters des Arrestverfahrens gegenüber dem regulären Vollstreckungszugriff Zurückhaltung geboten, um eine Illiquidität des Schuldners nicht erst künstlich herbeizuführen,667 wie es die h. M. befürchtet.668 Dort verfängt das Argument, dass die Gewährung des Prioritätsprivilegs basierend auf einer summarischen Prüfung des Anspruchs nicht gerechtfertigt erscheint, weil die bloße Gläubigerkonkurrenz weniger die Ausnahme als die Regel sein kann und eine Gefährdung der konkreten Leistungspflicht noch nicht zu besorgen ist.669 Allerdings geht die drohende Insolvenz darüber hinaus, wenn dabei bereits das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes i. S. d. §§ 16 ff. InsO prognostiziert wird, deren drohender Eintritt damit Voraussetzung des Arrestgrunds wird und nicht bloße Folge dessen. Dieses Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung wird bei dem Argument umgekehrt, es komme zwangsläufig zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Annahme einer nach dem Wortlaut der Norm geforderten wesentlichen Erschwerung der Vollstreckung ohne Verhängung des Arrests liegt bei drohender Insolvenz dagegen auf der Hand.670 Das

666

Foerste, ZZP 106 (1993) 143 [149 f.] Kindl/Meller-Hannich/Wolf/Hartlein, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung (2016) § 917 ZPO Rn. 9; Mertins, JuS 2008, 692 [692]. Zurückhaltend Musielak/Voit/M. Huber (2018) ZPO § 917 Rn. 4, wonach „jedenfalls Arrestgesuche von Gläubigern «wegen drohender Gläubigerkonkurrenz» ohnehin unzulässig“ seien; a. A. Hoefler (1991) S. 129 ff. der sich gegen eine einschränkende Auslegung wehrt. 668 BGH Urt. v. 19.10.1995, IX ZR 82/94 = BGHZ 131, 95 [105]; Buciek, NJW 1987, 1063 [1064]; ausführlich Foerste, ZZP 106 (1993) 143 [149 ff.]. 669 Vgl. Schilken, in: FS Leipold (2009) 159 [172]. 670 BGH Urt. v. 19.10.1995, IX ZR 82/94 = BGHZ 131, 95 [105] gelangt deshalb zu dem Ergebnis, der Wortlaut erlaube beide Auslegungsmöglichkeiten. 667

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Gesetz unterscheidet nicht danach, worauf die Verschlechterung beruht.671 Dementsprechend merkt auch der erkennende Senat in der in diesem Zusammenhang häufig zitierten Entscheidung des BGH zwar an, dass eine „schlechte Vermögenslage des Schuldners […] – ebenso wie die drohende Konkurrenz anderer Gläubiger – für sich allein kein Arrestgrund“

sei, allerdings zieht der BGH direkt im Anschluss den Kreis der möglichen Arrestgründe weiter, wenn er ausführt, es sei „mindestens erforderlich, dass eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse droht.“672

Damit deutet auch der BGH an, dass zwar allein die drohende Konkurrenz weiterer Gläubiger keinen Arrestgrund darstellt, die drohende Insolvenz wird dabei jedoch nicht ausgeklammert. Im Gegenteil bleibt dort Raum für § 917 ZPO. Die Materialien zu den wortgleichen Vorläufernormen des heutigen § 917 ZPO sind dagegen – unabhängig von ihrer Aussagekraft angesichts möglicher nachfolgender Rechtsentwicklungen673 – trotz der häufig propagierten ablehnenden Haltung wenig aufschlussreich.674 Insofern lässt sich der Entwurfsbegründung zu dem späteren § 796 CPO (= 917 ZPO) allein entnehmen: „Der Entwurf hat es in Übereinstimmung mit der Prozessordn. v. Bayern Art. 611, dem preuß. Entw. 799 und dem nordd. Entw. § 692 vermieden, die im § 792 Abs. 1 aufgestellten Voraussetzungen des dinglichen Arrests durch Beifügung von Beispielen (vgl. Hannover § 508, Württemberg Art. 821, 822, hannov. Entw. §§ 519, 520) zu spezialisieren, um der freien Beurtheilung [sic] des Gerichts keine Fesseln anzulegen.“675

Somit sah der historische Gesetzgeber ausdrücklich kein Bedürfnis weitergehender Einschränkungen. Die Beurteilung über das Vorliegen einer entsprechenden Vollstreckungsgefährdung sollte vielmehr allein den Gerichten anheimfallen. Insgesamt führt allein der Umstand, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nachträglich Unwirksamkeit der durch Arrestvollzug erlangten Sicherheit eintritt, nicht dazu, dass eine Maßnahme einstweiligen Rechtschutzes gegen den Schuldner nicht ergehen könnte. Dafür sprechen auch praktische Bedürfnisse. Schließlich kann zum einen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens 671

Schuschke/Walker/Walker ZPO (2016) § 917 Rn. 8. BGH Urt. v. 1.3.2007, IX ZR 261/03 = NJW 2007, 2485 [2487]; Bestätigung von BGHZ 131, 95 [105 f.] für den Fall der bloßen Vermögensumschichtung; ebenso allein für den Fall drohender Gläubigerkonkurrenz, OLG Bamberg WM 2013, 649 Rn. 59. 673 Schilken, in: FS Leipold (2009) S. 159 [164]. 674 Schilken, in: FS Leipold (2009) S. 159 [166 f.]; Foerste, ZZP 106 (1993) 143 [145]; vgl. aber RG Urt. v. 25.2.1881, II 428/80 = RGZ 3, 416 ff.; BGH Urt. v. 1.3.2007, IX ZR 261/03 = NJW 2007, 2485 [2487]; BGH JR 1996, 499 [505] m. Anm Walker; Buciek, NJW 1987, 1063 [1064]. 675 Hahn/Stegemann, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 2 Abt. 1, S. 471 [Herv. d. Verf.]. 672

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nicht mit hinreichender Sicherheit feststehen. Zum anderen kann es sein, dass die Eröffnung nach § 26 InsO mangels Masse abgelehnt wird, sodass dem Gläubiger die Sicherungsmöglichkeit der §§ 916 ff. ZPO nicht vorenthalten werden darf. Erst nach tatsächlicher Eröffnung des Insolvenzverfahrens scheitert ein Arrest dann an § 89 I InsO, da dieser nicht mehr vollzogen werden kann.676 Daneben bleiben in der Krise §§ 88 und 129 ff. InsO zu berücksichtigen. Schließlich kommen als anfechtbare Rechtshandlungen auch Zwangsvollstreckungen und Arrestvollziehungen in Betracht.677 b) Ablehnung contra legem gewonnener vorgreiflicher Sperrwirkungen des Insolvenzrechts Bevor geklärt wird, inwiefern eine drohende Insolvenz die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit erfüllen kann, müssen die von einer vorgreiflichen Sperrwirkung des Insolvenzrechts getragenen Bedenken beseitigt werden. Dabei hat bereits der vorstehende Exkurs zum prozessualen Umfeld des antizipierten Vertragsbruchs wegen drohender Insolvenz gezeigt, dass bei einer inflationären Beschränkung von Gläubigerrechten im Vorfeld der Insolvenz außerhalb der gesetzlichen Anordnungen678 Zurückhaltung geboten ist. Weder lässt sich die Möglichkeit einer Klage auf künftige Leistung nach § 259 ZPO mit dem Argument verneinen, bei einer drohenden Insolvenz würde es sich lediglich um ein allgemeines Risiko handeln,679 noch können allgemeine, nicht näher konkretisierte Erwägungen zur Gläubigergleichbehandlung über § 88 InsO hinausgehende Beschränkungen eines Sicherungsarrests bzw. einer einstweiligen Verfügung rechtfertigen, bloß weil damit ein Gläubigerwettlauf provoziert werden könnte.680 Außerhalb der gesetzlich angeordneten Vorwirkungen bleibt es auf prozessualer Ebene vielmehr dabei, dass die Gläubiger insofern gleich behandelt werden, als sämtliche Vertragspartner aufgrund des Prioritätsprinzips gleichermaßen die Chance auf Prämierung des aufmerksamen Gläubigers erhalten.681 Im Folgenden wird zu zeigen 676 Stein/Jonas/Grunsky (2002) ZPO § 917 Rn. 11; krit. zu § 89 InsO Berger, ZZP 121 (2008) 407 [417 ff.]. 677 Uhlenbruck/Hirte/Ede (2015) InsO § 129 Rn. 344. 678 Freilich bleiben im Vorfeld der Insolvenz die §§ 129 ff. InsO zu berücksichtigen. Auch unter Zugrundelegung des weiten Verständnisses einer „Rechtshandlung“ i. S. d. § 129 InsO hindert eine insolvenzrechtliche Anfechtung ex post indessen von vornherein nicht die Vertragsumsteuerung des Gläubigers: schließlich verschafft diese zum einen keine Deckung i. S. d. §§ 130, 131 InsO und stellt zum anderen keine Rechtshandlung des Schuldners i. S. d. §§ 132, 133 oder 134 InsO dar. 679 Vgl. dazu die Ausführungen zur Klage auf künftige Leistung wegen drohender Zahlungsunfähigkeit, Kap. 4 IV. 3. a) cc) (1). 680 Vgl. dazu die Ausführungen zur Ablehnung der Vorwirkung insolvenzrechtlicher Wertungen bei Sicherungsarrest und einstweiliger Verfügung, Kap. 4 IV. 3. a) cc) (2). 681 Stamm (2007) S. 174.

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sein, dass insolvenzrechtliche Überlegungen ebenso wenig die schuldrechtlichen Regelungen aus § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG „überfrachten“ dürfen,682 sondern vielmehr der Erkenntnis zu weichen haben, dass deren Ausübung ein prinzipieller Vorrang des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht im Wege steht.683 aa) Keine Sperrwirkung wegen Umgehung des Verwalterwahlrechts aus § 103 InsO bei „solvenzbedingten Zweifeln“ nach § 112 InsO analog Die Diskussion um die Zulässigkeit einer Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz ist geprägt von der Besorgnis der Umgehung oder Aushöhlung des sich aus § 103 InsO ergebenden Verwalterwahlrechts.684 Nachdem § 103 InsO bei Anwendbarkeit deutschen Insolvenzrechts ebenso auf CISG-Verträge Anwendung findet,685 spielt es für Anhänger dieser Auffassung selbst unter Berücksichtigung des völkervertraglichen Charakters der Konvention keine Rolle, ob sich das Aufhebungsrecht aus § 323 IV BGB oder Art. 72 CISG ergibt. Schließlich seien auch die insofern einschlägigen Normen des CISG zwangsläufig in den Kontext der jeweiligen nationalen Rechtsordnung einzuordnen.686 Dass ein Gläubiger bis zur Ausübung des Wahlrechts mit der daraus resultierenden Ungewissheit belastet wird, sei deshalb als in § 103 InsO zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Entscheidung zu respektieren.687 Gepaart mit der Überlegung einer Umgehung des Verwalterwahlrechts wird in diesem Zusammenhang letztlich der par conditio creditorum-Grundsatz bemüht, um eine Vorwirkung aus § 103 InsO abzuleiten, wonach bei an der Insolvenz anknüpfenden Zweifeln an der Leistungsfähigkeit die Berufung auf § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG wegen der offensichtlich bevorstehenden Störung der Vertragsäquivalenz gesperrt bleibe.688 In der Tat führt die Gewährung eines Vertragsumsteuerungsrechts im Ergebnis dazu, dass ein Insolvenzverwalter nicht mehr die Möglichkeit hat, nach 682

Vgl. oben Wieczorek/Schütze/Thümmel (2014) ZPO § 917 Rn. 17 zu Arrestverfahren. Vgl. auch BeckOK InsO/Madaus § 1 Rn. 32 f. Vgl. ferner bereits die kritischen Ausführungen zum par conditio creditorum-Grundsatz als Fundament des Verteilungsmodus. 684 Vgl. Mossler, ZIP 2002, 1831 [1835 ff.]; Wegener (2007) S. 114 f.; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 120; Jauernig/Stadler (2015) § 323 Rn. 15; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 36 Rn. 25 a. E.; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63; wohl auch Bärenz, NZI 2006, 72 [74]; vgl. auch Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 19. 685 Vgl. die Ausführungen zu CISG-Verträgen im Anwendungsbereich der §§ 103 ff. InsO, Kap. 3 II. 686 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1837 f.]. 687 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1836]; vgl. auch de lege ferenda, Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63; vgl. ferner Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103 – 119 Rn. 8; Wegener (2007) S. 118. 688 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1836]. 683

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§ 103 I InsO den Vertrag zu erfüllen, um den daraus resultierenden Vertragsnutzen für die Masse zu realisieren. Für die Ausübung des Verwalterwahlrechts bliebe allein bezogen auf ein etwaiges aus der Vertragsumsteuerung resultierendes Rückgewährschuldverhältnis nach § 346 bzw. Art. 81 CISG Raum, sofern bereits ein entsprechender Leistungsaustausch stattgefunden hat. Zuzugeben ist der vorstehenden Auffassung außerdem mit Blick auf rein solvenzbedingte Zweifel, dass aufgrund des Verwalterwahlrechts selbst die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unter Umständen noch keine gesicherte Aussage über die Erfüllung der konkreten Vertragspflicht zulässt.689 Allerdings wird weiter reichend selbst dann für eine Sperrung der Vertragsumsteuerung zum Schutz des Verwalterwahlrechts plädiert, wenn je nach Lage der Umstände schon vor Verfahrenseröffnung und Ausübung des Wahlrechts die Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen Vertragsverletzung so hoch ist, dass man ein Vertragsumsteuerungsrecht nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG nach dem Wortlaut des Tatbestands nicht verneinen kann.690 Die Frage ist somit, ob die gefürchtete Vorwegnahme des Verwalterwahlrechts tatsächlich einer Korrektur dergestalt bedarf, dass bei „solvenzbedingten Zweifeln“ von vornherein eine Vertragsumsteuerung zu versagen ist. Insofern müssen zwei Aspekte auseinandergehalten werden: Zum einen wird damit das Problem aufgeworfen, inwiefern eine drohende Insolvenz angesichts der Möglichkeit einer Erfüllungswahl die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG erfüllen kann. Dies ist eine von etwaigen insolvenzrechtlichen Sperrwirkungen unabhängig zu beantwortende Anschlussfrage.691 Zum anderen fragt sich, ob § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG tatsächlich generell hinter der insolvenzrechtlichen Vorschrift des § 103 InsO zurücktreten, weil der Bestand des sich daraus ergebenden Verwalterwahlrechts eines entsprechenden vorgreiflichen Schutzes bedarf. Letzteres – und allein darauf kommt es zunächst an – muss verneint werden, da eine solche Beschränkung der Gläubigerrechte im Gesetz keine Stütze findet: Wie die Befürworter der vorstehenden Auffassung selbst eingestehen müssen,692 bieten weder der Wortlaut des § 103 InsO noch der des § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG einen Anhaltspunkt für eine solche Einschränkung. Daneben lässt sich entgegen teilweise vertretener Auffassung eine solche Sperrwirkung selbst nach einem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht auf eine immerhin analoge Anwendung des § 112 InsO stützen.693 Denn unabhängig davon, dass erstens der BGH jüngst die fehlende Anwendbarkeit des 689

Vgl. auch Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138. Mossler, ZIP 2002, 1831 [1834]. 691 Vgl. dazu die Ausführungen bei der offensichtlich drohenden Insolvenz als sonstige Leistungsgefährdung auf S. 331 ff. 692 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1834]. 693 So etwa MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142 dort Fn. 262; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63; wohl auch Mossler, ZIP 2002, 1831 [1835]. 690

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§ 112 InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens klargestellt hat694 und zweitens – dies gibt gerade bei einem antizipierten Vertragsbruch Anlass zu Zweifeln – Streit um die Überlassung des Vertragsgegenstands an den Schuldner als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 112 InsO herrscht,695 reicht die Einschränkung des § 112 InsO von Gläubigerrechten in der Insolvenz nicht so weit, als dass sie auch die (drohende) Störung eines Austauschverhältnisses überwinden könnte. Zwar verfolgt § 112 InsO den Zweck, dass die wirtschaftliche Einheit im Besitz des Schuldners nicht zur Unzeit auseinandergerissen werden darf, um gemietete oder gepachtete Gegenstände, die etwa für die Fortführung des Unternehmens erforderlich sein können, nicht auf Grund von Zahlungsrückständen des Schuldners zu entziehen.696 Allerdings können – worauf bereits im Zusammenhang mit Rücktrittsrechten im eröffneten Verfahren hingewiesen wurde697 – die sich aus § 112 InsO ergebenden Einschränkungen für die Kündigung eines fortbestehenden Dauerschuldverhältnisses nicht einfach auf sämtliche Schuldverhältnisse übertragen werden.698 Diese Beschränkung ist nur dort gerechtfertigt, wo für die Zukunft aufgrund der Anordnung des Fortbestehens des Dauerschuldverhältnisses die Erbringung der Gegenleistung für die sich ständig aktualisierenden Leistungspflichten gesichert ist, §§ 108 ff. und 55 I Nr. 2 Var. 2 InsO. Ist dagegen die hinreichende Anspruchsgefährdung nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG offensichtlich, kann auch § 112 InsO dem Gläubiger keine insolvenzrechtliche oder durch Sanierungsgedanken motivierte Duldungspflicht auferlegen.699 Schließlich schränkt § 112 Nr. 1 InsO nur wegen eines bereits vor Verfahrenseröffnung eingetretenen Zahlungsrückstands die Gläubigerrechte ein und hindert auch § 112 Nr. 2 InsO damit nur

694 In BGH NZI 2015, 809 [811] wurde darauf hingewiesen, dass die Kündigungssperre des § 112 InsO nach einer Enthaftungserklärung gem. § 109 I 2 InsO und damit außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht mehr gilt, sodass der Vermieter eine Kündigung nach § 543 II 1 Nr. 3 lit. b BGB auch auf vor Insolvenzantragstellung aufgelaufene Rückstände mit der Mietzahlung stützen kann. 695 Dafür Dahl, NZM 2008, 585 [591]; Marotzke, in: FS Zöllner (1998) S. 1193 [1195 ff.] Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 112 Rn. 20 ff. Dagegen BeckOK InsO/Berberich § 112 Rn. 12; Braun/Kroth (2017) InsO § 112 Rn. 4; K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 112 Rn. 7; MüKoInsO/Eckert (2013) § 112 Rn. 11 ff.; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 112 Rn. 5. 696 Vgl. zu § 126 InsO-E, BT-Drucks. 12/2443, 148; vgl. ferner BGH NZI 2015, 809 [811]; Marotzke, in: FS Zöllner (1998) S. 1193 [1193 f.]. 697 Vgl. die Ausführungen zum Bestehen gesetzlicher Rücktrittsrechte nach feststehender Nichterfüllung, Kap. 3 I. 3. b). 698 Zu Besonderheiten von Dauerschuldverhältnissen, vgl. Grigoleit, in: FS Lorenz (2014) S. 795 [796 ff.]; Meier, ZfPW 2016, 233 [245 ff.]; Mülbert, in. FS H.P. Westermann (2008) S. 491 [493 ff.]. 699 Vgl. Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [18].

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isoliert an der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse anknüpfende Lösungsrechte.700 Neben den Bedenken gegen eine entsprechende Heranziehung des § 112 InsO lassen letztlich auch teleologische Erwägungen zu § 103 InsO nicht den Schluss zu, dass eine Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz nach § 323 IV BGB oder Art. 72 CISG schlechterdings zu versagen wäre. Eine Erfüllung des Vertrags nach § 103 I InsO bezweckt allein, den sich aus § 320 BGB ergebenden Einwand des Vertragspartners zu überwinden, der sich aus der im Übrigen nur haftungsrechtlich wirkenden Verweisung auf die Teilnahme am Insolvenzverfahren im status quo der Verfahrenseröffnung ergibt.701 Da sich die Erfüllungsoption des Verwalters auf diesen Zweck beschränkt und daher nicht zu weiterreichenden Konsequenzen als der haftungsrechtlichen Zuordnung der Gegenforderung als Masseverbindlichkeit führt,702 hat der Verwalter insbesondere den Vertrag so hinzunehmen, wie er ihn bei Verfahrenseröffnung vorfindet.703 Abgesehen davon, dass damit auch die Erfüllungsablehnung keine besondere „Rechtsausübung“ seitens des Verwalters beschreibt, sondern nur mit deklaratorischer Wirkung die Ungewissheit über das Wahlverhalten im negativen Sinne klärt,704 verselbstständigt sich somit auch das Erfüllungswahlrecht nicht zu einer schützenswerten Rechtsposition, die eine Vertragsumsteuerung bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen hindern würde. Das potenzielle Erfüllungswahlrecht aus § 103 I InsO hindert deshalb vor Verfahrenseröffnung eine Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz ebenso wenig, wie ein Rücktritt oder eine Vertragsaufhebung im eröffneten Verfahren hinter insolvenzrechtlichen Befugnissen des Verwalters zurücktreten.705 bb) Keine Sperrwirkung aufgrund analoger Anwendung des § 119 InsO Die von einer Umgehung des Verwalterwahlrechts getragenen Bedenken werfen die Frage auf, inwiefern sich nicht doch aus § 119 InsO (analog) eine Un-

700 Dementsprechend schmal ist auch der praktische Anwendungsbereich von § 112 Nr. 2 InsO, vgl. nur Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 112 Rn. 13; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 112 Rn. 18. 701 Vgl. dazu bereits die Ausführungen zur Kritik an der Suspensivtheorie sowie zu dem Fundamentaldissens um den § 103 InsO zugrundeliegenden Normzweck, Kap. 3 I. 3. a). 702 Vgl. dazu die Ausführungen zu Grenzen der haftungsrechtlichen Wirkung der Erfüllungswahl, Kap. 3 I. 3. a) bb) (2). 703 Vgl. nur zuletzt Vgl. zuletzt BGH NZI 2017, 60 [61]. 704 BGH NZI 2016, 128 [129]; BGH NZI 2013, 296 [296]; BGH NZI 2003, 491 [494]; Bärenz, NZI 2006, 72 [74]; Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 484; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 46; zu § 17 KO vgl. bereits Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 86. 705 Vgl. dazu bereits die Ausführungen zum Bestehen von Rücktrittsrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren infolge der Kritik an der Suspensivtheorie, Kap. 3 I. 3. b).

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zulässigkeit der Abstandnahme vom Vertrag bei einem antizipierten Vertragsbruch wegen drohender Insolvenz ergibt. Schließlich sind danach Vereinbarungen unwirksam, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird. Zweck der Regelung ist damit gerade die Klarstellung, dass insbesondere die Vorschriften über das Wahlrecht des Insolvenzverwalters bei gegenseitigen Verträgen zwingendes Recht enthalten, das mithin nicht durch vertragliche Vereinbarungen der Parteien umgangen werden kann.706 Damit bezieht sich die Regelung zwar unmittelbar nicht auf gesetzliche, sondern lediglich vertraglich vereinbarte Lösungsrechte,707 sodass der bereits unter Geltung der KO708 geführte Streit um die Wirksamkeit von Lösungsklauseln auf den Insolvenzfall durch die Frage der Reichweite des § 119 InsO fortgeführt wird.709 Allerdings stellt sich der BGH in einer Entscheidung vom 14.9.2017 im Zusammenhang mit einer nur vermeintlich wirksamen Kündigung einzelner Werklieferungsverträge aus wichtigem Grund (jetzt § 648a BGB) nicht nur auf den Standpunkt, dass eine Abstandnahme des Vertragspartners von dem Vertrag vor Wahlrechtsausübung verhindert werden müsse, um einem „Unterlaufen“ des § 103 InsO entgegen zu steuern. Aufhorchen lässt insofern zudem, dass sich der BGH dabei trotz der Diskussion eines gesetzlichen Aufhebungsrechts ergänzend auf § 119 InsO stützt, um das Vorliegen eines zur Kündigung berechtigenden wichtigen Grundes allein wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verneinen:710 „Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus § 103 InsO kann durch eine Kündigung aus wichtigem Grund nicht unterlaufen werden. Das gilt sowohl in zeitlicher als auch in persönlicher Hinsicht. Die Insolvenzordnung räumt dem Verwalter die Möglichkeit ein, sich unverzüglich – also innerhalb angemessener, den Interessen beider Vertragsparteien Rechnung tragender Frist – für oder gegen eine Erfüllung vor der Eröffnung geschlossener und beidseitig nicht vollständig erfüllter Verträge zu entscheiden. […] Diese Rechte des Verwalters hält die Insolvenzordnung für so bedeutend, dass sie im Voraus nicht ausgeschlossen oder eingeschränkt werden dürfen (§ 119 InsO). Dann können sie aber auch nicht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Begründung einer Kündigung aus wichtigem Grund

706

BT-Drucks. 12/2443, 152. Vgl. Ferner Knof, DB 2013, 1769 [1771 f.]. BeckOK InsO/Berberich § 119 Rn. 4 f.; Braun/Kroth (2017) InsO § 119 Rn. 5; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 119 Rn. 5. 708 Vgl. nur BGH Urt. v. 26.9.1985, VII ZR 19/85 = BGHZ 96, 34 [36 f.]. 709 Eine einheitliche Linie der Senate des BGH insofern noch nicht erkennbar, vgl. zu diesem Befund nur, FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 119. Vgl. die Entscheidungen des IX. Senats in NZI 2013, 178 und des II. Senats in NZI 2014, 25 einerseits und die Entscheidung des VII. Senats in NZI 2016, 532 andererseits. Zum Ganzen statt vieler Piekenbrock, ZIP 2018, 1 [1 f.]; monographisch Wöllner (2009) passim. 710 Aufgrund der Verneinung eines wichtigen Grundes gestattete der BGH dem Auftragnehmer daher den in § 649 S. 2 BGB a. F. (nun § 648 S. 2 BGB) geregelten Anspruch auf anteilige Vergütung, BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [111 f.]. 707

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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wegen einer typischerweise mit ihnen verbundenen Gefährdung des Vertragszwecks herangezogen werden.“711

Auf den ersten Blick weist das Urteil damit in eine Richtung, die dem Verwalterwahlrecht per se einen Schutz vor dessen Unterlaufen zubilligt. Diese in § 119 InsO zum Ausdruck kommende Erwägung der Verhinderung einer Umgehung des § 103 InsO im Voraus soll auch bei gesetzlichen Aufhebungsrechten – in casu also bei der Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes – zu berücksichtigen sein. Nachdem eine solche Umgehung im Voraus auch bei der Ausübung der sich aus § 323 IV BGB oder Art. 72 CISG ergebenden Rechte droht, fragt sich somit, inwiefern § 119 InsO deren Ausübung entgegensteht. Auch eine solche Sperrung von § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG ist abzulehnen. Dabei muss nämlich berücksichtigt werden, dass die sich daraus ergebenden Rechte auf eine – wenn auch nur drohende – konkrete Störung des Äquivalenzverhältnisses beziehen. Damit unterscheiden sich § 323 IV BGB und Art. 72 CISG von hiervon losgelösten Auflösungsrechten. Allein letztere werden durch § 119 InsO gesperrt. Hierfür lassen sich auch Ausführungen des BGH zur (Un-)Zulässigkeit vertraglicher Lösungsklauseln fruchtbar machen. Während nämlich der für das Insolvenzrecht zuständige Senat sog. insolvenzabhängige Klauseln, die insbesondere allein an die Zahlungseinstellung, den Insolvenzantrag oder die Insolvenzeröffnung anknüpfen, für unwirksam erachtet, stellt er zu sog. insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln klar: „Im Unterschied dazu [zu insolvenzabhängigen Klauseln] knüpfen insolvenzunabhängige Lösungsklauseln an nicht insolvenzspezifische Umstände an, etwa an den Verzug oder an sonstige Vertragsverletzungen. Solche insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln sind nicht auf das Ziel ausgerichtet, die Wahlmöglichkeiten des Insolvenzverwalters nach § 103 InsO auszuhöhlen, so dass § 119 InsO – mit Ausnahme der Kündigungssperre des § 112 InsO – nicht berührt ist.“712

711 BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [114] [Herv. d. Verf.]. Abweichend wurde in BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 ein wichtiger Grund bei Eigenantrag durch VII. Senat bejaht. Dies betraf einen Vertrag der vor dem Eigenantrag geschlossen wurde. Nach BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 sei diese Rspr. jedoch nicht auf solche Verträge übertragbar, die erst nach Insolvenzantrag und in Kenntnis dessen geschlossen wurden. Vgl. bereits die Ausführungen zu den Folgen der Suspensivtheorie auf gesetzliche Rücktrittsrechte des Vertragspartners und die Abgrenzung zu sonstigen Lösungsrechten, Kap. 3 I. 2. c). 712 BGH Urt. v. 15.11.2012, IX ZR 169/11 = NZI 2013, 178 [178] [Herv. d. Verf.]. Vgl. zum Begriff insolvenz(un)abhängiger Lösungsklauseln statt vieler, Knof, DB 2013, 1769 [1769 f.] (zugleich Besprechung des vorstehenden Urteils).

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Somit entfaltet § 119 InsO zwar tatsächlich insofern „Vorwirkung“ als die Ausübung von den sich aus einer insolvenzabhängigen Lösungsklausel ergebenden Rechten bereits im Vorfeld der Verfahrenseröffnung gesperrt wird.713 Da jedoch vergleichbar mit insolvenzunabhängigen Lösungsklauseln weder § 323 IV BGB noch Art. 72 CISG einen allgemeinen Schutz vor Vermögensverschlechterung des Schuldners bieten,714 sondern aufbauend auf der prognostizierten Störung des Synallagmas ein gesetzliches Recht zur Vertragsumsteuerung gewähren, hindert § 119 InsO deren Ausübung nicht.715 Entscheidend gegen eine Erstreckung des § 119 InsO auf § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG spricht schließlich auch eine historische Auslegung des in § 119 InsO normierten Umgehungsverbots. So enthielt § 137 InsO-E als Entwurfsvorschrift des späteren § 119 InsO noch zwei weitere klarstellende Absätze, die sich einerseits mit lediglich an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. der Vermögensverschlechterung anknüpfenden Vereinbarungen und andererseits mit an den Verzug oder andere Vertragsverletzung anknüpfenden Vereinbarungen befassten. Während erstere unwirksam waren bzw. lediglich an der Vermögensverschlechterung anknüpfende Lösungsrechte nach Verfahrenseröffnung nicht mehr ausgeübt werden konnten, § 137 II InsO-E,716 sollte mit Blick auf letztere klargestellt werden, dass die Wirksamkeit von an den Verzug oder an anderen Vertragsverletzung anknüpfenden Auflösungsrechten nicht in Frage gestellt werde, § 137 III InsO-E717. Zwar wurden beide Absätze alsbald infolge der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses gestrichen, sodass lediglich der geltende § 119 InsO verblieb.718 Allerdings muss insofern berücksichtigt werden, dass allein die Streichung der insolvenzabhängige Lösungsklauseln betreffenden Norm auch Raum für Streitigkeiten belässt. So sollten nach Auffassung des Rechtsausschusses die

713

Vgl. Knof, DB 2013, 1769 [1771]. Krit. Jacoby, ZIP 2014, 649 [652 f.]; vgl. ferner Thole, ZNER 2013, 465 [467], der insofern von einer „verkappten Anfechtungsregelung“ spricht. 714 Vgl. zu § 323 IV BGB nur Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138. 715 Vgl. dazu ferner von Wilmowsky, JZ 2013, 998 (= Bespr. von BGH Urt. v. 15.11.2012, IX ZR 169/11 = NZI 2013, 178). 716 „Vereinbarungen, die für den Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Auflösung eines gegenseitigen Vertrags vorsehen oder der anderen Partei das Recht geben, sich einseitig vom Vertrag zu lösen, sind unwirksam. Ist in einem gegenseitigen Vertrag vereinbart, daß bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse einer Vertragspartei die andere das Recht hat, sich einseitig vom Vertrag zu lösen, so kann dieses Recht nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ausgeübt werden.“ BT-Drucks. 12/2443, 30. 717 „Die Wirksamkeit von Vereinbarungen, die an den Verzug oder an andere Vertragsverletzungen anknüpfen, wird durch die Absätze 1 und 2 nicht berührt.“ BT-Drucks. 12/2443, 30. 718 BT-Drucks. 12/7302, 49.

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„dort erfaßten vertraglichen Vereinbarungen über die Auflösung eines gegenseitigen Vertrages im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse einer Vertragspartei […] durch die Insolvenzordnung nicht in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt werden. Daß derartige Vereinbarungen mittelbar das Wahlrecht des Insolvenzverwalters einschränken, ist kein ausreichender Grund für einen schwerwiegenden Eingriff in die Vertragsfreiheit.“719

Zwar hindert diese gesetzgeberische Einschätzung bis heute weder das Schrifttum noch die Rspr. daran, an der Wirksamkeit solcher Lösungsklauseln zu zweifeln, weil unklar geblieben ist, ob die Regelung deklaratorische oder konstitutive Wirkung gehabt hätte.720 Anders verhält es sich jedoch mit der Streichung von derjenigen Norm, die eine klarstellende Aussage hinsichtlich der von der Insolvenz unabhängigen Lösungsklauseln zum Gegenstand hatte. So wurde § 137 III InsO-E gestrichen, weil eine solche Klarstellung jedenfalls nach Streichung von § 137 II InsO-E entbehrlich wurde. Denn die „Wirksamkeit von Vereinbarungen, die an den Verzug oder an andere Vertragsverletzungen anknüpfen, ergibt sich auch ohne eine ausdrückliche Regelung.“721

Da somit die Wirksamkeit von Vereinbarungen von an den Verzug oder an andere Vertragsverletzung anknüpfenden Lösungsrechten nie zur Debatte stand, bleiben von § 119 InsO erst recht sämtliche gesetzliche Gläubigerrechte unberührt, die selbst im Umfeld einer Insolvenz an entsprechende Umstände anknüpfen. Dementsprechend ist die Vereinbarkeit des an die objektiven Verzugsvoraussetzungen anknüpfenden § 323 BGB mit § 119 InsO unbestritten, auch wenn damit Verwertungsmöglichkeiten des Verwalters faktisch eingeschränkt werden.722 Selbst der insolvenzabhängigen Lösungsklauseln mit Skepsis begegnende IX. Senat des BGH hat schließlich klargestellt, dass eine § 103 719

BT-Drucks. 12/7302, 170. Damit sollte dem nachdrücklich vertretenen Anliegen der Wirtschaftsverbände Rechnung getragen werden, welche die Vorschrift für sanierungsfeindlich hielten, da potentielle Vertragspartner das Risiko der Vertragsbindung im Falle der drohenden Insolvenz nicht eingehen würden, sofern eine solche Lösungsklausel nicht wirksam vereinbart werden könnte. Zur Ambivalenz dieses Arguments, vgl. Adam, DZWIR 2005, 1 [4]; Thole, ZNER 2013, 465 [466]. 720 Uhlenbruck/Sinz (2015) InsO § 119 Rn. 10. Zum Meinungsstand vgl. nur die zahlreichen Nachweise bei BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = BeckRS 2016, 08553 [dort Rn. 19 und 21]. 721 BT-Drucks. 12/7302, 170. 722 Burkhard (2007) S. 91; M. Huber, NZI 2016, 525 [526]; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 119 Rn. 2; BeckOK InsO/Berberich § 119 Rn. 5; Braun/Kroth (2017) InsO § 119 Rn. 5; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 119 Rn. 4; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 109 Rn. 18; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 119 Rn. 2; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 119 Rn. 5; Uhlenbruck/Sinz (2015) InsO § 119 Rn. 11. Vgl. ferner zur Vereinbarkeit insolvenzabhängiger Lösungsklauseln mit § 308 Nr. 3 BGB unter Rekurs auf § 323 IV BGB, Lenger/Schmitz, NZI 2015, 396 [398 f.]. Zweifelnd lediglich Mossler, ZIP 2002, 1831 [1835].

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InsO de facto im Voraus ausschließende insolvenzunabhängige Lösungsklausel nicht nach § 119 InsO unwirksam ist, „wenn die Vereinbarung einer gesetzlich vorgesehenen Lösungsmöglichkeit entspricht.“723 Das bedeutet auch für § 323 IV BGB, dass ein Rücktritt bei Vorliegen der Voraussetzungen der Norm wegen drohender Insolvenz vor Fälligkeit nicht an § 119 InsO scheitert.724 Trotz der Anordnung der zwingenden Geltung des Verwalterwahlrechts durch § 119 InsO als Teil des von der kollisionsrechtlichen Verweisung umfassten Regelungsprogramms gilt mithin nichts anderes bei Anwendbarkeit des Art. 72 CISG.725 cc) Keine Sperrwirkung aufgrund offensichtlichen „Durchsetzbarkeitsverlusts“ oder vorläufiger Untersagung der Zwangsvollstreckung nach § 21 II 1 Nr. 3 InsO Abschließend bedarf es noch einer Klärung der Frage, inwiefern sich aus den Folgen der Eröffnung des drohenden Insolvenzverfahrens selbst eine Sperrwirkung für Vertragsumsteuerungsrechte des Gläubigers ergibt. Auch nach der Überwindung der Erlöschenstheorie726 erscheint das Bestehen eines Vertragsumsteuerungsrechts auf dem Boden der Suspensivtheorie des BGH, wonach die Verfahrenseröffnung einen wechselseitigen Durchsetzbarkeitsverlust nach § 320 BGB bewirkt,727 zweifelhaft. Insofern muss allerdings – wie auch mit Blick auf Vertragsumsteuerungsrechte im eröffneten Verfahren – für die auf einen antizipierten Vertragsbruch gestützte Vertragsumsteuerung betont werden, dass ein mit der (drohenden) Verfahrenseröffnung verbundener Verlust der Vollstreckungsmöglichkeit nicht zum Entfallen des Aufhebungsrechts des Gläubigers führt. Zwar wird von großen Teilen des Schrifttums für das eröffnete Insolvenzverfahren behauptet, ein Rücktritt sei dort ausgeschlossen, weil unter Zugrundelegung der Suspensivtheorie des BGH mit dem „Durchsetzbarkeitsverlust“ eine wesentliche Voraussetzung des § 323 BGB entfalle.728 Dementsprechend bliebe für eine Vertragsumsteuerung nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG kein Raum, wenn sich die dort anzustellende Prognose auf eben 723

BGH NZI 2013, 178 [179]. Vgl. Baldringer, NZBau 2005, 183 [187]; M. Huber, ZIP 2013, 493 [494]; wohl auch Jacoby, ZIP 2014, 649 [656]. 725 Ausführlich zur (Un-)Wirksamkeit insolvenzbedingter Lösungsklauseln im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, Pfeiffer, in: FS Schütze (2014) S. 421 [423 ff.]. 726 BGHZ 103, 250. Vgl. dazu die Ausführungen zur Entwicklung der h. M. zu den materiellrechtlichen Konsequenzen der Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 2. 727 BGHZ 150, 353. 728 Vgl. Wöllner (2009) S. 73; Bärenz, NZI 2006, 72 [75]; Heidland, ZInsO 2011, 201 [203]; Stehle, JURA 2005, 78 [82]; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 34; FKInsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 30 a. E.; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 15 f.; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 317; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 139 ff.; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 102. 724

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jenen Zeitraum nach Verfahrenseröffnung bezieht.729 Dies würde erst recht gelten, wenn schon im Eröffnungsverfahren basierend auf der Anordnung eines vollstreckungsrechtlichen Moratoriums nach § 21 II Nr. 3 InsO ein entsprechender „Durchsetzbarkeitsverlust“ mit den sich daraus vermeintlich ergebenden Konsequenzen angenommen werden müsste. Allerdings wurde bereits ausführlich dargelegt, dass eine solche Annahme die nötige Differenzierung zwischen der prozessualen Klagbarkeit einerseits und dem Telos des materiellrechtlichen Erfordernisses der Durchsetzbarkeit im Rahmen des § 323 BGB andererseits vermissen lässt.730 Der verfahrensbedingte Vollstreckungsverlust (§ 89 InsO) hemmt lediglich die zwangsweise Ausführung des Schuldverhältnisses, begründet jedoch kein Zurückbehaltungsrecht, das dem Schuldner seine Naturalandienungsmöglichkeit berechtigterweise erhalten würde. Der Zweck des Durchsetzbarkeitserfordernisses in § 323 BGB, dem Schuldner eine schützenswerte Naturalandienungsmöglichkeit zu erhalten, wird deshalb verfehlt, wenn das Hemmnis der Vertragsausführung den durch die Insolvenz eingetretenen Defekt des Vertrags perpetuiert. Im Gegenteil wird der sachlich rechtfertigende Grund, der dem Gläubiger die Abstandnahme vom Vertrag erlaubt, dadurch nicht aufgehoben. Das bedeutet für die auf einen antizipierten Vertragsbruch gestützte Vertragsumsteuerung, deren Prognose ggf. einen Zeitraum nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zum Gegenstand hat, dass auch ein etwaiger (drohender) Verlust der Vollstreckungsmöglichkeit nicht zum Verlust des Aufhebungsrechts führt. Da der „Durchsetzbarkeitsverlust“ entsprechende Gläubigerrechte auch im eröffneten Verfahren unberührt lässt, bereitet die bevorstehende Verfahrenseröffnung mit den sich daraus ergebenden Beschränkungen der Einzelvollstreckung keine Hindernisse für § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG. dd) Fazit zur Verdrängung von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG durch das Insolvenzrecht Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die dem Vertragspartner das Recht zur Vertragsumsteuerung gewährenden Befugnisse aus § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG nicht durch etwaige vorgreifliche Sperrwirkungen des Insolvenzrechts verdrängt werden. Weder der Schutz des Verwalterwahlrechts aus § 103 InsO noch das Umgehungsverbot des § 119 InsO entfalten eine derart weitreichende Wirkung. Ebenso wenig hindert ein (drohender) Durchsetzbarkeitsverlust eine Abstandnahme des Gläubigers vom Vertrag bei sich abzeichnender Verfahrenseröffnung. Damit wurde der Weg für eine von gesetzlich nicht vorgesehenen Sperrwirkungen befreite Beurteilung des Vorliegens der

729

So Wöllner (2009) S. 205. Vgl. dazu die Ausführungen zur Zweckverfehlung des Durchsetzbarkeitserfordernisses in § 323 BGB bei der Kritik an der Suspensivtheorie, Kap. 3 I. 3. b). 730

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tatbestandlichen Voraussetzungen von § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG geebnet, bei der ein künftiges Verwalterwahlrecht allenfalls zu einer mittelbaren Beeinflussung führen kann. Da das nationale Verfahrensrecht keine Sperrwirkung entfaltet, erübrigen sich auch Überlegungen zum „Vorrang“ des CISG gegenüber dem nationalen Insolvenzrecht. Im Folgenden werden daher die Tatbestandszweige der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung einerseits und der sonstigen Leistungsgefährdung andererseits unter Berücksichtigung eines potentiellen Verwalterwahlrechts näher beleuchtet. c) Erfüllungsverweigerung bei drohender Insolvenz Die Betrachtung einer § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG unterfallenden vorzeitigen Erfüllungsverweigerung wirft die Frage auf, inwiefern die sich abzeichnende Eröffnung eines Insolvenzverfahrens überhaupt zu Besonderheiten der rechtlichen Würdigung des Erklärungsverhaltens führt. Wird hierfür nämlich zutreffend allein an dem Erklärungsverhalten angeknüpft und die erforderliche Trennung zwischen „nicht Können“ und „nicht Wollen“ durchgehalten,731 bildet allein jenes Erklärungsverhalten die maßgebliche und damit ausreichende Grundlage für die sofortige Vertragsumsteuerung. Darin kommt unabhängig von einer gegenwärtigen Abweichung der Realität von dem vertraglichen Versprechen eine vom Schuldnerwillen getragene endgültige Negation des Vertrags zum Ausdruck.732 Auf drohende insolvenzbedingte Hindernisse bei der Abwicklung des Vertrags kommt es mithin prima facie nicht an. Gleichwohl muss zum einen bei der Einschaltung eines vorläufigen Insolvenzverwalters geklärt werden, auf wessen Erklärungsverhalten es überhaupt ankommt. Zum anderen muss mit Rücksicht auf die sowohl im BGB als auch im CISG geltenden strengen Anforderungen an eine zur Vertragsumsteuerung berechtigende Erfüllungsverweigerung geklärt werden, inwiefern eine vor Verfahrenseröffnung erklärte Verweigerung endgültig sein kann, wenn die Entscheidung über die Vertragsabwicklung im Fall der Verfahrenseröffnung bei dem Insolvenzverwalter konzentriert wird. Da sich bei der rechtlichen Würdigung dieser Fragen aus der Anwendbarkeit von § 323 IV BGB einerseits und Art. 72 CISG andererseits keine nennenswerten Unterschiede ergeben, nachdem die tatbestandlichen Anforderungen dieser Normen insofern identisch sind,733 kann sich die folgende Darstellung von einer funktional rechtsvergleichenden Perspektive lösen und auf den Konflikt mit § 103 InsO konzentrieren.

