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German Pages 665 [666] Year 2012
JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 164
Gerrit Hölzle
Verstrickung durch Desinformation Eine rechtsdogmatische Auseinandersetzung auf Grundlage einer ökonomischen Analyse im Recht
Mohr Siebeck
Gerrit Hölzle, geboren 1974; Studium der Rechtswissenschaften in Trier und Würzburg; Träger des Preises der Albert-Hensel-Stiftung Würzburg 1999/II; seit 2002 als Rechtsanwalt, seit 2004 auch als Insolvenzverwalter tätig; 2009 Promotion; 2011 Habilitation.
eISBN 978-3-16-152016-7 ISBN 978-3-16-150937-7 ISSN 0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
© 2012 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Textservice Zink in Schwarzach aus der Minion gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Für Katja, Marie und Frederik
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist in beinahe fünfähriger berufsbegleitender Tätigkeit entstanden. Mein besonderer Dank gilt hierbei Herrn Prof. Dr. Peter Derleder, Bremen, der es mir ermöglichte, mein auch in der täglichen Praxis als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter niemals verebbtes wissenschaftliches Interesse in der vorliegenden Habilitationsschrift weiter zu verfolgen, auch ohne eine universitäre Assistentenkarriere zu durchlaufen. Dem Zweitgutachter Prof. Dr. GralfPeter Calliess, Bremen, und dem Drittgutachter, Prof. Dr. Reinhard Bork, Hamburg, gelten gleichlautender Dank. Prof. Dr. Peter Derleder war es überdies, der die Idee gebar, eine Arbeit nicht aus dem Kernbereich meiner persönlichen Interessen, angesiedelt im Insolvenz-, Gesellschafts- und im insolvenznahen Steuerrecht zu schreiben, sondern aus dem Kernbereich des Zivilrechts, bereichert um Anleihen aus der Ökonomie. Anfangs zwar interessiert, jedoch ohne vertieften Einblick in die Materie der Rechtsökonomik begann ich, mich mit den Grundlagen einer Ökonomie im Recht zu beschäftigen. Ohne einen langjährigen Freund der Familie, dem ich ebenfalls zu großem Dank verpflichtet bin, Herrn Dr. rer. pol. Günther Esters, Köln, wäre mir dies in der notwendigen Tiefe und der gegebenen Zeit nicht gelungen. Das Selbstverständnis der vorliegenden Arbeit ist getragen von der Vorstellung, dass Ökonomie und Jurisprudenz keine konkurrierenden Wissenschaften sind und vor allem sich weder die Ökonomie der Aufgabe allein verschreiben darf, das gegebene Recht zu analysieren, noch die Jurisprudenz unter der Anerkennung ökonomischer Vorherigkeiten ihre Autonomie preisgibt. Vielmehr unternimmt die Arbeit im 1. Kapitel den Versuch, aufbauend auf der in beiden Disziplinen anerkannten Institution des Vertrauens, ein gemeinsames Wertegerüst herauszuarbeiten und dieses nach dem Vorbild und im Rahmen der juristischen Dogmatik und Abstraktion zur Grundlage eines übergeordneten systemischen Verständnisses zu machen. Die Praxistauglichkeit des so entwickelten Modells wird im 2. Kapitel am Beispiele des Kaufrechts nachgewiesen. Die Arbeit versteht sich damit in der Nachfolge der zu Beginn des vorangegangenen Jahrhunderts weitgehend verlorengegangenen Idee ihres großen Vorreiters und – leider wohl gescheiterten – Einigers der Disziplinen, Levin Goldschmidts. Die Vorstellung Goldschmidts, alles positive Recht sei die äußere Entfaltung und Anerkennung der den jederzeitigen Lebensverhältnissen (Thatbeständen) immanenten natürlichen Rechtsnormen (Goldschmidt, Universalgeschichte des Handelsrechts, 1891 [Neudruck 1957], § 4 S. 33), trägt auch den grundlegenden Gedanken meiner These von der Ermittlung impliziter Vertragsbe-
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Vorwort
standteile im Rahmen der rechtsdogmatischen Auslegung, wobei Inhalt und Reichweite solch impliziter Vertragsbestandteile durch die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten einer marktwirtschaftlichen Transaktion vorbereitet werden. Goldschmidt folgerte aus ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ein ,Ideal‘, an dessen Ansprüchen die tradierten Rechtsgestaltungen gemessen werden könnten; diesem Ideal soll und darf sich die Jurisprudenz unserer Tage nicht verschließen. Es fehlt bei solcher Berücksichtigung ökonomischer Einflüsse auf den der rechtswissenschaftlichen Betrachtung unterworfenen Sachverhalt nicht der Mut, dem Wesen rechtsdogmatischer Arbeit in’s Auge zu blicken, wie Prof. Dr. Thomas Hoeren am 30. Juli 2008 in der Frankfurter Allgemeine Zeitung (S. 6) ganz grundsätzlich beklagt. Vielmehr ist diese für notwendig erachtete ganzheitliche Betrachtung des zu subsumierenden Sachverhalts von dem genügendem juristischen Selbstvertrauen getragen, auch ökonomische Einflüsse mit den Instrumentarien der Rechtswissenschaft als der einzigen der antiken Wissenschaften, die den Wandel der Zeiten – anders als z.B. die Physik, die Mathematik und die Philosophie – weitgehend unbeeinflusst überstanden hat, zu bewältigen und zu integrieren. Mein inniger Dank gilt meiner geliebten Frau Katja Kastaun, ohne deren Verständnis und Unterstützung das bewältigte Arbeitspensum nicht zu leisten gewesen wäre. Den Partnern, Kollegen und Mitarbeitern der Sozietät Beck & Hölzle, mit ihren Büros in Kevelaer und Bremen, danke ich für die Verlässlichkeit und das wechselseitige Vertrauen, den von mir eingeschlagenen Weg gemeinsam zu gehen und die damit auch in der täglichen Praxis verbundenen Lasten engagiert mit zu tragen. Ebenso und nicht zuletzt danke ich meinen Eltern für die nachhaltige Unterstützung, meinem Vater und Kollegen für viele befruchtende Diskussionen und hilfreiche Lektoratsarbeit.
Bremen/Kevelaer (Ndrh.)
Gerrit Hölzle
Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einführender Teil: Rechtfertigung und Definition des Themas . . . .
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§ 1 Die Informationsgesellschaft als Motor einer Informiertheitsillusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Schadensneigung der Informiertheitsillusion – Verstrickung durch Desinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Verstrickungsschäden und Ansprüche an die Rechtsordnung . . . . .
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A) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Vorvertragliche Aufklärungs- und Informationspflichten als Voraussetzung für die Auflösung von Verstrickungslagen . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgangspunkt: Informationelle Selbstverantwortung . . . III. Vertrauensschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verbraucherschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vertrags- und Äquivalenzgerechtigkeit . . . . . . . . . . . VI. Eigener Ansatz: Synthese der angebotenen Rechtfertigungsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Fazit: Bestehen von Aufklärungspflichten als Grundannahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C) Überblick über Abwehr- und Kompensationsmechanismen als institutionelle Reaktion auf Verstrickungsschäden im neuen Schuldrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mechanismen zur Abwehr von Verstrickungsschäden . . . II.1 Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB . . . . . . II.2 Arglistanfechtung nach § 123 BGB . . . . . . . . . . II.3 Vertragsaufhebung nach §§ 311 Abs. 2, 249 BGB (c.i.c.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.4 Rückabwicklung nach § 346 BGB i.V.m. §§ 323 ff. BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
III. Mechanismen zur Kompensation von Verstrickungsschäden III.1 Schadensersatz nach §§ 280, 281 BGB . . . . . . . . . a) Vorbemerkung: Zur Dogmatik des „neuen“ Schadensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt und Reichweite des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2 Kompensation von Verstrickungsschäden durch Ersatz des negativen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung: Entpolarisierung und Positivierung des negativen Interesses nach überkommener Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Positives und negatives Interesse beim Ersatz von Nichterfüllungsschäden . . . . . . . . . . . bb) Kommerzialisierungsthese und Frustrationstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rentabilitätstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wertentscheidung durch § 284 BGB? . . . . . . . .
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§ 4 Ergebnis des einführenden Teils und Ausblick . . . . . . . . . . . . .
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik zur Bewältigung von Verstrickungslagen . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 1 Rechtsökonomik und Ökonomik im Recht – Zum Stellenwert ökonomischer Argumente in der Jurisprudenz
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A) Polarisation und Synthese
B) Mögliche Wege von der Legitimität zur Legalität ökonomischer Argumente in der Jurisprudenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsökonomik in der judikativen Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Ablehnendes Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 Methodologisch individualisierter Ansatz . . . . . .
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§ 2 Grundlagen einer integrativen Rechtsökonomik und ihre Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A) Vorbemerkung: Fundament eines gemeinsamen (rechts-)ökonomischen Methodenapparates . . . . . . . . . . . . I. Ausgangsüberlegung: Wertungs- als Grundlage einer Methodenkonvergenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Methodenkonvergenz auf Grundlage eines interdisziplinären Vertrauensarguments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
II.1 Vertrauen im Fundament beider Disziplinen . . . . . . a) Bedeutung des Vertrauens in der Jurisprudenz – Schutz von wissenssubstituierten Handlungsspielräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des Vertrauens in der Ökonomik – Transaktionskosteneffizienz durch Vertrauen als Substitut der Information und der Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit: Interdisziplinäre Rationalität des Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 Der richtige und der berechtigte Vertrauenszeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3 Determinanten der Vertrauensentscheidung . . . . . . a) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Transaktionskosten und Vertrauensprämie . . . . . c) Kostenzuweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Produktive und unproduktive, werterhöhende und wertsenkende Informationen – oder: Grenzen einer berechtigten und richtigen Vertrauensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit: Bestimmung der wesentlichen Determinanten einer berechtigten und richtigen Vertrauensentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Grundlagen des Vertrauensarguments in der (Rechts-) Ökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rückblick: (Rechts-)Ökonomische Revolution durch von Hayek, Coase, Stigler und Akerlof . . . . . . . . . . . . II.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 von Hayek: Wissensteilung und das Markt-PreisSystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3 Coase: Transaktionskosten und das „Coase-Theorem“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.4 Stigler und Akerlof: Von der Neuen Institutionen- zur Informationsökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . II.5 Bedeutung der Entwicklung von der Wohlfahrtszur Informationsökonomik für eine integrative Rechtsökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vertrauen und die Lehre vom vollständigen Vertrag . . . . III.1 Begriff und Entstehung vollständiger Verträge . . . . . III.2 Die Leere vom vollständigen Vertrag und die substituierende Wirkung des Vertrauens . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
III.3 Ableitungen aus dem vollständigen Vertrag ohne besondere Berücksichtigung der substituierenden Wirkung des Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rekonstruktion der Referenzgröße „vollständiger Vertrag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollständige Verträge qua nicht-dispositiven Gesetzesrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vollständige Verträge qua „would have wanted“ – theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lückenfüllung durch den hypothetischen Willen rationaler Nutzenmaximierer . . . . . . . . . . bb) Lückenfüllung durch kostenorientierte Risikozuweisung („cheapest cost avoider“ und „superior risk bearer“) . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.4 Weitere Ableitungen aus den Besonderheiten der substituierenden Wirkung des Vertrauens, aus dem Vertrauen selbst und der Investition in Vertrauensanreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vertrauen und Langzeitbeziehungen . . . . . . . . . aa) Langzeitbeziehungen als Reaktion auf Qualitätsunsicherheiten . . . . . . . . . . . . . bb) Einmaligkeit der Langzeitbeziehung: Das Endgame Problem . . . . . . . . . . . . . . b) Vertrauen und spezifisches Kapital in EinmalTransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Good will“ und „sunk costs“ . . . . . . . . . . cc) Vertrauen in die Reputation – oder: Duplizität der Einmal-Transaktion . . . . . . . . . . . . . c) Reputation und Marktkontrolle: Vertrauen in intransparenten Märkten? . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reputation, Vertrauenswürdigkeit und der gesetzliche Schutz des Vertrauens . . . . . . d) Investitionen des Abnehmers – sunk costs oder spezifisches Kapital? . . . . . . . . . . . . . . . C) Anwendung des Vertrauensarguments in der Rechtsökonomik: Vertrauen und Vermögensdisposition – Rechtsfolgen der Verstrickung, spezifisches Kapital, Kompensation und verlorener Aufwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
I. Erfüllungs- vs. Kompensationsansprüche – Der effiziente Vertragsbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2 Unfortunate und fortunate contingencies . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unfortunate contingencies, oder: Aufwandsbezogene Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fortunate contingencies, oder: Ertragsbezogene Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.3 Differenzierung nach dem Vertragsgegenstand – Das ,Shavell’sche Modell‘ . . . . . . . . . . . . . . . . I.4 Kritik einer allein vermögensrechtlichen Dimension des Vertrauens als Mittler zwischen Vertragserfüllung und Erwartungsschadensersatz? . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schwierigkeiten einer (allein) vermögensrechtlichen Dimension des Vertrauens zwischen Vertragserfüllung und Erwartungsschadensersatz . . . . . . aa) Modell unveränderbarer Präferenzen und Justitiabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abstraktes und konkretes Vertrauen als Folge endogen beeinflusster Präferenzen . . . . . . . cc) Folgenabwägung und sozialökonomisches Optimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Informationsökonomik des Vertrauensschadens c) Umweltveränderungen, Quasi-Renten und Vertragsinterpretation . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umweltveränderungen und Quasi-Renten . . . cc) Implizite Vertragsbestandteile und Vertragsinterpretation . . . . . . . . . . . . . .
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(1) Risikozuweisung durch implizite Vertragsbestandteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 (2) Der Fall Jacob & Youngs vs. Kent . . . . . . . . 182 (3) Einfluss einer vertrauensbasierenden und informationsökonomischen Vertragsinterpretation 186 (4) Kritik einer vertrauensbasierenden strengen pactaHaftung: Lock in, ineffizienter Vermeidungsaufwand und Rechtsevolution . . . . . . . . . . . . . . 188 (5) Fazit: Schutz von Quasi-Renten durch implizite vertragliche Absprachen . . . . . . . . . . . . . 194
d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
I.5 Wann sind Kooperationsbeziehungen unvollständig? – Zur Hermeneutik der Kooperation . . . . . . . . . . . II. Vertrauen und Kompensation – Schadensersatz zwischen Aufwand und Erfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Vorbemerkung zum verbleibenden Präjudizienbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 Positives und negatives Interesse . . . . . . . . . . . . a) Vorbemerkung zur ökonomischen Einordnung . . . b) Rechtsökonomische Typisierung schadensstiftender Kausalverläufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Substitutionskosten . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entgangener Gewinn . . . . . . . . . . . . . . . cc) Opportunitätskosten . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vertrauensaufwendungen („out of pocket-cost“) . . . . . . . . . . . . . . ee) Differenz- oder Teilerfüllungsschaden . . . . . ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zu einer Positivierung des negativen Interesses aus ökonomischer Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . II.3 Ersatz für Nichtvermögensschäden . . . . . . . . . . . a) Bisherige ökonomische Erklärungsversuche . . . . . b) Kommerzialisierung als impliziter Bestandteil der Kooperationsvereinbarung . . . . . . . . . . . . II.4 Vermögensschäden, Nichtvermögensschäden und sunk costs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Ergebnisse des 1. Kapitels
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
A) Zusammenfassung der ökonomischen Grundlagen und Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Bestätigung des Bestehens von Aufklärungs-, Informationsund Offenbarungspflichten aus ökonomischer Sicht . . . . . . . . C) Zu einer integrativen Auslegungsmethode und zu ihrer auch verfassungsrechtlichen Rechtfertigung . . . . . . . . I. Integrativer Auslegungskanon . . . . . . . . . . . . . II. Rechtfertigung einer Ökonomik im Recht am Beispiel der Verstrickung durch Desinformation . . . . . . . D) Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XV
Inhaltsverzeichnis
2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung durch Desinformation . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 1 Einführung
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§ 2 Vorrang der Vertragserfüllung – Das Recht zur zweiten Andienung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
280
A) Vorbemerkung zu Grundsatz- und Anwendungsfragen . . . . . .
280
B) Einbettung in das Rechtsfolgensystem der Verstrickung durch Desinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von einem sozial-ökonomisch geprägten Rechtsempfinden zur Evolution des Nacherfüllungsanspruchs . . . . . . . . II. Beschränkungen der gegenständlichen Reichweite des Nacherfüllungsanspruchs – Stück- und Gattungsschulden im Anwendungsbereich der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB . . . . II.1 Ausgangslage und Präjudizienbestand . . . . . . . . II.2 Teleologie des Nacherfüllungsanspruchs . . . . . . . II.3 Ökonomik und Rechtsdogmatik des Nacherfüllungsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . II.4 Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entmaterialisierung des Kaufvertragsrechts . . b) Zur Kritik des Präjudizienbestandes . . . . . . . . III. Wahlrechte im Anwendungsbereich des § 439 Abs. 1 BGB III.1 Zur Verbraucherwahl zwischen den Nacherfüllungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . a) Legitimation des käuferseitigen Wahlrechts . . . . aa) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beschränkung der Nacherfüllungswahl durch das Merkmal der Unverhältnismäßigkeit der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Maßstab einer relativen Unverhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Maßstab einer absoluten Unverhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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(1) Bisherige Versuche zur Bestimmung einer absoluten Unverhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . 313 (2) Kritik an einer Ausrichtung der Unverhältnismäßigkeit an den Kosten der Sekundärrechtsbehelfe und der Theorie des effizienten Vertragsbruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (3) Grundlagen und Ratio der Bestimmung des Maßstabs einer absoluten Unverhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
XVI
Inhaltsverzeichnis
(4) Variablen des Unverhältnismäßigkeitsmaßstabs und implizite, parteiautonome subjektive Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Eigener Maßstab absoluter Unverhältnismäßigkeit (6) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
b) Zementierung der Wahl oder Flexibilität der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2 Nacherfüllung in der Schwebe . . . . . . . . . . . . . a) Aufforderung zur Wahlrechtsausübung durch den Verkäufer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindung des Käufers an ein Nacherfüllungsverlangen nach Fristablauf – Zum Erfordernis einer Nach-Nachfrist . . . . . . . . . . . . . . . . III.3 Nutzenersatz nach § 439 Abs. 4 BGB – Nacherfüllung als Verlängerung der Gesamtlebens- und Nutzungsdauer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Das Scheitern der Vertragserfüllung – Mechanismen zur Abwehr von Verstrickungsschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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A) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B) Das Recht zur Irrtumsanfechung nach § 119 BGB . . . . . . . . . I. Die Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis des § 119 Abs. 2 BGB zum Katalog der kaufvertraglichen Gewährschaftsrechte des § 437 BGB . . . II.1 Historie und Grundlagen des Konkurrenzverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 Inhaltliche Reichweite und Schranken des Gewährleistungsvorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gewährleistungsvorrang, wenn sich der Irrtum auf einen Rechtsmangel bezieht . . . . . . . . . . . b) Gewährleistungsvorrang, wenn sich der Irrtum nicht auf einen Mangel der Kaufsache bezieht . . . c) Gewährleistungsvorrang, wenn ein Nacherfüllungsanspruch außerhalb eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses nicht besteht . . . . . aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zum Stand der Diskussion vor der Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Vorrangverhältnis außerhalb eines Nacherfüllungsanspruchs nach der Schuldrechtsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zeitliche Reichweite und Schranken des Gewährleistungsvorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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367 377
Inhaltsverzeichnis
C) Das Recht zur Arglistanfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ne bis in idem – oder: Die Sperrwirkung des rechtskräftigen Gewährleistungsurteils für den Anfechtungsanspruch . . . . III. Das Verhältnis der Arglistanfechtung zur Nacherfüllung . . III.1 Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung . . . . . . . . a) Vorbemerkung und Präjudizienbestand . . . . . . . b) Verwirkung des Rechts zur zweiten Andienung und das Recht zur Andienung einer mangelbehafteten Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unzumutbarkeit der Nacherfüllung als Ableitung des vertraglich-kooperativen Äquivalenzverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2 Arglistanfechtung in der Nacherfüllungsschwebe . . . IV. Arglistanfechtung und ius variandi . . . . . . . . . . . . . . IV.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV.2 Die ,kleine Lösung‘ und das ius variandi . . . . . . . . IV.3 Über die Grenzen der Gestaltungswirkung hinaus: Die ,große Lösung‘ und das ius variandi . . . . . . . . a) Bedürfnis und Gegenstand einer ,großen Lösung‘ . b) Bewältigung des Bedürfnisses: Analogie und Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dogmatik einer ,großen Lösung‘: Die institutionelle Bewältigung der Analogie . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D) Die Vertragsaufhebung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 249 BGB – Der schadensrechtliche Befreiungsanspruch aus culpa in contrahendo (c.i.c.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Verhältnis der schadensrechtlichen Vertragsaufhebung zur Arglistanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Schutzgut und Schutzzweck einer Differenzierung zwischen schadensrechtlicher Vertragsaufhebung und Arglistanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 Anspruchskonkurrenz unter einem gemeinsamen Schutzziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.3 Kooperative Grenzen uneingeschränkter Anspruchsalternativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.4 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Verhältnis der schadensrechtlichen Vertragsaufhebung zur kaufrechtlichen Gewährleistung . . . . . . . . . . . . . .
XVII 378 378 380 387 387 387
388
391 395 395 401 401 403 404 404 409 412 415
416 416 419
419 423 429 432 432
XVIII
Inhaltsverzeichnis
III.1 Bedürfnis und Grundlagen einer Anspruchskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2 Tatbestandliche Überlagerung bei beschaffenheitsbezogener Informationspflichtverletzung . . . . . . . . a) Beschaffenheitsvereinbarung und vereinbarungsfähige Beschaffenheitsmerkmale . . . . . . . . . . . b) Reichweite der Beschaffenheitstauglichkeit und des negativen Erklärungswerts unterbliebener Beschaffenheitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . III.3 Verschulden bei Vertragsschluss, das sich nicht auf eine Beschaffenheit der Kaufsache bezieht . . . . . . . a) Abbruch von Vertragsverhandlungen . . . . . . . . b) Äußere, nicht beschaffenheitsbezogene Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonderfall: Haftung für Werbung und Anpreisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E) Das Recht zum Rücktritt vom Vertrag und seine Einordnung in das gewährleistungsrechtliche Institutionengerüst: Parallelität statt Alternativität von Reallokation und Kompensation . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eingangsvoraussetzungen der Reallokation – Tatbestandliche Schranken des Rücktrittsrechts als kaufrechtlicher Gewährleistungsinstitution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Vorrang der Nacherfüllung(sfrist) . . . . . . . . . . . . II.2 Ausschlusstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rechtsfolgen des Rücktritts – Grenzen kooperativer Äquivalenz in der Rückabwicklung . . . . . . . . . . . . . . III.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2 Der Rücktritt als reziprok-kooperative Abwicklungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . III.3 Pflichten, Obliegenheiten und Haftung des Rücktrittsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das ungestörte Abwicklungsverhältnis . . . . . . . . aa) Statusverschlechterung durch Ingebrauchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nutzungsersatz vs. Nutzenersatz . . . . . . . . b) Das gestörte Abwicklungsverhältnis . . . . . . . . . aa) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kompensationspflicht, Befreiungsansprüche und die Kenntnis vom Rücktrittsgrund als Merkmal einer übertatbestandlichen Haftungsanknüpfung . . . . . . . . . . . . . . .
432 436 436
440 445 445 451 457
460 460
463 463 468 473 473 475 478 478 478 482 489 489
491
XIX
Inhaltsverzeichnis
(1) Kompensationspflicht als wirtschaftliche Rücktrittsschranke und Befreiungsansprüche . . (2) Haftung bei Kenntnis vom Rücktrittsgrund – Eine übertatbestandliche Haftungsanknüpfung? . . .
cc) Rücktrittsrechtliche Schadensersatzhaftung . . . III.4 Pflichten, Obliegenheiten und Haftung des Rücktrittsgegners – insbesondere: Rückgewähranspruch und Rücknahmepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.5 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F) Reallokation und Kompensation – Alternativität durch § 325 BGB, oder: Der Wechsel zwischen Gläubigerrechten . . . . . . . . . . . I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zur Rechtsnatur des § 325 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zur Reichweite des § 325 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . III.1 Einführung – Die Wahl des Schadensersatzes und das Schicksal der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . III.2 Rücktritt und ,kleiner Schadensersatz‘ – Die Umstellung von der Leistung auf das Interesse . . . . . . . . . . . III.3 Rücktritt, Minderung und Schadensersatz – Alternativität der Gestaltungsrechte und die Reichweite des § 325 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.4 Reichweite der Anspruchskonkurrenz – Überlagerung der Rücktrittsfolgen durch den Schadensersatzanspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.5 Rekurs: Anspruchskonkurrenz auch nach Arglistanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Das Scheitern der Vertragserfüllung – Mechanismen zur Kompensation von Verstrickungsschäden . . . . . . . . . . . . . . . A) Einführung: Kompensationsansprüche als Bestandteil des Gewährleistungsrechts – Ein Rückblick auf die bisherigen Feststellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der rechtliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der ökonomische Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Zusammenführung zu einem rechtsökonomischen Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.1 Die Typisierung von Schadenspositionen im Gewährleistungsfolgenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . III.2 Das rechtsökonomische Fazit zur Objektivierung des negativen Interesses als Anspruch an die Rechtsordnung und Ausgangspunkt für die Einordnung des § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
491 503 509
511 516 517 517 518 524 524 527
532
535 538 540
. . .
540 540 542
.
545
.
545
.
549
XX
Inhaltsverzeichnis
B) § 284 BGB – Der Vertrauensschaden im System der Verstrickungsabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Dogmatische Einordnung des § 284 BGB: Schadensausfüllung oder Anspruchsgrundlage . . . . . . . . . . . . . I.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.2 Das negative Interesse als Zielgröße der Schadensbemessung in der Verstrickungsabwehr . . . . . . . . I.3 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bemessung des negativen Interesses: Kompensation und Reallokation im Widerstreit mit moral hazard-Gefahren – Der Begriff der ,Aufwendung‘ im Anwendungsbereich des § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.1 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II.2 ,Aufwendungen‘ als Bemessungsgrundlage des negativen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufwand und Schaden im Tatbestand des § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung über das negative Interesse . . . . . . c) Ersatz des negativen Interesses in der gestörten Vertragsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Umfang des Ersatzanspruchs – Reichweite des kompensationsfähigen schadensstiftenden Aufwandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grenze der Billigkeit . . . . . . . . . . . . . . . cc) Systematisierung des Aufwendungsersatzes – Katalog schadensstiftenden Aufwandes . . . . . (1) Fallgruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . .
550 550 550 552 554
556 556 562 562 565 568
570 570 571 574 574
(2) Vorvertragliche Aufwendungen im Vertrauen auf die Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Der gezahlte Kaufpreis als Mindestschaden . . . (4) Out of pocket costs – oder: Vertrauensaufwand im Widerstreit mit Vertragskosten . . . . . . . . . (5) Opportunitätskosten . . . . . . . . . . . . . . (6) Eigene Arbeitsleistung als Aufwand . . . . . . . (7) Differenz- oder Teilerfüllungsschaden . . . . . . (8) Substitutionkosten und entgangener Gewinn . .
580 581 584 587 587
dd) Zusammenfassendes Ergebnis: Zur Ableitung eines allgemeinen Prinzips für die Anwendung des § 284 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Reichweite der Alternativität des Anspruchs . . . . . . . . . III.1 Verhältnis zum Rücktrittsrecht . . . . . . . . . . . . .
587 589 589
575 577
Inhaltsverzeichnis
XXI
III.2 Verhältnis zum Schadensersatz im Übrigen . . . . . . III.3 Verhältnis zur Rentabilitätstheorie . . . . . . . . . . .
590 594
§ 5 Verjährung von Gewährleistungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . .
597
Schlussbemerkung: Zur Ökonomik im Recht – Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
601
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
615
Abbildungen Abb. 1: Kosten-Nutzen-Funktion (Grenzkosten der Informationsbeschaffung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 2: Reputationsaufbau und Reputationsprämien . . . . . . . . Abb. 3: Nachverhandlung und effizienter Vertragsbruch . . . . . . Abb. 4: Vertrauensleiter des abstrakten (statischen) und konkreten (dynamischen) Vertrauens . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 5: Tauschoptimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 6: Informations- und vertrauensökonomisches Interpretationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 7: Schadens- und Kompensationskurve des positiven und des negativen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 8: Ökonomische Wechselbezüglichkeiten der Verstrickung durch Desinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 9: Rechtliche Institutionen im Umfeld der Verstrickung durch Desinformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 10: Kompensationswirkung typisierter Schadensereignisse . .
. . . . . . . . .
84 138 148
. . . . . .
164 167
. . .
200
. . .
220
. . .
255
. . . . . .
279 548
Einführender Teil
Rechtfertigung und Definition des Themas § 1 Die Informationsgesellschaft als Motor einer Informiertheitsillusion Die moderne Gesellschaft sieht sich auch und vor allem als Informationsgesellschaft.1 Zwar löst dieses schnelllebige Informationszeitalter keine großflächige Epoche, wie die der Jäger- und Sammler- oder die der Agrargesellschaft ab, auch nicht diejenige der Industriegesellschaft; sondern im Gegenteil: Wir bemerken den synthetischen Effekt,2 dass nämlich vielmehr Information in unserer Zeit industriell hergestellt wird.3 Und hieraus folgt, womit die Informationsgesellschaft zutreffend beschrieben ist: „Information ist nicht alles, aber ohne Information ist alles nichts: Das ist das Lebensgesetz des Gemeinwesens im Informationszeitalter.“4 Die Entstehung der Informationsgesellschaft folgt aus dem Bestreben, der Unsicherheit, die aus einer immer komplexer werdenden Umwelt und Gesellschaft und einem Gefühl der Überforderung im Umgang hiermit entsteht,5 mit dem Mittel der – möglichst umfassenden – Informationsbeschaffung begegnen zu wollen. Information ist demnach ein Mittel zur Verringerung von Ungewissheit.6 ,Information‘ in diesem Sinne meint deshalb die Kommunikation von Wissen.7 Die Informationsist deshalb auch Wissensgesellschaft.8 1 Wersig, Informationsgesellschaft, S. 9 ff., 13 f., ausführlich auch zum Hintergrund und zur inzwischen mehr als 40 Jahre alten Entwicklung des Begriffs; ferner Liessmann, Theorie der Unbildung, S. 27, 32, wonach Wissen eine mit Bedeutung versehene Information sei, weshalb in der ,politischen Rhetorik‘ die Begriffe der Wissens- und der Informationsgesellschaft ,relativ sorglos‘ gleichgesetzt würden; vgl. auch Doelker, ph akzente 2001, 2; Auch aus juristischem Blickwinkel ist die Bedeutung der Informationsgesellschaft anerkannt. So formuliert das BVerfG (E 27, 71, 81 f.): „Das Grundrecht auf Informationsfreiheit ist wie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie. Erst mit seiner Hilfe wird der Bürger in den Stand gesetzt, sich die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung seiner persönlichen und politischen Aufgaben zu verschaffen, um im demokratischen Sinne verantwortlich handeln zu können.“. 2 ,Wissen‘ soll gerade im rohstoffarmen Europa zu den wichtigsten Ressourcen zählen, weshalb, wie Liessmann, Theorie der Unbildung, S. 7, zutreffend feststellt, mit nicht geringem Pathos das Ende der industriellen Arbeit beschworen und alle Energie auf die ,wissenbasierten Tätigkeiten‘ konzentriert wird. 3 Doelker, ph akzente 2001, 2. 4 Kloepfer, DÖV 2003, 221. 5 Wersig, Informationsgesellschaft, S. 12 f.; vgl. auch Luhmann, Vertrauen, S. 3 ff. 6 Wersig, Informationsgesellschaft, S. 14. 7 Wersig, Informationsgesellschaft, S. 10, der die beiden gemeinsamen Bezugspunkte ,Kommunikation‘ und ,Wissen‘ als Gegenstand der Informationsgesellschaft in den wesentlichen Vorarbeiten der
2
Einführender Teil: Rechtfertigung und Definition des Themas
Im Widerspruch zu dieser Zweckbestimmung kommunizierten Wissens, Unsicherheit zu verringern, kann Information und kann vor allem die Informationsbeschaffung unserer Zeit diese Aufgabe heute tatsächlich nur unter Vorbehalten erfüllen. Mit der immer weiter fortschreitenden Technisierung und Technologisierung der Gesellschaft, welche die Digitalisierung des Informationsflusses ermöglicht und nach sich zieht, vollzieht sich ein gesellschaftlicher Wandel,9 der mit der sozialen Revolution der Antike durch den Wechsel vom mündlich tradierten Wissen zur schriftlichen Aufzeichnung vergleichbar ist.10 Mit dieser Digitalisierung und der damit verbundenen Ausweitung der Informationsmedien geht bei zugleich immer komplexer aufgebauten Wirtschaftsgütern und Dienstleistungen des täglichen industriellen, gewerblichen und privaten Leistungsaustauschs einerseits eine stetig steigende Menge an Information, andererseits die zunehmende Komplexität der Information selbst einher.11 Je vielschichtiger ein Produkt in seiner Konstruktion, seinem Aufbau oder auch seinen Verwendungsmöglichkeiten ist, desto größer ist der Informationsbedarf des einzelnen Nutzers als Informationsadressaten, aber auch der Adressatenkreis und damit selbstverständlich auch der Kanon der jeweiligen mit dem Erwerb des Produkts oder der Dienstleistung verfolgten Präferenzen.12 Diesen Präferenzen aber muss die tradierte Information Rechnung tragen, um jedem tatsächlich verfolgten Informationsbedürfnis gerecht zu werden. Nur dann kann Unsicherheit im Umgang mit dem Produkt vermieden werden und die Informationsbeschaffung ihren Zweck erfüllen. Während zu Zeiten des Informationsaustauschs vermittelsalt hergebrachten Printmedien die Grenzen des möglichen Informationstransfers schlicht durch die von diesen Medien zu bewältigende Informationsmenge vorgegeben waren, der Anbieter des Produkts oder der Dienstleistung also eine Vorselektion der in den Markt gegebenen Information vorzunehmen genötigt war, bei der er sich auf die typischen Nutzenerwartungen der Hauptabnehmersegmente konzentrierte,13 besit8 einschlägigen Literatur ausmacht. Wersig, Informationsgesellschaft, S. 139, verwendet wegen dieses Zusammenhangs der Information mit der Kommunikation auch den Begriff der kommunikativen Revolution. 8 Mit diesem Begriff, insbesondere Liessmann, Theorie der Unbildung, S. 7. 9 Varian, Mikroökonomik, S. 640. 10 Rauch, in: Schröder (Hrsg.), FS für Henrichs, S. 25, 26. 11 Mit Hinweis auf die ,Theorie der Halbbildung‘ von Theodor W. Adorno aus dem Jahre 1959 konstatiert auch Liessmann, Theorie der Unbildung, S. 9, dass moderne Massenmedien strukturell die von Adorno beklagte Halbbildung unterstützten und diese dadurch universell werden lässt. 12 Vgl. Magoulas, Ökonomische Analyse des Konsumentenschutzes, S. 26: „Die allgemeinen potentiellen Risiken des Konsumenten beim Kauf und Gebrauch moderner Konsumgüter wachsen. Diese These lässt sich nicht nur durch die erhöhte technische Komplexität moderner Konsumwaren begründen. Auch die steigende Zahl von Produkten, die zwar keine ,gefährlichen‘ Produkte im traditionellen Sinne sind, deren Gebrauch aber den einzelnen Konsumenten mit relativ hohen, in vielen Fällen unbestimmten oder nur mit hohen Informationskosten und Schätzunsicherheiten bestimmbaren Risiken belastet, trägt dazu bei.“. 13 Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 241.
§ 1 Die Informationsgesellschaft als Motor einer Informiertheitsillusion
3
zen Online-Medien demgegenüber ein hohes Individualisierungs- und Differenzierungspotential. Eine medienspezifische Vorselektion ist nicht mehr erforderlich, da die für jede potentielle Zielgruppe bedeutsamen Informationen nebeneinander zur Verfügung gestellt und den Informationswilligen zur Selbstselektion angeboten werden können.14 Der Anbieter stellt mit zunehmender Komplexität oder denkbarer Verwendungsvielfalt des Produkts deshalb begleitend regelmäßig auch eine entsprechend komplexe, vielschichtige und ebenso wie das Produkt selbst industriell gefertigte Informationsmenge zur Verfügung, innerhalb derer vom selbstselektierenden potentiellen Abnehmer und damit zugleich Informationsadressaten in eigener Verantwortung zu differenzieren ist.15 Der als Folge dieser beinahe possessiven und zum Teil gar aggressiven Allgegenwart der Medien16 entstandene Zwang zur Selbstselektion erfordert beim Adressaten der Information zweierlei: Weil die menschliche Kapazität zur Informationsverarbeitung – eng17 – begrenzt 18 ist und naturgemäß erheblich hinter der angebotenen Informationsmenge zurückbleibt,19 muss der Informationsadressat erstens in der Lage sein, aus der Informationsmenge subjektiv präferenzorientiert denjenigen Teil der Information herauszufiltern, der sein individuelles Informationsbedürfnis stillt und seine individuell mit dem Produkt oder der Leistung verfolgten Zwecke fördert. Er muss also in der Lage sein, hinreichend zu differenzieren, um zu selektieren, die Informationsaufnahme also durch Weglassen unwichtiger und Zusammenfassen wichtiger Information (sog. „chunking“) begrenzen.20 Das aber setzt seinerseits eine klare Vorstellung von und Formulierung der eigenen Absichten, Präferenzen und Ziele voraus.21 Und hierbei handelt es sich nur um die – unmittelbar – steuerbaren Parameter der Informationsaufnahme. Ein großes Maß der Selektion, Verarbeitung und Speicherung von Information findet darüber hinaus auf unbewusster Ebene 14
Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 241. Hierin sieht Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz, S. 143, gerade auch im Bereich des Kapitalanlagerechts wegen der immer feinmaschigeren Rechtsprechung zur Prospekthaftung ein Informationsrisiko und daraus folgend Gegeneffekte, die in einer Behinderung des Rechtsverkehrs enden können: „Die Steigerung des Informationsgehalts hat zwangsläufig zur Folge, dass sich die zur Entscheidung über die Vermögensdisposition notwendige Selektion vom Informanten auf den dazu regelmäßig weniger kompetenten Kunden verlagert.“. 16 Doelker, ph akzente 2001, 2. 17 Williamson, Institutionen, S. 52, spricht davon, dass die ,Denkfähigkeit der knappe Faktor‘ sei, weshalb bei Ansprüchen an dieselbe Zurückhaltung offensichtlich geboten wäre. 18 Dazu eindrucksvoll auch Liessmann, Theorie der Unbildung, S. 29: „Wissen ist mehr als Information. Wissen erlaubt es nicht nur, aus einer Fülle von Daten jene herauszufiltern, die Informationswert haben, Wissen ist überhaupt eine Form der Durchdringung der Welt: erkennen, verstehen, begreifen.“ 19 Wersig, Informationsgesellschaft, S. 101; Dies anerkennt auch der BGH, wie seine Ausführungen zum Verbraucherschutz in NJW 1987, 372, 373 zeigen: „Auch hat der Hersteller seine Gefahrenhinweise für den Verbraucher möglichst eindrücklich zu gestalten; in Grenzen kann ein Zuviel an detaillierten Instruktionen dieses Ziel verfehlen.“; auch van Aaken, Rational Choice, S. 102, stellt neben dem „ob“ einer Information das „wie“ ihrer Präsentation und Aufnahme in den Fordergrund. 20 Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 262 ff., 268. 15
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Einführender Teil: Rechtfertigung und Definition des Themas
statt, so dass bereits ein Großteil der potentiell wahrgenommenen Information zur bewussten Informationsverarbeitung gar nicht erst vordringt.22 Zweitens muss das Maß der bereits vorhandenen Basisinformation ausreichen, um eine angebotene und in ihrer eigenen Struktur häufig bereits komplexe Information überhaupt mit hinreichendem Nutzen aufnehmen und verarbeiten zu können.23 Mit anderen Worten: Mit jeder Zunahme der Komplexität der Information selbst wachsen auch die Anforderungen an die Vorbildung des Informationsadressaten.24 Das Maß der vorhandenen Vorbildung wiederum hängt einerseits davon ab, wie und inwieweit sich der potentielle Abnehmer Informationen und damit nötiges Wissen verfügbar macht oder beschaffen kann, andererseits davon, wie hoch seine Bereitschaft zur Investition in Informationskosten,25 also seine Bereitschaft ist, sich im Vorfeld einer geplanten Investition überwiegend zeit-, gegebenenfalls auch finanziell aufwendig zu informieren.26 Während einerseits die durch Informationskosten gezogene Wissensgrenze überwiegend27 von subjektiven Erwägungen abhängig ist, mögen sie auf ökonomisch rationalen Überlegungen beruhen,28 nur begrenzt rational29 oder gar irrational sein, ist andererseits eine Vielzahl von Infor21 Schon dies kann sich bisweilen als schwierig erweisen, wie die Urteile des OLG Stuttgart, BB 1989 Beilage 15, S. 13, und des OLG Koblenz, CR 1990, 41, sowie – etwas vorsichtiger – des OLG Hamm, BB 1989 Beilage 15, S. 3, zeigen, mit denen dem Verkäufer von Software aufgegeben wurde, den Interessenten darüber aufzuklären, dass der vertraglich vorausgesetzte Gebrauch, also die Präferenzen des Interessenten, nur in intensiver gemeinsamer Arbeit ermittelt werden könnten. 22 Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 246 ff. und sogleich zur psychologischen Theorie der kognitiven Dissonanz. 23 Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 239 ff., 245. 24 Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 20: „Rationales Verhalten als Output eines informationsverarbeitenden Prozesses ist folglich abhängig von zwei Dimensionen: Der Verfügbarkeit vollständiger und korrekter Informationen (Input) und der kognitiven Fähigkeit eines Akteurs, diese Informationen in einem komplexen Modell zu verarbeiten.“. 25 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 502 f. 26 Varian, Mikroökonomik, S. 686 ff.; für den Käufer eines Gebrauchtwagens z.B. kann es sehr schwierig, finanziell kosten- und zeitaufwendig sein, sich von Angaben des Verkäufers unabhängig über die Qualität des potentiell ausgewählten Fahrzeugs zu informieren, auch wenn diese Information theoretisch verfügbar ist bzw. gemacht werden kann. 27 Nur überwiegend, weil es auch bei der Beurteilung von Kosten-Nutzen-Relationen zu irrationaler Präferenzbildung kommt, weil nämlich zeitnahe Ereignisse (Belohnungen, Strafen) deutlich höher gewichtet werden, als zeitlich entfernte (sog. „hyperbolic discounting“), vgl. van Aaken, Rational Choice, S. 99. 28 Zu Bedenken ist jedoch, worauf Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit, S. 24, zu Recht hinweist, dass sich auch vollständige Rationalität selbst begrenzt: Vollständiges Informiertsein wäre nämlich, falls überhaupt möglich, unerschwinglich teuer. Zudem weiß der Suchende um den Wert der Information erst, wenn er sie in den Händen hält, muss sich bei seiner Suche daher mit Erwartungen über den Wert der Information begnügen. Auch die vollständig rationale Informationsbeschaffung unterliegt deshalb insgesamt einem ökonomischen Kalkül. 29 Unter begrenzter Rationalität versteht die (Rechts-)Ökonomik die Annahme, dass Wirtschaftssubjekte zwar intendiert rational, aber nur begrenzt möglich rational handeln, weil immer auch (nicht erkannte) Informationsverschaffungs- und -verarbeitungsdefizite bestehen, vgl. Williamson, Institutionen, S. 49, 51 ff.
§ 1 Die Informationsgesellschaft als Motor einer Informiertheitsillusion
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mationen für den potentiellen Abnehmer demgegenüber auch bei noch so großem Involvement,30 also dem persönlichen Einsatz von Informations- oder Suchkosten,31 gar nicht zu erlangen. Dies kann seinen Grund in sozialen und technischen Gegebenheiten, also z.B. einem fehlenden Zugang zu Online-Medien haben, kann aber auch in der grundsätzlich fehlenden Zugänglichkeit bestimmter Informationen liegen. Eine dreigeteilte Differenzierung möglicher Güter des Leistungsaustauschs verdeutlicht dies:32 Bei Suchgütern (search goods) kann der potentielle Abnehmer – nötige soziale und technische Rahmenbedingungen vorausgesetzt – durch entsprechenden Aufwand in Informationskosten Qualitäts- und/oder Preisunsicherheiten im Vorfeld seiner Entscheidung verringern oder gar eliminieren, da Qualitätsaussagen und Preisvergleiche am Markt erhältlich sind; bei Erfahrungsgütern (experience goods) ist dies nicht möglich, weil sie etwa einer vorherigen Qualitätsprüfung durch den Abnehmer nicht zugänglich sind (bspw. Lebensmittel in Konservendosen). Der potentielle Abnehmer ist gezwungen, entweder dem Anbieter33 zu vertrauen,34 oder von der Annahme des Angebots abzusehen. Schließlich ist bei Glaubensgütern (credence goods) nicht einmal eine Qualitätsprüfung in der Nachschau möglich, was z.B. bei anwaltlichen Dienstleistungen der Fall ist. Der Rechtsuchende wird selbst kaum je in der Lage sein, z.B. einen erfolgreichen Prozessausgang objektiv in ein Verhältnis zu der eingekauften Dienstleistung zu setzen, sondern mag an die bestmögliche Beratung und Vertretung glauben, oder auch nicht. Nicht zuletzt steht die in einer Informationsgesellschaft vorausgesetzte Annahme von einer in Bezug auf die eigenen Präferenzen nicht nur intendierten, sondern auch real rationalen Informationsaufnahme und -verarbeitung durch den Informationsadressaten außerdem im Widerspruch zu dem in der Psychologie weithin bekannten menschlichen Bedürfnis nach Dissonanzfreiheit.35 Die psychologische 30
„Involvement“ ist nach Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 54 ff., 56, 95, in Anlehnung an markt- und sozialpsychologische Untersuchungen des consumer behavior der Aktivierungsgrad bzw. die Motivstärke zur objektgerechten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung. 31 Zum Begriff der Suchkosten („search costs“) als einem der drei Faktoren, die in Summe die Transaktionskosten bilden (die weiteren zwei Faktoren sind: Verhandlungs- und Abschlusskosten [„bargaining costs“] und die Überwachungs-/Kontroll- und Durchsetzungskosten [„enforcement costs“]), vgl. Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 91 ff.; mit einem guten Überblick auch Richter, Institutionen, S. 5 ff. 32 Diese Dreiteilung wurde entwickelt von Nelson, Information and Consumer Behavior, 78 J. Pol. Econ. 78 (1979), S. 311; s. auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 503 f. 33 Und außerdem gleichermaßen, darauf wird zurückzukommen sein, dem gesetzlichen Gewährleistungsrecht insoweit zu vertrauen, wie er Gefahr läuft, dass sein Vertrauen in den Anbieter enttäuscht wird, vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 504. 34 Durch das Entgegenbringen von Vertrauen setzt sich der Abnehmer willentlich über einen erkannten Informationsmangel hinweg, indem er seine vorhandenen Informationen aus der Vergangenheit in die Zukunft extrapoliert, vgl. Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 99. 35 Die Wirkung dieses Bedürfnisses ist Gegenstand der Theorie von der kognitiven Dissonanz, in ihrem Grundgedanken erstmals formuliert von Festinger, A Theory of Cognitive Dissonance, 1957; dazu: Frey/Gaska, Kognitive Dissonanz, S. 275 ff.
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Einführender Teil: Rechtfertigung und Definition des Themas
Theorie der kognitiven Dissonanz geht davon aus, dass jeder Mensch Unstimmigkeiten in Wahrnehmung und Denken als störend empfindet und daher zu vermeiden sucht. Solche typischen kognitiven Dissonanzen treten auf, wenn neue Erkenntnisse der eigenen Meinung widersprechen oder Zusatzinformationen eine getroffene Entscheidung als falsch entlarven. Dies hat zur Folge, dass Informationen, die von vorgebildeten Erwartungen abweichen, wahrzunehmen, vermieden und ihrem Werte nach unterschätzt, die Erwartungen bestätigende Informationen gleichzeitig aber aktiv gesucht und überbewertet werden36 (sog. „Seeking-and-AvoidingHypothese“ oder „Anchoring“37). Neue und mehrdeutige Informationen werden, demselben Schema folgend, im Sinne vorgefertigter Meinungen interpretiert.38 Dieses Verhalten bewirkt damit zugleich und beinahe zwingend eine – unbewusst – selektive Wahrnehmung neuer Informationen. Das zur Differenzierung grundsätzlich als probat empfundene Mittel des chunking ist daher auch bei hinreichender Vorbildung des Informationsadressaten einem psychologisch bedingten und jedenfalls in Teilen irrationalem Filter unterlegen, der zu einer für den Adressaten regelmäßig nicht wahrnehmbaren Verzerrung des durch Selbstselektion erworbenen Gesamtbildes führt.39 Die an die Selbstselektion durch den Informationsadressaten gestellten Anforderungen der Differenzierung einerseits und des Involvements andererseits, das seinerseits wiederum durch Wissens- und Wissensbeschaffungsgrenzen exogenen Einflüssen unterworfen ist, bringen nach alledem deshalb unweigerlich (Desinformations-)Risiken auch und gerade einer Informationsgesellschaft mit sich, die mit deren fortschreitender Entwicklung zunächst tot geglaubt waren:40 Aus der Konfrontation mit großen Mengen an produkt-, wenn auch nicht unbedingt präferenzspezifischer Information resultiert die Gefahr, dass bei dem Informationsadressaten und potentiellen Abnehmer subjektiv der Eindruck entsteht, erschöpfend informiert zu sein. Die hierbei zugleich eintretende Informationsüberflutung (information overload41) ist vor dem Hintergrund der angesprochenen Selektions-, Differenzierungs- und Bildungsanforderungen ebenso, wie vor dem Hintergrund der psychologischen Grenzen der Informationsaufnahme jedoch geeignet, den selbstkritischen Blick auf die tatsächliche individuelle Informationsdurchdringung zu verstellen, was unweigerlich das Risiko eines Zustandes der Informiertheitsillusion42 mit sich 36
Klöhn, Behavioral Finance, S. 107, m.w.N. Vgl. van Aaken, Rational Choice, S. 101. 38 Vgl. hierzu Klöhn, Behavioral Finance, S. 106 f., mit Hinw. auf Rabin/Schrag, First Impressions, Q.J.E. 37, 38. 39 Mit einem knappen aber lesenswertem Überblick über die verschiedenen psychologischen Hindernisse neutraler und daraus folgend rationaler Informationsaufnahme auch Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218. 40 Doelker, ph akzente 2001, 2, 5. 41 Zum Begriff und möglichen Reaktionen auf die Gefahr der Informationsüberflutung vgl. Kimble/Grimshaw/Hildreth, Information Overload, S. 405 ff. 42 Doelker, ph akzente 2001, 2, 5, der darauf hinweist, dass dieses Risiko ein unterschätztes Problem darstellt. 37
§ 1 Die Informationsgesellschaft als Motor einer Informiertheitsillusion
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bringt,43 wenn nämlich die aufgenommene Information – unbewusst – entweder nicht präferenzspezifisch hatte selektiert oder nicht zweckentsprechend hatte verarbeitet werden können. Eine solche Informiertheitsillusion wiederum bewirkt unweigerlich, dass auch der vollständig informationsbereite Interessent eines am Markt angebotenen Produkts oder einer angebotenen Leistung regelmäßig nicht vollständig, sondern stets nur begrenzt rational, also zwar unter der subjektiven Annahme, umfassend informiert zu sein, tatsächlich aber auf Basis einer im Einzelfall mehr oder minder lückenhaften Informationsgrundlage entscheidet.44 Vollständige Informationsbereitschaft allein, ein high involvement des Interessenten also, das gegenüber einem low involvement bei Alltagsentscheidungen insbesondere bei qualitativ oder quantitativ bedeutsamen Transaktionen festzustellen sein wird,45 ist nach alledem daher kein Garant auch für vollständige und damit im Ergebnis richtige und zielführende Information. Hieraus folgt aber zwingend, dass Rationalitäts- und Informationsdefizite eng miteinander verbunden sind und sich wechselseitig bedingen. Eine Trennung zwischen beiden ist nicht möglich, da auch und gerade ein Zuviel an Information einen Mangel an Rationalität (mit-)verursachen kann.46 Schon aus dem Blickwinkel des potentiellen Abnehmers und Informationsadressaten also vermag die rasante Entwicklung unserer Informationsgesellschaft das Risiko der Desinformation nicht auszuschließen. Im Gegenteil: Gerade diese sich in immer kürzeren Abständen selbst überholende Evolution in der Bewältigung von Datenmengen, der Geschwindigkeit von Datentransfers und der Technisierung der Bevölkerung quer durch alle Gesellschaftsschichten entpuppt sich als Motor auch einer Informiertheitsillusion und damit zugleich einer immer auch zumindest potentiellen Desinformation des Adressaten. Und damit allein sind die denkbaren Informationsdefizite und Hindernisse bei der Informationsbeschaffung im Zusammenhang mit Markttransaktionen noch nicht erschöpfend beschrieben; betrachtet sind bis hierher nämlich nur die sich aus 43 Auch Liessmann, Theorie der Unbildung, S. 27 f., hält den Terminus ,Desinformationsgesellschaft‘ für den besser geeigneten, da die Zunahme der Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, die reine Fülle der als Information getarnten Eindrücke, dazu tendierten, Unterschiede erst einmal verschwimmen zu lassen, und wenn sie doch sichtbar würden, keinen Unterschied im Hinblick auf ein späteres Ereignis zu machen, weil sie aus Kapazitätsgründen nur peripher wahrgenommen werden könnten und in der Regel auch sofort wieder vergessen werden müssten. 44 Dies bestätigt den Ansatz der institutionenökonomischen Transaktionskostentheorie, welche die begrenzte Rationalität von Wirtschaftssubjekten unter Abkehr von der Vorstellung eines vollständig informierten und deshalb stets unbegrenzt rational handelnden homo oeconomicus als Grundannahme voraussetzt, vgl. Williamson, Institutionen, S. 49, 51 ff. 45 Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 54, 61. 46 Anders sieht dies Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 15 ff., der meint, dass ein Mangel an Rationalität nicht auch einen Mangel an Information bedeute, sondern einen Mangel an Motivation und willensmäßiger Umsetzung verfügbarer Informationen. Informations- und Rationalitätsdefizite seien deshalb strikt voneinander zu trennen. Er verkennt, dass auch high involvement gerade kein Garant vollständiger und richtiger Information ist.
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Einführender Teil: Rechtfertigung und Definition des Themas
der Warte des Adressaten „neutraler“ Information ergebenden Desinformationsrisiken. Unabhängig davon, dass es solch neutrale Information in modernen Informationssystemen ihrem Wesen nach im Grunde nicht gibt,47 ist nämlich ergänzend der manipulative Einfluss zu berücksichtigen, der über eine gezielte Informationspolitik des Anbieters eines Produkts oder einer Leistung auf potentielle Abnehmer genommen werden kann und der nicht weniger bedeutend ist, als die beschriebenen „Empfängerdefizite“. Die mit den neuen Medien einher gehende Möglichkeit, Informationen anbieterseitig nicht mehr zwingend nach den wichtigsten Kundenpräferenzen vorselektieren zu müssen, sondern die für alle denkbaren Interessenten wesentlichen Informationen parallel zur Verfügung stellen zu können, schließt nämlich gerade nicht die Möglichkeit aus, dass innerhalb der vom Anbieter zur Verfügung gestellten Informationsmenge nicht dennoch selektiert worden wäre, dass nämlich der Anbieter solche Informationen von sich aus nicht preis gibt, die Absatz hindernd wirken könnten. Der dann aber nur vermeintlich uneingeschränkte Informationszugang birgt jedoch das Risiko, dass der Abnehmer die vom Anbieter vorselektierten Informationen als Tatsachen hinnimmt, seiner weiteren Selektion und Entscheidungsfindung zugrunde legt48 und hierbei ein weiteres Mal nicht erkennt, dass er seine Entscheidung auf einer unvollständigen, weil ihrerseits bereits vorselektierten Grundlage trifft. Etwas provokativ, aber nicht ohne Grund lässt sich diese Einflussnahme durch die Informationspolitik des Anbieters angesichts der seit Jahren zu beobachtenden Marktentwicklung, in der die Vertragsanbahnung im Wandel der Waren- und Dienstleistungsmärkte zu Kundenmärkten immer häufiger auf starke, teils aggressive Absatzinitiativen der Anbieterseite49 zurückgeht, als eine Facette des Marketing bezeichnen.50 Diese industrielle Fertigung von Information verschlingt enorme Summen aus den Budgets der Anbieter. Dies muss, insbesondere in Zeiten, in denen Unternehmen mehr denn je an ebit und shareholder value gemessen werden, im Wesentlichen über Absatzsteigerungen finanziert werden. Das Mittel, solche Absatzsteigerungen zu erreichen, ist die Werbung.51 Vergegenwärtigt man sich die Funktion der 47 Wersig, Informationsgesellschaft, S. 97 ff., weist darauf hin, dass Informationssysteme schon deshalb ausschnitthaftig sein müssen, weil sie nicht immer aktuell sein können, und im Übrigen nicht neutral sind, weil jedenfalls davon auszugehen ist, dass sich hierin immer auch – unentdeckte – Fehler befinden, die sich üblicherweise lange halten. 48 Vgl. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40. 49 Vgl. Reuter, Ethische Grundlagen des Privatrechts, AcP 189 (1989), S. 218. 50 Wesentlicher Bestandteil des kommerziellen Marketings ist nach Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 23, die Kommunikationspolitik eines Anbieters. Die Kommunikationspolitik stützt Entscheidungen aber in erster Linie und in wesentlichen Teilen auch auf Erkenntnisse über das consumer behavior, also auf solche aus der Psychologie des Konsumentenverhaltens. Kritisch auch Lehmann, Werbeangaben und Allokationseffizienz, S. 169 f. 51 Vgl. Doelker, ph akzente, 2001, 2, der zugleich fragt, ob es angesichts dieser Tatsache nicht am ehrlichsten wäre, die Informationsgesellschaft als ,Werbegesellschaft‘ zu charakterisieren.
§ 1 Die Informationsgesellschaft als Motor einer Informiertheitsillusion
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Werbung, nämlich einerseits Bedarf zu wecken und andererseits Bedarf zu formen,52 wird schnell deutlich, dass hierin weitere Risiken für den Werbeadressaten liegen, der neben – offenen oder verdeckten – (ge-)werblichen Informationen entweder das Bedürfnis, auch neutrale Information einzuholen, nicht erkennt, dies zu unterlassen verleitet wird oder aus eigenem Antrieb hierauf verzichtet. Werbung ist daher tendenziell opportunistisch53 ausgerichtet und begründet damit das Problem der so genannten „adverse selection“, der Gefahr, aufgrund von vor Vertragsschluss entstandenen und nicht behobenen Informationsasymmetrien einen unerwünschten Vertragspartner auszuwählen und wesentliche Eigenschaften des Vertragspartners oder der von ihm angebotenen Güter und Dienstleistungen („hidden characteristics“) nicht zu erkennen.54 Hinzu kommt, dass die Anonymisierung und Entpersonalisierung der Akquisition und Geschäftsanbahnung in Form von Werbung und digitaler Kommunikation es dem Anbieter noch erleichtert, die Wahrnehmung des Kunden in seinem, des Anbieters, Sinne zu beschränken: Nicht nur, dass digital übermittelte Information stets aus dem Kontext zwischenmenschlicher Interaktion („face-to-face interaction“) herausgelöst ist, die sonst in nennenswertem Maße dazu beiträgt, eine sich stetig weiterentwickelnde Basis für ein kongruentes Grundverständnis55 in der Interpretation des verwendeten Kommunikationskataloges zu schaffen;56 auch vollzieht sich die Vertragsanbahnung in national und international grenzenlosen und damit immer größer werdenden Märkten und damit zugleich zunehmend häufig über große Distanz. Das wiederum schließt nicht selten die Möglichkeit aus, auf Vertrauen aus früheren Geschäftsabschlüssen zurückgreifen oder über einen persönlichen Eindruck zumindest den Grundstein für die Vertrauensbildung57 in den Vertragspartner des gewünschten Geschäfts legen zu können.58 52
Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 252. Unter „Opportunismus“ versteht die ökonomische Theorie die Verfolgung eines Eigeninteresses unter Zuhilfenahme von List, was krassere Formen, wie Lügen, Stehlen und Betrügen einschließt, sich hierauf aber keineswegs beschränkt. Häufiger bedient sich der so definierte Opportunismus raffinierterer Formen der Täuschung, vgl. Williamson, Institutionen, S. 54. 54 Vgl. Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 64. 55 Vgl. Kimble/Grimshaw/Hildreth, Information Overload, S. 405, 406, die davon ausgehen, dass ein wesentliches Problem der Kommunikation vermittels elektronischer Medien, insbesondere über eMails, in fehlenden interaktiven Möglichkeiten zur Schaffung einer gemeinsamen Kommunikationsbasis neben der bloßen Datenübermittlung liegt. Dies führe zu Defiziten in der Informationsverarbeitung und -speicherfähigkeit. 56 Zur juristischen Einordnung dieses Gedankens der interaktiven Kommunikation vgl. Köndgen, Selbstbindung, S. 165 f. 57 Der Abnehmer, der in einer anonymisierten Geschäftsanbahnung – häufig über große Distanz – nicht auf spezifisches Vertrauen aus eigenen Erfahrungen mit dem Anbieter zurückgreifen kann, ist auf ein generalisiertes Vertrauen angewiesen, das auf eine über öffentliche Quellen kommunizierte und in der Regel auf Erfahrungen Dritter beruhende Vertrauensatmosphäre zur Grundlage hat, vgl. Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 100. 58 Auch Straubhaar, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.12.2006, Nr. 50, Seite 60, der grundsätzlich im Interesse einer Reduzierung der Kontrollkosten (als Teil der Transaktionskos53
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Die Anonymisierung des geschäftlichen Kontakts und die mit der Digitalisierung der Vertragsanbahnung verbundene Erweiterung des räumlichen und persönlichen Aktionsradius der Anbieter von Gütern und Dienstleistungen bewirken deshalb in der täglichen Praxis der Geschäftsanbahnung und des Geschäftsabschlusses nicht zuletzt fließende Grenzen zwischen search, experience und credence goods.59 Interessierte Abnehmer gehen wegen den hiermit verbundenen Schwierigkeiten bei der Selektion und Informationsverarbeitung trotz der sich mit rasanter Geschwindigkeit entwickelnden Informationsgesellschaft zunehmend häufig und zum Teil wohl auch im Interesse der Minimierung von Informations- und Suchkosten60 dazu über, auf die anbieterseitig gegebene Information und in die Person des Anbieters zu vertrauen. Das ist verständlich, weil Folge der den Interessenten stets begleitenden Ungewissheit: Wenn das eigene Wissen in einer Handlungssituation nicht ausreicht, stellt die Suche nach einem anderen Menschen, der über dieses Wissen verfügt, – neben der Extrapolation von Informationen aus der Vergangenheit in die Zukunft61 – eine übliche Form der Wissenssuche dar.62 Und hierbei liegt es nahe, sich an den Anbieter als denjenigen zu wenden, der augenscheinlich die nötigen Informationen bereithält. Dieses fremde Wissen dann aber auch anzunehmen, ist stets Vertrauenssache.63 So ist der Abnehmer, will er keine weiteren und höheren Informations- und Suchkosten in andere Erkenntnisquellen aufwenden, mehr oder minder gehalten, der anbieterseitigen Information zu vertrauen.64
ten)59für eine Deregulierung des Rechts eintritt und das interpersonale Vertrauen in den Vordergrund stellt, anerkennt, dass es sich bei einmaligen und flüchtigen Kontakten nicht lohnt, in Entstehung und Erhaltung gemeinsamen Vertrauens zu investieren, da wer sich nur einmal im Leben trifft, Versprechen ohne Scheu brechen wird; ähnlich auch bei Richter, Institutionen, S. 19 ff., der in die Beziehung der Parteien auch erwartungsgemäß opportunistisches Verhalten einbezieht. 59 Dem versuchen moderne Systeme per definitionem anonymer Geschäftskontakte dadurch gegenzusteuern, dass sie als vertrauensbildende Maßnahme obligatorische Kundenbewertungen veröffentlichen und so die Vertrauenswürdigkeit in erster Linie des Anbieters, zum Teil aber auch des Produkts selbst kommunizieren, wie dies bei Internet-Handelsplattformen wie eBay, Amazon etc. der Fall ist. Auch hierauf wird zurückzukommen sein. 60 Auch psychologisch bedingt können Präferenzen entstehen, Suchkosten im Interesse zeitnahen Konsums zu vermeiden, wie die Ausführungen bei van Aaken, Rational Choice, S. 98 ff. zeigen. 61 Vgl. Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 99. 62 Wersig, Informationsgesellschaft, S. 77. 63 Wersig, Informationsgesellschaft, S. 77. 64 Dass Vertrauen tatsächlich das Mittel zur Reduzierung von Suchkosten ist, lässt sich auch den Ausführungen von Straubhaar, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.12.2006, Nr. 50, Seite 60, entnehmen.
§ 2 Schadensneigung der Informiertheitsillusion – Verstrickung durch Desinformation
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§ 2 Schadensneigung der Informiertheitsillusion – Verstrickung durch Desinformation Dieser Vertrauensvorschuss des Abnehmers in die Objektivität, Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Anbieter zur Verfügung gestellten Information und in dessen Anpreisungen ist Folge der Informationsüberflutung und zum Teil wohl auch Folge einer Informiertheitsillusion in einer häufig anonymen und damit entpersonalisierten Geschäftsanbahnung. Er begründet in ungleich höherem Maße als bei einem alt hergebrachten „Geschäft per Handschlag“, bei dem der Kaufgegenstand zuvor besichtigt wird,65 bei einem zugleich tatsächlich bestehenden Informationsdefizit des Interessierten ein erhebliches Risiko des Abnehmers, Opfer von Fehlvorstellungen oder gar Täuschungen, nicht selten aber jedenfalls von verzerrten oder unvollständigen Wahrheiten zu werden. Dies ist im Ergebnis und im Wesentlichen Folge daraus, dass die Informationen zwischen den Vertragsparteien asymmetrisch verteilt sind.66 Realisieren sich die Risiken aus diesem Informationsgefälle, läuft der Abnehmer immer auch Gefahr, sich an einen Kontrakt zu binden, auf den er sich bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht oder nicht mit diesem Inhalt eingelassen hätte und den er deshalb rückabgewickelt wissen will.67 Wird der Abnehmer seines Zustandes der Desinformation noch vor Vertragsschluss gewahr und nimmt er deshalb – rechtzeitig – Abstand von dem Vertrag, schützt ihn dies nicht davor, möglicherweise schon Informations- und Suchkosten68 nutzlos aufgewandt und gegebenenfalls auch in den bereits in Aussicht gestellten Vertragsabschluss investiert zu haben,69 ohne dass 65 So sah das OLG Schleswig, ZIP 1982, 457, schon im Jahre 1981, dass das bisherige Kaufrecht, das davon ausgehe, dass der Käufer sich im Wesentlichen durch Besichtigung der Kaufsache selber schützen könne, überholt sei. 66 Die erste und bedeutsamste Analyse der Marktwirkungen asymmetrischer Information hat Akerlof, Market for Lemons, Q.J.E. 84, 488 ff., vorgelegt und vorausgesagt, dass bei von den Abnehmern schwer zu beobachtenden Produkteigenschaften ein „race to the bottom“ droht, dass infolge hieraus also nur noch die schlechteste gerade am Markt noch handelbare Ware angeboten wird und dies Rechtfertigung für einen Eingriff in die Vertragsfreiheit sein könne. Unter anderem für diese Arbeit, die den Grundstein für sehr viele weitergehende Untersuchungen gelegt hat, wurde Akerlof mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. 67 Hieraus können sich Ansprüche auf Vertragsaufhebung ergeben, vgl. BGH NJW 1962, 1196; 1969, 1625; 1998, 302; 1998, 898. Dies gilt nach BGH NJW 1962, 1196; BGH NJW 1969, 1625 auch bei (nur) fahrlässig falschen Angaben durch den Anbieter. 68 So z.B. für Maklerkosten BGH WM 1969, 835; BGH NJW 1993, 2527; zur fehlenden Ersatzfähigkeit solcher Maklerkosten im Rahmen eines erklärten Rücktritts nach § 325 BGB a.F. in analoger Anwendung des § 467 Satz 2 BGB a.F. vgl. BGH NJW 1985, 2697, der statt dessen Ansprüche aus c.i.c. für möglich hält. 69 Über die sog. Rentabilitätstheorie, auf die noch im Einzelnen zurückzukommen sein wird, hat der BGH verschiedentlich nutzlos aufgewandte Vertrags- und Transaktionskosten als ersatzfähigen Schaden zugesprochen, vgl. BGH WM 1977, 1089; BGH WM 1985, 1497; BGH NJW 1999, 3625; BGH NJW 2001, 2875; BGH NJW 2002, 208; grundlegend bereits BGHZ 57, 78, 80: „Hat ein Käufer Aufwendungen zur Erlangung der Gegenleistung gemacht, so bemisst sich sein Schaden nach der Vermögenseinbuße, die er dadurch erleidet, dass Aufwendungen nicht mehr rückgängig gemacht werden kön-
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sich dieser Aufwand nach vollständiger oder jedenfalls hinreichender Information wie beabsichtigt amortisieren könnte. Demgegenüber kann sich auch die Situation ergeben, dass der Abnehmer zwar erkennt, dass die der Transaktion zugrunde gelegten Informationen unvollständig oder falsch waren, er aber aus welchen Gründen auch immer, ob aus wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen Zwängen an der Durchführung des Vertrages festhält und dessen Nachteile in Kauf nimmt,70 weil sich dies aus seiner Sicht als das ,kleinste Übel‘ darstellt. Gleichzeitig kann eine anderweitige Möglichkeit zu einem vergleichbaren Vertragsabschluss im Vertrauen auf die sich später als unvollständig oder gar falsch herausstellende Information ausgeschlagen worden und damit unwiederbringlich verloren sein.71 Die hier exemplarisch aufgezählten Fälle möglicher Schadensentstehung72 aus dem Risiko unerkannt unvollständiger oder unrichtiger Information gehen allesamt auf das enttäuschte Vertrauen des potentiellen Abnehmers in die erhaltene Information zurück. Es liegt deshalb nahe, diese unter dem Begriff des Vertrauensschadens oder – häufig gleichgesetzt73 – des negativen Interesses zusammen zu fassen. Unter dem negativen Interesse versteht die Rechtsordnung dasjenige Interesse des Geschädigten, so gestellt zu werden, als wenn er mit dem Schädiger nie Kontakt gehabt74 nen70und sich als nutzlos erweisen.“; der Schaden besteht nach dieser Rechtsprechung des BGH allerdings nicht in den getätigten Aufwendungen, sondern in der verlorenen Kompensationsmöglichkeit, BGH NJW 2000, 2342, 2343. 70 In solchen Fällen, in denen der durch fehlerhafte Aufklärung Geschädigte an dem Vertrag festhält, gewährt die Rechtsprechung einen Anspruch auf Vertragsanpassung an diejenigen Bedingungen, wie sie bei ordnungsgemäßer Aufklärung festgelegt worden wären, was in der Regel einer Minderung gleichkommt, BGH NJW 1989, 1793; BGH NJW 1999, 2032; BGH NJW 2001, 2875. Auf den Nachweis, dass auch der Anbieter zu den unterstellten günstigeren Konditionen abgeschlossen hätte, verzichtet der BGH, vgl. BGH WM 1988, 1700; BGH NJW 1993, 1323. Insbesondere letzteres wird in der Literatur weitgehend abgelehnt, vgl. jeweils m.w.N. Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 222 f.; Medicus, Erfüllungsinteresse aus VbVV, S. 555 ff. Als vermittelnde Lösung schlägt Stoll, Haftungsfolgen fehlerhafter Erklärungen, S. 283 f., vor, dass der Getäuschte anstelle eines Aufhebungs- oder quasi Minderungsanspruchs lediglich die Ausgleichung der mit dem Abschluss und der Durchführung des Vertrages verbundenen Nachteile soll verlangen dürfen, dass diese Nachteile also, zu denen gegebenenfalls auch Vorteile eines anderen Vertrages gezählt werden, auf den der Geschädigte verzichtet hat, als frustrierte Vertragskosten ersatzfähig sind. 71 So z.B. BGH NJW 1998, 900; BGH NJW 1982, 1748; OLG Stuttgart VersR 1980, 363 zur Gewährung von Schadensersatz bei entgangenen günstigen Weiterveräußerungsmöglichkeiten; vgl. auch Schiemann, in: Staudinger, Vorbm 48 a.E. zu §§ 249 ff. 72 Schaden in diesem Sinne ist jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage des Geschädigten. So jedenfalls hat es Mommsen, Zur Lehre vom Interesse, S. 118, in seiner bis heute grundlegenden Arbeit zum Schadensbegriff formuliert: „Hat die Thatsache, um welche es sich handelt, gar keine oder wenigstens keine nachtheiligen Folgen für das Vermögen gehabt, so kann auf dieselbe ein Anspruch auf Erstattung des Interesses nicht gegründet werden, weil es an einem Object für diesen Anspruch fehlt.“. 73 So z.B. bei Schiemann, in: Staudinger, Vorbem. 48 vor §§ 249 ff. Dieser Gleichstellung von Vertrauensinteresse und negativem Interesse widersprechen insbesondere Hanau/Wackerbarth, Positives und negatives Interesse, S. 207 ff., da auch das positive Interesse im Ergebnis nichts anderes beschreibe, als Schäden aus enttäuschtem Vertrauen; ausführlich auch Huber, Leistungsstörungen II, S. 268 ff. 74 Schiemann, in: Staudinger, Vorbem 48 vor §§ 249 ff.
§ 2 Schadensneigung der Informiertheitsillusion – Verstrickung durch Desinformation
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und deshalb auch nie etwas von dem Vertrag gehört hätte. Das (negative) Interesse des Geschädigten besteht also darin, so gestellt zu werden, wie wenn es nicht zu den betreffenden Vertragsverhandlungen gekommen wäre,75 ist daher auf Ersatz der Vertragsaufwendungen und desjenigen Gewinns, welcher bei Hinwegdenken der Vertragsverhandlungen erzielt worden wäre, gerichtet.76 Bei der Subsumtion der denkbaren Schadensanlagen aus Desinformationsrisiken im Rahmen der Vertragsanbahnung und -abwicklung allein unter den Begriff des negativen Interesses sollte Vorsicht walten und die nötige Flexibilität77 im Umgang mit solchen Schadensanlagen nicht von vornherein eingeschränkt werden. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund der schon umfassenden und kontrovers geführten Diskussion78 über die Einbeziehung von Vertrauensschäden in das positive Interesse im alten Schuldrecht, insbesondere aber auch vor dem Hintergrund des noch längst nicht abschließend geklärten Anwendungsbereichs des § 284 BGB79 im modernisierten Schuldrecht. Die hier dargestellten alternierenden Möglichkeiten der Schadensentstehung kennzeichnen freilich nur im Ansatz das Spektrum der denkbaren Vermögenseinbußen infolge einer Desinformation und Informiertheitsillusion des potentiellen Abnehmers. Trotz der Vielzahl weiterer möglicher Fallgestaltungen ist all diesen denkbaren Schadensanlagen jedoch eines gemein: Sie resultieren allein aus der Verstrickung des Abnehmers in die Vertragsanbahnung80 und aus der hiermit möglichen Einflussnahme der anderen Partei auf die Willensbildung des Interessenten. Durch die 75
Zur ökonomischen Ableitung rechtlicher Folgerungen für den Ausgleich des negativen Interesses („reliance damages“), auf die zurück zu kommen sein wird, vgl. grundlegend Cooter/Eisenberg, Damages for Breach of Contract, C.L.R. 73 (1985), 1434 ff. 76 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 64. 77 Mit diesem Anspruch auch Derleder, NJW 2003, 998 und ders., NJW 2004, 969, 970 ff.; vgl. auch die grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Forderung nach einem flexiblen Vertragsmodell bei Köndgen, Selbstbindung, S. 118 ff. 78 Die Diskussion über die Ersatzfähigkeit von Schäden, die zwanglos dem negativen Interesse zuzurechnen waren, über Ersatzansprüche, die (allein) auf den Ausgleich des positiven Interesses gerichtet waren, hat bis zur Modernisierung des Schuldrechts zum 01.01.2002 Rechtsprechung und Literatur nachhaltig beschäftigt. Die Diskussion verlief im Delta zwischen Rentabilitäts- und Frustrationstheorie sowie Kommerzialisierungsthese, die allesamt dogmatische Krücken zur Durchbrechung der schadensrechtlichen Differenzierung zwischen positivem und negativem Interesse waren, die sich immer weiter aneinander angenähert hatten, vgl. Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 661 ff.; Medicus, Erfüllungsinteresse aus VbVV, S. 554 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 255 ff.; Hanau/Wackerbarth, Positives und negatives Interesse, S. 207 ff.; Derleder, NJW 2004, 969, 973; Otto, in: Staudinger, § 325 BGB a.F. Rz. 84 ff. 79 Vgl. dazu den Überblick bei Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 9 ff.; Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 27 ff.; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 160 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 258 f. 80 Vgl. zum Begriff der „Verstrickung“ soweit erkennbar erstmals Derleder/Abramjuk, Qualitätsschutz und Verstrickungsschutz, AcP 190 (1990), S. 624 ff.; vgl. auch Derleder, NJW 2004, 969, 970; im Übrigen wird die Vertragsanbahnung bereits bei Fikentscher, Schuldrecht, R. 69, dogmatisch zutreffend als Rechtsverhältnis klassifiziert.
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Einführender Teil: Rechtfertigung und Definition des Themas
Aufnahme von Vertragsverhandlungen, sei es auch im Rahmen von Alltagsgeschäften, begibt sich der potentielle Abnehmer in die Notwendigkeit,81 Informationen über das angebotene Produkt oder die angebotene Dienstleistung einholen zu müssen. Ungeachtet oder gerade wegen des übermäßig großen Informationsangebots einschließlich der hiermit verbundenen Unwägbarkeiten und der fortschreitenden Informiertheitsillusionierung vor allem auch durch immer aggressivere Werbung82 wird der Abnehmer in dem Bestreben, seine regelmäßig ohnehin hohen Informationskosten so gering wie möglich zu halten, wie gesehen, aus nachvollziehbaren Gründen, einen Großteil der einzuholenden Informationen am ehesten vom Anbieter direkt oder jedenfalls aus Quellen beziehen, die vom Anbieter mittelbar oder unmittelbar beeinflusst sind. Als Folge hieraus erschöpft sich die Vertragsanbahnung ihrem wesentlichen Inhalte nach zunächst in einer Informationsbeziehung,83 in deren Rahmen der Abnehmer seinen, gegebenenfalls erst durch den Anbieter geweckten, Präferenzen entsprechend handelt, diese formuliert und der Anbieter seinerseits hierauf mit mehr oder minder präferenzspezifischen Informationen reagiert. Durch die auf diese Weise tradierten Informationen entsteht beim Abnehmer ein Bild dessen, was er sich von dem in Aussicht genommenen Geschäft verspricht. Der Abnehmer bildet sich daher eine Vorstellung über den mit der Transaktion verfolgten individuellen Nutzen.84 Diese Vorstellung geht im Wesentlichen auf die vom Anbieter häufig ergebnisorientiert vorselektierten85 und erst anschließend weitergegebenen Informationen zurück, ist also regelmäßig Folge einer anbieterseitig intendierten Selbstdarstellung. Jede Selbstdarstellung hat indes auch eine Selbstbindung86 zur Folge.87 81 Und in gewissem Umfang auch in die Obliegenheit, will man mit Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 226 ff., zunächst von einer informationellen Selbstbestimmung des Abnehmers ausgehen. 82 Vgl. zum empirischen Hintergrund für die Kritik an immer sachfremder werdender Werbung und Werbemethoden schon in den 1970er Jahren Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 74 ff. 83 Dieser Informationsbeziehung folgt dann die Verhandlungsbeziehung, in der die wesentlichen Vertragsgrundlagen ausgehandelt werden und ein Konsens zu erreichen versucht wird, nach. Die Abgrenzung lehnt sich damit an die Klassifizierung von Transaktionskosten auf erster und zweiter Stufe, nämlich an die Unterscheidung in Such- und Informationskosten („search costs“) einerseits sowie Verhandlungs- und Abschlusskosten („bargaining costs“) andererseits an, vgl. oben Fn. 22. 84 Zum ökonomischen Begriff des Nutzens vgl. Varian, Mikroökonomik, S. 52 ff., wonach der ,ökonomische Nutzen‘ eine Möglichkeit beschreibt, Präferenzen des Konsumenten abzubilden. 85 Wie oben (§ 1) bereits dargestellt, birgt eine solche nach Vorselektion durch den Anbieter tradierte Information deshalb insbesondere auch die Gefahr, dass sie vom Abnehmer nicht mehr zwingend als Ergebnis einer Selektion, sondern möglicherweise als Tatsache hingenommen wird, an die dann der weitere Willensbildungsprozess anschließt, vgl. Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40. 86 So Luhmann, Rechtssoziologie, S. 74: „Denn an sich entstehen Bindungen aus jeder Selbstdarstellung vor anderen.“. 87 Köndgen, Selbstbindung, S. 166, weist zu Recht darauf hin, dass Selbstdarstellung mit verbalen Mitteln, also das kommunikative Handeln im engeren Sinne mit dem Primärzweck der Informationsvermittlung fast immer intentional erfolgt und strategisch eingesetzt wird. Und solche intentionale Selbstdarstellung durch Informationsweitergabe mit dem Ziel, beim Empfänger eine bestimmte Vor-
§ 2 Schadensneigung der Informiertheitsillusion – Verstrickung durch Desinformation
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Diese Feststellung allein mag zwar für hieraus etwaig abzuleitende Rechtsfolgen noch keinen nennenswerten Erkenntnisgewinn88 bringen; die an die intendierte Selbstdarstellung anknüpfende Selbstbindung rückt die Parteien jedoch in ein Näheverhältnis zueinander, durch das ein gesteigerter und durch den angestrebten Geschäftszweck qualifizierter sozialer Kontakt89 begründet wird. Letzterer wiederum ermöglicht es insbesondere dem Anbieter, durch gezielte Informationspolitik auch opportunistisch motivierten Einfluss auf den Willensbildungsprozess90 des möglichen Kunden zu nehmen und hierdurch dessen (Vermögens-)Interessen zu schädigen.91 Solch gesteigerter sozialer Kontakt begründet eine Sonderverbindung im Zusammenhang mit der Geschäftsanbahnung und dem hiermit verbundenen Informationsaustausch, innerhalb derer Vermögensinteressen des einen Teils – auch – der Einflusssphäre des anderen Teils ausgesetzt werden.92 Diese so geartete Sonderverbindung beschreibt Inhalt und Gegenstand der Verstrickung, welche die Klammer um alle aus der Desinformation in der Vertragsanbahnung denkbaren Schadensrisiken und -anlagen bildet. Hierbei beschränken sich die denkbaren Schäden freilich nicht auf solche, die vor Vertragsschluss oder 88 stellung und Erwartung auszulösen, ist gegenüber einem gewöhnlichen sozialen und – jedenfalls geschäftlich – intentionslosen Kontakt besonders qualifiziert, weshalb sie auch in besonderer Weise geeignet ist, eine qualifizierte Selbstbindung auszulösen, vgl. Köndgen, Selbstbindung, S. 174 ff. 88 Zwar geht auf diese Vorstellung von der Selbstbindung durch Selbstdarstellung auch der bereits römisch-rechtliche Grundsatz des ,venire contra factum proprium‘ zurück, vgl. Köndgen, Selbstbindung, S. 167, jedoch ist sie als rechtssoziologische These allein nicht geeignet, ein Institut zur Begründung und Beschränkung von Rechten und Pflichten zu rechtfertigen, vgl. hierzu ausführlich Dette, Venire contra factum proprium, S. 38 ff. 89 Zum Argumentationsansatz des gesteigerten sozialen Kontakts zur Begründung von Verhaltens- und Schutzpflichten vgl. statt vieler Roth, in: MünchKomm-BGB, § 242 Rz. 193; Olzen, in: Staudinger, § 241 Rz. 112. 90 Vor dem Hintergrund der Annahme, dass jeder Vertrag auf dem Konsens der Parteien beruht und folglich dessen nicht aus dem Willen des einzelnen, sondern aus dem Zusammenwirken mit anderen Privatrechtssubjekten durch freies Aushandeln in einem Prozess des wechselseitigen Gebens und Nehmens entsteht, das erst zu einer grundsätzlich anzustrebenden Vertragsgerechtigkeit führt, vgl. Looschelders/Olzen, in: Staudinger, § 242 Rz. 458, wirkt jede Störung des Willensbildungsprozesses auch schon in der Phase der Vertragsanbahnung zwingend auf den erzielten Konsens und damit auf die idealiter angestrebte subjektive Vertragsgerechtigkeit zurück. Diese Wechselbeziehung auf dem Weg zum Konsens rechtfertigt es, das Vertragsanbahnungsverhältnis von sozialen „Zufallskontakten“ abzuheben und an die Vertragsanbahnung deshalb weitergehende Rechtsfolgen zu knüpfen. 91 Die Kompensation solch spezifischer Einwirkungsmöglichkeiten ist wesentlicher Zweck von rechtlichen Sonderverbindungen, an die regelmäßig eine besondere Schutzpflichthaftung geknüpft wird, vgl. ausführlich hierzu Krebs, Sonderverbindungen, S. 212, 269 ff. 92 In Anlehnung an die grundlegende Vorarbeit und das auch hier zugrunde gelegte Verständnis von Krebs, Sonderverbindungen, S. 634 f., werden durch das Rechtsinstitut der Sonderverbindung Verhaltens-, Unterlassungs-, Treue- und Schutzpflichten begründet. Eine solche Sonderverbindung liegt vor, wenn in einer Beziehung besondere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter der Gegenseite bestehen und die Beziehung z.B. auf die Begründung einer vertraglichen Leistungs- oder Unterlassungspflicht (vorvertragliche Verhältnisse) ausgerichtet ist. Kritisch hierzu, m.E. aber durch Krebs widerlegt, Picker, Haftungen zwischen Vertrag und Delikt, S. 411 ff.; Esser, Gedanken zur Dogmatik der „faktischen Schuldverhältnisse“, AcP 157 (1958/59), S. 86, 89 f. 92.
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gelegentlich desselben als „Begleitschäden“ entstehen; die Verstrickung kann vielmehr auch in die Abwicklung des Vertrages hinein- und sich erst während des Vollzugs und der Abwicklung schadensstiftend auswirken.
§ 3 Verstrickungsschäden und Ansprüche an die Rechtsordnung A) Vorbemerkung Mit der Einordnung des Begriffs der Verstrickung in den Gesamtkontext der in einem ersten Schritt als Informations- und im nachfolgenden zweiten Schritt als Verhandlungsbeziehung zu qualifizierenden Vertragsanbahnung ist noch nichts für die rechtliche Behandlung von Verstrickungsschäden gewonnen. Die bisherigen Feststellungen beschränken sich darauf, dass die Verstrickung das Entstehen einer – inhaltlich nicht näher qualifizierten – Sonderverbindung93 nach sich zieht, die ein in der Regel aus asymmetrischer Informationsverteilung herrührendes Schadensrisiko in sich trägt. Aus dieser Einordnung und Feststellung leitet sich jedoch zwingend die Forderung an die Rechtsordnung ab, als Reaktion auf erkannte potentiell schadensstiftende (Schuld-)Verhältnisse94 regulierend einzugreifen.95 Eine auf dem Grundsatz der Privatautonomie aufbauende Privatrechtsordnung nämlich muss die rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung nicht nur anerkennen, sondern gleichzeitig auch Voraussetzungen schaffen, unter denen die Selbstbestimmung des Einzelnen zur Entfaltung gelangen kann.96 Die Lösungen für diese Aufgabe sind auf zwei Ebenen zu suchen: Erstens, ob und inwieweit sich aus der besseren Kenntnis des Anbieters Aufklärungs- und Offenbarungspflichten97 ergeben, ob und inwieweit also möglicherweise ein Anspruch des potentiell desinformierten Interessenten auf Beseitigung
93 Auch bei der Qualifizierung als Sonderverbindung hängt der Umfang der hieraus abzuleitenden Leistungs-, Schutz-, Sorgfalts- und ggfls. Unterlassungspflichten von der Art und dem konkreten Inhalt der Sonderverbindung sowie von der spezifischen Zumutbarkeit der Haftung für den Schädiger ab, vgl. Krebs, Sonderverbindung, S. 264 f., 267. 94 Dass die Sonderverbindung ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne begründet, hat Krebs, Sonderverbindung, S. 251 ff., 267, mit der Erarbeitung seines funktionalen Legitimationsansatzes überzeugend nachgewiesen. Im modernisierten Schuldrecht wird diese Auffassung durch § 311 Abs. 2, 3 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB gestärkt, die jedenfalls für die hier zu beleuchtenden Fälle von einem Schuldverhältnis ausgehen. 95 Mit solcher Forderung auch aus ökonomischer und sozial-psychologischer Sicht van Aaken, Rational Choice, S. 101 f. 96 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 513. 97 Vgl. den Überblick zum bisherigen Stand der Fallgruppenbildung zur Bestimmung von Aufklärungspflichten bei Heinrichs, in: Palandt, § 123 Rz. 5 ff.; Löwisch, in: Staudinger, § 311 Rz. 118 ff.; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 10 ff.; aus ökonomischer Sicht Ott, Aufklärungspflichten, S. 148 ff.
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der Informationsasymmetrie98 besteht, letzteres vor allem auch ungefragt99 und auch dann, wenn der Anbieter über die Information selbst nicht verfügt, sie sich aber zu verschaffen in der Lage wäre.100 Sollten solche Offenbarungspflichten begründet sein, folgte hieraus anschließend die Frage, welche Institutionen101 die Rechtsordnung zur Verfügung stellt oder stellen sollte, um die Verletzung solcher Pflichten angemessen zu sanktionieren: Zu differenzieren wäre dabei zwischen zwei möglichen Reaktionsmodellen, nämlich der Eröffnung einer Abwehrmöglichkeit für den im Irrtum befangenen Abnehmer, die der Schadensentstehung entgegenwirkt oder sie rückgängig macht,102 oder aber der Kompensation, in deren Rahmen die entstandenen Schäden ausgeglichen werden. Ergänzend ist eine Kombination beider Rechtsfolgenkonstrukte denkbar, nämlich der Abwehr z.B. des nachteiligen Vertrages unter gleichzeitiger Kompensation eines etwaig verbleibenden Restschadens. Zweitens bliebe zu klären, welche Schäden als Verstrickungsschäden tatsächlich ersatzfähig sind, sollte anteilige oder vollständige Kompensation zu gewähren sein. Mit einer solchen Bestimmung des qualitativen und quantitativen Definitionsgehalts des Begriffs der Verstrickung wäre zugleich ein Beitrag geleistet zur Erledigung des schon zum BGB in der Fassung vor dem 01.01.2002 geführten Streits über die Einbeziehung solcher Schadenspositionen in das positive Interesse, die eindeutig dem negativen Interesse zuzuordnen waren,103 über die Einbeziehung von Nichtvermögensschäden in den Interessenausgleich104 sowie zur Erledigung des seit der Modernisierung des Schuldrechts geführten Streits über Inhalt und Reichweite des § 284 BGB.105
98 Umfassend und lesenswert hierzu Fleischer, Informationsasymmetrie, mit einer grundlegenden ökonomischen, S. 93 ff., und einer ebenso dogmatisch fundierten zivilrechtlichen Auseinandersetzung, S. 233 ff. 99 Dazu mit rechtlichem und ökonomischen Überblick Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 565 ff.; Adams, Ökonomische Theorie, S. 71, 84 ff. 100 Dieser letztgenannte Fall läge auf der Linie von BGH NJW 1962, 1196; BGH NJW 1969, 1625, wonach der Anbieter (dort: Verkäufer) auch für fahrlässig falsche Informationen haftet. 101 Im (rechts-)ökonomischen Sinne ist unter einer Institution ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestelltes System von Normen einschließlich deren Garantieinstrumente zu verstehen, das den Zweck verfolgt, das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern. Zu unterscheiden ist zwischen Institutionen im Sinne des objektiven Rechts, wie z.B. dem BGB, und Institutionen im Sinne des subjektiven Rechts, also z.B. Ansprüchen aus Verträgen; vgl. Richter, Institutionen, S. 2. 102 Vgl. Ott, Aufklärungspflichten, S. 144. 103 Vgl. ausführlich oben in Fn. 77 m.w.N. 104 Vgl. zunächst statt vieler Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 821 ff.; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 279 ff.; und aus ökonomischer Sicht Adams, Nichtvermögensschäden, S. 210 ff. 105 Vgl. oben, Fn. 78.
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B) Vorvertragliche Aufklärungs- und Informationspflichten als Voraussetzung für die Auflösung von Verstrickungslagen I. Vorbemerkung „Information ist nicht alles, aber ohne Information ist alles nichts“!106 Diese Feststellung, aus der sich, wie soeben gesehen, Forderungen an die Rechtsordnung ableiten, hat seit jeher auch Einzug in Rechtsprechung107 und Rechtslehre108 gehalten. Dass sich aus einer asymmetrischen Informationsverteilung nämlich nicht zu vernachlässigende Risiken in der Vertragsanbahnung ergeben, ist dem Grunde nach erkannt und hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Konjunktur der Postulierung von Aufklärungspflichten109 bewirkt.110 Das Bestehen solcher Aufklärungs- und Offenbarungspflichten ist nämlich Voraussetzung dafür, die in Bezug auf Verstrickungsrisiken an die Rechtsordnung gestellten Forderungen in konkrete Abwehr- und Kompensationsansprüche des verstrickten Abnehmers münden zu lassen. Ohne entsprechende Aufklärungspflichten des Anbieters nämlich würde es an einem Haftungsgrund und damit an einem Anknüpfungspunkt für die Abwehrrechte des Irrenden fehlen. Obwohl die dogmatische Begründung von Informations- und Offenbarungspflichten damit das Fundament der haftungsrechtlichen Auflösung von Verstrickungslagen bildet, sind Rechtsordnung111 und Rechtslehre von der Verfestigung eines inneren Systems vertragsschlussbezogener Aufklärungspflichten noch weit entfernt.112 Lediglich über die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Begründung von Aufklärungspflichten geeignet sein sollen, besteht – soweit erkennbar – Einigkeit: Das Entstehen von Informations- und Aufklärungspflichten setzt zunächst ein Infor106
Kloepfer, DÖV 2003, 221. Vgl. etwa die zahlreichen Beispiele aus der Rspr. zu jeweiligen Vertragstypen bei Löwisch, in: Staudinger, § 311 Rz. 119 ff. 108 Vgl. Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 94 ff.; Heinrichs, in: Palandt, § 123 Rz. 5 ff.; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung; Koch, Auskunftshaftung, AcP 204 (2004), 59 ff. 109 So Grunewald, Aufklärungspflichten, AcP 190 (1990), 609. 110 Mit der Frage, ob es dieses Netzes im Hinblick auf die allgemeine Verschuldenshaftung des Käufers nach der Modernisierung des Kaufrechts noch bedarf, vgl. Derleder, NJW 2004, 969. 111 In die Gesetzgebung haben Aufklärungspflichten nur sehr begrenzt in einzelne Verbraucherschutzgesetze Einzug gehalten. Im Übrigen setzt der Gesetzgeber Aufklärung im Wesentlichen allein im Rahmen des § 123 BGB voraus; die hieran angelehnten Aufklärungspflichten im Anwendungsbereich des § 463 Satz 2 BGB a.F. sind mit der Schuldrechtsreform in der allgemeinen Diskussion über die Voraussetzungen für das Entstehen von Aufklärungspflichten aufgegangen. Die Normierung vorvertraglicher Aufklärungspflichten wurde vom historischen Gesetzgeber, vgl. Mugdan, Mot. I, 208, Bd. I, S. 467, bewusst der Rechtsprechung überlassen und vom Reformgesetzgeber, vgl. Medicus, in: BMJ, S. 539, mit dem Ziel einer vollständigen Erfassung der Aufklärungspflichten für beinahe ausgeschlossen erachtet. 112 Wobei die Vorarbeiten von Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 233, 277 ff., einen wertvollen Beitrag zur Systematisierung der anzuerkennenden Anknüpfung für Aufklärungspflichten nach den jeweiligen Interessen der Vertragsparteien leisten; auf die Arbeit von Fleischer kann und wird deshalb mehrfach zurückzugreifen sein. 107
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mationsgefälle113 zwischen dem Aufklärungspflichtigen und dem Vertragspartner voraus. Darüber hinaus muss es sich bei der Tatsache, über die aufzuklären ist, um einen für den Vertragsschluss erkennbar wesentlichen Umstand handeln,114 und muss der Aufklärungsbedürftige die Aufklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise115 erwarten dürfen. Mit diesem Basiskonsens ist, das liegt auf der Hand, noch nicht viel gewonnen. Sie ist als „Großformel“ konsensfähig, eben weil sie wenig griffig ist.116 Sie hat notwendigerweise einer Einzelfallrechtsprechung117 Vorschub geleistet, die in weiten Teilen vertragstypbezogen118 ist, nicht mehr als bloß Orientierungsmarken liefert und dem Rechtsanwender mehr die Richtung, denn den Weg weist.119 Auf dogmatische Grundsätze besinnt sich die Rechtsprechung selten zurück; die Ansätze in der Literatur hingegen sind vielfältig.120 Ein Überblick über diese Versuche121 scheint erforderlich, um eine Basis für die Erfüllung der an die Rechtsordnung gestellten Forderung, angemessene Instrumente zur Reaktion auf Verstrickungslagen zur Verfügung zu stellen, schaffen zu können. II. Ausgangspunkt: Informationelle Selbstverantwortung Bevor Aufklärungs-, Offenbarungs- und Informationspflichten als Haftungsgrund im Rahmen rechtlicher Instrumente zur Abwehr und Kompensation von Verstrickungslagen bemüht werden, muss Klarheit darüber bestehen, dass Ausgangspunkt zunächst die Annahme einer informationellen Selbstverantwor113 OLG Brandenburg, NJW-RR 1996, 724; Grunewald, Aufklärungspflichten, AcP 190 (1990), S. 609 f.; Zahrnt, BB 1992, 720, 722; von einem „fachlich-beruflichen Informationsgefälle“ spricht Bydlinski, System und Prinzipien des Vertragsrechts, S. 747. 114 Vgl. schon RGZ 95, 58; RGZ 97, 325, 327; RGZ 103, 47, 50; RGZ 114, 155, 159. 115 Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 11 mit Hinweis auf die insoweit bereits grundlegende Rechtsprechung des Reichsgerichts, RGZ 77, 309, 314; 111, 233, 235 und im Anschluss hieran auch BGH, NJW 1989, 763, 764; BGH NJW 1992, 300, 302; BGH NJW 1995, 45, 47; BGH NJW-RR 1996, 690. 116 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 249; Rehm, Aufklärungspflichten, S. 6 ff.; in diesem Sinne auch schon Reich, NJW 1978, 513, 514: „(…) eine zwar flexible, aber für die Klarheit im Rechtsverkehr nicht eben erhellende Formel.“. 117 Aus diesem Grunde beschränken sich die gängigen Kommentierungen auch nicht auf die Darstellung der Grundsätze, sondern ergehen sich in beispielhaften Aufzählungen, vgl. Heinrichs, in: Palandt, § 123 Rz. 5 ff.; Löwisch, in: Staudinger, § 311 Rz. 119 ff.; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 13 ff.; mit etwas ausführlicherem Systematisierungsversuch Emmerich, in: MünchKommBGB, § 311 Rz. 94–104. 118 So ausdrücklich Löwisch, in: Staudinger, § 311 Rz. 118; im Übrigen werden Aufklärungspflichten häufig in Spezialmaterien vertragstypisch aber nicht im Lichte einer übergreifenden dogmatischen Einordnung dargestellt, so z.B. auch bei Vortmann, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Banken; bei Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, S. 32, 292 ff.; ferner bei Semler, in: Hölters, Teil VI Rz. 169 ff. (Unternehmenskauf); und bei Zahrnt, BB 1992, 720 (Datenverarbeitungsanlagen). 119 Wie im Text Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 266. 120 Vgl. z.B. den Überblick bei Ott, Aufklärungspflichten, S. 150. 121 Zur ökonomischen Einordnung vgl. unten 1. Kap. § 3 B) Bestätigung des Bestehens von Aufklärungs-, Informations- und Offenbarungspflichten aus ökonomischer Sicht.
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tung122 eines jeden ist, und dass nicht zur Abwendung missliebiger Verträge vorschnell unter Missachtung des Grundsatzes pacta sunt servanda auf die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten rekurriert werden kann.123 Aus der in §§ 104 ff. BGB vorausgesetzten Selbstbestimmungsfähigkeit folgt unweigerlich auch die für die grundsätzliche Zuweisung der Informationslast maßgebliche Selbstverantwortung: Jede geschäftsfähige Partei ist für die Verwirklichung ihres materiellen Willens selbst verantwortlich. Sie hat demnach alle informationellen Anstrengungen zu unternehmen, die ihre Interessen erfordern, und sie hat den Nachteil – nämlich die Bindung an einen interessenwidrigen Vertrag – zu tragen,124 wenn sie sich nicht informiert hat.125 Diese informationelle Selbstverantwortung ist indes anerkanntermaßen nicht grenzenlos.126 Die dogmatische Anknüpfung für diese Grenzziehung wird auf vielfältiger Grundlage versucht. III. Vertrauensschutz Allen voran bemüht insbesondere die Rechtsprechung regelmäßig den Vertrauensschutzgedanken127 zur Begründung von Aufklärungspflichten. Aus einem besonderen Wissensgefälle128 und einer gesteigerten Sachkunde129 des Anbieters, 122 Heinrichs, in: Palandt, § 123 Rz. 5; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 12; Bydlinski, System und Prinzipien des Vertragsrechts, S. 164 ff.; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 35, 226 ff.; Rehm, Aufklärungspflichten, S. 235 ff.; Ott, Aufklärungspflichten, S. 143. 123 Lieb, Vertragsaufhebung oder Geldersatz?, S. 252. 124 Dies steht dem weitläufigen Bestreben, unter Abkehr von dem das Zivilrecht in seiner Basis tragenden Grundsatz des casum sentit dominus Risiken zu kollektivieren, dem Denken in den Kategorien der „Vollkaskogesellschaft“ also, zu Recht entgegen, worauf Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz, S. 154 f., zutreffend hinweist. 125 Wie im Text Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 21. 126 Die in §§ 104 ff. BGB zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Vorstellung entspricht allzu sehr dem ökonomisch überholten Modell, vgl. Williamson, Institutionen, S. 49, 51 ff., des vollständig rational handelnden homo oeconomicus, was die auch rechtsdogmatischen Anstrengungen erklärt, kompensatorisch einzugreifen. 127 In Rechtsprechung und der überwiegenden Fachliteratur findet keine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Begriff des Vertrauens und seiner Definition statt. Letztere ist jedoch von Bedeutung, um hieraus Ableitungen vornehmen zu können. Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 45, stützt ihre interdisziplinäre Untersuchung auf folgende Vertrauensdefinition: „Vertrauen ist die freiwillige Erbringung einer riskanten Vorleistung unter Verzicht auf explizite vertragliche Sicherungs- und Kontrollmaßnahmen gegen opportunistisches Verhalten in der Erwartung, dass sich der andere, trotz Fehlens solcher Schutzmaßnahmen, nicht opportunistisch verhalten wird.“. 128 LG München I, Urt. v. 22.02.1977 – 10 O 12140/76, soweit ersichtlich n.v.: „(…) an die Beratungs- und Aufklärungspflichten im vorliegenden Fall auch deshalb keine zu geringen Anforderungen gestellt werden, weil die (Lieferantin) (…) dem (vorläufigen) Käufer an Wissen weit überlegen ist.“; der BGH, NJW 2006, 60, 63, formuliert dies im Zusammenhang mit der Aufklärungspflicht einer Kommune über ihre Vertretungsordnung noch deutlicher: „Die Beklagte, welche die für sie geltenden Vertretungsregelungen bei Abschluss von Verträgen besser kennen musste als die Klägerin, kann dadurch gegen ihre der Klägerin gegenüber bestehende vorvertragliche Verpflichtung verstoßen haben, dass sie bei ihr den Eindruck erweckte, ihr Werksleiter sei allein zum wirksamen Vertragsschluss berechtigt.“.
