Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang im deutschen, im österreichischen und im italienischen Recht: Eine rechtsvergleichende Studie zum Privat- und Wirtschaftsrecht [1 ed.] 9783428446681, 9783428046683


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German Pages 129 Year 1980

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Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang im deutschen, im österreichischen und im italienischen Recht: Eine rechtsvergleichende Studie zum Privat- und Wirtschaftsrecht [1 ed.]
 9783428446681, 9783428046683

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KARL HACKL

Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang im deutschen, im Österreichischen und im italienischen Recht

Schriften zum Internationalen Recht Band 20

Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang im deutschen, im Österreichischen und im italienischen Recht Eine rechtsvergleichende Studie zum Privat· und Wirtschaftsrecht

Von

Ao. Univ.-Professor Dr. Karl Hackl Universität Salzburg

DUNCKER

&

HUMBLOT

I

BERLIN

Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1980 bei Buchdruckerei A . Sayftaerth - E. L. Krohn, Berlln 61 Printed in Germany ISBN 8 428 04868 4

© 1980 Duncker

Für Maria, Karl, Andrea und Markus

Vorwort Einen Anlaß, den KontrahieTungszwang im Österreichischen Privatrecht zu untersuchen, bot das Nahversorgungs- tmd Wettbewerbsordnungsgesetz 1977 mit den Bestimmtmgen über kaufmännisches Wohlverhalten tmd der Anordnung von Lieferpflichten. Schon eine erste Orientierung im Schrifttum und in der Rechtsprechung Österreichs und deT Na·c hbarstaaten mit marktwirtschaftlicher Ordnung hat gezeigt, daß Fragen nach den Grenzen der vertraglichen Abschlußfreiheit eng mit Wertungen in Wirtschaft und Wettbewerb verknüpft sind. Weil Entwicklungen im Wirtschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland auf Österreichische Verhältnisse entscheidenden Einfluß nehmen und unsere Anbieter und Nachfrager bei der innigen wirtschaftlichen Verflechtung auch täglich mit dem deutschen Privatund Wirtschaftsrecht konfrontiert werden, stelle ich die Frage nach dem Kontrahierungszwang nach BGB und GWB dieser Untersuchung voran. Dagegen nimmt Italien, obwohl es EWG-Mitglied ist, in der Frage des "obbligo a contrarre" eine völlig andere Haltung ein. Schon diese Extremposition und deren Auswirkung auf unseren Handel mit dem südlichen Nachbarn war Anlaß genug, die dort gewonnenen Erkenntnisse zu sammeln, im Vergleich mit den Österreichischen und den deutschen Ergebnissen zu würdigen und zu versuchen, daraus eine rechtsvergleichende Studie des Privat- und Wirtschaftsrechtes zu gestalten. Wie aktuell die Diskussion über Boykott und Liefersperre, Zwang zur Abnahme von Gütern oder Aufnahme in Verbände und verwandte Probleme ist, hat die Zivilrechtslehrertagung in Bern 1979 gezeigt: Dem Kontrahiertmgszwang war ein ganzer Tag gewidmet; den Vorträgen der Herren Professoren Bydlinski und Kilian folgte eine Diskussion des Themas vor über 100 Fachgelehrten. Eine großzügige Spende der Vereinigung Österreichischer Industrieller, Landesgruppe Salzburg, hat mir die zur Bearbeitung des Themas notwendigen Studien im Ausland ermöglicht tmd dadurch die Arbeit wesentlich gefördert. Dafür sage ich meinen verbindlichsten Dank! Salzburg, im März 1980

KarL HackL

Inhaltsverzeichnis 1. Teil

Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang in der Bundesrepublik Deutscllland A. Grundlagen- Vertragsfreiheit als Willensmacht . • . . . . . . . . . . . . . . .

13

B. Die Bewältigung der "Krise" der liberalen Vertragsfunktion . . . . . .

18

C. Grenzen der Abschlußfreiheit . . . . . • . . . . • . . • . . . . • . . • . . . . . . . . • . . . . .

22

I. Unmittelbare Kontrahierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

II. Der mittelbare Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontrahierungspflicht aus §§ 826 iVm. 249 BGB . . . . . . . . . . . . 2. Mittelbarer Abschlußzwang nach §§ 35 iVm. 25 Il, 26 II GWB a) Begründung des wettbewerbsrechtlichen Kontrahierungszwangs . .. .. ...... .. ... ... .. . . . ... . . .. .... .. . . . . . . . . ... b) Der Kontrahierungszwang des § 26 II GWB . . . . . . . . . . . . c) Der mittelbare Kontrahierungszwang nach § 25 II GWB .

26 28 31 34 35 45

D. Erweiterung der Abschlußpflicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) . . . ... . .... .. .. . . ... ... . . ...... .. ...... .......•.......... ...

47

I. Voraussetzungen- Verletzung vorvertraglicher Pflichten . . . .

47

II. Kontrahierungszwang aus culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . .

49

III. Behebung der Formnichtigkeit durch Abschlußpflicht? . . . . . . . .

52

E. Analoge Erweiterung einer Abschlußpflicht aus Grundrechtswertungen in Sonderprivatrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

I. Zwang zur Aufnahme in Vereine und Verbände . . . . . . . . . . . . . .

58

II. Integrationswirkung des Diskriminierungsverbots . . . . . . . . . . . .

62

2. Teil

Vertragsfreiheit und Kontrabierungszwang in Österreich A. Grundlagen I. Die Kontrahierungspflicht nach dem Nahversorgungsgesetz 1977

66

68

10

Inhaltsverzeichnis I!. Die Rechtsprechung des OGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

III. Die Österreichische Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

B. Die dogmatische Begründung des Kontrahierungszwangs . . . . . . . . .

75

I. Beschränkung auf die gesetzlich vorgeschriebene Abschluß-

pflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

I!. Vertragsschluß als Naturalrestitution eines Schadens . . . . . . . . . .

77

III. Leistungspflicht in Analogie zum gesetzlichen Kontrahierungszwang . . . . . . . . .. . . .. . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . .. .. . ... . . . ... .. ... . .

80

IV. Der Anspruch auf Beseitigung sittenwidrigen Verhaltens . . . . .

83

V. Der Abschlußzwang als Gegenstand des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs . . ..... ....... ..... . ... . ............ . ... .

86

C. Fälle des Abschlußzwanges aus sittenwidriger Gefährdung . . . . . . . .

90

I . Abhängigkeit vom Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

I!. Schutz der Versorgung mit Bedarfsgütern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95

III. Abschlußzwang aus einem Diskriminierungsverbot . . . . . . . . . . .

96

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

104

3. Teil

Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang in Italien A. Grundlagen- Spannungsverhältnis von Privatinitiative und Sozial-

nutzen im Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

107

B. Unmittelbarer Kontrahierungszwang nach dem Code civile und n a ch Sondergesetzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

109

C. Mittelbarer Kontrahierungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

115

D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123

4.Teit Sdllußbemerkungen

124

Abkürzungen (soweit sie nicht üblich sind oder in Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 2. Aufl. 1968, aufscheinen): BlgNR x.GP

Beilagen zu den stenographischen Protokollen des Nationalrates, x. Gesetzgebungsperiode (Österreich) Bundes-Verfassungsgesetz (Österreich) von 1920 in der Fassung von 1929

B-VG 1929 DRdA

Das Recht der Arbeit (Wien)

ED EuGH EvBl

Enciclopedia del diritto, Giuffre Milano Europäischer Gerichtshof Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (erscheint in ÖJZ) Eisenbahnverkehrsordnung 1967

EVO GesRZ

Der Gesellschafter - Zeitschrift für Gesellschaftsrecht, Wien Giurisprudenza italiana, Parte prima, Corti internazionali, corte costituzionale e corte di cassazione

Giur.it.I JBl JN

Juristische Blätter, Wien Jurisdiktionsnorm (Österr.), RGBl 1895/111

KartG

Kartellgericht Wien oder Kartellgesetz (Österr.), BG vom 22. 11. 1972, mit dem Bestimmungen und Vorschriften zur Erhaltung der Wettbewerbsfreiheit erlassen werden Kartellobergericht Wien

KOG

NNDI NVG ÖBl OGH ÖJZ ÖZW Riv.dir.civ. Riv.dir.comm. Riv.dir.ind. RV StenProtNR StGG 1867

-

Novissimo Digesto Italiano, a cura di Azara e Eula, Utet Torino BG vom 29. 7. 1977 zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen (österr. BGBl 1977/392) Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Wien Oberster Gerichtshof Österreichische Juristenzeitung, Wien Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, Wien Rivista di diritto civile, Padova Rivista di diritto commerciale e del diritto generale delle obbligazioni, Milano Rivista di diritto industriale, Milano Regierungsvorlage Stenographische Protokolle des Nationalrates (Österr.) Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, österr. RGB11867/142

12

Abkürzungen

sz

= Entscheidungen des Österreichischen Obersten Gerichtshofes in Zivil- (und Justizverwaltungs-)sachen, Wien

VfGH VfSlg

= =

ZVR

= Zeitschrift für Verkehrsrecht, Wien

Osterreichischer Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes, Wien

1. TEIL

V ertragsfreiheil und Kontrahierungszwang in der Bundesrepublik Deutschland A. Grundlagen- Vertragsfreiheit als Willensmacht Bevor wir auf die Vertragsfreiheit, ihre Erscheinungsformen und deren rechtliche Erfassung eingehen, soll ein Blick in die Geschichte den Hintergrund erhellen, vor dem dieser Begriff jene Konturen bekam, die ihn heute im Zivilrecht, nicht minder aber auch im Wirtschafis-, Verfassungs- und Verwaltungsrecht auszeichnen. 1. Die im individualistischen Naturrecht der Aufklärung wurzelnden Ansichten der Physiokraten waren der Ausgangspunkt für die Vorstellungen bei den Klassikern der Volkswirtschaftslehre AdamSmithund David Ricardo: Das Wirtschaftsleben läuft nach "Naturgesetzen" ab1 • Das Streben des einzelnen nach Eigennutz verbindet sich beim Zusammentreffen mit denselben Bestrebungen der anderen Menschen zu einer natürlichen Ordnung. Diese durch das Eigeninteresse sich ergebende Harmonie sollte der Gesetzgeber nicht nur dulden, sondern darüber hinaus durch Beseitigung aller Hemmnisse, insbesondere der staatlichen Eingriffe, im ungehinderten Wettbewerb des freien Spiels der Kräfte fördern. Der bekannte Grundsatz des "laissez faire, laissez aller, le monde va de lui-meme!" sollte im mechanischen Interessenausgleich zwischen Angebot und Nachfrage jenen freien Tauschverkehr bewerkstelligen, von dem man glaubte, daß er nur in diesem Freiraum ungehindert funktionieren würde. Die Forderung, dieses ,Naturgesetz' zum ,Rechtsgesetz' zu erklären, hat die Privatrechtswissenschaft des 19. Jh. übernommen1 : War für Kanfl noch die wechselseitige Beschränkung der 1 Ordre nature! der Physiokraten war allerdings der vom Staat herzustellende Idealzustand, während die naturgesetzliche Ordnung bei A. Smith vorgegeben ist und als "prästabilisierte Harmonie" durch den Staat vor Eingriffen geschützt werden muß. Vgl. Runge, Antinomien des Freiheitsbegriffs im Rechtsbild des Ordoliberalismus, 1971, 9 f. ' Zu den Wurzeln der Privatautonomie im Individualismus und Liberalismus vgl. Wieacker, Das Sozialmodell der klassischen Privatrechtsgesetzbücher und die Entwicklung der modernen Gesellschaft, 1953, 7 f. und H. P. Westermann, Vertragsfreiheit und Typengesetzlichkeit im Recht der Personengesellschaften, 1970, 24 m. w. Hinw. FN 9.

14

1. Teil: Bundesrepublik Deutschland

Willkür des einzelnen zum Schutz des einzelnen ein Gebot der Vernunft, kennzeichnet Savigny', und ihm folgend die gemeinrechtliche Lehre, die unabhängige Herrschaft des individuellen Willens als das Wesen des Rechtsverhältnisses. Die autonome Gestaltungsfreiheit des einzelnen dient nicht mehr der sittlichen Selbstbestimmung im Rahmen der auch dem Partner zukommenden Autonomie, sondern dem von Verantwortung befreiten Einzelwillen6 • Die dem Gutdünken des einzelnen überlassene Betätigungsfreiheit wird schließlich von Jhering 6 als WilleßSlmacht zur Interessenbefriedigung, als "die rechtliche Sicherheit des Ge• nusses, Rechte sind rechtlich geschützte Interessen" interpretiert. Mit der dargestellten Automatik des Eigennutzes im Wettbewerb, wie es dem Wirtschaftsmodell des Liberalismus entsprach, stellt man jetzt die Forderung nach Vertragsfreiheit in einen neuen Zusammenhang. Die Freiheit zum Abschluß von Verträgen braucht man, um den unbeschränkten Güterumsatz bewerkstelligen zu können; die Freiheit zur willkürlichen Bestimmung des Vertragsinhaltes braucht man zur Verwirklichung von Willensmacht. Anders als in Art. 1134 des französischen Ce. oder in Art. 19 I des schweizerischen OR, findet sich im BGB keine ausdrückliche Bestimmung über die Vertragsfreiheit, doch bildet sie nach den Motiven und Protokollen zum Entwurf' die Grundlage der bürgerlichen Vertragsrechtsordnung. Es herrscht auch heute Einmütigkeit darüber, daß nur die Vertragsfreiheit dem Geist der freiheitlichen Rechtsordnung entspricht, und sich der einzelne als Persönlichkeit nur durch privatautonome Betätigung in der Gemeinschaft entfalten kann8 • Seit sich die Vertragsfreiheit in der extremen Form der privatautonomen Gestaltungsmöglichkeit der Willensmacht in jeder schuldrechtlichen Einigung durchgesetzt hat, so weit nur die Schranken der Gesetzlichkeit nach§ 134 und der Sittlichkeit im engsten Sinn des§ 138 BGB beachtet werden, ist die Geschichte der Vertragsfreiheit eine Geschichte von den Versuchen, diese Freiheit zu zügeln, unter Kontrolle zu bringen und gegebenenfalls aufzuheben. 3 Metaphysik der Sitten I (Anfangsgründe der Rechtslehre), Einleitung in die Rechtslehre, §§ C und D = Ausg. Vorländer, 4. AufL 1922, Nachdr. 1966, 35f. ' System des heutigen römischen Rechts I, 1840, §§ 52 f. = 331 ff. 6 Vgl. Billck, Vom Kontrahierungszwang zur Abschlußpflicht, 1940, 3 ff. 8 Geist des römischen Rechts, III/1, 1871, 7. Aufl. 1924, 328, 339. 7 Motive zum Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches II, 2; Protokolle I, 281: zum Antrag v. Rüger s . Jakobs I Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, 1978, 44. 8 Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäftes, 1967, 133; Flume, Allg. T. Il, 2. Aufl., 1975, 17 ff.; H. P. Westermann, Vertragsfreiheit, 25; Betti, Teoria generale del negozio giuridico, 1943, 32 ff.

A. Grundlagen- Vertragsfreiheit als Willensmacht

15

Der Nationalökonom und Nobelpreisträger von Hayek9 kennzeichnet die individuelle oder persönliche Freiheit als einen "Zustand, in dem ein Mensch nicht dem willkürlichen Zwang durch den Willen eines anderen oder anderer unterworfen ist" (S. 14). Wenn Freiheit als Fehlen willkürlicher Unterwerfung den Inhalt der Vertragsfreiheit einer altliberalen Wirtschaftsordnung und darüber hinaus des gesamten zivilen Vertragsrechts bestimmt hätte, hätte es keiner Bändigung der Vertragsfreiheit bedurft. Aber, und das sollte mein skizzenhafter und damit vereinfachender historischer Rückblick aufzeigen, Freiheit stand und steht noch heute für die Möglichkeit durchzusetzen, was ich will: für Macht, für Willensmacht. Bezeichnend kann man darüber schon bei. Voltaire 10 lesen: "Wahrhaft frei zu sein, heißt können. Wenn ich tun kann, was ich will, ist das meine Freiheit." Stand der Vertrag dessen, der den Güterumsatz aufgrund seiner Macht den Regelungsmechanismen des Marktes entzog, einmal unter dem Schutz des bürgerlichen Rechts, so stellte sich nur noch die Frage, wie die übrigen Teilnehmer an und vor dieser "freien Wirtschaft" geschützt werden können. Steinbach 11 charakterisierte diese Entwicklung mit dem Satz: "Dem Grundsatz der Vertragsfreiheit wohnt seiner Natur nach die T.e ndenz inne, sich selbst aufzuheben, also im gewissen Sinne eine selbstmörderische Tendenz." 2. Erst die in der Notsituation des Ersten Weltkrieges bedingten staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft zeigten recht drastisch den Weg, daß man eine geordnete Wirtschaft ohne staatliche Zwangsmaßnahmen nicht schaffen konnte, selbst wenn man eine Zentralverwaltungswirtschaft nicht installieren wollte. Es ist das Verdienst von Hans Carl Nipperdey, auf die Probleme der Macht hingewiesen und brauchbare Vorschläge zu deren Lenkung in geordnete Bahnen gemacht zu haben. In seiner Habilitationsschrift "Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag" aus 1920 forderte er die "Durchdringung und Vermischung" des Privatrechts mit öffentlichem Recht durch staatlichen Eingriff12• Liegen bestimmte Zwangssituationen vor, soll der Abschlußzwang die Vertragsfreiheit ersetzen. Das hätte insbesondere dann zu geschehen, wenn auf der einen Vertragsgeite der Inhaber eines rechtlichen oder faktischen Monopols steht, weiters bei Massenverträgen, durch die lebensnotwendige BedürfDie Verfassung der Freiheit, 1971, 14, 21 ff. Le Philosophe ignorant, XIII, zit. nach v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, 21 FN 14. 11 Moral als Schranke, 1898, 48; vgl. dazu noch: Kahler, Die Ideale im Recht in: Deutsches Bürgerliches Recht V, 1906, 208 f.; Hedemann, Die Fortschritte des Zivilrechts im 19. Jahrhundert I, 27; ders., Das Bürgerliche Recht und die neue Zeit, 1919, 23. 12 Kontrahierungszwang, 29. 9

10

16

1. Teil: Bundesrepublik Deutschland

nisse befriedigt werden und in den Fällen, in denen alle Abschlußberechtigten aus sozialen Gründen gleich behandelt werden sollen. Mit dem Abschlußzwang allein wäre dem Abschlußberechtigten noch nicht viel geholfen, wenn der Abschlußverpflichtete durch die freie inhaltliche Gestaltung den Wert des erzwungenen Vertragsschlusses wieder aufheben könnte. Dem Abschlußpflichtigen mußte daher auch auferlegt werden, seine Verträge zu angemessenen und gleichen Bedingungen anzubieten. Bei diesem, von Nipperdey vorgeschlagenen Kontrahierungszwang ist die Abschlußpflicht des Anbieters öffentlichrechtlicher Natur, dagegen erfolgt die Annahme nach den§§ 146 ff. BGB, und der abgeschlossene Vertrag bestimmt sich nach dem Privatrecht. Freilich werden durch die Vorbestimmung des Vertragsinhaltes die§§ 315 ff. mit der Regelung der Einzelheiten des schuldrechtlichen Vertrages "gegenüber der positiv-rechtlichen Gestaltung kaum zum Zuge kommen"13. Die im Zweifel dem Gläubiger zustehende Bestimmung der Gegenleistung nach § 316 BGB scheidet jedenfalls aus. Auf dieser Grundlage wurde in den vergangenen Jahrzehnten im allgemeinen Zivilrecht und im Wirtschaftsrecht der Versuch unternommen, neue Grenzlinien zwischen der Vertragsfreiheit und der Verpflichtung zum Vertragsschluß und für seine inhaltliche Gestaltung zu finden. Nur soweit sich auch die öffentliche Verwaltung im Verkehr mit dem Bürger des privatrechtliehen Vertrags bedient, soll die Entwicklung des verwaltungsrechtlich vorgeschriebenen Abschlußzwangs mitberücksichtigt werden. Wenn nach § 305 BGB "zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft ... ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich" ist, so heißt das zwar, daß ein Vertrag auf der freien Selbstbestimmung eines jeden der beiden Partner beruht. Jeder kann also nur so weit seinen Willen durchsetzen, als er zugleich die Fremdbestimmtheit14 des Vertrags, das heißt den Willen seines Partners, zu respektieren hat. Ein Vertrag unter diesen Voraussetzungen, nämlich dem Zusammenwirken zweier im juristischen Sinn gleicher Partner, erreicht ein formales Gleichgewicht, das sich grundsätzlich einer Stellungnahme über die inhaltliche Richtigkeit des Vertrags enthält. Durch diesen Vertragsmechanismusdes gegenseitigen Interessensausgleichs kann nämlich auch eine inhaltliche Richtigkeit im Sinne einer annähernden Ausgeglichenheit der Werte der beiden Leistungen nur in den Fällen erreicht wer13 Kontrahierungszwang, 31. Dasselbe gilt nach italienischem Recht bei der Personen- und Güterbeförderung (art. 1679 Ce.) und für öffentliche Konzessionsunternehmen (art. 2597 Ce.). Dazu Asquini, 11 trasporto terrestre di persone, 1915, 191 f.; Ottolenghi, Lo stato e il eontratto di trasporto ferroviario, 1907, 46 ff., 140; De Martini, Obbligo a contrarre, NNDI 11, 1965, 693, 697. 14 Schmidt-Rimpler, Zum Vertragsproblem, FS Raiser, 1974,3, 20.

A. Grundlagen- Vertragsfreiheit als Willensmacht

17

den, in denen einem Partner die freie Gestaltungsmöglichkeit nicht durch die Übermacht des anderen genommen ist. Die materiale Richtigkeitsgewähr5 oder wenigstens Richtigkeitschance16, die durch das Zusammenwirken bei der vertraglichen Gestaltung der Rechtsgeschäfte zu einem "Ausgleich entgegengesetzter Interessen im Sinne des Richtigen" führt, wie Schmidt-Rimpler11 formuliert, ist nach der Ansicht Flumes18 in unserem Vertragsrecht weder anerkannt noch garantiert. Nur "weil und soweit er von der beiderseitigen Selbstbestimmung der Vertragschließenden getragen ist", ist der Vertrag auch "richtig". Nur auf die formale Grundlage des Einsatzes von Selbstherrlichkeit, wie die privatautonome Gestaltung bei Flume treffend bezeichnet wird, soll es ankommen. Der Versuch einer Überprüfung des in Selbstbestimmung geschaffenen Inhalts soll dagegen diesem privatautonomen Gestaltungsrecht geradezu widersprechen19• Mit einem solchen Vertrag, der vom "Erfordernis der inneren Gerechtigkeit entlastet" 20 ist, sind die sozialen Phänomene, die bei der Diskussion über die Vertragsfreiheit aufgetaucht sind, juristisch nicht zu lösen. Das meint wohl Wieacker21 , wenn er schreibt, das BGB habe sich "dem Problem der Gefährdung der sozialen Freiheit durch die Vertragsfreiheit" trotz zeitgenössischer Kritik von Anton Menger und Otto von Gierk~ 2 nicht gestellt. Mit dem Scheitern des dargestellten liberalen Grundgedankens einer gleichsam sich automatisch einstellenden Ausgewogenheit des Leistungsgleichgewichtes sei ein Wandel in der Vertragsfunktion eingetreten. Der Einsatz des Vertrags in der modernen Industriegesellschaft als standardisierter Massenvertrag hat das individuell ausgehandelte Rechtsgeschäft stark in den Hintergrund gedrängt. Die Selbstbestimmung durch die Parteien wurde durch den typisierten Formularvertrag mit AGB ersetzt. Für einen großen Teil von Leistungen der Daseinsvorsorge wurden feste Preise und Tarife geschaffen. Von einem vertraglichen Interessenausgleich kann in vielen Fällen überhaupt nicht mehr gesprochen werden. 15

Schmidt-Rimpler, Grundfragen einer Erneuerung des Vertragsrechts,

AcP 147, 130, 156 f .

16 So Manfred Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit und vertraglicher Interessensausgleich, 1970, 74. 17 FS Nipperdey, 1955, 1, 6 FN 5. 1s Allg. T. I!, 7 f. te Flume, Allg. T. I!, 8. 20 Luhmann, Rechtssoziologie II, 1972, 327 und jetzt Kramer in Münchner Komm., Vor§ 145 Rz 2. 21 Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl. 1967, 482. 22 Anton v. Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, 1890, Ndr. 1968; Otto v . Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, 1899, Ndr. 1948.

2 Hackl

18

1. Teil: Bundesrepublik Deutschland

B. Die Bewältigung der "Krise" der liberalen Vertragsfunktion Jene "rechtsdogmatischen Krisenerscheinungen", die sich beim Versuch zeigen, die Vertragsfreiheit im herkömmlichen Sinn mit der Funktion der Durchsetzung sozialer Gerechtigkeitsbestrebungen auf weiten Gebieten des Verkehrsrechts in Einklang zu bringen, werden als "Krise des liberalen Vertragsrechts" bezeichnet23 • Es gilt nun, die Wege aufzuzeigen, auf denen die einseitige Überbetonung abgeschwächt und das rechtspolitische Postulat der Abstimmung der gesetzlichen Vertragsstruktur mit der sozialen Funktion des Vertrages, der Vertragsfreiheit im materialen Sinn, erreicht werden kann. Anders ausgedrückt heißt die Frage, wie neben der gegebenen formalen Vertragsfreiheit auch die Vertragsgerechtigkeit erzielt werden kann24 • Ebensowenig wie es angeht, auf dem formalen Aspekt der Vertragsfreiheit zu beharren, weil nur dieser den Intentionen des BGB-Gesetzgebers entspricht, hilft die völlige Ablehnung der Vertragsfreiheit als "ein Traumschloß, eine Utopie und keine Realität", "die es in Wahrheit nicht gibt" 25 • Die erste, zuletzt von Flume26 neuerlich vertretene Ansicht geht an den heutigen Wertungen im sozialen Leben vorbei, wenn sie das Diktat des Marktmächtigen, das dem Abhängigen nach der Methode "Friß Vogel, oder stirb!" Leistungen ,anbietet', unter den Schutz des Vertragsrechts stellt. Sie verkennt das eindeutige Urteil der Geschichte über das Versagen eines verantwortungsfreien Voluntarismus zur Bewältigung d er sozialen Probleme des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts27 • 23 Reinhardt, Die Vereinigung subjektiver und objektiver Gestaltungskräfte im Vertrag, FS Schmidt-Rimpler, 1957, 115 und eingehend KrameT, Die "Krise" des liberalen Vertragsdenkens, 1974. M Zweigert, "Rechtsgeschäft" und "Vertrag" heute, FS Rheinstein II, 1969, 493 ff. geht darüber hinaus, wenn er schreibt (501): "Sie (sc. die Vertragsgerechtigkeit) -nicht mehr die Vertragsfreiheit- ist heute in aller Welt das materiale Funktionsprinzip des Vertragsrechts." 25 Vgl. Zweigert, FS Rheinstein II, 493; Zweigert I Kötz II, 10. 21 Daß der Markt die Marktmacht aufhebt (Allg. T. II, 10), ist eben kein zwingendes Ergebnis "der auf dem Prinzip der Privatautonomie beruhenden Wirtschaftsordnung". Auf der Anbieter- und Nachfragerseite muß Konkurrenz herrschen. Zudem müssen die beiden Seiten jeweils zusammengenommen eine der Gegenseite vergleichbare Wirtschaftskraft darstellen. So zu Recht Grunsky, Vertragsfreiheit und liberale Wirtschaftsordnung, Harbusch/ Wiek (Hrsg.), Marktwirtschaft, 1975, 237, 246. 21 Wenn man nur "für Vertragstypen, bei denen mit ungleicher Machtlage allgemein zu rechnen ist" (Flume, Allg. T. II, 10), von der "Selbstherrlichkeit" privatautonomer Bestimmung abweicht, wie im Miet- und Arbeitsrecht, so will man nur den Verlust von Teilbereichen aus dem privaten Vertragsrecht rechtfertigen. Denn mit allgemein ungleicher Machtlage rechnet Flume (s.o. FN 26) im gesamten privatwirtschaftliehen Bereich, ohne Konsequenzen ziehen zu wollen. Außerdem ist gerade die beispielhaft angeführte Tarifautonomie "ein Stück Wildwuchs, dessen juristische Anerkennung nur

B. Bewältigung der "Krise" der liberalen Vertragsfunktion

19

Daß wir auf der anderen Seite kein untergegangenes Prinzip unnötigerweise neu beschwören, wenn wir der Vertragsfreiheit einen neuen Rahmen geben wollen, soll sogleichdarge-stellt werden. Die bedeutendsten Beiträge dazu, wie die Abschlußfreiheit und die inhaltliche Gestaltungsfreiheit mit den geänderten Wertungen aus sozialer Sicht in Einklang gebracht werden können, haben bisher L. Raiser8, Esser29 und Biedenkopf0 geliefert. Nach ihren Ausführungen stehen drei Wege offen: Erstens kann der Vertrag die neue Funktion in der Wettbewerbswirtschaft dann erfüllen, wenn vom Staat Rahmenbedingungen geschaffen werden, die die Entstehung von Marktmacht verhindem und darüber hinaus die Diskriminierung durch Ausübung von Marktmacht unterbinden. Dazu dient insbesondere das GWB mit der Mißbrauchskontrolle marktbeherrschender Unternehmungen (§ 22) und dem Diskriminierungsverbot (§ 26 II). Zweitens können die dem Einzelvertrag innewohnenden Grenzen dadurch gefunden werden, daß bestimmte, für einzelne Institute aufgestellte Wertungen nicht unterschritten werden dürfen. Konkret heißt das für den schuldrechtlichen Vertrag im Rahmen der Privatwirtschaft, daß gewisse Mindeststandards, auch wenn sie das Gesetz den Parteien generell zur Disposition stellt, nicht abbedungen werden dürfen31• Drittens muß versucht werden, ein Machtgleichgewicht zwischen den Kontrahenten herzustellen, um im allgemeinen Verkehr die Chance einer inneren Richtigkeit, also eines relativ ausgeglichenen Äquivalenzverhältnisses für beide Partner zu erreichen. Dabei genügt es freilich nicllt, wie sich in der Debatte um die AGB gezeigt hat, dieses Machtgleichgewicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht herzustellen. Auch die intellektuellen Vorteile des einen Partners sind zugunsten des anderen zu kompensieren32• Die neuen Richtlinien für den Freiheitsschutz des schrittweise erfolgte", wie Mayer-Maly, Privatautonomie und Wirtschaftsverfassung, FS Korinek 1972, 151, 155, schreibt. 28 Der Gleichheitsgrundsatz im Privatrecht, ZHR, 111, 1949, 75 f.; Vertragsfreiheit heute, JZ 1958, 1 ff.; u. a., zusammengeiaßt jetzt: L. Raiser, Die Aufgabe des Privatrechts, Aufsätze zum Privat- und Wirtschaftsrecht aus drei Jahrzehnten, 1977. 29 Insbesonders: § 138 BGB und die Bankpraxis der Globalzession, ZHR 135, 320 ff.; 330 ff. 30 Über das Verhältnis wirtschaftlicher Macht zum Privatrecht, FS Böhm, 1965, 113 ff. 3t Vgl. Raiser, Das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1935, Ndr. 1961, 239 ff.; ders., JZ 1958, 1 ff. = Aufgabe des Privatrechts, 38 ff.; Biedenkopf, FS Böhm, 1965, 135; Kramer, Vertragsdenken, 50 ff. und Staudinger I Mayer-Maly, 12. Aufl., Einl. zum 7. Abschn., RdNr.17. 32 Vgl. Kötz, Gutachten für den 50. DJT, Verhandlungen des 50. DJT. I, 1974, A. 34; Kramer, Informationskrise des Rechts und Veröffentlichungspraxis, ZPR 1976, 84, 87; Rühle, Das Wucherverbot-effektiver Schutz des Verbrauchers vor überhöhten Preisen?, 1978, 23.

1. Teil: Bundesrepublik Deutschland

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einen durch eine Eindämmung des Machtvorsprungs des anderen erhält die Praxis aus einer Neuinterpretation der Generalklauseln der §§ 138, 242 und 826 BGB. Sie verteidigt dabei die Entscheidungsfreiheit des einzelnen durch Anwendung der Sittenwidrigkeitsklausel und unterbindet somit die privatautonome Aufhebung der Privatautonomie33• Der Beitrag der Wissenschaft zur Förderung dieser Entwicklung in der Praxis liegt darin, daß sie jene Wechselwirkungen zwischen rechtsimmanenten Grundsätzen und außerrechtlichen Wertordnungen aufdeckt und damit jenen Maßstab erschließt, der den Richter die Verletzung der guten Sitten erkennen läßt34• Anders ausgedrückt heißt das, der Praxis Anhaltspunkte zum Auffinden der Grenze der Sittenwidrigkeit bei Vertragsschluß daduvch zu liefern, daß alle jene Elemente aufge~ zeigt werden, die entweder für sich allein genügen Sittenwidrigkeit auszulösen, oder die erst im Zusammenspiel mit anderen die Bedenklichkeitsgrenze überschreiten35• Die hier interessierende Frage der Freiheitsbeschränkung im eigenen Bereich zugunsten der Anerkennung fremder Freiheitssphären wird in letzter Zeit wieder häufig diskutiert. Man aktiviert damit bewußt oder unbewußt ein bereits auf Kant'8 zurückreichendes Rechtsdenken37• Einen weiteren Versuch, übermäßige Ausnützung von Macht beim Vertragsschluß zu unterbinden, stellt das von GaLbraith38 formulierte Gegengewichtsprinzip39 dar. Übermacht des einen sollte durch Aufbau von Macht beim Kontrahenten zu einem Machtgleichgewicht und damit zu einer gleichgewichtigen Ausgangsposition für die Vertragsverhandlungen führen. Damit sollte die Voraussetzung für die Richtigkeitsgewähr oder Richtigkeitschance des Vertrags geschaffen werden. Dieses Vgl. Mayer-Maly, Recht und Philosophie, FS Baltl1978, 345 f. Mayer-Maly, FS Baltl1978, 346. 35 Vgl. Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, 1978, 139 ff.; 150 ff. a. Kritik der praktischen Vernunft, (Theorie Werkausg. Suhrkamp 1968) VII, 162 und 232; zur Frage der Freiheit als Basis der Verbindlichkeit: Die Freiheit ist im Bereich der praktischen Vernunft "immanent", weil sie die notwendige Voraussetzung für eine vernünftige Willensbestimmung bildet. ~n Luf, Freiheit und Gleichheit, 1978, 25 gibt Kants Ansicht treffend wieder: Das Autonomieangebot beinhaltet unmittelbar schon das Gebot der Achtung fremder Autonomie und fordert daher die wechselseitige Anerkennung der Freiheitssphären. Wer dieses Gebot mißachtet und den anderen zum bloßen Objekt erniedrigt, verletzt das allen gemeinsame Gesetz der Freiheit und verfehlt damit seine eigene Bestimmung. - Zur Umsetzung dieser Ansichten Kants bei Zeiller vgl. Mayer-Maly, FS Baltl 1978, 345. 38 American Capitalism. The Concept of Contervailing Power, 2. Aufl. 1956. 39 In Deutschland insbes. Bartholomeyczik, Äquivalenzprinzip, Waffengleichheit und Gegengewichtsprinzip in der modernen Rechtsentwicklung, AcP 166, 30, 68 ff. Zur Kritik: Schuhmacher, Nachfragemacht und Gegengewichtsprinzip, ZHR 140, 317, 320 ff. 33

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B. Bewältigung der .,Krise" der liberalen Vertragsfunktion

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Mittel zur Herstellung einer Waffengleichheit durch Kräftebalance ist überhaupt nur bei verbandmäßigen Organisationen praktikabel. Dabei hat sich herausgestellt, daß dieses Gegengewichtsprinzip bei der Bekämpfung von monopolistischen Verhaltensweisen der Anbieter oder Nachfrager durch Stärkung der Gegenseite regelmäßig nicht zum Erfolg führt. Den Machtzuwachs setzt man dann nicht gegen den Partner zur Bildung eines Wettbewerbspreises ein, sondern versucht, zu Lasten Dritter hohe Gewinne zu erzielen40• Eine Machtsteigerung auf das Niveau des Gegners zwischen Produktion und Handel drückt sich dann in überhöhten Konsumentenpreisen41 aus und der Zweck der Machtstützung wird verfehlt. Am ehesten hat das Gegengewichtsprinzip im kollektiven Arbeitsrecht bei der Aushandlung von Tarifverträgen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden Anklang gefunden41• Unverkennbar ist mit der Einführung der Koalitionsfreiheit und der sich daraus ermöglichenden Verbandsmacht in Verbindung mit der Tarifautonomie die Grundlage zu den Normenverträgen geschaffen worden, die die entscheidende Besserstellung der Arbeiterschaft gegenüber dem individualistisch-liberalen Diktat des Einzelarbeitsvertrages im vorigen Jahrhundert gebracht hat. Allerdings machten die großen Tarifauseinandersetzungen der letzten Zeit mit ihren Streiks und Aussperrungen deutlich, daß neben der so demonstrierten Macht eine Vielzahl anderer Faktoren, wie öffentliche Meinung43, Arbeitsmarktsituation, Absatzkrise usw. Mitberücksichtigung finden. Institutionalisiertes Kräftegleichgewich~ 4 ergibt also noch nicht notwendig äquivalente Beiträge der Vertragspartner45 zu den neuen Tarifabschlüssen. 40 Vgl. Säcker, Zur Berücksichtigung der Marktposition des Unternehmens im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, BB 1967, 681, 688; Biedenkopf, WuW 1968, 3 ; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, 1978, 640 f., 655; H. P. Westermann, Sonderprivatrechtliche Sozialmodelle und das allgemeine Privatrecht, AcP 178, 150, 170 f. Einen sehr ausgewogenen Vorschlag für Gegengewichtskartelle gegen Marktmacht bietet Schuhmacher, ZHR 140, 317, 345 ff. 41 Skeptisch zum Gegengewichtsdenken durch den Aufbau von Verbraucherverbänden: K. Simitis, Verbraucherschutz - Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 1976, 211 ff. a Vgl. Bartholomeyczik, AcP 166, 30, 64 ff.; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, 1975, 164 ff.; ders., Arbeitskampfparität und Übermaßverbot unter besonderer Berücksichtigung des .,Boykotts" in der deutschen Seeschiffahrt, 1979, 60 f., 99 ff.; Löwisch, Die Ausrichtung der tariflichen Lohnfestsetzung am gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht, RdA 1969, 129, 131 ff.; ZöLlner I Seiter, Paritätische Mitbestimmung und Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz, ZfA 1970, 97, 151; LAG Baden-Württemberg, ArbuR 1979, 94 ff. Kritisch zum Gegengewichtsprinzip im Arbeitsrecht: Zöllner, AcP 176, 221, 229 ff.; Wohlgemuth, Staatseingriff und Arbeitskampf, 1977, 128 ff.; Kempen, Unzeitgemäße Überlegungen zum Arbeitskampfrecht, ArbuR 1979, 74 ff. 43 Vgl. Wohlgemuth, Kampfparität und öffentliche Meinung, ArbuR 1978, 325 ff. " Sie ermöglicht aber der Rechtsprechung, andere Hilfsmittel zu verweigern, die bei ungleicher Machtverteilung sonst anwendbar sind: BAG, AP

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C. Grenzen der Abschlußfreiheit I. Unmittelbare Kontrahierungspfticht Gehen wir nun näher auf die Abschlußfreiheit ein, die neben der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit als ein Element der Vertragsfreiheit genannt wird. Sie umfaßt die Freiheit, ein Vertragsangebot zu st-illen oder ein solches anzunehmen und den Partner frei zu wählen46 • Kontrahierungszwang als Ausnahmeerscheinung von der Abschlußfreiheit wird nach h. M. teilweise unmittelbar zur Durchsetzung eines Primäranspruchs konstruiert, teilweise mittelbar aus einem Ersatzanspruch hergeleitet, d.er durch Naturalrestitution in Form des Vertragsschlusses befriedigt werden kann. Daß eine Abschlußpflicht aufzuerlegen nur dann sinnvoll ist, wenn dem Verpflichteten nicht nur das Leisten-müssen, sondern die Leistung zu vorausbestimmten und angemessenen Bedingungen befohlen wird, wurde schon erwähnt. Unmittelbarer Kontrahierungszwang ergibt sich aus den Anordnungen der Gesetze47 oder durch gesetzlich begründeten Verwaltungsakt. Untersteht dabei das zwangsweise begründete Rechtsverhältnis dem Privatrecht, so wird nach h. L. der ganze Vertrag dem Privatrecht zugerechnet48. Bisweilen ist nur das Vollzugsgeschäft privatrechtlich gefaßt und die Bewilligung als Grundgeschäft erfolgt nach öffentlichem Recht. Nach der sogenannten Zweistufentheorie49 kann dann das Vollzugsgeschäft allein der Privatrechtssphäre angehören. Nr. 54, 57, 60, 63 zu § 611 BGB - Gratifikation, AP Nr. 32 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag. Vgl. Schwerdtner, Anm. zu AP Nr. 86 zu § 611 BGB - Gratifikation; M. Wolf, Rechtsg. Entscheidungsfreiheit, 1970, 818 ff. und Wiedemann, FS Lange, 1970, 395, 409 ff. 45 Das BAG verlangt zur Tariffähigkeit einer Koalition (damit sie die Aufgabe der Tarifautonomie erfüllen kann), daß sie fühlbaren Druck auf die Gegenseite ausüben kann; vgl. Beschluß v. 15. 3. 1977, ArbuR 1977, 281 ff. m. Anm. v. Däubler. Zur Notwendigkeit dieser "Gegenmacht" vgl. SöHner, Mächtigkeit und Leistungsfähigkeit als typologische Merkmale der arbeitsrechtlichen Gewerkschaften, ArbuR 1976, 321 ff. und Herschel, Zur Präzisierung des Koalitionsbegriffs, ArbuR 1978, 321 ff. Gegen diese "Macht als Voraussetzung der Tariffähigkeit" vgl. Grunsky, Anm. zu BAG v. 15. 3. 1977, JZ

1977, 473 f. " Vgl. Fikentscher, SehR., 6. Aufl. 1976, 72; H. P . Westermann, Vertragsfreiheit, 24. 47 WuWIE BGH 1327 f.- Rundflugunternehmen, zu§ 21 Abs. 2 Luftfahrt-

gesetz. o&a Das führt bisweilen zu Abgrenzungsschwierigkeiten mit dem öffentlichrechtlichen Vertrag. Dieser unterscheidet sich vom privatrechtliehen nicht nach den Personen der Vertragspartner, sondern nach dem Inhalt. Zur Abgrenzung: Soergel I H. Lange I Hefermehl, 11. Aufl., Vor§ 145, RdNr. 36 f. und BGH, NJW 1979, 2615 ff. Zum ital. Recht: De Martini, Obbligo a contrarre, NNDI 11, 1965, 692, 697. 49 Soergel I H. Lange I Hefermehl, 11. Aufl., Vor § 145, RdNr. 33 a. E.