731

Vgl. zu Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung, Kap. 4 IV. 1. c). Vgl. dazu bereits die Ausführungen zur Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit in CISG und BGB, Kap. 4 IV. 1. 733 Vgl. die Ausführungen zu den Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung, Kap. 4 IV. 1. c). 732

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aa) Erfüllungsverweigerung bei drohender Insolvenz – das maßgebliche Erklärungsverhalten (1) Keine Bindung durch § 103 II InsO bei Erklärungen des vorläufigen Verwalters Bevor der Frage nachgegangen werden kann, ob im Vorfeld der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens das Erklärungsverhalten des Schuldners selbst oder das eines vorläufigen Insolvenzverwalters maßgeblich ist, muss darauf hingewiesen werden, dass das Wahlrecht aus § 103 InsO mit den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen einem vorläufigen Verwalter nicht zusteht. Denn dementsprechend kann ein Gläubiger die Vertragsumsteuerung nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG dort jedenfalls nicht darauf stützen, dass bereits nach § 103 II InsO die Nichterfüllung offensichtlich sei. Schließlich entfaltet eine negative Erklärung i. S. d. § 103 II InsO durch den vorläufigen Insolvenzverwalter selbst dann keine entsprechende Bindungswirkung, wenn es sich dabei um einen starken Insolvenzverwalter handelt oder dieser mit dem späteren Insolvenzverwalter personenidentisch ist.734 Dies ergibt sich nach der zutreffenden h. M. daraus,735 dass der gesamte Auslegungskanon auf eine Anwendbarkeit des § 103 InsO erst ab Verfahrenseröffnung hindeutet: In Übereinstimmung mit dem früheren § 17 KO und der dazu ergangenen Spruchpraxis736 richtet sich der Wortlaut von § 103 InsO in beiden Absätzen allein an den Insolvenzverwalter eines eröffneten Verfahrens, indem nur diesem die Erfüllungswahl offensteht und auch nur dieser vom Vertragspartner zur Erklärung aufgefordert werden kann. Eindeutig ist der Wortlaut auch insofern, als die Vorschrift einen gegenseitigen Vertrag zwischen Insolvenzschuldner und dem anderen Teil voraussetzt, welcher „zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ von keiner Vertragspartei vollständig erfüllt ist.737 In systematischer Hinsicht macht des Weiteren die Stellung im Zweiten Abschnitt des Dritten Teils der Insolvenzordnung deutlich, dass es sich um eine Vorschrift handelt, die sich mit den Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens befasst. Dagegen wird in den §§ 21 f. InsO nicht auf § 103 InsO 734

MüKoInsO/Haarmeyer (2013) § 22 Rn. 59. Vgl. BGH Urt. v. 8.11.2007, IX ZR 53/04 = NZI 2008, 36 [37]; BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112]; Wazlawik, NZI 2018, 337 [337 dort Fn. 1]; Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [360 f.]; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 19; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 52; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 45; HK-InsO/Schröder (2017) § 22 Rn. 28; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 161; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 21; MüKoInsO/M. Huber (2013) § 103 Rn. 150; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 99. So auch OLG München NZI 2016, 488 [489] entgegen dem Leitsatz der Redaktion. 736 Vgl. zur Rechtstellung des Sequesters unter Geltung der KO, BGH Urt. v. 30.1.1986, IX ZR 79/85 = NJW 1986, 1496 [1497]. 737 BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112]. 735

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verwiesen.738 Zudem werden durch § 55 II InsO lediglich die von einem vorläufigen Verwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis begründeten Verbindlichkeiten in den Kreis der Masseverbindlichkeiten einbezogen, wohingegen eine Bindung im negativen Sinne nicht dergestalt angeordnet wird, dass ein vorläufiger Verwalter mit den sich aus § 103 II 3 InsO ergebenden Folgen zur Erklärung aufgefordert werden könnte.739 Wenig überzeugend erscheint zwar die jüngst vom BGH geäußerte teleologische Erwägung, wonach unter Rekurs auf den Masseschutz und den damit vermeintlichen Zweck des § 103 InsO „typischerweise erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschieden werden“ kann, ob das Festhalten am Vertrag der Masse nützt.740 Denn ob die bisherigen Vertragskonditionen im Fall der Eröffnung die Masse negativ belasten würden, kann je nach Lage des Falles sehr wohl bereits vor Verfahrenseröffnung prognostiziert werden. Diese Tatsache hat den BGH wohl auch dazu genötigt, selbst die Allgemeingültigkeit seiner Aussage vorsichtig („typischerweise“) zu relativieren. Allerdings spricht der Zweck des § 103 InsO deshalb für eine auf den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung beschränkte Anwendbarkeit, weil die Norm lediglich dazu dient, denjenigen Konflikt zu lösen, der sich angesichts des fortbestehenden Schutzes des funktionellen Synallagmas im eröffneten Verfahren aus dem Konflikt zwischen Äquivalenz- und Verlustprinzip ergibt.741 Ein solches Regelungsbedürfnis ergibt sich mithin erst durch die haftungsrechtliche Einordnung als Insolvenzgläubiger im status quo der Verfahrenseröffnung.742 (2) Differenzierung zwischen schwachen und starken vorläufigen Insolvenzverwaltern Da die Norm des § 103 InsO somit vor Verfahrenseröffnung keine Anwendung findet, kann eine Vertragsumsteuerung nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG nicht bereits darauf gestützt werden, dass die negative Erklärung seitens eines vorläufigen Verwalters wegen der Bindungswirkung des § 103 II InsO die Nichterfüllung offensichtlich erscheinen lässt. Das Erklärungsverhalten auf Seiten des Schuldners ist daher schlicht an den allgemeinen Anforderungen des § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG zu messen. Zeichnet sich eine Verfahrenseröffnung ab, weil bereits ein Insolvenzeröffnungsantrag nach §§ 11 ff. InsO gestellt wurde, wird dabei zunächst insbesondere die Frage aufgeworfen, an wes-

738

BGH 8.11.2007, IX ZR 53/04 = NZI 2008, 36 [37]. Marotzke (2001) Rn. 14.107 ff.; Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [361]; Uhlenbruck/Vallender (2015) InsO § 22 Rn. 54. 740 So BGH NZI 2018, 111 [112]. 741 Vgl. dazu die Ausführungen zum Fundamentaldissens um den § 103 InsO zugrundeliegenden Normzweck bei der Kritik an der Suspensivtheorie, Kap. 3 I. 3. a) bb) (1). 742 Vgl. auch Jaeger/Gerhardt (2004) InsO § 22 Rn. 46. 739

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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sen Erklärungsverhalten anzuknüpfen ist. Schließlich führt die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters gem. §§ 21 II 1 Nr. 1, 22 InsO als praktisch wichtigste Sicherungsmaßnahme dazu, dass nun neben dem Schuldner ein weiterer Akteur die Abwicklung bestehender Vertragsverhältnisse beeinflusst, dessen Erklärungsverhalten den Gegenstand einer zur Abstandnahme von dem Vertrag berechtigenden Verweigerungserklärung bilden kann. Die Entscheidung darüber, ob im Eröffnungsverfahren an das Erklärungsverhalten des Schuldners oder dasjenige des Verwalters anzuknüpfen ist, wird dabei erheblich von der Tatsache beeinflusst, ob es sich um einen mit einem allgemeinen Verfügungsverbot kombinierten „starken“ (§§ 21 II 1 Nr. 2 Var. 1, 22 I, 24 InsO) oder lediglich um einen – ggf. von etwaigen Zustimmungserfordernissen begleiteten – „schwachen“ (§§ 21 II 1 Nr. 2 Var. 2, 22 II InsO) vorläufigen Insolvenzverwalter handelt.743 Dass die Diskussion um die vorzeitige Erfüllungsverweigerung von dieser Differenzierung abhängt, hat die höchstrichterliche Rspr. in einer Entscheidung vom 15.10.2003 zutreffend angedeutet.744 Dort hatte der BGH noch unter Zugrundelegung früheren Schuldrechts darüber zu befinden, inwiefern sich in den Äußerungen eines vorläufigen Insolvenzverwalters eine endgültige Erfüllungsverweigerung erblicken lässt, die bereits vor Fälligkeit zum Rücktritt berechtigen bzw. einen Schadensersatz zu Gunsten der Gläubigerin begründen würde. Dem waren Verhandlungen zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter und dem Gläubiger vorausgegangen, wonach zur Aufrechterhaltung des Betriebs die weitere Belieferung durch die spätere Insolvenzschuldnerin davon abhängig gemacht wurde, dass u. a. die beklagte Gläubigerin zur Deckung der erwarteten Verluste Zahlungen in einen „Verlustausgleichsfonds“ sowie zur Befriedigung der Vorlieferanten der späteren Insolvenzschuldnerin Zahlungen in einen „Feuerwehrfonds“ leistet: „Zu Unrecht meint die Revision, ein Schadensersatzanspruch der Bekl. sei aus positiver Vertragsverletzung begründet, weil der vorläufige Insolvenzverwalter es nach der Stellung des Insolvenzantrags ernstlich und endgültig abgelehnt habe, den Liefervertrag mit der Bekl. zu erfüllen, […]. Das Bestehen eines solchen Anspruchs ist schon deshalb zweifelhaft, weil weder festgestellt noch vorgetragen ist, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 22 I 1 InsO die Verfügungsbefugnis […] übertragen war, denn nur dann konnte er mit Wirkung gegen die [Insolvenzschuldnerin] die Erfüllung verweigern.“745

743 Vgl. dazu nur Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 7.40 ff.; häufig ist je nach Ausgestaltung und Reichweite der Verfügungsbeschränkungen auch von einem „halbstarken“ vorläufigen Insolvenzverwalter die Rede, vgl. Frege/Keller/Riedel, Insolvenzrecht (2015) Rn. 624 ff.; Gottwald/Vuia, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 14 Rn. 23 f.; vgl. grundlegend dazu BGH NZI 2002, 543. 744 BGH Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 358/02 = NZI 2004, 23. 745 BGH Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 358/02 = NZI 2004, 23 [25] [Herv. d. Verf.].

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Der BGH hat somit bezüglich der grundsätzlichen Möglichkeit, bereits vor Fälligkeit im Falle einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung im Eröffnungsverfahren vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz zu verlangen, keine Zweifel angemeldet.746 Lediglich aufgrund der fehlenden Klarheit über die Übertragung der Verfügungsbefugnis auf den vorläufigen Insolvenzverwalter erübrigte sich im zugrundeliegenden Fall eine weitere Stellungnahme zum Bestehen etwaiger Gläubigerrechte.747 Unzweideutig wurde jedoch klargestellt, dass erst bei einer gerichtlichen Anordnung der Übertragung der Verfügungsbefugnis eine endgültige Erfüllungsverweigerung des vorläufigen Insolvenzverwalters entsprechende Gläubigerrechte auslösen kann, weshalb es in den übrigen Fällen somit dabei verbleibt, dass lediglich das Erklärungsverhalten des (späteren Insolvenz-)Schuldners den Anknüpfungspunkt für die sich aus § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG ergebenden Rechte bildet. Diese Differenzierung harmoniert mit dem Kompetenzgefüge bei der Behandlung gegenseitiger Verträge im Eröffnungsverfahren, wonach dem Schuldner spiegelbildlich nur diejenigen Verfügungs- und Verwaltungskompetenzen verbleiben, die nicht auf den vorläufigen Verwalter übergegangen sind:748 Da dies zu seiner Verwaltungsbefugnis (§ 22 I InsO) gehört, obliegt es auch ohne eine Anwendbarkeit des § 103 InsO vor Verfahrenseröffnung749 allein dem starken vorläufigen Verwalter darüber zu „entscheiden“, welche Leistungen aus dem schuldnerischen Vermögen erbracht werden sollen und welche nicht – mit den sich aus § 323 BGB ergebenden Konsequenzen.750 Dagegen führt eine Verweige-

746

So stellt BGH Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 358/02 = NZI 2004, 23 [25] im Anschluss klar: „Zutreffend ist, dass dem Gläubiger einer vertraglichen Hauptpflicht bei einer schon vor deren Fälligkeit erfolgenden endgültigen Erfüllungsverweigerung des Schuldners ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung zusteht, der ihm in entsprechender Anwendung von § 326 I BGB das Recht gibt, vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz zu verlangen.“ 747 In casu blieben die Folgen der Erfüllungsverweigerung zudem deshalb offen, weil sich der Gläubiger auf die der Verweigerung zugrundeliegenden Modifikationen eingelassen hat, vgl. dazu sogleich die Ausführungen zum Erfordernis der Endgültigkeit der Verweigerungserklärung. 748 Vgl. Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 7.43a; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Sander (2017) InsO § 22 Rn. 33; Jaeger/Gerhardt (2004) InsO § 22 Rn. 176; MüKoInsO/ Haarmeyer (2013) § 22 Rn. 23. 749 Vgl. dazu die vorstehenden Ausführungen zur fehlenden Bindung durch § 103 II InsO. 750 Jaeger/Gerhardt (2004) InsO § 22 Rn. 47; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Sander (2017) InsO § 22 Rn. 40. Daher muss die Aussage, „[b]estehende Vertragsverhältnisse kann der »starke« vorläufige Verwalter beenden, der »schwache« Verwalter nur im Zusammenwirken mit dem Schuldner oder aufgrund einer Einzelermächtigung des Insolvenzgerichts“ auf Bedenken stoßen, so FK-InsO/Schmerbach (2018) InsO § 22 Rn. 28; ähnlich wohl K. Schmidt/Hölzle (2016) InsO § 22 Rn. 15. Denn ein „Recht“ den Vertrag zu „beenden“, ohne dass sich daraus Sekundärrechte des Gläubigers ergeben, steht dem vorläufigen Ver-

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rung des vorläufigen schwachen Verwalters nur dann zu einem Vertragsumsteuerungsrecht des Vertragspartners, wenn das Insolvenzgericht dem vorläufigen Verwalter insoweit eine entsprechende Befugnis eingeräumt hat, während im Übrigen die „Entscheidung“ über das vertragsgemäße Verhalten beim Schuldner verbleibt.751 bb) Das Erfordernis der Endgültigkeit der Verweigerungserklärung bei drohender Insolvenz Nach Klärung der Frage, ob für das im Rahmen des § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG maßgebliche Erklärungsverhalten an Äußerungen des Schuldners oder solche des vorläufigen Verwalters anzuknüpfen ist, rücken die tatbestandlichen Anforderungen an das jeweilige Erklärungsverhalten in den Mittelpunkt der Betrachtung. Sowohl im BGB als auch im UN-Kaufrecht muss die maßgebliche Äußerung dabei den Schluss auf eine endgültige Verweigerung der Leistungserbringung zulassen.752 Speziell im Umfeld einer drohenden Insolvenz wirft die Endgültigkeit einer Erklärung in zweierlei Hinsicht Fragen auf: Zum einen erwächst aus den angespannten Vermögensverhältnissen auf Seiten des Schuldners häufig das Bedürfnis, ursprüngliche Vertragskonditionen neu zu verhandeln. Möchte sich der Vertragspartner hierauf allerdings nicht einlassen, bleibt klärungsbedürftig, inwiefern der Gläubiger aufgrund der schuldnerischen Leistungserbringung allein unter dem Vorbehalt von Neuverhandlungen sofort zur Vertragsumsteuerung berechtigt ist. Zum anderen bedarf es einer Betrachtung mittelbarer Interdependenzen mit dem potentiellen Verwalterwahlrecht aus § 103 InsO. Kommt es nämlich zu einer Verfahrenseröffnung stellt die Möglichkeit der Erfüllungswahl durch den Verwalter die Endgültigkeit einer vorher erklärten Erfüllungsverweigerung in Frage. (1) Modifizierende Fortführungsvereinbarung als endgültige Verweigerungserklärung Die finanzielle Notlage bei drohender Insolvenz bringt es häufig mit sich, dass der Schuldner oder der vorläufige Insolvenzverwalter den Vertragspartner in eine Zwangslage versetzt, indem die weitere Leistungserbringung von der Neuverhandlung der Vertragskonditionen abhängig gemacht wird. Schließlich lässt sich damit kurzfristig durch eine erlöserhöhende Maßnahme in Form einer walter ebensowenig zu wie dem Insolvenzverwalter im eröffneten Verfahren. Eine Beendigung kann nur im Rahmen der allgemeinen Vorschriften des Vertragsrechts erfolgen, vgl. Braun/Böhm (2017) InsO § 22 Rn. 14; MüKoInsO/Haarmeyer (2013) § 22 Rn. 58 f.; Uhlenbruck/Vallender (2015) InsO § 22 Rn. 54. 751 Jaeger/Gerhardt (2004) InsO § 22 Rn. 133; Kayser/Thole/Rüntz (2016) InsO § 22 Rn. 59. 752 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Anforderungen an die vorzeitige Erfüllungsverweigerung, Kap. 4 IV. 1. c).

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Preiserhöhung der Krise des Schuldners gegensteuern.753 Besonders in Fällen mangelnder Beschaffungsalternativen ist der Vertragspartner zwar auf die Belieferung angewiesen, sodass der entsprechende Vorbehalt der Leistungserbringung häufig auch zu der erhofften vertraglichen Anpassung – insbesondere des zu erbringenden Entgelts – führen mag.754 Allerdings kann die kompromisslose Forderung von Nachverhandlungen bei dem Vertragspartner ebenso das Interesse begründen, nunmehr von dem Vertrag abzugehen, um sich anderweitig einzudecken. Insofern muss schließlich berücksichtigt werden, dass eine den tatbestandlichen Anforderungen des § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG genügende Erfüllungsverweigerung grundsätzlich auch dann vorliegt, wenn der Schuldner bereits vor Fälligkeit endgültig erklärt, dass er zur geschuldeten Leistung nur unter zusätzlichen bzw. anderen Bedingungen bereit ist, als sie ursprünglich zwischen den Parteien vereinbart waren.755 Auch wenn der Versuch einer solchen modifizierenden Fortführungsvereinbarung somit der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens dienlich sein mag, erfüllt sie die Voraussetzungen des § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG, sobald sich daraus ergibt, dass der Schuldner bzw. vorläufige Insolvenzverwalter endgültig nicht zur Leistungserbringung unter den ursprünglich vereinbarten Konditionen bereit ist. Dass jedoch wiederum nicht ohne Weiteres von dem Vorschlag einer Fortführungsvereinbarung auf eine endgültige Verweigerung in diesem Sinne geschlossen werden darf, belegt eine Entscheidung des OLG München vom 21.10.2015 zu einer entsprechenden Äußerung eines vorläufigen starken Insolvenzverwalters: „Zwar bringt dieses Schreiben zum Ausdruck, dass der Kl. ab dem 1.4.2013 nur zu den Konditionen der vorgeschlagenen modifizierten Fortführungsvereinbarung, also mit einem Preisaufschlag von 38 Prozent liefern wollte. […] Eine zum Rücktritt berechtigende endgültige und ernsthafte Erfüllungsverweigerung […] lag darin aber noch nicht. An die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme einer endgültigen Erfüllungsverweigerung sind strenge Anforderungen zu stellen. Hierfür reicht ein Bestreiten des gegenständlichen Anspruchs nicht aus. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner […] seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen will und es deshalb ausgeschlossen erscheint, dass er sich (etwa durch eine Fristsetzung) werde umstimmen lassen. Nach diesen Grundsätzen durfte die Bekl. dem klägerischen Schreiben vom 27.3.2013 nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrs-

753

Vgl. auch Hess/Hess/Groß, Sanierungshandbuch (2013) Kap. 5 Rn. 154 ff. Zum Ganzen, Paulus, ZInsO 2015, 2160; Schaaf/Mushardt, BB 2013, 2056; SchluckAmend/Seibold, ZIP 2010, 62; vgl. ferner Jonescheit, NZI 2016, 490 [490] (= Anm. zu OLG München Urt. v. 21.10.2015, 7 U 4916/14 = NZI 2016, 488). 755 Vgl. zu § 323 IV BGB: BGH NJW-RR 2004, 50 [52]; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 103; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 91. Vgl. zu Art. 72 CISG, U.S. District Court of Illinois Urt. v. 7.12.1999, 99 C 5153 = CISG-online No. 439; Strub, Int&Comp.L.Q. 1989, 475 [499]; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 28; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 9. 754

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sitte (objektiver Empfängerhorizont) keine endgültige Weigerung, zu den vereinbarten Konditionen zu liefern, entnehmen. Denn dort wird in erster Linie der Abschluss einer neuen anstelle der ablaufenden Fortführungsvereinbarung angeboten, um Mitteilung des Einverständnisses gebeten und auf die Möglichkeit von Abstimmungen und Rückfragen hingewiesen. […] Ohne weitere Verhandlungen durfte die Bekl. daher nicht davon ausgehen, dass hinsichtlich der (Vergütung der) bereits getätigten Abrufe das letzte Wort bereits gesprochen sei.“756

Unter Betonung der strengen Anforderungen an eine zur Vertragsumsteuerung berechtigende Erfüllungsverweigerung des vorläufigen Insolvenzverwalters gelangt das OLG München somit zu dem Ergebnis, das keine endgültige Weigerung angenommen werden kann, weil erstens lediglich eine neue Fortführungsvereinbarung angeboten und damit zweitens nur um Mitteilung des Einverständnisses gebeten wurde, sowie drittens ein Hinweis auf die Möglichkeit von Abstimmungen erfolgt ist. Weil der Vertragspartner nicht in weitere Verhandlungen eingetreten ist, soll die Endgültigkeit des Liefervorbehaltes somit noch nicht festgestanden haben. Wenn das OLG München dem Vertragspartner damit auferlegt, zunächst auf Vertragsverhandlungen hinzuwirken, darf allerdings umgekehrt nicht unberücksichtigt bleiben, dass der BGH bereits in einer früheren Entscheidung klargestellt hat, dass selbst bei ursprünglicher Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung eine Ausübung des Rücktrittsrechts freilich nur möglich ist, solange sich der Vertragspartner nicht mit den zusätzlichen Modifikationen einverstanden erklärt hat. Die Erklärung der vorläufige Verwalter „[…] könne und wolle die Bekl. und die anderen Kunden nur beliefern, wenn diese Zuschüsse zur Befriedigung der Vorlieferanten und zum Ausgleich der zu erwartenden Verluste leisten, mag als eine endgültige Verweigerung der Erfüllung betrachtet werden können. Eine Erfüllungsverweigerung kann nämlich insbesondere auch dann vorliegen, wenn ein Schuldner zur geschuldeten Leistung nur unter anderen, zusätzlichen Bedingungen, als sie ursprünglich vereinbart waren, bereit ist. Ein solches Verhalten des Schuldners berechtigt den Gläubiger aber nur dann und nur solange zum Rücktritt vom Vertrag oder zur Geltendmachung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung, wie er sich auf die vom Schuldner gestellten Bedingungen nicht einlässt. Die Bekl. hat hier auf die Erklärung des vorläufigen Insolvenzverwalters, nur unter den genannten weiteren Bedingungen liefern zu können, nicht die Annahme der Erfüllung abgelehnt, sondern ist mit ihm in Vertragsverhandlungen eingetreten und hat sich in dem dann mit dem (endgültigen) Insolvenzverwalter zu Stande gekommenen Vertrag mit den verlangten Zahlungen einverstanden erklärt.“757

Obwohl die Äußerung, den Vertragspartner nur bei Entrichtung ursprünglich nicht geschuldeter Zahlungen zu beliefern, als endgültige Erfüllungsverweigerung eingeordnet wurde, stand somit aufgrund der Einlassung auf die neuen in

756 OLG München Urt. v. 21.10.2015, 7 U 4916/14 = NZI 2016, 488 [489] [Herv. d. Verf.]. 757 BGH Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 358/02 = NZI 2004, 23 [25] [Herv. d. Verf.].

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den Vertragsverhandlungen vereinbarten Vertragskonditionen dem Vertragspartner weder ein Anspruch auf Schadensersatz noch ein vorzeitiges Rücktrittsrecht zu. Nach der Einigung über die Modifikation des Vertrags bildet das Verhalten des Schuldners bzw. vorläufigen Verwalters schließlich ersichtlich keine Grundlage weitere Grundlage für ein Vertragsumsteuerungsrecht des Vertragspartners. Aus der Zusammenschau der beiden vorstehenden Urteile lassen sich somit verallgemeinerungsfähige Aussagen zu den Anforderungen an eine vorzeitige Erfüllungsverweigerung bei einer drohenden Insolvenz ableiten. So erscheint es unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien legitim, insofern an das Erklärungsverhalten des Schuldners bzw. vorläufigen Verwalters erhöhte Anforderungen zu stellen, als nicht bereits der drängende Vorschlag einer modifizierten Fortführungsvereinbarung zu einer Vertragsumsteuerung berechtigen darf.758 Bei der Feststellung der Endgültigkeit der Erklärung ist besonders zu würdigen, dass es sich dabei lediglich um Maßnahmen handeln kann, die auf eine Forcierung der Kommunikation zwischen den Vertragsparteien abzielen, um die Fortführung des schuldnerischen Betriebs gewährleisten zu können. Erst wenn unter Berücksichtigung dessen – wofür vorangegangene Vertragsverhandlungen nicht zwingend sind – tatsächlich feststeht, dass es sich bei dem Vorbehalt der Leistungserbringung unter Modifikation der ursprünglichen Vereinbarungen um das „letzte Wort“ handelt, steht dem Vertragspartner die sofortige Abstandnahme von dem Vertrag offen. Entschließt sich der Vertragspartner jedoch zum Preis einer Modifikation des Vertrags für dessen Fortführung, bleibt ihm die Möglichkeit der Vertragsumsteuerung wiederum verwehrt, selbst wenn der Schuldner bzw. vorläufige Verwalter anders nicht zur Leistung bereit gewesen wäre. (2) Endgültigkeit der Verweigerung trotz fehlender Bindung des potentiellen Verwalters im eröffneten Verfahren? Nach dem zu den Anforderungen an eine Verweigerungserklärung Gesagten bedarf es letztlich noch einer Erörterung, inwiefern bei einer drohenden Verfahrenseröffnung die Endgültigkeit der Äußerung durch ein potentielles Wahlrecht des Verwalters aus § 103 InsO in Frage gestellt wird. Zeichnet sich nämlich mit zunehmender Wahrscheinlichkeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab und erscheint damit am Horizont das sich mit Verfahrenseröffnung aus § 103 InsO ergebende Wahlrecht, wirkt es mit anderen Worten nicht gesichert, ob die Verweigerung eines Schuldners bzw. vorläufigen Verwalters als endgültig bezeichnet werden kann.759 Schließlich wäre ein späterer Verwalter weder an das negative Erklärungsverhalten des Schuldners noch an das des – 758

Vgl. auch Brugugnone, NZI 2012, 638 [639]; Schluck-Amend/Seibold, ZIP 2010, 62

[64]. 759

Vgl. ferner Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [28].

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selbst bei Personenidentität – vorläufigen Verwalters gebunden.760 Umgekehrt begründet schließlich auch allein die Tatsache, dass ein vorläufiger Verwalter auf die Möglichkeiten des § 103 InsO hinweist und sich die Option der Erfüllung vorbehält, keinen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass er diese Möglichkeiten nach Verfahrenseröffnung auch wahrnehmen werde.761 Dementsprechend wird die vornehmlich nur außerhalb des Tatbestandszweigs der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung geführte Diskussion um die Zulässigkeit eine Vertragsumsteuerung bei drohender Insolvenz ebenso im Rahmen der Bestimmung der Endgültigkeit einer Verweigerungserklärung virulent. Eine derartige mittelbare Beeinflussung der Rechte des Vertragspartners wegen eines (vermeintlichen) antizipierten Vertragsbruchs durch das potentielle Wahlrecht eines späteren Verwalters wäre lediglich dann von vornherein ausgeschlossen, wenn solche künftigen Umstände basierend auf einer rein gegenwartsbezogenen Bewertung der vorzeitigen Verweigerungserklärung außer Betracht zu bleiben haben. Dies wäre dann der Fall, würde die vorzeitige Erfüllungsverweigerung nicht ein bloßes Prognosesubstrat darstellen, das eine künftige Nichterfüllung als gesichert erscheinen lässt, sondern als solche eine Rechtfertigungsgrundlage für die sofortige Vertragsumsteuerung bilden. Eine gegenwartsbezogene Betrachtung in letzterem Sinne wäre wiederum möglich, sofern unter Anknüpfung an früher vertretene vertragstheoretische Modelle die vorzeitige Erfüllungsverweigerung als Angebot des Schuldners auf eine Vertragsauflösung eingeordnet wird, das der Gläubiger durch Abstandnahme vom Vertrag annehmen kann.762 Ähnlich liegt es, wenn die Erfüllungsverweigerung selbst als eine von dem Ausbleiben einer fälligen Leistung losgelöste eigenständige Störung eingeordnet wird, deren Vorliegen für sich eine sofortige Vertragsumsteuerung trägt, weil es sich dabei um ein von der Leistungszeit unabhängiges factum proprium handelt.763 Allerdings wurde bereits im Rahmen der Auseinandersetzung mit den vertragstheoretischen Erklärungsmodellen und der Darstellung der Dogmatik der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung in BGB und CISG hinreichend deutlich gemacht, dass sich die Vertragsumsteuerung dort weder als Annahme eines entsprechenden Angebots des Schuldners darstellt (so noch die Konsensualtheorie), noch in der Erfüllungsverweigerung selbst eine gegenwärtige zur Vertragsumsteuerung berechtigende Vertragsverletzung erblicken lässt. Sowohl § 323 IV BGB als auch Art. 72 CISG stellen

760 Vgl. bereits oben Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [360 f.]; Kayser/ Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 152 f. beide m. w. N. 761 Vgl. OLG München Urt. v. 21.10.2015, 7 U 4916/14 = NZI 2016, 488 [489]. 762 Vgl. zur Konsensualtheorie im englischen Recht, Weidt (2008) S. 65 f. 763 Vgl. dazu Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. I, S. 386; Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [654].

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schließlich explizit auf eine prognostizierte Vertragsverletzung ab, sodass die Erfüllungsverweigerung bloßes Prognosesubstrat bleibt.764 Bildet die vorzeitige Erfüllungsverweigerung somit lediglich die Prognosebasis einer Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs, stellt sich die Frage, ob ein potentielles Erfüllungswahlrecht aus § 103 I InsO tatsächlich die auf eine Verweigerung gestützte Prognose erschüttert. Schließlich erfolgt die nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG erforderliche Prognose stets aus ex ante Sicht, sodass eine Umbesinnung des Schuldners niemals mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Durfte der Gläubiger aus ex ante Sicht von einem offensichtlichen Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen ausgehen, berührt deshalb auch außerhalb einer drohenden Insolvenz eine spätere Rückbesinnung des Schuldners die bereits erfolgte Vertragsumsteuerung nicht.765 Dieser Umstand öffnet auch den Blick auf die ratio legis des § 323 IV BGB und Art. 72 CISG, der durch insolvenzrechtliche Erwägungen nicht verstellt werden darf. Da eine von der Besorgnis der „Umgehung“ des Verwalterwahlrechts getragene generell vorgreifliche Sperrwirkung des Insolvenzrechts nach hier vertretener Auffassung abzulehnen ist,766 sodass sich die Zulässigkeit der Vertragsumsteuerung bei einer vor Verfahrenseröffnung geäußerten Erfüllungsverweigerung allein nach den tatbestandlichen Grenzen von § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG richtet, können die Überlegungen zur teleologischen Rechtfertigung einer Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs fruchtbar gemacht werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass § 323 IV BGB und Art. 72 CISG dogmatisch als eigenständige Aufhebungsrechte einzuordnen sind,767 findet eine Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit ihre Rechtfertigung in der Überlegung, dass die Aufrechterhaltung der vertraglichen Bindung dem Vertragspartner deshalb unzumutbar ist, weil der Gläubiger sonst entgegen der Vertragsäquivalenz mit dem weiteren Vorhalten der Gegenleistung belastet wird. Eine weitere Beschränkung der Dispositionsfreiheit widerspräche jedoch der vertraglichen subjektiven Wertrelation, weil der Wert einer Leistung ganz entscheidend auch durch

764

Vgl. die Ausführungen zu den vertragstheoretischen Erklärungsmodellen der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung und die Ausführungen zur Dogmatik der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung in BGB und CISG, Kap. 4 IV. 1. a) und b). 765 Vgl. zu § 323 IV BGB, MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 136. Vgl. zu Art. 72 CISG, Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 18; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 12. Zweifelnd lediglich Ramming, ZGS 2002, 412 [415 f.], der deshalb für eine Einordnung der Erfüllungsverweigerung in § 324 BGB plädiert. 766 Vgl. dazu die Ausführungen zur Ablehnung vorgreiflicher Sperrwirkungen des Insolvenzrechts, Kap. 4 IV. 3. b). 767 Wie hier BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 213.

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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die Wahrscheinlichkeit bestimmt wird, die Leistung wie versprochen zu erhalten.768 Führt eine vorzeitige Erfüllungsverweigerung deshalb dazu, dass die Leistung wertmäßig bereits gegenwärtig nicht mehr dem subjektiven Äquivalenzverhältnis entspricht, widerspricht auch die Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht der austauschenden Gerechtigkeit, sodass dem Gläubiger die Abstandnahme vom Vertrag gewährt werden muss. Diese Störung des Äquivalenzverhältnisses und das darauf fußende Lösungsinteresse des Vertragspartners bliebe unberücksichtigt, wäre die Vertragsumsteuerung trotz einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung bereits wegen einer nur möglichen Erfüllungswahl des späteren Verwalters gesperrt. Auch wenn sich die Verfasser sowohl von § 323 IV BGB als auch von Art. 72 CISG einer prognoseabhängigen Verweisungstechnik bedient haben, um den antizipierten Vertragsbruch als eigenständigen Störungstatbestand zu erfassen,769 gingen sie stets davon aus, dass immerhin bei einer vorzeitigen Verweigerung der künftigen Leistung die tatbestandlichen Voraussetzungen des Vertragsumsteuerungsrechts vorliegen.770 Dort werden dem Gläubiger keine weiteren Pflichten auferlegt, die Einhaltung der Prognoseanforderungen nachzuweisen. Schließlich trägt der Schuldner damit bereits eine solche Unsicherheit in das Vertragsverhältnis, dass eine sofortige Abstandnahme von dem vertraglichen Versprechen gerechtfertigt ist. Die bloße Aussicht auf ein abweichendes Verhalten eines späteren Insolvenzverwalters in Form einer vertragsgemäßen Abwicklung beseitigt diese Unsicherheit nicht. Somit kann ein Gläubiger auch vor Fälligkeit die Vertragsumsteuerung erklären, wenn der Schuldner bzw. vorläufige Verwalter eine Erfüllungsverweigerung erklärt. Ein späterer Verwalter hat den umgestalteten Vertrag sodann hinzunehmen.771 d) Offensichtlich drohende Insolvenz als sonstige Leistungsgefährdung Der Tatbestandszweig der sonstigen Leistungsgefährdung knüpft im Vorfeld einer Verfahrenseröffnung über das schuldnerische Vermögen nicht an eine vorzeitige Erfüllungsverweigerung an, sondern nimmt das drohende insolvenzbedingte Ausbleiben der Leistung zum Anlass einer Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs. Während allerdings die Äußerung einer vor-

768 Mossler, ZIP 2002, 1831 [1834 dort Fn. 9]. Vgl. ferner bereits die Ausführungen zur ratio legis und dogmatischen Konstruktion der Art. 72 CISG und § 323 IV BGB. 769 Vgl. die Ausführungen zur ratio legis und dogmatischen Konstruktion der Art. 72 CISG und § 323 IV BGB, Kap. 4 II. 770 Vgl. zu § 323 IV BGB BT-Drucks. 14/6040, 186. Vgl. zu Art. 72 CISG bereits VIII Yearbook, 1977 (Document A/32/17), p. 26 ff. (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 318 ff.). 771 Vgl. Jaeger/Gerhardt (2004) InsO § 22 Rn. 47; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Sander (2017) InsO § 22 Rn. 40.

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zeitigen Erfüllungsverweigerung bei drohender Insolvenz regelmäßig ein sofortiges Vertragsumsteuerungsrecht begründet, weil durch die gegenständlich auf das jeweilige Vertragsverhältnis bezogene Verweigerungserklärung zugleich die Störung des konkreten Äquivalenzverhältnisses offensichtlich wird, lässt die bloße Eröffnung eines Insolvenzverfahrens diesen Schluss nicht ohne Weiteres zu. Denn die Verfahrenseröffnung betrifft im Ausgangspunkt sämtliche Gläubiger noch nicht erfüllter Verträge, sodass bei der maßgeblichen ex ante-Perspektive eine Störung des konkreten Vertragsverhältnisses noch nicht offensichtlich erscheint, sondern von der Wahlrechtsausübung eines späteren Verwalters abhängt. Das ist wiederum deshalb problematisch, weil das auf der immerhin drohenden Störung der konkreten synallagmatischen Verbindung beruhende Vertragsumsteuerungsrecht aus § 323 IV BGB und Art. 72 CISG keinen allgemeinen Schutz vor Vermögensverschlechterungen des Schuldners mit den sich daraus ergebenden Unsicherheiten bietet.772 aa) Ablehnung von der Wahlrechtsausübung losgelöster Zumutbarkeitserwägungen Auf den ersten Blick wäre eine andere Bewertung allenfalls angezeigt, wenn sich das Abwarten der Verfahrenseröffnung und der sich anschließenden Wahlrechtsausübung selbst aus Sicht des Vertragspartners nicht nur als unzumutbar darstellen, sondern die so begründete vermeintliche Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag auch ein gesetzliches Lösungsrecht rechtfertigen würde. Tatsächlich hat sich der VII. Senat des BGH in einer Entscheidung jüngeren Datums auf diesen Standpunkt gestellt, um ein ex nunc wirkendes Kündigungsrecht wegen drohender Insolvenz zu begründen.773 Zwar ging es in der Entscheidung unter Zugrundelegung der sich aus § 8 II Nr. 1 Var. 2 der VOB/B (2009) ergebenden insolvenzabhängigen Lösungsklausel unmittelbar um die Wirksamkeit der Ausübung eines vertraglichen Kündigungsrechts. Allerdings hat der BGH besonders darauf hingewiesen, dass Tatbestand und Rechtsfolge – von besonderer Bedeutung war im Fall die von § 648 S. 2 BGB774 abweichende Folge der fehlenden Vergütungspflicht – des vertraglichen Kündigungsrechts dann mit §§ 103, 119 InsO zu vereinbaren sind, wenn dieses „sich eng an eine gesetzliche Lösungsmöglichkeit anlehnt.“775 Die aus der Ausübung 772

Vgl. Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 3. 773 BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532. Besprechung des Urteils bei M. Huber, NZI 2016, 525. Vgl. dazu ferner bereits die Ausführungen zur Abgrenzung zu sonstigen Lösungsrechten bei den Folgen der Suspensivtheorie auf gesetzliche Rücktrittsrechte des Vertragspartners, Kap. 3 I. 2. c). 774 Der Entscheidung lag noch die inhaltsgleiche Norm des § 649 S. 2 BGB a. F. zugrunde. 775 BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [533]. Vgl. ferner BGH Urt. v. 15.11.2012, IX ZR 169/11 = NZI 2013, 178 [179].

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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der Lösungsklausel folgenden Rechtsfolgen sollen aus Sicht des erkennenden Senats wiederum deshalb nicht über die „gesetzlich und auf Grund Richterrechts“ zustehenden Rechte hinausgehen – zur Begründung des sich nunmehr aus § 648a BGB ergebenden Kündigungsrechts musste sich der BGH noch auf eine entsprechende Anwendung des § 314 BGB stützen –, weil der Schuldner durch „seinen Eigeninsolvenzantrag […] i. d. R. das für die Fortführung des Bauvertragsverhältnisses erforderliche Vertrauensverhältnis [zerstört], weshalb der Auftraggeber berechtigt ist, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich zu kündigen.“776

Da bei dem Eigeninsolvenzantrag ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung angenommen wird, soll somit auch keine zur Unwirksamkeit nach § 307 I, II BGB führende Abweichung von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung – namentlich § 648 S. 2 BGB – vorliegen.777 Die dafür erforderliche Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag stützt der BGH dabei auf eine umfassende Gesamtbetrachtung der verfassungsrechtlich geschützten Interessen und Rechtspositionen: So unterfällt zwar einerseits das Recht sämtlicher Insolvenzgläubiger auf Realisierung ihrer Forderungen der Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG, sodass es grundsätzlich keinen Bedenken unterliegt, dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht des § 103 InsO einzuräumen. Allerdings wird andererseits durch die nach Art 14 I GG garantierte Eigentumsfreiheit auch ein Schutz obligatorischer Rechte des Vertragspartners vermittelt, der unter Berücksichtigung der in Art. 2 I GG verankerten Vertragsfreiheit dazu führt, dass auch der Anspruch des Vertragspartners geschützt wird, im Fall des Eigeninsolvenzantrags des Schuldners von diesem auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Schadensersatz zu erlangen und damit einhergehend bei Lösung von dem Bauvertrag keinem Vergütungsanspruch ausgesetzt zu sein.778 Diese grundrechtlich geschützten Interessen des Vertragspartners sollen nach Ansicht des BGH jedenfalls mit Blick auf den Auftraggeber eines Bauvertrags regelmäßig überwiegen. Dieser habe nämlich ein erheblich überwiegendes Interesse, sich im Falle des Eigeninsolvenzantrags des Auftragnehmers frühzeitig vom Vertrag lösen zu können, um den ihm durch die anderweitige Vergabe der Restarbeiten etwa entstehenden Schaden geltend zu machen, ohne gem. § 649 S. 2 BGB gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Zahlung einer Vergütung für nicht erbrachte Leistungen verpflichtet zu sein. Schließlich ist es „dem Auftraggeber im Fall des Eigeninsolvenzantrags des Auftragnehmers regelmäßig nicht zuzumuten, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die sich anschließende Entscheidung des Insolvenzverwalters zur Fortführung des Bauvertrags abzuwarten. Zwar hat der Insolvenzverwalter auf Aufforderung des Auftraggebers unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung des Vertrags verlangen will, § 103 II 2 InsO. Dies gilt jedoch erst nach Eröffnung 776

BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [535]. BGH a. a. O. 778 BGH a. a. O. 777

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des Insolvenzverfahrens. […] Hinzu kommt, dass sich der Insolvenzverwalter nach der Aufforderung durch den Auftraggeber nur unverzüglich, nicht jedoch sofort erklären muss. […] Die Prüfung, ob sich eine Erfüllung des Vertrags für die Masse lohnt, ist regelmäßig komplex. So erschöpft sich die Beurteilung nicht in der bloßen Beantwortung der Frage, ob der für die restliche Bauleistung vom Auftraggeber noch zu zahlende Werklohn den Aufwand für die Werkleistung übersteigt. Zu berücksichtigen sind zusätzlich die Folgen und die Reichweite möglicher Mängelrechte, das Risiko der Übernahme eines etwaigen Vertragsstrafeversprechens und die Übernahme erheblicher Haftungsrisiken durch Verzug oder Mangelfolgeschäden. Der Prozess der Entscheidungsfindung nimmt deshalb – noch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens – erfahrungsgemäß einen längeren Zeitraum in Anspruch. Während dieser Zeit können sowohl dem Auftraggeber selbst als auch sämtlichen am Bau Beteiligten durch den daraus regelmäßig folgenden Baustillstand erhebliche Schäden entstehen, die durch eine frühzeitige Vertragsbeendigung geringer gehalten werden können.“779

Aufgrund seiner umfassenden Interessenabwägung gelangt der BGH somit zu dem Ergebnis, dass bereits die infolge des schuldnerischen Eigenantrags drohende Verfahrenseröffnung ein gesetzliches Lösungsrecht des Vertragspartners begründen kann. Jedenfalls sofern der Auftraggeber den Vertrag mit dem Schuldner abgeschlossen hat, solange sich die Insolvenz noch nicht abzeichnete,780 streitet die darauf fußende Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag für das Bestehen eines außerordentlichen Kündigungsrechts aus wichtigem Grund. Diese Annahmen sind für die Betrachtung einer Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz wiederum deshalb von besonderer Relevanz, weil sowohl die zugrundeliegende Interessenlage als auch die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen mit denjenigen der außerordentlichen Kündigung nahezu identisch sind: Beschränkt sich das Lösungsrecht nämlich auf noch zu erbringende Leistungen mündet das Vertragsverhältnis hier wie dort unter Aufhebung der Vergütungspflichten in ein Abwicklungsverhältnis für Zwecke der Liquidation. Unabhängig von der Andeutung des BGH in seiner vorstehenden Entscheidung, dass die angestellte Interessenabwägung nicht auf sämtliche Gläubiger („insbesondere Warenlieferanten“) übertragen werden kann,781 muss allerdings erneut berücksichtigt werden, dass weder § 323 IV BGB noch Art. 72 CISG einer freien Interessenabwägung durch das Gericht zugänglich sind. Allein die aus der Ungewissheit über die Wahlrechtsausübung folgenden Unsicherheiten können für sich genommen ein solches Vertragsumsteuerungsrecht nicht begründen. Schließlich folgt die dogmatische Konstruktion der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs sowohl im BGB als auch im UN-

779

BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [534] [Herv. d. Verf.]. Vgl. dazu die zurückhaltenden Äußerungen zu dem vorstehenden Urteil in BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [114]. 781 Zur Begründung führt BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [534] an, dass bei einem Bauvertrag die persönlichen Eigenschaften des Auftragnehmers (Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit) für den Auftraggeber von wesentlicher Bedeutung sind. 780

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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Kaufrecht vielmehr einer prognoseabhängigen Bewertung des Gefährdungstatbestands.782 Insbesondere in Abweichung zum früheren Schuldrecht, unter dessen Geltung der Rücktritt vor Fälligkeit gestützt auf eine positive Vertragsverletzung noch von einer kaum näher konkretisierten allgemeinen Interessenabwägung abhing,783 umschreibt das Gesetz in § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG selbst, wann dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr „zumutbar“ ist: Es kommt allein darauf an, ob eine hinreichende Störung des Synallagmas wegen des künftigen Eintritts der Voraussetzungen der Vertragsumsteuerung offensichtlich ist. Nur dann kommt eine Vorverlagerung der Gläubigerrechte in Betracht. Sonstige Ungewissheiten hat der Gläubiger dagegen hinzunehmen. Anderenfalls wird die gesetzgeberische Grenzziehung in Form prozeduraler oder materieller Ansätze umgangen, mit welcher der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen selbst entschieden hat, wann eine (künftige) Vertragsverletzung so schwer wiegt, dass dem Gläubiger die (vorzeitige) Vertragsumsteuerung zu gestatten oder zu versagen ist.784 Allein Unsicherheiten über die Verfahrenseröffnung und die sich anschließende Wahlrechtsausübung durch den Verwalter genügen mithin noch nicht, um basierend auf der vermeintlichen Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ein Vertragsumsteuerungsrecht wegen antizipierten Vertragsbruchs zu gewähren. bb) Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz unter Berücksichtigung von § 103 InsO (1) Fälle feststehender solvenzbedingter Nichterfüllung Die vorstehenden Überlegungen haben gezeigt, dass allein die aus einer drohenden Verfahrenseröffnung erwachsenden Unsicherheiten nicht ohne Weiteres zur Vertragsumsteuerung nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG berechtigen können.785 Kritischen Stimmen des Schrifttums zur Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz ist daher insoweit beizupflichten, als lediglich solvenzbedingte Zweifel nicht zur Abstandnahme von dem Vertrag berechtigen.786 782

Vgl. die Ausführungen zur dogmatischen Konstruktion von Art. 72 CISG und § 323 IV BGB, Kap. 4. II. 2. 783 Vgl. zu BGH Urt. v. 13.11.1953, I ZR 140/52 = NJW 1954, 229 [229]; BGH Urt. v. 19.2.1969, VIII ZR 58/67 = NJW 1969, 975 [976]; BGH Urt. v. 25.6.1976, V ZR 168/74 = WM 1976, 1111 [1112]; BGH Urt. v. 19.10.1977, VIII ZR 42/76 = NJW 1978, 260 [260] die Ausführungen zum Rücktritt vor Fälligkeit wegen sonstiger drohender Leistungsgefährdungen vor der Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 I. 1. 784 Vgl. die Ausführungen eingangs zu Grundlagen der Vertragsumsteuerung, Kap. 2. 785 Vgl. ferner Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [26 ff.]. 786 Vgl. dazu Mossler, ZIP 2002, 1831 [1835 ff.]; Wegener (2007) S. 114 f.; FK-InsO/Wegener (2018) InsO § 103 Rn. 120; Jauernig/Stadler (2015) § 323 Rn. 15; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 36 Rn. 25 a. E.; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63; wohl auch Bärenz, NZI 2006, 72 [74].

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Denn fehlen dem Schuldner lediglich insgesamt die hinreichenden Mittel, ist damit noch nicht zwangsläufig gesagt, dass die verbliebenen Mittel zur Realisierung des jeweiligen Vertragswerts nicht gerade über § 103 I InsO auf die Erfüllung der Verbindlichkeit des an der Abstandnahme interessierten Gläubigers konzentriert werden.787 Umgekehrt kann allerdings einem generellen Ausschluss von Vertragsumsteuerungsrechten wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz nicht gefolgt werden. Nachdem die Gewährung entsprechender Gläubigerrechte in Ermangelung einer vorgreiflichen Sperrwirkung des Insolvenzrechts nämlich schlicht von der Einhaltung der tatbestandlichen Grenzen des § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG abhängig gemacht wird, bleibt selbst bei solvenzbezogenen Zweifeln eine Vertragsumsteuerung möglich, „wenn schon ein Erfüllungsverlangen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann.“788 Schließlich liegt dann auch eine das konkrete Vertragsverhältnis betreffende vertragsspezifische Gefährdung vor.789 Trotz der fehlenden Bindung des späteren Verwalters an das Verhalten eines vorläufigen Verwalters i. S. d. § 103 II InsO und trotz der regelmäßig nur schwer prognostizierbaren Wahlrechtsausübung ist eine darauf gestützte Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs auch nicht von vornherein ausgeschlossen. Dies belegt ein Zitat Papes zur fehlenden Bindung des späteren Verwalters an das Erklärungsverhalten des vorläufigen Insolvenzverwalters, das an dieser Stelle deshalb wiedergegeben werden soll: „Zwar kann er [der vorläufige Verwalter] u.U. mit Zustimmung des Gerichts nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 InsO [sic] das Geschäft des Gemeinschuldners schließen, wenn sich eine Betriebsschließung als erhebliche Belastung der Masse erweist; das Recht zu einem endgültigen Eingriff in bestehende Verträge hat er aber gleichwohl nicht. Auch wenn durch eine Betriebsschließung die Ablehnung der Erfüllung vorprogrammiert sein kann, muss die endgültige Entscheidung dem Insolvenzverwalter überlassen bleiben […]. Damit mag der vorläufige Insolvenzverwalter die spätere Entscheidung über die Erfüllungswahl zwar faktisch antizipieren, eine Bindung für den Insolvenzverwalter kann daraus aber nicht folgen, weil dieser keinen Einschränkungen bei der Ausübung des Wahlrechts unterliegen darf.“790

Mit Blick auf die fehlenden Beschränkungen des Verwalterwahlrechts nach der lex lata treffen die vorstehenden Ausführungen zwar in Übereinstimmung mit der ganz h. M. zu.791 Allerdings folgt daraus nicht, dass der Gläubiger nicht 787

MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142. So Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot (2013) InsO § 103 Rn. 19; vgl. ferner Burkhard (2007) S. 133 f.; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138. 789 Burkhard (2007) S. 133. 790 Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [361] [Herv. d. Verf.]. 791 Vgl. nur BGH Urt. v. 8.11.2007, IX ZR 53/04 = NZI 2008, 36 [37]; BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112]; Wazlawik, NZI 2018, 337 [337 dort Fn. 1]; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 52; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 45. Vgl. ferner bereits die Ausführungen zur fehlenden Bindung 788

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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bereits entsprechende Rechte auf das offensichtlich insolvenzbedingte Ausbleiben der Leistung stützen könnte. Denn insofern ist vielmehr ausreichend, dass das Verhalten des vorläufigen Verwalters die Wahlrechtsausübung „faktisch antizipiert“, weil dadurch das insolvenzbedingte Ausbleiben der Leistung offensichtlich und damit eine entsprechende Prognosegrundlage für § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG geschaffen wird.792 Dies ist der Fall, wenn noch im Eröffnungsverfahren eine Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens nach § 22 I 2 Nr. 2 InsO zur Vermeidung einer erheblichen Verminderung des schuldnerischen Vermögens erfolgt, weil das Unternehmen erheblich Verluste erwirtschaftet und keine Aussicht auf Sanierung besteht.793 Darüber hinaus gibt es ebenso wenig einen Grund, die auf die Anwendung allgemeinen Schuldrechts oder UN-Kaufrechts gestützte Vertragsumsteuerung zu versagen, wenn die Verfahrenseröffnung mangels Masse nach § 26 InsO abgelehnt wurde, weil das Vermögen des Schuldners nach Auffassung des Insolvenzgerichts nicht ausreichen wird, um die Kosten des Verfahrens zu decken.794 Abgesehen von den Fällen einer gesetzlichen Anordnung der Vertragsbeendigung mit Verfahrenseröffnung795 steht einer Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz somit nichts im Wege, wenn a priori das Erfüllungswahlrecht – wie im Fall der solvenzbedingten Betriebsstilllegung – faktisch ausgeschlossen ist oder bereits feststeht, dass ein solches Wahlrecht wegen der Abweisung mangels Masse nicht mehr zur Entstehung gelangt.

durch § 103 II InsO bei Erklärungen des vorläufigen Verwalters i. R. d. Erfüllungsverweigerung bei drohender Insolvenz. 792 Vgl. zu Art. 72 CISG, Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 9 a. E. 793 Vgl. zu § 26 InsO-E, BT-Drucks. 12/2443, 117. Ausführlich dazu Gottwald/Vuia, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 14 Rn. 160 ff. 794 BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 223 a. E.; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 138 a. E.; so auch MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 142, der im Übrigen jedoch selbst bei offensichtlicher Nichterfüllungswahl zur Vermeidung der „Aushöhlung“ des § 103 InsO einen Rücktritt kategorisch ausschließt. Die Fallvariante der nur drohenden Masseunzulänglichkeit dürfte freilich eher theoretischer Natur sein, nachdem dies eine nur schwer zu prognostizierende eindeutige Feststellung der Masseunzulänglichkeit voraussetzt, vgl. parallel zu § 8 II Nr. 1 VOB/B, M. Huber, NZI 2016, 525 [527]. 795 Vgl. sogleich die Ausführungen zum antizipierten Vertragsbruch bei Fixgeschäften in volatilen Märkten unter Berücksichtigung des § 104 InsO.