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aus früherer Geschäftsbeziehung130 und aus besonderer Bedeutung eines Umstandes131 oder aus hieraus abzuleitenden besonderen Risiken132 folge ein besonderes Vertrauensverhältnis,133 das den Anbieter zur Aufklärung des Interessenten verpflichte. Konstruktiv liegt der Auskunftshaftung auf vertrauensrechtlicher Grundlage daher nicht das tatsächliche Vertrauen des Verhandlungspartners, sondern vielmehr ein normatives Vertrauen, nämlich ein „Vertrauen dürfen“ des Berechtigten in die Vollständigkeit und die Richtigkeit der erhaltenen Informationen zugrunde,134 das unabhängig von einem faktischen Vertrauensverhältnis135 infolge der zur Grundlage des Vertrauens gemachten Umstände136 durch eine legitime Verhaltenserwartung137 der unzureichend informierten Partei ausgelöst wurde.138 Hieraus wiederum und aus der regelmäßigen Formulierung in der Rechtsprechung,139 dass der Erklärende besondere Gewähr für die Richtigkeit der Information übernommen haben muss, folgt, dass rechtserhebliches Vertrauen nur dann und insoweit entsteht, wie der Erklärende gezielt an den Empfänger appelliert, seiner, des Erklärenden, Aussage Glauben zu schenken, also zielgerichtet das Ver-
129 BGH NJW 1990, 389; BGHZ 80, 84; BGHZ 63, 382; BGH NJW 1971, 1795; BGH NJW 1965, 34; LG Berlin, NJW-RR 1989, 504. 130 BGH MDR 1979, 730; BGHZ 87, 27, 34. 131 BGH ZIP 2000, 2257; BGH NJW 1999, 2032; BGH NJW 1997, 1233; BGH NJW 1991, 2900. 132 Insbesondere solchen, die geeignet sind, den Vertragszweck zu vereiteln, vgl. BGH NJW 1989, 1793, 1794: „Nach ständiger Rechtsprechung des BGH besteht bei Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrags für den Verhandlungspartner grundsätzlich die Verpflichtung, den anderen Teil über Umstände aufzuklären, die zur Vereitelung des Vertragszwecks geeignet sind. Eine solche Offenbarungspflicht wird vor allem dann bejaht, wenn Umstände vorliegen, die der andere Teil nicht kennt, die aber – für den Verhandlungspartner erkennbar – für dessen Entschluss, den Vertrag abzuschließen, von wesentlicher Bedeutung sein können.“; ähnlich BGH WM 1986, 11; BGH NJW 1987, 909. 133 Statt vieler Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 12; vgl. auch Koch, Auskunftshaftung, S. 64 ff. 134 Koch, Auskunftshaftung, S. 75, mit Hinweis auf eine ähnliche Formulierung bereits in BGH NJW-RR 1991, 1241, 1242; außerdem heißt es bei BGH, NJW 1998, 898, im Zusammenhang mit einem schadensrechtlichen Vertragsaufhebungsanspruch aus c.i.c., dass das Vorliegen eines im objektiven Tatbestand nach dieser Rechtsprechung erforderlichen Schadens (dazu ausf. unten 2. Kap. § 3 D) II.) an dem „ungerechtfertigt hervorgerufenen Vertrauen“ zu messen sei. Auch hier geht es deshalb um die normativen Wirkungen des Vertrauens. 135 Dazu kritisch Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz, S. 78 ff. 136 Vgl. die vorstehenden Nachweise aus der Rechtsprechung insbesondere des BGH. Dieser Gedanke kommt auch in der gesetzlichen Formulierung des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB zum Ausdruck, wo von der „Inanspruchnahme“ von Vertrauen die Rede ist. 137 Dies wird deutlich z.B. durch die regelmäßige Bezugnahme des BGH auf die Verkehrsauffassung, wie etwa in BGH, WM 1988, 1459, 1450: „(…) den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten konnte.“. 138 Ausführlich zur Ersetzung des faktischen durch normatives Vertrauen auch Rehm, Aufklärungspflichten, S. 190 ff. 139 So z.B. BGH NJW 1989, 293, 294; BGH NJW 1991, 32, 33; BGH NJW 1997, 1233.
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trauen auf sich zieht,140 was einer bewussten Einflussnahme auf die Willensbildung gleich kommt.141 Die Vertrauenswerbung muss intendiert142 transaktionsorientiert sein.143 Liegt eine solche Beeinflussung der Willensbildung vor, handelt es sich bei der Einstandspflicht für die Inanspruchnahme von Vertrauen um eine Pflicht „ex lege“ und nicht „ex voluntate“, also um einen gesetzlichen Haftungstatbestand.144 Diese Systematisierungsversuche zur Ausfüllung der von der Rechtsprechung verwendeten Generalklausel145 dürfen jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass auch mit dem Erfordernis der zielgerichteten Vertrauenswerbung letztlich nur die Ersetzung des einen unbestimmten Rechtsbegriffes durch den anderen stattgefunden hat.146 Maßgeblich sind stets, worauf auch der BGH147 immer wieder hinweist, die besonderen Umstände des Einzelfalls, also diejenigen Umstände, die ein Vertrauendürfen, das normative Vertrauen also, in der konkret betrachteten Situation auszulösen geeignet sind. Eine solche situationsbedingte Anknüpfung ist auch erforderlich, da Vertrauen in zahlreichen sozialen Ausprägungen und Situation vorkommt und in verschiedenen sozialen Situationen ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen kann und erfüllt.148 Vertrauen ist deshalb aber kein besonders trennscharfes Instrument; es lässt sich darüber hinaus auch nur bedingt verrechtlichen, ohne seine eigene Funktion zu verlieren: Wo Vertrauen zum notwendigen Inhalt der Transaktionsbeziehung wird, fehlt es nämlich regelmäßig an der expliziten Sicherung, die durch das Vertrauen gerade ersetzt werden soll. Vertrauen steht damit aber seiner Definition nach außerhalb der rechtlichen Anknüpfung einer Transak-
140 Entsprechend knüpft Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 79–81, eine vorvertragliche Fahrlässigkeitshaftung für Falschinformation an eine Art Garantenstellung des Verpflichteten; anerkennend aber kritisch dazu Fleischer, Konkurrenzprobleme um die c.i.c., AcP 200 (2000), 91, 99 ff. 141 Vgl. mit zahlreichen weiteren Nachweisen Koch, Auskunftshaftung, S. 75 f. 142 Dazu, dass intentionales Handeln regelmäßig zu unterstellen ist, vgl. bereits oben Fn. 68. 143 So wird verlangt, dass der Vertrauenstatbestand im Rahmen einer Teilnahme am rechtsgeschäftlichen Verkehr gesetzt wird, vgl. Canaris, Vertrauenshaftung, S. 442 ff.; für die Kodifizierung vorvertraglicher Haftung durch § 311 Abs. 2 BGB ergibt sich dies bereits aus dem Gesetzeswortlaut ,Vertragsverhandlungen‘ (Nr. 1), ,rechtsgeschäftliche Beziehung‘ (Nr. 2) und ,ähnliche geschäftliche Kontakte‘ (Nr. 3), vgl. hierzu Koch, Auskunftshaftung, S. 77; andere halten die Art des Vertrages für maßgeblich, vgl. Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 101; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 573 ff. 144 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 428 f. 145 Mit demselben Argument deshalb zu Recht kritisch und auf eine andere als auf Vertrauensschutzgesichtspunkte abstellende Anknüpfung auch Ott, Aufklärungspflichten, S. 149. 146 Ebenfalls kritisch und mit methodologisch gänzlich anderem, nämlich ökonomischen Ansatz, auf den unten, 1. Kap. § 3 B), zurück zu kommen sein wird, Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 574 (dort Fn. 21). 147 Vgl. z.B. BGH NJW 1983, 2493, 2494; mit zahlreichen weiteren Nachweisen auch Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 100 (dort Fn. 225). 148 Mit einer umfassenden Analyse der sozialen Erscheinungsformen von „Vertrauen“ und deren ökonomischer wie rechtlicher Einordnung Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 3.
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tionsbeziehung.149 Außerdem enthält eine Vertrauensbeziehung selten ein präzises Konditionalprogramm. Inhalt und Gegenstand der Vertrauensbeziehung können von einem Richter nicht einfach durchgesetzt werden, ohne die Vertrauensbeziehung gleichsam nachzuschöpfen.150 Trotz der situationsbedingten Anknüpfung vollzieht sich die Rechtfertigung normativen Vertrauens nach alledem deshalb auf einem hohen Abstraktionsniveau,151 was dazu führt, dass die Vertrauensbeziehung für das Recht regelmäßig nur ein Datum darstellen, aber nur schwer durch Verweisung oder Vermutung in das Recht inkorporiert werden kann.152 Als Folge hieraus liefert ein vertrauensbezogener Ansatz zur Begründung von Aufklärungspflichten dann allerdings keinen besonderen Erkenntnisgewinn, da sich hierhinter nicht viel mehr verbirgt, als die Systematisierung verschiedener Haftungsgründe unter einem Oberbegriff, der selbst als Anknüpfungspunkt, weil er nichts über die normative Berechtigung von Vertrauen aussagt,153 wenig geeignet ist.154 Dies soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Vertrauen in der Transaktionsbeziehung und auch im Zusammenhang mit Aufklärungspflichten eine durchaus zentrale Rolle spielt. Als alleiniger Anknüpfungspunkt ist es wegen seines mehr institutionellen155 als individualrechtlichen Charakters jedoch nur bedingt tauglich. IV. Verbraucherschutz Neben dem Vertrauensschutzprinzip wird seit geraumer Zeit auch der ,Verbraucherschutz durch Information‘ als Anknüpfungspunkt für vorvertragliche Aufklärungspflichten proklamiert.156 Erst durch solche Aufklärungspflichten werde der Verbraucher nämlich in einer stark arbeitsteiligen Gesellschaft in die Lage versetzt, seine Interessen richtig beurteilen und verfolgen zu können.157 Die eingangs158 bereits beleuchtete und als mitursächlich für die aus der Verstrickung 149 Andererseits kommt Vertrauen nicht ohne Vertrauen auch in den institutionellen Rahmen aus, in dem es gebildet wird. Institutionen, auch rechtliche Institutionen zum Schutz des Vertrauens sind daher nicht nur Quelle der Entstehung von Vertrauen, sondern zugleich Gegenstand des Vertrauens, was das Vertrauen selbst institutionalisiert, vgl. Möllering, Understanding Trust, S. 15 ff. 150 Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 45. 151 Ott, Aufklärungspflichten, S. 149. 152 Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 45. 153 Äußerst kritisch zur Legitimation einer Vertrauenshaftung überhaupt, bei der es im Kern nur darum ginge, „die Haftung nach Belieben manipulieren zu können“, womit „im Ergebnis Rechtssicherheit als Vorausberechenbarkeit einer Entscheidung aufgehoben“ werde, van Gelder, WM 1995, 1253, 1255. 154 Ähnlich Rehm, Aufklärungspflichten, S. 193. 155 Mit dieser Einordnung von Vertrauen als Institution bereits Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 3, 45. 156 Vgl. bereits Reich, NJW 1978, 513; grundlegend Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 26 ff.; ausführlich aber kritisch auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 203 ff.; mit einer informationsökonomischen Betrachtung des Verbraucherschutzes grundlegend auch van den Bergh/Lehmann, GRUR-Int 1992, 588 ff. 157 Ott, Aufklärungspflichten, S. 150; Reich, NJW 1978, 513, 519; Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 203; Grunewald, Aufklärungspflichten, AcP 190 (1990), S. 611. 158 Oben Einleitung § 1.
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resultierenden Schadensanlagen159 erkannte zunehmende Komplexität der Güter des (Dienst-)Leistungsaustauschs zieht eine singuläre Spezialisierung einzelner Marktteilnehmer in jeweils verschiedenen Branchen und Bereichen nach sich.160 Dem Grunde nach vollzieht sich durch diese Arbeitsteilung in der Gesellschaft ein auch gesellschaftsübergreifendes, sozialtypisches und sozialadäquates chunking. An die Stelle professionsübergreifenden Allgemeinwissens tritt bei einer Vielzahl von Marktteilnehmern ein stark ausdifferenziertes und professionsspezifisches Spezialwissen,161 das einer geringen Halbwertzeit unterliegt und deshalb erhebliche Ressourcen zu seiner stetigen Aktualisierung bindet. Hierdurch wird geradezu zwangsläufig die Aufnahme professionsfremder Information, chunking-typisch, in ihrer Bedeutung reduziert und die gesellschaftliche Arbeitsteilung noch forciert. Verstärkt wird diese hieraus folgende informatorische Isolation einzelner Marktteilnehmer noch dadurch, dass sich das erworbene Nischenwissen mit jedem Branchenwechsel als völlig nutzlos erweisen kann und die dem chunking immanenten Differenzierungskriterien neu auszubilden sind. Aus diesem Phänomen arbeitsteiligen Vorgehens in der Gesellschaft wiederum entwickeln sich die ebenfalls bereits dokumentierten Risiken für den Informationsadressaten,162 nämlich die suchkostenintensive und deshalb oft eingeschränkte Informationsbeschaffung in einer Gesellschaft der Informationsüberflutung, die eine nur begrenzte Rationalität des Suchenden nach sich zieht, die eingeschränkte Informationsverarbeitungskapazität, die mangelnde Vorbildung zur präferenzadäquaten Informationsverwertung, die zunehmend an Kontur verlierende Grenze zwischen experience und credence goods sowie – nicht zuletzt – die aus anbieterseitigem Opportunismus folgende beschränkte Verlässlichkeit der Information. Dies alles sollen Sachgründe für einen gesteigerten Informationsbedarf von Verbrauchern und damit zugleich für eine diesen gegenüber bestehende Aufklärungspflicht sein.163 Letztere folge zugleich aus dem über das Verbraucherschutzprinzip noch hinausgehenden und einer welfaristischen Vertragstheorie entlehnten Gedanken der Fairness164 und der vertraglichen Solidarität.165 159
Oben Einleitung § 2. Zum wesentlichen Beitrag der über die Jahrhunderte zunehmenden Arbeitsteilung und Spezialisierung für die wirtschaft- und gesellschaftliche Entwicklung vgl. North, Institutionen, S. 32, 41, 142 ff. 161 Vgl. auch Liessmann, Theorie der Unbildung, S. 10: „Dass niemand mehr zu sagen weiß, worin Bildung oder Allgemeinbildung heute bestünden, stellt keinen subjektiven Mangel dar, sondern ist Resultat eines Denkens, das Bildung auf Ausbildung reduzieren und Wissen zu einer bilanzierbaren Kennzahl des Humankapitals degradieren muss.“. 162 Wiederum oben Einleitung § 1. 163 Ähnlich Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 204 f. 164 Kritisch und den Fairnessgedanken für untauglich zur ex ante-Postulation von Aufklärungspflichten haltend Rehm, Aufklärungspflichten, S. 198 f. 165 Vgl. bereits BGH NJW 1974, 849, 851: „(…) Eine solche Hinweispflicht gebietet die Redlichkeit vor allem gegenüber unerfahrenen Angehörigen der sozial schwächeren Bevölkerungsschicht, um der Gefahr einer finanziellen Überforderung vorzubeugen.“; kritisch Reuter, Die ethischen Grundlagen des Privatrechts, AcP 189 (1989), 199. 160
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Ungeachtet dessen, dass in dieser Weise begründete Informationsgefälle und Desinformationsrisiken gerade in einer arbeitsteiligen Gesellschaft typischerweise nicht der Geschäftsbeziehung von Unternehmern zu Verbrauchern vorbehalten sind,166 sondern in gleicher Weise auch im Handelsverkehr auftauchen,167 und damit schlechterdings nicht Grundlage einer rollentheoretischen Anknüpfung von Aufklärungspflichten sein können,168 jedenfalls aber nicht sein sollten, verkennt der auf Informationsrisiken gründende Verbraucherschutzansatz, dass sämtliche zur Anknüpfung bemühten Sachgründe letztlich auf Risiken aus der Information selbst zurück gehen. Sie resultieren gerade aus einer Informationsüberflutung und einer Informiertheitsillusion des Adressaten, die durch weitere – also maximale an Stelle optimaler169 – Aufklärung und ein erweitertes aber nicht näher definiertes Aufklärungspostulat allein nicht effizient abgewendet werden können.170 Die zur Rechtfertigung vorgetragenen Sachgründe vermögen das Entstehen von Aufklärungspflichten daher nicht in Gänze zu erklären. Sie können vielmehr allein der Beantwortung der Frage dienen, ob die – aus welchem Grund auch immer – geschuldete Auskunft ordnungsmäßig erteilt und damit der – unterstellten – Verpflichtung Genüge getan ist, in welcher Form sie also für den Empfänger wahrzunehmen und zu verarbeiten war,171 ob die Aufklärung also ihren Zweck erreicht hat.172 Dies wiederum ist eine Frage erst auf zweiter Stufe, nämlich – wie gesehen173 – der Schadensentstehung, deren Abwehr und Kompensation. 166 Man denke nur an das Beispiel des einen Firmenwagen kaufenden Rechtsanwalts, der von der Sachkunde her betrachtet dem Händler nicht anders gegenüber steht, als jeder Verbraucher auch, oder aber umgekehrt das des Bausachverständigen, der zu privaten Zwecken ein Wohnhaus erwirbt. 167 Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 147, weist zudem zu Recht darauf hin, dass der Kompensationsbedarf bei Parteivereinbarungen nicht vom Nachweis einer äußerlichen Disparität abhängen könne, sondern allein davon, wie sich Verhandlungsmacht im Einzelfall ausgewirkt habe, dass gleichzeitig Regelungsbedarf aber gerade auch dort bestehe, wo eine Disparität der Vertragspartner nicht nachgewiesen werden könne. 168 Deshalb für die Abkehr von einem personalen Ansatz und stattdessen für sachbezogene Strukturmerkmale auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 207 f.; kritisch auch Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S. 160 ff. 169 Näher zu dieser den tatsächlichen Risiken Rechnung tragenden Differenzierung Haupt, Consumer Protection in Contract Law, G.L.J. 2004, 1142; in dieser Richtung auch die noch einmal (vgl. oben Fn. 18) zu bemühenden Ausführungen des BGH NJW 1987, 372, 373: „Auch hat der Hersteller seine Gefahrenhinweise für den Verbraucher möglichst eindrücklich zu gestalten; in Grenzen kann ein Zuviel an detaillierten Instruktionen dieses Ziel verfehlen.“; vgl. auch und noch einmal van Aaken, Rational Choice, S. 102, die ausdrücklich darauf hinweist, dass es nicht ausreicht, dass „ob“ von Informationspflichten zu konstatieren, sondern dass auch das „wie“ entscheidend ist; ebenso Eidenmüller, JZ 2005, 216, 221. 170 Auch hiermit ist noch einmal die Auffassung von Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 15 ff. (vgl. oben Fn. 33) widerlegt, Informations- und Rationalitätsdefizite seien strikt voneinander zu trennen, wenn sie auch regelmäßig gemeinsam auftraten. 171 Dieser Rechtsgedanke kommt z.B. auch im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nämlich etwa im Transparenzgebot und der Unklarheitenregel des § 305c BGB zum Ausdruck; vgl. hierzu auch Heinrich, Formale Freiheit und materielle Gerechtigkeit, S. 450 ff.
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Auch das Verbraucherschutzkonzept ist daher nur eingeschränkt geeignet, Aufklärungs- und Informationspflichten zu begründen. Dies jedenfalls solange, wie auch für deren Zwecke an den engen Verbraucherbegriff des § 13 BGB angeknüpft wird. Aus dem gesellschaftsübergreifenden, sozialadäquaten und sozialtypischem chunking folgt nämlich ein mit Rücksicht auf die arbeitsteilige Organisation der Gesellschaft relativer Verbraucherbegriff: Verbraucher im Rahmen einer Informationsbeziehung ist jeder, von dem sozialadäquat eine entsprechende Informationsdurchdringung nicht erwartet werden kann. Hierzu gehören aber zwangsläufig auch Unternehmer im Sinne des § 14 BGB, die sich in einem für sie branchenfremden Marktsegment bewegen. V. Vertrags- und Äquivalenzgerechtigkeit Losgelöst von einer personalen Anknüpfung und auch über Vertrauensschutzerwägungen hinaus gehend ist außerdem versucht worden, ein übergeordnetes Prinzip der Vertragsgerechtigkeit zur Begründung von Aufklärungspflichten zu bemühen.174 Vertragsgerechtigkeit in diesem Sinne wird nur, darauf weist Rehm175 zu Recht hin, als Äquivalenzgerechtigkeit verstanden werden können.176 Eine solche liefert jedoch angesichts des der gesamten Zivilrechtsordnung zugrunde liegenden Prinzips der Privatautonomie,177 die ihre Grenzen nur bei krassen Ausnahmefällen,178 nämlich etwa im Anwendungsbereich des § 138 Abs. 2 BGB fin172 Grundlegend insoweit Grunewald, Aufklärungspflichten, AcP 190 (1990), S. 609, 613 f., die bei Zweckverfehlung der erteilten Auskunft, etwa weil der Empfänger sie nicht hatte verstehen können, die Frage formuliert, ob in einem solchen Fall von der Erfüllung der Auskunftspflicht überhaupt ausgegangen werden könne. 173 Dazu oben Einl. § 2. 174 Vgl. die Nachweise und die kritischen Stellungnahmen bei Rehm, Aufklärungspflichten, S. 181 ff., und bei Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 206, und ders., Konkurrenzprobleme um die c.i.c., S. 101. 175 Rehm, Aufklärungspflichten, S. 185. 176 In dieser Richtung wohl auch Basedow, Europäisches Privatrecht, AcP 200 (2000), S. 445, 486 f., der die Vertragsfreiheit als Wahlmöglichkeit in einer Gesellschaft mit einem Überangebot an Waren, damit als erst durch den Wettbewerb legitimiert sieht. Hieraus zieht er die Schlussfolgerung, dass dort wo der Wettbewerb gestört sei, auch die Vertragsfreiheit beschränkt werden könne; eine solche Wettbewerbsstörung sei aber bei Informationsasymmetrien und damit einer Störung des Gleichgewichts des Marktes anzunehmen, weshalb es der Rechtsordnung gestattet und auch geboten sei, regulierend einzugreifen. 177 Vgl. mit Hinw. auf BVerfGE 70, 123; 72, 170, Heinrichs, in: Palandt, Übbl. 1 vor § 104. 178 Vgl. BVerfG NJW 1996, 2021: „Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet die Privatautonomie als Selbstbestimmung des einzelnen im Rechtsleben. Am Zivilrechtsverkehr nehmen jedoch gleichrangige Grundrechtsträger teil, die unterschiedliche Interessen und vielfach gegenläufige Ziele verfolgen. Da alle Beteiligten des Zivilrechtsverkehrs – im Vertragsrecht alle Vertragspartner – ihre individuelle, den Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG genießende Handlungsfreiheit wahrnehmen und sich gleichermaßen auf die grundrechtliche Gewährleistung ihrer Privatautonomie berufen können, darf nicht das Recht des Stärkeren gelten. Vielmehr sind die kollidierenden Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu sehen und so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst wirksam werden. (…) Allerdings darf ein Vertrag nicht bei jeder Störung des Verhandlungsgleichgewichts nachträglich in Frage gestellt werden. (…) Ein Verstoß
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det, nur in sehr begrenztem Umfang grundlegenden Erkenntniswert, auf den ein dogmatisch belastbares Gerüst gegründet werden könnte.179 Das Institut der Läsionsklage bei Auseinanderklaffen von Leistung und Gegenleistung ist dem deutschen BGB – anders als z.B. in Frankreich180 und Österreich181 – jedenfalls gesetzgeberisch182 unbekannt.183 Ein äquivalentes Missverhältnis darf daher, entgegen der inzwischen sehr weitgehenden Rechtsprechung,184 nicht zur Statuierung von Aufklärungspflichten führen, deren Verletzung einen Aufhebungsanspruch rechtfertigt und damit im Ergebnis eine Rückkehr zur laesio enormis begründet.185 Im Übrigen würde der Nutzen einer Anknüpfung von Aufklärungspflichten an eine übergeordnete – objektiv oder subjektiv zu bestimmende? – Vertragsgerechtigkeit mangels größerer Bestimmtheit und Bestimmbarkeit nicht über denjenigen der Anknüpfung an Vertrauensschutzerwägungen hinausgehen und ist deshalb als – alleiniges – Erklärungsmodell ähnlich ungeeignet. VI. Eigener Ansatz: Synthese der angebotenen Rechtfertigungsversuche Obwohl trotz des Postulats informeller Selbstverantwortung186 weitgehend Einigkeit über die Anerkennung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten besteht, scheinen die zur Rechtfertigung hierfür vorgetragenen Begründungsansätze diese Einigkeit – und damit auch die hier getroffene Grundannahme vom Bestehen solcher Pflichten – nicht zu tragen. Dies jedenfalls nicht je für sich alleine. Eine Gesamtschau der vorgetragenen Argumente eröffnet jedoch insbesondere vor 179 gegen die grundrechtliche Gewährleistung der Privatautonomie kommt aber dann in Betracht, wenn das Problem gestörter Vertragsparität gar nicht gesehen oder seine Lösung mit untauglichen Mitteln versucht wird.“; ausführlich dazu Barnert, Formelle Vertragsethik, S. 251 ff.; Heinrich, Formale Freiheit und materielle Gerechtigkeit, S. 121 ff. 179 Angesichts der immer häufiger zu beobachtenden Beschränkung der Privatautonomie insbesondere durch verbraucherschützende Vorschriften tritt z.B. Reuter, Die ethischen Grundlagen des Privatrechts, AcP 189 (1989), 199, 205 ff., für einen Wandel in den ethischen Grundlagen des Privatrechts, nämlich für eine Rückkehr zu einem mehr von privatautonomen Vorstellungen und weniger von einer sozialen Verantwortung geprägtem System des Privatrechts ein. 180 Vgl. Art. 1118 CC. 181 Vgl. §§ 934 f. ABGB. 182 Ausführlich mit zahlreichen weiteren Nachweisen Sack, in: Staudinger, § 138 Rz. 230. 183 Was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die Rechtsprechung, insbesondere die des BGH, mittlerweile den Weg zur laesio enormis beinahe vollständig zurückgegangen ist, wie insbesondere die jüngste Judikatur zum Anlegerschutz bei kreditfinanzierten Immobilienerwerben zeigt, wo von einer Evidenz unrichtiger Angaben zum Objekt bereits bei einer um 46% überhöhten Angabe der monatlichen Nettomiete auszugehen sein soll, vgl. BGH (Urt. v. 16.05.2006 – XI ZR 6/04), ZBB 2006, 365; dazu ausführlich Derleder, ZBB 2006, 375. 184 Vgl. neben der inzwischen hinlänglich bekannten Bürgschaftsrechtsprechung noch einmal die jüngste Entscheidung des BGH ZBB 2006, 365. 185 Vgl. BGHZ 80, 153, 156. 186 Vgl. noch einmal Heinrichs, in: Palandt, § 123 Rz. 5; Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 12; Bydlinski, System und Prinzipien des Vertragsrechts, S. 164 ff.; Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 226 ff.; Rehm, Aufklärungspflichten, S. 235 ff.; Ott, Aufklärungspflichten, S. 143.
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dem Hintergrund, dass sich dem geltenden Recht bei umgekehrter Betrachtung ebenso wenig eine Regel des Inhalts entnehmen ließe,187 dass stets der unrichtig oder unzulänglich informierte Vertragspartner das Risiko (fahrlässiger) Informationspflichtverletzung zu tragen habe,188 die Ableitung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten. Darüber hinaus mag, ohne die Diskussion um vertragstheoretische Grundlagen zwischen Willens- und Geltungstheorie aufnehmen zu wollen,189 der Blick auf die geltungstheoretische Konzeption helfen, einen Ansatz jedenfalls zur Begründung vorvertraglicher Aufklärungspflichten zu liefern: Wirtschaftssubjekte handeln interdependent: Um ihre eigenen Ziele zu erreichen müssen sie mit anderen Akteuren in eine Leistungsbeziehung treten und ihre eigenen Interessen zum gegenseitigen Vorteil modifizieren.190 Die Vertragsanbahnung als Informations- und Verhandlungsbeziehung präsentiert sich deshalb zugleich als ein auf den Konsens als Schlusspunkt gerichtetes immer dichter werdendes Geflecht von Selbst- und Fremdbindungen.191 Jede Vertrauenswerbung eines Verhandlungsbeteiligten bezieht ihn in die Vertragserwartungen des anderen Teils ein und bindet ihn;192 mit jeder „Festlegung“ in Bezug auf einen vertragsrelevanten Punkt begibt sich eine Partei – für diese konkrete Beziehung – eines Stücks ihrer Vertrags- und Verhandlungsfreiheit, so dass auch vor dem endgültigen Konsens, der jedenfalls den Schlusspunkt der Verhandlungen und damit der Vertragsanbahnung markiert, eine endgültige Bindung entstanden sein kann.193 Im Interesse der Funktionsfähigkeit des Geschäftsverkehrs194 und im Interesse des Schutzes des Vertrauens der Verhandlungsparteien in die Rechtsordnung195 beinhaltet diese Selbstbindung durch Vertragsanbahnung, also die Selbstbindung durch schrittweise Annäherung der wechselseitigen und im Ausgangspunkt widerstreitenden Interessen, auch die bewusste Auseinandersetzung mit den Interessen 187
Die Grundwertung der §§ 104 ff. BGB allein, von der bereits die Rede war (vgl. oben Fn. 104), reicht jedenfalls nicht aus, die alleinige Haftungszuweisung zu rechtfertigen. 188 So zu Recht Fleischer, Konkurrenzprobleme um die c.i.c., AcP 200 (2000), S. 100, mit dem ergänzenden Hinweis darauf, dass sich eine auch fahrlässige Informationshaftung bereits aus § 123 Abs. 2 BGB ableiten lasse: Wenn dem Erklärungsgegner schon das Kennenmüssen einer fremden Irreführung schade, müsse er dann nicht um so mehr für das Kennenmüssen eigenen irreführenden Verhaltens einstehen? 189 Vgl. anstelle umfangreicher Nachweise Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 122, der zu Recht den besonderen Nutzen des geltungstheoretischen Ansatzes in Frage stellt. 190 Wie im Text Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 64. 191 Köndgen, Selbstbindung, S. 160 f. 192 Mit diesem Gedanken auch Hohloch, NJW 1979, 2369, 2373, der von einem „Haftungsversprechen“ ausgeht. 193 Wie im Text Köndgen, Selbstbindung, S. 161. 194 Mit dem Begründungsansatz einer Verzahnung von Individual- und Institutionenschutz vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 422 ff. 195 Vgl. Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz, S. 160 ff.; Auf dem Vertrauen in die Rechtsordnung und den Rechtsverkehr gründet letztlich das „Vertrauendürfen“ im Sinne des normativen Vertrauens, vgl. oben Einleitung § 3 B [am Anfang].
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des jeweils anderen Teils.196 Soweit dies als Ergebnis eines Abwägungsprozesses mit den eigenen berechtigten – und deshalb von der Gegenseite in selber Weise anzuerkennenden – Interessen geboten und zumutbar ist,197 werden einzelne Interessen des Verhandlungsgegners im Interesse des intendierten Vertrages und des mit ihm verfolgten Zweckes zu berücksichtigen sein.198 Die Statuierung von Aufklärungspflichten ist damit das Ergebnis eines interessengerichteten „Ping Pong-Spiels“, in dem der Blick stets von der einen zur anderen Partei gleitet und in einem fortwährenden Abwägungsprozess ausdifferenziert wird.199 Das Pflichtenmaß zur Berücksichtigung der Interessen des jeweils anderen Teils wird hierbei – auch – durch die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie200 vorgegeben, die ihre Legitimation aus einem funktionierenden Wettbewerb erhält.201 Da sich das Gebot der informationellen Selbstbestimmung selbst aus der Privat- und der Vertragsautonomie ableitet,202 ist auch die Verantwortung eines jeden Kontrahenten für seinen eigenen Informationshorizont Folge von Markt und Wettbewerb. Hieraus folgt dann jedoch unweigerlich der Umkehrschluss, dass dort wo Wettbewerb und Markt durch eine Störung203 vertragsautonomer Willensbil196 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 440, leitet aus der besonderen Einwirkungsmöglichkeit, die infolge der Beeinflussung fremden Rechtskreises während der Vertragsanbahnung entsteht, und der hiermit einhergehenden erhöhten Gefahrenlage für die Interessen des anderen Teils eine gesteigerte Verantwortlichkeit des Verhandlungspartners ab: „Wenn die Rechtsordnung die privatautonome Gestaltungsfreiheit anerkennt, so muss sie daher folgerichtig für einen Ausgleich der damit verbundenen Risiken durch die Statuierung besonderer Rechtspflichten sorgen.“ 197 Diese einem Ausgleich zuzuführende Wechselwirkung zwischen den Parteiinteressen ist letztlich Folge einer vernunftgemäßen Organisation gemeinsamen Freiheitsgebrauchs der Verhandlungsgegner; es treten die Prinzipien der informellen Selbstverantwortung und – im weitesten Sinne – der Rücksichtnahme auf den Vertragszweck und die Interessen des Vertragspartners miteinander in Konflikt. Prinzipien zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass sie nicht a priori klar definierte Handlungsanweisungen vorgeben, sondern vielmehr auf Optimierung angelegt sind. Solche Optimierung ist durch die aus dem Verfassungsrecht bekannte Wechselwirkungslehre und eine auf das Zivilrecht zu übertragende praktische Konkordanz herzustellen, vgl. Führ, Eigen-Verantwortung im Rechtsstaat, S. 161, 163 ff.; ebenfalls mit verfassungsrechtlichem Ansatz in Bezug auf die Begrenzung der Vertragsfreiheit Brox/Walker, SR-AT, § 4 Rz. 1–5. 198 So formulieren Singer/von Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 12 a.E., dass wer einen Vertrag abschließt, das Interesse des Kontrahenten an dessen Durchführung anerkennt. 199 In diesem Sinne eindrucksvoll Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 277 ff. 200 Singer/von Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 12. 201 Basedow, Europäisches Privatrecht, AcP 200 (2000), S. 486; Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S. 45 f.; ausführlich auch Mestmäcker, JZ 1964, 441 ff. und der Überblick bei Heinrich, Formale Freiheit und materielle Gerechtigkeit, S. 177 f., 192 f. 202 Vgl. Heinrich, Formale Freiheit und materielle Gerechtigkeit, S. 350: „Freiheit in der rechtlichen Gestaltung bedeutet zugleich Eigenverantwortung. Gewährt die Rechtsordnung Freiheit zu grundsätzlich beliebigen schuldrechtlichen Interaktionen, ist damit notwendigerweise Verantwortlichkeit verbunden. (…) Mit Vertragsfreiheit korrespondiert demgemäß Verantwortlichkeit.“. 203 Ausgangspunkt für eine Einschränkung des Prinzips der Selbstverantwortung ist daher die Tatsache, dass das jeweilige Selbstbestimmungsrecht, das Korrelat dieser Selbstverantwortung ist, eingeschränkt sein kann. Dies geschieht dadurch, dass der andere Vertragspartner aufgrund der gegebenen Umstände im Verhältnis zum erstgenannten, potentiellen Vertragspartner die Möglichkeit haben
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dung204 z.B. infolge opportunistischer Ausnutzung besseren Wissens, infolge größerer Sachkunde als Ausfluss einer arbeitsteilig organisierten Gesellschaft oder infolge beschränkter Informationsbeschaffungsmöglichkeiten bei experience und credence goods zu versagen drohen,205 ein Eingriff der Rechtsordnung206 mit dem Ziel des Ausgleichs207 asymmetrischer Informationslagen gerechtfertigt ist.208 Die Kompensation der Desinformation stellt sich demnach als Beschränkung der Privatautonomie und damit als Eingriff in den Handlungsspielraum der überlegenen Vertragspartei dar, dessen Rechtfertigung sich aus dem relativen, das heißt aus der konkreten Verhandlungsbeziehung209 herrührendem Ungleichgewicht ableiten lässt,210 das gerade Folge informeller Asymmetrien, gefährlicher Vertragsinhalte, von Willensmängeln oder undurchsichtigen gefahrträchtigen Verhandlungssituationen ist und sich als Fallgruppe mangelnder Eignung des Wettbewerbs zur Bewältigung wichtiger Vertragsinteressen zusammenfassen lässt.211 Es bleibt damit festzuhalten, dass zwar die Mehrzahl der zur Rechtfertigung von vorvertraglichen Aufklärungspflichten vorgetragenen rechtsdogmatischen Begründungsansätze für sich allein212 nicht geeignet scheinen, ein belastbares Argumentationsgerüst zu errichten, dass aber jeder Ansatz für sich den Bedarf, die 204 kann, den Vertragsinhalt nach seinem Interesse zu bestimmen, vgl. Knobel, Wandlungen im Verständnis der Vertragsfreiheit, S. 152; ähnlich Barnert, Formelle Vertragsethik, S. 53 f.; siehe auch Brox/Walker, SR-AT, § 4 Rz. 5. 204 Die Ausübung der Vertragsautonomie, also die Freiheit, dem rechtsgeschäftlichen Willen Geltung zu verschaffen, ist Ergebnis eines Abwägungs- und Willensbildungsprozesses. Die Freiheit der Willensentschließung besteht damit aber zugleich in der Freiheit, zu entscheiden, welche Informationen der Abwägung zugrunde gelegt werden. Werden hierbei aber falsche Informationen erteilt oder entscheidende Informationen vorenthalten, ist die Vertragsautonomie ihrer Grundlage beraubt und kann nicht mehr zur Rechtfertigung einer einseitigen Risikozuweisung dienen, ähnlich Nickel, c.i.c., S. 187. 205 Zur näheren Spezifikation und weiteren Legitimation der hier exemplarisch genannten Umstände vgl. unten im Anschluss an die rechtsökonomische Analyse 1. Kaptitel „§ 3 Bestätigung der Grundannahme vom Bestehen von Aufklärungs- und Offenbarungspflichten“. 206 Vgl. aus der u.s.-amerikanischen Literatur Bebchuk/Ben-Shahar, Precontractual Reliance, J.L.S. 2001, 423, 424: „If negotiations break down, however, and the contract is not entered into, the law must explicitly or implicitly determine who will beart he cost of the reliance expenditures.“. 207 In diesem Sinne wohl auch Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 422 ff. 208 Barnert, Formelle Vertragsethik, S. 53–55, leitet gesetzgeberische Schutzpflichten zur Kompensation privatautonomer Entscheidungsdefizite allgemein aus der korrespondierenden und damit wechselseitig Schranken bestimmenden Wirkung der grundrechtlich verbürgten Privatautonomie beider Vertragsparteien her. 209 Für die Vertrauenshaftung lehnt Loges, Erklärungspflichten und Vertrauensschutz, S. 91 ff., 105 ff. die Anbindung an eine wie auch immer geartete Sonderverbindung ab, berücksichtigt hierbei jedoch nicht die aus der Geltungstheorie abgeleiteten Elemente, die in toto den Schluss zulassen, dass Vertrauen zwar allein nicht haftungsbegründend, in der Gesamtschau aber Teil der haftungsausfüllenden Betrachtung sein kann. 210 So i.E. wohl auch Canaris, Vertrauenshaftung, S. 431 ff., der in einer gesetzlichen Vertrauenshaftung die Rechtfertigung handlungsbeschränkender Eingriffe in die Privatautonomie sieht. 211 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 258 ff., 273. 212 Ähnlich Rehm, Aufklärungspflichten, S. 202, der die eigene Lösung dann jedoch im Wesentlichen aus dem „Entgeltgedanken“ ableitet (S. 240 ff.).
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gesellschaftliche213 und gesamtwirtschaftliche214 Bedeutung vorvertraglicher Aufklärungspflichten nachzeichnet und damit Teil der Legitimation eines Rechtsinstituts215 vorvertraglicher Aufklärungspflichten ist. Der jeweils vorrangigen Ausrichtung der hier zur Begründungssynthese zusammengeführten Erklärungsansätze folgend, lassen sich Informations- und Aufklärungspflichten darüber hinaus differenzieren und systematisieren:216 Bei search und bei experience goods, die einer (vorherigen) Qualitätskontrolle zugänglich sind, fokussiert sich die Informationsbeziehung mehr auf den Leistungsgegenstand, dessen Soll-Zustand sich – auch nach den Präferenzen des Abnehmers – verhältnismäßig klar definieren lässt, und weniger auf die an der Interaktion Beteiligten, weshalb von vornehmlich produktbezogenen Aufklärungspflichten auszugehen ist. Eine solche produktbezogene Ausrichtung wird in erster Linie bei neuen oder in ihrer Erscheinung oder ihrem Einsatzbereich komplexen Produkten in Betracht kommen. Steht demgegenüber nicht die Übereinstimmung der Ist- mit der Sollbeschaffenheit des Vertragsgegenstandes im Zentrum der Informationsasymmetrie, sondern vielmehr die Verwendungseignung des Produkts für die Präferenzen oder die Person des Abnehmers, ist von verwendungs- und verwenderbezogenen Aufklärungspflichten, also personenbezogenen auszugehen. Besonders im Kapitalanlagerecht, wo auch die spezifische Vorbildung des Informationsadressaten von entscheidender Bedeutung ist, ist von solchen personenbezogenen Aufklärungspflichten auszugehen. Dies umso mehr, als – wie gesehen – in einer stark arbeitsteiligen Gesellschaft in Bezug auf den transaktionsspezifischen Informationshorizont des potentiellen Abnehmers von einem relativen Verbraucherbegriff auszugehen ist, der erstens der geringen Halbwertzeit des einmal erworbenen Wissens und zweitens der Notwendigkeit eines sozialtypischen und sozialadäquaten chunking Rechnung trägt. VII. Fazit: Bestehen von Aufklärungspflichten als Grundannahme Die in Rechtsprechung und Rechtslehre dem Grunde nach anerkannte Existenz vorvertraglicher Aufklärungs-, oder besser Informations- und gegebenenfalls auch Informationsverschaffungspflichten, die sich über das Vorstehende hinaus, aller213
Vgl. Straubhaar, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 17.12.2006, Nr. 50, Seite 60. Vgl. z.B. Schäfer, Schutznormen im Vertragsrecht, G.W.P. Law and Econ. 21 (2001), S. 12 ff.; kritisch, die Bedeutung asymmetrischer Information aber nicht leugnend Tietzel, Probleme der asymmetrischen Informationsverteilung, S. 52 ff. 215 Der Begriff des Rechtsinstituts ist im Sinne einer (rechts-)ökonomischen Institution zu verstehen, also als ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestelltes System von Normen einschließlich deren Garantieinstrumente, das den Zweck verfolgt, das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern, Richter, Institutionen, S. 2, und oben, Fn. 80. 216 Ähnlich versucht auch Breidenbach, Informationspflichten, S. 61 ff., Informationspflichten nach drei Zugehörigkeitskriterien zu institutionalisieren, zu denen neben dem Informationsbedarf des Berechtigten und der Möglichkeit der Information durch den Verpflichteten, auch die Zugehörigkeit der Information zu einem Funktionskreis gehört. 214
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dings ohne besonderen Nutzen für die hier verfolgten Zwecke, noch weiter ausdifferenzieren ließen, steht nach alledem trotz nennenswerter Schwierigkeiten einer deduktiven Ableitung217 solcher Pflichten auf einem dogmatisch verlässlichem Fundament der Synthese sämtlicher zu ihrer Begründung herangezogener Erklärungsansätze, gepaart mit der ökonomischen Notwendigkeit, Vertrauen und Vertrauensschutz in Informations- und Vertragsanbahnungsbeziehungen zu institutionalisieren.218 Die potentielle Haftungsbegründung durch die Verletzung (vorvertraglicher) Aufklärungspflichten, die den Kern der Verstrickungshaftung bildet, kann daher hier vorausgesetzt werden. Dies öffnet den Raum für den Kern dieser Untersuchung, nämlich die Haftungsausfüllung, die Frage also, welche Reaktionsmöglichkeiten die Rechtsordnung bei einer Verletzung der als gegeben hingenommenen Aufklärungspflichten, sei es durch unterlassene, sei es durch unrichtige, unvollständige oder auch überhäufende an Stelle optimaler Information zur Verfügung stellt, und in welchem Konkurrenzverhältnis diese Institute zueinander stehen. Der nachfolgende Überblick bildet hierfür die Grundlage.
C) Überblick über Abwehr- und Kompensationsmechanismen als institutionelle Reaktion auf Verstrickungsschäden im neuen Schuldrecht I. Vorbemerkung Realisieren sich die mit der Verstrickung durch Desinformation einher gehenden Risiken, wird der nicht hinreichend informierte Abnehmer also an einen Vertrag gebunden, der – wenn auch nicht zwingend objektiv nachteilig jedenfalls aber – nicht seinen subjektiven Vorstellungen und Präferenzen entspricht, so mag sich für diesen zu erst die Frage nach Instrumenten stellen, sich von diesem Vertrag zu lösen und damit die eingesetzten Mittel wieder zur präferenzspezifischen Allokation zur Verfügung zu halten. Vorstellbar ist aber ebenso, dass er sich aus welchen Zwängen auch immer an den Vertrag gebunden sieht,219 sein Interesse deshalb auf die Kompensation des – näher zu bestimmenden – Verstrickungsschadens gerichtet ist. Ebenso wenig, wie die Rechtsordnung bislang dazu vorgedrungen ist, ein gegliedertes System innerer Begründungszusammenhänge in Bezug auf zivilistische Informationstatbestände vorzustellen,220 ist es seit der Schuldrechtsreform gelungen, die zur Verfügung stehenden Institutionen zur Abwehr und Kompensation von Verstrickungsschäden dogmatisch umfassend zu ordnen,221 in sachgerechte Bezie217
Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 12. Vgl. Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 177 f. 219 Mit Beispielen hierfür vgl. z.B. Derleder, NJW 2003, 998, 1000. 220 Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 233. 221 Eine Ausnahme bildet hier – zur Rechtslage vor dem 01.01.2002 – die Untersuchung von Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, insbesondere S. 213 ff. 218
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hung zueinander zu setzen und in Abstimmung der gegebenen Tatbestände aufeinander ein einheitliches System zur Regulierung von Verstrickungsschäden durch Desinformation aus den Grundlagen des Gesetzes abzuleiten.222 Ein Überblick über den zu ordnenden Rechtsstoff mag helfen, den Blick auf die zur Ordnung des Systems nötigen Grundlagen im Einzelnen zu lenken. II. Mechanismen zur Abwehr von Verstrickungsschäden II.1 Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB Die Bedeutung des § 119 Abs. 2 BGB als Abwehrnorm vertraglicher Desinformationslagen erschließt sich, obwohl die Norm auf den ersten Blick nur einseitige Irrtümer zum Regelungsgegenstand hat, bei einer Betrachtung der Kehrseite einer Anfechtung wegen des ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtums:223 Nach § 122 Abs. 2 BGB schuldet der wegen Motivirrtums Anfechtende Schadensersatz in Höhe des negativen Interesses nur dann, wenn der andere Teil den Irrtum nicht kannte oder kennen musste. Beruht der (Motiv-)Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Sache indes auf der Verletzung einer Informationspflicht, so wird man von einem Kennenmüssen des Irrtums auf Seiten des Anfechtungsgegners ausgehen können. Denn jedenfalls hätte sich der zur Aufklärung Verpflichtete erkundigen müssen, ob die Erteilung der Information zur Vermeidung eines Irrtums erforderlich war. Daraus folgt dann aber, dass der Irrende letztlich ein durch mangelnde Aufklärung getäuschter Vertragspartner ist, der sich ohne die Schadensersatzfolge fürchten zu müssen, vom Vertrag lösen kann.224 Tatbestandlich setzt § 119 Abs. 2 BGB einen Irrtum über eine Eigenschaft der vertragsgegenständlichen225 Person oder der Sache voraus. Da alle vertragsrelevanten Eigenschaften im Regelfall aber auch die Voraussetzungen einer vertraglichen Beschaffenheit erfüllen, greifen beim Fehlen von Eigenschaften, wenn sie denn vertraglich vereinbart waren, regelmäßig auch die Sach- und Rechtsmängelgewährleistungsansprüche insbesondere des Kauf- (§§ 437 ff. BGB), ebenso aber auch des Miet- (§§ 536 ff. BGB), des Werk- (§§ 633 ff. BGB) und des Reisevertragsrechts (§§ 651c ff. BGB).226 222 Kritisch und mit dem Versuch eine systematische Gesamtordnung in den Stoff zu bringen Derleder, NJW 2004, 969 ff.; ders. NJW 2003, 998 ff.; ders. NJW 2005, 2481 und noch zum BGB i.d.F. bis 31.12.2001 ders., NJW 2001, 1161 ff.; außerdem Brors, WM 2002, 1780; und spezieller Schur, Eigenschaftsirrtum, AcP 204 (2004), S. 883 ff. 223 Statt vieler Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 295 f. 224 In diesem Sinne Singer, in: Staudinger, § 122 Rz. 18, der § 122 BGB in den genannten Konstellationen schon dem Grunde nach für nicht anwendbar hält. Vgl. außerdem Kramer, in: MünchKomm-BGB, § 119 Rz. 104. 225 Mit dieser Einschränkung, die das Tatbestandsmerkmal der Verkehrswesentlichkeit auf einen individuellen Tatbestand der Geschäftswesentlichkeit reduziert m.E. zu Recht im Anschluss an Flume Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 141; Kramer, in MünchKomm-BGB, § 119 Rz. 119; ausführlich auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 299 f.; a.A. z.B. Bork, BGB-AT, Rz. 861 ff. 226 Larenz/Wolf, BGB-AT, § 36 Rz. 48.
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Mit einer uneingeschränkten Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB in Fällen der Verstrickung durch Desinformation drohten deshalb speziellere Rechtsinstitute,227 allen voran die kaufrechtliche Gewährleistung unterlaufen zu werden.228 Soweit der nach § 119 Abs. 2 BGB ausnahmsweise beachtliche Motivirrtum sich tatsächlich auf vertraglich vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Eigenschaften der Sache bezieht (§ 434 Abs. 1 BGB), der den Irrtum begründende Umstand also zugleich einen Sachmangel begründet, wurde deshalb auch schon zum alten Schuldrecht die noch vom Reichsgericht229 begründete Auffassung, das Gewährleistungsrecht genieße Vorrang und begründe eine Sperrwirkung zu Lasten des § 119 Abs. 2 BGB vom BGH230 unter nahezu einhelligem Zuspruch aus der Rechtslehre231 fortgeführt. Das maßgebliche Wertungskriterium sei, so die auch heute wohl herrschende Auffassung,232 zum einen darin, dass der in spezielleren Regelungen gefundene Interessenausgleich nicht durch das Anfechtungsrecht solle unterlaufen werden können,233 zum anderen in dem unterschiedlichen Verjährungslauf, zu suchen, dessen Ziel es sei, mit Ablauf der Gewährleistungsfrist Rechtsfrieden herzustellen, der nicht durch eine nachgeschaltete Anfechtung ausgehebelt werden soll.234 Schließlich sind diese Argumente mit der Schuldrechtsreform noch gestärkt worden, da der Käufer einer mangelhaften Sache sich wegen eines aus dem Nacherfüllungsanspruch der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB ergebenden Rechts zur zweiten Andienung erst nach einem erfolglos gebliebenen Nacherfüllungsverlangen vom Vertrag soll lösen dürfen. Mit dieser Möglichkeit eines zweiten Erfüllungsversuchs treten sich nach der Schuldrechtsmodernisierung mit der kaufrechtlichten Gewährleistung und § 119 Abs. 2 BGB nun nicht mehr zwei verschiedene Konzepte der Vertragsaufhebung gegenüber, sondern tritt die Abstandnahme vom Vertrag nach 227 Mit erheblichen Zweifeln gegen ein rechtlich beachtenswertes Spezialitätsverhältnis zwischen kaufrechtlicher Gewährleistung und § 119 Abs. 2 BGB Wasmuth, Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums, S. 1083 ff. 228 Dementsprechend weitet LG Aachen, NJW 2005, 2236, 2237, den Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts aus, um den auch im modernisierten Schuldrecht ohne nähere Auseinandersetzung zugrunde gelegten Anwendungsvorrang zu stärken: „Aus der grundsätzlichen Vorrangigkeit der kaufrechtlichen Mängelgewährleistung gegenüber einer Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 II BGB ist bei der Auslegung von Kaufverträgen dabei abzuleiten, dass trotz einer in solchen Fällen typischerweise nur auf einer Vertragsseite vorhandenen abweichenden Vorstellung über eine Eigenschaft der Kaufsache im Zweifel von dem Zustandekommen des Vertrags unter Einbeziehung dieser Vorstellung auszugehen ist, sofern diese Vorstellung für eine entsprechende Auslegbarkeit nur hinreichend für den anderen Vertragsteil erkennbar geworden ist.“. 229 RGZ 61, 171, 175; RGZ 135, 339, 340; RGZ 138, 354, 356. 230 Vgl. BGH NJW 1988, 2597; BGHZ 34, 32, 34; BGHZ 16, 54, 57; Jünger: OLG Köln, VersR 2000, 243, 245. 231 Bork, BGB-AT, Rz. 856; Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 142; Kramer, in: MünchKomm-BGB, § 119 Rz. 33; a.A. jedoch Larenz/Wolf, BGB-AT, § 36 Rz. 48 ff.; Löhnig, JA 2003, 516, 521. 232 Vgl. Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 82; auch der Gesetzgeber geht davon aus, dass das Vorrangverhältnis durch die Schuldrechtsreform unangetastet geblieben ist, BT-Drs. 14/6040, S. 210. 233 Bork, BGB-AT, Rz. 856; ebenso Brox/Walker, SR-BT, § 4 Rz. 135; Brors, WM 2002, 1780, 1781. 234 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 793.
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§ 119 Abs. 2 BGB in Konkurrenz zu dem gewährleistungsrechtlichen Konzept der vorrangigen Vertragserhaltung.235 Ganz besonders diese Neuorientierung des Kaufrechts und das Recht des Verkäufers zur Wiederholung seines Erfüllungsversuchs drohte bei uneingeschränkter Zulassung der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB leer zu laufen.236 Dass die auch aus der Zeit vor der Schuldrechtsmodernisierung überkommenen Argumente, ergänzt um den Vorrang des Rechts der zweiten Andienung nach der Schuldrechtsmodernisierung tatsächlich noch einen umfassenden Vorrang des Gewährleistungsrechts vor § 119 Abs. 2 BGB rechtfertigen, wird allerdings insbesondere vor dem Hintergrund der Annäherung der Verjährungsfristen beider Rechtsinstitute neuerdings wieder in Zweifel gezogen.237 Da § 119 Abs. 2 BGB, wie einleitend gezeigt, ein probates Mittel darstellt, Verstrickungsschäden infolge Desinformation abzuwehren, wird das Konkurrenzverhältnis insbesondere zur kaufvertraglichen Gewährleistung trotz offenbar weitgehender Vorklärung in der Rechtsprechung und im Schrifttum noch einmal zu beleuchten sein.238 II.2 Arglistanfechtung nach § 123 BGB Bei der Arglistanfechtung nach § 123 BGB stellen sich ähnliche Probleme, wie im Anwendungsbereich des § 119 Abs. 2 BGB nicht: Eine ausschließliche oder ausschließende Konkurrenz zwischen den (kaufvertraglichen) Gewährschaftsrechten und der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung besteht nicht. Wird der Käufer vor, bei oder nach Vertragsschluss vom Verkäufer oder einem diesem nach § 123 Abs. 2 BGB zuzurechnenden Dritten239 arglistig getäuscht, so kann er den Vertrag anfechten.240 Dies gilt – jedenfalls bei Täuschungen durch den Verkäufer und diesem zuzurechnende Hilfspersonen, die nicht Dritter im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB sind – auch, soweit Rückabwicklungsrechte vertraglich ausgeschlossen wurden.241 Zwar besteht auch insoweit die Gefahr, dass das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers unterlaufen wird und der Käufer unter Umgehung der kaufvertraglichen Verjährungsvorschriften den Vertrag noch nach Jahr und Tag anficht; jedoch ist der Verkäufer, wie auch § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB zeigt, in solchem Fall weniger bzw. 235
Löhnig, JA 2003, 516, 521. Bork, BGB-AT, Rz. 856; Brox/Walker, SR-BT, § 4 Rz. 135; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 793; Brors, WM 2002, 1780, 1781. 237 Ausführlich dazu Schur, Eigenschaftsirrtum, AcP 204 (2004), S. 883 ff.; zweifelnd, i.E. aber für die Fortgeltung des gewährleistungsrechtlichen Anwendungsvorrangs auch Kramer, in: MünchKomm-BGB, § 119 Rz. 32 f. 238 Dazu unten 2. Kap. § 3 B). 239 Vgl. hierzu ausführlich Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 46 ff. 240 BGH NJW 1958, 177; BGHZ 60, 316; OLG Saarbrücken, NJW-RR 1989, 1211; Putzo, in: Palandt, § 437 Rz. 54; Brox/Walker, SR-BT, § 4 Rz. 138; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 803. 241 Dazu jüngst BGH GmbHR 2007, 375. 236
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überhaupt nicht schutzwürdig.242 Grundsätzlich stehen dem arglistig getäuschten Käufer die Gewährleistungsansprüche selbst dann offen, wenn er den Mangel infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Den Verkäufer soll es nämlich nicht schützen, dass er mit seiner arglistigen Täuschung und einem etwa provozierten besonderen Vertrauen, das den Käufer hat nachlässig werden lassen, besonders erfolgreich war.243 Umgekehrt muss dem getäuschten Käufer aber die Wahl bleiben, ob er an dem Vertrag mit dem ihn täuschenden Verkäufer festhalten und auf eine – jetzt – ordnungsmäßige Nacherfüllung vertrauen, oder ob er sich durch Anfechtung von dem Vertrag mit dem – insoweit nicht schutzwürdigen – Verkäufer lösen will.244 Diese herrschende Auffassung einer vollständigen Parallelität zwischen der Arglistanfechtung und den Gewährschaftsrechten wird auch bei einer rechtstatsächlichen Betrachtung der Anschauung des getäuschten Käufers gerecht: Dieser wird sich oft in einer von dem Gefühl „betrogen“ worden zu sein initiierten Spontanreaktion sofort vom Vertrag lösen und diesen für „nichtig“ erklären wollen.245 Damit aber sind mit einfachen Worten Tatbestand und Rechtsfolgen der Arglistanfechtung beschrieben. Wegen des im Ergebnis nicht bestehenden Konkurrenzverhältnisses ist eine weitere Auseinandersetzung mit tatbestandlichen Überschneidungen zwischen § 123 BGB und den Gewährleistungsrechten entbehrlich. Probleme ergeben sich erst auf der Rechtsfolgenebene bei der Synthese von Abwehr und Kompensation von Verstrickungsschäden, wenn der Käufer tatsächlich voreilig angefochten hat.246 II.3 Vertragsaufhebung nach §§ 311 Abs. 2, 249 BGB (c.i.c.) Die gewandelte Bedeutung des mit der Schuldrechtsmodernisierung in § 311 Abs. 2, 3 BGB normierten aber längst überkommenen Rechtsinstituts der culpa in contrahendo (c.i.c.)247 für die Abwehr von Verstrickungsschäden geht mit der Neuorientierung insbesondere der kaufrechtlichen Gewährleistung und der hier Einzug gehaltenen Vernetzung des besonderen mit dem allgemeinen Schuldrecht einher.
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I.E. ebenso Putzo, in: Palandt, § 437 Rz. 54; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 803 ff. Hier zeigt sich abermals, dass Vertrauenswerbung des einen Vertragspartners ihn in die Vertragserwartungen des anderen Teils einbezieht, vgl. Hohloch, NJW 1979, 2369, 2373 („Haftungsversprechen“), und eine Selbstbindung nach sich zieht, vgl. Köndgen, Selbstbindung, S. 160 f. 244 Für ein solches Wahlrecht ebenso Singer/von Finckenstein, in: Staudinger, § 123 Rz. 94; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 803 ff. 245 Durch diese Spontanreaktion gerät der Käufer jedoch in die Gefahr, weitergehender Rechte verlustig zu werden, dazu Derleder, NJW 2004, 969, 970; ders., NJW 2001, 1161, 1162. 246 Dazu unten Einl. § 3 C III. „Synthese von Abwehr und Kompensation“. 247 Inhalt und Bedeutung der c.i.c. selbst haben sich durch deren Normierung in § 311 Abs. 2, 3 BGB nicht gewandelt, vgl. Nickel, c.i.c., S. 50. 243
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Der schadensersatzrechtliche Anspruch aus c.i.c. kann kraft richterrechtlicher Fortbildung248 den Grundsätzen der Naturalrestitution (§ 249 Satz 1 BGB) folgend auf Vertragsaufhebung und damit auf Abwehr des infolge Verstrickung zustande gekommenen unerwünschten Vertrages gerichtet sein, wenn infolge einer fahrlässigen oder vorsätzlichen Beeinträchtigung der Willensbildung die Verpflichtung aus dem unerwünschten Vertrag als Schaden zu qualifizieren ist.249 Während vor der Neuordnung des Schuldrechts jedoch – ähnlich wie bei § 119 Abs. 2 BGB – ein Vorrang des Gewährleistungsrechts vor einer Haftung aus mangelbezogenem Verschulden bei Vertragsschluss einhellig vorausgesetzt wurde,250 damit die strengen Schadensersatzvoraussetzungen des § 463 BGB a.F. nicht durch eine bloße Fahrlässigkeitshaftung unterlaufen werden könnten, überzeugt dieses Argument möglicherweise nicht mehr, seitdem das Kaufrecht über § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1, 3 BGB selbst Schadensersatz auch für fahrlässige Pflichtverletzungen, also infolge der Normierung der Erfüllungstheorie251 in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB auch für fahrlässige Schlechtlieferung gewährt.252 Aus diesem Grunde könnte von einer weitgehenden Parallelität der Haftungstatbestände auszugehen sein, wobei jedoch unter Einbeziehung einiger bestehen bleibender Systemunterschiede möglicherweise die strukturprägenden Merkmale des Sachmängelrechts die Haftung aus c.i.c. überformen, um – ähnlich der Konkurrenz zu § 119 Abs. 2 BGB – ein Unterlaufen des im Interesse der Vertragserhaltung systemtragenden Prinzips der Nacherfüllung zu vermeiden.253 Andererseits würde eine vollständige Überlagerung der Haftung aus c.i.c. dem Umstand nicht hinreichend Rechnung tragen, dass sich ein vorvertragliches Aufklärungsverschulden nicht zwangsläufig in einem Sachmangel fortsetzen muss,254 248 Erstmals hat der BGH einen Vertragsaufhebungsanspruch auf schadensersatzrechtlicher Grundlage wegen der Verletzung von vorvertraglichen Informationspflichten im sog. „KreissägenFall“, NJW 1962, 1196, 1198 f., hergeleitet und diese Rechtsprechung später verfestigt, vgl. BGH NJW 1968, 986, 987; BGH NJW 1978 41, 42; BGH NJW 1984, 2814, 2815. 249 Grigoleit, NJW 1999, 900; Medicus, Verschulden bei Vertragsverhandlungen, in: BMJ, S. 521, 535 ff. 250 Dieses Spezialitätsverhältnis war vom BGH erstmals in der sog. „Seegrundstück-Entscheidung“ v. 16.03.1973, BGHZ 60, 319, herausgestellt worden; vgl. im Übrigen z.B. BGHZ 140, 111, 114; BGH NJW 1973, 1234; BGH NJW 1983, 2697; zuletzt BGH NJW 1998, 302, dazu Lieb, c.i.c. und rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 342, der den „laxen Umgang“ der Rechtsprechung mit dem zur Lückenfüllung entwickelten Institut der c.i.c. ohne hinreichende Beachtung der Konkurrenzverhältnisse rügt.; kritisch zur einzelfallbezogenen Abgrenzung im alten Recht als Folge des Nebeneinanders unterschiedlicher Haftungssysteme auch Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 675. 251 Ausführlich Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 207 und BT-Drs. 14/6040, S. 209. 252 Vgl. Derleder, NJW 2004, 969, 974 f.; Barnert, WM 2003, 416, 424; Häublein, NJW 2003, 388, 391; a.A. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 860; Brors, WM 2002, 1780, 1782; Putzo, in: Palandt, § 437 Rz. 51a; Heinrichs, in: Palandt, § 311 Rz. 25; Löwisch, in: Staudinger, § 311 Rz. 129; mit Einschränkungen Matusche-Beckmann, in: Staudinger, § 437 Rz. 66, 68 ff. 253 So Derleder, NJW 2004, 969, 975. 254 Belege dafür, dass in solchem Fall ein auf Vertragsaufhebung gerichteter Schadensersatzanspruch zugelassen worden ist, bieten z.B. BGH NJW 1980, 2408, 2409 und BGH DB 1980, 679, 681, beide zum Kauf von Geschäftsanteilen an Kapitalgesellschaften und der Abgrenzung zwischen Rechts-
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deshalb sehr wohl das Bedürfnis für einen Vertragsaufhebungsanspruch bestehen kann,255 der jedoch freilich nicht zu einem allgemeinen Reuerecht extensiviert werden darf.256 Letzteres wird jedoch bereits auf der Tatbestandsebene, nämlich bei der Ausformung der schadenskausalen Aufklärungspflichten im Einzelnen dadurch vermieden, dass im Grundsatz von der informationellen Selbstverantwortung des Vertragspartners auszugehen ist.257 Die Auflösung des Konkurrenzverhältnisses zur kaufvertraglichen Gewährleistung wird im Ergebnis deshalb in wesentlichen Teilen davon abhängen, in welcher Form sich eine tatbestandliche (vor-)vertragliche Informationspflichtverletzung des Anbieters auf vertraglicher Ebene fortsetzt oder erst auf dieser Einfluss nimmt und wie die vertraglichen Haftungsinstitute diese Pflichtverletzung für den Geschädigten flexibel und ohne Schutzlücken, zugleich aber für den Anbieter zumutbar und unter Beachtung gesetzgeberischer Grundwertungen und Systementscheidungen258 ahnden. Damit allein wird der verbleibende Anwendungsbereich des schadensersatzrechtlichen Anspruchs, gerichtet auf Aufhebung des Vertrages jedoch noch nicht abschließend zu beschreiben sein: Der aus c.i.c. hergeleitete Anspruch, sich vom nicht erwartungsgerechten Vertrag lösen zu können, kann nämlich nicht nur durch vorrangige (kauf-)vertragliche Gewährleistungsrechte ausgeschlossen sein, sondern hat sich ebenso mit der Konkurrenz zu dem Anfechtungsrecht aus § 123 BGB auseinander zu setzen.259 Liegt dem Aufhebungsanspruch nämlich eine (vor-)vertragliche Informationspflichtverletzung zu Grunde, erfassen c.i.c. und Arglistanfechtung den gleichen Geschehenskomplex und unterscheiden sich insoweit nur in den subjektiven Anforderungen.260 Insbesondere wegen dieser Inkongruenz, nämlich Vorsatz- versus Fahrlässigkeitshaftung, aber auch wegen des unterschiedlichen Zeitlaufs der vertraglichen Verjährung und des anfechtungsrechtlichen Anspruchsausschlusses nach § 124 BGB261 geht heute insbesondere Grigoleit262 noch von einem Vorrang des Anfechtungsrechts aus.263 und255Sachkauf mit kritischer Anmerkung zur Beschränkung der §§ 459 ff. BGB a.F. zugunsten der Öffnung des Anwendungsbereichs der c.i.c. Müller, BB 1980, 1393, 1395 f. 255 Maßgeblich auf den Unterschied zwischen Aufklärungspflichtverletzung und der Verletzung der Pflicht aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Ablieferung eines mangelfreien Kaufgegenstandes stellen auch Barnert, WM 2003, 416, 421 ff., 424 und Häublein, NJW 2003, 388, 391 f. ab. 256 Letzteres befürchtet Lieb, Vertragsaufhebung oder Geldersatz?, in: FS Köln, S. 260. 257 Wie hier Fleischer, Konkurrenzprobleme um die c.i.c., AcP 200 (2000), S. 118; Nickel, c.i.c., S. 232. 258 Vgl. Derleder, NJW 2004, 974, 975. 259 Vgl. den Überblick bei Nickel, c.i.c., S. 173 ff. 260 Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 137. 261 Schwarze, Vorvertragliche Verständigungspflichten, S. 306. 262 Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 137–140; ders., NJW 1999, 900, 903; zur Vermeidung von Schutzlücken plädiert Grigoleit aber zugleich für eine Ausdehnung des Tatbestands des § 123 BGB auch auf fahrlässige Informationspflichtverletzungen. 263 Mit deutlicher Kritik an der Rechtsprechung des BGH ebenso bereits Liebs, Fahrlässige Täuschung und Formularvertrag, AcP 174 (1974), S. 26 ff., 54; auch Medicus, Verschulden bei Vertrags-
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Die überwiegende Meinung im Schrifttum264 hingegen erachtet die Sanktion auch fahrlässiger Informationspflichtverletzungen im Rahmen des (vor-)vertraglichen Schadensersatzanspruchs aus c.i.c. im Anschluss an die langjährige Auffassung des BGH265 – teils mit guten Gründen – als Ergebnis legitimer richterlicher Rechtsfortbildung. Neues Gewicht hat die Diskussion266 um das Konkurrenzverhältnis zwischen einem schadensersatzrechtlichen Aufhebungsanspruch aus c.i.c. und der Arglistanfechtung nach § 123 BGB in den letzten Tagen des alten Schuldrechts erhalten, nachdem der BGH267 seine bis dorthin ausgetretenen Pfade verlassen hat, einen Schritt auf die Kritiker an seiner bisherigen Auffassung zugegangen ist268 und als Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Rechtsinstituten nunmehr darauf abgestellt hat, dass der Aufhebungsanspruch aus c.i.c. tatbestandlich einen nach der Differenzhypothese zu berechnenden Vermögensschaden voraussetze, was im Rahmen der Anfechtung nach § 123 BGB nicht der Fall sei; hieraus rechtfertige sich die Parallelität beider Rechtsinstitute und der Verzicht auf eine Übertragung des § 124 BGB auch auf den Aufhebungsanspruch aus c.i.c.269 Der BGH selbst verfolgt diese neue Linie allerdings unstet. Während es in der angesprochenen Entscheidung selbst bereits heißt, ein Vermögensschaden könne bereits angenommen werden, wenn die zwar rechnerisch ausgeglichene Gegenleistung für Zwecke des Betroffenen „nicht voll brauchbar“270 sei, vermittelt der BGH in Fällen der letztlich aus der c.i.c. hervorgegangenen Prospekthaftung271 stets den 264 verhandlungen, in: BMJ, S. 542, hält die für eine parallele Anwendung beider Rechtsinstitute vorgetragenen Argumente zumindest für zweifelhaft. 264 Fleischer, Konkurrenzprobleme um die c.i.c., AcP 200 (2000), S. 108; Lorenz, NJW 1998, 1053, 1056; Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts, AcP 200 (2000), 308, der auf die Nähe zum Gewährleistungsrecht abstellt und hierin die Rechtfertigung für eine gerade noch zulässige Rechtsfortbildung praeter legem sieht; neuerdings auch Nickel, c.i.c., S. 185 ff., 193 f. 265 BGH NJW 1968, 986, 987; BGH NJW 1978 41, 42; BGH NJW 1984, 2814, 2815. 266 Ausführlich Grigoleit, NJW 1999, 900; Ewers, DStR 1999, 421; Lorenz, ZIP 1998, 1053; Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts, AcP 200 (2000), S. 273, 304 ff.; Nickel, c.i.c., S. 177 ff. 267 BGH NJW 1998, 302: „(1.) Die Rückgängigmachung eines Vertrages unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss setzt einen Vermögensschaden voraus. (2.) Ein Vermögensschaden tritt nicht automatisch mit der Eingehung des Vertrages ein, sondern bedingt, dass der Vertragsschluss für den Betroffenen unter Berücksichtigung der für die Schadensfeststellung allgemein anerkannten Grundsätze wirtschaftlich nachteilig gewesen ist.“. 268 So Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts, AcP 200 (2000), S. 273, 305. 269 BGH NJW 1998, 302, 303: „Die Anfechtung schützt die freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiet gegen unerlaubte Mittel der Willensbeeinflussung, und zwar unabhängig vom Eintritt eines Schadens; die Rückgängigmachung nach c.i.c. – Grundsätzen (…) verlangt auf der Tatbestandsseite den Eintritt eines Schadens. Will man diese Unterschiede nicht verwischen und zudem die für Schadensersatzansprüche anerkannten Grundsätze aufgeben, so wird man an der Voraussetzung festhalten müssen, dass die Rückgängigmachung des Vertrages von einem durch die im Verhandlungsstadium begangene schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung entstandenen Vermögensschaden abhängt.“. 270 BGH NJW 1998, 302, 304, wo der BGH auf eine Übertragung des strafrechtlichen Vermögensbegriffes abstellt, was von Lieb, in: FS Medicus, S. 340, stark kritisiert wird. 271 Vgl. hierzu und ebenso zur Frage der Schutzrichtung der Prospekthaftung Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, Rz. 496.
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Eindruck, dass das Erfordernis eines Vermögensschadens durch die Anerkennung einer Beeinträchtigung der Willensfreiheit als mittelbarer Schaden ersetzbar sein könne.272 Virulent wurde dies bislang jedoch nicht, da in Anlagefällen regelmäßig ein Vermögensschaden vorliegt.273 Im Rahmen der vollständigen Auflösung des Konkurrenzverhältnisses wird deshalb auch zu klären sein, welche Schutzrichtung der (vor-)vertragliche Auflösungsanspruch aus c.i.c. verfolgt und wie sich die Schutzzwecke der konkurrierenden Rechtsinstitute hierzu verhalten, ob also Aussagen über ein etwaiges Vorrangverhältnis tatsächlich daraus abgeleitet werden können, dass die c.i.c. in erster Linie das Vermögen, die Anfechtung, die freie Willensbildung und die (kaufrechtliche) Gewährleistung das Äquivalenzverhältnis schütze.274 II.4 Rückabwicklung nach § 346 BGB i.V.m. §§ 323 ff. BGB § 323 BGB räumt dem Vertragspartner eines gegenseitigen Vertrages ein Rücktrittsrecht unter der Voraussetzung ein, dass die vertragsgemäße Leistung auch nach Ablauf einer Nachfrist (zur Nacherfüllung) nicht erbracht ist. Auf diese Vorschrift des allgemeinen Leistungsstörungsrechts275 nimmt § 437 Nr. 2 BGB Bezug. Folgt aus der Verstrickung durch Desinformation ein Sachmangel, weil entweder nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB die vom Käufer vorausgesetzte Beschaffenheit auch vereinbart276 worden war, oder weil der Käufer seine Vorstellungen von der Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB berechtigterweise voraussetzen durfte,277 eröffnet dies für den Käufer ein Rücktrittsrecht, das ihm die Lösung von dem unerwünschten Vertrag und damit die Abwehr (weiterer) Verstrickungsschäden ermöglicht. Durch die Ersetzung der Wandlung früheren Rechts durch die infolge der Normierung der Erfüllungstheorie in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB möglich gewordene Rechtsgrundverweisung auf das Rücktrittsrecht278 sind einerseits die Rechte des Käufers gestärkt worden, da ihm hiermit ein verschuldensunabhängiges279 Lösungsrecht vom Vertrag in die Hände gegeben wird, ist andererseits aber auch der 272
BGH NJW 1992, 2560; BGH NJW 1992, 2148; BGH NJW 1995, 1025; BGH NJW 2001, 436. Vgl. Nickel, c.i.c., S. 181 f. 274 Dazu unten 2. Kap. § 3 B). 275 Zur Integration der kaufrechtlichen Gewährleistung in das allgemeine Leistungsstörungsrecht vgl. z.B. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 295 ff.; Boerner, ZIP 2001, 2264, 2265. 276 Eine Beschaffenheitsvereinbarung kann auch konkludent oder durch Produktbeschreibungen in Werbe- und Prospektaussagen des Verkäufers (selbst) getroffen sein, vgl. Boerner, ZIP 2001, 2264, 2266; Brox/Walker, SR-BT, § 4 Rz. 9 mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/6040, S. 212, was die Bedeutung des Gewährleistungsrecht in Bezug auf die Haftung für Verstrickungsschäden noch einmal unterstreicht. 277 Auch Prospekt- und Werbeaussagen, die nicht das Maß vertraglicher Vereinbarung erreichen, weil sie z.B. nicht vom Verkäufer herrühren, werden über § 434 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Satz 2 Nr. 2 BGB zur berechtigterweise vorausgesetzten Beschaffenheit, vgl. Weiler, WM 2002, 1784, 1785 f.; Lehmann, DB 2002, 1090, 1091 f.; Boerner, ZIP 2001, 2264, 2266. 278 Boerner, ZIP 2001, 2264, 2265; Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 659. 273
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Grundsatz pacta sunt servanda deutlich unterstrichen, da der Rücktritt erst nach fruchtlosem Ablauf einer Frist zur Nacherfüllung möglich ist, dem Rücktritt daher das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung vorgeschaltet ist. Damit sollen die wechselseitigen Interessen der Parteien bestmöglich zur Geltung gebracht werden.280 Die eigentlichen Probleme der Vorschrift in Bezug auf die hier interessierenden Verstrickungsschäden liegen denn auch nicht vornehmlich in ihrem Tatbestand, sondern in ihrer Einordnung in den Gesamtkontext kaufrechtlicher Gewährleistung und in ihrem Verhältnis zu anderen gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfen begründet:281 Als wesentliches Manko war im alten Recht die Gefahr einer voreiligen Rücktrittserklärung erkannt worden, mit der sich der Rücktrittsberechtigte wesentliche weitere Rechte, nämlich z.B. Schadensersatzansprüche hatte abschneiden können. Dem versuchte die Rechtsprechung auf dogmatisch zum Teil äußert fragwürdige Weise282 beizukommen, indem Rücktrittserklärungen in bloße Androhungen umqualifiziert283 und damit Wege in andere Gestaltungserklärungen offen gehalten wurden. Das modernisierte Schuldrecht löst dieses Dilemma, indem es über § 325 BGB die Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz anordnet.284 Wie weit diese Alternativität jedoch geht und inwieweit der Rücktrittsberechtigte sich an einer einmal getroffenen Wahl festhalten lassen muss285 oder aber berechtigt sein soll, von dem einen zum anderen Rechtsinstitut oder auch nur vom großen zum kleinen Schadensersatz überzugehen, ist letztlich noch ungeklärt.286 Außerdem ist fraglich, inwieweit § 325 BGB in entsprechender Anwendung auch auf andere Rechtsinstitute, also z.B. die Minderung nach § 441 BGB287 oder gar Rechtsbehelfe des Allgemeinen Teils, nämlich insbesondere auf die Anfechtung nach § 123 BGB288 übertragen werden kann, so dass auch hier vertragliche Scha279 Vgl. Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 261; Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 64 ff. sehen in der neuen Gewährleistung des Verkäufers insgesamt den weitgehenden Übergang zu einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung. 280 Putzo, in: Palandt, § 437 Rz. 2; Otto, in: Staudinger, § 323 Rz. A 11. 281 Vgl. Derleder, NJW 2003, 998 ff. 282 So Derleder, NJW 2003, 998, 999; vgl. auch Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 5, 12. 283 Vgl. z.B. BGH NJW 1979, 762; BGH NJW 1982, 1280; vgl. auch BGH NJW 1988, 2878, wo eine (voreilige) Rücktrittserklärung in ein Schadensersatzverlangen umgedeutet worden war. 284 Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 529 ff. 285 Vgl. den Überblick bei Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 23 ff.; Westermann, in: MünchKommBGB, § 437 Rz. 50 ff. 286 Vgl. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 589 ff.; insbesondere auch Derleder, NJW 2003, 998, 1000: „Es ist jedoch nicht damit getan, das Recht zum Übergang vom Rücktritt zum kleinen oder großen Schadensersatz zu postulieren, vielmehr ist auch seine rechtsdogmatische Feinstruktur zu klären. (…) Welche Auswirkungen ein nachträgliches Schadensersatzverlangen hat, ist bislang nicht genauer diskutiert.“. 287 Dafür z.B. Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 441 Rz. 3; kritisch hingegen Reinicke/ Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 596; ablehnend Putzo, in: Palandt, § 437 Rz. 27. 288 Dafür Derleder, NJW 2004, 969, 970.
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densersatzansprüche neben die rechtsgestaltende Umwandlung oder Auflösung des Vertragsverhältnisses289 treten. Gerade in Bezug auf § 325 BGB, der dem Rücktrittsrecht angegliedert ist, stellt sich daher die auch früher290 kontrovers diskutierte Frage nach der Reichweite des abnehmerseitigen ius variandi erneut.291 III. Mechanismen zur Kompensation von Verstrickungsschäden III.1 Schadensersatz nach §§ 280, 281 BGB a) Vorbemerkung: Zur Dogmatik des „neuen“ Schadensrechts Zu den wesentlichsten Neuerungen im Rahmen der Modernisierung des Schuldrechts gehört unbestritten die allgemeine Schadenersatzfolge bei Sachmängeln im Rahmen der kaufrechtlichen Gewährleistung unabhängig von einer Zusicherung oder einem arglistigen Verschweigen.292 Die Frage, ob es der feinsinnigen Abgrenzung nach Aufklärungs- und Informationspflichten zur Begründung einer Arglisthaftung, der Abgrenzung zwischen Beschaffenheitsmerkmalen der Sache, die einen Fehler begründen, und solchen, die dies nicht tun und damit im Anwendungsbereich der c.i.c. reguliert werden, noch bedarf, ist daher verständlich.293 Außerdem ist, was im Einzelnen umstritten ist,294 durch die Neukonzeption des Schadensersatzrechts auch die überkommene Unterscheidung zwischen Mangelund Mangelfolgeschäden295 dogmatisch entbehrlich geworden. Zwar treten einige Stimmen in der Literatur nach wie vor dafür ein, den jeweiligen Anwendungsbereich des einfachen Schadensersatzes nach § 280 Abs. 1 BGB und des Schadensersatzes statt der Leistung nach § 281 BGB nach der auch früheren Unterscheidung zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden abzugrenzen, erstere also über § 281 BGB, letztere über § 280 BGB zu ersetzen,296 doch sprechen gewichtige Argumente und nicht zuletzt die Gesetzesbegründung selbst dafür, dass der Gesetzgeber an dieser Konzeption nicht hatte festhalten wollen: 289 In eben dieser Bindungswirkung von Gestaltungserklärungen liegt das dogmatische Problem des Erhalts eines ius variandi auch nach Zugang der Erklärung, vgl. den Überblick bei Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 437 Rz. 51. 290 Zur alten Rechtslage vgl. z.B. Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 2 ff. 291 Vgl. noch einmal Derleder, NJW 2003, 998, 1002: „Im Gesetzgebungsverfahren wollte man alte Zöpfe abschneiden (…), hat aber womöglich – sehenden Auges – etwas zu viel abgeschnitten, so dass das Funktionsgleichgewicht bei den Rechten von Käufer und Besteller bedroht ist.“. 292 Vgl. Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 790 ff., 797. 293 Siehe Derleder, NJW 2004, 969. 294 Einen ausführlichen Überblick bietet Otto, in: Staudinger, § 280 Rz. E 26 ff. 295 Vgl. zum Begriff des Mangelfolgeschadens (im Rahmen des § 635 BGB a.F.) zuletzt BGH NJWRR 2003, 878 f. 296 Vgl. z.B. Huber, in: Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Rz. 13/99 ff.; Brox/Walker, SRBT Rz. 107 ff.; Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 800; i.E. ebenso Recker, NJW 2002, 1247; wohl auch Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 294 ff.
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Schon die Bezeichnung „Schadensersatz statt der Leistung“ in § 281 BGB legt nahe, dass von §§ 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. §§ 281 ff. BGB solche Schäden erfasst werden, die dadurch entstanden sind, dass der Verkäufer seiner vertraglich versprochenen Leistungspflicht (endgültig) nicht nachgekommen ist.297 ,Leistung‘ im Sinne des Schuldverhältnisses ist die Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolges, also die Verwirklichung des Gläubigerinteresses durch die Leistungshandlung.298 Nur, wenn und soweit es an der Erfüllung dieser Hauptpflicht fehlt, kann an deren Stelle der statt der Leistung zu erbringende Schadensersatz in Höhe des gesamten Nichterfüllungsschadens,299 also in Höhe des unbeschränkten positiven Interesses treten,300 das nicht allein den durch die Nicht- oder Schlechtleistung eingetretenen Verlust, sondern auch Begleit- und Folgeschäden einschließt,301 die durch rechtzeitige Nacherfüllung hätten verhindert werden können. Über §§ 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. §§ 281 ff. BGB sind daher diejenigen Schäden zu ersetzen, die bei ordnungsmäßiger Erfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt vermieden worden wären.302 Nur auf diese Weise wird dem haftungsauslösenden Umstand der Nicht- oder nicht rechtzeitigen Leistung und dem Charakter des § 280 Abs. 1 BGB als eine Art Auffangtatbestand hinreichend Rechnung getragen.303 Diese Abgrenzung zwischen einfachem Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB und Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. §§ 281 BGB nach der Kausalität der unterlassenen Nacherfüllung für den Schaden, findet ihre Stütze auch in der Gesetzesbegründung,304 wo es zu § 281 BGB nämlich heißt: „Damit entfällt die problematische Unterscheidung zwischen Mangelschäden und Mangelfolgeschäden.“ Die in diesem Passus der Gesetzesbegründung angesprochene Abgrenzung nach überholten Vorstellungen der früheren kaufrechtlichen Gewährleistung, die ihren Ursprung in der auf Arglist und nicht eingehaltene Zusicherungen beschränkten Haftung des § 463 BGB a.F. hatte,305 und nach der kraft Gesetzes ausschließlich 297 Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500: „Diese Abgrenzung wird am deutlichsten, wenn man sich die ratio der Sonderregelungen für den Schadensersatz ,statt der Leistung‘ klar macht und sich nicht mit Begriffen wie ,Mangelschaden, Mangelfolgeschaden‘ oder ,Äquivalenzinteresse und Integritätsinteresse‘ den Blick auf die Systematik verstellt“; vgl. auch Faust, in: Bamberger/Roth, § 437 Rz. 46 ff. 298 Recker, NJW 2002, 1247. 299 Den ,Schadensersatz statt der Leistung‘ stellt auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 136, mit dem ,Schadensersatz wegen Nichterfüllung‘ alten Rechts gleich. 300 Mit dem Hinweis, die richtige Anspruchsgrundlage möge rechtsfolgenorientiert bestimmt werden, nämlich neben der Primärleistung stets § 280 Abs. 1 BGB, Geldersatz statt der Primärleistung stets § 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. §§ 281 ff. BGB auch Canaris, ZIP 2003, 321, 322. 301 Recker, NJW 2002, 1247. 302 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 505 ff.; nicht ganz eindeutig dagegen Brors, WM 2002, 1780, 1783. 303 Ebenso Otto, in: Staudinger, Vorbem zu §§ 280–285 Rz. 17 ff. und § 280 Abs. 1 BGB ausdr. als Auffangtatbestand bezeichnend bei § 280 Rz. E 11. 304 BT-Drs. 14/6040, S. 94. 305 Insbesondere Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 294 ff., nimmt in seiner Erläuterung auf die Abgrenzung nach altem Recht Bezug.
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Mangelschäden zu ersetzen waren, hat in der Neukonzeption der Verknüpfung von Besonderem und Allgemeinem Schuldrecht auch deshalb ihre Funktion verloren, weil unbestritten beide Schadenskategorien ersatzfähig sind.306 Eine Abgrenzung des Anwendungsbereichs des einfachen Schadensersatzes und desjenigen statt der Leistung nach inhaltlichen Kriterien ist damit aber fortan überflüssig. Die Rechtfertigung für die Einbeziehung des Schadensersatzes in das Gewährleistungsrecht liegt gerade auch darin, dem Verkäufer über das Recht zur zweiten Andienung Gelegenheit zu geben, das Entstehen von Schäden und damit eine weitergehende Haftung zu vermeiden.307 Vor diesem Hintergrund aber ist es nahe liegend, den Anwendungsbereich der Schadensersatzvorschriften danach voneinander abzugrenzen, ob der Verkäufer von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, oder sie ungenutzt verstreichen lässt. Auch insoweit dient die Gesetzesbegründung zu § 281 BGB zum Beleg:308 Danach ist der Schadensersatzanspruch „(…) von einer Fristsetzung durch den Gläubiger sowie davon abhängig, dass der Schuldner schuldhaft nicht leistet oder nicht nacherfüllt.“ Soweit aber der Gesetzeswortlaut und die hinter diesem stehende Gesetzesbegründung mangelbedingte Schäden lediglich danach unterscheiden, ob sie eingetreten sind, nachdem der Vertragspartner „dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat“, kommt es für die tatbestandliche Abgrenzung der Schadensersatznormen voneinander nicht mehr auf die überholten Kategorien des Integritäts- und Äquivalenzinteresses einerseits oder des Mangel- und Mangelfolgeschadens andererseits an.309 Zwar wird diese Differenzierung häufig mit der Abgrenzung nach Mangel- und Mangelfolgeschäden wie im früheren Recht zusammenfallen; notwendig ist dies jedoch nicht.310 Denn zu den bei rechtzeitiger Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt vermeidbaren Schäden können Mangel- ebenso wie Mangelfolgeschäden zählen:311 Fordert z.B. der Käufer den Verkäufer zur Nacherfüllung auf und kommt der Verkäufer dem zwar innerhalb der ihm gesetzten Frist, aber erst nach einer für den Käufer nun verlorenen günstigen Weiterveräußerungsmöglichkeit nach, so ist der entgangene Gewinn klassischer Mangelschaden, aber nach hier vertretener Auffassung dennoch über § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen.312 Die bis zum letztmöglichen 306
So deutlich Recker, NJW 2002, 1247, 1248. Vgl. Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 809 a.E. 308 BT-Drs. 14/6040, S. 22xx. 309 So zutreffend Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 508. 310 Zur Vorsicht mahnend deshalb Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 511. 311 I.E. ebenso Recker, NJW 2002, 1247, 1248. 312 Die Auffassung findet ihre Stütze in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 225: „Liefert der Verkäufer also beispielsweise schuldhaft eine mangelhafte Sache und verzögert sich deswegen deren Inbetriebnahme, so ist der Betriebsausfallschaden unabhängig von den weiteren Voraussetzungen des Verzugs unmittelbar nach § 280 Abs. 1 RE zu ersetzen.“. 307
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Zeitpunkt, also bis zum Ablaufen der Nachfrist erfolgreiche Nacherfüllung hat den Schaden nicht vermeiden können. Da aber der Verkäufer – jedenfalls im Ergebnis – seiner Pflicht zur mangelfreien Lieferung der Kaufsache nachgekommen ist, kommt ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung nicht in Betracht. Es entstünde nämlich ein Schadensersatz statt und trotz der Leistung, was begrifflich und dogmatisch widersprüchlich und schon deshalb nicht denkbar ist.313 Im Übrigen würde das Fristsetzungserfordernis des § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB leer laufen, da der Verkäufer zur Zahlung eines an die Stelle der – rechtzeitigen – Leistung tretenden Schadensersatzes verpflichtet würde, bevor die ihm zur Nacherfüllung gesetzte Frist abgelaufen ist.314 Andererseits gibt es auch klassische Mangelfolgeschäden, die über §§ 281 ff. BGB zu ersetzen sind, weil die rechtzeitige Nacherfüllung sie hätte vermeiden können. Man wandle den klassischen „Hühnerpest-Fall“315 des BGH ein wenig ab und kombiniere ihn mit dem „Apfelschorf-Fall“,316 um dies zu verdeutlichen: Ein Hühner-Bauer kauft beim Hersteller einen als Breitbandimpfstoff zur Komplettvorsorge in Form eines Futteradditivs angebotenen Impfstoff, der für sich genommen zwar in Ordnung, gegenüber einem neuartigen Erreger aber untauglich ist, was der Hersteller nach einer Warnmeldung in der Fachpresse zwar erkannt, seine Kunden hierüber aber nicht informiert hat. Nach einer Multiplikation des Grades der Infektionswahrscheinlichkeit mit den bei Infektion drohenden Schäden und einem Vergleich dieses Produkts mit den Kosten der Nacherfüllung,317 hielt er sein Schweigen nämlich für die wirtschaftlichere Lösung, da die erste Position die zweite nur geringfügig überschritt. Vier Wochen später infizieren sich die Tiere des Bauern tatsächlich, und verlangt dieser Schadensersatz in der vom Hersteller richtig prognostizierten Höhe.
In diesem Fall hätte die rechtzeitige Nacherfüllung, die in Anwendung des § 439 Abs. 3 BGB auch zumutbar318 gewesen wäre, die entstandenen Schäden vermieden. Der Ausgleich der Schäden tritt damit an die Stelle der zeit- und pflichtgerechten Leistungserbringung und ist als Folge hieraus Teil des statt der Leistung zu ersetzenden Schadens, obwohl es sich nach herkömmlicher Definition um einen Mangelfolgeschaden handelte.319 313
So wohl auch Canaris, ZIP 2003, 321, 322. I.E. ebenso Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 512 ff.; Otto, in: Staudinger, §§ 280 Rz. E 35 ff. 315 BGHZ 51, 91. 316 BGHZ 80, 186. 317 Zum Einzug dieser ökonomischen Wahrscheinlichkeits- und Schadensberechnung in juristische Denk- und Fahrlässigkeitsmodelle nach dem sog. Learned Hand – Kriterium, worauf später zurückzukommen sein wird, vgl. zunächst, Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 158 ff. 318 Überträgt man die hier zugrunde gelegte Wahrscheinlichkeitsberechnung des Schadenseintritts in ihrer Beziehung zu den Kosten der Nacherfüllung nicht allein auf den Fahrlässigkeitsmaßstab, wie dies bislang mit Blick auf das Learned Hand – Kriterium in der ökonomischen Analyse des Rechts getan wird, sondern auch auf Zumutbarkeitskriterien, kann dies als Auslegungshilfe im Rahmen des § 439 Abs. 3 BGB bei der Bestimmung der sog. „absoluten Unverhältnismäßigkeit“, vgl. dazu den Überblick bei Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 439 Rz. 20 ff., herangezogen werden. 319 I.E. ebenso Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500. 314
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Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass es nach der hier vertretenen Auffassung zur Abgrenzung des Schadensersatzes statt der Leistung von dem Ersatz der Begleitschäden auch für die Situation des durch Desinformation in potentielle Schadensanlagen verstrickten Käufers für die Bestimmung der einschlägigen Schadensersatznorm und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen darauf ankommt – lassen sich die Fehlvorstellung des Käufers in gewährleistungsrechtlichen Kategorien fassen –, ob die Nacherfüllung vorstellungs- und erwartungsgerechte Zustände im Wege der zweiten Andienung hätte herstellen und den eingetretenen Schaden so vermeiden können. b) Inhalt und Reichweite des Schadensersatzanspruchs Mit der überholten Abgrenzung nach Mangel- und Mangelfolgeschäden ist zugleich auch die anwendungstheoretische Abgrenzung nach dem Schutz des Integritäts- oder des Äquivalenzinteresses320 überholt,321 wie die im vorigen Abschnitt angeführten Beispiele zeigen.322 Neben dem Ausgleich auch durch eine zweite Andienung irreversibler Schäden über § 280 Abs. 1 BGB kann der Anspruch aus § 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. § 281 BGB auf zweierlei gerichtet sein: Der Geschädigte kann einerseits die mangelhafte Sache behalten und verlangen so gestellt zu werden, als ob gehörig erfüllt worden wäre (sog. ,kleiner Schadensersatz‘);323 er kann andererseits die angenommene Sache zur Verfügung stellen und ein Äquivalent in Geld324 für die Nichterfüllung des ganzen Vertrages verlangen (sog. ,großer Schadensersatz‘).325 Anders als nach früherem Recht kann der Gläubiger jedoch nicht mehr zwischen beiden Arten des Schadensersatzes frei wählen.326 Zwar steht ihm der ,kleine Schadensersatz‘ stets offen; der ,große Schadensersatz‘ ist als ,Schadensersatz statt der ganzen Leistung‘ hingegen von der weiteren Einschränkung des § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB abhängig,327 nämlich der Erheblichkeit der Pflichtverletzung. § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB korrespondiert konsequenterweise mit § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, da der große Schadensersatz im Ergebnis nichts anderes beinhaltet, als eine Kombination von Rücktritt und 320 § 280 Abs. 1 BGB als Vorschrift nur zum Schutze des Integritäts- und damit des negativen Interesses sieht z.B. Recker, NJW 2002, 1247. 321 So zutreffend Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500; Canaris, ZIP 2003, 321, 322; Otto, in: Staudinger, § 280 Rz. E 44. 322 Der über § 280 Abs. 1 BGB zu leistende Ersatz für eine innerhalb der Nacherfüllungsfrist entgangene günstige Weiterveräußerungsmöglichkeit ist Bestandteil des Äquivalenz-, nicht des Integritätsinteresses aber dennoch nicht Teil des Schadensersatzes statt der Leistung, vgl. dazu den vorstehenden Abschnitt a). 323 Vgl. jüngst LG Aachen NJW 2005, 2236; i.ü. BGHZ 96, 283, 287; BGH WM 1989, 1390, 1391. 324 Was zugleich die Anwendung des § 249 Abs. 1 BGB ausschließt, die §§ 249 ff. BGB aber unberührt lässt, vgl. Otto, in: Staudinger, § 280 Rz. E 7. 325 Statt vieler Brox/Walker, SR-BT § 4 Rz. 94; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 554; Otto, in: Staudinger, § 280 Rz. E 8, § 281 Rz. C 34. 326 Heinrichs, in: Palandt, § 281 Rz. 48. 327 Weniger differenziert LG Aachen NJW 2005, 2236, 2238.
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ergänzendem Schadensersatz, in welcher sich die Rückabwicklung des Vertrages als Teil der Schadensabwicklung vollzieht.328 Unbeschadet der Art der Schadensberechnung, also ungeachtet dessen, ob der Gläubiger den ,kleinen‘ oder den ,großen Schadensersatz‘ verlangt, ist der Schadensersatz statt der Leistung nach § 281 BGB stets auf das Erfüllungs-, also das positive Interesse gerichtet.329 Der Gläubiger ist so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre.330 Unabhängig von dem Fortfall der mit der früheren Terminologie zu § 463 BGB a.F.331 und zur pVV verbundenen Abgrenzungsprobleme zwischen Mangel- und Mangelfolgeschäden, zwischen Integritäts- und Äquivalenzinteresse332 hilft § 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. § 281 BGB dem durch Desinformation in einen unerwünschten Vertrag verstrickten Käufer damit jedoch nur bedingt weiter: Zwar ist vorstellbar, dass sich die Desinformationslage in gewährleistungsrechtlichen Kategorien fassen und dem Käufer deshalb möglicherweise ein Nacherfüllungsanspruch aus § 439 BGB und im Falle dessen Scheiterns ein Schadensersatzanspruch, gerichtet auf das Erfüllungsinteresse zusteht;333 jedoch steht zu bedenken, dass ein Erfüllungsinteresse des infolge Informationsdefizits verstrickten Käufers überhaupt ein Interesse an der ungewollt kontraktierten Leistung voraussetzt.334 Führt die Desinformationslage den Käufer aber in eine Situation vollständiger Fehlallokation, in der die Geltendmachung des Erfüllungsinteresses, sei es in Form des ,kleinen‘ oder des ,großen Schadensersatzes‘, für den Käufer nur das geringste Übel darstellt,335 328 So ausdrücklich auch Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 555 f.; aus der Kombination von Rücktritt und Schadensersatz, die überdies in § 325 BGB ausdrücklich zugelassen wird, folgt zugleich, dass die zur alten Rechtslage von der Rechtsprechung entwickelte abgeschwächte Differenzmethode (vgl. BGH NJW 1994, 3351; BGH NJW 1999, 3115) überholt ist und heute ein unbeschränktes Wahlrecht zwischen Differenz- und Surrogationsmethode besteht, vgl. Heinrichs, in: Palandt, § 281 Rz. 47, 19 ff. 329 Otto, in: Staudinger, § 280 Rz. E 5 mit zahlreichen w. Nachw. 330 Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 66; Nach BGH NJW 1994, 2480, ist der Anspruch des Gläubigers auf das Interesse gerichtet, das er an der Erfüllung des Vertrages hat, das nicht gleichbedeutend ist mit einem Anspruch so gestellt zu werden, als ob der Vertrag überhaupt durchgeführt worden wäre; vgl. auch schon RGZ 91, 33; und i.ü. BGHZ 57, 137; BGH NJW-RR 1990, 230; zum neuen Schuldrecht LG Bonn NJW 2004, 74, 75. 331 Westermann, in: MüchKomm-BGB, § 463 BGB a.F. Rz. 33, bezeichnete die Aufweichung des Tatbestandes des § 463 BGB a.F. durch Annahme stillschweigender und schlüssiger Eigenschaftszusicherungen als versteckte Korrektur, die „nicht überzeugend und methodisch nicht ehrlich ist“; zur Reichweite des Schadensersatzes wegen Nichterfüllung und zur Einbeziehung von Vertrauensschäden Derleder/Abramjuk, Qualitätsschutz und Verstrickungsschutz, S. 631 ff. 332 Vgl. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 508, 511 f.; Lorenz, NJW 2002, 2497, 2500. 333 Der Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses ist daher im Grundsatz auf eine Vermögensmehrung und nicht auf den Ausgleich eingetretener Vermögensminderungen, also auf eine „dem Berechtigten günstige Verschiebung zwischen dem Rechtskreis des Gläubigers und dem des Schuldners“ gerichtet, so v. Tuhr, BGB AT Bd. I, S. 246. 334 I.E. so auch Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 38: „Grundlage für diese Berechnungsmethode [Anm.: das positive Interesse] ist die Annahme, dass sich der Vertragspartner den Eintritt der Erfüllung wünscht.“. 335 So formuliert auch Müller-Laube, JZ 1995, 538, 543, dass das Erfüllungsinteresse für den Gläubiger in einer Vielzahl denkbarer Fallgestaltungen keinen besonderen Wert besäße.
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stellt sich die Frage nach weiteren Alternativen, die durch die Verstrickung selbst entstandenen Vermögens- und Nutzenminderungen336 zu kompensieren.337 Namentlich handelt es sich bei diesen Vermögenseinbußen um solche Aufwendungen, die im Vertrauen auf den Erhalt einer erwartungsgerechten Leistung entstanden sind, um Vermögensopfer also, die bei strenger Kausalitätsbetrachtung vom positiven Interesse nicht erfasst werden, weil es sich z.B. um sogenannten „Ohnehin-Aufwand“338 handelt. Bei „vollständiger Information“ hätte der Geschädigte auf die Vornahme der Investition verzichtet. Das Ersatzbegehren ist mithin auf den Ersatz des negativen Interesses339 gerichtet,340 soll ihm also ermöglichen, sich schadenfrei aus der (vor-)vertraglichen Beziehung zu lösen.341 III.2 Kompensation von Verstrickungsschäden durch Ersatz des negativen Interesses a) Vorbemerkung: Entpolarisierung und Positivierung des negativen Interesses nach überkommener Rechtsprechung aa) Positives und negatives Interesse beim Ersatz von Nichterfüllungsschäden Es war bereits die Rede davon,342 dass die ausschließlich auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatznormen des alten Schuldrechts in Rechtsprechung343 336 Im viktorianischen Zeitalter wurde noch vom „Nutzen“ als einem Indikator des gesamten Wohlbefindens einer Person gesprochen; heute verwendet die ökonomische Theorie den Begriff des Nutzens als eine Möglichkeit, Präferenzen eines Konsumenten zu beschreiben, vgl. Varian, Mikroökonomik, S. 52 f. Mit Blick auf die Rechtsdogmatik und -ökonomik knüpft die Diskussion um die Ersatzfähigkeit eines Nutzenentgangs an die Frage an, ob und inwieweit der Ersatz immaterieller Schäden geboten ist, vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 309 f., 317 ff. 337 In solchem Fall, in dem ein positives Interesse an der nur infolge Verstrickung kontraktierten Leistung überhaupt nicht besteht, hilft dem Geschädigten auch die Rechtsprechung des BGH, wonach das negative Interesse im Einzelfall auch dem (dort nicht ersatzfähigen) positiven Interesse entsprechen kann, nicht weiter, vgl. BGHZ 142, 51, 62. 338 Zur Ersatzfähigkeit solcher nicht kausalen Aufwendungen auch im neuen Schuldrecht LG Bonn NJW 2004, 74, 75 f.; m.w.N. auch Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 39. 339 Vgl. auch dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 63 f. 340 Im Rahmen des negativen Interesses war der Ausgleich von im Vertrauen auf den erwartungsgerechten Vertrag getätigter Aufwendungen nie streitig, da hier die haftungsauslösende und kausale Pflichtverletzung, nämlich die Verletzung der Aufklärungs- bzw. Offenbarungspflicht zeitlich vor dem haftungsausfüllenden Moment, nämlich dem freiwilligen Vermögensopfer liegt, vgl. z.B. BGHZ 99, 182; BGH NJW 1997, 2813. 341 Hanau/Wackerbarth, Positives und negatives Interesse, S. 207. 342 Vgl. oben, Fn. 59. 343 So hat der BGH verschiedentlich nutzlos aufgewandte Vertrags- und Transaktionskosten als ersatzfähigen Schaden zugesprochen, vgl. BGH WM 1977, 1089; BGH WM 1985, 1497; BGH NJW 1999, 3625; BGH NJW 2001, 2875; BGH NJW 2002, 208; grundlegend bereits BGHZ 57, 78, 80: „Hat ein Käufer Aufwendungen zur Erlangung der Gegenleistung gemacht, so bemisst sich sein Schaden nach der Vermögenseinbuße, die er dadurch erleidet, dass Aufwendungen nicht mehr rückgängig gemacht werden können und sich als nutzlos erweisen.“; der Schaden besteht nach dieser Rechtsprechung des BGH allerdings nicht in den getätigten Aufwendungen, sondern in der verlorenen Kompensationsmöglichkeit, BGH NJW 2000, 2342, 2343.