C. I. Unmittelbare Kontrahierungspflicht

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Aus den vielen Fällen unmittelbaren Kontrahierungszwanges können hier nur einzelne Beispiele herausgegriffen werden: § 453 HGB regelt den Abschlußzwang der Bundesbahnen, § 8 PostG bzw. § 5 TelG den des Post- oder Fernmeldedienstes, § 6 EnergieWiG für Unternehmen des Energiesektors50 und § 22 PBefG für die der gewerbsmäßig und entgeltliChen Personenbeförderung mit Straßenbahnen und Kraftfahrzeugen. Daneben bestehen noch andere. Nicht nur eine staatliche Einrichtung kann gezwungen sein, mit jedermann, der die gesetzlichen Bedingungen einhält, einen Vertrag zu schließen. Umgekehrt kann auch dem Staatsbürger die Pflicht auferlegt werden, bestimmte öffentliche Einrichtungen zu benutzen. So wurden beispielsweise schon aufgrund des § 18 der reicllseinheitlichen Deutschen Gemeindeordnung von 1935 ein Abschluß- und Benutzungszwang für Wasserversorgungen, Kanalisation, Müll- und Fäkalienabfuhr und Straßenreinigung, aber auch für den Anschluß an andere "ähnliche der Volksgesundheit dienende Einrichtungen" vorgesehen. Anfang der siebziger Jahre wurde in Bayern ein Abschluß- und Benutzungszwang in Analogie zu dem der genannten Ver- und Entsorgungseindchtungen51 in die Satzungen von Wärmeversorgungsanlagen52 aufgenommen. Daß dies zu Recht geschah, hat ein Normenkontrollbeschluß vom 17. 12. 1974 des bayVGH58 bestätigt. Danach dienen zentrale Wärmeversorgungsanlagen dadu:rcll der Volksgesundheit, daß umweltschädliche Stoffe, die bei einer Vielzahl von Heizungen durch den Kwmulationseffekt die öffentliche Gesundheit beeinträchtigen würden, vermieden werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit - um den Analogieschluß zu vermeiden - wurde 1973 eine ausdrückliche Bestimmung über die Benutzungspflicht in den Artikel 24 Abs. 3 der bayG064 aufgenommen. Freilich ist gerade bei der Verpflichtung des Bürgers, mit der Verwaltung kontrahieren und derartige öffentliche Einrichtungen benützen zu müssen, sehr umstritten, ob der öffentliche Anbieter das Benutzungsverhältnis der Ver- oder Entsorgungseinrichtung überhaupt 50 Vgl. Danner, Die Neuordnung der Geschäftsbedingungen in der Versorgungswirtschaft, BB 1979, 76 ff. zur Anpassung der seit 1942 geltenden Geschäftsbedingungen der EVU für Tarifabnehmer an die Bestimmungen des AGBG 1976. Zum Anschlußzwang der Sonderabnehmer: Gerigk, Kontrahierungszwang der Energieversorgungsunternehmen gegenüber Sonderabnehmern, 1966. st Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 BayGO. 11'2 Vgl. §§ 8 und 11 (Anschluß- und Benutzungszwang) der Satzung f. ein öfftl. Fernheizwerk der Gemeinde Ainring/Bayern, v. 16. 11. 71 nach der BayGO v. 25. 1. 1952 (BayBS I S. 461). Ähnlich die Regelung des Anschlusses an die öff. Gasversorgung und deren Benützung nach der Satzung der Stadt Passau, Amtsbl. der Stadt u. d. Landkr. Passau vom 22. 3. 1972. ~s BayVBI. 1975, 617. 64 Bekanntmachung v. 5. 12. 1973, GVBl. S. 600.

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privatrechtlich regeln kann. Nach der angeführten Zweistufentheori~5 wäre zwar auch hier die Möglichkeit gegeben, wenigstens zum Teil auf das Privatrecht auszuweichen, weil es sich bei der Anordnung des Benutzungs-und Abschlußzwangs sowohl um Eingriffs- als auch um Leistungsverwaltung handelt56• Die Frage braucht nicht endgültig geklärt zu werden. Sowohl bei der Abschlußpflicht der öffentlichen Versorgungsträger gegenüber den Benützern als auch beim Abschluß- und Benutzungszwang zugunsten des Versorgungsunternehmens wird durch die hoheitliche Regelung ein gesetzliches Schuldverhältnis begründe.t5', das die unter die gesetzliche Anordnung fallende Partei zur Abgabe der auf den Vertragsschluß gerichteten Willenserklärung bestimmt;58 • Ist der Verpflichtete trotzdem zum Abschluß nicht bereit, so kann der Verletzte nach den §§ 276, 278 BGB unmittelbar Schadensersatz verlangen, ohne auf einen Deliktstatbestand (§§ 823 Abs. 2 oder 826 BGB) zurückgreifen zu müssen. Auf die endlos erscheinende wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Drittwirkung einer Grundrechtsnorm, also die Frage, ob nicht nur der Staat, sondern auch der einzelne in seiner Beziehung zum Mitbürger unmittelbar durch das Grundrecht gebunden wird oder es nur zu einer "Ausstrahlung"59 der Wertungen des Grundgesetzes auf das Privatrecht komme, braucht hier noch nicht näher eingegangen zu werden60. Es genügt folgende Feststellung: Wenn sich der Staat in der Leistungsverwaltung privatrechtlicher Formen bedient, wird mit Recht vom BGH61 eine unmittelbare Drittwirkung angenommen, weil die Grundrechtsbindung des Staates nicht von der äußeren Form seiner Betätigung abhängen kann. Schon jede unmittelbare Verfolgung eines öffentlichen Zwecks durch die Verwaltung genügt, um dem einzelnen den grundrechtlich geschützten Freiraum zu sichern62. s. o. bei FN 49. Vgl. Fröhler I Wolny, Anschluß- und Benutzungszwang bei Fernwänneversorgung, 1977, 75 m. w. Lit. Gegen eine Ausweichmöglichkeit auf Privatrecht: Pestalozza, Fonnenmißbraucll des Staates, 1973, 172 ff. li7 Ennan I Hefermehl, 6. Aufl., Vorb. § 145, RdNr. 21; Enneccerus I Nipper65 56

dey Il2, 1000. 6 8 Kramer in Mündm. Komm. Vor § 145 RdNr. 12 vergleicllt es "mit dem-

jenigen, das durch Eintritt in Vertragsverhandlungen entsteht". 59 So das BVerfG im "Lüth-Urteil", BVerfGE 7, 198, 204 ff., 207; vgl. auch Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, 196 ff. eo s. dazu u. C II. et BGHZ 29, 76 = BB 1959, 135 = JZ 1959, 407 mit Anm. v. L. Raiser; BGH v. 26. 11. 75, BB 1976, 203, 204; Maunz I Dürig I Herzog, Grundgesetz, Art. 3 RdNr. 475 ff. 486, 295 m. w. Nachw.; dazu jetzt Otto, Personale Freiheit und soziale Bindung, 1978, 140 f. e~ Vgl. Wertenbruch b. Scheuner (Hrsg.), Die staatl. Einwirkung auf die Wirtscllaft, 1971, 341.

C. I. Unmittelbare Kontrahierungspflicht

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Gehen wir mit der überwiegenden Meinung83 und der Rechtsprechung des BVerfG64 davon aus, daß das in Art. 2 I GG verbürgte Recht eines jeden auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit den Freiraum zur autonomen Ausgestaltung privater Rechtsbeziehungen sichert, soweit dadurch nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungs'mäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen wird. Kann man in diesem, von staatlichen Eingriffen geschützten Freiraum des einzelnen zur Entfaltung der Persönlichkeit die verfassungsmäßige Garantie der Vertragsfreiheit erkennen65 , so sind Gesetzgeber und Verwaltung nicht frei, wenn sie die vertragliche Abschluß- und Gestaltungsfreiheit des Bürgers beschränken wollen. Es bedeutet nämlich keinen einfachen Gesetzesvorbehalt66, wenn der Verfassungsgesetzgeber die Gestaltungsfreiheit nur durch verfassungsmäßige Ordnung Uilld das Sittengesetz einschränken läßt. Das BVerfG läßt daher Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 2 I GG zu Recht nur zu$7, wenn sie dem "Verhältnismäßigkeitsprinzip"68 entsprechen. Darunter versteht man solche Beschränkungen der Vertragsfreiheit, bei denen folgende drei Elemente beachtet wurden69 : Die Maßnahmen müssen zur Erreichung des Zieles erstens geeignet und zweitens erforderlich sein. Dazu kommt drittens, daß die den einzelnen betreffende Belastung "noch in einem vernünftigen Ver611 Vgl. Erman I Hetermehl, Vor § 145 RdNr. 16; Laufke, Vertragsfreiheit und Grundgesetz, FS Lebmann I, 1956, 145; Leisner, Grundrechte und Privatrecht, 1960, 235; Schmidt-Salzer, Vertragsfreiheit und Verfassungsrecht, NJW 1970, 8; Larenz, SchR.-Allg. T., 11. Aufl. 1976, (§ 4 IV); Fikentscher, SehR, 6. Aufl. 1976, (§ 21 II); weiters jetzt Kramer in Münchn, Komm., Vor § 145, RdNr. 6 und Canaris, Die Kreditkündigung gemäß § 247 BGB und der "Wandel der Normsituation", WM 1978, 686, 692. 64 BVerfGE 8, 274, 328. e~~ Gegen eine Verankerung der Vertragsfreiheit in Art. 2 I GG: Flume, All. T. II, 2. Aufl. 1975, § 1, 10 a = 17 ff.; L. Raiser, Grundgesetz und Privatrechtsordnung, 1967, 19; Roscher, Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem, 1974, 54 ff. «~~~ So Fröhler I Wolny, Anschluß- und Benützungszwang bei der Femwärmeversorgung, 1977, 70; Für einfachen Gesetzesvorbehalt auch BVerfGE 6, 32 - Ausreisefreiheit. Anders BVerwGE 17, 306; 18, 345. Vgl. Soergel/ H. Lange I Hefermehl, Vor§ 145, RdNr. 27. $7 Umgekehrt wird nicht jedes die Vertragsfreiheit beschränkende Gesetz danach beurteilt, ob nicht ohne diese Beschränkung in die Rechte anderer eingegriffen, gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstoßen würde. Vgl. Grunsky in Harbusch-Wiek (Hrsg.), Marktwirtschaft, 1975, 237, 239. es Nach der Terminologie des BVerfG auch als "Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinn" bezeichnet: BVerfGE 19, 330, 337; 30, 292, 316. Dazu eingehend Grabitz, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 1973, 568 ff. und Seiter, Arbeitskampfparität und übermaßverbot, 1979, 88.- Gegenüber staatlichen Eingriffen wird dieser Grundsatz vom BVerfG als ungeschriebener Bestandteil der Bundesverfassung angesehen: BVerfGE 19, 342, 348; 43, 101, 106; dazu jetzt Canaris, WM 1978, 686, 693. 69 Vgl. BVerfGE 17, 306, 314 ff.; 30, 292, 316; 44, 353,373.

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hältnis zu den ihm und der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen" 70 stehen muß. Das BVerfG drückt mit "Verhältnismäßigkeit" dasselbe aus, was die Literatur unter dem Stichwort "Spannung zwischen den Grundrechtsnormen" erfaßt. Der Staat hat die in Art. 2 I GG festgelegte Grundentscheidung für die Privatautonomie nur so weit zu beachten, als diese nicht durch andere Grundwerte eingeschränkt wird. Zu einer solchen Beschränkung oder Einengung können insbesondere der in Art. 3 festgelegte Grundsatz der Gleichbehandlung aller Menschen und das in Art. 20 Abs. 1 verankerte Sozialstaatsprinzip71 beitragen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz hat im Arbeitsrecht71 weittragende Bedeutung erlangt und wird von Raiser zur Begründung eines Kontrahierungszwangs auch außerhalb der Beziehung von Bürger und Staat herange'zogen. Mit der sozialen Schutzpflicht argumentiert man das eine Mal zugunsten des staatlichen Eingriffs, um nachteilige Einflüsse einzelner auf die Allgemeinheit abzuwehren, das andere Mal bei der Aufhebung der Vertragsfreiheit, um zum Schutz des Schwächeren den Machtvorsprung des anderen Vertragspartners abzubauen. Dazu sogleich beim mittelbaren Kontrahierungszwang. II. Der mittelbare Kontrahierungszwang

Wenn wir festgestellt haben, daß die staatliche Leistungsverwaltung unmittelbar durch das Grundrecht gebunden wird, auch wenn sie sich bei ihrer Beziehung zum Bürger privatrechtlicher Verträge bedient, so sagt das noch nicht, daß dasselbe auch für die Beziehung der Privaten untereinander gilt. Die Untersuchung der Frage, ob die in der Verfassung festgelegten Wertungen unmittelbar zur Auslegung der Privatrechtsbeziehungen oder nur mittelbar über die Beurteilung der Generalklauseln heranzuziehen sind, braucht aber nicht weiter vertieft zu werden. Für den Schutz der Vertragsfreiheit ist heute nach den beiden Auffassungen im Ergebnis kaum noch ein Unterschied festzustellen. Säcker73 meint daher zu Recht, daß es sich bei der Beurteilung der Wirkungsausdehnung der Grundrechtsnorm im wesentlichen nur noch um 70

Wird auch als Unverhältnismäßigkeitsgrundsatz im engeren Sinn, von

Grabitz, AöR 1973, 568, 575 als "Proportionalitätsgrundsatz" gekennzeichnet.

Vgl. BVerfGE 38, 281, 302. Danach darf ein Mittel nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen: BVerfGE 28, 364; 374; 39, 258, 270. 71 Vgl. Obermayer, Der Sozialstaat als Herausforderung zur Menschlichkeit, RdA 1979, 8 ff., insb. 14; zur Interessenantinomie gegenüber Art. 2 I GG s. Esser I Schmidt, SehR 1/1, 6 ff. 72 Vgl. Grunsky in Harbusch-Wiek (Hrsg.), Marktwirtschaft, 1975, 239 m. w. Nachw. FN 4 f. 73 Münchn. Komm. I, Ein!. RdNr. 56 mit FN 132.

C. li. Der mittelbare Kontrahierungszwang

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ein Formulierungsproblem handle. Nach der Ansicht der Vertreter einer unmittelbaren Drittwirkung genießt nämlich die Privatautonomie nach Art. 2 I GG nur mit der Einschränkung Schutz., daß die freie Entscheidung beider Parteien gewährleistet ist74 • Die Konkretisierung der Grundrechtswertungen müsse auch das Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip berücksichtigen75 und hätte daher die Funktion, bei ungleicher Machtverteilung den Machtsaldo zugunsten der wirtschaftlich, sozial und intellektuell schwächeren Partei auszugleichen. Geht aber der grundrechtliche Schutz der Vertragsfreiheit nur so weit, daß die Entscheidungsfreiheit auch nicht faktisch durch den Einsatz eines Machtvorsprungs einer Vertragspartei erzwungen wurde76 , so ist durch diese unmittelbare Drittwirkung keine Ausdehnung des Freiheitsraumes eines Bürgers auf Kosten des anderen möglich, wie das zuletzt noch Otto77 befürchtete. Die praktischen Ergebnisse der Drittwirkungslehre werden von den Höchstgerichten und den Autoren, die eine unmittelbare Drittwirkung ablehnen, insofem anerkannt, als sie eine Ausstrahlungswirkung auf die Auslegungskriterien der privatrechtliehen Generalklauseln in den §§ 138, 242 und 826 BGB sowie§ 1 UWG annehmen78 • Ob also die Berufung auf den Schutz der Privatautonomie sittenwidrig ist, muß nach der Entscheidungsfreiheit der Parteien beurteilt werden. Weil im Verhältnis zum Bürger eine unmittelbare Anknüpfung an die Grundrechte doch überwiegend auf Ablehnung stößt79, sollten wir bei der Frage nach den Grenzen der Vertragsfreiheit und den Voraussetzungen für einen privatrechtliehen Kontrahierungszwang die genannten Generalklauseln heranziehen80 und bei ihrer Auslegung den Gleichheitsgrundsatz und das Sozialstaatsprinzip berücksichtigen. Das heißt in Wahrheit aber nichts anderes, als daß wir die Grundrechte überhaupt nicht - weder mittelbar noch unmittelbar - anwenden, sondern ihren Inhalt in die Wertung im Rahmen der allgemeinen Auslegungsregeln einbeziehen. Die Grundrechte sind neben allen übrigen Wertaussagen in unserer Rechtsordnung zur Interpretation der Privatrechtsnormen, insbesondere zur Lückenfüllung, heranzuziehen81 • Vgl. SäckeT, Mündm. Komm. I, Einl. RdNr. 59 mit FN 141. Vgl. Soergel I H. Lange I HefeTmehl, Vor§ 145, RdNr. 28 ff. 76 Vgl. MayeT-Maly, Recht und Philosophie, FS Baltl 1978, 345 mit FN 44; SäckeT, Mündm. Komm. I, Einl. RdNr. 59. 77 Personale Freiheit und soziale Bindung, 1978, 140. 78 Unter Abschwächung subjektiver Tatbestandselemente: VgL SäckeT, Münchn. Komm. I, Einl. RdNr. 56. 7 9 Otto, Personale Freiheit, 141m. w. Hinw. FN 7. 80 Vgl. Bydlinski, Bemerkungen über Grundrechte und Privatrecht, ÖZöffR 12 (1962163) 423, 450; Soergel I H. Lange I HefeTmehl, Vor § 145, RdNr. 32. 74

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1. Kontrahierungspflicht aus§§ 826 iVm. 249 BGB Hans Carl Nipperdey hat in seiner Abhandlung über den Kontrahierungszwang festgestellt82, daß eine Rechtspflicht zur Schadensverhütung durch Kontrahieren dann entsteht, wenn der vertragswilligen Partei aus dem Nichtabschluß des Vertrages ein Schaden erwachsen würde und die Weigerung gegen die guten Sitten verstößt. Die Deliktsnorm des § 826 BGB bildet somit dann eine Anspruchsgrundlage, wenn durch die unbegründete Verweigerung des Vertragsschlusses jemandem vorsätzlich und sittenwidrig ein Schaden zugefügt wird. Nach der Auffassung Nipperdeys ergibt sich aus § 826 BGB urunittelbar die Rechtspflicht, einen solchen Schaden dadurch zu verhüten, daß mit dem sonst Geschädigten kontrahiert wird. Mit einer quasinegatorischen Abwehrklage auf Leistung (Prästation) kann der Berechtigte den Verpflichteten zum Abschluß des schadensverhindernden Vertrags zwingen. Demgegenüber hat die Rechtsprechung seit der richtungweisenden Entscheidung des Reichsgerichtes RGZ 132, 27683 angenommen, daß aus § 826 BGB nur ein Anspruch auf Schadensersatz besteht. Um der Schadensersatzleistung zu entgehen, könne der Verpflichtete jedoch mittelbars4 zum Vertragsschluß gezwungen werden. Insbesondere stelle der Vertragsschluß die nach§ 249 BGB geforderte Naturalrestitution dar. Schadensersatzpflichtig sind nach der angeführten Rsp. diejenigen Unternehmen, die als Inhaber einer rechtlkhen oder tatsächlichen Monopolstellung die Allgemeinheit mit notwendigen Gütern versorgen und im speziellen Fall willkürlich oder grundlos einen bestimmten Abnehmer zu den allgemeinen Bedingungen nicht beliefern. Wird ein Unternehmen von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft betrieben oder mit öffentlichen Mitteln unterstützt, weil seine Leistungen für die Gesamtöffentlichkeit wichtig sind, so soll sicll daraus nicht notwendig ein Kontrahierungszwang ergeben, auch wenn der Vertragsabscllluß grundlos oder willkürlich verweigert wird. Nur wenn es im öffentlichen Interesse liegt, daß jeder einzelne an den angebotenen Gütern teil hat, soll diese Abschlußpflicht bestehen. Daraus zieht Hefermehl85 den 8t Vgl. Reischauer, Das Persönlichkeitsrecht auf Achtung des Fernsprechgeheimnisses (§ 16 ABGB) und seine Bedeutung für das Dienstverhältnis, DRdA 1973, 207, 211. 82 Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920, 96. 83 Ihr folgend RG 148, 326, 334; 155, 276, 284; vgl. dazu L. Raiser, ZHR 111, 86 ff. m. w. Nachw. 84 Zum mittelbaren Kontrahierungszwang grundlegend: Belke, Die Geschäftsverweigerung im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1966, 417 m. FN 17; L. Raiser, ZHR 111, 87; ders. JZ 1958, 7; Greiner, Kontrahierungszwang als Folge des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots? Diss. Regensburg 1975, 7.

C. II. Der mittelbare Kontrahierungszwang

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Schluß, daß als Anspruchsvoraussetzung zur Monopolstellung des Unternehmens noch die Versorgungsaufgabe mit Gütern der Daseinsvorsorge hinzukommen muß. Mit dem Ausdruck "Daseinsvorsorge" sollen alle diejenigen Leistungen erfaßt werden, die über das Lebensnotwendige hinausgehen und diejenigen Bedürfnisbefriedigungen einschließen, die beim gegenwärtigen Stand der Gesellschaft von jedermann erwartet werden können. Es muß sich also um Leistungen handeln, auf die man unter den durchschnittlichen Lebensverhältnissen der Gegenwart nicht mehr verzichten muß. Zur Daseinsvorsorge zählt daher heute die Versorgung mit elektrischem Strom, Gas, Wasser, aber auch die Abgabe von Kraftstoff oder der freie Zugang zu den öffentlich dargebotenen Kulturgütern. So wird mit Recht im Lehrbuch von Enneccerus/Nipperdey86 die Abschlußpflicht für öffentliche Theater, Bibliotheken und Museen bejaht. Die mittelbare Abschlußpflicht des Monopolisten erkennt Larenz81 unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit einex unbegründeten Abschlußverweigerung weiterhin an und geht über sie in zweifacher Hinsicht hinaus. Erstens soll es nur darauf ankommen, ob das Unternehmen Versorgungsaufgaben im allgemeinen Interesse wahrnimmt, und nicht auf die rechtliche oder tatsächliche Monopolstellung. Zweitens soll in Analogie zum öffentlichen Versorgungsunternehmen mit gesetzlichem Kontrahierungszwang eine Abschlußpflicht für diese Unternehmen bestehen, ohne daß auf Deliktsrecht und damit auf den aus § 826 BGB abgeleiteten Schadensersatz zurückgegriffen werden müßte. Beide Einwände gegenüber einer Beschränkung des Kontrahierungszwangs, wie HefermehZ sie verlangt, bestehen meiner Meinung nach zu Recht. Schon die Wahrnehmung einer Verteilungsfunktion für Leistungen der Daseinsvorsorge muß auch ohne Monopolcharakter ausreichen, willkürliche und grundlose Leistungsverweigerung zu verbieten. Erbringt ein privates Unternehmen derartige Vorsorgeleistungen, an denen der einzelne aus sozialen Gründen interessiert ist, und die unter Abschlußzwang stünden, wenn die öffentliche Hand das Unternehmen betreiben würde, so gilt auch für den Privaten Kontrahierungszwang. Wie schon BüZk88 angenommen hat, reicht hier das allgemeine Interesse als Grundlage für den Zwang zum Geschäftsabschluß aus. 85 Erman I HejermehL, Vor § 145, RdNr. 19; So auch Betke, Geschäftsverweigerung, 419 f.; M. WoLf, Gleichbehandlungsgrundsatz, 611 f.; Palandt I Heinrichs, 37. Auf!., Einf. v. § 145, 3 b, 6b.; OLG Hamm, WuW/E OLG 17, 18 - Zeitungsgroßhandel; OLG Celle, WuW/E 1306, 1307- Vilser Heide; OLG Hamburg, WuWIE OLG 1361, 1363- Brotvertrieb. so § 162, Bemerkung 41. 87 SehR I, 11. Auf!. 1976, § 4 I a = 39. 88 Vom Kontrahierungszwang zur Abschlußpflicht, 1940, 10211.; 108 ff.

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Larenz hat aber auch richtig erkannt, daß bei der Erfüllung von V eTsorgungsaufgaben, die wegen des sozialen Interesses auch von der öffentlichen Hand wahrgenommen werden könnten, ein Rückgrüf auf den Schadensersatz nach § 826 BGB nicht notwendig ist. Denselben Analogieschluß, den man bei der Begründung von Abgabe- und Bezugspflichten und deren Aufnahme in die Satzungen für Fernwärme-Versorgungsunternehmen in Bayern gezogen hat, muß man auch hier ziehen. Weil dieselben Voraussetzungen gegeben sind und damit die öffentliche Versorgungsaufgabe den Erwerbszweck überwiegt, gilt analog die Pflicht zum Vertragsschluß. Grundlage für die Analogie ist die Gleichbehandlung dieser Unternehmen nach dem sozialstaatliehen Verfassungsprinzip des Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz. Freilich wird damit der mittelbare Abschlußzwang nach § 826 BGB nicht überflüssig89 • Die Analogie zum Kontrahierungszwang für Unternehmen der Daseinsvorsorge tritt vielmehr neben die schadensersatzrechtliche Abschlußpflicht bei denjenigen Unternehmern, bei denen der Kunde nicht auf Alternativleistungen anderer Anbieter ausweichen kann. Sowohl die Stellung als Monopolist, der sich sittenwidrig verhält, wenn er seine Stellung ausnützt, wie auch die Wahrnehmung einer Versorgungsaufgabe im öffentlichen Interesse verpflichtet jeweils allein zum V ertragsschluß90 • Wieder anders begründet Raiser91 den Kontrahierungszwang der Unternehmer, die an der Verteilung lebenswichtiger Güter teilnehmen. Zwar sei ein Unternehmen nkht gehalten, bestimmte Leistungen anzubieten; der Kontrahierungszwang lege dem Privaten keine Betriebspflicht auf. Wenn er aber derartige Leistungen allgemein anbiete, so könne er nicht einzelne nach Gutdünken von der Belieferung ausschließen. Ein solches Verhalten verstoße gegen den privatrechtliehen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ob nun auf eine Ausstrahlungswirkung des grundgesetzliehen Gleichheitssatzes ins Privatrecht gegriffen wird und dieser Gleichbehandlungsgrundsatz die Anspruchsgrundlage für den Abschlußzwang bildet, oder die Betriebe der Daseinsvorsorge analog den öffentlichen Versorgungsunternehmen eine Pflicht zum Geschäftsabschluß trifft, kann dahingestellt bleiben. Zwar erfaßt der privatrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch jene Fälle, die bisher unter die Sittenwidrigkeit nach § 826 BGB subsumiert wurden92 , doch sollte man schon im Hinblick auf Vgl. dazu Greiner, Kontrahierungszwang, 27. Vgl. Esser I Schmidt, SehR 1/1, 5. Aufl. 1975, § 8 II, 3.1 = 89; Möhring, Kontrahierungszwang nach neuem Kartellrecht, DB 1974, 223 f.; a. A. (durch allzustarke Einschränkung der Begriffe "Monopol" und "lebensnotwendige Güter") Greiner, Kontrahierungszwang, 31. 91 ZHR 111, 86 ff. 89

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den Streit über die Drittwirkung von Verfassungsnormen das Sittenwidrigkeitsverdikt gegen derartiges Verhalten beibehalten. Die Schadensersatznorm verhilft ja nicht nur mittelbar zum Kontrahierungszwang, sondern auch in jenen Fällen zum Schadensausgleich, in denen ein Vertragsschluß die Folgen der Verletzung der Abschlußpflicht nicht mehr beheben kann.

2. Mittelbarer Abschlußzwang nach§§ 35 iVm. 25 II, 26 II GWB Zur Auflösung und Überwindung der Zwangswirtschaft aus der Kriegs- und unmittelbaren Nachkriegszeit griff man in den 50er Jahren auf das neoliberale Wirtschaftssystem der Freiburger Schule von Walter Eucken und Franz Böhm93 zurück. Die Vertreter dieses ökonomischtheoretischen Modells, das insbesondere die Entwicklung der neuentstehenden Klein- und Mittelbetriebe förderte, ging von folgenden Überlegungen aus: Im Gegensatz zur zentralen Planwirtschaft, die die totale Dispositionsbefugnis des Planträgers über Arbeitskräfte und Produktionsmittel verlange, zwinge die dezentrale, aus vieJen Einzelwirtschaften zusammengesetzte Verkehrswirtschaft, die man auch als freie Marktwirtschaft bezeichnet, zu einem Wettbewerb um Erwerbschancen. Dieser Wettbewerb werde durch Knappheitspreise in Gang gehalten, wie sie auf Märkten mit vollständiger Konkurrenz zustandekommen. Das Knappheitspreissystem koordiniere somit die Teilpläne der Einzelwirtschaften zu einem optimal wirtschaftenden Gesamtgefüge. Ziel diesesidealtypischen Systems blieb somit die Erwartung, daß sich aus der Konkurrenz auf Angebot- und Nachfrageseite ein optimales Warenangebot und ein maximaler Güterumsatz zu minimalen Konkurrenzpreisen ergeben würde. Im Gegensatz zur altliberalen Harmonieerwartung94 forderte der Neoliberalismus die Eindämmung und Verhinderung 92 M. Wolf, Athenäum-Zivilr. I, 1972, § 3 I 1 a, dd = 32, will daher den Kontrahierungszwang nicht mehr aus § 826 BGB herleiten. Mit Hilfe einer quasinegatorischen Unterlassung- und Beseitigungsklage könnte nicht nur der in der Vergangenheit durch Abschlußverweigerung zugefügte Schaden ersetzt werden, sondern auch für die Zukunft ein Kontrahierungszwang zur Schadensverhinderung festgelegt werden: Vgl. Erman I Hefermehl, Vor§ 145, RdNr. 19.; Karsten Schmidt, Kartellverfahrensrecht - Kartellverwaltungsrecht- Bürgerliches Recht, 1977, 340 f. Dazu u. bei FN 134. 93 Um nur den Gründer und den wichtigsten Juristen dieser "Forschungsund Lehrgemeinschaft" zu nennen. Neoliberalismus wird hier als Sammelbegriff verwendet, der sich nach der Einteilung von Blum, Soziale Marktwirtschaft. Wirtschaftspolitik zwischen Neoliberalismus und Ordoliberalismus, 1969, passim, bes. 122, aus 3 Gruppen zusammensetzt: Ordoliberalismus (= Freiburger Schule, mit W. Eucken, L. Miksch, K. P. Hensel, F. Böhm, H. Großmann-Doerth), Soziale Marktwirtschaft (A. Müller-Armack, H. Rasch) und Laissez-faire-Liberalismus (F. A. Hayek, L. v. Mises). - Zur Entwicklung vgl. Runge, Antinomien des Freiheitsbegriffes im Rechtsbild des Ordoliberalismus, 1971, 2 ff., 7 ff. 114 Böhm, Das Kartellproblem, SchwZfVwuStat. 1951, 193, 198.

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von Marktmacht. Zur Beseitigung der Monopole und, um die Kampfmethoden der Marktmächtigen unter Kontrolle zu bekommen, wurde vom Staat eine aktive wirtschaftliche Ordnungspolitik verlangt. Durch eine "strenge Marktpolizei" 95 wäre einerseits die Bildung von Marktmacht zu verhindern und andererseits die diskriminierende Ausnützung von Marktmacht gegenüber dem Unternehmen auf anderer Wirtschaftsstufe zu unterbinden. Die deutsche Industrie und eine Reihe weiterer Wirtschaftszweige haben dagegen unter Einfluß der amerikanischen Wissenschaft schon in den 50er Jahren die von Schumpeter vorgebrachte dynamische Wirtschaftstheorie unterstützt96 • Nach ihr hat die Wettbewerbspolitik eine Umstrukturierung auf Unternehmensgrößen zu fördern, die sich im Wettbewerb oligopolitisch verhalten können. Diese Idealgrößen konnte man durcll Fusionierung erreichen. Konzertiertes Verhalten, wie man die so ermöglichte Gruppendisziplin nannte, kam aber nicht unbegründet in den Ruf der Absprachen und Wettbewerbsbeschränkungen. Das nicht ohne Druck am 27. 7. 1957 vom Deutschen Bundestag verabschiedete Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen hatte gegen den Widerstand der Industrie das Verbotsprinzip durchgesetztP7 , jedoch in den §§ 99-105 eine Reihe wichtiger Wirtschaftszweige vom Kartellverbot ausgenommen. Im ersten Jahrzehnt der Geltung des GWB hat man hauptsächlich wettbewerbsbeschränkendes Verhalten zu unterbinden versucht und damit die wettbewerbswidrigen Auswirkungen nicht nur der überkommenen Monopole, sondern auch der neuentstandenen marktbeherrschenden Gruppen bekämpft. Dagegen hat man die Gefahren der strukturellen Vermachtung der Märkte kaum beachtet, weil Strukturveränderungen vom vorgegebenen Konkurrenzstandpunkt aus notwendig waren und in dieser Zeit auch kaum als wettbewerbsstörende Vorgänge galten98• Demgegenüber hat sich seit dem Ende der sechziger Jahre ein nochmaliger, grundlegender Wandel vollzogenY9 • Der Kampf galt jetzt es Rüstow, Kollektivismus und Neoliberalismus in der Wirtschafts- und in: Christentum und Liberalismus, 1960, 149, 166. 98 Vgl. Dürrhammer, 20 Jahre Deutsches Kartellgesetz, DB 1978, 61.

~ozialordnung,

117 Vgl. zur Auseinandersetzung den Briefwechsel v. Bundeswirtschaftsminister Erhard mit dem Präsidenten des Bundesverbandes der dt. Industrie Berg vom 10. 7. und 10. 10. 1952, veröfftl. in: Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung vom 29. 10. 1952. - Zur Entwicklung: Frankf. Komm., Einl. B,

Tz51-63. 98 Vgl. Säcker, Zielkonflikte und Koordinationsprobleme im deutschen und europäisdl.en Kartellredl.t, 1971, 14 ff. m. w. Hinw. 1111

Vgl. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim BMW, BT-Drucks.

6/617, 96 Nr. 46; Möschel, Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, 1974, 152 ff.; J. Baur, Der Mißbrauch im deutsdl.en Kartellrecht, 1972, 223; Ulmer, Schranken zulässigen Wettbewerbs marktbeherr-

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den durch Fusion entstandenen Großkonzernen100, um "ein neues Leitbild für die Wettbewerbspolitik", wie sich Kratte101 ausdrückt, durchzusetzen: Der optimale Wirkungsgrad des Wettbewerbs wird in einer entflochtenen Unternehmungsform gesehen, die zwischen Polypol und Monopol gefunden werden muß. Die 2. GWB-Novelle 1973 verstärkt daher die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und dehnt das Diskriminierungsverbot auf marktstarke gegenüber abhängigen Unternehmen auf anderer Marktstufe aus102• Eine Fusionskontrolle wird installiert, die externes Unternehmenswachstum verhindern soll103• Eine dritte GWB-Novelle 1976 dehnt schließlich diese Kontrolle auf bisher privilegierte Betriebszweige des Pressewesens aus104• Ein Referentenentwurf zu einer vierten Novelle will die Mißbrauchsaufsicht und Fusionskontrolle im GWB noch verstärken105• sehender Unternehmen, 1977, 58 ff. Zur "Systemänderung" von einer Wettbewerbsabsicherung durch einen staatlichen Ordnungsrahmen zur "mixed economy" der indirekten und direkten Steuerungseingriffe des Staates: Hart, Zur Instrumentierung des Wirtschaftsrechts am Beispiel der Wirtschaftsverfassung, ZHR 140, 31 ff., 40. 100 Vgl. Emmerich, Die bisherige Praxis der Fusionskontrolle (I), AG 1978, 85 ff.; ders., Die neueste Praxis der Fusionskontrolle (I), AG 1979, 6 ff. mit neuester Lit. FN 4; Frankf. Komm. (Stand Juli 1978) § 24 Tz 5-11; Zur praktischen Auswirkung des externen Wachstums: Kauter, Konzentration und Fusionskontrolle, 1977, 70 (zum Stand der Marktkonzentration), 71 ff. (dem Verhältnis von Ersparnis und Wettbewerbsbeschränkung bei bestimmten Konzentrationsgrößen) und 77 (Wettbewerbsbeschränkung durch Kollusion und externe Expansion). - Vgl. auch BKartA, AG 1978, 109 ff. - Fall des RWE/GfE; AG 1978, 313 ff. - Fall Veba/BP; AG 1979, 20 - Fall Eibe Wochenblatt/Springer; AG 1979, 24 - Fall Bertelsmann/DVV; KG, AG 1979, 228- Fall Tonolli/Metallgesellschaft; BGH, BB 1979, 234. 101 Kratte, Ein neues Leitbild für die Wettbewerbspolitik, 1969, sucht vorerst ein öfftl. Bewußtsein für die Präsenz des Staates bei einer Konzentrationskontrolle zu schaffen (74). 102 Vgl. die Amtl. Begründung zur 2. GWH-Novelle, BT-Drucksache 6/2520 v. 18. 8. 1971, 15, 34. 103 Zur tatsächlichen Auswirkung: Frankf. Komm. (Stand Juli 1978) § 24, Tz 12 f. mit ausführlicher Lit. 104 Drittes Gesetz zur Änderung des GWB vom 28. Juni 1976, BGBl. I, 1697. Die ersten drei Untersagungen von Zusammenschlüssen wurden 1978 vom BKartA ausgesprochen (Tätigkeitsbericht des BKartA 1978, DB 1979, 1339, 1340).

105 Zum Referentenentwurf einer 4. GWH-Novelle (veröffentl. unter I B 5 / I B 6 - 2213 57/58 BMW v. 10. 1. 1978), WRP 1978, 186 ff. und der Begründung, WRP 1978, 190 ff. Regierungsbegründung BT-Drucksache 8/2136, 12 ff. Auch die Monopolkommission nimmt in ihrem 7. Sondergutachten über "Mißbräuche der Nachfragemacht und Möglichkeiten zu ihrer Kontrolle im Rahmen des GWB" (Zusammenfassende Inhaltsangabe: Müller, WRP 1978, 12 ff.) zu diesem Regierungsentwurf Stellung; vgl. MA 1978, 8 ff.; auch Gries, Markenartikelindustrie vor neuen Aufgaben, MA 1978, 1, 3; Hinz, Unausgewogen und kompliziert, MA 1978, 165 f. Zu den Grenzen der staatlichen "Marktaufsicht": Sölter, Leistung und Grenzen des Marktes, DB 1978, 1 ff. ; Karsten Schmidt, Vierte Kartellrechtsnovelle zwischen Effektivitäts- und Legitimationsproblemen, ZRP 1979, 38, 40 ff.

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Das mit dem GWB weiterhin angestrebte Doppelziel - ein System der nichtautoritären Koordinierung des Marktverhaltens zu installieren, um einerseits "ein möglichst gutes ökonomisches Ergebnis und eine preisgünstige Versorgung der Verbraucher" zu erzielen und andererseits "allen Bürgern ein Höchstmaß an wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit"106 zu verschaffen - soll jetzt dadurch erreicht werden, daß man "den Wettbewerb in möglichst allen Wirtschaftsbereichen durchzusetzenund vor Vermachtung zu schützen" 107 versucht. Nach der Auffassung des BVerfG108 schützt Art. 2 Abs. 1 des GG als Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit auch die Freiheit des wirtschaftlichen Verkehrs109. Damit stehen die dirigistischen staatlichen Maßnahmen als Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Wettbewerbsfreiheit unter der strengen Gemeinwohlklausel dieses Artikels und sind nur unter Beachtung der Subsidiarität und Proportionalität gerechtfertigt, wenn es der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter erfordert. Der verstärkte Schutz der Marktstruktur vor einem fortschreitenden Vermachtungsprozeß und der intensivierte Kampf gegen Behinderungspraktiken und Diskriminierungen dienen, nach Äußerungen der Bundesregierung110 und der Monopolkommission111, der Erhaltung der Wettbewerbswirtschaft vor der Gefahr der Selbstzerstörung. Sie stehen also nach Ansicht dieser Gremien im Einklang mit dem Grundgesetz. a) Begründung des wettbewerbsrechtlichen Kontrahierungszwanges § 35 Abs. 1 Satz 1 GWB verpflichtet denjenigen zum Schadensersatz, der gegen ein im GWB normiertes Schutzgesetz verstößt. Diese Bestimmung entspricht somit inhaltlich dem § 823 II BGB112 und verdrängt die~

1041 Amtl. Begründung zur 2. GWB-Novelle, BT-Drucksache 6/2520 (18. 8. 71) 15. Vgl. auch Hoffmann, Zum Schutzobjekt des GWB, in: Wettbewerb als Aufgabe- Nach 10 Jahren GWB 1968, 61, 102 ff.; Steindorff, Zur Novellierung des Kartellrechts, BB 1970, 824; J . Baur, Das Tatbestandsmerkmal "Wettbewerb", ZHR 134 (1970), 97; Köhler, Wettbewerbsbeschränkungen durch Nachfrager, 1977, 20 f. 107 BT-Drucksache 6/2520, 15; dazu Ulmer, Schranken zulässigen Wettb~ werbs marktbeherrschender Unternehmen, 1977, 58 ff.; Möschel, Der Oligopolmißbrauch im Recht der Wettbewerbsbeschränkungen. 1974,2. 1os BVerfGE 8, 274, 328. 109 Vgl. Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, 3. Aufl. 1965, 43; 60. 110 Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht des BKartA 1975: BT-Drucksache 7/5390, S. II und III.