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(2) Anknüpfung an prognostizierbares Wahlverhalten im Lichte der Ermessensgrenzen Das potentielle Wahlrecht des Verwalters entfaltet somit für § 323 IV BGB sowie Art. 72 CISG wie auch im eröffneten Verfahren lediglich einen mittelbaren Wirkungseinfluss.796 Damit verbleibt dennoch die Frage, wie es sich außerhalb der Fälle der Abweisung mangels Masse nach § 26 InsO oder der Betriebseinstellung durch einen vorläufigen Verwalter nach § 22 I 2 Nr. 2 InsO verhält. Während sich ein offensichtlich insolvenzbedingtes Ausbleiben der Leistung in den vorstehend beschriebenen Fällen nicht leugnen lässt, erweist sich eine Anknüpfung an das prognostizierte Wahlverhalten nämlich zum einen deshalb als schwierig, weil sich die dafür erforderliche Bewertung des Vertragsnutzens regelmäßig nicht in der Frage erschöpft, ob die für die Erbringung der restlichen Leistung noch zu zahlende Gegenleistung den dafür zu leistenden Aufwand übersteigt. Zu berücksichtigen sind vielmehr zusätzlich insbesondere die Folgen möglicher Mängelrechte oder die Übernahme von Haftungsrisiken durch Verzug oder Mangelfolgeschäden.797 Die Relation von Leistung und Gegenleistung bildet mithin nur den Ausgangspunkt der erforderlichen Gesamtbetrachtung.798 Zum anderen herrscht im Schrifttum keine Einigkeit hinsichtlich der Frage, wie weit das Ermessen des Verwalters bei der Wahlrechtsausübung reicht und inwiefern dort entsprechende Grenzen zu ziehen sind. Eine Aussage über die Eignung der künftigen Wahlrechtsausübung als Gegenstand der nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG erforderlichen Prognose lässt sich mithin erst nach Klärung von denjenigen Grenzen treffen, denen das Wahlrecht des Verwalters unterliegt: Da die Erfüllungswahl stets nur eine zusätzliche Option des Verwalters ist, den Vertragspartner zur Realisierung des Vertragsnutzens für die Masse anstelle der Verweisung auf die Quote zu befriedigen, muss insofern zunächst festgehalten werden, dass sich dem Gesetz keine Pflicht des Verwalters gegenüber dem Vertragspartner entnehmen lässt, Erfüllung zu wählen oder sie abzulehnen.799 Bei der Annahme einer offenkundig verfahrenszweckwidrigen und deshalb unwirksamen Wahlrechtsausübung ist deshalb ebenso Zurückhaltung geboten wie bei einer Heranziehung von § 242 BGB zur Beschränkung der

796

Wie hier K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 57 f. Vgl. ferner zum Bestehen von Rücktrittsrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren, Kap. 3 I. 3. b). 797 Vgl. BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [534]; Schaaf/Mushardt, BB 2013, 2056 [2059]; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 35 Rn. 17; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 29; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 97. 798 BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 53.2. 799 Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 192.

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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Wahlrechtsausübung.800 Wenn die unter Geltung der Konkursordnung ergangene Rspr. vereinzelt unter Rekurs auf § 242 BGB betont hat, dass „der Grundsatz von Treu und Glauben auch das Wahlrecht des Konkursverwalters aus § 17 KO beherrscht“,801 um den Vorbehaltskäufer in der Insolvenz des Vorbehaltsverkäufers zu schützen, hat sich jedenfalls dieser Zweck mit Schaffung des § 107 I InsO schließlich erledigt.802 Zudem wirkt sich wegen der Vorschrift des § 164 InsO selbst eine nicht eingeholte Zustimmung nach § 160 InsO nicht auf die Wirksamkeit der Wahlrechtsausübung gegenüber dem Vertragspartner aus.803 Die Folgen einer für die Masse oder den Vertragspartner ungünstigen Wahlrechtsausübung ergeben sich damit vielmehr aus den allgemeinen Vorschriften: So kann einerseits eine Haftung des Verwalters nach § 60 InsO in Betracht kommen, wenn der Verwalter schuldhaft das aus der Masseverwaltungspflicht resultierende allgemeine Wertmehrungsgebot verletzt.804 Umgekehrt sind andererseits die Rechtsfolgen in den schuldrechtlichen Sekundärrechten zulasten der Masse und ggf. in etwaigen Haftungsansprüchen nach § 61 InsO gegen den Verwalter persönlich zu suchen, wenn infolge der Masseunzulänglichkeit (§§ 208 f. InsO) eine vollständige Befriedigung als Massegläubiger trotz der Erfüllungswahl durch den Verwalter scheitert.805 Auch wenn die Pflicht zur bestmöglichen Verwertung des Schuldnervermögens damit lediglich im Innenverhältnis besteht,806 ergibt sich aus den Haftungsrisiken des Verwalters immerhin zugleich, dass der Verwalter in seiner Entscheidung gerade nicht „völlig frei“ ist.807 Die Insolvenzverwaltung ist wie bei jedem anderen Gegenstand des schuldnerischen Vermögens auch bei dem Vertragsanspruch des Schuldners zur bestmöglichen Verwaltung verpflichtet. Da der Maßstab der zu treffenden Entscheidung „die bestmögliche Verwertung des Schuldnervermögens zum Zwecke der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger (§ 1 S. 1 InsO)“ ist,808 besteht sehr wohl eine Wahlpflicht und

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Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.20; Kayser/Thole/Marotzke (2018) InsO § 103 Rn. 148. 801 Vgl. etwa BGH Urt. v. 10.10.1962, VIII ZR 203/61 = NJW 1962, 2296 [2297] 802 BGH Urt. v. 23.10.2003, IX ZR 165/02 = NZI 2004, 214 [215]; Andres/Leithaus/Andres (2014) InsO § 103 Rn. 20; HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 17; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 192; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 250. Vgl. zu § 107 I InsO ferner BT-Drucks. 12/2443, 146. 803 Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 46. 804 Vgl. BGH Urt. v. 16.3.2017, IX ZR 253/15 = NZI 2017, 442 [443]. 805 Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 103 Rn. 50; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 193. Zur allerdings streitigen Frage, inwieweit § 61 InsO auch auf Sekundäransprüche anwendbar ist, vgl. BGH NZI 2018, 258; Thole/Pogoda, NZI 2018, 377 [379 ff.]. 806 BeckOK InsO/Berberich § 103 Rn. 53. 807 In diese Richtung jedoch etwa Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 250. 808 BGH Urt. v. 11.5.2006, IX ZR 247/03 = NZI 2006, 457 [459].

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

nicht etwa ein im freien Ermessen des Verwalters liegendes Wahlrecht.809 Für die nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG erforderliche Prognose kommt es nicht darauf an, dass diese Pflicht als solche lediglich nicht gegenüber dem Vertragspartner besteht. Maßgeblich ist allein, dass danach für § 103 InsO ein verobjektivierter Ausübungsmaßstab gilt, der damit auch der aus Sicht eines objektiven Beobachters anzustellenden Prognose zugänglich ist.810 Zwar mag wegen des Vorrangs des § 107 II 1 InsO im Fall der Käuferinsolvenz bei Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts – die Norm findet nach hier vertretener Auffassung auf andere Vertragsverhältnisse immerhin keine entsprechende Anwendung811 – eine Prognose zusätzlich dadurch erschwert werden, dass der Insolvenzverwalter, den der Verkäufer zur Ausübung des Wahlrechts aufgefordert hat, die Erklärung nach § 103 II 2 InsO erst unverzüglich nach dem Berichtstermin abzugeben braucht.812 Zudem lässt sich eine entsprechende Prognose unter Berücksichtigung der von der Rspr. unter Zugrundelegung der Qualitätssprungtheorie angenommenen Rechtsfolgen kaum mit dem Argument verteidigen, der Verwalter werde deshalb nicht Erfüllung wählen, weil der Vertragspartner sodann aufgrund bereits bestehender Ansprüche gegen den Erfüllungsanspruch der Masse aufrechnen würde. Schließlich bliebe dem Vertrags-

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von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [458]. Vgl. zu letzterem zu Art. 72 CISG, Fogt, ZVglRWiss 2016, 200 [255]; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 10; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 7. Vgl. zu § 323 IV BGB, Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 12; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 136. 811 Vgl. die Ausführungen zum gesetzlichen Rücktrittsrecht vor feststehender Nichterfüllung unter Berücksichtigung des Erklärungsaufforderungsrechts des Vertragspartners und § 107 InsO, Kap. 3 I. 3. b) cc) (2). Wie hier Heidland, ZInsO 2011, 201 [202]; BeckOK InsO/Berberich § 107 Rn. 33; Jaeger/Jacoby (2014) InsO § 103 Rn. 211 ff.; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 36; MüKoInsO/Ott/Vuia (2013) § 107 Rn. 18. Dagegen von Wilmowsky, KTS 72 (2011) 453 [459]; Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [372 f.]; Tintelnot, ZIP 1995, 616 [617]; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 53; HK-InsO/Ahrendt (2017) § 103 Rn. 26; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 3; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 129. 812 Für eine Ausübungssperre speziell zum Kauf unter Eigentumsvorbehalt mit dem Argument des Vorrangs von § 107 II InsO, M. Huber, in: FS Musielak (2004) S. 267 [275]; dem folgend, K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 58; vgl. ferner bereits Prütting, NZI 2002/4, VI. 810

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partner im Fall der Erfüllungswahl nach der – freilich von Kritik nicht unverschont gebliebenen813 – Qualitätssprungtheorie durch entsprechende Anwendung des § 96 InsO die Aufrechnung verwehrt.814 Letztlich muss sich ein Gläubiger speziell aufgrund der aus dem potentiellen Verwalterwahlrecht resultierenden Prognoseunsicherheiten darüber im Klaren sein, dass er sich mit einer nur vermeintlich wirksamen Aufhebungserklärung seinerseits stets dem Risiko aussetzt, sich selbst mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen vertragsbrüchig zu verhalten.815 Allerdings bleiben dennoch Fälle denkbar, in denen auch unter Berücksichtigung der für die Wahlrechtsausübung erforderlichen Gesamtbetrachtung eine an die künftige negative Wahlrechtsausübung anknüpfende Prognose möglich erscheint. Lässt sich der Vertragspartner angesichts drohender Zahlungsschwierigkeiten beispielsweise zunächst auf eine modifizierende Fortführungsvereinbarung mit dem Schuldner/vorläufigen Verwalter ein, geht dies häufig mit der Ausbedingung verschiedener Informationsrechte einher.816 Dies erleichtert dem Vertragspartner, der sonst kaum Einblick in Geschäftsinterna des Schuldners hat, die erforderliche Prognose erheblich. Basierend auf einer in regelmäßigen Abständen aktualisierten Ergebnisplanung und -überprüfung lässt sich sodann durch den Vertragspartner schließlich prognostizieren, ob die weitere Erfüllung durch den Schuldner realisierbar bleibt. Insofern muss schließlich zudem berücksichtigt werden, dass eine Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruch zwar Offensichtlichkeit verlangt, der Anwendungsbereich von § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG aber auch nicht auf Fälle der feststehenden künftigen Nichterfüllung beschränkt bleibt. Steht die künftige Nichterfüllung nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, müsste der Gläubiger auch seinerseits keine Vorkehrungen mehr für die Erfüllung des Vertrags treffen.817 Da ein antizipiertes Vertragsumsteuerungsrecht mithin nur dort Sinn ergibt, wo es aufgrund einer immerhin offensichtlichen Vertragsverletzung Klärung in das Vertragsverhältnis bringt, muss einem Gläubiger gestattet werden, seine negative Prognose auch auf ein entsprechendes Wahlverhalten des Verwalters zu stützen.

813 Vgl. Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 290. Vgl. ferner Bork, in: FS Zeuner (1994) S. 297 [311]; Stamm, KTS 72 (2011) 421 [448 f.]. Vgl. ferner bereits die Ausführungen zu den Grenzen der haftungsrechtlichen Wirkung der Erfüllungswahl bei der Kritik an der Suspensivtheorie, Kap. 3 I. 3. a) bb) (2). 814 Vgl. dazu die Ausführungen zu den Folgen der Erfüllungswahl nach der seit BGHZ 150, 353 herrschend vertretenen Suspensiv- und Qualitätssprungtheorie, Kap. 3 I. 2. b). 815 Zum CISG, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54; vgl. zum BGB MüKoBGB/Bachmann (2016) § 241 Rn. 91. 816 Vgl. Schluck-Amend/Seibold, ZIP 2010, 62 [65]. 817 Vgl. auch Mossler, ZIP 2002, 1831 [1834].

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

cc) Antizipierter Vertragsbruch in volatilen Märkten unter Berücksichtigung des § 104 InsO Die Diskussion um die mittelbaren Einflüsse eines potentiellen Verwalterwahlrechts im Rahmen der Prognose nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG erübrigt sich von vornherein, wenn ein solches Wahlrecht überhaupt nicht entsteht, weil das Gesetz in Abweichung zu § 103 InsO die Vertragsbeendigung mit Verfahrenseröffnung anordnet. Von besonderer Relevanz für die hier betrachteten auf einen gegenseitigen Leistungsaustausch gerichteten Verträge ist dabei die Norm des § 104 InsO,818 die weitgehend inhaltsgleich auf § 18 KO zurückgeht.819 Denn tritt bei der Vereinbarung der Lieferung genau zu einer festbestimmten Zeit oder innerhalb einer festbestimmten Frist von Waren, die einen Markt- oder Börsenpreis haben, jene Zeit oder jener Ablauf der Frist erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein, so kann gem. § 104 I 1 InsO nicht Erfüllung verlangt, sondern nur – auf Seiten des Vertragspartners gem. § 104 V InsO als Insolvenzgläubiger – eine Verrechnungsforderung geltend gemacht werden. Die Norm bezweckt damit unter gleichzeitiger Umwandlung in ein Abwicklungsverhältnis bei den dort geregelten mit Marktpreisrisiken behafteten Geschäften einen Ausschluss des Verwalterwahlrechts, um einer spekulativen Wahlrechtsausübung entgegenzuwirken.820 Die Einbüßung des Verwalterwahlrechts wiegt dabei im Übrigen nicht besonders schwer, da die Ausnahme des § 104 InsO nur bei Waren greift, die auf einem Markt oder einer Börse gehandelt werden, für die deshalb ohne Schwierigkeiten bei Bedarf ein Ersatzgeschäft abgeschlossen werden kann.821 Erfasst werden in Umsetzung von Art. 7 Finanzsicherheiten-RL822 nach § 104 I 2 InsO zudem Finanzleistungsgeschäfte.823 Damit hat sich der Gesetzgeber an Stelle einer Anerkennung vertraglicher „close-out-netting-Klauseln“ (alt.: „Liquidationsnetting“) auch

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Daneben ordnen §§ 115 f. InsO das Erlöschen von Aufträgen und Geschäftsbesorgungsverträgen mit Verfahrenseröffnung an. Darauf wird im Folgenden nicht näher eingegangen. Die Ausführungen gelten entsprechend, sofern die tatbestandlichen Anforderungen von § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG erfüllt sind. 819 Vgl. zu § 16 KO-E, Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen – Bd. 4, S. 88 ff. 820 Vgl. zu § 118 InsO-E, BT-Drucks. 12/2443, 145; vgl. ferner BT-Drucks. 15/1853, 14; vgl. zum reformierten § 104 InsO, BT-Drucks. 18/9983, 9. 821 Wesche/Harder, NZI 2017, 246 [248]. 822 ABl. L 168 vom 27.6.2002, S. 43. 823 Ausweislich des Wortlauts – § 104 I 2 InsO verzichtet auf die Einschränkung „genau“ – ist ein Fixgeschäft bei Geschäften über Finanzleistungen nicht erforderlich, BeckOK InsO/Berberich § 104 Rn. 29; Uhlenbruck/Lüer (2015) InsO § 104 Rn. 18.

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dort für eine ipso iure eintretende Vertragsbeendigung und -abwicklung entschieden,824 wobei das Gesetz nun in den Grenzen des § 104 IV InsO ausdrücklich vertraglich vereinbarte Abweichungen gestattet.825 Das automatische Entstehen eines Liquidationsverhältnisses gilt gem. § 104 I 3 Nr. 3 lit. a InsO insbesondere für Devisentermingeschäfte („Währungs-Futures“),826 was bei der Betrachtung eines gesetzlichen Aufhebungsrechts wegen antizipierter Vertragsverletzung deshalb von besonderem Interesse ist, weil dort schon im früheren Schuldrecht ein Rücktritt wegen drohenden Konkurses eines Bankkunden erwogen wurde.827 Damit drängt sich die Frage auf, wie es sich nach Schaffung von § 323 IV BGB mit der Zulässigkeit einer Vertragsumsteuerung bereits wegen drohender Insolvenz verhält. Spiegelbildlich stellt sich bei volatilen Märkten die Frage, inwiefern sich § 104 I 1 InsO auf die nach Art. 72 CISG anzustellende Prognose auswirkt, wobei lediglich bei Finanzgeschäften i. S. d. Art. 2 lit. d CISG828 eine Aufhebung nach Art. 72 CISG mangels Anwendbarkeit des CISG häufig von vornherein scheitert. Gleichermaßen wurde diese Problematik freilich durch den neu eingefügten § 104 IV InsO deutlich entschärft, wonach in Abweichung zu § 119 InsO von den Vertragsparteien abweichende Bestimmungen getroffen werden können, sofern diese mit den wesentlichen Grundgedanken der jeweiligen gesetzlichen Regelung vereinbar sind. Weiterhin unzulässig bleiben damit nämlich zwar solche Vereinbarungen, die dem Zweck des gesetzlichen Beendigungsund Abrechnungsmechanismus widersprechen.829 Speziell § 104 IV 2 Nr. 1 InsO gestattet es den Parteien allerdings ausdrücklich, vorinsolvenzliche Lösungsklauseln zu vereinbaren und erlaubt somit mehr Flexibilität hinsichtlich des Nettingzeitpunkts.830 Da § 104 IV 2 Nr. 1 InsO ein vertragliches insolvenzabhängiges Lösungsrecht für insolvenzfest erklärt, bedarf es zur Abstandnahme von dem Vertrag mithin keiner Anwendung von § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG. Da es sich bei der Norm allerdings lediglich um eine vertraglich vereinbarte Modifikation 824

BT-Drucks. 15/1853, 14 f. Die jüngste Änderung des § 104 InsO erfolgte in Reaktion auf BGH NZI 2016, 627 = ZIP 2016, 1226 m. Anm Paulus, da der BGH dort vertragliche Abweichungen von § 104 InsO gem. § 119 InsO für unwirksam hielt, vgl. BT-Drucks. 18/9983, 1. Krit. dazu Lehmann/Flöther/Gurlit, WM 2017, 597 [604]. Krit. zum close-out-netting als Privileg der Finanzindustrie, Paulus, in: FS Vallender (2015) S. 397 [408 ff.]. Abweichend ferner UNCITRAL Legislative Guide on Insolvency Law Part Two von 2004 S. 122 f., abrufbar unter . 826 BeckOK InsO/Berberich § 104 Rn. 21. 827 Vgl. Obermüller, WM 1984, 325 [326 ff.]. Vgl. ferner bereits zur drohenden Insolvenz als Rücktrittsgrund vor Fälligkeit im früheren Schuldrecht, Kap. 4 I. 1. b) cc). 828 Der amtl. Wortlaut von Art. 2 lit. d CISG lautet wie folgt: „This Convention does not apply to sales: of stocks, shares, investment securities, negotiable instruments or money.“ 829 BT-Drucks. 18/9983, 9; Wesche/Harder, NZI 2017, 246 [252]. 830 Lehmann/Flöther/Gurlit, WM 2017, 597 [603]. 825

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des sich aus § 104 I InsO ergebenden Grundsatzes der Vertragsbeendigung mit Verfahrenseröffnung handelt, bleibt überall dort ein Regelungsbedürfnis für die Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz, wo sich die Parteien nicht über entsprechende Klauseln geeinigt haben. Die Einfügung des § 104 IV 2 Nr. 1 InsO erfolgte ausweislich der Gesetzesmaterialien vordergründig, um die Wirksamkeit der „im Finanzmarkt üblichen Rahmenvertragsmuster“ sicherzustellen, die „auf die bankaufsichtsrechtlichen Anforderungen zugeschnitten“ sind.831 Wenn sich die Parteien – insbesondere bei Geschäften außerhalb des Finanzsektors – nun nicht solcher Vertragsmuster bedienen und zugleich von der individuellen Vereinbarung entsprechender Lösungsklauseln absehen, kann mithin auf Seiten des Vertragspartners ein vitales Interesse an der Ausübung der sich aus § 323 IV BGB bzw. – sofern anwendbar – Art. 72 CISG ergebenden Rechte verbleiben. Insbesondere unter Berücksichtigung der Weite des in § 104 I 1 InsO angesprochenen „Marktpreises“, für den weder eine amtliche Festsetzung noch ein organisierter Markt erforderlich, sondern bereits eine Ermittlung durch Sachverständigengutachten ausreichend ist,832 erhält der Vertragspartner bei offensichtlich drohender Insolvenz sodann rasch Klarheit über den Fortbestand des Vertrags, um zeitnah Deckungs- bzw. Kurssicherungsgeschäfte vornehmen zu können.833 Da die hierfür erforderliche Prognose des Vertragspartners nicht durch ein potentielles Wahlrecht des Verwalters erschwert wird und die hier vertretene Ablehnung vorgreiflicher Sperrwirkungen des Insolvenzrechts durch die Wertung des § 104 IV 2 Nr. 1 noch zusätzlich unterstrichen wird, steht einer auf § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG gestützten Vertragsbeendigung bereits vor Verfahrenseröffnung auch nichts im Wege. Sofern die drohende Verfahrenseröffnung offensichtlich ist, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG aufgrund der wegen § 104 I InsO feststehenden Nichterfüllung mit Verfahrenseröffnung mithin erfüllt. dd) Vertragsumsteuerung bei drohender Insolvenz unter Berücksichtigung des § 105 InsO bei künftigen Sukzessivleistungen und bereits erfolgter teilweiser Leistungserbringung Liegt ein unechter Sukzessivlieferungsvertrag und damit nach nationalem Verständnis ein als Dauerschuldverhältnis zu qualifizierendes Vertragsverhältnis vor, eröffnet sich für den Vertragspartner die Möglichkeit, neben § 323 IV

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BT-Drucks. 18/9983, 8. OLG Frankfurt Urt. v. 5.12.2013 – 16 U 183/12 Rn. 61 ff. (= Vorinstanz von BGH NZI 2016, 627); BeckOK InsO/Berberich § 104 Rn. 14 und 28; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 104 Rn. 9; Uhlenbruck/Lüer (2015) InsO § 104 Rn. 7. 833 BeckOK InsO/Berberich § 104 Rn. 2. 832

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BGB auch nach § 314 BGB durch ex nunc wirkende außerordentliche Kündigung von dem künftigen Leistungsaustausch Abstand zu nehmen.834 Im Umfeld einer drohenden Insolvenz stellt sich sodann die Frage, inwiefern eine drohende Verfahrenseröffnung über das schuldnerische Vermögen einen „wichtigen Grund“ darstellt. Diese hier nicht zu vertiefende – und von der Rspr. unterschiedlich beantwortete835 – Frage hat ihren Ursprung indessen in einer von der künftigen Störung des Synallagmas losgelösten Abwägung der Interessen im Einzelfall. Da sich der Gläubiger im Rahmen des § 314 BGB mit Wirkung pro futuro auf eine bereits begangene Pflichtverletzung beruft, erweist sich diese Norm nicht als Regelung zur Erfassung eines antizipierten Vertragsbruchs. Daher beschränken sich die folgenden Ausführungen auf § 323 IV BGB bzw. Art. 73 II CISG. Bildet im Rahmen eines Sukzessivlieferungsvertrags eine drohende Insolvenz des Schuldners Anlass für das Interesse des Gläubigers, von dem künftigen Leistungsaustausch Abstand zu nehmen, ist neben dem Verwalterwahlrecht aus § 103 InsO zwingend die Norm des § 105 InsO in die Betrachtung von § 323 IV BGB bzw. Art. 73 II CISG mit einzustellen. Kommt es nämlich zu einer Verfahrenseröffnung über das schuldnerische Vermögen und hat bereits ein teilweiser Leistungsaustausch stattgefunden, nimmt die herrschende Auffassung unter Zugrundelegung von § 105 InsO eine Spaltung des Vertrags an.836 Damit soll einerseits ein anteiliger Gegenleistungsanspruch für von dem Schuldner vor Verfahrenseröffnung erbrachte Vor- oder Mehrleistungen erzielt und andererseits bei vor Verfahrenseröffnung erbrachten Vor- oder Mehrleistungen des Vertragspartners eine auf den verbliebenen Vertragsteil beschränkte Wahlrechtsausübung ermöglicht werden. Zwar wird der Gegenleistungsanspruch des Schuldners für bereits erbrachte Teilleistungen regelmäßig nicht gefährdet, wenn es sich – wie bei Sukzessivlieferungsverträgen – um eine von vornherein vereinbarte Ratenlieferung handelt, sodass die Vertragsumsteuerung bezogen auf diesen Vertragsteil von den zusätzlichen Voraussetzungen des § 323 V 1 BGB bzw. Art. 73 III CISG abhängt.837 Allerdings lässt die h. M. den Schutz des Synallagmas im eröffneten Verfahren auch bei einer Vor- oder

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Vgl. zur Vertragsumsteuerung bzgl. künftiger Sukzessivleistungen, Kap. 4. IV. 2. c). Vgl. BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [535] einerseits und BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [113 f.] andererseits. Vgl. ferner zu Folgen der Suspensivtheorie auf Rücktrittsrechte des Gläubigers, Kap. 3 I. 2. c). 836 Vgl. BGH Urt. v. 1.12.2011, IX ZR 79/11 = NZI 2012, 76 [79]; Graf/Wunsch, ZIP 2002, 2117 [2119]; Pape/Uhlenbruck/Voigt-Salus, Insolvenzrecht (2010) Kap. 31 Rn. 7; KK-InsO/Cymutta/Hess (2017) § 103 Rn. 10; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 16. Vgl. ferner die Ausführungen zur Vertragsspaltung bei unvollständiger Erbringung teilbarer Leistungen, Kap. 3 I. 2. b) cc). 837 Vgl. auch zur Auflösung des Normenkonflikts bei Erfüllungsablehnung und Vor- oder Mehrleistung des Schuldners vor Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 3. c) dd). 835

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Mehrleistung des Vertragspartners auf die jeweiligen Vertragsteile zurückschrumpfen und schränkt die Vertragsumsteuerung durch den Vertragspartner ein, um das Ergebnis einer auf den verbliebenen Vertragsteil beschränkten Wahlrechtsausübung zu ermöglichen.838 Da die Befürworter einer solchen den Vertrag mit Verfahrenseröffnung modifizierenden Rechtsfolge somit einen Ausschluss solcher Gläubigerrechte annehmen, mit denen das sich vermeintlich aus §§ 103, 105 InsO ergebende auf den noch ausstehenden Teil bezogene Erfüllungswahlrecht unterlaufen werden könnte,839 sieht sich eine Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Verfahrenseröffnung mit weiteren Problemen konfrontiert. Schließlich wird die nach § 323 IV BGB bzw. Art. 73 II CISG anzustellende Prognose unter Berücksichtigung eines potentiellen Verwalterwahlrechts dann entscheidend davon beeinflusst, inwiefern der Vertragspartner einer Erfüllungswahl des Verwalters die noch unerfüllte Vergütungspflicht für bereits an den Schuldner erbrachte Teilleistungen entgegenhalten kann. Denn wie (un-)wahrscheinlich eine Erfüllungswahl pro futuro des späteren Verwalters – insbesondere im Rahmen eines Sukzessivlieferungsvertrags – nach bereits erbrachter Vor- bzw. Mehrleistung des Vertragspartners bei drohender Verfahrenseröffnung ist, hängt dann entscheidend davon ab, inwiefern dem Vertragspartner der Schutz des Synallagmas auch bei der haftungsrechtlichen Einordnung als Insolvenzgläubiger hinsichtlich jener Vor- bzw. Mehrleistung erhalten bleibt. Mit anderen Worten stellt sich dort die Frage, ob der Gläubiger die Prognose mit dem Argument stützen kann, dass der spätere Verwalter die künftige Sukzessivleistung oder den noch ausstehenden Teil der Leistung nur verdienen kann, wenn dieser die geschuldete Gegenleistung aus der Masse für bereits erbrachte Leistungsraten erbringt. Schließlich besteht das kennzeichnende Merkmal eines Sukzessivlieferungsvertrags gerade in der Zusammenfassung mehrerer Leistungsraten in einem einheitlichen Vertrag mit der Folge, dass die synallagmatische Verknüpfung nicht nur die einzelnen Raten, sondern sämtliche Einzelleistungen verbindet.840 Damit könnte die Prognoseformel schließlich lauten: Je umfangreicher sich im Fall der Verfahrenseröffnung bereits Vorleistungen des Vertragspartners angehäuft haben, für die eine entsprechende Gegenleistung des Schuldners noch 838 Vgl. Henkelmann (2009) S. 181 ff.; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 46; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 105 Rn. 11; BeckOK InsO/Berberich § 105 Rn. 32; Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103–119 Rn. 16; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 105 Rn. 30; Kübler/Prütting/Bork/Tintelnot InsO § 103 Rn. 11 f.; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 47; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 23. Vgl. ferner die Ausführungen zum Rücktritt im Fall der Vertragsspaltung bei unvollständiger Erbringung teilbarer Leistungen. 839 Vgl. Jacoby, ZIP 2014, 649 [656]; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 46; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 105 Rn. 32. 840 BGH NJW-RR 2007, 325 [328]; BeckOK BGB/Gehrlein § 320 Rn. 13; MüKoBGB/ Emmerich (2016) § 320 Rn. 6; Palandt/Grüneberg (2019) Vor § 311 Rn. 31.

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aussteht, desto offensichtlicher wird die künftige Erfüllungsablehnung des Verwalters, die den Gläubiger zur Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs berechtigt. Schließlich ist der Verwalter aufgrund seiner Pflicht zur Massemehrung im Innenverhältnis dann offenkundig dazu gehalten, den Vertragspartner hinsichtlich der Gegenleistung für bereits erbrachte Leistungen als Insolvenzgläubiger auf die Quote zu verweisen. Allerdings versagt die herrschende Auffassung dem Vertragspartner diesen Einwand gerade gestützt auf § 105 InsO. Da die h. M. davon ausgeht, dass bei teilweiser Leistungserbringung seitens des Vertragspartners der Schutz des funktionellen Synallagmas und damit die ursprünglich vereinbarte Kalkulationsgrundlage der Massemehrung zum Opfer fallen müssen, wird der noch unerfüllte Vertragsteil wie ein gegenseitiger Vertrag behandelt, auf den die Vertragsparteien im Eröffnungszeitpunkt noch keinerlei Leistungen erbracht haben.841 Deshalb könne der Gläubiger bei einer auf die künftigen Leistungen beschränkten Erfüllungswahl auch nur Sekundärrechte aus dem abgespaltenen Vertragsteil ableiten.842 Dem kann nicht gefolgt werden. Eine solche den Vertrag modifizierende Rechtsfolge ergibt sich weder aus der Verfahrenseröffnung noch aus einer entsprechenden Wahlrechtsausübung. Damit wirkt sich in diesem Zusammenhang ganz besonders die hier vertretene Favorisierung einer umfassenden Aufrechterhaltung des Schutzes des funktionellen Synallagmas im eröffneten Verfahren aus. 843 Danach rechtfertigt es das vom Vertragspartner hinsichtlich der erbrachten Teilleistung übernommene Vorleistungsrisiko lediglich, ihn mit der Forderung auf die (anteilige) Gegenleistung auf eine Geltendmachung als Insolvenzgläubiger zu verweisen. Dagegen ist nicht einzusehen, weshalb die synallagmatische Verbindung der gegenseitigen Ansprüche einseitig zu Gunsten der Masse aufgehoben und dem Vertragspartner darauf fußende Sekundärrechte genommen werden sollen.844 Der Zweck des § 105 S. 1 InsO beschränkt sich darauf, dem Verwalter eine gespaltene Haftungsabwicklung durch eine Erfüllungswahl pro futuro zu ermöglichen, lässt die Ausübung materiell-rechtlicher Sekundärrechte aber unberührt.845 Eine abweichende Bewertung ergibt sich weder aus dem Gesetz noch ist ersichtlich, weshalb dem 841

Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 16. Vgl. von Wilmowsky, KTS 73 (2012) 285 [291]; Henkelmann (2009) S. 181 ff.; Mohrbutter/Ringstmeier/Homann, Insolvenzverwaltung (2015) Kap. 7 Rn. 46; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Flöther/Wehner (2017) InsO § 105 Rn. 11; Jaeger/Jacoby (2014) InsO Vor §§ 103–119 Rn. 16. 843 Vgl. die Ausführungen zu den Besonderheiten bei teilweiser Leistungserbringung im Rahmen der Kritik an der Suspensivtheorie und den daraus abgeleiteten Konsequenzen für Sekundärrechte, Kap. 3 I. 3. c). 844 So auch die Kritik bei Marotzke (2001) Rn. 4.162 ff.; Henckel, in: FS Kirchhof (2003) S. 191 [203 f.]; Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 20.27. 845 Vgl. zur Auflösung des Normenkonflikts bei Erfüllungswahl pro futuro und Vor- oder Mehrleistung des Vertragspartners vor Verfahrenseröffnung, Kap. 3 I. 3. c) cc). 842

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

Vertragspartner abweichend von der ursprünglichen Kalkulation allein aufgrund der Insolvenz des Schuldners ein Sonderopfer auferlegt werden soll. Das bedeutet, dass es für § 323 IV BGB bzw. Art. 73 II CISG zur Begründung der Prognose bei der oben bereits angedeuteten Faustformel bleiben kann: Je umfangreicher sich im Fall der Verfahrenseröffnung bereits Vorleistungen des Vertragspartners angehäuft haben, für die eine entsprechende Gegenleistung des Schuldners noch aussteht, desto offensichtlicher wird die künftige Erfüllungsablehnung des Verwalters, die den Gläubiger zur Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs berechtigt.

e) Fazit zum antizipierten Vertragsbruch wegen drohender Insolvenz und Fallgruppenbildung Insgesamt ergibt die vorstehende Betrachtung von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG bei drohender Insolvenz ein differenziertes Bild zu der dortigen Berücksichtigung des aus § 103 InsO folgenden Verwalterwahlrechts. Um überhaupt einen solchen differenzierten Maßstab anlegen zu können, der an den tatbestandlichen Grenzen von § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG ansetzt, war zunächst eine Entmystifizierung des Verwalterwahlrechts und den aus der Verfahrenseröffnung resultierenden Rechtsfolgen erforderlich.846 Vorgreifliche Sperrwirkungen des Insolvenzrechts hindern die Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs danach nicht. Insbesondere § 119 InsO sowie der drohende „Durchsetzbarkeitsverlust“, den die h. M. bei Verfahrenseröffnung annimmt,847 stehen einer Ausübung der auf die Vertragsumsteuerung gerichteten Gläubigerrechte nicht im Wege. Ebenso führt die Besorgnis einer Aushöhlung des potentiellen Verwalterwahlrechts aus § 103 InsO nicht zu einer pauschalen Verdrängung von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG. Immerhin wirft jenes Wahlrecht allerdings die sich dort gleichermaßen stellende Sachfrage auf, wie sich die Ungewissheit über die spätere Wahlrechtsausübung auf die für die Vertragsumsteuerung erforderliche Prognose auswirkt. Der Befürchtung, entgegen dem in § 1 InsO anvisierten Ziel wäre eine Sanierung des schuldnerischen Unternehmens durch die Berechtigung zur Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz von vornherein unangemessen erschwert,848 wird damit 846

Eingängig dazu ferner Stamm, KTS 72 (2011) 421. Vgl. aus der Rspr. nur BGH Urt. v. 19.11.2015, IX ZR 198/14 = NZI 2016, 128 [129]; BGH Urt. v. 15.12.2016, IX ZR 117/16 = NZI 2017, 60 [61]; BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112]. Aus der Lit. Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 34 Rn. 44; K. Schmidt/Ringstmeier (2016) InsO § 103 Rn. 1; MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 16 f.; Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 11. 848 Gegenwärtig dient die Sanierung gleichwohl nur der Verwirklichung des Primärziels der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, vgl. bereits die Ausführungen zum Überblick zur Gläubigerbefriedigung als vorrangiges Verfahrensziel, Kap. 3 I. 1. a). Vgl. ferner BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [533]; Thole (2010) S. 56 ff.; Kirchhof, in: FS Gerhardt (2004) S. 443 [456]; Vallender, NZI 2010, 838 [841]; Flessner, KTS 71 (2010) 127 [141]; Madaus, JZ 2016, 548 [549]. Für eine verstärkte Priorisierung der Sanierung vgl. 847

IV. Tatbestandszweige des antizipierten Vertragsbruchs

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bereits durch die tatbestandlichen Grenzen von § 323 IV BGB und Art. 72 CISG hinreichend Rechnung getragen. Aufgrund der strengen Prognoseanforderungen führt die aus der schwer prognostizierbaren Wahlrechtsausübung herrührende Ungewissheit dazu, dass die Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz die Ausnahme bleibt. Trotz dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses hat die von insolvenzrechtlichen Überfrachtungen befreite Untersuchung jedoch gezeigt, dass eine Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit wegen drohender Insolvenz in den folgenden Fällen möglich bleibt: Mit Blick auf eine bei drohender Insolvenz geäußerte Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit bleibt zwar zunächst festzuhalten, dass eine solche Äußerung nicht bereits die in § 103 II InsO vorgesehene Bindungswirkung entfaltet. § 103 InsO ist vor Verfahrenseröffnung nicht anwendbar, sodass die für eine Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs erforderliche Offensichtlichkeit der Nichterfüllung nicht bereits darauf gestützt werden kann. Allerdings erfüllt eine vor Verfahrenseröffnung erklärte Erfüllungsverweigerung unabhängig davon die tatbestandlichen Anforderungen des § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG, solange nur die Endgültigkeit der Erklärung feststeht. Je nach Ausgestaltung der Befugnisse ist dabei entweder an das Erklärungsverhalten des Schuldners oder das des vorläufigen starken Verwalters anzuknüpfen. Von besonderer praktischer Relevanz sind insofern Leistungsangebote unter dem Vorbehalt einer modifizierten Fortführungsvereinbarung. Wird die Leistungserbringung endgültig von anderen Vertragskonditionen abhängig gemacht, als ursprünglich vereinbart, stellt dies eine vorzeitige Erfüllungsverweigerung i. S. d. § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG dar. Das potentielle spätere Wahlrecht eines Verwalters im eröffneten Verfahren hindert diese rechtliche Beurteilung nicht. Trotz der fehlenden Bindung des Verwalters im eröffneten Verfahren an Verweigerungserklärungen des Schuldners oder vorläufigen Verwalters ist die sofortige Abstandnahme vom Vertrag gerechtfertigt, weil weder § 323IV BGB noch Art. 72 CISG im Fall der Erfüllungsverweigerung die Vertragsumsteuerung von einer weiteren Absicherung der Prognose durch den Gläubiger abhängig machen. Anders als bei der vor Verfahrenseröffnung erklärten vorzeitigen Erfüllungsverweigerung sieht sich der Gläubiger bei einer drohenden Insolvenz als Fall einer sonstigen Leistungsgefährdung i. S. d. § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG mit dem Problem konfrontiert, dass selbst die drohende Verfahrenseröffnung aus der maßgeblichen ex ante Perspektive wegen des potentiellen Verwalterwahlrechts nicht ohne Weiteres den Schluss auf die insolvenzbedingte Nichterfüllung zulässt. Da sowohl § 323 IV BGB als auch Art. 72 CISG eine Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs zwingend von einer

Paulus, NZI 2015, 1001 [1003 f.]; für eine weitergehende Änderung des § 1 InsO, Frind, ZInsO 2011, 373 [381].

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entsprechenden Prognose abhängig machen, trägt auch eine auf die Ungewissheit der Wahlrechtsausübung gestützte vermeintliche Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag nicht die einseitige Vertragsbeendigung durch den Gläubiger.849 Einer solchen freien Interessenabwägung sind § 323 IV BGB und Art. 72 CISG nicht zugänglich. Dennoch lassen sich auch unter Berücksichtigung des § 103 InsO Fälle ausmachen, in denen die Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz in Betracht kommt, weil sich die Störung des synallagmatischen Verhältnisses mit der nötigen Offensichtlichkeit prognostizieren lässt. Eine solche vertragsspezifische Störung liegt erstens vor, wenn die Masse gem. § 26 InsO ersichtlich nicht ausreicht, um überhaupt die Verfahrenskosten zu decken. Eine ausreichende Prognosegrundlage ist zweitens gegeben, wenn die Nichterfüllungswahl durch den Verwalter faktisch antizipiert wird, indem das vorherige Verhalten des Schuldners oder des vorläufigen Verwalters bereits gegenwärtig den Schluss zulässt, dass eine Erfüllungswahl nicht erfolgen wird. Dies ist insbesondere bei einer Betriebseinstellung nach § 22 I 2 Nr. 2 InsO und dieser gleichzustellenden Fällen anzunehmen. Ähnlich verhält es sich drittens bei einem Vertrag über von § 104 InsO erfasste Fixgeschäfte und – soweit Art. 72 CISG dort Anwendung findet – Finanzleistungen. Da der Verwalter dort nicht Erfüllung wählen kann, sondern mit Verfahrenseröffnung ipso iure die Vertragsbeendigung eintritt, genügt die prognostizierte Verfahrenseröffnung. Die Prognose des antizipierten Vertragsbruchs wird dort nicht durch ein potentielles Wahlrecht mittelbar beeinflusst. Viertens ist dem Gläubiger das Recht zur vorzeitigen Vertragsumsteuerung letztlich dann zu gewähren, sofern sich in den übrigen Fällen die Nichterfüllungswahl durch den Verwalter mit der erforderlichen Sicherheit prognostizieren lässt. Speziell dort muss freilich berücksichtigt werden, dass einerseits die Erfüllungswahl nicht von vornherein als „glückliche Wendung“ im Sinne einer zu vernachlässigenden Ausnahme deklariert werden kann850 und andererseits § 323 IV BGB und Art. 72 CISG hohe Prognoseanforderungen stellen. Gleichwohl erlauben die Ermessensgrenzen, denen der Verwalter immerhin im Innenverhältnis bei der Wahlrechtsausübung unterliegt, eine Prognose der Offensichtlichkeit einer Negativerklärung. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der hier vertretenen Auffassung der Aufrechterhaltung des Schutzes des funktionellen Synallagmas im eröffneten Verfahren auch unter Zugrundelegung des § 105 InsO gefolgt wird.

849

Anders mag nach BGH Urt. v. 7.4.2016, VII ZR 56/15 = NZI 2016, 532 [535] allenfalls mit Blick auf eine außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund zu entscheiden sein, sofern der betroffene Vertrag noch vor Stellung eines Eigenantrags geschlossen wurde. 850 So aber Schubert (2016) S. 168.

V. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung

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V. Recht des Gläubigers auf Klärung der Leistungsgefährdung und daraus folgende Indizwirkung V. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung

Die auf eine Prognose gestützte Vertragsumsteuerung nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG ist stets mit Unsicherheiten verbunden. Dementsprechend wird auch die dort vordergründig interessierende Sachfrage dahingehend beschrieben, dass es einer spezifischen Regelung bedarf, wie sicher der Eintritt der künftigen Vertragsverletzung zu sein hat.851 Eine weitere Möglichkeit, um den sich im Vorfeld der Fälligkeit bestehenden Unsicherheiten zu begegnen, ist die Forcierung der Kommunikation der Parteien durch entsprechende Regelungen noch vor Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts. Aus Sicht des Gläubigers stellt sich mithin zum einen die Frage, inwiefern diesem die Pflicht aufzuerlegen ist, die Einwirkung auf das Vertragsverhältnis anzukündigen.852 Zum anderen ergibt sich für den Gläubiger aus den eben genannten strengen Prognoseanforderungen ein Interesse an der Klärung der Leistungsgefährdung durch eine an den Schuldner gerichtete Erklärungsaufforderung, sofern die immerhin berechtigten Zweifel an der Leistungserbringung noch nicht den Grad der Offensichtlichkeit erreichen. Inwiefern bei einer unter der „Offensichtlichkeit“ anzusiedelnden Wahrscheinlichkeit der Nichterfüllung die Möglichkeit einer Erklärungsaufforderung in letzterem Sinne besteht, bildet den Gegenstand der folgenden Betrachtung. 1. Konsequenzen des Ausbleibens von Sicherheiten nach Art. 71 III CISG Art. 72 II CISG normiert eine Notifizierungspflicht, deren außer Acht lassen lediglich zu Schadensersatzansprüchen führen kann.853 Indem die Norm dem Gläubiger allein bei offensichtlich drohender wesentlicher Vertragsverletzung Pflichten auferlegt, äußert sie sich jedoch nicht zu der Frage, inwiefern dieser bei lediglich ernsthaft begründeten Zweifeln an der Leistungsfähigkeit aus einer Erklärungsaufforderung ein Vertragsaufhebungsrecht ableiten kann. Art. 71 CISG besagt im Falle einer unter der Offensichtlichkeit anzusiedelnden Besorgnis lediglich,854 dass der Gläubiger die Erfüllung seiner Pflichten und damit insbesondere etwaige Vorbereitungshandlungen aussetzen kann.855 Der 851

Schlechtriem, Europäische Vertragsrechtsvereinheitlichung und deutsches Recht (2000) 159 [170]. 852 Vgl. unten die Ausführungen zur Pflicht zur Ankündigung der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit, Kap. 4 VI. 1. 853 Vgl. zur Notifizierungspflicht des Art. 72 II CISG bei der Ausübung und den Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit, Kap. 4 VI. 1. a). 854 Vgl. dazu die Ausführungen zur Offensichtlichkeit unter systematischen Gesichtspunkten, Kap. 4 III. 2. 855 Die Norm verlangt allein, dass sich die drohende Nichterfüllung auf einen „wesentlichen Teil“ der Pflichten erstreckt. Das Vorliegen einer wesentlichen Vertragsverletzung

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

Gläubiger hat die Ausübung des Aussetzungsrechts dem Schuldner ebenfalls anzuzeigen, Art. 71 III HS. 1 CISG.856 Der Schuldner kann dieses Aussetzungsrecht sodann ähnlich wie nach Art. 72 II CISG ausweislich des Art. 71 III HS. 2 CISG durch Sicherheitengewährung abwenden. Offen ist damit aber weiterhin, inwiefern der Gläubiger bei berechtigten Zweifeln, die nicht den Grad der Offensichtlichkeit erreichen, aus einer an den Schuldner gerichteten Erklärungsaufforderung über die Leistungsfähigkeit ein Aufhebungsrecht ableiten kann. Anders als § 321 BGB hängt die Anwendbarkeit des Art. 71 CISG zwar nicht von der Vereinbarung einer Vorleistungspflicht ab.857 Allerdings trifft auch Art. 71 CISG keine Aussage über die Folgen einer ausbleibenden Sicherheitenstellung. Tatsächlich sprechen die Materialien der Vorberatungen gegen das automatische Bestehen eines Aufhebungsrechts als weitere Rechtsfolge. Denn zwar wurde bei der den Entwurfsfassungen des CISG vorangehenden Revision der Vorläufernorm des Art. 71 CISG aus dem Haager Kaufrecht erwogen, Art. 71 III CISG wie folgt zu fassen: „A party suspending performance shall promptly notify the other party thereof and shall continue with performance if the other party, by guarantee, documentary credit or otherwise, provides adequate assurance of his performance. On failure by the other party, within a reasonable time after notice, to provide such assurance, the party who suspended performance may avoid the contract.“858

Allerdings konnte sich die Beibehaltung des Vertragsaufhebungsrechts als Folge fehlender Sicherheiten ersichtlich nicht durchsetzen und wurde bereits in den Entwurfsberatungen wieder verworfen. Das CISG regelt die Rechtsfolgen bei Nichtstellen von Sicherheiten nicht und belässt es bei dem Aussetzungsrecht. Somit besteht zwar kein gesetzliches Recht zur Klärung der Vertragstreue, aus dem sich de iure ein Aufhebungsrecht ergeben könnte, wenn der Schuldner keine Sicherheiten leistet oder die Zweifel beseitigt. Nach ganz überwiegender Auffassung soll aber das Ausbleiben einer ausreichenden Gewähr von Sicherheiten durch den Schuldner in Folge einer Aussetzung der Leistung de facto ein starkes Indiz für die Offensichtlichkeit i. S. d. Art. 72

i. S. d Art. 25 CISG ist dagegen nach ganz h. M. nicht erforderlich, vgl. nur MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 71 Rn. 4. 856 Nach überwiegender Auffassung handelt es sich auch dabei nicht um eine Wirksamkeitsvoraussetzung, MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 71 Rn. 19 m. w. N. 857 Flesch, BB 1994, 873 [874]; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 71 Rn. 7. Dabei muss freilich berücksichtigt werden, dass das CISG die synallagmatische Verbindung von vornherein über die Normierung einer Vorleistungspflicht des Verkäufers konstruiert, vgl. die Ausführungen zur Konstruktion des Synallagmas, Kap. 2 II. 1. b). 858 Vgl. V Yearbook, 1974 (Document A/CN.9/87), p. 37 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 183) [Herv. d. Verf.].

V. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung

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CISG sein.859 Davon geht selbst der Sekretariatskommentar nach Verwerfung der Normierung in Art. 71 III CISG aus. So findet sich in den Materialien zum späteren Art. 72 CISG: „The failure by a party to give adequate assurances that he will perform when properly requested to do so under article 62 (3) [=Art. 71 III CISG] may help make it "clear" that he will commit a fundamental breach.“860

Zutreffend wird indessen darauf aufmerksam gemacht, dass die unterlassene Sicherheitenstellung nichts am Gewicht und der Qualität der drohenden Pflichtverletzung ändert. Die Nichtausübung eines eigenen Rechts – die Beseitigung der Aussetzung der Leistung durch Sicherheitenstellung – führt nicht dazu, dass die drohende Pflichtverletzung automatisch über die Wesentlichkeitsschwelle des Art. 25 CISG gehoben wird.861 Zu weitgehend und abzulehnen ist deshalb die Auffassung, wonach das Nichtleisten von Sicherheiten nicht nur Indiz für Art. 72 I CISG sei, sondern „unter Umkehrung der gewöhnlichen Beweislastregel bei Ausbleiben einer ausreichenden Sicherheit und mangels weiterer Hinweise regelmäßig auf eine Erfüllungsverweigerung zu schließen sein“ könne.862 2. Recht zur Klärung der Vertragstreue mit Indizwirkung im BGB Bei unbefangener Lektüre des Wortlauts liegt dem geltenden § 323 IV BGB eine „kommunikationslose Rücktrittsbefugnis“ zugrunde.863 Jedenfalls dort, wo der künftige Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen gewiss und damit offensichtlich ist, kann der Gläubiger ohne vorherige Benachrichtigung zurücktreten. Eine andere Frage ist aber, ob der Gläubiger nicht auch ein Recht hat, den Schuldner zur Erklärung über die Leistungsbereitschaft aufzufordern, um aus einer negativen Erklärung oder deren Ausbleiben entsprechende Rechte ableiten zu können.864 Denn häufig hat der Gläubiger lediglich – wenn auch berechtigten – Anlass zu Zweifeln an der künftigen vertragsgemäßen Leistungserbringung, was den strengen Anforderungen der geforderten Offensichtlichkeit in 859

Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [22 f.]; Vanwijck-Alexandre, IBLJ 2001, 353 [361]; Strub, Int&Comp.L.Q. (1989), 475 [484]; Weidt (2008) S. 148; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 610; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 71 Rn. 55; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 71 Rn. 23; BeckOGK/Schmidt-Ahrens CISG Art. 71 Rn. 76.1; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 71 Rn. 32; zurückhaltend Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 71 Rn. 52. 860 Art. 63 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 53. 861 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 71 Rn. 34. 862 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 49. 863 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 137. 864 Offen gelassen in BGH Beschl. v. 8.5.2008, VII ZR 201/07 = NJW-RR 2008, 1052 [1052].

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

§ 323 IV BGB jedoch nicht gerecht wird.865 Außerhalb des § 321 II BGB lässt sich dem deutschen Leistungsstörungsrecht ein solches Recht zur Begründung eines Rücktrittsrechts durch Erklärungsaufforderung allerdings nicht ohne Weiteres entnehmen. Lediglich § 103 II 2 und 3 InsO bewirken – als Teil des „insolvenzvertraglichen Leistungsstörungsrechts“866 – parallel zu §§ 281 I 1 und 323 I BGB eine Modifikation durch Abstufung einer angemessenen Frist. Fordert nämlich der Gläubiger den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so kann letzterer auf Erfüllung nicht bestehen, wenn er nicht unverzüglich erklärt, dass er die Erfüllung verlangen will. Das Schweigen auf die vorangehende Leistungsaufforderung nimmt dem Verwalter sein Erfüllungswahlrecht und der (Insolvenz-)Gläubiger kann unmittelbar zu sekundären Vertragsrechten übergehen.867 Das bedeutet jedoch nach ganz überwiegender Auffassung nicht, dass dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht ein solches Aufforderungsrecht des Gläubigers gänzlich fremd wäre.868 Bereits im früheren Schuldrecht wurde trotz fehlender Normierung des Rücktritts wegen antizipierten Vertragsbruchs nämlich nicht nur eine Pflicht zur Klärung der Vertragstreue angenommen. Vielmehr räumte der BGH dem Gläubiger auch ein entsprechendes Recht zur Erklärungsaufforderung ein, um daraus ein Rücktrittsrecht ableiten zu können.869 Der BGH stellte insofern „in rechtsähnlicher Anwendung“ von § 326 BGB a. F. klar: „Erklärt der Schuldner vor Fälligkeit der vereinbarten Leistung, daß er infolge unvorhergesehener Umstände nicht zu der vereinbarten Zeit liefern könne, so kann der Gläubiger, der an der alsbaldigen Klärung der Erfüllungsbereitschaft des Schuldners interessiert ist, diesen in rechtsähnlicher Anwendung des § 326 BGB zur Erklärung auffordern, ob er fristgemäß leisten werde, wobei er den Schuldner darauf hinzuweisen hat, daß er die Annahme der Leistung nach Ablauf der Frist ablehne. Wenn der Schuldner daraufhin eine entsprechende Erklärung nicht abgibt, kann der Gläubiger von dem Vertrage zurücktreten oder Schadensersatz fordern.“870

865

Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 139. Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [3]. 867 Stamm, KTS 72 (2011) 421 [435]. Einzelheiten str., vgl. die Ausführungen zu Rücktrittsrechten des Gläubigers im eröffneten Verfahren, Kap. 3 I. 2. c). 868 Ausführlich Ramming, ZGS 2003, 209; Weidt (2008) S. 144 ff.; vgl. ferner Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 21 Rn. 6; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 139; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 137; krit. Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [230]. 869 BGH Urt. v. 10.12.1975, VIII ZR 147/74 = NJW 1976, 326; bestätigt und auf einen Sukzessivlieferungsvertrag übertragen in BGH Urt. v. 6.10.1976, VIII ZR 66/75 = NJW 1977, 35 [36]; vgl. ferner BGH Urt. v. 29.4.1970, VIII ZR 120/68 = WM 1970, 791 [792]; BGH Urt. v. 21.10.1982, VII ZR 51/82 = NJW 1983, 989 [990]; OLG-Hamm Urt. v. 27.10.1994, 22 U 51/94 = NJW-RR 1995, 1519 [1519]. Vgl. aus der Literatur statt vieler U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 52 I 3. 870 So der amtl. Leitsatz BGH Urt. v. 10.12.1975 = NJW 1976, 326. 866

V. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung

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An diesem Recht zur Erklärungsaufforderung, dass stets bei einem „berechtigten Interesse an einer alsbaldigen Klärung“ des Gläubigers bestand,871 kann auch ohne eine Normierung im Umfeld des § 323 IV BGB festgehalten werden. Ein Widerspruch zur Aufgabe der Aufforderungspflicht nach der lex lata besteht darin nicht, denn das Absehen von einer früheren Einschränkung des Rücktritts lässt keinen Schluss auf die Beibehaltung einer teleologischen Extension durch ein Aufforderungsrecht zu. Der Reformgesetzgeber wollte an der früheren Rechtslage mit der Schaffung des § 323 IV BGB nichts ändern.872 Es ist auch kein Grund ersichtlich, weshalb eine solche Klärung durch wechselseitige Unterrichtung, wie sie auch das UN-Kaufrecht vor Augen hat und die zugleich einen schonenden Ausgleich der Parteiinteressen bewirkt, im modernisierten Schuldrecht ausgeschlossen sein sollte.873 Diese Annahme stößt auch nach Einfügung des neuen § 321 II BGB auf keinerlei Bedenken. Zwar wurde dort für Fälle der Vorleistungspflicht ein vergleichbares Erklärungsverfahren geschaffen, sodass auf den ersten Blick die fehlende Normierung im Zusammenhang mit § 323 IV BGB e contrario die dortige Annahme eines Erklärungsmechanismus auszuschließen scheint. Allerdings wird damit lediglich auf die sich aus der Unsicherheitseinrede des § 321 BGB ergebende Schwebelage bei einer Vorleistungspflicht reagiert, bei welcher der BGH ebenfalls bereits früher einen Rücktritt zuließ.874 Ein Abrücken von dem nicht weniger anerkannten Rücktritt in Folge der Nichtbeantwortung einer Erklärungsaufforderung war mit § 323 IV BGB ersichtlich nicht beabsichtigt.875 Schließlich sah sich auch der BGH in einem Urteil jüngeren Datums dazu veranlasst, obiter auf die Beibehaltung dieser Rechtsprechung hinzuweisen. Danach ist es „anerkannt, dass der Gläubiger für den Fall, dass bereits vor Fälligkeit der Leistung ernsthafte Zweifel an der Leistungsfähigkeit oder der Leistungswilligkeit des Schuldners bestehen, ein schützenswertes Interesse daran hat, Klarheit über den Vertrag zu erlangen. Jedenfalls nach der zu § 326 I BGB a. F. ergangenen Rspr. kann der Gläubiger deshalb dem Schuldner vor Fälligkeit der Leistung eine angemessene Frist zur Erklärung eigener Leistungsbereitschaft und zum Nachweis fristgerechter Erfüllung des Vertrags setzen, wenn die rechtzeitige Erfüllung durch Hindernisse ernsthaft in Frage gestellt ist, die im Verantwortungsbereich des Schuldners liegen, und dem Gläubiger ein weiteres Zuwarten nicht zuzumuten ist. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist kann er vom Vertrag zurücktreten.“876

Kommt der Schuldner einer solchen Erklärungsaufforderung nicht nach oder fällt die Erklärung gar negativ aus, so rechtfertigt dies deshalb eine Korrektur 871

BGH Urt. v. 29.4.1970, VIII ZR 120/68 = WM 1970, 791. Zwar äußert sich die Begründung hierzu nicht expressis verbis, doch genügt insofern die in BT-Drucks. 14/6040, 186 angestrebte Kodifikation bisherigen Rechts. 873 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 137; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 225 ff.; zweifelnd Voit, in: FS Koeble (2010) S. 225 [230]. 874 BT-Drucks. 14/6040, 180. 875 Weidt (2008) S. 146. 876 BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3715]. 872

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

der ursprünglich nicht den strengen Anforderungen des § 323 IV BGB gerecht werdenden Prognose dahingehend, dass nunmehr von offensichtlicher Nichterfüllung ausgegangen werden kann.877 Einschränkend ist lediglich zu fordern – der BGH lässt insofern bedauerlicherweise genauere Konturen vermissen –, dass der Gläubiger in der Aufforderung seine die Zweifel schaffenden Gründe substantiiert darlegt und dem Schuldner die mögliche Ausübung des Rücktrittsrechts ankündigt.878 Anderenfalls bliebe es dabei, dass der Gläubiger den Schuldner mit der Vertragsumsteuerung trotz bloß begründeter Zweifel mit dem Rücktritt „überrascht“.879 Dagegen setzt die nunmehr verschuldensunabhängige Ausgestaltung des Rücktrittsrechts freilich nicht weiter voraus, dass in Abweichung zur früheren Rechtsprechung die Besorgnis des Gläubigers aus dem Verantwortungsbereich des Schuldners herrührt.880 Insofern sind die Ausführungen des BGH daher als lediglich unreflektierte Wiedergabe der früheren Rspr. zu verstehen, wenn es darauf ankommen soll, dass die Hindernisse „im Verantwortungsbereich des Schuldners liegen“. Auch eine Ablehnungsandrohung, wonach der Gläubiger nach fruchtlosem Fristablauf die Annahme ablehne, sieht § 323 BGB nicht mehr vor.881 Das so begründete Rücktrittsrecht fügt sich widerspruchsfrei in § 323 IV BGB ein, indem nunmehr die Offensichtlichkeit bejaht werden kann, wobei sich das Recht zur Erklärungsaufforderung aus einer analogen Anwendung der §§ 321 II, 323 BGB ergibt.882 Ähnlich wie die dort geregelte Fristsetzung muss die Erklärungsaufforderung dem Schuldner als geschäftsähnliche Handlung zugehen, § 130 BGB.883 Der Rücktritt hängt sodann nach § 323 IV BGB jedoch weiterhin von der hypothetischen Prüfung der Rücktrittsvoraussetzungen ab. Schließlich befreit die begründete Erklärungsaufforderung allein von den strengen Prognoseanforderungen des § 323 IV BGB. Lediglich nach vereinzelt

877

Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 139; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 226. Ramming, ZGS 2003, 209 [210]; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 139. 879 Vgl. dazu bereits BGH Urt. v. 10.12.1975, VIII ZR 147/74 = NJW 1976, 326 [326]. 880 Weidt (2008) S. 145; so noch etwa BGH Urt. v. 21.10.1982, VII ZR 51/82 = NJW 1983, 989 [990]. 881 Zu dieser Einschränkung der Erklärungsaufforderung unter § 326 BGB a. F. analog, BGH Urt. v. 29.4.1970, VIII ZR 120/68 = WM 1970, 791 [793]. 882 BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 226 ff.; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 139; für die dogmatische Verortung in §§ 323 I und 281 I BGB, Weidt (2008) S. 146; vgl. ferner zum Schadensersatz für eine Frist zur Erklärung der Leistungsbereitschaft analog § 281 I 1 BGB, Faust, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 121; offen gelassen von MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 137. 883 Ramming, ZGS 2003, 209 [210]. Zur Rechtsnatur der Fristsetzung, Palandt/Grüneberg (2019) § 281 Rn. 9; für die Annahme einer Willenserklärung, BGH Urt. v. 29.5.1991, VIII ZR 214/90 = NJW 1991, 2552 [2553]; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 50. 878

V. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung

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gebliebener Auffassung soll sich ein originäres Recht zur Erklärungsaufforderung aus §§ 324, 282 BGB ergeben.884 Dabei wird jedoch übersehen, dass diese Normen nur nicht-leistungsbezogene Nebenpflichten i. S. d. § 241 II BGB erfassen.885 Der Gläubiger will indessen Zweifel in Bezug auf die Leistungspflichten des Schuldners klären, sodass diese Normen hier nicht passen.886 Selbst der BGH hat unter Geltung des alten Schuldrechts das Klärungsrecht deshalb „in rechtsähnlicher Anwendung“ § 326 BGB a. F. entnommen und sich insofern nicht etwa auf die positive Vertragsverletzung zurückgezogen.887 3. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung im Vorfeld einer Insolvenz Zweifelt ein Gläubiger an der Solvenz seines Schuldners und möchte er daraus entsprechende Rechte ableiten, sieht er sich regelmäßig mit dem Problem konfrontiert, dass sich mangels Einsichtnahmemöglichkeiten in den schuldnerischen Geschäftsbetrieb nur schwer eine eindeutige Prognose über die Überwindung der Krise durch den Schuldner treffen lässt. Dass die Anknüpfung an die Kenntnis um eine drohende Insolvenz aus Sicht des Vertragspartners mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein kann, belegt bereits die Anwendung der auf diese Kenntnis rekurrierenden Normen wie § 133 I 2 InsO bzw. § 3 I 2 AnfG in der Praxis. Schließlich unterliegen diese Normen angesichts einer notorisch um Rechtssicherheit bemühten Gesetzgebung einem ständigen Wandel.888 Abgesehen von den zusätzlichen, durch ein potentielles Verwalterwahlrecht heraufbeschworenen Unsicherheiten bei einer Vertragsumsteuerung gestützt auf § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG wegen drohender Insolvenz, erweist sich daher schon die Prognose der künftigen Verfahrenseröffnung als schwierig. Umgekehrt kann die bloße Aussicht auf eine Vermögensverschlechterung auf Seiten des Schuldners eine Vertragsumsteuerung allerdings ebenso wenig rechtfertigen, wie ein Gläubiger auch außerhalb der Insolvenz nicht dazu

884

So Ramming, ZGS 2003, 209 [209 f.], der sich zusätzlich auf § 314 BGB beruft und selbst einräumt, dass der Rechtsgedanke des § 323 naheliegt, „da sich die Zweifel auf die Erbringung der Leistung“ beziehen. 885 Vgl. dazu BT-Drucks. 14/6040, 125 f., Grigoleit, FS Canaris Bd. I (2007) 275 [279 f.]; Staudinger/Olzen (2015) § 241 BGB Rn. 153 ff.; teilw. abweichend MüKoBGB/Bachmann (2016) § 241 Rn. 48 ff.; vgl. ferner HK-BGB/Schulze (2017) § 241 Rn. 4; Jauernig/Mansel (2015) § 241 Rn. 10. 886 Weidt (2008) S. 146. 887 BGH Urt. v. 10.12.1975, VIII ZR 147/74 = NJW 1976, 326 [326]; BGH Urt. v. 6.10.1976, VIII ZR 66/75 = NJW 1977, 35 [36]. 888 Vgl. zuletzt den Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz, BT-Drucks. 18/7054. Monographisch dazu, Schwartz (2013) S. 48 ff.

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

berechtigt ist, wegen bloßer Zweifel an der künftigen vertragsmäßigen Leistung Sekundärrechte auszuüben.889 Nachdem auch eine an den vorläufigen Verwalter gerichtete Aufforderung selbst dann nicht die Wirkung des § 103 II 3 InsO entfaltet, wenn dieser mit dem späteren Verwalter personenidentisch ist, weil § 103 InsO schlechterdings vor Verfahrenseröffnung keine Anwendung findet,890 erweist sich daher die Frage von besonderer Bedeutung, ob der Vertragspartner auch im Umfeld einer Insolvenz ein Recht zur Klärung der Vertragstreue mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen im eben beschriebenen Sinne hat. Von einem solchen Recht zur Klärung der Leistungsgefährdung mit der daraus folgenden Indizwirkung scheint Gsell auch im Umfeld einer Insolvenz auszugehen.891 Danach könne ein Gläubiger den Schuldner unter Nachfristsetzung auffordern, eine Erklärung über seine Vertragstreue abzugeben, wenn sich die Erfüllungsgefährdung unterhalb der Offensichtlichkeitsschwelle bewegt, der Gläubiger jedoch immerhin berechtigten Anlass zu Zweifeln an der künftigen vertragsgemäßen Leistung hat. Dabei sei im Fall einer Insolvenz lediglich zu berücksichtigen, dass der Verwalter sich unter den Voraussetzungen des § 107 II InsO erst nach dem Berichtstermin über die Ausübung seines Wahlrechts aus § 103 InsO erklären braucht.892 Würde man eine solche Erklärungsaufforderung somit immerhin außerhalb der Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts je nach Reichweite der Befugnisse eines vorläufigen Verwalters entweder an diesen oder an den Schuldner selbst gerichtet zulassen, liefe dies de facto indessen auf eine Vorverlagerung des sich aus § 103 II 2 InsO ergebenden Rechts auf den Zeitraum noch vor Verfahrenseröffnung hinaus. Denn selbst wenn an eine darauffolgende Negativerklärung nicht die bindende Rechtsfolge des § 103 II 3 InsO geknüpft wird, sondern daraus lediglich ein Vertragsumsteuerungsrecht aus § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG resultiert, würde die Ausübung jenes Vertragsumsteuerungsrechts dazu führen, dass ein späterer Verwalter die Umgestaltung hinzunehmen hätte und nicht mehr Erfüllung wählen könnte. Trotz der allesamt zutreffenden Argumente der h. M. zur fehlenden Anwendbarkeit von § 103 InsO vor Verfahrenseröffnung stößt ein solches Recht zur Erklärungsaufforderung dennoch auf keine grundlegenden Bedenken. Die Beschränkung von § 103 InsO auf den Zeitraum nach Verfahrenseröffnung

889

Vgl. Brechtel, ZInsO 2017, 1144 [1145]. Ganz h. M., vgl. nur BGH Urt. v. 8.11.2007, IX ZR 53/04 = NZI 2008, 36 [37]; BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 261/15 = NZI 2018, 111 [112]; Pape, in: Kölner Schrift zur InsO (2009) S. 353 [360 f.]; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 45; vgl. ferner bereits die Ausführungen zur fehlenden Bindung durch § 103 II InsO bei Erklärungen des vorläufigen Verwalters, Kap. 4 IV. 3. c) aa) (1). 891 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 139. 892 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 139. 890

V. Recht auf Klärung der Leistungsgefährdung

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folgt aus dem Wortlaut der Norm sowie deren systematischer Stellung und beruht darauf, dass damit der sich erst im eröffneten Verfahren aus dem Aufeinandertreffen von Äquivalenz- und Verlustprinzip ergebende Konflikt gelöst wird, welcher aus der haftungsrechtlichen Einordnung als Insolvenzgläubiger im status quo der Verfahrenseröffnung folgt.893 Nachdem letztere Sachfrage vor Verfahrenseröffnung nicht betroffen ist, lässt sich auch in diesem Zusammenhang der Norm des § 103 InsO keine vorgreifliche Sperrwirkung entnehmen, die einem Erklärungsaufforderungsrecht des Gläubigers bei berechtigten Zweifeln an der künftigen Leistungserbringung im Wege stehen würde. Da sich das Erklärungsaufforderungsrecht des Gläubigers vor Verfahrenseröffnung somit nicht aus § 103 II 2 InsO ergibt, müssen allerdings umgekehrt auch die tatbestandlichen Anforderungen des auf dem schuldrechtlichen Klärungsmechanismus fußenden Aufforderungsrechts beachtet werden. Während der Gesetzgeber nämlich bei § 103 II InsO bereits die aus der Verfahrenseröffnung resultierende Unsicherheit für ein entsprechendes Erklärungsaufforderungsrecht genügen lässt,894 genügen außerhalb des eröffneten Verfahrens isoliert solvenzbezogene Zweifel an der Leistungsfähigkeit nicht. Denn sowohl Art. 71 I CISG verlangt über die Zweifel an der Kreditwürdigkeit hinaus die Besorgnis, dass die andere Partei einen – wenn auch nicht zwingend i. S. v. Art. 25 CISG – wesentlichen Teil ihrer Pflichten aus dem Vertrag nicht erfüllen wird,895 als auch das auf die analoge Anwendung der §§ 321 II, 323 BGB gestützte Aufforderungsrecht setzt voraus, dass der Gläubiger ernsthafte Zweifel an der das konkrete Vertragsverhältnis betreffenden Leistungsfähigkeit hat.896 Das bedeutet für das Erklärungsaufforderungsrecht vor Verfahrenseröffnung eine Einschränkung dahingehend, dass der Gläubiger substantiiert darlegen muss, dass er aufgrund der Krise des Schuldners an der Erfüllung jener konkreten Leistungspflicht zweifelt. Da der Zwang zur Kommunikation lediglich das Prognoserisiko des Gläubigers mindert, genügen vergleichbar mit den für § 323 IV BGB und Art. 72 CISG geltenden Tatbestandsanforderungen im Umfeld einer drohenden Insolvenz lediglich solvenzbezogene Zweifel hierfür nicht. Stützt der Gläubiger seine Zweifel jedoch etwa darauf, dass der Schuldner bereits im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung bereits fälligen Zahlungspflichten nicht Folge leisten konnte,897 und treten weitere Umstände

893 Vgl. dazu die Ausführungen zum Fundamentaldissens um den § 103 InsO zugrundeliegenden Normzweck bei der Kritik an der Suspensivtheorie, Kap. 3 I. 3. a) bb). 894 BT-Drucks. 12/2443, 145. 895 BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 71 Rn. 18 ff.; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 71 Rn. 6 f. 896 BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = NJW 2012, 3714 [3715]; Ramming, ZGS 2003, 209 [210]; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 139. 897 Vgl. zu Art. 72 CISG, United States District Court, Southern District of New York Urt. v. 29.5.2009, 08 Civ. 1587 = CISG-online No. 1892. Vgl. ferner LG Berlin Urt.

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

hinzu, die eine Verfahrenseröffnung über das schuldnerische Vermögen nahelegen, kann der Gläubiger verlangen, dass sich der Schuldner über die weitere Leistungsfähigkeit erklärt. Gelingt es dem Schuldner bzw. einem vorläufigen Verwalter sodann nicht, die berechtigten Zweifel des Gläubigers zu zerstreuen, wird dies häufig eine Korrektur der für § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG erforderlichen Prognose rechtfertigen, wonach nunmehr von einer offensichtlichen Nichterfüllung ausgegangen werden kann. Ein Grund, weshalb der Gläubiger hier schlechter stehen sollte als außerhalb einer drohenden Insolvenz des Schuldners, ist nicht ersichtlich. Umgekehrt kann der Schuldner oder vorläufige Verwalter die lediglich berechtigten Zweifel des Gläubigers jedoch auch dadurch zerstreuen, dass der Leistungsaustausch des konkreten Vertrags selbst im Insolvenzfall nicht offensichtlich bedroht ist, weil der Leistungsaustausch zur Erhaltung des Betriebs notwendig und eine Erfüllungswahl nach § 103 I InsO mithin wahrscheinlich ist.

VI. Ausübung und Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit VI. Ausübung und Rechtsfolgen

1. Pflicht zur Ankündigung der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit Spiegelbildlich zu dem Recht des Gläubigers, den Schuldner zu einer Erklärung über die Leistungsgefährdung aufzufordern, stellt sich sowohl im UN-Kaufrecht als auch im BGB die Frage, ob den Gläubiger eine Pflicht trifft, die Vertragsumsteuerung nach Art. 72 CISG bzw. § 323 IV BGB vor deren Ausübung anzuzeigen. Sofern eine solche Pflicht existiert, schließt sich dem die Frage an, welche Folgen sich aus einer Verletzung derselben ergeben und inwiefern die Wirksamkeit der Erklärung der Vertragsumsteuerung davon berührt wird. Die rechtliche Würdigung dieser damit aufgeworfenen Sachfragen wird indessen nicht durch Besonderheiten der drohenden Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beeinflusst, sodass die folgenden Ausführungen auch im Umfeld einer Insolvenz zum Tragen kommen. a) Die Notifizierungspflicht des Art. 72 II CISG aa) Inhalt und Grenzen der Notifizierungspflicht In der Entwurfsfassung von 1978 beschränkte sich Art. 63 als Vorläufer des heutigen Art. 72 CISG noch auf den Absatz: „If prior to the date for perfor-

v. 30.9.1992, 99 O 123/92 = CISG-online No. 70, wo sich die maßgeblichen Umstände ebenfalls aus Verfehlungen der Zahlungspflichten vorheriger Geschäftsbeziehungen ergaben.

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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mance of the contract it is clear that one of the parties will commit a fundamental breach, the other party may declare the contract avoided.“898 In Fällen solcher sonstigen Leistungsgefährdungen erschien die allein auf eine Prognose gestützte Vertragsaufhebung indessen unangemessen, selbst wenn der Eintritt einer wesentlichen Vertragsverletzung offensichtlich ist.899 Später wurde daher für sonstige Leistungsgefährdungen in Absatz 2 die heutige Notifizierungspflicht mit der Möglichkeit der Abwendung der Vertragsaufhebung durch Sicherheitengewähr aufgenommen.900 Damit lassen sich insofern Parallelen zwischen der Anzeigepflicht aus Art. 72 II CISG und dem Nachfristmodell aus Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG erkennen, als der Zweck beider Ankündigungen die Einräumung einer letzten Andienungsmöglichkeit zugunsten des Schuldners ist. Gleichermaßen zielt der Regelungsmechanismus dadurch auf die Aufrechterhaltung des Vertrags ab.901 Vorbehaltlich einer Erfüllungsverweigerung kommt Art. 72 II CISG damit zur Wahrung der Interessen beider Parteien dem Schuldner entgegen. Sofern die wesentliche Vertragsverletzung offensichtlich ist, kann der Gläubiger zwar rasch seine Dispositionsfreiheit zurückgewinnen, „jedoch nicht ohne dass der Schuldner die Chance hat, seine Leistungsbereitschaft unter Beweis zu stellen.“902 Nach Art. 72 II CISG hat die vertragstreue Partei die Vertragsaufhebung anzuzeigen, wenn „es die Zeit erlaubt und es nach den Umständen vernünftig ist“. Allerdings lädt diese deutsche, von den amtlichen Fassungen abweichende Formulierung durch deren sinnentstellenden Wortlaut zu vom Tatbestand der Norm nicht mehr gedeckten Interpretationen ein.903 So wurde hieraus geschlossen, Art. 72 II CISG knüpfe das Bestehen der Anzeigepflicht an zwei Voraussetzungen, indem neben der zeitlichen Möglichkeit zusätzlich nur dort Raum für die Anzeige sei, wo es vernünftig ist, durch die Anzeige das Verfahren zur

898 1978 Draft Convention on Contracts for the International Sale of Goods approved by the United Nations Commission on International Trade (Document A/Conf.97/5) (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 382 ff.). 899 Vgl. zur Entstehung des Art. 72 CISG den Einwand Shafiks (Ägypten) bei den Beratungen des 34. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 419. 900 Vgl. den Vorschlag der hierzu eingesetzten ad-hoc-Arbeitsgruppe, Report of the first Committee – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 131, der im 38. Meeting des First Committee unverändert mit der erforderlichen Mehrheit angenommen wurde, vgl. United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 432 f. 901 Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [31 f.]. 902 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 4. 903 Eingängig hierzu, Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 13 ff.

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Stellung von Sicherheiten einzuleiten.904 Richtigerweise berühren solche Umstände das Bestehen der Anzeigepflicht nicht. In der amtlichen Fassung beschränkt sich Art. 72 II CISG nämlich auf: „If time allows, the party intending to declare the contract avoided must give reasonable notice to the other party […]“ bzw. „Si elle dispose du temps nécessaire, la partie qui a l’intention de déclarer le contrat résolu doit le notifier à l’autre partie dans des conditions raisonnables pour lui […].“ Die deutsche Fassung greift die Begriffspaare „reasonable notice“ und „conditions raisonnables“ fälschlicherweise im Zusammenhang mit dem Pflichten konstituierenden Zeitmoment auf und lässt damit anklingen, dass die Anzeigepflicht nur besteht, wenn die Anzeige zusätzlich nach den Umständen vernünftig ist. Tatsächlich bezieht sich das Begriffsmerkmal aber nicht auf das Bestehen der Anzeigepflicht, sondern vielmehr dergestalt auf die Anzeige selbst, als sie substantiiert zu erfolgen hat.905 Dementsprechend war auch in den Konferenzberatungen lediglich die Einschränkung „if time allows“ Gegenstand einer kontroversen Diskussion, da allein hiervon das Bestehen der Anzeigepflicht abhängen sollte. Allein mit Blick auf diese zeitliche Komponente wurden – wenn auch ohne Erfolg – Bedenken geäußert, weil diese Tatbestandseinschränkung leicht einer missbräuchlichen Verwendung zugänglich sei.906 Dieses Missbrauchspotential wurde demgegenüber zu keinem Zeitpunkt den Begriffen „reasonable notice“ und „conditions raisonnables“ beigemessen. Das lässt den Schluss zu, dass eine Beschränkung der Anzeigepflicht damit nicht verbunden ist. Letztlich leuchtet auch nicht ein, warum ein Tatbestandsmerkmal, das die Anforderungen an die Anzeige präzisiert, zugleich eine Aussage über das Bestehen der Anzeigepflicht selbst treffen soll. Aus den Begriffen „reasonable notice“ und „conditions raisonnables“ ergibt sich, dass die Anzeige so formuliert sein muss, dass sie ihren Zweck erfüllt, d. h., dass sie dem Schuldner ermöglicht, für die Erfüllung seiner Pflichten ausreichende Sicherheit zu bieten. Daraus werden jedoch mit Blick auf die Anzeigepflicht unterschiedliche Schlüsse gezogen. Während gestützt auf diese Zweckrichtung im überwiegenden Schrifttum nämlich angenommen wird, bei Zwecklosigkeit entfalle die Anzeigepflicht als nutzlose Förmlichkeit,907 soll

904 Herber/Czerwenka (1991) CISG Art. 72 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Hornung CISG 4. Aufl. (2004) Art. 72 Rn. 15; dagegen nun Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 23 f. 905 Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [30]; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 22. 906 Deshalb sprachen sich die Vertreter Chinas, Ghanas und Ägyptens für die Streichung des Ausdrucks „if time allows aus“, vgl. United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 433. Vgl. ferner Strub, Int & Comp. L. Q. (1989), 475 [499]. 907 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 619; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013)

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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auch dieser Fall nach teilweise vertretener Auffassung vom amtlichen Wortlaut des Art. 72 II CISG nicht erfasst sein.908 Zwecklosigkeit sei danach etwa anzunehmen, wenn die Abhilfe oder (ausreichende) Sicherheitenstellung nicht (rechtzeitig) erwartet werden kann oder bei rapiden Preisveränderungen.909 Richtigerweise befreit jedoch nur die zeitliche Komponente von dem Anzeigeerfordernis. Weitere Ausnahmen sind vom amtlichen Wortlaut neben Art. 72 III CISG nicht gedeckt. Art. 72 II CISG will gerade die Kommunikation der Parteien forcieren, um Klarheit zu schaffen.910 Ob die Anzeige „nutzlose Förmlichkeit“ wäre, entzieht sich meist der Kenntnis des Gläubigers, sodass der mit Art. 72 II CISG verfolgte Missbrauchsschutz ausgehebelt wird.911 Der mit Art. 72 II CISG verfolgte Missbrauchsschutz spiegelt sich somit bei der Begründung der Anzeigepflicht wieder, indem eine Ausnahme nur zulässig ist, sofern die Zeit eine Anzeige nicht erlaubt. bb) Folgen unterlassener Anzeige durch den Gläubiger Ganz überwiegend wird im deutschsprachigen Schrifttum angenommen, das Unterlassen der Anzeige trotz Bestehen der Anzeigepflicht könne allein Schadensersatzansprüche begründen.912 Nur vereinzelt wird der Anzeige nach Art. 72 II CISG tatsächlich konstitutive Wirkung für das Aufhebungsrecht beigemessen.913 Eine Begründung, warum die Verletzung der Anzeigepflicht des Art. 72 II CISG trotz deren systematischer Stellung allein zu Schadensersatzansprüchen führen soll – für die zusätzlich der betroffene Schuldner als Anspruchsteller beweispflichtig ist – bleibt die herrschende Literatur dabei meist schuldig. Allein der Befund, im common law seien „unberechtigte Vertragsbe-

Art. 72 Rn. 23 ff.; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 13; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 15; Kiene (2010) S. 231; Achilles/Achilles (2000) CISG Art. 72 Rn. 4. 908 Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 15; krit. ferner Strub, Int&Comp.L.Q. (1989), 475 [500]; Vanwijck-Alexandre, IBLJ 2001, 353 [370 f.]. 909 Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 10; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 619; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 23. 910 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 17. 911 Vgl. hierzu ausführlich, Strub, Int&Comp.L.Q. (1989), 475 [498 f.]. 912 Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 461; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 16; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 18; Brunner/Altenkirch (2014) CISG Art. 72 Rn. 9; Herber/Czerwenka (1991) CISG Art. 72 Rn. 4; Soergel/Lüderitz/Dettmeier CISG (2000) Art. 72 Rn. 14; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 21 f.; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 28; nun auch Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 9. 913 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 19 f.; dem folgend BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 72 Rn. 6; BeckOGK/Schmidt-Ahrendts CISG Art. 72 Rn. 23.

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endigungen grundsätzlich wirksam, verpflichten jedoch zum Schadensersatz“,914 hat für das CISG keine unmittelbare Aussagekraft. Ganz im Gegenteil ist dort die unberechtigte Aufhebungserklärung unwirksam915 und schafft ihrerseits ein Recht zur Vertragsaufhebung der anderen Partei.916 Es kommt daher entscheidend darauf an, ob das Unterlassen der Anzeige die Berechtigung zur Vertragsaufhebung entfallen lässt. Insofern können sich die Anhänger der Auffassung, wonach die Ausübung der Anzeige konstitutive Wirkung entfaltet, zwar darauf berufen, dass es dem Zweck von Art. 72 II CISG widerspräche, „nämlich dem Schuldner die Chance zur Aufrechterhaltung des Vertrags zu gewähren, wenn die Aufhebung trotz unterbliebener Anzeige wirksam wäre, obwohl dem Schuldner damit genau diese Chance genommen würde.“917 Zudem scheint nur diese restriktive Lesart auch im Einklang mit der Zurückdrängung der Vertragsaufhebung im UNKaufrecht zu stehen.918 Dies setzt allerdings die Prämisse voraus, dass eine solche Zweckerreichung nicht bereits effektiv mit einer bloßen Schadensersatzverpflichtung erreicht wird. Davon scheinen die Verfasser des UN-Kaufrechts indessen gerade ausgegangen zu sein. Die „Anzeige ist nicht als Voraussetzung für die Vertragsaufhebung ausgestaltet, sondern eben als Anzeigepflicht.“919 Dies wird auch von den Konferenzmaterialien getragen. Die Einfügung von Art. 72 II CISG wurde von der ägyptischen Delegation angestoßen, die ausführte, „it would be greatly preferable to provide an opportunity for the party in default to re-establish himself.“920 Es ging bei der Schaffung von Art. 72 II CISG also weniger darum, das Aufhebungsrecht an weitere Voraussetzungen zu knüpfen, als primär um die Gewährung einer Abwendungsmöglichkeit zu Gunsten des Schuldners, um es wieder entfallen zu lassen. Dies spiegelt sich im Wortlaut von Art. 72 CISG wieder. Die Anzeige gegenüber der anderen Partei erfolgt, (amtl.: „in order to permit him to provide adequate assurance of his performance“/„pour lui permettre de donner des assurances suffisantes de la bonne exécution de ses obligations“) „um ihr zu ermöglichen, für die Erfüllung ihrer Pflichten ausreichende Gewähr zu geben.“ Im Vergleich dazu wurde 914

Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 18. Das ergibt sich eindeutig aus dem Sekretariatskommentar (Document A/Conf. 97/5), p. 54: “If at the time performance was due no fundamental breach would have occurred in fact, the original expectation may not have been "clear" and the declaration of avoidance itself be void.” [Herv. d. Verf.]. Vgl. ferner OLG Frankfurt a.M. Urt. v. 24.3.2009, 5 U 214/05 = CISG-online No. 2165. 916 Vgl. nur Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 18 dort Fn. 34. 917 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 20. 918 Vgl. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 616; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Saidov CISG (2018) Art. 72 Rn. 18. 919 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 22. 920 Vgl. die Beratungen des 34. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 419 [Herv. d. Verf.]. 915

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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in Artt. 49 I lit. b und 64 I lit. b CISG eine anderslautende konditionale Formulierung gewählt. Funktionell verfolgt die „Anzeige“ zwar hier wie dort die Aufgabe der Aufrechterhaltung des Vertrags durch Einräumung einer finalen Abwendungsmöglichkeit zugunsten des Schuldners.921 Die Anzeige wurde jedoch nicht mit dem Tatbestand des Art. 72 I CISG verflochten, da sie keine Voraussetzung des Vertragsaufhebungsrechts ist, sondern weil dieses Recht vielmehr umgekehrt wieder entfallen kann, wenn der Schuldner Sicherheiten leistet. Die Anzeige erfüllt damit nur eine der Abwendung durch Sicherheitenstellung dienende Funktion. Nach alledem ist der Gläubiger bei unterlassener Anzeige nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der nicht entstanden wäre, wenn die Anzeige erfolgt wäre.922 b) Keine Pflicht zur Klärung der Vertragstreue vor Fälligkeit im Rahmen des § 323 IV BGB Anders als Art. 72 II CISG enthält § 323 IV BGB keine explizite Pflicht zur vorherigen Anzeige der Vertragsumsteuerung. Während das UN-Kaufrecht hierauf nach Art. 72 III CISG nur im Falle einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung verzichtet, sieht § 323 IV BGB keinerlei Einschränkungen vor. Dementsprechend stellt sich im BGB nicht die Frage der Folgen einer unterlassenen Ankündigung. Der Gläubiger kann vielmehr bereits dann zurücktreten, wenn der Eintritt der Voraussetzungen des Rücktritts offensichtlich ist. Das Absehen von einer entsprechenden Angleichung an das UN-Kaufrecht verwundert indessen nicht zuletzt deshalb, weil der um die Erhaltung der Vertragsbindung bemühte Reformgesetzgeber eine dem CISG im Ergebnis gleichende Vorschrift schaffen wollte.923 Zudem scheint der Gesetzgeber damit einer noch zum früheren Schuldrecht gefestigten Rechtsprechungslinie entgegenzutreten – obwohl mit § 323 IV BGB ebenso allein der in Rechtsprechung und Literatur seit langem anerkannte Rücktritt auch schon vor Fälligkeit gesetzlich verankert werden sollte.924 So hat der BGH in einer Entscheidung zum früheren Recht ausgeführt: „Nach der genannten Entscheidung hat zwar bei einer als positiver Vertragsverletzung zu wertenden Erfüllungsverweigerung der Gläubiger den Schuldner, der sein ‚letztes Wort‘ noch nicht gesprochen hatte, in rechtsähnlicher Anwendung des § 326 BGB zur Erklärung

921

Vgl. Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [32]. Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 461; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 16; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 18; Brunner/Altenkirch (2014) CISG Art. 72 Rn. 9; Herber/Czerwenka (1991) CISG Art. 72 Rn. 4; Soergel/Lüderitz/Dettmeier CISG (2000) Art. 72 Rn. 14; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 21 f.; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 28; nun auch Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 9. 923 BT-Drucks. 14/6040, 186. 924 BT-Drucks. 14/6040, 186. 922

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aufzufordern, ob er fristgemäß leisten werde. Das wird mit der Erwägung gerechtfertigt, daß dem Gläubiger in dem Fall, daß eine fristgemäße Leistung fraglich ist, nicht zugemutet werden kann, bis zur Fälligkeit der Leistung zuzuwarten und erst dann nach § 326 BGB vorzugehen und daß andererseits der Schuldner, der die Leistung nicht endgültig verweigert hatte, nicht durch den Rücktritt des Gläubigers überrascht werden darf.“925

Der BGH differenzierte mithin bezogen auf das Erfordernis einer Erklärungsaufforderung in ähnlicher Weise, wie es Art. 72 II und III CISG vorsieht. Denn in der Entscheidung wurde ebenso zwischen einer Erfüllungsverweigerung und sonstigen drohenden Leistungshindernissen unterschieden. Wie auch Art. 72 II CISG nahm der BGH in Analogie zu § 326 BGB a. F. an, dass der Gläubiger bei einem Rücktritt vor Fälligkeit zunächst eine Erklärung über die fristgemäße Leistung einholen muss, sofern keine vorzeitige endgültige Erfüllungsverweigerung vorliegt. Damit sollte das schuldnerische Interesse berücksichtigt werden, nicht mit dem Rücktritt „überrascht“ zu werden.926 Eine vorherige Androhung ist bei einem Rücktritt vor Fälligkeit nunmehr jedoch nicht im Gesetz vorgesehen und kann deshalb nicht contra legem zur Voraussetzung des Rücktritts gemacht werden.927 Anders als nach Art. 72 II CISG ist der Gläubiger nicht gehalten, den Rücktritt anzuzeigen.928 Selbst bei sonstigen Leistungsgefährdungen kann dementsprechend anders als nach früherem Recht von einer Pflicht zur Kontaktaufnahme für die Annahme eines Rücktritts vor Fälligkeit nicht mehr die Rede sein. Es scheint allenfalls im Interesse des mit dem Prognoserisiko belasteten Gläubigers zu sein, vor dem Rücktritt mit dem Schuldner Kontakt aufzunehmen, um Prognoserisiken vorzubeugen.929 2. Die Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts a) Vertragsaufhebung gem. Art. 26 CISG und Ablehnung der ipso facto-Aufhebung Liegen die Voraussetzungen des Aufhebungsrechts vor, bedarf es zur Ausübung jenes Rechts zwingend einer, wenn auch formlosen Erklärung, Art. 72 I 925

BGH NJW 1978, 260 [261] [Herv. d. Verf.]. Allerdings ging der BGH im Anschluss unter Betonung der Gewichtigkeit des Vertrauenspflichtverstoßes über diese Einschränkung hinaus: „Das gilt indessen nicht, wenn infolge Verstoßes des Schuldners gegen die Leistungstreuepflicht das Vertrauen des Gläubigers in eine vertragsgemäße Erfüllung zerstört ist. Denn dieser Vertrauensschwund kann auch durch eine Nachfristsetzung nicht behoben werden. In einem derartigen Fall darf sich daher der Gläubiger in der Regel ohne Einhaltung des in § 326 BGB vorgesehenen Weges vom Vertrage lösen.“ BGH Urt. v. 19.10.1977, VIII ZR 42/76 NJW 1978, 260 [261] m. w. N zur Rspr. 927 Missverständlich daher OLG Brandenburg BeckRS 2016, 09264 Rn. 69. 928 Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. B 162; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 129. 929 Prütting/Wegen/Weinreich/Stürner (2018) § 323 Rn. 9. 926

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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CISG.930 Dabei finden die Artt. 26 und 27 CISG Anwendung.931 Die Aufhebungserklärung wird daher bereits mit deren Absendung wirksam.932 Die Erklärung ist damit nicht zugangsbedürftig, sondern es genügt, wenn diese zugangsfähig ist.933 Im Umfeld einer drohenden Insolvenz ist die Erklärung bei Einschaltung eines vorläufigen Verwalters je nach Ausgestaltung von dessen Befugnissen, dh. je nachdem ob ein starker oder schwacher vorläufiger Verwalter vorliegt, an diesen bzw. an den Schuldner abzusenden. Dem Gläubiger ist dort deshalb zu raten, die Vertragsumsteuerung sowohl gegenüber dem vorläufigen Verwalter als auch gegenüber dem Schuldner zu erklären. Im Übrigen gelten für die auf Art. 72 CISG gestützte Erklärung keine Besonderheiten. Erst diese Erklärung führt sodann zur Umwandlung des Vertrags in ein Rückabwicklungsverhältnis und zur Befreiung beider Parteien von ihren Vertragspflichten, Art. 81 CISG. Die Erklärung der Vertragsaufhebung ist von der Anzeige nach Art. 72 II CISG zu unterscheiden und muss dementsprechend auch bei einer Erfüllungsverweigerung erklärt werden. Vor diesem Hintergrund kann die vereinzelt gebliebene Annahme Stolls nur verwundern, wonach es im Falle einer Erfüllungsverweigerung wegen einer Verwirkung des Erfüllungsrechts nicht zutreffe, dass „die andere Partei erst und nur mit Aufhebung des Vertrags nach Art 76 EKG oder Art. 72 UN-WKG – die nach Art. 26 UN-WKG dem Vertragspartner mitgeteilt werden muß – ihre Dispositionsfreiheit wiedererlangt […]. Nach Art. 78 EKG und Art. 81 UN-WKG bewirkt zwar die Aufhebung des Vertrages, daß beide Parteien von ihren Vertragspflichten befreit werden mit Ausnahme einer etwaigen Schadensersatzpflicht. Es wird aber nicht vorgeschrieben, daß diese Rechtsfolge allein bei Aufhebung des Vertrages eintreten kann.“934

930 Dabei gilt Art. 29 CISG nur für die einvernehmliche Vertragsaufhebung, die nach der oben abgelehnten Konsensualtheorie bei einer Erfüllungsverweigerung gerade nicht anzunehmen ist. Nur für vertragliche Abreden stellt die Norm in Abweichung zum anglo-amerikanischen Recht klar, dass eine Vertragsaufhebung dort formfrei möglich ist, soweit keine Schriftformklausel vorliegt, vgl. monographisch Geldsetzer (1993) S. 41 ff. und 112 ff. 931 Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 7; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 8. 932 Für ein Wirksamwerden bereits mit Absenden sprechen die Materialien des Art. 27 CISG, vgl. zu Art. 25 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 27; vgl. ferner Honsell/Gsell CISG (2009) Art. 27 Rn. 18; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 314 ff.; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 27 Rn. 22 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 11. Für den Zeitpunkt des hypothetischen Zugangs, Witz/Salger/Lorenz/Salger PK-CISG (2016) Art. 27 Rn. 18; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 27 Rn. 17. 933 Stern (1990) S. 103; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 314 und 316. Ausführlich zur Bedingungsfeindlichkeit der Aufhebungserklärung, Schroeter, in: FS Magnus (2014) S. 301 [309 ff.]. 934 Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [628].