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und Rechtslehre344 immer wieder Diskussionen und Bestrebungen um die Einbeziehung eigentlich eindeutig dem negativen Interesse zuzuordnender Schadenspositionen zum positiven Interesse ausgelöst hatten.345 Der Auslöser war, dass die Möglichkeiten, das negative Interesse über die Wandlung nach § 467 Satz 1 BGB a.F. oder den Rücktritt nach §§ 346 ff. BGB a.F. zur Geltung zu bringen,346 allein im Kaufrecht über § 467 Satz 2 BGB a.F. mit einem Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten und damit zumindest in Teilen mit einer Kompensation der „Sowieso-Kosten“ zu kombinieren waren.347 Darüber hinausgehende Ersatzmöglichkeiten sah der Gesetzgeber nicht vor, was insbesondere vor dem Hintergrund, dass Grundlage auch des auf das negative Interesse gerichteten Ausgleichsanspruchs das Verschuldensprinzip348 ist, als unbefriedigend empfunden worden war. Die Bestrebungen, nicht kausale und in der Regel freiwillige Vermögensopfer im Rahmen der Auflösung von Verstrickungslagen kompensationsfähig auszugestalten, lassen sich im Wesentlichen in zwei Institutionalisierungsversuche untergliedern:349 bb) Kommerzialisierungsthese und Frustrationstheorie Insbesondere im nicht erwerbswirtschaftlichen Bereich, in dem auf Amortisationsgesichtspunkten basierende Beweiserleichterungen von vorneherein ausschieden,350 stellte sich die Frage, wie durch frühere Aufwendungen geschaffene Nutzungsmöglichkeiten ideeller Art oder an Wirtschaftsgütern, die infolge des zum Ersatz verpflichtenden Umstandes vereitelt wurden, in die Schadensberechnung einbezogen werden konnten.351
344 Vgl. Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 661 ff.; Medicus, Erfüllungsinteresse aus VbVV, S. 554 ff.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 255 ff.; Hanau/Wackerbarth, Positives und negatives Interesse, S. 207 ff.; Derleder, NJW 2004, 969, 973; Otto, in: Staudinger, § 325 BGB a.F. Rz. 84 ff. 345 Mit dem Versuch einer Systematisierung Derleder/Abramjuk, Qualitätsschutz und Verstrickungsschutz, S. 625 ff. 346 Wandlung und Rücktritt streben in wirtschaftlicher Hinsicht den status quo ante an, vgl. Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 259, und sind damit naturgemäß auf den Ausgleich des negativen Interesses, nämlich darauf gerichtet, den Geschädigten so zu stellen, als hätte er von dem Vertrag nie etwas gehört, vgl. BGH NJW-RR 1990, 230; Hanau/Wackerbarth, Positives und negatives Interesse, S. 206, 217. 347 M.w.N. Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 50. 348 Canaris, Vertrauenshaftung, S. 535; anders für Mangelschäden aus anfänglich unbehebbaren Fehlern, Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 65, die von einer Garantiehaftung ausgehen. 349 So fasst Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 32 ff., unter dem aus seiner Sicht missverständlichen Begriff der „Frustration“ entgangene Nutzenvorteile und Äquivalenzverluste für getätigte Aufwendungen konsequent zusammen. 350 Vgl. Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 679 ff., 681; ebenso Reim, NJW 2003, 3662. 351 Sog. „Kommerzialisierungstheorie“; die Rechtsprechung des BGH hierzu verlief unstet, vgl. etwa BGH NJW 1956, 1234 („Seereise-Fall“), im Gegensatz hierzu aber BGHZ 75, 366, 373; BGHZ 89, 60, 63 und schließlich BGHZ 98, 212; vgl. auch Meder, Schadensersatz als Enttäuschungsverarbeitung, S. 41 ff.
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In dieser erstgenannten Fallgruppe des Ersatzes entgangener Nutzungsvorteile hat der Große Senat für Zivilsachen352 im Anschluss an eine äußerst unstete, willkürliche und beinahe chaotische Rechtsprechung des BGH353 im Jahr 1986 den Versuch unternommen, die selbst gerufenen Geister zu bändigen und Ordnung in das Chaos des Ersatzes für Nutzeneinbußen bei nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienenden Wirtschaftsgütern und Aufwendungen zu bringen:354 Der BGH sprach der entgangenen Nutzungsmöglichkeit zwar grundsätzlich ersatzfähigen Vermögenswert zu, wenn und soweit es sich dem Grunde nach um ein der kommerziellen Nutzung zugängliches Wirtschaftsgut handele, da dann der eigenwirtschaftlichen Nutzung ein der erwerbswirtschaftlichen entsprechender Wert beigemessen werden müsse,355 beschränkte die Ersatzfähigkeit jedoch im selben Atemzug auf Wirtschaftsgüter, auf „deren ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist“.356 Der BGH begrenzt die Ausgleichspflicht damit auf Rechts- und Wirtschaftsgüter, deren Nutzung nach der Verkehrsanschauung357 kommerzialisiert358 ist.359 Er hat versucht, hiermit eine Grenze insbesondere zum Ersatz nicht ausgleichsfähiger Affektionsinteressen360 zu ziehen, was ihm nachhaltig allerdings nicht gelang und insgesamt große Kritik an der Kommerzialisierungstheorie hervorgerufen hat.361 352 BGHZ 98, 212; bestätigt durch Ablehnung eines Ersatzanspruchs für entgangene Nutzung in BGH NJW 1992, 1500 (Gästezimmer) und BGH DB 1992, 1770 (gelegentlich genutzte Einliegerwohnung), durch Gewährung eines Ersatzanspruchs BGHZ 101, 325 (Ferienwohnung). 353 Mit dieser harschen Kritik anhand verschiedener Beispiele aus der Rechtsprechung des BGH Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 319. 354 Dazu ausführlich Flessner, JZ 1987, 271 ff., der das maßgebliche Kriterium nicht in dem Vermögenswert der entgangenen Nutzung, sondern in der Schadensersatzberechtigung dem Grunde nach sieht. 355 BGHZ 98, 212, 219 ff. 356 BGHZ 98, 212, 222. 357 BGHZ 98, 212, 223. 358 Die Kommerzialisierungstheorie geht grundsätzlich davon aus, dass alle Gebrauchs- und Genussvorteile (Nutzen, vgl. oben den Hinweis auf Varian, Mikroökonomik, S. 52 f. und Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 309 f., 317 ff.), soweit sie gegen Geld erworben zu werden pflegen, zum Vermögen gehören, und war bis zur Entscheidung des Großen Senats des BGH (BGHZ 98, 212), die sich nur vordergründig hiervon distanziert hat, in der Rechtsprechung der Zivilsenate des BGH immer wieder auszumachen (vgl. z.B. BGH NJW 1956, 1234; BGHZ 40, 345; 45, 212; 60, 214), vgl. Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 125. 359 Zugleich wurde für die Bemessung des Schadens die Frustration der Aufwendungen herangezogen, was zu einer Annäherung von Kommerzialisierungsthese und Frustrationstheorie führt und eine Abgrenzung zwischen beidem verschwimmen lässt, vgl. Meder, Schadensersatz als Enttäuschungsverarbeitung, S. 41 ff., 52. 360 Ein prominentes Beispiel bietet insoweit der sog. „Stadthallen-Fall“, BGHZ 99, 182; unter dem Stichwort „keine Kommerzialisierung ideeller Schäden“ fasst auch Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 3, die Grenzen der Rechtsprechung des BGH zusammen. 361 Insbesondere Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 828, hält die Kommerzialisierung eines Wirtschaftsguts allein wegen der fortschreitenden Vermarktung und der deshalb drohenden unkontrollierten Ausweitung des Geldersatzes nicht für geeignet, hierauf die Annahme eines Vermögensschadens zu gründen; vgl. auch Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 679 ff. und noch einmal Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 309 f., 317 ff.
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cc) Rentabilitätstheorie Augenscheinlich etwas näher an der „Positivierung des negativen Interesses“ als die Kommerzialisierung nicht erwerbswirtschaftlich genutzter Wirtschaftsgüter der zentralen Lebensführung vollzog sich demgegenüber die Einbeziehung von vertrauensbedingten Aufwendungen im Hinblick auf den Vollzug eines kommerziellen Zwecken dienenden Vertrages, die infolge desinformationsbedingter Fehlallokation ihren Nutzen verfehlten.362 Den ersten Schritt auf diesem Wege machte das Reichsgericht363 bereits im Jahr 1904, als es erstmalig feststellte, dass der vom Geschädigten gezahlte Kaufpreis auszugleichender Mindestschaden im Rahmen des auf das positive Interesse gerichteten Nichterfüllungsschadensersatzes ist. Dieser Punkt markierte den Anfang einer vom BGH364 stetig fortgesetzten Rechtsprechungsentwicklung, die letztlich dazu führte, dass Aufwendungen des Geschädigten unabhängig von Kausalitätserwägungen365 stets dann als Teil des positiven Interesses zu ersetzen waren, „(…) wenn die Vermutung, dass sie durch die Gegenleistung des Verkäufers aufgewogen worden wären (,Rentabilitätsvermutung‘), nicht auszuräumen ist.“.366 Die Rentabilitätsvermutung ist damit Ausdruck einer subjektiven Äquivalenz, welche die Vertragsparteien den synallagmatischen Leistungen beimessen.367 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Aufwendungen für den Erhalt der Kaufsache oder um vorvertragliche Informations- und Transaktionskosten handelt.368 Die dogmatische Klippe fehlender Kausalität der in den Schadensersatz einbezogenen Aufwendungen versucht der BGH dadurch zu umschiffen, dass er konstruk-
362 Sog. „Rentabilitätsvermutung“, die zwar in der Rechtsprechung zu einer etwas klareren Linie als die erstgenannte Fallgruppe gefunden hatte, vgl. grundlegend bereits RGZ 127, 245, 248 ff.; BGH WM 1969, 835; BGH NJW 1971, 2218; BGH NJW 1983, 442; BGH NJW 1991, 2277; BGH NJW 1993, 2527, in der Rechtslehre aber freilich äußerst umstritten war, vgl. z.B. die Nachweise bei Stoll, Enttäuschtes Gläubigervertrauen, S. 57; Müller-Laube, JZ 1995, 538, 540 f.; ausführlich auch Messer/ Schmitt, in: FS Hagen, S. 425, 429 ff. 363 RG JW 1904, 140; später bestätigt durch RG JW 1913, 596: „Es ist bei der Schadensberechnung davon auszugehen, dass sich die beiderseitigen Leistungen nach dem Parteiwillen als gleichwertig einander gegenüberstehen. Der Käufer hat den vereinbarten Preis bewilligt, um die Gegenleistung zu erhalten. Das ist sein geringster Schaden.“; im Rahmen der Entscheidung fingiert das RG die Rentabilität indes mehr, als es sie ,vermutet‘ und stellt maßgeblich auf den Äquivalenzgedanken ab, der später (RGZ 127, 245) zugunsten einer ,echten‘ Rentabilitätsvermutung wieder aufgegeben worden war, vgl. Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 68 f. 364 Sehr klar z.B. BGHZ 114, 193, 197, wo es heißt, die Grundlage des Anspruchs auf Ersatz der Aufwendungen liege in der „auf dem Geschäftswillen der Vertragsparteien beruhenden Vermutung, im synallagmatischen Austauschverhältnis seien Leistung und Gegenleistung gleichwertig“. 365 So auch Lange/Schiemann, Schadensersatz, S. 66. 366 BGHZ 71, 234, 238; abermals BGHZ 114, 193, 197; zuletzt bestätigt durch BGHZ 143, 41 ff. 367 Zum Begriff der subjektiven Äquivalenz vgl. Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 1, 6 ff.; zur Grundlage des Äquivalenzgedankens für die Rentabilitätstheorie vgl. Messer/Schmitt, in: FS Hagen, S. 425, 428. 368 Vgl. Messer/Schmitt, in: FS Hagen, S. 425, 442 ff.
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tiv nicht die Aufwendungen369 in den Mittelpunkt des Ersatzbegehrens stellt, sondern die dem Gläubiger entgangene Kompensationsmöglichkeit.370 Die im Vertrauen371 in den erwartungsgerechten Vertrag getätigten Aufwendungen sind daher allein Maßeinheit zur Bestimmung des durch die Nichterfüllung eingetretenen Schadens; die Rentabilitätstheorie beinhaltet in der vordergründigen Dogmatik des BGH im Ergebnis nichts weiter, als eine von § 252 Satz 2 BGB (gg.falls i.V.m. § 287 ZPO) abweichende Beweiserleichterung zur Bestimmung des tatsächlich entgangenen Gewinns.372 Anders herum formuliert, stützt die Rechtsprechung des BGH auf Basis der Rentabilitätstheorie gefundene Ergebnisse daher gerade nicht auf eine explizite Anerkennung eines Gläubigerrechts auf Ersatz des negativen, sondern allein auf eine besondere Form der Berechnung des positiven Interesses.373 Eine Wertentscheidung der Rechtsprechung oder gar des Gesetzgebers für einen immer auch gegebenen Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses ist mit der Rentabilitätsvermutung deshalb mitnichten verbunden. Die besonderen Verstrickungsgefahren, die gerade die fortschreitende Informationalisierung und Technisierung der Gesellschaft mit sich bringen, werfen indes die Frage auf, ob nicht die Rechtsordnung gehalten ist, dem durch einen nicht erwartungsgerechten Vertrag Geschädigten stets auch einen Ausgleichsanspruch, gerichtet auf den Ersatz des negativen Interesses, an die Hand zu geben,374 um so zu einer effizienten Auflösung von Verstrickungslagen zu gelangen.375 b) Wertentscheidung durch § 284 BGB? Die Antwort auf diese Frage könnte in § 284 BGB zu suchen sein, wenn der Gesetzgeber mit dieser Norm eine klare Wertaussage für einen grundsätzlich anzuerkennenden Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses getroffen und diese auch konsequent umgesetzt haben würde.376 Nach § 284 BGB kann der Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs an Stelle des Schadensersatzes statt der Leis369 Vgl. BGHZ 99, 182, 196 ff. (,Stadthallen-Entscheidung‘), wonach durch die Rentabilitätsvermutung nicht das negative Interesse per se ersatzfähig werde, sondern es weiter bei der Differenzhypothese und dem Ersatz ausschließlich des positiven Interesses bleibe. 370 Vgl. aus der jüngeren Rechtsprechung BGH NJW 2000, 2342, 2343; 371 In diesem Vertrauensmoment sieht insbesondere Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 3 f., 26 ff., den wesentlichen Haftungsgrund für den Ersatz frustrierter Aufwendungen. 372 Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 58 f.; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 70; Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 664; Hanau/Wackerbarth, Positives und negatives Interesse, S. 219 ff.; kritisch Messer/Schmitt, in: FS Hagen, S. 425, 438. 373 Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 663. 374 Mit überzeugenden Argumenten tritt hierfür bereits Müller-Laube, JZ 1995, 538, 543 ein. 375 Grundlegend aus ökonomischer Sicht Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, Calif. L. R. 73 (1985), S. 1434, 1459 ff. 376 Vgl. Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 26 ff., wonach mit der Schaffung des § 284 BGB das bisherige Konzept der Rentabilitätsvermutung zu überdenken ist und u.a. auch die deutliche Parallele zum us-amerikanischen reliance interest die durch § 284 BGB begründeten Ersatzansprüche konzeptionell in den Rang eines ,echten‘ Schadensersatzanspruchs hebt.
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tung Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung billigerweise hatte tätigen dürfen,377 soweit diese ihren Zweck nicht auch ohne die Pflichtverletzung verfehlt haben würden.378 Ob mit dem Aufwendungsersatzanspruch des § 284 BGB aber tatsächlich eine solche Wertentscheidung des Gesetzgebers verbunden ist, ist angesichts der wenig durchdachten teleologischen Ausrichtung der Norm379 zumindest aus dem Wortlaut und der gesetzgeberischer Intention allein nicht zu erschließen. Zwar bewegt sich § 284 BGB im normativen Umfeld der §§ 122, 179 Abs. 2 BGB sowie der Regeln über die c.i.c. in § 311 Abs. 2, 3 BGB, kann aber gleichfalls Schadenspositionen erfassen, die dem positiven Interesse nahekommen,380 etwa bei der Kompensation entgangener vorteilhafter Ersatzgeschäfte.381 Es ist deshalb schon ungewiss, ob es sich bei § 284 BGB um eine eigene Anspruchsgrundlage382 oder lediglich um eine Modalität der Schadensberechnung383 handelt, inwieweit der Norm also haftungsbegründende und inwieweit nur haftungsausfüllende Funktion384 zukommt. Aus der fehlenden teleologisch eindeutigen Ausrichtung der Norm folgt zugleich, dass ihre Einordnung in den Gesamtkontext des Schadensrechts, insbesondere ihr Verhältnis zu anderen auf Schadensersatz gerichteten Normen wenig geklärt ist.385 Klarheit kann insoweit nur die Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Frage bringen, ob nämlich der Gesetzgeber mit § 284 BGB eine Wertentscheidung dahingehend getroffen hat, stets einen Anspruch auf Ersatz des vollständigen und nicht auf das positive Interesse begrenzten negativen Interesses zu gewähren.386 Mit der Antwort auf diese Frage ist sodann zwingend auch die Auseinandersetzung mit den bisherigen Tendenzen, das negative Interesse als Teil eines Schadensersatzanspruchs zu ersetzen, namentlich mit dem Verhältnis des § 284 BGB zur Rentabilitätstheorie im Besonderen und zu §§ 280, 281 BGB im Allgemeinen ver377
Vgl. hierzu ausführlich Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 145 ff.; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 146 ff.; Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 108 ff. 378 Diese inkorporierte Billigkeitsgrenze führt zu einer Anwendung der Rentabilitätstheorie im Anwendungsbereich des § 284 BGB selbst, vgl. Derleder, NJW 2004, 969, 973; anders allerdings die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 143, wonach auf die Rentabilität der Aufwendungen im Anwendungsbereich des § 284 BGB gerade nicht mehr ankommen soll. 379 Derleder, NJW 2004, 969, 972 f. 380 Nach Derleder/Abramjuk, Qualitätsschutz und Verstrickungsschutz, S. 634, stehen positives und negatives Interesse zwar in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander, gibt es aber dennoch ambivalente Schadenspositionen, die beiden Interessen zuzuordnen sein können. 381 Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 10. 382 Dafür Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 146 f.; Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 28; Reim, NJW 2003, 3662, 3663; Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 284 Rz. 2; Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 10 a.E. 383 Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 28 ff.; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 171 ff. 384 Differenzierend, nämlich für eine haftungsbegründende Funktion bei ideeller und eine (nur) haftungsmodifizierende Funktion bei kommerzieller Zwecksetzung Derleder, NJW 2004, 969, 973; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 8; abl. Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 172. 385 Gsell, Aufwendungsersatz nach § 284 BGB, S. 321. 386 Mit diesem Ansatz zutreffend Derleder, NJW 2004, 969, 973.
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bunden. Wenn sich auch die ursprünglich an die Gesetzesbegründung387 angelehnte Auffassung, § 284 BGB sei überhaupt nur im Bereich ideeller Zwecksetzung anwendbar, da sich der Ausgleich frustrierter Aufwendungen bei der schadensrechtlichen Abwicklung erwerbswirtschaftlicher Verträge nach wie vor vermittels Rentabilitätstheorie im positiven Interesse vollziehe,388 nicht hat durchsetzen können,389 ist nämlich nach wie vor streitig, ob die Rentabilitätsvermutung alternativ zu der Schadensberechnung nach § 284 BGB bei dem Ausgleich des positiven Interesses anwendbar bleiben soll,390 oder ob sie, weil ihre Existenzberechtigung allein in der Verengung des Nichterfüllungsschadens auf das positive Interesse liege,391 letztere eingebüßt habe.392 Außerdem ist nicht geklärt, inwieweit zwischen § 284 BGB und den §§ 280, 281 BGB ein Ausschließlichkeitsverhältnis besteht,393 oder ob in den Grenzen einer zu vermeidenden doppelten Kompensation beide Ersatzbegehren parallel zuzulassen sind.394 Die hier zusammengefassten Unwägbarkeiten und strukturellen Schwächen im Anwendungsbereich des § 284 BGB zeigen, dass mit einer klaren teleologischen Einordnung und Ausrichtung der Norm ein wesentlicher Erkenntnisgewinn bei der Auflösung von Verstrickungslagen verbunden sein wird.
§ 4 Ergebnis des einführenden Teils und Ausblick Die moderne Informationsgesellschaft gewährt scheinbar unbegrenzten Zugang zu jeder Art von Information. Mit der zunehmenden Informationsmenge hat bei zugleich immer komplexer werdenden Gütern des Waren- und Leistungsaustauschs auch die Informationsdichte stetig zugenommen. Dies birgt zwei Risiken: Erstens erzeugt die Menge der wahrgenommenen, aber deshalb nicht notwendigerweise auch verarbeiteten Information bei dem Informationsadressaten einen Zustand der Informiertheitsillusion, der in praxi häufig von dem tatsächli387
So unter Hinweis auf die Formulierung in BT-Drs. 14/6040, S. 143. So noch Heinrichs, in: Palandt, 63. Aufl. 2004, § 284 Rz. 3 (inzw. aufgegeben). 389 Vgl. z.B. BGH NJW 2005, 2848; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 5. 390 So z.B. Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 254 ff.; Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 26; Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 12 a.E.; LG Bonn NJW 2004, 74. 391 Vgl. Müller-Laube, JZ 1995, 538, 540. 392 Gegen die weitere Anwendbarkeit der Rentabilitätstheorie auch Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 132 ff.; Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 284 Rz. 5; i.E. ebenso Gsell, Aufwendungsersatz nach § 284 BGB, S. 340, die § 284 BGB, um dieses Ergebnis zu erreichen, aber kumulativ zu Ersatzansprüchen nach §§ 280, 281 BGB angewendet wissen will. 393 Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 29; Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 19; Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 284 Rz. 5; differenzierend, die Kumulation aber grundsätzlich ablehnend Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 246 ff. 394 Dafür Reim, NJW 2003, 3662, 3667; Gsell, Aufwendungsersatz nach § 284 BGB, S. 339 f.; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 257, der eine Alternativität nur zum Ersatz des entgangenen Gewinns zulassen will. 388
§ 4 Ergebnis des einführenden Teils und Ausblick
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chen Grad der Information ganz erheblich abweicht. Zweitens erfordert die grenzenlose Informationsflut eine Selbstselektion durch den Informationsadressaten, was bei marktwirtschaftlicher Informationsbeschaffung eine Verlagerung des Selektionsrisikos auf den regelmäßig in Bezug auf das angebotene Produkt über geringere Fachkenntnis verfügenden Kunden bedeutet. Hieraus folgt, dass aus Sicht des Kunden als Informationsadressaten zwar einerseits ein chunking in Bezug auf die angebotene Informationsmenge unerlässlich ist, dieses chunking andererseits aber in erheblichem Maße das Risiko, einer Informiertheitsillusion zu unterliegen, fördert. Hieraus resultiert ein – für die Informationsgesellschaft typisches395 – Desinformationsrisiko, das für den Kunden die Gefahr begründet, in einen nicht oder jedenfalls nicht so gewollten Vertrag verstrickt zu werden. Dies wiederum führt zu Fehlallokationen und damit zu Vermögenseinbußen, die bei überkommener Einordnung überwiegend dem negativen Interesse zuzuordnen sind. Sind diese Risiken erkannt, so leitet sich hieraus zwangsläufig die Frage ab, wie und in welchem Umfang solche Verstrickungslagen zu Gunsten des Abnehmers aufzulösen sind, wobei die Verletzung (vor-)vertraglicher Aufklärungspflichten durch den Anbieter, deren Rechtfertigung sich in Anlehnung an hinlänglich bekannte Erklärungsansätze, gründend auf Vertrauens- und Verbraucherschutzerwägungen, aus einer wechselbezüglichen Selbstbindung der Verhandlungspartner im Rahmen der Konsensbildung ergibt, vorausgesetzt wird. Neben Institutionen zur Abwehr des unerwünschten Vertrages, nämlich der Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB können sich nämliche Ansprüche aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB (c.i.c.) und aus den besonderen vertraglichen Rechtsinstituten, allen voran aus Rücktritt ergeben. Als Neuerung im modernisierten Schuldrecht lässt § 325 BGB auch neben dem Rücktritt die Geltendmachung von Schadensersatzbegehren nach §§ 280, 281 BGB zu. Hiermit ist die Brücke von der Abwehr zur Kompensation von Verstrickungsschäden geschlagen. Die neben § 280 Abs. 1 BGB zentrale Schadensersatzanordnung des § 281 BGB ist jedoch auf die Kompensation (nur) des positiven Interesses gerichtet, was überhaupt ein Interesse des verstrickten Abnehmers an der Erfüllung des unerwünschten Vertrages voraussetzt. Um ein Vielfaches entscheidender für die Auflösung und Kompensation von Verstrickungslagen sind daher die auf den Ersatz des negativen Interesses gerichteten Instrumentarien. Inwieweit die Rechtsordnung solche insbesondere in Gestalt der konzeptionell ebenso neuen wie in ihrer Ausgestaltung im Einzelnen fragwürdigen Vorschrift des § 284 BGB zur Verfügung stellt, darf bis heute als nicht letztverbindlich geklärt angesehen werden. 395 Zutreffend zieht Liessmann, Theorie der Unbildung, S. 48, deshalb den Schluss: „Gerade dass die modernen Wissenschaften seit ihrer Etablierung unter unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bedingungen klaglos funktionierten (…), sollte vorsichtig gegenüber der These stimmen, dass es die Produktion, Verteilung und Verwertung von Wissen selbst ist, die die Kraft haben könnten, eine Gesellschaft zu informieren.“.
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Gleiches gilt für das generelle Verhältnis der verschiedenen, dem verstrickten Abnehmer zu Gebote stehenden Institutionen zueinander, was jedoch für das Maß an Flexibilität in der Rechtsausübung von entscheidender Bedeutung ist. Das Problem der Verstrickung ist damit in erster Linie ein gesellschaftlichmarktwirtschaftliches und nur in zweiter Linie auch ein juristisches. Die rechtstheoretische Problemlösung muss sich daher von Erkenntnissen der Rechtsökonomik leiten lassen und diese zur Grundlage einer strukturell-rechtsdogmatischen Durchdringung der Verstrickung als Rechtsproblem machen.
1. Kapitel
Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik zur Bewältigung von Verstrickungslagen § 1 Rechtsökonomik und Ökonomik im Recht – Zum Stellenwert ökonomischer Argumente in der Jurisprudenz A) Polarisation und Synthese „Betrachtet man die bisherige bürgerlich-rechtliche Beurteilung der Vertragsanbahnung in einem zusammenfassenden Überblick, bietet sich das Bild einer verwirrenden Vielfalt von rechtlichen Möglichkeiten und Ansatzpunkten, deren Zusammenspiel jedoch völlig unabgestimmt und deren ökonomische Effizienz sehr kritisch zu bewerten ist.“1 So hat Lehmann bereits im Jahre 1981 geurteilt; wie die einleitenden Ausführungen im vorangegangenen Kapitel zeigen, hat sich hieran durch die Modernisierung des Schuldrechts im Grunde nichts geändert. Der Rechtsanwender sieht sich noch immer einem Normendickicht vor allem auch ungeklärter Konkurrenzen ausgesetzt. Die Auflösung dieser Konkurrenzen in die jeweils eine oder andere Richtung hat aus juristischer Warte Auswirkungen auf das mit der Rechtsordnung im Umgang mit Verstrickungslagen zu erreichende Maß an Flexibilität;2 aus ökonomischer Sicht3 zeitigt der Umgang der Rechtsordnung mit desinformationsbedingten Verstrickungslagen Folgewirkungen im Wesentlichen für die Entstehung, die Höhe und die Verteilung der im Rahmen der Vertragsanbahnung und der Vertragsabwicklung zu berücksichtigen4 1
Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 292. Dem Leitgedanken der Flexibilität der Rechtsordnung folgen insbesondere die Ausführungen von Derleder, NJW 2003, 998 ff., und in derselben Richtung auch ders., NJW 2004, 969 ff. 3 Vgl. hierzu auch die an der ökonomischen Analyse des Rechts ausgerichtete Untersuchung des Sachmängelgewährleistungsrechts von Riha, Ökonomische Analyse. 4 Die Erkenntnis der zentralen Bedeutung der Transaktionskosten für die Rechtsökonomik geht zurück auf Coase, Soziale Kosten, S. 129 ff. Bis zu diesem Beitrag aus dem Jahre 1960 vernachlässigte die Wirtschaftstheorie die Entstehung von Transaktionskosten, und war daher nicht viel mehr, als ein „elegantes theoretisches Gebäude“, vgl. North, Institutionen, S. 32. Richtig verstanden, lässt sich das Coase-Theorem, auf das zurückzukommen sein wird, wie folgt auslegen: „Bei Abwesenheit von spürbaren Transaktionskosten kann der Fall eintreten, dass die Verteilung der Verfügungsrechte auf die Allokation keine Rolle spielt. Dann sind dezentrale Einigungen immer allokationsoptimal, denn es werden alle Kosten-Nutzen-Komponenten der Beteiligten, die gleichzeitig die Betroffenen sind, verarbeitet. Staatliche Eingriffe erscheinen unnötig, sie sind i.d.R. sogar allokationsverzerrend. Unter Berücksichtigung von Transaktionskosten – und dies scheint für die meisten realen Probleme sozialer Kosten die rea2
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Transaktionskosten.5 Da Schätzungen zufolge die Summe der vertraglichen Transaktionskosten jährlich jedenfalls 30% des Bruttosozialprodukts6 erreicht und damit in etwa der Steuerquote entspricht, handelt es sich hierbei um einen Wirtschaftsfaktor mit bedeutendem Gewicht. Die Jurisprudenz kann daher bei der institutionellen Behandlung von Verstrickungslagen nicht die Augen vor externen marktwirtschaftlichen Effekten der jeweils anzubietenden Lösung verschließen, was die Notwendigkeit einer auch an der ökonomischen Effizienz7 ausgerichteten dogmatischen Ordnung8 der aus Informationsasymmetrien resultierenden Schadensanlagen unterstreicht.9 Die Schwierigkeit der Ausrichtung juristischer Lösungen an einem Effizienzziel liegt zum einen in der Operationalisierung der zur Bestimmung der Effizienz her5 listische Annahme zu sein – müssen hingegen alle denkbaren realistischen institutionellen Arrangements, angefangen von verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Verfügungsrechte bis hin zu direkten staatlichen Eingriffen in den Marktmechanismus, durchdacht und anhand der abgeschätzten Wirkungen für die Betroffenen verglichen werden.“, vgl. Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 308 f.; vgl. mit einer guten Zusammenfassung zu der um das Coase-Theorem geführten Diskussion Endres, ZgesStw 133 (1977), 637 ff. 5 Zum Begriff der Transaktionskosten bereits oben (Einf. § 1, dort Fn. 29): Es handelt sich hierbei um die Kosten eines Güteraustauschs, der sich für gewöhnlich in drei Schritten vollzieht: Zunächst muss ein Austauschpartner bzw. das auszutauschende Gut gefunden werden. Hieran schließt sich die Verhandlung der Parteien mit dem Ziel einer Einigung an. Zuletzt muss das Verhandlungsergebnis durchgesetzt und der Vollzug des Geschäfts überwacht werden. Transaktionskosten setzten sich daher aus den drei Elementen Suchkosten (search costs), Verhandlungs- und Abschlusskosten (bargaining costs) sowie Überwachungs-/Kontroll- und Durchsetzungskosten (enforcement costs) zusammen, vgl. Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 91 ff.; außerdem mit einer prägnanten Definition Bössmann, ZgS 138 (1982), S. 664 ff. 6 Richter, Institutionen, S. 5, bezieht die Höhe der geschätzten Transaktionskosten auf die weniger geläufige Referenzgröße eines „Nettosozialprodukts“, geht hierbei aber davon aus, dass sie 70–80% dieses Volumens erreichen. Nach einer Untersuchung von Wallis/North, Measuring the Transaction Sector, aus dem Jahre 1986 haben sich die Transaktionskosten binnen eines Jahrhunderts von 25% des Bruttosozialprodukts gar auf 45% im Jahr 1970 erhöht. 7 Bei der Orientierung am Effizienzziel darf jedoch nicht übersehen werden, dass die erhebliche Kritik, welche die ökonomische Analyse des Rechts aus Kreisen der Rechtswissenschaft erfahren hat (vgl. z.B. Fezer, JZ 1986, 817, 821 ff.; ders., JZ 1988, 223; Kirchner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 44 f.; mit gegenüber den Vorauflagen deutlich abgeschwächter Kritik Heinrichs, in: Palandt, Einl. Rz. 38), im Wesentlichen auf einen vermeintlichen Universalitätsanspruch der ökonomischen Analyse zurück geht, über den weitere Funktionen des Rechts, z.B. der Schutz des Schwächeren oder der Verbraucherschutz, vergessen würden. 8 In diesem Sinne bereits Trimarchi, Vertragshaftung aus ökonomischer Sicht, S. 123: „Als dritter und letzter Aspekt ist noch der der Kostenreduzierung im Rahmen gerichtlicher Schadensverteilung zu berücksichtigen. Diese Kostenreduzierung kann etwa durch eine Vereinfachung der rechtlichen Regelung erreicht werden: Je einfacher die (das Institut) der Vertragshaftung beherrschenden Regeln sind, je genauer voraussehbar die gerichtliche Entscheidung ist, um so mehr wird eine außergerichtliche Streiterledigung gefördert, was zu offensichtlichen Kosteneinsparungen führt.“; ebenso Backhaus, Recht aus der Sicht der evolutorischen Ökonomik, S. 5: „Insofern muss man erwarten, dass den Transaktionskosten mit zunehmender Komplexität der Volkswirtschaft eine zunehmende Bedeutung zuwächst (Wagners Gesetz).“. 9 Grundlegend Ott, Aufklärungspflichten, S. 151 ff.; ders., Allokationseffizienz, S. 26 ff.; vgl. auch Brennan, Ökonomische Analyse, S. 289 f.
§ 1 Rechtsökonomik und Ökonomik im Recht
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anzuziehenden Parameter,10 zum anderen aber auch darin, dass sich die Rechtsökonomik im deutschen Rechtskreis bislang in weiten Teilen darauf beschränkt, das Recht und seine Ordnung, seine Methodik und seine Institutionen von außen zu betrachten11 und (lediglich) einer kritischen Prüfung sowie Wertung zu unterziehen.12 So heißt es bei Schäfer/Ott,13 dem führenden deutschen Lehrbuch in der Disziplin der ökonomischen Analyse des Rechts unter dem Topos „Aufgabenbeschreibung“: „Gefragt wird von diesem Ansatz her (1) nach dem Zustandekommen einer bestehenden Rechtsstruktur, nach Art und Verteilung von rechtlichen Handlungsbefugnissen, (2) nach den Auswirkungen, die die Rechtsstruktur auf das Ziel der Allokationseffizienz hat, (3) nach den tatsächlichen Voraussetzungen für die Herausbildung einer effizienten Rechtsstruktur, (4) wie die Rechtsstruktur im Hinblick auf das Ziel der Allokationseffizienz beschaffen sein sollte.“14 Zwar gehen auch Schäfer/Ott davon aus, dass idealiter vor allem die Gerichte berufen seien, ihre Entscheidungen auch am Maßstab der Allokationseffizienz auszurichten, konstatieren jedoch selbst Vorbehalte bei der möglichen Reichweite des von ihnen vertretenen Ansatzes: „Aus rechtswissenschaftlicher Sicht geht es darum, Veränderungen von Rechtsprechung und Dogmatik darzustellen, ihre normativen Begründungen offenzulegen und zu fragen, inwieweit die Probleme mit der ökonomischen Analyse besser angegangen werden können, aber auch, wo deren Grenzen im Prozess der Rechtsanwendung liegen.“15 In derselben Richtung und ähnlich zurückhaltend formuliert auch Eidenmüller16 seine Einschätzung von dem Mehrwert, den die Rechtsökonomik bei der Lösung 10 Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 167; trotz grundlegender Zustimmung zur Einbeziehung ökonomischer Argumente in die Rechtsanwendung kritisch hinischtlich der Operationabilität des Effizienzkriteriums Krimphove, Rechtstheorie 32 (2001), 497, 503. 11 Hinzu kommt, dass z.B. Trimarchi, Vertragshaftung aus ökonomischer Sicht, S. 118, noch im Jahr 1972 konstatierte, dass die ökonomischen Auswirkungen der verschiedenen Regelungen, welche die Haftung aus Verträgen erfahren hätte, im Gegensatz zur außervertraglichen Haftung bisher nicht untersucht worden seien. 12 Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit, S. 16, beschreibt den Gegenstand der Ökonomischen Analyse des Rechts wie folgt: „Die Ökonomische Analyse des Rechts untersucht deshalb die Rechtsordnung systematisch hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Effizienz der gesamten Volkswirtschaft.“. 13 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 10. 14 Durch diese Aufgabenbeschreibung wird auch die terminologische Abgrenzung zwischen dem Aufgabenfeld der Rechtsökonomik und dem der Ökonomischen Analyse des Rechts deutlich: Während die Rechtsökonomik den disziplinären Rahmen bescheibt und die methodologischen Grundlagen liefert, handelt es sich bei der Ökonomischen Analyse des Rechts um die Applikation dieser wissenschaftlichen Grundlagen zur Untersuchung, Analyse und gegebenenfalls Anpassung einer vorgefundenen Rechtsstruktur. 15 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 11.; vgl. dies., JZ 1988, 213, 216: „(…) befasst sich die ökonomische Analyse des Rechts mit einer Analyse von Entscheidungsfolgen mit Hilfe der Mikroökonomie und mit der Entwicklung normativer Kriterien zur Folgenbewertung auf der Grundlage der Wohlfahrtsökonomie.“. 16 Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 11, 13; ähnlich, aber über den zurückhaltenden Ansatz Eidenmüllers noch deutlich hinausgehend Kirchner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 44 f.: „Die Frage, ob Effizienz ein Rechtsprinzip sei, ist falsch gestellt. Es ist dann zu klären, welche Fragen von Seiten der Rechtswissenschaft denn sinnvollerweise an die Ökonomik gestellt werden könnten.“.
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rechtsdogmatischer Fragen zu vermitteln vermag: „Für die Gerichte kann der Effizienzgedanke gegenwärtig nur eine begrenzte Bedeutung besitzen. (…) De lege lata kann das ökonomische Effizienzziel deshalb nur eine begrenzte Rolle spielen. Wir werden den Rahmen abstecken, der den Gerichten verbleibt, wenn sie schon heute von ökonomischen Effizienzkonzepten bei der Rechtsanwendung und Rechtsfortbildung Gebrauch machen wollen. Dabei geht es vor allem um die Frage, unter welchen Umständen Effizienz ein Rechtsprinzip ist, das von den Gerichten legitimerweise bei der W Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Formel im Kontext der vertragswertorientierten Beurteilung eines Rechts zum effizienten Vertragsbruch tatsächlich ohne weiteres gelten kann.577 Zur Erinnerung: Die Schwierigkeit bei der Bestimmung des richtigen, weil ökonomisch effizienten Zeitpunktes zur Ersetzung des Erfüllungsdurch einen Erwartungsschadensersatzanspruch besteht darin, dass bei einem Recht zum vorschnellen Vertragsbruch der mit dem Ziel Ns zu realisieren getätigte Aufwand An im Ergebnis unkompensiert bliebe, während bei einem inadäquaten Festhalten an der pacta-Regel Ns deutlich überkompensiert werden könnte, was den Vertragsschuldner dazu veranlasste, Ar ineffizient auszudehnen. Das Risiko für den Vertragsgläubiger, hinsichtlich An entschädigungslos zu bleiben, resultiert deshalb aus der soeben dargestellten Gefahr, dass der subjektive Vertragswert und Vertragsnutzen tendenziell oder systematisch unterbewertet bleiben. Andererseits birgt die Ersetzung des Erfüllungs- durch einen Erwartungsschadensersatzanspruch immer auch die Möglichkeit, dass eine Ersatzpflicht erstens für ineffizient hohe Vertrauensaufwendungen, also solche, die sich nicht an den Grenzkosten578 der mit Ihnen zu erreichenden Nutzensteigerung orientieren, und zweitens gegebenenfalls auch unabhängig von einem Verschulden für das Scheitern der Vertragserfüllung (bzw. schon des Vertragsschlusses) statuiert wird.579 b) Schwierigkeiten einer (allein) vermögensrechtlichen Dimension des Vertrauens zwischen Vertragserfüllung und Erwartungsschadensersatz aa) Modell unveränderbarer Präferenzen und Justitiabilität Jedoch offenbaren sich bei kritischer Würdigung dieser auf dem überkommenen ökonomischen Modell beruhenden Ausgangsüberlegungen in Gestalt der hier formelhaft dargestellten These zwei weitere und grundlegende Probleme: Erstens geht die herkömmliche ökonomische Theorie zwar davon aus, dass Marktteilnehmer als begrenzt rationale Nutzenmaximierer ihre Wahlfreiheit hinsichtlich bestehender Handlungsmöglichkeiten580 an der erreichbaren ökonomi577
Mit einem ähnlichen, nutzenorientierten und in den Ausdruck einer mathematischen Formel transformierten Ansatz Grundmann/Hoerning, Leistungsstörungsmodelle, G.W.P. Law and Econ. 16 (2007), S. 7 ff. 578 Vgl. zum Begriff der Grenzkosten im Zusammenhang mit der Informationsbeschaffung und zur grafischen Darstellung einer entsprechenden Kostenfunktion bereits oben Abb. 1 unter 1. Kap. § 2 II.2. 579 Vgl. hierzu nochmals Bebchuk/Ben-Shahar, Precontractual Reliance, J.L.S. 2001, 423, 435. 580 In der Ökonomik wird von der Theorie der Wahlhandlung gesprochen, vgl. v. Aaken, Rational Choice, S. 64 ff.
§ 2 Grundlagen einer integrativen Rechtsökonomik und ihre Ableitungen
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schen Effizienz ausrichten, nimmt die Akteure jedoch in deren eigener Präferenzstruktur gefangen, weil sie regelmäßig von exogenen und stabilen, nicht veränderbaren Präferenzen ausgeht.581 Tatsächlich ist der Prozess der Präferenzbildung jedoch erstens ein endogener und zweitens ein dynamischer. Ähnlich, wie einleitend zur Theorie des im Rahmen einer interdependenten Verhandlungsbeziehung dichter werdenden Geflechts von Selbst- und Fremdbindung im Zusammenhang mit der juristischen Rechtfertigung von Aufklärungspflichten dargestellt,582 entwickeln sich auch von subjektiven Nutzenerwartungen geprägte persönliche Präferenzen im Verlauf einer Geschäftsanbahnung weiter und unterliegen stetiger Veränderung und Anpassung.583 Durch das Fortschreiten der Verhandlungs- und Kommunikationsbeziehung kann und soll zusätzliches Vertrauen geschaffen werden. Auch die Vertrauensbeziehung entwickelt sich – bei einander zunächst unbekannten Transaktionspartnern von einem geringen Niveau ausgehend – dynamisch und vertieft sich regelmäßig im Verlauf der Verhandlungen.584 Mit einem zunehmenden Grad an Vertrauen verschieben sich dann jedoch auch die Präferenzen der Akteure: Ein ursprünglich äußerst risikoaverser Akteur kann durch vertrauensbildende Maßnahmen beispielsweise bewogen werden, sich auf das angebahnte Geschäft einzulassen, an die Stelle ausdrücklicher vertraglicher Sicherung also Vertrauen zu setzen.585 Dies ist nicht zuletzt Ziel der „Anpreisungen“ und damit auch der Werbung des Anbieters unter Rückgriff auf dessen Reputation. Bereits dieses einfache Beispiel zeigt, dass sich im Verlauf einer auch nur kurzen und gegebenenfalls sogar anonymen, weil nur durch die Werbung und damit wesentlich durch die Reputation („good will“) gesteuerten Vertragsanbahnung die Präferenzen des Interessierten weg von der Risikovermeidung hin zur vertrauensbasierenden Transaktionsbereitschaft verschieben können. Ähnliche Ergebnisse lassen sich über den sogenannten endowment effect erklären, von welchem oben586 bereits die Rede war: Die häufige Annahme ökonomi581 Vgl. Kirchner, Folgenberücksichtigung, S. 39; kritisch und mit weiteren Nachweisen Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 202 ff. 582 Oben Einl. § 3 B) VI. 583 Obwohl v. Weizsäcker, Journ. Econ. Theory 3 (1971), S. 345 ff., sich dieses Problems bereits 1971 angenommen hat, ist es in der ökonomischen Theorie weitgehend unbeachtet geblieben. Hinzu kommt, dass ursprünglich vorhandene Präferenzen auch durch soziale Einflussfaktoren von außen eine kaum vorhersehbare Dynamik entwickeln können, vgl. Salganik/Dodds/Watts, Science Vol. 311 (2006), 854 ff., sowie Watts/Dodds, Jour. Cons. Res. Vol. 34 (2007), S. 441 ff. In der Rechtsökonomik hat Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 338 ff., auf den Umstand einer möglichen systematischen Verzerrung der Präferenzbildung gerade auch durch rechtliche Institutionen hingewiesen. 584 So überzeugend Möllering, Understandig Trust, S. 17 ff. 585 Mit dieser sicherungsäquivalenten Funktion des Vertrauens Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 11 ff., 31 ff.; nach Möllering, Understanding Trust, S. 15 ff., 17, ist Basis für solches Vertrauen in besonderem Maße auch der institutionelle Rahmen, in dem sich das Vertrauen bilden kann. Hierbei sind die Institutionen Träger und Gegenstand des Vertrauens gleichermaßen, weil Vertrauen auf Grundlage von Institutionen auch Vertrauen in diese Institutionen, nämlich deren Funktionieren, Überwachung und Durchsetzbarkeit voraussetzt. 586 Vgl. 1. Kap. § 2 C) I.2 a).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
scher Theoreme, dass Menschen nur zukunftsgerichtet entschieden, stellt abermals eine idealisierte Modellvorstellung dar. Tatsächlich werden Entscheidungen zu einem erheblichen Anteil auch durch die Vergangenheit beeinflusst.587 Menschen bewerten entgangene Chancen tendenziell niedriger, als tatsächlich anfallende Kosten („out of pocket“-Kosten), und Güter, die sich in ihrem Besitz befinden, höher, als solche, die sie erst noch erwerben müssen.588 Durch den Abschluss und die Erfüllung des angebahnten Vertrages tritt deshalb, ebenso wie im Verlaufe der Verhandlungsbeziehung, eine neuerliche Präferenzverschiebung allein durch den Umstand ein, dass nunmehr tatsächlich Mittel aufgewandt werden mussten, demgegenüber aber der Vertragsgegenstand in Händen gehalten wird.589 Die Präferenzstruktur eines Marktteilnehmers ist daher nicht exogen, also auf bestimmte „Gütersets“ ausgerichtet, sondern endogen, nämlich von gemachten Erfahrungen abhängig. Außerdem sind die kaufbestimmenden Präferenzen regelmäßig nicht über die Zeit hinweg konstant, sondern unterliegen mit dem Verblassen der Bilder der Vergangenheit und der Veränderung von Vorlieben ebenfalls einem Anpassungs- und Veränderungsprozess. Zweitens sind die Höhe der Nutzenerwartung N und Ns aus obiger Formel, da ausschließlich subjektiv geprägt, kaum messbar, interpersonell schon gar nicht vergleichbar590 und darüber hinaus durch Gerichte bei realistischer Betrachtung auch nicht verifizierbar und deshalb auch nicht justitiabel.591 Der Grund hierfür liegt in dem nicht auszuschließenden Risiko der – zum Teil systematischen – Unterbewertung des gläubigerseitigen Vertragswerts durch die Gerichte. Soweit nämlich die Gefahr besteht, dass Gerichte den Vertragswert des Gläubigers – im Allgemeinen oder auch nur im Einzelfall – zu gering festsetzen, entweder weil die subjektive Be-
587 Dies gilt gerade auch für Kaufentscheidungen, v. Weizsäcker, Journ. Econ. Theory 3 (1971), S. 345, 359. 588 Ausführlich v. Aaken, Rational Choice, S. 91 ff. 589 Vereinzelt sind Tendenzen, solcherlei Umstände, wie sie sich aus dem endowment effect ableiten, auch bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung zu berücksichtigen, in der Rechtsprechung – wenn auch unerkannt und nicht rechtsmittelbeständig – zu erkennen. Einen Beleg dafür bildet ein Grundlagenurteil des BGH (ZIP 1998, 154) zum Konkurrenzverhältnis der Arglistanfechtung zum schadensrechtlichen Aufhebungsanspruch aus c.i.c., in dem es heißt: „Allerdings kann dieser deutlichen Warnung (Anm.: im Text der notariellen Urkunde) vor den Risiken des Geschäfts nicht deswegen die Erheblichkeit für die Entschließung der Kläger abgesprochen werden, weil diese – wie das Landgericht gemeint hat (Anm.: LG München, Urt. v. 07.12.1994 – 25 O 82832/94, n.V) – als einfache Menschen kaum so flexibel gewesen seien, den einmal gefaßten Kaufentschluss angesicht des Hinweises noch einmal umzustoßen.“. 590 Krimphove, Rechtstheorie 32 (2001), S. 497, 504 f.: „Eine solche Sichtweise [Anm.: Die Güterallokation zur Steigerung der Effizienz zum Ort ihres größten Nutzens anzustreben] ist – bis heute – nicht möglich. Denn Güter wie auch Rechte besitzen einen eigenen, höchst unterschiedlichen Nutzen für die Individuen. (…) Das Problem des interpersonellen Nutzenvergleichs ist aus heutiger Sicht nicht lösbar.“. 591 Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 6: „Die Informationsökonomie hat dafür präzise Begriffe: die nötigen Informationen können von den Parteien zwar beobachtet, von einem Gericht aber nicht verifiziert werden.“. In demselben Sinne Shavell, Specific Performance, 84 T.L.R. (2006), S. 845 f., 849.
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messung per se nur ungenau zu objektivieren und nachzuzeichnen ist,592 oder weil z.B. bestimmte subjektive Vertragswertpositionen aus der Schadensbemessung grundsätzlich ausgeklammert werden, wie dies z.B. für Affektionsinteressen593 der Fall ist, entstünde hieraus ein fehlallokativer Anreiz für den Schuldner, den Vertrag vor Erreichen der tatsächlichen „Effizienzgrenze“ zu brechen, würde ihm diese Möglichkeit eingeräumt. Das Risiko ineffizienter Allokationen als Folge einer die subjektiven Vertragswerte unterbewertenden Rechtsprechung vertieft sich noch, soweit auch begründete Inkongruenzen bei der Vertragswertbemessung durch den Vertragsgläubiger selbst einbezogen werden: Es war bereits die Rede von dem Prinzip der Opportunitätskostenanomalie, wonach Individuen Güter, die sich bereits in ihrem Besitz befinden, höher bewerten, als Güter, die erst angeschafft werden müssen, also der subjektive Wert, der für die Weggabe des Gutes an den Betroffenen zu zahlen wäre, höher liegt, als dieser selbst für das Gut zu zahlen bereit wäre.594 Der Anschaffungswert, mit dem sich ein Vertragsgläubiger einverstanden erklärt hat, liegt damit regelmäßig – und auch vom Betroffenen selbst wohl unerkannt – unterhalb des von ihm dem Gut tatsächlich beigemessenen Wertes, da diese subjektive Wertsteigerung erst mit der tatsächlichen Erlangung des Besitzes und Nutzung des Gutes einsetzt. Selbst wenn Gerichte also anträten, den subjektiven Vertragswert eines Vertragsgläubigers mit größtmöglicher Annäherung zu ermitteln, ist unwahrscheinlich, dass der subjektive Vertragswert, wie er (erst) im Erfüllungsfall einträte, tatsächlich extrapoliert würde. Da aber der Vertragsgläubiger mit dem Vertragsschluss auch die Chance und die Gelegenheit einer solchen subjektiven Wertsteigerung, durch die mit der Erfüllung verbundene Besitz- und Nutzenverschaffung erworben hat, dieser Wert ohne Erfüllung tatsächlich aber nicht im Rahmen einer Bemessung des Erwartungsschadensersatzes wird ersetzt werden können, wäre es ökonomisch verfehlt, dem Vertragsgläubiger die in der Erfüllung liegende Möglichkeit, subjektive Wert-, Nutzen- und damit auch Wohlfahrtssteigerungen zu realisieren, abzuschneiden. 592 Im Grundsatz ist diese Subjektivität des Schadens durch die jüngere Rechtsprechung des BGH anerkannt, der allerdings versucht, durch einen Rückgriff auf die Verkehrsanschauung den aus einem unerwünschten Vertrag subjektiven Schaden zu verobjektivieren, BGH, ZIP 1998, 154. 593 Vgl. statt vieler hierzu nur Oetker, in: MünchKomm-BGB, § 249 Rz. 25. 594 Vgl. dazu bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.2 a): Sog. „out of pocket“ – Kosten, also Aufwendungen, die tatsächlich und damit spürbar(er) zu tragen sind, werden von begrenzt rational handelnden Individuen regelmäßig höhergewichtig in das Entscheidungskalkül einbezogen, als entgangene Chancen. Erklärt wird dies durch den sog. Ausstattungs- („endowment effect“) und, mit diesem verwandt, dem Besitzeffekt. Hiernach bewerten Individuen Güter, die sich schon in ihrem Besitz befinden, höher, als Güter, die sich noch nicht in ihrem Besitz befinden. D.h., der Preis, der ihnen für die Besitzaufgabe gezahlt werden müsste, ist deutlich höher, als der, den sie selbst für den Besitz zu zahlen bereit wären, vgl. van Aaken, Rational Choice, S. 91 f. Anders formuliert könnte aus diesem psychologischen Umstand gefolgert werden, dass mit dem Besitzerwerb mittelbar eine subjektive Höherbewertung und damit eine den subjektiven Nutzen- und Allokationswert eines Gutes erhöhende Wertsteigerung eintritt.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Aus diesen ökonomischen und psychologischen Gesetzen folgt dann aber der Schluss, dass eine rein formelhafte Bestimmung der Grenzen eines vertraglichen Erfüllungsanspruchs stets dem Risiko ausgesetzt wäre, in ihrer praktischen Umsetzung zu willkürlichen Ergebnissen zu führen.595 Folgende Überlegung, abermals auf die Theorie der Präferenzbildung gestützt, wird dies verdeutlichen: Wenn, wie soeben gesehen, die Reputation des Anbieters geeignet ist, die Risikoneigung des Interessenten zu beeinflussen, dann geschieht dies nicht allein durch Ansprache gütermäßiger Präferenzen des Interessenten, also Darstellung des Guts und seiner Qualität durch sachliche Information über den Vertragsgegenstand. Präferenzen sind bei realistischer Betrachtung, wie soeben herausgestellt, gerade nicht exogen, also auf bestimmte Güter oder Güterkombinationen596 ausgerichtet, sondern vielmehr auf die Vorstellung vom eigenen Leben, von dem durch das Gut vermittelten Prestige, von der gesellschaftlichen Stellung und von ähnlichem bezogen.597 Dazu leisten bestimmte Güterkombinationen lediglich und gewissermaßen „Zubringerdienste“, sind also nur Mittel zum Zweck, diese Vorstellung vom Selbstbild zu verwirklichen.598 Wenn Güterkombinationen alleine aber die Präferenzen nicht abbilden können, kann deren Anpreisung allein eine Kaufentscheidung auch nur bedingt beeinflussen. Werbung hat sich deshalb – und dies ist im modernen Marketing anerkannt – an den tatsächlichen Präferenzen, nämlich an dem zu orientieren, was das Produkt geeignet ist, über seinen Verwender auszusagen. Damit aber muss sich – erfolgreiche – Werbung nicht an dem über das Produkt selbst vermittelten Informationsgehalt messen lassen; auf das was hinter dem Produkt steht, das was mit ihm vermittelt wird, kommt es an, denn hieran richtet der Abnehmer seine Kaufentscheidung und seine Präferenzen aus.599 Der Nutzen, den der Abnehmer sich von dem Pro595 Folgende an Shavell, Specific Performance, 84 T.L.R. (2006), S. 852 f., angelehnte Überlegung, unterstreicht dies noch: Je größer das Risiko einer solchen Unterbewertung von vertraglichen Nutzen ist, desto eher ist aus der Warte des ökonomischen Menschenbildes eines begrenzt rational handelnden Nutzenmaximierers davon auszugehen, dass dieser auch in Anlehnung an die would have wanted – theory anstelle des Erwartungsschadensersatzes die Vertragserfüllungsansprüche rechtlich gesichert und gegebenenfalls durchsetzbar fixiert wissen möchte, da dem Schadensersatzanspruch die naheliegende Gefahr innewohnt, inadäquat zu sein. 596 Exogenen Präferenzen in Bezug auf Güterkombinationen entspräche es, wenn z.B. die Aussage getroffen werden könnte, ein Abnehmer bevorzuge stets die Kombination „3 Äpfel und 2 Birnen“ gegenüber der zweitbeliebtesten Kombination „2 Äpfel und 3 Birnen“. Dass eine solche Aussage aber realitätsfern ist, liegt auf der Hand. 597 Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 122 f., spricht insoweit von externen Effekten als nicht in der Person des Konsumenten liegende soziale Einflüsse auf das Konsumentenverhalten. 598 Mit weiterführendem Hinweis auf jüngere soziologische Studien, die deutlich in diese Richtung weisen Kaube, Kaufen heißt nachahmen, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 30.12.2007, Nr. 52, Seite 70. 599 Bestätigt wird dies noch einmal durch den oben, 1. Kap. § 2 B) II.4 c) bb), bereits erläuterten Effekt der Meinungsbildung im Kollektiv, welcher nicht vorrangig und allein von der Produktqualität abhängt, sondern wesentlich auch auf dem Effekt basiert, „dazu gehören zu wollen“, vgl. nochmals Salganik/Dodds/Watts, Science Vol. 311 (2006), 854, und Watts/Dodds, Journ. Cons. Res. Vol. 34 (2007), 441.
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dukt verspricht, ist damit aber nicht (ausschließlich) aus der produkt- bzw. güterbezogenen Spezifikation des Vertragsgegenstandes abzuleiten, was seine Bemessung abermals nahezu unmöglich, kaum vorhersehbar und ein weiteres Mal injustitiabel600 macht. Soweit diese in der täglichen (Rechts-)Praxis nicht zu bewerkstelligenden Probleme aber vorhersehbar sind, kann auch der (rechts-)ökonomisch richtige Ansatz nicht in einer solchen, über die theoretische Formulierung nicht hinausgehenden Modellierung gesucht werden.601 Es bliebe bei einem theoretischen Konstrukt, das in ein synthetisches rechtsökonomisches Auslegungsmodell nicht zu integrieren wäre. bb) Abstraktes und konkretes Vertrauen als Folge endogen beeinflusster Präferenzen Wenn die Dynamik der Präferenzentwicklung und damit zwingend verbunden der subjektiven Nutzenerwartung auch endogenen Einflüssen, gebildet aus dem sozialen Umfeld des Akteurs, unterliegt, was die Ausrichtung ökonomisch-pragmatischer und auch juristischer Lösungen an einem Modell, das auf der Bemessung solcher Nutzenerwartungen aufbaut, kaum handhabbar macht, so können die gewonnenen Erkenntnisse für den weiteren Gang der Untersuchung aber dennoch fruchtbar gemacht werden. Werbung, die immer (auch) Vertrauenswerbung ist, agiert auf zweierlei unterschiedlichen Ebenen. Vorrangig werden nicht Qualitätspräferenzen in Bezug auf das konkrete Produkt, sondern Eigenschaften und Erscheinungsbilder seiner Verwender herausgestellt, die das Produkt zu verkörpern und zu vermitteln in der Lage sein soll. Der Anbieter knüpft mit der Vertrauenswerbung insoweit nicht an konkret messbare Zustände an, die im Nachgang der Kaufentscheidung verifizierbar wären, er vermittelt vielmehr, nicht selten auch unter Ausnutzung von Klischees, ein typisiertes Bild von den Konsumenten seines Produktes.602 Im Vordergrund solcher Werbung steht nicht die Anbahnung eines konkreten Geschäfts sondern vielmehr, als Basis hierfür, der Reputationsaufbau durch Einflussnahme auf die für die
600
Es sei an dieser Stelle noch einmal an das Zitat von Good, Interpersonal Relations and Trust, S. 42, erinnert: „(…) it is hard to judge rationally when it is rational to be non-rational.“. 601 M.E. verkennen Grundmann/Hoerning, Leistungsstörungsmodelle, G.W.P. Law and Econ. 16 (2007), S. 7 ff., in ihrer ökonomischen Analyse von Leistungsstörungsmodellen die fehlende Praktikabilität und Justitiabilität eines jeden an der Nutzenwertbemessung orientierten Ansatzes: „Übersteigen die Kosten der Vertragserfüllung den Nutzen derselben, ist es in der Summe günstiger, den Vertrag nicht zu erfüllen, jedoch den Nutzen aus der Vertragserfüllung, der ausfällt, zu ersetzen.“; dass dieser Nutzen aber kaum, jedenfalls nicht in rechtstatsächlicher Weise verwertbar, weil nicht messbar ist, wird von Grundmann/Hoerning nur unter dem Stichwort der Beweisschwierigkeiten (S. 12 f.) angerissen, jedoch nicht weiter differenziert. 602 Wie Salganik/Dodds/Watts, Science Vol. 311 (2006), 854, und Watts/Dodds, Journ. Cons. Res. Vol. 34 (2007), 441, geht wie gesehen auch Trommsdorff, Konsumentenverhalten, S. 122 f., von äußeren Einflussfaktoren auf die Kaufentscheidung aus, die sich Werbung zunutze machen kann und regelmäßig auch macht.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Entstehung von Kaufentscheidungen beachtliche kollektive Meinungsbildung.603 Solche allgemeine Vertrauenswerbung im Zusammenhang mit einem Reputationsaufbau ist ad incertas personas gerichtet und deshalb abstrakt. Von solcherlei Werbung angesprochene Konsumenten vertrauen auf das ihnen vermittelte Bild, weil sie allgemeines Vertrauen in die Reputation des Anbieters aufbringen. Ein „guter Name“ allein reicht häufig aus, die Verwender des Produkts klischeehaft-typisiert verschiedenen sozialen Schichten zuzuordnen, was nicht nur für die Verwendung hochpreisiger Statussymbole gilt, sondern mit dem Lebensmitteleinkauf bei einem Discounter und dem Tragen von Marken-Kleidung seinen Anfang nimmt. Wenn sich das abstrakte Vertrauen freilich auch auf die mit der positiven Reputation verbundene Vorstellung von besonderer Qualität bezieht, so steht diese aber jedenfalls nicht in konkretisier- und individualisierbarer Weise im Vordergrund der von einer endogen beeinflussten Präferenzbildung gesteuerten Kaufentscheidung. Wenn aber davon auszugehen ist, dass die Parteien eines intendierten Vertrages sich am Beginn der Verhandlungsbeziehung nicht kennen, so beschränkt sich das Anfangsvertrauen in einer solchen Beziehung auf das abstrakte Vertrauen, das in Bezug auf die konkrete Transaktion und den individualisierten Transaktionsgegenstand nur ein geringes Maß an Verbindlichkeit erzeugt. Da es aber – realiter täglich zu beobachten – zu nicht zählbaren Geschäftsabschlüssen zwischen einander unbekannten und häufig auch mehr oder minder annonym bleibenden Parteien kommt, liegt die Vermutung nahe, dass Akteure regelmäßig in gleichsam ,blindem Vertrauen‘ in Transaktionsbeziehungen eintreten. Dies jedoch zu Recht. Einem solchen Start in blindem Vertrauen steht nämlich nicht allein das Argument der Rationalität dieses Informationsverhaltens zur Seite, wie bereits dargestellt,604 sondern wohnt auch ein strategisches Element inne: Wenn ein Akteur eine mögliche Transaktionsbeziehung aufgrund seiner Präferenzen für wünschenswert hält, er dem Vertrauensnehmer objektiv betrachtet, jedoch noch nicht vertrauen kann, so mag es sinnvoll sein, Vertrauen bis zu einem gewissen Maß mit dem Ziel „vorzutäuschen“, eine valide, auf Interaktion und Kommunikation basierende und sodann konkrete Vertrauensbeziehung aufzubauen.605 Das durch die Reputation vermittelte abstrakte Vertrauen begründet mit Blick hierauf deshalb eine ,invitatio ad credendum‘, die Aufforderung, dem Reputationsträger konkretes Vertrauen entgegenzubringen. Diese invitatio des Anbieters und ihre Annahme durch den Abnehmer wiederum rechtfertigen sich aus der Reputation des Anbieters, die ihn insoweit als vertrauenswürdig ausweist. Insbesondere hierin liegt die ökonomische und vertragstheoretische Grundlage der Reputation und des abstrakten Vertrauens als Substitut konkreter Information.606 603 Dazu oben 1. Kap. § 2 B) II.4 b), wo bereits auf mögliche Folgewirkungen für den Anbieter aus der Nutzung abstrakt für sich in Anspruch genommenen Marktvertrauens hingewiesen worden war. 604 Dazu oben 1. Kap. § 2 II.1 c). 605 Vgl. Hardin, Politics and Society, S. 505 ff. 606 Außerdem kann hierin auch juristisch eine vertragstheoretische Grundlage gesehen werden, was anhand der Thesen Thüsing’s, Schutz durch Vertragsfreiheit, offenbar wird, die sich wie folgt an-
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Der Vertrauensgeber ist also bereit, die Aufforderung des Anbieters anzunehmen. Er kann den Vorschuss an konkretem Vertrauen aufbringen, da und soweit sein abstraktes Vertrauen in die Reputation des Anbieters flankiert wird durch sein Vertrauen in die (rechtlichen) Institutionen, die solches Konsumentenverhalten der Informationssubstitution durch Vertrauen schützen und es damit selbst institutionalisieren.607 Diese Institutionen setzen hierbei zwar voraus, dass auch ein abstraktes Vertrauen – nicht zuletzt mit Blick auf das Ziel, den Aufbau von Reputation zu erleichtern und die hiermit verbundenen Kosten gering zu halten – unzweifelhaft schutzwürdig ist, dürfen jedoch nicht darüber hinwegsehen, dass sich dieser Schutz in seiner Schutzrichtung an dem Vertrauensinhalt auszurichten hat, also dem (nur) abstrakt-generellen Charakter dieses Vertrauens Rechnung tragen muss. Insoweit kann der zwar auf Reputation basierende institutionelle Schutz abstrakten Vertrauens tatsächlich auf die individuellen Rahmenbedingungen einer konkreten Reputationsbeziehung nur begrenzt Rücksicht nehmen. Es handelt sich im Ergebnis um einen Vertrauensschutz statischer Natur, dem sich die Vertrauensgeber nahezu passiv unterstellen. Ganz anders demgegenüber die sich aus der abstrakten Vertrauensanbahnung entwickelnde konkrete Vertrauensbeziehung: Durch die Aufnahme einer von Kommunikation und wechselseitiger Identifikation getragene Verhandlungsbeziehung beeinflussen die Akteure die Begleitumstände und Rahmenbedingungen, unter denen sich das Vertrauen entwickeln kann;608 die Vertrauensrelation wird insoweit von einem in den Händen der Parteien liegenden ,kreativem Element‘ getragen.609 Soweit sich der Vertrauensgeber von seinem durch die Reputation des Vertrauensnehmers hervorgerufenen abstrakten Vertrauen zu einem ersten Schritt in die konkrete Vertrauensbeziehung veranlasst sah, hat er hierdurch das Fundament für die Entwicklung einer konkreten Vertrauensbeziehung gelegt, die sich in zunächst kleinen dann aber größer werdenden Sprüngen vertieft und verfestigt. Das soeben als strategisch blindes Vertrauen bezeichnete Verhalten stellt sich damit als vorübergehende Lösung dar, die einen Prozess der (konkreten) Vertrauenssteigerung und damit der schrittweise Reduzierung von Verhaltens- und Verhandlungsunsicherheiten in Gang setzt.610 Der dynamische Prozeß zur Bildung konkreten Vertrauens kann daher als ein spiralförmiges, sich stetig selbst verstärkendes Modell beschrie-
607 passen lassen: Vertrauenswerbung schafft Erwartungen. Das Handeln nach diesen Erwartungen reduziert den Informationsaufwand, was wiederum bei qualitätsinkongruenter Vertrauenswerbung die Informationsasymmetrie vertieft und damit auch die Willlensbildung der Vertragspartner beeinflusst. Da aber der vertragliche Konsens stets nur Indiz für eine auch ökonomisch angemessene Allokation und vertragliche Regelung ist, ist die Rechtsordnung unter solchen Umständen gehalten, in den desinformationsbedingten Vertrag, der letzthin nicht auf freiheitlichem Fundament steht, einzugreifen. 607 Möllering, Understanding Trust, S. 15 ff.; Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 45. 608 Möllering, Understanding Trust, S. 18. 609 Beckert, Trust, S. 20. 610 Erneut Möllering, Understanding Trust, S. 18, mit Hinweis auf Hardin, Politics and Society, S. 505 ff.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
ben werden.611 Wer nämlich Vertrauen entgegenbringt, sei es auch in der Entwicklung von einem abstrakten hin zu einem ersten kleinen Schritt konkreten Vertrauens, darf und kann seinerseits damit rechnen, dass er selbst für vertrauenswürdig gehalten und ihm entsprechend entgegengetreten wird.612 So wird Vertrauen idealiter ein jedes Mal mit Vertrauen beantwortet, was zu einer sich nachhaltig verfestigenden Struktur und Verbindung führt. Der zunächst überwiegend passive und statische Zustand abstrakten Vertrauens wird durch einen Prozess aktiv beeinflussten und dynamischen Vertrauens abgelöst und überlagert. Die Verhandlungsbeziehung der Parteien entwickelt sich hierdurch weg von einer reinen Leistungsaustausch- hin zu einer Kooperationsbeziehung. 7 konkrete Beziehung (Kooperation)
6
Kooperationsgrad
5
Institutionen Vertrauenswürdigkeit
4 3
Reputation
2 1
Relationsumfeld objektive Erwartung
abstraktes Vertrauen konkretes Vertrauen
0 Zeitablauf der Verhandlungsbeziehung
Abb. 4: Vertrauensleiter des abstrakten (statischen) und konkreten (dynamischen) Vertrauens Dieser Prozess dynamischer Vertrauensbildung und Kooperation begründet ein transaktionsspezifisches Vertrauen, bei dem die wechselseitigen und wechselbezüglichen Interessen zunehmend in den Vordergrund treten. Da aber auch diese konkrete Vertrauensbeziehung von einem Vertrauen in die sie schützenden Institutionen getragen ist, haben sich diese wiederum an der Schutzrichtung des Vertrauens auszurichten. Mit Blick auf den gegenüber der abstrakten Vertrauensbeziehung 611
So Zand, Trust and Managerial Problem Solving, S. 233. Versteht man Vertrauen heute als eine Kombination aus dem Glauben in die Vertrauenswürdigkeit des anderen Teils und den spezifischen eigenen Präferenzen des Vertrauensgebers, nämlich dessen Grad der Risikobereitschaft oder Risikoaversion, dessen Verständnis von der Reziprozität des Vertrauens, dass nämlich jede Vertrauensbeziehung von wechselseitiger Vertrauensnotwendigkeit und Vertrauensbereitschaft getragen ist (vgl. dazu Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 9 f.) und dessen gegebenenfalls auch zu berücksichtigenden altruistischen Motiven, und geht man ferner davon aus, dass sich diese Präferenzen ebenso verschieben, wie der Glaube in die Vertrauenswürdigkeit, ist solches Verhandlungsvertrauen keine abstrakte Größe (mehr), sondern ein sich stetig entwickelnder Prozess, vgl. Sapienza/Toldra/Zingales, Understanding Trust, S. 2 f. 612
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nun nicht mehr statischen, sondern dynamischen Vertrauensbildungsprozess sind dann jedoch auch die zu seinem Schutz begründeten und zu begründenden Institutionen dynamisch auszugestalten und zu handhaben, um das Entstehen von Schutzlücken und damit einhergehend Effizienz- und Wohlfahrtsverlusten zu vermeiden.613 Im Ergebnis ist deshalb mit den im Laufe einer Verhandlungsbeziehung zu unterscheidenden Qualitätsstufen der Vertrauensbeziehungen614 auch zwischen den ihrem Schutz dienenden Institutionen zu trennen: Während das in seiner Entwicklung eher statisch-abstrakte Vertrauen auch mit unbeweglichen Institutionen auskommt, muss sich die Dynamik des konkreten Vertrauens auch in den dieses absichernden Institutionen widerspiegeln. cc) Folgenabwägung und sozialökonomisches Optimum Bei der Differenzierung und inhaltlichen Ausgestaltung der Institutionen zum Schutz des abstrakten und des konkreten Vertrauens in seiner jeweiligen Funktion, ein abstraktes oder ein konkretes Maß an Information zu substituieren, dürfen aus rechtsökonomischer Sicht aber gerade auch die mit ihnen ihrerseits verbundenen Rückwirkungen auf die Präferenzbildung der Transaktionspartner nicht aus den Augen verloren werden.615 Wie die Darstellung der rechtsökonomischen Modelle zur Theorie des effizienten Vertragsbruchs gezeigt hat,616 vertraut der Abnehmer in den Erhalt der vertragsgerechten Leistung, der Anbieter darauf, dass ihn keine unerkannten oder exorbitant hohen Kompensationsrisiken erwarten. Seinen Ausgang nimmt dieses Vertrauen, wie soeben noch einmal gesehen, in der Annahme, dass jedes Individuum nur begrenzt rational handelt, weil nach inzwischen überkommener ökonomischer und kognitiv-psychologischer Theorie die vollständige Information von Marktteilnehmern und Transaktionspartnern einer realitätsfernen Modellwelt entsprungen617 und der Eintritt in eine konkrete Verhandlungsbeziehung ohne einen ersten 613 Dies schließt nochmals (vgl. oben 1. Kap. § 2 A) II.1 c)) an die Rationalisierungsthese für Vertrauen von Luhmann, Vertrauen, S. 112 ff., 117, an, wonach Vertrauen rational ist, wenn es institutionell geeignet ist, Handlungskomplexität zu reduzieren und mit Blick auf ein Zeitmoment instrumentell zum Aufbau komplexer Sozialstrukturen beiträgt. 614 Wie hier unterscheiden auch Lewicki/Bunker, Developing Trust, S. 121 f., zwischen qualitativ unterschiedlichen Arten des Vertrauens in Abhängigkeit von der Beziehungstiefe, in der sich die Transaktionspartner bewegen. Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 106 ff., unterscheidet zwischen Vertrautheit, was dem hier so bezeichneten abstrakten Vertrauen entspricht, und spezifischem Vertrauen, was dem konkreten Vertrauen gleichkommt. 615 Nicht nur, dass Coase, Soziale Kosten, S. 169 (dazu oben 1. Kap. § 2 B) I.3), weitreichende ökonomische Folgen in Bezug auf die aus der anfänglichen gesetzlichen Güterzuordnung resultierenden Transaktionskosten nachgewiesen hat; weitgehend Einigkeit besteht auch darüber, dass Normen als Handlungsrestriktionen auf die individuelle Präferenzbildung maßgeblichen Einfluss nehmen und deshalb unter Berücksichtigung des Rational-Choice-Ansatzes in die ökonomische (Folgen-)Betrachtung stets mit einzubeziehen sind, vgl. Lüdemann, Normen, Sanktionen und soziale Kontrolle, Tz. 1, 4. 616 Eingangs dieses Kapitels, 1. Kap. § 2 C) I.2 und I.3. 617 Vgl. bereits oben 1. Kap. § 2 A) II.1 und 1. Kap. § 2 B) I.1.
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Schritt in gleichsam „blindem Vertrauen“ kaum möglich ist. Das Problem der Reichweite des Schutzes eines Abnehmervertrauens in Bezug auf wertsteigernde Investitionen in das erwartete Vertragsgut spiegelt sich in diesem informationsökonomischen Spannungsverhältnis wider.618 Die folgende Überlegung möge dies verdeutlichen:619 Der soziale Gesamtnutzen aus der Transaktion Ws übersteigt den Nutzen ohne die wertsteigernde Investition W nur dann, wenn der zur Kostenreduktion nötige Aufwand des Anbieters (Ar) geringer ist, als die Differenz aus Ns und An, also geringer als der realisierte Nettonutzengewinn des Abnehmers. Bestandteil des ökonomischen Aufwandes zur Kostenreduzierung des Anbieters ist jedoch auch das von ihm kalkulierte Haftungsrisiko620 im Falle einer Leistungsstörung. Erhöht sich dieses Haftungsrisiko für den Anbieter erkennbar, wirkt dies unmittelbar auf den – zu verhandelnden – Vertragspreis zurück. Der Abnehmer als begrenzt rationaler Nutzenmaximierer wird jedoch nur bereit sein, auch einen erhöhten Vertragspreis zu zahlen, wenn der gesteigerte Nettonutzengewinn aus der Differenz Ns – An größer ist, als das Delta aus dem ursprünglichen und dem erhöhten Vertragspreis.621 Diese Bedingung aber ist nur erfüllt, wenn die Vertrauensinvestition nicht zu einer derartigen Ausweitung des Haftungsrisikos für den Anbieter führt, dass allein aus der Erhöhung der Haftungssumme auch ohne variierende Wahrscheinlichkeit des Haftungseintritts die in die Vertragspreisbemessung einbezogenen Eventualkosten den (subjektiven) Nutzengewinn aufzehren. Soweit dem Anbieter die mit dem Vertrag verbundenen Haftungsrisiken nicht offenbar werden, weil sie z.B. aus besonders schadensgeneigten Umständen aus der Sphäre des Abnehmers resultieren oder weil sie sich etwa soweit von der unmittelbaren vertraglichen Leistung entfernen, dass der Anbieter sie nicht mehr hatte vorhersehen müssen, aber dennoch eine Haftung auch für solche Schäden begründet wäre, weil nach der einleitend herausgestellten Formel zur Maximierung der sozialen Gesamtwohlfahrt davon ausgegangen werden müsste, dass grundsätzlich jede den Vertragswert steigernde Investition des Abnehmers auch zu einer Steigerung der Wohlfahrt führt, würde der Anbieter die mittlere Erhöhung des Haftungsrisi618 So letztlich auch Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 4: „Es [Anm.: Das Rationalmodell] erlaubt, genauer zu sagen, welche zusätzlichen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit man den Verzicht auf Sicherungen verantworten kann, die gegenüber einem rationalen Nutzenmaximierer ratsam wären. Auf unseren Gegenstand gewendet: es sagt dem Individuum also, welche Art von Informationen es zusätzlich benötigt, bevor es vertrauen kann.“. 619 Für die Darstellung greife ich auf die an den Anfang der Diskussion gestellte Formel aus oben 1. Kap. § 2 C) I.4 a) und ihre Variablen zurück. 620 Dass Wahrscheinlichkeiten alternierender Ereignisse bei der Berechnung des Vertragswertes, und daraus folgend auf Anbieterseite auch für die Kalkulation des Kaufpreises beachtlich sind, folgt demselben Gedanken und derselben Modellierung, wie oben in 1. Kap. § 2 C) I.3 cc) für KaldorHicks-effiziente Verschaffungsverträge dargestellt. 621 Mit diesem Gedanken abermals Bebchuk/Ben-Shahar, Precontractual Reliance, J.L.S. 2001, 423, 435 ff.
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Preis
kos auf seine Angebotspreise aufschlagen und so den Marktbedingungen nicht mehr angepasste Preise generieren.622 Eine solche Preiserhöhung aber ist geeignet, in einer Vielzahl von Fällen die Grenzpreise der Abnehmer zu überschreiten, also Transaktionen zu verhindern, weil es an der nötigen Zahlungs- und Investitionsbereitschaft der potentiellen Abnehmer zu dem erhöhten Preis fehlt.623 Unter Betrachtung des sozialen Gesamtnutzens wäre die ersatzbegründende „Vertrauensinvestition“, respektive der Schutz des Vertrauens hierein nicht mehr effizient. Der Investition in eine individualisierte Vertrauens- und Kooperationsbeziehung wäre die Legitimation entzogen. Grafisch ist dies anhand der nachfolgend abgebildeten Funktion eines Tauschoptimums zwischen den Marktteilnehmern darstellbar: 100 90 80 70
Zahlungsbereitschaft
60
Grenzkosten d. Produktion
50
p'
40
Grenzkosten k'
30 20 10 0 Nachfrage (Menge x)
Abb. 5: Tauschoptimum Soweit ein Gut in der Menge x nachgefragt und zu einem konstanten Marktpreis von p’ angeboten wird, wird der Produzent das Gut solange in den Markt bringen und anbieten wollen, wie der erzielbare Preis die Grenzkosten der Produktion deckt. Die Konsumenten werden diesen Preis solange zu zahlen bereit sein, wie er unterhalb ihrer maximalen und subjektiv bemessenen Zahlungsbereitschaft liegt. Aus der den Marktpreis übersteigenden Zahlungsbereitschaft der Konsumenten, hier durch das Dreieck zwischen der Zahlungsbereitschafts- und der Preisfunktion p’ dargestellt, resultiert deren Konsumentenrente,624 nämlich der Mehrwert,625 der aus dem Erwerb des Guts zu einem unterhalb der Zahlungsbereitschaft liegenden Preis generiert wird.626 Zugleich entsteht eine vom Anbieter erzielbare Produzen622
Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 467 ff. Bebchuk/Ben-Shahar, Precontractual Reliance, J.L.S. 2001, 423, 435 ff. 624 Mit dem Fachterminus der „ökonomischen Renten“ werden jene Zahlungen an einen Produktionsfaktor definiert, die über die Mindestzahlung hinausgehen, welche notwendig ist, damit der Faktor angeboten wird, Varian, Mikroökonomik, S. 417. 625 Dieser Mehrwert wird nach oben also durch den nicht verifizierbaren subjektiven Nutzen definiert, der dem Gut vom Konsumenten beigemessen wird. 626 Vgl. dazu ausführlich Varian, Mikroökonomik, S. 251 ff. 623
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
tenrente aus dem Angebot schon des ersten Produkts zum Marktpreis, hier dargestellt durch das Dreieck zwischen der Marktpreisfunktion p’ und der Grenzkostenfunktion der Produktion.627 Im Schnittpunkt beider Funktionen ist das sozialökonomische Optimum erreicht. Das zwischen den Parteien bestehende Tauschverhältnis kann nicht weiter ausdifferenziert und verbessert werden, ohne dass eine der Parteien einen Verlust erlitte.628 Steigen nun aber die Grenzkosten der Produktion auf den Wert k‘ an, weil der Anbieter sich gezwungen sieht, die mittlere Erhöhung des Haftungsrisikos einzukalkulieren, wird dieses sozialökonomische Optimum verfehlt. Die potentielle Verteuerung der Vertragserfüllung führte insoweit zwangsläufig zu Wohlfahrtsverlusten. dd) Informationsökonomik des Vertrauensschadens Dieser hier beschriebene Marktmechanismus würde nur dann durchbrochen, wenn die Haftung des Anbieters sich auf üblicherweise eintretende, damit vorhersehbare und in dessen allgemeiner Kalkulation berücksichtigte und mit dem Vertragsgegenstand in einem gewissen Zusammenhang stehende Schadenspositionen insbesondere in Bezug auf Vertrauensaufwendungen begrenzt würde.629 Anders als im Deliktsrecht steht es den Parteien im Rahmen der kooperativen Vertragsanbahnung offen, besondere Risiken, Investitionen und die besondere Schadensneigung zum Gegenstand der Verhandlungen zu erheben und damit den individuellen Vertragspreis nach der individuellen Vertragssituation zu bemessen.630 Dies setzt allerdings voraus, dass dem Anbieter das spezifische Risiko des Abnehmers bekannt wird und er seinen Vermeidungsaufwand und damit Vertragspreis an diesem Risiko ausrichten kann.631 Zugleich bleibt damit die Verallgemeinerung in Form einer haftungsrechtlichen Sozialisierung individualisierter Schadensneigung vermieden.632 627
Zu dieser Form der Kosten-Nutzen-Analyse vgl. ebenfalls Varian, Mikroökonomik, S. 265 ff. Insoweit ist daher ein Pareto-optimaler Zustand erreicht, vgl. oben 1. Kap. § 2 B) I.3. 629 Im Common Law wird diese Einschränkung als foreseeability doctrine bezeichnet, wonach Schadensersatz grundsätzlich nur für vorhersehbare Schäden zu leisten ist, vgl. Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 264 f. Im deutschen Rechtskreis gilt entsprechendes nur mit Einschränkungen. Im Wesentlichen wird das Problem über § 254 BGB gelöst, wonach der Vertragsgläubiger auf besondere Risiken hinweisen muss, er anderenfalls seinen Schadensersatzanspruch in der den Erwartungsschaden übersteigenden Höhe verliert. Die Höhe des Schadensersatzes wird daher auf vertraglicher Ebene über eine Informationsobliegenheit des Gläubigers und die Berechtigung des Schuldnervertrauens auf nur gewöhnliche Schadensrisiken ohne solche Information gestützt (vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 468 ff.), was auch insoweit die Bedeutung vorvertraglicher Informationsobliegenheiten und -pflichten im Zusammenhang mit Vertrauenserwägungen und daraus resultierenden Ersatzansprüchen noch einmal deutlich unterstreicht. 630 So i.E. wohl auch Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 572 ff. 631 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 468 f. 632 So auch Trimarchi, Vertragshaftung aus ökonomischer Sicht, S. 127: „Es ist daher gerecht, eine Abschätzung derselben [Anm.: der vertraglichen Haftung für Nichterfüllung] vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses her zu ermöglichen, damit der Schuldner in die Lage versetzt wird, den von ihm geschuldeten Aufwand zu kalkulieren, um sich diesem im Bewusstsein seiner Verpflichtung unterziehen und eine entsprechende Gegenleistung fordern zu können.“. 628
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Es stellen sich aus informationsökonomischer Sicht deshalb zwei Fragen, nämlich erstens, inwieweit dem Anbieter die Möglichkeit einer Prospektierung der ihn erwartenden Risiken eingeräumt werden muss oder sollte und zweitens, wie weit ohne diese Information die schadensökonomische Ereigniskette reichen darf, wie weit sich also die noch zu schützenden Vertrauensaufwendungen in ihrem Verhältnis zum eigentlichen Vertragsgegenstand von diesem entfernen dürfen.633 Darüber hinaus ist zu klären, welchen Einfluss die Differenzierung zwischen abstraktem und konkretem Vertrauen auf die Unterscheidung zwischen üblichen und zu erwartenden Schäden einerseits und besondere Schadensneigungen andererseits hat. c) Umweltveränderungen, Quasi-Renten und Vertragsinterpretation aa) Grundlagen Wenn und soweit im Hinblick auf die erste der hier gestellten Fragen die Prospektierung von Risiken der Schadensneigung aufseiten des Vertragsgläubigers eine wesentliche Rolle für die Reichweite eines Schadensersatzanspruchs und damit eine qualitative Grundlage für die Abgrenzung zwischen einer strikten pacta sunt servanda – Regel und einem effizienten Vertragsbruch bildet, wandelt sich die Suche nach dem effizienten Maß an Vertrauensaufwendungen in die Suche nach dem richtigen Maß an wechselseitiger Information um, wodurch der untrennbare Zusammenhang von desinformationsbedingten Verstrickungslagen und einem institutionalisierten Vertrauensschutz ein weiteres Mal belegt ist. Im Ergebnis geht es also darum, abzugrenzen, inwieweit der Vertragsgläubiger in einer konkreten Vertrauensbeziehung über besondere Risiken aufklären muss, um entsprechende Ersatzansprüche im Falle der Risikorealisation zu erwerben, und inwieweit deren Ersatzfähigkeit stillschweigend und typischerweise in abstraktem (statischem) Vertrauen vorausgesetzt und deshalb mit dem Vertragsschluss per se abgedeckt ist. Letzteres mag insbesondere dann der Fall sein, wenn die Vertragsbeziehung als Reaktion des Abnehmers auf die invitatio ad credendum des Anbieters und eines hierdurch schließlich veranlassten konkreten Vertrauens zustande kommt, obwohl die Parteien vor der unausweichlichen Informations- und der damit eng verbundenen Vertrauensasymmetrie634 nicht die Augen verschlossen hatten.
633 Aus der juristischen Diskussion ist eine solche Differenzierung nicht nur im Zusammenhang mit der Vorhersehbarkeit von Schäden und der Reichweite einer Ersatzpflicht für nicht vorhersehbare Schadenspositionen (vgl. z.B. Oetker, in: MünchKomm-BGB, § 254 Rz. 70, § 249 Rz. 100 ff.), sondern auch aus dem Deliktsrecht, nämlich der Beachtlichkeit von Reserveursachen, also einer hypothetischen Kausalität bei Objekt- und bei Vermögensfolgeschäden bekannt (vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 848 ff, 850). 634 Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 11, erkennt mit Blick auf die künftige Verwertbarkeit des durch Reputation erworbenen Sozialkapitals ein intertemporales Element, aus dem heraus sich das Entstehen asymmetrischer Vertrauenssituationen auch unter rational handelnden Akteuren erklären ließe.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Zunächst ist davon auszugehen, dass es sich bei der Aufklärung über eine besondere Schadensneigung auf Gläubigerseite, sei es durch erhöhte Vertrauensaufwendungen oder andere Umstände, die bei ihm eine überproportionale Nutzen- und damit Wertsteigerung nach sich ziehen, im (rechts-)ökonomischen Sinne um unproduktive Informationen handelt.635 Das Wissen um besondere Risiken im Falle des Fehlschlagens des Geschäfts stellt bloßes Vorauswissen (foreknowledge) in Bezug auf das Substrat der Transaktion, nämlich in Bezug auf verwenderbezogene Umstände dar, die früher oder später ohne besonderen Informationsaufwand ohnehin zu Tage treten, ohne dass hierdurch eine Steigerung des Gesamtnutzens realisiert würde.636 Vielmehr kann die individuelle Nutzensteigerung auf Gläubigerseite durch risikolose Vertrauensinvestition und gegebenenfalls Kompensation durch Schadensersatz im Falle des Scheiterns der Transaktion nicht realisiert werden, ohne dass ein – kompensationsloser, weil nicht durch Anpassung des Kaufpreises vergüteter – inhaltsgleicher Schaden auf Seiten des Vertragsschuldners entstünde.637 Ökonomisch hat die unterlassene Aufklärung über eine besondere Investitionsund Zahlungsbereitschaft,638 die einer besonderen Schadensneigung gleich kommt, daher keinerlei Wert; effizient wäre allein ein Zustand vollständiger Information des Vertragsschuldners über Verwendungsabsichten, zu tätigende Vertrauensinvestitionen und andere transaktionsbezogene Umstände auf Gläubigerseite, die sich im Wesentlichen auch in einer Erhöhung von dessen Zahlungsbereitschaft widerspiegeln und damit möglicherweise zwar das Niveau des zu erhaltenden sozialen Optimums verschieben, nicht aber die Relation zwischen der Zahlungsbereitschaft einerseits und den Grenzkosten der Produktion andererseits. Hiernach wäre von einer vollständigen Aufklärungspflicht des Vertragsgläubigers gegenüber dem Vertragsschuldner in Bezug auf seine, des Vertragsgläubigers, Verwendungsabsichten und Investitionspläne auszugehen. Die Effizienz eines solchen Zustandes allein lässt allerdings noch keinen Rückschluss auf seine auch effiziente Herstellung zu. Die Pflicht zur Offenbarung der unproduktiven Information zur Schadensneigung hängt unter Effizienzgesichtspunkten ihrerseits davon ab, welche der Parteien die jeweils bedeutsame Informa635
Vgl. dazu oben 1. Kap. § 2 A) II.3 d). Erneut Hirshleifer, 61 (1971) A.E.R., S. 561 ff., 567; Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 281 f. 637 Vgl. zur Veranschauung dieses „Korrespondenzprinzips unproduktiver Information“ noch einmal den oben bei 1. Kap. § 2 A) II.3 d) zitierten Fall Laidlaw v. Organ (15 U.S. 84, 2 Wheat. 178 [1817], erläutert auch bei Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 281). 638 Eine besondere Investitionsbereitschaft in diesem Sinne muss nicht allein, wie sogleich zu zeigen sein wird, monetären Charakters sein, sie kann auch in beschränkten Verwendungsmöglichkeiten auf Erwerberseite oder einer besonderen Spezialisierung des Vertragsgegenstandes bestehen, sodass – möglicherweise auch geringfügige – Veränderungen der Umwelt- und Rahmenbedingungen zu einem Wegfall der Verwendungsmöglichkeit des Erwerbers für den Vertragsgegenstand führen. Die Transaktion weist in solchen Fällen für den Erwerber eine hohe Faktorspezifität auf, wie Williamson, Institutionen, S. 60 ff., es bezeichnet, die den Transaktionsgegenstand seiner besten Verwendung nur in der spezifischen Transaktion zuführt und so u.a. lock in – Situationen nach sich zieht. 636
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tion mit geringerem Aufwand ans Licht bringen und in die Transaktionsbeziehung einführen kann, oder anders gefragt: Ist die ungefragte Aufklärung durch den Vertragsgläubiger günstiger und damit effizienter, als die Suche nach der richtigen Frage durch den Vertragsschuldner.639 Im Ergebnis fokussiert sich die Informationsasymmetrie in Bezug auf die Schadensneigung damit auf eine Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten.640 Dort wo die unproduktive Information mit dem geringeren Aufwand herzustellen und von wo aus sie kosteneffizienter zu tradieren ist, besteht unter Effizienzgesichtspunkten auch die Pflicht zu entsprechender – auch ungefragter – Offenbarung. Andererseits ist dort, wo bereits konkludent mit der Definition des Vertragsgegenstandes davon ausgegangen werden kann und muss, dass auch eine Einigung über die Haftungszuweisung getroffen ist, weder über ein allgemein zu erwartendes Risiko ungefragt aufgeklärt noch auf eine besondere Frage gewartet werden.641 Mit der nach Offenbarung ausdrücklichen oder konkludenten Einbeziehung der Information in das Vertragsanbahnungs- und das Vertragsverhältnis wird der Informationswert auch zur Grundlage der kommunizierenden Vertragswerte und folglich auch der Vertragspreisbemessung beider Parteien. Der Abnehmer hat durch die Akzeptanz des gegebenenfalls erhöhten und an dem wechselseitigen Informationshorizont ausgerichteten Vertragspreises eine „Erfüllungsversicherung“642 erhalten, die in der Erklärung des Anbieters zum Ausdruck kommt, zu dem ausgehandelten Preis erfüllen zu wollen und das damit einhergehende Erfüllungsrisiko zu übernehmen. Jedenfalls unter Anwendung der would have wanted-theory ist in diesem Sinne von einem vervollständigten Vertrag auszugehen.643 Droht sich das vertraglich inkorporierte Risiko aber zu realisieren, besteht kein Raum für die Anerkennung eines Rechts zum effizienten Vertragsbruch. Dieser war bei auftragsbezogenen Kontingenzen deshalb grundsätzlich als effizient einzustufen, weil anderenfalls dem Vertragsgläubiger die Möglichkeit eröffnet wäre, in opportunistischer Weise überkompensatorischen Schadensersatz auszuhandeln;644 diese Gefahr droht hier indes nicht, da der Vertragsgläubiger für den zu begehrenden Ersatz realisierter Schadensrisiken bereits eine Gegenleistung erbracht, nämlich unter Zugrundelegung eines im Rahmen der Vertragsanbahnung auszugleichenden Informationshorizonts den vereinbarten und an seiner erhöhten Zahlungsbereitschaft ausgerichteten Vertragspreis gezahlt hat. 639 In der Jurisprudenz ist dieses Prinzip z.B. im Bereich des Gebrauchtwagenkaufs bereits nachvollzogen, wenn ungefragte Aufklärung bei Umständen von „wesentlicher Bedeutung“ geschuldet wird, ansonsten der Verkäufer aber abwarten darf, ob der Käufer eine entsprechende Frage stellt, vgl. z.B. BGH NJW 1987, 909 f. 640 Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 574. 641 In diesem Sinne wohl auch Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 574. 642 Mit diesem Gedanken versicherter Erfüllungsrisiken durch Übernahme des Erfüllungsversprechens jedenfalls in Bezug auf vermeidbare Vertragsstörungen bereits Posner, Economic Analysis, S. 74 ff. 643 Dazu oben 1. Kap. § 2 B) II.3 c). 644 Oben 1. Kap. § 2 C) I.2 b), d) sowie I.3 b) bb) und c).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Die informationsökonomische Grundlage der vertraglichen Effizienz gebietet hiernach in solchen Fällen vertraglich inkorporierter Risiken grundsätzlich das Festhalten an der pacta sunt servanda-Regel, ohne dass hierdurch Opportunismusgefahren Tür und Tor geöffnet würde. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn die informationsverpflichtete Partei ihrer Pflicht nicht (gehörig) nachgekommen ist, die Risiken also vertraglich nicht oder nicht vollständig inkorporiert wurden und sich hieraus nunmehr eine in der Vertragsanbahnung und -verhandlung deshalb unberücksichtigt gebliebene Schadensneigung des Vertragspartners realisiert, die möglicherweise zu sich ändernden Präferenzen der Vertragsparteien führt645 und der – gegebenenfalls nur – durch die Abstandnahme vom Vertrag zu begegnen ist. In solchem Fall wäre der Vertragsbruch effizient, da er infolge Pflichtverletzung des anderen Teils entsteht und deshalb auch hier nicht das Risiko droht, dass lock in-Positionen ausgenutzt werden. Ein effizienter Vertragsbruch kommt nach dieser informationsökonomischen Betrachtung weiter in Betracht, wenn die schadensstiftende Information von keiner der Parteien mit zumutbarem Aufwand hätte im Rahmen der Vertragsanbahnung generiert werden und deshalb auch nicht zum Gegenstand einer konkludenten Zuweisung der Informationslast und damit des Risikos hatte gemacht werden können,646 also auch eine vollständige Kooperationsvereinbarung der Parteien das Risiko nicht hätte ausschalten können. Welcher Aufwand hierbei zumutbar ist, hängt selbstverständlich ganz wesentlich von der Art, dem Umfang und der Bedeutung der Transaktion ab.647 Alltagsgeschäfte werden hierbei also anders zu beurteilen sein, als z.B. Unternehmenskaufverträge.
645 Zu Präferenzverschiebungen im Laufe einer Verhandlungs- und Vertragsbeziehung vgl. bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa) mit Hinweis auf Salganik/Dodds/Watts, Science Vol. 311 (2006), 854 ff., Watts/Dodds, Jour. Cons. Res. Vol. 34 (2007), S. 441 ff. sowie v. Weizsäcker, Journ. Econ. Theory 3 (1971), S. 345 ff. Dass solche Präferenzverschiebungen infolge sich verändernder Rahmenbedingungen auch in desinformationsbedingten Verstrickungslagen aus juristischer Warte betrachtet eine ganz entscheidende Rolle spielen und die Wahl unter verschiedenen zu Gebote stehenden Abwehr- und Kompensationsansprüchen nennenswert beeinflussen können, hat Derleder, NJW 2003, 998 ff., bereits überzeugend dargelegt. 646 Insoweit noch einmal Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 574. 647 So hat z.B. der BGH, ZIP 2001, 918, seinem Urteil vom 04.04.2001 den folgenden Leitsatz vorangestellt: „Bei Verhandlungen über den Kauf eines Unternehmens oder von GmbH-Geschäftsanteilen trifft den Verkäufer im Hinblick auf die wirtschafltiche Tragweite des Geschäfts und die regelmäßig erschwerte Bewertung des Kaufobjekts durch den Kaufinteressenten diesem gegenüber eine gesteigerte Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht.“. In den Entscheidungsgründen heißt es unter Bezugnahme auf besondere Erschwernisse auf Käuferseite, die ökonomisch übersetzt mit erhöhten Informationsbeschaffungskosten gleichgesetzt werden könnten: „Diese Erschwerung der Bewertung des Kaufobjekts durch einen außenstehenden Interessenten, die auch durch dessen möglicherweise vorhandene Sachkunde nicht ausgeglichen wird, und seine besondere Abhängigkeit von der Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm erteilten Informationen vor allem zur Umsatz- und Ertragslage des Unternehmens sowie die regelmäßig weitreichenden wirtschaftlichen Folgen der Kaufentscheidung rechtfertigen es, dem Verkäufer eine gesteigerte Aufklärungspflicht aufzuerlegen und an die hierbei anzuwendende Sorgfalt einen strengen Maßstab anzulegen.“.
§ 2 Grundlagen einer integrativen Rechtsökonomik und ihre Ableitungen
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Die hier angestellte Grundüberlegung, dass ein effizienter Vertragsbruch allein außerhalb einer ausdrücklichen oder konkludenten Informationslastenverteilung möglich bleibt, baut also auf der Annahme auf, dass es sich bei dem zu offenbarenden oder stillschweigend einbezogenen Umstand um unproduktives Vorauswissen (foreknowledge) handelt. Soweit dies der Fall ist, kann das aus dem betroffenen Umstand sich gegebenenfalls realisierendem Risiko als mit dem Vertragspreis versichert gelten. Solcherart unproduktives Vorauswissen ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Partei über Wissen verfügt oder sich Wissen im Rahmen der Vertragsanbahnung verfügbar machen kann, dass zu gegebener Zeit ohnehin und jedenfalls innerhalb der Transaktionsbeziehung „öffentlich“ geworden wäre. Der fehlende Schutz solchen Wissens folgt aus dem Bestreben, wirtschaftlichen Nutzen aus einem „race to be first“ schon im Ansatz zu vereiteln.648 Verfügt nun aber keine der Parteien über das entsprechende Wissen und ist die Ermittlungslast im Rahmen der Vertragsanbahnung auch nicht – ausdrücklich oder konkludent – von den Parteien verteilt worden, so ist der Vertrag unvollständig. Die Rekonstruktion eines vollständigen Vertrages sollte dann aber ergeben, dass einerseits zwar die Anpassung des Vertrages an die veränderten Umstände möglich bleibt, dass andererseits aber eine solche Anpassung beachten muss, dass sie den nur schwer verlässlich und kaum justitiabel zu bestimmenden Vertragswert und die Zahlungsbereitschaft der mit der Anpassung belasteten Partei überschreiten und damit das sozialökonomische Optimum verfehlen kann, sodass die richtige ökonomische Folge insoweit nur in dem Recht dieser Partei liegen kann, sich – gegebenenfalls auch nach einem entsprechenden Anpassungsvorschlag – vom Vertrag zu lösen.649 Die Ähnlichkeit zu auch juristischen Ansätzen der Problemlösung, nämlich insbesondere zu § 275 Abs. 2 BGB650 und zu § 313 BGB651 bei deren Auslegung 648
Oben 1. Kap. § 2 A) II.3 d). Folgendes an Shavell, Specific Performance, 84 T.L.R. (2006), S. 833, 844 f., angelehntes Beispiel möge das bzw. dies verdeutlichen: Beauftragt der private Bauherr den Erdbauunternehmer mit der Ausschachtung der Baugrube und werden sich beide auf Basis markt- und ortsüblicher Kalkulation einig, so ist eine Vertragsanpassung erforderlich, wenn sich – für beide Parteien unerwartet – herausstellt, dass im Boden des Baugrundstücks eine nur mit besonderem Gerät zu durchbrechende Granitplatte lagert; die sich durch die Vertragsanpassung ergebenden zusätzlichen Kosten mögen bei dem Bauherrn wiederum den subjektiven Nutzen eines unterkellerten Grundstücks übersteigen, sodass diesem die Gelegenheit gegeben werden muss, von dem Vertrag Abstand zu nehmen. Dies ist in jeder Hinsicht effizient: Dem Erdbauunternehmer wird nicht das Risiko angelastet, solche Eventualfälle im Vorfeld mit kalkulieren und entsprechendes Gerät vorhalten zu müssen, was zu einer allgemeinen Erhöhung der Vertragspreise auch für die regelmäßigen Fälle führte, in welchen solche Schwierigkeiten nicht auftreten; der Bauherr wieder ist nicht gezwungen, Aufwand in Kauf zu nehmen, dem eine subjektiv-äquivalente Nutzensteigerung nicht mehr gegenüber steht. Der Aufwand, das Grundstück im Vorfeld auf die Beschaffenheit des Erdreichs zu untersuchen, hätte offensichtlich das mit zumutbarem Aufwand Leistbare ebenfalls überspannt. 650 Auch bei der „wirtschaftlichen Unmöglichkeit“ im Sinne des § 275 Abs. 2 BGB ist Bezugspunkt für die Frage der Unzumutbarkeit der Leistungserbringung das – in erster Linie wirtschaftliche und jeweils im Einzelfall zu bestimmende – Gläubigerinteresse an der Leistung. Bei der Feststellung, ob der Umfang der Leistungspflicht hierzu in grobem Missverhältnis steht, ist – wiederum im Einzelfall – 649
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
und tatbestandlicher Ausfüllung die vorstehenden Überlegungen wertvolle Hilfestellung liefern können, ist augenfällig. Diese hier erörterten Grundlagen in ein wertoffenes Modell rechtsökonomischer Methodenlehre einzupassen, das sodann mit den bereits angebotenen juristischen Lösungsansätzen in Deckung zu bringen ist, ist Ziel der Auflösung desinformationsbedingter Verstrickungslagen. bb) Umweltveränderungen und Quasi-Renten Bis hierher ergeben sich nach alledem zwei Dimensionen des informationsökonomischen Ansatzes zur Differenzierung zwischen einem Recht zum effizienten Vertragsbruch und einem Festhalten an der strikten pacta sunt servanda – Regel mit nachfolgendem Erfüllungsschadensersatz: Zunächst ist die Informationslast für verfügbare unproduktive Informationen unter Berücksichtigung der Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten und der Differenzierung zwischen einem statischen und abstrakten Ausgangsvertrauen auf Basis der Reputation der Parteien und einem in der Verhandlungsbeziehung sich entwickelnden, also dynamischen konkreten Vertrauen zu verteilen. Darüber hinaus ist zu entscheiden, wie auf Umstände zu reagieren ist, die auf das Vertrags- und das Abwicklungsverhältnis Einfluss nehmen, ohne dass die Parteien dies im Vorfeld unter Beachtung der zumutbaren Sorgfalt bei der Vervollständigung ihres Vertrages hätten berücksichtigen können. Es stellt sich also die Frage, welche Folgen Veränderungen des sozialen und ökonomischen Umfeldes, hier kurz als ,Umweltveränderungen‘ bezeichnet, in unvollständigen Verträgen zeitigen,652 wie also letztlich übergeordnete vertragliche Risiken zu individualisieren sind. auf651 den Inhalt des Schuldverhältnisses und die Gebote von Treu und Glauben abzustellen, vgl. Löwisch, in: Staudinger, § 275 Rz. 76 f., 85 f. Auch insoweit kommt es also darauf an, inwieweit durch ausdrückliche oder konkludente Einbeziehung einer Information über vertragliche Risiken der Informationswert den Vertragswert und den Vertragspreis mitbestimmt hat, inwieweit also in dem Vertragspreis eine Zuweisung der Informationslast zum Ausdruck kommt. 651 Auch für den Wegfall der Geschäftsgrundlage passen die vorstehenden ökonomischen Erwägungen, wie die insoweit wörtlich wiederzugebende Kommentierung bei Roth, in: MünchKommBGB, § 313 Rz. 28 anschaulich verdeutlicht: „Jedes sich verwirklichende Risiko trifft die Parteien nach Maßgabe der getroffenen Vereinbarungen (…) und der korrigierende Eingriff in die sich so ergebende Konstellation von Vor- und Nachteilen beruht auf der Prämisse, dass die Parteien das für den konkreten Fall so nicht vereinbart oder nicht wirklich gewollt haben, dass also der vorhandene Regelungsrahmen in Anwendung auf diese Entwicklung zu einer Fehlzuordnung der Vor- und Nachteile führt und daher korrektur- oder fortschreibungsbedürftig ist. Nun gehört aber die Zuteilung bzw. Übernahme von Risiken seitens der Parteien zum normalen Inhalt eines Vertrags. Risiken sind Unsicherheiten hinsichtlich leistungs- oder wertrelevanter Umstände oder Entwicklungen; und auch solche Risiken sind Transaktionsobjekte; denn auch Unsicherheit hat ihren Preis, die Übernahme von Risiken wird durch Risikoprämien abgegolten.“. 652 Es geht insoweit also auch um die Frage, wie im Einzelnen die would have wanted – theory, die grundsätzlich mit den Modellen des cheapest cost avoider und des superior risk bearer auszufüllen ist (vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) II.3 c)), in das Konzept abstrakten und konkreten Vertrauens einzubetten ist, um zu entscheiden, ob die Parteien den Vertrag überhaupt vervollständigt oder von diesem Abstand genommen hätten.