111 Monopolkommission, Anwendung und Möglichkeiten der Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen seit Inkrafttreten der Kartellgesetznovelle, 1975, RdNr. 67. 112 Vgl. Witthuhn, Die Ausgestaltung der privatrechtliehen Klage im Wirtschaftsrecht, Diss. Harnburg 1976, 41 f.; Mailänder, Privatrechtliche Folgen unerlaubter Kartellpraxis, 1964, 169; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der

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sen als Spezialnorm113• Die überaus umstrittene Frage, welche kartellrechtlichen Ge- und Verbotsnormen subjektiv-rechtlichen Drittschutz einräumen114, braucht hier nicht weiter verfolgt zu werden. Nach h. L. und Rechtsprechung gehören die für einen Kontrahierungszwang relevanten Vorschriften der §§ 25 II und 26 II zum "gesicherten" Bestand an Schutznormen im GWB115 • Die darin beschriebenen verbotenen Verhaltensweisen sind als Verletzungen der Individualinteressen des Betroffenen gekennzeichnet. Sie dienen daher nicht nur als bloßer Reflex eines öffentlichen Interesses dem privatrechtliehen Schutz des Verletzten, sondern verhindern eine mißbräuchliche Beschränkung des Wettbewerbs zu Lasten des einzelnen. b) Der Kontrahierungszwang des § 26 II GWB § 26 Abs. 2 GWB verbietet bestimmten Unternehmen, den Geschäftsverkehr anderer Unternehmen unmittelbar oder mittelbar "unbillig" (1. Alternative) zu behindern, wenn dieser Geschäftsverkehr gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, oder sie "ohne sachlich gerechtfertigten Grund" (2. Alternative) unterschiedlich zu behandeln. Das Diskriminierungsverbot des § 26 II 1 wendet sich gegen marktbeherrschende Unternehmen. Der Zweck der Norm ist somit der Schutz Dritter im Einflußbereich eines Unternehmens, das ungerechtfertigt seine marktbeherrschende Stellung ausnützt. Insofern deckt sich der Normzweck mit dem allgemeinen Mißbrauchsverbot des § 22 Abs. 4 GWB116• Während aber nach herrschender Ansicht die letztere Vorschrift kein Schutzgesetz darstellt117 und daher dem Diskriminierten keinen öfftl. Unternehmen, 1969, 306; Benisch in Gern. Komm., § 35 RdNr. 1; Karsten Schmidt, Kartellverfahrensrecht - Kartellverwaltungsrecht - Bürgerliches Recht, 1977, 355 ff.; 362 ff.; A. A. Leo, Zum Begriff der Schutzvorschrift in § 35 GWB, WuW 1959, 485, 487. Vgl. aber auch BGHZ 28, 208, 222 = WuW/E BGH 251, 259- "4711"; BGHZ 29, 344, 349f. = NJW 1959, 880,881 = WuW/E BGH 288, 290 - Großhändlerverband li. 113 Vgl. Karsten Schmidt, Kartellverfahrensrecht, 362. 114 Für alle: Karsten Schmidt, Kartellverfahrensrecht, 338 ff. 115 Vgl. Belke, Geschäftsverweigerung, 411; Benisch in Gern. Komm. § 35 Anm. 3; Leo, WuW 1959, 485, 495 f.; Ebel, Kartellrechtliche Entscheidungspraxis 1977, BB 1978, 584, 587; KeHermann, 20 Jahre Kartellgesetz in der Rechtsprechung des BGH, WM 1978, SonderbeiL 4, 25; für § 25 GWB seit dem Urteil v. 30. 6. 66, LM GWB § 25 Nr. 3 ständige Rspr. - s. Frankf. Komm. § 35, Nachträge zu Tz 39; für § 26 li GWB ständ. Rspr., vgl. insbes. BGH 30. 9.1971, WuW/E BGH 1211, 1212- Kraftwagen-Leasing; weitere E.: Frankf. Komm. § 35, Nachträge zu Tz 40. 119 Vgl. EmmeTich, Die höchstrichterliche Rechtssprechung zum Diskriminierungsverbot (§ 26 Abs. 2 GWB), AG 1976, 57; Ballerstedt, Zur Systematik des Mißbrauchsbegriffs im GWB, FS Hefermehl 1976, 37, 53; KG Berlin, BB 1978, 1081 - "Rama-Mädchen" mit Anm. von Wiedemann (1633); Mestmäcker, Medienkonzentration und Medienvielfalt, 1978, 126 ff.; BGH, BB 1973, 108 - "Registrierkassen" und EuGH, AWD 1973, 216 - "Continental Can" (zu§ 86 EWG-Vertrag) mit Anm. von Gleiss (268 ff.). 3*

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unmittelbaren, zivilrechtliehen Schutz bietet, kann die Gleichheit der Marktchancen im Verhältnis zu den Konkurrenten gegen ein marktbeherrschendes Unternehmen über Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche nach § 26 II erzwungen werden. Mit dem Verbot der unbilligen oder unbegründeten Ungleichbehandlung soll vor allem verhindert werden, daß durch die Machtausübung der Wettbewerb auf den vor- oder nachgelagerten Marktstufen verzerrt wird. Um die Märkte allseits offen zu halten118, soll der störende Machteinfluß sowohl gegen Abnehmer wie gegen Lieferanten ausgeschlossen werden. Zwar war die ursprüngliche Konzeption der Mißbrauchsaufsicht und des Diskriminierungsverbots nur gegen die Anbieterseite, also hauptsächlich gegen die Industrie gerichtet und war daher von dieser nur widerwillig akzeptiert worden. Das Bild hat sich seither gewandelt119. Nachfragemacht und die entsprechende, beherrschende Position auf der Handelsstufe wurden zunehmend Zielobjekte des Versuchs, übermäßige Macht einzudämmen. Nachfragemacht sollte "nicht dazu mißbraucht werden, eine nicht leistungsgerechte Einkommensverteilung zu Lasten schwächerer industrieller Anbieter oder entsprechender Konkurrenten im Handel herbeizuführen", schreibt der Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages in seinem Bericht zur zweiten GWBNovelle120. Neben dem hauptsächlichen Schutz, den das Diskriminierungsverbot den Unternehmen auf anderer Marktstufe bietet, schützt das Verbot der 117 Vgl. BaHerstedt, FS Hefermehl 1976, 54; KeHermann, WM 1978, SonderbeiL 4, 25; BGH WuW/E BGH 1299 = NJW 1974, 901, 903. Dies soll auch nach der Begründung des BMW zum Referentenentwurf einer 4. GWBNovelle vom 10. 1. 78 (vgl. Erl. 2 - abgedr. in WPR 1978, 192) so bleiben. A. A. (für Schutzgesetz) Fikentscher, Vertrag und wirtschaftliche Macht, FS Hefermehl 1971, 41, 56 f. 118 Vgl. Emmerich, AG 1976, 57; BGH LM GWB § 26 Nr. 14- Jägermeister. 119 Die praktischen Anwendungsfälle haben sich allerdings auch nach der 2. GWB-Novelle fast ausschließlich auf Anbieter bezogen: Regierungsbegründung zum Entw. der 4. GWB-Novelle, BT-Drucks. 8/2136, 15. 120 BT-Drucksache 7/765, 4. Vgl. auch Reich, Markt und Recht, 1977, 281 f., und Kratte, Rundschau des Dt. Einzelhandels, H. 11/1977, 48 ff.. Nachfrageund Angebotsmacht sind somit gleichzustellen. So richtig Hain, Nachfragefunktion, Nachfrageverhalten und Nachfragemacht-Ein Beitrag zur Diskussion, WRP 1978, 112 ff.. und das Sondergutachten der Monopolkommission über Mißbrauchsaufsicht (s.o. FN 111) 1978, RdNr. 45 (dazu Müller, Das Gutachten der Monopolkommission über Mißbräuche der Nachfragemacht und Maßnahmen zu ihrer Kontrolle, WRP 1978, 12), gegen die unfruchtbare und polemische Auseinandersetzung zwischen Sölter, WRP 1977, 445 ff.. und GießleT, WRP 1977, 762 ff.. - Noch fehlt es allerdings an einer Entscheidungspraxis des BKartA zur Nachfragemacht (vgl. Gries, Markenartikelindustrie vor neuen Aufgaben, MA 1978, 1, 2), doch wurde im Tätigkeitsbericht 1977 (BB 1978, S . li-IV) angekündigt, daß im Rahmen des Projekts "Nachfragemacht" ein Verwaltungsverfahren gegen Möbelverkaufsverbände wegen Verdachts der mißbräuchlichen Ausnutzung von Nachfragemacht eingeleitet wird.

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unbilligen und sachlich nicht gerechtfertigten Behinderung den Wettbewerber auf derselben Marktstufe. Die Tatbestände lassen sich oft nicht klar unterscheiden und überschneiden sich auch häufig121• Übt ein marktbeherrschendes Unternehmen unbillig oder ungerechtfertigt Marktmacht aus, so stellt das zunächst einen delikti.schen Verstoß gegen den Wettbewerbsschutz des § 26 Il dar und kann zu einem Unterlassungs- und Schadensersatzampruch nach § 35 GWB führen. F'raglich bleibt nun, ob daraus für den benachteiligten Marktgegner das Recht erwächst, den Vertragsschluß, also die Belieferung, Abnahme der Ware oder Aufnahme in den Verband zu fordern. Die dogmatische Begründung dieses Abschlußzwangs ist umstritten122• Unmittelbar aus § 26 II einen Kontrahierungszwang ableiten zu wollen123, scheitert nicht, wie Greiner124 meint, daran, daß das Verbot der Ungleichbehandlung nicht als ein Gebot der Gleichbehandlung angesehen werden könnte. Sehr wohl will das Gesetz den wettbewerbliehen Außenseiter, den, der Marktmacht ausübt, zur Gleichbehandlung seiner Partner zwingen, wenn er keinen triftigen Grund für ein anderes Vorgehen nachweist. Daß durch den Kontrahierungszwang dem in seiner Vertragsfreiheit bisher unbeeinträchtigten marktbeherrschenden Unternehmen kein freier Partner gegenübergestellt wird, sondem jetzt beiden Seiten die Vertragsfreiheit entzogen ist, ist sicher keine ideale Lösung. Es ist eine Billigkeitslösung, die durch das unbillige oder unbegründete Verhalten des Diskriminierenden erzwungen wird. Unmittelbarer Kontrahierungszwang könnte aus § 26 li nur erschlossen werden, wenn dem deliktischen Verhalten durch eine behördliche Verfügung zu begegnen wäre. In diesem Sinne ist beispielsweise die nach § 27 GWB behördlich verfügte Aufnahme in eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung ein Kontrahierungszwang, nur eben kein privatrechtlicher125• 121 Vgl. Emmerich, Fälle zum Wahlfach Recht des Unlauteren Wettbewerbs und Kartellrecht, 1975, 94 mit FN 9; eine Unterscheidung versucht jetzt OLG Düsseldorf, GRUR 1978, 60, 61 f. -Zum "sachl. gerechtfertigten Grund" vgl. OLG Frankfurt, OLGZ 1978, 94, 98 f. unter Hinw. auf BGH LM Nr. 24 zu § 26 GWB = NJW 1974, 141 - EDV-Ersatzteile; Nr. 22 zu § 26 GWB = NJW 1973, 280- Registrierkassen; BGH DB 1976, 378- Rossignol. 122 Vgl. Belke, Geschäftsverweigerung, 1966, 412 ff. und ausführlich GreineT, Kontrahierungszwang als Folge des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots? Diss. Regensburg 1975, 16 ff. 123 So Lehning, Das Verbot der Diskriminierung von Lieferanten im deutschen und europäischen Recht, WuW 1966, 3 ff. 124 Kontrahierungszwang, 17 f. 125 § 27 GWB enthält zumindest von der Konzeption her nur eine öffentlich-rechtliche Eingriffsermächtigung zugunsten der Kartellbehörde: Vgl. Benisch in Gern. Komm. § 27 Anm. 24 und § 35 Anm. 16; Karsten Schmidt, Der Zivilrichter als "Schöpfer" und "Vollstrecker" wirtschaftsrechtlicher Normen, JZ 1977, 97, 99 f.; ders., Kartellverfahrensrecht, 1977, 280. Dagegen soll § 27 GWB einen materiellen, klagbaren Aufnahmeanspruch begründen

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Der durch das marktbeherrschende Unternehmen Diskriminierte kann sein Recht über § 35 GWB durchsetzen. Aus der Pflicht zum Schadensersatz kann sich dann eine Pflicht zum Vertragsschluß ergehen, wenn nur durch den Vertrag die unbillige Ungleichbehandlung vermieden wird. Belke126 hat richtig erkannt, daß sich der Anspruch auf Gleichbehandlung "zu einem Leistungsanspruch konkretisiert, wenn jedes andere Verhalten als der Vertragsschluß sachwidrig wäre". Die ungerechtfertigte Differenzierung darf nur nicht anders behoben werden können als durch einen Vertragsschluß127• Das ist im Einzelfall128 zu prüfen und kann nicht durch unrealistische Einwände entkräftet werden. Daß jedeT Unternehmer die Möglichkeit hat, seinen Betrieb einzustellen, anstatt der Lieferpflicht nachzukommen, ist ein unsachlicher Hinweis129• Ein kurzer Blick auf die Unternehmen, denen Marktbeherrschung vorgehalten wird, die zum Kontrahierungszwang führen soll, läßt diesen Einwand sofort vergessen130• Eine Klage auf Unterlassung des deliktischen Eingriffs oder Beseitigung der bereits eingetretenen Schäden aus einer objektiv rechtswidrigen Verletzung nach § 35 GWB wandelt sich in eine Leistungsklage, wenn das Gericht erkennt, daß allein der Vertragsschluß den Schaden beseitigt131 • Die durch die Kontrahierungspflicht erzwungene Leistung, Lieferung oder Aufnahme korrigiert den Schaden für die Zeit, in der die Vertragsverweigerung unbillig oder unbegründet ist132• Droht die und zusätzlich dem Benachteiligten die verfahrensrechtliche Hilfe bieten, daß die Kartellbehörde den Prozeß führt: Müller I Gries I GießZer, GWB Komm. § 27 RZ 2; Rink, Wirtschaftsrecht 1977, RdNr. 1013; ders., Entwicklung des Kartellrechts auf das allgemeine Privatrecht, FS Wieacker 1978, 476, 480; BGHZ 29, 344, 350 - "Sanitärer Fachhandel"; WuWIE BGH 289, 291 - "Großhändlerverband II"; BGH, WM 1979, 1114 f. - Zum wettbewerbsrechtlichen Aufnahmeanspruch und das Verhältnis von §§ 26 II zu 27 GWB vgl. jetzt Beuthien, Gesellschaftsrecht und Kartellrecht, DB 1978, 1625, 1628 f. - Zur analogen Erweiterung des Aufnahmezwangs s. unten EI. tu Geschäftsverweigerung, 1966, 427 f.; vgl. auch Emmerich, AG 1976, 57, 99. 127 Vgl. BGHZ 33, 259, 264 = DB 1960, 1493: Ungerechtfertigte Diskriminierung, "die nur durch die Aufnahme in die Genossenschaft behoben werden kann". Weitere Beispiele bei Emmerich, AG 1976, 99 FN 150; Belieferung als Naturalrestitution nach§ 249 BGB: ebenda FN 153. 128 Die erforderliche Maßnahme kann das Gericht auch dem Diskriminierenden überlassen; vgl. Emmerich, AG 1976, 99 FN 148 f. 1211 So Kahrs, Zivilrechtliche Ansprüche auf Grund einer Verletzung des Diskriminierungsverbots, 1965, 175 und GreineT, Kontrahierungszwang, 1975, 18, 56. '" z. B. die Allgemeinen Ortskrankenkassen im "Gummistrümpfe-Fall" oder die Firmen AGIP, Rossignol und Asbach-Uralt, die "nur" als marktstark nach der Erweiterung des § 26 II durch Satz 2 erfaßt wurden. tat Zur Vollstreckung nach § 894 ZPO vgl. BeZke, Geschäftsverweigerung, 1966, 430. taz Vgl. das Rossignol-Urteil, BGH vom 20.11.1975, BB 1976, 198 ff.

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Gefahr in der Zukunft, so kann die Drohung durch eine Feststellungsklage behoben und der Vertragsschluß zu angemessenen Bedingungen auferlegt werden133 • Dasselbe gilt übrigens für den Kontrahierungszwang, wenn man ihn zur Naturalrestitution eines Schadens nach § 249 BGB einsetzt. Dabei geht es nicht nur darum, die durch die VertragS!verweigerung bereits eingetretenen Schäden zu beheben und die sich daraus ergebenden Folgen zu tilgen, sondern den Schadenseintritt zu verhindern, der aus einer Vertragsverweigerung für die Zukunft droht. Wenn nun die Naturalrestitution mit Recht so weit interpretiert wird, daß dabei auch Schadensentwicklungen in der Zukunft Berücksichtigung finden, selbst wenn bisher kein Schaden aufgetreten ist, so erfüllt dieser Schadensersatz die Funktion, die sonst einer Unterlassungklage zukommt. Neben dem eventuellen Ersatz eines tatsächlichen Schadens wird die Schadensquelle beseitigt und zukünftige Beeinträchtigung verhindert. Wie nach § 35 GWB kann auch nach § 249 BGB auf Unterlassung des deliktischen Eingriffs geklagt werden; einer eigenen, aus der allgemeinen Schadensverhütungspflicht abgeleiteten Pflicht auf Leistung (Prästation) bedarf es daher nach deutschem Recht ebensowenig wie der analogen Heranziehung der sachenrechtliehen Negatorienklage134. Weil der Abschlußzwang zur Aufrechterhaltung des freien Wettbewerbs die Funktion der marktwirtschaftliehen Ordnung sichert135 , ist er nicht wie der aus§ 826 abgeleitete nur eine Schranke der Vertragsfreiheit, sondern auch ein Mittel zur systemgerechten Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfreiheit136. Das schließt nicht aus, daß Ansprüche aus § 35 GWB und§ 826 BGB konkurrieren können. Sie ergänzen einander, wenn ein Monopolbetrieb oder ein marktbeherrschendes Unternehmen 133 Vgl. Emmerich, AG 1976, 99 mit w. Hinw. FN 148.- Das kann bei der Festlegung eines "als ob - Wettbewerbspreis(es)" zu erheblichen Schwierigkeiten führen, wie sich im Fall Hoffmann-La Roche (WuW/E BGH 1454 Valium = DB 1977, 440 und WuW/E OLG 2053-"Valium") und des Falls des multinationalen Unternehmens United Brands Company (WuW/E EWG/ MUV 437 und WuW/E EV 655 - "Chiquita") gezeigt hat. Vgl. dazu Hesse, Die Mißbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen in der Sackgasse?, DB 1979, 2306 f. 134 Außer der oben FN 92 angegebenen Lit. vgl. noch Ernestus, Das Diskriminierungsverhot des § 26 II GWB nach der 2. Kartellnovelle, Diss. Frankfurt 1976, 269; K. Schmidt, Der Zivilrichter als "Schöpfer" und "Vollstrecker" wirtschaftlicher Normen, DRiZ 1977, 97 f. und jetzt auch Kilian (nach Pt. 14 seiner Thesen zum Vortrag "Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem", gehalten bei der Tagung der Dt. Zivilrechtslehrervereinigung in Bern 1979) gegen seine Auffassung in ZHR 142 (1978), 453, 481 f. Für "Prästation" vgl. Nipperdey, Kontrahierungszwang 99 und jetzt Bydlinski bei seinem Vortrag in Bern 1979. 135 Erman I Hefermehl, Vor § 145 RdNr. 19. 131 BGH, WM 1977, 1257 = DB 1978, 151- Taxigenossenschaft: Die "Vertragsfreiheit ist im Interesse der Entfaltungsmöglichkeit und Startgleichheit anderer Unternehmen eingeschränkt."

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im Rahmen der Daseinsvorsorge die Leistung, Lieferung oder Aufnahme in sittenwidriger Weise ablehnt137• In der Rechtsprechung wurde übereinstimmend ausgesprochen, daß der von der Diskriminierung Betroffene den Diskriminierenden zum Vertragsschluß im dargelegten Sinn zwingen kann138•

Durch die zweite GWB-Novelle vorn 3. 8. 1973 ist der Adressatenkreis des Behinderungs- und Diskriminierungsverbotes erweitert worden. Nach Satz 2 des § 26 Abs. 2 findet es auf solche Unternehmen und Unternehrnensvereinigungen Anwendung, von denen "Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblicher Leistungen in der Weise abhängig sind, daß ausreichende oder zurnutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen". Mit diesem erweiterten Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbots hat man einerseits das Ziel verfolgt, das Problern der Nachfragernacht in den Griff zu bekommen, und hat zu diesem Zweck rnark1mächtige Nachfrage im Gesetz ausdrücklich erwähnt. Andererseits sollte verhindert werden, daß nach Aufhebung der Preisbindung für MarkenartikelHersteller das Diskriminierungsverbot für sie nicht mehr gilt, sofern sie nicht gerade eine marktbeherrschende Stellung innehaben. Über die Abhängigkeit der Händler von den Herstellern berühmter Marken wurde das Diskriminierungsverbot aufrecht erhalten. Schließlich wollte man noch diskriminierende Praktiken vertikal integrierter Konzerne139 bekämpfen. Bei Rohstoffverknappungen hat sich nämlich gezeigt, daß Rohstofflieferanten nur noch konzernangehörige Abnehmer bedienen und außenstehende Betriebe von der Belieferung ausschließen wollen140• Verbotsadressat ist jetzt nicht mehr das in § 22 GWB nach generellen Merkmalen umschriebene marktbeherrschende Unternehmen, sondern das marktstarke. Wer im konkreten Fall diese Eigenschaft hat, und wen dann das Diskriminierungsverbot mit der möglichen Konsequenz eines Kontrahierungszwangs trifft, hängt nicht von einer objektiven Ausstattung oder der Betriebsgröße ab. Ist nach der Lage des Einzel137 Vgl. Soergel I Knopp, § 826 RdNr. 88; Frankf. Komm. § 35 Tz 94; BGHZ 41, 271, 278; BGH, DB 1969, 78. 138 Erman I Hefermehl, Vor § 145 RdNr. 19, Frankf. Komm. § 35 Tz 40, 85, 88 mit Ergänzungen, dazu BGH, WM 1977, 1257 = DB 1978, 151 - Taxige-

nossenschaft. 139 Zum Versuch, der Steigerung von Marktmacht durch vertikale und konglomerate Zusammenschlüsse in einer 4. GWB-Novelle besser Herr zu werden, vgl. Karsten Schmidt, Vierte Kartellrechtsnovelle zwischen Effektivitäts- und Legitimationsproblemen, ZRP 1979, 38, 41; Nagel, Kann die Fusionskontrolle ihren Anspruch einlösen?, DB 1979, 1021 ff. - Zur Rsp.: Ebel, Kartellrechtliche Entscheidungspraxis 1978, BB 1979, 864, 865 f. 140 Vgl. BT-Drucksache 7/765, 9; Ulmer, Die Anwendung des erweiterten Diskriminierungsverbots auf Markenartikelhersteller, BB 1975, 661; Emmerich, AG 1976, 59 mit w. Hinw. FN 26.

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falles die wirtschaftliche Stellung des zu prüfenden Unternehmens so stark, daß sich seine Maßnahmen beim Partner ebenso auswirken, als gingen sie von einem marktbeherrschenden Unternehmen aus141, so wird die Marktmacht als erreicht angesehen. Die relativ marktmächtige Stellung ist somit im konkreten Fall dadurch determiniert, daß beim Gegner eine Abhängigkeit begründet wird142• Eine solche muß jedenfalls dann verneint werden, wenn objektiv ausreichende und auch subjektiv zumutbare Ausweichmöglichkeiten auf andere Lieferanten oder Abnehmer verbleibenus. In der Literatur wurde die Frage der Abhängigkeit eingehend diskutiert144. Hat man in der Anlaufphase eine eher restriktive Interpretation des Abhängigkeitsbegriffs bevorzugt145 und damit die Anwendbarkeit eines Kontrahierungszwangs insbesondere für die Markenartikelhersteller einzuschränken versucht, ist die Rechtsprechung einen anderen Weg gegangen. Vorgezeichnet war die weit gefaßte Interpretation der Abhängigkeit allerdings schon durch den Bericht des Wirtschaftsausschusses im Deutschen Bundestag zur 2. GWB-Novelle146 : "Für die Hersteller von Markenartikeln, die ein Händler, wenn er wettbewerbsfähig sein will, in seinem Sortiment führen muß, besteht nach den neuen Vorschriften grundsätzlich eine Lieferpflicht." In zwei grundlegenden Entscheidungen des BGH können wir den höchstrichterlichen Standpunkt herauslesen, unter welchen Umständen ein Markenartikelhersteller die Belieferung eines Abnehmers nicht mehr verweigern kann, weil der Bezieher keine Möglichkeit hat, auf andere Produkte auszuweichen, mithin also von der Belieferung abhängig ist: 1" 1 Vgl. Tetzner, Das Diskriminierungsverbot des § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB, JZ 1977, 321; Kellermann, WM 1978, SonderbeiL 4, 20; BGH WuW/E BGH 1392 = DB 1976, 378 = GRUR 1976, 206 - Rossignol, mit Hinw. auf die Entstehungsgeschichte. 142 Weil diese Abhängigkeit auf der Nachfrageseite nur schwer feststellbar ist (so die Regierungsbegründung zur 4. GWB-Novelle, BT-Drucksache 8/2136, 24), ist für § 26 II 3 GWB eine Vermutung der Machtstellung am Nachfragemarkt geplant. Dazu Karsten Schmidt, ZRP 1979, 38, 44. 143 Vgl. J. Baur, Die Funktion des neuen Diskriminierungsverbots nach § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB, BB 1974, 1589, 1592; Kilian, Diskriminierungsverbot und Kontrahierungszwang für Markenartikelhersteller, ZHR 142, 453, 470 ff. 144 Vgl. Möhring, Kontrahierungszwang nach dem neuen Kartellrecht, DB 1974, 223 ff.; J. Baur, BB 1974, 1589 ff.; Fischötter, WuW 1974, 379 ff.; Emmerich, AG 1976, 57, 59 f.; Tetzner, JZ 1977, 321 ff.; Danelzik, Zur Belieferungspflicht von Markenartikelherstellern aufgrund des erweiterten Diskriminierungsverbotes nach § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB, BB 1979, 651, 652 ff. t45 Vgl. Ulmer, BB 1975, 661. 148 BT-Drucksache 7/765 unter III zu § 26 II. Vgl. dazu Rauschenbach, Die Entwicklung des deutschen Kartellrechts in den Jahren 1975/1976, NJW

1976, 2185, 2190 f.

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Im Rossignol-FaZP41 wollte 1973 der einzige deutsche Lieferant der französischen Skimarke ein oberbayerisches Fachgeschäft aus dreifachen Gründen nicht beliefern. Erstens soll 1972 an den Markenwaren manipuliert (zerkratzt und mit Farbe bespritzt) worden sein, wn zwecks Preisschleuderei Ware zweiter Wahl vortäuschen zu können. Zweitens wurde dem Händler vorgeworfen, er verkaufe zu Niedrigstpreisen. Der dritte Vorwurf ging dahin, daß im Januar 1974 durch Aufschlag einer Handelsspanne von nur 5 ~/o (gegenüber den üblichen 50 Ofo) einzelne Rossignol-Skitypen als Lockvogel-Angebote verwendet wurden. Obwohl Skier dieser Marke in der Bundesrepublik Deutschland zu dieser Zeit nur einen Marktanteil von 8 Ofo hatten, hat der BGH festgestellt, daß ein Fachhändler wegen des Markenbewußtseins der Verbraucher nicht ohne wichtige Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit auf den Artikel verzichten könne. Kontrahierungszwang wurde dafür für 1973 angeordnet, nicht aber für 1974 und die Zukunft. Die Lieferverweigerung für 1974 sei durch das rechtswidrige Verhalten (Lockvogelangebote gegen § 3 UWG) und durch die Äußerung des Händlers, er wolle die Preise dieser Marke "kaputt" machen, gerechtfertigt. Ein Feststellungslbegehren auf spätere Lieferpflicht könne wegen der Ungewißheit künftiger Marktentwicklung nicht ausgesprochen werden. Im Asbach-UraZt-FaW48 hat der Hersteller 1500 Bedienungsfachgroßhändlern gegenüber 3500 anderen (hauptsächlich Selbstbedienungsgroßhändlern) einen Rabatt in doppelter Höhe gewährt. Der BGH sah darin eine grundlos unterschiedliche Behandlung der von der Belieferung des Markenartikels abhängigen Großhändler. Keiner konnte nämlich ohne diesen Artikel, der durch Werbung und Qualität eine solche Stellung erhalten hat, daß er gegen andere Produkte nicht mehr austauschbar war, ein konkurrenzfähiges Sortiment anbieten (sog. sortimentbezogene Abhängigkeit) 149• Alle Großhändler waren somit von der Belieferung abhängig, und die Ungleichbehandlung wäre nur dann gerechtfertigt gewesen, wenn die Diskriminierung nicht unbillig150 oder sachlich ge147 BGH Urteil vom 20. 11. 1975, BB 1976, 198 ff. (weitere Veröfftl. s.o. FN 141) mit Anm. von Lübbert, BB 1976, 240 ff. 148 BGH, Beschl. v. 24. 2. 76, BB 1976, 1334 = DB 1976, 1950 = JuS 1977, 124 f. m. Anm. v. Emmerich. 149 Vgl. Emmerich, AG 1976, 92, 96; J. Baur, BB 1974, 1589, 1595; gegen diese "formale Klassifizierung": Kilian, ZHR 142, 453, 473. Außer dem "Rossignol-Fall" auch WuW/E BGH 1423; BGH, WM 1976, 1068 und jetzt BGH, DB 1979, 1351, 1352 f. = MDR 1979, 733 = NJW 1979, 2152 = BB 1979, 797, 798 mit Anm. von Markert = GRUR 1979, 560, 561 - "Fernsehgeräte" mit Anm. von Fischötter I Lübbert; Ablehnung einer sortimentbedingten Abhängigkeit: BGH, WM 1979, 1096, 1097 - "Markt-Renner" = DB 1979, 2076 f. = GRUR 1979, 371 f. = BB 1979, 1575 mit Anm. von Danelzik; OLG Düsseldorf, DB 1978, 1340 und 2210. 160 Unbilligkeit hängt von der "Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten

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rechtfertigt151 gewesen wäre. Diese Frage hat das Höchstgericht verneint und damit einen Kontrahierungszwang zu gleichen Bedingungen ausgesprochen, weil der Markt gleichartigen152 Unternehmen üblicherweise zugänglich153 war. Asbach-Uralt hatte ja alle Großhändler beliefert. Zu Recht entnimmt wohl die Bundesregierung154 schon dem RossignolUrteil, daß es Hersteller bekannter Marken schwer haben werden, anerkannte Fachgeschäfte von der Belieferung auszuschließen. Im Zusammenhalt mit dem Asbach-Uralt-Urteil wird man sagen können, daß jedenfalls bei den besonders berühmten Marken, bei denen die Artike1 durch die Werbung sozusagen "vorverkauft" sind, eine Abhängigkeit besteht, die die Vertragsfreiheit des marktmächtigen Herstellers in eine Kontrahierungspflicht verwandeW55• 1

Verallgemeinern lassen sich die beiden höchstrichterlichen Entscheidungen nkht. Zwar wird die in der Literatur ursprünglich eingenommene restriktive Auslegung der relativen Abhängigkeit verlassen und durch eine weit gefaßte Interpretation ersetzt, um eine Nichtbelieferung von mißliebigen und unbequemen Händlern im Interesse des Wettbewerbs einzuschränken; doch darf das auch nicht überschätzt werden. Eine Befürchtung, alle Markenwarenhersteller könnten einer Belieferungspflicht unterfallen, ist jedenfalls unbegründet156• Grundsätzlich kann der Unternehmer seine Vertriebswege frei bestimmen und darf auch bei Abhängigkeit die Lieferung verweigern, wenn er einen sachlich gerechtfertigten Grund nachweist. Solche Gründe werden insbeZielsetzung des GWB" ab: BGHZ 52, 65, 71; BGH, MDR 1979, 117, 118 "Faßbierpflegekette" = WRP 1978, 879 = GRUR 1979, 69. Dazu Kilian, ZHR 142, 453, 476. 151 Danelzik, BB 1979, 651, 656 f.; Kilian, ZHR 142, 453, 475. BGH, GRUR 1979, 493, 494 f. - "Bücherbeschaffung" mit Anm. von Lehmpfuhl; MDR 1979, 117, 118- "Faßbierpflegekette" und WM 1980, 140 = DB 1980, 202 " Modellbauartikel li". 152 Gleichartigkeit setzt nach unternehmerischer Tätigkeit und wirtschaftlicher Funktion dieselbe Aufgabenerfüllung voraus: BGHZ 52, 65, 69 "Sportartikelmesse"; MDR 1979, 117, 118 - "Faßbierpflegekette"; GRUR 1979, 493, 494 - "Bücherbeschaffung"; NJW 1979, 2515 f. - "Modellbauartikel" und WM 1980, 140 = DB 1980, 202 - "Modellbauartikel li". Vgl. Kilian, ZHR 142, 453, 474 ff. 153 Vgl. Kellermann, WM 1978, Sonderbeilage 4, 21; BGHZ 42, 318, 326; 49, 90, 97; LM GWB Nr. 21 zu § 26; BGH, WM 1973, 33; DB 1979, 443 - "Zeitschriften Grossisten" = BB 1979, 642 = WPR 1979, 35 = GRUR 1979, 177 = WuW/E BGH 1527; dazu Ebel, Kartellrechtliche Entscheidungspraxis 1978, BB 1979, 864, 866. tM Stellungnahme zum Tätigkeitsbericht 1975, S. IV. m Vgl. Hummel I Liljegren, Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1977, 59 f. 156 Ulmer in: Wettbewerbskongreß 1977, München, Bericht des Bay. Staatsministerium f. W. u. V., 209 f. Vgl. auch BGH, BB 1979, 1575 - "Markt-Renner" mit Anm. von Danelzik und BB 1978, 1743 = WuW/E BGH 1530 "Faßbierpflegekette"; dazu Ebel, BB 1979, 864, 866.

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sondere in einer Fachunkenntnis157, Unlauterkeit, Kreditunwürdigkeit und im geschäftsschädigenden Verhalten gesehen. Wenn sich Markenartikelhersteller in ihrer Werbung direkt an den Konsumenten wenden, das Produkt "vorverkaufen" und durch den Hinweis "erhältlich in jedem guten Fachgeschäft" das Publikum zur gezielten Nachfrage bewegen, trifft sie der Kontrahierungszwang des § 26 Abs. 2 Satz 2. Sie haben die relative Abhängigkeit selbst erzeugt, denn der Händler, den sie nicht beliefern, würde in den Augen der nachfragenden Kunden herabgesetzt. Je niedriger allerdings die Marktgeltung eines Produkts einzustufen ist, um so stärker ist die Abhängigkeit aus der speziellen Wettbewerbslage zu begründen156• Auch wer neu auf einem Markt auftreten will (newcomer), kann dem marktstarken Markenartikelhersteller gegenüber eine KontrahierungS!pflicht geltend machen159• Eine Frage der sachlichen Begründung einer Ablehnung der Belieferung stellt es dar, wenn der Hersteller befürchten 157 Von der Urteilsbegründung her kaum noch zu rechtfertigen ist die Entscheidung LG Düsseldorf v. 15. 2. 78, DB 1978, 533 = WRP 1978, 320. Hier wird das Vorgehen der Fa. Adidas-Sportschuhe, einen SB-Großmarkt "auf der grünen Wiese" nicht beliefern zu wollen, gutgeheißen. Unter Berufung auf eine Vertriebsbindung ihrer Produkte, wonach lediglich Fachhändler und Fachabteilungen in Kaufhäusern als Bezieher akzeptabel wären, verweigerte der Markenartikelhändler wohl wegen der aggressiven Preispolitik oder zum "Schutz" seiner anderen Abnehmer die Belieferung des SB-Marktes. Selektive Absatzpolitik eines marktstarken Anbieters bedarf bei unterschiedlicher Behandlung eines rechtfertigenden Grundes und ist nicht "grundsätzlich zulässig ... (weil) ... die Auswahl der Vertragspartner eine unternehmensehe Entscheidung ist." - Ob das Urteil im Ergebnis richtig ist, weil Nachfragemacht verhindert wird, wurde nicht geprüft. Dazu sogleich im Text.- Zur Frage des selektiven Vertriebs vgl. Lehmpfuhl, Verträge nach § 18 GWB und Diskriminierungsverbot, GRUR 1978, 625, 628 ff.; Neumann, Verbraucherpolitische und wettbewerbspolitische Aspekte selektiver Vertriebssysteme, BB 1979, 1688 ff., sowie BGH, GRUR 1977, 49, 50 "BMW-Direkthändler"; AfP 1979, 241 - Zur Diskriminierung durch ein "Ersatzteilbindungssystem" des VW-Konzerns vgl. den Tätigkeitsbericht des BkartA 1978, DB 1979, 1339, 1340. - Zur Begrenzung des Parallelvertriebs bei "Original-Ersatzteilen": Reuter, Die Original-Ersatzteile der Kraftfahrzeughersteller, DB 1979, 293 ff. - Auch nach EG-Recht fallen selektive Vertriebssysteme nicht unter das Verbot des Art. 85 Abs. 1 EWG-Vertrag, "sofern die Auswahl der Wiederverkäufer aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt" (fadlliche Eignung des Wiederverkäufers, des Personals, sachliche Ausstattung): EuGH, WRP 1978, 234, 237 - "METRO/ SABA"; dazu Sucker, Zum zivilrechtliehen Schicksal selektiver Vertriebssysteme vor Freistellung nach Art. 85 Abs. 3 EWGV, DB 1979, 1333, 1337 ff. (hinsichtlich der Behandlung im inländischen Verfahren). 158 Vgl. Bericht der Bundesregierung zum Kartellamtsbericht 1977 in: MA 1978, 304 f. unter Hinweis auf die Urteile des OLG Düsseldorf v. 21. 2. und 30. 3. 78 (Allkauf/Nordmende und Allkauf/Revell) - s. u. FN 160. Dazu auch BGH, WM 1979, 1096 - "Markt-Renner" = BB 1979, 1575 mit Anm. von

Danelzik.

159 Selbst bei "üblicherweise zugänglichem Geschäftsverkehr" kann der Newcomer wegen sachlicher Begründung (Wahl eines zulässigen selektiven Absatzsystems) von der Belieferung ausgeschlossen bleiben: BGH, AfP 1979, 241.

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muß, bei einer Belieferung des in Großvertriebsform arbeitenden Nachfragers den Wettbewerb nur vorübergehend zu beleben, auf längere Zeit gesehen aber durch den Verlust der bisherigen Abnehmer selbst in die Abhängigkeit des marktstarken Nachfragers zu kommen. Diese Überlegungen wurden bei den 1978 veröffentlichten drei Entscheidungen des OLG Düsseldorfu10 in den Vordergrund gestellt: "Schutzobjekt des § 26 GWB ist der freie Wettbewerb, der vor Störungen durch die Ansammlung von Marktmacht geschützt werden soll. Die Ansammlung von Marktmacht rechtfertigt Eingriffe in die Vertragsfreiheit." Daher könnte der versuchte Ausbau der Nachfragemacht einen gerechten Grund darstellen, einen an sich bestehenden Kontrahierungszwang wegen Abhängigkeit aufzuheben161• Das Ziel, den Markt offen zu halten, kann mit einer Lieferpflicht nicht erreicht werden, wenn der Wettbewerb durch die neu geschaffene Nachfragemacht behindert wird182• c) Der mittelbare Kontrahierungszwang nach § 25 II GWB In dem im Jahre 1973 neu in den§ 25 GWB aufgenommenen Absatz 1 wird abgestimmtes Verhalten von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen untersagt, das nach den anderen Normen des GWB verboten ist163 • Obwohl auch diese Bestimmung als Schutzgesetz zugunsten der Wettbewerber der Abstimmungsbeteiligten angesehen wird, weil durch das abgestimmte Verhalten der Zugang zum Markt behindert wird, kann daraus keine Kontrahierungspfiicht abgeleitet werden164• Die Vorschrüt verbietet nur das koordinierte Verhalten, dessen Untersagung der schutzberechtigte Wettbewerber verlangen kann. Werden uso Urteil v . 21. 2. 78, DB 1978, 531 - Allkauf/Nordmende; v. 30. 3. 78, DB 1978, 1340 - Allkauf/Revell und v . 19. 9. 78, DB 1978, 2210 - Telefunken/SB Warenhaus-Konzern. Vgl. aber nächste FN. 161 Das Allkauf/Nordmende-Urteil (s. oben FN 160) hat jetzt der BGH (BB 1979, 797 - "Fernsehgeräte" mit Anm. von Markert) aufgehoben und in der Stellung des Nachfragers keine Begründung für eine Rechtfertigung der Abhängigkeit gesehen. Damit wird klargestellt, daß Abhängigkeit auch bei SB-Warenhäusern (trotz breitgefächerten Warenangebots) bestehen kann. Sie entsteht auch durch Lieferverweigerung mehrerer "relativ" starker Anbieter, die selbst nicht Inhaber "berühmter" Marken sein müssen. Die zur Spitzengruppe gehörigen Anbieter müssen nicht gleichzeitig geklagt werden: BGH, MDR 1980, 204- "SB-Warenhaus-Diskriminierung". tG-z Vgl. Kratte, Markenartikel und Wettbewerbsordnung, MA 1977, 343, 347 f. Daß sich darin keine "Tendenzwende" zeigt und "Abhängigkeit" nicht wieder enger aufzufassen sei, bestätigt der BGH, BB 1979, 797 - "Fernsehgeräte". Daß der Gesetzgeber "keinesfalls die Absicht hatte, Hersteller bekannter Marken in die Nähe eines Kontrahierungszwangs zu rücken", wie Gries, MA 1978, 552 behauptet, findet in den Materialien zur 2. GWB-Novelle keine Deckung; vgl. insbes. die gegenteilige Aussage im Bericht des Wirtschaftsausschusses, BT-Drucksache 7/765, 10. 163 Vgl. Frankf. Komm.§ 25 Tz 9 ff.; 22 ff. tM Vgl. Benisch, Gern. Komm., 3. Aufl. 1976, § 25 Abs. 1, RdNr. 31; MüLler/ GießZer, § 25 RdNr. 39; a. A. Frankf. Komm. § 25 Tz 70.