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Gestützt werde diese Überlegung von dem aus Art. 66 CISG folgenden Umkehrschluss, wonach auch ein Untergang der Ware noch vor Gefahrübergang „offenbar“ zu einer Befreiung ohne Vertragsaufhebung führe, sodass dem Gesetz eine automatische Befreiung nicht fremd sei.935 Die Ausnahme vom Erklärungserfordernis des Art. 26 CISG bei der Erfüllungsverweigerung wird von weiteren Teilen der Lit. und Rspr. ferner damit begründet, dass ein Deckungskauf und die Schadensersatzberechnung nach Artt. 75, 76 CISG durch die vertragstreue Partei sonst von der Vertragsaufhebung abhinge, was offenbar nicht gewollt sein könne.936 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Bereits der Schluss von der nach Gefahrübergang verbleibenden Zahlungspflicht auf eine Befreiung im Falle des Untergangs vor jenem Übergang, sodass die eo ipso-Befreiung dem CISG nicht fremd sei, ist verfehlt. Hier scheint eine von der Annahme der Unmöglichkeit begleitete nationale Sichtweise unter Zugrundelegung des § 323 I BGB a. F. mitzuschwingen.937 Die Gefahrtragung des Verkäufers äußert sich im CISG vor Gefahrübergang vielmehr dadurch, dass dieser das wirtschaftliche Risiko zufälliger Verschlechterungen zu tragen hat, indem er dennoch zur Lieferung verpflichtet bleibt.938 Der Norm des Art. 66 CISG lässt sich deshalb allenfalls ein Umkehrschluss dergestalt entnehmen, wonach dem Käufer vor Gefahrübergang die Geltendmachung von Rechtsbehelfen gerade nicht verwehrt ist.939 Letztlich kann auch allein aus dem Umstand, dass in Art. 81 CISG nicht der Eintritt der Befreiung „nur“ bei Vertragsaufhebung vorgeschrieben werde, nichts anderes folgen. Das Erklärungserfordernis findet sich in sämtlichen Vertragsaufhebungsrechten und ist daher nicht durch Behauptung einer Lücke in der Rechtsfolgenregelung des Art. 81 CISG zu suchen. Die Verfasser des UNKaufrechts haben sich mit der Schaffung des Art. 26 CISG vielmehr in Abweichung zum Haager-Einheitskaufrecht insgesamt bewusst gegen eine ipso facto-

935

Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [628] dort Fn. 49. OLG Brandenburg Urt. v. 5.2.2013, 6 U 5/1 = CISG-online No. 2400; OLG München Urt. v. 15.9.2004, 7 U 2959/04 = IPRax 2005, 436 (m. Anm Huber); OLG Frankfurt Urt. v. 24.3.2009, 5 U 214/05 = IHR 2010, 250 [253]; aus der Lit. Lubbe, RabelsZ 68 (2004) 444 [462]; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 10; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 75 Rn. 8; Brunner/Bodenheimer (2014) CISG Art. 26 Rn. 6. Vgl. auch gestützt auf eine ökonomische Analyse des Rechts, Steinmetzler (2000) S. 216. 937 § 323 I HS 1 BGB a. F. lautete: „Wird die aus einem gegenseitigen Vertrage dem einen Teile obliegende Leistung infolge eines Umstandes unmöglich, den weder er noch der andere Teil zu vertreten hat, so verliert er den Anspruch auf die Gegenleistung.“ Die Norm ließ die Gegenleistungspflicht vorbehaltlich eines vorzeitigen Gefahrübergangs nach §§ 446, 447 BGB a. F. eo ipso entfallen, vgl. nur Palandt/Heinrichs (1993) § 323 Rn. 2. 938 Staudinger/Magnus (2018) CISG Vorbem Art. 66 ff. Rn. 9; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 534; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Mankowski CISG (2018) Art. 66 Rn. 3 ff. 939 Bach/Stieber, IHR 2006, 59 [62]; N. Fischer (2001) S. 294. 936

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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Aufhebung entschieden.940 Deshalb folgt auch aus den Artt. 75 und 76 CISG nichts anderes: Will der Gläubiger die Vorzüge des Deckungskaufs bzw. der dort geregelten Schadensberechnung genießen, muss er das Recht aus Art. 72 CISG ausüben.941 Treffend beschreibt Mankowski die anderslautende Sichtweise als Desavouierung der in Art. 72 CISG gewählten Konstruktion, wenn dort für die Zwecke des Art. 75 CISG die Erfüllungsverweigerung der Vertragsaufhebung gleichgesetzt wird.942 Denn Art. 72 III CISG befreit ausdrücklich nur von der Warnung nach Art. 72 II CISG, nicht aber von der Erklärung nach Art. 72 I CISG.943 Die vornehmlich in der deutschen Literatur vertretene Gegenansicht scheint auf der Übernahme zu § 326 BGB a. F. entwickelter Grundsätze zu beruhen.944 Es bedarf daher auch bei der Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit einer Erklärung der Vertragsaufhebung. Diese muss freilich auch nicht ausdrücklich als „Aufhebung“ deklariert werden, sondern kann sich aus einem Schadensersatzverlangen ergeben. b) Ausübung durch Erklärung nach § 349 BGB neben § 326 BGB Liegen die Voraussetzungen des § 323 IV BGB vor, bedarf es auch im deutschen Recht gem. § 349 BGB einer formlosen Erklärung gegenüber dem anderen Teil, um die Folgen des Rücktritts herbeizuführen. Dies gilt sowohl im Fall der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung als auch bei sonstigen Leistungsgefährdungen. Bei einem offensichtlichen Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen ist der Gläubiger zum Rücktritt berechtigt, kann jedoch auch am Erfüllungsanspruch festhalten.945 Anders als nach der zu Artt. 26, 27 CISG herrschend vertretenen Auffassung handelt es sich jedoch bei der für den Rücktritt erforderlichen Erklärung– wie im deutschen Recht üblich – um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die erst mit Zugang beim Rücktrittsgegner wirksam wird.946 940

Vgl. die Beratungen in III Yearbook, 1970 (Document A/CN.9/WG.2/WP.8), p. 41 ff. (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 83 ff.); vgl. übereinstimmend zu Art. 24 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 27; vgl. ferner OGH Urt. v. 6.2.1996, 1 Ob 518/95 = CISG-online No. 224; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 2; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 313. 941 Eingängig hierzu Schmidt-Ahrendts (2007) S. 79 ff.; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 75 Rn. 4; auch OLG Düsseldorf Urt. v. 9.7.2010, I-17 U 132/08 = IHR 2011, 116 [121] weist darauf hin, dass einer anderen Betrachtung die unzutreffende Übertragung der BGH-Rspr. zu § 326 BGB a. F. zugrundeliege; vgl. ferner OLG Düsseldorf Urt. v. 22.7.2004, I-6 U 210/03 = CISG-online No. 916; BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 75 Rn. 3; Soergel/Lüderitz/Dettmeier CISG (2000) Art. 26 Rn. 3. 942 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 75 Rn. 4. 943 Schmidt-Ahrendts (2007) S. 81. 944 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 719. 945 Weidt (2008) S. 151 ff.; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 143. 946 OLG Bremen NJW-RR 2011, 1202 [1202 f.]; Erman/Westermann (2017) § 349 Rn. 1.

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Dabei handelt es sich um eine Abweichung zu dem UN-Kaufrecht, das in diesem Punkt der Behandlung der „rescission“ im englischen Recht folgt, für welche die Kundgabe nach außen ausreicht.947 Wesentliche Unterschiede dürften sich dabei allerdings kaum ergeben, nachdem auch im CISG eine immerhin zugangsfähige Erklärung erforderlich ist. 948 Ebenso ist im Umfeld einer drohenden Insolvenz darauf zu achten, dass maßgeblicher Erklärungsempfänger bei Einschaltung eines vorläufigen Verwalters je nach Ausgestaltung der Verwalterbefugnisse an Stelle des Schuldners der vorläufige Verwalter ist. Dem Gläubiger ist daher anzuraten, die Erklärung gem. § 349 BGB sowohl gegenüber dem vorläufigen Verwalter als auch gegenüber dem Schuldner abzugeben. Keiner Erklärung bedarf es hingegen in denjenigen Fällen, in denen bereits § 326 I 1 BGB wegen des Eintritts endgültiger Unmöglichkeit und damit unabhängig von der Fälligkeit ipso iure die Gegenleistungspflicht entfallen lässt. Nach dem zum Verhältnis von § 323 IV BGB zu § 326 (und § 311a) BGB Gesagten ist dann mit der Erklärung des Rücktritts schließlich keine konstitutive Einwirkung auf das Vertragsverhältnis verbunden. Anders liegt es danach lediglich, wenn nur sog. vorübergehende Unmöglichkeit vorliegt. Weil der Gegenleistungsanspruch dort latent fortbesteht, verbleibt ein tauglicher Gegenstand auf den im Wege einer Gestaltungserklärung eingewirkt werden muss, sodass § 323 und nicht § 326 BGB Anwendung findet.949 Ebenso bedarf es einer Ausübung des Rücktrittsrechts, wo die Unmöglichkeit und damit die Anordnung der Rechtsfolgen des § 326 BGB wegen des Vorliegens eines absoluten Fixgeschäfts erst durch das ergebnislose Verstreichen der Fälligkeit eintritt.950 3. Beschränkungen der Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts a) Kein Erklärungsaufforderungsrecht analog § 103 II 3 InsO bei drohender Insolvenz Mit Blick auf die Ausübung des Vertragsumsteuerungsrechts aus § 323 IV BGB bzw. Art 72 CISG stellt sich – unter umgekehrten Vorzeichen vergleichbar mit dem Erklärungsaufforderungsrecht des Gläubigers bei lediglich berechtigten Zweifeln an der künftigen Leistungserbringung951 – die Frage, inwiefern der Gläubiger bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen vom Schuldner zur Erklärung aufgefordert werden kann, ob er wegen antizipierten 947

BeckOGK/Schall BGB § 349 Rn. 2. Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 314 und 316. 949 So Canaris, JZ 2001, 499 [510] zur konsolidierten Fassung des SMG-Diskussionsentwurfs. 950 Vgl. die Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 323 IV BGB bei (vorübergehender) Unmöglichkeit, Kap. 4 IV. 2. b) cc). 951 Vgl. dazu die Ausführungen zum Recht des Gläubigers auf Klärung der Leistungsgefährdung und daraus folgende Indizwirkung, Kap. 4 V. 948

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Vertragsbruchs vom Vertrag Abstand nimmt. Ist der Gläubiger zur Vertragsumsteuerung berechtigt, hat von dieser Option jedoch noch keinen Gebrauch gemacht, besteht schließlich auch auf Seiten des Schuldners ein erhebliches Interesse an der Klärung des weiteren Schicksals des Vertrags. Unmittelbar lässt sich allerdings weder Art. 72 CISG noch § 323 IV BGB ein solches Recht des Schuldners entnehmen. Zudem wurde bereits im Rahmen der Ausführungen zur Vertragsumsteuerung im eröffneten Verfahren klargestellt, dass sich entgegen teilweise vertretener Auffassung im Schrifttum aus § 103 II 2 InsO zu Gunsten des Verwalters kein entsprechendes Erklärungsaufforderungsrecht ergibt.952 Wie auch außerhalb des Verfahrens kann der Verwalter dem Gläubiger auf der vertragswidrigen Leistung des Schuldners beruhende Sekundärrechte vielmehr nur durch eine – sodann von einer konkludenten Erfüllungswahl begleiteten – vertragsgemäße Leistungserbringung aus der Hand schlagen.953 Damit lässt sich noch vor Verfahrenseröffnung erst recht kein Erklärungsaufforderungsrecht analog § 103 II 2 InsO zu Gunsten des Schuldners bzw. eines vorläufigen Verwalters ableiten. Ein solches Erklärungsaufforderungsrecht bei antizipierten Vertragsbruch ist damit allein in den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften zu suchen. b) Ausübungsschranken des § 323 IV BGB und Erklärungsaufforderung analog § 350 BGB Liegen die Voraussetzungen der Norm vor, kann ein Gläubiger bis zum Eintritt der Fälligkeit gestützt auf § 323 IV BGB den Rücktritt erklären. Zeitliche Schranken, wonach der Gläubiger nur alsbald nach der in Erscheinung tretenden Gefährdungssituation von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch machen kann, sieht das Gesetz nicht vor. Ebenso wenig gestattet es das Gesetz ausdrücklich, dass der Schuldner den Gläubiger zu einer Erklärung auffordern kann, wonach dieser sich im Sinne eines Wahlrechts für oder gegen die Ausübung des Rücktritts wegen antizipierter Vertragsverletzung zu entscheiden hat. Anders liegt es allenfalls, sofern § 350 BGB auf das gesetzliche Rücktrittsrecht des § 323 IV BGB Anwendung fände. Danach erlischt ein vertragliches Rücktrittsrecht, wenn der Schuldner dem Berechtigten für dessen Ausübung eine angemessene Frist bestimmt und sich der Berechtigte nicht vor dem Ablauf der Frist erklärt. Insofern muss aber berücksichtigt werden, dass es sich bei der Beschränkung des § 350 BGB auf vertragliche Rücktrittsrechte um eine bewusste Abweichung zum früheren Recht handelt. § 355 BGB a. F. sah als Vorläufernorm noch die Möglichkeit des Schuldners vor, auch bei gesetzlichen 952

Dafür Marotzke, KTS 63 (2002) 1 [36 f.]; Althammer NJW 2006, 1179, 1181; Braun/Kroth (2017) InsO § 103 Rn. 63. 953 Vgl. dazu die Ausführungen zum Rücktritt des Gläubigers bei (bevorstehender) Erfüllungswahl und einem vermeintlichen Erklärungsaufforderungsrecht des Verwalters aus § 103 II 2 InsO analog, Kap. 3 I. 3. b) cc).

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Rücktrittsrechten eine Frist zur Ausübung zu setzen, um die Ungewissheit über die Ausübung zu beenden.954 Damit scheint die Ausklammerung gesetzlicher Rücktrittsrechte eine deutliche Sprache zu sprechen und auch einer analogen Anwendung der Norm entgegenzustehen. Dennoch wird im Schrifttum neben einer Analogie zu § 350 BGB vertreten, dass der Schuldner dem Gläubiger in entsprechender Anwendung des § 264 II BGB eine Frist setzen kann mit der Folge, dass nach Fristablauf entweder das Rücktrittsrecht oder das Erfüllungsrecht verbleibt.955 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangen die Befürworter einer auf § 314 III BGB analog gestützten Auffassung, wonach der Gläubiger ebenfalls allein innerhalb angemessener Frist zurücktreten könne.956 Dies würde über die § 350 BGB oder § 264 II BGB favorisierende Lösung hinaus freilich dazu führen, dass das Rücktrittsrecht von vornherein unabhängig von einer Fristsetzung stets befristet wäre. Den vorstehend beschriebenen Ansätzen muss allerdings entgegengehalten werden, dass sie auf den ersten Blick contra legem die Grenzen gesetzesübersteigender Rechtsfortbildung überstrapazieren, indem rein unter Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit eine klar geäußerte Entscheidung des Gesetzgebers missachtet wird.957 Die Beschränkung des § 350 BGB auf Fälle des vertraglichen Rücktrittsrechts mag zwar rechtspolitisch fragwürdig erscheinen.958 Jede andere Auslegung steht jedoch im Widerspruch zu dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Norm. Die noch im konsolidierten Diskussionsentwurf enthaltene Fristsetzung zur Ausübung gesetzlicher Rücktrittsrechte wurde gerade nicht übernommen.959 Das ist de lege lata zu respektieren.960 Wenn darüber hinaus für das deutsche Recht versucht wird, aus der Norm des Art. 73 II CISG einen anderslautenden allgemeinen Rechtsgedanken zu gewinnen,961 wird dabei übersehen, dass es sich hierbei um eine Spezialregelung für Sukzessivlieferungsverträge handelt, die auch i. R. d. Art. 72 CISG – und damit in der ei-

954

Vgl. nur Palandt/Heinrichs (1993) § 355 Rn. 1. Dafür Schwab, JR 2003, 133 [134 ff.]; ähnlich Palandt/Grüneberg (2019) § 350 Rn. 1, wonach das Rücktrittsrecht zwar weiter bestehe, das Wahlrecht zwischen Rücktritt und Erfüllung aber auf den Schuldner übergehe; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. D 6; vgl. auch zu § 262 BGB OLG Celle NJW 2005, 2094 [2095]. 956 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 152; Ramming, ZGS 2003, 113 [117]. 957 Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre (1979) S. 417 ff. 958 Vgl. nur MüKoBGB/Gaier (2016) § 350 Rn. 2 m. w. N. 959 Vgl. § 323 V des KonDiskE, abgedruckt in Canaris, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 375. 960 Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 142; BeckOGK/Schall BGB § 350 Rn. 9; Erman/Westermann (2017) § 323 Rn. 24; MüKoBGB/Gaier (2016) § 350 Rn. 2; vgl. ferner Hanau, NJW 2007, 2806 [2808]. 961 Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. D 6; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 152. 955

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gentlichen Entsprechung des § 323 IV BGB im UN-Kaufrecht – keine Anwendung findet.962 Aufgrund der klaren Gesetzeslage hat schließlich auch der BGH in aller Deutlichkeit einer analogen Anwendung der §§ 262 ff. BGB durch ein Erfüllungsverlangen eine Absage erteilt und klargestellt, dass ein einmal begründetes Rücktrittsrecht nicht dadurch untergeht, dass der Gläubiger zunächst weiter Erfüllung verlangt.963 Es bleibe vielmehr bei einer elektiven Konkurrenz.964 Zwar betont der BGH, dass die Ausübung des Rücktrittsrechts durch den Gläubiger im Einzelfall mit dem aus § 242 BGB folgenden Gebot von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren sein kann. Doch bleibt dies rechtsmissbräuchlichen Einzelfällen vorbehalten, die selbst dann nicht vorliegen, wenn der Gläubiger zunächst auf Leistung klagt.965 Das ergibt sich e contrario aus der Norm des § 281 IV BGB, der sonst neben § 263 II BGB rein deklaratorische Wirkung zukäme.966 Im Übrigen lässt sich die Beschränkung auf vertragliche Rücktrittsrechte dadurch rechtfertigen, dass das Interesse des Schuldners, die Ungewissheit zu beenden, nur dann schützenswert ist, wenn er nicht – wie bei einem gesetzlichen Rücktrittsrecht – mit einer eigenen Vertragsverletzung die Schwebelage verursacht hat.967 Diese Überlegungen werden auch von den – insofern anderslautenden Einschätzungen der Verfasser des BGB-E968 – Materialien der Schuldrechtsreform getragen: „[Der Schuldner] ist immerhin vertragsbrüchig und hat in der Rücktrittssituation auch regelmäßig eine Frist zur Nacherfüllung ergebnislos verstreichen lassen. Er muss es deshalb hin-

962

Vgl. die Ausführungen zur Beschränkung des Aufhebungsrechts aus Art. 72 CISG. BGH Urt. v. 20.1.2006, V ZR 124/05 = NJW 2006, 1198 [1198]. Dagegen nahm BGH Urt. v. 20.9.1996, V ZR 191/95 = NJW 1997, 51 [52] noch an, dass trotz der Erfüllungsverweigerung des Schuldners eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung für den Rücktritt erforderlich sei, wenn der Gläubiger „ankündigt, nach fruchtlosem Fristablauf einen Teil der Leistung einzuklagen, und auf diese Weise sein fortdauerndes Erfüllungsinteresse zu erkennen gibt.“ Vor dem Hintergrund der geänderten Rechtslage verliert diese Entscheidung freilich an Bedeutung und auch BGH NJW 2006, 1198 ging hierauf nicht weiter ein. 964 BGH Urt. v. 20.1.2006, V ZR 124/05 = NJW 2006, 1198 [1199]; vgl. auch bereits RG Urt. v. 23.9.1914, V 181/14 = RGZ 85, 280 [282]; a. A. Schwab, JR 2003, 133 [134]. 965 BGH Urt. v. 20.1.2006, V ZR 124/05 = NJW 2006, 1198 [1199]; vgl. ferner Faust, in: FS Huber (2006) S. 239 [241]; Althammer, NJW 2006, 1179 [1180 f.]. 966 Althammer, NJW 2006, 1179 [1180]. 967 Kaiser, JZ 2001, 1057 [1069]; Staudinger/Kaiser (2017) § 350 BGB Rn. 5; für eine Einschränkung bei höherer Gewalt, MüKoBGB/Gaier (2016) § 350 Rn. 2, da der Sanktionsgedanke des § 350 BGB dort nicht verfängt. 968 „Der Entwurf gibt daher dem anderen Theile die Befugnis, dem Berechtigten eine angemessene Frist mit der Wirkung zu bestimmen, daß mit dem fruchtlosen Ablaufe der Frist das Rücktrittsrecht erlischt. Von besonderer Bedeutung ist diese Vorschrift für die Fälle des gesetzlichen Rücktrittsrechtes, sofern sie den Berechtigten hindert, auf Kosten des anderen Theiles zu spekulieren.“ Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich, Bd. II, S. 1240 [Herv. d. Verf.]. 963

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

nehmen, dass der Gläubiger innerhalb eines gewissen Zeitraums zwischen den verschiedenen Rechtsbehelfen wählen kann. […] Schließlich kann der Schuldner die Unsicherheit jederzeit dadurch beenden, dass er die geschuldete Leistung erbringt.“969

Andererseits lässt sich der Begründung – die sich offenkundig auf Fälle des Rücktritts nach Fälligkeit bezieht – damit entnehmen, dass der Gesetzgeber die aus den Unsicherheiten auf Seiten des Schuldners resultierenden Interessen deshalb niedrig bewertet hat, weil er der Ansicht war, dass regelmäßig bereits eine Frist fruchtlos verstrichen ist. Zudem erfolgt die Argumentation der Materialien unter der Prämisse, dass der Schuldner das Rücktrittsrecht problemlos durch die Leistungserbringung beseitigen könne. Tatsächlich spitzt sich der Streit um eine Beschränkung des Rücktrittsrechts nach Fälligkeit deshalb auf die kontrovers geführte Diskussion zu, in welchen Grenzen das Rücktrittsrecht durch ein vertragsgemäßes Leistungsangebot des Schuldners erlischt bzw. ob der Gläubiger dies nach Fristablauf zurückweisen darf.970 Vor Fälligkeit verlieren dagegen die Argumente der Materialien an Kraft. Denn selbst wenn die Voraussetzungen des § 323 IV BGB vorliegen, ist weder eine Frist abgelaufen, noch kann der Schuldner regelmäßig das Rücktrittsrecht durch Leistungserbringung beseitigen. Zwar würden nämlich wohl selbst die Befürworter eines Zurückweisungsrechts der vertragsgemäßen Leistung nach Fälligkeit und Fristablauf dem Schuldner kaum das Recht absprechen, trotz des Vorliegens der Voraussetzungen des § 323 IV BGB die Leistung zu erbringen. Immerhin hält der Gläubiger dem Schuldner dort noch die erste Möglichkeit der Leistungserbringung offen, ohne dass eine Frist abgelaufen wäre. Auch wenn der Schuldner deshalb hierzu nach § 271 II HS. 2 BGB befugt wäre, stellt sich dieser mit der Leistungserbringung jedoch berechtigterweise erst auf den Fälligkeitstermin ein. Die Argumente des Reformgesetzgebers für die Zuweisung der Unsicherheitsrisiken verfangen damit kaum vor Fälligkeit. Da der Gesetzgeber bei der Einschränkung des § 350 BGB Fälle der antizipierten Vertragsverletzung offensichtlich nicht bedacht hat, ist dort deshalb anders als beim Rücktritt nach Fälligkeit Raum für eine analoge Lückenfüllung. Daher ist vor Fälligkeit m.E. eine schuldnerseitige Fristsetzung, die dem Gläubiger trotz der offensichtlichen Vertragsverletzung das Rücktrittsrecht nähme, ein adäquates Mittel für einen Interessenausgleich vor Fälligkeit. Ein Rücktritt vor Fälligkeit bliebe freilich dann möglich, wenn sich der Gläubiger im Rahmen der nach § 323 IV BGB erforderlichen Prognose auf neue Tatsachen stützt.

969

BT-Drucks. 14/6040, 185 [Herv. d. Verf.]. Vgl. dazu ausführlich Althammer, NJW 2006, 1179 [1181]; Faust, in: FS Huber (2006) S. 239 [243 ff.]; Finn, ZGS 2004, 32 [33 ff.]; Hanau, NJW 2007, 2806 [2808 ff.]; Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 [3462 f.]; Schwab, JR 2003, 133 [134]; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 144 ff.; Staudinger/Schwarze (2015) § 323 BGB Rn. D 3 ff. 970

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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c) Ausübungsschranken des Art. 72 CISG und Erklärungsaufforderung analog Art. 48 II CISG Abgesehen von der Abwendung durch Sicherheitenstellung statuiert Art. 72 CISG anders als Artt. 49 II, 64 II oder 73 II CISG keinerlei Beschränkungen hinsichtlich der Ausübung der Vertragsaufhebung wegen antizipierten Vertragsbruchs. Das Gesetz sieht ebenso wenig die Klärungsmöglichkeit durch den Schuldner vor. Ob die Ausübung der Vertragsaufhebung dennoch gesetzlichen Schranken unterliegt, ist trotz des insofern klaren Wortlauts umstritten.971 Nach teilweise im Schrifttum vertretener Auffassung sei die Aufhebung binnen angemessener Frist nach dem Bekanntwerden der drohenden Störung zu erklären, um den so hervorgerufenen Schwebezustand zu beenden.972 Allein die Berücksichtigung einer verspäteten Ausübung bei der Berechnung etwaiger Schadensersatzansprüche nach Art. 77 CISG sei nicht ausreichend, um der von dem Gläubiger ausgehenden Spekulationsgefahr zu begegnen.973 Neben Artt. 49 II und 64 II CISG folge gerade aus Art. 73 II CISG ein entsprechender Grundsatz, der eine Schließung der Lücke des Art. 72 CISG nach Art. 7 II CISG erlaube.974 Eine solche Fristenlösung zur Beschränkung des Art. 72 CISG kann angesichts des klaren Wortlauts sowohl von Art. 72 CISG als auch Artt. 49 II bzw. 64 II CISG kaum überzeugen. Schließlich sind auch die letztgenannten Sperrtatbestände nicht einschlägig, wenn es noch nicht zu einer Lieferung bzw. Kaufpreiszahlung gekommen ist.975 Damit lässt sich den Normen schon kein entsprechender Rechtsgedanke entnehmen, sodass nach überwiegender Ansicht eine solche Einschränkung des Art. 72 CISG abzulehnen ist und der Gläubiger die Aufhebung jederzeit bis zum Erfüllungstermin erklären kann.976 Einer erkennbar schadenserhöhenden Spekulation des Gläubigers wird ausreichend 971

Offen gelassen von BGH NJW 1995, 2101 [2102]. Liu, in: International Sales Law (2016) § 18 Rn. 57; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 38; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 620. 973 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 38. 974 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 620. 975 BeckOGK/Hartmann CISG Art. 49 Rn. 38.1 f.; Honsell/Schnyder/Strub (2009) CISG Art. 49 Rn. 39; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Bach CISG (2018) Art. 49 Rn. 68; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 49 Rn. 58; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 49 Rn. 17; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 49 Rn. 30; dagegen Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 16; wohl auch Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [234 f.]. 976 Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [632]; Azeredo da Silveira, NJCL 2005 #2 [28]; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 461; Trommler (2001) S. 50; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 8; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 72 Rn. 16; Brunner/Altenkirch (2014) CISG Art. 72 Rn. 7; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 19; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 72 Rn. 12; Achilles/Achilles (2000) CISG Art. 72 Rn. 3; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 7. 972

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durch Regeln über die Schadensgeringhaltung nach Art. 77 CISG begegnet. Fragen der Berechnung des Schadensersatzes spielen bei der Vertragsaufhebung indessen keine Rolle.977 Davon scheinen auch die Verfasser des UN-Kaufrechts978 ausgegangen zu sein. Denn auch in den Entwurfsberatungen wird allein auf eine ebenso vor Fälligkeit geltende Schadenminderungsobliegenheit hingewiesen.979 Letztlich hält das Gesetz bereits mit der Möglichkeit der Sicherheitengewähr durch den Schuldner nach Art. 72 II CISG einen passenden Regelungsmechanismus zur Vermeidung etwaiger Spekulationen trotz ex ante berechtigter Prognose bereit, indem das Aufhebungsrecht bei Sicherheitengewähr erlischt.980 Spiegelbildlich findet sich nämlich zwar in Art. 73 II CISG eine Beschränkung der Ausübung des Vertragsaufhebungsrechts für künftige Sukzessivleistungen, jedoch wird dem Schuldner dort auch nicht die Möglichkeit der Abwendung durch Sicherheitengewähr eröffnet. Die Besonderheit des Fristerfordernisses allein für künftige Sukzessivleistungen führt deshalb e contrario vielmehr dazu, dass im Rahmen des Art. 72 CISG keine vergleichbaren Einschränkungen zu treffen sind. Zeitliche Grenzen werden Art. 72 CISG daher allein durch die Fälligkeit gesetzt.981 Die vorstehenden Argumente der h.L. überzeugen erst recht, sofern der Gläubiger durch sein Zuwarten dem Schuldner noch die Chance zur Erfüllung einräumt.982 Zeitliche Einschränkungen erfährt die Ausübung des Vertragsaufhebungsrechts daher umgekehrt nur durch einen rechtsverlustbewehrten Verstoß gegen die äußerste Grenze des allgemeinen Verbots rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, vgl. Art. 7 I CISG.983 Achilles nennt hierbei etwa den Fall, in welchem dem Gläubiger, „dem der Aufhebungsgrund schlechthin nicht entgangen sein konnte, bei der anderen Seite ein von ihr anschließend betätigtes Vertrauen weckt, den Vertrag zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehen lassen zu wollen.“984 Dann läge tatsächlich ein Fall widersprüchlichen Verhaltens vor, der jedoch auch nur zu einer vorübergehenden Suspendierung des Aufhebungsrechts führen darf. Unterliegt die Ausübung des Aufhebungsrechts aus Art. 72 CISG damit wie auch § 323 IV BGB keinen zeitlichen Beschränkungen stellt sich jedoch noch 977

Schubert (2016) S. 281 f.; Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [632]; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 19. Zum Verstoß gegen Art. 77 CISG durch ein Festhalten am Vertrag, vgl. sogleich die Ausführungen zum Schadensersatz. 978 Des Weiteren wurden auch bei den Konferenzberatungen zum EKG Anträge zur Befristung des Vertragsaufhebungsrechts wegen antizipierten Vertragsbruchs abgelehnt, vgl. dazu Riese, RabelsZ 29 (1965) 1 [83]. 979 Vgl. zu Art. 63 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54. 980 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 10. 981 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 10. 982 MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 10. 983 Vgl. hierzu statt vieler Achilles/Achilles (2000) CISG Art. 72 Rn. 3. 984 Achilles/Achilles CISG (2000) Art. 72 Rn. 3.

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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die Frage, wie es sich im UN-Kaufrecht mit einem Erklärungsaufforderungsrecht des Schuldners bei einem antizipierten Vertragsbruch verhält. Parallel zu der fragwürdigen teleologischen Rechtfertigung der Beschränkung des § 350 BGB auf vertragliche Rücktrittsrechte selbst vor Fälligkeit muss nämlich berücksichtigt werden, dass auch der vor Lieferung bzw. Kaufpreiszahlung fehlende Ausschluss von Aufhebungsrechten nach Art. 49 II bzw. 64 II CISG von der Erwägung getragen wird, dass der Schuldner immerhin „ein Ende der für ihn misslichen Schwebelage nur dadurch herbeiführen kann, dass er die überfällige Leistung erbringt.“985 Eine uneingeschränkte Möglichkeit der Ausübung des Aufhebungsrechts wird dort also hingenommen, weil es der Schuldner durch eine vertragsgemäße Erfüllung selbst in der Hand hat, das Aufhebungsrecht abzuwehren. Vergleichbar mit der verfehlten Beschränkung des § 350 BGB auf vertragliche Rücktrittsrechte im Umfeld eines antizipierten Vertragsbruchs bleibt insofern allerdings festzuhalten, dass im Anwendungsbereich des Art. 72 CISG noch keine „überfällige“ Leistungspflicht vorliegt. Daher ist es dem Schuldner regelmäßig nicht möglich, die Schwebelage durch Leistungserbringung zu beenden. Dort lässt sich die Unsicherheit lediglich durch entsprechende Kommunikation zwischen den Parteien vermeiden. Zwar soll im Anwendungsbereich des Art. 72 CISG nach teilweise vertretener Auffassung ein Recht auf Klarstellung des Schuldners deshalb ausscheiden, weil dieser nach Art. 79 IV CISG bei objektiven Hindernissen selbst für Klarstellung zu sorgen habe.986 Allerdings werden dabei gem. Art. 79 IV 2 CISG lediglich zu etwaigen Schadensersatzansprüchen führende Aspekte einer – nach Art. 79 V CISG auf Aufhebungsrechte ohnehin nicht anwendbaren – Norm mit solchen der Beschränkung von Aufhebungsrechten vermengt. Vielmehr finden sich Ansatzpunkte für eine solche Mitteilungs- und Erklärungspflicht in Art. 48 II CISG immerhin zur Vermeidung solcher Unsicherheiten, die sich daraus ergeben, dass eine Vorbereitung der Behebung einer vertragswidrigen Lieferung infolge einer zwischenzeitlichen Vertragsaufhebung nutzlos zu werden droht.987 Eine Kontaktaufnahme durch den Schuldner zur Klärung der aus dem Bestehen eines Aufhebungsrechts ergebenden Schwebelage verbunden mit dem Ausschluss etwaiger Aufhebungsrechte des Gläubigers, Artt. 48 II 2, 49 II lit. b iii) CISG, ist dem UN-Kaufrecht damit nicht fremd. Tatsächlich ist die Art. 48 II CISG zugrundeliegende Interessenlage auch insofern mit der des Art. 72 CISG vergleichbar, als es dort gleichermaßen darum geht, dem Schuldner Klarheit über das Interesse des Gläubigers an einer künftigen Leistungserbringung zu verschaffen. Während damit eine fristenabhängige Ausübung 985 BeckOGK/Hartmann CISG Art. 49 Rn. 38.2 [Herv. d. Verf.]. Vgl. ferner MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 49 Rn. 58 986 Soergel/Lüderitz/Dettmeier CISG (2000) Art. 72 Rn. 9. 987 Vgl. Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [235], der den Rechtsgedanken des Art. 48 II CISG jedoch auch auf Fälle nach Fälligkeit erstrecken will.

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des Aufhebungsrechts aus Art. 72 CISG abzulehnen ist, spricht das Bestehen einer entsprechenden Regelungslücke und die Vergleichbarkeit der Interessenlage für eine nach Art. 7 II CISG immerhin entsprechende Anwendung des Art. 48 II CISG. Der Schuldner kann den Gläubiger danach zur Erklärung darüber auffordern, ob der Gläubiger auch ohne Sicherheitsleistung nach Art. 72 II CISG von der Vertragsaufhebung absieht, mit der Folge, dass dieses Recht immerhin so lange suspendiert ist, bis sich der Gläubiger im Rahmen der nach Art. 72 CISG erforderlichen Prognose auf neue Tatsachen stützt. 4. Abwendung der Vertragsumsteuerung durch Sicherheitenstellung a) Abwendung des Aufhebungsrechts durch Sicherheitenstellung nach Art. 72 II CISG Nach Art. 72 II CISG kann ein Schuldner für die Erfüllung seiner Pflichten ausreichende Sicherheit bieten, um das Aufhebungsrecht aus Art. 72 CISG abzuwenden. Der Gläubiger erhält insofern keinen Anspruch auf Sicherheitenstellung. Es handelt sich um ein reines Abwendungsrecht des Schuldners.988 Die Aufhebung des Vertrags noch vor Fälligkeit bleibt dem Gläubiger dann verwehrt. Das UN-Kaufrecht schweigt allerdings darüber, was tatsächlich eine „ausreichende Gewähr“ (amtl.: „adequate assurance“/„assurances suffisantes“) ist.989 Ein den §§ 232 ff. BGB vergleichbarer Sicherheitenkatalog fehlt dort und auch Art. 71 III CISG beschränkt sich auf dieselbe allgemein gehaltene Terminologie. Allein zu Art. 62 CISG-Draft (1978) wurde seitens der deutschen Delegation vorgeschlagen, Abs. 3 der Vorschrift über ein Aussetzungsrecht wie folgt zu ändern: „A party suspending performance, whether before or after dispatch of the goods, must immediately give notice to the other party thereof and must continue with performance if the other party, by guarantee, documentary credit or otherwise, provides adequate assurance of his performance.“990

Dieser Vorschlag wurde allerdings im Rahmen der Konferenzberatungen von der Mehrheit abgelehnt.991 Denn die Hervorhebung einzelner Sicherheiten – namentlich guarantee und documentary credit – suggeriert eine Einschränkung

988

Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 43; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 71 Rn. 48. 989 Strub, Int&Comp.L.Q. (1989), 475 [495]; Vanwijck-Alexandre, IBLJ 2001, 353 [364]. 990 Amendments to article 62 by the Federal Republic of Germany (A/CONF.97/C. 1/187), in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 129 [Herv. d. Verf.]. 991 Vgl. die Beratungen des 26. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 376 f.

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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der Sicherheitenstellung, die im Widerspruch zu den Vereinbarungen der Parteien stehen und nicht gewollt sein kann.992 Aus dieser Entstehungsgeschichte ergibt sich somit, dass sich das UN-Kaufrecht nicht auf herkömmliche Personal- oder Realsicherheiten beschränken will. Es kommen als Sicherheit vielmehr darüber hinaus unstreitig „alle Maßnahmen in Betracht, die eine angemessene Absicherung des vertragstreuen Teils bewirken.“993 Von diesem weiten Begriffsverständnis können demnach auch etwa Nachweise des Verkäufers über etwaige Bezugsmöglichkeiten erfasst sein.994 Die Grenzen zwischen Sicherheitenstellung nach Art. 72 II CISG einerseits und Erschütterung der nach Art. 72 I CISG erforderlichen Prognose durch den Schuldner andererseits sind damit fließend. Die Frage ist dementsprechend weniger, welches Mittel zur Sicherheitenstellung gewählt werden kann, sondern vielmehr, ob die Sicherheit auch ausreichend i. S. d. Norm ist. Mit Blick auf den Zweck der Sicherheitenstellung, dem Gläubiger angesichts offensichtlich drohender wesentlicher Vertragsverletzung das Festhalten am Vertrag weiter zu zumuten, muss die Sicherheit umfangsmäßig die Erfüllung der Vertragspflichten abdecken und hat sich daher jedenfalls am Wert der schuldnerischen Leistung zu orientieren. Bloße Zusagen oder Absichtserklärungen können das Aufhebungsrecht daher regelmäßig nicht entfallen lassen.995 Teilweise wird insofern einschränkend eingewendet, mögliche Schadensersatzansprüche wegen des Nichterfüllungsschadens müssten hingegen nicht abgedeckt werden.996 Allerdings spricht der Sekretariatskommentar insofern eine klare Sprache: „For such an assurance to be «adequate», it must be such as will give reasonable security to the first party either that the other party will perform in fact, or that the first party will be compensated for all his losses from going forward with his own performance.“997

Die Kompensation der Nichterfüllung ist danach ebenso maßgebend und allein darüber hinausgehende, weiterreichende Schadensersatzansprüche müssen 992 So der Einwand des schwedischen Vertreters Hjerner, dem sich die Vertreter des Vereinigten Königreichs, Italiens und Kanadas anschlossen, vgl. die Beratungen des 26. Meetings in United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Document A/Conf. 97/19), p. 377. 993 BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 72 Rn. 7. 994 BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 72 Rn. 7; krit. MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 71 Rn. 30a. 995 Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 71 Rn. 30; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 71 Rn. 48; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 71 Rn. 31; teilw. abweichend Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 45. 996 Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 45. 997 Art. 62 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 53. Dem folgend Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 216; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 71 Rn. 30; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 71 Rn. 31.

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

nicht abgedeckt werden.998 Nur dann erscheint das weitere Festhalten am Vertrag trotz offensichtlich drohender Vertragsverletzung aus Gläubigersicht zumutbar. Auffallend ist mit Blick auf den Umfang jedoch demgegenüber, dass anders als § 2-609 des UCC die Norm des Art. 72 II CISG nicht „adequate assurance of due performance“ verlangt, sondern „adequate assurance of his performance“. Eine Sicherheit ist daher auch dann ausreichend, wenn sie die Leistung zu einem Zeitpunkt nach Fälligkeit sichert, sofern die Verzögerung nicht bereits ihrerseits in eine wesentliche Vertragsverletzung mündet.999 b) Abwendung des Rücktritts nach § 323 IV BGB durch Sicherheiten i. S. d. §§ 232 ff. BGB Anders als Art. 72 II CISG sieht § 323 IV BGB keine Möglichkeit der Abwendung des Rücktritts durch Sicherheitenstellung vor. Gänzlich fremd ist dem BGB die aus dem UN-Kaufrecht bekannte Abwehr einer Einwirkung auf das Vertragsverhältnis im Zusammenhang mit einem antizipierten Vertragsbruch jedoch nicht. Neben der Möglichkeit das allgemeine Zurückbehaltungsrecht durch Sicherheitsleistung abzuwehren, § 273 III 1 BGB, entfällt schließlich zum einen die Unsicherheitseinrede des § 321 I 1 BGB nicht nur, wenn die Gegenleistung bewirkt wird, sondern auch bei einer Sicherheitsleistung. Zum anderen kann nach § 321 II 1 BGB ein zur Vorleistung Verpflichteter, sofern nach Abschluss des Vertrags erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird, dem Schuldner eine angemessene Frist nicht nur zur Zug-um-Zug Leistung, sondern auch zur Sicherheitsleistung setzen. Dabei erhält der Gläubiger wie auch im UN-Kaufrecht keinen Anspruch auf die Sicherheitsleistung. Es bleibt bei einem Abwendungsrecht des Schuldners.1000 Da § 321 BGB keine weitere Auskunft über die in Betracht kommenden Sicherheitsmittel gibt – den Kreis der Sicherheiten dabei aber ebenso wenig determiniert1001 –, gelten insofern die §§ 232 ff. BGB.1002 Der Katalog der dort genannten Sicherheiten ist indessen deutlich enger als im Zusammenhang mit Artt. 71 III und 72 II CISG. Hervorzuheben sind dabei die Wertgrenzen des § 237 BGB und die in § 239 BGB normierten Anforderungen bei der (subsidiären, § 232 II BGB) Bürgenbestellung. Tauglich ist ein selbstschuldnerischer Bürge nach § 239 BGB nämlich lediglich dann, wenn er seinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. 998

Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 216. Bridge, J.L.C. 2005, 405 [418]. 1000 BT-Drucks. 14/6040, 180. 1001 Anders etwa § 273 III 2 BGB, wonach die Sicherheitsleistung durch Bürgen ausgeschlossen ist. 1002 Palandt/Grüneberg (2019) § 321 Rn. 8; HK-BGB/Schulze (2017) § 321 Rn. 5; Erman/Westermann (2017) § 321 Rn. 8; Prütting/Wegen/Weinreich/Stürner (2018) § 321 Rn. 6. 999

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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Damit soll zwar gewährleistet werden, dass der Sicherungsnehmer sein Recht ohne Schwierigkeiten durchsetzen kann,1003 doch wird dieser Zweck insbesondere im grenzüberschreitenden Warenhandel nicht nur verfehlt, sondern bei einem Sicherungsnehmer im Ausland gar in sein Gegenteil verkehrt, nachdem eine Rechtsdurchsetzung in eben jenem Ausland für den Sicherungsnehmer deutlich einfacher sein kann.1004 Nach alledem beschränkt sich die Abwendung des Rücktrittsrechts durch Sicherheitenstellung nach der lex lata jedoch auf Fälle der Vorleistungspflicht. Der in § 321 II BGB geregelte Rücktritt dient speziell zur Beendigung des sich aus der Unsicherheitseinrede ergebenden Schwebezustands.1005 Freilich lässt sich im Rahmen des § 323 IV BGB von einer entsprechenden Leistungsgefährdung dann nur noch schwerlich sprechen, wenn sich der Gläubiger bereits durch besondere Vereinbarungen in genügendem Maß geschützt hat.1006 Die Frage ist daher dennoch, inwiefern der Schuldner auch ohne eine entsprechende Vereinbarung durch Übertragung des Rechtsgedankens aus § 321 I 2 und II 1 BGB dem Gläubiger das Rücktrittsrecht aus der Hand schlagen kann. Tatsächlich liegt dabei der Schluss nahe, dass ein Schuldner den auf § 323 IV BGB gestützten Rücktritt abwenden kann, wenn er mit einer Sicherheitenstellung selbst den Gläubiger einer Vorleistung weiter zu dieser anhalten kann. Zutreffend wird zudem darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 321 I 2 BGB zwar erst nach Entstehen des dort geregelten Leistungsverweigerungsrechts eingreift, demgegenüber aber auch eine ausreichende Absicherung des Anspruchs des Vorleistungsberechtigten bereits das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung beseitigen kann.1007 Dementsprechend hat auch Ernst zu § 323 IV BGB vorgeschlagen, dass je „nach dem Grad der Gefährdung […] auch eine Sicherheitsleistung durch den Schuldner das gebotene Mittel sein [kann], um zu vermeiden, dass die offensichtliche Gefahr einer Nichterfüllung anzunehmen sein wird.“1008 Dogmatisch ließe sich eine solche Abwendungsmöglichkeit 1003

MüKoBGB/Grothe (2016) § 239 Rn. 2; BeckOGK/Bach BGB § 239 Rn. 8. Nach überwiegender Auffassung ist immerhin ein allgemeiner Gerichtsstand nach der Brüssel Ia-VO oder dem Luganer Übereinkommen ausreichend, dafür unter Rekurs auf die Art. 56 ff. und 63 ff. AEUV, BeckOGK/Bach BGB § 239 Rn. 10; MüKoBGB/Grothe (2016) § 239 Rn. 2; Palandt/Ellenberger (2019) § 239 Rn. 1; Prütting/Wegen/Weinreich/Deppenkemper (2018) § 239 Rn. 1; Staudinger/Repgen (2014) § 239 BGB Rn. 3; Erman/SchmidtRäntsch (2017) § 239 Rn. 4; dagegen „angesichts des eindeutigen Wortlauts“, BeckOK BGB/Dennhardt § 239 Rn. 2. Allerdings spricht m. E. unter Berücksichtigung des Normzwecks nichts gegen einen Bürgen, der seinen allgemeinen Gerichtsstand an demselben Ort hat wie der Sicherungsnehmer. Die Rechtsdurchsetzung wird dadurch eher vereinfacht als erschwert, sodass sich die Frage auf ein dem deutschen Recht vergleichbares Schutzniveau verlagert, sofern der Bürgschaftsvertrag dem Recht des Wohnsitzstaats unterliegt. 1005 BT-Drucks. 14/6040, 179. 1006 Vgl. dazu parallel i. R. d. § 321 BGB, MüKoBGB/Emmerich (2016) § 321 Rn. 15. 1007 Erman/Westermann (2017) § 321 Rn. 8. 1008 MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 137 a. E. 1004