§ 2 Grundlagen einer integrativen Rechtsökonomik und ihre Ableitungen
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Diese Frage zu beantworten, erfordert zunächst eine Definition des Begriffs der „Risiken“ im ökonomischen Sinne, die sich aus einer sozial-ökonomischen Umweltveränderung653 ergeben (können). Bis hierher war davon die Rede, dass sich solche Risiken insbesondere in der mangelnden Verwendbarkeit des Transaktionsgegenstandes und in der Nutzlosigkeit von Vertrauensinvestitionen ausdrücken. Doch welches ökonomische Kalkül steht hinter der Überlegung, dass sich verändernde Rahmenbedingungen und hierdurch verändernde Präferenzen Einfluss auch auf den Wert des Transaktionsgegenstandes haben? Für objektive, ihren Marktwert reduzierende Mängel einer Sache liegt dies auf der Hand. In anderen Fällen, insbesondere solchen, die nicht die generelle, sondern nur die konkrete und individualisierte Verwendbarkeit des Transaktionsgegenstandes betreffen, ist der Grund für die Werteinbuße des Vertragsgegenstandes nicht in gleichem Maße augenfällig, wie nachfolgendes Beispiel belegt: Bauherr B bestellt bei Unternehmer U eine vollständige Küche für sein neues Haus zu einem wertangemessenen Preis von 15 000 €. Am Tage der Lieferung stellt sich heraus, dass die Küche wegen eines Aufmaßfehlers weder eingepasst noch eingebaut werden kann. U verlangt Bezahlung, B Rücktritt.654
Die gelieferte Küche selbst ist ohne Mangel im Sinne des § 434 BGB. Ebensowenig sind besondere Investitionen des Bauherren B nutzlos geworden. Das realisierte Risiko besteht hier vielmehr darin, dass der grundsätzlich vertragsgerecht gelieferte Transaktionsgegenstand seiner von den Parteien ursprünglich gemeinsam vorausgesetzten Verwendung nicht zugeführt werden kann, weil zwischen dem Verhandlungs- und dem Erfüllungsstadium des Vertrages eine Veränderung der von beiden Parteien zunächst zwar – ausdrücklich oder stillschweigend – vorausgesetzten Rahmenbedingungen und somit eine sozial-ökonomische Umweltveränderung eingetreten ist. Der Wert der bestellten Küche, dargestellt und abgebildet in ihrem Verkaufspreis bzw. der Zahlungsbereitschaft des Kunden, hat sich hierdurch, obwohl diese selbst nicht mangelbehaftet ist, bei üblichem Lauf der Dinge verringert. Suchte B als Privatperson einen Käufer, versteht sich dies unter Betrachtung der Marktbedingun653
Der Begriff der Umweltveränderung entstammt der soziologischen Verhaltenstheorie und fasst diejenigen Einflüsse zusammen, die für die Entscheidungsbildung maßgeblich sind. Hierzu gehören deshalb z.B. auch Qualitätsabweichungen der Ist- von der vorgestellten Soll-Beschaffenheit; stellvertretend Lüdemann, Normen, Sanktionen und soziale Kontrolle, mit seiner Analyse der Theorie rationalen Handelns von James S. Coleman. 654 In der Rechtslehre wird ein solcher Fall freilich regelmäßig danach gelöst, wer für das Aufmaß verantwortlich zeichnet. Dieses Ergebnis auch ökonomisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu rechtfertigen, dienen die nachfolgenden Überlegungen. Ein frühes Beispiel aus der Rechtsprechung liefert der sog. Kreissägenfall, BGH NJW 1962, 1196. Dort hatte ein Angestellter des Verkäufers dem Käufer fälschlich versichert, dass sich die angebotene Kreissäge an einem bestimmten Platz würde aufstellen lassen, nachdem er – der Angestellte – diesen ausgemessen hatte. Der BGH hat indes einen Sachmangel im Sinne des § 459 BGB a.F. verneint, da nicht die Kreissäge größer als angenommen, sondern der Platz kleiner war. Diese Differenzierung ist wenig überzeugend und wird der nachfolgenden Systematisierung nicht standhalten.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
gen für private Transaktionen auch „neuwertiger“ Gegenstände von selbst; aber auch der branchenkundige und mit den nötigen Verkaufskontakten ausgestattete Unternehmer U wird nur im Ausnahmefall einen Käufer finden, der einen ähnlichen Kaufpreis für eine nicht nach seinen Vorstellungen ausgewählte und eingepasste, sondern bereits vorgefertigte Küche zu zahlen bereit sein wird. Der Wert des Vertragsgegenstandes, der sich in den Worten der obigen Darstellung eines Tauschoptimums655 in der Zahlungsbereitschaft der Kunden einerseits ausdrückt und sich für den Anbieter in den Grenzkosten der Produktion andererseits widerspiegelt, zeichnet sich durch eine hohe Transaktions- oder Faktorspezifität aus.656 Die Bedeutung solcher Faktorspezifität liegt, was in der ökonomischen Theorie lange unbeachtet geblieben war, darin begründet, dass sich transaktionsspezifische Güter „ohne Einbuße an Produktionswert nicht anderweitig verwenden [lassen], falls Verträge abgebrochen oder vorzeitig beendet werden.“.657 In der Definition Williamson’s zeichnet sich Faktorspezifität daher dadurch aus, dass Investitionen in Bezug auf bestimmte Transaktionen vorgenommen werden, „wobei [1)] die Opportunitätskosten dieser Investitionen in den besten alternativen Verwendungen oder bei ihrer Verwendung durch eine andere Person – für den Fall, dass die ursprüngliche Transaktion vorzeitig beendet würde – viel niedriger wären, und 2) die spezifische Identität der Transaktionsbeteiligten unter diesen Umständen offensichtlich wesentlich ist, mit anderen Worten, dass die Fortdauer des Vertragsverhältnisses positiv bewertet wird, woraus sich 3) vertragliche und organisatorische Absicherungen zur Stützung von Transaktionen dieser Art ergeben – Absicherungen, wie sie bei Transaktionen der üblicheren neoklassischen (nicht-spezifischen) Art unnötig sind (sie würden vermeidbare Kosten verursachen)“.658 Sozial-ökonomische Umweltveränderungen führen bei spezifischen Transaktionen damit zu wirtschaftlichen Einbußen, weil der Transaktionsgegenstand infolge der Umweltveränderung im Idealfall nur noch seiner zweitbesten (alternativen) Verwendung zugeführt werden kann. Die Werteinbuße, das Delta zwischen dem Vertragswert659 der ursprünglich vorgesehenen und der alternierenden – idealiter zweitbesten – Verwendungsmöglichkeit also, ist erstmals von Marshall660 als Quasi-Rente bezeichnet worden. Der Begiff der Quasi-Rente lehnt sich hierbei eng an die fachspezifische Definition des Begriffs der ökonomischen Rente an, die sich von der weitläufigen und umgangssprachlichen Definition, eine Rente sei das regelmäßige Einkommen aus einer Versicherung, deutlich abhebt: Der Begriff der ökonomischen Rente beschreibt jene Zahlungen an einen Produktionsfaktor, die über die Mindest655
Vgl. oben Abb. 5, 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). Williamson, Institutionen, S. 60 ff. 657 Williamson, Insitutionen, S. 61 f. 658 Williamson, Insitutionen, S. 63. 659 Es sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass der Begriff des Vertragswertes hier wiederum zu verstehen ist, als die Zahlungsbereitschaft des Vertragspartners bzw. der (potentiellen) übrigen Abnehmer. 660 Marshall, Handbuch der Volkswirtschaftslehre, S. 609. 656
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zahlung hinausgehen, welche notwendig ist, damit der Faktor angeboten wird.661 Anders herum formuliert, und dies liegt näher an dem hier zugrunde liegenden Verständnis der Quasi-Rente, bezeichnen Renten also diejenigen Zahlungen oder Vorteile, die über den Betrag hinausgehen, der bei nächstbester (alternativer) Verwendung der eingesetzten Ressource verdient werden kann. Ökonomische Renten sind demzufolge Erträge aus Ressourcen, die deren Opportunitätskosten662 übersteigen.663 Ökonomische Renten beschreiben deshalb im Ergebnis und vereinfacht ausgedrückt nichts anderes, als (Nutzen-)Gewinnerwartungen des Begünstigten. Das ökonomische Risiko sich ändernder und den Vertrag sowie seine Abwicklung beeinflussender Kontingenzen lässt sich nach alledem deshalb definieren als der durch eine sozial-ökonomische Umweltveränderung bewirkte vollständige oder anteilige Entfall der Realisationserwartung und Realisationschance von ökonomischen Quasi-Renten. Die Höhe der Quasi-Rente wird hierbei nicht begrenzt auf die Differenz des sich im ursprünglichen Kaufpreis niederschlagenden Vertragswertes bei erwartungsgerechter Erfüllung und dem verbleibenden Vertragswert, ermittelt durch die „allgemeine Zahlungsbereitschaft“, den also am Markt noch zu erzielenden Preis ohne Anfall der Quasi-Rente; die Höhe der Quasi-Rente ist nämlich nicht allein durch ein Abstellen auf den ausgehandelten Vertragspreis bestimmt, sondern vielmehr auch hier durch die Zahlungsbereitschaft des Abnehmers im konkreten Fall, die alle durch ihn realisierbaren weiteren Vorteile mit abschöpft, soweit sie aus der Verwendung und der Verwendbarkeit des Vertragsgegenstandes durch ihn resultieren.664 Die Auflösung der Informationsasymmetrien und der Asymmetrien in den Informationsbeschaffungskosten hat sich nach alledem deshalb daran zu orientieren, ob die transaktionsspezifischen Quasi-Renten jeweils als schutzwürdig zu qualifizieren sind, oder ob das Risiko ihres Wegfalls allein den Begünstigten in dem Sinne trifft, dass er einen kompensationslosen Entfall der Quasi-Rente als den Wegfall einer bloßen Gewinnchance hinzunehmen hat.665 Mit anderen Worten: Die ökonomischen und die Rechtsfragen zur Abwehr und zur Kompensation von Verstrickungslagen fokussieren sich auf die Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit QuasiRenten im jeweiligen Einzelfall zu schützen sind. 661
Varian, Mikroökonomik, S. 417; dazu im Ansatz bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). Der Begriff der Opportunitäts- oder „Günstigkeitskosten“ gehört zu den Grundbegriffen der Ökonomik und beschreibt allgemein die Kosten eines entgangenen Nutzens (konkret: Gewinns, Umsatzes, etc.) und wird damit zum ökonomischen Maßstab alternativer Handlungsmöglichkeiten oder Arrangements, vgl. Blum, Volkswirtschaftslehre, S. 2. 663 Blum, Volkswirtschaftslehre, S. 80. 664 Zur ,Zahlungsbereitschaft‘ als objektivierender Bemessungsgröße für ansonsten interpersonell nicht vergleichbare subjektive Nutzensteigerungen grundlegend Samuelson, 5 Economica 61; ders., 15 Economica 243; im deutschen Rechtskreis hat dies für § 284 BGB z.B. Tröger, ZIP 2005, 2238, 2240 aufgenommen. 665 Vgl. aus juristischer Warte Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 92, wonach bei der Ausformung vertragsschlussbezogener Aufklärungspflichten auf die Erwartungen der Marktteilnehmer und etwaige Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen sei. 662
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
cc) Implizite Vertragsbestandteile und Vertragsinterpretation (1) Risikozuweisung durch implizite Vertragsbestandteile Wie gesehen, richtet der Abnehmer seine Zahlungsbereitschaft an der erwarteten Quasi-Rente aus.666 Die Höhe der Quasi-Renten gibt dem Anbieter zugleich Aufschluss über etwaige Schadensrisiken und damit über seine Grenzkosten der Produktion. Ziel der Verhandlungsbeziehung ist es daher, die Informationsasymmetrie zunächst soweit aufzulösen, dass hieraus der Abnehmer seine Zahlungsbereitschaft ableiten kann und proportional hierzu die Informationslasten und Desinformationsrisiken kooperativ zwischen den Parteien verteilt werden können.667 Hierin besteht der rechtsdogmatische und der rechtsökonomische Zweck der Verhandlungsbeziehung gleichermaßen, an dem sie zu messen, und nach dem sie – ähnlich einer mathematischen Formel – aufzulösen ist.668 Diese Risikozuordnung wiederum richtet sich nach der jeweiligen Reichweite und Tiefe des abstrakt-statischen einerseits und des konkret-dynamischen Vertrauen andererseits. Während Institutionen zum Schutz des abstrakt-statischen Vertrauens ihrerseits wenig flexibel sein müssen,669 so müssen sich die Institutionen zum 666 Davon unabhängig ist die Frage, ob und inwieweit er dies auch nach außen kommuniziert oder vielmehr darauf hofft, durch Verschleierung der Zahlungsbereitschaft einen günstigen Preis aushandeln zu können. Gerade in dieser Differenzierung liegt die hier aufzulösende Gemengelage, nämlich die Frage begründet, ob Quasi-Renten auch aus einer verschleierten Zahlungsbereitschaft kompensationsfähig sind. 667 Rehm, Aufklärungspflichten, S. 240 ff., setzt für seine juristische Beurteilung umgekehrt an und leitet, dem Gedanken nach zutreffend, aus der Entgeltvereinbarung eine originäre Risikozuweisung ab. Dies ist jedoch erst in einem zweiten Schritt richtig, nämlich wenn man voranstellt, dass die Entgeltvereinbarung das Ergebnis der Verhandlungsbeziehung und der vollständigen Auflösung von Informationsasymmetrien ist und aus der Entgeltvereinbarung eine Risikozuweisung nur abgelesen werden kann, weil davon auszugehen ist, dass alle für ihre Bemessung maßgeblichen Umstände tatsächlich offenbart wurden. Die Entgeltvereinbarung ist damit das Ergebnis vollständiger Offenbarung und ermöglicht es deshalb, den Vertrag und die wechselseitigen Pflichten auch dann so einzuordnen und die Parteien entsprechend zu behandeln, als hätte es diese vollständige Offenbarung tatsächlich gegeben, wenn sich Desinformationsrisiken verwirklichen. 668 Mit einem ähnlichen kooperativen Ansatz eines auf einen gemeinsamen Zweck ausgerichteten Bindungswillens erklärt Rohe, Netzverträge, S. 141 ff., 151, die Einbindung von vielschichtigen interpersonellen Vertragsstrukturen in die Rechtsgeschäftslehre: „Damit wird insgesamt der Zweck des vertraglichen Schuldrechts als ergbnisorientiertes Instrument individueller Bedarfsdeckung in den Vordergrund gestellt. Das Schuldverhältnis wird unter diesem Aspekt nicht begriffsjuristisch, sondern als Lösungsmodell für eine vom Recht aufgenommene Ordnungsaufgabe gesehen.“. Rohe gelingt damit unter dogmatischer Anknüpfung an überkommene Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung die Begründung eines Verständnisses von gestzlichen Institutionen als gesetzgeberische Lösungsvorschläge, die sich der jeweilig zu lösenden Problemlage anzupassen haben, wovon auch hier bereits (vgl. oben 1. Kap. § 1 B) II.2) unter Hinweis auf Kerber, Recht als Selektionsumgebung für evolutorische Wettbewerbsprozesse, S. 307 ff., und Kirchner, Folgenberücksichtigung, S. 35 ff., die Rede war. 669 Mit dem Erfordernis, wenig flexibel und damit zugleich wenig individualisiert sein zu müssen, trägt der Schutz des abstrakt-statischen Vertrauens dem Marktbedürfnis nach standardisierten und kostengünstigen Transaktionsformen Rechnung, vgl. in diesem Sinne Rohe, Netzvertäge, S. 154: „Das Angebot standardisierter und deswegen kostengünstiger Transaktionsformen muss mit einer kalkulierbaren Abwicklung einhergehen, um Marktgängigkeit zu erzielen. So wird ein überpersoneller Erwar-
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Schutz des konkret-dynamischen Vertrauens dieser Dynamik unterwerfen und anpassen, um der aufzulösenden Vertrags- und Gemengelage gerecht zu werden. Denn die in der Verhandlungsbeziehung erreichte und vorausgesetzte Informationslasten- und Risikoverteilung geht aus dieser zweckorientierten Beurteilung heraus über die Einordnung als bloße Motivlage für den Vertragsschluss hinaus; das Zweckstreben der Parteien nach einer leistungs- und vertragspreiskongruenten Auflösung von Informationsasymmetrien und von Informationsbeschaffungsrisiken gleichermaßen wird vielmehr zum Bestandteil des vertraglichen Leistungsversprechens und dient so der „sinnvolle[n] Verwirklichung des beiderseitigen Zweckstrebens“.670 Die verstrickungshemmende Zwecksetzung der Verhandlungsbeziehung durch Auflösung von Informationsasymmetrien und die Zuweisung der Informationslast wird hierdurch als rechtlich beachtlicher Faktor in den Vertrag hineininterpretiert671 und so mit einer vertraglichen Sollbeschaffenheit ausgestattet.672 Hieran aber haben sich dann auch die den vertraglichen Zweck zur Geltung zu bringenden rechtlichen Instrumentarien und Institutionen auszurichten.673 670 tungshorizont maßgeblich. Damit ist nicht eine Objektivierung im Sinne gesetzlicher Ausformung gemeint, sondern die Essenz der Erwartungen durchschnittlicher Nachfrager.“, der im Weiteren Parallelen dieses objektiven Bezugs mit der Rechtsprechung des BGH, NJW 1992, 1751, zur Rechtfertigung von Zinsanpassungsklauseln als ,vorweggenommene Einigung‘ über die Vergütung für eine potentielle Kreditgewährung zieht. 670 Rothoeft, Risikoverteilung, S. 230, 237. 671 Der auf die Institutionalisierung von Informationspflichten im deutschen Recht bezogenen von Calliess, Informationspflichten, S. 97, 110 f., zu Recht vorgebrachten Kritik, „Die hier dargestellte Problematik der Informationspflichten im Vertragsrecht betrifft in keiner Weise die in der allgemeinen Lehre vom gerechten Vertrag angelegte und durch Erkenntnisse der modernen Informationsökonomik abgestützte Begründung vertraglicher Informationspflichten, sondern die konkrete Ausgestaltung und Implementation solcher Pflichten, welche sich wie dargestellt aus der unglückseligen Kombination detailversessenen gesetzgeberischen Inverventionismus mit einer formalistisch-rigiden Interpretation durch die Gerichte ergibt. (…) Demgegenüber ist energisch daran zu erinnern, worum es eigentlich geht: Informationspflichten im Vertragsrecht stellen eine spezifische Art und Weise der Garantie fairer Vertragsbedingungen für alle Beteiligten dar, indem die informationellen Voraussetzungen der Ausübung der Vertragsfreiheit im Sinne eines informed consent hergestellt werden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“, kann mit einer solchen Einbettung der Auflösung von Informationsasymmetrien in die Verhandlungsbeziehung selbst und deren Transformation in die Auslegungsdogmatik vollumfassend begegnet werden. 672 So ebenfalls bereits Rothoeft, Risikoverteilung, S. 230, 237. Es wird an dieser Stelle noch einmal die in ihrem Ergebnis richtige, aber etwas zu kurz greifende Argumentation von Rehm, Aufklärungspflichten, S. 240 ff., deutlich, der in der vertraglichen Entgeltvereinbarung eine vertragsimmanente Zuweisung des Aufklärungsrisikos erkennt, jedoch unbeachtet lässt, dass diese Entgeltvereinbarung erst das Ergebnis der Verhandlungsbeziehung und damit der geronnenen Information ist, die der Vertragsbeziehung kooperativ zugrunde gelegt und mit welcher der Zweck der Kooperationsvereinbarung bestimmt wurde. Sie erlaubt es nur deshalb, zum Auslegungsmaßstab für eine Rückbeziehung zu werden, weil auf Grundlage einer in ihr manifestierten Vertrauensbeziehung von der vollständigen Offenbarung aller vertragswesentlichen Umstände auszugehen und deshalb in der Entgeltabsprache zugleich qua Auslegung die Festlegung einer vertraglichen Soll-Beschaffenheit zu sehen ist. 673 Dies kommt in der Rechtsprechung zur ergänzenden Vertragsauslegung, worauf Rohe, Netzverträge, S 144 f., zu Recht hinweist, hinreichend zum Ausdruck, vgl. BGHZ 123, 281, 286, wonach
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Soweit die Ableitungen bis hierher. Da die Dynamik des konkreten Vertrauensschutzes nach alledem in der jeweiligen und konkreten Verhandlungsbeziehung und dem mit ihrem Abschluss verkörperten gemeinsamen Zweck geboren ist, ist auch die Auflösung des Informationsund Schutzdilemmas dort, nämlich in der Verhandlungsbeziehung selbst zu suchen. Der Schutz konkret-dynamischen Vertrauens in Abgrenzung zum abstraktstatischen Vertrauen hat seine Grundlage deshalb in der Extrapolation impliziter Vertragsbestandteile, weshalb die Auflösung von Verstrickungslagen ihren Anfang in der Vertragsinterpretation674 und der mit ihrer Hilfe zu ermittelnden vertragsfür 674 ergänzende Vertragsauslegung „in erster Linie Anhaltspunkte heranzuziehen [seien], die sich dem übrigen Vertragsinhalt und den sonstigen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegebenen Umständen entnehmen und die auf den tatsächlichen Willen der Parteien schließen“ ließen. Deutlicher stellen dies noch BGH, NJW-RR 1996, 789, 791 mit einem „Gebot der allseits interessengerechten Auslegung“ sowie die Formulierung in BGH, NJW 2002, 1500 (Tz. II.2) heraus: „Die Auslegung des Berufungsgerichts verletzt weiter den Grundsatz, dass die Auslegung von Vertragserklärungen in Zweifelsfällen den mit dem Rechtsgeschäft verfolgten Zweck und die beiderseitige Interessenlage zu berücksichtigen und dabei grundsätzlich davon auszugehen hat, dass beide Parteien mit der vereinbarten Regelung ihre Interessen wahren wollen.“ Auch in der Instanzrechtsprechung, so z.B. bei OLG Hamm, NZV 1994, 435, 436 ist anerkannt, dass im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zu gelten habe, „was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten“. 674 Dass diese Überlegung einer dynamischen Interpretation auch der rechtswissenschaftlichen Methodenlehre nicht fremd ist, hat Larenz, Methodenlehre, S. 211 f., eindrucksvoll nachgewiesen und in wenigen Sätzen unter dem Titel der „Anwendung der Normen als dialektischer Prozess“ zusammengefasst: „Rechtsnormen werden regelmäßig deshalb ausgelegt, um sie auf konkrete Sachverhalte anzuwenden. Nur scheinbar handelt es sich bei der Rechtsanwendung um einen Vorgang, bei dem die anzuwendende Norm gleichsam wie ein Zollstock an den zu beurteilenden Sachverhalt angelegt und dieser an ihm gemessen wird. Das würde einmal voraussetzen, dass die anzuwendende Norm schon vorher in sich so bestimmt wäre, dass ihr genauer Inhalt außer Frage stünde. Wäre dem so, bedürfte es keiner Auslegung. Zweitens würde das aber auch voraussetzen, dass der zu beurteilende Sachverhalt schon vor jeder rechtlichen Beurteilung in allen seinen Elementen feststünde, und dass er von solcher Beschaffenheit wäre, dass er sich dem in der Norm gegebenen Muster genau einpassen ließe. Auch das ist nicht an dem. Die meisten Sachverhalte sind überaus komplex. (…) Diese und ähnliche Erwägungen drängen sich dem Juristen immer wieder im Zuge der Rechtsanwendung auf, und sie bewirken, dass sich die bloße Anwendung der Normen gleichsam unter seinen Händen in deren inhaltliche Fortbestimmung oder Ergänzung verwandelt. Dabei setzen die Normen immer neue Schichten an (…). Der aufgezeigte Befund hat Gadamer [Wahrheit und Methode, Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik, 5. Aufl. 1986, S. 330] dazu veranlasst, die ,exemplarische Bedeutung der juristischen Hermeneutik‘ für die allgemeine Hermeneutik herauszustellen. Er sieht sie darin, dass Anwendung, ,Applikation‘, ein allem ,Verstehen‘ innewohnendes Moment sei. Im Verstehen, sagt er [a.a.O., S. 313], finde ,immer so etwas wie eine Anwendung des zu verstehenden Textes auf die gegenwärtige Situation des Interpreten‘ statt. Anwendung sei ,ein ebenso integrierender Bestandteil des hermeneutischen Vorgangs wie Verstehen und Auslegen‘. Verstehen sei immer schon anwenden [a.a.O., S. 314].“. Übertragen auf die hier zur Beurteilung anstehende Situation bedeutet dies, dass es darum geht, den sich als Ergebnis der Verhandlungsbeziehung darstellenden Vertragsschluss zu verstehen, indem der komplexe Sachverhalt der historischen, weil zum Vertragsschluss hinführenden Verhandlungsbeziehung zu einer inhaltlichen Konkretisierung des anzuwendenden Wertungsmaßstabs führt, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 215: „Vielfach bedient sich das Gesetz [eines] ausfüllungsbedürftigen Wertungsmaßstab[s], der erst in seiner Anwendung auf den einzelnen Fall voll konkretisiert werden kann.“.
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zweckkongruenten und integrierten Informationslasten- und Risikoverteilung nimmt. Die klassische und durchaus auch rechtspraktische Rollenverteilung zwischen den Vertragsparteien, differenziert nach einem Leistungsschuldner und einem Leistungsgläubiger, greift hierbei deshalb – was angesichts des sich auch auf die jeweils einzelnen Leistungsbestandteile beziehenden Geflechts ausdrücklicher, konkludenter oder impliziter Absprachen auch in einer (nur) bipolaren Transaktionsbeziehung augenfällig ist – zu kurz. Sie verdeckt nämlich, und das ist der Kern der hier anzustellenden Überlegungen, was tatsächlich Gegenstand der Verhandlungsbeziehung und dessen ist, was schließlich an ihrem Ende steht, nämlich ein Bündel an Rechten und Pflichten, aufeinander abgestimmter Fremd- und Selbstbindungen,675 die aus einer bloßen Leistungsaustauschbeziehung eine den Transaktionsrahmen umspannende Kooperationsvereinbarung der Parteien erwachsen lassen. Der von den Parteien verfolgte gemeinsame Zweck, den einer jeden Verhandlungsbeziehung immanenten Informationsdefiziten durch die ihr ebenso immanente Notwendigkeit zu begegnen, einen Vertrauensvorschuss in die Verhandlungsbeziehung zu investieren676 und nicht zuletzt dadurch auf eine der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft angepasste Informationslastenverteilung hinzuwirken,677 genügt für sich allein, hierin ein Beispiel der typischen Fälle erkennbarer Beteiligteninteressen zu sehen, wie sie in der Rechtsprechung des BGH678 immer wieder zur Begründung eines Vertrauensschutzes, insbesondere im Zusammenhang mit Aufklärungspflichten herangezogen werden, und jedes Abweichen hiervon unter das Verbot des venire contra factum proprium zu subsumieren.679 Da die den gemeinsamen Zweck zur Geltung bringenden Instrumentarien aber in die Kooperationsvereinbarung der Parteien eingebunden sind, ist es dieses Kooperationsbündel, das den komplexen Inhalt der wechselseitigen vertraglichen Leistungsversprechen beschreibt. Die Aufgabe der ökonomischen Analyse ebenso wie der Rechtsanwendung besteht nun darin, dieses Pflichtenbündel wieder zu entzerren und in einzelne Kooperationsabsprachen aufzuspalten, um eine zutreffende Zuweisung der Infor675
Zum vertraglichen Verhandlungsprozess als Dynamik und Bündel sich schrittweise ergänzender Selbst- und Fremdbindung vgl. oben Einl. § 3 VI. 676 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 A) II.1. 677 Diesen Gedanken der ökonomischen Ausrichtung der Kooperationsbeziehung an der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft der Parteien hat auf juristischer Ebene bereits Rothoeft, Risikozuweisung, S. 230, 237 f., durch eine Anknüpfung an das Äquivalenzprinzip versucht: „Diese Lücke lässt sich in Anwendung des zuvor eingeführten Äquivalenzprinzips schließen. Wenn man dieses dazu benutzt, um diejenigen Umstände in den Vertrag hineinzuinterpretieren, die für die sinnvolle Verwirklichung des beiderseitigen Zweckstrebens erforderlich sind, (…)“. 678 So leitet der BGH Aufklärungspflichten immer wieder aus der erkennbar besonderen Bedeutung eines Umstandes für die andere Partei her, vgl. BGH ZIP 2000, 2257; GBH NJW 1999, 2032; BGH NJW 1997, 1233; BGH NJW 1991, 2900; dazu bereits oben Einl. § 3 B) III. 679 So im Wesentlichen auch Rohe, Netzverträge, S. 157, für die Begründung einer Drittwirkung bei vielschichtigen Netzverträgen.
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mationslast und damit der Risikoverteilung vornehmen zu können. Der hierbei anzulegende Maßstab ist der von den Parteien zum Ausdruck gebrachten Zahlungsbereitschaft zu entnehmen, im Übrigen aber ein objektiver.680 Soweit die Zahlungsbereitschaft nämlich Funktion der vertraglichen und kooperativen Zwecksetzung ist, Informationsasymmetrien so weit als möglich und so weit, wie effizient, auszugleichen, lässt sich aus dem vertraglich vereinbarten Endpreis, der Summe aller impliziten vertraglichen Absprachen,681 eine Informations- und Risikolastenverteilung jedenfalls unterstellen und – soweit nötig – fiktiv ableiten.682 Die Entzerrung des Kooperationsbündels stellt häufig keine einfache, aber auch keine schlechterdings unlösbare Aufgabe dar, wie es die gerichtliche Bestimmung eines interpersonell nicht vergleich- und deshalb in aller Regel auch nicht verifizierbaren ökonomischen Nutzens aus dem Vertrag wäre, der überdies auch noch der Schwierigkeit begegnet, in einen geldwerten Vorteil umgerechnet werden zu müssen. (2) Der Fall Jacob & Youngs vs. Kent Ein prominentes Beispiel, das die Wirkweise solcher Kooperationsvereinbarung anschaulich verdeutlicht und in vergleichbarem Zusammenhang häufig zitiert wird683 und von dem auch hier bereits die Rede war,684 stammt abermals aus der höchstrichterlichen u.s.-amerikansichen Rechtsprechung älterer Zeit: In dem Fall Jabob & Youngs vs. Kent hatte der New York Court of Appeals685 über die Werklohnklage des Bauunternehmers Jacob & Youngs Inc. gegen Kent zu entscheiden. Der Beklagte verweigerte die Zahlung der bei Fertigstellung des Objekts fälligen Schlussrate, weil offenbar geworden war, dass die Klägerin bzw. deren Subunternehmerin in dem Haus, anders als vertraglich 680 Auf Notwendigkeit, eine von den konkreten Wünschen der Parteien in ihrer individualisierten Verhandlungssituation abstrahierte Betrachtung vornehmen zu müssen, ist bereits im Zusammenhang mit der would have wanted-theory (oben 1. Kap. § 2 B) II.3 c) aa)) ausführlich hingewiesen worden. Rohe, Netzverträge, S. 158, formuliert dies für seinen Untersuchungsgegenstand wie folgt: „Gelungene, zur rechtsgeschäftlichen Bindung gediehene Interaktion ist nur in einem Umfeld wechselseitigen Sich-Verstehen-Wollens (hier passt der plakative Hecksche Begriff der ,Deutungsdiligenz‘) und Sich-Verständlich-Machens konzipierbar. Solches geschieht aber im wirtschaftlichen Massenverkehr nicht losgelöst von typisierten Vorstellungen und Erwartungen, die sich notwendig auf die Annahme rationalen Handelns des Gegenübers stützen. Deshalb ist auch der wirtschaftliche Zweck des Geschäfts für die Auslegung von besonderer Bedeutung.“. 681 Die Ähnlichkeit dieser mikro-ökonomischen Ableitung zu den makro-ökonomischen Überlegungen von Hayek’s, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S. 71, das Markt-Preis-System diene als Wissenskatalysator in einer wissensteiligen Gesellschaft, wird an dieser Stelle besonders deutlich, zeigt aber, dass das ökonomische Zusammenspiel der Parteien übergeordneten Grundsätzen und Regeln in derselben Weise folgt. 682 Diese Ableitung zur Entzerrung des Pflichtenbündels ,Vertrag‘ und zur Objektivierung einer vertraglichen Risikoallokation durch Rückgriff auf die Zahlungsbereitschaft geht auf die grundlegende Vorarbeit von Samualson, 5 Economica 61, zurück, der bereits in der Zahlungsbereitschaft die für den Einzelfall offenbarten Präferenzen („revealed preferences“) gesehen hat. 683 Vgl. z.B. die Besprechung bei Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 465 ff. 684 Vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.2 b). 685 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429.
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vereinbart, zum überwiegenden Teil nicht Rohre des Herstellers Reading Manufacture, sondern gleichwertige Rohre eines anderen Herstellers verwendet hatte. Erkennbar wurde dies lediglich bei etwa 2/5 der Gesamtmenge der Rohre, da nur diese u.a. im Keller offen einsehbar waren, ohne dass Wände hätten geöffnet und Rohre hätten freigelegt werden müssen. Die Klägerin schwieg sich im Prozess dazu aus, in welcher Menge genau und aus welchem Grund sie Rohre anderer Hersteller verwendet hatte, berief sich jedoch darauf, dass diese Rohre selben Materials, selber Qualität und selben Nutzens seien. Kent bestand dennoch auf vertragsgerechter Erfüllung durch vollständigen Austausch der vertragswidrig verwendeten Rohre gegen solche des Herstellers Reading Manufacture.
Das Gericht, die Entscheidung in diesem Fall gefällt von Richter Cardozo,686 verurteilte den Beklagten zur Schlusszahlung, allerdings unter Berücksichtigung eines Abschlages; dies allerdings nicht in Höhe der Kosten eines Austausches der Rohre, sondern in Höhe eines geschätzten „Nutzenentgangs“ des Beklagten, der merklich unter den veranschlagten Kosten lag. Richter Cardozo versuchte damit, die Konsumentenrente des Bestellers aus dessen geäußerten Wunsch, nur Rohre eines bestimmten Herstellers verwendet wissen zu wollen, zu schätzen, anstatt an einer strikten Vertragserfüllung festzuhalten. Schäfer/Ott687 halten diese Entscheidung für richtig, obwohl zwar zuzugeben sei, dass die entgangene Nutzung als subjektive Wertschätzung nicht messbar sei. Anderenfalls jedoch würde ein Erfüllungsdruck entstehen, der ein lock in-Risiko nach sich zöge.688 Dieses Risiko wiederum würde bei marktübergreifender Berücksichtigung der aus ihm resultierenden Schadensneigung in die künftigen Kalkulationen der Unternehmer Einzug halten und damit zu grundsätzlich überhöhten Vertragspreisen führen. Hiermit sei ein Wohlfahrtsverlust verbunden, der allein durch ein Abweichen von der strikten Erfüllungsregel in Fällen wie dem vorliegenden zu verhindern sei. In einer abweichenden Meinung trat Richter McLaughlin dem entgegen und für ein Festhalten an der strikten Vertragserfüllung ein.689 Die Ansicht Mc Laughlin’s ist allerdings nicht – wie Schäfer/Ott690 offenbar annehmen – aus der erkannten Not heraus geboren, den subjektiven Nutzen des Bestellers nicht messen zu können. Im Gegenteil: Auch McLaughlin erkennt an, dass es Fälle gäbe, in welchen eine vollständige Erfüllung nach den Buchstaben des Vertrages wegen geringfügigen Abweichungen ohne Berücksichtigung der Kosten nicht verlangt werden könne, macht dies aber vom Erfüllungsverhalten des Vertragspartners abhängig: „If the plaintiff had intended to, and had, complied with the terms of the contract except as to minor omissions, due to inadvertence, then he might be allowed to recover the contract 686 Vgl. 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1430: „Cardozo, J., delivered the opinion of the court.“. 687 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 465 f. 688 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.2 b). 689 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1433 ff. 690 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 465: „(…), während McLaughlin dies [die Schätzung der Konsumentenrente] für unmöglich hielt und konsequenterweise für eine strikte Erfüllung des Vertrags ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Kosten eintrat.“.
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price, less the amount necessary to fully compensate the defendant for damages caused by such omissions.“.691 Er führt dann jedoch weiter aus: „But that is not this case.“. McLaughlin gründet seine abweichende Beurteilung des konkreten Falls auf eine vertrauensbasierende Vertragsinterpretation: „The question of substantial performance of a contract of the character of the one under consideration depends in no small degree upon the good faith of the contractor.“.692 Er geht zunächst von der Verständigung der Parteien aus, Rohre der Marke Readings zu verwenden. Diese Einigung sei grundsätzlich solange und soweit maßgeblich, wie nicht die Parteien selbst von ihr wieder Abstand genommen hätten: „The specifications of the contract become the law between the parties until voluntarily changed.“.693 Angesichts einer solchen Vereinbarung aber, mit welcher der Unternehmer sich einverstanden erklärt habe, nur bei tatsächlicher Verwendung der ausbedungenen Rohre Bezahlung zu erhalten, seien die Motive des Auftraggebers für dessen Wahl gleichgültig. Entscheidend sei allein, dass sich der Unternehmer hierauf eingelassen habe. Solche vertragliche Vereinbarung aber wiederum führe dazu, dass die Regel, wonach bei geringfügigen Mängeln nicht strikte Vertragserfüllung, sondern an ihrer Statt lediglich – wie auch immer zu bemessende – Kompensation verlangt werden könne, im zu entscheidenden Fall nicht anwendbar sei. McLaughlin tritt demgegenüber konsequent dafür ein, den Unternehmer vorrangig deshalb an den vertraglichen Absprachen festzuhalten, weil er keinerlei Erklärung für die Verwendung anderer Rohre gegeben und ebensowenig dargestellt habe, was der vom Besteller verlangte Austausch der Rohre tatsächlich gekostet haben würde: „No explanation was given why pipe called for by the contract was not used, nor was any effort made to show what it would cost to remove the pipe of other manufacturers and install that of Reading Manufacturing Company. The defendant had a right to contract for what he wanted.“.694 Wie der einleitend zitierten Bemerkung McLaughlin’s zu entnehmen ist, würde er womöglich anders entschieden haben, hätte der Unternehmer darlegen können, dass er sich bemüht und entsprechende (Sicherungs-)Vorkehrungen getroffen habe, den Wunsch des Vertragspartners und damit die Bedingungen des Vertrages zu erfüllen. Dann nämlich hätte er sich in den Vertrag gefügt695 und die Abweichung wäre Folge eines möglicherweise nicht mit dem gebotenen Überwachungsaufwand696 sicherzustellenden Ausreißers gewesen. Das aber wäre – auch aus ökonomischer Sicht – ein anderer Fall. 691
230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1434. 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1434, [Hervorhebung hinzugefügt]. 693 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1434. 694 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1434. 695 Vgl. nochmals die einleitenden Worte McLaughlin’s, 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1434: „If the plaintiff had intended to, and had complied with the terms of the contract except as to minor omissions (…)“. 696 Diese Argumentation findet sich bei McLaughlin zwar nicht ausdrücklich, lässt sich jedoch aus dem anerkannten Learned Hand – Kriterium ableiten, vgl. oben 1. Kap. § 1 A). 692
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Ein vergleichbarer Ansatz findet sich zwar auch in den von Cardozo dargestellten Entscheidungsgründen selbst, wird dort allerdings nicht konsequent zu Ende geführt. Auch die tragenden Entscheidungsgründe des Urteils gehen zunächst zwar davon aus, dass grundsätzlich kein Recht bestehe, von den vertraglichen Konditionen abzuweichen: „The courts never say that one who makes a contract fills the measure of his duty by less than full performance.“.697 Sie ließen hiervon jedoch eine Ausnahme zu, soweit der unerfüllt gebliebene Vertragsteil unerheblich sei und – kummulativ – den jeweiligen Vertragsschuldner kein Verschulden treffe. Richter Cardozo vergleicht die Situation mit der Unterscheidung zwischen unabhängigen Versprechen, die niemals Bedingungen eines Vertrages sein könnten und solchen abhängigen Bedingungen. Die Einordnung in die eine oder die andere Kategorie sei eine Frage der ursprünglichen Absicht der Parteien, aber auch der Gerechtigkeit: „Considerations partly of justice and partly of presumable intention are to tell us whether this or that promise shall be placed in one class or in another.“.698 Aus diesen beiden Entscheidungsparametern schlussfolgert Cardozo sodann, dass eine Auslegung aller Vertragsdetails als Erfüllungsbedingung erstens nicht ohne Gerechtigkeitsverlust möglich wäre und deshalb zweitens die ursprünglichen Absichten der Vertragsparteien pervertiert würden, würde davon ausgegangen, sie hätten die vollständige Erfüllung ohne jede Rücksicht auf die Bedeutung des Mangels vereinbart: „From the conclusion that promises may not be treated as dependent to the extent of their uttermost minutiae without a sacrifice of justice, the progress is a short one to the conclusion that they may not be so treated without a perversion of intention.“699 Ohne es so zu nennen, stellt Cardozo daher in seinem Ausgangspunkt auf die would have wanted-Theory700 ab, ergänzt diese jedoch um Gerechtigkeitserwägungen. Soweit die vertraglichen Absprachen zwischen den Parteien unvollständig seien, setze ein Abwägungsprozess des Gerichts ein, der einen Ausgleich zwischen dem Anspruch auf vollständige Erfüllung und der Belastung des Verpflichteten herbeiführen müsse: „We must weigh the purpose to be served, the desire to be gratified, the excuse for deviation from the letter, the cruelty of enforced adherence. Then only can we tell whether literal fulfilment is to be implied by law as a condition.This is not to say that the parties are not free, by apt and certain words, to effectuate a purpose that performance of every term shall be a condition of recovery. That question is not here. This is merely to say that the law will be slow to impute the purpose, in the silence of the parties, where the significance of the default is grievously out of proportion to the oppression of the forfeiture. The wilful transgressor must accept the penalty of his transgression. (…) In the circumstances of this case, we think the measure of the allowance is not the cost of replacement, 697 698 699 700
230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1431. 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1431. 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1431. Vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) II.3 c).
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which would be great, but the difference in value, which would be either nominal or nothing.“.701 Obwohl das Gericht damit im Grundsatz darauf abstellt, dass es den Parteien freistünde, ein System zu schaffen, in dem jede Vereinbarung auch Bedingung der Erfüllung sein solle, lässt es diese Freiheit gerade nicht. Es führt nicht weiter aus, wie sich eine solche Klausel von der schlichten Vereinbarung der vertraglichen Absprachen, auf deren Erfüllung die Parteien wechselseitig vertrauen, zu unterscheiden hätte. Das Gericht entscheidet den Fall, als hätte der Vertrag über die Qualifikation und Klassifikation der zu verwendendenden Rohre geschwiegen, weil es qua Auslegung zu dem Ergebnis kommt, dass der ausdrücklich geäußerte Wunsch des Bestellers keine vertragliche Bedingung habe sein können. Diese Auffassung ist mit einer vertrauensbasierenden Vertragsökonomik nur schwer in Einklang zu bringen. Vielmehr weist McLaughlin zu Recht darauf hin, dass der Fall nicht die nötigen tatsächlichen Rahmenbedingungen liefere, überhaupt bis zu einer Entscheidung über die nötigen Voraussetzungen für eine Befreiung des Lieferanten von der vertraglich bedungenen Lieferschuld vorzudringen. Hierzu nämlich fehlt jeder Vortrag zu den Ursachen des Vertrags- und Vertrauensbruchs und zu den Kosten seiner Beseitigung des insoweit von McLaughlin ebenfalls zu Recht als darlegungs- und beweisbelastet angesehenen Werkunternehmers, der zunächst dem Vertrag verpflichtet ist.702 (3) Einfluss einer vertrauensbasierenden und informationsökonomischen Vertragsinterpretation Sein Auslegungsergebnis erreichen das Gericht und Richter Cardozo über eine Abwägung auf dem Rücken von – vermeintlichen – Gerechtigkeitserwägungen. Sie lassen hierbei aber außer Acht, dass der Besteller mit dem gehörigen Aufwand und der nötigen Voraussicht nicht vielmehr hatte tun können, als anstelle nur den Wunsch zu äußern, es mögen Rohre der Firma Readings verwendet werden, dies ausdrücklich zum Gegenstand der vertraglichen Kooperationsvereinbarungen zu machen. Letzthin ist eine solche Vereinbarung ungewöhnlich genug, woraus auf den besonderen Wert zu schließen ist, den der Besteller diesem Umstand beimaß. Die Berücksichtigung dieser Überlegungen hätte dann aber ebensogut das entgegengesetzte Auslegungsergebnis gerechtfertigt. Um zu den Kategorien unterschiedlicher Qualitäten des Vertrauens, auf das ganz generell auch McLaughlin abstellt, zurück zu kehren, ist auch insoweit zwischen abstraktem und konkretem Vertrauen zu unterscheiden: Der Besteller hat den Unternehmer aufgrund dessen Reputation, sei sie allein aus der entsprechenden Firmierung, sei sie aus Werbung oder anderen Faktoren der Martkkommunikation abgeleitet, ausgewählt. Mit dieser Auswahl platziert er abstraktes Vertrauen in die 701
230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1432. Über einen inhaltlich dem hier besprochenen vergleichbaren Fall aus der deutschen Rechtsprechung hatte der BGH, NJW 1984, 1955, mit der sog. „Kaltwasserrohre-Entscheidung“ zu urteilen, wobei dort freilich die Abgrenzung zwischen peius und aliud im Vordergrund stand. 702
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mangelfreie Erfüllung der beauftragten Gewerke nach üblichen Standards, die der Unternehmer mit dem Vertragsschluss implizit zu erfüllen verspricht. Hierauf darf der Besteller auch ohne weitergehende Absprachen (abstrakt) vertrauen; andererseits geht der Schutz seines abstrakten Vertrauens darüber aber grundsätzlich auch nicht hinaus.703 Solange der Unternehmer für die Installation Rohre verwendet, die dem üblichen und am Markt erhältlichen Qualitätsstandards entsprechen, ist die Vertrauenserwartung und ist damit auch der Vertrag erfüllt. Wenn der Besteller auch den Wunsch oder die Präferenz geäußert haben mochte, Rohre des Herstellers Readings seien ihm am liebsten, hätte dies keine Auswirkung auf die Erfüllungswirkung der Fertigstellung des Gewerks mit Rohren anderer Hersteller. Legt der Besteller jedoch über das abstrakte Vertrauen hinaus Wert auf besondere Umstände, hat er dies dem Vertragspartner zu offenbaren, um eine konkrete Vertrauensbeziehung zu schaffen, durch welche der Vertrag diversifiziert und um eine Kooperationsabrede ergänzt und vertieft wird. Lässt sich der Unternehmer, gegebenenfalls auch – in Relation zu der wegen des besonderen Wunsches erhöhten Zahlungsbereitschaft des Bestellers – unter Anpassung des Preises, auf eine solche und weitere Untergliederung des Vertrages ein,704 schafft er beim Besteller ein konkretes Vertrauen, an das beide Parteien gebunden sind. Erfüllt ein Vertragspartner dieses Vertrauen und damit die Kooperationsabsprache nicht, liegt hierin zunächst ein Vertragsbruch. Der Vertrag ist nicht erfüllt, was zum Fortbestehen des Erfüllungsanspruchs führt und den Besteller nicht allein auf eine – wie auch immer zu ermittelnde und zu berechnende – Kompensation verweist. Es ist dann am Unternehmer, darzulegen, welche Umstände für den eingetretenen Vertrauensbruch ursächlich waren, um die – gegebenenfalls gerichtliche – Abwägung zu ermöglichen, ob die vereinbarte Vertrauensabrede und dadurch bewirkte Vertrauenstiefe auch die später tatsächlich eingetretenen Umstände erfasst. Erst an dieser Stelle, nämlich der Vornahme einer Risikozuordnung im Rahmen der Interpretation der konkreten Vertrauensbeziehung als implizitem Vertragsbestandteil ist wieder auf die would have wanted-Theory zurückzugreifen. Im Vorhinein bei 703 Wie soeben bereits einmal angedeutet, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (1), dient der Schutz abstrakten Vertrauens der Herstellung marktgängiger und kostengünstiger Transaktionsformen und ist deshalb nicht der dynamischen Entwicklung einer Transaktionsbeziehung individuell anzupassen, sondern an marktüblichen Umständen, Erfahrungen und Erwartungen auszurichten. Abstraktes Vertrauen setzt damit keine individuelle Verhandlung über den Vertrags- und Leistungsgegenstand voraus, sondern entfernt sich von dem klassischen Muster bipolarer Vertragsverhandlung, in dem es der modernen Entwicklung von Alltagsgeschäften, entpersonalisierten Vertragsabschlüssen und standardisierten Geschäftsabschlüssen Rechnung trägt. Rohe, Netzverträge, S. 157, fasst dies für das Verständnis von nicht bipolaren sondern vielschichtigen Verträgen zutreffend zusammen: „Je weiter sich rechtsgeschäftliche Interaktion vom klassischen bipolaren Vertragsmuster entfernt, desto eher ist sie objektivierter und damit zweckorientierter Interpretation zugänglich.“. Eine Überlegung, die auch in Bezug auf das abstrakte Vertrauen Platz greift. 704 Denkbar ist insoweit z.B. auch, dass die Absprache über die Beschaffung von Rohren eines bestimmten Herstellers den Charakter eines Terminkontrakts, nämlich das Material etwa wegen erwarteter Preissteigerungen bereits heute gekauft werden soll. In solchem Fall läge in der Absprache die Zuweisung des Preisrisikos an den Unternehmer.
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der Bestimmung, ob eine konkrete Vertrauensbeziehung zustande gekommen ist, ist für eine derartige Auslegung, was die Parteien vereinbart haben würden, kein Raum. Dort sind allein die tatsächlichen Vereinbarungen, gleich ob ausdrücklich oder konkludent getroffen, allein die offenbaren und die impliziten Vertragsbestandteile also von Bedeutung. Im ersten Schritt geht es demnach darum, den Vertrag zunächst in seine diversifizierten und impliziten Bestandteile zu zerlegen und alle einzelnen Komponenten der Kooperationsvereinbarung der Parteien zu extrapolieren, die in ihrer Gesamtheit das Kooperations- und Pflichtenbündel „Vertrag“ bilden, um festzustellen, ob und inwieweit über die abstrakte Vertrauensbeziehung hinaus besondere Absprachen getroffen und geeignet sind, eine konkrete Vertrauensbeziehung aufzubauen, an der die Parteien sodann im Grundsatz festzuhalten sind. Erst in einem zweiten Schritt ist im Anschluss zu untersuchen, wie weit dieses konkrete Vertrauen reicht und ob darin eine Risikozuordnung enthalten ist, die auch die im zu betrachtenden Fall eingetretenen Umstände erfasst. Anderenfalls ist insoweit dann tatsächlich auf die would have wanted-Theory zurückzugreifen, an deren Ende auch das Auslegungsergebnis stehen mag, dass keine Nacherfüllung zu erbringen, sondern lediglich Kompensation zu leisten ist. Im Fall Jacob & Youngs vs. Kent jedenfalls ist für besondere Umstände, die ein Ausbrechen aus der konkreten Vertrauensbeziehung rechtfertigen könnten, nichts vorgetragen und erkennbar, sodass der geäußerten Gegenansicht McLaughlin’s, in der er ausdrücklich auf den fehlenden Vortrag zu den Ursachen und finanziellen Folgen der Verwechslung hinweist, Recht zu geben ist und der Erfüllunganspruch hätte zugesprochen werden sollen. (4) Kritik einer vertrauensbasierenden strengen pacta-Haftung: Lock in, ineffizienter Vermeidungsaufwand und Rechtsevolution Diesem Ergebnis, wonach auf Grundlage einer vertrauensbasierenden Vertragsinterpretation grundsätzlich an der strengen pacta-Regel festzuhalten ist, sobald und soweit die Extrapolation impliziter Vertragsbestandteile Anlass bietet, eine auf einer konkreten Vertrauensbeziehung gründende Risikozuordnung vorzunehmen,705 stehen auch nicht die von Schäfer/Ott706 ins Feld geführten Bedenken 705 Auch diesen Versuch hat Rothoeft, Risikozuweisung, S. 230, 239 f., bereits in den 1970er Jahren auf allein rechtsdogmatischer Grundlage mit seinem auf dem Äquivalenzprinzip gründenden Ansatz, der dem hier vertretenen ökonomischen und an der Zahlungsbereitschaft ausgerichteten Ansatz sehr nahe kommt, unternommen: „Was die Behandlung beachtlicher Äquivalenzmängel und -störungen angeht, so lässt sich die Lösung in dem früher eingeführten Äquivalenzprinzip in Verbindung mit der Pflicht der Parteien, das Äquivalenzverhätlnis (wieder)herzustellen sowie in dem Rechtsgedanken der Vorschrift des § 307 BGB [Anm.: alter Fassung] finden. Wer schuldhaft die Sachverhaltsbeschaffenheit verkennt oder die Möglichkeit einer Entartung der Sachverhaltsentwicklung übersieht oder es unterlässt, den anderen Teil über solche Umstände zu unterrichten, hat (bis zur Grenze der Zumutbarkeit) die Last der Anpassung des Geschäftsinhalts an die andersartige Sachlage zu tragen oder (im Falle der Auflösung des Vertrages) den Vertrauensschaden zu ersetzen.“. 706 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 466.
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entgegen, dass hieraus vertragliche lock in-Positionen707 entstünden und die Gefahr begründeten, ineffizienten Vermeidungsaufwand nach sich zu ziehen. Nach Schäfer/Ott sei in Fällen wie Jacob & Youngs vs. Kent, würde der Auffassung McLaughlin’s gefolgt, zu befürchten, dass Bauunternehmer hierdurch veranlasst würden, bei ihrer ex ante Kalkulation zu berücksichtigen, „dass selbst geringe und scheinbar unwesentliche Abweichungen vom Vertragsinhalt zu außergewöhnlich hohen Kosten führen können.“.708 Schäfer/Ott lassen hierbei jedoch zwei Gesichtspunkte unberücksichtigt: Zunächst offenbart bereits das angeführte Zitat einen Widerspruch. Wenn eine „Abweichung vom Vertragsinhalt“ vorliegt, wie er sich nach einer Auslegung im klassischen709 und auf dieser Grundlage auch im hier vertretenen interpretatorischen Sinne darstellt, so ist schwerlich nachvollziehbar und bedürfte es näherer Erläuterung, wie der Unternehmer, ohne Rücksprache mit seinem Vertragspartner genommen zu haben,710 davon soll ausgehen dürfen, dass diese von ihm eigenmächtig bewirkte Abweichung „scheinbar unwesentlich“ sei. Wäre sie dies gewesen, hätte wohl kein Anlass bestanden, den nachträglich nicht erfüllten Umstand ausdrücklich zum Vertragsbestandteil zu erheben. Da die Umstände, aus denen ein ökonomischer Nutzen gezogen wird, interpersonell divergieren und höchst unterschiedlich bewertet werden, war von einer nutzenorientierten Betrachtung und Bewertung der einzelnen vertraglichen Absprachen gerade Abstand genommen worden. Dann aber kann es nicht dem von solch ausdrücklich getroffenen Kooperationsabsprachen abrückenden Vertragspartner freistehen, nach seinen subjektiven Maßstäben zu entscheiden, welche Vertragsbestandteile wesentlich und welche es nicht sind. Damit nämlich würde seine subjektive Nutzenwertbestimmung dem Vertragspartner überbürden, wofür es grundsätzlich einer Kooperationsabsprache bedarf, an der es in solchem Fall und im Falle Jacob & Youngs vs. Kent aber gerade fehlt.
707 Zu lock in-Risiken, dort als Folge spezifischer Investitionen, bereits oben 1. Kap. § 2 B) II.4 a) bb) und ausführlich auch Schäfer, Schutznormen im Vertragsrecht, G.W.P. Law and Econ. 21 (2002), S. 16 ff.; zu lock in-Risiken infolge der Bindung an einen nur mit erhöhtem und nicht kalkuliertem Aufwand zu erfüllenden Vertrag oben 1. Kap. § 2 C) I.2 b). 708 Schäfer/Ott, Ökonomische Anlayse, S. 466. 709 ,Auslegung im klassischen Sinne‘ meint eine an objektiven Maßstäben ausgerichtete interpretatorische Ausfüllung der von den Parteien getroffenen Absprachen, die damit an den Vertrag selbst anknüpft, „,denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck‘ sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Der Vertragsinhalt ist ,Stütze und Richtlinie‘“, vgl. Roth, in: Staudinger, § 157 Rz. 30. 710 Diese aus der Vertrauensbeziehung gebotene Pflicht zur lediglich einvernehmlichen Abänderung der vertraglichen Absprachen ist es, die McLaughlin mit seinem Ausspruch „The specifications of the contract become the law between the parties until voluntarily changed.“ (230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1434) meint. Die Parteien sind daher sehr wohl in der Lage, einer unangemessenen Haftungsanordnung zu entgehen, solange sie sich nicht einseitig über getroffene Absprachen hinwegsetzen, sondern gegebenenfalls auch einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages – und damit der konkreten Vertrauensbeziehung – an die veränderten Umstände geltend machen, wie ihn etwa § 313 BGB vorsieht.
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Zum anderen war die auf ein konkretes Vertrauen zurückgehende vertragliche Absprache im Vorangegangenen nicht ohne Grund als Kooperationsbeziehung bezeichnet worden. Dem definitorisch zwingenden Sinngehalt einer Kooperation entspringt aber gerade die Tatsache, dass einseitige Ausbrüche aus der Kooperationsbeziehung von derselben gerade nicht gedeckt und deshalb grundsätzlich per definitionem nicht zu tolerieren sind.711 Darüber hinaus stellen Schäfer/Ott allein auf die potentiellen Erfüllungskosten des Unternehmers ab, die dieser im Übrigen in Kenntnis der auch von ihm mit getragenen vertraglichen Absprachen sehr wohl individualisiert kalkulieren kann, vernachlässigen hierbei jedoch, ebenso wie Cardozo, die Verhandlungskosten, die im Rahmen der Vertragsanbahnung entstehen. Auch Richter Cardozo712 erkennt im Fall Jacob & Youngs vs. Kent an, dass vertragliche Absprachen grundsätzlich einzuhalten seien und Erfüllung erst eintrete, wenn alle vertraglichen Obliegenheiten erbracht sind. Wie gesehen, unterscheidet er jedoch zwischen vertraglichen Vereinbarungen mit Bedingungs- und solchen lediglich mit Versprechenscharakter, wobei die Nichterfüllung der letzteren nicht notwendig Einfluss auch auf die Erfüllungswirkung der Leistung insgesamt habe. Wollte man diese – nur willkürlich vorzunehmende – Abgrenzung durchhalten, genügten einfache vertragliche und Kooperationsabsprachen und genügte der Hinweis auf eine besondere Schadensneigung nicht mehr, um hieraus ein Vertrauen in den auch tatsächlich verlässlichen Erhalt der vertraglich – ausdrücklich oder konkludent – bedungenen Leistung abzuleiten, reichte der Eintritt in eine konkrete Vertrauensbeziehung also nicht aus, hieraus in jedem Falle auch justitiabel Erfüllungspflichten entstehen zu lassen. Vielmehr müsste hinsichtlich jeder einzelnen vertraglichen Vereinbarung und Klausel differenziert und klargestellt werden, welcher Charakter dieser Klausel in Bezug auf die Erfüllungswirkung beizumessen sein solle. Ein solcher „qualitativer Rücktritt“ einzelner Klauseln und Absprachen hätte hierbei augenscheinlich nicht nur nennenswerte Auswirkungen auf die Zahlungsbereitschaft der Abnehmer, sondern wäre darüber hinaus einerseits mit erheblichen weiteren Verhandlungskosten verbunden und würde andererseits die Vorhersagbarkeit gerichtlicher Entscheidungen empfindlich beeinträchtigen. Die Parteien könnten nämlich, da ihre ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen ex post an – ebenfalls subjektivierten – Gerechtigkeitserwägungen gemessen und hiernach klassifiziert würden, nicht letztverbindlich darauf vertrauen, dass ihre Absprachen auch einer gerichtlichen Überprüfung standhielten und hieraus unbedingte Erfüllungsansprüche auch tatsächlich abgeleitet werden. Im Rahmen der Absicherung von
711 Diese Überlegung liegt bereits dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zugrunde, das ganz bewusst auch bei vermeintlich unerheblichen Mängeln den Anspruch auf Nacherfüllung gemäß §§ 437 Nr. 1, 439 BGB gewährt, BT-Drs. 14/6040, S. 231: „Es lässt sich kein Grund finden, warum der Käufer einen auch nur unerheblichen Mangel hinnehmen soll, wenn der Verkäufer ihn beseitigen kann.“. 712 „The courts never say that one who makes a contract fills the measure of his duty by less than full performance.“, 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429, 1431.
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Umständen, die für die Parteien entscheidend sind, stiegen die Verhandlungskosten dann aber in kaum vertretbarer Weise an. Schließlich wäre im Weiteren auch mit einer Erhöhung der Durchsetzungskosten, die ebenfalls Teil der Transaktionskosten sind,713 zu rechnen, da einem vertragsreuigen Teil mit der Differenzierung zwischen Klauseln mit Bedingungsund solchen nur mit Versprechenscharakter Argumentationspotential an die Hand gegeben würde, sich von einzelnen Absprachen – sei es aufgrund nachträglich eingetretener Umwelt- oder auch allein aufgrund von Präferenzverschiebungen – loszusagen. Hinzu kommt, dass wenn das Vertrauen auf die kooperativ festgelegten Erfüllungsmodalitäten nicht mehr verlässlich geschützt wird, die Parteien rationalerweise dazu übergehen müssten, Pfänder für die Erfüllung zu vereinbaren, um den jeweils anderen Teil tatsächlich in einer lock in-Position zu verhaften,714 was abermals einen empfindlichen Anstieg der Transaktionskosten mit sich brächte.715 Anders als Schäfer/Ott716 meinen, liegt die von ihnen bevorzugte Auffassung auch nicht der Ratio des Gesetzes zugrunde, wonach der Verkäufer einer Sache für Fehler, die den Wert oder die Tauglichkeit der Kaufsache nur unerheblich mindern, nicht haftet (§§ 323 Abs. 5 Satz 2, 281 Abs. 1 Satz 3 BGB) und entsprechende Regeln auch im Werk- (§ 634 Nr. 3 und 4 BGB) und im Mietvertragsrecht (§ 536 Abs. 1 Satz 3 BGB) bestünden. Vielmehr ist das Gegenteil richtig: Zunächst ist festzuhalten, dass die Ratio der von Schäfer/Ott ins Feld geführten Vorschriften in der Annahme besteht, dass bei einem unerheblichen Mangel im Sinne des Gesetzes „das Leistungsinteresse des Gläubigers im Grunde nicht gestört“717 sei. Es soll deshalb (allein) vermieden werden, dass der Gläubiger sich vom Vertrag wegen eines Bagatellmangels lossagt.718 Auf die Erfüllungsansprüche des Gläubigers selbst haben die genannten Vorschriften demgegenüber jedoch keinen Einfluss. Gerade der Erfüllungsanspruch – und um eben diesen geht es hier – bleibt auch wegen unerheb-
713 Zum Begriff der Transaktionskosten bereits oben Einl. § 1; vgl. im Übrigen Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 91 ff. und mit einem guten Überblick auch Richter, Institutionen, S. 5 ff. 714 Williamson, Institutionen, S. XX, analysiert diese Praxis für den Fall drastischer Umweltveränderungen nach Vertragsschluss und spezifischen Investitionen. Auch Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. XX, sieht hierin eine naheliegende Sicherungsoption, an deren Stelle Vertrauen treten kann, so es denn institutionell hinreichend geschützt ist. 715 Ein anschauliches Beispiel für eine solche Praxis, die vertrags- und vertrauensgerechte Erfüllung über ein Pfandsystem sicherzustellen, liefern die im Bauvertrag in Abweichung von der Fälligkeitsregel des § 641 BGB üblichen und in der VOB/B festgeschriebenen Sicherheitseinbehalte. Umgekehrt kann der vorleistungspflichtige Unternehmer Sicherheit nach § 648 BGB verlangen, was systematisch denselben Ursprung hat. Die hiermit in der täglichen Praxis verbundenen Abwicklungsprobleme und daraus resultierenden Transaktionskosten sollten ausreichend warnendes Beispiel sein. 716 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 466. 717 Vgl. dazu die Begründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (RegE), BT-Drs. 14/6040, S. 187. 718 Vgl. statt vieler Otto, in: Staudinger, § 323 Rz. C 30.
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licher Nebenpflichten in vollem Umfang bestehen.719 Genau dies entspricht aber der auf Grundlage einer konkreten Vertrauensbeziehung auch hier vertretenen Ansicht McLaughlin’s im Fall Jacob & Youngs vs. Kent. Auf das Konkurrenzverhältnis zwischen Erfüllungs- und Kompensationsansprüchen, wobei erstere gegebenenfalls von letzteren verdrängt werden können, haben die genannten Vorschriften deshalb keinerlei Einfluss. Vielmehr liegt ihre Ratio darin, den Erfüllungsanspruch bei auch unerheblichen Mängeln zu stärken, indem sie die Erfüllung zum einzig durchsetzbaren Anspruch erklären. Sie belegen damit das Gegenteil dessen, wofür sie von Schäfer/Ott bemüht werden. Im Übrigen ist die Erheblichkeit eines Mangels bereits immer dann zumindest indiziert, wenn in Bezug auf den betroffenen Umstand zwischen den Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB getroffen worden ist.720 Der Inhalt einer jeden Beschaffenheitsvereinbarung wiederum unterliegt der Vertragsautonomie der Parteien721 und ist gerade nicht durch die frühere Definition des Fehlerbegriffs oder desjenigen der „zugesicherten Eigenschaft“ begrenzt.722 In Anlehnung hieran aber ist davon auszugehen, dass aus der Anbahnung einer konkreten Vertrauensbeziehung hervorgegangene vertragliche Kooperationsvereinbarungen der Parteien jedenfalls in die Nähe einer solchen Beschaffenheitsvereinbarung rücken und damit hiervon betroffene, in der Erfüllung jedoch ausbleibende Umstände grundsätzlich als wesentlich gelten.723 Die von Schäfer/Ott vertretene Auffassung wäre deshalb selbst dann nicht haltbar, wenn die Beschränkung der Mängelgewährleistungsrechte – nicht der Erfüllungsansprüche – wegen unerheblichen Mängeln tatsächlich einen Rückschluss auf eine vom Gesetzgeber vermeintlich intendierte Vermeidung von lock in-Situationen zuließe, was jedoch, wie gesehen, nicht der Fall ist. 719
So ausdrücklich z.B. Grüneberg, in: Palandt, § 323 Rz. 32. Vgl. ebenfalls statt vieler Grüneberg, in: Palandt, § 323 Rz. 32; außerdem Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 781: „Nach bisherigem Recht gilt der Ausschluss des Rücktrittsrechts nicht, wenn der Verkäufer eine Eigenschaft zugesichert hat. Insoweit ist eine Änderung nicht beabsichtigt. Hier findet § 323 Abs. 5 Satz 2 keine Anwendung, da bei der Zusicherung einer Eigenschaft und der darin liegenden Übernahme einer Garantie für das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften nicht von einer ,unerheblichen‘ Pflichtverletzung gesprochen werden kann, selbst wenn der Wert oder die Tauglichkeit der Sache nur unerheblich gemindert ist.“. 721 Dazu – am Beispiel des Unternehmenskaufs im BGB – ausführlich Triebel/Hölzle, BB 2002, S. 521, 524 ff. 722 In der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber bewusst offen gelassen, ob der neu eingeführte, aber im BGB nicht definierte Begriff der Beschaffenheit, dem des Fehlers oder der zugesicherten Eigenschaft alten Rechts entspricht, oder z.B. auch Umstände erfasst, die außerhalb der Sache (des Kaufgegenstandes) selbst liegen, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 213. 723 Im Übrigen hat auch der BGH – in seiner jüngsten Grundlagenentscheidung zum Konkurrenzverhältnis der c.i.c. zu anderen Ansprüchen – anerkannt, dass der Eintritt eines ,Schadens‘ in den Grenzen der Verkehrsanschauung nicht allein nach der Differenzhypothese ermittelt, sondern diese normativ durch eine subjektive Betrachtung überlagert wird, BGH ZIP 1998, 154. Damit erkennt der BGH in der Grundsystematik die hier entwickelte Sichtweise auf dem Fundament einer ökonomischen Analyse bereits an. 720
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Schließlich führen Schäfer/Ott724 die genannten Vorschriften der §§ 323 Abs. 5 Satz 2, 281 Abs. 1 Satz 3 BGB und ihre korrespondierenden Normen aus dem Mietund dem Werkvertragsrecht als Beleg dafür an, dass ein interpersoneller Nutzenvergleich möglich sein müsse, da gesetzliche Anordnungen dieser Art nur in diesem Fall nachvollziehbar seien. Überdies hätten solche Regeln eine lange, bis zum römischen Recht zurückreichende Tradition, was außerdem darauf schließen ließe, dass sie sich als praktikabel und hinreichend willkürfrei erwiesen hätten. Schäfer/Ott führen damit ein evolutorisches Argument ins Feld. Auch hierbei ist jedoch in zweierlei Richtung Kritik zu üben: Erstens ist evolutionär begründbar nur dasjenige, dessen evolutorische Schritte in jedem Punkt nachgezeichnet werden können. Dies aber ist bei einer Zuweisung des interpersonellen Nutzenvergleichs zum Richter mitnichten der Fall. Ein schlichter Hinweis auf eine „lange Tradition“ genügt den Anforderungen an eine für solcherlei Argumente zugrunde zu legende ,Descartsche Analysetechnik‘725 keinesfalls. Zweitens ist Evolution noch kein Beleg für Effizienz, sondern schlicht ein Beleg dafür, dass wer eine Nische findet, darin auch überlebt, gleich ob effizient oder nicht. Dasselbe gilt für Institutionen. Dies hat auch der wohl namhafteste Vertreter der Evolutionsökonomik, der stets spontane Ordnungen über gesetzgeberischen Dekretismus gestellt hat, erkannt; von Hayek selbst hat die Möglichkeit eines Versagens der aus seiner Sicht ökonomisch stets überlegenen spontanen Ordnungen eingeräumt und aus dieser Einsicht heraus anerkannt: „Obwohl also Regeln gerechten Verhaltens wie die Handelnsordnung, die sie ermöglichen, in erster Linie das Ergebnis spontanen Wachstums sind, wird ihre allmähliche Vervollkommnung vorsätzliche Bemühungen von Richtern (oder anderen rechtskundigen Personen) erfordern, die das bestehende System durch Aufstellung neuer Regeln verbessern. In der Tat hätte das Recht, wie wir es kennen, nie voll entwickelt werden können ohne solche Bemühungen von Richtern oder sogar den gelegentlichen Versuch eines Gesetzgebers, es aus der Sackgasse herauszuführen, in die die allmähliche Evolution es drängen kann, oder völlig neuen Problemen Rechnung zu tragen.“726 Rechtliche Regeln sind deshalb mit von Hayek nicht notwendige Folge einer evolutionären Entwicklung, sondern können gerade auch aus einem nötigen Eingriff folgen, Schwächen der Rechtsevolution abzufangen. Ein Beleg mehr dafür, dass allein eine „Tradition“ noch keine Rechtfertigung ersetzt. Zudem sieht sich auch von Hayek mit seiner Rechtsevolution auf Grundlage einer freiheitsrechtlich geprägten Spontanordnung dem Vorwurf ausgesetzt, mit seinen Schriften niemals „eine Ebene der Lebenswirklichkeit“ betreten zu haben, da es im Ergebnis bei einer freiheitlichen Betrachtung immer darum geht, 724
Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 466. Die analytische Methodenlehre Descartes‘ entspringt der Annahme, dass rationale Methodik nichts anderes als eine Anwendung der in der Mathematik üblichen Arbeitsmethoden jedoch übertragen auf das philosophische Denken sei. Legte man dies auch hier zugrunde, so kommt einem aus einer Aussage gezogenen Schluss nur dann Erklärungswert zu, wenn auch deren Herleitung methodisch nachvollziehbar und folgerichtig ist. 726 Von Hayek, Recht, Gesetz und Freiheit, S. 103. 725
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einen Ausgleich zwischen den Freiheiten der beteiligten Akteure zu finden und zu bestimmen, welche Handlungen bei konkurrierenden Nutzen erlaubt sein sollen, in welchem Maße also die Freiheit des einen zugunsten des anderen eingeschränkt werden darf.727 Gerade mit den für die Reduzierung von Transaktionskosten im täglichen Marktgeschehen entscheidenden Effizienzüberlegungen oder Problemen der fehlenden interpersonellen Messbarkeit von Nutzen und den daraus folgenden Hürden für dessen Justitiabilität hat von Hayek sich demgegenüber aber nicht auseinandergesetzt, weshalb evolutionsökonomische Überlegungen hier allein nicht zielführend sind.728 (5) Fazit: Schutz von Quasi-Renten durch implizite vertragliche Absprachen Es zeigt sich deshalb bis hierher, dass die Lösung vor einem informationsökonomischen Hintergrund zu Recht auf den vertrauensbasierenden Absprachen der Parteien zu suchen und ein der Vertragsbeziehung zugrunde liegendes abstraktes Vertrauen lediglich geeignet ist, die allgemeine, marktübliche und ebenfalls abstrakte Eignung des Vertragsgegenstandes zur Erfüllung der üblicherweise mit ihm verknüpften Erwartungen zu schützen.729 Gehen die Verwendungsabsichten und Schutzerwartungen eines der Vertragspartner über diesen abstrakt zu definierenden Schutzbereich jedoch hinaus, bedürfen sowohl die Vertrags- als auch die Vertrauensbeziehung einer Konkretisierung und Individualisierung. Soweit eine solche abgestufte vertragliche Akzentuierung aber vollzogen worden ist, das vertragliche Kooperations-, Anspruchs- und Pflichtenbündel also in Ausfüllung einer sich während der Verhandlungsbeziehung stetig konkretisierenden Vertrauensbeziehung ausdifferenziert worden ist, so genießen die in dem Vertrag zusammengeführten Einzelabsprachen und Risikoallokationen Erfüllungsschutz, weshalb insoweit für einen effizienten Vertragsbruch kein Raum ist. Anders als wegen des Ausbleibens unerheblicher Umstände, spiegelt sich diese Ratio tatsächlich im Gesetz wider: Nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie die vereinbarte Beschaffenheit hat. Eine solche Vereinbarung über die Beschaffenheit liegt vor, wenn eine Absprache der Parteien über das Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Umstände Vertragsinhalt und -bestandteil geworden ist, wobei auch ein konkludentes oder stillschweigendes Zustan727 Schmidtchen, Recht, Eigentum und Effizienz, S. 127, 140 ff.; außerdem mit dem klarstellenden Hinweis: „Das, was Ökonomen die Frage der Anfangsallokation von Property rights nennen, stellt sich juristisch als Rechtsstreit dar: Wer hat (welches) Recht?“ 728 So stellt auch Radnitzky, in: Ordo (38), S. 47, 70 ff., der insgesamt auf von Hayek’s Theorie aufbaut, klar, dass ein modernes Wirtschaftssystem regulierender rechtlicher Institutionen bedürfe. 729 Dieser Gedanke bildet nicht zuletzt auch das Leitprinzip des europäischen Verbrauchervertragsrechts, nämlich das Rechtsprinzip der ,legitimen Erwartungen‘, wie Micklitz, ZEuP 1998, 253, 264, es bezeichnet hat. Im Unterschied zu der von Micklitz vertretenen Theorie wird durch die legitimen Erwartungen des Verbrauchers nach dem hier vertretenen Modell die Privatautonomie jedoch nicht zurück gedrängt, sondern diese gerade Teil der vertrags- und parteiautonom ausgehandelten Kooperationsbeziehung und der bidirektionalen Einbeziehung der jeweiligen Zahlungsbereitschaft in den Vertrag.
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dekommen der Vereinbarung, auch aufgrund einseitiger Erklärungen des Verkäufers,730 genügt,731 wenn also die Parteien in eine konkrete Vertrauensbeziehung eingetreten sind und daraus eine Kooperationsvereinbarung erwachsen ist.732 Demgegenüber liegt ein Sachmangel ohne eine solche Beschaffenheitsvereinbarung, also ohne Rücksichtnahme auf ein besonderes Vertrauen gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB nur dann vor, wenn sich die Sache für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Für die Erwartungen des Käufers in Bezug auf die übliche Beschaffenheit ist auf den Durchschnittskäufer abzustellen, nicht auf im Einzelfall gegebenenfalls überzogene Ansprüche des jeweiligen Käufers.733 Die Beschaffenheit und die Eignungserwartung sind daher abstrakt nach einem Markt- und Umfeldvertrauen, nicht aber auf Grundlage eines individualisierten vertraglichen Vertrauens zu beurteilen.734 Das Verwendungsrisiko und damit das Risiko des Erhalts der Quasi-Renten treffen in diesem Fall den Käufer, der keine besonderen Verwendungswünsche und -anforderungen an den Vertragsgegenstand in die Vertragsverhandlungen einbezogen hat. Da die Einbeziehung durch den Käufer aber die (transaktions-)kostengünstigere Alternative als die Suche nach der richtigen Frage durch den Verkäufer darstellt,735 stimmt diese 730
Ob solch einseitige Erklärungen genügen, ist im juristischen Fachschrifttum umstritten, vgl. z.B. für das Genügen nur zweiseitiger Vereinbarungen Looschelders, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Neues Schuldrecht, S. 400, dagegen Huber, in: FS Henrich, S. 301, ist nach dem hier herausgearbeiteten ökonomischen Befund auf Basis einer konkreten Vertrauensbeziehung jedoch nicht ernstlich zweifelhaft. Aus diesem Grunde ist auch Schlechtriem, in: Ernst/Zimmermann, S. 214, Recht zu geben, der davon ausgeht, dass bereits die Annahme eines Kaufangebots auf Grundlage einer Beschreibung der Kaufsache genüge, um die Vermutung des Zustandekommens einer auf der Beschreibung basierenden Beschaffenheitsvereinbarung zu begründen. Diese Ansicht findet darüber hinaus in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6040, S. 212) ihre Stütze, wo es heißt: „Beschreibt der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in einer bestimmten Weise, so werden, wenn der Käufer vor diesem Hintergrund seine Kaufentscheidung trifft, die Erklärungen des Verkäufers ohne weiteres zum Inhalt des Vertrags und damit zum Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des Satzes 1.“. 731 Putzo, in: Palandt, § 434 Rz. 15 f. 732 Dass eine solche und konkretisierte Vertrauensbeziehung für die auch konkludente mögliche Einbeziehung einer Beschaffenheitsvereinbarung in den Vertrag Pate gestanden hat, zeigt sich z.B. in den Erläuterungen bei Brox/Walker, SR-BT, § 4 Rz. 9: „Die Vereinbarung kann auch konkludent erfolgen. Beschreibt der Verkäufer den Kaufgegenstand vor oder bei Vertragsschluss etwa in einer Annonce, einem Prospekt oder Katalog oder in einem Verkaufsgespräch in einer bestimmten Weise, so werden, wenn der Käufer vor diesem Hintergrund seine Kaufentscheidung trifft, die Erklärungen des Verkäufers ohne weiteres zum Inhalt des Vertrages und damit zum Inhalt einer Beschaffenheitsvereinbarung. [mit Hinweis auf BT-Drs. 14/6040, 212]“. 733 Putzo, in: Palandt, § 434 Rz. 30. 734 Hier zeigt sich abermals die bereits zitierte Marktgängigkeit von objektivierten und kostengünstigen Transaktionsformen im Rahmen einer am Vertragszweck ausgerichteten Interpretation, vgl. nochmals mit vergleichbarer Argumentation in anderem Zusammenhang Rohe, Netzverträge, S. 152 ff., 157. 735 Vgl. zu dieser an den Transaktionskosten ausgerichteten ökonomischen Betrachtung Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 574, und bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) aa).
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gesetzliche Ratio mit ökonomischen Erwägungen überein. Zwischen diesen beiden Polen eines konkreten Vertrauens auf der einen und eines abstrakten Vertrauen auf der anderen Seite steht in der gesetzlichen Ausgestaltung noch die zwar nicht vereinbarte, aber vertraglich vorausgesetzte Verwendungseignung nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB. Mit der vorausgesetzten Verwendungseignung werden Parteivorstellungen in besonderer Weise geschützt, die von den Parteien zwar kommuniziert, nicht aber vertraglich fixiert worden sind.736 Nach der hier vorgenommenen Klassifizierung läge dem ein qualifiziert-abstraktes Vertrauen zugrunde.737 Legt man das hier entwickelte „vertrauens- und informationsökonomische Interpretationsmodell“, dessen Leitgedanken sich, wie soeben gesehen, in der gesetzlichen Systematik wiederfinden, zugrunde, ist demnach für jede sozial-ökonomische Umweltveränderung, für jeden nachträglich eingetretenen Umstand, der Anlass einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien wird, zu fragen, ob der Vertrag in Bezug hierauf implizite Regelungen enthält, die Parteien also ausdrücklich oder konkludent eine Risikoallokation vorgenommen, hierauf vertraut738 und für diesen Umstand daher eine Kooperationsabsprache getroffen haben.739 Den Ausgangspunkt für eine solche Vertragsinterpretation auf der Suche nach einzelnen Kooperationsabreden bietet der verkehrs- und marktübliche Standardund Allgemeinzustand, den die Parteien auf Grundlage ihres abstrakten Vertrauens wechselseitig erwarten und erwarten dürfen. Da die Einbeziehung konkreter Vertrauensmomente in den Vertrag auf der einen Seite bestimmte Erwartungen stärkt 736
Vgl. Brox/Walker, SR-BT, § 4 Rz. 12. Ähnlich Riha, Ökonomische Analyse, S. 101 f., der für eine auslegungsoffene Abgrenzung zwischen den Alternativen des § 434 Abs. 1 BGB auf Grundlage der gegebenen Informationslage eintritt. Sei der Käufer gut informiert und sachkundig, so sei er in der Lage, zu erkennen, dass sich eine konkrete Beschaffenheit für eine konkrete Verwendung nicht eigne und deshalb cheapest cost avoider, was seine Risikoträgerschaft rechtfertige. Das Ergebnis ist mit dem hier auf Basis einer informationsbedingten Vertrauenslage erzielten vergleichbar. Die Anlehnung an ein enttäuschtes abstraktes oder konkretes Vertrauen bietet gegenüber dem ausschließlich ökonomisch am Modell des cheapest cost avoider orientierten Ansatz jedoch den Vorteil, dass mit dem sowohl ökonomisch als auch juristisch anerkannten Vertrauensargument sogleich eine dogmatische Grundlage für die Haftungszuweisung angeboten wird und nicht im Rahmen der Sachmängeldefinition des § 434 BGB mit einem Fahrlässigkeitsvorwurf gearbeitet werden muss, wie Riha, Ökonomische Analyse, S. 102, es tut, wenn er darauf abstellt, dass der sachkundige Käufer das Risiko zu tragen habe, wenn er trotz seiner besseren Sachkenntnis die vertragliche Inkonsistenz nicht erkenne. 738 Mit der damit verbundenen Dogmatisierung des Vertrauens als vertraglicher Haftungsgrundlage wird die von Canaris, Vertrauenshaftung, S. 411 ff., bereits 1971 vertretene These, dass die Vertrauenshaftung eigenständiger gesetzlicher Haftungsgrund ist, in einer rechtsökonomischen Analyse bestätigt und – wie das hier herangezogene Beispiel übereinstimmender gesetzlicher Systematik zeigt – auch gesetzgeberisch geadelt. 739 Mit einer solchen, auf ökonomischem Kalkül basierenden Vertragsinterpretation könnte auch dem Einwand Lehmann’s, Werbeangaben und Allokationseffizienz, S. 172, aus dem Jahre 1989 begegnet werden, das klassische Zivilrecht habe den fundemantalen Wandel der Marktgegebenheiten noch nicht ausreichend berücksichtigt, da es traditioneller Weise immer noch zu stark mit seinem Blick auf die dogmatischen Fragen des Vertragsabschlusses und des Vertragsinhalts fixiert sei, sodass die häufig ökonomisch wesentlich entscheidendere, vorgelagerte Phase der Vertragsanbahnung und der vorvertraglichen Information nur marginal berücksichtigt werde. 737
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und daraus resultierende Quasi-Renten abzusichern versucht, stehen dem auf der anderen Seite regelmäßig erhöhte Schadens- oder Ausfallrisiken gegenüber. Der von den Parteien im Rahmen der Ausdifferenzierung der konkreten Vertrauensbeziehung zu suchende Kompromiss spiegelt sich dann jedoch in der zum Verhandlungsgegenstand gemachten Zahlungsbereitschaft der Akteure wider.740 Wie oben bereits dargestellt,741 liegt dem ökonomischen Vertrauensbegriff eine dynamische Definition zugrunde, nach welcher sich eine Vertrauensbeziehung stets an der kommunizierten und – z.B. durch Reputation742 – verifizierbaren Vertrauenswürdigkeit des einen und der Risikobereitschaft des anderen Teils ausrichtet.743 Das Maß der Risikobereitschaft wiederum ist untrennbar mit der aus der Transaktion realisierbaren Risikoprämie verbunden. Wo aber die Vertrauenswürdigkeit auf der einen und die Risiko- und die Zahlungsbereitschaft der beteiligten Akteure auf der anderen Seite die eine konkrete Vertrauensbeziehung inhaltlich bestimmenden Determinanten sind, hat die Vertragsinterpretation zur Extrapolation impliziter Vertragsbestandteile danach zu fragen und zu suchen, ob hierauf bezogene Umstände ausdrücklich oder konkludent in die Verhandlungsbeziehung eingeführt wurden. Die Parteien kooperieren nämlich miteinander, weil es ihnen gelungen ist, die wechselseitige Zahlungsbereitschaft, die jeweilige Risikoaversion oder Risikoneigung und in Abhängigkeit davon die erwartete Risikoprämie – idealerweise auf dem Punkt des sozialen Optimums – miteinander in Deckung zu bringen. Nötig ist dies immer dort, wo die keiner besonderen Verhandlung und vertraglichen Ausgestaltung unterworfene abstrakte Vertrauens- und Erwartungsebene verlassen wird. Die Abgrenzung zwischen der durch das abstrakte Vertrauen geschützten Erwartung, das Verkehrsübliche zu erhalten, und einer nur durch konkretes Vertrauen geschützten besonderen Erwartung, ist daher auf das Engste mit dem Maß der Risiko- und der Zahlungsbereitschaft der Parteien, letzthin also mit den von ihnen erwarteten Quasi-Renten verknüpft. Bei der Subsumtion, ob eine sozialökonomische Umweltveränderung einen noch vom abstrakten Vertrauen geschützten Umstand erfasst oder es zu einer entsprechenden Risikoallokation einer konkreten Vertrauens- und konkretisierten Vertragsbeziehung bedarf, ist deshalb auf den Individualisierungsgrad der Quasi-Rente abzustellen. Markt- und verkehrsüblich ist ein Umstand und ist die Realisation einer mit diesem Umstand verknüpften Quasi-Rente dann, wenn die Quasi-Rente nicht allein beim Transaktionspartner aufgrund der bei ihm vorzufindenen Umweltbedingungen zu erzielen ist, sondern in gleichem Maße und ohne vorherige Anpassung der Rahmenbedingungen auch 740 Ausdruck dessen kann die Bereitschaft zum höherpreisigen Kauf eines Gebrauchtwagens beim Vertragshändler ebenso sein, wie eine durch die Werbung konkreten Vertrauens oder auch Offenbarung einer erhöhten Zahlungsbereitschaft überhaupt erst geweckte Abschlussbereitschaft des anderen Teils. 741 Vgl. 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb). 742 Zum Modell der Reputation als kommunizierter Vertrauenswürdigkeit oben 1. Kap. § 2 B) II.4 c) bb). 743 Vgl. Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 7.
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bei alternativer Verwendung durch andere Marktteilnehmer entstünden. Dies kann insbesondere auch dann der Fall sein, wenn die Verkehrserwartung auf eine besondere Reputation eines der Transaktionspartner zurück geht, durch diese nämlich in gesteigertem Maße Vertrauens- und Verkehrserwartungen geschürt werden.744 Da sich der Reputationsaufbau ad incertas personas richtet, vollzieht sich die Vertrauensbildung, wie gesehen, auf der abstrakten Ebene und wird auch dort geschützt. Soweit im Ergebnis also die beim individualisierten Transaktionspartner infolge einer Umweltveränderung entgangene Quasi-Rente auch in der alternativen und zweitbesten Verwendung des Transaktionsgegenstandes bei einem anderen Akteur zu erzielen wäre, handelt es sich um einen markt- und verkehrsüblichen Umstand, der bereits durch das abstrakte Vertrauen des Marktteilnehmers geschützt ist. Wo dies nicht der Fall ist, können Quasi-Renten grundsätzlich nur dann und insoweit geschützt werden, wie die von ihnen im Einzelfall begünstigte Partei, dem Gedanken der Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten745 und damit letzthin dem Modell des cheapest cost avoiders folgend, nicht selbst für die vertragliche Absicherung der nur bei ihr und nicht auch in der alternativen zweitbesten Verwendung zu erzielenden Quasi-Rente hätte Sorge tragen müssen. Bei der Frage jedoch, wann identische Quasi-Renten auch in der alternativen und nur zweitbesten Verwendung realisierbar sind, bei der Suche nach den Verkehrskreisen und der Marktumgebung, innerhalb derer auf die Verkehrsüblichkeit und damit auf ein abstraktes Vertrauen rekurriert werden kann, ist im Rahmen des Versuchs einer Systematisierung danach zu differenzieren, ob die eingetretene Umweltveränderung sich auf transaktionsbezogene, transaktionsgegenstandsbezogene oder personenbezogene Umstände auswirkt.746 Regelmäßig wird davon auszugehen sein, dass Quasi-Renten aus transaktionsbezogenen Umständen – dem soeben dargestellten Grundsatz folgend – regelmäßig nur dann geschützt sind, wenn der Begünstigte, der die Quasi-Rente dadurch zu erzielen hofft, dass er den Transaktionsgegenstand einer besonderen Verwendung zuführt, aber zugleich diese über die abstrakte Verwendungseignung und damit über 744 Überträgt man diesen Gesichtspunkt auf den gesetzgeberischen Leitgedanken in § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB, der soeben bereits für jedenfalls mit dem ökonomischen Modell vereinbar gehalten, wenn nicht gar durch dieses inspiriert wurde, so tritt eine neue Erwägung zu Tage, die nicht minder bedeutend ist: Soweit erhöhte Reputation zu einer Steigerung des abstrakten Vertrauens und damit zugleich zu einer Reduzierung der nötigen Vertragstiefe führt, werden hiermit aufseiten beider Parteien Transaktionskosten eingespart. Dies führt aufseiten des Abnehmers regelmäßig zu einer erhöhten Zahlungsbereitschaft für die Leistung oder das Produkt selbst. Durch das hier entwickelte vertragsökonomische Interpretationsmodell wird daher das Eigeninteresse des Unternehmers an dem Aufbau und dem Erhalt seiner Reputation mit dem empfohlenen Schutzinstrumentarium kombiniert. Wird überdies sichergestellt, dass eine Enttäuschung des abstrakten Vertrauens zu einem schnellen Reputationsabbau führt, entsteht insgesamt ein ökonomisch effizientes System. Darauf, inwieweit dieses Modell auf die gesetzlichen Institutionen zur Abwehr und Kompensation von Verstrickungslagen zu übertragen ist, wird im 3. Kapitel zurück zu kommen sein. 745 Auch dazu noch einmal Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 574, und oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) aa). 746 Mit dieser Differenzierung bereits oben Einl. § 3 B) VI.
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den durch sein abstraktes Vertrauen geschützten Verwendungszweck hinausgehende Absicht sowie seine aus der Rentenerwartung regelmäßig resultierende erhöhte Zahlungsbereitschaft auch tatsächlich offenbart und in die Verhandlungsbeziehung eingeführt hat.747 Solche Informationen über individualisierte Verwendungsabsichten stellen grundsätzlich unproduktive Informationen dar, die von dem Begünstigten kostengünstiger ungefragt offenbart, als vom Leistenden erfragt werden können. Ganz anders bei transaktionsgegenstands-, also regelmäßig objektbezogenen Informationen, wozu z.B. Informationen über den Umgang mit dem Transaktionsgegenstand, dessen Verwendungseignung und -voraussetzungen gehören.748 Da auch solche Informationen in aller Regel unproduktiv sind, die Informationsbeschaffung und ihre Weitergabe aber mit dem geringeren Aufwand von dem mit dem Produkt und seinem Umgang vertrauten Anbieter gewährleistet werden kann, sind konkrete (Vertrauens-)Umstände von diesem in die Vertragsverhandlungen einzubeziehen. Dies gilt z.B. auch für solche Umstände, die deshalb der konkreten Vertrauensbeziehung zuzuordnen sind, weil sie von der durch das abstrakte Vertrauen geschützten Verkehrserwartung abweichen, der vertragliche Schutz also hinter der Verkehrserwartung zurückbleibt, die Zahlungsbereitschaft des Anbieters, dargestellt durch dessen Grenzkosten der Produktabgabe,749 mithin reduziert ist.750 Bei personen-, also subjektbezogenen Umständen ist demgegenüber danach zu differenzieren, wen die Umstände jeweils betreffen und ob sie verkehrsüblich sind 747 Für das eingangs dargestellte Beispiel, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) bb), zur Lieferung einer Küche bedeutete dies, dass die Passgenauigkeit der Küche bereits über das abstrakte Vertrauen geschützt und damit ersatzfähiger Umstand sein dürfte, wenn das Aufmaß zum regelmäßigen Leistungsgegenstand des Unternehmers gehört, etwa weil es sich um einen Fachmarkt und eine Individualplanung handelt, dass andersherum aber die Einbeziehung konkreter Vertrauensmomente erforderlich ist und im Verantwortungsbereich des Bestellers liegt, wenn es sich um eine Serienproduktion aus dem Möbelgroßmarkt ohne nennenswerten Individualisierungsgrad handelt. 748 In diese Fallgruppe gehören z.B. die Fälle zur ungefragten Aufklärung hinsichtlich Bedienungs- und Verwendungshinweisen (vgl. z.B. NJW 1989, 1793), die Dokumentations- und Bedienungshandbuchfälle aus dem EDV-Bereich u.ä. 749 Vgl. oben Abb. 5 „Tauschoptimum“ unter 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). 750 Als Beispiel ist hier etwa der Verkauf eines Grundstücks aus der Insolvenzmasse durch einen Insolvenzverwalter zu nennen. In Grundstückskaufverträgen werden Gewährleistungsansprüche wegen Mängeln des Grundstücks regelmäßig ausgeschlossen, soweit dem Verkäufer hinsichtlich der Behauptung, ihm seien keine Mängel bekannt, nicht Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Da der Insolvenzverwalter sich aber regelmäßig nicht über den Zustand eines Grundstücks informiert hat, sich unter dem bestehenden Zeitdruck häufig auch nicht informieren kann und auch über keinerlei eigene Erfahrungen aus dem Umgang mit dem Grundstück verfügt, wäre die Behauptung, ihm als Verkäufer seien keine Mängel des Grundstücks bekannt geworden, zwar möglicherweise objektiv richtig, wäre aber geeignet, ein tatsächlich nicht gerechtfertigtes abstraktes Vertrauen fehlzuleiten und ist deshalb als sog. „Behauptung ins Blaue“ haftungsschädlich. Im Rahmen einer konkreten Ausgestaltung des abstrakten Vertrauens hat der Insolvenzverwalter als Verkäufer deshalb ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er sich über den Zustand des Grundstücks nicht informiert hat. Nur so ist es dem Käufer möglich, den Informationsgehalt der Behauptung, Mängel seien nicht bekannt geworden, produktiv einzuordnen und zu verwenden.
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und damit als typisiert in den Vertrag einbezogen gelten. Dann nämlich wäre jede weitere Offenbarungs- und ausdrückliche vertragliche Einbeziehungspflicht transaktionskostenschädlich. Dies gilt z.B. für Folgerungen und Schutzansprüche, die aus der besonderen Rolle einer Partei im Rechtsverkehr, etwa einer Verbrauchereigenschaft751 oder aus besonderen Pflichten institutionalisierter Anbieter, wie z.B. individualisierter Informationspflichten von Banken und Versicherungen resultieren. Handelt es sich hingegen um verborgene persönliche Umstände, hinsichtlich derer die Suche nach der richtigen Frage kostenaufwendiger wäre, als ihre ungefragte Offenbarung, ist letztere zu verlangen, sollen diese Umstände im Sinne der Sicherung mit ihnen zu erzielender Quasi-Renten vertraglich einbezogen werden. transaktionsbezogene Umstände
gegenstandsbezogene Umstände personenbezogene Umstände
produktive/unproduktive Information
Abb. 6: Informations- und vertrauensökonomisches Interpretationsmodell Die ökonomisch motivierte Vertragsinterpretation vollzieht sich daher durch eine Untergliederung des Gesamtvertrages, der vertrauens- und informationsökonomisch nichts weiter darstellt, als ein Bündel von einzelnen und jeweils gegenständlich beschränkten Kooperationsabsprachen, in diese Teilabreden, die je für sich zu würdigen und hinsichtlich einer darin etwaig enthaltenden Risikoallokation und Kostenzuweisung zu untersuchen sind. Dabei ist zwischen gegenstandsbezogenen 751 So unterfällt z.B. im Rahmen der Definition der „gewöhnlichen Verwendung“ im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB, also im Rahmen der Ausgestaltung des abstrakten Vertrauensschutzes nach dem hier angebotenen Modell, auch die Bestimmung des Verkehrskreises, wozu die Verbrauchereigenschaft im Sinne des § 13 BGB gehört, der abstrakten Bestimmung, ohne dass es einer Offenbarung bedürfte, vgl. Putzo, in: Palandt, § 434 Rz. 27.
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Umständen und der Offenbarungspflicht für unproduktive Informationen vorrangig auf Ebene des abstrakten und transaktions- und personenbezogenen Umständes mehr auf Ebene des konkreten, durch implizite Vertragsabsprachen geschützten Vertrauens zu unterscheiden. Grafisch lässt sich dieses „informations- und vertrauensökonomische Interpretationsmodell“ wie in der vorstehenden Abbildung gezeigt, abbilden. Eine solche vertrauensbasierende und vertrauensdifferenzierende Vertragsinterpretation hat unter Berücksichtigung der ökonomischen Erwägungen das Tauschoptimum752 betreffend einen weiteren entscheidenden Vorteil: Zum Erreichen des sozialökonomischen Optimums ist eine transaktionsspezifische Stabilität erforderlich, das heißt, alle beteiligten Transaktionspartner sind mit dem erzielten Verhandlungsergebnis dergestalt zufrieden, dass ihr persönliches Tauschoptimum erfüllt ist, sie also jeweils davon überzeugt sind, dass eine Verbesserung der eigenen Position nicht mehr zu erzielen, jedenfalls aber nur unter Inkaufnahme von Nachteilen an anderer Stelle erreichbar ist. Eine solche Stabilität ist aber am ehesten gegeben, wenn die vertragliche Risikozuordnung auf Grundlage der wechselseitigen Vertrauenserwartungen und unter Berücksichtigung der hiermit eng verknüpften und jeweils zu offenbarenden Zahlungsbereitschaft der Transaktionspartner gebildet wird. Damit löst sich die Betrachtung zugleich von dem in der ökonomischen Theorie immer wieder verwendeten Nutzenbegriff. Wenn aber, wie dargestellt, „Nutzen“ ein theoretisches, tatsächlich von endogenen Präferenzstrukturen überlagertes Konstrukt und keine empirisch feststellbare Tatsache sowie überdies nicht interpersonell vergleichbar ist,753 dann kann er, da nicht justitiabel, schlechterdings auch nicht zum Maßstab vertraglicher Auseinandersetzung gemacht werden.754 Die Ersetzung des Nutzenmodells durch ein interpretatorisches Kooperationsmodell trägt den tatsächlichen wirtschaftlichen Abläufen daher in erheblich größerem Maße Rechnung, als es das Nutzenmodell könnte. d) Ergebnis Die Antwort auf die Frage, ob ein effizienter Vertragsbruch ökonomisch sinnvoll und deshalb zuzulassen ist, ist nach alledem nicht, wie bisher in der ökonomischen Analyse überwiegend geschehen,755 anhand von Nutzenerwägungen und Opportunismusgefahren durch Ausnutzung von lock in-Positionen zu beantworten, sondern interpretatorisch dadurch aufzulösen, dass gefragt wird, ob die Parteien hinischtlich der eingetretenen Umweltveränderungen eine Kooperationsvereinbarung und kraft dieser eine Risikozuweisung getroffen haben. Durch die 752
Vgl. nochmals oben Abb. 5 „Tauschoptimum“ unter 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). Dazu oben, 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa). 754 Aus diesem Grunde tragen m.E. auch die Erwägungen von Bydlinski, JBl 1980, 393, 396 f. nicht, der den Maßstab für die Verletzung von Aufklärungspflichten durch ,listiges Verschweigen‘ an den gemeinen Wert (Verkehrswert) des Vertragsgegenstandes anlegen will. 755 Dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.2 und I.3. 753
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Kooperationsbeziehung nämlich werden Risiken über Güter, Leistungen, ihre unmittelbaren und mittelbaren Beschaffenheitsfaktoren, über Umweltzustände, über Verhaltensweisen generell und über längere Zeiträume verteilt, zugewiesen und hierdurch sogleich die Beachtlichkeit oder die Unbeachtlichkeit von endogenen Einflüssen unterliegenden Präferenzen vereinbart. Solange und soweit eine solche Kooperationsvereinbarung der Parteien getroffen und deshalb als impliziter Vertragsbestandteil Gegenstand des Kooperationsbündels „Vertrag“ geworden ist, besteht kein Raum für die Anwendung des Rechtsinstituts eines effizienten Vertragsbruchs. Kann eine Kooperationsvereinbarung als impliziter Vertragsbestandteil jedoch nicht isoliert werden, treten an ihre Stelle die Instrumentarien zur Rekonstruktion vollständiger Verträge, allen voran die would have wanted-theory, tritt also an die Stelle eines tatsächlichen der hypothetische Konsens der Parteien.756 Hierbei ist, da besondere Umstände auch eine besondere, nämlich konkrete Vertrauensbeziehung erfordern, die ihrerseits einen dynamischen Charakter hat, im Rahmen einer auch dynamischen Institutionalisierung den Parteien zunächst der nötige institutionelle Verhandlungs- und Entscheidungsspielraum einzuräumen, ihre Kooperationsvereinbarungen an das veränderte sozialökonomische Umfeld anzupassen und sie gegebenenfalls zu ergänzen. Nur soweit dies nicht gelingt oder unter Berücksichtigung des ökonomischen Kalküls der Parteien am Maßstab des sozialen Optimums757 eine solche Einigung nicht (re-)konstruierbar ist, besteht die Möglichkeit zu einer effizienten Abstandnahme vom Vertrag mit anschließender Kompensation des Nichterfüllungsschadens. Bei der Vervollständigung des Vertrages kann jedoch dem Ansatz Shavell’s,758 rational handelnde Parteien würden in Anlehnung an die would have wanted-theory stets diejenige Abwicklung bei Leistungsstörungen bevorzugen, die den größten Gesamtnutzen hervorbrächten, sich also am Kaldor-Hicks-Kriterium im Sinne einer potentiellen Pareto-Verbesserung ausrichten, bei welcher der Nutzengewinn des Gewinners höher bewertet würde, als der Nutzenentgang vom Verlierer,759 nur eingeschränkt gefolgt werden. 756
Mit dieser Methodik ist letzthin auch den Einwänden (vgl. oben 1. Kap. § 1 B) II.1 m.w.N.) begegnet, die Integration der ökonomischen Analyse in die juristische Norminterpretation führe zu einer Verkürzung juristischer Wertungen und zu einer Unterwerfung des Rechts unter das Diktat des ökonomischen Effizienzziels, was Kirchner, Folgenberücksichtigung, S. 41, aus verfassungsökonomischer Sicht bereits zutreffend herausgestellt hat: „Aus diesem Grunde wird im verfassungsökonomischen Ansatz statt auf das Effizienzziel auf den hypothetischen Konsens der Akteure abgestellt. In die Konstruktion eines solchen Konsenses fließen selbstverständlich Aspekte der (dynamischen) Effizienz ein; aber es entfällt die strikte Trennung zwischen den Allokations- und Distributionswirkungen. Der hypothetische Konsens stellt sich nicht als eine Nachkonstruktion eines realen Konsenses dar, sondern ist seinerseits ein theoretisches Konstrukt, das im Rahmen des (nun modifizierten) ökonomischen Paradigmas entwickelt wird (…).“. 757 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). 758 Shavell, Specific Performance, 84 T.L.R. (2006), S. 833 ff. 759 Ausführlich dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.3 b).