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dagegenLiefer-oder Abnahmeverweigerung gegen den Wettbewerber ausgesprochen oder die auf vor- oder nacllgelagerter Marktstufe von einzelnen oder allen Unternehmen durch das abgestimmte Verhalten mittels Aufnahme- oder Liefersperre zu beeinflussen versucht, so kann gegen sie nach dem Diskriminierungsverbot des § 26 li oder aber auch auf der Grundlage des § 25 li vorgegangen werden. Nach § 25 li GWB (§ 25 I a. F.) ist es Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen verboten, durch Lock- oder Druckmittel ihre Geschäftspartner zu einem nach GWB verbotenen Verhalten zu veranla&sen. Wird die Liefer- oder Abnahmesperre als derartiges Druckmittel verwendet, so kann nach h. L. und Rspr. das gesperrte Unternehmen nach § 35 GWB Schadensersatz verlangen1115• Kann der Schaden nur66 durch Aufnahme oder Wiederaufnahme der Belieferung behoben werden, so wird durch die Naturalersatzbestimmung des § 249 S. 1 BGB ein Kontrahierungszwang statuiert. Daß einer Abschluß- oder Lieferpfticht nach § 25 II heute kaum noch praktische Bedeutung zukommt, hat zwei Gründe: Erstens ist der Ausspruch eines Kontrahierungszwangs dann wirklich wenig sinnvoll, wenn der Verpflichtete die Lieferpflicht nur so lange einzuhalten braucht, bis er damit kein verbotenes Druckmittel mehr gegen den Bezugsberechtigten ausübt. Schmiedezt61 hat hier mit der spöttischen Bemerkung, "der Kontrahierungszwang ... unterliegt der Vertragsfreiheit", recht. Den stärkeren Ausschlag wird aber der zweite Grund geben: Mit einer Sperre wird ein Unternehmen gegen ein anderes nur dann vorgehen können, wenn der Gesperrte von der Lieferung und damit vom Sperrenden abhängig ist und auch nicht auf den Bezug der Ware aus anderer Quelle ausweichen kann. Durch den Beweis der ungerechtfertigten Druckausübung wird dem Gesperrten auch der Nachweis der Abhängigkeit vom Lieferanten gelingen. Damit aber kann der Kontrahierungszwang auf § 26 Abs. 2 Satz 2 gestützt werden, zumal der verbotswidrige Zweck den sachlichen Rechtfertigungsgrund der Lieferverweigerung ebenfalls ausschließt. Kann also der Gesperrte die Voraussetzungen des § 25 II nachweisen, ist ein Kontrahierungszwang aucll nach den neuen Bestimmungen des § 26 II gegeben, der außerdem nicht nur für die Zeit gilt, für die die Sperr e rechtswidrig aufrechterhalten wird168• 165 Vgl. Sandrock, Der Ausschluß von der Belieferung nach § 25 Abs. 1 GWB, Juristische Analysen/Wirtschaftsrecht I, 1970, 48, 66, mit w. Hinw. FN 73; WuW/E BGH 755, 757 f.- Flaschenbier; 690, 694- Brotkrieg II. 160 Insbesondere, wenn der Geschädigte in seiner "Entscheidungsfreiheit" (nämlich seinerseits Abnehmer zu versorgen) verletzt wird. Vgl. WuW/E BGH 704, 711 - SABA; 755, 757 - Flaschenbier; Sandrock, JurA/WR 1970,

66f.

1117

Kontrahierungszwang aus § 25 Absatz 1 GWB., WRP 1966, 41, 42.

D. I. Verletzung vorvertraglicher Pflichten

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D. Erweiterung der Abschlußpflicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) I. Voraussetzungen -

Verletzung vorvertraglicher Pflichten

Das Recht zur privatautonomen Gestaltung gibt den Parteien die Möglichkeit, sich schon vor dem Abschluß eines Vertrages zu dessen Errichtung zu verpflichten. Aus einem derartigen Vorvertrag 1~9 erwirbt eine ode·r jede Partei das Recht, vom anderen Partner den Abschluß des Hauptvertrages zu verlangen. Hat sich jede Partei der anderen gegenüber unter bestimmten Voraussetzungen110 oder innerhalb einer bestimmten Frist zum Vertragss.c hluß gebunden, oder nur eine gegenüber der anderen, so entspringt dieser Vertragspflicht ein Abschlußzwang. Diese Kontrahierungspflicht beruht auf der freien Willenseinigung der Parteien und bildet somit keine Ausnahme von der Vertragsfreiheit, sondern ist durch die autonome Gestaltungsfreiheit gedeckt. Es bleibt zu untersuchen, ob nicht unter Umständen die Verletzung vorvertraglieber Pflichten, die mit der Kontaktaufnahme der verhandlungswilligen Parteien entstehen, zu einer Kontrahierungspflicht führen können. In der deutschen Lehre und Rspr. wird die Haftung für Verschulden bei Vertragsschluß als einheitliches Rechtsinstitut aufgefaßt, das sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB stützt und sich auf eine lnanspruclmahme des dem Verhandlungspartner gewährten, besonderen Vertrauensm zurückführen läßt172• Die durch culpa in HIS Selbst eine rechtmäßig abgebrochene Geschäftsbeziehung zum Lieferanten verhindert nicht, nach Ablauf einer angemessenen Zeit zur Neuaufnahme der Geschäftsbeziehungen verpflichtet zu sein. Vgl. BGH v. 12. 5. 76, WRP 1976, 467, 469- Augenoptiker. 169 Vgl. zum Vorvertrag, der bisweilen als Geschäftserrichtungs- oder Abschließungsvertrag bezeichnet wird: Larenz, SehR I, 11. Aufl. 1976, § 7 f = 77 f.; Ftume, Allg. T. II, 2. Aufl. 1975, § 33, 7 = 613 ff. - Zum obbligo convenzionale a contrarre aus einem negozio preliminare vgl. Messineo, Contratto preliminare, contratto preparatorio e contratto di coordinamento, ED 10, 1962, 166; Forchielli, Contratto preliminare, NNDI 4, 1959, 683 ff. - Zum schweizerischen Recht eingehend Bucher, Die verschiedenen Bedeutungsstufen des Vorvertrages, Berner Festg. Schw. Juristentag 1979, 169 ff. 170 Nach Auffassung des BGH (NJW 1958, 1281) muß "der Vorvertrag ein solches Maß an Bestimmtheit" enthalten, daß der Inhalt des Hauptvertrages vom Richter im Wege der Auslegung festgesetzt werden kann. "Diesem Erfordernis ist genügt, wenn die Bestimmungen des Vorvertrages den notwendigen Anhalt dafür bieten, um eine fehlende Einigung der Parteien in einzelnen Punkten zu ergänzen." m So der von Ballerstedt, Zur Haftung für culpa in contrahendo bei Geschäftsabscl'lluß durch Stellvertreter, AcP 151, 501 ff. formulierte Leitgedanke. m Vgl. seither insbes. Flume, Allg. T . II § 15 III 4 = 282 ff.; 288 ff. Larenz, SehR I § 10 III = 121 ff.; ders., Bemerkungen zur Haftung für culpa in contrahendo, FS Ballerstedt 1975, 397 ff.; Medicus, Bürger!. Recht, 8. Aufl. 1978, § 9 II, RdNr. 180 ff.; 199 f.; ders., Grenzen der Haftung für culpa in contra-

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1. Teil: Bundesrepublik Deutschland

contrahendo ausgelöste Haftung liegt somit nicht notwendig, wie gemeint hat, in dem später zu schließenden Vertrag173 begründet, ohne den es keine Verpflichtung aus dem Verhalten in contrahendo geben sollte, sondern in einer Vertrauensbindung, die unabhängig von einem Vertragsschluß entstehen kann. Im Gegensatz zum schuldrechtlichen Vertragsverhältnis, das nach unserer, vom Leistungsbegriff her konzipierten Dogmatik als Rechtsbeziehung begriffen wird, "die in Leistungserwartungen ihren Entstehungsgrund hat, deren ,wesentlicher' Inhalt sich in Leistungspflichten erschöpft, die ihr ,normales' Ende in der Leistungserbringung, andernfalls in den Haftungssanktionen auf der Sekundärebene findet" 174, wird das "in Ergänzung geschriebenen Rechts geschaffene gesetzliche Schuldverhältnis der c. i. c. " 17s als Rechtsverhältnis ohne primäre Leistungspflicht verstanden. Die durch Verschulden bei Vertragsschluß ausgelöste Haftung liegt somit in der Enttäuschung des in Anspruch genommenen Vertrauens begründet, das

v. Jhering

hendo, JuS 1965, 209 ff.; Lorenz, Rechtsfolgen formnichtiger Schuldverträge - BGH, NJW 1965, 812, JuS 1966, 429 ff.; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971; Esser I Schmidt, SehR Il2, 5. Aufl. 1976, § 29 II = 95 ff.; Nirk, Culpa in contrahendo - Eine geglückte richterliche Rechtsfortbildung - Quo vadis?, FS Mähring 1975, 71 ff. mit eingehender Lit. 71 f., FN 4 und Rspr. FN 5 und jetzt Hans StolZ, Tatbestände und Funktionen der Haftung für culpa in contrahendo, FS v. Caemmerer, 1978, 435 ff.;- Grundlage der Haftung ist enttäuschtes Vertrauen: BGHZ 60, 221, 226 = NJW 1973, 752 m. w. Nachw. Anders, als sozialfunktionelles Korrelat privatautonomer Gestaltungsmäglichkeit: Frotz, Die rechtsdogmatische Einordnung der Haftung für culpa in contrahendo, GedS Gschnitzer 1969, 163, 172 ff. 173 v. Jhering, Culpa in contrahendo oder Schadensersatz bei nichtigen oder nicht zur Perfektion gelangten Verträgen, JherJb. 4 (1861) 1 ff.; dagegen schon Heinrich StolZ, Haftung für das Verhalten während der Vertragsverhandlungen, LZ 1923, 532 ff. Eine Wirkung, oder besser "Restwirkung des gescheiterten Vertrages" ist zwar als Grundlage einzelner Fälle der c. i. c. durchaus anzunehmen, doch wird unzutreffenderweise versucht, diese Voraussetzung zu verallgemeinern; vgl. dazu jetzt Hans StolZ, FS v . Caemmerer 1978, 435, 438 ff., 445. 174 Vgl. E. Schmidt, Nachwort zum Neudruck von v. Jhering, Culpa in contrahendo und Staub, Die positiven Vertragsverletzungen, 1969, 131 und 143 ff. 17s So BGHZ 6, 330, 333 = NJW 1952, 1130; vgl. dazu Esser I Schmidt, SehR Il2, 96 f. und Nirk, FS Mähring 1975, 73. - In einer eingehenden Untersuchung versucht jetzt Evans-von Krbek, Nichterfüllungsregeln auch bei weiteren Verhaltens- oder Sorgfaltspflichtverletzung?, AcP 179, 85 ff. darzulegen, daß die "weiteren Verhaltens I Sorgfaltspflichten" der c. i. c. (aber auch aus positiver Vertragsverletzung, Produzentenhaftung und Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter) rechtsgeschäftsähnliche "Schuld"-Verhältnisse erzeugen, die analog den Rechtsgeschäfts-/Willenserklärungsregeln der §§ 104 ff., 145 ff. zustande kommen (S. 100) und ein Erfüllungsinteresse erzeugen, für sich aber nicht auf Erfüllung angelegt sind (101 f.). Auf diese "schuldanalogen Rechtsverhältnisse" sind die Vorschriften über die Nichterfüllung der Schuldnerleistungspflichten, ebenfalls in Gesetzesanalogie zu den §§ 323 ff., 275 ff., anzuwenden und Schadensersatz bei Diligenzpflichtverletzung und Vorsatz (analog § 276) zu leisten (S. 137 ff.).- Zur Frage, ob aus Vertrauenssdmtz auch Erfüllung verlangt werden kann, jetzt Hohloch, "Vertrauenshaftung", Beginn einer Konkretisierung, NJW 1979, 2369, 2374.

D. II. Kontrahierungszwang aus c. i. c.

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bereits mit der Aufnahme des geschäftlichen Kontakts entgegengebracht wird, wenn sich ein Verhandlungspartner in die Einflußsphäre des anderen begibt oder Dispositionen im Hinblick auf die schwebende Verhandlung trifft. Kraft dieses Schuldverhältnisses sind die Partner zur Einhaltung bestimmter "Schutz- und Erhaltungspflichten wie Loyalitätspflichten, insbesondere Aufklärungs-, Mitteilungs- und Diskretioß.SIpflichten"m gehalten. Der für die Verletzung dieser Pflichten verantwortliche Teil hat dem geschädigten Partner den auf dem enttäuschten Vertrauen beruhenden Schaden zu ersetzen. Er hat sich also hinsichtlich der Sorgfaltspflichten gegenüber dem Verhandlungspartner wie ein "Schuldner" zu verhalten177• Entgegen der so einfach umschriebenen Formel einer Inanspruchnahme gewährten Vertrauens als Haftungsgrundlage der Pflichtverletzungen in contrahendo werden unter diesem generalklauselartigen Haftungsprinzip eine ganze Reihe unterschiedlich geformter Tatbestände des Vertrags- und Deliktsrechts erlaßt. Das liefert auch die Begründung dafür, daß es bis heute nicht gelungen ist - und vermutlich auch gar nicht gelingen wird - Einzelprobleme, wie den Umfang der Haftung oder die Konkurrenz mit vertraglichen Rechtsbehelfen, für alle Fälle einheitlich und trotzdem überzeugend zu lösen. Im Zusammenhang mit der hier gestellten. Frage des Kontrahierungszwangs wird das vorvertragliche Schuldverhältnis unter zwei Aspekten erörtert: Einmal könnte sich aus dem schuldhaftenttäuschten Vertrauen darauf, daß es sicher zum angestrebten Vertragsscllluß kommen wird, eine Verpflichtung zur Naturalrestitution des Schadens in der Form eines Abschlusses des zunächst vereitelten Vertrages ergeben. Daneben kann ein Kontrahierungszwang dann in Frage kommen, wenn ein Vertrag wegen Formmangels nichtig ist (§ 125 BGB), eine Partei diesen Mangel aber zu vertreten hat. II. Kontrahierungszwang aus culpa in contrahendo

Bevor ein Vertrag geschlossen ist, können beide Partner die Verhandlung regelmäßig ohne jede Begründung abbrechen. Jeder Verhandlungspartner hat es sich somit selbst zuzurechnen, wenn er auf den künftigen Vertragsschluß vertraut und aus diesem Grunde Aufwendungen macht oder sich andere Geschäfte entgehen läßt. Das gilt selbst dann, wenn diese Aufwendungen und entgangenen Gewinne groß sind und der Verhandlungspartner von diesen Aufwendungen oder ver17t

Larenz, SehR I, 97.

Vgl. RGZ 162, 156; BGHZ 6, 330, 333; 66, 54; Palandt /Heinrichs, BGB, 38. Auf!. 1979, § 276 Anm. 6 a. 111

4 Hackl

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1. Teil: Bundesrepublik Deutschland

säumten Geschäften weiß178• Die Rspr. nimmt eine Schadensersatzpflicht unter der Voraussetzung an, daß der Verhandlungspartner mit Sicherheit darauf vertrauen durfte, daß der Vertrag zustandekommen werde179• Das auf der Vertrauensbindung beruhende gesetzliche Schuldverhältnis entsteht damit, daß beim Verhandlungspartner die bereclltigte Überzeugung geschaffen wird, es werde mit Sicherheit zum Vertragsschluß kommen. Wird vom anderen Teil der Abschluß dann schuldhaft vereitelt, liegt also im Abbruch ein venire contra factum proprium zur Setzung des besonderen Vertrauenstatbestandes, so wird die Schadensersatzpflicht begründet. Worin dieser, aus der schuldhaften Verletzung des vorvertragliehen Rechtsverhältnisses eingetretene Schaden besteht, ist im Einzelfall nach § 249 BGB zu bestimmen180, denn der enttäuschte Partner ist so zu stellen, wie er ohne die schuldhafte Handlung des anderen stehen würde. Nach den verschiedenen, unter die c. i. c. subsumierten Fallgruppen181 stellt sich das Ergebnis unterschiedlich dar. Mit Esser182 und Nirk183 ist davon auszugehen, daß dabei das eine Mal das Vertrauensinteresse-184, das andere Mal das Erfüllungsinteresse zu ersetzen ist. Soweit nur das negative Interesse in Frage kommt185, ist für einen Kontrahierungs• 178 Vgl. F~ume, Allg. T. II § 33, 8 = 616 f., Hans StolZ, FS v. Caemmerer 1978, 435, 445 f.; BGH, DB 1974, 2395 = NJW 1975, 43; WM 1977, 620. 179 Vgl. BGH, DB 1969, 655 = LM Nr. 28, 276 (Fa) BGB = MDR 1969, 641; NJW 1970, 1840 = WM 1970, 1110; NJW 1975, 1774 = DB 1975, 1694; DB 1977, 1548. 180 Vgl. Palandt I Heinrichs,§ 276 Anm. 6 c. 181 Vgl. Nirk, Culpa in contrahendo Eine richterliche Rechtsfortbildung - in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, FS Möhring 1965, 385, 398f. 182 SehR I, Allg. T., 4. Aufl. 1970, 378 f.; jetzt Esser I Schmidt, SehR Il2 § 29 II 4 = 102 f. 1sa FS Möhring 1975, 90 f. 184 Gegen die Auffassung v. F~ume, Allg. T. II, § 33, 8 = 617, der Schadensersatz aus c. i. c. gehe immer auf das negative Interesse, (weil Vertragsverhandlungen aus dem Prinzip der Privatautonomie keine Pflicht zum Vertragsschluß begründen könnten) vgl. Medicus, Bürg.R. § 9 III RdNr. 184; Esser I Schmidt, SehR Il2 § 29 II 4 = 102 mit Hinw. auf RGZ 151, 357 und BGHZ 57, 191; Erman I Sirp, § 249 RdNr. 107. - Auf den Streit, ob es eine Vertrauenshaftung im objektiven Sinn "ohne vorangegangenes Verschulden" gibt, die entsprechend § 122 BGB zu behandeln ist (so Larenz, FS Ballerstedt 1975, 397, 417 f.; BGH, NJW 1975, 43; wohl auch BGH, LM Nr. 28 zu § 276 (Fa.) BGB = BB 1969, 464., anders Nirk, FS Möhring 1975, 81 ff. und Hans StolZ, FS v. Caemmerer, 1978, 448 f. und Hohloch, NJW 1978, 2369, 2374) braucht nicht eingegangen zu werden, weil danach jedenfalls nur der Vertrauensschaden zu ersetzen ist. Vgl. aber unten bei FN 215. 185 Vgl. Larenz, SehR I § 9 I 3 a. E. = 100; BGHZ 49, 77. Nach österr. Lehre und Rspr. ist bei Verschulden aus Vertragsschluß immer nur das negative Interesse zu ersetzen: Vgl. Welser, Das Verschulden bei Vertragsschluß im österr. bürgerlichen Recht, ÖJZ 1973, 281, 286 f.; OGH, SZ 46122.-

D. II. Kontrahierungszwang aus c. i. c.

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zwang kein Raum. Ist aber der eine Teil vorsätzlich durch das Verhalten des Vertragspartners enttäuscht worden, und war man sich über den Inhalt des Vertrages schon einig, so ist der Geschädigte so zu stellen, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß zustande gekommen. Craushaar1841 hat überzeugend dargelegt, daß bei vorsätzlicher Beeinträchtigung der besonderen Vertrauenslage das vorvertragliche Rechtsverhältnis in den §§ 116 S. 1 und 179 I BGB seine Analogiegrundlage findet. Nach seiner Ansicht sind die §§ 122 und 179 II BGB nur für die Fälle einer fahrlässigen Vertrauensstörung heranzuziehen. Besser noch sollte man bei der Fallgestaltung, daß ein als sicher hingestellter Vertragsschluß allein von der vertrauenswerbenden Partei schuldhaft und ohne triftigen Grund vereitelt wird, einen Rückgriff auf Normen, die die unverschuldete Vertrauensenttäuschung regeln(§§ 122, 179 II), überhaupt unterlassen187• Nach dem Leitprinzip des § 249 BGB ist jener Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Verhalten des anderen bestehen würde. Ist ohne Rechtfertigungsgrund der Abschluß des Vertrages verhindert worden, so wird zu Recht der Schaden durch den Vertragsschluß und die damit erzwingbare Erfüllung behoben188• Nur dort, wo der Vertragsschluß nicht mehr sinnvoll ist, weil die Leistung unmöglich wurde, ist der Nichterfüllungsschaden zu ersetzen. Daß dabei die Ersatzpflicht über die ordnungsgemäße Erfüllung "eines korrekt geschlossenen Vertrages" nicht hinausgehen darf, "wenn gerade dessen Nichtzustandekommen moniert wird" 189, hebt der BGH190 zu Recht hervor. Zum Vertrauensschaden, der durch das Erfüllungsinteresse nicht begrenzt wird, vgl. Larenz, SehR I 99; Nirk, FS Mähring 1965, 385, 397; 1975, 71 ff.; Soergel I Hetermehl, § 122 RdNr. 7; Erman I Battes, § 276, RdNr. 118; Palandt I Heinrichs, Vorb. v. § 249, Anm. 2 g. 1841 Haftung aus culpa in contrahendo wegen Ablehnung des Vertragsschlusses- BGH, LM § 276 (Fa.) BGB Nr. 28, JuS 1971, 127, 130 f. 187 So jetzt mit Recht Hohloch, NJW 1979, 2369, 2374. 188 Unzutreffend ist m. E. die Einschränkung auf das Vertrauensinteresse in "Analogie" zum Verlöbnisrecht (§§ 1297-1302 BGB), weil auch dort (§ 1298) bei Vertragsverweigerung ohne triftigen Grund nur der Vertrauensschaden zu ersetzen ist. So jetzt wieder Hans StolZ, FS v. Caemmerer, 1978, 446 unter Hinweis auf Canaris, Das Verlöbnis als "gesetzliches" Rechtsverhältnis. Ein Beitrag zur Lehre von der "Vertrauenshaftung", AcP 165, 1 ff.Das Verlöbnis ist als "Vorvertragsverhältnis" zur Ehe eine ungeeignete Anknüpfungsbasis, weil gerade im Hinblick auf den besonderen Schutz der Eingehungsfreiheit für die Ehe eine voreheliche Verpflichtung keine Zwangsfolgen für den Vertragsschluß auslösen soll. Dieseüberlegungen gelten, wie Lehre und Rspr. zum Vorvertrag feststellen, für andere Vertragsverhältnisse nicht. Außerdem wird hier nur scheinbar mit Analogie gearbeitet: Tatsächlich soll die Rechtsfolge (Haftung für Vertrauensinteresse) vom Vertrag "Verlöbnis" auf das ungleiche gesetzliche Rechtsverhältnis aus c. i. c. übertragen werden. Das ist aber nicht analoge Tatbestandsbewertung, sondern Fiktion (Gleichbewertung ungleicher Tatbestände zur Erreichung desselben Ergebnisses) und als solche unzulässiger Auslegungsbehelf. 189 Esser I Schmidt, SehR Il2 102; ähnlich Nirk, FS Mähring 1975, 91.

••

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1. Teil: Bundesrepublik Deutschland 111. Behebung der Formnichtigkeit durch Abschlußpfticht?

Nach § 125 S.1 führt ein Mangel an der gesetzlich vorgeschriebenen Form zur Nichtigkeit des Vertrages. Dennoch versuchen Lehre und Rspr. vielfach, dieser Nichtigkeitsfolge auszuweichen. Ob man dabei die Berufung auf den Formmangel nach§ 242 BGB für unzulässig erklärt, Schadensersatzansprüche auf culpa in contrahendo stützt oder mit einer gesetzlichen Vertrauenshaftung arbeitet, macht im Grunde keinen Unterschied. Die Berufung auf Vertragsnichtigkeit wird, wie der BGW91 richtig gesehen hat, gar nicht als prozessualer Behelf gegen das kläge-rische Vorbringen des Formmangels eingesetzt. Vielmehr wird nur in "besonders gelagerten Fällen" eine "Bindung vertraglicher Art" angenommen, wenn die Nichtigkeit aus § 125 BGB "zu schlechthin untragbaren Ergebnissen führen würde"192• Das heißt aber nichts anderes, als daß der Richter die Ordnungsvorschrüt des § 125 nach dem Grundsatz von Treu und Glauben korrigiert193 und den formlos geschlossenen Vertrag als gültig ansieht. Zu eben diesem Ergebnis kommt man, wenn man bei der arglistigen Täuschung über die Formbedürftigkeit des Vertrages dem Geschädigten einen Erfüllungsanspruch gibt194, oder aber bei nur fahrlässiger Unkenntnis der Formvorschrift das positive Interesse aus culpa in contrahendo ersetzen läßt195• Gleiches ergibt sich übrigens, wenn man mit Canaris1" eine auf Gesetz gegründete Vertrauenshaftung annimmt. 190 BGHZ 49, 77, 82: "Will der durch ein vorvertragliches Verschulden Geschädigte auf diesem Weg (Schadensersatz des Erfüllungsinteresses nach § 249 BGB) im Ergebnis den Zustand herbeiführen, der im Falle eines Vertragsschlusses bestanden haben würde, so kann er keine stärkere Rechtsstellung für sich in Anspruch nehmen, als er bei Zustandekommen des Vertrages besessen haben würde." 191 BGHZ 6, 12; LM Nr. 29 zu § 125 BGB; NJW 1970, 2210. 182 BGH, LM Nr.1 zu § 242 (Ca) BGB; BGHZ 12, 304; JZ 1971, 459 ff. und NJW 1975, 43 f. Ein nur "hartes Ergebnis" reicht dagegen nicht aus: BGH, NJW 1965, 812 f.; LM Nr. 23 zu § 313 BGB. "Untragbar" kann das Ergebnis auch bei Berufung auf die Formnichtigkeit von Immobiliarverträgen nach Bekanntwerden der neuesten BGH-Rechtsprechung zur notariellen Beurkundung von Kaufverträgen (BGH, JZ 1979, 602 ff.) sein: LG München I, JZ 1979, 754 ff. = WM 1979, 1252 ff.; dazu aber Aderhold I Fähndrich, Aktuelle Fragen des§ 313 BGB, BB 1979, 1743, 1748. 193 Vgl. Larenz, SehR I § 10 III = 121 f. 194 Vgl. Larenz, SehR I § 10 III = 123 f. mit dem Hinweis auf § 162: Fiktiver Bedingungseintritt, wenn der zur Vertragsgültigkeit notwendige Eintritt einer Rechtsbedingung wider Treu und Glauben verhindert wird. Nach Flume, Allg. T. II § 15 III 4 c, cc = 282 ist der Anspruch des Getäuschten kein vertraglicher Anspruch, sondern ein solcher aus einseitiger Haftung des Täuschenden. Medicus, Bürg.R. § 9 II RdNr. 182 gibt dem Getäuschten ein Wahlrecht, entsprechend den §§ 124, 143 f., ob der Vertrag wirksam sein soll oder nicht. 195 D. Reinicke, Formmangel und Verschulden bei Vertragsschluß, DB 1967, 109, 112; Medicus, Bürg.R. § 9 11, RdNr. 184.

D. III. Behebung der Formnichtigkeit durch Abschlußpflicht?

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Um Klarheit in die verwirrende Vielfalt der dogmatischen Begriinrdungsversuche für eine Korrektur der Vertragsnichtigkeit wegen Formgebrechens nach Treu und Glauben zu bekommen, sollten drei Fallgruppen unterschieden werden197 : 1. Der Verhandlungspartner wird über die Formbedürftigkeit des Vertrages arglistig getäuscht. 2. Die Einhaltung der Form wurde wegen fahrlässiger Unkenntnis unterlassen oder ist versehentlich unterblieben. 3. Der Geschädigte hat die Formvorschrift gekannt, sie aber dem Partner gegenüber nicht durchsetzen können. 1. Versucht sich ein Vertragspartner durch die Täuschung des anderen Teils über die Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts einen "AUS>weg" aus der Verpflichtung offen zu halten, so handelt es sich "um eine Ergänzung des Gesetzes«~98, wenn man ihn beim Wort nimmt und es nicht zuläßt, daß er zu seinem Vorteil auf solche Weise "sein Spiel mit dem Recht" treibt. Wollte man unter Hinweis auf§ 242 die Nichtigkeit aus § 125 BGB einschränken, so wäre mit Larenz199 "der Vertrag insoweit als gültig anzusehen", und zwar deshalb, weil der Nichtigkeitssanktion des Gesetzes ein "höherrangiges Rechtsprinzip vorgeht". Eine derartige Konstruktion führt aber zu keinem sachgerechten Ergebnis: Wird durch die Gültigkeit die Formnichtigkeit beseitigt, kann auch der Arglistige, selbst gegen den Willen des Getäuschten, Erfüllung verlangen. Nach der eindeutigen Interessenlage soll dagegen ein einseitiger Anspruch zugunsten des Getäuschten entstehen200• Zur Lösung dieser Ungereimtheit trägt auch die Konstruktion nichts bei, den mit Hilfe von Treu und Glauben erzeugten gegenseitigen Anspruch unter Hinweis auf ein Verbot der Berufung auf eigenes Unrechf20t, also ebenfalls über § 242 BGB, zu Lasten des Arglistigen wieder einzuschränken202. Mit Flume"%113 ist einmal davon auszugehen, daß es auf den Schutzzweck der Formvorschrift ankommt und daher die Fälle der absoluten 1M 197

pen.

Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, 274 ff., 289 ff. Die Einteilung folgt den von Medicus, Bürg.R. § 9 II gebildeten Grup-

198 Flume, Allg.T. II, 281. Wie weit eine Rechtspflicht zur Aufklärung besteht, bestimmt sich nach der Art des Geschäftes und ist nach den Motiven zum BGB (I, 208) über Treu und Glauben zu konkretisieren; vgl. Kramer in Münchner Komm.§ 123 RdNr.15f.; überblick über die von der Judikatur entwickelten Kriterien RdNr.17. 199 SehR I, 124; ebenfalls für Gültigkeit: Gernhuber, FS Schmidt-Rimpler 1957, 151, 177 ff. 200 Vgl. Flume, Allg.T. II, 282; Medicus, Bürg.R., RdNr. 182 und Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, 274. %01 Vgl. Prölss, ZHR 132, 59 FN 84. !02 Dagegen mit Recht Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, 274 FN 4 und 276. 20s Allg. T. II, 281.

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1. Teil:

Bundesrepublik Deutschland

FormZM auszuklammern sind. Alle anderen in den einzelnen gesetzlichen Formvorschriften verfolgten Zwecke können aber nicht rechtfertigen, daß derjenige nicht an sein Versprechen gebunden sein soll, der selbst um die Formbedürftigkeit des Rechtsgeschäftes weiß und auch erkennt, daß sein Partner, aus Unkenntnis dieser Vorschrift, auf die Wirksamkeit des Vertrages vertraut. Nach dem im BGB mehrfach ausgesprochenen205 und somit durchaus geläufigen Rechtsgedanken, daß der Arglistige keinen Schutz verdient, ist der Formzweck zugunsten des Täuschenden außer acht zu lassen. Für den getäuschten Teil aber muß der Schutz, den ihm die Rechtsordnung mit den Formvorschriften angedeihen läßt, erhalten bleiben. Wie sollte das bewerkstelligt werden, wenn man dem Getäuschten einen Erfüllungsanspruch zuerkennt, der "nicht im Sinne einer Vollwirksamkeit des Vertrages"200 gedeutet werden darf, oder der als einseitiger Anspruch zu bezeichnen ist, den man gegen den Arglistigen unter Erbringung der Gegenleistung durchsetzen kann207? Der formnichtige Vertrag wird durch die Täuschung nicht gültig. Der Getäuschte bedarf weder eines Übereilungs-, eines Beweissicherungsnoch eines sonstigen Schutzes, weil kein gültiger Vertrag besteht und er sich ohne weiteres auf die Nichtigkeit berufen kann. Wie bei der arglistigen Enttäuschung des Vertrauens, ein Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, wird auch hier ein besonderes Vertrauen auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts dolos erzeugt und vom Gesetz durch die Nichtigkeitssanktion enttäuscht und zerstört. Wenn der Geschädigte aber ohne das schädigende Verhalten des anderen den Vertrag formgerecht abgeschlossen hätte, so ist ihm nach § 249 BGB Naturalersatz dadurch zu verschaffen, daß das am Formmangel gescheiterte Geschäft durch Neuabschluß jetzt gültig zustandekommt. Nur dort, wo der gültige Vertrag als Ersatz für den vereitelten die ursprünglich vereinbarte Leistung nicht mehr herzustellen vermag, ist das Erfüllungsinteresse zu ersetzen. Mit der aus dem Verschulden vor Vertragsschluß hergeleiteten gesetzlichen Abschlußpflicht wird erstens hinreichend geklärt, warum sich der Schädiger nicht auf den Vertrag berufen kann, zweitens, warum nur dem Getäuschten gegen Erbringung der Gegenleistung ein Erfüllungsanspruch zusteht, drittens, warum der Anspruch nur obligatorisch wirkt, also die dingliche Rechtslage nicht ipso iure verändert wird, viertens, warum der ganze Vertragsinhalt gelten soll, auch wenn Ein204 Aus der Wertung des § 1297 BGB ergibt sich hinsichtlich der Ehe nicht einmal ein obligatorischer Erfüllungsanspruch. 2 05 Zum Beispiel in den §§ 443, 477 I, 540 BGB u. a. :toe Medicus, Bürg.R., RdNr. 182. :WT Flume, Allg.T. II, 282.

D. III. Behebung der Fornmichtigkeit durch Abschlußpflicht?

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zelpunkte vom Vertrauensschutz nicht umfaßt sind208 und schließlich fünftens, wie dem Getäuschten die Schutzzwecke der Formvorschrift gewahrt werden. Über den Kontrahierungszwang aus der Enttäuschung arglistig begründeten Vertrauens auf die Gültigkeit des Vertrages kommt man also zu keinem anderen Ergebnis als dem, welches das Reichsgericht von Anfang an in seiner Rechtsprechung über die Beschränkung der Vertragsnichtigkeit nach § 125 BGB über Treu und Glauben erfaßt hat. 2. Ist die Einhaltung einer Form an der fahrlässigen Unkenntnis gescheitert oder zwar schuldhaft, aber nicht absichtlich unterlassen worden, so nimmt der BGH unter Berufung auf § 242 BGB Wirksamkeit des Vertrages dann an, wenn die "Nichtanerkennung zu einem schlechthin untragbaren, nicht etwa nur zu einem harten Ergebnis" führen würde209 • Aber auch dort, wo eine solche Untragbarkeit nicht angenommen wird, kann der Geschädigte aus culpa in contrahendo das positive Interesse liquidieren, wenn das Rechtsgeschäft bei Hinweis auf die Formbedürftigkeit in der nötigen Form geschlossen worden wär~10• In der Literatur wird zwar die Restriktion des§ 125 durch § 242 BGB in diesen Fällen abgelehnt und eine Wirksamkeit des formnichtigen Geschäfts ausgeschlossen. Aber wie nach der Rechtsprechung kann der in seinem Vertrauen Enttäuschte das Erfüllungsinteresse211 erlangen, wenn bei einer Einhaltung der vorvertragliehen Treupflichten der Vertrag formgerecht abgeschlossen worden wäre212 • Daß bei pflichtgemäßer Aufklärung über die Formbedürftigkeit der Vertrag auch tatsächlich zustande gekommen wäre, hat der geschädigte Teil zu beweisen, denn 208 Nach Medicus, Bürg.R., RdNr.182 und 185 soll zwar der Getäuschte über die Gültigkeit des Vertrages entscheiden können, ohne daß durch die Wahl der vorher ausgehandelte Vertrag mit allen Einzelheiten tatsächlich wirksam werden soll. 209 BGH, WM 1957, 1440, 1441; 1963, 407, 408; 1964, 828, 830 f . NJW 1965, 812, 813; 1975, 43 f. Zur Untragbarkeit reicht nicht aus, daß der Anfechtende den Formmangel ohne Kenntnis der Rechtslage veranlaßte: BGH, NJW 1977, 2072, 2073. - Vgl. jetzt LG München I, JZ 1979, 754, 755 f. zur BGH-Rechtsprechung über den Formmangel wegen fehlerhafter notarieller Beurkundung von Kaufverträgen (BGH, JZ 1979, 602 ff.); dazu aber Aderho~d I Fähndrich, Aktuelle Fragen des§ 313 BGB, BB 1979, 1743, 1748. 210 Im "Kleinsiedlerfall" (BGH, NJW 1965, 812 ff. mit krit. Anm. v. Marschall von Bieberstein 1014 f. = BGHZ 16, 334 ff. = DB 1965, 472 f. = WM 1965, 315 ff.) konnte daher der Grundstückskäufer die Herausgabe des Grundstücks nach § 273 Abs. 1 BGB verweigern. 211 Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, 288 ff.; 301 ff. düferenziert und verlangt für eine Erfüllungshaftung ein besonderes, die "rechtsethische Notwendigkeit" begründetes Werturteil, das sich aus dem Zusammenwirken mehrerer Kriterien ergeben soll. Insbesondere soll die seit dem mißglückten Vertragsschluß eingetretene Entwicklung mit Hilfe des Prinzips des venire contra factum proprium erfaßt werden. 212 Vgl. D. Reinicke, DB 1967, 109, 112; Medicus, Bürg.R., RdNr. 184. Zur Einschränkung auf negatives Interesse s. u. FN 218.

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nur unter dieser Voraussetzung ist dem Schadensersatzberechtigten das Erfüllungsinteresse., sonst das Vertrauensinteresse zu ersetzen. Ob das eine oder andere Maß zur Schadenstilgung anzuwenden ist, richtet sich nach der Kausalität der Pflichtverletzung für die tatsächlich eingetretene Schädigung. Einer Abklärung bedarf es noch, welches Verhalten auf der Seite des Vertrauensgebers vorliegen muß, damit ihm die entstandene Lage als Vertrauensbindung zugunsten seines Gegners zugerechnet werden kann. Es muß genügen, wie Canaris213 richtig sieht, daß der eine Teil beim anderen das Vertrauen auf die Gültigkeit des Vertrages oder die Erfüllung eines Formerfordernisses verhindert hat, "weil er sich selbst in einem schuldlosen Irrtum über die Rechtslage befand", wenn es darum geht, eine Vertrauenshaftung zu begründen. Als Zurechnungskriterium für sie kommt jedes objektiv fehlerhafte Verhalten in Frage, das die spezielle Lage geschaffen hat, aus der de·r Vertragspartner mit Sicherheit auf die Wirksamkeit des Vertragsschlusses vertrauen durfte; notwendig fahrlässig mußte dieses Verhalten nicht sein. Auch das Verbot des venire contra factum proprium ist nicht von vornherein auf ein Verschulden als Zurechnungskriterium beschränkt214• Daß eine Risikozurechnung beim Schadensersatz sehr wohl in Betracht kommt, zeigen die §§ 122 und 179 II BGB. Aus den dort normierten Rechtsfolgen sieht man aber auch deutlich, daß grundsätzlich nur das negative Interesse liquidiert werden kann, wenn der Mangel schuldlos veranlaßt wurde und nicht andere Kriterien für einen Ersatz des Erfüllungsinteresses sprechen215 • Nur unter der Voraussetzung, daß das schuldhafte Verhalten eines Vertragspartners die Einhaltung der vorgeschriebenen Form auch wirklich verhindert hat, ist es gerechtfertigt, dem Schädiger die Berufung auf die Form und ihren Zweck zu verweigern und dem Geschädigten die Erfüllung im Umfang der getroffenen Vereinbarung und unter Wahrung des Formzwecks zu sichern. Ist dagegen das gesicherte Vertrauen nur schuldlos veranlaßt worden, ist der Geschädigte höchVertrauenshaftung, 1971, 296 f. mit FN 32 ff.; 473 ff., 480 ff. Vgl. Staudinger I Weber, § 242 RdNr. D 338 und Soergel I SiebeTt I Knopp, § 242, RdNr. 229. 215 Die Rspr. gewährt zwar grundsätzlich auch bei schuldlosem Verhalten einen Erfüllungsanspruch (vgl. BGHZ 26, 142 = LM Nr. 3 zu § 766 m. Anm. v. Rietschet; WM 1962, 576; weitere Beisp. bei Soergel I Siebert I Knopp, § 242, RdNr. 344), doch müssen zum Selbstwiderspruch noch andere Kriterien dazutreten, die nach Treu und Glauben das Unwerturteil liefern: Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, 301 ff. spricht daher zu Recht von einem "beweglichen Zusammenspiel" der einzelnen Merkmale nach dem Wilburg'schen "Beweglichen System" des "Zusammenspiels der Kräfte im Aufbau des Schuldrechts" (AcP 163, 346 ff.). Bei zusätzlichen Merkmalen, die das Unwerturteil verstärken, sollte man im Einzelfall prüfen, ob die Schutzwürdigkeit nach dem Formzweck gegeben ist (vgl. Medicus, Bürg.R., RdNr. 185), und sich nicht pauschal auf culpa in contrahendo berufen. 213

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D. III. Behebung der Formnichtigkeit durch Abschlußpflicht?