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im Tatbestandsmerkmal der Offensichtlichkeit verankern. Denn gewährt der Schuldner tatsächlich eine wertmäßig ausreichende Sicherheit i. S. d. §§ 232 ff. BGB wird damit zugleich die Prognose über eine vermeintlich vertragswidrige Leistungserbringung erschüttert. Schließlich wurde bereits im Zusammenhang mit Art. 72 CISG deutlich, dass die Grenzen zwischen Sicherheitenstellung und Prognoseerschütterung fließend sind, wenn ersterem auch der bloße Nachweis über entsprechende Bezugsmöglichkeiten unterfallen soll.1009 Dennoch lässt sich nicht ohne Weiteres aus „den Grundsätzen von Treu und Glauben bzw. aus vertraglicher Nebenpflicht (§ 241 II BGB)“ ein Recht ableiten, dem Schuldner im Rahmen des § 323 IV BGB die Möglichkeit zur Stellung von Sicherheiten einzuräumen.1010 Es muss schließlich berücksichtigt werden, dass eine Sicherheitsleistung zur Abwendung des Leistungsverweigerungsbzw. Rücktrittsrechts i. R. d. § 321 BGB bei Vereinbarung einer Vorleistungspflicht allein dazu dient, das Kreditrisiko des Vorleistungspflichtigen zu senken, weil dieser sich nur auf die bei Vertragsschluss erkennbaren Leistungsgefährdungen eingelassen hat. Dagegen lässt selbst eine Sicherheit i. S. d. §§ 232 ff. BGB keine Aussage darüber zu, ob es später zu einem vertragsgemäßen Austausch der Leistungen kommt. Schließlich kann die Realisierung einer Sicherheit regelmäßig nur eine Kompensation des Äquivalenzinteresses erreichen, nicht dagegen das Interesse des Gläubigers an der eigentlichen Naturalerfüllung befriedigen.1011 Das Interesse der Naturalandienung wird im BGB jedoch mitnichten nur zugunsten des Schuldners geschützt, indem ein Übergang zu Sekundärrechten von einem erfolglosen Fristablauf abhängt, §§ 323 I und 281 I BGB. Vielmehr ist die Naturalerfüllung stets im Interesse beider Parteien, die den Vertrag gerade deshalb geschlossen haben. Darum geht auch § 241 I BGB davon aus, dass sämtliche und damit auch auf Naturalerfüllung gerichtete Ansprüche einklagbar sind. Das deutsche Schuldrecht sieht eine Befreiung des Schuldners von seiner Vertragspflicht durch Geldzahlung nicht ohne Weiteres vor. Deshalb lässt auch § 320 BGB anders als die für das allgemeine Zurückbehaltungsrecht geltende Regelung des § 273 III 1 BGB eine Abwendung durch Sicherheitsleistung gerade nicht zu.1012 Schließlich leitet auch § 275 II BGB den durch § 241 I BGB vermittelten Naturalerfüllungsanspruch unter Effizienzgesichtspunkten nur in engen Voraussetzungen auf eine Haftung in Form eines Geldanspruchs über – unabhängig davon, ob sich der Gläubiger beim Schuldner oder (auf dessen Kosten) bei einem Dritten schadlos halten kann. In der Betonung der Schutzwürdigkeit des Interesses an der Naturaler1009

Vgl. dazu BeckOK BGB/Saenger CISG Art. 72 Rn. 7. So aber Verweyen (2005) S. 187. 1011 Auch bei einer Bürgschaft, welche die Sicherung einer auf eine vertretbare Leistung gerichteten Verbindlichkeit bezweckt, ist im Zweifel allein eine wertmäßige Sicherung des Erfüllungsinteresses anzunehmen, MüKoBGB/Habersack (2017) § 765 Rn. 79. 1012 Vgl. Staudinger/Bittner (2014) § 273 BGB Rn. 128. 1010

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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füllung unterscheidet sich das BGB schließlich gerade von denjenigen Rechtsordnungen, in denen nicht der Vorrang der Naturalerfüllung gilt, sondern der Grundsatz der Befriedigung des Wertinteresses höher gewichtet wird.1013 Dementsprechend kann die Sicherheitsleistung durch den Schuldner allenfalls ein Indiz gegen das Vorliegen der Offensichtlichkeit i. S. d. § 323 IV BGB sein. Liegen die Voraussetzungen der Norm jedoch vor, etwa weil der Eintritt der Rücktrittsvoraussetzungen wegen eines der Wareneinfuhr entgegenstehenden Embargos offensichtlich ist, kann der Schuldner dem Gläubiger sein Rücktrittsrecht durch eine bloße Sicherheitsleistung anders als bei Art. 72 CISG nicht aus der Hand schlagen. c) Sicherheitenstellung zur Abwendung der Vertragsumsteuerung im Spannungsfeld insolvenzrechtlicher Anfechtung Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass der Schuldner bei Anwendbarkeit des § 323 IV BGB lediglich die Möglichkeit hat, durch entsprechende Maßnahmen der Sicherheitenstellung die Prognose des Gläubigers zu erschüttern. Lässt die Prognose den künftigen Eintritt der Voraussetzungen des Rücktritts allerdings weiterhin offensichtlich erscheinen, führt eine Sicherheitenstellung, die allenfalls eine kompensatorische Befriedigung bewirken kann, nicht zu einem Entfallen des Rücktrittsrechts wegen antizipierten Vertragsbruchs aus § 323 IV BGB. Anders liegt es bei einem dem CISG unterliegenden Kaufvertrag. Dort kann der Schuldner das Aufhebungsrecht wegen antizipierten Vertragsbruchs dem Gläubiger aufgrund von Art. 72 II CISG selbst im Falle offensichtlich drohender wesentlicher Vertragsverletzung aus der Hand schlagen. Damit stellt sich in besonderem Maße für das UN-Kaufrecht die Frage, inwiefern auch im Umfeld einer drohenden Insolvenz mit Hilfe der Sicherheitengewährung dem auf einen antizipierten Vertragsbruch beruhenden Aufhebungsrecht begegnet werden kann. Während dort von einer Pflicht des Schuldners zur Sicherheitengewährung ebenso wie im eröffneten Verfahren keine Rede sein kann,1014 gerät nämlich das Recht zur Abwendung der Vertragsaufhebung durch Sicherheitengewährung in Konflikt mit der in §§ 129 ff. InsO

1013

Ausführlich dazu Riehm (2015) S. 15 ff., 219 ff. und zur Funktion des § 275 II BGB, S. 325 f. 1014 Bereits bei der Fassung der Konkursordnung wurde von einer zusätzlichen Absicherung des Gläubigers im Fall der Erfüllungswahl abgesehen: „Eine andere Frage wäre, ob der Mitkontrahent allgemein […] gegen das Recht des Verwalters auf Erfüllung dadurch geschützt werden soll, daß ihm das Gesetz das Recht auf Sicherheitsleistung beilegte. Es mag sein, daß mitunter die Konkursmasse nicht zureicht, um alle Masseschulden zu bezahlen, daß insofern also der Mitkontrahent nicht unbedingt gesichert erscheinen möchte. Im Allgemeinen aber wird die Lage desselben in dem vorausgesetzten Falle, daß der Verwalter die Erfüllung verlangt, durch die Konkurseröffnung eine günstigere, als sie vorher war. […]

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geregelten insolvenzrechtlichen Anfechtung von Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Zutreffend wird von Teilen des Schrifttums deshalb darauf hingewiesen, dass die Sicherheitengewährung zur Abwendung etwaiger Sekundärrechte durch den Schuldner, der droht insolvent zu werden, für den Gläubiger ein erhebliches Risiko bedeuten kann. Denn immerhin bleibt der Gläubiger sodann trotz offensichtlich drohender wesentlicher Vertragsverletzung zur Leistung verpflichtet und muss seine Erfüllungsbemühungen fortsetzen, obwohl seine Forderung wahrscheinlich nur quotal befriedigt und die Sicherheit einem insolvenzrechtlichen Rückforderungsanspruch ausgesetzt wird.1015 Schließlich gelten die nationalen anfechtungsrechtlichen Vorschriften der lex fori concursus gem. Art. 7 II 2 lit. m EuInsVO1016 auch bei einem dem CISG unterfallenden Vertrag,1017 sodass die §§ 129 ff. InsO ihre Wirkung einer Vorverlagerung der Gläubigergleichbehandlung mit der Folge des § 143 InsO entfalten.1018 Die auf § 129 InsO gestützte Erlaubnis, bereits vor Verfahrenseröffnung aus dem schuldnerischen Vermögen ausgeschiedene Vermögensgegenstände im Falle einer Gläubigerbenachteiligung wieder zur Masse zu ziehen, wird an die zeitliche Nähe zur Verfahrenseröffnung oder besondere Bedingungen geknüpft, unter denen der Vermögensgegenstand ausgeschieden ist (§§ 130 bis 137 InsO).1019 Damit drängt sich die Anfechtung einer Sicherheitengewährung auf, die gerade zur Abwendung der Vertragsaufhebung wegen drohender Insolvenz erfolgt. Zwar unterfällt das nachträgliche Stellen von Sicherheiten für eigene Verbindlichkeiten nach einhelliger Meinung nicht § 134 InsO.1020 Allerdings bleibt zum einen eine Anfechtung nach § 133 I InsO möglich, wobei Eine allgemeine Pflicht zur Sicherheitsleistung würde das Recht des Verwalters auf Erfüllung geradezu vereiteln […].“Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den ReichsJustizgesetzen – Bd. 4, S. 88. Daran hält der Gesetzgeber bis heute fest. 1015 Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 4 Rn. 217. Vgl. ferner BeckOGK/SchmidtAhrendts CISG Art. 71 Rn. 77; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 71 Rn. 52a. 1016 Zur Reichweite des sich aus der inhaltsgleichen Vorgängervorschrift ergebenden Insolvenzstatuts, vgl. jüngst EuGH C-594/14, ECLI:EU:C:2015:806 (Kornhaas) Rn. 14 ff. 1017 Vgl. BGH Urt. v. 16.9.2015, VIII ZR 17/15 = NZI 2015, 1033 [1036 f.]. 1018 Eingängig zum Ganzen Thole (2010) S. 279 ff. Über die dogmatische Einordnung des § 143 InsO herrscht(e) Streit. Nach heute ganz herrschender Auffassung berührt die Anfechtung jedoch nicht die dingliche Wirksamkeit, sondern führt allein zu einem schuldrechtlichen Rückübertragungsanspruch, vgl. BGH Urt. v. 21.9.2006, IX ZR 235/04 = NZI 2007, 42 [43]; Geiger, NZI 2014, 585 [586]; Bork, Insolvenzrecht (2017) S. 149 f.; Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 52 Rn. 1 ff.; BeckOK InsO/Schoon § 143 Rn. 19; K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 129 Rn. 7 ff.; Uhlenbruck/Hirte/Ede (2015) InsO § 129 Rn. 4 ff. 1019 Bork, Insolvenzrecht (2017) S. 129 f. 1020 St. Rspr. Vgl. nur BGH Urt. v. 26.4.2012, IX ZR 149/11 = NZI 2012, 711 [713]; BGH Beschl. v. 6.12.2012, IX ZR 105/12 = NZI 2013, 81 [82]. Zur Einstufung der Besicherung

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selbst unter Berücksichtigung der neu geschaffenen Privilegierungen für Deckungshandlungen in § 133 II und III InsO1021 insbesondere das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung naheliegt, wenn ein Gläubiger gerade wegen der drohenden Insolvenz die Vertragsumsteuerung erklären möchte. Zum anderen erwächst aus den besonderen Anfechtungsgründen der §§ 130 – 132 InsO eine außerordentliche Gefahr für denjenigen Gläubiger, der im direkten Umfeld der Krise des schuldnerischen Unternehmens von dem jeweiligen Vertrag Abstand nehmen möchte. Eine Sicherheitenstellung i. S. d. Art. 72 II CISG im unmittelbaren Umfeld einer Insolvenz bleibt damit nur dann von vornherein von einer insolvenzrechtlichen Anfechtung mit der Folge des § 143 InsO verschont, wenn diese von einem „starkem“ vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommen wird. Denn nach gefestigter Rspr. und Literaturmeinung darf bei Rechtshandlungen eines vorläufigen Verwalters, auf den gem. § 22 I 1 InsO die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergegangen ist, im „Interesse des schutzwürdigen Vertrauens des Rechtsverkehrs […] die Begründung von Masseschulden nicht anfechtungsrechtlich rückabgewickelt werden. Diese Beurteilung gilt auch für Rechtshandlungen eines vorläufigen Verwalters, der […] ohne Übertragung der allgemeinen Verfügungsbefugnis kraft Einzelermächtigung wirksam Masseverbindlichkeiten begründen darf.“1022

Außerhalb der letztgenannten Fälle erweist sich die Sicherheitenstellung nach Art. 72 II CISG demgegenüber im Umfeld einer Insolvenz aus Gläubigersicht aufgrund der §§ 129 ff. InsO weitestgehend als wertlos. Trotz der offenkundigen Gefahr, dass die Sicherheit einem insolvenzrechtlichen Anfechtungsrecht ausgesetzt ist, betonen Teile des Schrifttums gleichwohl, der Gläubiger könne „[e]ine angebotene ausreichende Sicherheit […] allerdings nicht ablehnen.“1023 Dabei wird jedoch nicht näher problematisiert, ob es sich überhaupt um eine „ausreichende“ Sicherheit i. S. d. Art. 72 II CISG handelt, sofern diese einem erheblichen insolvenzrechtlichen Anfechtungsrisiko ausgesetzt ist. Der Zweck der Sicherheitenstellung, dem Gläubiger trotz offensichtlich drohender wesentlicher Vertragsverletzung das Festhalten am Vertrag weiter zu zumuten, erfordert es, dass die Sicherheit umfangsmäßig die Erfüllung der Vertragspflichten einer fremden Schuld, vgl. BGH Urt. v. 7.5.2009, IX ZR 71/08 = NZI 2009, 435 [436]; Braun/de Bra (2017) InsO § 134 Rn. 18. 1021 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz, BT-Drucks. 18/7054, 18 f. Vgl. ferner Kindler/Bitzer, NZI 2017, 369 [373]. 1022 So jüngst BGH Urt. v. 20.2.2014, IX ZR 164/13 = NZI 2014, 321 [322]. Eingängig zum Ganzen Binder, KTS 67 (2006) 1 [7 ff.]; vgl. ferner Gottwald/M. Huber, Insolvenzrechts-Handbuch (2015) § 46 Rn. 32; K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 129 Rn. 38; Uhlenbruck/Hirte/Ede (2015) InsO § 129 Rn. 137. 1023 Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 71 Rn. 52a. Dem folgend BeckOGK/SchmidtAhrendts CISG Art. 71 Rn. 77.

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abdeckt, während bloße Zusagen oder Absichtserklärungen das Aufhebungsrecht nicht entfallen lassen können.1024 Von einer umfangsmäßigen Absicherung des Gläubigers kann jedoch keine Rede sein, wenn der Schuldner sehenden Auges eine Sicherheit anbietet, die mit insolvenzrechtlichen Anfechtungsrisiken behaftet ist. Damit scheiden regelmäßig jedenfalls solche Maßnahmen als „ausreichende“ Sicherheiten i. S. d. Art. 72 II CISG aus, die zu einer Verringerung des schuldnerischen Vermögens führen und wegen der damit verbundenen Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 129 I InsO ersichtlich einem Anfechtungsrisiko ausgesetzt sind. Somit lässt sich die Frage der Einordnung als „ausreichende“ Sicherheit darauf zuspitzen, ob immerhin eine Interzession im Sinne der Haftung eines Dritten mit dessen Vermögen oder mit Vermögensgegenständen eines Dritten als Realsicherheit zur Abwendung des Vertragsumsteuerungsrechts taugt.1025 Denn dort erscheint es zweifelhaft, ob ein Vermögensabfluss „aus dem Vermögen des Schuldners“ (vgl. § 143 I 1 InsO) zu verzeichnen ist, der zu einer Gläubigerbenachteiligung i. S. d. § 129 I InsO führt. Auch insofern muss allerdings berücksichtigt werden, dass eine objektive Benachteiligung im Sinne der Norm bereits vorliegen kann, wenn die Befriedigung der Insolvenzgläubiger verkürzt, vereitelt, erschwert, gefährdet oder verzögert wird.1026 Erforderlich und ausreichend ist zur Erfüllung dieser Grundvoraussetzungen eine immerhin mittelbare Benachteiligung der Gläubiger (arg. ex § 132 InsO).1027 Deshalb sind – sofern nicht wie in § 133 InsO ausdrücklich an eine von dem Schuldner vorgenommene Rechtshandlung angeknüpft wird – grundsätzlich auch Rechtshandlungen Dritter anfechtbar.1028 Erfasst werden als mittelbare Zuwendungen somit auch solche Rechtshandlungen, bei denen eine unmittelbare Leistung an den Empfänger, die ohne Weiteres anfechtbar wäre, durch Einschaltung eines Leistungsmittlers umgangen wird. Dies ist etwa der Fall, wenn der spätere Insolvenzschuldner einen seiner Schuldner anweist, die von diesem geschuldete

1024

Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 71 Rn. 30; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 71 Rn. 48; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 71 Rn. 31. 1025 Zur Unterscheidung von Personal- und Realsicherheiten vgl. nur Bülow, Recht der Kreditsicherheiten (2017) Rn. 11 ff. 1026 St. Rspr. BGH Urt. v. 25.1.2018, IX ZR 299/16 = NZI 2018, 216 [217]; BGH Urt. v. 10.7.2014, IX ZR 280/13 = NZI 2014, 863 [863 f.]; BGH Urt. v. 26.4.2012, IX ZR 146/11 = NZI 2012, 562 [563]; BGH Urt. v. 29.9.2011, IX ZR 74/09 = NZI 2011, 855 [855]. 1027 Vgl. statt vieler Andres/Leithaus/Leithaus (2014) InsO § 129 Rn. 8 ff. 1028 Dagegen bleibt eine Vorsatzanfechtung gegenüber einem Zahlungsmittler möglich, wenn der Zahlungsvorgang zwischen Schuldner und Zahlungsmittler den Gegenstand der Anfechtung bildet und der Mittler über die Funktion als Zahlstelle hinaus mit Eigen- oder Fremdinteresse aktiv an einer Gläubigerbenachteiligung des Schuldners teilnimmt, vgl. jüngst BGH Urt. v. 14.9.2017, IX ZR 3/16 = NZI 2018, 114 [116].

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Leistung nicht an ihm zu erbringen, sondern an einen Gläubiger des Insolvenzschuldners.1029 Anders als bei der damit beschriebenen Anweisung auf Schuld liegt es lediglich bei einer Anweisung auf Kredit: So fehlt die nach § 129 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung, wenn ein Gläubiger des Insolvenzschuldners mit fremden Mitteln eines „neutralen“ Dritten befriedigt bzw. besichert wird, die nicht zuvor in das schuldnerische Haftungsvermögen gelangt oder aus diesem durch die Anweisung wieder ausgeschieden sind.1030 Dort wird das schuldnerische Vermögen nicht vermindert, weil keine Forderung gegen den Dritten dem Schuldnervermögen entzogen wird, sondern allein ein nicht benachteiligender bloßer Gläubigerwechsel vorliegt.1031 Schließlich wird dann die „Belastung der Masse mit dem Rückgriffsanspruch des Angewiesenen […] durch die Befreiung von der Schuld des Zahlungsempfängers ausgeglichen.“1032 Diese Einschränkungen müssen berücksichtigt werden, wenn die Sicherheitenstellung nach Art. 72 II CISG durch einen Dritten erfolgen soll, da nur dann eine „ausreichende“ Sicherheit vorliegt. 5. Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung: die Befreiungswirkung und Erklärungsbindung a) Befreiungswirkung der Vertragsaufhebung vor Fälligkeit im CISG und Erklärungsbindung Die Ausübung des nach Art. 72 CISG bestehenden Aufhebungsrechts führt nach Art. 81 I 1 CISG zur Beendigung des ursprünglichen Obligationenprogramms durch Befreiung von den Vertragspflichten und Umsteuerung des Vertrags in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis. Der Gläubiger erlangt dadurch bereits vor Fälligkeit seine ursprünglich durch den Vertrag eingeschränkte Dispositionsfreiheit wieder. Hat darüber hinaus bereits ein Leistungsaustausch stattgefunden, bleibt es im Übrigen in den Grenzen des Art. 82 CISG bei der Blockierung der Vertragsaufhebung wegen Zustandsveränderungen sowie bei den sich aus Art. 84 CISG ergebenden Ausgleichspflichten.1033 Mit Blick auf diese Rechtsfolge ergeben sich keine Unterschiede zur Ausübung der Aufhebungsrechte aus Artt. 49 und 64 CISG.1034 Dass noch vor Fälligkeit bereits ein Leistungsaustausch stattgefunden hat, ist freilich unwahrscheinlich. Zum einen 1029

MüKoInsO/Kayser (2013) § 129 Rn. 35; Uhlenbruck/Hirte/Ede (2015) InsO § 129 Rn. 270. 1030 BGH Urt. v. 17.6.2004, IX ZR 124/03 = NZI 2004, 492 [493]; Jaeger/Henckel (2008) InsO § 129 Rn. 81; Uhlenbruck/Hirte/Ede (2015) InsO § 129 Rn. 272 ff. 1031 BGH Urt. v. 16.10.2008, IX ZR 147/07NZI 2009, 56 [56]; Jaeger/Henckel (2008) InsO § 129 Rn. 81. Vgl. zum Ganzen ferner Geiger, NZI 2014, 585; krit. dazu Spiekermann, NZI 2014, 1030. 1032 BGH Urt. v. 21.6.2012, IX ZR 59/11 = NZI 2012, 805 [806 a. E.]. 1033 Vgl. zur Gefahrtragung bei Zustandsveränderungen im CISG, Kap. 2 VIII. 1. 1034 MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 12.

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sind die Parteien regelmäßig noch gar nicht in der Lage oder haben kein Interesse daran, die jeweils vertraglich geschuldete Leistung schon vor Fälligkeit zu erbringen. Zum anderen begegnet zwar das CISG einem generellen Zurückweisungsrecht des Käufers bei vertragswidrigen Lieferungen nur mit großer Zurückhaltung.1035 Allerdings lässt Art. 52 I CISG immerhin dann eine Verweigerung der Annahme zu, wenn der Verkäufer die Ware vor dem festgesetzten Zeitpunkt liefert. Angesichts dessen ist bei einer Aufhebung wegen antizipierten Vertragsbruchs ein bereits erfolgter Leistungsaustausch regelmäßig noch nicht erfolgt. Aufgrund der regelmäßig noch nicht erfolgten gegenseitigen Leistungserbringung rücken somit die sich aus Artt. 82 und 84 CISG ergebenden Einschränkungen bei der Rechtsfolgenbetrachtung in den Hintergrund. Dadurch lässt sich jedoch der Blick auf die Rechtsfolgen – neben der Möglichkeit, vor Fälligkeit Schadensersatz zu verlangen – auf die mit der Aufhebungserklärung verbundene Befreiungswirkung konzentrieren. Insofern lässt sich zunächst festhalten, dass die nachträgliche Veränderung der Umstände, die der Prognose zugrunde liegen, rückwirkend nichts an der rechtmäßigen Umsteuerung des Vertrags durch die Erklärung der Vertragsaufhebung ändert.1036 Lagen die Voraussetzungen der Vertragsaufhebung nach der ex ante anzustellenden Prognose vor, ist die Erklärung der Vertragsaufhebung wirksam und bleibt es auch. Hiermit verbunden ist allerdings umgekehrt die Frage, inwiefern der Gläubiger an seine Vertragsaufhebungserklärung gebunden ist oder davon doch noch mit der Folge abgehen kann, dass der Vertrag mit den sich daraus ergebenden Pflichten fortlebt.1037 Dem CISG ist jedenfalls die aus dem nationalen Recht bekannte dogmatische Unterscheidung zwischen Gestaltungs- und sonstigen Erklärungen, die einem solchen Widerruf prima facie entgegensteht, nicht bekannt.1038 Es verbietet sich daher eine Ablehnung des Widerrufs der Aufhebungserklärung mit der bloßen Begründung, es handele sich um ein Gestaltungsrecht.1039 Tatsächlich lässt sich vielmehr nach einer Auffassung ein Widerruf der Aufhebungserklärung gestützt auf den aus Artt. 16 II lit. b und 29 II 2 CISG folgenden Rechtsgedanken (Art. 7 II CISG) nur, aber immerhin dort annehmen, wo der Schuldner sich noch nicht auf die Erklärung eingestellt 1035 Bereits Art. 52 CISG lässt den Schluss zu, dass ein Zurückweisungsrecht in den sonstigen Fällen gerade nicht besteht. Insofern weicht der sich aus Art. 51 CISG ergebende Rechtsgedanke von § 266 BGB ab, sodass der Käufer etwa auch Teilleistungen annehmen muss, vgl. nur Kiene (2010) S. 190; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 508. 1036 Vgl. nur MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72. Rn. 12; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 10. 1037 Offen gelassen von OLG Hamburg Urt. v. 25.1.2008, 12 U 39/00 = CISG-online No. 1681. 1038 Schroeter, in: FS Magnus (2014) S. 301 [312]. 1039 Krit. dazu bereits, Lindacher, JZ 1980, 48 [50 ff.].

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hat.1040 Allein der Umstand, dass die Erklärung mit dem Absenden bereits wirksam wird, stehe dem nicht entgegen. Der Widerruf wird damit selbst noch nach Erhalt der Erklärung durch den Empfänger für möglich gehalten, wenn zwischen Zugang und Rücknahme der Aufhebungserklärung nur ein so kurzer Zeitraum liegt, dass der Schuldner nachweislich noch nicht entsprechend umdisponiert hat. Nach anderer Auffassung scheidet ein Widerruf dagegen wegen der mit der Erklärung verbundenen Gestaltungswirkung ab Zugang unabhängig davon aus, ob der Schuldner bereits entsprechende Dispositionen getroffen hat oder nicht.1041 Aus dem sich aus Artt. 15 II und 22 CISG ergebenden Rechtsgedanken folge nämlich, dass ein – damit überholender – Widerruf lediglich bis zum Zugang möglich sei. Die Betrachtung der sich gegenüberstehenden Meinungen zeigt, dass sich beide Ansichten auf Rechtsgedanken stützen können, die im CISG selbst Niederschlag gefunden haben. Dabei muss im Rahmen des Streits um die Widerrufsmöglichkeit der Aufhebungserklärung freilich berücksichtigt werden, dass jener Konflikt im Ergebnis nur relevant wird, wenn der Schuldner den Gläubiger auch an seiner Erklärung festhalten will. Schließlich könnten und würden sich die Parteien anderenfalls auch schlicht neu einigen, ließe man im Falle eines beiderseitigen Interesses an der Vertragserhaltung einen Widerruf nicht zu. Tatsächlich wird der Schuldner den Widerruf regelmäßig begrüßen, wenn dieser infolge der Aufhebungserklärung noch nicht disponiert hat – nur unter dieser Voraussetzung lässt indessen auch die weniger restriktive Auffassung der Literatur den Widerruf zu. Liegt die Fortführung des Vertragsprogramms im beiderseitigen Interesse, ist aber kein Grund ersichtlich, weshalb die Parteien basierend auf einer rein formaljuristischen Einordnung der Erklärung in ein scheinbar zwanghaftes Begriffssystem an der Vertragserhaltung gehindert werden sollten. Der Einwand, ein Widerruf sei stets bereits mit Zugang abzulehnen, weil es dieser Einschränkung als „Gegengewicht für die einseitige Gestaltungsmacht“ bedarf, damit sich der Schuldner auf den neuen Zustand einstellen kann,1042 verfängt eben nicht, solange der Schuldner auf die Aufhebung noch nicht reagiert hat, weil er an dem Vertrag festhalten möchte, anstelle sich auf den „neuen Zustand“ einzustellen. Eine am 1040 Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 315; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter CISG (2013) Art. 27 Rn. 14; Honsell/Gsell CISG (2009) Art. 26 Rn. 19; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 26 Rn. 12; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund CISG (2018) Art. 26 Rn. 17. 1041 Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [233]; MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 26 Rn. 10; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 26 Rn. 8; Piltz, Internationales Kaufrecht (2008), § 5 Rn. 257; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 26 Rn. 4; Soergel/Lüderitz/Budzikiewicz CISG (2000) Art. 26 Rn. 4; wohl auch Flechtner, in: International Sales Law (2016) § 20 Rn. 59. 1042 So Leser, in: Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht (1987) S. 225 [233].

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

beiderseitigen Parteiwillen orientierte Auffassung entspricht damit dem favor contractus des CISG und vermeidet unnötige – beispielsweise der erneuten Absicherung dienende – Transaktionskosten, die der Abschluss eines neuen Vertrags mit sich bringen würde. Erst wenn sich der Schuldner auf die Aufhebung eingestellt hat, sodass ein Widerruf derselben nicht seinem Interesse entspricht, bleibt eine Beseitigung der Aufhebungserklärung verwehrt. b) Befreiungswirkung des Rücktritts vor Fälligkeit im BGB und Diskussion eines ius variandi Da sich die Rechtsfolgen der Vertragsumsteuerung vor Fälligkeit regelmäßig mangels bereits erfolgtem Leistungsaustausch auf die Befreiungswirkung beschränken, führt auch der Rücktritt nach § 323 IV BGB vorrangig zu dem von § 346 I BGB stillschweigend vorausgesetzten Entfallen der Leistungspflichten. Gläubiger und Schuldner erhalten ihre Dispositionsfreiheit wieder. Der Vertrag wird umgesteuert und bildet in Form eines (Rück-)Abwicklungsschuldverhältnisses die Grundlage zum Zwecke der Liquidation, § 325 BGB. Insofern verhält es sich daher nicht anders als bei der Aufhebung nach Artt. 72, 81 I CISG. Die sich bei der Betrachtung der Rechtsfolgen stellende Frage des Widerrufs der Rücktrittserklärung wird auch im deutschen Recht unterschiedlich beantwortet und aufgrund der Einordnung als Gestaltungserklärung seit jeher überwiegend kritisch beäugt.1043 Schließlich wäre dies wegen der unzweifelhaften Einordnung als Gestaltungserklärung mit einer erneuten Umgestaltung des Vertrags und damit scheinbar nicht hinnehmbarer Rechtsunsicherheit verbunden, wollte der Gläubiger nach bereits erklärtem Rücktritt den vertraglichen Leistungsaustausch wiederaufleben lassen, um im Zuge dessen allenfalls den Differenzschaden geltend zu machen. Die Befreiungswirkung des Rücktritts lasse sich deshalb – so die Anhänger dieser Auffassung – nur auf vertraglicher Grundlage beseitigen.1044 Vorzugswürdig erscheint dagegen die von Teilen des Schrifttums für Zwecke der Kombination von Rücktritt und Schadensersatz vertretene Annahme eines ius variandi. Der Gläubiger erhält dadurch die Möglichkeit, trotz bereits erfolgter Rücktrittserklärung noch die Leistung zu erbringen, d. h. die Rücktrittserklärung zu widerrufen, um den Schaden – in Anlehnung an die Termi-

1043

Gegen die Möglichkeit des Widerrufs im geltenden Recht, Clevinghaus (2007) S. 264 ff.; Riewert (2014) S. 114 f.; Weidt (2008) S. 186; Faust, in: FS Huber (2006) S. 239 [241 f.]; Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 [3465]; BeckOK BGB/H. Schmidt § 325 Rn. 14; BeckOGK/Schall BGB § 349 Rn. 30 ff.; Dauner-Lieb/Langen/Dauner-Lieb (2016) BGB § 325 Rn. 13; Jauernig/Stadler (2015) § 325 Rn. 2; HK-BGB/Schulze (2017) § 325 Rn. 4; MüKoBGB/Ernst (2016) § 325 Rn. 23; Staudinger/Schwarze (2015) § 325 BGB Rn. 26. Nachweise zur h. M. im früheren Recht bei Leser (1975) S. 271 dort Fn. 156 f. 1044 Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 [3465].

VI. Ausübung und Rechtsfolgen

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nologie zum früheren Recht – nach der sog. „Surrogationsmethode“ zu berechnen oder um bei Festhalten an dem Leistungsaustausch lediglich einen Differenzschaden geltend zu machen.1045 Dies entspricht dem Regelungsgedanken des mit dem im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung neu geschaffenen § 325 BGB und der daraus folgenden Stärkung der Gläubigerstellung. Wäre nämlich die Rücktrittserklärung sofort bindend, könnte der Gläubiger stets – ggf. begleitet von der Rückgewähr bereits erbrachter Leistungen – nur noch den Differenzschaden geltend machen. Dies würde jedoch die im Vergleich zur früheren Rechtslage bestehende Intention des Gesetzgebers unberücksichtigt lassen, Rücktritt und Schadensersatz freier kombinieren zu können, um den Gläubiger vor den Folgen eines voreilig erklärten Rücktritts zu schützen.1046 Im Übrigen hat der BGH bereits zum früheren Recht das Dogma der absoluten Bindungswirkung zu Gunsten eines flexibleren Leistungsstörungsrechts deutlich aufgeweicht.1047 So blieb nämlich die Möglichkeit des Abrückens von den Rücktrittsfolgen nicht auf Fälle beschränkt, in denen es wegen der Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz galt, den Gläubiger vor dem Verlust seines Schadensersatzanspruchs zu bewahren. Vielmehr konnte der Gläubiger darüber hinaus zur Surrogationsmethode übergehen, obwohl dieser anfänglich eine Abrechnung nach der Differenzmethode begehrte. Letzteres war jedoch „nichts anderes als eine schadensrechtlich eingekleidete Vertragsauflösung.“1048 Letztlich ist die Bindungswirkung an Gestaltungserklärungen auch damals wie heute weder dogmatisch-begrifflich vorgegeben noch formal-abstrakt vom Gesetzgeber geregelt,1049 sondern nur so weit gerechtfertigt, wie sie zur Wahrung der Interessen des Schuldners erforderlich ist. Damit ist der Bindungsgrundsatz aber dort einer Auflockerung zugänglich, wo die schutzwürdigen Interessen des Schuldners mangels bestehender Rechtsunsicherheit solche des Gläubigers nicht überwiegen.1050 Da die Frage, ob Schuldnerinteressen über Gebühr beeinträchtigt werden, sich bei dem Übergang von 1045

Canaris, JZ 2001, 499 [514]; Derleder, NJW 2003, 998 [1000 f.]; Gsell, JZ 2004, 643 [647 ff.]; Heinrichs, in: FS Derleder (2005) S. 87 [104]; von Olshausen, in: FS Huber (2006) S. 471 [494 f.]; Palandt/Grüneberg (2019) § 325 Rn. 2; BeckOGK/Herresthal BGB § 325 Rn. 117 ff.; MüKoBGB/Gaier (2016) § 349 Rn. 4; Soergel/Gsell (2005) § 325 Rn. 31; wohl auch Erman/Westermann (2017) § 325 Rn. 2; de lege ferenda, MüKoBGB/Ernst (2016) § 325 Rn. 23. 1046 Vgl. die Begründung zu § 325 BGB, BT-Drucks. 14/6040, 188. 1047 Vgl. nur BGH Urt. v. 17.1.1979, VIII ZR 304/77 = NJW 1979, 762 [763]; BGH Urt. v. 10.2.1982, VIII ZR 27/81 = NJW 1982, 1279 [1279 f.]; BGH Urt. v. 9.5.1990, VIII ZR 237/89 = NJW 1990, 2683 [2684]; BGH Urt. v. 9.10.1991, VIII ZR 88/90 = NJW 1992, 566 [568]. Für die Annahme eines ius variandi bereits zum früheren Recht daher ferner Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 22 II; Leser (1975) S. 273 ff. 1048 Gsell, JZ 2004, 643 [649]; vgl. ferner von Olshausen, in: FS Huber (2006) S. 471 [473 f. und 493 ff.]. 1049 So aber Staudinger/Schwarze (2015) § 325 BGB Rn. 26. 1050 Vgl. bereits Lindacher, JZ 1980, 48 [51]; Leser (1975) S. 230 ff.

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einem Anspruch auf einen anderen Anspruch – etwa vom großen auf den kleinen Schadensersatzanspruch – in demselben Maße stellt wie beim Übergang von einem Gestaltungsrecht auf das andere, sollte die Korrigierbarkeit der Wahl weniger von der Konstruktion der einzelnen Rechte als von den zugrundeliegenden Interessen abhängen.1051 Die Annahme eines ius variandi gleicht damit dem zum UN-Kaufrecht gefundenen Ergebnis.1052 Einschränkend ist damit wie auch bei dem CISG unterliegenden Verträgen allein zu fordern, dass der Widerruf der Rücktrittserklärung nur so lange möglich ist, wie sich der Schuldner noch nicht auf den Rücktritt bzw. eine Verständigung auf den Schadensausgleich eingestellt hat, indem er entsprechende Vertrauensdispositionen getroffen hat.1053 c) Widerruf der Vertragsumsteuerungserklärung bei drohender Insolvenz Die aus der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs nach § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG folgende Befreiungswirkung wirft auch im Fall einer drohenden Insolvenz und späteren Verfahrenseröffnung keine besonderen Fragen auf. Hat der Gläubiger den Vertrag wirksam umgesteuert und haben die Parteien bereits Leistungen ausgetauscht, ist das Rückgewährschuldverhältnis in Anwendung des § 103 InsO einer Wahlrechtsausübung durch den Verwalter zugänglich.1054 Hat ein solcher Leistungsaustausch – wie regelmäßig bei einem antizipierten Vertragsbruch noch vor Fälligkeit – noch nicht stattgefunden, konzentriert sich das Interesse des Gläubigers freilich ohnehin auf die Befreiungswirkung, die zum Entfallen der Primärleistungspflichten führt. Schwieriger ist die Frage zu beurteilen, ob der Gläubiger im Fall einer drohenden Insolvenz an seine Erklärung der Vertragsumsteuerung zwingend gebunden ist. Soweit ersichtlich, haben sich hierzu allein Kleine/Scholl kritisch geäußert. Mit Blick auf die Einordnung des Rücktritts als ius variandi wegen § 325 BGB führen sie aus, denkbar sei zwar „in der Praxis ein Bedürfnis für einen Wechsel vom Rücktritt zum kleinen Schadensersatz […] – etwa bei drohender Insolvenz des Schuldners. Sinn und Zweck des § 325 BGB ist es aber nicht, dem Gläubiger zu ermöglichen, seine Rechtsbehelfe der Vermögensentwicklung des Schuldners anzupassen.“1055

1051

Eingängig von Olshausen, in: FS Huber (2006) S. 471 [494 ff.], der darauf hinweist, dass damit keine Aussage über die Widerruflichkeit sämtlicher Gestaltungserklärungen verbunden ist, da hier die besondere Situation betroffen ist, auf welche Weise – und nicht ob – der Gläubiger mehrere vom Gesetz zur Auswahl gestellten Rechte ausübt. 1052 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 12 dort Fn. 56. 1053 Gsell, JZ 2004, 643 [649]; MüKoBGB/Gaier (2016) § 349 Rn. 4; BeckOGK/Herresthal BGB § 325 Rn. 121; zum früheren Recht, Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 22 II. 1054 Vgl. die Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 103 InsO auf Rückgewährschuldverhältnisse, Kap. 3 I. 2. c) dd). 1055 Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 [3465] [Herv. d. Verf.].

VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs

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Die ablehnende Haltung des vorstehenden Zitats scheint auf der Erwägung zu beruhen, dass eine Lockerung der Bindung an die Erklärung der Vertragsumsteuerung einer zu vermeidenden Spekulation des Gläubigers Vorschub leisten würde. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein insolvenzspezifisches Risiko. Unabhängig davon, ob der Gläubiger die Vertragsumsteuerung im Umfeld einer Insolvenz erklärt oder nicht, geht es nach den vorstehenden Ausführungen bei dem Widerruf der Erklärung stets um eine Abwägung des schutzwürdigen Vertrauens des Schuldners in den Bestand der Umsteuerung des Vertrags mit dem – ggf. beiderseitigen – Interesse an dem Fortleben des Vertrags. Dieser Aspekt wird lediglich vernebelt, wenn die Diskussion um eine Widerrufsmöglichkeit von vornherein in das Korsett einer begriffsjuristischen Einordnung als unumkehrbare Gestaltungserklärung gezwängt wird. Unter Berücksichtigung der Interessenlage ist schließlich nicht einzusehen, warum ein Fortleben des Vertrags durch Widerruf der Vertragsumsteuerungserklärung scheitern soll, wenn sowohl der widerrufende Gläubiger als auch der Schuldner daran interessiert sind. Berechtigten Bedenken um die Rechtssicherheit wird sodann durch den Vorbehalt Rechnung getragen, dass sich der Schuldner noch nicht auf die Vertragsumsteuerung eingestellt haben darf.1056 Außerhalb dessen ist jedoch kein Grund ersichtlich weshalb ein Widerruf der Vertragsumsteuerungserklärung gesperrt sein sollte. Dies gilt insbesondere dann, wenn das in der Krise befindende schuldnerische Unternehmen auf den Leistungsaustausch mit dem Gläubiger angewiesen ist.

VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs

1. Der Schadensersatzanspruch vor Fälligkeit in BGB und CISG Mit der Vertragsumsteuerung werden die Parteien allein von ihren Vertragspflichten befreit und erlangen ihre Dispositionsfreiheit wieder. Daneben ist der Gläubiger jedoch regelmäßig auch noch an der Befriedigung seines Erfüllungsinteresses im Wege der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs interessiert. Sind die beiderseitigen Vertragspflichten infolge der Umsteuerung des 1056

Vgl. zum CISG Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 315; Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 26 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter CISG (2013) Art. 27 Rn. 14; Honsell/Gsell CISG (2009) Art. 26 Rn. 19; MüKoHGB/Benicke CISG (2018) Art. 26 Rn. 12; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund CISG (2018) Art. 26 Rn. 17. Vgl. zum BGB Canaris, JZ 2001, 499 [514]; Derleder, NJW 2003, 998 [1000 f.]; Gsell, JZ 2004, 643 [647 ff.]; Heinrichs, in: FS Derleder (2005) S. 87 [104]; von Olshausen, in: FS Huber (2006) S. 471 [494 f.]; Palandt/Grüneberg (2019) § 325 Rn. 2; BeckOGK/Herresthal BGB § 325 Rn. 117 ff.; MüKoBGB/Gaier (2016) § 349 Rn. 4; Soergel/Gsell (2005) § 325 Rn. 31; wohl auch Erman/Westermann (2017) § 325 Rn. 2.

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

Vertrags entfallen, geht das Interesse des Gläubigers sodann dahin, den sich aus dem Verlust des Vertragsgewinns ergebenden Differenzbetrag geltend zu machen. Erst diese Kumulierung (Artt. 45 II und 61 II CISG bzw. § 325 BGB) mit dem Schadensersatzanspruch führt dazu, dass der wirtschaftliche Nutzen des Vertrags dem Gläubiger isoliert zukommt und der Gläubiger so gestellt wird, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung gestanden hätte.1057 Insofern bereitet bei einem antizipierten Vertragsbruch sowohl im CISG als auch im BGB das Bestehen und die Berechnung des Schadensersatzanspruchs Schwierigkeiten.1058 a) Schadensersatz vor Fälligkeit im CISG aa) Der Schadensersatzanspruch vor Fälligkeit im System der Garantiehaftung Anders als noch das Haager Kaufrecht enthält das CISG keine Norm zur Schadensersatzberechtigung wegen antizipierten Vertragsbruchs.1059 Das Haager Kaufrecht sah im Anschluss an den Art. 72 I CISG gleichenden Art. 76 EKG zusätzlich in Art. 77 EKG ausdrücklich vor: „Where the contract has been avoided under Article 75 or Article 76, the party declaring the contract avoided may claim damages in accordance with Articles 84 to 87.“1060

Damit wurde ausdrücklich auch bei einem vorweggenommenen Vertragsbruch auf die den Schadensersatz betreffenden Normen verwiesen. Das UN-Kaufrecht verzichtet dagegen auf eine solche Regelung, da sie schlicht für überflüssig gehalten wurde.1061 Von der unausgesprochenen, weil für selbstverständlich erachteten Verweisung auf die Schadensersatzpflicht lässt sich deshalb vor 1057

Vgl. dazu den Abschnitt zur Befreiungswirkung der Vertragsumsteuerung und Kombination mit Schadensersatz als einheitliches Rechtsbehelfssystem in BGB und CISG. 1058 Zum Ganzen, Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 ff.; Hager, in: FS Schwenzer (2011) S. 681 [691 ff.]. Zu unterscheiden ist dies von der Gefahr, dass die Voraussetzungen des Art. 72 CISG nicht vorliegen, sodass sich der Gläubiger mit der Erklärung seinerseits schadensersatzpflichtig macht, vgl. Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54: „A party who intends to declare the contract avoided pursuant to article 63 should do so with caution. If at the time performance was due no fundamental breach would have occurred in fact, the original expectation may not have been "clear" and the declaration of avoidance itself be void. In such a case, the party who attempted to avoid would be in breach of the contract for his own failure to perform.“ 1059 Bereits im EKG erschöpfte sich die Vorschrift in einer Klarstellung, Dölle/Leser (1976) EKG Art. 77 Rn. 3. 1060 Art. 75 EKG enthielt die Vorgängervorschrift von Art. 73 II und III CISG. 1061 Vgl. V Yearbook, 1974 (Document A/CN.9/87), p. 42 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 188): „It was observed that this article repeated a rule that had already been established under the basic rules on remedies approved by the Working Group.“

VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs

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dem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund ebenso unzweifelhaft auf das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs auch bei einem antizipierten Vertragsbruch schließen.1062 Zwar verwundert ein derart bedenkenloses Verständnis prima facie angesichts der Tatsache, dass Art. 74 S. 1 CISG eine bereits begangene Vertragsverletzung fordert. Dieser auf den Wortlaut der deutschen Fassung gestützte Einwand hat vereinzelt zur der Annahme geführt, die Schadensersatzpflicht hänge bei einem antizipierten Vertragsbruch von dem Störungsgrund ab:1063 So soll nur bei der Erfüllungsverweigerung sofort ein Schadensersatzanspruch bestehen, da sich allein darin eine eigenständige und vermeintlich erforderliche Vertragsverletzung erblicken lasse. Nur dort sei die sofortige Ersatzpflicht unzweifelhaft, während in Fällen sonstiger Leistungsgefährdung ein Schadensersatzanspruch erst im Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistungspflicht entstehen soll.1064 Allerdings ist diese Auffassung zu sehr an dem Wortlaut der nichtamtlichen deutschen Fassung des Art. 74 S. 1 CISG verhaftet. In den amtlichen Fassungen fehlt der Gegenwartsbezug einer „begangenen“ Vertragsverletzung (amtl.: „Damages for breach of contract by one party“). Angesichts dessen ist der gesetzgeberische Wille zu respektieren, bei einem antizipierten Vertragsbruch unbesehen der Gefährdungssituation einen Schadensersatzanspruch zu gewähren. Eine Eingrenzung des auf dem Gedanken der verschuldensunabhängigen Garantiehaftung beruhenden Schadensersatzes erfolgt damit lediglich innerhalb der in Art. 79 CISG vorgesehenen Befreiung und in den Berechnungsgrenzen der Artt. 74 ff. CISG.1065 Hervorzuheben ist bei dem mit einer Vertragsaufhebung kombinierten Schadensersatzanspruch die Vorhersehbarkeitsregel des Art. 74 S. 2 CISG. Dem Gläubiger ist nach Aufhebung des Vertrags nämlich zum einen regelmäßig an einer auf den Artt. 75 f. CISG basierenden Schadensersatzberechnung gelegen. Allerdings ist zum anderen nicht unumstritten, inwiefern Art. 74 S. 2 CISG dort anwendbar ist. Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung findet die Vorhersehbarkeitsregel dort indessen von vornherein keine Anwendung. Begründet wird dies mit dem sich lediglich auf Art. 74 S. 1 CISG beziehenden Wortlaut (amtl.: „Such damages“/„ Ces dommages-intérêts“) und der systematischen Stellung im Gegensatz zur Schadensminderungsvorschrift des Art. 77 CISG, die anders als Art. 74 S. 2 CISG 1062

MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 72 Rn. 12. Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [627]; wohl auch Schlechtriem, in: FS Georgiades (2006) S. 383 [397]. 1064 Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [627] sucht daher mangels aktueller Vertragsverletzung die Lösung in der Konstruktion eines sofortigen Schadensersatzanspruchs wegen der Verletzung der Pflicht zur Sicherheitenstellung. Allerdings handelt es sich dabei, wie Stoll selbst einräumt, nur um ein Abwendungsrecht des Schuldners und nicht um dessen Pflicht, vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 71 Rn. 43; Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 71 Rn. 48. 1065 Vgl. dazu auch jüngst OLG Karlsruhe BeckRS 2016, 03859. 1063

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

als eigene Vorschrift gefasst wurde und damit auch für die Artt. 75 f. CISG gilt. Aspekte der Vorhersehbarkeit werden damit allein im Rahmen des Angemessenheitserfordernisses des Art. 75 CISG relevant.1066 bb) Konkrete und abstrakte Berechnung des Schadensersatzanspruchs Schwierigkeiten ergeben sich bei der Berechnung des Schadensersatzanspruchs wegen antizipierten Vertragsbruchs. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass der Zeitpunkt der Vertragsaufhebung sowie der Zeitpunkt der Fälligkeit und damit der Zeitpunkt, in dem der Gläubiger tatsächlich wegen Nichterfüllung einen Verlust erleidet, voneinander abweichen.1067 Die Berechnung des Schadensersatzanspruchs ergibt sich im CISG allgemein aus den Artt. 74 ff. CISG. Dabei enthält Art. 74 CISG eine § 249 BGB vergleichbare Grundnorm.1068 Ergänzend halten Artt. 75 und 76 CISG spezielle Schadensberechnungsregeln für diejenigen Schadensposten bereit, die wirtschaftlich an die Stelle der eigentlichen Leistungspflicht treten.1069 (1) Schadensberechnung nach Artt. 75 f. CISG bei eingetretener Vertragsverletzung Hebt der Gläubiger den Vertrag auf, kann er ein Deckungsgeschäft vornehmen und nach Art. 75 CISG Schadensersatz in Höhe des Unterschieds zwischen dem im Vertrag vereinbarten Preis und dem Preis des konkreten Deckungsgeschäfts verlangen.1070 Daneben kann er nach Art. 74 CISG „weiteren Schadensersatz“ verlangen, Art. 75 CISG a. E. Davon erfasst sind beispielsweise zusätzliche Lager- und Transportkosten.1071 Das Deckungsgeschäft muss dabei nach Art. 75 CISG „in angemessener Weise und innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Aufhebung vorgenommen“ werden muss (amtl.: „in a reasonable manner and within a reasonable time after avoidance“/„d’une ma-

1066 Faust (1996) S. 25 f.; Schmidt-Ahrendts (2007) S. 90 f.; BeckOGK/Bach CISG Art. 75 Rn. 20; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 74 Rn. 26; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 75 Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 75 Rn. 8; Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 75 Rn. 12; zurückhaltender spielt nach Staudinger/Magnus (2018) CISG Art. 75 Rn. 3 die Vorhersehbarkeit „für Art. 75 in aller Regel keine Rolle.“ 1067 Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [230]. 1068 Wittinghofer/Becker, IHR 2010, 225 [226]. 1069 Der Gläubiger kann Befriedigung des Erfüllungsinteresses auch gestützt auf Art. 74 CISG verlangen, doch ist dies nicht mit der Vertragsaufhebung verbunden. Die Pflichten bleiben bestehen und eine bereits erfolgte Leistung ist anzurechnen, vgl. Schlechtriem, in: FS Georgiades (2006) S. 383 [389]. 1070 Ausführlich zur Vertragsaufhebung als Voraussetzung des Art. 75 CISG, SchmidtAhrendts (2007) S. 68 ff. 1071 Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [232].

VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs

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nière raisonnable et dans un délai raisonnable après la résolution“). Bei beiden Anforderungen handelt es sich um spezielle, in den Tatbestand des Art. 75 CISG inkorporierte Schadenminderungspflichten für die konkrete Schadensberechnung.1072 In „angemessener Weise“ bedeutet deshalb für die das Deckungsgeschäft vornehmende Partei, dass sie sich nicht zu jedem beliebigen Preis eindecken darf, sondern dass der Deckungsvertrag, soweit möglich, den Konditionen des gestörten Vertrags entsprechen soll.1073 Darin kommt die Ersatzfunktion dieser Vorgehensweise klar zum Ausdruck.1074 Daneben kann der Schaden nach Art. 76 CISG abstrakt unter Zugrundelegung eines Marktpreises berechnet werden. In Anlehnung an Art. 55 CISG bedeutet Marktpreis denjenigen Durchschnittspreis, der bei Vertragsabschluss allgemein für derartige Ware berechnet wurde, die in dem betreffenden Geschäftszweig unter vergleichbaren Umständen verkauft wurde.1075 Der Ort des Referenzmarktes wird durch Art. 76 II CISG bestimmt.1076 Zweifeln lässt sich an der Einordnung als „abstrakte“ Schadensberechnung lediglich deshalb, weil Art. 76 CISG die Abrechnung zum Marktpreis davon abhängig macht, dass kein Deckungsgeschäft vorgenommen wurde. Prima facie kann der Schuldner der Kalkulation des Gläubigers danach nämlich den Einwand entgegensetzen, dieser habe wegen eines konkret günstigeren Deckungsgeschäfts einen geringeren Schaden erlitten. Solche Einwände stünden einer Einordnung als echter abstrakter Schadensberechnung entgegen.1077 Allerdings wird die Einschränkung des Art. 76 CISG insofern nach ganz h. M. unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikenverteilung zutreffend restriktiv verstanden: ein die abstrakte Schadensberechnung hinderndes Deckungsgeschäft liegt nur vor, wenn sämtliche Voraussetzungen des Art. 75 CISG gegeben sind. Fehlt es etwa an der Angemessenheit des Deckungsgeschäfts oder schließt der Geschädigte regelmäßig vergleichbare Geschäfte, ohne ein solches als konkretes Deckungsgeschäft zu bestimmen, findet Art. 76 CISG Anwendung.1078

1072

Fogt, ZVglRWiss 2016, 200 [259]; Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [233]. MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 75 Rn. 13 f.; Witz/Salger/Lorenz/Witz PKCISG (2016) Art. 75 Rn. 8; Ferrari/Kieninger/Mankowski/Saenger CISG (2018) Art. 75 Rn. 5. 1074 Witz/Salger/Lorenz/Witz PK-CISG (2016) Art. 75 Rn. 6. 1075 MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 76 Rn. 4. 1076 Ausführlich zu der Frage, in welcher Währung die Berechnung zu erfolgen hat, Wittinghofer/Becker, IHR 2010, 225 [227 ff.] (= Besprechung von OLG Frankfurt a.M. Urt. v. 24.3.2009, 5 U 214/05 = CISG-online No. 2165). 1077 Eingängig dazu U. Huber, in: FS Schmidt (2009) S. 725 [738 f.]. 1078 Vgl. zu Artt. 71 und 72 des Entwurfs, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 60; OGH Urt. v. 28.4.2000, 10 Ob 292/99v = IHR 2001, 206 [208]; MüKoBGB/ P. Huber CISG (2016) Art. 76 Rn. 3; BeckOGK/Bach CISG Art. 76 Rn. 7 f.; teilw. abweichend Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 76 Rn. 2. 1073

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

(2) Die Berechnung nach Artt. 75 f. CISG beim antizipierten Vertragsbruch Bei einer auf Art. 72 CISG gestützten Aufhebung stellt sich anders als bei einer Vertragsaufhebung nach Fälligkeit die Frage, ob auch insofern an Art. 75 CISG festzuhalten ist, als „innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Aufhebung“ das Deckungsgeschäft vorgenommen werden muss oder ob auf den vereinbarten Erfüllungszeitpunkt abzustellen ist. Ebenso problematisch ist, dass Art. 76 CISG grundsätzlich von dem „Marktpreis zur Zeit der Aufhebung“ ausgeht. Somit stellt sich unter Art. 76 CISG gleichermaßen die Frage, inwiefern bei einer Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG Besonderheiten gelten. Die Artt. 75 f. CISG statuieren insofern keine Ausnahmen. Anders verhielt es sich noch mit einem Entwurf des Haager Einheitlichen Kaufrechts von 1956.1079 Art. 100 EKG-E (1956) sah noch eine differenzierte Regelung für die Schadensersatzberechnung bei einer im Voraus zu erwartenden Vertragsverletzung vor: „Im Falle einer im voraus zu erwartenden Vertragsverletzung im Sinne des Art. 87 wird der Schadensersatz, wenn für die Erfüllung der Verpflichtung, deren Nichterfüllung zu erwarten ist, im Vertrag eine Zeit bestimmt war und wenn die Sache einen Marktpreis hatte, auf der Grundlage des Preises der Ware zu der im Vertrag festgesetzten Zeit errechnet.“1080

Damit war abweichend von dem Termin der Vertragsaufhebung die Berechnung zum Liefertermin im Entwurf des EKG noch gesetzlich verankert. Eine Einschränkung erfuhr dieser Grundsatz durch einen Folgeabsatz: „Jedoch kann der Schadensersatz nicht höher sein als der bei einem früheren Deckungskauf tatsächlich gezahlte Preis oder als der Unterschied zwischen dem vertraglichen Preis und dem tatsächlich bei einem früheren Deckungsverkauf erzielten Preis.“1081

Diese Entwurfsvorschriften wurden allerdings bei den ersten Verhandlungen in Den Haag gestrichen. Dies wurde maßgeblich von der Erwägung getragen, dass mit der damit verbundenen Verschiebung auf die Vertragsaufhebung als Stichtag dem Bedürfnis nach schneller Klärung besser Rechnung getragen wird.1082 Zutreffend hat hierzu Leser jedoch darauf hingewiesen, dass ein fester Stichtag, namentlich alsbald nach der vorzeitigen Vertragsaufhebung, bei der Schadensberechnung und der damit verbundenen Ermittlung etwaiger Marktpreise nicht davon entbindet, die Besonderheiten einer erst in der Zukunft liegenden Lieferung zu berücksichtigen.1083 Für die Schadensberechnung bleibt 1079

In deutscher und französischer Sprache abgedruckt in RabelsZ 22 (1957) 124 ff. Art. 100 Entwurf zum Einheitlichen Kaufrecht v. 1956, abgedruckt in RabelsZ 22 (1957) 124 [171] [Herv. d. Verf.]. 1081 Art. 100 Entwurf zum Einheitlichen Kaufrecht v. 1956, abgedruckt in RabelsZ 22 (1957) 124 [171]. 1082 Vgl. Dölle/Leser (1976) EKG Art. 77 Rn. 8. 1083 Dölle/Leser (1976) EKG Art. 77 Rn. 10 ff.; a. A. Stoll, RabelsZ 52 (1988) 617 [636 f.]. 1080

VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs

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das Zeitmoment der künftigen Erfüllung relevant, weil sich sowohl das Deckungsgeschäft als auch die Bestimmung der Marktpreisdifferenz an den Modalitäten des gestörten Vertrags zu orientieren haben, um der Kompensationsfunktion des Schadensersatzes Rechnung zu tragen, und der vertraglich vereinbarte Lieferzeitpunkt regelmäßig eine ganz wesentliche Modalität darstellt.1084 Diese zum EKG entwickelten Berechnungsgrundsätze können auch im UNKaufrecht Geltung für sich beanspruchen. Die Haager Einheitlichen Kaufgesetze dienen als Vorläufer des UN-Kaufrechts zugleich als eine der wichtigsten Quellen historischer Interpretation des CISG.1085 Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass das CISG in dem hier interessierenden Bereich die Regelungen des EKG übernehmen wollte und deshalb den deklaratorischen Art. 77 EKG gar für überflüssig hielt.1086 Trotz des auf die Vertragsaufhebung abstellenden Wortlauts des Art. 75 CISG sprechen daher im Falle der präventiven Reaktion mit der Vertragsaufhebung nach Art. 72 CISG die besseren Gründe für den späteren Erfüllungszeitpunkt als maßgeblichen Berechnungstermin.1087 Zum einen ergibt sich dies bei Deckungsgeschäften, die noch nicht existierende Waren betreffen, schon denknotwendig aus der Natur der Sache, dass eine gegenwartsbezogene Berechnung dann nicht möglich ist.1088 Zum anderen folgt dies teleologisch betrachtet aus dem von mit dem Angemessenheitskriterium verfolgten Zweck des Art. 75 CISG, wonach das Deckungsgeschäft in den wesentlichen Parametern dem aufgehobenem Vertrag entsprechen soll.1089 Der vertraglich vereinbarte Lieferzeitpunkt stellt eine ganz wesentliche Modalität des Vertragsprogramms dar. Der Schadensersatz, der betragsmäßig die Differenz eines Deckungsgeschäfts erfasst, ist allein ein Substitut zur Erreichung des vertraglichen status ad quem.1090 Deshalb hat sich auch das zum Schadensersatz führende, weil hinter dem Erfüllungsinteresse zurückbleibende Deckungsgeschäft am Erfüllungszeitpunkt zu orientieren, mit der Folge, dass ein sofort getätigtes Deckungsgeschäft ggf. entsprechend abzuzinsen ist.

1084

Dölle/Leser (1976) EKG Art. 77 Rn. 10. MüKoBGB/Gruber CISG (2016) Art. 7 Rn. 22. Dementsprechend stützt sich auch Schlechtriem maßgeblich auf das zum EKG gefundene Ergebnis, Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [235] dort Fn. 12. 1086 V Yearbook, 1974 (Document A/CN.9/87), p. 42 (abgedr. bei Honnold, Documentary (1989) S. 188). 1087 Fogt, ZVglRWiss 2016, 200 [259]; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 75 Rn. 10; Hager, in: FS Schwenzer (2011) S. 681 [691]; Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [235]; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 721; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 75 Rn. 7; Brunner/SchmidtAhrendts/Czarnecki (2014) CISG Art. 75 Rn. 4. 1088 So Dölle/Leser (1976) EKG Art. 77 Rn. 11 zum Haager Kaufrecht. 1089 Vgl. Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [235]; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 75 Rn. 10. 1090 Vgl. Unberath (2007) S. 207; U. Huber, AcP 210 (2010) 319 [335]. 1085

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Zwar geht Art. 76 CISG – vorbehaltlich der Aufhebung nach Übernahme der Ware, Art. 76 I 2 CISG – von dem Marktpreis zur Zeit der Aufhebung aus. Jedoch ist die ratio der abstrakten Berechnung nach Art. 76 CISG allein, die Situation des Gläubigers zu bessern, indem er so behandelt wird, als hätte er ein Deckungsgeschäft vorgenommen. Die Kalkulationsvariante entspricht einem hypothetischen Deckungsgeschäft.1091 Der auch in Art. 75 CISG maßgeblichen Berechnung folgend ist deshalb auch im Rahmen des Art. 76 CISG der Marktpreis für Waren mit dem hinausgeschobenen Liefertermin zugrunde zu legen.1092 Das bedeutet, dass der Preis für ein Termingeschäft der jeweiligen Ware maßgeblich ist.1093 Daher ist, wie Schroeter vorschlägt, Art. 76 CISG bei einer Aufhebung nach Art. 72 CISG wie folgt zu lesen: „Die Schadensersatz verlangende Partei kann den Unterschied zwischen den im Vertrag vereinbarten Preis und dem Marktpreis zur Zeit der Aufhebung für im Lieferzeitpunkt verfügbare Ware […] verlangen.“1094 b) Schadensersatz vor Fälligkeit im BGB aa) Das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs vor Fälligkeit analog § 281 BGB Ausdrücklich sieht auch das BGB das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs bereits vor Fälligkeit nicht vor. Eine schadensersatzrechtliche Parallelbestimmung zu der nach § 323 IV BGB geschaffenen Berechtigung zurückzutreten findet sich im reformierten Schuldrecht nicht und auch die Materialien der Schuldrechtsmodernisierung schweigen hierzu.1095 Die unterschiedliche Erwähnung der Leistungsgefährdung in § 281 und § 323 BGB darf jedoch nicht dazu verleiten, im Wege eines e contrario-Arguments auf eine Ablehnung des Schadensersatzanspruchs vor Fälligkeit zu schließen.1096 Vielmehr muss insofern – ähnlich wie bei der Auslegung des CISG im Lichte des Haager-Kaufrechts – die frühere Rechtslage mitberücksichtigt werden. Schließlich war bereits im früheren Recht eine Schadensersatzpflicht noch vor Fälligkeit allgemein anerkannt und so hat der BGH noch im Oktober 2003 in einer Entscheidung zum früheren Schuldrecht und in Bestätigung seiner ständigen Rechtsprechung klargestellt, dass 1091

Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [241 ff.]. Hager, in: FS Schwenzer (2011) S. 681 [691]. 1093 Vgl. zum Haager Kaufrecht, Dölle/Leser (1976) EKG Art. 77 Rn. 10. 1094 So Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 726. 1095 BT-Drucks. 14/6040, 186 deutet im Zusammenhang mit einem antizipierten Vertragsbruch mit der Verwendung des Begriffs „Rechtsbehelfe“ im Plural allenfalls an, dass es mit dem Rücktritt vor Fälligkeit nicht sein Bewenden haben soll. Zudem spricht der Verweis auf das „Ergebnis“ des Art. 72 CISG für die Annahme des Schadensersatzanspruchs vor Fälligkeit, da dieser auch im CISG allgemein anerkannt ist, Weidt (2008) S. 204. 1096 Jaensch, ZGS 2004, 134 [139]; Soergel/Benicke/Hellwig (2014) § 281 Rn. 70. 1092

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„dem Gläubiger einer vertraglichen Hauptpflicht bei einer schon vor deren Fälligkeit erfolgenden endgültigen Erfüllungsverweigerung des Schuldners ein Anspruch aus positiver Vertragsverletzung zusteht, der ihm in entsprechender Anwendung von § 326 I BGB das Recht gibt, vom Vertrag zurückzutreten oder Schadensersatz zu verlangen.1097

Da kein Grund ersichtlich ist, weshalb insofern von der früheren Rechtslage abgewichen werden sollte, herrscht auch Einigkeit darüber, dass die Schadensersatzberechtigung vor Fälligkeit mit der Schuldrechtsmodernisierung nicht beseitigt wurde.1098 Jede andere Auffassung würde schließlich auch massiv mit § 325 BGB in Konflikt geraten. Denn könnte ein Gläubiger vor Fälligkeit lediglich nach § 323 IV BGB zurücktreten, würde er anderenfalls nach Beseitigung des Primäranspruchs mangels fälliger Forderung seinen Schadensersatzanspruch verlieren. Diese „Rücktrittsfalle“ sollte mit § 325 BGB gerade beseitigt werden. Deshalb muss der sofort fällige Schadensersatzanspruch sowohl bei einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung als auch bei sonstigen Leistungsgefährdungen bestehen.1099 Das Fehlen eines schadensrechtlichen Pendants zu § 323 IV BGB lässt sich daher allein mit einem durch eine Abweichung von der Systematik des Diskussionsentwurfs veranlassten Redaktionsversehen erklären:1100 So differenzierte der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz zum SMG in § 280 II BGB-E noch zwischen „Schadensersatz statt der Leistung“ und „Schadensersatz wegen Nichtausführung eines gegenseitigen Vertrags“. Letzterer wurde durch einen entsprechenden Verweis streng an das Vorliegen des Rücktritts gekoppelt, um nicht mit Hilfe eines „de-facto1097 BGH Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 358/02 = NJW-RR 2004, 50 [52] [Herv. d. Verf.]; st. Rspr. seit RG Urt. v. 17.9.1918, III 100/18 = RGZ 93, 285 [286]. Aus der Lit. vgl. nur Gernhuber, in: FS Medicus (1999) S. 145 [158 f.]; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 53 III 3 beide m. w. N. 1098 Ganz h. M.: Weidt (2008) S. 193 ff.; Heinrichs, in: FS Derleder (2005) S. 87 [98]; Jaensch, NJW 2003, 3613 [3614]; Jaensch, ZGS 2004, 134 [137 ff.]; Kindl, WM 2002, 1313 [1322]; Ramming, ZGS 2002, 412 [416]; Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 21 Rn. 1 ff.; BeckOGK/Riehm BGB § 280 Rn. 95; juris-PK-BGB/Seichter (2017) § 281 Rn. 9; Palandt/Grüneberg (2019) § 281 Rn. 8a; Prütting/Wegen/Weinreich/Schmidt-Kessel/Kramme (2018) § 281 Rn. 14; Erman/Westermann (2017) § 281 Rn. 6; MüKoBGB/Ernst (2016) § 281 Rn. 65; HK-BGB/Schulze (2017) § 281 Rn. 3; Soergel/Benicke/Hellwig (2014) § 281 Rn. 69 ff.; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 131; Staudinger/Schwarze (2014) § 281 BGB Rn. B 182 ff. 1099 Jaensch, NJW 2003, 3613 [3614 f.]; Heinrichs, in: FS Derleder (2005) S. 87 [98]; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 53 III 3; Palandt/Grüneberg (2019) § 281 Rn. 8a; HK-BGB/Schulze (2017) § 281 Rn. 3; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 131; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 231; jetzt auch (anders noch 4. Aufl.) MüKoBGB/Ernst (2016) § 281 Rn. 69; ablehnend Erman/Westermann (2017) § 281 Rn. 17 a. E.; insofern widersprüchlich Weidt (2008) S. 208 f., wonach einerseits ein kategorischer Ausschluss der Haftung bei sonstigen Leistungsgefährdungen, andererseits aber auch der Schadensersatz auf Grundlage einer bloßen Prognose zu weit gehe. 1100 Anschaulich Jaensch, ZGS 2004, 134 [137 f.]; vgl. ferner Weidt (2008) S. 205 ff.

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Rücktritts“ dessen Voraussetzungen zu umgehen.1101 Als diese Differenzierung und Verweisungstechnik wegen ihrer Komplexität aufgegeben wurde und in einer Angleichung der heutigen §§ 280 ff. und 323 ff. BGB aufging,1102 wurde dann schlicht die Spiegelung des § 323 IV BGB in § 281 BGB übersehen. Das ergibt sich unübersehbar aus den Materialien zum geltenden § 323 BGB, da der Gesetzgeber dort davon ausging, durch eine Angleichung von Rücktritt und Schadensersatz eine Umgehung des Rücktritts verhindert zu haben. Verblieben sei „lediglich ein Unterschied, und zwar beim Fixgeschäft.“1103 Diese Aussage trifft aufgrund der fehlenden Regelung zum antizipierten Vertragsbruch in § 281 BGB offenkundig nicht zu. Umstritten bleiben damit mangels einer speziellen Regelung allein die dogmatische Herleitung der Anspruchsgrundlage aus den §§ 280 ff. BGB sowie die damit verbundenen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs. Die hierzu vertretenen Auffassungen schwanken neben einer Analogie zu § 323 IV BGB zwischen einer analogen Anwendung von § 281 BGB einerseits und einer Analogie zu § 282 BGB andererseits. Letzteres wird vor allem im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Erfüllungsverweigerung von der Erwägung getragen, dass damit eine Verletzung der Leistungstreuepflicht gegeben sei.1104 Dabei ist jedoch erneut darauf hinzuweisen, dass die im Zusammenhang mit § 282 BGB betroffenen abstrakt-relativen Pflichten i. S. d. § 241 II BGB lediglich dem Schutz des Integritätsinteresses und damit der Erhaltung des status quo dienen.1105 Dagegen ist bei einem antizipierten Vertragsbruch das positive Erfüllungsinteresse (der status ad quem) betroffen – gleich ob ein Fall der sonstigen Leistungsgefährdung oder der vorzeitigen Erfüllungsverweigerung vorliegt.1106 Da hier ein Schadensposten vorliegt, der wirtschaftlich an die Stelle der Naturalleistung tritt, ist schließlich der Regelungsgedanke des § 281 BGB betroffen.1107 Die rechtskonstruktive Lösung der Verortung des Schadensersatzanspruchs wegen antizipierten Vertragsbruchs in § 281 BGB analog führt dabei nicht nur zu dem methodisch vorzugswürdigen Ergebnis, dass beide Fallgruppen des antizipierten Vertragsbruchs derselben Anspruchsgrundlage zugewiesen werden. Vielmehr behält nur die Einordnung in § 281 BGB in Parallele 1101 Vgl. die Begr. zu § 280 II 3 des DiskE, abgedruckt in Canaris, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 161. 1102 Vgl. bereits § 280 des KonDiskE, abgedruckt in Canaris, Schuldrechtsmodernisierung (2002) S. 358. 1103 So BT-Drucks. 14/6040, 183 [Herv. d. Verf.]. 1104 Vgl. die vorstehenden Nachweise zur Anerkennung des Schadensersatzanspruchs vor Fälligkeit. 1105 BT-Drucks. 14/6040, 125; vgl. ferner Canaris, in: FS Kropholler (2008) S. 3 [16]; Grigoleit, in: FS Canaris Bd. I (2007) S. 275 [277]. 1106 Soergel/Benicke/Hellwig (2014) § 281 Rn. 75 ff.; MüKoBGB/Ernst (2016) § 281 Rn. 65; a. A. juris-PK-BGB/Seichter (2017) § 281 Rn. 9. 1107 Vgl. dazu BeckOGK/Riehm BGB § 280 Rn. 207 ff.

VII. Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs

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zu § 323 BGB – und eben nicht zu § 324 BGB – das Erfordernis des korrekten Prognosebezugspunkts bei einem antizipierten Vertragsbruch im Auge. Im modernisierten Schuldrecht kommt es für die Gewährung von Sekundärrechten bei einem antizipierten Vertragsbruch nicht mehr auf eine irgendwie gelagerte Unzumutbarkeit, sondern auf den künftigen Eintritt der jeweiligen Voraussetzungen der Sekundärrechte an. Damit jene Voraussetzungen nicht umgangen werden, sind die Folgen einer Leistungsgefährdung stets an denjenigen Pflichtverletzungstatbestand zu binden, um dessen offensichtlich späteren Eintritt es geht.1108 Mit dem antizipierten Vertragsbruch als „eigenständigem Störungstatbestand“1109 wird schließlich nicht mehr und nicht weniger als eine Situation noch vor Fälligkeit beschrieben, bei der Umstände den prognostizierten Schluss erlauben, die Leistungspflicht werde nicht erfüllt werden.1110 Die Prognose muss sich dementsprechend wie auch parallel bei § 323 IV auf alle Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs aus §§ 280, 281 BGB beziehen.1111 Es gelten dieselben strengen Prognoseanforderungen der Offensichtlichkeit wie bei § 323 IV BGB.1112 Nachdem sich das nach § 280 I 2 BGB erforderliche Vertretenmüssen – sofern der Schuldner keine Garantie oder das Beschaffungsrisiko übernommen hat, § 276 I 1 BGB – auf die betreffende Pflichtverletzung zu beziehen hat, ist daher konsequenterweise auch die Verantwortlichkeit für die künftige Störung maßgeblich.1113 Insgesamt sollte deshalb auch im Zusammenhang mit dem Schadensersatz wegen antizipierten Vertragsbruchs nicht weiter in Anlehnung an das frühere Recht die nichtssagende Verletzung einer Leistungstreuepflicht behauptet, sondern auf die Prognose der betroffenen leistungsstörungsrechtlichen Tatbestände abgestellt werden.1114

1108

So Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 21 Rn. 2. BGH Urt. v. 14.6.2012, VII ZR 148/10 = BGHZ 193, 315 Rn. 20; Weidt (2008) S. 107 und 233; MüKoBGB/Ernst (2016) § 323 Rn. 134; Soergel/Gsell (2005) § 323 Rn. 130. Vgl. die Ausführungen zur dogmatischen Konstruktion des § 323 IV BGB, Kap. 4 II. 2. 1110 Vgl. Rodemann/Schwenker, ZfBR 2012, 627 [628] (= Anm. zu BGHZ 193, 315). 1111 Umgekehrt sind auch keine zusätzlichen Anforderungen an den Schadensersatzanspruch zu stellen. So aber wohl Soergel/Benicke/Hellwig (2014) § 281 Rn. 79 bei sonstigen Leistungsgefährdungen. 1112 Heinrichs, in: FS Derleder (2005) S. 87 [98]. 1113 Vgl. auch Weidt (2008) S. 208 f.; BeckOGK/Looschelders BGB § 323 Rn. 231.1.; ähnlich MüKoBGB/Ernst (2016) § 281 Rn. 69; abweichend Staudinger/Schwarze (2014) § 281 BGB Rn. B 203. 1114 Vgl. Staudinger/Schwarze (2014) § 281 BGB Rn. B 183. 1109

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Kapitel 4: Antizipierter Vertragsbruch und §§ 103 ff. InsO

bb) Konkrete und abstrakte Berechnung des Schadensersatzanspruchs (1) Schadensersatzberechnung für Deckungsgeschäfte in BGB und HGB bei eingetretener Vertragsverletzung Eine Art. 75 CISG vergleichbare spezialgesetzliche Normierung der Schadensberechnung basierend auf einem konkreten Deckungsgeschäft ist auch dem deutschen Recht nicht fremd. So zieht § 376 III HGB hierfür im Falle eines Fixhandelskaufs enge Grenzen, indem der (Ver-)Kauf „sofort“ nach dem Ablauf der bedungenen Leistungszeit oder Leistungsfrist zu bewirken ist. Eine Art. 76 CISG entsprechende Regelung zur abstrakten Schadensberechnung enthält § 376 II HGB. Im Falle des einem Handelsgeschäft (§§ 343 ff. HGB) zugrundeliegenden relativen Fixgeschäfts bleibt dem Schuldner einer Ware, die einen Börsen- oder Marktpreis hat, danach der Einwand verwehrt, der Käufer habe bei später gesunkenem Marktpreis ein günstigeres Deckungsgeschäft abgeschlossen.1115 Dadurch wird der wirtschaftliche Erfolg entsprechend der vertraglichen Risikoverteilung bei einem zeitlich gestreckten Kaufvertrag über Waren mit Markt- oder Börsenpreis – dem damit ein spekulatives Element inhärent ist – zugewiesen.1116 Außerhalb von § 376 II und III HGB bemisst sich die Schadensersatzberechnung im Übrigen nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff. BGB.1117 Die Berechnung hat danach grundsätzlich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles konkret zu erfolgen, um den Gläubiger so zu stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde. Basierend auf der sog. Differenzhypothese sind damit Schäden durch ein erforderliches Deckungsgeschäft oder entgangene Weiterveräußerungserlöse etc. zu erstatten.1118 Den Art. 75 CISG oder § 376 III HGB zu entnehmende vergleichbare Vorgaben, wie und wann das Deckungsgeschäft vorzunehmen ist, enthält das BGB nicht. Der Gläubiger unterliegt lediglich den allgemeinen Einschränkungen der §§ 242 und 254 BGB.1119 Daneben lässt der BGH auch im deutschen Recht jedenfalls bei einem Kaufmann oder bei kaufmannsähnlichen Personen im Zusammenhang mit dem Handel marktgängiger Waren oder Dienstleistungen unter Rekurs auf § 252 S. 2 1115

U. Huber, in: FS Schmidt (2009) S. 725 [738 f.]. G. Müller, WM 2013, 1 [1 f.]; Oetker/Koch (2017) HGB § 376 Rn. 45. 1117 Ausführlich zur „konkreten“ und „abstrakten“ Schadensberechnung, Knütel, AcP 202 (2002) 555. 1118 Dauner-Lieb/Langen/Dauner-Lieb (2016) BGB § 281 Rn. 60; Soergel/Ekkenga/Kuntz (2014) § 252 Rn. 45 f. Grundlegend zum vorzeitigen Deckungsgeschäft als Schadensersatz statt der Leistung, BGH NJW 2013, 2959 [2960 f.]; vgl. ferner Faust, in: FS Huber (2006) S. 239 [253 ff.]. Einer genaueren Auseinandersetzung mit den sich hier gegenüberstehenden Meinungen zur Einordnung der Schadensposten bedarf es hier nicht, vgl. dazu BeckOGK/Riehm BGB § 280 Rn. 197 ff. 1119 G. Müller, WM 2013, 1 [3]. Zum Mitverschulden durch Festhalten am Vertrag vgl. sogleich. 1116

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BGB eine „abstrakte“ Schadensberechnung zu.1120 Nach der gefestigten höchstrichterlichen Rspr. „bietet § 252 S. 2 BGB dem Geschädigten zwei Möglichkeiten der Schadensberechnung, nämlich die abstrakte Methode, die von dem regelmäßigen Verlauf im Handelsverkehr ausgeht, dass der Kaufmann gewisse Geschäfte im Rahmen seines Gewerbes tätigt und daraus Gewinn erzielt, und die konkrete Methode, bei der der Geschädigte nachweist, dass er durch die unerlaubte Handlung an der Durchführung bestimmter Geschäfte gehindert worden ist und dass ihm wegen Nichtdurchführbarkeit dieser Geschäfte Gewinn entgangen ist.“1121

Basierend auf einer Vermutung, wonach der Gläubiger bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung den branchenüblichen Gewinn erzielt hätte, kann die Schadensersatzberechnung dann im Wege einer typisierten Betrachtungsweise erfolgen und zur Ersatzfähigkeit der Differenz zwischen Kauf- und Marktpreis bzw. zum Ersatz eines typischen Weiterveräußerungserlös berechtigen.1122 Es obliegt dann dem Schädiger, durch Beweis zu entkräften, dass der Gewinn im tatsächlichen Verlauf doch nicht gemacht worden wäre.1123 Tatsächlich handelt es sich bei der in Ergänzung zu § 287 ZPO1124 auf § 252 S. 2 BGB gestützten – nach Verständnis der Rspr. und großen Teilen des Schrifttums – „abstrakten“ Schadensberechnung deshalb auch weniger um eine von der Differenzhypothese losgelöste eigenständige Berechnungsart, als vielmehr um eine bloße Beweiserleichterung i. S. d. prima-facie Beweises für den Geschädigten.1125 Nicht jede Schadensberechnung ohne Deckungsgeschäft ist eine „abstrakte“ Schadensberechnung. Ein Gläubiger, gleich ob Kaufmann oder nicht, kann anerkanntermaßen auch ohne Deckungsgeschäft seinen Schaden berechnen – das

1120

Anderes gilt im Zusammenhang mit einer auf §§ 823 II BGB i. V. m. 15a InsO gestützten Insolvenzverschleppungshaftung, vgl. dazu Gottwald/Gundlach, InsolvenzrechtsHandbuch (2015) § 7 Rn. 30 ff. Dort soll es nach ganz überwiegender Auffassung trotz etwaiger Berechnungsschwierigkeiten an einer konkreten Berechnung festgehalten werden, BGH NJW 1997, 3021 [3022]; MüKoInsO/Klöhn (2013) § 15a Rn. 181 ff.; Soergel/Ekkenga/Kuntz (2014) § 252 Rn. 52. 1121 BGH Urt. v. 30.5.2011, VIII ZR 70/00 = NJW-RR 2001, 1542 [1542] [Herv. d. Verf.]; vgl. ferner BGH Urt. v. 19.10.2005, VIII ZR 392/03 = NJW-RR 2006, 243 [244]. Umfangreiche Nachweise zur Rspr. bei U. Huber, in: FS Schmidt (2009) S. 725 [728 dort Fn. 4]. 1122 Flume, AcP 215 (2015) 282 [310]; Dauner-Lieb/Langen/Dauner-Lieb (2016) BGB § 281 Rn. 60. 1123 BGH Urt. v. 15.11.2011, VI ZR 4/11 = NJW 2012, 601 [602]. 1124 Vgl. zum Verhältnis zwischen § 252 S. 2 BGB und § 287 ZPO, BGH Urt. v. 18.2.2002, II ZR 355/00 = NJW 2002, 2553 [2554]; MüKoBGB/Oetker (2016) HGB § 252 Rn. 30. 1125 Vgl. daher auch die Einschränkungen in BGH Urt. v. 16.7.2015, IX ZR 197/14 = NJW 2015, 3447 [3450]. Grundlegend zum Ganzen, Steindorff, AcP 158 (1958–1959), 431 [448 ff. und 459 ff.].

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ist das schlichte Ergebnis der Differenzhypothese.1126 Lediglich die Wertfestsetzung des Schadens erfolgt dann auf „abstrakter“ Ebene.1127 Da der Schuldner nämlich im Einzelfall den Gegenbeweis erbringen kann, handelt es sich hier anders als bei der „echten“ abstrakten Schadensberechnung im engeren Sinne nach § 376 II HGB nicht um einen Anspruch, der dem Geschädigten gänzlich unabhängig davon zustünde, ob im konkreten Fall ein geringerer Vermögensnachteil vorliegt. Dagegen will § 376 II HGB den Käufer nicht stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde, indem die Annahme zugrunde gelegt wird, dieser hätte die marktgängige Ware gewinnbringend weiterverkauft. Dort genügt es vielmehr, dass der Marktpreis zum Lieferzeitpunkt gegenüber dem vertraglich fixierten Preis gestiegen ist.1128 Es bleibt damit lediglich klärungsbedürftig, ob § 376 II HGB über den unmittelbaren Anwendungsbereich der Norm hinaus Grundlage einer echten abstrakten Schadensberechnung im eben beschriebenen Sinne sein kann. Tatsächlich ist nicht ersichtlich, weshalb bei zeitlich gestreckten Verträgen über marktgängige Ware die abstrakte Schadensberechnung vom Vorliegen einer Fixklausel abhängen sollte. Treffend hat G. Müller deshalb darauf aufmerksam gemacht, dass etwa die einvernehmliche Verschiebung des Liefertermins durch die Parteien – z.B. wegen eines Lieferengpasses – und die damit einhergehende Umwandlung des Fixhandelsgeschäfts in ein „normales“ Handelsgeschäft keine andere Bewertung rechtfertigt. Weshalb der Gläubiger dadurch sein Recht zur abstrakten Schadensberechnung verlieren soll, leuchtet nicht ein, nachdem allein die vertragliche Risikenverteilung bei der Spekulation über die Preisentwicklung marktgängiger Waren und die damit verbundene Zuweisung des wirtschaftlichen Risikos die tragende Rechtfertigung echter abstrakter Schadensberechnung ist. Dort soll dem Schuldner durch Auferlegung einer „Mindestsanktion“ der Einwand eines im konkreten Fall niedrigeren Schadens als die Differenz zwischen Vertrags- und Marktpreis abgeschnitten werden, um in Stabilisierung des pacta sunt servanda-Prinzips einen für den Schuldner lohnenden Vertragsbruch – etwa in Form anderweitiger Veräußerung der Ware zu gestiegenen Preisen oder bei gestiegenen Beschaffungskosten – zu vermeiden.1129 Dagegen verbleibt es außerhalb des personellen Anwendungsbereichs der §§ 343 ff. und 376 HGB bei den oben beschriebenen Berechnungsgrundsätzen, nachdem der Reformgesetzgeber trotz des Vorbildcharakters von § 376 1126

Eingängig dazu, Knütel, AcP 202 (2002) 555 [562 f.]. Flume, AcP 215 (2015) 282 [320]; vgl. ferner MüKoBGB/Oetker (2016) HGB § 252 Rn. 45 ff.; MüKoBGB/Emmerich (2016) Vor § 281 Rn. 24 ff. Krit. zur abstrakten Schadensberechnung Soergel/Ekkenga/Kuntz (2014) § 252 Rn. 50 f.; Staudinger/Kaiser (2017) § 252 BGB Rn. 23; Larenz, Schuldrecht Bd. I (1987) § 29 III a). 1128 G. Müller, WM 2013, 1 [5]. 1129 G. Müller, WM 2013, 1 [6 f.]. Vgl. ferner U. Huber, in: FS Schmidt (2009) S. 725 [740 ff.]; so auch bereits Steindorff, AcP 158 (1958–1959) 431 [461 f.], der dieses Ergebnis auf die Vertragsinterpretation stützt. 1127

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HGB für § 323 II Nr. 2 BGB die Modifikationen der Schadensberechnung gerade nicht übernommen hat.1130 Nichts anderes folgt aus § 249 II 2 BGB, da auch bei dem Ersatz fiktiver Reparaturkosten die Berechnung dem konkreten Schaden angenähert werden soll, indem nur eine tatsächlich angefallene Umsatzsteuer ersatzfähig ist.1131 (2) Schadensberechnung beim antizipierten Vertragsbruch in BGB und HGB Im deutschen Schuldrecht stellt sich gleichermaßen die Frage, inwiefern das Vorliegen eines antizipierten Vertragsbruchs basierend auf den vorstehenden Grundsätzen zu Besonderheiten bei der Berechnung des sofort fälligen Schadensersatzanspruchs führt.1132 Soll der Schadensersatz den Gläubiger nämlich wirtschaftlich so stellen, wie er bei ordnungsgemäßer Erfüllung stünde, drängt sich eine Kalkulation unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Liefertermins auf. Ebenso wie im Rahmen der auf Art. 75 CISG basierenden Berechnung infolge eines Deckungsgeschäfts muss daher der Umfang des Schadensersatzes insofern den Parametern des aufgehobenen Vertrags entsprechen, als er die zeitlich frühere Kompensation berücksichtigt.1133 Schließlich stellt der vertraglich vereinbarte Lieferzeitpunkt eine ganz wesentliche Modalität des Vertragsprogramms dar, die sich auch bei der Preisbildung niederschlägt. Bei der Geltendmachung etwaiger aus einem ungünstigeren Deckungsgeschäft resultierenden Mehrkosten – bzw. aus Verkäufersicht bei Geltendmachung eines etwaigen Mindererlöses – lässt sich eine Benachteiligung des Schuldners bei der Schadensberechnung zum vorgezogenen Zeitpunkt deshalb durch entsprechende Abzinsung vermeiden,1134 ohne dass die tatsächliche Vornahme des Deckungsgeschäfts auf den ursprünglichen Leistungszeitpunkt hinausgeschoben werden müsste.1135 Die Frage ist nämlich weniger, ob der Gläubiger seiner Berechnung das (hypothetische) Deckungsgeschäft zugrunde legen kann, sondern in welchem Umfang bei früherer Vornahme als dem Fälligkeitszeitpunkt eine Abzinsung bzw. bei hinausgezögerter Vornahme eine Anspruchsreduzierung unter Schadenminderungsgesichtspunkten zu erfolgen hat.1136 Zwar scheint die

1130 Eingängig dazu G. Müller, WM 2013, 1 [6 ff.]; vgl. ferner MüKoBGB/Oetker (2016) HGB § 252 Rn. 50. Weitergehend U. Huber, in: FS Schmidt (2009) S. 725 [738 ff.], der unter analoger Anwendung des § 376 II HGB stets eine abstrakte Schadensberechnung für möglich hält, sofern nur ein Vertrag über Waren mit einem Marktpreis geschlossen wird. 1131 MüKoBGB/Oetker (2016) HGB § 249 Rn. 459. 1132 Vgl. dazu MüKoBGB/Ernst (2016) § 281 Rn. 66 ff. 1133 Schwarze, Leistungsstörungen (2017) § 21 Rn. 6; Zu Art. 75 CISG vgl. Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [235]; MüKoHGB/Mankowski CISG (2018) Art. 75 Rn. 10. 1134 Jaensch, NJW 2003, 3613 [3614]. 1135 Für eine Aufschiebung im Einzelfall aber, Weidt (2008) S. 216. 1136 Vgl. etwa BGH Urt. v. 18.2.2002, II ZR 355/00 = NJW 2002, 2553 [2555], wonach sich der Gläubiger „gem. §§ 242, 254 BGB schadensmindernd anrechnen lassen [muss], dass

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Norm des § 272 BGB einer Abzinsung entgegen zu stehen. Denn danach ist ein Schuldner nicht berechtigt, den Zeitvorteil, den der Gläubiger durch Erhalt bereits vor Fälligkeit erlangt, durch Abzug von Zwischenzinsen auszugleichen. Unbesehen der Tatsache, dass die Norm nur regelt, dass ein Schuldner eine Abzinsung nicht vornehmen darf und nicht, wann ein Gläubiger eine Abzinsung vornehmen muss, belässt das Gesetz dem Gläubiger mit § 272 BGB jedoch nur deshalb den Vorteil, weil es der Schuldner dort selbst in der Hand hat, ob er vorzeitig leistet.1137 Das ist allerdings nicht der Fall, wenn der Schuldner einem Schadensersatzanspruch wegen antizipierten Vertragsbruchs ausgesetzt ist. Dann ist vielmehr eine Ausnahme von dem Verbot der Abzinsung zu machen, so wie dies bspw. auch § 41 II InsO im Fall der Verfahrenseröffnung über das schuldnerische Vermögen vorsieht.1138 Eine entsprechende Abzinsung ist damit auch bei der „abstrakten“ Schadensberechnung vorzunehmen, welche die Rspr. auf die Überlegung des § 252 S. 2 BGB stützt. Auch hier ist unter Berücksichtigung des Zwecks des vertraglichen Schadensersatzanspruchs, welcher der Verwirklichung des Äquivalenzinteresses dient, der vertragliche Leistungszeitpunkt maßgebend. Das bedeutet, dass der Kalkulation der Preis für Ware mit dem vertraglich hinausgeschobenen Lieferzeitpunkt zugrunde zu legen ist.1139 Allein dass mit der Rücktrittserklärung das Erfüllungsverhältnis endet und der Gläubiger einer Schadenminderungsobliegenheit unterliegt, ändert daran nichts.1140 Den erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad für einen spekulativen Gewinn kann der Geschädigte in der Weise begründen, „dass er seine Absichten zu Kauf und Verkauf dem Schuldner frühzeitig detailliert mitteilt; dadurch beugt er einerseits dem Risiko vor, dass seine erst im Nachhinein offenbarte Spekulationsabsicht als bloße Erfindung („Milchmädchenrechnung”) abgetan wird, andererseits wirkt er auch der nahe liegenden Einwendung des Schuldners entgegen, er, der Gläubiger, habe eine etwaige Warnpflicht nach § § 254 II 1 BGB verletzt.“1141

Ist § 376 II HGB (analog) anwendbar, weil der persönliche Anwendungsbereich der Norm eröffnet ist und ein Vertrag über marktgängige Ware vorliegt, sodass der Schaden im Wege echter abstrakter Schadensberechnung berechnet werden kann, ist dem Schuldner der Gegenbeweis eines geringeren Schadens ohnehin abgeschnitten. Daher lässt sich die zum CISG im Rahmen des Art. 76 er die Primärleistung des Schuldners in Abweichung von der vorgetragenen Schadenshypothese tatsächlich bereits vor diesem Zeitpunkt „zusätzlich” erhalten hat.“ 1137 MüKoBGB/Krüger (2016) § 272 Rn. 1 f. 1138 Ausführlich dazu sogleich. 1139 Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [657]; teilweise widersprüchlich, MüKoBGB/Ernst (2016) § 281 Rn. 67. Abweichend U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 53 III 3. 1140 So aber Weidt (2008) S. 220. 1141 So BGH Urt. v. 18.2.2002, II ZR 355/00 = NJW 2002, 2553 [2553 f.] zum entgangenem Gewinn aus Spekulationsgeschäften mit Aktien.