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Shavell überträgt mit diesem Ansatz wohlfahrtsökonomische und marktwirtschaftliche Erkenntnisse auf konkrete und individualisierte Vertragsbeziehungen. In ihrer Herkunft, nämlich einem makroökonomischen Ansatz, ist diese am Kaldor-Hicks-Kriterium ausgerichtete Betrachtung durchaus lohnenswert, weil sie insgesamt mehr Vor- als Nachteile und damit eine Wohlfahrtssteigerung hervorbringt. Im mikroökonomischen Bereich, bei der Betrachtung konkreter, individualisierter, wirtschaftlicher und juristischer Vorgänge, aber greift diese Betrachtung zu kurz: Shavell modelliert durch seine Differenzierung nach Leistungs- und Verschaffungsverträgen ein neues Korsett ökonomisierter Typenverträge. Solche Typisierungen aber laufen, da sie regelmäßig ergebnisorientiert entwickelt und angewendet werden, immer auch Gefahr, zu einer „Koranisierung“ des Rechts zu führen, sich also allein aus ihrem übergeordneten Modellcharakter heraus als unangreifbar darzustellen. Jedenfalls drohende Folge einer solchen Koranisierung wäre, dass ein Rechtskodex über Wirtschaftsvorgänge gelegt würde, ohne deren Inhalten, Wirkweisen und Strukturen im Tatsächlichen gerecht zu werden. Mit zunehmender Komplexität der wirtschaftlichen Vorgänge und Wechselbezüglichkeiten und gleichzeitig zunehmender Komplexität der angebotenen Produkte und Leistungen selbst liegen den rechtlich zu erfassenden und zu prospektierenden Lebenssachverhalten notwendigerweise auch immer komplizierter werdende Vertragswerke zugrunde.760 Je komplexer aber die tatsächlichen Umweltund Rahmenbedingungen und mit ihnen die zu ihrer Bewältigung geschlossenen Verträge werden, desto mehr entfernen sich Vertragsbeziehungen von einem bereits in den Grundstrukturen des römischen Rechts (do ut des) angelegten bloßen Leistungsaustausch („Ware oder Dienstleistung gegen Geld“) und entwickeln sich zu umfassenden Kooperationsvereinbarungen. Die Beurteilung eines wirtschaftlichen Vorgangs kann dann aber adäquat nur durch die interpretatorische Auflösung der von den Parteien tatsächlich zur Bewältigung ihrer komplexen und jedenfalls zweidimensionalen Umwelt gewählten Kooperationsstruktur erfolgen, die in dem Vertragswerk und dessen impliziten Bestandteilen ihren Niederschlag gefunden hat und dort gebündelt ist. Solche Kooperationsvereinbarungen sind von dem Vertrauen der Parteien, jedenfalls abstrakter und regelmäßig auch konkreter Natur getragen. Die zugrunde liegende Vertrauensbeziehung ist hierbei bidirektional, das heißt wechselbezüglich.761 Jeder Vertragspartner hat einerseits Anspruch auf Erhalt der bedungenen Leistung, kann andererseits jedoch nicht unter dem Deckmantel des Vertrauens auf die Leistung jede eigene Handlung und Investition rechtfertigen. Denn auch in entgegengesetzter Richtung ist die Kooperationsbeziehung maßgeblich.
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Dazu bereits ausführlich oben Einl. § 1. Vgl. dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb): Wer sich auf kommunizierte Vertrauenswürdigkeit seines Verhandlungspartners einlässt und Vertrauen entgegenbringt, kann erwarten, dass auch ihm mit Vertrauen begegnet wird. 761
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Jeder Vertrauensinvestition, von denen nicht zuletzt bereits im Zusammenhang mit der Einführung zu § 284 BGB die Rede war,762 liegt letzthin inhaltlich eine Risikozuweisung an den Kooperationspartner zugrunde. Eine solche Risikozuweisung aber muss, um erfüllungs- und kompensationsrechtlich geschützt zu sein, von der Kooperationsbeziehung, sei es bereits auf Ebene des abstrakten oder erst auf Ebene des konkreten Vertrauens, gedeckt sein. Dies wiederum setzt eine ausdrückliche, konkludente oder implizite informatorische Einbeziehung in die Kooperationsvereinbarung voraus. Fehlt es daran, stellt sich die Vertrauensinvestition als einseitige und ungefragte Risikoallokation ohne Prämienzahlung und damit als grundsätzlich unkooperatives Verhalten dar, das, weil durch die Kooperationsbeziehung nicht gedeckt, zunächst auch nicht schützenswert ist.763 Insoweit müsste ein Erfüllungsanspruch dann ausscheiden. Zu fragen bleibt einzig, ob und inwieweit gegebenenfalls auch ungefragte Risikoallokationen über einen Markt oder marktliche Institutionen abgegolten werden und welche Maßstäbe hierfür heranzuziehen sind. Im Ergebnis bleibt mit dem hier vertretenen Ansatz sichergestellt, dass sich die rechtsökonomischen Institutionen an wirtschaftlichen Realitäten und sozialen Interaktionen orientieren und nicht allein deduktiv aus rechtlichen Typisierungen ableiten. Das Bestehen eines so abgeleiteten Erfüllungsanspruchs geht der Abwicklung durch Kompensation dann grundsätzlich vor. I.5 Wann sind Kooperationsbeziehungen unvollständig? – Zur Hermeneutik der Kooperation Wenn und soweit bleibt zu untersuchen, ob und inwieweit auch ungefragte Risikoallokationen infolge einer ,verdeckten‘ Vertrauensinvestition von der Kooperationsbeziehung geschützt werden, impliziert dies die Frage nach der Anwendbarkeit der Lehre vom vollständigen Vertrag764, auch auf das hier als Lösungsvorschlag angebotene informations- und vertrauensökonomische Interpretationmodell.765 Doch gibt es eine solche Unvollständigkeit der Kooperationsbeziehung nach dem bis hierher entwickelten Maßstab wirklich? Wenn hier konstruktiv zur Erklärung des Entstehens und der Wirkung von Verträgen vorrangig von einer Kooperation bei notwendig impliziten Vereinbarungen die Rede ist, so determiniert dies, dass auch in den Vordergrund der der Auflösung vermeintlich unvollständiger Kooperationsbeziehungen zunächst das Verstehen der Parteivereinbarung und ihrer Grundlagen treten muss. Wenn diese Aussage auch trivial klingen mag, ist ein solches ,Verstehen‘ keinesfalls selbstverständlich. Die Hermeneutik als die Lehre vom Verstehen766 entstand aus den Analysen des Interpretierens, die seit jeher für den Umgang insbesondere mit solchen Texten von 762
Vgl. oben Einl. § 3 C) III.2 b). Mit ähnlichen Erwägungen ist die Vorschrift des § 254 BGB (Mitverschulden) zu erklären, durch welche einseitig übertragenes Risiko auf den ursprünglichen Risikoträger zurück alloziert wird. 764 Vgl. oben 1. Kap. § 2 B) III.2 und III.3. 765 Dazu soeben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5) mit Abb. 6. 763
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höchster Bedeutung war, die nicht direkt und problemlos erschließbar waren, wie etwa den Kodizes der Jurisprudenz. Das neuere, mehr philosophische Verständnis der Hermeneutik setzt hingegen nicht bei dem Begriff der Interpretation, sondern bei dem des Verstehens an. Es geht also nicht mehr nur um den sachangemessenen Umgang mit Texten, sondern darum, das Innere des Untersuchungsgegenstandes in seiner Ganzheit zu betrachten, und das Verstehen hierbei als selbstständigen operativen Vorgang zu begreifen.767 Dieses Verständnis einer modernen Hermeneutik schließt die Notwendigkeit des Offenhaltens von Perspektiven ein, die, auf ein unverzichtbares Vorverständnis der Materie gründend, zu einem vorläufigen Erfassen der Bedeutung des Gesagten oder Geschriebenen führen können.768 Hierbei ist jedoch wichtig zu bedenken, dass Bedeutungen nicht dem Gegenstand der Betrachtung von außen wie eine Aufschrift hinzukommen,769 sondern aus dem gesellschaftlichen Umgang mit ihm im Sinne eines ,Bezugsgewebes‘ aus der Interaktion erwachsen.770 Auf Ebene der Jurisprudenz lässt sich dieser Widerstreit zwischen Verstehen auf der einen und Interpretation auf der anderen Seite wohl am ehesten mit den historisch gewachsenen Systemunterschieden des anglo-amerikanischen case law und dem kontinental-europäischen römisch-rechtlich geprägten Rechtskreis vergleichen: Die Grundlage des case law bildet die logische Argumentationstechnik des Disputs, wie sie bereits auf Socrates zurück geht, indem, vermittels der Technik der distictions, einer Gegenüberstellung von zwei Lösungen, und der Abwägung der größeren Wahrscheinlichkeit („getting to maybe“) eine differenzierte und abgewogene Lösung entwickelt wird,771 während das kontinental-europäische Rechtssystem auf einem Syllogismus und der auf ihm gründenden Subsumtion aufbaut und davon ausgeht, dass aus dem Gesetz für jede Situation eine Lösung abzuleiten ist. Großer Vorteil dieser auf logische Relationen und Schlussfolgerungen zurückgehenden Subsumtionstechnik, ist die häufig größere Vorhersagbarkeit gerichtlicher Entscheidungen. Die Syllogistik unseres Rechtssystems darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Ableitung von Lösungen aus dem Gesetz hiernach erst möglich ist, wenn zuvor die syllogistischen Prämissen, die Subjekte und Prädikate772 des logi766
Vgl. Capurro, Hermeneutik revisted, S. 1. Fellmann, Symbolischer Pragmatismus, S. 13. 768 Capurro, Hermeneutik revisted, S. 2. 769 Eine solche äußere Betrachtung müsste schon deshalb scheitern, weil Sprache porös ist: Sprachliche Begriffe allein ändern sich bereits durch die Entwicklung des Kontextes, in den sie eingebettet sind, sodass Begrifflichkeiten niemals geeignet sein können, einen Zustand statisch festzulegen, vgl. Kirchner, in: FS Schäfer, S. 37, 39. 770 Vgl. Arendt, Vita Activa, S. 173. 771 Zu den Systemunterschieden zwischen dem u.s. amerikanischen case law und dem deutschen Rechtskreis mit Blick auf die Möglichkeiten der Einbeziehung ökonomischer Systemansätze auch Tontrup, Ökonomik, S. 69, 76. 772 Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die syllogistischen Subjekte und Prädikate nicht zu verwechseln sind mit Subjekt und Prädikat der Grammatik. 767
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schen Rückschlusses, in den Worten der Jurisprudenz ausgedrückt, die Subsumtionsgrundlagen, ihrer Bedeutung nach erfasst werden. Hierzu ist die Entflechtung des ,Bezugsgewebes‘ und des sich daraus offenbarenden Bedeutungszusammenhangs der Interaktion der Parteien erforderlich, muss also die Parteivereinbarung als Grundlage der Kooperation ihrem gesamten Inhalte nach und in dessen Tragweite verstanden werden, ehe die Voraussetzungen für die Anwendung des Gesetzes geschaffen sind. Unter Zugrundelegung des hier vertretenen vertrauens- und informationsökonomischen Interpretationsmodells treten deshalb mit der Zunahme der Bedeutung der Kooperation für gerichtliche Entscheidungen auch die Hermeneutik und treten die hermeneutischen Fähigkeiten des Richters entscheidend in den Vordergrund. Je verlässlicher diese Fähigkeiten, desto größer auch das Vertrauen der Parteien hierein, was wiederum die Entschlackung von Parteivereinbarungen um die Fixierung zum Beispiel ihrer Motive fördert und so ein weiteres Mal Transaktionskosten spart. Das Verstehen der Kooperationsvereinbarung beginnt dort, und damit schließt sich der Kreis zu den bisherigen Erkenntnissen in Bezug auf Entstehen, Inhalt und Auflösung von Kooperationsbeziehungen, wo sich die Erfahrungs- und Erkenntnishorizonte der Parteien überlagern.773 Um eine solche Schnittmenge gemeinsamer Erfahrungen, die zu einem gemeinsamen Wort- und Bedeutungsverständnis führen, festzustellen, ist zunächst die Extrapolation des der Kooperationsvereinbarung zugrunde gelegten Erfahrungs- und Erkenntnishorizonts der Parteien in Bezug auf das konkrete Transaktionsumfeld erforderlich.774 Dieser wiederum erschließt sich reziprok aus den der Kooperation immanenten Informationslücken. Wie gesehen,775 gründet eine jede Vertragsbeziehung auf der bewussten Inkaufnahme von Erkenntnis- und daraus folgenden Vertragslücken sowie den sich daraus ergebenden Risiken, die jedoch durch bewusste und unbewusste Vertrauens-
773 Dies ist eine der Thesen Wittgenstein’s, einer der großen Vorreiter der modernen Hermeneutik. Wittgenstein geht davon aus, dass eine Vielzahl von gesellschaftlichen Problemen sich auf Verständigungs- und daraus folgend auf Verständnisprobleme zurückführen ließen, weil etwa ein Zuhörer, der selbst noch nie Zahnschmerzen gehabt hat, die Beschreibung des Schmerzes durch den Klagenden in seiner ganzheitlichen Bedeutung nicht wird erfassen können. Der Schlüssel zum Verstehen liegt nach Wittgenstein daher in einer Überlagerung der Erkenntnis- und Erlebnishorizonte, was sich letzthin sogar im Wortstamm des Begreifens widerspiegelt. 774 In dieses Verständnis lässt sich z.B. die ständige Rechtsprechung des BGH zur Begründung von Vertrauensbeziehungen, aus denen Aufklärunspflichten erwachsen, einbetten: Der BGH verlangt hierzu in der Regel neben dem Nachweis eines Wissensgefälles (vgl. z.B. BGH, NJW 2006, 60) auch die Erkennbarkeit, dass der aufklärungsbedürftige Umstand für die andere Partei von besonderer Bedeutung (vgl. z.B. BGH, ZIP 200, 2257) ist. Eine solche Erkennbarkeit setzt jedoch die vorherige Feststellung voraus, dass sich die Erfahrungen der Parteien insoweit überlagern, als dass die Bedeutung des Umstandes für die eine auch durch die jeweils andere Partei abgeschätzt werden kann. Die Subsumtion unter diese tatbestandlichen Anforderungen des BGH ist ohne ein hermeneutisches Grundverständnis und dessen Anwendung auf die Bedingungen des Transaktionsumfeldes daher nicht möglich. 775 Oben 1. Kap. § 2 B) III.3 c).
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entscheidungen kompensiert werden.776 Informationslücken werden deshalb typischerweise von Vertrauen getragen. Einem Vertrauen, welches deshalb in abstrakter und konkreter Ausprägung der Kooperationsbeziehung selbst immanent ist. Da das Vertrauen hierbei jedoch nicht einseitig entgegengebracht wird, sondern sich auf Grundlage der Kommunikation der Parteien bidirektional und stufenweise weiterentwickelt,777 wobei der Dialog der Parteien als Vertrauenskatalysator dient, ist von unvollständigen Kooperationsbeziehungen tatsächlich nur in seltenen Ausnahmefällen auszugehen. Grundsätzlich nämlich ist jede Lücke des Vertrages als diesem immanent anzusehen und so grundsätzlich von dem Vertrauen jedenfalls einer der Parteien getragen. Dies wird an folgendem, einfachem Beispiel deutlich:778 Ein Kamerateam bringt Filme von einer Himalaya-Expedition zum Entwickeln. Die Aufnahmen werden durch ein Verschulden des Foto-Labors vernichtet. Es entsteht ein hoher Schaden, da die Fotos an eine Illustrierte verkauft werden sollten.
Schäfer/Ott verneinen die Ersatzpflicht des Labors zu Recht. Durch den besonderen Wert der Filme hat der Kunde dem Fotolabor ein Risiko ungefragt übergebürdet. Diese ungefragte Belastung der Kooperationsbeziehung mit einem zusätzlichen Risiko führt jedoch nicht zu einer Lücke im Vertrag. Vielmehr wird die Risikolast hier als Ableitung aus dem abstrakten Vertrauen des Auftragnehmers, dem Fotolabor, derart in die Kooperationsbeziehung einbezogen, dass es als unerwartete und unvorhersehbare Schadensneigung, für die ohne entsprechenden Hinweis keine besondere Vorsorge hatten getroffen werden können, als dem Auftraggeber implizit zugewiesen gilt. Umgekehrt, aber nach derselben Systematik war dies im Fall Jacob & Youngs vs. Kent779 nach der hier vertretenen Auffassung zu beurteilen: Jacob & Youngs brach ungefragt aus der Kooperationsabrede aus. Hierin liegt implizit die Übernahme des Risikos, die Schäden aus einer nicht kooperationsgerechten Erfüllung für den Fall zu tragen, dass eine nachträgliche kooperative Anpassung der Kooperationsvereinbarung nicht zu erreichen sein würde. Auch hier bestand eine Lücke im Vertrag, die nicht aus dem Verständnis der Bedeutung der Kooperationsvereinbarung in ihrer Gesamtheit heraus zu schließen gewesen wäre, nicht. Im Ergebnis geht es daher bei dem hermeneutischen Verständnis der Kooperationsvereinbarung der Parteien nicht um den Schutz des Verbrauchers oder um den Schutz der schwächeren Vertragspartei, sondern um eine Risikoverteilung, die den Nutzen beider Parteien maximiert.780 Die Parteivereinbarung ist grundsätzlich auf 776 Auch zu der informationssubstituierenden Wirkung des Vertrauens bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb). 777 Vgl. nochmals oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb), dort insbesondere Abb. 4. 778 Beispiel nach Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 467 f. 779 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (2). 780 So bereits ausdrücklich auch Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 574; in demselben Sinne bezogen auf das europäischen Verbraucherschutzrecht Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 770 f.: „Nicht aufgrund einer pathologischen, die individuelle Vertragsfreiheit beeinträchtigenden Ungleichgewichtslage muss der Verbraucher unterstützt werden, sondern um seine maximale Marktaktivität zu erreichen.“.
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dem Fundament eines informationssubstituierenden Vertrauens und des hieraus ihr immanenten begrenzten Informationshorizonts als Ergebnis des Annäherungsprozesses der Parteien an das der konkreten Transaktionsbeziehung spezifische sozial-ökonomische Optimum781 zu verstehen. Liegt dieses Verständnis aber einmal zugrunde, ist grundsätzlich jeder Transaktions- im Sinne einer Kooperationsbeziehung eine implizite Risikozuweisung für die regelmäßig zur Verstrickung durch Desinformation782 führenden Kontingenzen zu entnehmen.783 Ihre Grenze findet die Kooperationsvereinbarung, und dieses Verständnis der Parteierklärungen ist ebenfalls vonnöten, wo dem informationssubstituierenden Vertrauen die Grundlage fehlt. Dies ist zum einen möglich, wenn der eingetretene Umstand der Parteivereinbarung nicht zugrunde gelegt werden konnte, weil er auch den implizit zugrunde zu legenden Informations- und Vorstellungshorizont beider Parteien überstiegen hat,784 oder aber wenn die das Vertrauen tragenden Marktmechanismen anderenfalls zu versagen drohen.785 Dies ist der Punkt, an welchem die Auslegung durch Entstrickung der ausdrücklichen, konkludenten und impliziten Parteiabsprachen als Voraussetzung für die Anwendung der Gesetze ihre Grenze findet und der Gesetzgeber unmittelbar zur Herstellung institutioneller Schutzinstrumentarien berufen ist, soll nicht die transaktionskosteneffiziente Funktionalität des Vertrauens insgesamt erschüttert werden. Im hier interessierenden Zusammenhang sind insbesondere die letztgenannten Fälle eines ,transaktionsspezifischen Marktversagens‘ von Bedeutung: Das Vertrauen gründet, in seiner offensichtlichsten Form auf ausdrücklichen und konklu781
Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). Und nur um solche Umstände geht es hier im Wesentlichen, also um Umstände, die typischerweise Gegenstand einer Risikovereinbarung im Zusammenhang mit dem konkreten Geschäft sind. Denn nur in solchen Fällen tritt an die Stelle kosteneffizienter Begrenzung des Informationshorizonts das konkrete moral hazard – Risiko, sich ,den falschen‘ Vertragspartner ausgesucht zu haben. Selbstverständlich verbleibt außerhalb des hier im Vordergrund stehenden Untersuchungsgegenstandes ein Anwendungsbereich für die Vervollständigung des Vertrages auf Grundlage der would have wanted – theory bei nicht vorhersagbaren und deshalb von dem Informationshorizont keiner der Parteien erfassbaren Kontingenzen, dazu sogleich. 783 In diesem Zusammenhang liegt aus rechtsdogmatischem Blickwinkel noch einmal der Hinweis auf Canaris, Vertrauenshaftung, S. 411 ff., nahe, da über die hier auf Grundlage eines informationssubstituierenden Kooperationsvertrauens geschaffene vertragliche Risikoallokation rechtsdogmatisch die Anerkennung der Vertrauenshaftung als eigenständigem gesetzlichen Haftungsgrund voraussetzt. 784 Vgl. dazu etwa das Beispiel bei Shavell, Specific Performance, 84 T.L.R. (2006), S. 846 ff.: Ein Bauunternehmer verspricht die Ausschachtung eines Kellerraums und stellt bei Arbeitsbeginn fest, dass das Gelände von einer massiven Granitplatte getragen wird, was für beide Parteien nicht vorhersehbar war. Solche Umstände außerhalb der Kooperationsvereinbarung müssen mit gesetzlichen Lösungs- oder Ergänzungsmöglichkeiten in Bezug auf den Vertrag versehen werden, um vertrauensgerechte Rahmenbedingungen für die Tansaktion herzustellen. 785 Hier werden die auch bei von Hayek, Studies in Philosophy, S. 100 ff., erkannten Grenzen einer Rechtsevolution deutlich, die auf funktionierende Marktmechanismen gründet, die jedoch bei Zeiten durch gesetzgeberisches Eingreifen simuliert und an den individuellen Schutzanspruch der Rechtsordnung angepasst werden müssen. 782
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denten Erklärungen des Vertrauensnehmers. Sind diese falsch und resultiert daraus eine Verstrickung des Vertragspartners in einen ungewollten Vertrag, so ist dies zu sanktionieren. Die Sanktion des Marktes und des Marktumfeldes besteht, werden solcherart Vertragspraktiken öffentlich, in einem Reputationsabbau. Die marktwirtschaftliche Sanktionierung allein durch diesen drohenden Reputationsabbau ist jedoch nicht geeignet, ausreichenden Schutz zu gewährleisten: Denn erstens wirkt der Reputationsabbau zwar möglicherweise schnell, aber doch nur in der Zukunft, kompensiert daher das enttäuschte Vertrauen des konkret betroffenen Transaktionspartners in dem konkreten Geschäft nicht. Wenn auch die Ökonomik vorrangig die Steigerung der Gesamtwohlfahrt einer Gesellschaft im Auge hat, so verfolgt die Jurisprudenz definitionsgemäß mehr individualisierte Schutzziele, hat nämlich bei erkennbarem Versagen der marktwirtschaftlichen Instituitionen auch ,dem ersten Opfer‘ den nötigen rechtsinstitutionellen Schutz zur Verfügung zu stellen und ihm die Chance zu eröffnen, die nicht erwartungsgerecht verwendeten Ressourcen zur allokationseffizienten Neuverteilung zurück zu erlangen. Zweitens ist der Markt vielfach nicht durchlässig genug, um überhaupt hinreichende Reputationsfolgen für den Anbieter auszulösen.786 Hier ist der Gesetzgeber, worauf bereits hingewiesen wurde, gehalten, durch hinreichende rechtliche Institutionen die Wirkungen eines in durchlässigen Märkten eintretenden Reputationsverlustes zu simulieren.787 In diesem Anspruch an eine abstrakte Individualisierung des rechtsinstitutionellen Schutzes liegt zu einem ganz besonderen Teil die Autonomie des Rechts gegenüber der Ökonomik begründet, die ebenfalls auf das Verständnis der Kooperationsbeziehung und die Anwendung dieses Verständnisses bei der Subsumtion unter rechtliche Institutionen zurückwirkt. Zwar muss sich die Entschlüsselung des Bedeutungsgehalts der Parteivereinbarung an den erkannten ökonomischen Ursachen der Erklärungen und ihrer Wirkung im Einzelnen orientieren,788 jedoch vollzieht sich deren Wertung und Auslegung in dem dafür vorgesehenen abstrakt-individualisierten rechtlichen Rahmen. Die so begründete Autonomie des Rechts darf jedoch nicht den Blick darauf verstellen, dass sie in einen gesellschaftlichen und damit ökonomischen Gesamtkontext eingebunden ist und ihre Autonomie nur wegen und auch nur innerhalb dieses gesellschaftlichen Rahmens erhalten kann, will sie sich diesen berechtigten Anspruch auf Eigenständigkeit bewahren.789 Die kontinental-europäische Jurispru786
Vgl. zur Bedeutung der Markttransparenz für Informationswirkungen Kunz, Marktsystem und Information, S. 101. 787 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 c) mit Hinweis u.a. auf Williamson, Institutionen, S. 334. 788 Die Rechtfertigung der Ökonomik im Recht soll an dieser Stelle noch nicht vertieft werden, weil sie hier für die Interpretation der Kooperationsvereinbarung noch keinen Erkenntnismehrwert lieferte. Ausführlich dazu aber unten 1. Kap. § 3 C) II. 789 Ähnlich Tontrup, Ökonomik, S. 56: „Die Aufgaben, die die Ökonomie im Recht erfüllen könnte, lassen sich nun zusammentragen: Gesetzgeberische Teleologie und Konsequenzen des Rechts können bes-
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
denz mit ihren römisch-rechtlichen Wurzeln hat sich als eine der letzten antiken Wissenschaften, anders als z.B. die antike Philosophie und Physik, ihre grundlegenden Fundamente erhalten, weil sie es, anders als die Vielzahl der übrigen Disziplinen, verstanden hat, auf Basis ihrer massiven Fundamente den Wandel von einer Welt mit nur geringen Veränderungen zu einer Welt sich ständig und sehr schnell wandelnder sozial-ökonomischer Rahmenbedingungen und Präferenzen nachzuvollziehen. Diesem Anspruch ist sie jedoch auch heute noch verpflichtet,790 weshalb sich der abstrakt-individuelle rechtliche Rahmen, in dem sich die von einem ökonomischen Vorverständnis geprägte Auslegung der Parteivereinbarung vollzieht, auch an den gesellschaftlichen und markt-ökonomischen Reflexwirkungen orientieren muss, welche das Auslegungsergebnis zeitigen kann.791 Trotz der Autonomie des Rechts ist deshalb stets zu vergegenwärtigen, dass das Verhältnis der Disziplinen zueinander von Wechselbezüglichkeiten geprägt ist und auch das einzelne Auslegungsergebnis gesamtgesellschaftliche Folgen haben kann, die bei der Auslegung zu berücksichtigen sind und so auf das zugrunde zu legende Verständnis der Parteierklärungen selbst zurückwirken.792 Ein – theoretisiertes – Beispiel aus dem Recht des Verbraucherschutzes wird dies verdeutlichen:793 ser 790 verstanden, die Grundgedanken der Lehrgebäude gesichert werden. Ein Bedarf besteht also. Ihm kann aber nur entsprochen werden, wenn sich die Ökonomie methodisch ins Recht integrieren lässt. Die Ökonomie soll also neben dogmatischer Theorie helfen, die Transparenz des Rechts zu wahren.“. 790 Dass das Recht sich der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Evolution anpassen muss, um nicht seine Innovationskraft einzubüßen, wie es hier vor rechtsökonomischem Hintergrund erläutert ist, wird gleichermaßen auch vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung der modernen Gesellschaften der Welt vertreten, vgl. Calliess, Zeitschrift für Rechtssoziologie 2005, 35 ff. 791 Vgl. dazu mit seinem rechtsevolutorischen Ansatz, der in die hier angedeutete Richtung geht, Backhaus, Recht aus der Sicht der evolutorischen Ökonomik, in: Herrmann-Pillath/Lehmann-Waffenschmidt (Hrsg), Handbuch der evolutorischen Ökonomik, S. 5: „Insofern muss man erwarten, dass den Transaktionskosten mit zunehmender Komplexität der Volkswirtschaft eine zunehmende Bedeutung zuwächst (Wagners Gesetz). Daraus folgt aber weiterhin, dass die deshalb stets intensivere Suche nach einer Senkung dieser Kosten einen stets schnelleren Rechtswandel erfordern wird. Insofern wird auch der evolutorischen Ansicht eine stets größere Bedeutung in der ökonomischen Rechtsanalyse zugemessen werden müssen.“. 792 Zu den rechtstheoretischen Grundlagen dieser hier vertretenen Ansicht vgl. Krimphove, Rechtstheorie 32 (2001), S. 497, 512: „Mit der Verselbständigung von Teildisziplinen geht vielmehr die Möglichkeit verloren – wie es noch Kant, Hegel und Fichte vermochten –, in einem System zu philosophieren; also mit Hilfe eines einheitlichen Erklärungsansatzes und/oder mithin einer einheitlichen Methodik unterschiedliche Phänomene in einem Gesamtzusammenhang zu deuten. Den Effekt der Zersplitterung eines Gesamtzusammenhanges in Teildisziplinen vermeidet die Ökonomische Theorie des Rechts. Mit Hilfe ihres interdisziplinären Ansatzes verbindet sie nicht nur rechtswissenschaftliche, sozialwissenschaftliche Fragestellungen mit der Ökonomie speziell der Wohlfahrtsökonomie und der InstitutionenÖkonomik. Sie verbindet somit obige Fragestellungen mit der Frage nach dem ,richtigen Recht‘ und seiner Legitimation;“. 793 Die einschlägigen Verordnungen zur Kennzeichnung von Lebensmitteln sollen in diesem Beispiel unbeachtet bleiben. Das dem Beispiel zugrunde liegende Prinzip lässt sich jedoch in derselben Weise von einem Rechtsprechungsbeispiel auf gesetzgeberische Aktivitäten übertragen.
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Lebensmittelproduzent P war bei der Kennzeichnung der Inhaltsstoffe seiner Produkte stets auf umfassende Verbraucherinformation bedacht, um sich hiermit von anderen Anbietern abzusetzen, auf diese Weise Reputation aufzubauen und sich so Wettbewerbsvorteile zu erwirtschaften. Die Vorkehrungen für die Auswahl qualitativ hochwertiger Inhaltsstoffe und deren Kennzeichnung stellten im Unternehmen ein wichtiges Gut dar. Im Zuge der Bestrebungen um die Ausdehung des Verbraucherschutzes verurteilt ein Gericht einen anderen Hersteller schadensersatzbewährt, Mindestangaben zu den in dem Produkt enthaltenen Zutaten und Beimischungen zu machen. Diese Rechtsprechung wird durch den BGH bestätigt und gefestigt, weshalb die Mehrzahl der Wettbewerber zu einer entsprechenden Kennzeichnung übergeht. Dadurch, dass die Kennzeichnung mit Mindestinhalt und deshalb nur geringer Aussagekraft sich auf Grundlage der Rechtsprechung zum Standard entwickelt, ist es für P kaum noch möglich, sich durch überobligatorische Angaben mit seinem Produkt von dem anderer Hersteller abzusetzen. Überobligatorische Angaben nämlich sind deutlich schwerer zu kommunizieren und werden, da sich Kennzeichnungen auf allen Produkten finden, vom Verbraucher nur in eingeschränktem Maße und wohl auch zunehmendem Desinteresse wahrgenommen. Der Wert der Kennzeichnung als Reputationskatalysator zu wirken, verliert sich mit der Zeit, weshalb die Bestrebungen des P, hierein besonders zu investieren, nachlassen. Vielmehr wird auch P über kurz oder lang lediglich das von der Rechtsprechung geforderte Maß erfüllen. Vereinfacht ausgedrückt und deutlich überzeichnet: Die Verbraucherinformation verlagert sich in der innerbetrieblichen Zuständigkeit von der gewinnwirksamen Marketingabteilung in die allein kostenwirksame Rechtsabteilung.
Das Beispiel visualisiert, ohne dass hiermit ein genereller Angriff auf verbraucherschützende Vorschriften verbunden wäre, dass ein unbedachter Umgang in guter Absicht aber außerhalb der konkreten Kooperationsbeziehung und deshalb ohne die Bedeutung der Parteivereinbarungen in ihrer Gänze zu erfassen, mittelfristig für den eigenverantwortlichen Verbraucher konterkarierende Reflexwirkungen haben kann. Hieraus folgt selbstverständlich nicht, dass von dem hier nur beispielhaft herangezogenen Verbraucherschutz und den mit ihm verfolgten Schutzzielen Abstand zu nehmen wäre; der Kern der Aussage liegt vielmehr darin, dass ein jeder Umstand aus dem Umfeld der Transaktionsbeziehung, wie er partiell z.B. durch das Gegenübertreten eines Verbrauchers und eines Unternehmers im gesetzlichen Sinne nachgezeichnet wird, Auswirkungen zwar auf das konkrete Verständnis der Parteierklärungen hat, die rollentheoretische Anknüpfung allein aber nicht ausreicht, Verstrickungsrisiken dauerhaft zu reduzieren und deshalb nicht zur Determinante der Entscheidung werden darf.794 Vielmehr muss die juristische Auslegung einer jeden Kooperationsvereinbarung sich auf den der konkreten Beziehung zugrunde liegenden Vertrauensgehalt gründen. Ein Eingriff in die Vertrauensbeziehung sollte dann jedoch nur dort erfolgen, wo die hieraus entstehenden Reflexe nicht die Vertrauenswirkung insgesamt umkehrende Effekte auslösen.
794 Zur Kritik an einer allein rollentheoretischen Anknüpfung bereits oben schon, vgl. Einl. § 3 B) IV, die hier noch einmal bestätigt wird.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Daraus folgt, dass das im Beispiel angeführte Urteil eine allgemeine Kennzeichnungspflicht dem Produzenten grundsätzlich nicht hätte auferlegen können, da die Kooperationsbeziehung insoweit zwar unvollständig war, eine Vervollständigung aus ihren Bedeutungsgrundlagen heraus jedoch nur dann geboten wäre, wenn feststellbar ist, dass aus konkreten Umständen in Bezug auf die Produktkennzeichnung ein sich überlagerndes Verständnis der Parteierklärungen implizit dem Vertrag zugrunde gelegt werden kann, wie es z.B. aus Anpreisungen wie „light“, „bio“ etc. abzuleiten ist.795 Dann nämlich läge in der kennzeichnungswidrigen oder jedenfalls irreführenden Angabe die ungefragte Überwälzung eines Informations- und Kooperationsrisikos, die grundsätzlich zu einer impliziten Risikozuweisung zum Schweigenden führt. Auf den ersten Blick anders mag es sich demgegenüber verhalten, wenn der im Beispielsfall verurteilte Hersteller gesundheitsgefährdende Stoffe verwendet hätte. Auch dann jedoch ist ein Eingriff aus außerhalb der Kooperationsvereinbarung liegenden Erwägungen abermals nicht erforderlich, da sich die Kooperationsbeziehung auch insoweit tatsächlich als nicht lückenhaft erweist: Bei typisierter Betrachtung nämlich richtet sich das abstrakte Vertrauen des Käufers von Lebensmitteln augenfällig auch darauf, dass der Hersteller keine gesundheitsgefährdenden Stoffe einbringt. Tut er dies dennoch, bricht er aus der Kooperationsbeziehung aus.796 795 Durch solche Kennzeichnungen nämlich impliziert der Hersteller, dass es sich um qualitativ besonders geartete Produkte handelt, die gegenüber dem Durchschnitt erheblich kalorien- und/oder fettreduziert oder ohne die Verwendung von Dünge- und Giftstoffen hergestellt sind. Auf solchen Angaben gründet daher das abstrakte Vertrauen des Käufers in Bezug auch auf die Inhaltsstoffe des Produkts, weshalb hieraus Pflichtangaben abgeleitet werden können. Ein Beispiel hierzu bildet abermals ein aus der Presse vor einigen Jahren zu entnehmendes Urteil aus der u.s.-amerikanischen Rechtsprechung, wonach die Fastfood-Kette McDonalds zu Schadensersatz verurteil wurde, weil der als „vegetarisch“ gekennzeichnete Salat mit einem auf Basis einer Fleischbrühe hergestellten Dressing angemacht worden war. In einem solchen Fall ist eine kooperative, wenn auch tyisierte Parteivereinbarung feststellbar, die jedoch unabhängig von allgemeinen Erwägungen des Verbraucherschutzes ist. 796 Mit diesem Mechanismus lässt sich das Recht der Begürndung von Verkehrspflichten, zu denen insbesondere die Produktbeobachtungs- und auch Warnpflichten zählen (vgl. z.B. Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 648 ff.) erklären, wie das Beispiel der erstmaligen Forderung nach Warnhinweisen auf Zigarettenverpackungen nach Verfestigung der medizinischen Erkenntnisse illustriert und lassen sich die frühen Schadensersatzurteile aus der u.s.-Rechtsprechung gegen Tabakkonzerne vor der Zeit einer entsprechenden Kennzeichnung rechtfertigen. Aus der deutschen Rechtsprechung bietet hierzu der sog. „Milupa-Fall“ (BGHZ 116, 60 ff.; vgl. auch BGH, NJW 1994, 932 ff.) ein treffendes Beispiel, in welchem der Hersteller von gesüßten Säuglingstees und Nuckelflaschen zu deutlichen Warnhinweisen in Bezug auf die nicht offensichtliche und besondere Kariesgefahr verpflichtet wurde. Entscheidend ist aber auch hier das Verständnis eines sich überlagernden Horizonts der Parteien: In den heutigen Tagen können nämlich z.B. auch die Hersteller von Süßwaren davon ausgehen, dass allgemein bekannt ist, dass übermäßiger Konsum krankheitsfördernd wirkt und z.B. Diabetes auslösen kann, dass also solche Gesundheitsgefahren implizit in den Vertrag als Konsumentenrisiko einbezogen sind, weshalb ein dahingehender Warnhinweis wohl nicht zu verlangen ist (vgl. hierzu z.B. die Urteile des LG Essen, NJW 2005, 2713 [„koffeinhaltige Limonade“], und des LG Mönchengladbach, NJW-RR 2002, 896 [„Schokoriegel“]). Die Parteivereinbarung dient nämlich nicht dazu, eine Partei vollständig von ihrer Selbstverantwortung zu entkleiden, sondern dazu, auf Grundlage eines bidirektionalen Vertrauens eine angemessene Risikoallokation vorzunehmen.
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Im Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die Auslegung der Parteivereinbarung ein umfassendes Verständnis der sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen der konkreten Transaktion erfordert und wegen der Einbettung der auch abstrakt-individuelle Bedürfnisse schützenden autonom juristischen Argumentation in ein gesellschaftliches Gesamtgefüge die Auslegung den Rahmen der konkreten Kooperationsvereinbarung und des ihr zugrunde liegenden, auch mithilfe eines typisierten, rollentheoretischen Verständnisses zu ermittelnden Erkenntnishorizont nicht verlassen darf, da anderenfalls nachteilige gesamtgesellschaftliche Reflexe die Folge sein können. Auf Grundlage eines solchen Verständnisses ergibt sich, dass die regelmäßigen Verstrickungsfälle ein gesetzgeberisches Eingreifen über die institutionelle Erfassung des Kooperationsinhalts und des Festhaltens der Parteien hieran nicht erfordert. Dieses Ergebnis bestätigt die Annahme, dass für die Figur einer effizienten Vertragsbegrenzung grundsätzlich nur dann überhaupt Bedarf erkennbar ist, wenn und soweit in der Vertragsabwicklung Kontingenzen auftreten, die nicht zuvor zum Gegenstand der impliziten Risikoverteilung hatten gemacht werden können, dass aber die Überwälzung ungefragter Risiken in der Regel mit einer impliziten Risikoallokation zum schweigenden Vertragspartner selbst verbunden ist. II. Vertrauen und Kompensation – Schadensersatz zwischen Aufwand und Erfüllung II.1 Vorbemerkung zum verbleibenden Präjudizienbestand Wie gesehen, verbleibt dennoch ein Anwendungsbereich für die Kompensation eines Nichterfüllungsschadens auch nach einem ausnahmsweise effizientem Vertragsbruch,797 wenn und soweit die Folgen aus dem Eintritt nicht vorhersehbarer und implizit nicht allozierter Kontingenzen im Wege der Nachverhandlung oder der Rekonstruktion des vollständigen Vertrages unter den Partein nicht hatte zugewiesen werden können. Darüber hinaus bleibt zu fragen, ob nicht derjenigen Partei, die Erfüllung hatte verlangen können, ein Kompensationsanspruch dort zusteht, wo die Erfüllung vom Vertragspartner – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr, gegebenenfalls auch nicht mehr in der vertraglich bedungenen Weise oder nicht mehr unter Berücksichtigung der vertraglich implizit allozierten Risiken798 zu erlangen und gegebenenfalls auch mit Zwang nicht durchzusetzen ist. Dies ist eine typische Folge gerade der Verstrickung in einen unerwünschten Vertrag durch Desinformation. Weicht nämlich der unter solchen Umständen mit einem erhöhten, vertraglich ihm nicht zugewiesenen und deshalb auch nicht durch eine Risikoprämie vergüteten Ri797 Von dem also etwa in den Fällen wie denen des § 275 Abs. 2 BGB ausgegangen werden kann, da die Norm den hier herausgestellten ökonomischen Ableitungen vollständig Rechnung trägt. 798 Solche Fälle sind juristisch unter der Überschrift der Dauer und der Reichweite des ius variandi im Gewährleistungsrecht von Derleder, NJW 2003, 998 ff., bereits aufgegriffen und diskutiert worden, worauf zurückzukommen sein wird.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
siko belastete Transaktionspartner unter Rückgriff auf die hierfür gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Institutionen799 auf Kompensations- anstelle von Erfüllungsansprüchen aus, handelt es sich dabei nicht um den soeben diskutierten Fall eines effizienten Vertragsbruchs, sondern schlicht um die Ersetzung einer zwar rechtlich, nicht aber tatsächlich durchsetzbaren Vertragserfüllung, jedenfalls einer nicht mehr auf Grundlage der interessenegalisierenden vertraglichen Risikoallokation durchsetzbaren Vertragserfüllung, an deren Stelle stattdessen ein seinem Ursprung nach fakultativer und optionaler Kompensationsanspruch tritt. Letzthin liegt dem also der dem erörterten Modell des effizienten Vertragsbruchs umgekehrte Fall zugrunde, dass nicht der auf Grundlage der impliziten vertraglichen Risikoallokation mit dem Erfüllungsrisiko belastete Transaktionspartner sich wegen veränderten sozial-ökonomischen Umweltbedingungen von diesem Risiko befreien und sich von dem Vertrag lossagen möchte, sondern dass der nicht mit dem Risiko belastete Transaktionspartner infolge derselben, anderer oder weiterer Umweltveränderungen und Präferenzverschiebungen statt die rechtlich mögliche Erfüllung zu verlangen, von dieser Abstand nehmen und auf Kompensationsansprüche ausweichen möchte.800 Auch diese Frage ist letzthin wieder eine Frage der vertraglichen Risikoallokation. Wie im vorangegangenen Abschnitt801 gesehen, steht am Ende der vertraglichen Aushandlung einer beabsichtigten Transaktion eine bidirektionale Kooperationsvereinbarung. Dieser Kooperationsvereinbarung liegen abstrakte und konkrete Vertrauenserwartungen zugrunde, die ihrerseits durch die Vertrauenswürdigkeit des Transaktionspartners und – damit korrespondierend – die eigene Risikobereitschaft, also Risikoneigung oder Risikoaversion, mit dem individualisierten Verhandlungspartner in eine Transaktionsbeziehung einzutreten, wesentlich beeinflusst werden. Aus diesen Entscheidungsfaktoren wiederum leiten sich das Maß der Zahlungsbereitschaft der Transaktionspartner, die Höhe der von ihnen zu erzielenden Opportunitätskosten und die wechselseitig zu zahlenden Risikoprämien ab. Ohne dass den Parteien dieser Mechanismus zwingend oder ständig bewusst würde, werden Kooperationsentscheidungen daher, auch dies ist im vorangegangenen Abschnitt nachgewiesen, unter Berücksichtigung der gegebenen marktwirtschaftlichen, persönlichen und sächlichen Umweltbedingungen auf Grundlage eines ökonomischen Kalküls getroffen. Diese sozialökonomische Entscheidungs799
Zu den verschiedenen denkbaren Anspruchszielen in desinformationsbedingten Verstrickungsfällen bereits oben Einl. § 3 C) I. 800 In der juristischen Terminologie geht es also, wie bei Derleder, NJW 2003, 998 ff., zutreffend dargestellt, um das ius variandi des Leistungsgläubigers bei vertraglichen Pflichtverletzungen des Schuldners. Hierbei ist aber auf Basis der hier entwickelten ökonomischen Methodik und Systematik für jeden Umstand im Einzelnen zu ermitteln, ob und inwieweit die ausdrücklichen oder impliziten vertraglichen Absprachen eine eindeutige Zuweisung der Gläubiger- und der Schuldnerrolle in Bezug auf einzelne Bestandteile der Kooperationsvereinbarung zulassen. 801 Vgl. 1. Kap. § 2 C) I.4.
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grundlage kann jedoch aus den dargestellten Gründen802 ins Wanken geraten, nämlich zunächst, wenn sich die ursprüngliche Risikoallokation wegen nicht aufgelösten Informationsasymmetrien als kooperationsschädlich erweist, und sodann, wenn die ursprüngliche Kooperationsvereinbarung wegen einer nachträglichen Veränderung des sozialökonomischen Umfelds nicht mehr realitäts- und deshalb auch nicht mehr interessengerecht ist, z.B. weil infolge der Verschiebung des sozialökonomischen Umfelds nunmehr die Aufklärung oder Offenbarung durch einen der Transaktionspartner in Bezug auf später eingetretene Umweltveränderungen geschuldet wird und hierüber die Kooperationsvereinbarung anzupassen ist.803 Am Ende der Kooperationsvereinbarung können daher ebenso anfängliche wie nachträgliche Kooperationsmängel stehen, aus denen Verstrickungslagen resultieren, die entweder Folge der Nichterfüllung einer abstrakten oder konkreten Vertrauenserwartung und der damit in Zusammenhang stehenden und gebotenen Aufklärungs- und Offenbarungspflichten sind oder – beiderseits unverschuldet – als Ergebnis sich verändernder Umwelt- und Rahmenbedingungen hervortreten. Solche Kooperationsmängel sind von dem tatsächlichen Konsens der ursprünglichen Kooperationsvereinbarung nicht mehr gedeckt, weshalb an seine Stelle ein hypothetischer Konsens treten muss, der zwar selbst ein theoretisches Konstrukt, jedoch trotzdem geeignet ist, sich erstens von dem ökonomischen Modell stabiler Präferenzen zu lösen804 und realen Marktbedingungen, nämlich Präferenzverschiebungen infolge von Umweltveränderungen Rechnung zu tragen, und zweitens methodenkongruent auch die dynamische Entwicklung einer konkreten Vertrauensbeziehung nachzuzeichnen ermöglicht. Dieser hypothetische Konsenses kann jedoch gerade, wenn Umweltveränderungen einem Risikoträger zugeordnet werden und deshalb von dem Fortbestehen des Erfüllungsanspruchs auszugehen ist, zu Präferenzverschiebungen auch bei der nicht risikobelasteten Partei führen, etwa weil sich der Risikoträger für das konkrete Risiko als nicht mehr vertrauenswürdig erweist. In einem solchen Fall ist zwar die Risikozuweisung aus der ursprünglichen Umweltveränderung von dem vertraglichen oder dem hypothetischen Grundkonsens gedeckt und die daraus verwirktlichte Mehrbelastung des Risikoträgers diesem nach dem hier vertretenen informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodell deshalb auch
802
Vgl. 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5). Als Beispiel hierfür sei das außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensgebers nach § 490 Abs. 1 BGB für den Fall des Eintritts einer wesentlichen Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer Sicherheit genannt, durch welche die Rückerstattung des Darlehens gefährdet wird. Hier wird eine nachträgliche Umweltveränderung zum Anlass einer Anpassung der Kooperationsvereinbarung genommen, nämlich der naheliegendste Weg zur Erfüllung des ursprünglichen Kooperationszwecks „Überlassung von Kapital auf Zeit“ gewählt, der regelmäßig in der sofortigen Rückzahlbarkeit des Darlehens besteht, um eine weitere Risikoerhöhung auszuschließen, wenn auch solche Rückzahlungsverlangen häufig Kaskadeneffekte nach sich ziehen. 804 Vgl. Kirchner, Folgenberücksichtigung, S. 39, 41 f. 803
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zumutbar;805 aus der Mehrbelastung des Risikoträgers jedoch können zugleich, was tatsächlich regelmäßig geschieht, auch Präferenzverschiebungen bei der nicht risikobelasteten Partei resultieren, die eine erneute Anpassung der Kooperationsvereinbarung in Bezug auf die zu ihrer Abwicklung zu Gebote stehenden Institutionen erforderlich machen kann.806 Es verbleibt daher trotz des Ergebnisses aus dem vorangegangenen Abschnitt, wonach auf Basis impliziter Vertragsabsprachen grundsätzlich von der Geltung einer strengen pacta-Regel auszugehen ist, ein – in der täglichen Rechtspraxis quantitativ nennenswerter807 – Anwendungsbereich auch für an die Stelle von Erfüllungsansprüchen tretende Kompensationsansprüche.
805 Vgl. hierzu nocheinmal die ähnliche, allerdings ausschließlich informationsökonomisch gründende Risikozuordnung auf Basis der Theorie des cheapest cost avoider bei Riha, Ökonomische Analyse, S. 101 f., im Zusammenhang mit der Definition des Sachmängelbegriffs in § 434 Abs. 1 BGB, der über die Informationslastenverteilung ebenfalls zu einer Rechtfertigung auch der Risikoträgerschaft gelangt. 806 Als gesetzliches Beispiel für einen solchen Fall der Anpassung einer Kooperationsvereinbarung auf zweiter Stufe bietet sich § 440 Satz 1 BGB an, nach dem widerleglich vermutet wird, dass die Nacherfüllung gemäß § 439 BGB nach zwei erfolglosen Versuchen fehlgeschlagen ist, was eine erneute Fristsetzung entbehrlich macht und den Käufer zum sofortigen Rücktritt und/oder (vgl. § 325 BGB) Schadensersatz berechtigt. Während Riha, Ökonomische Analyse, S. 268 f., in § 440 Satz 1 BGB lediglich ein „soziales Korrektiv“ und in der Vermutensregel, die Nacherfüllung sei nach zwei erfolglosen Versuchen gescheitert, den Ausdruck des Gesetzgebers sieht, mehr als zwei Nachbesserungsversuche seien als Ressourcenverschwendung anzusehen, liegt es nach der hier vertretenen Auffassung näher, in § 440 Satz 1 BGB die gesetzliche Abbildung eines massiven Reputationsabbaus des Verkäufers zu sehen, der auf dessen Vertrauenswürdigkeit und – regelmäßig bereits – das abstrakte Vertrauen des Käufers zurückwirkt. Weiteres Zuwarten des Käufers und die Einräumung weiterer Nacherfüllungsmöglichkeiten für den Verkäufer wäre für den Käufer mit ökonomischem Aufwand jedenfalls in Form entgangener Nutzungen verbunden. Da dieser Aufwand aber wegen des erst nachträglich eintretenden Reputations- und Vertrauenseinbruchs nicht mehr von der ursprünglich vereinbarten und durch das Vertrauensmaß determinierten Risikoprämie und deshalb auch nicht mehr von der Zahlungsbereitschaft des Käufers gedeckt ist, ist die Kooperationsbeziehung gestört, was dem Käufer ein Anpassungsrecht in Form der institutionalisierten Gestaltungsrechte eröffnet. § 440 Satz 1 BGB wird unter Rückführung auf das hier entwickelte informations- und vertrauensökonomische Interpretationsmodell damit nicht vorrangig zu einer Vorschrift, die kosteneffizientes Verhalten typisiert, sondern zu einer vertrauens- und reputationsbasierenden Eingriffsnorm in die Kooperationsvereinbarung der Parteien, was Telos und Ratio der Vorschrift von einer Analyse der Kosten-Nutzen-Relation im Einzelfall abkoppelt, die anderenfalls wegen der Ausgestaltung der Vermutungsregel als widerleglicher Vermutung von den Gerichten zu leisten wäre. 807 Aus der Differenzierung zwischen der rechtlichen Durchsetzbarkeit des Erfüllungsanspruchs und der infolge z.B. von Präferenzverschiebungen fehlenden tatsächlichen Erfüllbarkeit der ursprünglichen vertraglichen Absprache erklärt sich auch die von Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 467, unter Hinweis auf eine empirische Untersuchung von Lando/Rose ins Feld geführte Beobachtung der gerichtlichen Praxis, in der die Durchsetzung von Erfüllungsansprüchen – von Ausnahmen abgesehen – kaum eine Rolle spiele, was gegen die „ökonomische Überlegenheit des Erfüllungsanspruchs“ spreche. Schäfer/Ott verkennen hierbei, dass nur bei Annahme der ,ökonomischen Überlegenheit‘ des Erfüllungsanspruchs als Ausgangspunkt eine Basis für die Berücksichtigung von Präferenzverschiebungen durch Gewährung von Kompensationsansprüchen besteht, will sich die Rechtsprechung nicht dem Problem injustitiabler Nutzenwertbemessung aussetzen.
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Der Grund hierfür liegt demnach abermals in der Bindung der ausdrücklichen, konkludenten und impliziten vertraglichen Absprachen an abstrakt und an konkret entgegengebrachtes Vertrauen als Informationssubstitut. Wird dieses Vertrauen enttäuscht und erweisen sich deshalb die getroffenen Absprachen als nicht mehr interessengerecht, kann an die Stelle eines grundsätzlich gegebenen Erfüllungsanspruchs nach alledem ein Kompensationsanspruch treten. Hierbei sind die Ausgestaltung und die Reichweite dieses Kompensationsanspruchs für die Auflösung desinformationsbedingter Verstrickungslagen, von wo aus der Vertrauensbruch regelmäßig seinen Ausgang nimmt, ebenso von Bedeutung, wie es die Untersuchung der Institution des effizienten Vertragsbruchs war: Wie gesehen,808 tritt das Vertrauen in der Vertragsanbahnung an die Stelle expliziter vertraglicher Sicherungen. Die Parteien verzichten auf Sicherungsinstrumente in wechselseitigem Vertrauen auf den Erhalt einer erwartungskongruenten Leistung aber auch auf die Vertrauenswürdigkeit des Transaktionspartners selbst. „Gegenleistung“ für das entgegengebrachte Vertrauen und die damit für die vertragliche Absicherung eingesparten Transaktionskosten ist die Entstehung eines höheren Kooperationsgewinns aus dem Geschäft. Für die Höhe des Kooperationsgewinns ist auch das mit der Transaktion eingegangene mögliche Risiko entscheidend, dass sich wiederum aus dem Produkt der möglichen Schadenshöhe und der Eintrittswahrscheinlichkeit ermittelt. Die potentiell drohende Schadenshöhe aber hängt maßgeblich von dem Inhalt und der Ausgestaltung der gesetzlichen Institutionen zum Schutze dieses Kooperationsvertrauens ab, weshalb bereits darauf hingewiesen wurde,809 dass auch die Rechtsfolgenseite des institutionellen Schutzes für die Auflösung desinformationsbedingter Verstrickungslagen von essentieller Bedeutung und erst im Anschluss eine Gesamtschau über die ökonomischen Rahmenbedingungen für rechtliche Institutionen zur Auflösung desinformationsbedingter Verstrickungslagen möglich ist. II.2 Positives und negatives Interesse a) Vorbemerkung zur ökonomischen Einordnung Die Frage nach der Kompensation für einen nicht erwartungskongruenten und deshalb unerwünschten Vertrag und für in diesen Vertrag getätigten Aufwand beginnt mit der Frage des zu ersetzenden und des ersatzfähigen Interesses des durch das Informationsdefizit Geschädigten. Bereits in der Einleitung810 ist als Besonderheit vor allem desinformationsbedingter Verstrickungslagen herausgestellt worden, dass dem infolge der Informationsasymmetrie verstrickten Vertragspartner mit der Kompensation des positiven Interesses als Regelfolge des reformierten Vertragsschadensersatzrechts der §§ 280 ff. BGB nicht immer gedient 808 809 810
Vgl. oben 1. Kap. § 2 B) II.4, dort insbesondere II.4 d). So ausdrücklich oben 1. Kap. § 2 B) II.4 d). Vgl. oben Einl. § 3 C) III.1 b).
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ist, da Konsequenz eines sich offenbarenden Informationsdefizits und der daraus resultierenden Veränderung der sozial-ökonomischen Umweltbedingungen gerade eine Präferenzverschiebung des in den Vertrag Verstrickten sein kann, die jedes Interesse an der vertraglichen Leistung überhaupt entfallen lässt. Ein zu ersetzendes Erfüllungsinteresse besteht dann jedoch nicht oder ist jedenfalls nicht hinreichender Maßstab vertraglicher Kompensation. Ist dies der Fall, kann die Kompensation der in einer Verstrickungslage wurzelnden Schäden allein durch den Ersatz des negativen Interesses, nämlich nur dadurch erreicht werden, dass der Geschädigte so gestellt wird, als hätte er von dem Vertrag nie etwas gehört, also sein Verstrickungsaufwand anstelle seines Erfüllungsinteresses kompensiert wird. Der Begriff der Kompensation ist hierbei in einem rechtstechnischen Verständnis verwendet. Moderne Rechtsordnungen nämlich bemessen Kompensationsansprüche – in Abgrenzung zu Naturalrestitutionsansprüchen – ausschließlich monetär, legen ihrer Definition also die Vorstellung zugrunde, dass die Kompensation das Äquivalent der Verletzung in Geld darstellt.811 Demgegenüber bewirkt bei klassischer wohlfahrtsökonomischer Betrachtung jede Vertragsverletzung eine Nutzen- und damit eine Einbuße des subjektiven Wohlbefindens, weshalb eine vollständige Kompensation erreicht wäre, wenn und soweit die Kompensation des Verletzungserfolges dem Betroffenen den Genuss desselben – und gerade nicht notwendig in Geld zu bemessenden – Nutzens und damit dasselbe Befriedigungsniveau verschafft. Die Kongruenz der rechtsdogmatischen Ausgangslage zur wohlfahrtsökonomischen Nutzentheorie lässt sich jedoch, auch ohne in die Grundfesten einer der beiden Disziplinen eingreifen zu müssen, dadurch herstellen, dass der zu kompensierende Nutzen des betroffenen Akteurs, da anders ohnehin kaum messbar, über die jeweilige und sich ebenfalls allein in Geld ausdrückende Zahlungsbereitschaft des Geschädigten bestimmt wird. Der grundlegende Unterschied zwischen Schadenspositionen des positiven und des negativen Interesses liegt hierbei in der Kausalität des schadensstiftenden Ereignisses für den Schadenseintritt begründet.812 Während der dem positiven Interesse zuzurechnende Nichterfüllungs- oder Erwartungsschaden Folge des vollständigen oder teilweise Ausbleibens der Erfüllung des vertraglichen Versprechens ist, liegt den dem negativen Interesse zuzurechnenden Schadenspositionen zwar auch ein Ausbrechen einer der Vertragsparteien aus der Kooperationsvereinbarung zugrunde, jedoch resultiert der Schaden in aller Regel daraus, dass der Geschädigte seine Handlungsoptionen und Handlungspräferenzen an seiner in die Kooperationsvereinbarung transformierten Vertrauenserwartung ausgerichtet und in Erwartung des Kooperationserfolges bereits vor dem kooperationsschädlichen Verhalten
811 812
Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1435. Auch dazu bereits oben Einl. § 3 C) III.1.
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ökonomischen Aufwand813 getätigt hat, der durch die zeitlich nachfolgende Veränderung der sozial-ökonomischen Umweltbedingungen seine Zwecksetzung, jedenfalls aber seine subjektive Nützlichkeit einbüßt. Die Höhe dieser Einbuße wird dann wiederum an der durch die Umweltveränderung bedingten Reduzierung der Zahlungsbereitschaft des Geschädigten gemessen. Während Schadenspositionen des positiven Interesses sich also zeitlich nach dem in der Kooperationsvereinbarung jeweils bestimmten Erfüllungszeitpunkt verwirklichen, haben sich die Schadenspositionen des negativen Interesses dem Grunde nach bereits vor dem gedachten Erfüllungszeitpunkt verwirklicht und manifestieren sich gerade infolge des Ausbleibens der Erfüllung.814 Das Maß der jeweils zu leistenden Kompensation bestimmt sich sodann nach dem Grad der Verletzung. Wird die Kooperationsvereinbarung vollständig erfüllt, ist keine Kompensation zu leisten. Je stärker jedoch die Verletzung bis hin zur vollständigen Nichterfüllung, desto höher muss auch die Kompensation ausfallen. Dies bewirkt im Ergebnis, dass das – anhand der Zahlungsbereitschaft und deshalb in Geld bemessene – Maß des subjektiven Wohlbefindens, der Nutzenrealisierung also, stets unverändert bleibt, da es proportional entweder durch die erwartungsgerechte Erfüllung befriedigt oder aber Erfüllungsdefizite durch Geldkompensation aufgefüllt werden. Jede Verstärkung des Verletzungsgrades, dargestellt durch eine Verschiebung auf der Kompensationskurve, lässt die ökonomische Wohlfahrt des Verletzten damit unverändert, weil sie eine automatische Erhöhung der Kompensation bewirkt.815 Grafisch dargestellt verlaufen die Schadens- und Kompensationskurven des positiven und negativen Interesses daher wie nachfolgend dargestellt. Die grafische Darstellung verdeutlicht, was in der Definition des negativen Interesses bereits angelegt ist: Die kooperations- und damit die vertrauens- sowie erwartungsgerechte Vertragserfüllung führt mit Blick auf das negative Interesse zu einer Eigenkompensation bei dem betroffenen Transaktionspartner. Bleibt die Ver813 Zur Klarstellung sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass Aufwand im ökonomischen Sinne nicht notwendigerweise Investitionen in Geld voraussetzt, sondern dass Aufwand in jeder denkbaren Form entstehen kann, sei es durch den Verzicht auf andere Handlungsoptionen, sei es durch den Einsatz von Freizeit oder sonst denkbaren Ressourcen. 814 Diese Abhängigkeit des negativen Interesses von einer Verknüpfung des Vertrages und seiner Erfüllung haben bereits Derleder/Abramjuk, AcP 190 (1990), 624, 632, überzeugend nachgewiesen und stellen fest: „Das negative Interesse knüpft somit an die Synthese von Vertrag und Erfüllung an. (…) Wird das Vertrauen auf sie [Anm: die vertragsgerechte Erfüllung] enttäuscht und kann der Käufer deswegen mit dem Kaufgegenstand nichts anfangen, so kann er demgemäß auch sein negatives Interesse geltend machen.“. 815 Die Kompensationskurve ist hierbei abermals an Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1436, angelehnt, die das Kompensationsinteresse exemplarisch an dem Fall Hawkins v. McGee (84 N.H. 114, 146 A. 641 [1929]) darstellen, in welchem die durch eine Verletzung geschädigte Hand eines Patienten von einem Chirurgen wiederherzustellen versprochen worden war, das Operationsergebnis tatsächlich hingegen eine Verschlechterung der Funktionsfähigkeit bewirkte. Die Einschränkung wird hierbei durch ein Geldäquivalent aufgewogen, wodurch ökonomisch ein identischer Nutzenstiften erreicht wird.
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tragserfüllung aus, würde also die das negative Interesse abbildende Kurve am Schnittpunkt der X-Achse (Zeit) enden, vereitelte dies die Eigenkompensation, weshalb die ausbleibende Entwicklung der Funktion des negativen Interesses durch die Kompensationskurve aufgefangen werden und diese die Kompensationsfunktion übernehmen müsste.816 30
Schaden / Kompensation
20 10
negatives Interesse positives Interesse Kompensation
0 –10 –20 –30
Zeit / Verletzungsgrad
Abb. 7: Schadens- und Kompensationskurve des positiven und des negativen Interesses Es stellt sich dann im Rahmen der rechtsökonomischen Betrachtung die Frage, inwieweit der Ersatz des negativen Interesses aus ökonomischer Sicht durch Institutionalisierung entsprechender Kompensationsansprüche in der Rechtsordnung zu schützen oder sogar – zu Recht oder zu Unrecht – bereits durch eine Positivierung des negativen Interesses, nämlich durch die Einbeziehung von Schadenspositionen des negativen Interesses in Anspruchsgrundlagen, die dem Grunde nach allein auf den Ausgleich des positiven Interesses gerichtet sind,817 geschützt ist. Diese Frage wird sich in wesentlichen Punkten darauf fokussieren, inwieweit Aufwendungen des jeweiligen Transaktionspartners als spezifisches Kapital einzuordnen und zur Vermeidung von Fehlallokationen zu schützen und inwieweit – vertrauensbasierende – Risikozuweisungen einschließlich einer Einordnung von Aufwendungen als ökonomisch nicht berücksichtigungsfähige sunk costs geboten sind.818
816 Damit ist letztlich in grafischer Darstellung nachvollzogen, was in die Rechtsprechung als Rentabilitätsvermutung Einzug gehalten hat. Wie in der Einleitung (Einl. § 3 C) III.2 a) cc)) dargestellt, erkennt insbesondere der BGH mit der Rentabilitätstheorie nicht grundsätzlich die Ersatzfähigkeit von Schadenspositionen des negativen Interesses auch im Rahmen des positiven Interesses an, sondern zieht sich zur Einbeziehung solcher Schadenspositionen auf eine modifizierte Schadensberechnung auf die hier grafisch nachvollzogene Art und Weise zurück. 817 Vgl. dazu bereits oben Einl. § 3 C) III.2 a). 818 Vgl. zu den Grundlagen dieser Fragestellung oben 1. Kap. § 2 B) II.4 b) – d).
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Vor der ökonomischen Bewertung einer effizienten und vertrauensgerechten Reichweite der Ersatzfähigkeit von desinformationsbedingten Verstrickungsschäden steht damit aber eine typisierende Systematisierung der möglichen schadensstiftenden Kausalverläufe,819 auf deren Grundlage sodann eine einheitliche Typologie der Ökonomik von Verstrickungsschäden abgeleitet werden kann, die ihrerseits die zur Auflösung von desinformationsbedingten Verstrickungslagen zur Verfügung stehenden Institutionen zu systematisieren hilft. b) Rechtsökonomische Typisierung schadensstiftender Kausalverläufe Die Systematisierung und Typisierung von schadensstiftenden Kausalverläufen kann helfen, die stets gegebenen Bemessungs- und Nachweisprobleme in Bezug auf einen Nutzenentgang, auch soweit dieser, abgebildet durch die Zahlungsbereitschaft, in Geld bemessen wird, zu mindern.820 Die von Cooter/Eisenberg821 gemachte Beobachtung, dass nahezu alle in der Rechtsprechung zur Anwendung gelangenden Methoden zur Schadensbemessung Varianten dieser fünf Fallgruppen sind, trifft weitestgehend auch für den deutschen Rechtskreis zu. aa) Substitutionskosten Wenn und soweit ein Transaktionspartner aus der Kooperationsvereinbarung ausbricht und die von ihm geschuldete Leistung nicht erbringt, mag der andere Teil den ausbleibenden Erfüllungserfolg, in der Regel durch einen Deckungskauf, substituieren. Ist dies nur zu einem höheren als dem vertraglich bedungenen Preis möglich, beschreibt diese Preisdifferenz den Schaden und die Nutzenschmälerung des enttäuschten Vertragspartners. Ist eine identische Leistung wie die geschuldete am Markt nicht, nicht mehr oder nicht mit dem gebotenen Aufwand in den zugänglichen und von der ursprünglichen Kooperationsvereinbarung implizit erfassten Märkten zu erhalten, so muss der Substitutionspreis aus Vergleichspreisen ähnlicher Transaktionen, ähnlicher Märkte oder einer Kombination aus beidem ermittelt werden.
819 Eine solche Typisierung in fünf Fallgruppen, unter denen sich die gesammte Rechtsprechung zum Vertragsschadensersatz – mit vom jeweiligen Einzelfall abhängigen Modifikationen – zusammenfassen lasse, haben Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434 ff., versucht, woran sich auch hier die weitere Darstellung orientiert. 820 Typischerweise greift auch die gängige Kommentarliteratur für die Erläuterung der denkbar unter den Aufwendungsersatz nach § 284 BGB fallenden Schadenspositionen auf Fallgruppen zurück, ohne sie freilich mit der nötigen Trennschärfe und in enumerativer Form zu typisieren, zu strukturieren und voneinander abzugrenzen, vgl. z.B. Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 25 ff. („Fallgruppen“); nicht unter der Überschrift „Fallgruppen“ zusammengefasst, aber ebenfalls die Aussagen überwiegend an Beispielen erläuternd auch Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 16 ff.; ebenso Heinrichs, in: Palandt, § 284 Rz. 5. 821 Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1439.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Auch der BGH822 hat den Aufwand zur Tätigung eines Deckungskaufs unlängst als Schadensposition823 im Rahmen des positiven Interesses zugelassen, und hat den Schaden, ist ein konkretes Deckungsgeschäft noch nicht getätigt, anhand des üblichen Marktpreises des Vertragsgegenstandes hypothetisch berechnet (sog. hypothetischer Deckungskauf). Ob der BGH824 hierbei davon ausgeht, die vom enttäuschten Käufer aufzuwenden gewesene oder hypothetisch aufzuwendende Preisdifferenz sei nicht Schaden aus dem Ausbleiben der versprochenen Leistung, sondern tatsächlich im Rahmen des § 252 Satz 2 BGB zu ersetzender entgangener Gewinn, bleibt unklar. Aus ökonomischer Sicht wäre dies abzulehnen, da der vom Käufer zu zahlende Kaufpreis Bemessungsgröße für dessen Zahlungsbereitschaft und damit für dessen aus dem Vertragsgegenstand zu ziehenden subjektiven Nutzen und nicht lediglich Berechnungsgröße für die Ermittlung eines aus der weiteren Verwendung des Vertragsgegenstandes zu erzielenden Gewinns ist. Durch die Substitutionsregel wird diejenige Nutzeneinbuße des Käufers beschrieben, die darin liegt, dass der Vertragsgegenstand nur zu einem die ursprüngliche Zahlungsbereitschaft, die im Kooperationsdialog zwischen den Parteien fixiert wurde, übersteigenden Preis in seine, des Käufers, Verfügungsmacht gelangt. bb) Entgangener Gewinn Ist ein Deckungskauf nicht möglich oder dem enttäuschten Käufer mit dem gebotenen Aufwand nicht zumutbar,825 so entgeht ihm der aus der Vertragserfüllung erwartete Gewinn. Im Rahmen der Kooperationsvereinbarung haben die Parteien in einem dynamischen Prozess einer sich vertiefenden Leistungs-826 und Vertrauensbeziehung827 die wechselseitig zu erfüllenden Vertragsbestandteile festgelegt. Dies schließt die Realisierung von Nutzen- und Gewinnsteigerungen der Parteien, die für die Bemessung der jeweiligen Zahlungsbereitschaft bestimmend waren, ein, soweit diese üblich sind oder die Kooperationsvereinbarung sich hierauf ausdrücklich, konkludent oder implizit erstreckt. 822 In Anlehnung bereits an die Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 98, 271) vgl. z.B. BGH NJW 1998, 2901, 2902; Emmerich, in: MünchKomm-BGB, Rz. 69 vor § 281. 823 In gewissen Grenzen besteht aus dem Gesichtspunkt des § 254 BGB sogar eine Pflicht des Geschädigten, einen mit dem gebotenen Aufwand zu erreichenden Deckungskauf zu tätigen und diesen nicht, z.B. in spekulativer Absicht, unnötig zu verzögern, vgl. bereits RGZ 101, 90 und aus der jüngeren Rechtsprechung OLG Nürnberg, NJW-RR 2002, 47, 49. 824 Insoweit nicht ganz eindeutig BGH, WM 1998, 1784. 825 Die Tendenz, dass der enttäuschte Käufer grundsätzlich zur Tätigung eines Deckungskaufs verpflichtet sei, beginnt erst langsam, sich im Schrifttum durchzusetzen. Bislang wird überwiegend noch davon ausgegangen, dass eine solche Pflicht nur unter besonderen Umständen, insbesondere in Zeiten schnell steigender Preise anzunehmen war, vgl. statt vieler Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 254 Rz. 71; handelt es sich hingegen um marktgängige Ware, kann dem Käufer sehr wohl ein Mitverschulden an dem Entgang der Gewinnchance anzulasten sein, wenn er sich die Ware nicht anderweitig beschafft hat, vgl. Otto, in: Staudinger, § 280 Rz. E 90. 826 Dazu bereits oben Einl. § 3 VI. 827 Ergänzend zu oben Einl. § 3 VI. mit konkretem Bezug auf die sich dynamisch entwickelnde Vertrauensbeziehung oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb).
§ 2 Grundlagen einer integrativen Rechtsökonomik und ihre Ableitungen
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Der entgangene Gewinn aus einem nicht erfüllten Vertrag beziffert sich, sollte der Transaktionsgegenstand, wie insbesondere im gewerblichen Bereich – und gegebenenfalls auch erst nach Be- oder Verarbeitung – weiterverkauft werden, nach dem entgangenen Gewinnaufschlag diente der Transaktionsgegenstand nicht dem Weiterverkauf unter ökonomischer Betrachtung aus dem der betroffenen Partei entgangenen Nutzen, der sich zunächst aus der Differenz der Zahlungsbereitschaft des Kunden und dem tatsächlich gezahlten Preis ermittelt.828 Bei differenzierter ökonomischer Betrachtung liegt der tatsächliche Nutzenentgang des Vertragsgläubigers, dessen ökonomischer Schaden also in der Regel jedoch deutlich oberhalb dieses Betrages: Ausgehend von dem ökonomischen Menschenbild des homo oeconomicus,829 des nach Nutzenmaximierung strebenden Individuums, hat der Vertragsgläubiger dem Vertragsgegenstand regelmäßig einen über dem, was er zu zahlen bereit war, liegenden Wert beigemessen, da sich nur in solchem Fall für ihn eine Nutzensteigerung tatsächlich realisieren lässt.830 Die mit der Vertragsverletzung einhergehende Nutzeneinbuße sollte aus ökonomischer Sicht deshalb Teil auch des rein kompensatorischen Schadensersatzes831 sein. Das Problem hierbei besteht jedoch darin, diesen subjektiven Vertragswert unter Ausschluss von Opportunismusgefahren verlässlich und justitiabel zu bestimmen, wenn aufseiten des Vertragsgläubigers keine objektivierbaren Umstände etwa aus der beabsichtigten Nutzung des Transaktionsgegenstandes für eigene unternehmerische oder geschäftliche Zwecke ergeben. In einem solchem Fall nämlich ist der dem Gläubiger der ausgebliebenen Leistung der entgangene Gewinn zu ersetzen, wobei die Anforderungen an den Nachweis für den Gewinnausfall hierbei nicht ein Maß erreichen dürfen, das dem Kooperationsbrüchigen erneut opportunistische Handlungsoptionen durch eine Spekulation mit den Beweisschwierigkeiten des Geschädigten eröffnet; die Beweiserleichterung des § 252 S. 2 BGB mit ihrer widerleglichen Vermutung, dass der Käufer bei vertragsgemäßer Lieferung jederzeit in der Lage gewesen wäre, die Ware zum Marktpreis – falls ein solcher nicht besteht, zu ihrem Verkehrswert832 – weiter zu veräußern und auf diese Weise einen Gewinn zu erzielen,833 trägt dieser ökonomischen Überlegung Rechnung. Besteht eine solche ,unternehmerische Anknüpfung‘ nicht, liegt es zunächst nahe, die Objektivierung subjektiver Werte ebenfalls durch die Orientierung an einem Marktpreis vorzunehmen. Aus ökonomischer Warte ist dies jedoch schwierig, 828
Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1440. Dazu oben 1. Kap. § 2 B) I.1 und zur gebotenen Anerkennung dieser „Modellvorstellung“ auch in der Rechtsanwendung Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217 ff. 830 In diesem Sinne auch Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 259. 831 Dem wohnt insoweit daher noch kein Element des Strafschadensersatzes in Anlehnung an die u.s.-amerikanischen punitive damages inne, ebenso Wagner, Neue Perspektiven des Schadensersatzrechts, S. 80 ff. 832 Vgl. bereits RGZ 68, 163, 165. 833 So Otto, in: Staudinger, BGB § 280 Rz. E 91; ähnlich Oetker, in: MünchKomm-BGB, § 252 Rz. 30 f. 829
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
weil Marktpreise ausreichender Indikator für das Verhältnis von Nutzen und Kosten nur in Märkten mit vollständiger Konkurrenz sein können.834 Darüber hinaus können Marktpreise keine Aussage über ein etwaiges Affektionsinteresse835 auf Gläubigerseite und über dessen Kompensationsfähigkeit im Einzelfall treffen. Ruft man sich indes in Erinnerung, dass Ausgangspunkt schon der vorgeschalteten Überlegungen zu einer etwaigen ökonomischen Effizienz eines Vertragsbruchs die Grundaussage war, dass sich ein solcher für den Leistungsschuldner nicht lohnen darf, nur weil es sich für ihn als opportun erweist, von der Leistung Abstand zu nehmen (zur Erinnerung: „tort must not pay“836), so kann alternativ zur Anknüpfung an einen Marktpreis für die Bemessung des Kompensationsinteresses des Vertragsgläubigers an den Wert des aus Schuldnersicht „besseren Geschäfts“ angeknüpft und der Gewinn hieraus abgeschöpft werden.837 Diese Überlegung knüpft an die Rechtsprechung zum Schadensersatz im Immaterialgüterrecht an, in welchem aus gutem Grund ebenfalls ein Gewinnabschöpfungsanspruch838 gewährt wird, dessen Zielsetzung primär darin besteht, den objektiven Wert der dem Geschädigten entstandenen Nachteile zu ermitteln.839 Der Objektivierung des Schadens am Maßstab des commodum ex negotiatione840 liegt der Gedanke zugrunde, dass davon ausgegangen werden kann und darf, dass der Vertragsgläubiger denselben Vorteil hätte erzielen können, hätte sich der Vertrags834
Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 464. Bei ausschließlich juristischer Betrachtung ist ein Affektionsinteresse als nicht vermögensrechtlicher Nachteil freilich grundsätzlich nicht ausgleichsfähig, vgl. statt vieler Oetker, in: MünchKomm-BGB, § 249 Rz. 25; jedoch kann auch das Affektionsinteresse des Gläubigers bei der Abwicklung einer Kooperationsvereinbarung bzw. eines Vertragsverhältnisses eine Rolle spielen, etwa wenn es um die Bestimmung des Maßes der von Schuldner zum Zwecke der Erfüllung zu erbringenden Anstrengungen insbesondere im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB geht, vgl. Löwisch, in: Staudinger, § 275 Rz. 80. 836 Vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.2 c); bei dem Ausspruch handelt es sich um ein Zitat aus Rookes v. Barnard, (1964) A.C. 1129, 1227 (H.L. 1963). 837 Ausführlich, differenzierend und überzeugend zur Schadensersatzleistung durch Gewinnabschöpfung Wagner, Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht, S. 83 ff. 838 Dieser Gewinnabschöpfungsanspruch entspricht zwar dem Herausgabeanspruch bei der angemaßten Eigengeschäftsführung nach §§ 687 Abs. 2 Satz 1, 681 Satz 2, 667 BGB, geht aber darüber hinaus, weil der immaterialgüterrechtliche Gewinnabschöpfungsanspruch auch bei rein fahrlässigem Verletzerhandeln eingreift, vgl. BGH GRUR 2001, 329, 331. 839 BGH, NJW 1962, 1507, 1508; außerdem BGHZ 57, 116, 118; BGHZ 119, 20, 23. 840 Auch das geltende BGB folgt diesem Ansatz zumindest nach der inzwischen als einhellig zu bezeichnenden Auffassung, wonach das stellvertretende commodum in § 285 BGB auch den Gewinn aus einem Alternativgeschäft umfasst, vgl. statt aller Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 285 Rz. 38. Nach der Rechtsprechung des BGH, vgl. z.B. BGHZ 75, 203, 27 f., und einer verbreiteten Literaturauffassung, so u.a. Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 285 Rz. 20; Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 698, 744 ff., ist dieser Abschöpfungsanspruch auch nicht auf den Gläubigerschaden begrenzt (a.A. Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 285 Rz. 42), was folgerichtig ist, objektiviert man diesen Schaden erst durch einen Blick auf das vom Vertragsschuldner erzielte commodum. Im Übrigen wäre eine solche Begrenzung unter ökonomischen Gesichtspunkten auch äußerst fragwürdig, weil hierdurch Anreize für den Vertragsgläubiger zum Vertragsbruch gesetzt würden, die abermals auf die Vertrauens- und damit die Investitionsbereitschaft des Gläubigers zurückwirken können. 835
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schuldner vertragstreu verhalten,841 und dass sich der subjektive Vertragswert jedenfalls in solchen Geschäftschancen typisieren und damit – auch für ein Gericht – vorhersehbar und ohne allzu große Feststellungslast ermitteln lässt. Die Schadensbemessung am Maßstab der Gewinnabschöpfung ist damit justitiabel. § 285 BGB nimmt diese ökonomische Wertung auf und trägt damit demselben Gedanken Rechnung wie § 252 S. 2 BGB. Durch § 285 BGB, den auf das stellvertretende commodum842 gerichteten Ersatzanspruch vollzieht sich damit – jedenfalls im nichtkommerziellen Bereich – den Ersatz des dem Käufer infolge Verstrickung entgangenen (Nutzen-)Gewinns. Allein die Beschränkung auf Fälle des § 275 Abs. 1 bis 3 BGB ist vor dem Hintergrund dieses dogmatischen Verständnisses von § 285 BGB zweifelhaft.843 Darüber hinaus wohnt der Gewinnabschöpfung aber selbstverständlich auch ein präventives Element inne. Eine Kosten-Nutzen-Kalkulation des Vertragsschuldners in Bezug auf die Abwägung der Vertragserfüllung soll nämlich auch bei ökonomischer Betrachtung und unter grundsätzlich strikter Geltung der pacta sunt servanda-Regel dem Grunde nach nur dann ausnahmsweise zugelassen sein, wenn einmal unerwartete Erfüllungskosten den Gewinn des Vertragsgläubigers übersteigen, nicht aber schon dann, wenn der Vertragsbruch dem Schuldner opportun erscheint.844 Die Abschöpfung eines vom Vertragsschuldner erzielbaren alternativen Gewinns ist deshalb dem Grunde nach geeignet, ihn von einem opportunistischen Vertragsbruch abzuhalten,845 das Schadensersatzrecht und mit ihm die Kooperationsvereinbarung selbst zu stärken und zugleich die ökonomisch richtigen Anreize nicht nur für eine strikte Vertragserfüllung im Allgemeinen,
841 Insoweit ausdrücklich BGH NJW 1992, 2753, 2754; vgl. auch Köhler, in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, UWG § 9 Rz. 1.45. 842 Nach heute einhelliger Meinung erstreckt sich § 285 BGB jedoch nicht allein auf das stellvertretende commodum, sondern auch auf das commodum ex negotiatione, nämlich einen vom Leistungsschuldner durch anderweitige Veräußerung erzielten Erlös, auch wenn der die Unmöglichkeit im Sinne des § 275 BGB bewirkende Umstand erst in der anderweitigen Übereignung liegt, vgl. Löwisch, in: Staudinger, § 285 Rz. 38. Begründet wird diese Ansicht mit Billigkeitserwägungen und damit, dass bereits die Veräußerung mittelbar die Unmöglichkeit bewirkt habe. Gerade letzteres ist dogmatisch schwer nachvollziehbar, da dem Leistungsschuldner nach einer Doppelveräußerung nach wie vor die Wahl freisteht, an welchen der Vertragspartner er zu übereignen gedenkt. Würde auf die mittelbare Betrachtung abgestellt, wäre ein die Unmöglichkeit im Kern bereits anlegender Umstand für beide Kaufverträge des Doppelverkaufs anzunehmen, was zweifeln lässt. Richtiger erscheint es daher, § 285 BGB nach der hier angebotenen Lösung dogmatisch als Norm der Schadensbemessung zu verstehen, die konstruktiv, dem Ausgangspunkt folgend, dass auch dem enttäuschten Käufer das Drittgeschäft möglich gewesen wäre, sogleich auf die Durchleitung dieses Anspruchs gerichtet ist. 843 Hierauf wird im Rahmen der umfassenden juristischen Analyse der Institutionen zur Abwehr und Kompensation von desinformationsbedingten Verstrickungslagen zurückzukommen sein, vgl. unten 2. Kap. 844 Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 458. 845 Köndgen, RabelsZ 56 (1992), 698, 744 ff.; Wagner, Neue Perspektiven des Schadensersatzrechts, S. 87 ff.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
sondern auch für die Vermeidung kooperationsschädlichen Verhaltens im Besonderen zu setzen.846 cc) Opportunitätskosten Einen Vertrag abzuschließen und sich damit auf einen Vertragspartner und einen konkreten Transaktionsgegenstand festzulegen, beinhaltet in der Regel zugleich auch die Entscheidung, alternative Angebote abzulehnen oder zumindest die Suche nach Alternativen zu dem abgeschlossenen Vertrag einzustellen. Die Transaktionspartner geben daher wechselseitig mit Blick auf die in der Kooperation angelegten Quasi-Renten die Möglichkeit zur Realisierung der zweitbesten Investitions- und Verwendungsmöglichkeit ihrer in die Kooperationsbeziehung eingebrachten Ressourcen auf und schaffen damit eine auf die Transaktion bezogene Faktorspezifität ihrer Ressourcen.847 Aus ökonomischer Sicht investieren die Parteien daher in die Transaktion auch den Wert der Möglichkeit zu einer alternativen Verwendung ihrer Ressourcen, was unter den Begriff des Einsatzes von Opportunitätskosten848 subsummiert wird.849 Wird der Vertrag nicht erfüllt wie geschlossen, sind diese alternativen Investitionsmöglichkeiten der eigenen Ressourcen häufig verloren, sodass mit dem Bruch der Kooperationsvereinbarung regelmäßig auch der Verlust von Opportunitätskosten einhergeht.850 Dass der Verlust solcher Opportunitätskosten Bestandteil des negativen und nicht nur des positiven Interesses ist, ergibt sich bei konsequenter ökonomischer Betrachtung aus der Definition des negativen Interesses selbst: Der geschädigte Vertragspartner ist so zu stellen, wie er stünde, hätte er von dem Vertrag niemals etwas gehört.851 In diesem Fall aber würde er die beste alternative Verwendungsmöglichkeit der von ihm in den Vertrag investierten Ressourcen ergriffen und somit den mit dieser zweitbesten Verwendung erzielbaren Nutzen realisiert haben. Diese Möglichkeit ist adäquat-kausal allein durch den Vertragsbruch vereitelt. Richtigerweise sollte sich daher das negative Interesse dem Grunde nach und zu846 Dieser Präventionsgedanke knüpft an die grundlegende Arbeit von Calabresi, The Cost of Accidents, S. 73 ff., an, der den Zusammenhang zwischen Anreizen, in die Schadensvermeidung zu investieren, und der Haftungszuweisung umfassend nachgewiesen hat. 847 Zum Einfluss von Quasi-Renten und Faktorspezifität auf die Kooperationsbeziehung vgl. ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). 848 Wie oben unter 1. Kap. § 2 C) I.4 c) bb) bereits erläutert, stellen Opportunitätskosten einen entscheidenden Vergleichsmaßstab der ökonomischen Argumentation dar. Sie geben allgemein die Kosten eines entgangenen Nutzens (konkret: Gewinns, Umsatzes, etc.) wieder und werden damit letztlich zum Maßstab der Beurteilung alternativer Handlungsmöglichkeiten oder Arrangements, vgl. Blum, Volkswirtschaftslehre, S. 2. 849 Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1440 f. 850 Zu den Opportunitätskosten gehören in Überschneidung mit Substitutionskosten bzw. als deren Spiegelbild auch Substitutionsverluste des Verkäufers: Während die Substitutionskosten aus Sicht des Käufers entstehen, der einen Deckungskauf zu höherem Preis tätigt, sind von den Opportunitätskosten diejenigen Kosten umfasst, die der Verkäufer dadurch investiert, dass er nach einem Vertragsbruch des Käufers nur zu einem geringeren Preis weiterveräußern kann. 851 Vgl. dazu bereits oben Einl. § 3 C) II.1 b).
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nächst auch auf die in zweitbester Alternative realisierbaren Quasi-Renten der geschädigten Vertragspartei erstrecken.852 In Rechtsprechung und Literatur853 hingegen ist umstritten, inwieweit ein solcher Schadensersatzanspruch reichen kann.854 Der BGH855 hat in Fortführung der Rechtsprechung bereits des Reichsgerichts856 jedoch anerkannt, dass auch nach den Regeln über das Verschulden bei Vertragsschluss (c.i.c.) ausnahmsweise das Interesse des Geschädigten an der Erfüllung eines nicht zustande gekommenen Vertrages zu ersetzen sein könne.857 Der BGH erkennt nämlich ebenso, dass die hypothetische Stellung des Geschädigten so, als hätte er niemals von dem Vertragsschluss gehört, die Berücksichtigung des Interesses an der Erfüllung eines nicht zustande gekommenen Vertrages beinhaltet, wenn ohne das schuldhafte Verhalten ein anderer, für den Geschädigten günstiger Vertrag zustande gekommen wäre.858 Das nega-
852 Im Rahmen des § 284 BGB wird die Ersatzfähigkeit von Opportunitätskosten überwiegend abgelehnt, da das Unterlassen eines anderen gewinnbringenden Geschäfts allenfalls einen Schadens-, nicht jedoch einen Aufwendungsersatzanspruch begründen könne, vgl. die Begründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (RegE), BT-Drs. 14/6040, S. 144; Canaris, JZ 2001, 499, 517. Mit ökonomischen Erwägungen ist dies nicht zu vereinbaren, da Opportunitätskosten ökonomisch ohne Weiteres Aufwand darstellen. 853 Kritisch insbesondere Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 842 ff., 858, im Zusammenahng mit der Auffassung des BGH (WM 1989, 416) der Schadensersatzanspruch aus c.i.c. könne auch durch die Unterstellung erfasst werden, es sei dem Käufer bei Kenntnis der wahren Sachlage, das heißt unter Auflösung der Informationsasymmetrie gelungen, zu einem günstigeren Kaufpreis (mit demselben Verkäufer) abzuschließen, da der Schaden anders nicht sinnvoll erfasst werden könne; kritisch auch Stoll, in: FS v. Caemmerer, S. 435, 445 f. 854 In Anlehnung an die Diskussionen um die Schuldrechtsreform und die Gesetzesbegründung, in deren ersten Entwurfsfassung es zunächst noch hieß, es sei der Schaden ersatzfähig, der im Vertrauen auf die „Ausführung des Vertrages“ (so die Entwurfsfassung des § 325 Abs. 1 S. 2) entstanden sei, wird heute überwiegend vertreten, dass es sich jedenfalls im Rahmen des Ersatzanspruchs nach § 284 BGB bei „Aufwendungen“ im Sinne der Norm um echte Vermögensopfer handeln müsse, wobei unter solchen lediglich Abflüsse in Geld zu verstehen seien, was ökonomisch nicht haltbar ist. Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB soll daher mit dem Vertrauensschaden nicht identisch sein, vgl. Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 24. 855 BGH, NJW 1998, 2900; BGH, NJW 1988, 2234. 856 Unter Hinweis in BGH, NJW 1998, 2900, auf RGZ 97, 336, 339 und 159, 33, 57. 857 In der Entscheidung BGH, NJW 1998, 2900, hat der BGH diese Rechtsprechung auch auf den Fall eines alternativen Vertragsschlusses zwischen den beteiligten Vertragsparteien selbst ausgedehnt, was der kritisierten, vgl. noch einmal Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 858, Rechtsprechung des BGH zur verdeckten Gewährung des Erfüllungsinteresses im Rahmen der früheren c.i.c. entspricht, vgl. BGH, WM 1989, 416; BGHZ 69, 53, 58. 858 Jüngst vom BGH, ZIP 2009, 1220, im insolvenzrechtlichen Bereich noch einmal im Zusammenhang mit dem Ersatz des sog. Neugläubigerschadens entschieden, nämlich des Schadensersatzanspruchs eines erst nach Eintritt der Insolvenzverschleppung mit der Insolvenzschuldnerin – im entschiedenen Fall eine GmbH – kontrahierenden Gläubigers. Im zweiten Leitsatz der Entscheidung heißt es: „Der auf Ersatz des negativen Interesses gerichtete Schadensersatzanspruch eines Neugläubigers wegen Insolvenzverschleppung umfasst den in einem Kaufpreis enthaltenen Gewinnanteil grundsätzlich nicht. Ein Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns kann dem Neugläubiger jedoch dann zustehen, wenn ihm wegen des Vertragsschlusses mit der insolventen Gesellschaft ein Gewinn entgangen ist, den er ohne diesen anderweitig hätte erzielen können.“.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
tive Interesse kann hierbei dann durchaus die Höhe auch eines im konkreten Fall nicht ersatzfähigen positiven Interesses erreichen.859 Dies muss, so der BGH, in einem seiner wenigen zu dieser Frage entschiedenen Fälle aus dem Jahre 1998860 auch dann gelten, wenn die alternative Vertragsabschlussmöglichkeit zwischen denselben Vertragspartnern besteht, die infolge einer schuldhaften Informationspflichtverletzung nicht zustande gekommen ist. Denn auch in diesem Fall investiert der geschädigte Vertragspartner, wenn auch wegen des Informationsdefizits unerkannt, Opportunitätskosten. Der Einwand, eine solche Schadensberechnung komme einem Kontrahierungszwang gleich, ist aus ökonomischer Sicht deshalb nicht gerechtfertigt. Es handelt sich allein um eine Schadensberechnung unter dem Gesichtspunkt des vom Geschädigten tatsächlich getätigten Aufwandes, in den entgangene Opportunitätskosten richtigerweise einzubeziehen sind. Dementsprechend stellt der BGH auch zu Recht fest, dass es nicht um die Unterwerfung des anderen Vertragspartners unter einen Kontrahierungszwang gehe, sondern lediglich darum, die aus einem entgangenen Vertrag, dessen alternativer Abschluss sicher festgestellt werden könne, verlorenen Vorteile zu kompensieren.861 In diese Fallgruppe der entgangenen Opportunitätskosten gehören auch die vom BGH bekanntermaßen zugestandenen Ansprüche eines irregeführten Vertragspartners aus § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB bzw. culpa in contrahendo (c.i.c.) auf einen Geldbetrag anstelle der Aufhebung des ungewollten Vertrages, was in der Sache einer Minderung gleichkommt, die der BGH auch dann gewährt, wenn sich der andere Vertragsteil auf einen Vertrag zu den geänderten Bedingungen nicht eingelassen hätte.862 Die gegen diese Rechtsprechung vorgebrachte Kritik, die Gewährung eines Minderungsbetrages missachte das Kausalitätserfordernis,863 verfängt nicht, da es richtigerweise in der Sache um die Frage geht, ob der aus c.i.c. verwirkte Schadensersatzanspruch anstelle der Naturalrestitution gemäß § 249 Satz 1 BGB in Geld zu erfüllen ist (§§ 249 Satz 2, 251 Abs. 1 BGB).864 Da Naturalrestitu859 Vgl. BGH, NJW 2006, 60: „Zur Höhe des Anspruchs aus culpa in contrahendo geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass Ersatz des Vertrauensschadens geschuldet wird, dieser im Einzelfall aber dem nicht ersatzfähigen positiven Interesse entsprechen kann. (…) Der Schaden (…) ist nicht durch den schwebend unwirksamen Vertrag entstanden, sondern durch die Erbringung der Leistung eingetreten. (…) Durch die Leistung ist der Klägerin ein Schaden entstanden, der die Höhe des vereinbarten Werklohns erreichen kann. Er erfasst die Aufwendungen der Klägerin für die Leistungen (etwa Materialund Personalkosten), kann sich aber auch auf den im Werklohn enthaltenen Gewinnanteil erstrecken, etwa wenn die Klägerin diesen Gewinn bei anderweitem Betriebseinsatz ebenfalls hätte erzielen können. Hierzu wird sie weiter vorzutragen haben, wobei die sich aus § 252 BGB, § 287 ZPO ergebenden Erleichterungen der Darlegung und des Beweismaßes zu beachten sind.“. 860 Vgl. nochmals BGH, NJW 1998, 2900. 861 BGH, NJW 1998, 2900, 2901. 862 Die Leitentscheidung hierzu ist zum Recht des Unternehmenskaufs ergangen, vgl. BGHZ 69, 53, 58 f. sowie BGH, ZIP 1999, 574, 577; vgl. außerdem Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 182 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 863 So z.B. Canaris, ZGR 1982, 420 ff. 864 So unter Aufgabe seiner bis dortigen Kritik zu Recht auch Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts, S. 273, 315.
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tion aber wegen entgangener anderweitiger Geschäftschancen per definitionem nicht leistbar ist, gewährt der BGH zu Recht einen Geldersatzanspruch auch, soweit der alternative Vertrag mit dem selben Vertragspartner hätte zustande kommen können. Für den Entfall der Quasi-Rente ist nämlich gleichgültig, in welchem Personenverhältnis diese hätte realisiert werden können. Soweit die entgangene QuasiRente Teil des Schadensersatzanspruchs ist und der Minderungsbetrag in Geld diesen Schaden kompensiert, gilt dies auch für Quasi-Renten innerhalb derselben Personenbeziehung. Der Rechtsprechung des BGH ist deshalb jedenfalls aus rechtsökonomischen Gründen beizupflichten.865 Die Höhe des Schadens richtet sich hierbei dann aber nicht nach der Differenz aus dem infolge Verstrickung vereinbarten Kaufpreis und dem wahren Wert des Transaktionsgegenstandes, sondern in konsequenter Anwendung des hier unter Subsumtion der relationalen Kooperationsabsprachen zugrunde gelegten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells866 nach der dem Vertrag zugrunde liegenden Relation zwischen Wert und Vertragspreis.867 Der irregeführte Vertragspartner soll nämlich grundsätzlich nur von den Folgen der Verstrickung befreit werden und nicht darüber hinaus die Möglichkeit zu später Vertragsreue oder gar opportunistischer Ausnutzung von Zwangssituationen seines Gegenüber erhalten. Wiegt die Verstrickung so schwer, dass das Vertrauensverhältnis insgesamt erschüttert ist oder der verstrickte Vertragspartner kein Interesse an der wahren vertraglichen Leistung hat, steht neben dem Geldersatz stets die Rückabwicklung des gesamten Vertrages als Kompensationsmittel der Wahl zur Verfügung. dd) Vertrauensaufwendungen („out of pocket-cost“) Zu den aus juristischer Sicht „klassischen“ Schadenspositionen des negativen Interesses gehören diejenigen Aufwendungen, die der Geschädigte vor dem schädigenden Ereignis im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung tätigt. Im kommerziellen Bereich wurde solcher Aufwand – wie gesehen868 und jedenfalls bis zur Modernisierung des Schuldrechts im Jahr 2002 – durch die Anwendung der Rentabilitätstheorie positiviert. Im nicht kommerziellen Bereich waren verschiedene Anspruchsgrundlagen, nämlich §§ 122, 179, 307 a.F., 309 a.F., 463 Satz 2 a.F. BGB und die in Gesamtrechtsanalogie dazu entwickelte culpa in contrahendo (c.i.c.) auf den Ersatz solcher Aufwendungen, auf den Ersatz des negativen Interesses eben gerichtet. Ökonomisch stellt sich bei solchen out of pocket-Kosten die Frage danach, inwieweit hierin verlorener Aufwand (sog. „sunk costs“869) zu sehen ist, der ökonomisch 865 Kritisch und insoweit wohl anderer Auffassung Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 206. 866 Vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5) mit Abb. 5 Informations- und vertrauensökonomisches Interpretationsmodell. 867 Mit demselben Ergebnis Canaris, Wandlungen des Schuldvertragsrechts, S. 316. 868 Dazu nochmals oben Einl. § 3 C) III.1 und soeben 1. Kap. § 2 C) II.2. 869 Vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) II.4 b) bb).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
irrelevant, weil für künftige Investitionsentscheidungen nicht mehr beachtlich ist. Hierbei ist jedoch zu differenzieren: Soweit es sich um Investitionen handelt, die in den nicht erfüllten Vertrag und dessen Abschluss selbst getätigt worden sind, ohne dass mit ihnen ein besonderer über die allgemeine Erfüllungserwartung hinausgehender Mehrwert bezweckt worden wäre, stellen entweder (verlorene) Suchkosten oder aber nur in dem abstrakten Vertrauen auf die übliche Vertragserfüllung getätigten Aufwand dar, der durch die übrigen Schadenstypisierungen im Zusammenhang mit der Kompensation des allgemeinen und abstrakten Erfüllungsinteresses mit abgegolten werden.870 Als Beispiel seien hier vertane Freizeit für die Suche nach einem Transaktionsgegenstand und dem konkreten Vertragspartner oder für die Verhandlungsgespräche genannt.871 Soweit die vor dem Bruch der Kooperationsvereinbarung getätigten Investitionen des geschädigten Vertragspartners aber mit Blick auf die konkrete Vertragserfüllung und in der Absicht aufgewandt wurden, hieraus in der Zukunft einen Mehrwert zu erzielen, hat sich diese in der Vorstellung des investierenden Vertragspartners bestehende Realisationschance auf dessen Zahlungsbereitschaft und damit auch auf den Inhalt der Kooperationsvereinbarung und dort nicht zuletzt auf den festgelegten Vertragspreis ausgewirkt. Bei ökonomischer Betrachtung ist der Investitionszeitpunkt daher bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses, nämlich bei den Vertragsverhandlungen oder der konkreten Vertragsentscheidung zu verorten, da mit dem Transaktionsgegenstand zu erzielende Nutzenvorteile, seien sie materieller oder immaterieller Natur und seien sie auch erst durch weitere Vertrauensaufwendungen realisierbar, bereits bei der Entwicklung und Bestimmung der eigenen Zahlungsbereitschaft eine Rolle gespielt haben; sie sind deshalb Teil der beabsichtigten und im Rahmen der Vertragsanbahnung von dem betroffenen Transaktionspartner prospektierten Eigenkompensation.872 Damit aber sind solche Vertrauensaufwendungen, auch wenn sie erst in der Zeit nach Vertragsschluss – und vor dem Vertragsbruch – getätigt werden, vom Inhalt der Kooperationsvereinbarung nach den hierfür entwickelten Maßstäben und Anforderungen an ein abstraktes oder konkretes Vertrauen potentiell gedeckt und von dieser zeitlichen Warte aus betrachtet zukunftsgerichtet und damit auch im ökonomischen Sinne sehr wohl entscheidungserheblich. Vertrauensaufwendungen oder out of pocket-Kosten stellen deshalb, werden sie in der Absicht einen Nutzenmehrwert aus der Transaktion selbst herzustellen und mit konkretem Bezug auf diese getätigt, keinen verlorenen Aufwand (sunk costs), sondern vielmehr Investitionen in künftige Nutzensteigerungen, damit zugleich Determinanten der Bemessung der eigenen Zahlungsbereitschaft und deshalb nicht zuletzt aus ökonomischer Warte auch ersatzfähige Schadenspositionen dar. 870 Die Frage, inwieweit Suchkosten verlorenen Aufwand darstellen, war bereits oben unter 1. Kap. § 2 B) II.4 d) angesprochen, dort aber noch offen gelassen worden. 871 Vgl. hierzu die Ausführungen zur fehlenden Ersatzfähigkeit von vertaner Freizeit außerhalb eines auf die Urlaubsgestaltung gerichteten Vertrages bei Oetker, in: MünchKomm-BGB, § 249 Rz. 88 ff. 872 Vgl. oben Abb. 7 unter 1. Kap. § 2 C) II.2 a).