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stens so zu stellen, wie er stünde, wenn er auf die Wirksamkeit des Vertrages nicht vertraut hätteln8 • Warum sich im Falle des Erfüllungsanspruches der Ersatz auf die Mittel beschränken soll, welche die Ersatzbeschaffung eines gleichwertigen Gegenstandes ermöglichen, sich also in einem Geldanspruch in der Höhe des positiven Interesses beschränken soll, wie der BGJ:P17 meint, ist nicht verständlich. Die Argumente, der Abschluß des formgerechten Vertrages "wäre Vertragserfüllung und kein Schadensersatz und würde auf eine Außerkraftsetzung der Formvorschriften des § 313 BGB hinauslaufen", sind nicht stichhaltigll18• Der auf das Erfüllungsinteresse gerichtete Schadensersatzanspruch kann vom Geschädigten nach § 249 BGB in Form der Naturalrestitution219 verlangt werden. Für unseren Fall heißt das Erfüllung des Vertrages und, soweit der formale Vertragsschluß zur Durchsetzung einer Leistung erforderlich ist, Nachholung des fönnlichen Vertrages unter Kontrahierungszwang. 3. Haben beide Vertragspartner die Formbedürftigkeit des Vertrages gekannt und nicht beachtet, wird man mit dem BGH sagen können: "Wer einer ihm bekannten Formvorschrift nicht nachkommt, dem fehlt der Rechtsfolgewille220." Dies gilt freilich nur für den Fall, daß sich die Verhandlungspartner freiwillig und ohne Nötigung dazu bereit gefunden haben, auf die Form zu verzichten. Niemand kann sich dann beklagen, "wenn das Gese·t z (d. h. § 125) in seiner Strenge gegen ihn angewandt wird"=. Trotz Kenntnis der wahren Rechtslage können andere Gründe vorliegen, die den Einwand entkräften, die Verhandlungspartner hätten '218 So jetzt auch Larenz, FS Ballerstedt 1975, 405. Nach BGH, DB 1979, 741 f. wird für unverschuldeten Abbruch von Verhandlungen zu formbe-

dürftigen Verträgen überhaupt nicht gehaftet. 217 NJW 1965, 812, 814 = DB 1965, 472 = WM 1965, 315, 316 f.; WM 1966, 89, 91.

218 So mit Recht Marschalt v. Bieberstein, Anm. zu BGH, NJW 1965, 812 ff., 1014, 1015; D. Reinicke, DB 1967, 109, 112 f.; Soergel I Siebert I Knopp, § 242, RdNr. 357; a. A. (nur negatives Interesse) Flume, Allg. T. II § 15 III 4 c, dd; und jetzt Larenz, FS Ballerstedt 1975, 397, 405.

219 Liquidation des Erfüllungsinteresses in Form des Naturalersatzes ist nur dann ausgeschlossen, wenn sich bei einer Wahlmöglichkeit zwischen Erfüllung und Schadensersatz wegen Nichterfüllung (z. B. §§ 179, 326 BGB) der Berechtigte einmal für den Ersatz des positiven Interesses entschieden hat. Vgl. D. Reinicke, DB 1967, 113. no BGHZ 45, 376 ff. - Vgl. Medicus, Bürg.R. § 9 II 1, RdNr. 181; Gern"". huber, FS Schmidt-Rimpler 1957, 172; Flume, Allg.T. II § 15 III 4 c, bb (zum "Edelmannfall", RGZ 117, 121 ff.): "Wer die Formbedürftigkeit kennt, unterstellt mit dem Abschluß des Geschäftes unter Nichtbeachtung der Form das Geschäft nicht der Rechtsordnung." Diese Formulierung ist zu weit, wenn die Nichtbeachtung unfreiwillig erfolgt; dazu nächste FN. 221 So schränkt mit Recht Larenz, SehR I § 10 III = 124 f. den Fall der beiderseitigen Kenntnis der Formvorschrift ein.

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die Möglichkeiten der Rechtsordnung nicht genutzt, und sich dadurch selbst des gewährten Schutzes begeben. Kann ein Teil den wirksamen Vertragsschluß gegen den Partner nicht durchsetzen, weil sein Partner eine Machtstellung ausnutzt, oder Druck ausübt=, wird man ohne Bedenken den Erfüllungsanspruch gegen diesen Partner durchsetzen lassen, wenn aus der Lage der Umstände ein Verzicht auf die Vomahme des Geschäfts nicht zuzumuten ist2211 • Damit werden zur Beurteilung des Falles zusätzliche Voraussetzungen eingeführt, die zur Vertrauenshaftungkraftwidersprüchlichen Verhaltens dazutreten müssen224• Diese Kriterien225, durch die die Funktionsfähigkeit der Privatautonomie beeinträchtigt wird, bewirken, daß für die Erfüllung einer wenn auch rechtsunwirksam versprochenen Leistung einzustehen ist.

E. Analoge Erweiterung einer Abschlußpflicht aus Grundrechtswertungen in Sonderprivatrechten I. Zwang zur Aufnahme in Vereine und Verbände Eine gesetzliche Bestimmung, nach der die Aufnahme in Vereine und Verbände unmittelbar erzwungen werden kann, findet sich in§ 27 GWB für Wirtschafts- und Berufsvereinigungen. Nach Abs. 1 dieser Wettbewerbsnorm kann die Kartellbehörde auf Antrag des betroffenen 222 Auf diese zusätzlichen Voraussetzungen verweisen Larenz, SehR I § 10 III = 124 und Canaris, Vertrauenshaftung 1971, 352 ff. 223 Im "Königlicher Kaufmann-Fall", BGHZ 48, 396 ff. = NJW 1968, 39 ff. mit Anm. v. Reinicke, war es dem Kl. "nahezu unmöglich, auf der Einhaltung der gesetzlichen Form zu bestehen", weil er das gegen seinen früheren Prinzipal und Inhaber einer so angesehenen Firma nicht ohne das Risiko, auf das Geschäft verzichten zu müssen, verlangen hätte können. Zudem war er zur ordentlichen Führung seines Geschäftes auf das Grundstück angewiesen. Larenz, SehR I, 124 FN 4 sieht darin einen Grenzfall; gegen die E.: Reinicke o. Anm.; ders., Rechtsfolgen formwidrig abgeschlossener Verträge, 1969, 45 f. und Medicus, Bürg.R., RdNr. 181. Für Richtigkeit der E., aber gestützt auf Vertrauenshaftung, ergänzt durch die angeführten Kriterien: Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, 354 f. 224 Auch bei der Hofübergaberechtsprechung des BGH (BGHZ 12, 286; 23, 249; DNotZ 1956, 134; NJW 1958, 377; MDR 1959, 290) sind es die sozialen Situationen (Unmöglichkeit des Abstandnehmens bei jahrelanger Arbeitsleistung; Ausschlagung anderer Geschäfte = Hofübernahmen; Ausscheiden aus Verwalterstellung; Existenzverlust u. a.), durch die selbst das Vertrauen auf den künftigen Vertragsschluß geschützt wird. Denn wer einen Hof übernehmen soll, kann den sofortigen wirksamen Vertragsschluß regelmäßig nicht erzwingen. So mit Recht Canaris, Vertrauenshaftung, 1971, 360: Es fehlen "die immanenten Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie - d. h. vor allem die faktische Freiheit des Verhandelns." 225 Sie fehlen in der E BGH, NJW 1969, 1167. Mit dem Hinweis auf die Rspr. des BGH zu § 242 BGB haben Kl. und Bekl. den Vertrag "der Rechtsordnung unterstellt", wie Reinicke, ebenda 1168, mit Recht hervorhebt, aber der Kl. hatte keinen Erfüllungsanspruch, weil er "nicht von einer gesicherten Rechtsstellung ausgehen" konnte (1170).

E. I. Zwang zur Aufnahme in Vereine und Verbände

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Unternehmens die Aufnahme in die Vereinigung anordnen, wenn die Ablehnung eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen oder zu einer unbilligen Benachteiligung im Wettbewerb führen würde. Außerhalb dieser Spezialnorm228 ist im Vereinsrecht allgemein anerkannt, daß sich aus der im Art. 9 Abs. 1 GG festgelegten positiven Vereinigungsfreiheit ein Recht auf Vereinsautonomie und eine eigenverantwortliche Selbstverwaltung herleiten läßt, und sich daraus wieder ein freies Ermessen für Vereine und Verbände ergibt, unter welchen satzungsmäßigen Voraussetzungen sie Neuaufnahmen zulassen wollen=. Hat man bis zum Ende der sechziger Jahre einen allgemeinen Anspruch, in einen Verein oder Verband aufgenommen zu werden, selbst dann nicht anerkannt, wenn der Aufnahmewerber die satzungsmäßigen Aufnahmebedingungen erfülltet28, so durften sich Verbände mit Monopolstellung einer Bewerbung um Aufnahme dann nicht entziehen, wenn der Bewerber den satzungsgemäß gestellten Bedingungen entsprach2219 • Selbst dem Monopolverband verblieb immer noch die Möglichkeit, durch Satzungsänderung die Aufnahme zu steuern und zu entscheiden, ob er den Außens·eiter aufnehmen wollte oder nicht230• Ein Kontrahierungszwang war nur im Rahmen der oben dargestellten Formel des RG gegeben: Der Monopolist handelt sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB, wenn er sich beim Angebot von lebenswichtigen Gütern oder Leistungen der Daseinsvorsorge auf eine Abschlußfreiheit berufen will. Nur der Inhaber eines rechtlichen oder faktischen Monopols war innerhalb dieser Grenzen zur gleichmäßigen Bedienung aller Interessenten verpflichtet. Eine Änderung in der Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung über den Schutz der Aufnahmewerber gegenüber der Verbands228 Die gesellschaftsrechtliche Aufnahmefreiheit kann aber auch durch das Diskriminierungsverbot des § 26 II GWB und einen daraus abgeleiteten wettbewerbsrechtlichen Aufnahmeanspruch beschränkt sein: vgl. den Taxigenossenschaftsfan BGH WM 1977, 1257 = DB 1978, 151. Die Aufnahme über § 35 iVm. § 26 li GWB und § 249 BGB muß das einzige Mittel zur Diskriminierungsbeseitigung sein: Beuthien, Gesellschaftsrecht und Kartellrecht, DB 1978, 1625, 1628 f., 1682. 227 Vgl. Wittkämper, Grundgesetz und Interessenverbände, 1963, 77 f.; Staudinger I Coing, § 21 Vorb. 5 h; Soergel I Schultze-v. Lasaulx, § 38 RdNr. 10, 12; § 25 RdNr. 15; Leßmann, Die öffentlichen Aufgaben und Funktionen privatrechtlicher Wirtschaftsverbände, 1976, 263. 226 Vgl. Lehmann I Diez, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 1970, 257; Staudinger I Coing, §58 RdNr. 2; RGZ 60, 94, 103. = Vgl. Frankf. Komm. § 27 Tz 54. 23° Karsten Schmidt, Der Zivilrichter als "Schöpfer" und "Vollstrecker" wirtschaftsrechtlicher Normen, JZ 1977, 97, 99 f. findet gegen diese "traditionelle Rechtsprechung" (RGZ 106, 120, 122; BGH WuWIE BGH 389 = Berufsboxer) die folgende Entwicklung "problematisch".

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macht zeichnete sich im "Landessportbund-Urteil" des Kartellsenats des BGH vom 14. 11. 1968m ab. Der Senat weist ausdrücklich auf denkbare Fälle hin, in denen trotz entgegenstehender Satzungsbestimmungen ein Aufnahmeanspruch bestehen kann. Zwar könne auch dem Verband mit Monopolstellung, meint der Kartellsenat, kein Vorwurf sittenwidrigen Verhaltens gemacht werden, wenn er an seiner Satzung festhält, sofern nur dem Bewerber eine Anpassung an die Satzung zurnutbar ist. Aus diesem letrlen Zusatz konnte aber gefolgert werden, daß der Verband dann nicht an seinen Aufnahmebedingungen festhalten darf, wenn für den Bewerber die Zumutbarkeitsgrenze überschritten wird. In dieser Abwägung des Gerichtes, ob eher die Interessen des Verbandes oder die des Aufnahmewerbers zu berücksichtigen sind232, liegt eine Abkehr von dem bis dahin eingenommenen Standpunkt, der den eine Aufnahme ablehnenden Verband bevorzugte. Jedenfalls verdient seither eine Satzungsänderung zur Abwehr ungewollter Aufnahmewerber keinen Schutz und ist beim Monopolisten als sittenwidriges Verhalten zu qualifizieren. Mit dem Urteil vom 2. 12. 1974233 hat der Zweite Zivilsenat des BGH die bisherige Entwicklung!M zu einem Höhepunkt und wohl auch zu einem vorläufigen Abschluß gebracht; die Einstellung zur Frage eines Aufnahmezwanges für Vereine und Verbände wird grundlegend geändert: Der "Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität e. V." verfolgte mit seiner Klage gegen den "Deutschen Sportbund e. V." das Ziel, als zweite Spitzenorganisation (neben dem "Bund deutscher Radfahrer e. V.") beim beklagten Verband aufgenommen zu werden. Mit der Begründung, die Aufnahme dürfe "nicht zu einer- im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern - sachlich nicht gerechtfertigten ungleichen Behandlung und unbilligen Benachteiligung eines die Aufnahme beantragenden Bewerbers führen", hat der erkennende Senat eine neue, "an die Vorschrift des§ 826 BGB und an die Tatbestandselemente des § 27 GWB angelehnte Formel" entwickelt. Wie schon im "Segler-Kollektiv-Urteil"'!M, bildet § 826 BGB die dogmatische Grundlage: Der Begriff der Sittenwidrigkeit wird vom Geut NJW 1969, 316.

Seither werden Gesellschaftsverträge zur Ermittlung dieser Interessen einer Inhaltskontrolle unterzogen: vgl. BGH NJW 1975, 1318. Dazu ausführlich H. P. Westermann, Kautelarjurisprudenz, Rechtsprechung und Gesetzgebung im Spannungsfeld zwischen Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, AcP 175, 375, 407 ff. 233 63, 282 = NJW 1975, 771 = WM 1975, 269 = WuW/E BGH 1347 "Radund Kraftfahrerbund". 234 Ausführliche Darstellung bei Nicklisch, Der verbandsrechtliche Aufnahmezwang und die Inhaltskontrolle satzungsmäßiger Aufnahmevoraussetzungen, JZ 1976, 105 ff. und Teubner, Organisationsdemokratie und Verbandsverfassung, 1978, 266 ff. 232

E. I. Zwang zur Aufnahme in Vereine und Verbände

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richt als Maßstab für jene Wertungen herangezogen, die der Gesetzgeber unter "verfassungskonformer" Auslegung der Grundrechte in ähnlichen Fallsituationen vorschreibt. Daß grundgesetzliche Wertentscheidungen Leitmaximen darstellen, die eine anloge Rechtsfortbildunr rechtfertigen, entspricht durchaus den Auffassungen in der neueren Grundrechtstheorie. Insofern bildet das Urteil des BGH ein am Gleichheitssatz und am Sozialstaatsprinzip orientiertes Beispiel analoger Anwendung eines vom Gesetzgeber in eine sonderprivatrechtliche Norm rezipierten Grundrecht;s%37 • Die Richter standen hier vor der Aufgabe, im Rahmen der Auslegung der Gute-Sitten-Klausel des allgemeinen Privatrechts, Spannungsverhältnisse zwischen Grundrechtswertungen lösen zu müssen. Die nach Art. 9 GG geschützte Autonomie des Verbandes lag in Wertungskonkurrenz zur Handlungs- und Vertragsfreiheit, also der autonomen Entfaltungsfreiheit des Bewerbers, die ihrerseits grundrechtliehen Schutz nach Art. 2 Abs. 1 GG verdient. Das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis mußte mit Rücksicht auf den Grundrechtsschutz der Gleichheit und unter Beachtung der Machtverhältnisse im Zusammenhang mit dem Prinzip sozialen Schutzes bewertet werden238 •

Der Rechtsprechung ist allerdings die Suche nach einer Lösung durch unmittelbare, eigene Grundrechtsbewertung verwehrt, wenn sie auf präjudizielle Entscheidungen des Gesetzgebers zurückgreifen kannll"39• Für den BGH lag es daher nahe, auf den Vorschlag von Birk~0 einzugehen und die in § 27 Abs. 1 GWB zugrundegelegten Wertungen durch ähnliche Tatbestände des allgemeinen Privatrechts dadurch zu aktualisieren, daß man die durch das GWB vorgegebene Beschränkung der Norm auf den Schutz der Wettbewerbsfreiheit unbeachtet ließ. Durch diese %35 BGH, U v. 5. 7. 73 KZR 16/72- NJW, 1973, 1973. Der in unserem Zusammenhang interessierende Teil der Urteilsbegründung ist in der NJW nicht abgedruckt. Siehe dazu NickHsch, JZ 1976, 105, 106. Zu den Kriterien jetzt BGH, NJW 1980, 186 f. mit Anm. v. Redeker. 236 Neben den Abwehrrechten gegen den Staat. Vgl. Reuter in Münchner Komm., Vor § 21, RdNr. 111 und Nicklisch, JZ 1976, 108 mit weiterer Lit. zum "Doppelcharakter" bei NF 27 f. ll"37 Vgl. Larenz, Methodenlehre, 3. Aufl. 1975, 329 ff., insb. 330 und 391 ff.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969, 97 ff. 238 Auch weitere Grundrechtswertungen können in Konkurrenz zur Vereinsfreiheit treten: vgl. Nicklisch, JZ 1976, 109. Zur wechselseitigen Beschränkung bei kollidierenden Grundrechten vgl. auch Franzen I Giessen, Einzelhandel und Nachfragemacht, BB 1978, 1642, 1646. 239 Vgl. Käppler, Voraussetzungen und Grenzen dispositiven Richterrechts, 1977, 27 f. und Reuter in Münchner Komm., Vor § 21, RdNr. 111 a. E. ! 4o Der Aufnahmezwang bei Vereinen und Verbänden, JZ 1972, 343 ff.; seiner Ansicht folgen auch Nicklisch, JZ 1976, 107; Palandt-Heinrichs, § 25 Anm. 3 e. Leßmann, Die öffentlichen Aufgaben und Funktionen privatrechtlieber Wirtschaftsverbände, 1976, 266 ff. nimmt darüber hinausgehend gegenüber Wirtschaftsverbänden einen Aufnahmeanspruch als subjektives Recht an. Dazu H. Herrmann, AcP 1978, 77.

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1. Teil: Bundesrepublik Deutschland

Ausdehnung konnte folgender Maßstab zur Auslegung der guten Sitten in der Generalklausel des § 826 BGB gewonnen werden: Eine sittenwidrige Ablehnung eines Aufnahmeantrages2'1 in einen Verband liegt nicht nur dann vor, wenn eine Monopolstellung mißbraucht wird, sondern schon bei einer im Verhältnis zu bereits aufgenommenen Mitgliedern sachlich nicht gereclltfertigten Ungleichbehandlung oder einer unbilligen Beeinträchtigung von Bewerberinteressen. Ob dabei im Einzelfall eine "unbillige Benachteiligung" im Sinne des § 27 GWB vorliegt, ergibt sich aus einer Abwägung zwischen den Interessen des die Aufnahme verweigernden Verbandes und denen des Bewerbers. Ein Aufnahmezwang besteht somit regelmäßig bei entgegenstehender satzungsmäßiger Aufnahmebeschränkung, wenn "deren sachliche Bereclltigung zu verneinen und die Zurückweisung des Bewerbers unbillig ist" 242 • Können aber die vom Bewerber erstrebten Vorteile auch ohne Mitgliedschaft, z. B. durch "mildere" Satzungsbestimmungen vermittelt werden, so ist das in der Interessensahwägung zu berücksichtigen und ein Aufnahmezwang - als äußerstes Mittel - nicht anzuordnen243• 11. Integrationswirkung des Diskriminierungsverbots

Nicht nur zur Beurteilung der Frage eines Aufnahmezwangs in Vereine und Verbände greift der Richter zur Auslegung der bürgerlichrechtlichen Generalklauseln auf Wertungen zurück, die der Gesetzgeber den sonderprivatreclltlichen, hier wirtschaftsrechtlichen, Normen zugrundegelegt hat. Ein weiteres Beispiel für die Rückwirkung einer Kartellreclltsnorm auf Tatbestände des allgemeinen Privatrechts ist die Beurteilung eines Kontrahierungszwangs nach§ 826 BGB unter Heranziehung der in § 26 Abs. 2 GWB festgelegten Kriterien-. Daß heute die Einschränkung eines Kontrahierungszwanges zu Lasten von Monopolunternehmen, die Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen oder andere mit lebenswichtigen Gütern versorgen, nicht mehr aufrecht zu halten ist245 , wurde oben dargelegt. Das Diskriminierungsver241 Vom Ausschluß aus Vereinen und Verbänden ist hier nicht zu handeln, obwohl enge Zusammenhänge mit der Aufnahmeproblematik bestehen: vgl. Löwisch, Der Einfluß der Gewerkschaften auf Wirtschaft, Gesellschaft und Staat, RdA 1975, 53, 57; Nicklisch, JZ 1976, 106; BGH, NJW 1973, 35. 242 BGHZ 63, 282, 285. Eingehend zu den materiellen Kriterien, die bei der Interessenahwägung Berücksichtigung finden: Nicklisch, JZ 1976, 110 ff. und jetzt BGH, NJW 1980, 186 - Anwaltsverein, mit Anm. von Redeker GRUR 1979, 789 mit Anm. von Gaedertz. 243 BGHZ 63, 282, 286, 293; Erman I Schultze-v. Lasaulx, § 38, RdNr. 15. 2 " Wie schon Teubner, Standards und Direktiven in Generalklauseln, 1971, 117 f. hervorgehoben hat, ist es die Aufgabe des Richters, im Zuge sozialen Wandels gesellschaftliche Wertvorstellungen "in rechtliche Verhaltensnormen zu transformieren".

E. II. Integrationswirkung des Diskriminierungsverbots

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bot für marktbeherrschende Unternehmen und, in der Erweiterung des § 26 Abs. 2 S. 2 für marktstarke Anbieter und N achfrager, von denen die Marktgegenseite ohne ausreichende und zurnutbare Ausweichmöglichkeit abhängig ist, ist eine wirtschaftspolitische Entscheidung des Gesetzgebers zur Begrenzung der Handlungsfreiheit dieser Unternehmenm. Diese Entscheidung ist im Prinzip nur eine konsequente Weiterführung des Gedankens, der auch zur Einengung der Vertragsfreiheit beim Monopolisten geführt hat: Die Vermachtung des Marktes führt zur Beseitigung der Handlungsfreiheit beim Marktgegner und Mitbewerber und rechtfertigt schon deshalb einen vorbeugenden Eingriff. Alle Unternehmen also, die andere mit lebenswichtigen Gütern versorgen, sind schon dann als "Monopolisten" unter§ 826 BGB zu subsumieren, wenn den abschlußwilligen Partnern keine ausreichenden und zurnutbaren Ausweichmöglichkeiten offenstehen. Mehr noch, als die Berufung auf eine "Abhängigkeit" die Auslegungskriterien des § 826 BGB hinsichtlich der Monopolstellung erweiterte, ist eine Wertverschiebung bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit festzustellen. Zwar wurde für den Sittenverstoß nach § 826 BGB kein Bewußtsein der Sittenwidrigkeit verlangt-247 , doch mußte verwerfliche Gesinnung als subjektives Element vorliegen, oder doch in Kenntnis der vorwertbaren Tatsachen gehandelt worden seinus. Bei der mißbräuchlichen Ausnutzung der Monopolstellung verzichtet der BGIP49 auf ein Verschulden bezüglich des Sittenverstoßes und auf eine verwerfliche Gesinnung, doch muß das Monopolunternehmen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Tatumstände gekannt haben, die aus objektiver Sicht das Vorgehen als Verstoß gegen die guten Sitten erkennen lassen. Weil aber der aus dem Diskriminierungsverbot des§ 26 Abs. 2 GWB abgeleitete Kontrahierungszwang weder Unrechtsbewußtsein noch Tatsachenkenntnis erfordert, hat Mestmäckeruo verlangt, den Sittenbegriff zu objektivieren, ihn an den Mißbrauchsbegriff des GWB anzunähern und auf die subjektiven Elemente zu verzichten. Wie· man die objektive Ausnutzung einer marktbeherrschenden oder einer marktstarken Stellung als Mißbrauch im kartellrechtlichen Sinn bewertet und eine AbSo noch Palandt I Thomas, § 826 Anm. 8 j. Vgl. Kilian, Diskriminierungsverbot und Kontrahierungszwang für Markenartikelhersteller, ZHR 142 (1978), 453, 483. 247 Vgl. Palandt I Thomas, § 826 Anm. 3 b; WuWIE BGH 1192, 1193. Ms Vgl. Rink, FS Wieacker 1978, 476, 480, 484. 249 LM Nr. 4 zu § 138 (Ce). Dazu und zu den Elementen der Sittenwidrigkeit vgl. Mayer-Maly in Münchner Komm. § 138 RdNr. 22 ff., insbes. 23. 250 Über das Verhältnis des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen zum Privatrecht, AcP 168, 235, 254, 256. So jetzt auch Soergel I Hefermehl, § 138, RdNr. 39 und 86. 245

Ms

1. Teil: Bundesrepublik Deutschland

schlußverweigerung nur bei Vorliegen eines sachlich gerechtfertigten Grundes zuläßt, kann auch ein nach Deliktsrecht des BGB zu beurteilendes Rechtsgeschäft aus rein objektiven Gründen schon nach seinem Gesamtcharakter sittenwidrig sein261 • Der BGH hat in ständiger Rechtsprechung das im § 26 Abs. 2 GWB enthaltene Diskriminierungsverbot als Individualschutz zugunsten des Diskriminierten betrachtet und somit den Leitgedanken einer Förderung des Leistungswettbewerbs in den Hintergrund treten lassen=. Nichts anderes als die Abwehr einer Ausnutzung einer Machtposition liegt aber dem Kontrahierungszwang zu Lasten des Monopolisten nach § 826 BGB263 zugrunde. Nicht moralisch vorwerfbares Verhalten des Marktmächtigen soll verhindert werden, sondern die Privatautonomie muß für diejenigen eine Beschränkung erfahren, deren objektive Stellung die nach der Grundrechtsbewertung zu schützende Selbstbestimmung des Partners beeinträchti~.

Der Kontrahierungszwang nach dem Kartellrecht geht somit nicht wesentlich weiter als der nach dem allgemeinen Privatrecht. Die Wertungen, die den Gesetzgeber zur Ausgestaltung des Sonderprivatrechts bewogen haben, sind auf die Bewertung der Ansprüche, die sich auf zivilrechtliche Generalklauseln stützen, analog zu übertragen. Die vom Gesetzgeber bei kollidierenden Grundrechten gefundene Lösung wird auf diese Weise als Wertentscheidung im allgemeinen Privatrecht nutzbar gemacht. Daß es "eine Vertragsfreiheit in Wahrheit nicht gibt", wie Zweigenus behauptet, konnte bei der Suche nach den Grenzen eines Kontrahierungszwanges nach deutschem Privatrecht nicht festgestellt werden. Tatsächlich wird aber die ehedem zum Prinzip erhobene grenzenlose Individualfreiheit zum Abschluß von Verträgen dadurch in die Schran251 Das Vorliegen subjektiver Vorwurfselemente wird bei besonders starker Äquivalenzstörung fingiert: MayeT-Maly in Münchner Komm. § 138, RdNr. 31; Soergel I HejeTmehl, § 138, RdNr. 39 und Hackl, Äquivalenzstörung und Sittenwidrigkeit, BB 1977, 1412 ff. zn Vgl. Kilian, ZHR 142, 481. 253 Zum Aufbau eines deliktsrechtlichen "beweglichen Systems", das durch Haftungselemente des Sonderprivatrechts ergänzt wird und negatorische Ansprüche auch ohne die vollen subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB und ohne "Schutzgesetzverletzung" begründet: Merlens, Deliktsrecht und Sonderprivatrecht - Zur Rechtsfortbildung des deliktischen Schutzes von Vermögensinteressen, AcP 178, 227, 228 ff., 234 ff., 242 ff., 251 f. 2114 Der Mißbrauch der marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung als Diskriminierungstatbestand des § 26 II GWB ist jedenfalls nicht anders zu bewerten als der Mißbrauch der Monopolstellung. Anders Rink, FS Wieacker 1978, 484, der in der Belastung des privatrechtliehen Sittenverstoßes mit einem subjektiven Element eine "wohl überlegte Entscheidung des Gesetzgebers" sieht. Ähnlich KaTsten Schmidt, DRiZ 1977, 99 f., vgl. aber MeTtens, AcP 178, 232 f., 258. 255 "Rechtsgeschäft" und "Vertrag" heute, FS Rheinstein 1969, 493, 504.

E. II. Integrationswirkung des Diskriminierungsverbots

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ken gewiesen, daß die in der Grundrechtsdiskussion neuerdings hervorgekehrten Individualpflichten2S8 auch bei der Konkretisierung der zivilrechtlichen Generalklauseln Anwendung finden. Die Pflicht des einzelnen, von ihm selbst in Anspruch genommene Freiräume des Rechts auch dem Partner zuzugestehen, hemmt die vertragliche GestaltungS>freiheit, begünstigt den Durchbruch sozialer Wertungen267 und hilft, durch die Beschränkung von Machtmißbrauch Äquivalenzstörungen zu verhindem und damit Vertragsgerechtigkeit durchzusetzen.

2 58 Dazu überzeugend Fechner, Einige Bemerkungen zur Herkunft und zur Gegenwartslage des sozialen Rechtsstaats, Rechtstheorie 1978, 466, 469 ff.: "Die in der Verfassung verankerte Sozialverpflichtung ... umfaßt zugleich den Pflichtenkatalog des Bürgers, die individuelle Freiheit zu gebrauchen im Respekt vor der individuellen Freiheit aller anderen und dem Staat zu geben, was des Staates ist." (S. 469) "Verabsolutierte Freiheit ... führt ... zur Vergewaltigung der Schwachen (Sozialstaat am Nullpunkt)." (S. 470). 257 Zur "doppelten Instrumentalität" des Wirtschaftsrechts, neben der Organisation der wettbewerbliehen Selbststeuerung der Marktwirtschaft deren sozialstaatliche Elemente zu verstärken, vgl. Reich, Markt und Recht Theorie und Praxis des Wirtschaftsrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 1977, 64 f.

5 Hackl

2. TEIL

Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang in Österreich A. Grundlagen In den Notsituationen der Weltkriege, in denen ein freies Spiel der Kräfte eines freien Marktes in vielfacher Weise versagen mußte, brauchte man den Zwang des Staates, um die Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgütern des täglichen Lebens, aber auch die der Industrie mit Arbeitskräften und den notwendigen Rohstoffen sicherzustellen. Zwar konnten in den Nachkriegsjahren die öffentlich-rechtlichen Bewirtschaftungsmaßnahmen, wie Kauf- und Verkaufsverpflichtungen, Beschaffung von Arbeitskräften, Bereitstellung von Arbeitsplätzen und Wohnraum und dergleichen, in verhältnismäßig kurzer Zeit wieder aufgehoben und dazu übergegangen werden, daß Güter und Dienstleistungen grundsätzlich wieder nach privatrechtliehen Formen ausgetauscht wurden. Gerade der schrittweise Übergang von einem Zwangsverteilungssystem zu einer marktwirtschaftliehen Ordnung, die Ungleichgewichtslagen nur in sehr engen Grenzen verträgt, bedarf jedoch der staatlichen Intervention zugunsten der schwächeren Gruppen so lange, bis sich durch Konkurrenzverhältnisse ein automatischer Machtausgleich zwischen den Trägem wirtschaftlicher Macht einstellt. Solange also noch kein Machtgleichgewicht zwischen den die moderne Wirtschaftsgesellschaft bildenden Gruppen vorherrscht, wird nur diejenige Gruppe für eine Freiheit vom Staat eintreten, die die Interessen von Leuten vertritt, die Teile des Marktes beherrschen oder Marktmacht ausüben können. Für die anderen Gruppen ist dagegen eher der Ruf nach der vom Staat zu sichemden Freiheit aktuell. Soll eine wirtschaftliche Gesamtordnung geschaffen werden, die von den beteiligten Gruppen auch nur annähernd als gerecht und damit akzeptabel empfunden wird, ohne daß man nach dem Muster einer Zentralverwaltungswirtschaft alle bestimmenden Verhältnisse der einzelnen Gruppen zueinander exakt festlegen wollte, so hat der Staat zumindest dann regulierend einzugreifen, wenn aufgrund von Machtungleichgewichten die Vertragsfreiheit einseitig aufgehoben wird. "Der Staat wird erforderlich als Garant des Interessenausgleichs" 1 • 1 Nußbaumer, Gesellschaftliche Verflechtung in der Wirtschaft, Fragen des sozialen Lebens- Vergesellschaftung und Freiheit, 1966, 76, 83.

A. Grundlagen

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Aus den dargestellten Schwierigkeiten, die sich in einer Übergangsphase aus kriegsbedingter Zwangsbewirtschaftung besonders kraß zeigen, ist es verständlich, daß sich auch in Österreich die Lehre NippeTdeys durchgesetzt hat: Wer bei der Versorgung der Bevölkerung mit lebenswichtigen Gütern eine Monopolstellung innehat, handelt sittenwidrig, wenn er einzelne ohne zwingenden Grund von der Versorgung ausschließen oder sie willkürlich zu ungleichen oder unangemessenen Bedingungen beliefern will. Ob diese Sondersteilung mangels Konkurrenz (bei einem faktischen Monopol) oder aufgrund einer öffentlichrechtlichen Alleinstellung (durch ein gesetzliches Monopol) erlangt wurde, spielt dabei keine Rolle. Die Abschluß- oder Lieferverweigerung des Monopolisten fügt dem Nachfrager in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise Schaden zu. Dieser Schaden soll durch den erzwungenen Vertragsschluß verhütet werden. Schon bevor Nipperdey seine grundlegenden Erörterungen zum Kontrahierungszwang veröffentlicht hatte, wurde dann eine Pflicht zum Vertragsschluß anerkannt, wenn der Staat selbst durch Anordnung eines Benutzungszwangs eine Monopolstellung erreichte. So hat man beispielsweigel! aus dem ausschließlichen Recht des Staates (der Post), Briefe und periodische Schriften zu befördern (Postregal), abgeleitet, daß daraus die Verpflichtung erwächst, solche Sendungen bei Einhaltung der allgemeinen Bedingungen anzunehmen (Kontrahierungszwang) und die zur Beförderung notwendigen Einrichtungen zu betreiben (Betriebspflicht). Das damals geltende Postgesetz von 1837 hatte zwar den Benutzungszwang, nicht aber die Beförderungspflicht des Staates bestimmt. Wie das neue Postgesetz von 1957 (§ 6) enthalten eine Vielzahl anderer moderner Gesetze eine Abschluß- und Betriebspflicht zu Lasten des Staates, wenn dieser sich durch Anordnung eines Benutzungszwanges eine Monopolstellung verschafft. Der eben dargestellte Kontrahierungszwang des Staates ist heute selbst dann unbestritten und durch Analogie zu begründen, wenn im Zusammenhang mit der gesetzlich geschaffenen Vorzugsstellung eine Abschlußpflicht einmal nicht normiert ist. Dagegen ist ein Kontrahierungszwang als ein Mittel, um Schäden für andere Inhaber einer Vormachtstellung zu verhüten, nicht allgemein anerkannt. Bevor man auf die Fragen eingehen kann, innerhalb welclJ.er Grenzen eine Rechtspflicht zur Schadensverhütung durch Vertragsschluß oder Lieferung besteht, wem eine derartige Verpflichtung auferlegt werden kann und mit welchen dogmatischen Mitteln ein derartige Leistungsgebot zu stützen ist, sind gesetzliche Anordnungen zum privatrechtliehen Kontra2 Köstler, Postgesetz und Postordnung, 1917, 5; schon vorher Nawiasky, Deutsches und österreichisches Postrecht, 1. Teil, 1909, 74 ff. Zur Entwicklung vgl. Schaginger I Trpin, Postgesetz und Postordnung, 1958, 29 f.

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2. Teil: Osterreich

hierungszwang darzustellen und deren Auswirkung auf die vorgelegten Fragen zu erörtern. I. Die Kontrahierungspflicht nacll dem Nahversorgungsgesetz 1977

Das ABGB kennt nur einen Fall der vertraglichen Abschlußpflicht: Unter Bestimmung eines Abschlußzeitpunktes und der wesentlichen Punkte des Hauptvertrages kann sich nach§ 936 ABGB die eine Partei oder beide Parteien verpflichten, einen Vertrag abzuschließen. Die sich aus diesem Vorvertrag ergebende Kontrahierungspflicht bildet allerdings keine Beschränkung der Vertragsfreiheit, sondern ergibt sich aus der den Parteien offenstehenden Möglichkeit, sich durch privatautonome Gestaltung vorzeitig eine Verbindlichkeit aufzuerlegen, die sonst erst mit Abschluß des Hauptvertrages eintritt. Stellt somit der Vorvertrag keinen echten Fall eines Kontrahierungszwanges dar, weil die Abschlußpflicht auf der freien Willenseinigung der Parteien beruht:', so ordnet jetzt § 4 des Gesetzes zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen eine Lieferpflicht unter Aufhebung der vertraglichen Abschluß- und Gestaltungsfreiheit zugunsten bestimmter Unternehmer an: § 4 (1) Satz 24 NVG: Unternehmer, die üblicherweise an Letztverkäufer liefern, können zum Vertragsabschluß verpflichtet werden, wenn durch die Nichtbelieferung eines Letztverkäufers die Nahversorgung gefährdet oder die Wettbewerbsfähigkeit des Letztverkäufers bei derjenigen Warengattung, zu der die nichtgelieferte Ware gehört, wesentlich beeinträchtigt wird. (2) Die Nahversorgung ist dann gefährdet, wenn es einer maßgeblichen Zahl von Verbrauchern nicht möglich ist, die zur Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des täglichen Lebens dienenden Waren unter zurnutbarem Zeit- und Kostenaufwand ohne Benützung eines Kraftfahrzeuges oder öffentlichen Verkehrsmittels zu kaufen. (3) Die Lieferpflicht ist gegen Zahlung Zug um Zug und unter Bedachtnahme auf die Bedingungen, die vergleichbaren Letztverkäufern gewährt werden, sowie unter Berücksichtigung der Liefermöglichkeit des Lieferanten anzuordnen. (4) Eine solche Lieferpflicht darf insbesondere in den Fällen nicht angeordnet werden, in denen die Belieferung a) dem Lieferanten wirtschaftlich unzumutbar ist oder b) gegen ein Gesetz oder gegen die guten Sitten verstoßen würde.

(5) Die Lieferpflicht ist auf Antrag zu widerrufen, wenn die für ihre Anordnung maßgebenden Gründe weggefallen sind. Wird die Existenz von Mitbewerbern durch die Lieferpflicht wesentlich beeinträchtigt, so ist diese auf Antrag einzuschränken oder zu widerrufen. 3 Dazu eingehend Bucher, Die verschiedenen Bedeutungsstufen des Vorvertrages, Berner FG z. Schw. Juristentag 1979, 169 ff. 4 Zum mißverständlichen und somit verunglückten Einleitungssatz über die allgemeine Abschlußfreiheit der Unternehmer s. unten B I.

A. I. Die Kontrahierungspflicht nach dem NVG

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Diese Regelung ist die Reaktion des Österreichischen Gesetzgebers auf jene strukturellen Veränderungen, die im Groß- und Einzelhandel durch Schaffung von Selbstbedienungsgroßmärkten und Einkaufszentren außerhalb des verbauten Gebietes der Städte und der daraus entstandenen Verdrängung bisheriger Handelseinrichtungen6 geschaffen wurde. Mit diesen Erscheinungen ist die Gefährdung eines leistungsgerechten Wettbewerbs durch Ausübung von Marktmacht eng verbunden8. Man hat mit der gesetzlichen Regelung jene Verzerrung des Wettbewerbs in den Griff zu bekommen versucht, der man in der Bundesrepublik Deutschland mit der Erweiterung des Diskriminierungsverbotes in § 26 Abs. 2 GWB in der Kartellgesetznovelle 1973 zu Leibe gerückt ist. Freilich- dies will wenigstens Straberger1 dem Gesetzestext und dem Bericht des Handelsausschusses entnehmen - soll die Österreichische Regelung im Umfang enger begrenzt sein und nicht alle jene Fälle erfassen, bei denen nach dem deutschen Kartellrecht ein Kontrahierungszwang ausgesprochen werden kann. Auf die Frage nach dem Umfang der Aufhebung der Vertragsfreiheit durch die Anordnung einer Lieferverpflichtung nach dem Nahversorgungs- und Wettbewerbsordnungsgesetz ist noch zurückzukommen (unten C III). Schon hier aber ist der Hinweis angebracht, daß durch diese gesetzliche Regelung ein völlig neuer Aspekt in die Diskussion über die Frage der Einschränkung der Vertragsfreiheit zum Schutze gegen unsittliche Ausübung von Marktmacht hineingetragen worden ist. Bisher hat man eine Kontrahierungspflicht regelmäßig nur dem Monopolisten oder dem Marktmächtigen auferlegt, der unter sittenwidriger Ausnutzung seiner Macht den Vertragsschluß mit Partnern auf der Marktgegenseite verweigert. Dagegen ist Schutzobjekt mich dem NVG nicht nur der verhinderte Vertragspartner, d er in seiner Dispositionsmöglichkeit durch die Übermacht des anderen eingeschränkt wird, sondern ein Dritter: der Letztverbraucher, der Konsument. Da nachfragestarke Einkaufssupermärkte am Rande der Ballungszentren unter Ausnützung des Nachfragepotentials Einkaufsbedingungen erzwingen können, die weit über das hinausgehen, was man unter den Titel des "Mengenrabattes" subsumieren könnte, werden die kleineren 5 Vgl. Dittrich I Farnleitner u . a. (Redaktion: Schen k I Wenger), Wandel der Wettbewerbspositionen in Industrie und Handel (Hgg. v. Institut für angewandte Sozial- und Wirtschaftsforschung) 1978, 9 ff. zur Konzentrationstendenz und Strukturveränderung im Handel (10 ff.), zur Position der Großabnehmer (15 ff.); Kohlhauser, Strukturanalyse des Handels (Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung) 1976; ders., Betriebsgrößen im Österreichischen Handel, Monatsberichte des österr. Inst. f. Wirtschaftsforschung, Heft 1, 1978. 8 Vgl. Straberger, Das neue Wettbewerbsordnungsgesetz, in: Der Staatsbürger (Blg. zu den Salzburger Nachrichten vom 2. 11. 1977) 2 = WuW 1977, 640. Zur Frage der Marktmacht vgl. auch Schönherr, Der Mißbrauch der Marktmacht gegenüber Lieferanten, ÖBl 1973, 123. 7 Das neue Österreichische Wettbewerbsordnungsgesetz, WuW 1977, 640.