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CISG bei einem antizipierten Vertragsbruch beschriebene Formel auch auf das deutsche Schuldrecht übertragen: Der Gläubiger kann den Unterschied zwischen den im Vertrag vereinbarten Preis und dem Marktpreis zur Zeit des Rücktritts für im Lieferzeitpunkt verfügbare Ware verlangen.1142 Dieser Preis lässt sich ermitteln, indem unter Berücksichtigung der Preisentwicklung auf einen künftigen hypothetischen Vertragsschluss abgestellt wird. Für die Berechnung unter Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Leistungszeitpunkts spricht letztlich auch der Rechtsgedanke des § 104 II InsO.1143 Nach § 104 III InsO a. F. in seiner bis zum 28.12.2016 geltenden Fassung – der Vorgängervorschrift des § 104 II InsO – richtete sich infolge der automatisch eintretenden Saldierung die Forderung wegen der Nichterfüllung bei einem Fixgeschäft über marktgängige Ware im Falle der Insolvenz nach dem „Unterschied zwischen dem vereinbarten Preis und dem Markt- oder Börsenpreis, der am zweiten Werktag nach der Eröffnung des Verfahrens am Erfüllungsort für einen Vertrag mit der vereinbarten Erfüllungszeit maßgeblich ist.“ Zwar weicht der geltende § 104 II InsO zur Bestimmung des Markt- oder Börsenwerts durch eine gestufte Kombination konkreter, abstrakter und modellierter Berechnung hiervon prima facie ab, wenn es etwa auf ein Ersatzgeschäft ankommt, „das unverzüglich, spätestens jedoch am fünften Werktag nach der Eröffnung des Verfahrens abgeschlossen wird.“ Damit sollten aber nur Auslegungsschwierigkeiten bei derivativen Finanzinstrumenten vermieden werden, während inhaltlich ausdrücklich keine Abweichung erstrebt wurde.1144 Denn maßgeblich ist der Wert der Position, der durch das erloschene Geschäft vermittelt wurde, d. h. das Ersatzgeschäft muss „einen Anspruch auf dieselbe Finanzleistung [vermitteln], die zum gleichen Ausübungs- oder Terminpreis und zur selben Leistungszeit oder nach Ablauf derselben Leistungsfrist zu erbringen ist.“1145 c) Diskontierung der Forderung nach der Hoffmann’schen Methode analog § 41 II InsO Sowohl im CISG als auch im BGB ist somit bei der Berechnung des Schadensersatzes wegen antizipierten Vertragsbruchs eine Abzinsung erforderlich. Für eine genaue Berechnung des Schadensersatzanspruchs bei einem antizipierten Vertragsbruch des Schuldners, die eine vorgezogene Berechnung im Wege der Abzinsung berücksichtigt, lohnt ein Blick auf Regelungen der InsO zur Berechnung bei Verfahrenseröffnung nicht fälliger Forderungen. Schließlich muss in einem eröffneten Verfahren, das noch nicht fällige Forderungen gem. 1142

So Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 726. Vgl. auch MüKoBGB/Ernst (2016) § 281 Rn. 67 mit Verweis auf § 103 III InsO a. F. 1144 BT-Drucks. 18/9983, 19 f. 1145 BT-Drucks. 18/9983, 20 [Herv. d. Verf.]; vgl. dazu ferner BeckOK InsO/Berberich § 104 Rn. 39a f. 1143

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§ 41 I InsO berücksichtigt, die Vergleichbarkeit der Forderungen untereinander gewährleistet sein, um die Gläubiger mit einer einheitlichen Quote zu befriedigen.1146 Aus diesem verfahrensbezogenen Zweck folgt zum einen, dass es sich dabei lediglich um eine Fiktion für Zwecke der Forderungsanmeldung sowie für die Erlösverteilung handelt.1147 Zum anderen muss zur Herstellung der Vergleichbarkeit mit bereits fälligen Forderungen nach § 41 II InsO in Abweichung zu dem in § 272 BGB normierten Verbot eines Abzugs von Zwischenzinsen ein Zeitvorteil ausgeglichen werden.1148 Da der Schuldner ebenso wie bei der auf § 323 IV BGB bzw. Art. 72 CISG gestützten Vertragsumsteuerung im Fall der Insolvenz entgegen den § 272 BGB zugedachten Konstellationen die vorzeitige Befriedigung nicht selbst in der Hand hat,1149 würde der Gläubiger anderenfalls ohne ersichtlichen Grund einen Vorteil erlangen.1150 Zur Berechnung der erforderlichen Diskontierung ist der gesetzliche Zinssatz des § 246 BGB von 4 % bzw. bei beiderseitigen Handelsgeschäften der des § 352 HGB von 5 % zugrunde zu legen. Um den Wert der Forderung zur Zeit ihrer antizipierten Ausübung treffend zu ermitteln, hat sich der Gesetzgeber in § 41 II 2 InsO für eine Berechnung nach der sog. Hoffmann’schen Methode entschieden.1151 Dabei beschreibt n den vollen Nennbetrag der Forderung, t die Zahl der Tage von der Verfahrenseröffnung bis zur Fälligkeit und z den gesetzlichen Zinsfuß aus § 246 BGB bzw. bei beiderseitigen Handelsgeschäften aus § 352 HGB: +

1146

× ×

÷ 100 × 365 =

Bitter, NZI 2000, 399 [399]. Vgl. dazu OLG Karlsruhe Urt. v. 4.2.2013, 1 U 168/12 = NJW-RR 2013, 1270 [1271]; zum Ganzen Kayser/Thole/Keller (2016) InsO § 41 Rn. 12; BeckOK InsO/Jungmann § 41 Rn. 20 ff.; K. Schmidt/K. Schmidt (2016) InsO § 41 Rn. 13. 1148 Bitter, NZI 2000, 399 [400]; Uhlenbruck/Knof (2015) InsO § 41 Rn. 10. 1149 Vgl. zur ratio des § 272 BGB nur MüKoBGB/Krüger (2016) § 272 Rn. 1 f. 1150 Lediglich dann, wenn die Forderung noch vor Verfahrenseröffnung fällig gestellt wurde, scheidet eine Abzinsung aus, nachdem die Aufwertung der Forderung dann nicht auf der Fälligkeitsfiktion des § 41 I InsO beruht. Zur Anfechtung einer Fälligkeitsstellung im Wege der Darlehenskündigung, BGH Urt. v. 12.1.2017, IX ZR 130/16 = NZI 2017, 352. Zudem sind gem. § 41 II InsO nur unverzinsliche Forderungen zu diskontieren, während verzinsliche Forderungen mit deren Kapitalbetrag anzusetzen sind. Das erscheint zwar vor dem Hintergrund der angestrebten Gläubigergleichbehandlung bedenklich, ist jedoch angesichts des klar differenzierenden Wortlauts des § 41 II InsO hinzunehmen, MüKoInsO/Bitter (2013) § 41 Rn. 18; Uhlenbruck/Knof (2015) InsO § 41 Rn. 12. Gegen die Annahme eines Korrekturbedürfnisses BeckOK InsO/Jungmann § 41 Rn. 32; Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/Ahrens (2017) InsO § 41 Rn. 16; Jaeger/Henckel (2004) InsO § 41 Rn. 18; KKInsO/Hess (2017) § 41 Rn. 28. 1151 Vgl. dazu Jaeger/Henckel (2004) InsO § 41 Rn. 21 f. 1147

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Der Betrag x, mit dem der Gläubiger einer unverzinslichen Forderung am Verfahren teilnimmt, errechnet sich damit anhand der Formel: = 36500 ×

÷ 36500 + ×

2. Anspruchskürzung wegen des Vorwurfs des Festhaltens am Vertrag a) Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit im CISG aa) Vertragsaufhebung in Kombination mit Schadensersatz als Maßnahme zur Verringerung des Verlusts nach Art. 77 CISG Besteht auch beim antizipierten Vertragsbruch ein Schadensersatzanspruch, stellt sich unter umgekehrten Vorzeichen die Frage, ob der Gläubiger eine etwaige Schadenminderungsobliegenheit verletzt, wenn er nicht bereits vorzeitig durch Ausübung des sich aus Art. 72 CISG ergebenden Aufhebungsrechts vom Vertrag abgeht. Unter Berücksichtigung der Schadenminderungsobliegenheit können sich Abweichungen von dem Erfüllungstermin als Berechnungsgrundlage ergeben, „soweit Art. 77 CISG nicht die Anknüpfung an einen früheren Zeitpunkt gebietet.“1152 Nach Art. 77 CISG hat eine Partei, die sich auf eine Vertragsverletzung beruft, alle den Umständen nach angemessenen Maßnahmen zur Verringerung des aus der Vertragsverletzung folgenden Verlusts zu treffen. Nach der überwiegenden Auffassung soll deshalb auch der Gläubiger gehalten sein, von dem Aufhebungsrecht aus Art. 72 CISG Gebrauch zu machen, da der Schuldner anderenfalls verlangen kann, dass sich die Höhe des Schadensersatzes verringert.1153 Dadurch entsteht ein faktischer Zusammenhang zwischen dem Vertragsaufhebungsrecht und der Schadenminderungsobliegenheit.1154 Wenn dem Gläubiger wegen des Festhaltens am Vertrag mit der Mehrheit im Schrifttum vorgeworfen wird, er müsse sich nach Art. 77 CISG anrechnen lassen, dass ein früheres Abgehen vom Vertrag zu einer Verlustverringerung geführt hat, greift dies etwas zu kurz. Mit der Vertragsaufhebung allein gewinnt der Gläubiger nur seine Dispositionsfreiheit wieder. Der aus der antizipierten Vertragsverletzung folgende Verlust verringert sich dadurch nicht. Tatsächlich bildet erst das noch vor dem Fälligkeitszeitpunkt vorgenommene Deckungsgeschäft die Maßnahme zur Verringerung des aus der Vertrags-

1152

Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer CISG (2013) Art. 75 Rn. 7. Vgl. ferner Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 721; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz PK-CISG (2016) Art. 72 Rn. 19. 1153 Liu, in: International Sales Law (2016) § 18 Rn. 67; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 620; MüKoBGB/P. Huber CISG (2016) Art. 72 Rn. 8; Honsell/Brunner/Hurni (2009) CISG Art. 72 Rn. 7; vgl. ferner OLG Hamm Urt. v. 22.9.1992, 19 U 97/91 = CISG-online No. 57. 1154 Vgl. Bridge, J.L.C. 2005, 405 [417].

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verletzung folgenden Verlusts. Dies ergibt sich eindeutig aus den Erläuterungen des Sekretariatskommentars zur Vorgängervorschrift des Art. 77 CISG: „[…] the other party cannot await the contract date of performance before he declares the contract avoided and takes measures to reduce the loss arising out of the breach by making a cover purchase, reselling the goods or otherwise.“1155 Auch die Verfasser des CISG gingen somit von einem solchen Zusammenhang aus. Zu Art. 63 CISG des Entwurfs von 1978 führt der Sekretariatskommentar aus: „Where it is in fact clear that a fundamental breach of contract will occur, the duty to mitigate the loss enunciated in article 73 [= Art. 77 CISG] may require the party who will rely upon that breach to take measures to reduce his loss, including loss of profit, resulting from the breach, even prior to the contract date of performance.“1156

Noch deutlicher wird das Zusammenspiel von Aufhebungsrecht und Schadenminderungsobliegenheit aus Artt. 72, 77 CISG in der Kommentierung von Art. 73 CISG-Draft (1978): „The duty to mitigate applies to an anticipatory breach of contract under article 63 as well as to a breach in respect of an obligation the performance of which is currently due. If it is clear that one party will commit a fundamental breach of the contract, the other party cannot await the contract date of performance before he declares the contract avoided and takes measures to reduce the loss arising out of the breach by making a cover purchase, reselling the goods or otherwise.“1157

Die Schadenminderungsobliegenheit kann daher die Berücksichtigung des vertraglich vereinbarten Erfüllungszeitpunkts bei der Schadensberechnung überspielen.1158 Wirkt sich die Vornahme eines Deckungsgeschäfts vor dem Erfüllungszeitpunkt schadensmindernd aus, ist die Berechnung vor zu verlagern. Treffend betont daher Butler, dass im Lichte des Art. 77 CISG der Zeitpunkt der Berechnung von dem Einzelfall abhängt: dort, wo sich ein günstigeres Deckungsgeschäft erst im Zeitpunkt des ursprünglichen Erfüllungstermin abzeichnet, muss der Gläubiger mit der Ausführung des Deckungsgeschäfts warten, während umgekehrt die Vornahme eines früheren Deckungsgeschäfts angezeigt sein kann.1159 Kaum anders liegt es bei der abstrakten Schadensersatzberechtigung in Anwendung des Art. 76 CISG. Daher soll bedingt durch die Schadenminderungsregel des Art. 77 CISG ebenfalls bereits auf den Zeitpunkt 1155 Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 61 [Herv. d. Verf.]. 1156 Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54. 1157 Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 61. 1158 Vgl. bereits zum Haager Kaufrecht, Dölle/Leser (1976) EKG Art. 77 Rn. 13. 1159 Schlechtriem/Butler, UN-Law (2009) Rn. 311a; vgl. ferner Schlechtriem, in: GS Hellner (2007) S. 229 [236].

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der möglichen Vertragsaufhebung abzustellen sein, wenn dies zu einer Verringerung des Schadens führt.1160 bb) Rückausnahme unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikenverteilung Die Berücksichtigung einer möglichen Schadensminderung auch vor Fälligkeit ist zwar begrüßenswert und folgt den sich aus Artt. 74 ff. CISG ergebenden Prinzipien. Allerdings hat Fountoulakis zu Recht darauf hingewiesen, dass die Pflicht zur Schadensminderung durch den Zusammenhang mit Art. 80 CISG modifiziert werden könne.1161 Zwar hat der Schuldner die vermeintliche Nichterfüllung in Form der fehlenden Abwendung einer Schadensminderung nicht verursacht. Allerdings bleibt die drohende vertragswidrige Erfüllung des Schuldners die Ursache des (hypothetischen) Deckungsgeschäfts. Die schematische und um Schuldnerschutz bemühte Berechnungsweise, wonach grundsätzlich am Erfüllungstermin festzuhalten und eine Vorverlagerung dort erforderlich ist, wo sich dies zu Gunsten des Schuldners auswirkt, darf deshalb ebenso nicht die vertragliche Risikoverteilung unberücksichtigt lassen. Ein Vertrag ist auch ein Instrument, um die Verteilung des Risikos fixieren, dass Marktpreise fallen bzw. steigen, was gerade nicht zu Lasten der vertragstreuen Partei gehen darf.1162 Dort, wo die Vertragspartner mit dem Vertrag den jeweiligen Parteien einvernehmlich eine Risikotragung zuweisen, darf dies mE nicht durch Schadenminderungsobliegenheiten unterlaufen werden. Zur Veranschaulichung soll ein Beispiel dienen, das der Sekretariatskommentar selbst zur Berücksichtigung der Schadenminderungsobliegenheit bei einem antizipierten Vertragsbruch schildert:1163 „The contract provided that Seller was to deliver 100 machine tools by I December at a total price of $50,000. On 1 July he wrote Buyer and said that because of the rise in prices which would certainly continue for the rest of the year, he would not deliver the tools unless Buyer agreed to pay $60,000. Buyer replied that he would insist that Seller deliver the tools at the contract price of $50,000. On I July and for a reasonable time thereafter, the price at which Buyer could have contracted with a different seller for delivery on I December was $56,000. On 1 December Buyer made a cover purchase for $61,000 for delivery on I March. Because of the delay in receiving the tools, Buyer suffered additional losses of $3,000. In this example Buyer is limited to recovering $6,000 in damages, the extent of the losses he would have suffered if he had made the cover purchase on I July or a reasonable time thereafter, rather than $14,000, the total amount of losses which he suffered by awaiting I December to make the cover purchase.“ 1160

Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht (2016) Rn. 724. Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Fountoulakis CISG (2013) Art. 72 Rn. 38 dort Fn. 109, die daher jedoch bereits für eine Befristung des Aufhebungsrechts aus Art. 72 CISG plädiert. 1162 Vgl. Friedmann, in: FS Heldrich (2005) S. 615 [620]. 1163 Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 61. 1161

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Das Beispiel mag noch einleuchten, wenn sich das Interesse des Käufers wie im Fall darin erschöpft, die Maschinen, für die kein Marktpreis besteht, für die eigene Produktion zu nutzen. Anders verhält es sich aber etwa, wenn mit der Preisvereinbarung eine Risikotragung von Preisschwankungen fixiert wird, d. h. insbesondere bei Waren mit einem Marktpreis i. S. d. Art. 76 CISG, bei denen beide Parteien auf eine künftige Preisentwicklung spekulieren. Beispielsweise vereinbart ein Verkäufer von Rohstoffen im Januar mit dem Käufer den Dezember als Liefertermin zu $50.000. Sodann erklärt der Käufer im Juli, er werde nur $45.000 bezahlen, da sich die Preise weiter verschlechtern, worauf der Verkäufer nicht eingeht. Der tatsächliche Marktpreis liegt im Juli bei $40.000. Hebt der Verkäufer erst im September den Vertrag wegen der anhaltenden Erfüllungsverweigerung auf und liegt der Preis für ein entsprechendes Termingeschäft nun nur noch bei $35.000, kann der Umstand, dass der zu erzielende Preis zwischenzeitlich höher war, nicht zu Lasten des Verkäufers gehen. Umgekehrt – bei steigenden Preisen verbunden mit einer Erfüllungsverweigerung des Verkäufers und der unterlassenen Vertragsaufhebung des Käufers – läge es freilich nicht anders. Denn anderenfalls würde das Risiko sich verändernder Marktpreise auf eine Partei abgewälzt werden, obwohl bei bestimmungsgemäßer Vertragsdurchführung gerade die andere Partei das Risiko zu tragen hätte. Die vertragliche Risikotragung von Preisschwankungen kann somit eine Rückausnahme bei der Berechnung bedingen. Eine für den Schuldner günstige Vorverlagerung wegen Art. 77 CISG in Abweichung zu dem Grundsatz, wonach der aufgeschobene Erfüllungstermin maßgeblich ist, ist dann nicht vorzunehmen. Dies folgt auch aus der Tatsache, dass Art. 76 CISG im UN-Kaufrecht eine abstrakte Schadensberechnung als Grundregel zulässt, indem diese nur ausgeschlossen wird, wenn tatsächlich ein Deckungsgeschäft „nach Art. 75 CISG“ vorliegt.1164 Da nach dieser Norm der wirtschaftliche Erfolg der Spekulation bei Ware mit einem Marktpreis grundsätzlich dem Gläubiger zugewiesen wird, muss als Kehrseite dessen auf Ebene des Mitverschuldens konsequent das Risiko des wirtschaftlichen Misserfolgs dem Schuldner zugewiesen werden. b) Mitverschulden nach § 254 BGB aa) Vertragsumsteuerung als Schadenminderungsobliegenheit nach § 254 BGB Jedenfalls auf den Naturalerfüllungsanspruch des Gläubigers findet § 254 BGB keine Anwendung.1165 Unter Berücksichtigung der sich aus § 254 BGB ergebenden Schadenminderungsobliegenheit bedarf es allerdings auch im BGB der 1164 Vgl. dazu oben die Ausführungen zur abstrakten und konkreten Schadensberechnung im CISG, Kap. 4 VII. 1. a) bb). 1165 Weller (2009), S. 416.

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Klärung, inwiefern dem Gläubiger das Festhalten am Vertrag mit der Begründung vorgeworfen werden kann, dass sich der vom Schuldner zu ersetzende Schaden dadurch vergrößert hat, weil der Gläubiger nicht früher vom Vertrag Abstand genommen hat und zum Schadensersatz übergegangen ist. Schließlich kann auf Seiten des Schuldners die Schadensminderung häufig gerade ein wesentliches Motiv für die vorzeitige Erfüllungsverweigerung sein.1166 Dennoch begegnen Rspr. und Lit. einer aus § 254 II 1 BGB abgeleiteten Obliegenheit zur Vornahme eines mit einem Rücktritt verbundenen Deckungsgeschäfts bei einem Vertragsbruch des Schuldners seit jeher mit großer Zurückhaltung.1167 In der Regel ist der Gläubiger eines verspätet leistenden Schuldners damit „nicht verpflichtet, ein Deckungsgeschäft zu tätigen; nur ausnahmsweise besteht eine Deckungspflicht im Hinblick auf § 242 BGB.“1168 Schließlich könnte sich der Schuldner sonst, indem er vorzeitig die Erfüllung verweigert, durch Zahlung von Schadensersatz statt der Leistung von der Verpflichtung zur Leistung „loskaufen“ und den Gläubiger zwingen, den Anspruch fallen zu lassen. Die im Belieben des Gläubigers stehende Möglichkeit, am Vertrag festzuhalten, unterliegt aber keiner ökonomischen Bewertung.1169 Insofern werden dem Schuldner vielmehr über § 275 II BGB de lege lata enge Grenzen gesetzt. Gleichwohl soll ausnahmsweise und unter besonderen Umständen das Festhalten am Vertrag und die ausbleibende Vornahme eines Deckungsgeschäfts dem Gläubiger nach § 254 II 1 BGB angelastet werden. Dies sei insbesondere bei leicht verderblicher Ware oder bei schnell fallenden Preisen der Fall.1170 Da eine spekulative Verzögerungen eines Deckungskaufs zum Nachteil des Schuldners gegen § 254 II BGB verstoße, sei der Schaden in entsprechendem Umfang deshalb nicht erstattungsfähig.1171 In diese Richtung weist auch ein den Verkauf eines Grundstücks betreffendes Urteil des BGH aus dem Jahr 1997.1172 In dem zu entscheidenden Fall verkaufte ein Konkursverwalter ein Gewerbegrundstück zum Preis von 800.000 DM an den späteren Beklagten. Die Kauf-

1166

Leser, in: FS Rheinstein (1969) S. 643 [655 f.]. RG Urt. v. 10.10.1913, II 332/13 = RGZ 83, 176 [178]; BGH Urt. v. 1.2.1974, IV ZR 2/72 = NJW 1974, 895 [896]; BGH Urt. v. 18.2.2002, II ZR 355/00 = NJW 2002, 2553 [2555]; U. Huber, AcP 210 (2010) 319 [350]; Soergel/Ekkenga/Kuntz (2014) § 254 Rn. 106 f.; Staudinger/Schiemann (2017) § 254 BGB Rn. 94; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 35 VI. 1168 BGH Urt. v. 1.2.1974, IV ZR 2/72 = NJW 1974, 895 [896]; vgl. ferner BGH Urt. v. 16.5.1988, III ZR 42/87 = NJW 1989, 290 [291]. 1169 U. Huber, AcP 210 (2010) 319 [350]; Weidt (2008) S. 151 f. 1170 Soergel/Ekkenga/Kuntz (2014) § 254 Rn. 109; Staudinger/Schiemann (2017) § 254 BGB Rn. 94. 1171 Jaensch, NJW 2003, 3613 [3614]. 1172 BGH Urt. v. 17.1.1997, V ZR 285/95 = NJW 1997, 1231. Krit. dazu U. Huber, AcP 210 (2010) 319 [348 ff.]; Weller (2009), S. 417; Weidt (2008) S. 153 f.; U. Huber, Leistungsstörungen Bd. II (1999) § 35 VI. 1167

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preiszahlung, die bereits zum 16.12.1991 fällig war, unterblieb trotz der Eintragung mehrerer Zwangssicherungshypotheken an Grundstücken des Schuldners, sodass der verkaufende Konkursverwalter mit Schreiben vom 29.4.1993 unter Ablehnungsandrohung eine Frist zur Zahlung bis zum 10.5.1993 setzte. Nach dem ergebnislosen Verstreichen der Frist erklärte der Konkursverwalter den Rücktritt und verkaufte den Grundbesitz für 500.000 DM an einen Dritten. Dementsprechend verlangte dieser die Kaufpreisdifferenz i.H.v. 300.000 DM nebst Verzugszinsen. Allerdings trat der Käufer dem zum einen mit der Feststellung entgegen, dass der Konkursverwalter dessen Finanzierungsschwierigkeiten, aufgrund derer mit einem Vollzug des Kaufvertrags nicht mehr zu rechnen war, bereits ab dem Frühjahr 1992 kannte. Zum anderen legte der Käufer darüber hinaus substantiiert dar, dass im Sommer 1992 ein Interessent bereit gewesen wäre 600.000 DM zu zahlen. Diesen Vortrag hielt der BGH geeignet, einen Mitverschuldenseinwand zu begründen. Denn erklärt „der Käufer dem Verkäufer, daß ein Vollzug des Kaufvertrages wegen gescheiterter Finanzierung des Kaufpreises nicht mehr zu erwarten sei, so kann ein Mitverschulden des Verkäufers an der Entstehung des Schadens nicht mit der Begründung verneint werden, die Entscheidung, ob und wie lange er den Käufer an dem Vertrag festhalte, müsse ihm freigestellt bleiben. Denn nach dem Gedanken des § 254 BGB, daß derjenige, der die eigenübliche Sorgfalt außer acht läßt, den Verlust oder die Verkürzung seines Ersatzanspruchs in Kauf nehmen muß, ist in einem solchen Fall stets zu prüfen, ob der Verkäufer nicht früher ein Deckungsgeschäft hätte vornehmen können und den bestehenden Vertrag hätte beenden müssen.“1173

Vergleichbar mit der sich aus Art. 77 CISG ergebenden Rechtslage ist daher unter Zugrundelegung der BGH-Rechtsprechung jedenfalls dort eine Anspruchskürzung nach § 254 BGB nicht ausgeschlossen, wo ein Vollzug des Vertrags nicht mehr zu erwarten ist. Schließlich lässt sich die Begründung des BGH zwanglos auf den Zeitraum vor Fälligkeit übertragen. bb) Rückausnahme unter Berücksichtigung der vertraglichen Risikenverteilung Selbst der BGH betonte in seinem vorstehenden Urteil zur Anspruchskürzung wegen Festhaltens am Vertrag indessen, dass die Entscheidung über einen Verstoß gegen die sich aus § 254 BGB ergebende Obliegenheit von den „Umständen des Einzelfalls“ abhängt. Maßgebend sei, „ob der Käufer ein berechtigtes Interesse daran hat, sich von dem Vertrag zu lösen, und ob und gegebenenfalls welches Interesse des Verkäufers, den Käufer an dem Vertrag festzuhalten, dagegensteht.“1174 Indem der BGH entscheidend die Interessen der Parteien im Einzelfall berücksichtigt, ist bei der Annahme der Allgemeingültigkeit des

1173 1174

BGH Urt. v. 17.1.1997, V ZR 285/95 = NJW 1997, 1231 [1232]. BGH a. a. O.

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BGH Urteils aus dem Jahr 1997 Zurückhaltung geboten.1175 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Schuldner im geltenden deutschen Schuldrecht nicht einfach von dem Vertrag „loskaufen“ kann,1176 bleibt die Ablehnung des Mitverschuldensvorwurfs wegen Festhaltens am Vertrag die Regel, die ihre Grenze lediglich in der Rechtsmissbräuchlichkeit findet.1177 Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis unterscheidet sich von der deutlich schuldnerfreundlicheren Auslegung des Art. 77 CISG. Während nämlich die Materialien zum UN-Kaufrecht in der Tradition des common law einer Berücksichtigung ökonomisch günstigerer Deckungsgeschäfte bei der Schadensberechnung deutlich offener gegenüber stehen,1178 verbleibt es im deutschen Recht bei dem schon vom Reichsgericht aufgestellten Grundsatz, wonach eine Minderung in diesem Zusammenhang im Gesetz keine Stütze findet, sondern „dass die Rechtslage des vertragstreuen Teiles durch das unberechtigte Sichlossagen des Gegners vom Vertrage nicht verschlechtert werden darf. Die Rücksicht auf den säumigen Käufer kann den Verkäufer, der erfüllungsbereit ist, nicht nötigen, seinen Erfüllungsanspruch aufzugeben.“1179

An dieser Regel ist vor allem dort festzuhalten, wo die vertragliche Risikenverteilung es verbietet, dem Gläubiger das Risiko wirtschaftlichen (Miss-)Erfolgs zuzuweisen. Insofern gilt das zur Rückausnahme bei der Verletzung der Schadenminderungsobliegenheit im CISG Gesagte entsprechend. Denn auch im deutschen Recht darf das Risiko sich verändernder Marktpreise nicht auf eine Partei abgewälzt werden, obwohl bei bestimmungsgemäßer Vertragsdurchführung gerade die andere Partei das Risiko zu tragen hätte. Insofern ist der von § 376 II HGB erfasste Regelungsgedanke betroffen, in Stabilisierung des pacta sunt servanda-Prinzips einen für den Schuldner lohnenden Vertragsbruch zu vermeiden.1180 Diese vertragliche Risikenverteilung bei Spekulationsgeschäften ist beizubehalten und darf nicht über Umwege des Mitverschuldens umgangen werden. Risiken der Verwertung oder unterbliebenen Eindeckung sind dem Gläubiger dort damit nur dann anzulasten, wenn sich dies aus objektiver Sicht als unwirtschaftlich darstellt.1181 Damit wird weder das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot noch die Obliegenheit des Gläubigers zur Schadensminderung verletzt oder ein spekulativer Missbrauch ermöglicht.1182

1175

Weidt (2008) S. 153. Vgl. bereits oben U. Huber, AcP 210 (2010) 319 [350]. 1177 Weidt (2008) S. 154. 1178 Vgl. bereits oben, Commentary on the Draft Convention on Contracts for the international Sale of Goods, Prepared by the Secretariat (Document A/Conf. 97/5), p. 54, 61. 1179 RG Urt. v. 10.10.1913, II 332/13 = RGZ 83, 176 [178]. 1180 G. Müller, WM 2013, 1 [6 f.]; U. Huber, in: FS Schmidt (2009) S. 725 [740 ff.]. 1181 Vgl. dazu BGH NJW 2013, 450 [452]. 1182 Vgl. dazu U. Huber, in: FS Schmidt (2009) S. 725 [744]. 1176

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Vielmehr vermeidet eine solche Schadensberechnung, dass die vertragliche Interessen- und Risikenverteilung negiert und das vertragsbrüchige Verhalten des Schuldners prämiert wird.1183 3. Der Schadensersatzanspruch wegen antizipierten Vertragsbruchs bei drohender Insolvenz im eröffneten Verfahren – Erhaltung der Aufrechnungslage nach §§ 94 ff. InsO? Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, dass ein Gläubiger im Fall des antizipierten Vertragsbruchs sowohl im BGB als auch bei dem CISG unterliegenden Kaufverträgen berechtigt ist, vom Schuldner Schadensersatz zu verlangen. Unter Berücksichtigung des erst künftigen Leistungszeitpunkts erfolgt lediglich eine Diskontierung des sofort fälligen Zahlungsanspruchs.1184 Trotz einer Abzinsung stößt eine solche Vorverlagerung der Kompensation im Umfeld eines Insolvenzverfahrens jedoch auf Bedenken, wenn es der Prognose des Gläubigers entsprechend zu einer Verfahrenseröffnung kommt. Denn dort konfligiert die vorzeitige und sofort fällige Schadensersatzpflicht des Schuldners mit dem Erhalt einer bei Verfahrenseröffnung bestehenden Aufrechnungslage durch die §§ 94 ff. InsO: Grundsätzlich bildet die vor Verfahrenseröffnung erworbene Aufrechnungsbefugnis zwar „eine gesicherte Rechtsstellung, die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt wird.“1185 Sofern keine Unzulässigkeit der Aufrechnung basierend auf den Ausschlusstatbeständen des § 96 InsO vorliegt, etwa weil die Hauptforderung der Masse gem. § 96 I Nr. 1 InsO erst nach Verfahrenseröffnung entsteht, verbliebe es somit bei dem in § 94 InsO angeordneten Erhalt der Aufrechnungslage. Da eine bereits fällige Schadensersatzforderung vorliegt, die mithin auch keiner Umrechnung i. S. d. § 45 InsO bedarf, gelangen auch die einschränkenden Voraussetzungen des § 95 InsO nicht unmittelbar zur Anwendung. Allerdings steht die in der Aufrechnung verkörperte Selbstexekutionsbefugnis in einem Spannungsverhältnis zur par conditio creditorum, da der aufrechnende Insolvenzgläubiger eine Befriedigung über die Quote hinaus erhält.1186 Da eine solche bevorzugte Befriedigungsmöglichkeit ausweislich der §§ 94 ff. InsO deshalb nur dort angezeigt ist, wo ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand einer Aufrechnungslage gegeben ist, wirft die Begründung eines Schadensersatzanspruchs gerade wegen einer drohenden Insolvenz die Frage auf, inwiefern dort von einem solchen schützenswerten Vertrauen die Rede sein kann. Schließlich kann zum einen gem. § 95 I 1 InsO bei einer zur Zeit der Verfahrenseröffnung noch nicht fälligen Forderung – § 41 InsO findet insofern 1183

Knütel, AcP 202 (2002) 555 [586]. Vgl. dazu die Ausführungen zur Diskontierung der Forderung nach der Hoffmann’schen Methode, Kap. 4 VII. 1. c). 1185 So die Begr. zu § 106 InsO-E und dem späteren § 94 InsO, BT-Drucks. 12/2443, 140. 1186 Reischl, Insolvenzrecht (2016) Rn. 433 ff.; BeckOK InsO/Liefke § 94 Rn. 3 f. 1184

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keine Anwendung, § 95 I 2 InsO – eine Aufrechnung immerhin aber auch erst erfolgen, wenn ihre Voraussetzungen eingetreten sind, solange nicht die Forderung des Insolvenzschuldners vorher fällig wird, § 95 I 3 InsO.1187 Zum anderen nähert sich das mit der Aufrechnung mit einer sofort fälligen Schadensersatzforderung wegen antizipierten Vertragsbruchs erreichte Ergebnis de facto der Vereinbarung einer Klausel nach § 104 IV 2 Nr. 1 und 2 InsO an, wonach der vereinbarten vorzeitigen Vertragsbeendigung auch solche Ansprüche unterliegen können, die erst nach jener vorzeitigen Beendigung fällig werden.1188 Diese so erreichte Gewährung einer Aufrechnungslage durch sog. vorzeitiges Liquidationsnetting wird indessen gerade als schwer zu rechtfertigende Privilegierung der Finanzindustrie kritisiert.1189 Zweifel an der Aufrechnungsbefugnis des Vertragspartners drängen sich damit speziell vor dem Hintergrund des § 95 I 3 InsO auf, wenn die Hauptforderung der Masse fällig wird, bevor die Gegenforderung des Vertragspartners – deren insolvenzbedingtes Ausbleiben der Vertragspartner prognostiziert – fällig geworden wäre. Denn dann wird eine gesicherte Aufrechnungslage des Vertragspartners nicht erhalten, sondern durch die Ausübung der Vertragsumsteuerung wegen antizipierten Vertragsbruchs erst geschaffen. Mit der an § 392 BGB angelehnten Norm des § 95 I 3 InsO will das Gesetz verhindern, dass Gläubiger die Befriedigung einer fälligen Zahlungspflicht des Schuldners im Hinblick auf das anstehende Insolvenzverfahren hinauszögern, bis sie gem. § 95 I 1 InsO aufrechnen könnten.1190 Der damit erreichte Schutz der fälligen Forderungen des Schuldners würde ausgehebelt werden, könnten Gläubiger hinsichtlich einer erst später fällig werdenden Forderung gestützt auf einen antizipierten Vertragsbruch eine sofortige Aufrechnungslage konstruieren. Zudem wird mit dem Schadensersatzanspruch wegen antizipierten Vertragsbruchs de facto das Ergebnis von § 41 InsO erzielt. Es kommt lediglich bereits vor Verfahrenseröffnung zu einer Verrechnung und Abzinsung der jeweiligen Forderung. Damit drängt sich eine entsprechende Anwendung von § 95 I 2 InsO auf, wonach für die Aufrechnungsmöglichkeit im eröffneten Verfahren

1187 Schwierigkeiten bereitet deshalb auch die umstrittene – hier aber nicht zu vertiefende – Frage, inwiefern angesichts der §§ 94 ff. InsO mit einer Forderung wegen Nichterfüllung nach § 103 II InsO aufgerechnet werden kann. Offen gelassen in BGH Urt. v. 15.10.2003, VIII ZR 358/02 = NZI 2004, 23 [25]; auf Basis der neuen Rspr. fehlt zudem eine Stellungnahme zur Fälligkeit der sich aus § 103 II InsO ergebenden „Forderung wegen Nichterfüllung“, vgl. Uhlenbruck/Wegener (2015) InsO § 103 Rn. 178. Eingängig zum Ganzen Tintelnot, KTS 65 (2004) 339 [342 ff.]; vgl. zum Meinungsstand statt vieler MüKoInsO/Kreft (2013) § 103 Rn. 23 [dort Fn. 103]. 1188 Vgl. dazu BT-Drucks. 18/9983, 15. 1189 Vgl. nur die grundlegende Kritik zum close-out-netting bei Paulus, in: FS Vallender (2015) S. 397 [408 ff.]. 1190 BT-Drucks. 12/2443, 141.

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an dem vertraglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt festzuhalten ist. Eine solche von der zivilrechtlichen Ausgangslage der sofortigen Fälligkeit des abgezinsten Schadensersatzanspruchs abweichende Bewertung rechtfertigt sich dabei durch die haftungsrechtliche Würdigung der Selbstexekution der Aufrechnung.1191 Diese Funktion zwingt im eröffneten Verfahren auf haftungsrechtlicher Ebene zur Berücksichtigung des erst künftigen Leistungszeitpunkts, weil § 95 I 2 und 3 InsO den Gläubiger unter den dort genannten Voraussetzungen auf die Quote verweisen. Im Übrigen muss in dem hier betrachteten Zusammenhang insbesondere § 96 I Nr. 3 InsO berücksichtigt werden, wonach eine Aufrechnung unzulässig ist, wenn ein Insolvenzgläubiger die Möglichkeit der Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Denn in den dort geregelten Fällen besteht zwar im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung eine Aufrechnungslage, jedoch erscheint das Vertrauen des Gläubigers auf den Bestand dieser Aufrechnungslage aus Sicht des Gesetzgebers nicht schutzwürdig.1192 Die Vorschrift ist weit auszulegen.1193 Daher betont der BGH, dass § 96 I Nr. 3 InsO auch auf die Herstellung von Verrechnungslagen Anwendung findet.1194 Zwar bereitet die Anwendung des einschlägigen Anfechtungstatbestands der §§ 129 ff. InsO bei der hier interessierenden Vertragsumsteuerung durch den Gläubiger Schwierigkeiten. So scheiden damit dort von vornherein solche Anfechtungstatbestände aus, die eine Rechtshandlung des Schuldners zwingend voraussetzen (insb. §§ 132, 133 InsO), da eine solche nicht in der Vertragsumsteuerung durch den Gläubiger erblickt werden kann. Allerdings bleibt mit Blick auf §§ 130, 131 InsO, die gleichermaßen nur „eine Rechtshandlung“ verlangen,1195 festzuhalten, dass es bei dem Verweis von § 96 I Nr. 3 InsO auf die dort geregelte Deckungsanfechtung darum geht, „die Herstellung der Aufrechnungslage bereits wie eine Erfüllung der Forderung zu behandeln.“1196 Selbst wenn mit Teilen des Schrifttums dafür plädiert wird, § 96 I Nr. 3 InsO auf solche Fälle zu beschränken, bei denen die gegenständliche Forderung auf eine bewusste Erlangung der Aufrechnungsmöglichkeit für den Fall der Insolvenz gerichtet ist,1197 erweist sich deshalb die Ausübung eines Schadensersatzanspruchs, der 1191 Zur Funktion der Aufrechnung speziell im Umfeld des par conditio creditorium, Pluta (2009) S. 11 ff. 1192 BT-Drucks. 12/2443, 141. 1193 Thole (2010) S. 379. 1194 BGH Urt. V. 11.6.2015, IX ZR 110/13 = NZI 2015, 765 [765]. 1195 In weiter Auslegung des § 129 InsO ist damit jedes von einem Willen getragene Handeln erfasst, das rechtliche Wirkungen auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der Insolvenzgläubiger verändern kann, vgl. nur MüKoInsO/Brandes/Lohmann (2013) § 96 Rn. 29a. 1196 So Thole (2010) S. 380 [Herv. im Original]; vgl. ferner Häsemeyer, Insolvenzrecht (2007) Rn. 19.15; BeckOK InsO/Liefke § 96 Rn. 34. 1197 Vgl. dazu Altmeppen, in: FS Kübler (2015) S. 1 [4 ff.].

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aus der Vertragsumsteuerung gerade wegen drohender Insolvenz resultiert, als eine bewusste der Erfüllung gleichzustellende und damit §§ 96 I Nr. 3, 130 f. InsO unterfallende Herstellung einer Aufrechnungslage. Da es bei der für §§ 130, 131 InsO erforderlichen Abgrenzung nach Auffassung der h. M. darauf ankommt, ob der Aufrechnende einen Anspruch auf die Vereinbarung hatte, die die Aufrechnungslage entstehen ließ,1198 ist auch insofern an den ursprünglichen Erfüllungstermin anzuknüpfen, sodass die Aufrechnung den schärferen Voraussetzungen des § 131 InsO zu unterwerfen ist. Erfolgt die Vertragsumsteuerung wegen drohender Insolvenz, die auch den diskontierten Schadensersatzanspruch begründet, unter den in § 131 InsO genannten Voraussetzungen, muss eine Aufrechnung daher gesperrt bleiben. Insgesamt ist eine Aufrechnung mit der Schadensersatzforderung wegen antizipierten Vertragsbruchs im eröffneten Verfahren damit nur eingeschränkt möglich. Entgegen der zivilrechtlichen Ausgangslage ist auf haftungsrechtlicher Ebene sicherzustellen, dass sich der Gläubiger nicht in Umgehung der §§ 95 f. InsO Selbstexekutionsvorteile verschafft.

1198

BGH Urt. v. 11.2.2010, IX ZR 104/07 = NZI 2010, 958 [987] m. w. N. aus der Rspr. Vgl. ferner Andres/Leithaus/Leithaus (2014) InsO § 96 Rn. 8; BeckOK InsO/Liefke § 96 Rn. 34; Jaeger/Windel (2007) InsO § 96 Rn. 59 ff.; MüKoInsO/Brandes/Lohmann (2013) § 96 Rn. 31; teilw. abweichend Thole (2010) S. 381; K. Schmidt/Thole (2016) InsO § 96 Rn. 19.

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Sachverzeichnis Arrest siehe unter Sicherungsarrest Aufdrängen der Leistung 195 aufgedrängte Minderung 45, 215 Auslegung des CISG – Auslegungsgrundsätze 8, 11 – grammatische 9–10 – historische 11–14 – systematische 10–11 – teleologische 14–17 Ausnahmen vom Fristerfordernis des § 242 BGB 71–73, 281, 339–341 Aussonderung 151, 156, 199–201 Austauschtheorie siehe unter Synallagma, Konstruktion im BGB autonome Auslegung siehe unter Auslegung des CISG Befreiungswirkung 20, 57, 117–121, 274, 445–450 Centre of Main Interests (COMI) 222 clausula rebus sic stantibus 21 Close-out-netting-Klauseln siehe unter Liquidationsnetting Dauerschuldverhältnis 211, 329–333 siehe auch Sukzessivlieferungsverträge Deckungsgeschäft 190, 454–458 Differenzschaden 196–198, 448–449 Differenztheorie 119–121 siehe auch Surrogationstheorie Diskontierung 467–469 Draft Common Frame of Reference 269 Durchsetzbarkeitsverlust 43, 155–158, 165–167, 180–184, 347, 376–378 einheitliche Auslegung siehe unter Aus-

legung des CISG Einredetheorie siehe unter Konstruktion des Synallagmas einstweilige Verfügung 361 Einwand des nicht erfüllten Vertrags 42, 155–156, 164–169, 179–184, 376 – doppelter Schutzzweck 45, 215 – Insolvenzfestigkeit 134, 138, 164, 210 endgültige Leistungsverhinderung siehe unter Unmöglichkeit entgangener Gewinn 198–199, 241, 463 Erfüllungsablehnung – Folgen nach h. M. 148–149 – Rücktritt nach h. M. 155–157 Erfüllungsverweigerung – Endgültigkeit 305–306, 383–389 – Ernsthaftigkeit 304 – Konsensualtheorie 295–296, 298, 306 Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit – Anforderungen 300–306 – bei drohender Insolvenz 378 – im früheren Schuldrecht 247–250 – vertragstheoretische Erklärungsmodelle 295–297 – Widerruf 306–309 Erfüllungswahl – Folgen nach h. M. 145–148 – Rücktritt nach h. M. 157–158 Erklärungsaufforderungsrecht des Vertragspartners 186, 412, 417, 428, 435 Erklärungsaufforderungsrecht des Verwalters 190 Erlöschenstheorie 140–146, 163, 173, 226, 376 Ermessensgrenzen des Wahlverhaltens 396–399, 408 Europäische Insolvenzverordnung (EU) 2015/848 218

508

Sachverzeichnis

exceptio non adimpleti contractus siehe Einwand des nicht erfüllten Vertrags Fälligkeit – Bestimmung im BGB 34–37 – Bestimmung im CISG 37–42 favor contractus siehe unter Zurückdrängung der Vertragsaufhebung im CISG finanzielles Unvermögen 84–89 Fixgeschäft – absolutes Fixgeschäft 318, 428 – relatives Fixgeschäft 77, 99, 313, 462 Forderungsanmeldung 148, 194–196 Fortbestehenstheorie 139 Fortführungsvereinbarung 383–386, 407 funktionelles Synallagma siehe unter Synallagma Gefahrtragung 82, 116, 426 Geld hat man zu haben 84–88 genetisches Synallagma siehe unter Synallagma Gläubigergleichbehandlung siehe unter par conditio creditorum Gläubigerkonkurrenz 362, 365

Konsensualtheorie siehe unter Erfüllungsverweigerung Kündigungssperre des § 112 InsO 185, 345, 348, 368–371 Kündigungsrechte in der Insolvenz 153–155 lex contractus 225–231, 235–238, 355 lex fori concursus 225–231, 442 lex mercatoria 264 lex rei sitae siehe unter Rechtsgrundabhängigkeit des Eigentumserwerbs Liberationsinteresse 26, 102 Liquidationsnetting 400, 477 Lösungsklauseln für den Insolvenzfall 154, 253, 372–376, 390, 401 Lückenfüllung 11, 52, 83, 264 Masseschutz 147–152, 170–172, 380 Masseverbindlichkeiten – gewillkürte 133, 137 – oktroyierte 133, 157, 191 materieller Ansatz der Vertragsumsteuerung 67 Notifizierungspflicht 268, 285, 418–421

Haager Übereinkommen zum Einheitlichen Kaufrecht 12–14, 256–259 Haftungsfunktion 161 Hemmung durch Verfahrenseröffnung 164–167, 184, 231 hypothetischer Fristablauf 312 Insolvenzfestigkeit des funktionellen Synallagmas 134, 140, 164–166 Insolvenzgewinn 216 ipso iure-Aufhebung 59, 80, 426 ius variandi 448–450 iustitia commutativa 29, 127 iustitia distributiva 29 Klage auf künftige Leistung 358–361, 367 kollisionsrechtliche Grenzziehung 225–231 konditionelles Synallagma siehe unter Synallagma

objektive Auslegungstheorie siehe unter Auslegung des CISG, teleologische objektiver Haftungsmaßstab 39 Offensichtlichkeit siehe unter Prognoseanforderungen Originär-Entstehungstheorie siehe unter Qualitätssprungtheorie pacta sunt servanda 22, 78, 101, 227, 272, 464 Paktentheorie 14 par conditio creditorum 125–130, 161, 196, 226, 343, 368 siehe auch Verfahrensziel Partikularinsolvenzverfahren 224 Perpetuierung des vertragswidrigen Zustands 166, 178–181, 377 persuasive authority 290 positive Vertragsverletzung 245–250, 299, 346, 393, 415

Sachverzeichnis Principles of European Contract Law 218, 267 Principles of International Commercial Contracts 264 Prioritätsprinzip 125–128, 364 Prognoseabhängigkeit 252, 277, 287, 389 Prognoseanforderungen 282 prozeduraler Ansatz der Vertragsumsteuerung 57, 78 Qualitätssprungtheorie 143, 165, 173, 389 reasonable-use-test 74 Rechtsgrundabhängigkeit des Eigentumserwerbs 237 Richtlinienkonformität des § 323 IV BGB 281 Rückgewährschuldverhältnis und § 103 InsO 159–161 Rücktrittssperre 179–182, 187, 199, 208, 217 siehe auch Suspensivtheorie Sachsenmilchentscheidung 149 Säumnis – Rücktritt wegen Säumnis 77 – Säumnis als wesentliche Vertragsverletzung 75 Sekretariatskommentar 13 Schadenminderungsobliegenheit 434, 466, 469 Schutzpflichten – Behandlung im CISG 109 – Vertragsumsteuerung wegen Schutzpflichtverletzung 104, 300, 321 Sicherheitenstellung 294, 410, 421, 436–439, 441–445 Sicherungsarrest 361–367 status quo ante contractum 119 subjektiv-teleologische Auslegungstheorie siehe unter Auslegung des CISG, teleologische Sukzessivlieferungsverträge 324–333, 402–404, 430 Surrogationstheorie 119, 194–197 siehe auch Differenztheorie Suspensivtheorie 143, 153, 161

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Synallagma – funktionelles Synallagma 46, 50, 121 – funktionelles Synallagma im eröffneten Verfahren 122, 134, 169 – genetisches Synallagma 28, 161 – konditionelles Synallagma 28, 46, 80, 135 – Konstruktion im BGB 46 – Konstruktion im CISG 50 – Schutz auf Sekundärebene 52 Teilkodifikation 321 Teilleistung – qualitative Teilleistungen 94–96, 314–315 – quantitative Teilleistungen 90–94 Teilschlechtleistung siehe unter Teilleistung teleologische Reduktion des § 320 BGB 179–180 siehe auch Synallagma, Schutz auf Sekundärebene tu quoque-Regel 102 Ultima ratio der Vertragsaufhebung siehe unter Zurückdrängung der Vertragsaufhebung im CISG Umgehung des Verwalterwahlrechts 341, 368, 371–374, 377 Umgestaltungstheorie, siehe unter Fortbestehenstheorie unbeschränkte Vermögenshaftung 85 Undurchsetzbarkeitstheorie siehe unter Suspensivtheorie Unmöglichkeit 244, 317 siehe auch vorübergehende Unmöglichkeit – finanzielles Unvermögen und Unmöglichkeit 84–89 – Gegenleistungspflicht 80–84 Verbrauchsgüterkauf-RL (1999/44/ EG) 61, 69, 95 Verbraucherrechte-RL (2011/83/ EU) 61, 281 Verfahrensteilnahme 194–199, 239–241 Verfahrensziel 122–125, 169 Verlustprinzip 122, 134, 169, 173, 417 Verteilungsmodus 125

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Sachverzeichnis

Vertragsbindung siehe unter pacta sunt servanda Vertragserhaltungsinteresse siehe unter pacta sunt servanda Vertragsspaltung 149, 158, 205 Vertragsverletzung 18 Verwirklichung des Äquivalenzprinzips siehe unter Synallagma volatile Märkte 76, 400 völkerrechtlicher Vorrang 351, 354–355 vorgreifliche Sperrwirkungen siehe unter Vorwirkung des Insolvenzverfahrens vorinsolvenzlich entstandenes Rücktrittsrecht 157–158, 190–191 vorläufiger Verwalter 380, 387, 425 Vorrang der Nacherfüllung 61 vorübergehende Unmöglichkeit 54, 86, 317–321, 428 Vorwirkung des Insolvenzverfahrens 341, 348, 363–367, 374 vorzeitige Erfüllungsverweigerung siehe unter Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit Waffengleichheit 26, 193 Wahlrecht des Verwalters siehe auch Zweck des Verwalterwahlrechts – Gestaltungswirkung 141, 168, 200, 447

– haftungsrechtliche Wirkung 163–165 – mittelbarer Einfluss auf Sekundärrechte 162, 235, 259, 378, 387, 396 Wahlrechtskollision 7, 153, 347 Widerruf der Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit siehe unter Erfüllungsverweigerung vor Fälligkeit Widerruf der Vertragsumsteuerungserklärung 445 Wortlautauslegung siehe unter Auslegung des CISG Wortlautgrenze 16 Zahlungsverzugs-RL (2011/7/EU) 36 Zurückdrängung der Vertragsaufhebung im CISG 58–61, 288 Zustandsveränderung 113, 115, 445 Zwecke des Insolvenzverfahrens siehe unter Verfahrensziel Zweck des Verwalterwahlrechts 134–138, 169