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Der juristische Paradefall der Schadenspositionen des negativen Interesses, der Vertrauensaufwand, lässt sich daher auch ökonomisch unter die typisierten Schadenskategorien subsumieren. Der ökonomische Schaden ist zu berechnen nach der Differenz aus dem Wert der Vertrauensaufwendungen, wie sie vor dem Vertragsbruch getätigt wurden, und dem durch sie noch realisierbaren Restwert nach der Vertragsverletzung.873 ee) Differenz- oder Teilerfüllungsschaden Als fünfte und letzte Fallgruppe kommt die Kompensation solcher Schäden in Betracht, die nicht aus einer insgesamt ausbleibenden Erfüllung, sondern lediglich aus einem Zurückbleiben der Erfüllungsleistung hinter dem kooperationsgerecht geschuldeten Erfolg resultieren. In solchen Fällen resultiert der Schaden also daraus, dass der Nutzen aus der Ist-Erfüllung nicht den Betrag des aus der Kooperationsvereinbarung berechtigt erwarteten Soll-Nutzens erreicht. Kritische Fälle aus der Rechtsprechung, die dieser Kategorie zuzuordnen sind, sind z.B. diejenigen des Verkaufs eines Kfz als Neuwagen, das zwar tatsächlich mit Erst- oder Tageszulassung ausgeliefert wird, bei dem es sich jedoch – für den Käufer zunächst unerkannt – nicht mehr um ein aktuelles Modell handelt.874 Auch in solchem Fall ist die Zahlungsbereitschaft des Kunden durch die Nutzenerwartung des Gewinns an persönlichem Wohlbefinden aus dem Erwerb, dem Eigentum und dem Besitz eines „neuen Autos“ determiniert. Dieser subjektive Gewinn an Befriedigung kann durch den Erwerb eines zwar ungebrauchten aber dennoch nicht im umgangssprachlichen Sinne neuen Pkw durchaus eingeschränkt werden. Die Ersatzfähigkeit solcher Enttäuschung hängt von der Interpretation der impliziten Vertragsbestandteile und der hierbei zu extrapolierenden Risikozuweisung hinsichtlich der konkreten Erwartung zwischen den Parteien ab. Dass aber auch der BGH875 solche Enttäuschung für grundsätzlich kompensationsfähig hält, zeigt die Tatsache, dass er in der Vereinbarung über den Kauf eines „Jahreswagens“ die Zusicherung gesehen hat, dass das Fahrzeug tatäschlich nicht älter als 12 Monate ist. Dies werde durch die Vereinbarung über den Kauf eines Jahreswagens impliziert, worauf der Käufer vertrauen, jedenfalls aber im anderen Fall insoweit Aufklärung erwarten dürfe. Im Ergebnis bejaht der BGH damit einen Sachmangel, obwohl das Fahrzeug technisch vollständig dem entsprach, was vereinbart war, allein aus informationeller Sicht und trägt damit der aus Desinformation entstandenen Verstrickung des Käufers Rechnung, die sich, da das Fahrzeug seinen Preis wohl wert ist, nicht ohne Weiteres in einem messbaren Vermögensverlust abbildet. Überdies überschreitet der BGH aus juristisch ebenso wie ökonomisch berechtigten Gründen und freilich, 873
Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1442. Vgl. BGH, NJW 2004, 160; NJW 2005, 1422 („fabrikneu“); BGH, NJW 2006, 2694 („Jahreswagen“). 875 BGH, NJW 2006, 2694 („Jahreswagen“). 874
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
ohne dies beim Namen zu nennen, eine sonst mit äußerster Zurückhaltung passierte Grenze, indem er nämlich im Ergebnis den Ersatz eines Affektionsinteresses gewährt. ff) Zusammenfassung Die Typisierung von potentiell schadensstiftenden Kausalverläufen in den vorstehenden fünf Fallgruppen ermöglicht die Einordnung eines jeden Falles desinformationsbedingter Verstrickung und erleichtert damit die Entscheidung, inwieweit die Ersatzfähigkeit einzelnder Schadenspositionen im Einzelfall reichen darf. Dies wiederum hilft, die Vorhersagbarkeit von Verstrickungs- und Kompensationsrisiken bzw. ihres Ausgleichs zu erhöhen, was wiederum entscheidenden Einfluss auf das käuferseitige Aktivitätsniveau in der Vertragsanbahnung und damit ganz besonders auf das Informationsverhalten876 der Parteien hat. Als Folge hieraus wirkt eine Klassifizierung möglicher Schadensverläufe dann jedoch auch auf die Entstehung von Verstrickungslagen selbst zurück und hilft, der opportunistischen Ausnutzung von Informationsvorsprüngen vorzubeugen. Hieraus entsteht ein sich selbst dynamisierender Kreislauf, da die Vorbeugung von Opportunismusgefahren die Rationalität des Vertrauens erhöht, Käufer daher eher geneigt sind, auf die Reputation eines Anbieters zu vertrauen, wodurch nicht nur Transaktionskosten eingespart werden, sondern auch der Wert der Reputation und damit zugleich auch der vom Verkäufer zu realisierenden Opportunitätsprämien erhöht wird. Dies macht die Investition in Reputation lohnenswerter, da die Abschöpfung der Reputationsprämie früher und in größerem Ausmaß möglich wird,877 hierbei jedoch gleichzeitig ein stärkeres Signal für die eigene Vertrauenswürdigkeit in den Markt gibt, womit ein revolvierender Prozess einsetzt, der sich spiralenförmig entwickelt. Selbstverständlich darf eine solche Typisierung aber nicht darüber hinweg täuschen, dass für jede Entscheidung im Einzelfall die Rückbesinnung auf die der Typisierung zugrunde liegenden Wertungen erforderlich ist und die Einordnung in Fallgruppen878 gerade nicht eine sklavische Koranisierung gebietet. Jeder dieser typisierten Kausalverläufe bestimmt zunächst allein die Ersatzfähigkeit einer Schadensposition dem Grunde, noch nicht aber der Höhe nach. Darüber hinaus ist jede einer Fallgruppe zugeordnete Schadensanlage gegebenenfalls durch überkommene ergänzende und reduzierende Regeln, wie etwa diejenigen zur Vorteilsausgleichung879 zu korrigieren und so dem jeweils zu entscheidenden Fall anzupassen. Die gerichtliche Spruchpraxis zum Schadensersatzrecht zeigt jedoch, dass die grund876 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 b) und d), jeweils mit Hinweis auch auf Engel, Vertrauen: ein Versuch, S. 7 ff. 877 Vgl. oben Abb. 2 Reputationsaufbau und Reputationsprämien unter 1. Kap. § 2 B) II.4 c) bb). 878 Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434 ff. sprechen von ,basic formulas‘. 879 Vgl. dazu ausführlich Oetker, in: MünchKomm-BGB, § 249 Rz. 222 ff.
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sätzliche Klassifizierung einer Schadensposition durch Abstrahierung in einem ersten Schritt hilft, nicht nur zu ökonomisch richtigen Ergebnissen, sondern neben einer größeren Vorhersagbarkeit auch zu einer besseren Justitiabilität im Einzelfall zu gelangen. Ausgehend von der einleitend880 gestellten Frage, inwieweit die verschiedenen Institutionen zur Auflösung desinformationsbedingter Verstrickungslagen den dem Ersatz des negativen Interesses innewohnenden Eigenkompensationsmechanismus881 aufzunehmen haben, können die Fallgruppen außerdem zur Verdeutlichung der dogmatischen Trennlinie zwischen dem Ersatz des positiven und dem des negativen Interesses sowie der Erklärung ihres ökonomischen Ursprungs dienen und hierbei zu verdeutlichen helfen, inwieweit die Positivierung des negativen Interesses882 tatsächlich sachgerecht, im Rahmen der Desinformationshaftung eventuell sogar geboten und deshalb beizubehalten ist. c) Zu einer Positivierung des negativen Interesses aus ökonomischer Sicht In Märkten vollkommener Konkurrenz gleichen sich positives und negatives Interesse grundsätzlich und führen jeweils zu einer vollständigen Kompensation des kooperationstreuen Vertragspartners.883 Die neoklassische Gleichgewichtstheorie in einem ökonomischen Modell vollkommener Konkurrenz ist geprägt durch die Annahme der Existenz vieler identischer Käufer und Anbieter,884 sodass anstelle eines jeden Vertrages auch ein inhaltsgleicher anderer Vertrag hätte geschlossen werden können. Die Opportunitätskosten entsprechen daher jeweils dem Wert des tatsächlich geschlossenen Vertrages. Unter solchen Bedingungen ist es für einen infolge Desinformation verstrickten Käufer dann unerheblich, ob die Kompensation des negativen oder des positiven Interesses gewährt wird, da beide im Ergebnis identisch zu einer vollständigen Kompensation führen. Folgendes Beispiel möge dies verdeutlichen: K kauft bei V ein Bild, das V wider besseren Wissens als Original des Malers M angeboten hat, zum Preis von 10, der für ein Original angemessen ist. Im Vertrauen auf die vertragsgerechte Erfüllung erwirbt K einen teuren Rahmen, der das Bild besonders zur Geltung bringen soll. Als K von der Fälschung erfährt, verweigert er die Annahme und begehrt Schadensersatz. Bei Ersatz des negativen Interesses ist K so zu stellen, wie er stünde, hätte er den Vertrag nicht geschlossen. Dann würde er in einem Markt vollkommener Konkurrenz zum selben Preis ein Original bei einem anderen Verkäufer erworben haben, stünde also ebenso, als hätte V vertragsgerecht erfüllt, und damit ebenso, als wäre ihm das positive Interesse gewährt worden.
880
Oben 1. Kap. § 2 C) II.2 a). Vgl. nochmals oben Abb. 7, ebenfalls unter 1. Kap. § 2 C) II.2 a). 882 Dazu bereits ausführlich Einl. § 3 C) III.2 a). 883 Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1445 ff. 884 Vgl. nur Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 43 ff., und bereits den Überblick oben 1. Kap. § 2 B) I.1. 881
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Im Beispiel entsprechen sich daher Substitutionskosten und vereinbarter Kaufpreis, wobei zugleich die Opportunitätskosten dem positiven Interesse entsprechen. Dadurch werden die Vertrauensaufwendungen ihrem beabsichtigten Nutzen zugeführt, weshalb der Eigenkompensationseffekt eintritt und ein Schaden insoweit nicht entsteht. Vollständig kompetitive Märkte führen deshalb grundsätzlich zu einer Nivellierung der Unterschiede zwischen positivem und negativem Interesse,885 sodass insoweit eine ökonomische und deshalb auch eine rechtliche Unterscheidung nicht veranlasst wäre. Vollkommene Märkte unter der Annahme vollständiger Konkurrenz jedoch sind ein theoretisches und modellhaftes Konstrukt, das zu Zeiten der Neoklassik verwendet wurde, Konkurrenzgleichgewichte zu erklären, nicht aber geeignet ist, Wahlhandlungen in Tauschprozessen zu analysieren, geschweige denn zu ordnen.886 Da es an einer vollständigen Konkurrenz fehlt, sind solche Wahlhandlungen nämlich stets mit Entscheidungs- und Handlungsunsicherheiten verbunden, die erst unter dem Schutz wohleingeführter Institutionen unter der Vorleistung von Vertrauen auch auf die Reputation des Anbieters in Kauf genommen werden887 und so das Funktionieren von Märkten gewährleisten. Solcherart entstehenden Märkten sind dann jedoch Informationsasymmetrien und damit zugleich Konkurrenzdefizite immanent, weshalb der theoretisch dargestellte Gleichlauf in der Kompensation des negativen und des positiven Interesses ebenfalls nur der ökonomischen Modellwelt entspringt. In der Rechtspraxis entstehen hierdurch erhebliche Kompensationsdifferenzen, die sich zu Kompensationsdefiziten ausweiten können, greift nicht die Rechtsordnung korrigierend ein. Da die Konkurrenzsituation in Märkten mit beschränkt rational handelnden Akteuren unvollständig und vor allem intransparent und das von von Hayek888 im wörtlichen Sinne bewunderte Markt-Preis-System aus diesem Grunde nur eingeschränkt funktionabel ist,889 bleiben ganz besonders die Opportunitätskosten häufig hinter dem positiven Interesse zurück, da die zweitbeste und entgangene Vertragsschlussmöglichkeit nicht modellhaft zwingend zu einem identischen Kompensationswert führt, wie ihn der nicht oder nicht vollständig erfüllte Vertrag gehabt hätte;890 der Erwartungswert des abgeschlossenen Vertrages liegt deshalb regelmäßig oberhalb alternativ realisierbarer Vertragswerte, weshalb das positive typischer- – jedoch nicht notwendigerweise – das negative Interesse übersteigt.891 Dies führt in intransparenten und nicht von vollkommener Konkurrenz geprägten 885
Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1448. Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) I.2. 887 Vgl. dazu die Hinweise oben unter 1. Kap. § 2 B) I.2. auf North, Institutionen, S. 27 f. 888 Ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) I.2. mit dem Zitat von Hayek’s, der das von ihm als tragendes Kommunikationsmittel extrapolierte Markt-Preis-System als „Wunder“ bezeichnet hat. 889 Ausführlich Kunz, Marktsystem und Information, S. 62 ff. 890 Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1461: „In a noncompetitive market, for example, reliance damages would normally be calculated by the opportunity-cost formula, which requires determining the forgone price.“. 891 Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1451 f. 886
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Märkten im Ergebnis also zu einem Auseinanderlaufen von positivem und negativem Interesse. Die Ursache dafür liegt – nicht ausnahmslos, aber doch häufig – in makroökonomisch und strukturell angelegten sowie unter Beachtung der Transaktionskostenmodelle nicht vermeidbaren892 Informationsasymmetrien. Wie gesehen,893 zielen Verträge in einem komplexen Transaktionsumfeld weniger auf Vollständigkeit, als mehr auf vertrauensbasierende Anreize für die Vertragserfüllung und deren institutionelle Absicherung.894 Das Problem der Notwendigkeit einer juristischen Differenzierung zwischen positivem und negativem Interesse ist damit nicht zuletzt ein Informationsökonomisches.895 Da sich Verkäufer diese strukturell angelegten Informationsdefizite dadurch zunutze machen, dass sie den Verkauf ihrer Güter zu Preisen auch oberhalb ihrer Grenzkosten896 ermöglichen, ist ihnen auch die – jedenfalls anteilige – Übernahme der aus diesem Mechanismus herrührenden Lasten zumutbar. Im Ergebnis nämlich sitzen Verkäufer und Käufer aus investitionsökonomischer Sicht zwar an verschiedenden Enden, aber doch im selben Boot: Wie in Abb. 2 Reputationsaufbau und Reputationsprämien897 gesehen, investiert der Verkäufer in seine Reputation, die Vertrauenswürdigkeit kommuniziert, und so den Käufer unter den hier als ursächlich für das häufige Auseinanderlaufen von positivem und negativem Interesse extrapolierten Marktbedingungen zu Transaktionen mit ihm veranlasst. Dies ermöglicht ihm grundsätzlich die Kompensation seiner Investitionen in den Reputationsaufbau. Ein Vergleich der Kompensationskurve in Abb. 2 mit der Schadens- und Kompensationskurve des negativen Interesses in Abb. 7898 lässt jedoch unschwer erkennen, dass sich beide Kurven in ihrem Verlauf gleichen, die Reputationskurve des Verkäufers lediglich transaktionsübergreifend und so auf einen längeren Zeitlauf angelegt ist, während die Kompensationskurve des negativen Interesses lediglich die konkrete Transaktion betrachtet. Der Mechanismus hingegen ist derselbe: Der Käufer investiert in die Transaktion. Enttäuscht der Verkäufer das hierdurch in ihn gesetzte Vertrauen, verstrickt sich der Käufer also in einen nicht präferenzgerechten Vertrag, würde hieraus in vollständig kompetitiven Märkten ein Schaden nicht erwachsen, da der Käufer seine Investiti892
Vgl. dazu noch einmal die ausführliche Darstellung der Theorie von Coase, Transaktionskosten, unter oben 1. Kap. § 2 B) I.3. 893 Vgl. bereits oben zu den ökonomischen Grundlagen des Vertrauens als Substitut vollständiger Information 1. Kap. § 2 A) II.1 b). 894 So auch Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1462: „Instead of aiming for completeness, we will focus on incentives to perform contracts, to take precautions against breach, and to rely on contracts.“. 895 Zu den Grundlagen der Informationsökonomik, die intransparente Märkte einerseits und die Notwendigkeit des Einsatzes von Transaktionskosten zur Minderung von Informationsdefiziten andererseits ihrem Modell zugrunde legt, vgl. oben 1. Kap. § 2 B) I.4. 896 Zu der Funktionsweise der Preisbildung in Abhängigkeit von Grenzkosten der Produktion und der Nachfrage vgl. oben Abb. 5 Tauschoptimum unter 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). 897 Oben 1. Kap. § 2 B) II.4 c) bb). 898 Oben 1. Kap. § 2 C) II.2 a).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
onen regelmäßig anderweitig und ohne neuerlich Transaktionskosten aufwenden zu müssen, ihrem ursprünglichen Nutzen zuführen könnte. Da Märkte aber nicht vollständig transparent sind und vollkommene Information ohne prohibitiv hohe Transaktionskosten nicht zu erreichen ist, bleibt das negative Interesse hinter dem positiven tatsächlich zurück. Das Risiko des Käufers hätte sich realisiert, während der identische und auf denselben Charakteristika des Marktes gründende Kompensationsmechanismus des Verkäufers einstweilen899 funktioniert hätte. Dies führt zu einer inkongruenten Verteilung in ihrer Verursachung identisch angelegter Risiken, die durch institutionellen Eingriff zu nivellieren ist. Soweit nämlich das negative Interesse hinter dem positiven Interesse nur deshalb zurückbleibt, weil dies strukturell in ökonomisch nicht – jedenfalls nicht mit zumutbarem oder zu rechtfertigendem Aufwand – vermeidbaren Informationsdefiziten angelegt ist, diese Informationsdefizite aber in berechtigtem Vertrauen bewusst – auch von der Rechtsordnung – in Kauf genommen werden, ist diesem externen Effekt richtigerweise durch ein egalisierendes Eingreifen rechtlicher und rechtsökonomisch ausgerichteter Institutionen zu begegnen und so der Idealzustand eines Transaktionsrahmens mit vollständiger Konkurrenz und einer weitgehenden Entsprechung von positivem und negativem Interesse in ihrer jeweiligen Kompensationswirkung900 zu modellieren.901 Mit anderen Worten: Wenn und soweit sich in Märkten mit vollständiger Konkurrenz positives und negatives Interesse gleichen, dann müssen Markttransparenz- und Konkurrenzprobleme, die sich in Informationsasymmetrien, Desinformation und Verstrickung manifestieren, dadurch kompensiert werden, dass das 899 Für die Frage der Nachhaltigkeit des Funktionierens dieses Kompensationsmechanismus für den Verkäufer kommt es im Wesentlichen auf die Informationsdurchlässigkeit des Marktes an, da diese für die Geschwindigkeit des Reputationsabbaus maßgeblich ist, vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) II.4 c) bb). 900 Klarzustellen ist hierbei, dass dies nicht zwingend bedeutet, dass das negative immer dem positiven Interesse gleichzustellen ist. Der dogmatische Ausgangspunkt, dass das negative Interesse den Vertrauensschaden und das positive den Erfüllungsschaden ersetzt, bleibt erhalten. Wenn aber der Vertrauensschaden allein aus marktstrukturell veranlassten Informationsdefiziten und einer daraus herrührenden Verstrickung folgt, das positive Interesse darüber hinaus nicht ersatzfähig ist oder der Verstrickte ein positives Interesse aus persönlichen Präferenzen unter den tatsächlichen Umständen nicht verfolgen kann oder will, ist nach den hier dargestellten Überlegungen zur Vermeidung von Informationsdefiziten zu gewährleisten, dass solche – auf grundsätzlich rationalem Verhalten gründenden – Marktmechanismen nicht zu Kompensationsdefiziten führen. 901 Diese Ableitung entspricht dem Grundgedanken Posner’s, Economic Analysis of Law, von dem aus er seine ökonomische Analyse des Rechts aufbaut: Posner geht nämlich davon aus, dass die Struktur des Rechts keine Rolle spiele, wenn in vollständig transparenten Märkten mit vollkommener Konkurrenz die Transaktionskosten null seien, da ökonomische Effizienz durch Platzierung der wohlfahrtssteigerndsten Transaktionen dann immer erreicht werde. Wenn der Markt aber wegen hoher Transaktionskosten nicht zu effizienten Ergebnissen führe, sei das Recht so zu gestalten, dass die Transaktionskosten minimiert würden. Funktioniere der Markt dann immer noch nicht, sei das Recht so zu gestalten, dass es den Markt ,immitiere‘, vgl. mit dieser Zusammenfassung der Leitgedanken Posner’s Polinsky, Ökonomische Analyse als potentiell mangelhaftes Produkt, S. 121 und bereits oben § 2 B) I.3 a.E.
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negative Interesse tatsächlich dort positiviert wird, wo ein anderenfalls zu beobachtendes Auseinanderlaufen allein in Informationsasymmetrien und intransparenten Märkten begründet wäre. Institutionenökonomisch ausgedrückt, wird hierdurch mithilfe der rechtlichen Institutionen und staatlicher Sanktion die soziale Institution des Vertrages gestärkt, deren Ziel es ist, Nutzengewinne durch Austausch und allokationseffizienteste Güterzuordnung herzustellen.902 Das Vertrauen in den Vertrag und den Vertragspartner, das wesentliches Moment der Vertragsanbahnung und des Vertragsschlusses ist, dient nicht zuletzt dazu, incentives für eine nutzensteigernde Investition in die erwartete Vertragserfüllung zu setzen und dadurch den durch den Vertrag zu erzielenden Mehrwert insgesamt zu erhöhen.903 Wenn und soweit für den institutionellen Ersatz des Erfüllungsschadens spricht, dass hierdurch der Vertragswert vollständig internalisiert und so ein richtiger Anreiz zugunsten der Vertragserfüllung gesetzt wird,904 muss dasselbe grundsätzlich aber auch für einen parallelen Ersatz des Vertrauensschadens gelten. Denn zwischen beiden Schadenskategorien besteht eine Wechselwirkung. Während zwar grundsätzlich der Ersatz des Erfüllungsschadens von der zeitlichen Warte des Vertragsbruchs aus betrachtet zukunfts- und der des Vertrauensschadens vergangenheitsbezogen ist, so steht dennoch fest, dass auch dem Vertrauensschaden ein zukunftsgerichtetes Element innewohnt, nämlich soweit berücksichtigt wird, dass die Möglichkeit der Steigerung des Vertragswertes durch Vertrauensaufwand bereits die Zahlungsbereitschaft des Käufers beeinflusst und insoweit Einzug in die Vertragswertbemessung und die Kooperationsvereinbarung gehalten hat.905 Dann ist es nur richtig, auch diesen Vertrauensaufwand dadurch innerhalb der Transaktionsbeziehung zu internalisieren, dass das negative Interesse in Verstrickungsfällen weitgehend positiviert und dadurch dessen Kompensation auf vergleichbarem Wege institutionalisiert wird. Die bislang praktisch gewordenen Versuche in der Jurisprudenz, diesem Ziel vor allem durch die Institutionalisierung der Rentabilitätstheorie906 Geltung zu verschaffen, die zuletzt ein in der Rechtspraxis handhabbares Instrumentarium geliefert und dadurch zu einer gesteigerten Vorhersehbarkeit von Entscheidungen beigetragen hat, haben daher durchaus eine ökonomisch gewichtige Berechtigung, die sich auch im Anwendungsbereich des § 284 BGB907 fortsetzen lassen wird. 902 So Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1463 f.: „These ideas can also be expressed in institutional terms. The purpose of the social institution of bargain is to create joint value through exchange. In recognition of the desirability of creating value in this manner, the legal institution of contract supports the social institution of the bargain with official sanctions. It is rational to design the legal sanctions so that the joint value from exchange is maximized. This goal is achieved by protecting the expectation interest.“. 903 Dazu bereits oben 1. Kap. § 2 A) II.1 c). 904 So zutreffend Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1463. 905 Dazu bereits oben 1. Kap. § 2 C) II.2 dd). 906 Oben Einl. § 3 c) III.2 a) cc). 907 Zu den im Zusammenhang mit § 284 BGB noch immer unzureichend gelösten Fragestellungen bereits oben Einl. § 3 III.2 b).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
II.3 Ersatz für Nichtvermögensschäden a) Bisherige ökonomische Erklärungsversuche In dogmatischer Nähe zur Rentabilitätstheorie wurde in der Rechtsprechung außerdem die Kommerzialisierungsthese bzw. Frustrationslehre908 entwickelt, die dem Ausgleich mehr oder minder ideeller, zumindest rechnerisch kaum darstellbarer Schäden dient. Ihren Ausgangspunkt nimmt die Rechtsprechung zur Kommerzialisierungsthese in § 253 BGB a.F., der den Ersatz von Nichtvermögensschäden ausschloss. Der BGH suchte diese Restriktion in ihm billig erscheinenden Fällen jedoch mit der Erwägung zu umgehen, dass bei einem der kommerziellen Nutzung zugänglichen Wirtschaftsgut der eigenwirtschaftlichen Nutzung ein der erwerbswirtschaftlichen entsprechender Wert beigemessen werden müsse, was die Ersatzfähigkeit auch entgangener Nutzungsmöglichkeiten im nicht erwerbswirtschaftlichen Bereich rechtfertige,909 wenn und soweit es sich um ein Wirtschaftsgut handele, auf dessen ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen sei.910 Eine konstante Entwicklung hat diese Rechtsprechung jedoch nicht genommen,911 was zu wenig vorhersagbaren Entscheidungen geführt hat. Der Grundgedanke des § 253 BGB a.F. ist rechtsökonomisch, obwohl die Wirtschaftswissenschaft – bekanntermaßen – keinen Unterschied zwischen monetären und nichtmonetären Schäden macht, mit der Überlegung gerechtfertigt worden, dass es sich bei dieser Vorschrift um ein ökonomisch probates Mittel handele, einen zur Erhöhung des Sorgfaltsniveaus gebotenen Selbstbehalt des Geschädigten festzuschreiben. Da Haftungsregeln stets auch die Wirkung einer Versicherung hätten, sei ein solcher schadensrechtlicher Selbstbehalt infolge der fehlenden Beobachtbarkeit eigener Schadensvorkehrungen des Geschädigten912 im Rechtssystem bei jeder Haftung zur richtigen Prävention erforderlich.913 Der Vorteil eines solchen Verständnisses vom Ausschluss der Ersatzfähigkeit von Nichtvermögensschäden nach § 253 BGB a.F. liege darüber hinaus darin, dass hierdurch zugleich Bemessungsfragen und -risiken der anderenfalls erforderlichen subjektiven Nutzenwertbestimmung des Nichtvermögensschadens umgangen würden.914 908
Oben Einl. § 3 c) III.2 a) bb). BGHZ 98, 212, 219 ff. 910 BGHZ 98, 212, 222. 911 Nochmals oben Einl. § 3 c) III.2 a) bb). 912 Diese fehlende Beobachtbarkeit soll Grund dafür sein, dass § 254 BGB allein nicht ausreicht, die vollständige Versicherungsfunktion von Haftungsregeln zu nivellieren. 913 Adams, Nichtvermögensschäden, S. 215. 914 So ebenfalls Adams, Nichtvermögensschäden, S. 213 ff., mit kritischer Stellungnahme v. Randow, Kommentar zu Adams, S. 218 ff. Adams erkennt in seiner Rechtfertigung des § 253 BGB a.F. die Ersatzfähigkeit auch immaterieller Schäden grundsätzlich an, hält diese jedoch – wie angedeutet – in Anlehnung an versicherungsökonomische Überlegungen für das richtige Maß eines Selbstbehalts, durch das ein angemessenes Vorsorgeniveau aufseiten der potentiell Geschädigten sichergestellt wer909
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Unabhängig von der Zusammenführung der bisher überwiegend deliktischen Anspruchsgrundlagen, die entgegen diesen ökonomischen Überlegungen auf einen Schadensersatz auch für Nichtvermögensschäden gerichtet waren, in der geltenden Fassung des § 253 Abs. 2 BGB und der damit einhergehenden Ausdehnung des Ersatzanspruchs auf alle Tatbestände auch der Gefährdungs- und der vertraglichen, einschließlich der Gehilfenhaftung,915 ist fraglich, inwieweit die in der rechtsökonomischen Literatur angebotene Rechtfertigung des Ausschlusses von Nichtvermögensschäden tatsächlich durchgreift, der BGH mit seiner zunehmenen Institutionalisierung der Kommerzialisierungsthese und Frustrationstheorie also ökonomisch bedachte, jedenfalls bedenkenswerte gesetzliche Restriktionen deshalb unterlaufen hätte. Zuzugeben ist dem Ansatz Adams’, dass einer Vollversicherung gleiche Haftungsregeln potentiell geeignet sind, aufseiten der möglichen Schädigungsopfer ein nachlassendes Sorgfalts- und Präventionsniveau und aufseiten der potentiellen Schädiger überkompensatorischen und damit ineffizienten Vorsorgeaufwand zu provozieren.916 Zu bedenken ist demgegenüber jedoch, dass in einer Vielzahl denkbarer Fälle917 der Nichtvermögensschaden den wesentlichen, wenn nicht gar den ganzen Schaden ausmacht, die vorgeschlagene institutionalisierte Lösung über einen Selbstbehalt damit den Geschädigten deutlich überfordern würde.918 Ähnlich wäre dies in Fällen, in denen ein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten nicht feststellbar ist, etwa weil ein zu nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken gekauftes Gut infolge Irreführung oder jedenfalls infolge unsachgemäßer Information durch den aufklärungsverpflichteten Verkäufer für den Käufer überhaupt nicht verwendbar ist. Darüber hinaus ist im Zusammenhang mit der Steuerung des Präventionsniveaus durch Blick auf den Umfang der im Schadensfall gewährten Kompensation eine Parallele zu der früheren Diskussion um die deliktische Gesellschafterhaftung im Personengesellschaftsrecht erkennbar und jedenfalls ihrem Ansatz nach fruchtbar zu machen: Noch unter Geltung der sogenannten Doppelverpflichtungslehre den915könne. Auch soweit dies mit den Argumenten v. Randow’s berechtigterweise in Zweifel gezogen wird, stellt Adams seinen Überlegungen jedenfalls die zutreffende Annahme voran, dass im Bereich des Schadensersatzrechts aus ökonomischer Sicht jeder Rückgriff auf das Verursachungsprinzip nicht mehr als leere Worthülsen darstellt, da stets die Handlungen beider Beteiligten bei der Schadensentstehung mitwirken. Eine trotz der Symmetrie der Verursachung einer Seite zugewiesene Verursacherhaftung stellt dann jedoch eine nicht offen begründete Entscheidung über den relativen Wert der einander störenden Handlungen dar. Diesen Ansatz hat bereits Coase, Soziale Kosten, S. 148, mit seiner bestechend einfachen Darstellung der Schadensentstehung und -zuweisung als reziprokem Problem vertreten. 915 Vgl. z.B. Oetker, in: MünchKomm-BGB, § 253 Rz. 2. 916 Vgl. hierzu nochmals Adams, Nichtvermögensschäden, S. 213 ff., der hierin einen wesentlichen Grund für das Erfordernis eines „ständigen Selbstbehalts“ sieht. 917 Beispielhaft genannt werden hier häufig die Fälle seelischer Schäden Angehöriger bei der Verletzung oder Tötung nahestehender Dritter oder auch die Zerstörung von Gegenständen, die ausschließlich mit Affektionsinteressen verbunden sind. 918 So insbesondere v. Randow, Kommentar zu Adams, S. 218 ff.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts hat die im Schrifttum absolut herrschende Ansicht919 und hat auch der BGH920 eine Ausdehnung der in analoger Anwendung des § 31 BGB auf die Gesellschaft übergeleiteten Haftung für das Delikt eines Gesellschafters auf die übrigen, nicht deliktisch handelnden Gesellschafter abgelehnt. Tragendes Argument hierfür war die dogmatische Einordnung des § 31 BGB nicht als Norm zur gesellschaftsrechtlichen Sozialisierung deliktischer Ansprüche, sondern als Norm lediglich zur Begründung einer kummulativen Haftung einer bestimmten Vermögensmasse, zu welcher der Deliktstäter in einer besonderen, nämlich der Organbeziehung steht. Eine Haftung der Mitgesellschafter mit ihrem Privatvermögen gibt die Norm aber gerade nicht her, weil sie nicht das fremde Delikt einem Dritten zurechnet.921 Da diese Auffassung von dem Fundament der – inzwischen überholten922 – Doppelverpflichtungslehre getragen ist, liegt ihr gleichzeitig der Gedanke zugrunde, dass eine Ausdehnung der Haftung auf die Privatvermögen der nicht deliktisch handelnden Mitgesellschafter auch nicht von einem gesellschaftsrechtlich typisierten Vertrauen in die Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen der hinter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts stehenden Gesellschafter beeinflusst sein kann. Ein solches Vertrauen ist im Bereich deliktischer Ansprüche kaum denkbar, jedenfalls aber nicht schutzwürdig. Der Geschädigte nämlich wird sich in aller Regel nicht allein im Vertrauen auf eine infolge Vermögensdurchgriffs mögliche vollständige Kompensation bewusst schädigen lassen. Nicht zuletzt bereits deshalb nicht, weil die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Auseinandersetzung mit dem Anspruchsgegner mit erneuten und zum Teil erheblichen Transaktionskosten verbunden ist. Obgleich weiter oben bereits davon die Rede war, dass der rationalen Aufgabe eigenen Involvements bei der Vertragsanbahnung, von welcher aus die Verstrickung ihren Anfang nimmt, neben einem Vertrauen in den Anbieter und die von diesem zu erlangende Information auch ein Vertrauen in die zur Kompensation eines Vertrauensbruchs bestehenden Institutionen die Rede war,923 woran auch festzuhalten ist, trägt der Gedanke eines fehlenden, jedenfalls aber nicht schutzwürdigen Vertrauens in die Kompensationsmöglichkeiten bei der Inkaufnahme bewusster Schädigungen doch zur weiteren Lösung bei: Zunächst dürfte außer Streit stehen, dass ein solches Vertrauen keinesfalls schützenwert ist, wenn die Verstrickung sehenden Auges hingenommen wird, der Abnehmer also schon bei Vertragsschluss nicht nur 919 Im Schrifttum ist überwiegend für die entsprechende Anwendbarkeit des § 31 BGB auch auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts eingetreten worden, wurde jedoch eine Haftung des selbst nicht deliktisch handelnden Mitgesellschafters aus analoger Anwendung der §§ 31 BGB, 128 HGB überwiegend abgelehnt, vgl. statt vieler Altmeppen, NJW 1996, 1017, 1026. 920 Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung BGHZ 45, 311 die entsprechende Anwendbarkeit des § 31 BGB auf die GbR abgelehnt, was im Schrifttum überwiegend auf Kritik gestoßen ist. Zustimmung hat jedoch die Ablehnung der Mithaftung der nicht deliktisch handelnden Gesellschafter gefunden. 921 Vgl. nochmals Altmeppen, NJW 1996, 1017, 1023 ff. 922 Grundlegend BGHZ 146, 341; vgl. im Übrigen statt vieler Sprau, in: Palandt, § 714 Rz. 12. 923 Vgl. u.a. oben 1. Kap. § 2 A) II.1 c).
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erkennt, dass Informationsdefizite bestehen, die durch das entgegengebrachte Vertrauen substituiert werden,924 sondern er vielmehr bereits bei Vertragsschluss erkennt, dass die tatsächlichen sozialökonomischen Umweltbedingungen von den vertraglich vorausgesetzten abweichen, sich die Ist- also von der Soll-Situation entfernt, er sich aber dennoch auf diesen Vertrag einlässt.925 Dann nämlich wären regelmäßig keine besonderen Transaktionskosten, im Interesse deren Einsparung die Rationalität des Vertrauens erst begründet wurde, nötig, die aus der Verstrickung resultierende Schädigung zu vermeiden.926 Im Falle der Verstrickung durch Desinformation sind jedoch nicht die den deliktischen Fällen vergleichbaren Situationen an der Tagesordnung, in welchen der potentiell Geschädigte die Schädigung selbst sehenden Auges in Kauf nimmt, sondern geht es zuförderst um die Verteilung von Informationslasten. Der Mehrwert, den die Betrachtung der hier vergleichsweise herangezogenen Fälle eines nicht schutzwürdigen Vertrauens bei gleichsam bedingt vorsätzlicher Inkaufnahme des Schadens bei der Auflösung von – typischen – Verstrickungslagen liefern kann, liegt denn auch nicht in den Gemeinsamkeiten der Fallgestaltungen, sondern in deren Unterschieden begründet, nämlich in dem unterschiedlichen Fokus des Vertrauens: In den hier erörterten Verstrickungsfällen kommuniziert der Anbieter Vertrauenswürdigkeit, die der Abnehmer durch den Vertragsschluss und ein transaktionsbezogenes abstraktes und gegebenenfalls auch konkretes Vertrauen honoriert. Das erkannte Risikopotential wird hierbei durch die Verhandlungen über die wechselseitige Zahlungsbereitschaft und die hierbei berücksichtigten Risiko- und Opportunitätsprämien internalisiert. Der Abnehmer vertraut des Weiteren zu Recht darauf, dass dieses aus der Transaktionsbeziehung geborene, also relationale Vertrauen institutionell flankiert wird. Durch einen solchen institutionellen Vertrauensschutz entstehen für den Vertrauensnehmer Kompensationsrisiken für den Fall eines von ihm ausgehenden Vertrauensbruchs, die zugleich der Möglichkeit, Opportunismusprämien abzuschöpfen, entgegenwirken. Nicht zuletzt hierdurch wird die Effizienz des Vertrauens noch einmal gesteigert. Das Vertrauen in Institutionen, welches die Inanspruchnahme des vom Anbieter kommunizierten und angebotenen 924
Die Inkaufnahme von Informationsdefiziten allein ist keinesfalls vorwerfbar, da sie regelmäßig rationalen Verhaltensmustern folgt, wenn man nämlich davon ausgeht, dass Akteure beschränkt rational handeln und ihren Aktionsradius im Wesentlichen dadurch erweitern, dass sie an Stelle von Wissen dem Transaktionspartner Vertrauen entgegenbringen, vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 A) II.1 b) und c) sowie 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb). 925 Dies schließt nochmals an die von Rothoeft, Risikozuweisung, S. 230, 239 f., vertretene Auffassung an, wonach die Lasten einer Sachverhaltsveränderung grundsätzlich von demjenigen zu tragen sind, der sie erkannt hatte oder jedenfalls hätte erkennen müssen. 926 Eine Entscheidung darüber, ob und inwieweit der Abnehmer, der die tatsächlich abweichende Ist-Situation ,rechtzeitig‘ erkannt hat und deshalb von dem Vertrag Abstand nimmt, Ersatz für Aufwand verlangen kann, den er bis zu diesem Zeitpunkt im Vertrauen bereits auf den Vertragsschluss getätigt hat, ist hiermit nicht verbunden. Hierfür gelten ökonomisch die selben Grundsätze, wie für das Vertrauen in die Vertragserfüllung. Juristisch sind solche Fälle gegebenenfalls über §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB (c.i.c.) zu lösen.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Vertrauens (invitatio ad credendum) flankiert, ist daher bis hierher zu Recht als rational bezeichnet worden und auch vor dem Hintergrund der soeben geschilderten Fälle schutzwürdig. Demgegenüber ist ein allein auf den institutionellen Schutz fokussiertes Vertrauen, wie es den Vergleichsfällen zugrunde liegt, nicht schutzwürdig. Solches Vertrauen ist nicht relational und gründet daher nicht in der vom Vertrauensnehmer kommunizierten Vertrauenswürdigkeit, in dessen Reputation und in der Absicht, Transaktionskosten zu verringern. Geschützt wird nämlich nicht die Kompensation um ihrer Selbstzweck Willen, geschützt wird ein marktwirtschaftlich vernünftiges und deshalb anerkennenswertes Vertrauen in – jedenfalls – bipolaren Transaktionsbeziehungen. Wo ein solches nicht erkennbar ist, gibt es auch keinen institutionellen Vertrauensschutz. Wenn aber die Ersatzfähigkeit auch ideeler Schäden nur dann gewährleistet ist, wenn der Schaden gerade nicht sehenden Auges in Kauf genommen wurde, kann die beabsichtigte Steuerung des Präventionsniveaus nach alledem nicht, jedenfalls nicht als tragendes ökonomisches Argument für den im Allgemeinen fehlenden Ersatz von Nichtvermögensschäden herangezogen werden. Der Rechtsprechung des BGH auf dem Weg der zunehmenden Institutionalisierung der Kommerzialisierungsthese bzw. der Frustrationstheorie stehen die maßgeblich von Adams927 vorgetragenen Argumente daher nicht entgegen. b) Kommerzialisierung als impliziter Bestandteil der Kooperationsvereinbarung Wenn die bisher angebotenen ökonomischen Erklärungsansätze für den regelmäßigen Ausschluss des Ersatzes von Nichtvermögensschäden diesen gerade nicht tragen, als Erklärungsversuch dann aber nur die Schwierigkeiten der Bemessung und Judizierung subjektiv dem ideellen Vermögensgut beigemessener Werte bleiben, liegt ein alternativer Lösungsansatz auf der Hand: Im Zusammenhang mit der – ausführlich vorgeschalteten – Erörterung der ökonomischen Berechtigung eines effizienten Vertragsbruchs928 war gerade wegen dieser Bewertungs- und Bemessungsprobleme von einer nutzenorientierten Betrachtung abgerückt und ein Modell vertrauens- und informationsökonomischer Vertragsinterpretation929 entwickelt worden. Hier schließt sich der Kreis. Auch für die Frage, inwieweit Nichtvermögensschäden ersatzfähig sind, ist auf die in die Verhandlungsbeziehung eingeflossene Zahlungsbereitschaft der Parteien und die maßgeblich hiermit in Zusammenhang stehenden ausdrücklichen, konkludenten sowie impliziten vertraglichen Absprachen, außerdem auf das hierauf zurückgehende abstrakte und konkrete Vertrauen der Parteien abzustellen, wie es im Vertrag eine Andeutung gefunden hat.
927 928 929
Adams, Nichtvermögensschäden, S. 213 ff. Oben 1. Kap. § 2 C) I. Vgl. insbesondere 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5) mit Abb. 6.
§ 2 Grundlagen einer integrativen Rechtsökonomik und ihre Ableitungen
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Die Kommerzialisierung eines ideellen Vermögenswertes wird damit zu einer jedenfalls impliziten Kooperationsabsprache und zum Bestandteil der Kooperationsvereinbarung in ihrer Gesamtheit. Der BGH stellt für die Kommerzialisierung eines nicht erwerbswirtschaftlich genutzten Wirtschaftsguts darauf ab, dass es sich um Wirtschaftsgüter handeln müsse, auf „deren ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist“.930 Die Betonung liegt hier auf dem Wort „typischerweise“, wie die weitere Bezugnahme des Großen Senats in der hier angesprochenen Entscheidung auf die ,Verkehrsanschauung‘931 belegt. Soweit aber nur ideelle Vermögenswerte, einschließlich entgangener Nutzungsvorteile932 als ersatzfähig angesehen werden, die typischerweise in die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung einbezogen werden, ist das Risikopotential für den potentiell ersatzpflichtigen Vertrauensnehmer ohne Weiteres absehbar und kalkulierbar, wenn und soweit der Transaktionsgegenstand in Bezug auf die betroffenen ideellen Wirtschaftsgüter erkennbar, jedenfalls aber nicht ausschließbar gefahrgeneigt ist. Solche typischen Kommerzialisierungsschäden, wie sie vom Großen Senat z.B. in der Nutzung der privaten Wohnimmobilie oder des Pkw erkannt wurden, sind daher implizit in die ex ante Risikokalkulation der Parteien potentiell eingeflossen und haben die wechselseitige Zahlungsbereitschaft bestimmt. Die Ersatzfähigkeit solcher Schäden ist deshalb grundsätzlich von dem abstrakten Vertrauen des Vertrauensgebers getragen. Will sich der Vertrauensnehmer hiervon lossagen, bedarf es insoweit einer ausdrücklichen Kooperationsabsprache, durch welche die Zahlungsbereitschaft des Vertrauensgebers in Anbetracht der hiermit verbundenen Einschränkung seines abstrakten Vertrauens reduziert werden wird, was der Vertrauensnehmer hinzunehmen bereit sein muss. Umgekehrt erfasst das abstrakte Vertrauen des Vertrauensgebers nicht auch Umstände, die außerhalb typischer Geschehensabläufe, außerhalb typischer und deshalb in der ex ante Risikokalkulation zu berücksichtigenden sozial-ökonomischen Rahmen- und Lebensbedingungen liegen oder keine Beziehung zum Transaktionsgegenstand aufweisen. Will der Vertrauensgeber solche Umstände in den Schutzbereich der Kooperationsvereinbarung einbezogen wissen, bedarf es eines konkreten Vertrauens, das nur durch konkrete Kooperationsabsprachen einbezogen werden kann. Soweit es hieran fehlt, bleibt die Ersatzfähigkeit ausgeschlossen. Als Beispiel mag hier abermals die für den Fall Jacob & Youngs vs. Kent933 angebotene Lösung 930
BGHZ 98, 212, 222. BGHZ 98, 212, 223. 932 Durch den Ersatz von frustrierten Aufwendungen für den Entgang erkaufter Nutzungen verschwimmt die Grenze zwischen der Kommerzialisierungsthese und der Frustrationstheorie, vgl. Meder, Schadensersatz als Enttäuschungsverarbeitung, S. 41 ff., 52, wobei ökonomisch ein Unterschied zwischen Nutzungen im rechtlichen Sinne und Genussvorteilen nicht zu machen ist, da es insgesamt um den Entfall ökonomischen Nutzens handelt, vgl. zum Nutzenbegriff noch einmal Varian, Mikroökonomik, S. 52 f. 933 230 N.Y. 239, 129 N.E. 889, American Law Reports, Vol. XXIII (1923), S. 1429; ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (2). 931
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
dienen: Der immaterielle Schaden von Kent aus der Verwendung qualitativ gleichwertiger aber anderer, als der von ihm geforderten Rohre wäre, da außerhalb typischer und vorhersehbarer Geschehensabläufe von seinem abstrakten Vertrauen nicht gedeckt gewesen und deshalb nicht ersatzfähig, hätte er nicht auf einer besonderen Vereinbarung bestanden und hierdurch eine konkrete Vertrauensbeziehung entstehen lassen. Als Folge hieraus ist auch der ihm entstandene immaterielle Schaden, soweit möglich, in Form der Naturalrestitution zu ersetzen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass sich die Rechtsprechung des Großen Senats des BGH934 auf Basis des hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells935 weitgehend erklären lässt, dass also der ohne Feststellung besonderer vertraglicher Absprachen auf das abstrakte Vertrauen beschränkte Ersatz von Nichtvermögensschäden durchaus auf eine ökonomische Berechtigung zurückgreifen kann. II.4 Vermögensschäden, Nichtvermögensschäden und sunk costs Soweit die Positivierung des negativen Interesses und die ökonomischen Rahmenbedingungen des Ersatzes von Nichtvermögensschäden nachgezeichnet sind und festgestellt wurde, dass sich die für beides mit der Zeit gefestigte Rechtsprechung auch rechts-ökonomisch rechtfertigen lässt, bleibt letzthin für die Kompensationsfolgenbetrachtung bei einer Verstrickung durch Desinformation lediglich noch die Frage nach der Abgrenzung zwischen spezifischen Kapital des Vertrauensgebers in Form von Vertrauens- und Vertrauensfolgeinvestitionen auf der einen und sunk costs auf der anderen Seite zu beantworten. Zur Erinnerung: Voraussetzung für die Vornahme dieser Abgrenzung war die Untersuchung der Reichweite von Kompensationsansprüchen nach einer Verstrickung durch Desinformation, da diese für die Bemessung der ex ante zu kalkulierenden Risikoprämien von entscheidender Bedeutung ist.936 Es war jedoch ebenso herausgestellt worden, dass der Vertrauensgeber dem Vertrauensnehmer durch die Vertrauensentscheidung Ressourcen in Form des Anvertrauten überträgt und damit eine – zunächst grundsätzlich – riskante Vorleistung erbringt.937 Darüber hinaus soll der Vertrauensgeber veranlasst werden, auch in die „Peripherie des Vertrages“ zu investieren, um den aus der vertraglichen Leistung zu realisierenden Gesamtnutzen zu steigern. Hierdurch entstehen für den Vertrauensgeber, der sich an das Geschäft, das Äquivalent des geworbenen Vertrauens geworden ist,938 und an den Vertrauensnehmer bindet, lock in-Positionen.939 Aufseiten des Vertrauensge934
BGHZ 98, 212. Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5) mit Abb. 6. 936 Vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 d). 937 Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 130. 938 Es zeigt sich abermals, dass das Vertrauen Substitut der nicht mehr eingeholten Information ist und dadurch eine „Risikogemeinschaft“ der Parteien entsteht. 939 Vgl. bereits wie oben Williamson, Institutionen, S. 60 ff., 61. 935
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bers entsteht (transaktions)spezifisches Kapital,940 wie ebenfalls herausgestellt,941 mit nicht zu unterschätzendem Einfluss auf das Abwicklungsverhalten bei Vertragsstörungen. Die Beantwortung der Frage folgt auch hier aus der vertraglichen Risikoverteilung, wie sich der Kooperationsvereinbarung entnehmen lässt und damit aus den bereits gefundenen Ergebnissen. In der Fragestellung war aufgeworfen worden, ob die Lösung der ,vermögensrechtlichen Dimension‘ einer Verstrickung durch Desinformation entnommen werden könne.942 Anlass hierfür war die Überlegung, dass die risikoangemessene Realisation von Risiko- und Opportunitätsprämien möglich bleiben müsse, ohne zugleich Opportunismusgefahren zu eröffnen und nutzensteigernde Investitionen des Vertrauensgebers zu vereiteln. Später wurde jedoch offenbar,943 dass sich die vermögensrechtliche Dimension der Verstrickung vorrangig in der Zahlungsbereitschaft der Parteien ausdrückt, wie sie als ausdrücklicher, konkludenter oder impliziter Bestandteil Einzug in die Kooperationsvereinbarung gehalten hat. Der Grund hierfür lag nicht zuletzt in erheblichen Bemessungsproblemen, die eine rein vermögensrechtliche Anknüpfung mit sich brächte und eine Vielzahl von Fällen kaum mehr justitiabel machte. Opportunismusgefahren können aus einer Investition des Vertrauensgebers grundsätzlich nur dann entstehen, wenn der Vertrauensnehmer jedenfalls die Investitionsbereitschaft des Vertrauensgebers und dessen faktische Bindung an den Vertrag kennt. Soweit die Investitionsbereitschaft aber bekannt ist oder unter Zuhilfenahme eines Rückgriffs auf typische sozial-ökonomische Umweltbedingungen bekannt sein muss, ist indiziert, dass solche Investitionen auch Einzug in die Kooperationsvereinbarung und in die Bemessung der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft gehalten haben. In diesem Fall sind die Investitionen dann aber geschützt. Im Fokus des Schutzes spezifischen Kapitals steht deshalb abermals die Erkennbarkeit der Faktorspezifizität einer Investition, aber auch der Fokus der Investition selbst. Zwei Beispielsfälle mögen dies verdeutlichen: Beispiel 1: A ist Autohändler, der mit hochpreisigen Gebrauchtwagen handelt. Einer Internet-Annonce entnimmt er ein für ihn interessantes Angebot und setzt sich mit dem Verkäufer (V) in Verbindung. Telefonisch wird abgestimmt, dass A mit dem Zug anreist, das Auto in Augenschein nimmt und bei Handelseinigkeit gegen Anzahlung sofort mitnimmt. Die Restzahlung solle dann im Austausch gegen den Fahrzeugbrief erfolgen. A wendet für das Zugticket 100 EUR auf. Bei Besichtigung des Fahrzeugs stellt er fest, dass V ihm verschwiegen hat, dass es sich um einen Unfallwagen handelt, der, wie V wusste, für A nicht 940 Vgl. an dieser Stelle zur Erinnerung noch einmal Schäfer, Schutznormen im Vertragsrecht, G.W.P. Law and Econ. 21 (2002), S. 16: „Die Existenz spezifischen Kapitals bzw. unplastischen Kapitals führt zu zwei bösartigen Problemen. Erstens der sog. lock-in-Position, in der der Eigentümer von spezifischem Kapital ausgebeutet werden kann, (…)“. 941 Nochmals 1. Kap. § 2 B) III.4 d). 942 Oben 1. Kap. § 2 B) III.4 d). 943 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4, dort insbesondere c) cc).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
in Betracht kommt. A reist deshalb unverrichteter Dinge wieder ab und verlangt die Kosten der Hin- und Rückfahrt von V ersetzt. Beispiel 2: Familie F sucht ein neues Familienwohnheim. In der Samstagszeitung entdecken sie ein interessant klingendes Angebot, setzten sich mit dem Makler in Verbindung, schildern ihre Wünsche und vereinbaren noch für den selben Tag einen Termin. Die Anfahrtszeit beträgt 3 Stunden. Bei Besichtigung des Objekts stellen F fest, dass der vom Makler beschriebene Garten in etwas zu schillernden Farben geschildert worden war und nicht den eigenen Vorstellungen entsprach. Unverrichteter Dinge reisen F ab und verlangen die Kosten der Anfahrt sowie die vertane Freizeit ersetzt.
In beiden Fällen ist der getätigte Aufwand an Zeit und Geld Bestandteil des negativen Interesses, im Beispiel 1 gegebenenfalls positiviert durch die Rentabilitätstheorie, da im erwerbswirtschaftlichen Bereich entstanden. In beiden Fällen hat sich der Aufwand infolge eines vorvertraglichen Informationsdefizits als nutzlos herausgestellt, weshalb Ersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) denkbar wären. Und doch wird man differenzieren müssen. Wie gesehen, resultiert das negative Interesse an der ordnungsmäßigen Vertragserfüllung ökonomisch aus vorvertraglichem Aufwand, der durch den später, nämlich mit der Vertragserfüllung eintretenden Nutzen kompensiert werden soll. Die aus dem Vertrag zu ziehende Nutzenrealisation ist Bestandteil der Bemessung dieses Eigenkompensationseffekts und deshalb mit ihrem Erwartungswert auch der Bemessung der Zahlungsbereitschaft ex ante.944 Umstände jedoch, die in die Bemessung der Zahlungsbereitschaft eingeflossen sind, sind richtigerweise auch bei der Bemessung des Schadens zu berücksichtigen, da durch das Maß der zwischen den Parteien im Rahmen ihrer Kooperationsvereinbarung festgelegten Zahlungsbereitschaft nicht nur eine Verteilung des Kooperationsgewinns, sondern auch eine Risikozuweisung vorgenommen wurde, die auch und gerade im Falle einer Vertragsstörung kraft der zugrunde liegenden parteiautonomen Vereinbarung verbindlich ist.945 Voraussetzung für die Differenzierung von Schadenspositionen nach sunk costs und kooperationsrelevanten Investitionen, die zu lock in-Effekten führen können, ist daher – ein weiteres Mal – die Lösung der Frage, inwieweit von einer Einbeziehung des vorvertraglichen Aufwandes in die Bemessung des die denkbaren Schadenspositionen eines negativen Interesses motivierenden Eigenkompensationseffekts ausgegangen werden kann und inwieweit dies für die andere Seite typischerweise erkennbar war.946 Soweit dies der Fall ist, sind die Aufwendungen bereits von 944
Vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) II.2 a) mit Abb. 7. Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc). 946 Mit einem Rekurs auf eine typisierte Erkennbarkeit üblicher und deshalb schutzwürdiger Investitionen wird zwar abermals auf einen unbestimmten Rechtsbegriff zurückgegriffen. Insbesondere die Rechtsprechung zur vertrauensbasierenden Entstehung von Aufklärungspflichten (vgl. die die Ausführungen und Rechtsprechungshinweise unter oben Einl. § 3 B) III.) hat jedoch gezeigt, dass eine 945
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dem abstrakten Vertrauen des betroffenen Vertragspartners geschützt; ist ein solches abstraktes Vertrauen bei marktüblicher und objektiver Betrachtung nicht feststellbar, wäre ein besonderer Hinweis des potentiell Geschädigten nötig, um das Interesse im Rahmen einer konkreten Vertrauensbeziehung zu schützen. Für die Beispielsfälle bedeutet dies, dass in Beispiel 1 kompensationsfähiger Aufwand wegen der von A aufgewendeten Kosten vorliegt. Autohändler A hat bei typisierter Betrachtung den Aufwand für die Abholung des Autos in seiner ex ante-Kalkulation der bei Vertragserfüllung möglichen Eigenkompensation berücksichtigt und sie in die Bemessung seiner maximalen Zahlungsbereitschaft einfließen lassen. Auf diese Weise wurde ein möglicher Kooperationsgewinn avisiert, der beiden Parteien Nutzensteigerungen gewährleistet und so eine effektive Ressourcenallokation herbeigeführt hätte. Durch die fehlende Information des V über den merkantilen Minderwert des Transaktionsgegenstandes ist die Bemessungsgrundlage für die Zahlungsbereitschaft des A gestört, was unmittelbar auch eine Störung des Kooperationsverhältnisses bewirkt.947 Dies war für V ohne Weiteres erkennbar, da merkantile Minderwerte bei Unfallfahrzeugen in der Kfz-Branche üblich sind. V hat daher den bei A eingetretenen Schaden aus der vergeblichen Anreise zu ersetzen. Folgende ökonomische Kontrollüberlegung an bisher bereits gefundenen Parametern für die Entstehung von Aufklärungspflichten bestätigt dieses Ergebnis: Bei der Information über den Unfallschaden des Transaktionsgegenstandes handelt es sich um eine unproduktive Information. Die Offenbarung solcher Informationen ist jedoch grundsätzlich geboten und deren Verwertung grundsätzlich nicht schutzwürdig, weshalb tendenziell bereits aus diesem Grunde von einer Informationsbeschaffungs- und nachfolgender Offenbarungspflicht des V auszugehen ist. Legt man weiter nicht allein die typisierte Informationsasymmetrie, sondern vielmehr auch die Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten948 als Kriterium zugrunde, ist V als cheapest cost avoider949 anzusehen, und auch von daher zur Aufklärung verpflichtet. Demgegenüber ist in Beispiel 2 bei der gebotenen objektiven Betrachtung nicht davon auszugehen, dass die Anfahrtskosten für eine Hausbesichtigung in die ex ante Kalkulation der Zahlungsbereitschaft einfließen. Auf der Suche nach einem Familienwohnheim sind üblicherweise eine Vielzahl, jedenfalls mehrere Hausbe947 solche Typisierung handhabbar und justitiabel ist, da Handels- und Marktbräuche einerseits ohne allzu großen Aufwand feststellbar sind und sich andererseits der Rechtsverkehr auf eine in dieser Weise institutionalisierte Rechtsprechung sehr schnell einstellen kann. Trotz der Verwendung solcherart unbestimmter Rechtsbegriffe verdient die Lösung daher den Vorzug gegenüber einer nur vordergründig mathematisierten Lösung auf Grundlage der Berechnung und des Ersatzes entgangener Nutzungen, die sich – wenn überhaupt – nur unter ganz besonderem Aufwand feststellen, bemessen und in Geldwert umrechnen lassen, dazu ebenfalls oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc). 947 In juristischer Terminologie und mit den Worten Rothoeft’s, Risikoverteilung, S. 230, 237 ff., liegt eine Störung des (vorvertraglichen) Äquivalenzverhältnisses vor, die zu Ausgleichsansprüchen führt. 948 Vgl. Kötz, Aufklärungspflichten, S 567, und ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) II.4 b) cc). 949 Zum ökonomischen Modell des cheapest cost avoider bereits oben 1. Kap. § 2 B) III.3 c) bb).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
sichtigungen nötig. Da bei normalem Lauf der Dinge nicht bei jedem dieser Besichtigungstermine damit gerechnet werden kann, dass er in einem Vertragsschluss mündet, weisen die Besichtigungskosten nicht den hinreichenden Zusammenhang zu der durch die kooperationsgerechte Vertragsabwicklung eintretende Eigenkompensation auf. Vielmehr sind die verschiedentlich notwendigen Besichtigungen von vorneherein bei der – immateriellen – Kompensation in Form der durch das neue Heim zu erlangenden Befriedigung regelmäßig ,eingepreist‘. Die subjektive Nutzenbewertung aus dem Halten und Haben des Wunschhauses kompensiert damit regelmäßig den vorangegangenen Besichtigungsaufwand nach der ex ante – Kalkulation. Für eine Ersatzfähigkeit im hier verstandenen Sinne fehlt es dann jedoch an dem nötigen Transaktionszusammenhang. Für den Verkäufer des letztlich ausgewählten Objekts sind nämlich weder die Anzahl noch die Rahmenbedingungen der vorhergegangenen Besichtigungen erkennbar, noch stehen diese in irgendeiner schützenswerten Beziehung zum später gegebenenfalls abgeschlossenen Vertrag. Eine abstrakte Vertrauensbeziehung, auf deren Grundlage der Besichtigungsaufwand als ein für die Zahlungsbereitschaft der Interessenten mitbestimmender Faktor implizit in die Kooperationsvereinbarung hätte einbezogen werden können, ist deshalb abzulehnen. Legt der Interessent Wert auf den Ersatz nutzlos gewordenen Besichtigungsaufwandes, muss er dies zum Gegenstand einer konkreten Vertrauensbeziehung machen und hierüber eine Kooperationsabsprache treffen, um dem Transaktionspartner eine Risikobewertung und risikoangemessene Reaktion zu ermöglichen. Ein kompensationsfähiger Aufwand ist in Beispiel 2 daher nicht entstanden.950
§ 3 Ergebnisse des 1. Kapitels A) Zusammenfassung der ökonomischen Grundlagen und Ableitungen Die Feststellung, dass eine konsistente Ordnung der rechtlich zur Wahl stehenden Institutionen im Zusammenhang mit der Abwehr und der Kompensation von desinformationsbedingten Verstrickungslagen bis heute nicht gefunden ist, es insbesondere an einer Abstimmung der verschiedenen Institutionen aufeinander und einer letztverbindlichen Klärung der Konkurrenzverhältnisse fehlt, hat in Anbetracht der Tatsache, dass Schätzungen zufolge das Volumen der jährlich in modernen Volkswirtschaften entstehenden Transaktionskosten rund 30% des 950 Erkennbar ist, dass der Unterschied zwischen beiden Fällen im Wesentlichen nicht darin besteht, dass Beispiel 1 einen Fall mit erwerbswirtschaftlichem Hintergrund und Beispiel 2 einen Fall im ideellen Bereich erfasst. Auch Beispiel 1 wäre z.B. anders zu entscheiden, wenn A nicht auf eine konkrete Annonce und nach Kontaktaufnahme zur Abholung des Fahrzeuges aufgebrochen wäre, sondern nach Ankündigung einer Auktion mit ,ausschließlich hochwertigen Fahrzeugen in gepflegtem Zustand‘ unverrichteter Dinge abreist, weil sich kein seinen Ansprüchen genügendes Fahrzeug unter den Angeboten fand.
§ 3 Ergebnisse des 1. Kapitels
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Bruttosozialprodukts ausmacht, dazu angehalten, die zu Gebote stehenden Möglichkeiten, rechtlich auf eine Verstrickung durch Desinformation zu reagieren, auch aus rechtsökonomischen Blickwinkel zu betrachten. Dass zwischen den Disziplinen der Rechtsdogmatik und der Ökonomik bislang mehr polarisiert denn nach integrativen Lösungen gesucht wurde, sollte hieran nicht hindern, da die judikative Rechtsfortbildung unter Berücksichtigung eines methodologisch individualisierten Ansatzes, der in teleologischer Gesetzesinterpretation auf die Vorstellung des Gesetzgebers zurückgreift, Gesetze stellten abstrakt-generelle Problemlösungsvorschläge dar, deren Schutzziele durch eine situative Anknüpfung erkannt und sodann unter Beibehaltung des Methodenrahmens zu hypothetischen Lösungsvorschlägen fortentwickelt werden könnten, an ihrer legislativen Legitimation festhält, und dies auch dann, wenn sie gleichzeitig und gleichrangig rechtsökonomische Argumente auf diesem Weg berücksichtigen sollte. Es war deshalb für die hier gegenständliche Fragestellung einer umfassenden institutionellen Auflösung der Verstrickung durch Desinformation zunächst ein rechtsökonomischer Rahmen zu zeichnen, der, soweit er Kongruenzen mit rechtsethischen und rechtsdogmatischen Ansätzen aufweist, die Entwicklung eines methodenkonvergenten und integrativen Ansatzes zulässt, der gleichermaßen rechtsdogmatisch belastbar, aber auch ökonomisch effizient ist und aus diesem Grunde auch nicht der notwendigen verfassungsrechtlichen Legitimation entbehrt. Ausgangspunkt für diese Suche nach einer Methodenkonvergenz zwischen Rechtsethik und Rechtsdogmatik auf der einen sowie Rechtsökonomik auf der anderen Seite war ein auf beiden Disziplinen gemeinsames Fundament gerichteter Blick, der einen Grundkonsens liefern und damit jedenfalls in seinem Ausgangspunkt auf wechselseitige Akzeptanz zurückgreifen konnte. Als eine in beiden Disziplinen gemeinsame Grundlage breit gefächerter dogmatischer und institutioneller Ansätze und Ableitungen konnte das im Rechts- und Wirtschaftsverkehr als unabdingbarer Bestandteil beinahe jeder Transaktion zu beobachtende Vertrauensargument extrapoliert werden. Es war festzustellen, dass sich Vertrauen gleichsam als Motor der Marktwirtschaft darstellt, da erst das dem Transaktionspartner entgegengebrachte Vertrauen ein Handeln über die Grenzen des durch die eigene begrenzte Rationalität beschränkten Aktionsradius hinaus eröffnet und so eine marktwirtschaftliche Betätigung erst möglich macht. Vertrauen wird hierdurch zu einem Informationssubstitut, das seine ökonomische Rechtfertigung aus einer kaum anders zu erreichenden Transaktionskosteneffizienz und seine rechtsdogmatische Rechtfertigung daraus zieht, dass es nicht zuletzt „Korrelat der privatautonomen Gestaltungsfreiheit“951 ist. Darüber hinaus ist das Ziel der Einsparung von Transaktionskosten, die ökonomisch als „Betriebskosten des Wirtschaftssystems“952 bezeichnet werden, und damit der Reduzierung von marktwirtschaftlichen Rei951 952
Canaris, Vertrauenshaftung, S. 440. Williamson, Institutionen, S. 21.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
bungsverlusten dient, nicht allein ein rechtsökonomisch beachtliches Argument, sondern auch rechtsdogmatisch von originärer Bedeutung, da sich auch die Rechtsordnung um einen „reibungslose[n] Geschäftsverkehr“953 zu bemühen hat. Wenn also festzustellen war, dass Vertrauen rational ist, weil es auf legitime und legale Weise Information und Informationsbeschaffung ersetzt, stellte sich die weiterführende Frage, welche Kriterien für die Bemessung des richtigen und des berechtigten Vertrauenszeitpunkts ausschlaggebend sein konnten und sollten. Die Einstellung eines weiteren Involvements auf der einen Seite verlagert nämlich grundsätzlich lediglich die Kosten der Informationsbeschaffung und der Transaktion, reduziert diese jedoch für sich allein noch nicht. Jede Entscheidung über Aufklärungspflichten und -obliegenheiten impliziert damit eine Entscheidung über die Verteilung von Informationslasten, weshalb sich Informationsasymmetrien nicht zuletzt als Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten954 darstellen. Als wesentliche Determinanten dieser Informationslastenverteilung waren auf der einen Seite Opportunitäts- und Risikoprämien, wobei jene vom Aufklärungsschuldner, diese vom Aufklärungsgläubiger sollten verdient werden können, der zu vereitelnden Möglichkeit, Opportunismusprämien zu erzielen, auf der anderen Seite gegenüber zu stellen. Zu bedenken war hierbei jedoch, dass es sich bei Informationen um ein öffentliches Gut handelt, das sich durch fehlende Rivalität der Information auszeichnet. Eine unbegrenzte Aufklärungspflicht über alle unmittelbar und mittelbar geschäftswesentlichen Umstände würde daher Innovationsanreize vereiteln und so zu einem gesamtwirtschafltichen Schaden führen. Eine Aufklärungspflicht darf sich deshalb nicht als ,Glücksfall‘ für den Adressaten der Information erweisen. Aus diesem Grunde ist in typisierender Betrachtung zwischen produktiven und unproduktiven Informationen differenziert worden, wobei erstere nur ausnahmsweise, letztere grundsätzlich zu offenbaren sind. Die hieraus folgende Kategorisierung des Vertrauens in vermögensrechtlichen Dimensionen, nämlich die Subsumtion des Vertrauens als riskante Vorleistung, die in Abhängigkeit von einer kommunizierten Vertrauenswürdigkeit des Vertrauensnehmers und einer daraus abgeleiteten und kalkulierten Risikoerwartung sowie der Erwartung einer hierfür aus dem Geschäft zu realisierenden Risikoprämie, den aus der Transaktion den Parteien zufließenden Opportunitätsprämien gegenübersteht, geht rechtsökonomisch bereits auf eine frühe Arbeit von Coase955 zurück, der die Frage solcher Lastenverteilung als reziprokes Problem beschrieb und konsequent nicht danach fragte, wie A daran gehindert werden könne, B zu schädigen, da hiermit immer zugleich eine Beschränkung und Belastung des A verbunden wäre, sondern die Frage richtig dahingehend formulierte, ob es B gestattet werden sollte, A zu schädigen, oder ob zuzulassen sein sollte, dass A den B schädigt. Das Problem liege 953
Larenz, Schuldrecht AT, § 9 Ia, S. 106. Hierauf hat Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 574, soweit erkennbar erstmals hingewiesen. 955 Coase, Soziale Kosten, S. 148. 954
§ 3 Ergebnisse des 1. Kapitels
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lediglich darin, den schwereren Schaden zu vermeiden und so zu effizienten Lösungen zu gelangen. Ausgangspunkt und aus Effizienz- und Wohlfahrtsgesichtspunkten entscheidend für eine solche Lastenverteilung ist zwangsläufig die ursprüngliche (Informations-)Güterzuordnung, wie sie vom marktwirtschaftlichen Umfeld und der Rechtsordnung vorgegeben, beeinflusst und schließlich manifestiert wird. Sich mit dieser Zuordnung zu befassen, kann sich die Rechtsordnung auch nicht entziehen, da die Aufteilung von Informationen von einem historisch-ökonomischen Standpunkt aus betrachtet notwendige Folgeerscheinung moderner Gesellschaften und Volkswirtschaften ist, die ihr Wachstum und ihren Wohlstand einer „Spezialisierung im Wissen“,956 nämlich einer Wissens- und Informationsteilung verdanken. Diesen tatsächlichen Gegebenheiten aber hat sich die Rechtsordnung unterzuordnen, erhebt sie den Anspruch auf gesellschaftliche Akzeptanz und strebt sie bis zu einem gewissen Grad eine allein aus solcher Akzeptanz erwachsende Selbstvollzugskraft an. Das Funktionieren einer Volkswirtschaft hängt dann im Wesentlichen davon ab, wie dieses gesellschaftlich aufgeteilte Wissen tradiert wird und wie die Kosten solchen Wissenstransfers verteilt werden. Maßgebliches Vehikel für die Tradition von Wissen ist zunächst der Preis bzw. das Zusammenspiel des Markt-Preis-Systems, da in den Informationen über den Preis eines Gutes, wie er sich am Markt bildet, die Informationen aller Marktteilnehmer gebündelt und von individuellen Erfahrungen abgekoppelt werden. Soweit das Markt-Preis-System damit zwar Grundlage einer jeden aus dem Informationsökonomischen Blickwinkel betrachteten Volkswirtschaft ist, vermag es das tatsächliche Funktionieren von Markt- und Wirtschaftssystemen jedoch nur theoretisch zu erklären. Es lässt nämlich unberücksichtigt, dass Märkte nicht durchgängig transparent und insbesondere Qualitätsmerkmale unter Berücksichtigung der hierbei hypothetisch entstehenden Transaktionskosten oft nicht beobachtbar sind. Hierin liegt jedoch die Gefahr begründet, dass ein „race to the bottom“ ausgelöst würde, an dessen Ende die Beobachtung stünde, dass nur noch die schlechteste gerade noch verkäufliche Qualitätsstufe eines Gutes gehandelt würde.957 An dieser Stelle schließt sich deshalb wieder der Kreis und kommt erneut das Vertrauen als Informationssubstitut, insbesondere für solche Produkt- und Qualitätseigenschaften ins Spiel, die mit transaktionskosteneffizientem Aufwand nicht beobachtbar sind. Referenzpunkt für den Schutz solcherart investierten Vertrauens, nämlich Ausgangspunkt der anfänglichen Informationsgüterzuordnung, waren jedoch die rechtlichen Institutionen, auf deren Rücken die marktwirtschaftlich vorgegebenen und ökonomisch gebotenen Lösungen getragen werden. 956
So bereits sehr früh von Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S. 71; später auch North, Institutionen, S. 32, 41, 142 ff. 957 Diese Erkenntnisse entstammen dem Nobelpreis gekrönten Aufsatz von Akerlof, Market for Lemmons, Q.J.E. 84, S. 488 ff.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Die bis hierher gefundenen Ergebnisse ließen sich deshalb in der Formel zusammenfassen: Der Preis kommuniziert, das Vertrauen reagiert! Damit allein wäre jedoch zu kurz gegriffen. Denn soweit der Preis auch Kommunikationselement für die Qualität eines Gutes sein kann, kann der Abnehmer dem damit einhergehenden Vertrauensangebot nur dann Folge leisten, wenn sich der Anbieter wegen der über den Preis in den Markt getragenen Information auch als vertrauenswürdig erweist. Bei einmaligen Transaktionen hat der Vertrauensgeber nämlich grundsätzlich keine andere Möglichkeit, die Vertrauenswürdigkeit des Anbieters außer über den am Markt offenbar erzielbaren Preis des angebotenen Gutes abzufragen. Aus diesem Grunde bemüht sich der Anbieter des Gutes regelmäßig darum, seinen Preis und die hiermit erklärte Qualitätszusage über ein ihm von dritter Seite in früheren Geschäftsabschlüssen bereits entgegengebrachtes Vertrauen zu rechtfertigen und solches Marktvertrauen über die Kommunikation des Preises hinaus zu duplizieren. Der Anbieter bemüht sich mit – oft gehörigem – Anlaufaufwand, Reputation, einen ,good will‘, aufzubauen, der sich in der Zukunft dadurch auszahlen und amortisieren soll, dass weitere Marktteilnehmer die mit der Reputation verbundene ,invitatio ad credendum‘ annehmen und eine Vertrauensinvestition gegenüber dem Anbieter tätigen. Hieraus folgt eine grundsätzlich selbstregulierende Wirkung der Repuation, da sich nämlich die Kosten des Reputationsaufbaus nur dann auszahlen, wenn der Anbieter sich vertrauensgerecht verhält und sich so im Markt halten kann. Dennoch bedarf es eines flankierenden Schutzes durch rechtliche Institutionen, durch welche die oft mangelnde Transparenz von Märkten kompensiert und die abstrakt-generell wirkende und zukunftsgerichtete Selbstregulierung in ihrer Schutzrichtung individualisiert wird. Die vom Anbieter in den Markt getragene Reputation wirkt daher in entscheidender Weise auf den Preis und auf die Zahlungsbereitschaft des Vertrauenden zurück. Die Reputation wirkt als Frage, das Vertrauen als Antwort hierauf. Es entsteht damit ein Äquivalenzverhältnis zwischen dem entgegengebrachten Vertrauen, das sich in der vertraglich vereinbarten Zahlungsbereitschaft ausdrückt, und der nicht zuletzt durch den Preis kommunizierten Vertrauenswürdigkeit des Anbieters sowie der von ihm ebenfalls durch den vereinbarten Preis abgebildeten Qualitäts- und Leistungszusage. Dieses Äquivalenzverhältnis ist damit Ergebnis eines Dialoges aus Vertrauenswerbung und Vertrauensinvestition, der in einer umfassenden Kooperationsvereinbarung mündet, die damit ihrerseits, weil das Vertrauen nichts anderes als Informationssubstitut ist, eine Informationslastenverteilung vornimmt. Ausgangspunkt für die Auflösung von desinformationsbedingten Verstrickungslagen kann deshalb allein diese Kooperationsvereinbarung und können allein die in ihr zusammengefassten einzelnen Kooperationsabreden sein. Aus dieser Rückbeziehung des Informationen substituierenden Vertrauens auf die hierdurch abgebildete Zahlungsbereitschaft, die nicht allein die out of pocketKosten, also z.B. nicht allein den tatsächlich aufzuwendenden Kaufpreis umfasst, sondern auch alle sonstigen Kosten des Vertrauenden im ökonomischen Sinne,
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folgt daher implizit eine Lastenverteilung zwischen den Parteien, welche die Verteilung der Informationslasten einschließt, ausgerichtet an dem vertraglichen Äquivalenzverhältnis als Leit- und Richtschnur. Mit der Einigung über die wechselseitige Zahlungs- oder Investitionsbereitschaft ist deshalb zugleich eine Aussage über die Reichweite des hierfür zur Grundlage gemachten Vertrauens getroffen. Wegen dieses Vertrauens ist zu unterscheiden zwischen einem abstrakten Vertrauen, das sich auf die markt- bzw. geschäftsüblichen und objektiv vorauszusetzenden Vertrauensumstände bezieht, und einem konkreten Vertrauen, mit dem der Vertrauende besondere Umstände, die bei der Ausbildung seiner Zahlungs- und Investitionsbereitschaft eine Rolle gespielt haben, jedenfalls aber in dieser Dimension für den Gegenüber nicht hatten erkennbar sein müssen, in den Transaktionsrahmen einbezieht. Verwirklichen sich vertragliche Risiken, ist deshalb danach zu fragen, wem diese Risiken nach dem Äquivalenzgedanken durch die in dem Vertrag, wenn nicht ausdrücklich oder konkludent, so doch implizit enthaltenen Kooperationsabsprachen zugewiesen wurden. Bei der Beantwortung dieser Frage ist die Definition des hier verwendeten Begriffs des ,Risikos‘ vorgreiflich. Zunächst geht ein jedes Risko zurück auf eine Veränderung der das Geschäftsumfeld prägenden Rahmen-, nämlich der sozial-ökonomischen Umweltbedingungen. Dieses sozial-ökonomische Umfeld kann bereits bei Vertragsschluss realiter von den Vorstellungen zumindest einer Partei abweichen, kann sich aber auch nachträglich ändern. Die Risikozuweisung beinhaltet daher insbesondere die Zuweisung der Informationslasten hinischtlich der gegenwärtigen sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen des Geschäfts und der Informationsbeschaffungslast in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit künftiger Änderungen dieser Bedingungen. Realisiert sich ein solches Risiko, ist Folge hieraus in aller Regel, dass der Transaktionsgegenstand nicht mehr seiner ursprünglichen Nutzung und Verwendung zugeführt werden kann und damit, jedenfalls in dem betroffenen Transaktionsverhältnis, nicht seinen vollen und kalkulierten ökonomischen Nutzen entfalten kann. Die beabsichtigte bestmögliche Ressourcenallokation, die Grundlage des kooperativen Äquivalenzverhältnisses war, wird vereitelt und der Transaktionsgegenstand bestenfalls noch seiner zweitbesten Verwendungsmöglichkeit zugeführt. Hieraus entsteht eine Amortisationsdifferenz, die in der ex ante Kalkulation der Zahlungsbereitschaft und deshalb in dem Äquivalenzverhältnis nicht vorgesehen war. Ökonomisch wird von einem Verlust von ,Quasi-Renten‘ gesprochen. Bei der Verhandlung der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft im Rahmen der dynamischen Entwicklung des kooperativen Äquivalenzverhältnisses sind von den Parteien im Ergebnis also die Risiken des Verlusts von Quasi-Renten einbezogen worden. Aus dem Produkt des Risikos und seiner Eintrittswahrscheinlichkeit wird eine Risikoprämie kalkuliert, deren Höhe in die Bemessung der jeweiligen Zahlungsbereitschaft einfließt. Für die Eintrittswahrscheinlichkeit aber ist wiederum die Vertrauenswürdigkeit des Anbieters entscheidend, die nicht zuletzt durch die Reputation abgebildet wird, die dieser in den Markt kommuniziert. Da insoweit
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
aber bereits festgestellt wurde, dass die selbstregulierende Wirkung eines Reputationsabbaus bei nicht vertrauens- und damit zwingend auch eines nicht informationsgerechten Verhalten eines flankierenden Schutzes durch rechtliche Institutionen bedarf, so folgt hieraus, dass auch für die Bemessung der Zahlungsbereitschaft der Umfang des durch diese rechtlichen Institutionen gewährten Schutzes entscheidend ist. Aus diesem Grunde war nicht nur der Tatbestand, sondern waren auch die Rechtsfolgen einer Informationslastenverteilung im Rahmen der Auflösung von desinformationsbedingten Verstrickungslagen zu untersuchen. Hierbei wurde offenbar, dass sich positives und negatives Interesse in durchgängig transparenten Märkten mit vollständiger Konkurrenz in der Regel gleichen, dass rechtsdogmatisch unter diesen Modellvoraussetzungen daher eine Differenzierung zwischen beiden Schadenskategorien grundsätzlich nicht geboten wäre. Da aber der die selbstregulierende Wirkung von Reputationseffekten flankierende Schutz der Rechtsordnung, wie festgestellt wurde, gerade dazu dient, die fehlende Durchlässigkeit des Marktes auszugleichen, waren desinformationsbedingt verwirklichte Risiken durch eine Positivierung des negativen Interesses dort zu kompensieren, wo ein positives Interesse im streng rechtsdogmatischen Sinne eigentlich nicht feststellbar ist. Die überkommene Rechtsprechung zur Rentabilitätstheorie konnte hieraus gerechtfertigt werden, was auch für das modernisierte Schuldrecht und eine Analyse des § 284 BGB von Bedeutung sein wird. Auf ähnlichen Pfaden vollzog sich die ökonomische Rechtfertigung des Ersatzes auch von Nichtvermögensschäden, soweit diese von einem abstrakten Vertrauen des Geschädigten und damit von der in die ex ante Kalkulation der Zahlungsbereitschaft eingeflossene Risikokalkulation gedeckt sind. Durch diese erste ökonomische Rechtfertigung längst überkommener Rechtsprechungsinstitute, deren Legitimation auch nach der Schuldrechtsmodernisierung jedenfalls aus ökonomischer Sicht damit außer Frage steht, ist ein falsifizierter Grundstein für das Funktionieren eines integrativen und interdisziplinären Methodenansatzes gelegt.
B) Bestätigung des Bestehens von Aufklärungs-, Informationsund Offenbarungspflichten aus ökonomischer Sicht Die hier erarbeiteten rechtsökonomischen Grundlagen und die daraus vorgenommenen Ableitungen lassen, bevor im folgenden Kapitel mit der Analyse der einzelnen zur Abwehr und zur Kompensation von Verstrickungslagen zur Verfügung stehenden Institutionen begonnen wird, zunächst auch die Bestätigung des Bestehens von Aufklärungs-, Informations- und Offenbarungspflichten aus ökonomischer Sicht zu. Bereits im einleitenden Kapitel war aus einer Synthese der bislang rechtsdogmatisch zur Begründung von vorvertraglichen Aufklärungs- und Informationspflichten angebotenen Erklärungsansätze das Bestehen solcher Pflichten und damit eine Einschränkung des Postulats der informatio-
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§ 3 Ergebnisse des 1. Kapitels
nellen Selbstverantwortung bestätigt worden.958 Auch im dortigen Zusammenhang spielte bereits das Vertrauensargument eine bedeutende Rolle, da der dort vertretene Ansatz aus einer Synthese der bekannten Rechtfertigungsversuche durch eine Anleihe aus der vertragstheoretischen Diskussion flankiert wurde, nämlich durch die Überlegung, dass jede Vertrauenswerbung eines Beteiligten diesen in die Vertragserwartungen des anderen Teils einbezieht und hierdurch eine sich schrittweise verstärkende Bindung entsteht, an welcher die Parteien festzuhalten sind. Das ökonomische Mengengerüst aus Wechselbezüglichkeiten, die an dieser Stelle eine der rechstdogmatischen Erklärung vergleichbare Ableitung zulassen, stellt sich auf Grundlage der vorstehend noch einmal zusammengefassten Ergebnisse im Überblick deshalb wie folgt dar:
Desinformation
resultiert aus
Verkehrserwartung
konkretes Vertrauen unproduktive Information
Reputation (=Vertrauenswerbung)
Risikoprämie
Amortisation
Zahlungsbereitschaft (kooperatives Äquivalenzverhältnis)
Höhere Informationslast wird dem cheapest cost avoider vergütet
weckt / fördert
Kostenübernahmeerklärung, Teil der Reputationsaussage
abstraktes Vertrauen
in die Offenbarung
i.d.R. nicht abgegolten
konkrete Erwartungen
Verstrickung
produktive Information
Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten
Opportunitätskosten
Verlust von Quasi-Renten (i.d.R. pos. = neg. Interesse)
rechtliche Institutionen Kompensation
Abwehr
Abb. 8: Ökonomische Wechselbezüglichkeiten der Verstrickung durch Desinformation 958
Vgl. Einl. § 3 B) VI.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Aus den verschiedenen, sich untereinander bedingenden Einflüssen wird deutlich, dass eine pauschale Aussage über den Zeitpunkt des Entstehens und der Beendigung von Aufklärungs-, Informations- und Offenbarungspflichten nicht getroffen und ein solcher schon gar nicht formelhaft bestimmt werden kann. Auch ökonomisch muss vielmehr gelten, was juristisch unlängst anerkannt ist, dass nämlich für das Ent- und Bestehen von Aufklärungspflichten stets die Umstände des Einzelfalls,959 nämlich die Umstände der Vertragsanbahnung, der stückweisen Annäherung der Parteien und der hiermit verbundenen wechselseitigen Fremd- und Eigenbindungen entscheidend sind. Ökonomisch kommen diese Bindungen in einem kooperativen Äquivalenzverhältnis, abgebildet durch die wechselseitig bestimmte Zahlungsbereitschaft, zum Ausdruck. Ein Gedanke, der auch den Rechtswissenschaften nicht fremd ist.960 Aufklärungspflichten bestehen hiernach immer dann, wenn diese bereits nach der objektiven Verkehrsanschauung aus einem abstrakten Vertrauen des Informationsadressaten heraus erwartet werden können und deshalb als mit der Vereinbarung über die wechselseitige Zahlungsbereitschaft bereits abgegolten gelten. In diesem Fall erhält der Informationsverpflichtete für die ihm als regelmäßigem cheapest cost avoider übergebürdete Informationslast eine typisierte Opportunitätsprämie. Um das zugrunde liegende abstrakte Vertrauen hat der Informationsschuldner durch seine in den Markt getragene Reputation selbst geworben. Hierin liegt dann aber zugleich die Erklärung, die asymmetrischen Informationskosten für vom abstrakten Vertrauen geschützte (unproduktive) Informationen zu übernehmen. Wie in der rechtsdogmatisch einer Vertrauenshaftung entnommenen Aufklärungsschuld auch, beruht der rechtsökonomische Ausgangspunkt mit der Anlehnung an das abstrakte Vertrauen auf einem normativen Vertrauensansatz, nämlich auf einem „Vertrauendürfen“ des Berechtigten und damit auf einer Haftung ex lege und nicht ex voluntate.961 Sobald und soweit die Aufklärungsschuld jedoch über allgemein übliche und deshalb objektive Verkehrserwartungen hinaus geht, ist sie von dem abstrakten Vertrauensverhältnis und der allein hieraus abgeleiteten kooperativen Äquivalenzbeziehung nicht mehr gedeckt. Entstehen besondere Aufklärungsrisiken, hat der Aufklärungsschuldner hierfür eine besondere Opportunitätsprämie zu erwarten, die mit der Reduzierung des Risikos des Aufklärungsempfängers korrespondiert. Dies wirkt auf die wechselseitige Zahlungsbereitschaft zurück, weshalb für solcherart Aufklärungspflichten auch ökonomisch eine besondere Kooperationsabsprache erforderlich ist, der ein konkretes Kooperationsvertrauen entnommen werden kann. Die Feststellung einer solchen Kooperationsabsprache ex post erfolgt durch 959 Vgl. z.B. BGH, NJW 1983, 2493, 2494, und mit zahlreichen weiteren Nachweisen Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 100 (dort Fn. 225); vgl. hierzu bereits oben, Einl. § 3 B) III. 960 Vgl. z.B. den bereits mehrfach zitierten Beitrag von Rothoeft, Risikoverteilung, S. 230 ff., dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) II.4. 961 Oben Einl. § 3 B) III.
§ 3 Ergebnisse des 1. Kapitels
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Extrapolation der impliziten Vertragsbestandteile, die sich insbesondere wieder anhand des Äquivalenzverhältnisses und damit anhand der die jeweilige Zahlungsbereitschaft bestimmenden Faktoren isolieren lassen. Im Rahmen einer, die denkbaren Fälle nur grob untergliedernden Fallgruppenbildung kann bei typisierter Betrachtung davon ausgegangen werden, dass aus Käufersicht subjekt- oder personenbezogene Umstände in aller Regel nur auf Grundlage eines konkreten Vertrauens Aufklärungspflichten begründen können, die Zahlungsbereitschaft des Käufers beeinflussende Faktoren aus dessen persönlichen Umfeld und z.B. besondere Verwendungsabsichten oder in nicht vorhersehbarem Umfang drohende Folgeschäden von diesem, dem Käufer, in die Vertragsverhandlung eingeführt werden müssen, um ein konkretes Aufklärungsvertrauen zu begründen und dem entgegengesetzten Vertrauen des Verkäufers, Verwendungsabsichten und Risiken außerhalb des Üblichen bestünden nicht, seine Grundlage und seine Berechtigung zu entziehen. Demgegenüber unterliegen objekt-, also auf den Transaktionsgegenstand und seine übliche Verwendbarkeit bezogene Umstände grundsätzlich innerhalb der Grenzen eines abstrakten Käufervertrauens,962 weshalb insoweit typischerweise Aufklärung vonseiten des Verkäufers geschuldet wird.963 Außerhalb dieses kooperativen Äquivalenzverhältnisses stehen hierbei in aller Regel Offenbarungspflichten in Bezug auf werterhöhende produktive Informationen, da durch eine solche Offenbarungspflicht Innovationsanreize vereitelt und so gesamtwirtschaftliche Nachteile die Folge sein könnten. Im Ergebnis bleibt jedoch festzuhalten, dass sich ökonomisch bestätigt hat, was rechtsdogmatisch schon angedeutet war, dass nämlich die institutionelle Festigung von Aufklärungspflichten wesentlicher und unabdingbarer Bestandteil der Wirtschaftsordnung moderner und notwendig wissensteilender Marktwirtschaften ist.
C) Zu einer integrativen Auslegungsmethode und zu ihrer auch verfassungsrechtlichen Rechtfertigung I. Integrativer Auslegungskanon Die im Vorangegangenen angestellten und hier zusammengefassten ökonomischen Überlegungen waren eingangs damit legitimiert worden, dass die Orientierung an einer teleologischen Gesetzesauslegung jedenfalls eine hinreichende Rechtfertigung böte, nach Gemeinsamkeiten im ökonomischen und rechtsdogmatischen Methodenapparat zu suchen, um von hier aus festzustellen, ob nicht beide Disziplinen nicht über einen deckungsgleichen Teil in ihrer Methodologie
962
Dieses Ergebnis passt zu der Einschätzung, dass durch die Schuldrechtsmodernisierung eine allgemeine Ausweitung des kaufvertraglich geschützten Aufklärungsinteresses auf den vorvertraglichen Bereich stattgefunden habe, vgl. Köster, Jura 2005, 145. 963 Zu dieser Typisierung bereits oben, 1. Kap. § 2 C) I.4 d).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
verfügen, eine Schnittmenge, aus der heraus ein integrativer Auslegungskanon abzuleiten ist. Mit dem Ziel der größeren Akzeptanz gefundener Ergebnisse, wurde für die Untersuchung mit dem Vertrauensargument ein Ausgangspunkt gewählt, der in beiden Disziplinen hinreichend verfestigt und anerkannt ist. Bereits die Existenz eines solchen gemeinsamen Fundaments legt jedoch eine Gemeinsamkeit auch in dem Methodenapparat nahe. Zu demselben Schluss könnte die vorweggenommene und falsifizierte ökonomische Rechtfertigung der Rentabilitätstheorie und der Kommerzialisierungsthese veranlassen. Und der Schritt von einem gemeinsamen Methodenapparat hin zu einer auch gemeinsamen, jedenfalls aber zu einer kompatiblen Methodik ist dann nicht mehr weit. Und tatsächlich: die den vorangestellten Ableitungen zugrunde liegenden Überlegungen lassen sich auch in einer abstrahierten und generalisierten Form in den juristischen Auslegungskanon integrieren. Die rechtsdogmatische Methodendiskussion in der Gegenwart hat sich nahezu unbestritten weg von der Interessenjurisprudenz hin zu einer hermeneutischen Wertungsjurisprudenz entwickelt.964 Wie eingangs bereits dar- und hier im Ergebnisteil noch einmal herausgestellt, folgt der Gesetzgeber mit den von ihm erlassenen Regelungen einer Regelungsidee für ein von ihm erkanntes Problem. Die Jurisprudenz erschöpft sich damit nicht in der Hermeneutik der Textinterpretation, um die Teleologie der Normen aufnehmen zu können. Sie gewinnt ihre Lehren ebenso durch Fall- und systematischen Wertungsvergleich, schließlich durch Abstraktionsleistungen. Die Normen brauchen einen solchen wertedogmatischen Unterbau, um anwendbar zu sein.965 Die Jurisprudenz folgt damit der in der gesetzgeberischen Regelungsidee zum Ausdruck kommenden rechtlichen Wertung, anstatt sich dem Problem im Grundsatz durch eine selbstständige Bewertung (des Richters) zu nähern.966 Schwer lösbaren Problemen, etwa Fällen, in denen die gesetzgeberische Wertung wegen der Verwendung von Generalklauseln oder unbestimmten Rechtsbegriffen kaum feststellbar ist oder bei der Lösung neuer Fragen, die der Gesetzgeber noch nicht entschieden hat, nähert sich die Wertungsjurisprudenz der Lösung freilich nicht ohne auch eine eigene Wertung des Richters. Diese hat sich aber an einer Fortentwicklung des gesetzgeberischen Lösungsvorschlages967 auszurichten.968 Hierbei müssen allerdings nicht denknotwendig die der Wertungsjurisprudenz regelmäßig als charakteristisch zugeschriebenen ,vorpositiven‘ oder ,übergesetzlichen‘ Werte und Wertungsmaßstäbe allein berücksichtigt werden, die zwar zu Recht nicht zuletzt aus Art. 1 bis 3 GG und einem Gedanken von sozial-ethisch richtigen Verhalten abgeleitet werden, jedoch durch diese Ableitung zunehmend in 964 Dieses Verständnis von der Jurisprudenz als Wissenschaft der hermeneutischen Wertungen ist oben unter 1. Kap. § 2 C) I.5 auch für das hier zugrunde gelegte informations- und vertrauensökonomische Interpretationsmodell nachgezeichnet worden. 965 So anschaulich Tontrup, Ökonomik, S. 46. 966 Westermann, Grenzen richterlicher Streitentscheidung, S. 21. 967 Vgl. Kerber, Recht als Selektionsumgebung für evolutorische Wettbewerbsprozesse, S. 307 ff. 968 Kirchner, Folgenberücksichtigung, S. 35.
§ 3 Ergebnisse des 1. Kapitels
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die Nähe einer Entscheidungsfindung durch Einzelfallgerechtigkeit rücken.969 Darüber hinaus kann der durch eine Orientierung an der Einzelfallgerechtigkeit eintretenden Gefährdung rationaler juristischer Argumentation970 durch ein modifiziertes Verständnis solcher der Wertungsjurisprudenz eigenen Wertungsgrundlagen dadurch begegnet werden, dass Zivilrechtsnormen durch Analyse des vom Gesetzgeber vor dem Hintergrund seines Erkenntnishorizonts verfolgten Schutzziels als vorläufige Problemlösungsvorschläge verstanden werden,971 aus welchen im Rahmen der Rechtsfortbildung neue Problemlösungsvorschläge entwickelt und Normen so nicht als statische Gebilde, sondern als dynamische Institutionen erscheinen, die sich zu jedem Zeitpunkt dem gesamtgesellschaftlichen Kontext, in dem sie sich wiederfinden, anzupassen in der Lage sind.972 Diese institutionelle Dynamik des Rechts bricht mit dem frühen Verständnis v. Savigny’s, nach dessen Vorstellung das Recht den Endpunkt seiner Entwicklungsgeschichte in der Gegenwart gefunden hat und Problemlösungen aus ihm lediglich noch abgeleitet werden müssten. Demgegenüber hatte nämlich bereits v. Jhering das heutige Verständnis des Rechts als lebendiges System auf den Weg gebracht und sich auf die Zwecke des Rechts konzentriert, die er mit einem zukunftsgerichteten Blick auch darin sah, die Möglichkeiten einer Veränderung in seine Bearbeitung aufzunehmen.973 Die dynamische Entwicklung des Rechts bindet sich damit an die Veränderung des gesamtgesellschaftlichen Kontext,974 in dem das Recht seinen Platz findet, und dessen Entwicklung es jedenfalls ebenso beeinflusst, wie es von ihm beeinflusst wird.975 Die makro-ökonomische Entwicklung des gesamtgesellschaftlichen Kontextes war mikroökonomisch hier bereits als Veränderung der sozial-ökonomischen Umweltbedingungen beschrieben worden.976 969 Larenz, Methodenlehre, S. 121 f.; eine solche Einzelfallgerechtigkeit ist zwar möglicherweise mit dem außerhalb des kontinental-europäischen Rechtskreises vorherrschenden case law in Einklang zu bringen (vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.5), jedoch nicht mit der syllogistischem Wertungsjurisprudenz unseres Rechtssystems. 970 Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit, S. 16. 971 Oben, 1. Kap. § 1 B) II.2. 972 Backhaus, Recht aus der Sicht der evolutorischen Ökonomik, S. 3, 5, erkennt überdies den wesentlichen Motor des Wandels des Rechts in der zentralen Rolle der Transaktionskosten für die Entstehung und Anwendung rechtlicher Institutionen, wie das schon einmal verwendete Zitat hier nochmals zeigt: „Insofern muss man erwarten, dass den Transaktionskosten mit zunehmender Komplexität der Volkswirtschaft eine zunehmende Bedeutung zuwächst (Wagners Gesetz). Daraus folgt aber weiterhin, dass die deshalb stets intensivere Suche nach einer Senkung dieser Kosten einen stets schnelleren Rechtswandel erfordern wird. Insofern wird auch dem evolutorischen Ansatz eine stets größere Bedeutung in der ökonomischen Rechtsanalyse zugemessen werden müssen.“. 973 So Tontrup, Ökonomik, S. 49, mit einem Überblick über die Entwicklung der Methodenlehre des Rechts. 974 Zu diesem Anspruch an das Recht, der es ihm überdies ermöglicht hat, seine römisch-rechtlichen Grundfesten als eine der letzten ,antiken Wissenschaften‘ bis heute zu erhalten, bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.5. 975 Vgl. zu dem Einfluss eines rechtsstaatlichen Systems und einer Institutionalisierung auf das Wirtschaftswachstum aufstrebender Volkswirtschaften Schäfer, Rechtsstaatlichkeit und Wachstum. 976 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c).
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Versteht man heute das Recht aber als eine sich wandelnde Bewertung gesellschaftlicher Interessen,977 dann muss ein dogmatisch arbeitender Jurist diese Interessen analysieren und seine Methodik ist insoweit zu ergänzen.978 Diese Öffnung der Methodik bewirkt indessen keine Abkehr von dem heutigen Verständnis einer Wertungsjurisprudenz, da auch die Erfassung des gesellschaftlichen Wandels letztlich der Einordnung in Wertekategorien unterliegt.979 Nach Hubmann980 sind jedoch auch Wertvorstellungen der Vernunft zugänglich und ,objektiv‘ im Sinne von allgemeingültig, „wenn sie nicht nur für einzelne wertvoll erscheinen, sondern wenn sie allen, also dem Menschen seinem Wesen nach, Befriedigung und Erfüllung bringen können“.981 Wenn auch gegebenenfalls eine Systematisierung solcher Wertvorstellung an Rechtsprinzipien, nämlich an der Frage erforderlich ist, ob die gefundenen Wertungen als Leitgedanken positiver rechtlicher Regelungen erkennbar sind,982 so fällt doch die Nähe der Formulierung Hubmann’s zum wohlfahrtsökonomischen Ansatz pareto-optimaler Zustände auf, wonach ein erstrebenswertes Wohlfahrtsoptimum erreicht ist, wenn der Nutzen (oder Ertrag) eines Marktteilnehmers nicht erhöht werden kann, ohne dass durch dieselbe Maßnahme der Nutzen (oder Ertrag) mindestens eines anderen Marktteilnehmers vermindert wird.983 Es scheint zwischen beiden Disziplinen daher nicht nur, wie insbesondere mit dem Vertrauensargument im operationalen Handwerkszeug eine Übereinstimmung zu geben, sondern auch in den methodologischen Grundfesten. Nimmt man noch hinzu, dass auch der juristischen Methodenlehre eine Systembildung zugrunde liegt, die sich in einem „Kreislauf zwischen Problementdeckung, Prinzipienbildung und Systemverfestigung“984 vollzieht, in dem nicht die abstraken Begriffe,
977 In ähnlicher Weise bereits im Jahre 1974 Zöpel, Ökonomie und Recht, S. 243: „Das Rechtssystem als gesellschaftliches Teilsystem besitzt notwendige Interdependenzen zu den anderen gesellschaftlichen Teilsystemen. Seine Funktion ist die Ordnung sozialer Verhältnisse außerhalb seiner selbst; es kommt in einer hochkomplexen Gesellschaft als positiviertes Recht zustande aufgrund von Entscheidungen im politischen Teilsystem. (…) Aus dem Bereich der Wirtschaft kommen die entscheidenden Probleme, die im politischen und rechtlichen Teilsystem mitbewältigt werden müssen. Die Variabilität des Rechts, die zu seiner Positivierung führte, ist nur in einer wirtschaftlichen Gesellschaft erforderlich.“. 978 Tontrup, Ökonomik, S. 52; zu den Grundlagen einer hieran angepassten Auslegungsmethodik ebenfalls bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.5. 979 Vgl. hierzu insbesondere Larenz, Methodenlehre, S. 413 f., nach dem jede Rechtsfortbildung im Einklang mit den allgemeinen Prinzipien der Rechtsordnung und der verfassungsmäßigen „Wertordnung“ stehen muss, sich aber trotzdem an einem über die immanente Teleologie des Gesetzes hinausgreifenden Rechtsgedanken orientiert und sich deshalb zwar „,extra legem‘, außerhalb der gesetzlichen Regelung, aber ,intra ius‘, innerhalb des Rahmens der Gesamtrechtsordnung und der ihr zugrunde liegenden Rechtsprinzipien“ (S. 414), vollzieht. 980 Hubmann, Wertung und Abwägung im Recht, S. 8. 981 Hubmann, Wertung und Abwägung im Recht, S. 14. 982 So Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 133. 983 Zur historischen Entwicklung des Ansatzes von Vilfredo Pareto vgl. Blum, Volkswirtschaftslehre, S. 62 f.; zum Pareto-optimum oben, 1. Kap. § 2 B) II.3. 984 Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, S. 7.