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2. Teil: Osterreich

Händler in den Stadtzentren und im ländlicllen Gebiet diskriminiert. Nun ist zwar in einer freien Marktwirtschaft die Abwerbung von Kundschaft durch günstigere Angebote und die damit verbundene Existenzbedrohung und selbst die Existenzvernichtung des Mitbewerbe:rs nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen sittenwidrig. Das Sterben der kleinen Händler "um die Ecke" oder im Dorf hat aber zu einem Strukturproblem geführt: Diejenigen Bevölkerungskreise, die über kein Auto verfügen, um die Einkaufszentren "auf der grünen Wiese" zu erreichen, sind immer häufiger von der Versorgung mit Bedarfsgütern abgeschnitten. Vom Verkauf der preisgeregelten Grundnahrungsmittel kann der Lebensmittelhändler in der Stadt und im Dorf mangels kostendeckender Verdienstmöglichkeit nicht leben. Zum Schutze der Nahversorgung, also insbesondere derjenigen Bevölkerungsgruppen, die die Großkaufhäuser wegen deren Dislozierung zur Versorgung mit Bedarfsgütern nicllt oder nur unter erheblichen (zeitlichen und finanziellen) Scllwierigkeiten in Anspruch nehmen können, dürfen die Grossisten oder Erzeuger gezwungen werden, den Detailhändlern auch kleinere Mengen der benötigten Waren zu Bedingungen zu liefern, die vergleichbaren Letztverkäufern gewährt werden. Neben diesem Struktur- und damit Konsumentenschutz ist es der Händler' selbst, der mit Hilfe des Kontrahierungszwanges in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber marktstarken Mitbewerbern geschützt werden soll. Es gilt auch hier nicllt nur die sittenwidrig eingesetzte Macht der vorgelagerten Handelsstufe zu brechen, sondern auch die Belieferung zu jenen Bedingungen zu erzwingen, die den vergleichbaren Letztverkäufern gewährt werden. Dabei kann es vorkommen, daß diese Letztverkäufer die günstigen Bedingungen unter Einsatz von Nachfragemacht erreicht haben. Nur das finanzielle Risiko, das der Lieferant bei freiwilliger Belieferung seiner Abnehmer häufig in Kauf nimmt, braucht der Lieferverpflichtete gegenüber dem abnahmeberechtigten 8 Der Schutz des Letztverkäufers ist aber praktisch kaum realisierbar: Für ganz Osterreich ist ausschließlich das Kartellgericht beim OLG Wien zuständig(§ 6 NVG); als Rekursgericht fungiert danach das Kartellobergericht beim OGH, und der durch die Nichtbelieferung beschwerte Unternehmer ist im Verfahren weder Partei (Parteistellung kommt nach§ 7 Abs. 2 NVG nur der Finanzprokuratur, der Bundeskammer der gew. Wirtschaft, dem Osterr. Arbeiterkammertag und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Osterreichs zu), noch kann durch Anregung des Interessenten beim Kartellgericht das Verfahren von Amts wegen eingeleitet werden. Vgl. dazu Heil, Das Verfahren aufgrund des Nahversorgungsgesetzes, GesRZ 1977, 83, 84 f. - Erst mit Hilfe einer neuartigen Erweiterung der Rechtskraft nach § 7 Abs. 8 NVG kann der schutzbedürftige Unternehmer, der bislang am Verfahren gar nicht beteiligt war, gegen das zur Belieferung verurteilte Unternehmen Exekution führen. Dazu Barfuß, Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen ("NVG"), OZW 1978, 10, 13. - Die Mediatisierung des Klageweges führte keineswegs dazu, daß die rechtlichen Möglichkeiten des Gesetzes genützt werden: Dittrich I Farnleitner u. a. (o. FN 5) 48.

A. li. Die Rechtsprechung des OGH

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Händler nicht zu tragen; die Bezahlung der Ware hat nach dem Gesetz Zug um Zug zu erfolgen. Einen weiteren Fall des Kontrahierungszwanges regelt§ 5 NVG: Der gewerbliche Letztverkäufer muß aus seinen Vorräten Waren an Letztverbraucher verkaufen, wenn diese Waren zur Deckung der Bedürfnisse des täglichen Lebens dienen. Beschränkt wird diese Verkaufspflicht auf eine solche Menge, "die Verbrauchern üblicherweise abgegeben wird". Im Gegensatz zum Kontrahierungszwang nach § 4 NVG wird die Verkaufspflicht des Letztverkäufers nach § 5 im Verwaltungswege durchgesetzt und kontrolliert. Mit Einführung des neuen Strafgesetzes war die richterliche Überwachung der Versorgungspflicht, die nach § 482 des alten Strafgesetzbuches bestimmte gewerbliche Letztverkäufer traf, weggefallen. Jetzt wurde die Durchsetzung des Dardanariats9 nicht mehr in die Kompetenz der Strafgerichte gestellt, sondern den Bezirksverwaltungsbehörden zugewiesen (§ 5 Abs. 2 und 3 NVG). II. Die Rechtsprechung des OGH

1. OGH vom 4. 6. 1929 ZBL 1929/320: Ein Stromlieferungsunternehmen hat die Abgabe von Strom an die einzelnen Abnehmer an die Bedingung geknüpft, auch die Anschlußinstallationen ausführen zu können. Darin sah der OGH eine Ausnützung der wirtschaftlichen Machtstellung im Wettbewerb mit den übrigen Installationsfirmen. Unsittlich nach § 1 UWG handle der Anbieter in monopolistischer Stellung nicht nur dann, wenn sein Vorgehen "die wirtschaftliche Vernichtung seines Gegners zum Selbstzweck hat" 10, sondern schon dann, wenn die wirtschaftliche Freiheit des Dritten "stärker als notwendig eingeschränkt wird". DasGericht habe die billige Abwägung der beiderseitigen Interessen vorzunehmen und das Verhalten des Monopolbetriebes nur dann nicht als unsittlich zu qualifizieren, wenn es ausschließlich der Errichtung und Fortsetzung des eigenen Betriebes dient. Sei da9 Dardanarius ist im klassischen römischen Recht der Warenwucherer (insb. Kornwucherer), der allein oder in kartellmäßigen Vereinigungen durch Warenhortung den Preis künstlich in die Höhe treibt (vgl. D. 47, 11, 6 pr.). Diese preistreiberischen Vorkehrungen (dardanariatus) wurden in republikanischer Zeit mit Mitteln der ädilizischen Polizeigewalt verfolgt, später nach Kriminalrecht beurteilt (dazu Hitzig unter ,Dardanariatus' in Pauly-Wissowa, Realencyclopädie 4/2, 1901, Sp. 2154 f.). Man beachte, daß die moderne Entwicklung genau umgekehrt verlaufen ist, die verwaltungsrechtliche Sanktion die strafrechtliche abgelöst hat. to Vgl. OGH, JBl 1967, 436, 437 = ÖBl 1967, 34 - Textileinzelhandel: Boykott und Liefersperre verstoßen "dann gegen § 1 UWG, wenn der Zweck auf wirtschaftliche Vernichtung des Mitbewerbers gerichtet ist, also eine durch wirtschaftliche Erwägung nicht zu rechtfertigende Schädigungsabsicht vorliegt ...". Weiteres OGH, ÖBl 1974, 105 f. - Einheitsmineralwasserflaschen; ÖBl 1975, 109 f. - Badeausstattungs-Liefersperre.

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2. Teil: Österreich

gegen das Vorgehen Quelle erhöhten Einkommens, so werde die Vormachtstellung nicht mehr in den Grenzen des sittlich Zulässigen ausgeübt. Auf eine "Übung der E-Werke" sei keine Rücksicht zu nehmen, denn eine mißbräuchliche Verkehrssitte könne auch nicht "durch fortwährende Übung" zu einer sittlichen werden. 2. OHG vom 5. 7.1960 SZ 33/74 = ÖBl 1961, 24: Eine Werbeagentur erteilte dem beklagten Unternehmen "im Auftrag der Coca Cola GesmbH Wien" den Auftrag zur "Plakatierung in den Bundesländern im bisherigen Umfang". Die Plakatierungsaufträge wurden dem Beklagten mehrere Jahre hindurch von der C-GmbH direkt erteilt. Die Klägerin verlangte die Annahme und Ausführung der Aufträge und Schadensersatz für entgangene Provision, weil der Beklagte als Inhaber einer Monopolstellung einem Kontrahierungszwang unterliege, also alle in Betracht kommenden Abnehmer gleichmäßig zu beliefern gehabt hätte. Die Klage wurde abgewiesen, weil " eine Monopolstellung nicht zum Abschluß mit Zwischenhändlern verpflichtet". "Kontrahierungs-zwang besteht in der Regel nur in den Fällen, in welchen er gesetzlich vorgesehen ist, oder wo es sich um Bedarfsgüter des täglichen Lebens handelt, die an jedermann abzugeben sind (Schöriherr-Saxl-Wahle, Wettbewerbsrecht, 3. Aufl. S. 164 E.Nr. 655 zu§ 1 UWG)." Ein Kontrahierungszwang werde zwar schon durch die unsittliche Ausübung einer wirtschaftlichen Machtstellung begründet, doch sei die Ausübung "erst dann unsittlich, wenn der Zweck unsittlich ist oder wenn die angewendeten Mittel ihrer Natur nach unerlaubt sind oder nach der Art ihrer Anwendung gegen die sittlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise verstoßen" 11 • 3. OHG vom 16. 9. 1971 SZ 44/138 = EvBl 1972/157: Die Stadtgemeinde G hat als zuständiges Baurechtamt die Errichtung einer Tankstelle bewilligt und dabei bekanntgegeben, daß die Einfahrt nicht in der projektierten Weise ausgeführt werden dürfe. Überhaupt werde der Bewilligung der Straßenverwaltung auf Errichtung von Zu- und Abfahrten nicht vorgegriffen. Das Höchstgericht kommt zur Auffassung, daß die beklagte Stadtgemeinde in ihrer Eigenschaft als Straßenverwaltung nur aus guten (saclllichen) Gründen den Vertrag auf Zufahrtsgenehmigung ablehnen könne und begründet den Kontrahierungszwang so: Gestützt auf die deutsche Lehre und Rechtsprechung und die AusführungenGschnitzers im Klangkommentar2 habe der OGH schon bisher einen Kontrahierungszwang in den Fällen angenommen, "in denen er gesetzlich vorgesehen sei, aber auch bei Bedarfsgütern des So auch OGH, ÖBl 1971, 12 ff. - Backofenwerbung. Gschnitzer in Klang2 4/1, 214 zu § 879 ABGB; ders., ebenda 60; ders. Schuldrecht AT, 1965, 7; Ehrenzweig, System2 2/1, 1928, 146. 11

12

A. II. Die Rechtsprechung des OGH

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täglichen Lebens, die an jedermann abzugeben sind; vor allem aber bestehe Kontrahierungszwang bei Innehabung einer Monopolstellung (ÖBl 1952, 38). Der Monopolist müsse insbesondere den Gleichheitsgrundsatz wahren; beliefere er nicht alle Abnehmer eines Versorgungsgebietes nach den gleichen Grundsätzen, so verstoße er gegen die guten Sitten und könne zu einer entsprechenden Lieferung verhalten werden (JBl 1956, 618)". Das Höchstgericht erweitert mit dieser E. den Anwendungsbereich des Kontrahierungszwangs insofern, als es die Abschlußpflicht schon dort anerkennt, "wo faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität" eine Fremdbestimmung13 über den anderen zuläßt14• Nur im Zusammenhang mit der Wiedergabe der Auffassung Nipperdeys, Kontrahierungszwang könne ohne gesetzliches Gebot nicht auferlegt werden und§ 826 BGB sei als Grundlage heranzuziehen, sagt der OGH, daß dieser Paragraph "etwa dem Österreichischen § 879 ABGB entspricht"15. 4. KOG 22. 11. 1976 ÖBl 1977, 17 ff. - ÖMV: Die im Kartellregister als marktbeherrschend eingetragene Österreichische Mineralölverwertungs-AG (ÖMV) lehnt einen Antrag der Gaskoks-Vertriebs GesmbH auf Direktbelieferung ab. Die Finanzprokuratur verlangt in ihrem Hauptantrag Belieferung zu den für andere Direktbezieher geltenden Bedingungen, also Kontrahierungszwang nach § 46 Abs.1 KartG Das KOG hat angenommen, die Frage nach einem mittelbaren Kontrahierungszwang aus§ 46 Abs. 1 KartG nicht lösen zu müssen, weil "unter den konkreten Umständen des entschiedenen Einzelfalles" ein Mißbrauch der Marktmacht des marktbeherrschenden Unternehmens abgelehnt werden müsse. Die Differenzierung bei der Direktbelieferung nach betriebswirtschaftliehen Gesichtspunkten (Abnahme aller Hauptprodukte im Verhältnis der Erzeugnispalette; langfristige Bindung; Lager- und Absatzmöglichkeit des künftigen Großabnehmers) wäre nach Ansicht des Gerichts sachlich begründet und somit nicht als "willkürlich" zu qualifizieren gewesen.

18 Unter Hinweis auf Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, 170. 14 So auch OGH SZ 46/54 = ÖBl 1974, 10 f. Kontrahierungszwang. 1~ Vor dem Leitsatz zur E in EvB11972/157 wird jedoch § 879 ABGB zitiert. Dagegen bezieht sich der vor der E in ÖBl 1974, 10 zitierte § 879 Abs. 1 in der E selbst nicht auf den Kontrahierungszwang, sondern auf die Frage der Nichtigkeit des Exklusivlieferungsvertrages.

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2. Teil: Österreich 111. Die Österreichische Lehre

Das Thema eines Kontrahierungszwangs nach österreichlschem Privatrecht wurde bisher monographisch nicht behandelt. Auch die Bearbeitung einzelner Fragen im Zusammenhang mit der Aufhebung der Vertragsfreiheit ist im Österreichischen Schrifttum, ganz im Gegensatz zum deutschen, bisher recht spärlich geblieben. Aus der Kommentarund Lehrbuchliteratur sind insbesondere folgende Äußerungen hervorzuheben, die von einer Pflicht zum Abschluß eines Vertrages handeln:

Ehrenzweiif 8 kennt im Grunde nur den gesetzlich angeordneten Abschlußzwang von Verträgen und zählt dazu auch die strafgesetzliche Bestimmung des§ 482 StGB a. F. Danach sind Gewerbsleute, die zu den notwendigen Bedürfnissen des täglichen Unterhalts gehörende Waren anbieten, "davon was immer für einem Käufer zu verabfolgen" verpflichtet. Dieser Kontrahierungszwang ist jetzt in § 5 des Gesetzes zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen 1977 geregelt17• Gschnitzer18 begründet den Kontrahierungszwang für Monopolbetriebe- "vor allem öffentlicher Natur" 18 - damit, daß er das "Gegengewicht" für den Benutzungszwang des Publikums bildet. "Im Notfall", meint Gschnitzer, "haben ihn Rechtslehre und Rechtsprechung aus den Bestimmungen über die guten Sitten (Monopolmißbrauch} abgeleitet." Monopolmißbrauch20 liege zwar nicht in jeder Beschränkung des freien Wettbewerbs, sei aber dann durch einen Kontrahierungszwang zu kompensieren, wenn die Ausnützung der wirtschaftlichen Vormachtstellung nach dem Zweck, der Natur der verwendeten Mittel oder der Art des Einsatzes dieser Mittel unsittlich sei. Nach Koziol/Welser1 verpflichte "die Rechtsordnung" ausnahmsweise zum Vertragsschluß "zu den üblichen Bedingungen". Außer den gesetzSystem! 2/1, 1928, 146. § 5 (1) NVG: Gewerbliche Letztverkäufer dürfen ihre Vorräte an Waren, die den notwendigen Bedürfnissen des täglichen Lebens dienen, nicht verheimlichen. Sie sind verpflichtet, an Verbraucher von ihren Vorräten an diesen Waren eine Menge zu verkaufen, die Verbrauchern üblicherweise abgegeben wird. 18 Gschnitzer in Klang2 4/1, 60. 19 Siehe letzte FN, doch gilt der Ausschluß der Abschlußfreiheit für "Unternehmen, die die Öffentlichkeit mit lebenswichtigen Gütern versorgen, so daß sie darauf angewiesen ist, sich ihrer zu bedienen". So Gschnitzer, Schuldrecht AT, 1965, 7 f. :o Dazu Gschnitzer in Klang' 4/1, 214 f. u Grundriß des bürgerlichen Rechts ! 4 , 1976, 95 f. Weitere Ausführungen zum Kontrahierungszwang z. B. bei Krejci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag, 1972, 127 ff., 142 ff.; Migsch, Die absolut geschützte Rechtsstellung des Arbeitnehmers, 1972, 192 ff., 199 f.; Koppensteiner, Privatrechtliche Aspekte der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Privatrechtssubjekte, te

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B. I. Beschränkung auf gesetzliche Abschlußpflicht?

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lieh geregelten Fällen sei ein Kontrahierungszwang "für andere monopolartige Unternehmen" im Wege der Analogie anzunehmen, wenn es sich um "lebenswichtige Versorgungsbetriebe" handle. B. Die dogmatische Begründung des Kontrahierungszwangs I. Beschränkung auf die gesetzlieb vorgeschriebene Abscblußpflicbt?

Bevor wir an die Frage nach der dogmatischen Begründung des wenn auch innerhalb unterschiedlicher Grenzen - anerkannten Zwangs zum Abschluß eines Vertrages herangehen, ist zu klären, ob nicht jüngst der Gesetzgeber mit dem Nahversorgungs- und Wettbewerbsordnungsgesetz jede Kontrahierungspflicht ausgeschlossen hat, soweit sie nicht in einem Gesetz ausdrücklich verankert is~. § 4 Abs. 1 Satz 1 des genannten Gesetzes bestimmt für Unternehmer, daß sie "insbesondere bei der Auswahl der Letztverkäufer frei sind", soweit nicht andere "Rechtsvorschriften" Gegenteiliges bestimmen. Der Gesetzgeber nennt nur den Unternehmer:', dem nach dieser Norm die allgemeine Vertragsfreiheit und damit die privatautonome Gestaltungsmöglichkeit der von ihm gewünschten Rechtsbeziehungen gesichert werden soll. Diese Einschränkung hilft uns allerdings nicht weiter, denn der Anspruch auf Abschluß eines Vertrages oder auf Belieferung kann sich in der Praxis nur gegen Unternehmer richten. Sowohl die Ausnützung einer monopolistischen Stellung oder die Ausübung von Marktmacht als marktbeherrschender oder marktstarker Anbieter oder Abnehmer, als auch die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs oder sonstige unbegründete Ungleichbehandlung von Abnehmern oder Lieferanten setzt voraus, daß das als mißbräuchlich zu beanstandende Verhalten im Rahmen von Güter- oder Dienstleistungsumsätzen mit mehreren Zulieferem oder Abnehmern gesetzt wird. Anders ausgedrückt, man wird den Abschlußzwang zur Korrektur des Mißbrauchs nur gegen den einsetzen können, der Güter oder Dienstleistungen abzugeben oder anzunehmen öffentlich anbietefM oder aufgrund seiner in: Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Privatrechtssubjekte, 1973, 85ff. 22 Gesetzlich ist eine Abschlußpflicht beispielsweise vorgeschrieben für die Bundesbahn (§ 2 EisenbahnG 1957 iVm. § 3 EVO 1967), die Post (§ 6 PostG 1957), die Elektrizitätsversorgungsunternehmen (§ 6 ElektrizitätswirtschaftG 1975), die Gasversorgungsunternehmen (§ 6 EnergiewirtschaftsG 1939). Umstritten ist dagegen ein Kontrahierungszwang nach § 87 Abs. 1 BranntweinmonopolG. Vgl. dazu Mayer, Staatsmonopole, 1976, 241 ff. 23 In Abs. 3 des § 4 NVG wird aber der Ausdruck ,Unternehmer' durch ,Lieferanten' ersetzt. Dieser verwirrende Austausch von Begriffen wird mit Recht von R. John, Gedanken zum Österreichischen Wettbewerbs- und Nahversorgungsgesetz, GRUR Int. 1978, 343, 349 gerügt, "als ob ein Lieferant kein Unternehmer wäre!"

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2. Teil: Osterreich

Stellung anbieten müßte. Insofern trifft die Kontrahierungspflicht nur Unternehmer. Daß Unternehmer "insbesondere bei der Auswahl der Letztverkäufer" frei sind, hilft bei der Auslegung der Frage, ob es außer den gesetzlich ausdrücklich angeordneten Fällen noch einen Kontrahierungszwang gibt, nicht weiter. Zwar ordnet § 4 NVG nur zugunsten des Letztverkäufers eine Belieferungspflicht an, wenn dessen Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt oder die Nahversorgung gefährdet ist, doch zeigt schon die Versorgungspflicht des Letztverkäufers selbst(§ 5 NVG), daß der Kontrahierungszwang Unternehmern auch dann auferlegt werden kann, wenn sie keine Letztverkäufer beliefern. Der Ausdruck "insbesondere" soll hier wohl nur den Umkehrschluß verbieten, der Unternehmer wäre beim Vertragsschluß mit anderen als den Letztverkäufern nicht frei%5 • Der programmatische Einleitungssatz'26 des § 4 NVG von der privatautonomen Gestaltungs- und Abschlußfreiheit des Unternehmers, "soweit in anderen Rechtsvorschriften nichts Gegenteiliges bestimmt ist", ginge jedenfalls viel zu weit, sollte damit jeder andere als der gesetzlich angeordnete Kontrahierungszwang ausgeschlossen werden. Wie jeder Nichtunternehmer, so ist auch der Unternehmer denjenigen Beschränkungen unterworfen, die die Rechtsordnung der privatautonomen Selbstbestimmung des einzelnen entgegenstellt. Das beginnt mit der Sicherung des rechtsgeschäftliehen Verkehrs. Um sie zu gewährleisten, wird die freie Selbstbestimmung durch die Verpflichtungswirkung des Vertrages beschränkt. Die von der Rechtsordnung erklärte Verbindlichkeit der abgegebenen Erklärung schränkt die Vertragsfreiheit ein27• 24 So jetzt auch Bydlinski in seinem Vortrag auf der Tagung der Deutschen Zivilrechtslehrervereinigung am 17. 9. 1979 in Bern über "Kontrahierungszwang". 25 So auch Barfuß, Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen ("NVG"), ÖZW 1978, 10, 13 FN 35. '26 Abgeordneter zum NR Dr. Stix (FPÖ) erachtet es nach seinem Beitrag in der Parlamentsdebatte zum NVG am 29. 6. 1977 "als eine ganz wesentliche Sache, daß dieser Grundsatz (der Vertragsfreiheit) noch einmal in diesem Gesetz ... enthalten ist und damit als Prinzip verankert bleibt." Vgl. ProtNR 14. GP, 5941, 5948 (Hervorhebung von mir). Wo der zitierte Grundsatz sonst noch stehen soll, wird nicht gesagt. Weder das B-VG 1929, noch das darin integrierte StGG über die allg. Rechte der Staatsbürger 1867 nennen das Recht der Vertragsfreiheit. Vgl. Schantl, Berufsfreiheit, Eigentumsfreiheit und Vertragsfreiheit als die wichtigsten Grundrechte der Wirtschaft, FS Korinek 1972, 129, 146. - Auch auf einfach-gesetzlicher Stufe ist zwar für verschiedene Monopolunternehmer, insbesondere solche öffentlichen Rechts, ein Kontrahierungszwang, nicht dagegen die Vertragsfreiheit ausdrücklich normiert. 27 So mit Recht Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, 1967, 68 ff.

B. II. Vertragsschluß als Naturalrestitution eines Schadens

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Weitere Einschränkungen der freiheitlichen Selbstbestimmung einer Partei legt die Rechtsordnung unzweifelhaft auch dort fest, wo ungleiche Machtverhältnisse sittenwidrig zum Nachteil der anderen Partei ausgenützt werden. Der fragliche Satz des NVG ist daher in dem Sinne zu verstehen, daß der Kontrahierungszwang nicht in einem Gesetz ausdrücklich angeordnet sein muß, sondern sich aus der Anwendung einer "Rechtsvorschrift" ergeben muß. Schon Nipperdey28 lehnt eine Abschlußpflicht ohne ein entsprechendes Gebot der Rechtsordnung ab. Er findet es, wie oben dargestellt, im Verbot der sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB. Auch die Österreichische Lehre und Rechtsprechung haben bislang keine privatrechtliche Kontrahierungspflicht per se anerkannt oder gefordert29 , noch sind sie der Lehre von der einseitigen Bindung durch faktische Verträg~ im Sinne der alten Quasikontrakte gefolgt. Umgekehrt steht ohne die ausdrückliche Formulierung durch den Gesetzgeber der "Grundsatz der Vertragsfreiheit" schon bisher in Geltung; es hätte der undeutlichen Erklärung des § 4 Abs. 1 Satz 1 NVG nicht bedurft31 • II. Vertragsschluß als Naturalrestitution eines Schadens

1. Koppensteiner='2 nimmt unter Bezug auf die "bundesdeutsche Rechtsprechung und Lehre", die dem Monopolisten nach§ 826 BGB bei vorsätzlich sittenwidriger Schädigung einen Kontrahierungszwang aus dem Titel des Schadensersatzes auferlegen, zur Leitentscheidung des OGH33 Stellung und kritisiert die Meinung des Höch.stgedchtes, das

Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920, 36. Oberndorfer, Zur Leistungspflicht des daseinsvorsorgenden Staates, FS Eiehier 1977, 433, 443 fordert zwar einen direkten Anspruch gegen den gleichheitswidrig leistungsverweigernden Staat, doch soll wegen Fehlens einer zivilrechtlich zu begründenden Leistungspflicht aus Vertrag oder Schadensersatz überhaupt keine Verpflichtung zum Vertragsschluß, sondern eine auf Leistung "aus dem Titel des Gleichheitssatzes" entstehen. Dazu s. unten B III 1. Die Leitentscheidungen des OGH (s. oben A II 1-4) nennen die Grundlage der Abschlußpflicht nicht. 30 Gegen die von Haupt, über faktische Vertragsverhältnisse, 1941, formulierte Lehre vgl. Gschnitzer in Klang2 411, 60; Bydlinski, Privatautonomie 85 ff.; Mayer-Maly, Vertrag und Einigung, FS Nipperdey 1, 1965, 508, 515 ff.; ders., "Von solchen Handlungen, die den Kontrakten in ihrer Wirkung gleichkommen", FS Wilburg 1965, 141; Koziol I Welser, Grundriß ! 4 , 94 f.; OGH SZ 251306 = JBl 1953, 210. 31 Vgl. Mayer-Maly, Privatautonomie und Wirtschaftsverfassung, FS Korinek 1972, 151 ff.; Schantl, Berufsfreiheit, Eigentumsfreiheit und Vertragsfreiheit als die wichtigsten Grundrechte der Wirtschaft, FS Korinek 1972, 129, 146; zur Ableitung der Vertragsfreiheit aus den Grundrechtsnormen s. Fröhler I Oberndorfer, Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969, 17 f. mit FN 32. 112 Privatrechtliche Aspekte der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Privatrechtssubjekte, in: Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Privatrechtssubjekte (Schriftenreihe d. Bk. der gew. Wirtschaft 22) 1972, 85, 91 f. 28 29

2. Teil: Osterreich

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Österreichische Gegenstück zu§ 826 BGB bilde§ 879 ABGB. Richtig ist, daß die beiden Normen weder im Tatbestand noch in der Rechtsfolge übereinstimmen. Setzt§ 879 ABGB "den äußeren Anschein" eines Vertrages voraus und läßt als Rechtsfolge Nichtigkeit desselben eintreten, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstößt, regelt § 826 BGB den Ersatz des Schadens, der vorsätzlich in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zugefügt wurde. Gegenstücke sind die beiden N armen also nur hinsichtlich des Grundes, aus dem die entsprechenden Rechtsfolgen abgeleitet werden. Das und nichts anderes wird aber auch der OGH mit dem Hinweis auf § 879 ABGB haben ausdrücken wollen. Wenn nun Koppensteiner meintM, "die Rechtsfolge- Nichtigkeit des Vertrages- paßt offenbar nicht, wenn es darum geht, die Verpflichtung zum Abschluß eines Vertrages zu begründen", unterstellt er, der OGH habe seine Entscheidung mit§ 879 ABGB begründen wollen36• Demgegenüber behauptet Migsch", der OGH nehme § 1295 Abs. 2 ABGB als Basis für eben diese Entscheidung. Beide Ansichten gehen wohl zu weit. Zum einen fehlt in der Entscheidung jeder Hinweis, daß der dem Monopolisten auferlegte Kontrahierungszwang einen Schadensersatz für das sittenwidrige Verhalten darstellen soll, zum anderen sagt der OGH über die dogmatische Herleitung des Kontrahierungszwangs nichts aus, wenn er bei der Skizzierung der Lehre Nipperdeys im Zusammenhang mit § 826 BGB auf den § 879 ABGB verweist, oder die Forderung GschnitzerslfT, "daß dort, wo gesetzlicher Kontrahierungszwang fehlt, die Rechtsprechung (unter Berücksichtigung der Bestimmungen des§ 879 ABGB) ergänzend eingreifen müsse", wiedergibt38• 2. Die von Nipperdey39 aus § 826 abgeleitete Rechtspflicht der Schadensverhütung durch Abschluß des Vertrages wird in der oben dargestellten, heute wohl herrschenden deutschen Lehre und Rechtsprechung nicht als unmittelbarer Anspruch auf "Prästation"40, sondern als Beseitigung eines Schadens im Wege der Naturalrestitution nach§ 249 Satz 1 BGB konstruiert'~. Auch in der Österreichischen Rechtsprechung'2 wurde der Versuch unternommen, die Vertragsverweigerung als Schaden zu EvBl 1972/157 s. oben A II 3. a« Oben FN 32, Seite 92. 85 Auch Oberndorfer, FS Eichler 1977, 442 behauptet: "Zur dogmatischen Absicherung des Kontrahierungszwanges wurde die dem§ 826 BGB entsprechende Vorschrift des§ 879 ABGB verwendet." 38 Die absolut geschützte Rechtsstellung des Arbeitnehmers, 1972, 199 FN22. 37 Unter Hinweis auf dessen Ausführungen in Klang2 4/1, 214. as SZ 44/138 (beide Hinweise auf Seite 505). 38 Kontrahierungszwang und diktierter Vertrag, 1920, 57. " So Nipperdey, Kontrahierungszwang 99 und jetzt Bydlinski in seinem Vortrag (Dt. Zivilrechtslehrertagung in Bern 1979); dazu s. unten B II. 33

B. II. Vertragsschluß als Naturalrestitution eines Schadens

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bewerten und diesen nach § 1295 ABGB ersetzen z.u lassen. Koppensteine~ schlägt nun vor, den Schadensersatz durch Abschluß des bislang verweigerten Vertrages, also im Wege der Naturalrestitution nach § 1323 ABGB, leisten zu lassen. Weil aber nach § 1295 Abs. 2 ABGB wie im § 826 BGB nur die vorsätzliche Schädigung betroffen wird, wäre diese zu enge Fassung dureh Interpretation auszuräumen. Zu konkreten Ergebnissen könnte man dabei über eine "objektive Fassung des Sittenwidrigkeitsverdikts" kommen, wie sie Mayer-Maly44 vorschlägt. 3. Gegen den "Umweg" über den Schadensersatz nach § 1295 Abs. 2 und den Abschluß des Vertrages als restitutio in integrum nach § 1323 ABGB wendet sich Oberndorfe-,A5 und sieht ihn "als reichlich krampfhaften Lösungsversuch an". Liest man im § 1323 ABGB, daß zur Ersatzleistung des verursachten Schadens "alles in den vorigen Stand zurückversetzt" werden muß, so ist nicht sofort cins:ichtig, wie eine noch nicht aufgenommene Vertragsbeziehung durch Naturalrestitution, also durch Herstellung eines Zustandes, der bisher noch gar nicht bestanden hat, verwirklicht werden kann. Nach § 249 Satz 1 BGB ist unter Herstellung in natura jene Herstellung eines Zustandes zu verstehen, "der bestehen würde, wenn der 41 Auch der Kontrahierungszwang nach § 26 II Satz 2 GWB wird als Naturalrestitution des Schadens nach §§ 35 I GWB und 249 Satz 1 BGB begründet. Kitian, Diskriminierungsverbot und Kontrahierungszwang für Markenartikelhersteller, ZHR 1978, 453, 481 mit weiteren Nachw. FN 112, hält diese Konstruktion für "begriffsjuristisch möglich, aber doch recht problematisch" und will aus § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB "unmittelbar einen zivilrechtliehen Folgenbeseitigungsanspruch" herleiten (482). Dagegen soll nach Kilians Vortrag in Bern 1979 (Dt. Zivilrechtslehrertagung) diese Folgenbeseitigung gegen die eigenen Bedenken in ZHR 1978, 481 f. auf § 1004 BGB gegründet werden. Vgl. oben 1. Teil, vor FN 134. u OGH, JB11932, 449: Das E-Werk der Gemeinde W verweigert die Stromlieferung wegen angeblichen Gebührenrückstandes eines früheren Pächters. Die Kl. begehrt Stromlieferung a) aus Vertrag, der durch Annahme des in den "allgemeinen Bedingungen zum Strombezug" liegenden Angebots zustande kam, und b) wegen Sittenwidrigkeit des Ausschlusses vom Strombezug. Der OGH meint, daß willkürliche Ablehnung eines Abnehmers gegen die Sitte des redlichen Verkehrs verstoßen würde, nach § 863 ABGB daher das E-Werk an sein Angebot gebunden wäre, wenn nicht wichtige Gründe auf Seite des Abnehmers den Vertragsschluß unzumutbar erscheinen lassen. Der OGH gibt somit dem Klagebegehren nach a) statt.- Die 2. Instanz hat die Frage des Kontrahierungszwangs nach b) erörtert und auf das deutsche Schrifttum (Plank, Kommentar zum BGB I, 385 und Nipperdey, Kontrahierungszwang 62 ff.) hingewiesen. Inhaltlich entspräche dem § 826 BGB § 1295 Abs. 2 ABGB. Kontrahierungszwang aus ungerechtfertigter Vertragsverweigerung könnte aber nach der Auffassung der Unterinstanz nur über eine Klage auf Schadensersatz oder eventuell auf Vertragsschluß, nicht aber mit der auf Leistung erreicht werden. .a Oben FN 32, 92. « Das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit, 1971; Münchner Kommentar zum BGB, § 138 RdNr. 108 f. 45 FS Eiehier 1977, 443.

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2. Teil: Österreich

zum Ersatze verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre". Danach läßt sich die Naturalrestitution auch als Beseitigung der Schadensursaclle, in unserem Fall als Behebung der sittenwidrigen Abschlußverweigerungdurch den Vertragsschluß verstehen, wenn mit dem Vertrag gleichzeitig der seinerzeit eingetretene Sclladen, der, der sich aus der Abschlußverweigerung entwickelt hat, und auch der, der daraus in Zukunft droht, abgegolten und abgewendet werden kann. Nur soweit die Naturalrestitution die Schadensursache beseitigt, die Folgen tilgt, die sicll aus der Beschädigung entwickelt haben und aucll die Folgen verhindert, die sich aus der Vertragsverweigerung in der Zukunft als Schädigung hätten herausstellen können48, stellt sie eine brauchbare Grundlage zur dogmatischen Herleitung eines Kontrahierungszwangs dar. Nach § 1323 ABGB fehlt eine dem § 249 BGB entsprechende Anordnung eines vom früheren abweichenden neuen Zustandes und eines die Schadensentwicklung berücksichtigenden Umstandes. Zwar wird in der Literatur"7 für das Österreichische Recht die Rückversetzung in den vorigen Stand als zu enge Formulierung des Gesetzes aufgefaßt und in dem Sinne verstanden, daß der Bescllädiger den Beschädigten so zu stellen habe, wie er ohne die Scllädigung im Zeitpunkt des Ersatzes stünde. Wiederherstellung bleibt dabei aber, auch wenn sie durch Herstellung eines Zustandes bewirkt wird, der bisher noch nicht bestanden hat, Behebung des verursachten Sclladens. Mit dem Zwang zum Abschluß eines Vertrages sollen aber nur die Voraussetzungen für den Schaden beseitigt, nicht aber die durch die Vertragsverweigerung eingetretenen48 Schäden liquidiert werden. Zweck des Kontrahierungszwangs ist die Beseitigung der Vertragsverweigerung als Schadensquelle und die Aufhebung der Bedrohung, daß dem Vertragswerber sittenwidrig ein Schaden zugefügt wird. Diese beiden Phänomene werden aber nicht durch Schadensersatz, sondern mittels Beseitigungs- und Unterlassungsklagen bekämpft. Eine schadensersatzrechtliclle Ableitung des Kontrahierungszwangs ist daher nach österreichischem Recht abzulehnen. 111. Leistungspflicht in Analogie zum gesetzlichen Kontrahierungszwang

1. Zumindest gegenüber der "daseinsvorsorgenden" Verwaltung, meint Oberndorfer49 , sollte vom Gedanken eines Kontrahierungszwanges Abstand genommen werden. An seine Stelle sollte ein unmittel.ce Vgl. oben 1. Teil, vor FN 134.

47 So schon Nippel, Erläuterungen zum ABGB 8/1, 1835, 181; seither insbesondere Wolf! in Klang! 4/1, 118 und Koziol, Osterreichisches Haftpflichtrecht 1, 1973, 138. 48 Sind solche Schäden eingetreten, so sind sie nach den allgemeinen Schadensersatzregeln zu behandeln.

B. III. Analogie zum gesetzlichen Kontrahierungszwang

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barer Leistungsanspruch des durch die Leistungsverweigerung Betroffenen treten. Weil der das Zivilrecht beherrschende Gedanke der Privatautonomie fehle50, wenn die "faktische Übennacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität ihm die Möglichkeit der ,Fremdbestimmung' über andere gibt" 5t, sollte auf eine zivilrechtlich begründete Leistungspflicht aus Vertrag verzichtet werden. Der Anspruch des Bürgers gegen den Staat soll sich allein auf den öffentlich-rechtlichen Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz stützen und das die Verwaltung bindende Gleichbehandlungsgebot ohne zivilrechtliehen Vertrag zur Leistung zwingen. Weil aber die ordentlichen Gerichte52 das Handeln des daseinsvorsorgenden Staates in der Privatwirtschaftsverwaltung nach den Prinzipien des Privatrechts zu beurteilen haben, darf man die Leistungspflicht nicht ausschließlich auf die öffentliche Selbstbindung der Verwaltung kraft Gleichheitssatzes53 stützen. Die gerichtlich erzwungene Leistung des Staates ist ja hinsichtlich der sonstigen damit zusammenhängenden Beziehungen zum Leistungsempfänger nach Vertragsrecht zu beurteilen. Schon deshalb ist eine Umformung der Leistungspflicht in eine solche aus Vertrag gerechtfertigt und notwendig>'. 2. Grundlagen für die Anordnung eines gesetzlichen Kontrahierungszwangessind einmal die Alleinstellung des Anbieters, sei es durch Anordnung eines Benutzungszwangs, sei es durch Verbot des Angebots der entsprechenden Leistung durch andere, zum anderen die Sicherung der gleichmäßigen Versorgung aller Nachfrager mit diesen Gütem oder Dienstleistungen. Letzteres wird regelmäßig durch eine Betriebspflicht unter staatlich kontrollierten Bedingungen erreicht. Soll nun eine Kontrahierungspflicht aus den gesetzlich geregelten Fällen analog auf andere übertragen werden, so ist ebenfalls zweierlei zu verlangen: Erstens müssen die Nachfrager unausweichlich auf die Leistung des einen Anbietersangewiesen sein; zweitens muß die Ungleichbehandlung der Interessenten verboten sein. FS Eichler, 1977, 443. Das Fehlen privatautonomer Gestaltungsfreiheit wird für jeden Kontrahierungszwang vorausgesetzt. 61 So der OGH, EvBl 1972/157 unter Hinweis auf Bydlinski, Privatautonomie 170. 52 Auch wenn die staatliche Leistungsverweigerung wie ein negativer Bescheid wirkt, wie Oberndorfer, FS Eiehier 439 f. meint, fehlen wesentliche Merkmale hoheitlichen Verwaltungshandelns. Jedenfalls gehören Streitigkeiten, die sich aus staatlichem Handeln in privatrechtliehen Formen ergeben, als Angelegenheiten des Privatrechts nach § 1 JN vor die ordentlichen Gerichte: Vgl. VfGH als Kompetenzgericht in: VfSlg 1961/4043 mit Hinweis auf frühere E. S. auch unten FN 55. 63 Vgl. Fröhler I Oberndorter, Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969, 99 ff. " Das läßt auch der Angriff auf die "zwecklose und unsinnige Rechtsform des Vertragszwangs" von Molitor, Zur Theorie des Vertragszwangs, JherJB 1923, 1, 7 ff., 32 unbeachtet. 49

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Die genannten Voraussetzungen erfüllt jedenfalls der Staat, wenn er im Rahmen seiner privatwirtschaftliehen Tätigkei~5 eine Monopolste:llung einnimmt. Das trifft im staatlichen Handeln der Daseinsvorsorge regelmäßig zu, ist aber auch in übrigen Bereichen der Privatwirtschaftsrverwaltungnicht selten der Fall. Zudem unterliegt der Staat beim Abschluß privatrechtlicher Geschäfte dem Gleichheitsgebot und Willkürverbot. Nach Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG ist er auch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung56 gehalten, in gleichgelagerten Fällen inhaltsgleiche Vereinbarungen zu treffen. Diese Grundrechtsbindung5 7 bildet nicht nur eine Schranke gegenüber dem Staatshandeln. im hoheitlichen Bereich, ihr entgeht der Staat auch dann nicht, wenn er sich bei der Erledigung seiner Aufgaben privatrechtlicher Mittel und Formen bedient. Für den privatrechtlich agierenden und alleingestellten Staat braucht somit ein Kontrahierungszwang nicht aus den Normen des Zivilrechts abgeleitet zu werden. Weil jeder staatlichen Verwaltung eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung verboten ist, kann ein Kontrahierungszwang in Analogie zu den gesetzlichen Fällen ohne Rücksicht darauf angenommen werden, ob der staatliche Monopolbetrieb in der Daseinsvorsorge, in der Versorgung der Allgemeinheit mit lebenswichtigen Gütern oder sonst in einem Bereich tätig wird. 3. Zu Recht geht der OGH davon aus, daß ein durch Gesetz eingeräumtes Monopol die Verpflichtung auferlegt, alle um Vertragsbeziehung sich bewerbenden Interessenten "in gleicher Weise zu berücksich55 Zwingend ist die Privatwirtschaftsverwaltung jedenfalls dann privatrechtlichen Kategorien zu unterstellen, wenn sie sich juristischer Personen des bürgerlichen Rechts zur Abwicklung verwaltungsrechtlicher Agenden bedient, wie das bei der Subventions- und Auftragsvergabe häufig geschieht. Vgl. dazu Bös, öffentliche Aufträge in Österreich, 376 f.; Koppensteiner (oben FN 32) 92. 56 Vgl. Schönegger I Wresounig, Der Badesteg als Rechtsproblem, ÖJZ 1972, 281 ff.; OGH, JBl 1973, 470, 474. Zur Fiskalgeltung (Bindung des privatwirtschaftlich agierenden Staates) ausführlich Kopp, Fiskalgeltung und Drittwirkung der Grund- und Freiheitsrechte im Bereich des Privatrechts, FS Wilburg 1975, 141 ff. 57 Das hat mit der von der privatwirtschaftlich agierenden Verwaltung geforderten Wahrnehmung des Legalitätsprinzips nichts zu tun. Daß die Gesetzesbindung der öffentlichen Hand in der Privatwirtschaftsverwaltung nur relativierte Bedeutung genießt, im Vergleich zur Hoheitsverwaltung also nur in reduziertem Maß zu fordern ist, ist heute h . L . Vgl. BydHnski, Die privatwirtschaftliche Tätigkeit des Staates in privatrechtlicher Sicht, JBl 1968, 9 ff.; WaUer I Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechts2, 1978, 146; Fröhler I Oberndorfer, Das Wirtschaftsrecht als Instrument der Wirtschaftspolitik, 1969, 84 ff.; Wenger, Die öffentliche Unternehmung 1969, 540 ff. Nowak, Grenzen und Möglichkeiten des Legalitätsprinzips, ÖVA 1970, 1 ff. - Für die Grundrechtsbindung der Privatwirtschaftsverwaltung, insbes. im Hinblick auf den Gleichheitssatz nach Art. 7 B-VG und Art. 2 StGG, vgl. Oberndorfer, FS Eichler 1977, 433, 438 f. mit Nachw. FN 18-20; OGH, JBl 1956, 618; Kopp (oben FN 56) 141, 152 f.

B. IV. Anspruch auf Beseitigung

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tigen" 58• Muß aber jeder "Monopolist", also nicht nur die staatliche Verwaltung, "den Gleichheitsgrundsatz wahren", wie sich der OGH in derselben Entscheidung ausdrückt? Den privaten Monopolisten trifft ein grundreclltliches Gleichbehandlungsgebot allen Leistungsbewerbern gegenüber nicht-'9 • Aus diesem Grunde versucht auch das Höchstgericht in der zitierten Entscheidung nicht, den Kontrahierungszwang auf Analogiebasis zur gesetzlichen Abschlußpflicht zu gewinnen, sondern leitet das Gleichbehandlungsgebot60 aus der Sittenwidrigkeit gegenteiligen Verhaltens ab: "Jedes dem Grundsatz der Gleichheit entgegenstehende Handeln widerspricht daher den guten Sitten und verpflichtet z.ur Unterlassung der Nichtbelieferung." Ist nur der Staat zur Gleichbehandlung gezwungen, so is.t nur für ihn die Ableitung eines Kontrahierungszwanges in Analogie zu den gesetzlich geregelten Fällen statthaft. Für private Unternehmen in Monopolstellung, aber auch für alle nicht auf Alleinstellung begründeten Fälle eines Abschlußzwanges, wie etwa für marktstarke Unternehmen, scheidet eine dogmatische Begründung mittels Analogie zum gesetzlichen Kontrahierungszwang aus. IV. Der Anspruch auf Beseitigung sittenwidrigen Verhaltens

1. In der deutschen Literatur wurde verschiedentlich der VeTSuch unternommen, den gesetzlich nicht geregelten Kontrahierungsz:wang nicht als Erscheinungsform des Schadensersatzes, sondern in Analogie zu § 1004 BGB6 ' als Beseitigung der Abschlußverweigerung zu verstehen. Auch Kilian62 begründet jetzt - entgegen seinen früheren Bedenken63 - den als "Folgenbeseitigung" bezeichneten Anspruch auf Ver-

OGH, JBl 1956, 618. Hier würde die für das Privatrecht aus dem Grundrecht der Gleichbehandlung zu ziehende Wertentscheidung gegenüber der Vertragsfreiheit überzogen. Vgl. Kopp (oben FN 56) 157 ff. 60 Tritt der Staat als Monopolist auf, so braucht die Verletzung des Gleichheitsgebotes nicht mit Sittenwidrigkeit begründet zu werden, doch kann das Verbot sittenwidrigen Verhaltens zur inhaltlichen Bestimmung eines einoder erstmalig zu schließenden Vertrages beitragen. So sind nach OGH, JBl 1973, 470, 474 Vertragsbedingungen unsittlich, wenn sie als "unangemessen oder unerträglich" qualifiziert werden mußten. 61 Ernestus, Das Diskriminierungsverbot des § 26 II GWB nach der 2. Kartellnovelle, Diss. Frankfurt 1976, 269; K. Schmidt, Der Zivilrichter als "Schöpfer" und "Vollstrecker" wirtschaftlicher Normen, DRiZ 1977, 97 f. Vgl. weiters 1. Teil bei FN 92 und 134. 62 Vgl. Punkt 14 der Thesen zum Referat "Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem", das KiHan bei der Tagung Dt. Zivilrechtslehrer in Bern 1979 gehalten hat. 63 In ZHR 142, 1978, 453, 481 f. (Diskriminierungsverbot und Kontrahierungszwang für Markenartikelhersteller) lehnt Kilian einen Unterlassungsanspruch in Analogie zu § 1004 BGB ab, weil damit "die strengeren Voraus58

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2. Teil: Osterreich

tragsschluß mit dieser Norm. Da der negatorische Beseitigungsanspruch nur objektiv an das Vorliegen eines Eingriffes anknüpft, hätte diese Konstruktion gegenüber der schadensersatzrechtlichen Naturalrestitution den Vorteil, daß dem Eingreifer ein Verschulden nicht angelastet zu werden brauch~4 • 2. Es ist ein Verdienst von Jabornegg/Strasser85, den in der östeTreichischen Literatur bisher kaum diskutierten dogmatischen Grundlagen des Beseitigungsanspruchs nachgegangen zu sein. Unter Betrachtung positiv-rechtlicher Grundsätze und Wertungen konunen sie zu dem Ergebnis, daß der negatorische Beseitigungsanspruch nur so lange und insoweit zusteht, als eine Sache des beeinträchtigten Eigentümers von einer dem Störer zuzuordnenden "Sphäre überlagert wird und dies'e im Verhältnis zur eigenen Sache faktisch und rechtlich individualisierbar ist" 66 • Haftungsbegründendes Element für den Beseitigungsanspruch ist somit ein Eingriff in das fremde Eigentum. Der positivrechtliche Ansatz für die Abgrenzung der negatorischen Haftung von den nachteiligen Eingriffsfolgen, die nach Schadensersatzrecht zu beurteilen sind, konnte im § 366 ABGB67 gefunden werden. Die rech~ widrige Inanspruchnahme fremden Eigentums kommt "einer ganzen oder teilweisen Entziehung" 88 gleich. Bei der Eigentumsklage nach § 366 ABGB hat der Sachinhaber nicht nur den Zugriff des Eigentümers zu dulden, sondern die Sache auch aus seiner Eingriffssphäre soweit herauszulösen und bereitzustellen, daß das Zugriffsrecht durch den Berechtigten ausg.e übt werden kann. Danach hat die Herausgabeklage einen setzungen der ausdrücklich geregelten und spezielleren Schadensersatzklage nach§ 35 Abs. 1 GWB umgangen werden können. Auch wäre beim Unterlassungsanspruch eine Mehrzahl gleichwertiger Möglichkeiten neben der Abschlußpflicht zu befürchten. Daher wäre ein Kontrahierungszwang als "zivilrechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch" unmittelbar aus § 26 II 2 abzuleiten. 64 Vgl. Palandt I Bassenge, BGB37 § 1004, 2 a, ff. Ob das auch für das österr. Recht zutrifft s. unten B V 3. 65 Privatrecht und Umweltschutz, 1976, 47 ff. und seither eingehend in: Nachbarrechtliche Ansprüche als Instrument des Umweltschutzes, 1978, 65 ff. Zur besseren Unterscheidung von den schadensersatzrechtlichen Restitutionsansprüchen wird nach der Terminologie des § 1004 BGB und des § 15 öUWG nicht von Wiederherstellung des vorigen Standes, sondern von Beseitigungsansprüchen gesprochen. 60 Jabornegg I Strasser, Nachbarrechtliche Ansprüche als Instrument des Umweltschutzes, 1978, 163. 6 7 Auf diese Parallele hat für das BGB schon J. Baur, Der Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB, AcP 160, 465 ff. hingewiesen. Für eine Abgrenzung der Naturalrestitution nach§ 249 BGB vom Beseitigungsanspruch nach § 1004 BGB ziehen Jabornegg I Strasser, Nachbarrechtliche Ansprüche (oben FN 66) 150, die Bestimmungen des§ 985 BGB heran. 68 Jabornegg I Strasser, Privatrecht und Umweltschutz, 1976, 49; dies., Nachbarrechtliche Ansprüche (oben FN 66) 151; zustimmend Aicher, Umweltschutz und Privatrecht, JBl 1979, 235, 236.

B. IV. Anspruch auf Beseitigung

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Beseitigungseffekt. Um dem Eigentümer die ungehinderte Wegnalune seiner Sache zu ermöglichen, ist neben der positiven Individualisierung der beanspruchten Sache auch die negative Individualisierung der Störersphäre, das der Wegnahme rechtlich oder faktisch entgegenstehende Hindernis im Bereich des Inhabers vonnöten. Die bestimmenden Elemente für den Beseitigungsanspruch sind demnach die Sache oder das als Eingriff zu wertende Verhalten, die dem Störer zurechenbar sind und auf den eigentumsgeschützten Bereich des Gestörten einwirken. Die Negatorienklage ist nur auf die Beendigung des gegenwärtigen Eingriffs gerichtet, sie zielt also ausschließlich auf Beseitigung der Störung in natura. Hat beispielsweise der Störer unbefugt Müll auf fremdem Grund abgelagert, so ist dieser als d& Störersphäre zugehörig individu:alisierbar und objektiv als Eingriff bewertbar, wenn es sich beim Grundstück nicht gerade um eine Mülldeponie handelt. Der Müll ist wegzuschaffen. Demgegenüber ist die bloße Veränderung an der Sache des Gestörten, etwa die Verschlechterung des Bodens durch den abgelagerten Müll, die auch nach Beseitigung desselben bleibt, keine "Überlagerung durch die Störersphäre", sondern die Folge eines solchen Eingriffs und nach Schadensersatzrecht zu behandeln. Nach der positiv-rechtlichen Wertung der Eigentumsordnung kommt die Verletzung der Enthaltungspflicht des Störers einer Sachentziehung gleich; wie bei dieser braucllt daher der Eingriff bei der negatoriscllen Beseitigung nur beendet zu werden. Dagegen sind die Folgen, die sich aus der Störung sonst noch ergeben, nach schadensersatzrechtlichen Kriterien zu beurteilen. Folgenbeseitigung ist demnach, sollte sie durch Wiederherstellung des vorigen Standes erreicht werden, keine negatorische Behebung des störenden Zustandes, sondern eine versclluldensabhängige schadensersatzrechtliche Restitution nach § 1323 ABGB69 • Es muß dabei ja die durch den Eingriff bewirkte Folge im Vermögen des Verletzten gutgemacht werden, während beim Beseitigungsanspruch "die Schadensquelle Gegenstand der Klage" ist70 • 3. Will man die Verpflichtung zum Vertragsschluß in Analogie zum negatoriscllen Beseitigungsanspruch begründen, so setzt das voraus, daß ein dem Eigentumsrecht des Gestörten entsprechendes subjektives Recht durch den, der den Vertrag verweigert, rechtswidrig in Anspruch genommen wird. Ohne zunächst auf die Frage eingehen zu müssen, welches subjektive Recht durch die Vertragsverweigerung gestört werden könnte, ist festzuhalten, daß die Beeinträchtigung rechtswidrig sein t 9 Daher ist der Versuch Kilians, Vortrag Bern 1979 (oben FN 62), den quasinegatorischen Kontrahierungszwang als "Folgenbeseitigungsanspruch" darzustellen, verfehlt. Zur Beseitigung rechtswidriger hoheitlicher Beeinträchtigung s. jetzt H. H. Rupp, Der vertragsrechtliche (Folgen-) Beseitigungsanspruch, Juristische Arbeitsblätter 1979, 506 ff. 70 WHburg, Die Elemente des Schadensrechts, 1941, 263.

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2. Teil: Österreich

muß. Nun kann man generell davon ausgehen, daß die Vertragsfreiheit ein tragendes Element unserer Privatrechtsordnung ist und die Ausübung dieser Freiheit nicht an sich schon rechtswidrig sein kann. Ein Verstoß gegen Verbote und Gebote der Rechtsordnung71 könnte in einer Vertragsverweigerung dann gesehen werden, wenn damit der abschlußwilligen Partei sittenwidrig ein Schaden zugefügt wird. Ist aber dieser Schaden durch das vergangene oder gegenwärtige Verhalten bereits eingetreten, so ist nicht das störende Verhalten zu beseitigen, sondern der Schaden nach§ 1295 Abs. 2 ABGB als Verhaltensfolge zu ersetzen. Wird der als Verhaltensfolge eingetretene Schaden liquidiert, bleibt für eine gesonderte Beseitigung der Abschlußverweigerung, die in der Vergangenheit oder Gegenwart die Ursache für die Schädigung darstellte, kein Raum. Anderes kann dagegen gelten, wenn das vergangene oder gegenwärtige Verhalten atttch für die Zukunft eine schädigende Beeinträchtigung befürchten läßt, oder die sittenwidrige Schädigung durch die Vertragsverweigerung überhaupt erst in der Zukunft droht. Dann aber ist keine gegenwärtige Störung zu beseitigen, sondern eine zukünftige zu unterlassen und der Vertragsverweigerung mit einem Unterlassungsanspruch72 zu begegnen. V. Der Abschlußzwang als Gegenstand des quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs

1. Im Gegensatz zu § 907 Abs.l BGB, wonach die Beseitigung von Anlagen am Nachbargrundstück verlangt werden kann, wenn "mit Sicherheit vorauszusehen ist", daß unzulässige Einwirkungen entstehen werden, steht bei bloß drohendem Eingriff nach ös.terreichischem Recht nur ein Unterlassungsanspruch zur Verfügung. Dieser ist im ABGB zwar nicht ausdrücklich geregelt, Jabornegg!Strasser73 leiten ihn jetzt mit Recht aus dem "Untersagungsrecht" des § 364 ABGB ab: Nach den Wertungen des Gesetzgebers soll es genügen, "wenn die unzulässigen Immissionen in Hinkunft überhaupt unterlassen werden". Positive Maßnahmen sollen danach vom Störer gar nicht verlangt werden. Neben der Unterlassungsklage zur Abwehr unzulässiger Immissionen nach§ 364 ABGB sind noch weitere Fälle gesetzlich geregelt: § 43 ABGB gewährt einen Unterlassungsanspruch zum Schutz des Namensrechts, 71 Zur "Verhaltensunrechtslehre" vgl. Schey, Die rechtliche Natur der Geschäftsführung ohne Auftrag nach dem Österreichischen ABGB, FS Zitelmann 1913, 20; Koziol, österreichisches Haftpflichtrecht 1, 1973, 70. 72 So Jabornegg I Strasser, Nachbarschaftliehe Ansprüche (oben FN 66) 169. Jelinek, Das "Klagerecht" auf Unterlassung, ÖBl 1974, 125, 132 ff., weist nach, daß die Gefahr zukünftiger Beeinträchtigung ein materiellrechtliches Tatbestandselement der Unterlassungsklage darstellt. 73 Nachbarrechtliche Ansprüche (oben FN 66) 61 f.

B. V. Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch

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§ 339 einen solchen gegen Besitzstörung und § 523 gegen die Anmaßung einer Servitut. Zur Rechtfertigung einer Unterlassungsklage wegen drohender sittenwidriger Beeinträchtigung durch Vertragsverweigerung dient aber besonders die in § 14 UWG geregelte Klage auf Unterlassung zum Schutz des Vermögens vor einem sittenwidrigen Wettbewerbsverstoß (§ 1 UWG) als Analogiegrundlage. Kann nämlich gegen eine sittenwidrige Wettbewerbshandlung ein Unterlassungsanspruch gewährt werden, so wäre es nicht verständlich, würde dieses Abwehrrocht gegen eine andere zu erwartende sittenwidrige Schädigung verweigert74•

2. Hat man einmal erkannt, daß ein Unterlassungsanspruch dann gewährt wird, wenn in Zukunft die Gefahr droht, "daß die von der Rechtsordnung geschützte Rechtsposition beeinträchtigt wird", läuft man nicht mehr Gefahr, im Kontrahierungszwang ein "Unterlassen des Nichthandelns" zu sehen. Der Vertragsverweigerer ist nicht mit dem Vertragsschluß im Verzug und soll mit der Unterlassungsklage nicht zur Beseitigung der bisherigen Nichtbelieferung gezwungen werden7~. Mit dem Unterlassungsanspruch wird viehn.ehr der Verpflichtete gezwungen, die in der Zukunft drohende Rechtsverletzung zu vermeiden. Das muß gar nicht in einem "Nichthandeln" bestehen, sondern kann vom Verpflichteten dul'chaus Aktivitäten erfordern.

Der Unterlassungsanspruch ist nur auf das Ziel gerichtet zu verhüten, daß dem Vertragswerber in sittenwidriger Weise ein Schad.e n z.ugefügt wird. Hat bisher keine entsprechende Rechtsverletzung stattgefunden, weil die Vertragsverweigerung- und die damit zu erwartende sittenwidrige Schädigung - erst für die Zukunft angedroht wurde, kann nach herrschender Auffassung78 eine "vorbeugende" UnterlaSSJUngsklage 74 Zur Stützung einer allgemeinen vorsorglichen Unterlassungsklage verweisen Jabornegg I Strasser, Privatrecht und Umweltschutz, 1976, 43 mit Recht auf zulässige Selbsthilfemaßnahmen zur Schadensabwehr. Dazu auch Wilburg, Die Elemente des Schadensrechts, 1941, 253 ff. der meint, "daß das Recht ... gegen drohenden Schaden stärker reagiert als gegen einen Schaden, der schon besteht" (262). 75 Schuster-Bonnot, Die Gefahr des Zuwiderhandeins gegen Unterlassungsverpflichtungen (Wiederholungsgefahr), JBl 1974, 169 ff. und ders., Der privatrechtliche Anspruch auf Unterlassung, JBl 1976, 281 ff., nimmt zu Unrecht an, mit der Unterlassungsklage könnte die bisher unterlassene Handlung nachgeholt werden. Dagegen Jelinek, Das "Klagerecht" auf Unterlassung, ÖBl 1974, 130 FN 93. Daß der Unterlassungsanspruch ein relatives Recht auf fremdes notwendig künftiges Verhalten ist, betonen schon Gschnitzer in Klang2 411, 23 und Ehrenzweig, System2 211, 10; zum schweizerischen Recht vgl. Egger, zu Art. 28 ZGB, RN 83; von Tuhr I Siegwart, AT 377; SchönenbergeT I Jäggi, Vorb. vor Art. 1 OR, RN 39, 72, 92 f. Zum dt. Recht für viele Larenz, SehR IP 0 , 1972, 528 ff. und eingehend Picker, Der negatorische Beseitigungsanspruch, 1972, 82. - Zweideutig ist es demnach, wenn der OGH, JBl 1956, 618 von der Pflicht zur "Unterlassung der Nichtbelieferung" spricht. 78 Ehrenzweig, System2 211, 10; Gschnitzer in Klang2 411, 23 ff.; Wolf in Klang2 6, 33; Reischauer, Das Persönlichkeitsrecht auf Achtung des Fern-

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angestrengt werden. Ist dagegen durch Verweigerung des Vertragsschlusses schon in der Vergangenheit Schaden entstanden, so dient der Unterlassungsanspruch nicht zu dessen Behebung, aber die frühere Be~ einträchtigung hat Indizwirkung77 für die Zukunft. Hat das vergangene Verhalten zu einer sittenwidrigen Schädigung geführt, so wird aus der akuten Störungshandlung die "Wiederholungsgefahr'178, die Gefahr zukünftig zu erwartender Rechtsverletzung, nachgewiesen. Die vergangene oder gegenwärtige Beeinträchtigung läßt den Schluß zu, daß die Schädigung auch in der Zukunft droht. Die Untersagung fremden Handelns kann nicht nur die positive Seite einer nach bestimmten Merkmalen umschriebenen Tätigkeit umfassen, sondern auch deren negative. Das verkennt das KarteUgericht79 , wenn es die von der Finanzprokuratur verlangte Entscheidung auf Belief~ rung des neuen Bewerbers zu den Bedingungen, die anderen Großabnehmern gewährt wurden, nur deshalb ablehnt, weil das Gesetz (§ 46 Abs. 1 KartG) Unterrsagung eines Mißbrauchs anordnet. Die Frage, ob die Anträge "in Wahrheit auf eine Versagung, also auf ein Verbot poSii.tiven Verhaltens eines marktbeherrschenden Unternehmens, oder auf den Ausspruch einer Verpflichtung des Marktbeherrschers zu einem bisher nicht geübten Verhalten hinausliefen und nur formal in das G~ wand einer Untersagung gekleidet seien", ist falsch gestellt. Zwar unterliegt gewolltes Unterlassen als "negative Handlung" nicht notwendig denselben Regeln wie die positive HandlungBO, doch sind mit der Verbindlichkeit zum Handeln regelmäßig eine Reihe von Unterlassungspflichten verknüpft und umgekehrtD1 • Ein allgemeines Rechtsgebot, sich um die Verhinderung des einem anderen drohenden Schadens zu bemühen, besteht nichj;lll!. Nur wenn eine besondere Rechtspflicht zum sprechgeheimnisses (§ 16 ABGB) und seine Bedeutung für das Dienstverhältnis, DRdA 1973, 215; Jabornegg I Strasser, Privatrecht und Umweltschutz, 1976, 42 f. 77 Zur Beweislastverschiebung aufgrund dieser Indizwirkung vgl. Schönherr, Der Wegfall der Wiederholungsgefahr, ÖBl 1963, 41; Jelinek, Das "Klagerecht" auf Unterlassung, ÖBl 1974, 125, 132 f. OGH, ÖBl 1974, 104 - kitekat; ÖBl 1979, 126 - Isolierkamin. 78 Vgl. Koziol I Welser 14 , 172; Jelinek, ÖBl 1974, 125; Jabornegg I Strasser, Privatrecht und Umweltschutz, 1976, 44 f.; OGH, ÖBl 1979, 126, 127 f. 79 Zitiert in der ÖMV-Entscheidung, ÖBl 1977, 17 (oben A II 4). 80 So aber von Tuhr, AT des dt. Bürgerlichen Rechts 211, 1914, 122. Vgl. dagegen Mayer-Maly, Schädigung durch Unterlassung insbesondere durch unterlassene Hilfeleistung bei Verkehrsunfällen, ZVR 1977, 97 ff. mit w. Nachw. 81 Vgl. Lehmann, Die Unterlassungspflicht im bürgerlichen Recht, 1906, 166 ff.; Ulrich, Der Unterlassungsanspruch aus obligatorischen Rechtsverhältnissen nach geltendem Recht, JherJB 64, 1914, 161, 172 ff.; Gschnitzer in Klang2 411, 23 f.; Schuster-Bonnot, Der privatrechtliche Anspruch auf Unterlassung, JBI 1976, 281 ff. 8 2 Vgl. OGH, SZ 391170.

B. V. Quasinegatorischer Unterlassungsanspruch

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Handeln verletzt wird, ist die Unterlassung rechtswidrig83. Ergibt sich aus dem Unterlassungsanspruch die Rechtspflicht, den drohenden Schaden abzuwenden, so ist jedes Verhalten, das den vexpönten Erfolg zu realisieren vermag, rechtswidrig. Das Gericht hat dagegen jenes Verhalten des Verpflichteten anzuordnen, das diesen Erfolg unterbindet. Das mag im Verbot oder in der Anordnung einer Handlung liegen. Fraglich konnte im dargestellten Zusammenhang sein, ob der Unterlassungspflicht, den neuen Bewerber nicht ohne zwingenden Grund anders zu behandeln als die bisherigen Großabnehmer, nur dadurch entsprochen werden konnte, daß er zu den bisher für die Großabnehmer geltenden Bedingungen beliefert wird. Lieferung und Vertragsschluß zu bestimmten Bedingungen stellen nicht notwendig den einzigen Weg dar, dem Anspruch gerecht zu werden. Überhaupt liegt es im Wesen eines Unterlassungsanspruches, daß dem Verpflichteten die Wahl der Mittel eingeräumt wird, wie er den für die Zukunft drohenden und verpönten Erfolg beseitigt oder verhindert. Im Gegensatz zum Leistungsurteil, das dem Gläubiger die pflichtwidrig vorenthaltene Leistung verschaffen will, muß das Urteil aus der Unterlassungsklage den Verpflichteten nur zu irgendeinem Verhalten zwingen, das die drohende Rechtsverletzung nicht eintreten läßt. Dieses Verhalten kann sowohl in einem positiven Handeln wie in einer Enthaltung bestehen. Ein Urteil, das den in der Ungleichbehandlung und den sich daraus ergebenden Schädigungen liegenden Mißbrauch untersagt, müßte es demnach dem Verpflichteten überlassen, wie er der auferlegten Unterlassungspflicht nachkommt. Hat die sittenwidrige Schädigung ihre Wurzeln in der grundlosen Ungleichbehandlung durch das marktbeherrschende Unternehmen, so bleibt außer der Verpflichtung zu entsprechendem Vertragsschluß auch die Möglichkeit, die bisherigen Großabnehmer nicht mehr oder nur zu den dem Vertragswerber angebotenen Bedingungen zu beliefern. Bei der Vertrags- und Absatzlage eines marktbeherrschenden Unternehmens sind aber diese Ausweichmöglichkeiten rein theoretischer Natur"'. Bewertet das Gericht die Möglichkeiten realistisch, so konzentrieren sich die denkbaren Wege zur Verwirklichung der Unterlassungspflicht auf ein ganz konkretes Verhalten, nämlich a.uf den Vertragsschluß zu den Bedingungen, die den anderen Abnehmern schon bisher gewährt worden sind. Genau dieses einzig zielführende Verhalten soll durch das Gebot, "gegenteiliges Verhalten zu unterlassen", erzwungen werden. es Vgl. Mayer-Maly, ZVR 1973, 97, 99. "' Aufgrund der zu Gebote stehenden Wahl zwischen mehreren Handlungsmöglichkeiten lehnt Greiner, Kontrahierungszwang als Folge des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots? Diss. Regensburg 1975, 74 f. einen unmittelbaren Kontrahierungszwang aus § 26 Abs. 2 Satz 2 GWB ab. S. dagegen oben 1. Teil, bei FN 129 f.

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2. Teil: Österreich

3. Spielt es bei der praktischen Beurteilung eines Falles keine Rolle, daß der Anspruch auf Unterlassen sitten- und damit rechtswidrigen Verhaltens theoretisch zu mehreren gleichwertigen Handlungsmöglichkeiten führt, weil der Unterlassenspflicht jeweils nur mit dem Vertragsschluß begegnet werden kann und sich dadurch die gerichtliche Entscheidungsmöglichkeit auf die Anordnung eines Kontrahierun~ zwangs reduziert, ist noch zu klären, ob die Pflicht zur Unterlassung sittenwidriger Schädigung so wie der Schadensersatz wegen sittenwidrigen Verhaltens Verschulden (nach § 1295 Abs. 2) voraussetzt. Die oben als Analogiegrundlage herangezogenen gesetzlich normierten Unterlassungsansprüches.> stellen nur auf Rechtswidrigkeit, nicht aber auf ein Verschulden des Verpflichteten ab. Das gilt in gleiche,r Weise von den präventiven Selbsthilferechten, die nach Witburg86 den Gedanken der Schadensabwehr vor den des Schadensersatzes steUen. So setzt Notwehr nur die Rechtswidrigkeit des Angriffs, nicht aber ein Verschulden des Angreifers voraus. Danach ist für die analoge Anwendung eines Unterlassungsanspruches, mit dem zur Schadensverhütung ein Vertragsschluß erzwungen wird, nur die Sittenwidrigkeit der Abschlußverweigerung nach § 1 UWG, § 1295 Abs. 2 oder § 879 Abs. 1 ABGB, nicht aber ein Verschulden des Vertragsverweigerers zu prüfen.

C. Fälle des Abschlußzwanges aus sittenwidriger Gefährdung Nach herrschender Auffassung ist nicht jedes Verhalten schon aus dem Grund rechtswidrig, weil es einem anderen Schaden zufügt. So wird beispielsweise der Eingriff in ein fremdes Vermögen87, soweit damit nicht eine bereits bestehende Vertragspflicht oder ein absolut geschütztes Rechtsgut verletzt wird, selbst bei vorsätzlicher Vornahme nicht notwendig unzulässig. Gibt etwa ein Wirt dem Konkurrenten am Platzangesichts der durstigen Gäste im überfüllten Gastgarten von seinen ausreichenden Vorräten an Bier nichts ab, so fügt er diesem anderen Wirt in voller Absicht einen Schaden zu. Es fehlt dieser Vertragsverweigerung als Wettbewerbshandlung im geschäftlichen Verkehr offensichtlich die Unlauterkeit; sie verstößt nicht gegen die guten Sitten nach § 1 UWG und auch nicht gegen die anderen speziellen Vorschriften dieses oder anderer Gesetze, deren Schutzzweck die Unterbindung solcher Verhaltensweisen darstellt. 85 Vgl. allgemein Jabornegg I Strasser, Privatrecht um Umweltschutz 46 f.; zu § 523 ABGB s. Klang in Klang2 2, 603 f.; zum Beseitigungsanspruch nach § 15 UWG s. Rummel in Koziol, österreichisches Haftpflichtrecht 2, 1973, 230 mit FN 197. 86 Die Elemente des Schadensrechts, 1941, 253 f. 87 Vgl. Welser, Vertretung ohne Vollmacht, 1970, 48 f.; Koziol, österr. Haftpflichtrecht 2, 1975, 187.

C. Fälle des Abschlußzwanges aus sittenwidriger Gefährdung

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Zumindest im Bereich des wirtschaftlichen Verkehrs gilt als dominierender Faktor der Österreichischen Privatrechtsordnung die VertragSIfreiheit in der Form der Abschluß- und Inhaltsfreiheit. Sie ist Ausdruck der Eigenverantwortung des einzelnen88 • Eine Rechtspflicht zur Schadensverhütung und damit eine positive Handlungspflicht zur Abwehr eines durch Vertragsverweigerung drohenden Schadens tritt nur dann ein, wenn die Schädigung in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise zugefügt wird. Es sollen nun verschiedene Fallsituationen übeTPrüft werden, um festzustellen, unter welchen Voraussetzungen die Sittenwidrigkeit anzunehmen ist, die es notwendig macht, die zu erwartende Schädigung durch Vertragsschluß zu verhindern. Dabei ist von der Erkenntnis auszugehen, daß die Sittenwidrigkeit einer erst in der Zukunft drohenden Schädigung, auch wenn sie durch gegenwärtiges Verhalten indiziert wird, vorerst nach objektiven Kriterien fest~uschreiben ist. Das durch Zwang zum Vertragsschluß zu befriedigende Rechtsschutzbedürfnis liegt ja gerade darin, das Verhalten des Vertragsverweigerers wegen der sich ergebenden bedenklichen Situation und nicht wegen der persönlichen Vorwerfbarkeit zu ändern. Subjektive Zielsetzungen des Vertragsverweigerers können objektiv unbedenklich erscheinenden Schadensbedrohungen jenen Unwertcharakter verleihen, der es ebenfalls erfordert, den nach dem Kausalablauf zu erwartenden Schaden durch präventiven Vertragsschluß zu verhindern8o.

88 Zur Entwicklung der liberalen Freiheiten in Österreich, insbesondere der Vertragsfreiheit im wirtschaftlichen Verkehr und der sozialorientierten Gegenströmung gegen die Auswüchse der liberalen Wirtschaftsordnung vgl. Ogris, Die Rechtsentwicklung in Österreich 1848-1918, 1955, 55 ff. 89 Sittenwidrigkeit ist demnach als Zusammenspiel von Elementen eines beweglichen Systems zu verstehen (vgl. Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht, 1951), die wegen grober Verletzung rechtlich geschützter Interessen als rechtswidrig erfaßt wird (so schon OGH, JBl 1956, 121). Auf moralische Vorwerfbarkeit, die sich in der Formel vom "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" widerspiegelt, kommt es dabei weniger an. Vgl. dazu jetzt Mayer-Maly, Anm. zu OGH, DRdA 1979, 386, 389.- Zum Verhältnis der subjektiven Voraussetzungen zum objektiven Sittenverstoß als Nichtigkeitsdrohung für Rechtsgeschäfte, vgl. Mayer-Maly, Das Bewußtsein der Sittenwidrigkeit, 1971, 25 ff.; ders., Münchner Kommentar zum BGB, § 138 RZ 108 f. -Meiner Anregung, bei der Sittenwidrigkeit besonders krasser Äquivalenzstörung auf subjektiv vorwerfbare verwerfliche Gesinnung (oder deren zwingende Vermutung) zu verzichten (Hackl, Äquivalenzstörung und Sittenwidrigkeit, BB 1977, 1412 ff.) ist jetzt das OLG Stuttgart (JZ 1979, 687, 688 = BB 1979, 1423 = NJW 1979, 2409 f.) gefolgt. Der BGH "vermutet" dagegen weiterhin, daß sich die Anbieter von Leistungen mit auffälligem Mißverhältnis "der Einsicht" der Untragbarkeit, "in einer nach § 138 BGB erheblichen Weise verschlossen" hätten (WM 1979, 1209, 1211).

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2. Teil: Österreich I. Abhängigkeit vom Monopol

Ausgangspunkt für die Anerkennung eines Kontrahierungszwanges in Lehre und Rechtsprechung waren jene Fälle, in denen der einzige Anbieter von Gütern oder Leistungen diese gegenüber bestimmten Abnehmern grundlos verweigert hat. Um die Grenzen des Abschlußzwanges für Monopolisten aufzuzeigen, sollen folgende Fälle geprüft werden: a) Der Hüttenwirt (H) verweigert dem Bergsteiger (B) die Übernachtung, obwohl auf dem Lager noch Plätze frei sind. b) H verweigert B das in der Hütte vorhandene Einzelzimmer und weist ihm einen Platz aurf dem Lager zu. c) H verweigert aus antisemitischer Haltung dem Juden B das Einzelzimmer, bietet es aber sonst täglich dem ersten Gast an. Weil im Gebirge B regelmäßig auf das Quartier desHangewiesen ist und Ausweichmöglichkeiten praktisch nicht bestehen, ist H im Angebot der Leistung "Übernachtung" Monopolist. Schon durch den Betrieb des Quartiers., also die Öffnung der Hütte für das Publikum, wird diese Leistung öffentlich angeboten. Jeder Bergsteiger kann die angebotene Beherbergung in Anspruch nehmen. H darf den Vertrag nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen verweigern, etwa weil das Angebot erschöpft, das heißt, die Hütte voll belegt ist. Auch im Fall b) hat H im Angebot der Leistung "Übernachtung im Einzelzimmer" ein Monopol inne90 , jedoch sind Unterschiede in zweifacher Hinsicht zu registrieren: Einmal liegt im Betrieb einer Berghütte nicht schon notwendig ein Angebot an das Bergsteigerpublikum, daß außer Übernachtung (auf dem Lager) auch solche in Einzelzimmern angeboten wird. Wie eine Privatperson, die ein bestimmtes Grundstück zum Kauf anbietet und dafür eine Monopolstellung hat, nicht ZUJ jeder Leistung verpflichtet ist, die ihr allein möglich ist, so wenig gilt Entsprechendes für H. Nur soweit die Leistung zum Betrieb des Unternehmens gehört und allgemein und öffentlich angeboten wird, tritt eine Bindung ein. Darüber hinaus ist B auf die spezielle Leistung nicht angewiesen. Es droht aus der Ablehnung des Vertragsschlusses kein wesentlicher Schaden, solange die zurnutbare Ausweichmöglichkeit, auf dem Lager zu übernachten, besteht. Jeder dieser Gründe ist für sich schon geeignet, eine Abschlußpflicht des H zu verneinen. 90 Wenn der OGH, ÖBl 1971, 12- Backofenwerbung, die Monopolstellung für Werbung im Fachblatt ablehnt (13 f.), weil Werbung auch in Tageszeitungen oder Prospektversand möglich ist, wird die Frage der zurnutbaren Ausweichmöglichkeit zu Unrecht zur Abgrenzung der Alleinstellung herangezogen. Nur der Hinweis auf ein zweites Fachblatt schließt Monopolstellung mit Recht aus.

C. I. Abhängigkeit vom Monopol

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Auch im Fall c) hat H als Monopolist die überragende Machtstellung, die es rechtfertigt, die Position des ungleich schwächeren Bewerbers beim Vertragsschluß dadurch tu stärken, daß die Abschluß- und Inhaltsfreiheit des H beschränkt wird. Zwar liegt hier kein ausdrückliches oder mit der Inbetriebnahme des Unternehmens verbundenes Angebot an die interessierten Kreise der Öffentlichkeit vor, doch muß sich der Unternehmer wie bei einem solchen Angebot behandeln lassen, wenn er die monopolistische Leistung tatsächlich allgemein erbringt oder abgibt. Wie im Fall b fehlt aber auch hier bei B das Merkmal des Angewiesenseins, weil ihm die Ausweichmöglichkeit auf eine andere Leistung (Übernachtung auf dem Lager) bleibt. Dabei stellt sich die Frage, ob die Ausweichmöglichkeit zurnutbar ist. Die Diskriminierung aus rassischen Gründen ist nach den in Österreich anerkannten allgemeinen Wertungen der Rechtsordnung verpönt. Wäre die Alleinstellung des Monopolisten allein noch nicht Grund genug, die Abgabe der allgemein in Aussicht gestellten Leistung zu erzwingen, wenn dem Leistungsbewerber eine zurnutbare Ausweichmöglichkeit bleibt, so kann ein zusätzliches Sittenwidrigkeitselement ein fehlendes ersetzen. Im Falle wird wohl das diskriminierende Verhalten von H die Zumutbarkeit der Ausweichmöglichkeit aufheben.

c

Aus den dargestellten Fällen lassen sich folgende Grundsätze für den Kontrahierungszwang des Monopolisten herausarbeiten: 1. Der Abschlußzwang trifft nur Unternehmer, die aufgrund der Wid-

mung des Betriebes oder eines tatsächlichen oder konkludent gestellten Angebots an die Öffentlichkeit versprechen, Güter oder Dienstleistungen unter bestimmten oder leicht bestimmbaren Bedingungen abzugeben91 • Danach sind unter dem Begriff "Unternehmen" in einem weiten Sinn alle organisatorischen Einheiten zu verstehen, die als Anbieter oder Nachfrager von Gütern oder Dienstleistungen am Wirtschaftsverkehr teilnehmen92•

2. Die Bindung an das Angebot gilt nur, soweit dem Vertragswerber ein Ausweichen auf andere Leistungen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. 3. Der Monopolist kann den Vertragsschluß verweigern, wenn er hierfür sachlich gerechtfertigte Gründe hatt'3 •

91 "Vertraglichen" Kontrahierungszwang lehnt OGH, ÖBl 1971, 12, 13 Backofenwerbung, mit Recht ab. 92 Zur Abgrenzung vgl. H. Herrmann, Die Erteilung von Bundesliga-Vereinslizenzen und Diskriminierungsverbot, WuW 1979, 149, 151 ff. 93 OGH, EvBl 1972/157; SZ 46/54 = ÖBl 1974, 10, 11 Kontrahierungszwang; KOG, ÖBl 1977, 17, 19- ÖMV; Nipperdey, Kontrahierungszwang 61.