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sondern die auch von Bydlinski erkannten Rechtsprinzipien die systembildenden Faktoren darstellen, diese aber letzthin am problematischen Fall entwickelt werden, so kristallisiert sich rechtsmethodisch die Gesetzesanwendung tatsächlich als Falsifizierung, als typisierte Situationsanalyse eines gesetzgeberischen und allgemeinen Lösungsvorschlages heraus.985 Diese Einordnung des Gesetzes und der juristischen Methodenlehre weist jedoch, wie eingangs zugrunde gelegt,986 eine große Nähe zur Institutionenökonomik auf, die ebenfalls einen evolutorischen Ansatz verfolgt und gerade Modelle solcher Systembildung zu erklären versucht.987 Damit kann sie der Jurisprudenz aber wertvolle Vorarbeit bei der Lösung ihrer ureigensten Aufgabe der Problemlösung mit größtmöglicher Rationalität sein.988 Will die Ökonomik diesen Ansatz aufgreifen und im Recht tatsächlich Ziele setzen,989 anstatt sie ausschließlich zu analysieren, so muss sie allerdings normativ ansetzen und sich in die Nomenklatur juristischer Auslegungsmethodik einfügen,990 anstatt diese nur einer ökonomischen Kritik zu unterziehen. Diesen normativen Ansatz, der ihrer Disziplin eigentlich fremd ist,991 verfolgt die Ökonomik im Recht jedoch, wenn sie das in der Jurisprudenz zu lösende Problem auf Basis derselben Wertungsgrundlagen in seinen Ursachen und seiner Entstehung zu erklären vermag und hiermit die Tür für die Anwendung rechtlicher Wertungen und Wertungssysteme öffnet. Die Ökonomik wird damit nicht zu einem koranisierenden und die Rechtstechnik überlagernden System, sondern gleichsam zu einem Wegbereiter für die Anwendung juristischer Methodik durch Herstellung der notwendigen Rationalität zur Entscheidung des konkreten Falls anhand einer Einbettung des typisierten Sachverhalts in den gesamtwirtschaftli985
Ähnlich Larenz, Methodenlehre, S. 167, mit Hinweis auf Esser, a.a.O. Oben, 1. Kap. § 1 B) II.2. 987 Vgl. Backhaus, Recht aus der Sicht der evolutorischen Ökonomik, S. 1, 3: „Unter evolutorischen Gesichtspunkten interessiert uns also das Recht in seinem Wandel, insbesondere dann, wenn dieser Wandel als in einem System endogen ablaufend dargestellt werden kann. (…) Im Zentrum eines evolutorischen Ansatzes zur Erklärung des Rechts, und damit des rechtlichen Wandels, müssen stets die Transaktionskosten stehen.“. 988 Dazu ausführlich Engel, Rechtswissenschaft, S. 2 ff. 989 Der Begriff der ,Zielsetzung‘, wie er auch bei Tontrup, Ökonomik, S. 81, gebraucht wird, ist hier jedoch nur mit Vorsicht und Bedacht zu verwenden. Es geht nämlich nicht darum, der Rechtswissenschaft das ökonomische Effizienzziel überzustülpen; die Grenzen hierfür hat Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, bereits aufgezeigt. Es geht vielmehr darum, eine Integration der Methodenapparate herzustellen, die eine ökonomisch realitätsgerechte Anwendung der eigenständig juristischen Dogmatik erlaubt. 990 Tontrup, Ökonomik, S. 59. 991 Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 351: „Normative Aussagen aber muss man begründen. Man kann nicht einfach postulieren, dass X ein meritorisches Gut ist, ohne darzulegen, warum das so ist, warum Y kein meritorisches Gut ist und welche allgemeine normative Theorie meritorischer Güter man vertritt. Man kann nicht einfach verkünden, dass antisoziale Präferenzen ausgeschlossen werden sollen, ohne zu erklären, warum dem so sein soll, warum antiliberale Präferenzen nicht ausgeschlosssen sein sollen und welches die Maßstäbe sind, an Hand derer diese Fragen zu entscheiden sind. Man kann sich schließlich nicht einfach damit begnügen, wie Farrell eine soziale Entscheidungsfunktion zu ,konstruieren‘, in der es keine freiheitsgefährdenden externen Präferenzen gibt.“. 986
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
chen Kontext,992 der zwar keinen Einfluss auf die Autonomie der Rechtswissenschaft993 hat, den die Jurisprudenz allein, obwohl letzthin darauf angewiesen, systemimmanent weder zu entschlüsseln noch zu erklären vermag.994 Die Ökonomik wird so zu einem Legitimationsinstrument für die Auswahl und die Subsumtion der zur konkreten Problemlösung herangezogenen Auslegungsmethodik und erlaubt damit die falsifizierte Anpassung der normativen Wertungen an die Wirklichkeit. Auch wenn es nicht Aufgabe dieser Arbeit ist und sein kann, die Grundlagen des Rechts, seiner Ethik sowie der Rechtsmethodik und ihrer Systembildung und Systematik mit dem Ziel einer integrativen Rechtsökonomik zu reformieren, so lassen sich doch die vorstehenden Erwägungen zum Verständnis einer Ökonomik im Recht als integrativer Wegbereiter und Rationalisierungsfaktor für die Anwendung juristischer (Auslegungs-)Methodik jedenfalls für Fälle der Verstrickung durch Desinformation anschaulich verifizieren, wodurch die Legitimität ökonomischer Empirik und Rationalität im Recht überdies zugleich – jedenfalls für die Zwecke dieser Arbeit – legalisiert wird. II. Rechtfertigung einer Ökonomik im Recht am Beispiel der Verstrickung durch Desinformation Die Verstrickung durch Desinformation nimmt ihren Ausgang in Informationsasymmetrien. Solche Informationsasymmetrien sind in der zunehmenden Komplexität des wirtschaftlichen Umfeld und der arbeitsteiligen Organisation moderner Volkswirtschaften angelegt. Sie resultieren aus einer Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten und einem rationalen Vertrauen des schlechter Informierten. Die Rationalität solchen Vertrauens folgt vornehmlich aus dem anerkennenswerten Bestreben, Transaktionskosten gering zu halten.995 Allein soweit Informationsasymmetrien als Ergebnis der bisherigen Analyse systematisch in einer modernen auf wirtschaftliches Zusammenwirken ausgerichteten Gesellschaftsordnung angelegt sind, mögen sich im Geschäftsverkehr individualisierende Informationsdefizite als strukturelle Informationsdefizite bezeichnet wer992
Tontrup, Ökonomik, S. 116: „Letztlich diktiert also die hier gestellte Aufgabe die Notwendigkeit der Zusammenarbeit von Rechtsphilosophie und Ökonomik: die Integration des Wirklichkeitsbezuges des Rechts auf seine Zielebene. Dabei kann die Ökonomik den normativen Diskurs empirisch fundieren und ihn seine funktionalen Grenzen und Möglichkeiten lehren. Umgekehrt diskutiert die Rechtsphilosophie die elementaren Wertungen der normativen Fragestellungen. Mit der spezifischen Ausrichtung ihrer Methodik stellen also beide jeweils einen Teil des analytischen Instrumentariums, das die Bewältigung der Aufgabe verlangt.“. 993 Zu den Grundlagen und der Bedeutung der Autonomie der Rechtswissenschaft im Verhältnis zu ökonomischen Vorherigkeiten bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.5. 994 Vgl. dazu noch einmal anschaulich Engel, Rechtswissenschaft, S. 22 ff. 995 Vgl. nochmals Backhaus, Recht aus der Sicht der evolutorischen Ökonomik, S. 4: „Da nun die Chance, für eine bestimmte wirtschaftliche Handlung das Recht auch tatsächlich zu nutzen, von der relativen Höhe dieser Transaktionskosten abhängt, steht jedes Rechtssystem ständig unter dem Druck, diese Transaktionskosten wo möglich zu senken.“.
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den. Da aber die Information über den Transaktionspartner und den Transaktionsgegenstand für die Höhe der Opportunitäts- und der Risikoprämien entscheidend sind und diese wiederum die Bemessung der Zahlungsbereitschaft determinieren, wird aus einem strukturellen Informationsdefizit ohne die gebotene Aufklärung eine strukturelle Unterlegenheit des schlechter informierten Vertragspartners in der Verhandlungsbeziehung.996 Die etwaig nachfolgende Kooperationsvereinbarung leidet an einem Kooperationsmangel. Die Platzierung des ökonomisch wünschenswerten und effizienten Vertrauens in den Vertragspartner bewirkt die Gefahr einer Fehlallokation, wenn nicht die Rechtsordnung durch Kompensationsinstrumente die Realisierung der prospektierten Quasi-Renten noch ermöglicht oder eine Abwehr der Verstrickung zulässt. Der dem liberalen Wirtschaftsmodell der Verfasser des BGB zugrunde liegende Gedanke einer nahezu unbeschränkten (informationellen) Selbstverantwortlichkeit im Sinne einer Verantwortlichkeit für Fehler bei der Gestaltung der Rechtsverhältnisse nach eigenem Willen und einem durch diese eigenverantwortliche Vertragsgestaltung zwischen den als gleichstark gedachten Wirtschaftssubjekten zu erreichenden optimalen Interessenausgleich997 muss hierhinter zurücktreten. Denn einer strukturellen informationellen Unterlegenheit, die systemisch angelegt ist, muss auch aus dem System heraus begegnet werden.998 Mit dieser vorangestellten, nochmaligen und äußerst knappen Zusammenfassung der ökonomischen Dimension einer Verstrickung durch Desinformation liefert die Ökonomik in empirischer Rationalität und auf Basis eines in beiden Disziplinen identischen Wertegerüsts das Fundament für ein rechtsdogmatisches Einschreiten nicht zuletzt auch aber nicht allein auf der Basis von Gerechtigkeitserwägungen.999 Denn tatsächlich ist die strukturelle Unterlegenheit eines Ver996 Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 254, bezeichnet – ganz ähnlich der hier nachgewiesenen strukturellen Unterlegenheit – diese Funktion der Vertragsautonomie als ,materielle Selbstbestimmung‘, die auch in Fällen beeinträchtigt sei, in denen sich die Unterlegenheit eines Beteiligten erst während der Vertragsdurchführung auswirke, denn den Grund hierfür könne man darin sehen, dass dem bei Vertragsschluss nicht vorgebeugt wurde, sodass die Beeinträchtigung der Selbstbestimmung bereits im Vorgang der Bildung des Erklärungswillens angelegt sei. 997 Mit dieser Zusammenfassung des historisch-teleologischen Hintergrundes des informationellen Haftungskonzepts im BGB Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 35. 998 Auch Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger-BGB, § 123 Rz. 11, erkennen die strukturelle Überlegenheit des Informationspflichtigen als pflichtenbegründend und betten diese in das dort dargestellte System von Aufklärungspflichten und damit der Abwehr von Verstrickungslagen ein. 999 So hat bereits Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S. 292 f., die Ergebnisse seiner Habilitationsschrift wie folgt zusammengefasst: „Zu den Grundlagen des Vertragsrechts gehören die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung. Weil die Rechtsordnung das Prinzip der Selbstbestimmung anerkennt, finden auch die in Ausübung der Selbstbestimmung getroffenen Vereinbarungen rechtliche Anerkennung. Die selbstbestimmten Vereinbarungen sollen einen gerechten Ausgleich im Verhältnis der Parteien verwirklichen helfen. Um dieses Ziel zu erreichen, darf den selbstbestimmten Vereinbarungen zwar nicht erst dann rechtliche Anerkennung zuteil werden, wenn ein gerechter Interessenausgleich tatsächlich erreicht ist. Damit wäre das Prinzip der Selbstbestimmung aufgegeben. Die Rechtsordnung muss aber die Voraussetzungen schaffen, unter denen die Parteien in freier Selbstbestimmung einen gerechten Ausgleich finden können. Sie muss den Weg für einen gerechten Interessenausgleich für beide
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
tragspartners in einer Verhandlungs- und Vertragsbeziehung nicht nur mit ökonomischen Wert- und Wertevorstellungen nicht vereinbar,1000 sondern auch an anderer Stelle auf Grundlage konstitutionell-rechtlicher Wertungen zum Einfallstor für die Auslegung einfachgesetzlichen Rechts gemacht worden, das in wertender Jurisprudenz der Vervollständigung des gesetzgeberischen Lösungsvorschlages bedarf.1001 Zum Schutz des in der Verhandlungssituation aus familiär-emotionalen Gründen strukturell unterlegenen Bürgen hat das Bundesverfassungsgericht1002 im Interesse Sicherung einer grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie für beide Vertragspartner den Gerichten die Pflicht zur Inhaltskontrolle von Verträgen auferlegt, „die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind.“1003 Weiter führt das BVerfG aus: „Hat einer der Vertragsteile ein so starkes Übergewicht, dass er den Vertragsinhalt faktisch einseitig bestimmen kann, bewirkt dies für den anderen Vertragsteil Fremdbestimmung.“1004 Diesen Schluss zieht das BVerfG daraus, dass sich im Vertragsrecht der sachgerechte Interessenausgleich zwischen den Beteiligten und damit die Auflösung der praktischen Konkordanz gegenläufiger Ziele aus dem übereinstimmenden Willen beider Vertragspartner ergebe. Soweit jedoch „eine typisierbare Fallge1000 Parteien offenhalten, ohne sie auf diesen Weg zu zwingen. Wo die dazu erforderlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind, kann die selbstbestimmte Vereinbarung keine Anerkennung finden. Diese Verbindung zwischen Selbstbestimmung und gerechtem Interessenausgleich ist unverzichtbarer Minimalbestand einer um Gerechtigkeit bemühten Rechtsordnung.“ Das Verhältnis von Selbstbestimmung und gerechtem Ausgleich, wie Wolf es anführt, entspricht weitgehend dem hier zugrunde gelegten Verhältnis von informatorischer Durchdringung des vertraglichen Umfeldes und der darauf gründenden Ausbildung der Zahlungsbereitschaft. Kommt es zu informatorischen Störungen der Vertragsgrundlage, erfordern Gerechtigkeitserwägungen ein Eingreifen und einen Ausgleich. 1000 Zöpel, Ökonomie und Recht, S. 135, weist zu Recht darauf hin, dass der individuelle Freiheitsgedanke, der in Fällen struktureller Unterlegenheit betroffen ist, schon das Leitmotiv der ökonomischen Theorie bei den Physiokraten gewesen ist und es bis heute geblieben sei: „Das naturrechtliche Grundaxiom der individuellen Freiheit war und ist dabei immer eine Wertvorstellung, die gar nicht als solche bestritten wird, es dient aber auch der theoretischen Erklärung ökonomischer Zusammenhänge bzw. ökonomische Theorie soll die Notwendigkeit von Freiheit zu beweisen in der Lage sein.“. 1001 Dieser Gleichlauf von ökonomischer Werbung und rechtsdogmatischer Rechtfertigung auf grundsätzlicher Ebene zeigt den Stellenwert und die Bedeutung, welche die ökonomische Analyse im Zusammenspiel mit rechtstheoretischen Grundlagen erlangen kann, was auch Krimphove, Rechtstheorie 32 (2001), S. 497, bereits herausgestellt hat: „Verwunderlich erscheint, dass die Diskussion um den Stellenwert der Ökonomischen Analyse des Rechts bzw. der Ökonomischen Theorie des Rechts bis zum heutigen Tage lediglich in den Einzeldisziplinen der Rechtswissenschaft – vorwiegend des Vertrags- und Haftungsrechts sowie des Unternehmensrechts – erörtert worden ist, nie jedoch systematisch in dem Gesamtzusammenhang der Rechtstheorie. Dabei sind es gerade die Fragestellungen nach der ethischen Richtigkeit und materiellen Verbindlichkeit des Rechts, seiner Ableitung, Begründung, Anwendung und Auslegung sowie seiner gesellschaftlichen Wirkungsweise und Zweckmäßigkeit, welche für die Rechtstheorie typisch charakteristisch sind.“. 1002 BVerfG, Beschl. v. 19.10.1993, BVerfGE 89, 214; BVerfG, Beschl. v. 05.08.1994, NJW 1994, 2749. 1003 So in dem Leitsatz der Entscheidung BVerfGE 89, 214. 1004 So das Ende des ersten Orientierungssatzes in dem Beschluss BVerfGE 89, 214.
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staltung, die eine strukturelle Unterlegenheit des einen Vertragsteils erkennen lässt,“1005 vorliege, müsse die Zivilrechtsordnung Korrekturen ermöglichen, um die verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen zur Geltung zu bringen, die für alle Bereiche des Rechts gälten und sich durch das Medium derjenigen Vorschriften entfalteten, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschten.1006 Führt man sich dann noch vor Augen, dass auch das BVerfG1007 Information als hohes Gut anerkennt, und die Grundrechte im Allgemeinen nicht allein die Funktion von Abwehrrechten haben, sondern als Elemente objektiver Ordnung des Gemeinwesens1008 auch den Zweck erfüllen, privatrechtliche Institutionen zu garantieren und zu schützen,1009 folgt hieraus die Notwendigkeit des gesetzlichen Schutzes vor Verstrickungslagen, die aus einem informationellen und strukturellen Verhandlungsungleichgewicht der Transaktionspartner resultieren. Als Schutzinstrumentarium dienen die einfachgesetzlichen Institutionen des jeweils betroffenen Rechtskreises, zur Abwehr und Kompensation einer Verstrickung durch Desinformation und das ihrer Entwicklung zugrunde liegende, auch ökonomische Verständnis.1010 Betroffen sind hier deshalb die eingangs dargestellten Instrumente des 1005
BVerfGE 89, 214 (Tz. B) II.2 b), Rz. 54 [juris]). BVerfGE 89, 214 (Tz. B) I., Rz. 48 [juris]). 1007 Zwar hat das BVerfG dies bislang allein auf die konstitutionelle Informationsfreiheit als Grundlage für ein persönlich verantwortliches und freies Handeln bezogen, vgl. BVerfGE 27, 71, 81 f.: „Das Grundrecht auf Informationsfreiheit ist wie das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie. Erst mit seiner Hilfe wird der Bürger in den Stand gesetzt, sich die notwendigen Voraussetzungen zur Ausübung seiner persönlichen und politischen Aufgaben zu verschaffen, um im demokratischen Sinne verantwortlich handeln zu können“. Jedoch lassen sich diese Erwägungen auf die Aussage übertragen, die Grundwertungen der Verfassung wirkten auf alle Bereiche des Rechts und entfalteten sich jeweils durch das Medium derjenigen Vorschriften, die das jeweilige Rechtsgebiet unmittelbar beherrschten (BVerfGE 89, 214). Hieraus folgt dann, dass Information als verfassungsrechtliches Gut entscheidenden Einfluss auf die Ausübung der persönlichen Freiheit nimmt, dass also die Unterdrückung von Information in einer Verhandlungsbeziehung, die ihre praktischen Konkordanzen grundsätzlich durch einen übereinstimmenden Willen auflöst, zu einem strukturellen Verhandlungsungleichgewicht führt, das ein gesetzliches Einschreiten erfordert. 1008 BVerfGE 7, 198, 204 f. („Lüth-Urteil“). 1009 Ausführlich zu der Bedeutung der Verfassung für das Verbraucherschutzrecht und zu der Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte, als negativen Kompetenzvorschriften und als Institutionengarantien, aus denen sich wiederum staatliche Schutzpflichten ableiten lassen, Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 229 ff. 1010 BVerfGE 89, 214; die Verfassung gebietet somit also den Schutz von Normen, welche die Voraussetzungen privatautonomer Zivilrechtsgestaltung schaffen. In diesem Sinne schafft dann aber das Privatrecht erst die Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Grundrechten, vgl. Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 234, mit Hinweis auf Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 42, was die herausragende Bedeutung eines umfassenden institutionellen Verständnisses und damit für den hier angesprochenen Fragenkreis die herausragende Bedeutung des Vertrauens als Institution im Zusammenhang mit Verstrickungslagen noch unterstreicht und deshalb ein ausgeprägtes Verständnis von den Gründen für die Entstehung und den Möglichkeiten ihrer Verhinderung erfordert. Dies ist aber, wie gesehen, ohne eine ökonomische Erklärung der Zusammenhänge kaum möglich. Soweit deshalb ein verfassungsrechtlicher Institutionenschutz geboten ist, spricht deshalb viel dafür, diesen Schutz auch auf die ökonomische Erklärung der betroffenen Institutionen auszudehnen. 1006
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
allgemeinen Teils und des Schuldrechts.1011 Einfallstor für die Einbeziehung des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes kann hierbei dann zum einen die Auslegung der jeweiligen tatbestandlichen Anforderungen, kann zum anderen die Abstimmung der Vorschriften aufeinander, also die Anpassung der Konkurrenzen an das aus wirtschaftlichen Gegebenheiten resultierende und strukturelle Schutzbedürfnis in einer typisierten Transaktionsbeziehung sein.1012 Dass bei der Bestimmung der Schutzziele ökonomische Erwägungen vorgreiflich sind, schadet aus rechtsdogmatischer Sicht nicht.1013 Die Wertungen, auf deren Grundlage das Fundament eines Schutzes privatautonomer Gestaltung wirtschaftlicher Verhältnisse bei strukturellen Informationsdefiziten ökonomisch errichtet wurde, um rechtsdogmatische Institutionen zu tragen, allen voran den Vertrauensschutz, genießen uneingeschränkte Akzeptanz in beiden Disziplinen. Gerade aber das juristische Auslegungsinstrumentarium, mit dessen Hilfe Wertungen, wie z.B. der Vertrauensschutz, Einzug in die Entscheidung des konkreten Falls halten können, ermöglichen erst die Berücksichtigung der ,besonderen Umstände des Einzelfalls‘ und dienen damit zugleich „als Einbruchstelle außerrechtlicher – z.B. sozialer oder ethischer – Wertungen. Davon, dass sie im Gesamtbau der Rechtsordnung ,planwidrig‘ seien, kann daher keine Rede sein“.1014 Wie gesehen, lässt sich mit der ökonomischen Methodik und den mit ihrer Hilfe extrapolierten Ursachen und Voraussetzungen einer Verstrickung durch Desinformation auf Grundlage einer typisierten Falsifizierung somit unmittelbar an den Schutz der freiheitlichen Grundordnung anknüpfen. Diesen Schutz auch tatsächlich zu gewährleisten, darf nicht davon abhängen, ob das Schutzbedürfnis und die Möglichkeiten, seiner Verursachung zu begegnen, disziplinenübergreifend, aber
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Oben Einl. § 3 C). Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 253 ff., entwickelt aus seinen verfassungsrechtlichen Ableitungen ein ,Grundrecht des Verbrauchers auf wirtschaftliche Selbstbestimmung‘, dessen Schutzbereich ihm die grundsätzliche Zuständigkeit zuweise, selbst darüber zu bestimmen, welche auf dem Markt angebotenen Waren und Leistungen er in welchem Umfang und aus welchen Beweggründen beziehe. Ebenso habe der Verbraucher selbst zu entscheiden, welche Gefahren er einzugehen bereit sei. Dem Grundrecht auf wirtschaftliche Selbstbestimmung entspräche es deshalb, dass sich der Verbraucher aus allen ihm am Markt angebotenen Quellen (Werbung) über das Angebot informieren könne. Entstehen aber bei der Ausübung dieser wirtschaftlichen Informationsfreiheit in modernen Volkswirtschaften strukturell angelegte Informiertheitsillusionen und als Folge hieraus Verstrickungslagen, die ökonomisch und rechtsmethodisch wertungskongruent zu erklären sind, so beinhaltet das von Drexl, a.a.O., entwickelte Grundrecht auf wirtschaftliche Selbstbestimmung auch einen Leistungsanspruch an die Rechtsordnung, dem entgegenzuwirken. 1013 Im Gegenteil: Eine solche Integration der Ökonomie in das juristische Selbstverständnis wurde bereits 1891 von Levin Goldschmidt in dessen Universalgeschichte des Handelsrechts, vertreten, wie nur ein Zitat daraus (§ 4 S. 33), belegen soll: „Alles positive Recht ist äußere Entfaltung und Anerkennung der den jederzeitigen Lebensverhältnissen (Tatbeständen) immanenten natürlichen Rechtsnormen“. Die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten waren für Goldschmidt ein Ideal, an dem tradierte Rechtsgestaltungen gemessen werden könnten und sollten, vgl. dazu Schön, in: FS K. Schmidt zum 70. Geburtstag, S. 1427, 1441. 1014 Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 28 f. 1012
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dennoch wertungskonsistent und deshalb intra ius1015 methodisch erfasst und so einer abstrahierenden und methodisch-dogmatischen Betrachtung überhaupt erst zugänglich gemacht wurden. Nochmals1016 ist deshalb herauszustellen, dass es bei alledem nicht um die Frage geht, ob ökonomische Effizienz ein Rechtsprinzip ist,1017 sondern vielmehr, ob angesichts einer zwischen den Diszpilinen herrschenden Methodenkonvergenz die juristische Methode berechtigt ist, sich innerhalb des Nexus ihrer Wertungen in Erscheinung tretende ökonomische Realitäten zu ignorieren.1018 Da aber die juristische Methode bei zutreffendem Verständnis gehalten ist, die gesetzgeberische Zielerreichungshypothese und damit den für ein Problem im wirtschaftlichen Umfeld der Normsetzung unterbreiteten gesetzgeberischen Lösungsvorschlag auf Basis einer verfassungskonformen Auslegung1019 fortzuentwickeln,1020 ist sie nicht nur denknotwendig von ökonomischen Realitäten beeinflusst, sondern kann sich eines rationalen Auslegungsapparates letzthin nur unter Einbeziehung wertungskonsistenter Ökonomik, die von ökonomischen Ordnungszielen, wie z.B. der Lenkung zu größtmöglicher Allokationseffizienz zu unterscheiden ist, bedienen.1021 Es geht daher nicht um die Ausrichtung juristischer Methodik an übergeordneten ökonomischen Zielen;1022 es geht um ein Verständ1015
Vgl. nochmals Larenz, Methodenlehre, S. 413 f., wonach Rechtsfortbildung legal ist, soweit sie sich „innerhalb des Rahmens der Gesamtrechtsordnung und der ihr zugrunde liegenden Rechtsprinzipien“ vollzieht, was hier mit dem auch ökonomischen Rekurs auf das als Rechtsprinzip anerkannte Vertrauen der Fall ist. 1016 Bereits oben 1. Kap. § 2 A) I. 1017 Zur Erinnerung: Fezer, JZ 1986, 817, 823, lehnt dies entschieden ab, Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 450, beurteilt die Frage sehr zurückhaltend und sieht hierin allenfalls ein legislatives Mandat. 1018 Auch Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 330 ff., verweigert sich des Einzugs ökonomischer Argumente in die juristische Auslegung nicht und hält die Wertung der Zweckmäßigkeit für das Einfallstor der Wahl. 1019 Vgl. dazu Sachs, in: Sachs, GG, 32 vor Art. 1. 1020 Dass eine solche Fortentwicklung zwingend erforderlich ist, weil Sprache porös ist, sich nämlich sprachliche Begriffe allein durch eine Entwicklung des Kontextes ändern, in den sie eingebettet sind, und deshalb auch eine noch so klare gesetzgeberische Begrifflichkeit judikative Auslegungs- und Rechtsfortbildungskompetenzen ebensowenig vermeiden kann, wie sie sie vermeiden sollte, hat Kirchner, in: FS Schäfer, S. 37, 38 ff., darauf sei hier noch einmal verwiesen, eindrucksvoll dargelegt. 1021 In ähnlicher Weise versteht auch Riha, Ökonomische Analyse, S. 23 f., das bei ihm zugrunde gelegte Verständnis des Verhältnisses von Recht und Ökonomik: „Das verbindende Element zwischen Recht und Ökonomie bildet der Sinn des Gesetzes. Dieses formt auf der einen Seite einen zentralen Aspekt der juristischen Auslegung, auf der anderen Seite erschließt sich der Sinn eines Gesetzes oftmals nur durch den Blick auf die hinter der Regelung stehenden ökonomischen Zusammenhänge. (…) Bezieht man die ökonomische Analyse des Rechts über den Aspekt der teleologischen Auslegung in das Recht ein, so tritt sie in Beziehung zu anderen juristischen Auslegungsmethoden.“. 1022 So ist es denn auch eine Frage, wie man die Ziele der ökonomischen Analyse im Recht – wobei ich bewusst nicht von einer ökonomischen Analyse des Rechts spreche – definiert. Krimphove, Rechtstheorie 32 (2001), S. 497, 498, liefert hier den richtigen Ansatz: „Ziel der Ökonomischen Analyse des Rechts ist die Anwendung wirtschaftswissenschaftlicher Fragestellungen und Methoden zur (…) Ableitung der Legitimität von Recht. Die Ökonomische Analyse des Rechts ist somit keine hermetische, son-
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nis1023 der für die juristische Auslegung vorgreiflichen methodischen Rationalität,1024 ein Verständnis des Ursprungs des zu lösenden Problems und um ein Verständnis des mit der Auslegung zu erreichenden Schutzziels,1025 das zwar der Ökonomik entlehnt, mit den Rechtsprinzipien der Wertungsjurisprudenz jedoch kongruent ist1026 und deshalb einen entsprechenden verfassungsrechtlichen Schutz auch dann genießt,1027 wenn und soweit das Grundgesetz mit seiner offenen Wirtschaftsverfassung eine unmittelbare Verpflichtung der Gesetzgebung und Gesetzesanwendung gegenüber dem ökonomischen Effizienzziel nicht gebietet.1028 Es soll im Ergebnis auch nicht das ökonomische Effizienzziel die Auslegung determinieren; es determiniert vielmehr das unbewusste Streben der am Marktgeschehen beteiligten Akteure nach effizienten Lösungen den auszulegenden Sachverhalt. Abstrahiert bedeutet dies, dass nicht die Ökonomik die Jurisprudenz determiniert. Sie kann dies nicht und sie tut dies nicht. Es adaptiert aber die richtig verstandene Jurisprudenz ökonomische Ergebnisse als Einfallstor für die Anwendung ihrer ureigensten Methoden. Die juristische Auslegungsmethodik hat sich im Ergebnis also rechtspraktisch lediglich an dem mithilfe ökonomischer Methoden nicht nur entschlüsselten, sondern gleichsam typisiert entmystifizierten Sachverhalt zu orientie1023 dern eine interdisziplinäre Wissenschaft. Ausgangspunkt der Verbindung zwischen Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaften ist die Erkenntnis, dass wirtschaftswissenschaftliche Methoden auf rechtliche Begründungen sowohl auf Normen und deren Auslegung, als auch auf Urteile anzuwenden sind.“. 1023 Und ein solches Verständnis ist Grundlage auch der sich auf eine moderne Hermeneutik stützenden Wertungsjurisprudenz, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.5, was ihm hier eine weitere Rechtfertigung verleiht. 1024 Auch Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 170, bezieht sich auf einen solchen Zusammenhang zwischen Recht und Ökonomik, beschreibt ihn jedoch in umgekehrter Wirkweise: „Weil sich die Schlussfolgerungen der ökonomischen Analyse nicht aus dem Recht unmittelbar ergeben, sondern erst aus dem daran anschließenden Verhalten einzelner, stellt das rationale, nutzenmaximierende Verhalten der Rechtssubjekte die notwendige Verbindung zwischen dem Recht und den ökonomischen Folgen her“. Drexl, a.a.O., S. 176 f., beschreibt sein Verständnis von einer ökonomischen Analyse des Rechts mit seinem Modell „normativer Effizienz“ zwar ähnlich integrativ, wie hier vorgeschlagen, wenn er mithilfe des Menschenbildes eines begrenzt-rationalen Nutzenmaximierers normative Bewertungen von Rechtsregeln im Lichte des Merkmals ökonomischer Effizienz für möglich hält, zugleich aber dem Recht die alleinige Entscheidung darüber vorbehält, welche Bedeutung der wirtschaftlichen Effizienz im Rahmen des Ausgleichs von Wertekollisionen zukommt, setzt hiermit aber auch eine Bewertung des Rechts an ökonomischen Zielvorstellungen voraus, anstatt, wie hier präferiert, eine ökonomische Ursachenforschung zur Grundlage juristischer Problemlösung zu machen. 1025 Dieses Verständnis einer Rechtsökonomik deckt sich weitgehend mit dem bereits von Coase, Soziale Kosten, S. 169, formulierten Anspruch, „(…) dass die Gerichte die ökonomischen Konsequenzen ihrer Entscheidungen verstehen und dass sie – insofern dies möglich ist, ohne zu viel Ungewissheit über die rechtliche Position selbst zu erzeugen – diese Konsequenzen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen (…)“ mögen. 1026 Vgl. dazu bereits oben die Ausführungen zur Auslegungsmethodik in einer autonomen Rechtswissenschaft, 1. Kap. § 2 C) I.5. 1027 Dazu noch einmal umfassend Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S. 218 ff.; vgl. im Zusammenhang mit einer ökonomischen Untersuchung der Existenzgefährdungshaftung Hölzle, DZWIR 2007, 397, 403 f. 1028 Insoweit Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 443 ff.
§ 3 Ergebnisse des 1. Kapitels
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ren. Täte sie dies nicht, wendete sie ihre Methoden auf fiktive, weil nicht in ihrem Ursprung und damit nicht in ihrer gesamten Komplexität erfasste Sachverhalte an und könnte damit erstens weder zu richtigen noch zweitens zu Ergebnissen mit gesellschaftlichem Akzeptanzpotenzial gelangen.1029 Es folgt hieraus letztlich, dass das Verhältnis der Disziplinen zueinander nach alledem nicht einer – von Juristen gefürchteten und nicht zu unrecht zurückgewiesenen – Vorrangigkeit ökonomischer Effizienzziele vor der Rechtsmethodik und Rechtsethik, wohl aber in einer – allein, aber deshalb nicht minder beachtlichen – tatsächlichen Vorherigkeit der Ökonomik vor der Jurisprudenz besteht. Sich dieser Vorherigkeit als hermeneutischem Ausgangspunkt juristischer Auslegungsdogmatik zu verweigern, fehlt es sowohl an einem Grund als auch an einem anerkennenswerten methodologischen Bedürfnis.1030
D) Ausblick Soweit nun die ökonomischen Grundlagen zur Erklärung des Phänomens Verstrickung, das neben dem jurisitischen, vor allem auch als gesellschaftlich-marktwirtschaftliches Problem erkannt worden war,1031 gelegt worden sind und hierbei zu erkennen war, dass sich nicht vorrangig die juristische Lösung an dem ökonomischen Ziel transaktionskosteneffizienter Gestaltung im Sinne einer Suprematie der Ökonomik zu orientieren hat, sondern vielmehr das rationale Bestreben nach subjektiv-marktwirtschaftlich effizientem Handeln und ein daraus folgendes ebenso rationales wie effizientes Vertrauen als Ursache der Verstrickung durch Desinformation herausgestellt werden konnte, hat sich die Auslegung der zu ihrer Abwehr und Kompensation zur Verfügung stehenden rechtlichen Institutionen an dieser rechtstatsächlichen Vorherigkeit auszurichten, ohne dass hiermit die Aufgabe des Autonomieanspruchs der Rechtswissenschaft auch nur im Ansatz verbunden wäre. 1029 Freilich funktioniert die Rechtsprechung in weiten Teilen, auch ohne dass die hier beschriebene Vorherigkeit ökonomischer Wertungen beim Namen genannt würde. Dies liegt aber nicht zuletzt daran, dass eine Vielzahl von Normen und Institutionen den hier herausgestellten Mechanismus gleichsam intuitiv berücksichtigen, ohne ihn erkannt oder jedenfalls beim Namen genannt zu haben, weil zu einem Großteil der Natur der Sache entspringt. Eine Vielzahl von Entscheidungen bildet dafür einen Beleg, wie z.B. die ausführliche Nachzeichnung der Entwicklung und Begründung von Schutznormen im Vertragsrecht mit den dort genannten Rechtsprechungsbeipielen bei Schäfer, Schutznormen im Vertragsrecht, G.W.P. Law and Econ. 21 (2002), S. 1 ff., zeigt. Ein ,Eingreifen‘ ist daher nur dann und insoweit erforderlich, wie diese intuitiven Mechanismen im Einzelfall versagen oder institutionell nicht ausreichend Berücksichtigung finden. 1030 Eindrucksvoll Garoupa, in: FS Schäfer, S. 51, 56: „For me, it is clear that Law and Economics is an important instrument for assuring independence of judiciary as well as making the judges more accountable to the community. Law and Economics is an instrumental methodology, it is not a substitute for existing legislation or laws, but it can and it must help the judiciary to fill a new role when judicialization is here to stay.“. 1031 Oben Einl. § 4.
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1. Kapitel: Grundlagen und Ableitungen aus der Rechtsökonomik
Es sind also die Folgen einer Informations- oder Offenbarungspflichtverletzung in ihrer rechtlichen Dimension, jedoch stets mit einem zwischen der Rechtsdogmatik und den die bis hierher gefundenen rechtsökonomischen Ergebnissen pendelndem Blick zu untersuchen und es ist zu fragen, wie sich eine Verstrickung durch Desinformation in der Rechtswirklichkeit niederschlägt, was wiederum die Auslegung der diesen so festgestellten Sachverhalt einer rechtlichen Ordnung unterwerfenden Normen determiniert. Die Untersuchung wird am Beispiel des Kaufvertragsrechts erfolgen. Die bis hierher ausgebreitete und weit aufgefächerte theoretische Grundlage mag auf den ersten Blick zwar unnötig weit gefasst zu sein erscheinen, um hieraus Ableitungen allein für das Kaufrecht zu bilden und mag zunächst den Eindruck erwecken, dass die Erörterung der Anwendungsfragen im Umfang deutlich hinter der Erarbeitung des theoretischen Fundaments zurückbliebe. Demgegenüber eignet sich das Kaufrecht für eine falsifizierte Umsetzung der erarbeiteten theoretischen Grundlagen nach der Reform des Schuldrechts deshalb in herausragender Weise, weil der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes besonderes Augenmerk auf die Verzahnung des Kaufvertragsrechts mit dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht gelegt hat.1032 Ableitungen, die aus dem hier entwickelten theoretischen Grundgerüst eines interdisziplinären Ansatzes für das Kaufvertragsrecht vorgenommen werden, eigenen sich infolge der durch diese Verzahnung entstandenen breiten rechtsdogmatischen Grundlage des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts häufig auch für eine Verallgemeinerung oder jedenfalls für einen dogmatischen Transfer auch in andere Teilbereiche des Rechts. Darüber hinaus bietet das Kaufrecht mit seinem breiten Fächer vom stark typisierten Alltagsgeschäft bis hin z.B. zum äußerst individualisierten und stark ausdifferenzierten Recht des Unternehmenskaufs1033 ein breites Fundament an Präjudizienbestand, der zur Überprüfung gefundener Ergebnisse in besonderer Weise einlädt. Das Kaufrecht, aus dem nicht nur wesentliche Impulse für die Schuldrechtsreform im Ganzen hervor gegangen sind, sondern das im Wesentlichen auch Anlass für die Reform insgesamt war,1034 wird daher auch im Folgenden als Falsifizierungsmaßstab herangezogen. Anhand seiner Institutionen wird die Funktionsweise des hier zugrunde gelegten Ineinandergreifens rechtsdogmatischer und ökonomischer Instrumentarien überprüft. 1032
So anschaulich Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rz. 465: „Damit wird zugleich ein wesentliches systematisches Ziel der Reform des Leistungsstörungsrechts, nämlich der ,Wegfall eines besonderen Gewährleistungsrechts beim Kauf “ verwirklicht: Die kaufrechtliche Gewährleistung für Sach- und Rechtsmängel ,dockt‘ einheitlich an das allgemeine Leistungsstörungsrecht an und geht weitestgehend in ihm auf. Das Gewährleistungsrecht wird damit vom ,lästigen Fremdkörper‘ zu einem Anwendungsfall der allgemeinen Regeln über die Nichterfüllung bzw. Schlechterfüllung.“. 1033 Vgl. zum Unternehmenskauf nach der Schuldrechtsreform ausführlich Triebel/Hölzle, BB 2002, 521 ff. 1034 Haas, in: Das neue Schuldrecht, S. 166.
§ 3 Ergebnisse des 1. Kapitels
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Den Ausgangspunkt bildet hierbei zunächst das kaufvertragliche Gewährleistungsrecht mit seinen – inzwischen – überwiegend an das allgemeine Schuldrecht anknüpfenden Institutionen. Denn die Verstrickung bewirkt eine – jedenfalls subjektive – Veränderung der sozial-ökonomischen Umweltbedingungen und stellt deshalb eine Abweichung der Ist- von der vorgestellten und für die kooperativ festgelegte Zahlungsbereitschaft maßgeblichen Soll-Beschaffenheit dar. Das Gewährleistungsrecht dient damit gleichsam als ,Türöffner‘ für alle Formen der Abwehr und der Kompensation. Eine wesentliche Rolle hierbei wird neben dem Erhalt der nötigen Flexibilität in den Rechtsfolgen durch fortwährende Gewährung eines ius variandi die Reichweite der Kompensationsmöglichkeiten sein, die – wie gesehen1035 – bereits auf die Entstehung von Verstrickungslagen zurückwirken kann. Das im einführenden Kapitel vorgestellte juristische Programm ist daher im Folgenden mit einem stets auch auf die ökonomischen Ursachen des Problems gerichteten Blick abzuarbeiten.
1035
Oben 1. Kap. § 2 C) II.
2. Kapitel
Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung durch Desinformation § 1 Einführung Die Verstrickung durch Desinformation setzt eine Informationsasymmetrie in der Verhandlungs- und in der nachfolgenden Vertragsbeziehung voraus. Solchen Informationsasymmetrien ist grundsätzlich durch die Statuierung von Aufklärungs- und Offenbarungspflichten zu begegnen.1 Juristisch ist das Bestehen solcher Aufklärungspflichten anerkannt.2 Richtigerweise ist hierbei im Rahmen vorvertraglicher Schuldverhältnisse von einer uneingeschränkten Wahrheitspflicht auszugehen, weshalb jede positive Falschinformation zunächst eine Verletzung vorvertraglicher Pflichten darstellt. Damit ist jedoch noch nichts über die Pflicht auch zur ungefragten Offenbarung von Informationen gesagt, die in der Rechtsprechung unter den eingangs dargestellten Voraussetzungen3 aber ebenso statuiert wird.4
1 Reichweite und Umfang solcher Käuferpflichten sind in der Rechtsprechung zunehmend ausgedehnt und überwiegend käuferfreundlich ausgestaltet worden, vgl. z.B. Langguth, DStR 2001, 1578 2 Bereits oben, Einl. § 3 B); Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 174 ff.; Rehm, Aufklärungspflichten, S. 240 ff., der insbesondere auf den ,Entgeltgedanken‘ zur vertragsimmanenten Begründung von Aufklärungspflichten zurückgreift und in der Vereinbarung über die Gegenleistung eine Zuweisung des Informationsrisikos erkennt, was der hier dargestellten ökonomischen Sichtweise nahe kommt, in seinem Ausgangspunkt aber etwas zu kurz greift, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc), dort insbesondere (1). 3 Oben Einl. § 3 B), dort insbesondere III. 4 So zutreffend mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 6. Grigoleit, a.a.O., S. 80 f., kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass der Grundkonzeption des BGB ein informationelles Vorsatzdogma zu entnehmen sei, dessen negative Aussagekraft zwar durch gegenläufige Tendenzen in der Rechtsentwicklung beschränkt werde, das aber dennoch dazu führe, dass informationelle Fahrlässigkeitshaftung hohen Ansprüchen an die tatbestandliche Begründung genügen müsse. Es sei von einem fortgesetzten Regel-Ausnahme-Verhältnis und im Ergebnis einer Gesetzeskorrektur auszugehen, weshalb das den restriktiven gesetzlichen Regeln zu entnehmende Zurückhaltungsgebot nicht untergraben werden dürfe. M.E. lässt Grigoleit hierbei jedoch unbeachtet, dass sich eine Informations- und daraus folgend eine Risikolastenverteilung unmittelbar aus den zugrunde liegenden vertraglichen Absprachen entnehmen oder, wie mit der Entgeltvereinbarung als Abbildung der Zahlungsbereitschaft, fingieren lässt, wodurch der gesetzgeberische Rahmen für die Informationslastenverteilung und ihre Rechtsfolgen auf Tatbestandsebene von vorneherein an Bedeutung hinsichtlich der Reichweite von Aufklärungspflichten und der Bestimmung eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses verliert.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Ökonomisch war das Bestehen von Aufklärungspflichten bestätigt worden.5 Anders als in der juristischen Ableitung wurden sie hier aber nicht mittelbar aus übergeordneten Prinzipien, sondern unmittelbar aus der Kooperationsbeziehung der Parteien und dem Zweck der dieser vorgelagerten Verhandlungsbeziehung abgeleitet, nämlich Informationsaysmmetrien aufzulösen und dem Vertrag sowie dem Vertragsgegenstand eine Soll-Beschaffenheit zuzuweisen, die zugleich eine Aussage über die Zuweisung von Informationslasten und -risiken ermöglicht.6 Kommunikationsfaktor für diese Zwecksetzung der Verhandlungsbeziehung und die schlussendlich getroffene Risikoabrede ist die Festlegung der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft der Parteien auf Grundlage eines abstrakt-statischen sowie gegebenenfalls eines konkret-dynamischen Vertrauens bereits in der Verhandlungs- und in der nachfolgenden Vertragsbeziehung. Es entsteht hieraus ein Äquivalenzverhältnis zwischen der kooperativ festgelegten Zahlungsbereitschaft und dem jeweiligen Anforderungskatalog an die von den Transaktionspartnern geschuldeten Leistungen, die unter den Begriff der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit zu subsummieren sind. Realisieren sich Risiken aus der Informiertheitsillusion (einer) der Parteien oder realisieren sich ganz allgemein Desinformationsrisiken aus der Verhandlungs- und der Vertragsbeziehung, so tritt eine Störung dieses Äquivalenzverhältnisses ein. Dieser Störung gilt es zu begegnen. Die Festlegung der Kooperationsbeziehung auf eine vertraglich vereinbarte Soll-Beschaffenheit der Transaktion im Allgemeinen und des Transaktionsgegenstandes im Besonderen führt damit zwanglos zunächst in das kaufvertragliche Gewährleistungsrecht. Ausgangspunkt und Einfallstor der kaufrechtlichen Gewährleistung ist stets ein festzustellender Fehler der Kaufsache. Im Fokus steht deshalb zuförderst die juristische Definition eines Mangels. Mit der Modernisiserung des Schuldrechts wurde der bis dorthin in seiner dogmatischen Struktur zum Teil umstrittene und insbesondere in seiner Abgrenzung zu den zugesicherten Eigenschaften konturenlose Fehlerbegriff7 individualisiert und wurde der subjektive Fehlerbegriff, der allein auf eine tatsächliche (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder eine typisierte (§ 434 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BGB)8 Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien abstellt, durch Erhebung in den Gesetzesrang geadelt.9
5
Oben 1. Kap. § 3 B). Nochmals oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc), dort insbesondere (1). 7 Vgl. zur Begründung der Ersetzung des § 459 BGB a.F. durch § 434 BGB Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 692 ff. 8 Auch § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, der eine Haftung des Herstellers und des Verkäufers für Werbeangaben begründet, beruht auf einer durch die Werbeangaben typisierten Beschaffenheitsvereinbarung, da eine ausdrückliche Einbeziehung der Werbeaussagen in die vertraglichen Absprachen einerseits nicht erforderlich ist, was in der Bezugnahme auf Satz 2 der Vorschrift zum Ausdruck kommt, und andererseits eine tatsächliche Kausalität der Werbeaussage für die Kaufentscheidung nicht nachzuweisen ist. Die Haftung für Werbeangaben beruht daher, ähnlich wie die Vertrauenshaftung des BGH (vgl. oben Einl. § 3 B) III.) auf einem normativen Schutz, also einem Vertrauendürfen des po6
§ 1 Einführung
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Es ist deshalb davon auszugehen, dass, soweit die Ist-Beschaffenheit des Transaktionsgegenstandes hinter der aus der kooperativen Parteivereinbarung zu extrahierenden Soll-Beschaffenheit zurückbleibt, sich also Desinformations- und Verstrickungsrisiken realisiert haben, und soweit deshalb vor dem Hintergrund der durch die Äquivalenzvereinbarung zugewiesenen Informationslast von einem Aufklärungsverschulden auszugehen ist, dies grundsätzlich die Anwendbarkeit der gewährleistungsrechtlichen Institutionen des Kaufvertragsrechts eröffnet. Die Abweichung der Ist- von der vertraglich implizit ausgehandelten Soll-Beschaffenheit nämlich beinhaltet ökonomisch stets eine Veränderung der dem Vertrag zugrunde gelegten sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen. Eine solche Veränderung der auf den Transaktionsgegenstand bezogenen Umweltbedingungen aber ist ohne große Anstrengung von dem weit auszulegenden Beschaffenheitsbegriff des § 434 Abs. 1 BGB gedeckt, da dieser gerade auch die Beziehungen des Kaufgegenstandes zu seiner Umwelt erfasst,10 soweit diese Bestandteil der Beschaffenheitsvereinbarung geworden sind.11 Der aufklärungsschuldige Vertragspartner ist aus diesem Grunde durch die von ihm provozierte, zumindest die von ihm nicht aufglöste Verstrickung nicht nur die Erfüllung einer Aufklärungslast im Vertragsanbahnungsverhältnis schuldig geblieben, sondern durch die in der Kooperationsvereinbarung zum Ausdruck kommende Definition der tatsächlich nicht erreichten Soll-Beschaffenheit auch die Erfüllung des Kaufvertrages selbst. Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz12 nämlich ist auch der Streit zwischen der Gewährschafts-13 und der Erfüllungstheorie14 zugunsten der Erfüllungs9 tentiell als schutzwürdig eingestuften Verbrauchers. Dies geht bereits zurück auf die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (R: 1999/44/EG v. 07.07.1999, ABIEG 1999 Nr. L 171 S. 12 ff.) selbst, die in Art. 2 Abs. 2 lit. a) bis d) vier gleichrangige Vermutungen zur Definition des Begriffs der „Vertragsmäßigkeit“ der Kaufsache aufstellt und hierbei in lit. d) den ausdrücklichen Hinweis auf Werbung als öffentliche Äußerungen über die Kaufsache enthält. Maßgeblich sind deshalb die legitimen Erwartungen des durchschnittlichen Käufers, unbeschadet der zu beweisenden Ausnahme, dass die Äußerungen für die Kaufentscheidung überhaupt nicht ausschlaggebend sein konnte, nicht die tatsächlichen Erwartungen des Käufers, vgl. dazu ausführlich Weiler, WM 2002, 1784, 1790 ff. 9 Der Beschaffenheitsbegriff geht hierbei über den früheren Fehlerbegriff deutlich hinaus, weil er sich nicht mehr auf Umstände beschränkt, die auf Dauer angelegt sind und den Wert der Kaufsache beeinflussen. Es widerspräche nämlich der gesetzgeberischen Intention, die durch die Subjektivierung des Gewährleistungsrechts gewonnene Privatautonomie durch eine Einengung des Beschaffenheitsbegriffs gleich wieder zu beschränken, vgl. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 304; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 524 f. 10 So z.B. ausdrücklich Grunewald, Kaufrecht, § 7 Rz. 7; vgl. außerdem Berger, JZ 2004, 276, 278 ff. 11 Ziegler/Rieder, ZIP 2001, 1789, 1794, empfehlen, die Mangelrelevenz beachtlicher Umweltbeziehungen im Vertrag zu definieren, was nicht zuletzt zu dem oben erörterten Fall Jacob & Youngs vs. Kent (vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (2)) zurückführen kann, in dem genau eine solche subjektive Vereinbarung in Bezug auf das sozial-ökonomische Umfeld der Vertragserfüllung getroffen und deshalb von der Kooperationsbeziehung der Parteien gedeckt worden ist. Anders als die Gegenauffassung McLaughlin’s hat das Urteil dies aber leider nicht hinreichend gewürdigt. 12 BT-Drs. 14/6040 (RegE). 13 Statt vieler Esser/Weyers, Schuldrecht, Bd. II, § 51 I, 1a. 14 Statt vieler Brox, Schuldrecht BT, 28. Aufl. 2001, § 5 I Rz. 58.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
theorie entschieden und ist die schon seinerzeit gegen die ständige Rechtsprechung des BGH15 opponierende Gewährschaftstheorie in dem Bestreben nach einer weitgehenden Aufgabe des bis dorthin zweigeteilten Leistungsstörungsrechts16 endgültig aufgegeben worden.17 Aus diesem Grunde hat der Verkäufer dem Käufer nach § 433 Abs. 1 BGB nicht nur Eigentum und Besitz an dem Kaufgegenstand (Satz 1), sondern diesen auch frei von Sach- und Rechtsmängeln (Satz 2) zu verschaffen. Soweit also in Fällen der Verstrickung durch Desinformation das Tor zur kaufrechtlichen Gewährleistung geöffnet ist, stellt sich die Frage, ob das Gewährleistungsrecht mit seinem Verweis in das allgemeine Leistungsstörungsrecht nicht dazu führt, dass die kaufrechtliche Gewährleistung gegenüber diesen vertragsübergreifenden Institutionen nicht noch allein Bedeutung wegen des Laufs der unterschiedlichen Verjährungsfristen hat18 und es einer Ausdifferenzierung von Aufklärungspflichten im Einzelnen überhaupt noch bedarf.19 Denn nach der Modernisierung des Schuldrechts und der damit verbundenen Einführung einer allgemeinen Schadensersatzhaftung auch im Kaufrecht einschließlich der in § 280 Abs. 2 BGB enthaltenen Beweislastumkehr steht zur Diskussion, ob eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Dogmatik der Konkurrenzverhältnisse zwischen den verschiedenen Gewährleistungsrechten auf der einen und übrigen Institutionen, wie etwa denen des Anfechtungs-, des Bereicherungs- und des Deliktsrechts überhaupt noch wissenschaftlichen oder praktischen Mehrwert liefert, der helfen kann, den berechtigten Abnehmerinteressen hinreichend gerecht zu werden.20 Dem könnte nämlich entgegen zu halten sein, dass das vermeintlich strenge Haftungsstatut, das § 437 BGB mit seiner Zusammenführung eines Rechts zur zweiten Andienung21 des Verkäufers einerseits und der umfassenden Schadensersatzhaftung22 andererseits begründen soll,23 die bisherigen Bestrebungen nach einer sachgerechten Haftungszuweisung entbehrlich macht.
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Vgl. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. Tiedtke, NJW 1995, 3081. Z.B. Boerner, ZIP 2001, 2264, 2265. 17 Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 524. 18 So z.B. Grunewald, Kaufrecht, § 7 Rz. 2. 19 So einleitend Derleder, NJW 2004, 969. 20 Jedenfalls aus dem Zusammenspiel materieller und prozessualer Erwägungen erkennen Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), S. 521 ff. ein dringendes und fortwährendes Bedürfnis solcher Auseinandersetzung. 21 Vgl. z.B. BGH, NJW 2005, 1348, 1350. 22 Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62 ff., diskutieren gar, ob es sich bei der Haftung des Verkäufers nach §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen der Beweislastumkehr und des daraus folgenden vermuteten Verschuldens um eine Garantiehaftung des Verkäufers handelt und entnehmen dem Erfüllungsversprechen, also dem Vertrag selbst, eine grundsätzlich immanente Garantie, was durch die klare Entscheidung des Gesetzgebers für die Erfüllungstheorie noch gestärkt werde. Dies kommt dem hier vertretenen ökonomischen Verständnis impliziter Vertragsbestandteile (oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc)) sehr nahe und zeigt, dass auch insoweit eine Methodenkonvergenz zwischen der Anwendung ökonomischer Prinzipien und der Jurisprudenz nicht fern liegt. 23 Vgl. statt vieler Putzo, in Palandt, BGB, § 434 Rz. 2. 16
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Dem ist hingegen nicht so!24 Die verbraucherorientierte Überarbeitung des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts und mit ihm die Verzahnung des Gewährleistungsrechts mit dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht hat zwar die Rechte des Abnehmers gestärkt; unklar und nicht hinreichend ausdifferenziert ist jedoch auch nach der Modernisierung des Schuldrechts das Verhältnis der auf den Ersatz von Verstrickungs-, Desinformations- und auch Mangelschäden gerichteten Abnehmeransprüche zueinander.25 In die Überarbeitung und Verzahnung des allgemeinen und besonderen Schuldrechts sind nämlich die quasivertraglichen, bereicherungsrechtlichen und deliktischen Parallelregelungen gerade nicht vollständig mit einbezogen worden.26 Überlagerungen und Konkurrenzen ergeben sich zunächst bei denjenigen Ansprüchen, die auf die Regulierung oder die Abwehr solcher Schäden gerichtet sind, die sich unmittelbar aus dem Minderwert des Vertragsgegenstandes selbst ergeben, die im Wesentlichen also aus dem Zurückbleiben der Ist-Beschaffenheit hinter der aus der Kooperationsbeziehung zu extrapolierenden Soll-Beschaffenheit des Kaufgegenstandes resultieren. Darüber hinaus bestehen Verwerfungen auch bei den Ansprüchen, die auf die Kompensation oder Abwehr einer solchen Verstrickung gerichtet sind, die Folge von negativen Einflussnahmen auf die freie Willlensbildung des Käufers ist27 und die beim ihm entstandene Vertrauensschäden regulieren sollen.28 Mögliche Überlagerungen ergeben sich daher sowohl innerhalb der kaufvertraglichen Vorschriften als auch außerhalb dieses engen Rahmens zu den Institutionen des allgemeinen Teils. In beiden Fällen stellt sich vorrangig die Frage, wie weit hierbei eine mögliche elektive Konkurrenz29 der Käuferrechte tatsächlich reicht. Sie ist 24 Die fehlende dogmatische Ordnung der Rechtsbehelfe im Einzelnen und ihres Verhältnisses zueinander ist einleitend, oben, Einl. § 3, bereits angeprangert worden. 25 So ausdrücklich z.B. Derleder, NJW 2003, 998 zur verbliebenen Reichweite eines ius variandi im Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts; insgesamt vgl. im Übrigen ders., NJW 2004, 969; Brors, WM 2002, 1780; mit einem Schwerpunkt auf die Anforderungen an den Nachweis und den Umfang eines Vertretenmüssens Lorenz, NJW 2002, 2497; mit ähnlichen Fragen bereits zum alten Schuldrecht Derleder, NJW 2001, 1161. 26 So einleitend Derleder, NJW 2004, 969. 27 Die Abgrenzung zwischen Vermögenseinbußen und einer Einflussnahme (allein) auf die freie Willensbildung hat der BGH im Jahre 1998 noch einmal bei der Differenzierung zwischen Vertragsaufhebungsansprüchen aus c.i.c., die einen nach der Differenzhypothese berechenbaren Schaden bereits tatbestandlich voraussetze, und der Anfechtung nach § 123 BGB in den Vordergrund gestellt, vgl. BGH, NJW 1998, 302 und dazu bereits oben Einl. § 3 C) II.3. 28 Einen Überblick über die Konkurrenzverhältnisse nimmt in vielen Lehrbüchern zum Kaufrecht breiten Raum ein, vgl. z.B. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 589 ff., 791 ff.; Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 90; Brox/Walker, Schuldrecht BT, Rz. 134 ff. An einer dogmatisch grundlegenden Aufbereitung fehlt es aber bis heute. 29 Die elektive Konkurrenz hat bislang, obwohl in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, keine gesetzliche Regelung erfahren. Ihr Ausgangspunkt liegt, wie bei der Wahlschuld nach § 262 BGB darin, dass der Gläubiger zweier alternativer Leistungen im Ergebnis nur eine der Leistungen fordern kann. Im Unterschied zu § 263 Abs. 2 BGB für die Wahlschuld erlischt der Anspruch auch auf die zweite, nicht gewählte Variante jedoch erst mit Erfüllung des gewählten Rechts durch den Schuldner
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
letztverbindlich noch nicht geklärt.30 Bedeutung hat die Frage nach einer elektiven Konkurrenz insbesondere auch für die Reichweite eines dem Käufer zuzugestehenden ius variandi31, also eines Wahlrechts, zwischen den Institutionen der kaufvertraglichen Gewährleistung und gegebenenfalls sogar anderer Institute wechseln zu können, wenn und soweit er, der Käufer, Bedarf hierfür erkennt.32 Es stellt sich also die Frage, inwieweit das Konkurrenzverhältnis der Institutionen zueinander auch eine Bindungswirkung an die einmal getroffene Wahl determiniert und welche Anforderungen in einem solchen Fall an die Wahl zu stellen sind.33 Die Beantwortung dieser Frage läuft jedenfalls in ihrem Ausgangspunkt auf eine Abgrenzung zwischen den Instituten der elektiven Konkurrenz und der Wahlschuld nach §§ 262 bis 265 BGB hinaus,34 darf hierin jedoch nicht stecken bleiben. Auf rechtsdogmatischer Ebene vollzieht sich die Auseinandersetzung mit dem Inhalt und dem Umfang der Haftung bei Verstrickung durch Desinformation nach alledem vornehmlich bei der Reichweite der einzelnen Käuferansprüche und deren Konkurrenzverhältnis zueinander. Die rechtsökonomische Zielvorstellung, die we30 gemäß § 362 BGB und nicht bereits mit der Ausübung des Wahlrechts, vgl. Büdenbender, AcP 205 (2005), S. 386, 390. Die Alternativität der Ansprüche bleibt bei der elektiven Konkurrenz daher so lange wie möglich erhalten, ohne dass der Gläubiger der alternativen Leistungen vor dem Eintritt der Erfüllung, also vor Verwirklichung dieser rechtsvernichtenden Einwendung seines Rechts, auch nicht anteilig, verlustig ginge. 30 Einen ersten Schritt in die Richtung der Anerkennung einer möglichst weitreichenden elektiven Konkurrenz hat jüngst der BGH, NJW 2006, 1198, entgegen der Entscheidung aus der Vorinstanz, vollzogen und festgestellt, dass der Käufer nicht an der einmal getroffenen Erfüllungswahl festgehalten werden kann, sondern es ihm jederzeit frei steht, ohne erneute Fristsetzung z.B. nach § 323 Abs. 1 BGB zurück zu treten; zustimmend Althammer, NJW 2006, 1179. 31 Dazu grundlegend Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt (Hrsg.), Schuldrecht, S. 411 ff.; Derleder, NJW 2003, 998; Wertenbruch, JZ 2002, 862; Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), S. 520 ff. 32 Die Frage gewinnt umso mehr an Brisanz, wenn man sich ein Urteil des BGH vom 19.11.2003 vor Augen führt, das zwar nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, jedoch noch zum BGB in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung ergangen ist: In seiner Entscheidung hat der BGH, NJW 2004, 1252 (BGHZ 157, 47 ff.), eine auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nach Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB gestützte Kaufpreisrückzahlungsklage für unzulässig erklärt, weil die Anfechtung erst nach Schluss der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung in einem wegen desselben Sachmangels zunächst geführten und rechtskräftig abgewiesenem Wandlungsprozess erklärt worden sei. Dies bewirkt jedenfalls die Gefahr der Aberkennung konkurrierender Ansprüche aus dem prozessualen Grundsatz ne bis in idem, was zumindest einer eingehenden Erörterung und Rechtfertigung bedarf, vgl. dazu Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), S. 522 ff. 33 Vgl. zur Bindung an Rücktritt und Minderung als Gestaltungsrechte auch Wertenbruch, JZ 2002, 862, zur Bindung an ein Erfüllungsverlangen Althammer, NJW 2006, 1179. 34 Die vom BGH, NJW 2006, 1198, in Bezug auf diese Frage gegebene Antwort, „Auf eine solche Befugnis des Gläubigers zur Auswahl [sog. elektive Konkurrenz], die dessen Rechte gegenüber dem vertragsbrüchigen Schuldner erweitert, sind die dem Schutz des Schuldners dienenden Vorschriften über die Bindung des Gläubigers an die Wahl [§ 263 Abs. 2 BGB] und über den Übergang des Wahlrechts auf den Schuldner nach fruchtloser Aufforderung an den Gläubiger zur Wahl [§ 264 Abs. 2 BGB] weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden“, scheint zwar eindeutig, beendet die Diskussion aber nur zum Teil, weil der BGH eine Vielzahl von Fragen ausdrücklich offen lässt und sich auf eine grundsätzliche Aussage zur Bindungswirkung einer einmal getroffenen Wahl auch im Bereich der von ihm angenommenen elektiven Konkurrenz der Käuferrechte letzthin nicht einlässt.
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§ 1 Einführung
resultiert aus
Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten
Desinformation
unproduktive Information
Reputation (=Vertrauenswerbung)
Risikoprämie
Amortisation
Zahlungsbereitschaft (kooperatives Äquivalenzverhältnis)
Höhere Informationslast wird demcheapest cost avoider vergütet
weckt / fördert
konkretes Vertrauen
Kostenübernahmerklärung, Teil der Reputationsaussage
abstraktes Vertrauen
in die Offenbarung
idR nicht abgegolten
konkrete Erwartungen
Verstrickung
produktive Information
Verkehrserwartung
Opportunitätskosten
Verlust von Quasi-Renten (idR pos = neg Interesse)
rechtliche Institutionen
Kompensation
Abwehr
Opportunitätskosten
Verlust von Quasi-Renten
§ 325 BGB
(idR pos. = neg. Interesse)
Kompensation
Abwehr
Nacherfüllung, § 439 BGB Quasi-vertraglich (c.i.c.)
VERTRAGLICH § 437 BGB
§ 119 BGB
§ 123 BGB
§ 281 BGB (gr. SchErs) Quasivertraglich
§ 281 BGB (kl. SchErs) § 284 BGB
§ 280 BGB
§ 325 BGB
§ 323 BGB
ius variandi
Abb. 9: Rechtliche Institutionen im Umfeld der Verstrickung durch Desinformation
280
2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
gen ihrer Vorherigkeit in Bezug auf die Rechtsdogmatik35 die Auslegung und die praktischen Konkordanzen determiniert, geht, ganz ähnlich, dahin, dem Abnehmer nach einer realisierten Fehlvorstellung, also nach einer Enttäuschung des transaktionsspezifischen Vertrauens den notwendigen Handlungsrahmen zu eröffnen, seine ursprüngliche Allokationsentscheidung den nun veränderten Verhältnissen anzupassen, also seine Zahlungsbereitschaft situationsbedingt an die veränderten sozial-ökonomischen Umweltbedingungen anzupassen und so die noch effizientest mögliche Ressourcenallokation vermittels des Vehikels der Haftungszuweisung herzustellen.36 Auch insoweit spielen deshalb die praktischen Konkordanzen und die Reichweite einer etwaig anzuerkennenden elektiven Konkurrenz innerhalb und außerhalb des Gewährleistungsrechts eine entscheidende Rolle. Die juristische Problemstellung und die ökonomische Zielsetzung vollziehen sich daher auch hier auf derselben Ebene, was nach einer gemeinsamen Lösung im Sinne des hier erörterten Zusammenwirkens beider Diszpilinen verlangt, eine solche jedenfalls aber nahelegt. Ein solches, in den Konkurrenzen und der Alternativität aufeinander abgestimmtes Rechtsfolgensystem zu entwickeln, das der Systematik des modernisierten Schuldrechts ebenso gerecht wird, wie rechtsökonomischen Anforderungen an eine effiziente Zivilrechtsordnung, ist weiteres Ziel dieser Arbeit. In den großen Rahmen ökonomischer Realitäten37 fügt sich diese Aufgabenstellung nahtlos ein (s. Abbildung 9).
§ 2 Vorrang der Vertragserfüllung – Das Recht zur zweiten Andienung A) Vorbemerkung zu Grundsatz- und Anwendungsfragen Wie im Rahmen der ökonomischen Analyse gesehen,38 ist es ökonomisch grundsätzlich effizient, den vertraglichen, aus dem Kooperationsverhältnis erwachsenen Erfüllungsanspruch zu stärken und nicht vorschnell auf eine vermeintlich effiziente Vertragsbegrenzung auszuweichen. Ein vorschnelles Abrücken von der Kooperationsvereinbarung und mir ihr von der pacta sunt servanda-Regel darf gerade nicht, auch nicht unter Rückgriff auf das wohlfahrtsökonomische Effizienzkriterium die Grundlagen des transaktionsspezifische Vertrauens und der darauf gründenden wechselseitigen Bestimmung der Zahlungsbereitschaft unterlaufen, die ihrerseits nämlich bei der Bestimmung vertraglicher Effizienz von herausragender Bedeutung sind. Lock in-Effekte spielen dabei nach dem hier 35
Dazu oben 1. Kap. § 3 C) II. Ebenfalls mit Bezug auf die „sozialökonomische Grundlage“ der Entscheidung des ent- bzw. getäuschten Käufers und mit einem Plädoyer für den Erhalt einer größtmöglichen Flexibilität des Rechts, Derleder, NJW 2003, 998, 1000. 37 Vgl. oben 1. Kap. § 3 B) mit Abb. 8. 38 Oben 1. Kap. § 2 C) I., insbesondere I.4 d). 36
§ 2 Vorrang der Vertragserfüllung – Das Recht zur zweiten Andienung
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zugrunde zu legenden informations- und vertrauensökonomischen Vertragsmodell39 eine nur untergeordnete Rolle. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz folgt im Ergebnis diesen ökonomischen Erwägungen und hat den kaufvertraglichen Erfüllungsanspruch nicht nur durch die Pflicht zur mangelfreien Erfüllung nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB, sondern auch durch die Kodifizierung eines diese Erfüllungspflicht fortschreibenden40 Nacherfüllungsanspruchs in §§ 437 Nr. 1, 439 BGB gestärkt.41 Dogmatisch handelt es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch um eine modifizierte Form des ursprünglichen und vertraglich bedungenen Erfüllungsanspruchs.42 Der Nacherfüllungsanspruch dient jedoch nicht allein dem Erfüllungsinteresse des Käufers, dass mit ihm auch nach einer erstmaligen mangelhaften oder Mangel behafteten Erfüllung weiter verfolgt werden kann, soll und muss, sondern schützt grundsätzlich auch die Interessen des Verkäufers, der die Gelegenheit eingeräumt erhält, den vereinbarten Kaufpreis im Wege einer ,zweiten Andienung‘ doch noch zu verdienen43 und darüber hinaus nicht mit – durch die Nacherfüllung revisiblen44 – Schadensersatzansprüchen belastet zu werden. Das Gewährleistungsrecht erfüllt überdies nicht allein eine Garantiefunktion zugunsten des Abnehmers, sondern gewährleistet auch zugunsten des Anbieters die Möglichkeit, sein Eigeninteresse an dem Erhalt einmal erworbener Reputation bestmöglich zu wahren.45 Weil der Nacherfüllungsanspruch den ursprünglichen Erfüllungsanspruch fortschreibt, genießt er zunächst und grundsätzlich Vorrang vor allen übrigen gewährleistungsrechtlichen und sonstigen Rechtsbehelfen bei mangelhafter Lieferung, was zu einer vorherigen Ausschlussprüfung führen muss, ehe auf andere Institutionen zurückgegriffen werden kann und darf.46 Dieser Vorrang ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut des § 437 BGB, der zunächst den Eindruck vermittelt, die dort genannten Rechte stünden gleichrangig nebeneinander, nur mittelbar, nämlich aus der auf Wunsch des Bundesrates47 im Gesetzgebungsverfahren noch eingefügten Passage „soweit die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und nichts anderes
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Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5) mit Abb. 6. Vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 289: „Da der Käufer nach § 433 I 2 mangelfreie Lieferung verlangen kann, muss er bei Vorliegen eines Mangels einen Anspruch auf Nacherfüllung haben.“. 41 Vgl. Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371 ff.; außerdem z.B. Putzo, in: Palandt, § 437 Rz. 2, wonach der Nacherfüllungsanspruch und das Recht zur zweiten Andienung dem Gesetzgeber als angemessene Lösung zum Ausgleich der wechselseitigen Interessen erscheint. 42 Statt vieler Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 408. 43 So einleitend Schroeter, NJW 2006, 1761. 44 Vgl. zur Abgrenzung zwischen dem ,einfachen Schadensersatz‘ nach § 280 Abs. 1 BGB und dem Schadensersatz wegen Nichterfüllung nach § 280 Abs. 1, 3 i.V.m. §§ 281 ff. BGB nach der Vermeidbarkeit des Schadens durch Erbringung der Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt vgl. ausführlich oben Einl. § 3 C) III.1 a). 45 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 c) bb). 46 In diesem Sinne ausdrücklich Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 291 a.E.: „Er ist also stets vor anderen Mängelbehelfen zu prüfen.“. 47 BT-Drs. 14/6857, S. 25. 40
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bestimmt ist“.48 ,Etwas anderes‘ in diesem Sinne ist bei den übrigen – kaufrechtlichen – Rechtsbehelfen nämlich in der Weise bestimmt, dass diese allesamt, die bestehende Möglichkeit (§§ 440, 275 BGB) und die Bereitschaft des Verkäufers (§§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB) zur Nacherfüllung vorausgesetzt, von einer vorherigen Fristsetzung abhängig sind, was sich für den Rücktritt und den Schadensersatz unmittelbar aus § 323 Abs. 1 BGB bzw. § 281 Abs. 1 BGB und für die Minderung nach § 441 BGB daraus ergibt, dass diese mit der tatbestandlichen Anforderung „statt zurückzutreten“ in § 441 Abs. 1 BGB auf ein bestehendes Rücktrittsrecht und damit auf die tatbestandlichen Anforderungen des Rücktritts zurück greift.49 Mit der Wahrnehmung seines Rechts zur zweiten Andienung, mit der Bereitschaft zur ordnungsmäßigen Leistung auf den Nacherfüllungsanspruch also suspendiert der Verkäufer daher grundsätzlich die Befugnisse des Käufers aus anderen gewährleistungsrechtlichen Institutionen, jedenfalls aber zunächst aus § 437 Nr. 2, 3 BGB für den Zeitraum, der ihm als angemessene Frist für die Mangelbeseitigung nach § 439 Abs. 1 BGB zur Verfügung steht.50 §§ 437 Nr. 1, 439 BGB begründen deshalb einen ersten Wall, den es grundsätzlich zu nehmen gilt, ehe sich andere Optionen zur Abwehr oder zur Kompensation von Verstrickungslagen auftun, wobei jedoch selbstverständlich während des Nacherfüllungszeitraums eintretende Verzögerungsschäden vom Verkäufer zu ersetzen sind.51
B) Einbettung in das Rechtsfolgensystem der Verstrickung durch Desinformation I. Von einem sozial-ökonomisch geprägten Rechtsempfinden zur Evolution des Nacherfüllungsanspruchs In der ökonomischen Ableitung war davon ausgegangen worden, dass Raum für einen effizienten Vertragsbruch grundsätzlich solange nicht besteht, wie der auf die Abwicklung und der diese störende Umstand entweder bereits auf abstrakttypisierter oder demgegenüber erst auf konkret-individualisierter Ebene zum Gegenstand der Kooperationsvereinbarung und damit zum Gegenstand der vertraglichen Risikozuweisung gemacht worden ist.52 Soweit nämlich von einer solchen Internalisierung der Erfüllungsrisiken ausgegangen werden kann, hat sich der 48
Ebenso D. Schmidt, in: PWW, BGB, § 437 Rz. 15. Vgl. zum vorherigen Fristsetzungerfordernis allgemein statt vieler Grunewald, in: Erman, BGB, § 437 Rz. 2 f.; Berger, in: Jauernig, BGB, § 437 Rz. 4; Putzo, in: Palandt, BGB, § 437 Rz. 4. 50 Büdenbender, in: AnwKomm, § 437 Rz. 6. 51 Diese Ansprüche ergeben sich zwar nicht aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB, da diese Anspruchsgrundlage allein Schäden aus der Verzögerung der Nacherfüllung erfasst, jedoch aus dem Anspruch auf ,einfachen Schadensersatz‘ nach § 280 Abs. 1 BGB, da es sich insoweit um Schäden handelt, die auch bei rechtzeitiger Nacherfüllung nicht vermieden worden wären (dazu oben Einl. § 3 C) III.1 a)), vgl. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 558 ff. 52 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 d). 49
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Verkäufer in der Kooperationsvereinbarung verpflichtet, zu einem bestimmten Preis ein bestimmtes Gut mit einer abstrakt erwarteten oder einer konkret festgelegten Beschaffenheit zu liefern. Hierauf bezieht sich das transaktionsspezifische käuferseitige Vertrauen.53 Die Gesetzesfassung des modernisierten Schuldrechts nimmt diesen Mechanismus im Ergebnis auf und spiegelt ihn heute in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB wider, der seinerseits durch §§ 437 Nr. 1, 439 BGB flankiert wird. Wird das Kooperationsvertrauen durch die Lieferung eines nicht erwartungsund damit nicht kooperationsgerechten Leistungsgegenstandes enttäuscht, ändert dies zunächst und grundsätzlich nichts an dem fortwährenden, weil noch unbedienten Erfüllungsanspruch des Käufers. Der Kaufvertrag stellt unter Berücksichtigung der ausgehandelten Zahlungsbereitschaft die aus Sicht des Käufers beste Allokation seiner Ressourcen dar. Eine Rückabwicklung oder das Ausweichen auf andere Rechtsbehelfe kommt – ungeachtet etwaiger Kompensation – zunächst nur einem Rückschritt allenfalls auf die zweitbeste Allokationsalternative und damit dem Verlust der von ihm zu realisieren erwarteten Quasi-Rente54 gleich,55 weshalb der Käufer nicht allein ein Interesse an der Erfüllung des Vertrages, sondern auch einen Anspruch hierauf hat.56 53
Im Europäischen Recht ist diese Wirkweise bereits als Rechtsprinzip der ,legitimen Erwartungen‘ bezeichnet worden, vgl. Micklitz, ZEuP 1998, 253, 264; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 780, das sich nach dem hier vorgeschlagenen informations- und vertrauensökonomischen Vertragsmodell ohne Weiteres auch in das nationale deutsche Recht integrieren ließe. Die hier entwickelte Theorie verfügt daher auch über die nötige Flexibilität, zukunftsgerichteten Entwicklungen einer zunehmenden Harmonisierung des Rechts Rechnung zu tragen, ohne hierbei überkommene Systemgrundlagen über den Haufen werfen zu müssen. 54 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) bb) und cc) (5). 55 So weist auch Riha, Ökonomische Analyse, S. 194 f., in seiner ökonomischen Betrachtung der kaufrechtlichen Gewährleistung zu Recht darauf hin, dass das Kaufrecht in der Fassung des Gesetzes vor der Schuldrechtsmodernisierung mit seiner fehlenden Nacherfüllungsmöglichkeit dem Käufer regelmäßig die Nutzenrealisierung aus dem Geschäft bei mangelhafter Erfüllung und dem gesetzgeberischen Zwang, zu mindern oder zurückzutreten in specie abschnitt, da sich die Ausübung der Rechtsbehelfe häufig nicht als gleichwertig darstellte, sodass im Vergleich zu einer mangelfreien Nacherfüllung ein ökonomischer Verlust entstanden sei. Dieser Umstand wurde im alten Schuldrecht, worauf über die Ausführungen von Riha hinaus gesondert hinzuweisen ist, dadurch verstärkt, dass das BGB in der Fassung vor dem 01.01.2002 grundsätzlich keine die kaufrechtliche Gewährleistung flankierende Kompensation kannte, sodass infolge der mangelhaften Lieferung und der sich anschließenden Rückabwicklung eintretende Nutzenverluste zementiert waren. Auch dem ist der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes mit der Schaffung des § 325 BGB entgegengetreten, worauf zurückzukommen sein wird. 56 Nicht ausnahmslos vorteilhaft für den Käufer beurteilt Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 371 f., jedoch die Kodifizierung des Nacherfüllungsanspruchs, weil sich der Käufer heute „unter Umständen vor einem Rücktritt auf langwierige Verhandlungen und Nachbesserungsversuche einlassen“ müsse. M.E. ist dieser Einwand, wenn auch im Einzelnen an der Ausgestaltung der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB Kritik zu üben sein wird, in dieser Pauschalität nicht gerechtfertigt, da die klare gesetzliche Kodifikation gerade die Notwendigkeit von langwierigen Verhandlungen ausräumt und lediglich eine Reihenfolge grundsätzlich für zumutbar gehaltener Gewährleistungsschritte vorgibt, die keine übermäßigen Transaktionskosten verursachen dürfte, jedenfalls nicht im Vergleich
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Aber auch aus Sicht des Verkäufers stellt die Kodifikation eines Nacherfüllungsanspruchs ökonomisch eine grundsätzlich vorteilhafte Regelung dar,57 weil er durch das Recht zur zweiten Andienung nicht nur die Gelegenheit erhält, die von ihm in den Vertragsverhandlungen zur Bemessung seiner eigenen Zahlungsbereitschaft kalkulierte Opportunitätsprämie und damit auch die von ihm erwartete QuasiRente noch zu verdienen,58 sondern auch die regelmäßig im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Vertrages verbundenen höheren Kosten einspart.59 Mit der Normierung des Nacherfüllungsanspruchs in §§ 437 Nr. 1, 439 BGB trägt der Gesetzgeber damit grundsätzlich einem sozial-ökonomischen Bedürfnis des Rechtsverkehrs-Rechnung, das schon deutlich vor seiner Kodifizierung mit Wirkung ab dem Jahre 2002 zu beobachten war.60 Ausdruck dieses Bedürfnisses war z.B. § 11 Nr. 10 lit. b) AGBG a.F.61, wonach eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen, welche die Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender insgesamt oder bezüglich einzelnder Teile auf ein Recht auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung beschränkt, unwirksam war, sofern dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich das Recht vorbehalten wurde, bei Fehlschlagen der Nachbesserung oder Ersatzlieferung auf die übrigen Gewährleistungsrechte zurückzugreifen. Von der Möglichkeit, ein solches Nacherfüllungsrecht, also ein Recht zur zweiten Andienung auch schon im geltenden Recht vor der Modernisierung des Schuldrechts den übrigen Rechtsbehelfen vorzuschalten, ist trotz der mit einer Aushandlung von Vertragsbedingungen im Einzelnen oder auch nur der Einbeziehung von allgemeinen Geschäftsbedingungen stets verbundenen Transaktionskosten, in großem Umfang Gebrauch gemacht worden, weil das unmittelbare Eingreifen der auf den Ver57 zu der von Jacobs angeführten Lösung nach altem Recht, wonach der Käufer unter Hinweis auf sein sofortiges Rücktrittsrecht, also unter Ausnutzung eines lock in des Verkäufers, die Nacherfüllung ohnehin im Verhandlungswege regelmäßig hatte durchsetzen können. 57 Mit der Auffassung, dass der Nacherfüllungsanspruch eine für beide Parteien des Kaufvertrages vorteilhafte Kodifikation begründet, auch Berger, JZ 2004, 276, 281. 58 Schroeter, NJW 2006, 1761, spricht in seiner Einleitung davon, dass dem Verkäufer Gelegenheit gegeben werde, „den Kaufpreis im Wege einer ,zweiten Andienung‘ doch noch zu verdienen“, was ökonomisch ungenau ist, da der Kaufpreis insgesamt selbstverständlich auch den Wareneinsatz abdeckt, den der Verkäufer zurück erhält, er also nur Opportunitäts- und etwaige Opportunismusprämien im umgangssprachlichen Verständnis ,zu verdienen‘ in die Lage gesetzt wird. 59 Anschaulich Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht, Rz. 504: „Diese Rechtslage entspricht zumindest im ,B2C-Bereich‘ der bisherigen Vertragspraxis, auf welche der Gesetzgeber nur durch vereinzelte Regelungen reagiert hatte. Sie stärkt den Grundsatz ,pacta sunt servanda‘, weil sich der Käufer nun nicht mehr gleichsam ,aus Anlass‘ des Sachmangels von einem Vertrag lösen kann, den er u.U. aus anderen Gründen bereut.“. 60 Die Forderung nach einem Nacherfüllungsanspruch ist in Anlehnung an Art. 46 Abs. 2 und Abs. 3 CISG bereits mehr als zwanzig Jahre alt, vgl. Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371 f., was auch in der Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BTDrs. 14/6040, S. 230, zum Ausdruck kommt: „Die Vorschrift führt vor allem das geltende Recht wieder an die Rechtswirklichkeit heran, weil der Käufer beim Auftreten eines Mangels regelmäßig nicht die Rückgängigmachung des Vertrages oder die Herabsetzung des Kaufpreises wünscht, sondern die Reparatur oder den Umtausch.“; vgl. auch Spickhoff, BB 2003, 589 ff. 61 In der Fassung des Gesetzes bis 31.12.2001.
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trag und den vertraglichen Erfüllungsanspruch direkt zurückwirkenden gewährleistungsrechtlichen Institutionen einem zeitgemäßen Rechtsempfinden der Parteien nicht mehr entsprach.62 Dieses Rechtsempfinden wird, wie zwangslos feststellbar ist, aus den sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen typischer Markt- und Massentransaktionen geboren, nämlich aus dem Bestreben der Parteien, ein Transaktionsklima zu schaffen, in dem beide Seiten ihre Vertragsposition nicht mehr verbessern können, ohne die des anderen zu verschlechtern, in der also ein Gleichgewicht im Austausch der wechselseitig zu erbringenden Leistungen und Pflichten, also ein sozial-ökonomisches Tauschoptimum geschaffen wurde, ohne die Bedingungen hierfür im Einzelnen und lange aushandeln zu müssen.63 Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat sich dieser sozial-ökonomischen Entwicklung hin zu einer veränderten Wirklichkeit, ein weiteres Mal also der rechtstatsächlichen Vorherigkeit der Ökonomik vor der Jurisprudenz64 angenommen, ohne dass hiermit eine Suprematie der Ökonomik begründet oder gar herausgestellt würde. Vielmehr zeigt der den nötigen Weitblick eines nicht allein in seiner Disziplin gefangenen Gesetzesverfassers beweisende Rekurs der Gesetzesbegrüdung auf ein ,zeitgemäßes Rechtsempfinden‘, dass für solche Rechtsentwicklung tatsächlich lediglich der nötige Realitätsbezug der Rechtswissenschaft und eine zeitlich der Rechtsevolution vorgelagerte gesellschaftliche Entwicklung Pate steht, worin mitnichten ein Angriff auf die Autonomie des Rechts, sondern vielmehr die Stärkung desselben durch Adelung der Rechtswirklichkeit zu erkennen ist.65 Der 62 Vgl. Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 762; vgl. außerdem nochmals die Begründung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, BT-Drs. 14/6040, S. 220: „Insbesondere das Fehlen eines Mängelbeseitigungsanspruchs trägt den heutigen Gegebenheiten beim Verkauf komplex zusammengesetzter technischer Geräte nicht Rechnung.“, sowie S. 230: „Die Vorschrift führt vor allem das geltende Recht wieder an die Rechtswirklichkeit heran, (…)“. 63 Davon dass die Herstellung eines sozial-ökonomischen Optimums die Zielfunktion eines vertraglichen Austauschverhältnisses sein sollte, weil nur in diesem Fall tatsächlich sichergestellt werden kann, dass der ausgehandelte Vertrag frei von Opportunismusgefahren die größte Gewähr für eine funktionierende Selbstvollzugskraft hat, war oben unter 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc) mit Abb. 5 bereits die Rede. 64 Vgl. dazu die Schlussfolgerungen des 1. Kapitels unter § 3 C) II. 65 Dieser Mechanismus entspricht abermals der von Backhaus, Recht aus der Sicht der evolutorischen Ökonomik, in: Herrmann-Pillath/Lehmann-Waffenschmidt (Hrsg), Handbuch der evolutorischen Ökonomik, S. 3–5, vorgestellten Systematik: „Im Zentrum eines evolutorischen Ansatzes zur Erklärung des Rechts, und damit des rechtlichen Wandels, müssen stets die Transaktionskosten stehen. (…) Man konnte sich fragen, ob Transaktionskosten auf allen Rechtsgebieten eine so zentrale Rolle spielen, dass sie überhaupt als der Motor des Wandels angesehen werden können. Dies ist durchaus der Fall. (…) Da nun die Chance, für eine bestimmte wirtschaftliche Handlung das Recht auch tatsächlich zu nutzen, von der relativen Höhe dieser Transaktionskosten abhängt, steht jedes Rechtssystem ständig unter dem Druck, diese Transaktionskosten möglichst zu senken. (…) Im allgemeinen haben die Vertragspartner daran ein Interesse, die Transaktionskosten (relativ) so niedrig wie möglich zu halten, um den gemeinsamen Gewinn aus dem Vertragsverhältnis nicht unnötig zu schmälern. (…) Daraus folgt aber weiterhin, dass die deshalb stets intensivere Suche nach einer Senkung dieser Kosten einen stets schnelleren Rechtswandel erfordern wird. Insofern wir auch dem evolutorischen Ansatz eine stets größere Bedeutung in der ökonomischen Rechtsanalyse zugemessen werden müssen.“.
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Kodifizierung der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB liegt damit im Ergebnis eine ebenso rechtspraktische wie rechtstheoretische Evolution zugrunde.66 Diese Kodifizierung einer beobachtbaren Rechtsevolution, die Anerkennung der Rechtswirklichkeit also, hilft damit zwar, die Akzeptanz einer rechtlichen Regelung nicht nur zu fördern, sondern sie im Ansatz überhaupt erst zu begründen67 und trägt deshalb dem Gedanken Rechnung, dass die Aufgabe rechtlicher Institutionen vornehmlich darin besteht, gesellschaftliche ebenso wie sozial-ökonomische Prozesse anzuerkennen und nicht darin, sie vorzugeben,68 weshalb auch ein aus statischen Rechtsregeln bestehendes System, dem es an der nötigen Dynamik fehlte, die Evolution sozialer Institutionen nachzuzeichnen, niemals die nötige gesellschaftliche Akzeptanz erlangen könnte,69 muss jedoch auch die von von Hayek70 selbst erkannten Grenzen einer rechtlichen Entwicklung in Anlehnung an die sozial-ökonomische Evolution berücksichtigen, die durch die Notwendigkeit einer rechtstheoretischen Vervollkommnung der spontan gewachsenen Ordnung liegen.71 Eine Dogmatisierung gesellschaftlicher Entwicklungen durch statische Kodifikation ist aus diesem Grunde weder geboten noch gerechtfertigt, noch kann – wegen der unterschiedlichen Zwecksetzung72 – jede ökonomisch sinnvoll gewachsene Institution eine rechtliche Anwendungsregel in quasi blindem Gehorsam nach sich ziehen. Die rechtliche Kodifikation gesellschaftlicher Evolution schafft daher zwar ein grundsätzliches Indiz für die ökonomische Rechtfertigung und die Berechtigung der Institution an sich, sagt für sich allein aber noch nichts über die Anforderungen an deren Ausgestaltung im Einzelnen und vor allem auch nichts über die Behandlung von Auslegungs- und Anwendungsfragen aus. Dass dem Bedürfnis nach einem Anspruch auf und einem Recht zur zweiten Andienung mit der Neufassung des Kaufrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz Rechnung getragen wurde, ist daher zwar aus ökonomischer73
66 Eine ähnliche Rechtsevolution wird derzeit in der Rechtstheorie zur evolutionären Entstehung eines Weltrechts zur Angleichung rechtlicher Institutionen an die Globalisierung der Gesellschaft diskutiert, vgl. insbesondere Calliess, Zeitschrift für Rechtssoziologie 2005, 35 ff.; ders., Transnational Civil Regimes. 67 Dazu bereits oben 1. Kap. § 2 B) III.3 b). 68 Dazu abermals Tontrup, Ökonomik, S. 60: „Für diese Frage beansprucht die Wertungsjurisprudenz Zuständigkeit. (…) Sie eint aber, dass sie das Recht nicht als objektiv gegeben auffassen. Sie lassen es nicht in den Ableitungszusammenhängen eines Subsumtionsmodells oder einer Begriffspyramide aufgehen, sondern analysieren ein als sich verändernd gedachtes Recht, dessen Zwecke bewertet werden müssen. Deshalb konzentrieren sich alle Positionen der Wertungsjurisprudenz auf die Frage, woher die dogmatische Jurisprudenz – getreu ihrem Selbstverständnis – ihre Wertungen nimmt.“. 69 So oben, a.a.O. (vorangegange Fußnote), mit Hinweis auf von Hayek, Studies in Philosophy, S. 100 ff. 70 Von Hayek, Recht, Gesetz und Freiheit, S. 103. 71 Vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (4). 72 Dazu im Zusammenhang mit den Grundsätzen für die Auslegung von Kooperationsbeziehungen oben 1. Kap. § 2 C) I.5. 73 Grundsätzlich zustimmend auch Riha, Ökonomische Analyse, S. 194 ff.
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ebenso wie aus juristischer74 Sicht daher grundsätzlich zu begrüßen. In Bezug auf Einzelfragen ist jedoch besonderes Augenmerk darauf zu legen, nicht durch eine allzu sklavische Koranisierung eines Vorrangdogmas der Nacherfüllung vor anderen Rechtsbehelfen einerseits, andererseits aber auch nicht innerhalb der institutionellen Ausgestaltung des Nacherfüllungsanspruchs selbst vorherige ökonomische Realitäten zu missachten und die gewonnene Flexibilität des Kaufrechts wieder zu opfern.75 II. Beschränkungen der gegenständlichen Reichweite des Nacherfüllungsanspruchs – Stück- und Gattungsschulden im Anwendungsbereich der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB II.1 Ausgangslage und Präjudizienbestand Eine solche Einschränkung der durch die Kodifizierung des Nacherfüllungsanspruchs gewonnenen Flexibilisierung des Rechts und der damit verbundenen Reduzierung von Transaktionskosten zeigt sich in der Diskussion76 um die Erstreckung des Nacherfüllungsanspruchs auch auf Stückschulden,77 wobei der Gesetzgeber davon ausging, dass eine Unterscheidung zwischen Gattungs- und Stückschulden, wie im alten Recht angelegt, künftig überflüssig sei.78 74 Von Einzelfragen abgesehen, ist die absolut vorherrschende Einschätzung in der Fachliteratur in Bezug auf diese Neuerung positiv, vgl. u.a. die bereits genannten Autoren Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 762; Büdenbender, AcP 205 (2005), S. 386; Boerner, ZIP 2001, 2264; Schroeter, NJW 2006, 1761. 75 Mit diesem Anspruch nach einem ökonomisch sinnvollen Erhalt der Flexibilität des Rechts auch Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 416 ff.; in Bezug bereits auf die Definition und die Reichweite einer Beschaffenheitsvereinbarung ebenso Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 304. 76 Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016, 2019, konstatieren sogar, dass kein Rechtsproblem im Zuge der Schuldrechtsreform so kontrovers diskutiert werde, ob beim Stückkauf der Nacherfüllungsanspruch auf Nachlieferung gerichtet sein könne, oder ob der Käufer im Mangelfall per se auf die Beseitigung des Mangels beschränkt sei. 77 Vgl. dazu ausführlich Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 377 ff.; außerdem Canaris, JZ 2003, 831 ff. und 1156 f.; mit ökonomischen Argumenten Riha, Ökonomische Analyse, S. 194 ff.; widersprüchlich und wenig konsequent Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht: Während es unter Rz. 463 a.E. heißt, „Die Einführung eines generellen Nacherfüllungsanspruchs erlaubt es dem Gesetzgeber, die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf kodifikatorisch aufzugeben“, wird unter Rz. 505 konstatiert, dass „bei einem Stückkauf (…) Nacherfüllung nur durch Beseitigung des Mangels denkbar“, sei, was sogar noch dadurch bekräftigt wird, dass dies auch dann zu gelten habe, wenn „der Gegenstand an sich fungibel, d.h. ersetzbar ist.“; Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 118, bezeichnet die Frage, ob eine Ersatzlieferung grundsätzlich auch beim Stückkauf in Betracht komme, als eine der umstrittensten Fragen der Schuldrechtsreform überhaupt. Mit ausführlicher Darstellung des Streitstandes auch Donou, Erfüllung und Nacherfüllung, S. 51 ff.; mit dem Versuch einer umfassenden rechtsdogmatischen Analyse auf Grundlage einer vergleichenden Gesetzesinterpretation des Unmöglichkeitsbegriffs Bilir, Die Nacherfüllungsansprüche des Käufers im neuen Recht, S. 88 ff. 78 BT-Drs. 14/6040, S. 94: „Der Entwurf regelt den Anspruch des Käufers auf Nacherfüllung. Ist ihm eine Kaufsache geliefert worden, die fehlerhaft ist, so steht ihm – unabhängig davon, ob ein Stück- oder Gattungskauf oder ein Sach- oder Rechtsmangel vorliegt – ein Anspruch auf Nacherfüllung zu“, S. 230: „(…) und macht die Unterscheidung zwischen Stückkauf und Gattungskauf verzichtbar.“.
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§§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB gewähren dem Käufer eines sachmängelbehafteten Kaufgegenstandes nach seiner Wahl einen Nacherfüllungsanspruch in Gestalt entweder der Nachbesserung oder der Neulieferung. In Bezug auf die ,Stückschuld alten Rechts‘ fokussieren sich die entgegengesetzten Pole der umfassend und kontrovers geführten Diskussion79 einerseits auf die Feststellung, dass dem modernisierten Schuldrecht die Differenzierung zwischen Stück- und Gattungsschulden fremd sei und dass es gerade zu den Zielen der Reform des Kaufrechts gehört habe, diese Unterscheidung aufzugeben,80 während die Vertreter der entgegengesetzten Auffassung die – dogmatisch auf den ersten Blick bestechend wirkende – Ansicht vertreten, bei einem Stückkauf sei eine andere als die verkaufte Sache nicht Gegenstand des Kaufvertrages, weshalb sich der Nacherfüllungsanspruch als modifizierter ursprünglicher Erfüllungsanspruch hierauf auch nicht erstrecken könne.81 Diese Ansicht möchte daher das nach der Fassung des Gesetzes dem Käufer zur Wahl stehende Nacherfüllungsrecht auf die Nachbesserung beschränken, weil anderenfalls Wertungswidersprüche zwischen der Befreiung des Verkäufers von der Leistungspflicht im Falle der Unmöglichkeit nach § 275 BGB und der dieser Wertung entgegenstehenden Pflicht auch zur Neulieferung nach §§ 434, 437 Nr. 1, 439 BGB im Falle nur der Beschädigung der Kaufsache die Folge wären.82 Die Nacherfüllungspflicht werde daher durch den Inhalt des Vertrages begrenzt, der, soweit er sich auf eine Stückschuld beziehe, ein Recht des Käufers auf Neu- bzw. Nachlieferung denknotwendig ausschließe.83 Beispielhaft kann der Streit an den – soweit erkennbar – ersten obergerichtlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen des OLG Braunschweig84 und des BGH85 zu dieser Frage nachvollzogen werden, die hier als Präjudizienbestand dienen sollen:86 79 Vgl. dazu insbesondere den ,Schlagabtausch‘ zwischen Canaris, JZ 2003, 831 ff., mit Erwiderung Ackermann, JZ 2003, 1154 f., und Schlusswort Canaris, JZ 2003, 1156 f. 80 So z.B. Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 124 ff., 130 ff.; Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 35; Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 439 Rz. 11; Weidenkaff, in Palandt, BGB, § 439 Rz. 15; Canaris, JZ 2003, 831 ff.; Roth, NJW 2006, 2953; Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114; Pammler, NJW 2003, 1992; Aus der Rechtsprechung: BGH, NJW 2006, 2839, 2840 f.; OLG Schleswig, NJW-RR 2005, 1579, 1581; OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053, 1054. 81 Vgl. statt vieler Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 379., Tiedtke/Schmitt, JuS 2005, 583 ff., Ackermann, JZ 2002, 378 ff., jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 82 So insbesondere Ackermann, JZ 2002, 378 ff., der in § 275 Abs. 1 BGB auch den Befreiungstatbestand in Bezug auf die Nachlieferungspflicht des Verkäufers sieht. Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 379, geht darüber noch hinaus und hält den Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1 BGB nicht einmal für eröffnet, da er die Nachlieferung beim Stückkauf für von vorneherein gänzlich ausgeschlossen hält. 83 Ackermann, JZ 2002, 378 ff., 382 ff.; ders., JZ 2003, 1154 f.; i.E. ebenso Jacobs, in: Dauner-Lieb/ Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 379. 84 OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053. 85 BGH, NJW 2006, 2839. 86 Vgl. u.a. zu OLG Braunschweig die Besprechung von Pammler, NJW 2003, 1992, und zu BGH die Besprechung von Roth, NJW 2006, 2953.
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In dem vom OLG Braunschweig zu entscheidenden Fall kaufte der Käufer bei dem Verkäufer, einem Kfz-Händler, einen erstzugelassenen Pkw mit einer Laufleistung von 10 km. Der Pkw war mangelhaft, der Käufer verlangte Ersatzlieferung, die der Verkäufer u.a. mit der Begründung verweigerte, er habe kein gleichwertiges Fahrzeug im eigenen Bestand. Das OLG gab der Nacherfüllungsklage statt, da auch die Annahme einer Stückschuld das Neulieferungsrecht nicht ausschließe. Auch in dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um den Kauf eines Gebrauchtwagens, der jedoch vom Verkäufer wahrweitswidrig als unfallfrei bezeichnet worden war. Der BGH deutete die Anfechtungserklärung des Käufers in Anlehnung an die Vorinstanz hilfsweise nach § 140 BGB in eine Rücktrittserklärung um und gab dem Rücktrittsverlangen statt; ein vorrangiger Nacherfüllungsanspruch scheide aus, da nach Besichtigung eines gebrauchten Vertragsgegenstandes im Wege der Auslegung nicht davon auszugehen sei, dass sich der Parteiwille auch auf die Lieferung eines gleichwertigen Ersatzstückes erstrecke.
II.2 Teleologie des Nacherfüllungsanspruchs Fraglich ist, ob eine solche gegenständliche Beschränkung des Nacherfüllungsanspruchs87 bei der Stückschuld, wie sie in Teilen der Literatur kategorisch und vom BGH grundsätzlich nach einer Besichtigung der gebraucht gekauften Sache angenommen wird, mit den Zielen des Gesetzgebers vereinbar ist, eine beobachtete gesellschaftliche Entwicklung, die zwanglos auf die Rechtswirklichkeit zurückwirkt, aufzunehmen und unter Anerkennung eines sich wandelnden ,Rechtsempfindens‘88 in eine Evolution des Rechts einmünden zu lassen. Offensichtlich ist dieser evolutorische Charakter des Nacherfüllungsanspruchs in der Diskussion, obwohl auch zentraler Aspekt der Gesetzesbegründung,89 bislang weitgehend unbeachtet geblieben.90 87 Die Beschränkung wird dogmatisch trotz des offenen Wortlauts des § 439 Abs. 1 BGB, auf den z.B. auch das die Nacherfüllung auch bei der Stückschuld befürwortende OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053, in der ersten hierzu ergangenen obergerichtlichen Entscheidung abstellt, über die Anwendung des § 275 Abs. 1 BGB bewerkstelligt, da die Neulieferung bei der anfänglichen Konzentration des Schuldverhältnisses auf einen bestimmten Gegenstand weder rechtlich noch tatsächlich möglich sei, vgl. z.B. Lorenz/Riehm, Lehrbuch des neuen Schuldrechts, Rz. 505. Demgegenüber befürwortet inzwischen auch der BGH, NJW 2006, 2839 (mit Besprechung Roth, NJW 2006, 2953), die Eröffnung eines Nachlieferungsanspruchs bei vertretbaren Stückschulden. 88 Vgl. nochmals die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/6040, S. 220. 89 Die besondere Bedeutung kommt, was die verschiedentlichen Zitate aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6040) bereits gezeigt haben, an mehreren Stellen, nämlich insbesondere auf S. 94, 220, 230 zum Ausdruck. 90 Die dieser Evolution und den daraus gegebenenfalls ableitbaren Folgen zugrunde liegenden Erwägungen klingen soweit erkennbar einzig bei Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 142 ff., an, der auf die Entwicklung der „Lebenswirklichkeit“ seit der römischen emptio venditio, die der Abgrenzungs zwischen Gattungs- und Stückschulden historisch zugrunde liegt, abstellt und zu Recht darauf hinweist, dass sich in einer Gesellschaft industrieller Massenproduktion auch der Stückkauf von einem Sachgegenstandskauf zu einem Sacheigenschaftskauf gewandelt habe. In ähnlicher Weise stellt Riha, Ökonomische Analyse, S. 199 ff., darauf ab, dass auch dem Stückkauf ökonomisch nach der property rights-Theorie lediglich die privatautonome Definition eines Eigenschaftsbündels zugrunde liegen, auf dessen Erfüllung es unabhängig von einer gegenständlichen Konkretisierung des Leistungsgegenstandes ankomme.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Zwar hat allen voran Canaris91 bereits versucht, seine Auffassung von einem Anspruch auf Neulieferung auch bei einer Stückschuld trotz der dogmatisch scheinbar eindeutigen Konzentration des dem primären Erfüllungsanspruch inhaltsgleichen Neulieferungsanspruchs auf einen individualisierten Vertragsgegenstand dadurch zu rechtfertigen, und so dem naheliegenden Einwand, die Ausdehnung des Nacherfüllungsanspruchs auf ein außerhalb des Schuldverhältnisses liegendes Erfüllungssubstrat92 sei nur contra legem möglich, zu begegnen, dass er in beeindruckender Schärfe eine Vorrangigkeit der Norminterpretation vor der Dogmatik konstruiert und auf diese Weise eine logische Nachrangigkeit der dogmatischen Qualifikation einer Norm gegenüber ihrer Interpretation und Hermeneutik postuliert,93 jedoch ist, legt man das hier extrapolierte und, wie gezeigt, auch in der Gesetzesbegründung zu §§ 437 Nr. 1, 439 BGB inkorporierte Verständnis einer Vorherigkeit der ökonomischen Realitäten vor der Rechtsdogmatik94 zugrunde, eine solche Suprematie der Interpretation und der Hermeneutik über die Dogmatik gar nicht vonnöten. Wie bereits eingangs gezeigt,95 lässt sich die Vertragsanbahnung rechtstheoretisch als zunehmende Konkretisierung wechselseitiger Selbst- und Fremdbindung darstellen und verstehen,96 die in dem Vertragsschluss als privatautonomer Kodifizierung der wechselseitigen Haftungsversprechen97 zugleich ihren Höhe- und ihren Schlusspunkt findet. Ihre ökonomische Vorherigkeit findet dieser rechtstheoretische Erklärungsansatz in dem unbenannten und daher der Verhandlungsbeziehung nur impliziten Bestreben der Parteien, das der Transaktionsbeziehung eigene sozialökonomische Optimum98 auszuloten, nämlich auf Grundlage der vorhandenen und der offenbarten Informationen, des jeweils eigenen Informationshorizonts also, die wechselseitige Zahlunsbereitschaft festzulegen und so bis maximal zur 91
Canaris, JZ 2003, 831, 835. Vgl. Tiedtke/Schmitt, JuS 2005, 583 ff., die sich auf Grundlage der Vorstellung, dass bei einer Stückschuld der Leistungsgegenstand individuell festgelegt sei und der Verkäufer lediglich verspreche, eine bestimmte und keine andere Sache zu liefern, selbst wenn es eine andere Sache mit der vereinbarten Beschaffenheit gebe, weil die Beschaffenheitsvereinbarung als Individualisierungsmerkmal für die Annahme einer Stückschuld nicht ausreiche, zu der Aussage verleiten lassen, ein Anspruch auf Neulieferung scheide wegen der klaren dogmatischen Konzentration des Vertragsgegenstandes auf die eine individualisierte Sache selbst dann aus, wenn die Konkretisierung des Vertragsgegenstandes aus einem Vorrat oder einer Gattung heraus erfolgt sei. Jedenfalls aber wollen sie abweichende Parteivereinbarungen zulassen. 93 Zustimmend und mit ähnlichem Ansatz, nämlich der Vorstellung, dass die Dogmatik keinem Selbstzweck darstelle, sondern letztlich nur ein Mittel der Erklärung und Systematisierung des Rechts sei, weshalb die Berechtigung dieser dogmatischen Prämisse nur mit außerhalb der Dogmatik liegenden Aspekten überprüft werden könne, Riha, Ökonomische Analyse, S. 202 ff. 94 Vgl. dazu nochmals oben 1. Kap. § 3 C) II. 95 Einl. § 3 B) VI. 96 Köndgen, Selbstbindung, S. 160 f. 97 Vgl. mit diesem Begriff des „Haftungsversprechens“ im Zusammenhang mit der Vertragsanbahnung bereits Hohloch, NJW 1979, 2369, 2373. 98 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc). 92
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Schwelle des jeweiligen Grenznutzens den Vertragspreis festzulegen.99 Dieser Vertragspreis wird von dem in der Verhandlung gleichermaßen eingeworbenen und aus ihr erwachsenen – abstrakten oder konkreten – Vertrauen getragen, dass der mit der Bezahlung des Vertragsgegenstandes aufgegebene Nutzen, der sich in vielfacher Gestalt manifestieren kann,100 durch die erwartungskongruente Erfüllung mit einem vertrags- und deshalb auch vertrauensgerechten Transaktionssubstrat (über)kompensiert wird. Bleibt die Erfüllung hinter dieser Vertrauenserwartung zurück, folgt hieraus der ökonomische Anspruch, zunächst zu versuchen, kooperationsgerechte Zustände herzustellen und nicht vorschnell auf eine – vermeintlich, jedoch kaum messbar effiziente101 – Vertragsbegrenzung auszuweichen.102 Da Grundlage der Kooperationsvereinbarung die Bemessung der Zahlungsbereitschaft der Parteien ist, durch welche der subjektive Nutzen des jeweiligen Transaktionspartners abgebildet wird, den er mit dem Vertragsgegenstand zu realsieren sich vorstellt, konkretisiert sich die Kooperationsbeziehung bei ökonomischer Betrachtung auf die nutzenstiftenden Merkmale des Vertragsgegenstandes und zunächst nicht auf den körperlich wie auch immer individualisierten Gegenstand selbst.103 Dieser ist, selbst wenn er zum Beispiel während der Verhandlung der Parteien als Anschauungsobjekt gedient und sich die Verhandlung deshalb auf diesen bestimmten Gegenstand fokussiert hat, nicht mehr, als ein Kommunikationsvehikel zur Versinnbildlichung der einer subjektiven Bemessung der Zahlungsbereitschaft der Parteien zugrunde liegenden Faktoren.104 Diese Bemessung der Zahlungsbereitschaft der Parteien nicht anhand des individualisierten Gegenstandes tel quell, sondern anhand des durch ihn lediglich vermittelten Informationshorizonts und der vermittels seiner kommunizierten Nutzenerwartungen, die so zu impliziten Vertragsbestandteilen werden, gilt es durch die in
99 Diese Funktion der Verhandlungs- als eine der Kooperationsbeziehung vorgelagerte vertragliche Risikozuweisung zwischen den Parteien ist im 1. Kapitel ebenfalls umfassend erörtert und erläutert worden, vgl. vornehmlich 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc). 100 Vgl. hierzu die oben vorgenommene ökonomische Typisierung schadensstiftender Kausalverläufe, 1. Kap. § 2 C) II.2 b). 101 Zu den Bedenken eines in der Rechtspraxis nicht zu bewerkstelligenden interpersonalen Nutzenvergleichs bereits oben, 1. Kap. § 2 C) I.4. 102 Zur Vorrangigkeit der Kooperation vor einem effizienten Vertragsbruch vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (4) und (5). 103 Zum besseren rechtlichen Verständnis hilft hier noch einmal der Hinweis auf das dem europäischen Verbrauchervertragsrecht zugrunde liegende Prinzip der ,legitimen Erwartung‘, die in den Vordergrund des Vertrages rückt, vgl. Micklitz, ZEuP 1998, 253, 264, sowie Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 780 ff., und so in einem nächsten, auf die Prinzipienbildung folgenden Schritt ebenfalls geeignet ist, die Erwartung selbst zum Vertragsgegenstand zu machen und nicht eine wie auch immer konkretisiertes Stück. 104 Auf ähnlichen Wegen vollzieht sich die Argumentation Riha’s, Ökonomische Analyse, S. 203 f., der auf Grundlage der ökonomischen property rights – Theorie den Vertragsgegenstand als ein „Bündel von Eigenschaften mit einer definierten Funktionalität“ (S. 204) beschreibt.