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2. Teil: Osterreich

In Verbindung mit dem sittlichen Gebot, seine Vorrangstellung aus dem Monopol nicht zum Nachteil der abschlußwilligen Partner auszunützen, wird hier ein venire contra factum proprium, die Abschlußverweigerung entgegen dem öffentlichen Angebot, verhindert. Nur das Zusammenwirken aller Elemente vermag die Kontrahierungspflicht zu begründen. Für den Kontrahierungszwang des Inhabers eines rechtlicllen oder faktischen Monopols spielt es keine Rolle, welche Güter oder Dienstleistungen er anbietet. Das Interesse an der Beschränkung der einseitigen Übermacht in der Parteiposition durch die Alleinstellung ist so groß, daß beim Verbot widersprüchlicllen Verhaltens nicht mehr danach zu differenzieren ist, ob die Güter und Leistungen lebenswichtig oder notwendig sind, der Daseinsvorsorge, dem Notbedarf oder dem Abnehmer sonstwie dienen94• Wird durch das Fehlen der oben genannten Kriterien, des öffentlichen Angebots und des Bestandes einer Ausweichmöglichkeit, oder durch das Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes die Sittenwidrigkeit des Einsatzes einer monopolistischen Stellung aufgehoben, so können andere Sittenwidrigkeitselemente an deren Stelle treten und sie ersetzen95• Was für den Inhaber eines Monopols gilt, trifft auch für die Marktgegenseite zu: Auch das als Monopson agierende Unternehmen, das durch rechtliche oder faktische Vorzugsstellung als alleiniger Nachfrager auftreten kann, engt den Freiheitsspielraum der Anbieter in gleicher Weise ein, wie das umgekehrt vom Monopol her der Fall ist. Monopol wie Monopson müssen alle Interessenten entsprechend ihrem öffentlichen Angebot oder der entsprechenden Nachfrage gleich behandeln, wenn der Marktgegenseite ein Ausweicllen auf andere, gleichwertige und geeignete Güter und Dienstleistungen unmöglich oder unzumutbar ist. Eine unterschiedliche Behandlung ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie sachlich begründet ist. Was für das im Angebot und der Nachfrage alleingestellte Unternehmen im Güter- und Dienstleistungsverkehr zutrifft, muß in gleicher Weise auf Vereine und Verbände zutreffen, die bei der Verfolgung M Der Monopolist verstößt schon dann gegen die guten Sitten, wenn er nicht "alle Abnehmer seines Versorgungsgebietes nach gleichen Grundsätzen beliefert": OGH, EvBl 1972/157 unter Hinw. auf JBl 1956, 618. Danach wird die in ZBl 1929/320 zur Machtausübung zusätzlich geforderte Verfolgung eines unsittlichen Zwecks oder der Einsatz unerlaubter oder unsittlicher Mittel nicht mehr verlangt. 95 Etwa die Verfolgung des Zwecks, die wirtschaftliche Existenzgrundlage eines anderen zu vernichten: OGH, SZ 33/74 = ÖBl 1961, 24- Werbeagentur; ÖBl 1967, 34 - Textileinzelhandel; ÖBl 1974, 105, 106 - Einheitsmineralwasserflaschen; ÖBl 1975, 109 - Badeausstattung-Liefersperre.

C. II. Schutz der Versorgung mit Bedarfsgütern

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ihrer Ziele eine Monopolstellung einnehmen. Die generelle Entscheidungsfreiheit für die Aufnahme wird dann sittenwidrig ausgeübt, wenn der Verein oder Verband allein die Interessen des Aufnahmewerbers vertreten könnte und Ausweichmöglichkeiten nicht bestehen oder nicht zuroutbar sind. Wieder können nur sachliche Rechtfertigungsgründe die Aufnahmepflicht ausschließen. Handelt es sich beim Monopolisten um ein staatliches Unternehmen, so kommt es auf die Ausweichmöglichkeit nicht an, weil der Staat auch im privatwirtschaftliehen Handeln den Gleichheitsgrundsatz98 zu wahren hat. Der monopolistisch handelnde Staat kann öffentlich angebotene Leistungen nur aus sachlichen Gründen verweigern. Weil sich dieser Kontrahlerungszwang schon aus der Analogie zu den gesetzlich geregelten Fällen ergibt, braucht Sittenwidrigkeit zu seiner Begründung überhaupt nicht herangezogen zu werden. II. Schutz der Versorgung mit Bedarfsgütern

Vonseiten des Handels wird häufig darauf hingewiesen, daß er eine wichtige Funktion im Dienste der Allgemeinheit, nämlich die Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Gütern, zu erfüllen habe. Daß die Abgabe von lebenswichtigen Gütern an jeden Interessenten nicht in das Belieben des einzelnen Unternehm.ers gestellt sein darf, hatte der Gesetzgeber schon im alten Strafgesetzbuch(§ 482 StGB a. F.) ausgesprochen. Diese Kontrahierungspflicht mit dem VerbraucheT hinsichtlich der "den notwendigen Bedürfnissen des täglichen Lebens" 97 dienenden Waren wird jetzt im § 5 NVG 1977 normiert und unter den Schutz der Bezirksverwaltungsbehörde gestellt. Damit ist für den Handel im Verkehr mit dem Letztverbraucher eine Vertragsfreiheit nur noch dann gegeben, wenn es sich um Waren und Leistungen außerhalb der Bedarfsgüter oder nicht um eine solche Menge handelt, "die Verbrauchern üblicherweise abgegeben wird". Ein zivilrechtlicher Kontrahlerungszwang trifft den Unternehmer bei der Belieferung von Letztverkäufern mit Gütern des täglichen Bedarfs nach§ 4 NVG, wenn durch die Weigerung 2'JU liefern die Nahverso·rgung gefährdet würde. Nach dem Gesetz liegt diese Gefährdung vor, wenn OGH, JBl 1956, 618; EvBl 1972/157 = SZ 44/138. Dazu zählen heute nicht nur Lebensmittel und Heizmaterial, auf die Merkl, Verkaufsverweigerung und Verkaufsbeschränkung, JBl 1917, 185 .für seine Zeit einschränkt. Für Erweiterung auf Lichtstrom bereits OGH, JBl 1932, 449, 450. Schon danach lassen sich unter "notwendigen Bedürfnissen des täglichen Lebens" nicht nur Güter verstehen, deren Mangel beträchtliche Schäden verursachen würde (Notbedarf), sondern auch solche, auf die der Durchschnittsbürger ohne wesentliche Beeinträchtigung des normalen Konsums nicht verzichten kann (Normalbedarf), wie Rauchwaren und Kraftstoff. 96

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2. Teil: Österreich

sich eine maßgebliche Anzahl von Verbrauchern die Bedarfsgüter ohne privates oder öffentliches Verkehrsmittel nur unter unzumutbarem Zeit- und Kostenaufwand besorgen können. Die Lieferpflicht besteht danach zugunsten des Detailhändlers im Wohnviertel der Stadt oder im Dorf. Der Supermarkt "auf der grünen Wiese" ist davon ebenso ausgeschlossen wie der Letztverkäufer im Geschäftszentrum oder im 15 Einwohner zählenden Weiler"8 • Über die gesetzlich geregelten Fälle des Schutzes der Bevölkerung hinsichtlich der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs hinaus99 ist die Daseinsvorsorge allein kein ausreichender Grund, einen Vertragsschluß zu erzwingen. Im Zusammenhalt mit der Kontrahierungspflicht des Monopolisten, so wurde oben100 festgestellt, kommt es auf die Art der abzugebenden Leistung nicht an. Dagegen kann sie ein zusätzliches Sittenwidrigkeitselement liefern, wenn die Vertragsverweigerung eine Diskriminierung der abschlußwilligen Partei darstellt und die Diskriminierung eine Grundlage bildet, den Abschluß eines Vertrages anzuordnen. 10. Abschlußzwang aus einem Diskriminierungsverbot

Gerade die Anordnung eines Kontrahierungszwanges bei Behinderung durch marktbeherrschende Unternehmen oder Ausnützung von Abhängigkeit marktstarker Anbieter oder Nachfrager in der Bundesrepublik Deutschland (§ 26 Abs. 2 S. 2 GWB) drängt auch für Osterreich die Frage auf, ob Diskriminierung der abschlußwilligen Partei zur Abschlußpflicht des diskriminierenden Unternehmens führen kann. 1. Nach dem Vorbild des Art. 86 EWG-Vertrag101 unterstellt auch das Österreichische Kartellrecht seit dem 1. 1. 1973 marktbeherrschende Unternehmen der Mißbrauchsaufsicht. Die im § 94 Abs. 1 Z. 1 KartG angeführten Stellen102 können vom Kartellgericht verlangen, daß es 98 Nach dem Ausschußbericht (565 BlgNR 14. GP) ist "maßgeblich" nicht nur ziffernmäßig zu verstehen, sondern kann qualitative Konsumentengruppen, wie Personen in entlegenen Gebieten, Pensionisten usw., umfassen. Auch für diese Gruppen wird eine ziffernmäßige Untergrenze gelten, die sich allerdings nach dem Verhältnis zum zurnutbaren Zeit- und Kostenaufwand ändert. 99 Soweit die Rspr. auf einen besonderen Kontrahierungszwang aus der Abgabe von "Bedarfsgütern des täglichen Lebens" hinweist: OGH, SZ 33/74; ÖBl 1971, 12, 13 - Backofenwerbung. 100 Siehe oben bei FN 94. 101 RV zum KartG, 473 BlgNR 13. GP, 36; Dittrich, Die Verträge Österreichs mit der Europäischen Gemeinschaft und das Österreichische Kartellgesetz, ÖBl 1973, 98, 103. 102 Parteistellung kommt nur der Finanzprokuratur, der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem österr. Arbeiterkammertag zu (KOG, ÖBl 1973, 109 - Kartoffel-Stärkesirup).

C. III. Abschlußzwang aus einem Diskriminierungsverbot

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marktbeherrschenden Anbietern oder Nachfragern103 untersagt, ihre Stellung 1 ~ auf dem maßgeblichen Markt mißbräuchlich ausZJUilützen, wenn ein "Vertragspartner im Wettbewerb durch Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Ledstungen" (§ 46 Abs. 1 Z. 3 KartG) benachteiligt wird, oder das Verhalten "der unmittelbaren oder mittelbaren Erzwingung unangemessener Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen" (§ 46 Abs. 1 Z. 1) dient. Ob das Unternehmen als marktbeherrschend im Kartellregister eingetragen ist, spielt dabei keine Rolle (§ 46 Abs. 3 KartG).

Straberger105 hat richtig erkannt, daß diese "Vorschriften zur Erhaltung der Wettbewerbsfreiheit", wie das KartG mit vollem Titel heißt, zur Interpretation der Frage heranzuziehen sind, in welchem Umfang der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht als wettbewerbs- und damit sittenwidrig zu qualifizieren ist. Marktmacht ist für sich allein noch kein Kriterium, die grundsätzlich bestehende Vertragsfreiheit einzuschränken108. Unter welchen zusätzlichen Voraussetzungen die Ausnützung der wirtschaftlkhen Machtstellung im Einzelfall mißbräuchlich und damit unsittlich ist, hat der OHG seit 1929 mehrmals allgemein dargelegt107 und in der ÖMV-Entscheidung109 im Hinblick auf die Bestimmungen des § 46 KartG präzisiert: Mißbräuchliche Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung könnte einem Unternehmen nur vorgeworfen werden, wenn es bei den Vertragsbedingungen "sachlich unbegründet, also willkürlich", differenzieren würde, "so daß unter gleichen Voraussetzungen eine Verzerrung der Wettbewerbs- und (oder} Unternehmenserfolgslage auf seiten des Abnehmers die Folge wäre". Daneben wäre Mißbrauch der Stellung im Markt dann anzunehmen, wenn die V ertragsbedingungen "zu bloßem unternehmenseigenen Nutzen" aufgestellt werden und sie die wirtschaftliche Freiheit der Marktgegenseite unverhältnismäßig stark einschränken. Weil im konkreten Fall das 103 Nach § 46 Abs 1 Z 1 KartG (Arg. "unangemessene Einkaufs- [oder Verkaufs-]preise oder sonstige Geschäftsbedingungen") ist auch der Mißbrauch der Nachfragemacht zu untersagen: Vgl. Schönherr, Der Mißbrauch der Nachfragemacht gegenüber Lieferanten, ÖBl 1973, 123 m. Nachw. FN 9 gegen Zikeli, Neues österreichisches Kartellgesetz und Markenartikelindustrie, MA

1973, 391, 394.

1 ~ Zur Auslegung der "marktbeherrschenden Stellung" nach § 41 KartG vgl. Schönherr, Das neue Kartellgesetz, JBl 1973, 225, 230; Dittrich, ÖBl 1973,

98, 102.

106 Brauchen wir ein Anti-Diskriminierungsgesetz? GesRZ 1975, 113, 114. 106 So schon OGH, ZBl 1929/320 = RsP 1929/403 (oben A II 1). Das gilt auch für Unternehmen, die im Kartellregister als marktbeherrschend eingetragen sind: OGH, ÖBl 1977, 17, 21- ÖMV. 107 OGH, ZBl 1929/320; seither in SZ 33/74; ÖBl 1975, 109 Badeausstattungs-Liefersperre, und öfter. 108 ÖBl 1977, 17- ÖMV (oben A II 4). 7 Hack!

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2. Teil: Österreich

differenzierende Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens für sachlich begründet gehalten wurde, brauchte das Gericht die Frage, ob aus § 46 KartG mittelbar ein Kontrahierungszwang abzuleiten wäre, nicht zu lösen. 2. Obwohl es nach den bisherigen Darlegungen keinem Zweifel unterliegen kann, daß der Mißbrauch der Marktmacht wettbewerbswidrig ist, als sittenwidriger Gebrauch von "wirtschaftlicher übermacht" qualifiziert "die Grenzen des Zulässigen" 109 überschreitet, und daher die Abwehr drohender Schädigung durch Anordnung eines Kontrahierungszwangs rechtfertigt, bleibt zu untersuchen, welchen Einfluß die Neuordnung des Diskriminierungsverbots und der Anordnung eines Kontrahierungszwangs bei Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit eines Letztverkäufers im NVG 1977 auf die Auslegung des Kartellrechts ausübt.

Nach§ 4 NVG ist- von der oben dargestellten Gefährdung der Nahversorgung abgesehen110 - eine Lieferverweigerung verpönt und mit Kontrahierungszwang zu beheben, wenn "die Wettbewerbsfähigkeit des Letztverkäufers bei derjenigen Warengattung, zu der die nicht gelieferte Ware gehört, wesentlich beeinträchtigt wird". Aus dieser Einschränkung des Gesetzgebers, das Kartellgericht mit der Anordnung einer Abschluß- oder Lieferpflicht nur dann einschreiten zu lassen, wenn sich die Liefersperre gegen einen Letztverkäufer richtet und dessen Wettbewerbsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt, schließt Barfuß111 , daß eine Liefersperre dann keine verpönte Handlungsweise nach §§ 1 und 2 NVG darstellen könne, wenn sie nur den leistungsgerechten Wettbewerb gefährdet. Das wäre in der Tat höchst merkwürdig und die Frage berechtigt, warum eine Liefersperre ohne Sanktion den leistungsgerechten Wettbewerb gefährden dürfe, während das Gewähren von Rabatten oder Sonderkonditionen (§ 1 Abs. 2) ebenfalls (eo ipso) eine Wettbewerbsgefährdung darstellt, als solche aber ausdrücklich verboten ist und untersagt werden kann. Es ist davon auszugehen, daß generell Vertragsfreiheit besteht und eine Abschluß- oder Lieferverweigerung allein, auch wenn sie unbegründet erfolgt, noch nicht gegen das "kaufmännisclle Wohlverhalten"112 verstößt. Ohne Hinzutreten eines weiteren wettbewerbsverzerrenden und damit die Sittenwidrigkeit veranlassenden Elements im Verhalten des Lieferverweigerers fehlt der Sperre die Qualifikation, "den leistungsgerechten Wettbewerb zu gefährden". 109

OGH, ZBl 1929/320.

110 Oben C II. 111 Das Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und Wettbe-

werbsbedingungen ("NVG"), ÖZW 1978, 10, 12. 112 So die Oberschrift zu den§§ 1-3 NVG.

C. III. Abschlußzwang aus einem Diskriminierungsverbot

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Was der Verhaltensweise "Liefersperre" die Wertneutralität nimmt und sie unter die Praktiken einordnet, die den lauteren Leistungswettbewerb stören oder verzerren, ist durch Interpretation des "Leistungswettbewerbs"113 zu gewinnen. Daß man dabei nicht beim bloßen Wortlaut des Gesetzes stehen bleiben darf, sondern angemessene Resultate nur erzielt, wenn Sinn und Zweck der Norm Berücksichtigung finden, ist heute allgemein anerkannt114. Ginge man nämlich davon aus, daß das sachlich ungerechtfertigte "Anbieten und Fordern, Gewähren oder Annehmen von Geld oder sonstigen Leistungen" des§ 1 Abs. 2 NVG allein schon als Diskriminierung nach§ 2 anzusehen ist, wenn es nur überhaupt zwischen Unternehmern ohne Rücksicht auf deren Markteinfluß vorkommt, so schösse das Gesetz weit über das angestrebte Ziel hinaus115• Genauso wenig wie beim speziellen Verhalten der Abschluß- und Lieferverweigerung besteht bei allen anderen Verhaltensweisen eines Unternehmens ein Grund, sie generell zu unterbinden und die Vertragsfreiheit zu beschränken oder aufzuheben, wenn damit nicht wirtschaftlicher Druck ausgeübt werden soll. Der zu weit geratene Anwendungsbereich der Norm ist durch teleologische Reduktion auf jenes Maß einzuschränken, das dem Zweck der Regelung entspricht:ue. Sinn und Zweck, kaufmännisches Wohlverhalten zu erzwingen, ist eindeutig die Bändigung von Marktmacht im allgemeinen und der Nachfragemacht im besonderen. Das ergibt sich einmal aus dem Bericht des Handelsausschusses117, wonach es sich bei den Bestimmungen über kaufmännisches Wohlverhalten und damit beim Diskriminierungsverbot materiell um eine Ergänzung der Vorschriften des KartG über marktbeherrschende Unternehmen handelt, weil diese die Nachfragemacht nur unzureichend erfaßten. Wegen des wirtschaftlichen Druckes räumten Lieferanten nachfragestarken Wiederverkäufern von den regulären Lieferbedingungen oft beträchtlich abweichende Sonderkonditionen ein, die der sachlichen Rechtfertigung entbehren118• Außerdem hat die Bun113 Dazu ausführlich John, Gedanken zum Österreichischen Wettbewerbsund Nahversorgungsgesetz, GRUR Int 1978, 343, 345. 114 Vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft3, 1975, 322ft.; Koziol I Welser ! 4 , 19 ff.; speziell zur teleologischen Reduktion: Koziol, Rückgriffsansprüche des Pensionsversicherers bei Tötung eines Rentners? ZVR

1977, 65, 68.

11s Diesen Fehler des Gesetzgebers kritisiert zu Recht Schuhmacher, "Quo vadis" österreichisches Wettbewerbsrecht? ÖJZ 1978, 314, 315, 317. 11& Die teleologische Reduktion hat nichts mit der verfehlten Auffassung des OGH zu tun, der Normen, die der Durchsetzung von Wettbewerb dienen, insbesondere also das KartG "als ein die Vertragsfreiheit beschränkendes Gesetz ... immer eng auszulegen" oder "als Ausnahmegesetz einschränkend auszulegen" gebietet (vgl. Schönherr I Dittrich, Kartell- und Preisrecht3, 1974, 8). Dagegen zu Recht Koppensteiner, Anm. zu KOG, JBl 1979, 103, 107. 117 565 BlgNR 14. GP.

7•

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2. Teil: Österreich

deskammer der gewerblichen Wirtschaft119 in einem "Wohlverhaltenskatalog" jene Verhaltensweisen zusammengestellt, von denen sie sich bei der Ausübung ihrer Parteistellung nach § 7 NVG leiten lassen will. Dieser Katalog stimmt fast wörtlich mit den "Wettbewerbsregeln des Österreichismen Verbandes der Markenartikelindustrie'ct20 überein, die veröffentlicht wurden, um mißbräuchlich ausgeübte und ausgenützte Marktmacht, im speziellen Fall Nacllfragemacht, bekämpfen zu können. 3. Die nam § 1 Abs. 1 NVG zu untersagende Gefährdung eines leistungsgerechten Wettbewerbs liegt bei einer Vertragsverweigerung dann vor, wenn sie ein Inhaber von Marktmacht ohne samliehen Grund vornimmt. Nur der marktmächtige Anbieter oder Nachfrager diskriminiert die Marktgegenseite durm die sachlich nicht gerechtfertigte Düferenzierung und verletzt damit auch das spezielle Diskriminierungsverbot des § 2 Abs. 1 oder 2 NVG, wenn er als Lieferant oder Wiederverkäufer auftritt121• Insofern ist es richtig, wenn Straberger1u meint, daß das NVG mit seinem Diskriminierungsverbot das KartG ergänzt. Nimt nur das marktbeherrschende Unternehmen darf ohne sachliche Begründung keine unangemessenen Bedingungen durch Vertragsverweigerung 2'lU erzwingen versuchen, oder den Vertragspartner durch unterschiedliche Bedingungen benachteiligen, sondern jeder Inhaber von Marktmacht muß sim der diskriminierenden Differenzierung enthalten. Damit hat der östterreichische Gesetzgeber dem Kartellgericht dasselbe Instrumentarium in die Hand gegeben, das dem Rimter in der Bundesrepublik Deutschland der § 26 GWB bietet. Marktbeherrschende und marktmächtige Unternehmen können zum Vertragsschluß gezwungen werden, wenn ihre Vertragsverweigerung ein anderes Unternehmen am Zugang zum geschäfttimen Verkehr unbillig behindert oder ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlim behandelt. Die Position eines marktmächtigen Unternehmens ist dort wie hier dadurch bestimmt, daß Anbieter oder Nachfrager von ihren Waren oder Leistungen in der Weise abhängig sind, daß ausreichende und zurnutbare Möglichkeiten, auf andere Unternehmen auszuweichen, fehlen?23 • 118 Ein "Sündenregister der Nachfragemacht" legt Abg. Fiedler in der NRDebatte zum NVG vor (StenProtNR 14. GP 5942 f.). 119 Aussendung vom 10. 10. 1977 betreffend ,.Regeln zur Sicherung des leistungsgerechten Wettbewerbs", abgedr. in ÖBl 1977, 150. 120 Abgedruckt in OBI 1976, 147 f. m § 2 NVG pönalisiert nur eine spezielle Form des im § 1 enthaltenen Diskriminierungsverbots (im weiteren Sinn): Vgl. Straberger, Das neue Wettbewerbsordnungsgesetz, WuW 1977, 640 = Der Staatsbürger, Folge 22, 1977, 2 und Barfuß, ÖZW 1978, 10, 11. tu WuW 1977, 640. 123 Zur Beurteilung der Kriterien, ,.Abhängigkeit" und "Ausweichmöglichkeit" ist auf die Ausführungen im 1. Teil (zu § 26 II 2 GWB) bei FN 143 bis 162 (mit der dort zitierten Literatur) zu verweisen.

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Bei dieser Einschränkung, die eine Verfolgung der Liefersperre als gmm.dlos diskriminierende Wettbewerbshandlung nur gegen den marktbeherrschenden und marktmächtigen Unternehmer zuläßt, ist ein klarer Unterschied zum Kontrahierungszwang nach § 4 NVG möglich, aber nicht sogleich zu erkennen. Im Ausschußbericht zu § 4 heißt es, daß eine wesentliche Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit in den Fällen gegeben sein werde, "in denen es Letztverkäufern trotz Erfüllung aller vom Lieferanten geforderten fachlichen1114 Voraussetzungen nicht möglich ist, sich ein Sortiment von Waren anzulegen, ohne das eine Verkaufsfähigkeit bei der betreffenden Warengattung nicht erwartet werden kann" 125• Diese außerhalb des Gesetzestextes stehende Überlegung des Gesetzgebers ist zur Gesetzesauslegung heranzuziehen und bedeutet wohl nichts anderes, als daß der Kontrahierungszwang nur ausgesprochen werden darf, wenn dem Letztverkäufer ausreichende und zrumutbare Ausweichmöglichkeiten, sich anderweitig die nötigen Waren zu verschaffen, fehlen. Dennoch muß aber dem Lieferverweigerer keinesfalls mangelndes kaufmännisches Wohlverhalten zur Last gelegt werden können128• Nur wer die Abhängigkeit ohne rechtfertigenden Grund ausnützt, wird vom Diskriminierungsverbot127 des NVG erlaßt. Dagegen wird eine sachliche Begründung für den Kontrahierungszwang wegen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit des Letztverkäufers nicht verlangt. Der Kontrahierungszwang aus § 4 Abs. 1 NVG bildet somit, wie die Liefer- und Abnahmepflicht des § 3u8 , einen weiteren, gesetzlich geregelten Sonderfall: Das lieferverpflichtete Unternehmen kann sich nicht durch jeden sachlichen Grund befreien, sondern nur die im Abs. 4 des § 4 ausdrücklich genannte wirtschaftliche Unzumutbarkeit1211 sowie die Gesetz- und Sittenwidrigkeit einwenden. 1114 Damit soll wohl der Fachbedienungshandel gegen die Warenhäuser abgeschirmt werden. m 565 BlgNR 14. GP. tH So aber Straberger, WuW 1977, 640. = Insofern enthält das NVG kein "allgemeines" Diskriminierungsverbot, weil darunter nach herrschender Auffassung das Verbot der Ungleichbehandlung verstanden wird, ohne daß ein rechtfertigender Grund (etwa ein Kostenunterschied) eingewendet werden könnte. Vgl. John, GRUR Int 1978, 343, 348 f. mit Nachw. FN 76-84. Dagegen verwendet Schuhmacher, ÖJZ 1978, 314, 315 f. den Ausdruck zur Kennzeichnung eines Ungleichbehandlungsverbots "an alle Unternehmer, gleich welcher Marktstärke" (316). 128 Danach sind Liefer- und Abnahmesperren aus Anlaß eines Verfahrens wegen Verletzung des Diskriminierungsverbots unzulässig, weil auch das eine Verhaltensweise gegen den Leistungswettbewerb darstellt: Vgl. Barfuß, ÖZW 1978, 10, 12. tn Volkswirtschaftliche Rechtfertigung, Unterschiede in den Bezugsmengen oder Gründe auf der Seite des Abnehmers, wie Unzuverlässigkeit, Zahlungsschwierigkeiten und dergl., die zur Abwehr eines Kontrahierungszwangs wegen Mißbrauchs der marktbeherrschenden Stellung ausreichen (KOG, ÖBl 1977, 17, 21 f.), können gegen den Antrag zugunsten des Letztverkäufers nach NVG nicht durchgreifen. Dasselbe gilt für Gründe in der E des EuGH v.

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2. Teil: Österreich

Mit dieser Beschränkung der Gründe, die die Ausübung einer Liefersperre rechtfertigen können, geht der Österreichische Gesetzgeber noch über die in der BRD durch den § 26 II 2 GWB erfaßten Fälle hinaus. Das ist, außer durch die Anerkennung der genannten Einwendungen, deshalb noch erträglich, weil die Abschlußfreiheit nur zugunsten einer einzigen Gruppe, der Letztverkäufer, so weitreichend aufgehoben wird, und zusätzliche Abwehrmöglichkeiten eingebaut wurden. So ist nach Abs. 5 die Lieferpflicht nach Wegfall der Gründe auf Antrag zu widerrufen; das Gleiche gilt, wenn die Existenz von Mitbewerbern des begünstigten Unternehmens gefährdet wird. So können beispielsweise die kleinen Fachhändler durch die erzwungene Belieferung des Großmarktes in Existenznöte geraten und die Aufhebung oder Einschränkung der Lieferpflicht verlangen. 4. Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich die Möglichkeit, marktbeherrschenden Unternehmern nach § 46 Abs. 1 Z. 1 und 3 KartG und marktstarken Unternehmern, von denen Anbieter oder Nachfrager abhängig sind, nach§§ 1 und 2 NVG einen Kontrahierungszwang aufzuerlegen, wenn nur dadurch die unbegründete Diskriminierung behoben werden kann. Dazu kommen die Sonderfälle des gesetzlichen Ausschlusses der Vertragsfreiheit nach §§ 3 und 4 NVG, nach denen einerseits Liefer- und Abnahmeverpflichtungen wegen Durchführung eines Diskriminierungsverfahrens nicht aufgehoben werden dürfen, und andererseits ein Kontrahierungszwang trotz der sonst anerkannten Rechtfertigungsgründe des sperrenden Unternehmens auferlegt werden kann. In allen diesen Fällen sind nach§ 94 Abs. 1 Z. 1 KartG bzw. § 7 Abs. 2 NVG die dort genannten Verbände sowie die Finanzprokuratur aktivlegitimiert und das einzelne gefährdete Unternehmen ist zum bloßen Bittsteller herabgewürdigt. Zu begründen sucht man diese Vorschaltung der klagslegitimierten Parteien, die schon durch ihren Antrag oder dessen Ablehnung eine Vorinstanz bilden, mit dem Vorrang des Institutionenschutzes vor dem des Individualschutzes beim Leistungswettbewerb130. In Wahrheit wird aber die Wettbewerbswidrigkeit des individuellen Verhaltens gegenüber einem einzelnen am Wettbewerb Beteiligten in einem Vorverfahren ohne richterliche Unabhängigkeit der Entscheidungsinstanz überprüft131 • Die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Wettbewerbswidrigkeit weist in den genannten Fällen das KartG wie das NVG dem Kartellgericht zu. 29. 6. 1978, 77/77- BP (Slg. 1978, 1513) = EvBl 1979/109 mit Anm. von Straberger. uo So ausdrücklich KartG, ÖBl 1974, 18 - Stärkevertriebs GmbH. tat Vgl. die Einwenaungen bei Schuhmacher, ÖJZ 1978, 317.

C. III. Abschlußzwang aus einem Diskriminierungsverbot

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Nach der ständigen Rechtsprechung des OGH132 ist allerdings der Verstoß gegen eine wettbewerbsregelnde Norm auch immer ein solcher gegen§ 1 UWG. Die parallele Anwendbarkeit sowohl des NVG und des KartG aufgrund des wettbewerbswidrigen Verhaltens wie auch der nach UWG zu beurteilenden Sittenwidrigkeit ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Verletzung des kaufmänniscllen Wohlverhaltens von den typischen Unlauterkeitskriterien des § 1 UWG, wie sittenwidrige Ausübung von Druck oder Mißbrauch von Marktmacht, abhängt133• Daraus ergibt sich für unsere Fälle eines Kontrahierungszwanges, daß die Verstöße gegen den Leistungswettbewerb nach §§ 3 und 4 NVG vor das Kartellgericht gehören, weil sie nicht notwendig an ein sittenwidriges Verhalten des sperrenden Unternehmens anknüpfen. Sachliche Gründe schließen die Vertrags- oder Lieferpflicht nicht notwendig aus. Soweit der Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung untersagt werden soll, sind nach § 46 KartG die Anträge der klageberechtigten Partei ebenfalls an das Kartellgericht zu stellen. Demgegenüber ist die ungerechtfertigte Machtausübung, die über die §§ 1 und 2 NVG zum Kontrahierungszwang führen kann, zwangsläufig eine durch Sittenverstoß gekennzeichnete Wettbewerbshandlung. Diese kann nach UWG von den ordentlichen Gerichten untersagt werden131• Der OGH hat auch Boykott und Liefersperren, mit denen eine "durch wirtschaftliche Erwägungen nicht zu rechtfertigende Schädigungsabsicht verfolgt" wurde, nach § 1 UWG behandeW35• Da nach § 9 NVG "die Vorschrüten gegen den unlauteren Wettbewerb" unberührt bleiben, kann eine Liefersperre als sittenwidrige Machtausübung wegen Diskriminierung nach den §§ 1 und 2 NVG als Verbandsklage beim Kartellgericht oder vom einzelnen gesperrten Unternehmer beim ord.e ntlichen Gericht eingebracht werden. Der vom einzelnen verlangte Kontrahierungszwang stützt sich dann auf einen Unterlassungsanspruch zur Abwehr einer sittenwidrigen Schädigung nach § 1 UWG. Diese im ordentlichen Verfahren durchsetzbare Abschluß- und Lieferpflicht vermeidet die Mediatisierung des Klageweges, die schon bisher die Rechtsverfolgung in Österreich eher gehemmt als gefördert hat136• 132 Vgl. OBI 1977, 157 Drogerie II, mit Anm. von Schönherr. "Wegen eines nicht nur gegen das NVG verstoßenden, sondern auch wettbewerbswidrigen Verhaltens kann. . . auch beim zuständigen Gericht Klage nach UWG (oder einer anderen wettbewerbsrechtlichen Vorschrift) erhoben werden." So der Leitsatz zu OGH, OBI 1979, 152- Werbekosten-Beitrag. 133 So mit Recht jetzt Karsch, Verletzung des NahversorgungsG als Wettbewerbsverstoß? OBI 1979, 91, 92. 134 Vgl. auch Schuhmacher, OJZ 1978, 314, 317 f. und John, GRUR Int 1978, 343, 346f. 136 Vgl. OGH, ÖBl 1967, 34 Textileinzelhandel = SchöDi 80; weitere E bei Schönherr, Wettbewerbsrecht', 1971, 212 ff.; dazu OBI 1974, 105, 106 Einheitsmineralwasserflaschen; OBI 1975, 109 - Badeausstattungs-Liefersperre.

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2. Teil: Österreich

D. Ergebnis 1. Ein Kontrahierungszwang trifft nach österreichischem Recht immer nur Unternehmen. 2. Die Pflicht zum Vertragsschluß unter bestimmten Bedingungen besteht regelmäßig nur dann, wenn ein Gesetz sie anordnet. Darüber hinaus gilt die Vertragsfreiheit in der Form der Abschluß- und Inhaltsfreiheit als Ausdruck der Eigenverantwortung des einzelnen. Sie findet ihre Grenze dort, wo die Ausnützung der übermächtigen Position des einen die freie Bestimmung der vertragswilligen Gegenpartei so stark behindert, daß eine Richtigkeitschance für die Gleichwertigkeit der Leistungen nicht mehr erwartet werden kann. In der Beurteilung des Verhältnisses von sittenwidriger Gefährdung durch die übermäßige Position am Markt und der Elemente, die zusammen mit dem Machtvorsprung den Unwertgehalt begründen oder steigern, wie etwa die fehlende Ausweicllmöglichkeit oder das Angewiesensein aufgrund der Zuordnung der Güter und Leistungen zum Not- oder Normalbedarf, ist der neueren Rechtsprechung des OGH137 zu folgen: Soweit nicht sachliche Gründe eine Abschlußverweigerung rechtfertigen, besteht ein Kontrahierungszwang dort, wo bei bloß formaler Parität einseitige Übermacht einseitige Vertragsdurchsetzung ermöglicht und die Vertragsverweigerung sittenwidrig Schaden zufügen würde. Aus der Bedrohung mit der sittenwidrigen Schädigung erwächst die Rechtspflicht, den Schaden durch Vertragsschluß zu angemessenen Bedingungen zu verhüten. 3. Um den Kontrahierungszwang dogmatisch ru begründen, mußten folgende Feststellungen getroffen werden: a) Aus schadensersatzrechtlicher Naturalrestitution nach § 1323 ABGB kann kein Kontrahierungszwang herge·leitet werden, weil 136 Die unzureichende Ausnützung des Klageweges kann dabei nicht nur auf einen Bewußtseinsrückstand oder auf Startschwierigkeiten zurückgeführt werden: Vgl. Fitz, Konsumentenschutz im Privat- und Wirtschaftsrecht, 1977, 131, 147; John, GRUR Int 1978, 343, 346 und ein Bericht über Nachfragemacht aus österreichischer Sicht, MA 1978, 664. Nach Dittrich I Farnleitner u. a. (oben FN 5) 48, können Kammern und Finanzprokuratur nicht eingreifen, weil sie auf Antragstellung und Mitarbeit der betroffenen Unternehmen angewiesen sind. Ob die Unternehmer überhaupt nicht klagen wollen, weil sie fürchten, "kurzfristig zwar Prozesse zu gewinnen, längerfristig jedoch Kunden zu verlieren" (ebenda), bleibt abzuwarten, wenn das diskriminierende Unternehmen im ordentlichen Prozeß erst zur Lieferantenoder Kundenstellung gezwungen werden kann und vorher diese Stellung nicht hatte.- Anregungen, wie der Verbandsklage größere Effizienz zukommen könnte: Damm, Privatrechtliche Verbandsklagen - Instrument der Wirtschaftskontrolle oder Kontrollersatz?, ZRP 1978, 167 ff. 137 OGH, EvBl 1972/157; ÖBl 1974, 10, 11 Kontrahierungszwang.

D. Ergebnis

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mit der Rückversetzung in den vorigen Stand nur der eingetretene Schaden zu liquidieren ist. Wenn nach heutiger Ansicht nicht mehr notwendig ein ursprünglicher Zustand zu restituieren ist, sondern ein neuer hergestellt werden kann, ist damit keine Schadensquelle oder Schadensbedrohung, sondern ein eingetretener Vermögensnachteil zu beheben. b) Auch eine Analogie zur negatorischen Beseitigungsklage führt nicht zum gewünschten Erfolg: Die Negatorienklage hat den Zweck, den gegenwärtigen Eingriff ins Eigentum zu beenden, die aus der Störersphäre stammende Sache in natura wegzuschaffen, oder das störende Verhalten zu beenden. Ist durch das sittenwidrig schädigende Verhalten der Vertragsverweigerung ein Schaden bereits eingetreten, so ist mit dem Schadensersatz alles getan; für eine gesonderte Beseitigung der Störungsquelle, wie im Sachenrecht, ist kein Platz. c) Droht aus einem rechts- oder sittenwidrigen Verhalten in der Zukunft ein Schaden, so besteht eine Rechtspflicht, diesen Schaden zu verhindern. Der im Privatrecht mehrfach anerkannte Unterlassungsanspruch setzt nur Rechtswidrigkeit und kein Verschulden voraus. Er ist ein brauchbares Instrument, einen Vertragsschluß anzuordnen, wenn der Vertrag die einzige vertretbare Möglichkeit zur Schadensabwehr bildet. Je nach Lage des Falles ist auf Vertragsschluß oder direkt auf Leistung oder Abnahme zu entscheiden. Wird unmittelbar auf Leistung erkannt, so ist zur Auslegung strittiger Fragen Vertragsrecht heranzuziehen. 4. a) Ob eine drohende Schädigung durch Vertragsverweigerung sittenwidrig ist, ist nach den §§ 879 ABGB und 1 UWG zu beurteilen. Wie bei einer unter Zwang, Ausnützung von Druck oder sonstiger grober Verletzung rechtlich geschützter Interessen zustande gekommenen Vereinbarung die Wirksamkeit versagt wird, so darf gegen eine solchermaßen vorgenommene Abschluß- oder Lieferverweigerung die Einrede der Vertragsfreiheit nicht durchgreifen. b) Monopol und Monopson engen den Freiheitsspielraum der Marktgegenseite so weit ein, daß Lehre und Rechtsprechung heute ohne Vorbehalt die Aufhebung der Vertragsfreiheit anerkennen. Auf die Art der Güter und Leistungen, die Unternehmen in solcher Position öffentlich anbieten oder nachfragen, kommt es nicht an. Sie müssen alle Interessenten entsprechend ihrem Vorverhalten gleich behandeln, wenn der Marktgegenseite ein Ausweichen auf andere, gleichwertige und gleichgeeignete Leistungen unmöglich

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2. Teil: Österreich

oder unzurnutbar ist. Nur sachliche Gründe können eine unterschiedliche Behand1ung rechtfertigen. Das gilt in gleicher Weise für Vereine und Verbände, die bei d& Verfolgung ihrer Ziele eine Monopolstellung einnehmen. Der Aufnahmebewerber darf nur zurückgewiesen werden, wenn zurnutbare Ausweichmöglichkeiten bestehen oder sachliche Rechtfertigungsgründe die Aufnahrnepflicht ausschließen. Einen Sonderfall stellt das staatlich betriebene Monopolunternehmen dar. Weil die öffentliche Hand grundrechtlich z;ur Gleichbehandlung der Interessenten verpflichtet ist, ist die Ableitung einer Abschlußpflicht aus sittenwidriger Ausnützung einer Machtstellung nicht erforderlich. Das alleingestellte öffentliche Unternehmen unterliegt schon in Analogie zum gesetzlichen Kontrahierungszwang einer Abschlußpflicht. c) Zum Schutz der Nahversorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs und des Wettbewerbs der Letztverkäufer ordnet § 4 NVG einen Kontrahierungszwang an. Die Belieferung kann hier nicht aus jedem sachlichen Grund, sondern nur dann verweigert werden, wenn sie wirtschaftlich unzumutbar, gesetzoder sittenwidrig wäre. Einern mittelbaren Kontrahierungszwang unterliegen marktbeherrschende Unternehmen nach § 46 KartG, wenn sie sachltch unbegründet differenzieren. Wie nach § 4 NVG steht nicht der Individualschutz des Unternehmens im Vordergrund. Vorrang hat der Institutionenschutz. Daher sind nur Interessenverbände und die Finanzprokuratur aktivlegitimiert, und ist das Kartellgericht zuständig (§§ 94 KartG und 7 NVG). d) Die Ausübung von Marktmacht verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des NVG. Wie nach § 26 II 2 GWB können auch in 'Österreich die von marktmächtigen Unternehmen abhängigen Anbieter oder Nachfrager, denen ausreichende und zurnutbare Ausweichmöglichkeiten fehlen, den Vertragsschluß erzwingen. Der Kontrahierungszwang kann, wenn die genannten Verbände den Wettbewerb durch die Vertragsverweigerung für verletzt oder gefährdet halten, ebenfalls beim Kartellgericht durcll.gesetzt werden. Die Verletzung kaufmännischen Wohlverhaltens durch die Ausübung von Marktmacht ist aber auch nach § 1 UWG als sittenwidrig zu beweTten. Danach kann der durch die Vertragsverweigerung mit sittenwidriger Schädigung Bedrohte den Vertragsschluß mit der Unterlassung~ klage vor dem ordentlichen Gericht durchsetzen.

3. TEIL

Vertragsfreiheit und Kontrahierungszwang in Italien A. Grundlagen - Spannungsverhältnis von Privatinitiative und Sozialnutzen im Verfassungsrecht1 Ähnlich dem deut.