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Gestalt der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB institutionalisierte Rechts, als Folge einer gesellschaftlichen Evolution zur Geltung zu bringen. Die Auslegung der Normen im Einzelnen vor dem Hintergrund dieses Telos erfolgt in Anwendung des hier zugrunde gelegten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells105 als Grundlage für die mit seiner Hilfe extrapolierten Realitäten anknüpfende rechtsdogmatische Auslegung. II.3 Ökonomik und Rechtsdogmatik des Nacherfüllungsanspruchs Die ökonomische Konkretisierung des überkommenen Verständnisses einer Stückschuld lediglich auf ein Kommunikationsvehikel lässt sich auch mit den bereits bekannten informationsökonomischen Vertrauenserwägungen,106 die einleitend schon angeklungen sind,107 untermauern: §§ 437 Nr. 1, 439 BGB sind das Produkt einer Rechtsevolution, die deren dogmatische Struktur und deren Auslegung, wenn auch nicht regiert, so doch jedenfalls determiniert. Der Gesetzgeber trägt mit der Schaffung der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB einem Bedürfnis des Rechtsverkehrs Rechnung. Dieses Bedürfnis resultiert aus der zunehmenden Komplexität sowohl individualisierter als aber auch typisierter Transaktionen des Massenverkehrs sowie gleichermaßen aus der stetig zunehmenden Komplexität der Transaktionsgegenstände selbst. Hierin war im Ausgang108 die Ursache für Informiertheitsillusionen der Verbraucher und der wesentliche Kern von Desinformationsrisiken erkannt worden. Auf dem Weg, diesen Risiken durch Schaffung eines integrativen rechtlichen und rechtsökonomischen Auslegungskanons zu begegnen, war das Vertrauensargument als wesentliches Instrumentarium, das Akzeptanz in beiden Disziplinen genießt, herausgestellt worden.109 Vertrauen ist ein komplexitätsreduzierender Mechanismus110 und spielt deshalb, wenn die zunehmende Komplexität des Rechtsverkehrs wesentliches Motiv für die Schaffung des Nacherfüllungsanspruches aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB war,111 auch in deren dogmatischer Struktur und in ihrer historischen ebenso wie teleologischen Auslegung eine wesentliche Rolle. Wenn sich nun jedoch das Vertrauen des Käufers regelmäßig zunächst auf eine äquivalenzgerechte Erfüllung bezieht, die den von ihm erwarteten Nutzen stiftet, so fokussiert sich die Verhandlungs- und die ihr nachfolgende Vertragsbeziehung ge105
Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5) mit Abb. 6. Ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) sowie c) cc); zu den anwendungsorientierten Folgen dieser vertrauensbasierenden Betrachtung 1. Kap. § 2 C) II. 107 Soeben 2. Kap. § 2 B) II.1. 108 Oben Einl. §§ 1, 2. 109 Oben 1. Kap. § 2 A) II.1. 110 Vgl. statt vieler an dieser Stelle lediglich noch einmal Luhmann, Vertrauen, S. 27 ff.; Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 257 f. 111 Insoweit verhältnismäßig eindeutig BT-Drs. 14/6040, S. 220: „Insbesondere das Fehlen eines Mängelbeseitigungsanspruchs trägt den heutigen Gegebenheiten beim Verkauf komplex zusammengesetzter technischer Geräte nicht Rechnung.“. 106
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rade nicht darauf, dass der Verkäufer an einem konkreten, etwaig in der Vertragsverhandlung individualisierten Gegenstand dem Käufer unbeschadet dessen informatorisch erfassten Zustandes lediglich Eigentum und Besitz verschafft, sondern vielmehr darauf, das definierte Bündel an Eigenschaften und die durch sie kommunizierten Nutzenvorteile zu erlangen. Selbst wenn bei der Bemessung des Nutzens ein individualisierter Gegenstand, an dem sich die Parteivorstellung ausrichtet, als Bezugspunkt gedient haben mag, so gewinnt diese Individualisierung bei der im Rahmen der Institutionalisierung von Normen gebotenen abstrakt-typisierten Betrachtung nicht die Oberhand über die Nutzenerwartung des Käufers. Gerade die von Tiedtke/Schmitt112 zugrunde gelegte Vorstellung, dass bei einem auf eine Stückschuld bezogenen Vertrag der Verkäufer lediglich verspreche, eine bestimmte und keine andere Sache zu liefern, selbst wenn es eine andere Sache mit der vereinbarten Beschaffenheit gebe, entspricht weder rechtsökonomischen Grundlagen der Verhandlungs- und der Vertragsbeziehung noch der heute zu beobachtenden Rechtstatsächlichkeit und ist deshalb von einer antiquierten Vorstellung getragen.113 Vielmehr verspricht der Verkäufer, denn nur dafür, und das ist ihm bewusst, erhält er in der kooperativen Äquivalenzbeziehung den vereinbarten Kaufpreis zugesagt, eine Sache mit den Beschaffenheitsmerkmalen zu liefern, wie sie dem in der Vertragsverhandlung gegebenenfalls individualisierten Kommunikationsvehikel nach dem implizierten Informationshorizont hätten anhaften sollen. Legt man die tatsächlichen Vorstellungen der Parteien zugrunde, die deshalb von entscheidender Bedeutung sind, weil sie die Grundlage des als Fundament der gesammten Transaktionsbeziehung dienenden kooperativen Äquivalenzverhältnisses sind, konkretisiert sich die Kooperationsvereinbarung deshalb nicht auf einen individualisierten Gegenstand, den der Verkäufer zu liefern verpflichtet ist, sondern auf ein durch diesen Gegenstand abgebildetes Nutzen-, Pflichten- und Leistungsbündel,114 das durch den in der Vertragsverhandlung in den Fokus genommenen Gegenstand verkörpert worden sein mag, durch ihn aber nicht erfüllt werden kann, soweit die auf ihn bezogenen und so in die Vertragsbeziehung inkorporierten Informationen nicht zutreffen oder unvollständig sind. Die das Kooperationsverhältnis determinierende Vertrauensbeziehung ist daher im modernen Massenverkehr hoch komplexer Gebrauchsgüter auch des alltäglichen Leistungsaustauschs heute in aller Regel nicht mehr auf einen konkreten Leistungsgegenstand gerichtet, selbst wenn dieser der Vertragsverhandlung und ihrer Konkretisierung zum Vertragsschluss als Vertrauenskatalysator gedient haben sollte, sondern auf die durch diesen Gegenstand kommunizierten und so von dem 112
Tiedtke/Schmitt, JuS 2005, 583, 584. Vgl. zu den Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels von der römisch-rechtlichen emptio venditio zum modernen Massenverkehr auf die sachgegenständliche Betrachtung im Kaufrecht überzeugend Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 142 ff. 114 So auch Riha, Ökonomische Analyse, S. 203 ff. 113
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Käufer prospektierten Nutzenerwartungen, die er sich bereit gefunden hat, dem Verkäufer in der vereinbarten Höhe zu vergüten. Da aber diese Vertrauensbeziehung Grundstein der ökonomischen Institutionalisierung vertraglicher Austauschbeziehungen ist und diese wiederum den mit einer Vorherigkeit ausgestatteten Realitätsbezug für eine rechtsdogmatische Institutionalisierung liefern, liegt es nahe, der vom Gesetzgeber intendierten Entflechtung des Schuldrechts durch Aufgabe der Differenzierung zwischen Stück- und Gattungsschulden mit Rückgriff hierauf Rechnung zu tragen.115 Dies kann durch eine Neuausrichtung der Definition der Stückschuld im Anwendungsbereich der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB geschehen, wenn diese nämlich nicht mehr als individualisierte Sachgegenstands – sondern als vertraglich konkretisiertes und individualisiertes Leistungsbündel im Sinne einer individualisierten Sachbeschaffenheitsschuld verstanden wird.116 Die von Tiedtke/Schmitt117 in den Raum geworfene These, eine Beschaffenheitsvereinbarung reiche zur Individualisierung einer Stückschuld nicht aus, trifft daher zwar möglicherweise rechtshistorisch, nicht mehr jedoch rechtsevolutorisch und nicht mehr im modernisierten Schuldrecht zu. Wenn ein solches auf die Sachbeschaffenheit konkretisiertes Transaktionsvertrauen jedoch die Regel darstellt, der in der Vertragsverhandlung individualisierte Gegenstand also tatsächlich nur als Kommunikationsvehikel zu verstehen ist, so entspricht das hier angebotene Verständnis von der Sachbeschaffenheitsschuld dem der Verhandlungs- und der nachfolgenden Vertragsbeziehung zugrunde liegenden abstrakt-typisierten Vertrauen, das wiederum auf erster Stufe für die der Kooperationsvereinbarung impliziete Risikoverteilung maßgeblich ist. Soll hiervon im Einzelfall abgewichen werden, weil tatsächlich die Sachbeschaffenheit gegenüber dem in der Verhandlungsbeziehung individualisierten Sachgegenstand einmal in den Hintergrund tritt, wie dies z.B. beim Tierkauf118 oder dem Kauf von Antiquitäten und Kunstgegenständen grundsätzlich zu vermuten sein wird,119 so ist dies der besondere und herauszustellende Umstand, welcher der Begründung eines ebenfalls individualisierten und konkreten Vertrauens, also einer offenen oder jedenfalls konkludenten Kommunikation in der Verhandlungsbeziehung be115
Auch Pammler, NJW 2003, 1992 f., weist mit Rückgriff auf die Entscheidung des OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053, zur Untermauerung seiner Auffassung noch einmal ausdrücklich auf die Intention des Gesetzgebers hin, die Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungsschulden aufzugeben und nicht, über die Differenzierung des Nacherfüllungsanspruchs hieran durch die Hintertür wieder festzuhalten. 116 Mit der Abgrenzung zwischen Sachgegenstands- und Sacheigenschaftsschuld auch Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 142 ff. 117 Tiedtke/Schmitt, JuS 2005, 583, 584; dies., DStR 2004, 2016, 2019. 118 Vgl. BGH, NJW 2005, 2852, 2854. 119 Eine Differenzierung nach der Qualität der Stückschuld im Besonderen soll auch nach Schürholz, Nacherfüllung, S. 159 ff., Grundlage für die Entscheidung über ein Neulieferungsrecht sein, die ein Individualisierungsinteresse der Parteien in den Vordergrund stellt, dieses jedoch nicht an den ökonomischen Tatsächlichkeiten ausrichtet, die der Individualisierung durch eine Partei zugrunde liegt.
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darf.120 Anderenfalls ist auch bei einem Stückkauf nach überkommener Definition ein Anspruch des Käufers auf Nachlieferung möglich und durchsetzbar, solange und soweit es Gegenstände gibt, die geeignet sind, das vertraglich versprochene und implizierte Leistungs- und Nutzenbündel zu vermitteln und die berechtigten Erwartungen des Käufers hieran zu erfüllen.121 II.4 Schlussfolgerungen a) Die Entmaterialisierung des Kaufvertragsrechts Es bleibt damit festzuhalten, dass in einem modernen Massenverkehr industriell gefertigter Güter, in dem sich die Güter durch hohe Komplexität, aber gleichbleibend hohes Qualitätsniveau122 ebenso auszeichnen, wie durch einen ebenfalls umfassenden Markt qualitativ gleichwertiger Gebrauchtgüter, die Abgrenzung zwischen einer Stück- und einer Gattungsschuld, die nach neuem Recht zunächst aufgegeben geglaubt sein durfte, im Anwendungsbereich der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB tatsächlich systematisch keine Rolle mehr spielt, soweit nicht aus einem in der Verhandlungsbeziehung konkretisierten Verkäufervertrauen eine singuläre Konkretisierung abzuleiten ist. Im Übrigen mag die Abgrenzung zwischen Stück- und Gattungsschulden, obwohl im Kaufrecht an keiner Stelle des Gesetzes123 mehr erwähnt, terminologisch noch insoweit von Bedeutung sein, als 120 In eben diesem Sinne, jedoch ohne Rückgriff auf ein diese Annahme untermauerndes theoretisches Fundament, Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 35, die einen Ausschluss des Neulieferungsrechts lediglich dann verneinen will, wenn auch dem Verkäufer erkennbar, diesem gegenüber also jedenfalls konkludent kommuniziert ist, dass das Interesse des Käufers gerade auf einen konkretisierten Gegenstand gerichtet ist: „Es kommt daher nicht darauf an, ob es sich um einen Stück- oder einen Gattungskauf handelt und erst recht ist es bedeutungslos, ob eine Gattungsschuld bereits konkretisiert war und ob sie rekonkretisiert werden könnte. Diese oftmals unklaren Abgrenzungen (…) sollten für die Entscheidung der Frage, was der Käufer verlangen kann, nicht maßgeblich sein. Wenn auch dem Verkäufer erkennbar ist, dass das Interesse des Käufers nicht gerade auf Erhalt eines einzigen bestimmten Stücks gerichtet ist, kann Nachlieferung eines gleichermaßen geeigneten Stücks verlangt werden.“. 121 Im Ergebnis ähnlich Riha, Ökonomische Analyse, S. 204 ff. 122 Dieses naheliegende Argument verwendet auch Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 143, im Rahmen seiner Darstellung des Vergleichs eines typischen Kaufs zu Zeiten der römischrechtlichen emptio venditio und des Kaufs in modernen Industriegesellschaften. 123 Selbstverständlich aber findet sich der Begriff der Gattungsschuld aber nach wie vor an anderen Stellen des Gesetzes, vgl. §§ 243, 300 Abs. 2, 524 Abs. 2, 2155, 2182 Abs. 1, 2183 BGB. Insbesondere der Umkehrschluss aus § 524 Abs. 2 BGB aber zeigt, dass der Gesetzgeber im Recht der Schenkung offenbar eine vom Kaufrecht abweichende Lösung dadurch schaffen wollte, dass er bei einem auf einen konkreten und individualisierten Gegenstand bezogenen Schenkungsversprechen einen Anspruch auf Nachlieferung außer in Fällen der Arglist des Schenkers für ausgeschlossen hält, während bei einem nur seiner Typik nach beschriebenen Gegenstand, der in der Zukunft noch beschafft werden soll, die Nachlieferung unter deutlich erleichterten Voraussetzungen möglich ist. Diese Differenzierung provoziert einerseits das argumentum e contratio, dass sich der Nachlieferungsanspruch im Kaufrecht gerade auch auf individualisierte und in der Vertragsverhandlung konkretisierte Gegenstände richtet, anderenfalls es nämlich dieser ausdrücklichen Klarstellung bei der Schenkung nicht bedurft hätte, und unterstützt andererseits dadurch, dass sich auch dieser Unterschied zwischen dem Recht des Kaufs und dem der Schenkung ökonomisch rechtfertigen lässt, das hier zugrunde gelegte
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die Stückschuld eine individualisierte und konkretisierte Sachbeschaffenheitsschuld bezeichnet, die an § 434 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 BGB heranrückt, während die Bestimmung der Sachbeschaffenheit bei einer Gattungsschuld neuen Verständnisses sich ausschließlich nach der durchschnittlichen Gattungsbeschaffenheit, also nach § 434 Satz 2 Nr. 2 BGB definiert. Mit dem hier vorgetragenen Verständnis wird nicht zuletzt den Bestrebungen des Gesetzgebers nach einer Entflechtung des Schuldrechts durch Aufgabe der Differenzierung zwischen Stück- und Gattungsschulden Rechnung getragen; im Vordergrund steht jedoch die Feststellung, dass nur diese Auslegung den als Ursache der Verstrickung erkannten Komplexitäten des modernen Leistungsaustausches, die Motiv auch für die Schaffung der §§ 437 Nr. 1, 439 BGB waren,124 und damit den Anforderungen an eine an ökonomischen Vorherigkeiten ausgerichteten Auslegung genügen. Es schließt sich ein erstes Mal der Kreis zwischen Informiertheitsillusion, Desinformation, Vertrauenserwartung und einer ökonomisch integrierten rechtsdogmatischen Auslegung. Der Einwand, die Ausdehnung des Neulieferungsanspruchs auch auf eine Stückschuld führe zur Gewährung von Erfüllungsansprüchen, die auf einen außerhalb der vertraglichen Vereinbarung stehenden Vertragsgegenstand gerichtet seien,125 ist damit entkräftet. Die hier angebotenen Auslegung dehnt §§ 437 Nr. 1, 439 BGB gerade nicht auf einen außerhalb des Vertrages stehenden Transaktionsgegenstand aus, sondern richtet das Verständnis dessen, worauf sich die Parteien verständigt haben, nicht auf ein nur der Kommunikation von Beschaffenheitsmerkmalen die124 informationsund vertrauensökonomische Vertragsmodell: Auch der Schenkung als zweiseitigem Vertrag liegt eine Kooperationsabsprache der Parteien zugrunde, wenn sich auch der kooperative Leistungsbeitrag des Beschenkten regelmäßig nicht auf materielle, sondern mehr auf sozial-ethische Versprechen bezieht, die mit der Schenkungsvereinbarung impliziert werden, wie z.B. § 530 Abs. 1 BGB zeigt. Da der Schenkungsvertrag dem Beschenkten daher ein deutlich geringeres Maß an eigener Zahlungsbereitschaft abverlangt, der Schenkungsvertrag seiner Natur nach vielmehr, obwohl Kooperationsvereinbarung, außerhalb eines kooperativen Äquivalenzverhältnisses im materiellen Sinne steht, enthält die Kooperationsvereinbarung zutreffenderweise bei abstrakt-typisierter Betrachtung in Fällen der Übertragung eines individualisierten und konkretisierten Gegenstandes zunächst die implizite Risikozuweisung an den Beschenkten, solange und soweit nicht der Schenker von nicht offen erkennbaren Mängeln des Transaktionsgegenstandes positiv weiß, die Offenbarung daher nicht mit Transaktionskosten verbunden ist, und er, weil es sich um eine unproduktive Information handelt, deshalb zur Offenbarung verpflichtet ist. Ist der Transaktionsgegenstand bei Abschluss der Kooperationsvereinbarung aber noch nicht bekannt, sondern nur typisiert gegenständlich beschrieben, so bildet sich bei beiden Parteien grundsätzlich die Vorstellung von einem mangelfreien Gegenstand, die auch auf Beschenktenseite der Annahme des Schenkungsversprechens und der Zusage der damit jedenfalls verbundenen Erfüllung sozial-ethischer Verpflichtungen zugrunde gelegt wird. Erwirbt der Schenker nun zum Zwecke der Erfüllung des Schenkungsversprechens ein erkennbar dieser Vorstellung nicht genügendes Erfüllungssubstrat, liegt hierin ein Bruch der Kooperationsvereinbarung. 124 Vgl. noch einmal BT-Drs. 14/6040, S. 94, 220 230. 125 Vgl. z.B. Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016, 2019: „Beim echten Stückkauf kann es – abgesehen vom Identitätsaliud, § 434 Abs. 3 BGB – keinen Ersatzlieferungsanspruch geben. Der Nacherfüllungsanspruch ist wie der ursprüngliche Anspruch aus § 433 Abs. 1 BGB auf den Inhalt des vertraglichen Schuldverhältnisses bezogen. Was nicht Vertragsinhalt ist, kann auch nicht Gegenstand des Erfüllungsanspruchs sein.“; ebenso Huber, NJW 2002, 1004, 1006.
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nendes Vehikel aus, sondern orientiert sich vielmehr markt- und interessengerecht an dem, was tatsächlich Kern der Parteivereinbarung ist, nämlich an der Festlegung der Zahlungsbereitschaft auf beiden Seiten, in Gestalt einmal der Leistungsbereitschaft des Verkäufers in Bezug auf die Qualitätsdefinition des zu verkaufenden Gegenstandes und zum anderen der Zahlungsbereitschaft des Käufers, hierfür einen bestimmten Gelbetrag zu leisten.126 Die antiquierte Vorstellung, der Käufer wolle stets nur den einen, in der Vertragsverhandlung individualisierten Gegenstand,127 mag zwar für den Pferdekauf vergangener Jahrhunderte zutreffen, entspricht gerade nicht mehr einem zeitgemäßen Rechtsempfinden und den Anforderungen des modernen Leistungsaustauschs in einer hochkomplexen Industriegesellschaft und kann der Auslegung evolutorisch gewachsener rechtlicher Institutionen daher richtigerweise nicht zugrunde gelegt werden. Anders als noch im römischen Recht steht im Mittelpunkt der Parteivereinbarung nämlich nicht das in Ermangelung automatisierter Produktionsmethoden anderen Gegenständen der selben Gattung stets qualitätsverschiedene Stück, sondern steht heute die von dem konkreten Kommunikationsvehikel, das regelmäßig in derselben Qualitätsstufe vielfach industriell gefertigt ist, losgelöste Nutzenerwartung. Nur diese Auslegung wird der Hermeneutik einer Kooperationsbeziehung gerecht, die sich an dem gesellschaftlichen Wandel orientiert, den das Recht als in seinen Grundfesten einzig gültig gebliebenem Kulturgut der Antike nachzuzeichnen hat.128 Es gilt damit zu Recht die Aussage, dass §§ 437 Nr. 1, 439 BGB das Ergebnis einer an die gesellschaftliche Entwicklung angepassten Rechtsevolution sind und dass sie der hieraus folgenden Verpflichtung gehorchend diesen Weg konsequent beschreiten und den Wandel des vertraglichen Fokus weg von einer Sachgegenstands- hin zu einer Sachbeschaffenheitsschuld auch dogmatisch und interpretatorisch nachzuzeichnen verpflichtet sind, wollen sie nicht einer der gesellschaftlichen Entwicklung parallelen Entwicklung auch des eben diese Gesellschaft tragenden Rechtssystems im Wege stehen. Am Ende nähert sich das hier vorgestellte Verständnis der subjektiven Strömung129 derjenigen Vertreter an, die den Neulieferungsanspruch im Rahmen der 126 So tritt auch Roth, NJW 2006, 2953, 2955, in Anlehnung an BGH, NJW 2006, 2839, dafür ein, die Kriterien für die Eröffnung eines Nachlieferungsanspruchs allein an einer ,eigentlichen Auslegung‘ festzumachen, „die den konkreten Parteiwillen verwirklichen will und damit am engsten mit der Privatautonomie verbunden ist.“. 127 Der BGH, NJW 2006, 2839, der den grundsätzlich richtigen Ansatz, nämlich die Öffnung des Nachlieferungsanspruchs auch bei einer Stückschuld auf Grundlage der Auslegung der Parteierklärungen ermittelt und hierbei zu dem Ergebnis kommt, dass die Besichtigung des Gegenstandes den Interpretationsspielraum einschränke, verkennt, dass der besichtigte Gegenstand nicht mehr als ein Kommunikationsvehikel und ein Katalysator der Verhandlungs- und Vertrauensbeziehung ist, jedoch die Nutzenerwartung des Käufers nicht dergestalt zu determinieren vermag, dass der konkrete Gegenstand gegenüber der konkret vorgestellten Beschaffenheit in den Vordergrund tritt. Dazu ausführlich sogleich 128 Dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.5. 129 Insbesondere BGH, NJW 2006, 2839, 2841; Roth, NJW 2006, 2953, 2955 f.; Canaris, JZ 2003, 831, 835; Looschelders, SR-BT, Rz. 87 ff.
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Nacherfüllung auch bei Verträgen gewähren wollen, deren Leistungsversprechen auf Stückschulden nach überkommenem Verständnis gerichtet ist.130 Auch die Vertreter dieser subjektiven Theorie stellen die Parteivereinbarung, die Privatautonomie und eine hierauf gestützte Auslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen131 in Bezug auf die Ersetzbarkeit des Transaktionsgegenstandes in den Mittelpunkt,132 was sich von der hier vorgenommenen Interpretation jedoch dadurch unterscheidet, dass eine ausdrückliche, konkludente oder hypothetische Parteivereinbarung über eine Substituierung des ursprünglichen Vertragsgegenstandes im Rahmen der Nacherfüllung, die über den Vertragsschluss als solchen hinausgeht, grundsätzlich schon deshalb nicht erforderlich ist, weil sich unter Berücksichtigung der sozial-ökonomischen Grundlagen und Realitäten des Vertragsschlusses dieser von vorneherein auf die nach dem kooperativen Äquivalenzverhältnis festgelegte Sachbeschaffenheit, also ein durch den zur Erfüllung angebotenen Gegenstand lediglich vermitteltes Leistungs- und Pflichtenbündel richtet und regelmäßig nicht auf ein kaufgegenständliches individualisiertes Stück. Der Kaufvertrag ist damit grundsätzlich und unter Zugrundelegung eines abstrakt-typisierten Vertrauens insoweit entmaterialisiert,133 als der ,Kaufgegenstand‘ nur noch mittelbar, nämlich als Träger des durch die wechselseitige und vereinbarte Zahlungsbereitschaft definierten Nutzens dient. Ein voluntatives, wenn auch im Wege der ergänzenden und hypothetischen Vertragsauslegung ermitteltes Zusammenwirken der Parteien zur Feststellung einer Substituierungsvereinbarung134 über die auf die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss gerichteten Aktivitäten hinaus, ist daher nicht erforderlich. Die subjektive Natur des Vertrages liegt in diesem selbst begründet. Diese Entmaterialisierung des Kaufvertragsrechts durch eine ,Subjektivierung‘ des Vertragsgegenstandes ist letztlich das Ergebnis einer konsequenten Fortentwicklung zweier Wertentscheidungen des Gesetzgebers im Rahmen der Schuld-
130 Diese subjektive Strömung grenzt sich von der objektiven Strömung dadurch ab, dass sie nicht auf die Vertretbarkeit des Kaufgegenstandes im Sinne des § 91 BGB abstellt, vgl. mit umfassender Darstellung des Streitstandes Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 121 ff. 131 Schulze/Ebers, JuS 2004, 462; Canaris, JZ 2003, 831, 835. 132 Ähnlich kleidet auch Riha, Ökonomische Analyse, S. 204 ff., seinen ökonomischen Rahmen in ein dogmatisches Gerüst, wenn er annimmt, dass die Modifikation des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs durch den Nachlieferungsanspruch darin bestehe, dass sich der Nachlieferungsanspruch, anders als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch, nicht auf das kaufgegenständliche, individualisierte Stück, sondern auf ein funktionales Äquivalent beziehe. 133 Diese ,entmaterialisierte Betrachtungsweise‘ des schuldrechtlichen Vertragsschlusses setzt sich freilich auch nicht in Widerspruch zum sachenrechtlichen Spezialitätsgrundsatz, da die schuldrechtliche Verpflichtung sachenrechtlich mit jedem, dann selbstverständlich sachenrechtlich zu konkretisierenden Gegenstand, erfüllt werden kann, der den Anforderungen an die kooperative Äquivalenzvereinbarung genügt (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB). 134 Eine solche wird wohl auch vom BGH, NJW 2006, 2839, verlangt, wenn er aus der Besichtigung des Vertragsgegenstandes im Auslegungswege darauf schließt, dass eine Substituierung grundsätzlich nicht gewollt sei.
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rechtsmodernisierung:135 Das Zusammenspiel von Erfüllungstheorie (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) und subjektivem Fehlerbegriff (§ 434 Abs. 1 BGB) führt zwanglos zu einer Loslösung der schuldvertraglichen Vereinbarung von einer wie auch immer gearteten gegenständlichen Konkretisierung des Kaufgegenstandes.136 Der Verkäufer kann den Kaufvertrag nur mit einem mangelfreien, also kooperationsgerechten Vertragsgegenstand erfüllen. Kooperationsgerecht ist der Vertragsgegenstand nur, wenn er die Beschaffenheitsmerkmale erfüllt, die aus der dem Vertrag impliziten kooperativen Äquivalenzabrede als vereinbart abzuleiten sind. Wenn aber der in der Vertragsverhandlung als Kommunikationsvehikel dienende Gegenstand diese Beschaffenheit tatsächlich nicht aufweist, ist er auch nicht erfüllungstauglich. Es wäre dann jedoch schwer zu erklären, wie sich der Vertrag auf einen Gegenstand soll konkretisieren können, mit dem er von vorneherein nicht erfüllt werden kann, und der im Wege der Nacherfüllung, die gerade die sich aus der Erfüllungstheorie nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB ableitenden Ansprüche fortsetzt,137 möglicherweise auszutauschen ist oder, ist dies nicht möglich, zum Rücktritt berechtigt. In diesem Fall nämlich begründete der Vertrag einen unerkannten und dem versteckten Dissens ähnlichen Widerspruch, würde er sich auf einen denknotwendig als Transaktionssubstrat ausscheidenden Gegenstand konkretisieren. Diesen sich offenbarenden Widerspruch zwischen dem Zusammenspiel aus Erfüllungstheorie und subjektivem Fehlerbegriff auf der einen und dem Festhalten an der überkommenen Definition der Stückschuld auf der anderen Seite aufzulösen, ist allein die hier angebotene ökonomisch integrierte rechtsdogmatische Auslegung in der Lage, die insoweit dem Rechtsgedanken der Auslegung perplexer Willenserklärungen138 folgt: Die ältere Rechtsprechung139 vertrat den Standpunkt, dass in sich widerspruchsvolle und ganz und gar widersinnige Willenserklärungen nicht auslegungsfähig seien. Dem wird in der Literatur unter Hinweis darauf, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung es nicht toleriere, wenn der Tatrichter vor Auslegungsproblemen vorschnell kapituliere,140 widersprochen. Es sei nämlich von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass die Parteien des Rechtsgeschäfts einen bestimmten wirtschaftlichen Zweck verfolgt hätten und einen solchen hätten zum Ausdruck bringen wollen. Insofern müsse der Richter aufzuklären versuchen, welche Überlegungen und Vorstellungen den widerspruchsvoll erscheinenden Rege-
135 Vgl. mit ähnlichem Ansatz z.B. Huber, NJW 2002, 1004, 1005: „Der Nacherfüllungsanspruch steht in engem Zusammenhang mit einer grundlegenden Neuausrichtung des Systems der kaufrechtlichen Gewährleistung, nämlich mit der gesetzlichen Verankerung der so genannten Nichterfüllungstheorie.“. 136 Westermann, JZ 2001, 530, 531, formuliert dies so: „Man kann dies mit Blick auf das geltende Recht auch so formulieren, dass das Leitbild künftig der Gattungskauf sein wird, und dass der Streit zwischen der Gewährleistungs- und der Erfüllungstheorie hinfällig wird“. 137 Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2116. 138 Grundsätzlich dazu Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 133 f., 155. 139 Vgl. RG, JW 1910, 801; BGHZ 20, 109, 110. 140 Vgl. dazu z.B. BGH, NJW 1986, 1035 f.
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lungen zugrunde lägen.141 Und hier schließt sich dann erneut der Kreis zwischen der Vorstellung der Parteien von dem nutzenstiftenden Leistungsbündel, an dem sie ihre Zahlungsbereitschaft ausgerichtet haben, und der Auslegung des Vertrages. Maßgeblich für die Auslegung ist der wirtschaftliche Erfolg. Dieser wird durch die Beschaffenheitsmerkmale des Kaufgegenstandes und nicht durch diesen selbst vermittelt. Die aus dem Zusammenspiel von § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 439 BGB und § 434 Abs. 1 BGB etwaig folgende Perplexität des Kaufvertragsschlusses ist deshalb durch eine Entmaterialisierung des Kaufrechts und durch ein Abrücken von der gegenständlich fixierten Vorstellung in einem ökonomisch integrierten Auslegungswege aufzulösen. Vertragsgegenstand auch im Rahmen des modifizierten Erfüllungsanspruchs nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB ist deshalb im Ergebnis das ausdrücklich, konkludent oder nur implizit mit der Kooperationsvereinbarung festgelegte Leistungs- und Pflichtenbündel und ist nicht das Produkt einer – wenn auch unausgesprochenen – Entscheidung der Parteien über die Ersetzbarkeit eines zuvor gegenständlich konkretisierten Transaktionssubstrats.142 Der Gesetzgeber hat mit seiner Entscheidung zugunsten der Erfüllungstheorie und des subjektiven Fehlerbegriffs die Privatautonomie im Kaufrecht stärken wollen.143 Die hier vertretene Auffassung führt diesen Ansatz konsequent zu Ende. b) Zur Kritik des Präjudizienbestandes An diesen Anforderungen haben sich auch die eingangs dargestellten Präjudizien auszurichten. Dem OLG Braunschweig144 ist deshalb darin Recht zu geben, dass die bloße Behauptung des Verkäufers, eine vertragsgerechte Spezifikationen aufweisende Sache nicht mehr im Bestand zu haben, nicht ausreichen kann und darf, ihn von seinen Leistungspflichten und damit der Erfüllung des Kooperationsprogramms zu befreien. Dem Verkäufer war bei der wechselseitigen Vereinbarung der Zahlungsbereitschaft bewusst, dass er die vereinbarten Spezifika auch dann würde erfüllen müssen, denn nur hierfür war der Käufer bereit, den im Rahmen eines kooperativen Äquivalenzverhältnisses festgelegten Kaufpreis zu zahlen, wenn das anlässlich der Vertragsverhandlung besichtigte Stück diese Anforderungen nicht erfüllte. Dieser Gedanke ist es wohl, der auch den Erwägungen des OLG Braunschweig zugrunde liegt, wenn es auf ein Beschaffungsrisiko des Verkäufers und die auch im Wortlaut des Gesetzes fehlende Konkretisierung des Vertragsgegenstandes abstellt: „Die Einführung der Pflicht zur mangelfreien Lieferung (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) und das daran anknüpfende Nacherfüllungsrecht (§ 439 Abs. 1 BGB) beruhen gerade auf dem Gedanken, dass der Verkäufer das Leistungsinteresse des Käufers durch Lieferung einer (nicht: der) mangelfreien 141 142 143 144
Mit zahlreichen Nachweisen aus der Rspr. Singer, in: Staudinger, BGB, § 133 Rz. 10. So versteht jedoch Riha, Ökonomische Analyse, S. 204 ff., § 439 BGB. Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 212 f. OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053.
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Sache zu erfüllen hat. Unmöglichkeit dieser Leistungspflicht kann daher nur eintreten, wenn der Verkäufer eine mangelfreie Sache der geschuldeten Art nicht beschaffen kann.“.145 Diese Erwägungen müssen selbst dann gelten, wenn das konkrete gebrauchte Kfz zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht und im Vorfeld des Vertragsschlusses besichtigt worden ist. Das OLG Braunschweig problematisiert diesen Umstand nicht. In der ebenfalls angeführten BGH-Entscheidung heißt es jedoch: „Ob eine Ersatzlieferung in Betracht kommt, ist nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss zu beurteilen.“.146 Bis hierher stimmt die Aussage auch mit dem hier vertretenen Konzept eines informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells und den hierauf gründenden Auslegungprinzipien147 überein. „Möglich ist die Ersatzlieferung nach der Vorstellung der Parteien dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Das Berufungsgericht ist bei seiner Auslegung des Kaufvertrags zu dem Ergebnis gelangt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Kaufsache nach dem Willen der Beteiligten austauschbar war, und hat dies damit begründet, dass der Kläger seine Kaufentscheidung nicht nur auf Grund objektiver Anforderungen, sondern auch auf Grund des bei der Besichtigung gewonnen persönlichen Eindrucks von dem Fahrzeug gewonnen habe. (…) Die Auslegung des Berufungsgerichts beruht auf der Überlegung, dass beim Kauf eines Gebrauchtwagens, auch wenn es dem Käufer (…) auf einen bestimmten Typ und eine bestimmt Ausstattung des Fahrzeugs ankommt, in der Regel erst der bei einer persönlichen Besichtigung gewonnene Gesamteindruck von den technischen Eigenschaften, der Funktionsfähigkeit und dem äußeren Erscheinungsbild des individuellen Fahrzeugs ausschlaggebend für den Entschluss des Käufers ist, das konkrete Fahrzeug zu kaufen, das in der Gesamtheit seiner Eigenschaften dann nicht gegen ein anderes austauschbar sein soll. Diese Sichtweise des Berufungsgerichts liegt nicht nur beim Gebrauchtwagenkauf nahe, sondern ist beim Kauf gebrauchter Sachen in der Regel sachgerecht.“. Insbesondere mit dem letzten obiter dictum nimmt der BGH den §§ 437 Nr. 1, 439 BGB i.V.m. § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB die soeben dadurch gewonnene Flexibilität wieder, dass auch bei einer Stückschuld per definitionem alten Rechts ein Neulieferungsanspruch nicht von vorneherein ausscheide und gewährt nicht nur dem Käufer, sondern der Rechtsordnung insgesamt Steine statt Brot. Dabei sind die Ansätze der Entscheidung durchaus noch mit ökonomischen Vorherigkeiten und den hier erarbeiteten teleologischen Grundlagen des Nacherfüllungsanspruchs vereinbar; der BGH versäumt es aber leider, die von ihm der Entscheidung zugrunde gelegten tatsächlichen Beobachtungen, die sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen 145 146 147
OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053, 1054. BGH, NJW 2006, 2839, 2841. Oben 1. Kap. § 2 C) I.5.
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nämlich, in den Gesamtkontext des Transaktionsumfeldes und der Kooperationsbeziehung einzubetten: Richtig beobachtet der BGH noch, dass die Besichtigung des designierten Kaufgegenstandes dem Käufer einen Eindruck von den technischen Eigenschaften, der Funktionsfähigkeit und dem Erscheinungsbild vermitteln soll. Er verkennt jedoch, dass gerade diese durch den Besichtigungsgegenstand kommunizierten Eigenschaften und Eindrücke die Bildung der Zahlungsbereitschaft determinieren und dass es nicht die Verbindung dieser Eigenschaften mit dem konkret als Anschauungsobjekt dienenden Kommunikationsvehikel ist, sondern dass es die durch die Summe der Eigenschaften vermittelten Nutzungen sind, welche die Kaufentscheidung beeinflussen. Der Käufer will sich nicht aufgrund der ihm gegebenen Informationen ein Bild von dem konkreten Fahrzeug machen, das konkrete Fahrzeug dient vielmehr dazu, die gegebenen Informationen zu versinnbildlichen und einer subjektiven Bewertung zuzuführen. Würde man dies – mit dem BGH – anders sehen wollen, so wäre ein nicht aufzulösender Widerspruch in dem unterstellten Parteiwillen die Folge, der mit den vom BGH angestellten Erwägungen nicht zu erklären ist: Bei gebrauchten Gütern tritt der konkrete Zustand des Kaufgegenstandes, weil von dem individuellen Abnutzungsgrad abhängig, in den Vordergrund der Verhandlung und der Kooperationsabrede. Gewährleistungsvereinbarungen und -ausschlüsse beim Verkauf gebrauchter Sachen sind daher auch stets von dem Bemühen getragen, den Gegenstand in seiner Beschaffenheit vertraglich so genau als möglich zu erfassen, um so die Voraussetzungen für die Bemessung der Zahlungsbereitschaft zu fixieren und im Falle eines Kooperationsbruches die Abwehr- oder Kompensationsvoraussetzungen zu schaffen.148 Demgegenüber wird bei dem Verkauf industriell hergestellter neuwertiger Güter hierauf sehr viel weniger Wert gelegt und muss hierauf auch weniger Wert gelegt werden, weil das abstrakte Vertrauen des Käufers, eine üblichen und in den Qualitätsanforderungen bekannten Maßstäben genügende Sache zu erhalten, aufgrund einer stärker ausgeprägten Typisierung sehr viel weiter reicht. Während nun aber bei der Lieferung neu hergestellter Gegenstände, bei denen die Sachbeschaffenheitsvereinbarung deutlich weniger ausdifferenziert ist, der Neulieferungsanspruch ohne Weiteres gegeben sein soll, soll dieser bei der Liefe148 Sehr treffend stellen diesen Zusammenhang Ziegler/Rieder, ZIP 2001, 1789, 1794, dar, die auch die ökonomische Wirkweise, die den hier angestellten Überlegungen zugrunde liegt, nicht treffender hätten formulieren können: „Da das neue Kaufrecht beim Verbrauchsgüterkauf nahezu ausschließlich zwingend ausgestaltet ist und außerhalb des Verbrauchsgüterkaufs wegen der Leitbildfunktion der neuen §§ 433 ff. BGB-RE eine AGB-mäßige Modifizierung der Mängelrechtsbehelfe nur erschwert – und risikoreich – möglich sein dürfte, kann es sich empfehlen, einschränkende Vereinbarungen schon zur Beschaffenheit bzw. Vertragsmäßigkeit der Kaufsache zu treffen (insbesondere beim Gebrauchtwagenhandel). Allerdings steht zu erwarten, dass mit einer so gearteten Reduzierung des ,Erwartungshorizonts‘ des Käufers auch ein Preisnachteil für den Verkäufer verbunden sein dürfte.“. Zu Recht und in der Praxis wohl unbestritten, erkennen Ziegler/Rieder daher an, dass die Beschaffenheitsdefinition des Gebrauchtgütervertrages wesentlicher Umstand für die Bestimmung der Zahlungsbereitschaft ist, dass diese also durch das Leistungs- und Pflichtenbündel und nicht durch den – überwiegend optischen – Gesamteindruck von dem besichtigten Gegenstand vermittelt wird.
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rung gebrauchter Gegenstände, die von eben einer solchen Vereinbarung wesentlich mit getragen wird, ausscheiden. Mit anderen Worten verkehrt der BGH das von ihm angeführte Auslegungsargument und den Parteiwillen in sein Gegenteil. Der Senat lässt nämlich gerade dort, wo sich die Parteivereinbarung auf die Beschaffenheitsmerkmale fokussiert, diese gegenüber dem in der Verhandlung konkretisierten Gegenstand in den Hintergrund treten, und zwar auch dann, wenn dieser Gegenstand die zum Kern der Verhandlung gemachten Eigenschaften überhaupt nicht aufweist. Dieser Rückschluss ist perplex149 und auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass der unterschiedliche Abnutzungsgrad gebrauchter Sachen diese stets unvertretbar erscheinen lässt.150 Demgemäß rechtfertigt der BGH seine Auffassung letzthin auch nicht mit solchen, aus einer Analyse der Rahmenbedingungen der Parteivereinbarung gewonnenen Argumenten, sondern mit dem Hinweis auf die Gesetzesbegründung, nach der beim Kauf einer bestimmten gebrauchten Sache eine „Nachlieferung zumeist von vorneherein ausscheide“151 und dem Hinweis, dass der häufig zu erwartende Streit darüber, ob die Ersatzsache gleichwertig sei, den Parteiinteressen zuwider laufe. Da aber das Parteiinteresse gerade darauf zielt, einen Gegenstand mit entsprechend nutzenstiftenden Merkmalen zu erhalten, kann die Sicherstellung dieses Willens den Interessen nur schwerlich vorstellbar zuwiderlaufen. So stellt auch Spickhoff,152 obwohl nicht ganz klar wird, wie weit er seine Auffassung auszudehnen bereit ist, zu Recht heraus, dass das entscheidende und wesentliche Kriterium dafür, ob Neulieferung verlangt werden könne, die Eigenart des Kaufgegenstandes im Sinne einer funktionellen Parallele zum Gattungskauf im konkreten Fall sei, wobei er herausstellt, dass eine Neulieferung beim Stückkauf z.B. dann ausgeschlossen bleiben müsse, wenn ein gefälschtes Bild als echt verkauft werde.153 Nimmt man nun noch hinzu, dass sich diese als Vergleichs- und Typisierungsmaßstab herangezogene funktionelle Parallele zum Gattungskauf, wie hier bereits herausgestellt, in ihrer inhaltlichen Qualifikation an die durchschnittliche Eignung des Kaufgegenstandes nach § 434 Satz 2 Nr. 2 BGB anlehnt, also die Bestimmung eines gattungsähnlichen Kaufgegenstandes sich nach der Vereinbarung über dessen Beschaffenheit richtet, so folgt hieraus insgesamt zu Recht die Anlehnung des Neulieferungsanspruchs an die von den Parteien dem Gegenstand beigemessenen Eigenschaften 149 So weisen Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2119, zu Recht darauf hin, dass solange von einem Neulieferungsanspruch auszugehen sei, wie „das Leistungsinteresse des Käufers (…) mit der Lieferung eines Ersatzgegenstandes ebenso gut erfüllt werden“ könne. Das Leistungsinteresse bezieht sich aber in der Regel gerade nicht auf den konkreten Gegenstand, sondern auf dessen Eigenschaften, für die der Käufer den Kaufpreis zu bezahlen sich bereit erklärt. 150 So aber Schürholz, Nacherfüllung, S. 140; wohl anderer, aber nicht weiter differenzierender Ansicht Gursky, SR-BT, S. 22 f. 151 BT-Drs. 14/6040, S. 232. 152 Spickhoff, BB 2003, 589, 590. 153 Dieses Beispiel eines Bilderkaufs ist mit den hier bereits für einen schon nach dem typisierten abstrakten Vertrauen konkretisierten und individualisierten Kaufgegenstand im Falle eines Tier- oder Antiquitätenkaufs vergleichbar und lässt sich zwangslos in dieselbe Fallgruppe einordnen.
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im Sinne ihres Nutzenstiftens, die mit dem juristischen Begriff der ,Eignung‘ zu den vertraglich vorausgesetzten oder durchschnittlich zu erwartenden Zwecken gleichgesetzt werden kann, solange nicht aus besonderen Umständen die Individualisierung des Gegenstandes in den Vordergrund tritt.154 Dies wäre in dem vom BGH155 entschiedenden Fall jedoch nur dann anzunehmen, wenn es sich bei dem besichtigten Pkw z.B. um einen Oldtimer gehandelt hätte, also der Verhandlungsgegenstand selbst in den Fokus der vertraglichen Vereinbarung unabhängig von der informatorischen Durchdringung seiner Eigenschaften getreten wäre, den Parteien also im Sinne der would have wanted – theory156 bei typisierter Betrachtung des abstrakt der Vertragsbeziehung und ihrer Rahmenbedingungen zugrunde gelegten Vertrauens hätte unterstellt werden können, dass sie den Vertrag auch dann – unter Modifikation der sich aus der mangelnden informatorischen Durchdringung veränderten Zahlungsbereitschaft – geschlossen haben würden, wären die nach Vertragsschluss bekannt gewordenen Kontingenzen zum Gegenstand der Verhandlung gemacht worden, überschattete also der individualisierte Gegenstand die durch ihn vermittelten und kommunizierten Eigenschaften derart, dass es dem Käufer zuvörderst auf Besitz und Eigentum dieses Gegenstandes und nicht auf dessen Eigenschaften ankam. Hierzu reicht jedoch die bloße Besichtigung des designierten Vertragsgegenstandes nicht aus, da hieraus allein nicht deutlich wird, ob diese sich auf den besichtigten Gegenstand lediglich in dessen Eigenschaft, Kommunikationsvehikel zu sein, bezieht, oder er hiermit zu einem individualisierten Gut wird, auf dessen Übertragung Erlangung es dem Käufer vorrangig vor den anhand seiner beschriebenen Eigenschaften ankommt. Dies festzustellen, ist die Extrapolation besonderer Begleitumstände erforderlich. Da sich die Zahlungsbereitschaft des Käufers jedoch in aller Regel an den prospektierten Nutzungen ausrichtet und diese wiederum durch die Eigenschaften des Kaufgegenstandes vermittelt werden, ist ohne die Feststellung solcher besonderen Begleitumstände von der Möglichkeit zu einer Neulieferung eines die ausdrücklich, die konkludent und die implizit vertraglich vereinbarten Beschaffenheiten erfüllenden Gegenstandes auszugehen. Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis hat der BGH umgekehrt, weshalb die Entscheidung keinen Bestand haben sollte. Eine letzte Überlegung stützt diese auf vorherigen ökonomischen Realitäten aufbauende Argumentation: Wenn bei dem Verkauf gebrauchter Gegenstände die Besichtigung in den Vorgrund der Parteivereinbarung träte und sich der Vertrag hierdurch auf den besichtigten Gegenstand konkretisierte, erfüllte die Beschaffenheitsvereinbarung nicht mehr die Eigenschaft, Subjekt der gegenständlichen und inhaltlichen Bestimmung des Vertrages und des Vertragsgegenstandes zu sein, sondern würde schlicht auf die Funktion reduziert, als Einfallstor für die gewähr154
Grundsätzlich ebenso, jedoch differenzierend danach, ob der Kauf aus privater Hand oder im Rahmen eines Gewerbes erfolgt Derleder, NJW 2005, 2481, 2482. 155 Vgl. nochmals den hier zugrundegelegten Beispielsfall BGH, NJW 2006, 2839. 156 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.3 c).
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leistungsrechtlichen Ansprüche des Käufers zu dienen. Dies ließe sich zwar möglicherweise mit der früher in der Literatur vertretenen Gewährleistungstheorie, nicht mehr aber mit der inzwischen gesetzgeberisch geadelten Erfüllungstheorie des § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB und des subjektiven Fehlerbegriffs in § 434 Abs. 1 BGB vereinbaren. Der BGH hat es mit seiner hier erörterten Entscheidung daher nicht zuletzt versäumt, die gesetzliche Evolution des Gewährleistungsrechts nachzuvollziehen und sich die aus ihr ergebenden Konsequenzen stringent weiterzuführen. III. Wahlrechte im Anwendungsbereich des § 439 Abs. 1 BGB III.1 Zur Verbraucherwahl zwischen den Nacherfüllungsalternativen a) Legitimation des käuferseitigen Wahlrechts aa) Ausgangslage Nach §§ 437 Nr. 1, 439 BGB kann der Käufer im Falle eines Sachmangels nach seiner Wahl Nachbesserung oder Neulieferung verlangen. Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes rechtfertigt die – z.B. auch vom Werkvertragsrecht abweichende – Zuweisung des Wahlrechts zum Käufer zunächst mit einem Hinweis auf die Pflicht zur richtlinienkonformen Ausgestaltung des BGB,157 da die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Art. 3 Abs. 3158 eine solche Allokation des Wahlrechts vorsehe, und zum anderen mit der Erwägung, eine Zersplitterung des Rechts durch unterschiedliche Wahlrechtsallokationen für Verbraucher- und übrige Kaufverträge vermeiden zu wollen.159 Außerdem hält der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung den Verkäufer für weniger schutzbedürftig als den Käufer, da er sich bereits dem Käufer gegenüber einer Vertragspflichtverletzung schuldig gemacht habe, die es legitim erscheinen lasse, zunächst auch den Käufer entscheiden zu lassen, auf welche Weise das Vertragsziel der Lieferung einer mangelfreien Sache noch erreicht werden könne.160 Kraft dieser ausdrücklichen gesetzgeberischen Anordnung und des klaren Wortlautes, der keinerlei Auslegungsspielraum zulässt,161 mag die Diskussion um die 157 Büdenbender, AcP 205 (2005), S. 386, 388; ders., in: Dauner-Lieb/Heidel/Lepa/Ring, AnwKomm § 439 Rz. 1; Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281. 158 Dort konkretisiert durch Erwägungsgrund 10 der Richtlinie. 159 Nach der „großen Lösung“ der Schuldrechtsreform sollten die Regelungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in weitem Umfang für alle Kaufverträge umgesetzt werden, soweit sie passen, um eine Zweiteilung des Kaufrechts soweit als möglich zu vermeiden, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 79, 230 f. 160 So wörtlich BT-Drs. 14/6040, S. 231. 161 Grenze einer jeden Auslegung ist stets der nicht mehr interpretationsfähige Wortlaut des Gesetzes, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 320 ff., 324: „(…) Wortsinn dient der Auslegung also einmal zur ersten Orientierung, zum anderen bezeichnet er, als möglicher Wortsinn, (…) die Grenze der eigentlichen Auslegung. Er steckt gleichsam das Feld ab, auf dem sich die weitere Tätigkeit des Auslegenden vollzieht.“. Hier kommt überdies noch die eindeutige Bekundung des gesetzgeberischen Willens hinzu, sodass nicht einmal von einem ,gesetzgeberischen Versehen‘ ausgegangen werden könnte.
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Sinnhaftigkeit dieser Anordnung162 auf rechtspolitischer Ebene163 geführt werden, führt in einer rechtspraktischen Arbeit, die sich gerade um die Integration ökonomischer Argumente in die juristische Dogmatik bemüht, und nicht allein gesetzgeberische Entscheidungen oder richterliche Judikate schlicht einer ökonomischen Überprüfung unterziehen will,164 jedoch nicht weiter. Ziel in einer solchen Situation, in der die Anwendungsgrundlagen zementiert sind, ist vielmehr, im Rahmen und unter Ausschöpfung der verbliebenen Auslegungs- und Anwendungsspielräume sinnvolle und notwendigerweise an den ökonomischen Vorherigkeiten auszurichtende Lösungen auszuloten und anzubieten. Die ökonomische Theorie des 1. Kapitels bietet hierfür das nötige Handwerkszeug. Die in der Rechtsökonomik insbesondere aus dem u.s.-amerikanischen Rechtskreis hervortretende Diskussion um die Möglichkeit eines effizienten Vertragsbruchs165 war hier unter Rekurs auf die mit jedenfalls impliziten Vertragsbestandteilen vorgenommenen vertraglichen Risikoallokationen weitgehend zurückgedrängt worden.166 Die Befürworter eines Instituts des effizienten Vertragsbruchs rechtfertigen ihre Auffassung damit, ohne eine solche Begrenzung des Grundsatzes pacta sunt servanda könnten wohlfahrtsökonomisch ineffiziente lock in-Effekte entstehen, die dem Leistungsgläubiger opportunistische Handlungsoptionen eröffneten.167 Will man dieses Argument, wie auf Basis des informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells vorgeschlagen, nur sehr eingeschränkt gelten lassen,168 so müssen jedoch in konsequenter Fortführung der hier vertretenen Theorie auch in der weiteren Rechtsanwendung die Voraussetzungen geschaffen werden, lock in-Effekte zu Lasten des Nacherfüllungsverpflichteten Verkäufers tatsächlich zu verhindern. Denn eine zusätzliche ,Abstrafung‘ des Verkäufers169 für die von ihm durch Lieferung eines mangelbehafteten Gegenstandes begangene Pflichtverletzung, wie sie 162 Diese Zuordnung des Wahlrechts zum Käufer wird in der Literatur weitgehend als unangemessen empfunden, vgl. z.B. Boerner, ZIP 2001, 2264, 2268; Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 375; Westermann, JZ 2001, 530, 536; mit entsprechender Gestaltungsempfehlung, das Wahlrecht außerhalb von Verbraucherverträgen dem Verkäufer zuzuweisen, Ziegler-Rieder, ZIP 2001, 1789, 1794. 163 So auch Büdenbender, AcP 205 (2005), S. 386, 388; Schroeter, NJW 2006, 1761. 164 Zur ökonomischen Ineffizienz der Allokation des Wahlrechts zum Käufer vgl. Riha, Ökonomische Anlayse, S. 196 ff. 165 Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 201 ff, 254 ff.; Shavell, Specific Performance, 84 T.L.R. (2006), S. 832. 166 Vgl. oben, zur Theorie des effizienten Vertragsbruchs 1. Kap. § 2 C) I.1 bis I.3, zur Begrenzung dieser Theorie durch den hier vertretenen Ansatz eines informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells I.4. 167 Neben den vorgenannten u.s.-amerikanischen Autoren Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 201 ff, 254 ff.; Shavell, Specific Performance, 84 T.L.R. (2006), S. 832, für den deutschen Rechtskreis insbesondere auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 466. 168 Vgl. insbesondere oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (3) bis (5). 169 Nur in diesem Sinne kann die Gesetzesbegründung verstanden werden, wie auch Staudenmayer, in: Grundmann/Medicus/Rolland, Europäisches Kaufgewährleistungsrecht, S. 38, zu Recht herausstellt.
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die Gesetzesbegründung als Rechtfertigungsargument heranzieht,170 käme in der Sache dem Konzept der punitive damages nahe, entbehrte jedoch ihrer Rechtfertigung. Punitive damages, der Strafschadenersatz, sind nämlich dann und nur dann rechtlich und ökonomisch sinnvoll, wenn der Verletzer die Möglichkeit hat, der Haftung zu entgehen, seine Handlung also auf die Schadensersatzdrohung auszurichten.171 Ein wesentliches Argument für die Ungleichbehandlung zwischen Werkund Kaufvertragsrecht in Bezug auf die Nacherfüllung besteht aber gerade darin, dass der Verkäufer, anders als der Werkunternehmer, nicht von vorneherein gewisse Anstrengungen zur Herstellung des Werkes schuldet, vielmehr häufig gar keinen Einfluss auf dessen Qualität und die vom Hersteller vorgegebene und verantwortete Beschaffenheit hat.172 Das Sachmängelgewährleistungsrecht einschließlich des Nacherfüllungsanspruchs ist daher, von § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 280 ff. BGB einmal abgesehen, auch nicht verschuldensabhängig, sondern in wesentlichen Teilen vielmehr als Garantiehaftung173 ausgestaltet. Den Verkäufer deshalb für seine gegebenenfalls unverschuldete Pflichtverletzung durch die Allokation des Wahlrechts zum Käufer zu bestrafen, wie es die Gesetzesbegründung für gerechtfertigt hält, entbehrt einer dogmatischen ebenso wie einer rechtspolitisch gerechtfertigten Grundlage.174 Das Argument des Gesetzgebers impliziert vielmehr, dass durch diese Ausgestaltung des Wahlrechts auch ein Mehraufwand des Verkäufers aus der für ihn ungünstigeren Wahl des Käufers gerechtfertigt werden könne, dem aber nicht notwendigerweise ein entsprechender Mehrwert des Käufers gegenüberstehen muss. Der Käufer nämlich ist grundsätzlich lediglich an der kooperationsgerechten Erfüllung des Vertrages und daran interessiert, einen versprechensadäquaten Kaufgegenstand zu erhalten.175 Auf welche Weise der Verkäufer die vereinbarten Zustände herzustellen in der Lage ist, kann der Käufer weder vor der – wenn auch im Ergebnis zunächst gescheiterten – Vertragserfüllung beeinflussen, noch kann er grundsätzlich ein Interesse daran haben, es anschließend zu tun. Vielmehr eröffnet das Wahlrecht des Käufers diesem opportunistische Handlungsoptionen, die es ihm erlauben, den Verkäufer in eine für diesen kostspieligere Nacherfüllungsvariante zu drängen, was nicht zuletzt eine Einpreisung des daraus folgenden erhöhten Risikos zur Folge haben kann, die ihrerseits zu insgesamt erhöhten Marktpreisen führte. Effizienz- und Wohlfahrtsverluste sind die sichere Konsequenz. Das einzig zur Verfügung stehende Mittel der Wahl, solchen Effekten zu begegnen, stellt das verkäuferseitige Verweigerungsrecht des § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB dar, 170
Vgl. nochmals BT-Drs. 14/6040, S. 231. Ausführlich und grundlegend Polinsky/Shavell, Harv. Law Rev. 111 (1998), 869, 874. 172 In diesem Sinne auch Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 383. 173 Mit umfassender Untersuchung der Gewährleistungsrechte im Einzelnen und einer Abgrenzung zwischen Garantie- und Verschuldenshaftung Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62 ff. 174 Auch Huber, NJW 2002, 1004, 1008, konstatiert, dass § 439 BGB nicht zu einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch werden dürfe. 175 Darauf weist auch Riha, Ökonomische Analyse, S. 197, zu Recht hin. 171
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
dessen Auslegung sich ebenfalls an ökonomischen Realitäten und Vorherigkeiten zu orientieren hat. Will man sich nicht auf die rechtspolitische und rechtsökonomische Kritik der gesetzgeberischen Wahlrechtsallokation in § 439 Abs. 1 BGB beschränken, so ist eine rechtsökonomisch integrierte Lösung in der dogmatischen Peripherie des § 439 Abs. 3 BGB zu suchen. bb) Beschränkung der Nacherfüllungswahl durch das Merkmal der Unverhältnismäßigkeit der Kosten Nach § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung mit der Folge verweigern, dass sich der Nacherfüllungsanspruch – unbeschadet eines neuerlichen Verweigerungsrechts – gemäß § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB auf die verbleibende Art der Nacherfüllung beschränkt, wenn die vom Käufer zunächst gewählte Art der Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Wann die Kosten unverhältnismäßig sind, sagt das Gesetz nicht. Es grenzt § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB jedoch von dem unbeschadet dieser Vorschrift geltenden § 275 Abs. 2, 3 BGB ab. § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB stellt, hierauf lässt die ausdrückliche Bezugnahme in seinem Wortlaut schließen, eine besondere Ausprägung des § 275 Abs. 2 BGB dar, die einen milderen Maßstab anlegt, als § 275 Abs. 2 BGB selbst.176 Dort ist nämlich im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Unmöglichkeit von einem „groben Missverhältnis“ und hier nur von „unverhältnismäßigem Aufwand“ die Rede.177 Es drängt sich daher die Frage auf, wann die Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung ,unverhältnismäßig‘ sind. Die Beantwortung dieser Frage setzt zunächst die Bestimmung der Variablen voraus, die bei dieser Prüfung zueinander ins Verhältnis zu setzen sind. Das Gesetz gibt in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB eine Antwort: „Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte.“ Das Verweigerungsrecht des Verkäufers orientiert sich deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers zunächst an dem Verhältnis der Kosten der vom Käufer gewählten Art der Nacherfüllung zu dem Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, wobei entscheidend ist, ob auch die andere Art der Nacherfüllung noch offen steht. Es ist deshalb zwischen einer relativen Unverhältnismäßigkeit, die lediglich das Verhältnis der beiden Nacherfüllungsvarianten zueinander erfasst, und einer absoluten Unverhältnismäßigkeit zu unterscheiden, die das Verhältnis der Nacherfüllungskosten in der gewählten Art zum Wert der Kaufsache abbildet.178 176 Ausführlich auch Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 113 ff.; ebenso Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 381. 177 Auch die Gesetzesbegründung stellt ausdrücklich klar, dass es sich bei § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB um einen Sonderfall des § 275 Abs. 2, 3 BGB handelt, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 232; a.A. Ackermann, JZ 2002, 378, 383 f. 178 Mit dieser Terminologie auch Riha, Ökonomische Analyse, S. 215 ff.; in der Sache ebenso Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 46 ff.; differenzierend Derleder, NJW 2005, 2481, 2482.
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cc) Maßstab einer relativen Unverhältnismäßigkeit Die zu besorgenen lock in-Effekte durch die für den Verkäufer nachteilige, für den Käufer jedoch nicht vorteilhafte Wahl einer der Nacherfüllungsalternativen treten bereits dann hervor, wenn der Käufer ohne anerkennenswerten Grund die kostspieligere der beiden Nacherfüllungsarten wählt und den Verkäufer daran festzuhalten versucht. Würde diese Art der Nacherfüllung vollzogen, entstünden höhere Vertragserfüllungskosten, ohne dass diesen zur – interpersonellen, also gesamtwohlfahrtlichen – Kompensation ein größerer Mehrwert gegenüberstünde. Die Wahl wäre ineffizient und darüber hinaus auch nicht von dem wechselseitigen Transaktionsvertrauen getragen: Der Käufer hat seine Zahlungsbereitschaft ermittelt lediglich auf Grundlage einer Zielerreichungshypothese, nämlich der in einem kooperativen Äquivalenzverhältnis festgelegten Beschreibung der am Ende der Transaktion bestehenden Beschaffenheit des Kaufgegenstandes. Wie und mit welchem Aufwand der Verkäufer kooperations- und damit auch äquivalenzgerechte Zustände herzustellen in der Lage ist, hält in die Kooperationsvereinbarung jedoch allein aufseiten des Verkäufers, nämlich bei der Festlegung seiner eigenen Zahlungsbereitschaft, im Sinne des Äquivalenzversprechens für einen bestimmten Kaufpreis eine bestimmte Qualität zu liefern, Einzug.179 Da der Verkäufer hierbei jedoch grundsätzlich die für ihn günstigste Alternative zugrunde legen wird, kooperationsgerechte Zustände herbeizuführen, ist bei typisierter Betrachtung auf dem Fundament des die Parteivereinbarung auf einer ersten Stufe tragenden abstrakten Vertrauens davon auszugehen, dass gerade auch die Herstellung versprechensadäquater Zustände mit den für den Verkäufer günstigsten Mitteln impliziter Gegenstand der Kooperationsvereinbarung geworden ist.180 Wählt der Käufer nun, gegebenenfalls aus Unwissenheit, die teurere der beiden Nacherfüllungsalternativen, verhält er sich nicht kooperationsgerecht, weshalb dem Verkäufer insoweit kraft impliziter Parteivereinbarung das in § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB institutionalisierte Recht zusteht, auf die andere der beiden zur Verfügung stehenden Alternativen umzuschwenken. Von einer relativen Unverhältnismäßigkeit ist daher immer schon dann auszugehen, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung aus subjektiver Sicht des
179 Die Vorschrift des § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB dient auch ausweislich des ausdrücklichen Wortlautes der Gesetzesbegründung gerade dem Schutz des Verkäufers vor einer unangemessenen finanziellen Belastung, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 232; ferner z.B. Jorden/Lehmann, JZ 2001, 958; Schubel, JuS 2002, 316. Dieses Schutzziel spiegelt sich in den impliziten Parteivereinbarungen wider. 180 Auch die implizit getroffene Vereinbarung über die Wahl der günstigsten Nacherfüllungsalternative ist daher Gegenstand der Äquivalenzvereinbarung und damit Teil der subjektiven Äquivalenz. Diese zu schützen, ist der Gesetzgeber jedoch schon deshalb gehalten, weil nämlich auch das ,subjektive Äquivalenzprinzip‘ zu den Fundamenten der Vertragsgerechtigkeit gehört und seine Legitimation im Grundsatz der Vertragsfreiheit findet, vgl. Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 6 f.
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Käufers181 kostspieliger ist, als die verbleibende.182 Die in der Literatur angebotene 10%-Grenze,183 um welche die Kosten der gewählten Art der Nacherfüllung diejenigen der verbleibenden Alternative übersteigen dürften, ist daher nicht nur aus ökonomischen Gründen ineffizient, sondern entspricht auch nicht dem, was die Parteien implizit vereinbart haben. Ihren Ursprung hat dieser Versuch einer quantitativen Betrachtung mithilfe der Bestimmung einer klaren Wertgrenze in der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (VerbrGK-RiL), die der deutsche Gesetzgeber jedenfalls für Verbraucherverträge umzusetzen gehalten war. Die Richtlinie stellt nämlich darauf ab, ob die Kosten der Abhilfe „deutlich höher“ sind, als die Kosten einer anderen Abhilfe.184 Hieraus wird geschlossen, dass geringfügig höhere Kosten hinzunehmen seien. Zwar enthält § 439 Abs. 3 BGB wegen seiner Bindung an die VerbrGK-RiL im Anwendungsbereich von Verbraucherverträgen kein dispositives Recht, jedoch kann auch hier ein übereinstimmender Parteiwille dienen, unbestimmte Rechtsbegriffe, wie denjenigen der ,deutlich höheren‘ Kosten einer zweck- und vertragsentsprechenden Auslegung zuzuführen. Die in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB genannten Kriterien zur Festlegung eines Wertmaßstabs sind nämlich nur beispielhaft und nicht abschließend aufgezählt.185 Vielmehr ist auch eine ergänzende Wertung aus der Bedeutung der Vertragswidrigkeit, in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB bezeichnet als „Bedeutung des Mangels“, und der anderen Form der Nacherfüllung, die im Gesetzeswortlaut ebenfalls ihren Niederschlag gefunden hat, möglich und geboten.186 Für die Beantwortung der Frage nach unverhältnismäßigen Kosten kommt es daher auf die im Kontext der gesamten Vertragsbeziehung entstehenden Kosten und damit auf eine Abwägung der wechselseitigen Parteiinteressen an.187 Dies erfordert, so ausdrücklich der Wortlaut der Gesetzesbegründung, auch eine Einbeziehung der Bedeutung der Vertragswid181 Dass es auf die Einschätzung des Käufers in der konkreten Parteibeziehung ankommt, ergibt sich bereits aus der Herleitung der relativen Unverhältnismäßigkeit aus den impliziten Vertragsbestandteilen, wird im Übrigen aber z.B. auch von Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 46, so gesehen. 182 Im Ergebnis ebenso, mit – etwas differierender – ökonomischer Begründung und mit einem Tribut an die VerbrGK-RiL Riha, Ökonomische Anlayse, S. 225 ff. 183 Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2122; Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 49 m.w.N. 184 Vgl. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 VerbrGK-RiL und dort den 11. Erwägungsgrund, Satz 2 Hs. 2: „(…) bei der Beantwortung der Frage, ob es sich um unzumutbare Kosten handelt, sollte entscheidend sein, ob die Kosten der Abhilfe deutlich höher sind als die Kosten einer anderen Abhilfe.“. 185 Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 384, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; a.A. für den Verbrauchsgüterkauf wohl Jorden/Lehmann, JZ 2001, 958, mit dem Hinweis darauf, dass in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 VerbrGK-RiL das Wort „insbesondere“ fehle. 186 BT-Drs. 14/6040, S. 232: „Satz 2 beruht auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und gibt einige Kriterien vor, anhand derer die Unverhältnismäßigkeit einer der beiden Formen der Nacherfüllung zu beurteilen ist. Beispielhaft ist als zu berücksichtigender Umstand zunächst genannt der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand. (…) Im Übrigen sieht Satz 2 ebenso wie Art. 3 Abs. 3 Satz 2 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie die Bedeutung der Vertragswidrigkeit, das heißt des Mangels, als Entscheidungsmaßstab vor und bezieht die andere Form der Nacherfüllung in die Wertungsüberlegungen zur Verhältnismäßigkeit mit ein.“. 187 So ausdrücklich auch Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 47.
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rigkeit in die Verhältnismäßigkeitsprüfung. Dann kann jedoch nicht allein die Vertragswidrigkeit des verkäuferseitigen Verhaltens eine Rolle spielen, sondern müssen auch Kooperationsbrüche des Käufers beachtlich sein. Soweit aber festzustellen ist, dass die Kooperationsvereinbarung eine implizite Einigung auf die kostengünstigste Art der Nacherfüllung enthält und eine hiervon abweichende Wahl des Käufers bereits einen Kooperationsbruch begründet, so hält auch dies in die Abwägung Einzug und führt dazu, dass unter regelmäßigen und auf Grundlage des abstrakten Transaktionsvertrauens ermittelten Umständen von ,deutlich höheren‘ Nacherfüllungskosten im Sinne der VerbrGK-RiL unter Einbeziehung des kooperationswidrigen Verhaltens des Käufers bei Wahl einer ihm nicht nützlicheren aber dem Verkäufer schädlichen Nacherfüllungsalternative bereits dann auszugehen ist, wenn die Kosten der gewählten Art diejenigen der verbleibenden Art überhaupt übersteigen. Eine Aufspaltung des Rechts derart, dass bei Verbraucherverträgen ein weiter Maßstab mit einer 10% – Grenze und bei allen übrigen Verträgen eine enge Auslegung der relativen Unverhältnismaßigkeit vorzunehmen wäre, ist daher auch vor dem Hintergrund der richtlinienkonformen Gesetzesbegründung zu § 439 Abs. 3 BGB nicht erforderlich.188 Von diesem Grundsatz sind Ausnahmen jedoch dann geboten, wenn ein konkretes Transaktionsvertrauen das bis hierher maßgebende typisierte und der Kooperationsvereinbarung implizit zugrunde liegende abstrakte Vertrauen überlagert oder wenn aus anderen Gründen die impliziten Absprachen der ursprünglichen Kooperationsvereinbarung die Begrenzung der Erfüllungswahl nicht mehr determinieren können. Auch diese Begrenzung, die außerhalb eines Wert- und Kostenverhältnisses steht, kommt in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB zum Ausdruck, nämlich in der Bezugnahme auf die Möglichkeit, „auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer“ zurückgreifen zu können. Eine solche Möglichkeit ist z.B. dann nicht gegeben, wenn der Käufer eines Pkw aus privater Hand Nacherfüllung verlangte und so den Verkäufer, der ohne großen Aufwand das Auto auch ohne eigene Werkstatt in einer solchen reparieren lassen könnte, nötigte, den Aufwand zu betreiben, außerhalb ihm als nicht professionellem Händler nicht zur Verfügung stehender Vertriebskanäle ein vergleichbares Ersatzfahrzeug zu beschaffen.189 In Fällen wie diesem wird sich aus den impliziten Vertragsbestandteilen regelmäßig eine Beschränkung der Nacherfüllungswahl in Anlehnung an die in der Akzeptanz des vom Käufer angebotenen Kaufpreises sich manifestierende Zahlungsbereitschaft des Verkäufers entnehmen lassen. Wäre der Verkäufer nämlich verpflichtet, z.B. auch bei einem Verkauf aus privater Hand im Anschluss Ankaufsbemühungen zu unternehmen, um im Rahmen einer etwaig 188 Eine solche wird jedoch von Riha, Ökonomische Analyse, S. 225 ff., vorgeschlagen, der zwar auch die ökonomische Ineffizienz der 10% – Grenze ebenfalls herausstellt, sich hieran aber vor dem Hintergrund des Wortlauts der VerbrGK-RiL ebenfalls gebunden fühlt. 189 Mit diesem Beispiel etwa Derleder, NJW 2005, 2481, 2482; unter Bezugnahme darauf z.B. auch Putzo, in: Palandt, BGB, § 439 Rz. 16a.
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nötig werdenden Nacherfüllung einem Neulieferungsverlangen nachkommen zu können, so würde er sich dies richtigerweise im Vorfeld bereits mit dem Vertragspreis vergüten lassen. Soweit dies aber nicht geschehen ist, ist abermals mit einer entsprechenden Erfüllungswahl des Käufers von einem Bruch der Kooperationsbeziehung auszugehen, der seinerseits zu einer Beschränkung des Wahlrechts führt. Zuletzt kann ein Umschwenken auf die jeweils nicht gewählte Art der Nacherfüllung nach Verweigerung des Verkäufers jedoch dem Käufer aus anderen Gründen, als denen, die in der Kooperationsvereinbarung wurzeln, nicht zumutbar sein. Die Kooperationsbeziehung ist von wechselseitigem Vertrauen getragen. Kommt es zu einem Vertrauensbruch durch den Verkäufer, der über die bloße Lieferung der mangelbehafteten Kaufsache hinaus geht, so kann es dem Käufer unzumutbar sein, die vom Verkäufer für vorrangig gehaltene Erfüllungsalternative zu akzeptieren. Dies ist z.B. denkbar, wenn im Rahmen der günstigeren Nacherfüllungsalternative mit der Eröffnung einer Einflusssphäre für den Verkäufer eine Gefährdung der käuferseitigen Integritätsinteressen verbunden wäre. Als Maßstab für eine solche Begrenzung der ausschließlich kostenrelativen Beschränkung des Wahlrechts und damit für ein Recht des Käufers zur Rückkehr auch zu der kostspieligeren Nacherfüllungsalternative könnten die zu § 282 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB entwickelten Maßstäbe Pate stehen.190 Der Maßstab der Unzumutbarkeit, der im Rahmen des § 282 BGB sehr streng ist, da die Rechtsfolge des Schadensersatzes statt der Leistung sehr einschneidende Folgen hat, und verlangt, dass ein Festhalten am Vertrag dem Geschädigten ,unerträglich‘ ist, ist im Anwendungsbereich des § 439 Abs. 3 BGB jedoch zu lockern, da die dem Verkäufer drohenden Nachteile allein kostenallokativer Natur sind. Es muss deshalb in einer Abwägung der beiderseitigen Interessen,191 nämlich der Neben- und Schutzpflichtverletzungen des Verkäufers, die dem Käufer die verbleibende Nacherfüllungsalternative unzumutbar macht, gegenüber der Kostensteigerung ein Ausgleich gefunden werden. Eine starre Quote kann hier jedoch nicht angeboten werden, da der Verkäufer, je größer seine begleitende Pflichtverletzung und der daraus resultierende Vertrauensverlust und je größer die Einflussnahme, die mit der von ihm präferierten Art der Nacherfüllung verbunden ist, desto eher gehalten sein kann, höhere Nacherfüllungskosten aus der vom Käufer gewählten Alternative hinzunehmen.192 Die ökonomische Rechtfertigung hierfür liegt trotz des Abstellens auf außerhalb der Hauptleistungsbeziehung liegende Umstände in einer Gegenüberstellung der 190 Vgl. hierzu statt vieler ausführlich Otto, in: Staudinger, BGB, § 282 Rz. 19 ff zur Pflichtverletzung und Rz. 52 ff. zur Unzumutbarkeit. 191 Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 282 Rz. 5; Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 282 Rz. 7. 192 Auch Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 385 f., will von einer starren Quotenbildung absehen, da für die Frage der Zumutbarkeit der Nacherfüllungskosten stets die besonderen Umstände des Einzelfalles maßgeblich seien. Und diese ergeben sich aus der Kooperationsabsprache der Parteien, die für die Feststellung der wechselseitig übernommenen Rechte und Pflichten zu entschlüsseln ist.
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Kosten: Denn durch die Begrenzung des Nacherfüllungsrechts auf die ihm aus seiner Sicht nicht zumutbare Alternative wendet auch der Käufer Opportunitätskosten auf, die in das Verhältnis zu den Erfüllungskosten des Verkäufers zu setzen sind.193 Da die Opportunitätskosten jedoch in Geld schwer messbar sind, beschränkt sich die Möglichkeit einer justitiablen Entscheidung auf eine Interessenabwägung. dd) Maßstab einer absoluten Unverhältnismäßigkeit (1) Bisherige Versuche zur Bestimmung einer absoluten Unverhältnismäßigkeit Ist bis hierher auf Grundlage des abstrakten Transaktionsvertrauens und unbeschadet einer konkreten Vertrauensbeziehung und konkreter Vertrauensumstände zunächst und grundsätzlich davon auszugehen, dass eine relative Unverhältnismäßigkeit zwischen den beiden möglichen Nacherfüllungsalternativen bereits dann vorliegt, wenn die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung für den Verkäufer kostspieliger ist, als die verbleibende, bleibt die Frage zu klären, unter welchen Voraussetzungen der Verkäufer berechtigt ist, auch die verbleibende Art der Nacherfüllung wegen einer sich auch auf diese erstreckenden Unverhältnismäßigkeit ebenfalls zu verweigern und den Käufer damit auf Sekundärrechtsbehelfe zu verweisen.194 In der Literatur195 wird auch hier der Versuch unternommen, starre Wertgrenzen zu bilden, um hiermit die ,Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung‘ justitiabel zu machen, ohne dass jedoch für die gefundenen Werte nachvollziehbare und über ihrerseits wenig justitiable und unbestimmte Wertbegriffe hinausgehende Begründungen angeboten würden.196 Allein die Differenzen in den für vertretbar gehalte193
So auch Riha, Ökonomische Analyse, S. 225 ff. Ungeachtet der hier gewählten Formulierung gelten die zu erarbeitenden Grundsätze für die absolute Unverhältnismäßigkeit auch dann, wenn eine der Nacherfüllungsalternativen von vorneherein wegen Unmöglichkeit ausscheidet. 195 Huber, NJW 2001, 1008: 100% des Wertes der mangelfreien Sache, da der Verkäufer wertmäßig nicht mehr versprochen habe; Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 49 a.E.: Ohne Berücksichtigung besonderer Umstände 120% des Wertes der mangelfreien Sache; in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB mit einer 130% – Grenze Westermann, in: Schulze/Schulte-Nölke, Schuldrechtsreform, S. 125; Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2122: Angemessen sei allenfalls eine ,Draufgabepflicht‘ des Verkäufers auf den Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand um die Hälfte, weshalb als regelmäßige Grenze 150% vorgeschlagen werden; dagegen Huber, NJW 2001, 1008, da der Nacherfüllungsanspruch nicht zu einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch ausarten dürfe. 196 Schultz, Kosten der Nacherfüllung, untersucht umfassend, ob und inwieweit die zu § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. im Werkvertragsrecht entwickelten Fallgruppen zur Ausfüllung des Begriffs der ,unzumutbaren Kosten‘ auf § 439 Abs. 3 BGB zu übertragen ist und kommt hierbei (S. 196) zu dem zusammenfassenden Ergebnis, dass je nach Verschuldensgrad des Verkäufers in Bezug auf den Mangel von Richtwerten zwischen 25% und 50% auszugehen sei. Die Differenzierung nach verschiedenen Verschuldensgraden ist jedoch dogmatisch schon deshalb fragwürdig, weil es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB in der Sache um einen Garantieanspruch handelt, der überhaupt kein Verschulden voraussetzt, vgl. Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62, 63. Ihn verschuldensabhängig auszudifferenzieren, hieße deshalb, in sein dogmatisches Fundament einzugreifen. Huber/Faust, 194
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nen Wertgrenzen zur Bestimmung einer Überforderung des Verkäufers, die von 100% bis 150% des Wertes der Kaufsache reichen, zeigen jedoch, dass in einer willkürlichen Grenzziehung ohne belastbaren dogmatischen Unterbau die Reichweite des Nacherfüllungsanspruchs nicht zutreffend erfasst und damit auch nicht nachvollziehbar geregelt werden kann. Fehlt es einer Norm oder einer hierauf bezogenen Anwendungsregel aber an der Nachvollziehbarkeit, so wird es ihr über kurz oder lang auch an Akzeptanz fehlen.197 Es ist daher nach anderen Lösungen und Maßstäben zu suchen, die eine Systematisierung der Grenzziehung möglich erscheinen lassen. Bedenken bestehen bei diesem Versuch jedoch gegenüber dem in der Literatur ebenfalls unternommenen Vorschlag, die Unverhältnismäßigkeit an der Höhe des im Verweigerungsfalle zu leistenden Minderungsbetrages198 oder Schadensersatzes mit der Begründung zu orientieren, dass hierdurch ökonomisch effiziente Ergebnisse erzielt würden, die nicht zuletzt an den Grundsätzen des Modells eines effizienten Vertragsbruchs ausgerichtet werden könnten.199 (2) Kritik an einer Ausrichtung der Unverhältnismäßigkeit an den Kosten der Sekundärrechtsbehelfe und der Theorie des effizienten Vertragsbruchs In der Auseinandersetzung mit der Theorie des effizienten Vertragsbruchs200 war dieses Modell jedoch gerade zurückgedrängt und dem Erfüllungsanspruch grundsätzlich unbedingter Vorrang eingeräumt worden, weil die Bemessung der wechselseitigen vertraglichen Nutzen anhand konkreter Formeln kaum handhabbar und in der Regel mangels eines interpersonell möglichen Nutzenvergleichs gerade nicht justitiabel ist.201 Außerdem war nachgewiesen worden, dass sich die in der bidirektionalen Vertrauensentwicklung der Vertragsanbahnung dynamisch verfestigende Äquivalenzbeziehung202 der Parteien, an deren Ende der Konsens in Bezug auf die wechselseitige Zahlungsbereitschaft steht, unmittelbar auf den Erfüllungsanspruch bezieht und deshalb grundsätzlich der zur Herstellung versprechensgerechter Zustände geforderte Aufwand vom Verkäufer auch geschuldet ist, solange nicht unvorhersehbare und von der Kooperationsvereinbarung auch nicht implizit erfasste Kontingenzen auf die Vertragserfüllung zurückwirken.203 Da nun aber der Nacherfüllungsanspruch, wie gesehen, die modi197 Schuldrechtsmodernisierung, S. 50, räumen daher im Zusammenhang mit § 275 Abs. 2 BGB, wo ähnliche Wertgrenzen vorgeschlagen werden, auch freimütig ein, dass diesen Grenzziehungen „zwangsläufig etwas willkürliches anhaftet“. 197 Vgl. nochmals oben 1. Kap. § 2 B) III.3 b) mit Hinweis auf Von Hayek, Studies in Philosophy, S. 100 ff. 198 Ackermann, JZ 2002, 378, 382 ff. 199 Riha, Ökonomische Analyse, S. 220 ff., hält das Modell des effizienten Vertragsbruchs hier für einen geeigneten Maßstab zur Grenzziehung innerhalb des § 439 Abs. 3 BGB. 200 Oben 1. Kap. § 2 C) I.1 bis I.3. 201 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 a) und b). 202 Zu der dynamischen Entwicklung und Verfestigung des Vertrauens, das letztlich Grundlage für die Äquivalenzbeziehung der Parteien ist, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) mit Abb. 4. 203 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) und d).
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fizierte Fortsetzung des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs ist, hat der im Zusammenhang mit dem Modell des effizienten Vertragsbruchs erarbeitete Vorrang der Vertragserfüllung auch Geltung für den Nacherfüllungsanspruch. Die Begrenzung des Nacherfüllungsanspruchs an einem Minderungsbetrag oder der Höhe des zu leistenden Sekundärschadensersatzes zu orientieren, würde diesem Vorrangverhältnis und damit dem der Transaktion eigenen Vertrauen ebensowenig gerecht, wie der Tatsache, dass das Halten und Haben eines Gegenstandes regelmäßig höher bewertet wird, als eine Beschaffungschance oder -aussicht dem designierten Käufer wert ist.204 Mit der Annahme des zur vermeintlichen Vertragserfüllung vom Verkäufer überlassenen Gegenstandes, gegebenenfalls sogar unter Verzicht auf sein Recht zur Zurückweisung aus § 266 BGB, hat der Käufer den Gegenstand in der Erwartung entgegengenommen, hierdurch werde das vertragliche Versprechen jedenfalls im Wesentlichen erfüllt. Das Kooperations- und Transaktionsvertrauen setzt sich daher zunächst in der Besitzverschaffung des mangelbehafteten Gegenstandes fort.205 Allein mit der Inbesitznahme des Transaktionsgegenstandes durch den Käufer erhöht sich jedoch der subjektive Wert der Kaufsache für ihn, sodass bei einer Wertfindung anhand der für einen effizienten Vertragsbruch zu ermittelnden Grenzen zunächst festzustellen wäre, auf welchen der subjektiven Werte abstellen ist: Den vor oder den nach der mangelhaften Vertragserfüllung. Die Ausrichtung des Verweigerungsrechts an Sekundäransprüchen, die jedenfalls zum Teil, wie beim Rücktritt und dem großen Schadensersatz der Fall, mit dem Verlust der Sache einhergehen, liefe Gefahr, diese rein subjektive und nicht messbare Wertsteigerung auf Seiten des Käufers allein durch das ,Halten und Haben der Sache‘ unberücksichtigt zu lassen.206 Dies aber bedeutete, bei der juristischen Auslegung ökonomische Vorherigkeiten zu ignorieren, die jedoch gerade für den Fall der Verstrickung durch Desinformation erst die notwendige Basis für die sachlich richtige Anwendung der juristischen Methodik und des mit ihr zu erreichenden Schutzniveaus schaffen.207 Der Rückgriff auf das Modell des effizienten Vertragsbruchs scheint daher auch im Anwendungsbereich des § 439 Abs. 3 BGB keine Lösung für die Bemessung der zutreffenden Verweigerungsschwelle bereitzuhalten. (3) Grundlagen und Ratio der Bestimmung des Maßstabs einer absoluten Unverhältnismäßigkeit Bis hierher unberücksichtigt geblieben ist auch, dass eine Auffassung, welche die subjektive Wertsteigerung aufseiten des Käufers, die mit der Inbesitznahme des Kaufgegenstandes unumgänglich verbunden ist, zudem die mit der Gewährung 204
Ausführlich v. Aaken, Rational Choice, S. 91 ff., und oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa). So überzeugend Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 113 ff. 206 Diese Gefahr erkennt auch Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 49: „Steht die andere Form der Nacherfüllung nicht offen, fallen die Interessen des Käufers stärker ins Gewicht, da erkennbar die Gefahr droht, dass er gar keine fehlerfreie Kaufsache erhält. Die Abwägung ist schon deshalb nicht leicht, weil die Interessen des Käufers nicht unbedingt in Geld messbar sind.“. Grunewald führt diesen Gedanken dann jedoch nicht zu Ende, sondern schließt hieraus schlicht auf die Angemessenheit einer 110%-Grenze. 207 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 3 C) II. 205
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eines Rechts zur zweiten Andienung ohnehin eintretende Privilegierung des Verkäufers noch zulasten des Käufers ausdehnt. Eine solche Privilegierung des Verkäufers kommt nicht allein in der dem Verkäufer eröffneten erleichterten Abwehrmöglichkeit des käuferseitigen Nacherfüllungsrechts wegen Unverhältnismäßigkeit der Kosten überhaupt zum Ausdruck, wodurch letztlich dem Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung ein Vorrang gegenüber dem sonst inhaltsgleichen Nacherfüllungsanspruch des Käufers eingeräumt wird, sondern gerade auch darin, dass der Verkäufer mit seiner Nacherfüllungsleistung bereits auf einer erbrachten Teilleistung aufsatteln kann,208 ihm also die Erfüllung des Nacherfüllungsanspruchs mit tendenziell geringeren Mitteln und Transaktionskosten möglich ist, als es bei dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch der Fall war.209 Wenn aber der Vorrang der Erfüllung vor einem Schadensersatz sich im Nacherfüllungsanspruch fortsetzen soll, so folgt hieraus unter Berücksichtigung der ökonomischen Vorherigkeiten, dass diese Privilegierung des Verkäufers auch bei der Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der ,unverhältnismäßigen Kosten‘ eine Rolle zu spielen hat und für ein eher restriktives Verständnis spricht, um den Nacherfüllungsanspruch nicht der Gefahr auszusetzen, leer zu laufen.210 Denn der Vorrang der Erfüllung vor der Kompensation darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Erfüllung immer nur solange soll verlangt werden können, wie nicht die Kompensation für den Verkäufer günstiger ist. Dass ein solches Prinzip nämlich zu nicht sachgerechten Ergebnissen führte, hat bereits die Analyse des Falls Jacob & Youngs vs. Kent211 gezeigt. Die Ratio der absoluten Unverhältnismäßigkeit muss deshalb, will man die bei Jacob & Youngs vs. Kent exemplarisch erarbeiteten Grundsätze auch hier umsetzen, darin gesucht werden, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den von den Parteien in die Vertragsbeziehung eingebrachten Vertrauensumständen herzustellen, die auch in die Bemessung der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft Einzug gehalten haben. (4) Variablen des Unverhältnismäßigkeitsmaßstabs und implizite, parteiautonome subjektive Äquivalenz Dies beginnt richtigerweise auch hier mit einer nochmaligen Bestimmung der Variablen der Verhältnismäßigkeit im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB. Eingangs212 war bereits darauf hingewiesen worden, dass das Gesetz in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB dabei insbesondere den Wert der Sache in mangelfreiem Zustand und die 208
Nochmals Dieckmann, Der Nacherfüllungsanspruch, S. 114. Dies gilt auch für den Fall der Neulieferung. Denn obwohl der Verkäufer hier einen vertragsgerechten Gegenstand ,neu‘ beschaffen muss, erhält er den zunächst gelieferten mangelhaften Gegenstand nämlich zurück, um diesen gegbenenfalls etwa noch zur Teilkompensation des eigenen Aufwandes zu verwerten. 210 Mit ähnlicher Überlegung Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 49. 211 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (2) und (3). 212 Oben 2. Kap. § 2 B) III.1 a) bb). 209
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Bedeutung des Mangels berücksichtigt wissen möchte. Bei der Auslegung dieser zur Bestimmung der Verhältnismäßigkeit heranzuziehenden Variablen geht das OLG Braunschweig213 zunächst unter Zustimmung in der Literatur214 davon aus, dass sich der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand nicht nach dem Kaufpreis, sondern nach dem objektiven Wert der Sache bestimme. Wie dieser objektive Wert der Sache, der nach der Vorstellung des OLG offenbar nur aus Umständen außerhalb der Parteibeziehung zu ermitteln sein kann, die Parteivereinbarung soll unterminieren können, bleibt in den Entscheidungsgründen hingegen unklar. Dies verwundert umso mehr, als sich auch in den Urteilsgründen jedenfalls eine Bezugnahme auf die „vertraglich vereinbarte Äquivalenz“215 findet und auch diejenigen Autoren, die der Auffassung des OLG zustimmen, die „besonderen Umstände des Einzelfalls und eine umfassende Abwägung der beiderseitigen Interessen“216 für maßgeblich halten. Trotz dieser Bezugnahme auf die vertraglich vereinbarte Äquivalenz und die Maßgeblichkeit der Umstände des Einzelfalls soll sich die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllungskosten anscheinend dennoch an einer Art objektiven und von der Verhandlungs- und Transaktionsbeziehung losgelösten Äquivalenz bestimmen.217 Ein Grund hierfür ist jedoch nicht erkennbar. Soweit die Parteien das ihrer Vereinbarung zugrunde liegende Äquivalenzverhältnis durch konsensuale Festschreibung ihrer wechselseitigen Zahlungsbereitschaft und die hierdurch eintretende Fixierung eines Kaufpreises, häufig als kleinsten gemeinsamen Nenner ihrer sich überlagernden Investitionsbereitschaften, und damit zugleich das ihrer Parteivereinbarung eigene sozial-ökonomische Opti213 OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053, 1054: „Die Bezugnahme des Gesetzes auf den ,Wert der Sache in mangelfreiem Zustand‘ (§ 439 III 2 BGB) macht deutlich, dass sich die Unverhältnismäßigkeit der Kosten nicht etwa nach dem Verhältnis der Nacherfüllungskosten zum Kaufpreis, wie das LG angenommen hat, sondern zum objektiven Wert der Sache bestimmt.“. 214 Vgl. statt vieler Putzo, in: Palandt, BGB, § 439 Rz. 16a; Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121; Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 384. 215 OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053, 1054: „Diese Bezugnahme auf den Wert der Sache ist deshalb gerechtfertigt, weil der Verkäufer im Falle eines so genannten Schnäppchens für den Käufer den in der Differenz von Kaufpreis und Wert liegenden Verlust bereits durch das für ihn – den Verkäufer – ,schlechte Geschäft‘ erlitten hat; es handelt sich also um einen Verlust, welcher der vertraglich vereinbarten Äquivalenz entspringt und der deshalb bei der Zumutbarkeitsprüfung des § 439 Abs. 3 BGB entgegen der Auffassung des LG vollständig außer Betracht zu bleiben hat.“. 216 So Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 384, der zum Beleg noch auf die als Referenzjudikat heranzuziehende Rechtsprechung des BGH zu § 633 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. (z.B. BGH, NJW 1996, 3269 f.; BGH, NJW 1995, 1836 f.) verweist. Auch Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121, stellen auf die vertragliche Äquivalenz und darauf ab, dass sich die „Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllungskosten (…) nur aus dem Vergleich zum Wert der vertraglich geschuldeten Sache ergeben“ könne, meinen jedoch, dass dies der objektive Wert der Sache sei. 217 Auch Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 5 ff., unterscheidet zwar zwischen einer subjektiven und einer objektiven Äquivalenz. Die objektive Äquivalenz tritt hierbei aber nicht vorrangig an die Stelle einer parteiautonomen Vereinbarung, sondern findet ihren Anwendungsbereich in gesetzlichen Äquivalenzregeln, aus welchen heraus der Parteivereinbarung gegebenenfalls die Anerkennung versagt werden kann, z.B. nach § 138 Abs. 2 BGB.
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mum218 bestimmt haben, determiniert diese rein subjektive Äquivalenz ihrer Vertragsbeziehung auch die weitere Abwicklung. Deutlich wird dies an einem abgewandelten Modell des vom OLG Braunschweig219 entschiedenen Falles und einem von Bitter/Meidt220 ins Feld geführten Beispiel: Habe ein Käufer einen Pkw im Marktwert von 2000 Euro günstig für 1000 Euro eingekauft und stelle sich nun heraus, dass ein vorhandener Motorschaden nur mit einem Aufwand von 3000 Euro zu beseitigen ist, dann komme es für die Unverhältnismäßigkeit nur auf den Vergleich der Nacherfüllungskosten von 3000 Euro zum Wert von 2000 Euro (150%) und nicht etwa auf den Vergleich zum Kaufpreis von 1000 Euro (300%) an. Diese Bezugnahme auf den Wert der Sache sei deshalb gerechtfertigt, weil der Verkäufer den in der Differenz von Kaufpreis und Wert liegenden Verlust bereits durch das für ihn ,schlechte Geschäft‘ erlitten habe, er also der vertraglichen Äquivalenz entspringe.
Diese auf den ersten Blick nachvollziehbare Argumentation scheint zwar den Wortlaut des Gesetzes für sich zu haben. Tatsächlich sind jedoch Bedenken gegen die Richtigkeit dieser Auffassung angezeigt. Mit der Bezugnahme auf das ,schlechte Geschäft‘ des Verkäufers greifen Bitter/Meidt221 entgegen ihrer Bekundung nämlich gerade nicht auf die vertragliche Äquivalenz zurück, sondern auf eine objektive Äquivalenz. Ein schlechtes Geschäft kann der Verkäufer in diesem Fall nämlich tatsächlich nur gemacht haben, wenn Referenzpunkt für die Beurteilung, ob das Geschäft gut oder schlecht war, der in der Sachverhaltsdarstellung zum Verständnis des Beispiels denknotwendig anzugebende Marktpreis ist. Damit entlehnen Bitter/ Meidt das Äquivalenzverhältnis aber gerade nicht der Parteivereinbarung unmittelbar, sondern sogar ausdrücklich Umständen außerhalb der Parteivereinbarung, ohne hierfür jedoch einen dogmatisch nachvollziehbaren Grund anzugeben. Vielmehr lassen sie nicht nur den in dem ,schlechten Geschäft‘ zum Ausdruck kommenden Erklärungsgehalt der Äquivalenzerklärung des Verkäufers unberücksichtigt, sondern verkehren diesen sogar in sein Gegenteil: Lässt sich der Verkäufer auf einen deutlich unterhalb des Marktpreises (im Beispiel: 50%) liegenden Verkaufspreis ein, so liegt hierin nach den Grundsätzen des hier entwickelten informationsund vertrauensökonomischen Interpretationsmodells zugleich eine implizite Erklärung, die eigene Leistungsbereitschaft gerade nicht höher bewerten und das parteiautonome sozial-ökonomische Optimum gerade nur an diesem Vertragspreis ausrichten zu wollen. Ebenso, wie in einer reputationsgestützten222 Vereinbarung der Parteien über einen über den Preisen von Konkurrenzprodukten liegenden Kaufpreis eine Erklärung des Verkäufers zum Ausdruck kommt, besondere Qualität leisten zu wollen, 218
Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc) mit Abb. 5. OLG Braunschweig, NJW 2003, 1053. 220 Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121. 221 Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121. 222 Zum Einfluss einer im Markt aufgebauten Reputation auf den mit Offerten verbundenen vetraglichen Erklärungswert vgl. ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 b) cc) und c). 219
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kommt spiegelbildlich in einer unterhalb der Marktpreise getroffenen Preisabsprache eine quasi negative Reputation zum Ausdruck, durch welche der Verkäufer seine eigene Leistungs- und Zahlungsbereitschaft implizit reduziert, worauf sich der Käufer mit Überlagerung der impliziten Vertragserwartungen in dem getroffenen vertraglichen Konsens einverstanden erklärt. Ihm nun aber die Erklärung in den Mund zu legen, er habe sich kraft der Parteivereinbarung auf ein ,schlechtes Geschäft‘ eingelassen, weshalb die vertragliche Äquivalenz zu verobjektivieren und an außerhalb der Transaktionsbeziehung liegenden Marktpreisen auszurichten sei, verstieße nicht nur gegen die nicht zuletzt in Art. 2 Abs. 1 GG verankerte Vertragsautonomie und elementare Grundsätze der Vertragsgerechtigkeit,223 sondern findet auch im Gesetzestext keine Stütze. Ein solches, die Grenzen der Parteivereinbarung und deshalb auch des dieser zugrunde liegenden Vertrauens sprengendes Verständnis des Gesetzeswortlautes ist durch nichts veranlasst und zu rechtfertigen.224 Da die Parteien den Maßstab der ihrer Vereinbarung zugrunde zu legenden Äquivalenz selbst bestimmen, ist diese auch an den Parteivereinbarungen auszurichten.225 Maßstab für die Bestimmung der absoluten Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB kann deshalb nicht ein wie auch immer gearteter Marktpreis sein, dessen Feststellung im Übrigen die Gerichte abermals mit unnötigem Aufwand belasten würde, sondern ist der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis.226 Nur auf diese Weise kann dem in der Kaufpreisvereinbarung selbst 223 Auch dazu Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 11: „Wohlgemerkt: Natürlich verstößt es nicht gegen die Gebote der Austauschgerechtigkeit, wenn die Parteien aus freien Stücken einen ,ungleichen‘ Vertrag schließen, sehr wohl aber, wenn die Rechtsordnung einen solchen ohne besonderen Anlass als Richtschnur einer von ihr statuierten Norm zugrundelegen würde.“. Genau dies tun Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121, mit ihrer Bezugnahme auf ein anhand eines vermeintlichen Marktpreises ermittelten ,schlechten Geschäfts‘ jedoch, ohne hierfür die Gebote Rechtfertigung anzubieten. 224 Im Ergebnis orientiert sich auch Schultz, Kosten der Nacherfüllung, S. 151 ff., an der Maßgeblichkeit der Parteivereinbarung, wenn er für die Übertragbarkeit der zum Werkvertragsrecht entwickelten Fallgruppe des ,berechtigten Interesses an der Nacherfüllung‘ grundsätzlich auf die vertragliche Risikoverteilung abstellt, jedoch danach unterscheidet, ob der Verkäufer Verbraucher oder Unternehmer ist, da in der impliziten Risikoübernahmeerklärung eines verkaufenden Verbrauchers bei typisierter Betrachtung regelmäßig eine weniger weitgehende Erklärung zur eigenen Einstandspflicht liege. 225 Die Ausrichtung an einem ökonomisch herzuleitenden ,positiven Gesamtnutzen‘, wie ihn Köndgen, in: FS Schäfer, S. 275, 283 ff., der Wertfindung bei § 275 Abs. 2 BGB zugrundelegt, muss m.E. daran scheitern, dass ein solcher Gesamtnutzen verlässlich und justitiabel nicht festzustellen ist. Entweder bleiben subjektive Nutzenerwartungen völlig außer Betracht, was der Vertragsgerechtigkeit wenig zuträglich wäre und auch den vertragstheoretischen Implikationen der auf ökonomischer Grundlage als Kommunikationselement herausgestellten Zahlungsbereitschaft nicht gerecht würde, oder, unter Berücksichtigung subjektiver Nutzenerwartungen lassen sich diese gerichtlich kaum feststellen, ohne erhebliche moral hazard – Risiken zu begründen, was auch Köndgen, a.a.O., so sieht. 226 Dieser rechtstheoretischen Herleitung trägt auch die Beobachtung aus der Praxis Rechnung, „dass die Prozessbeteiligten i.d.R. mit Selbstverständlichkeit den Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand als identisch mit dem Kaufpreis ansehen (…)“, vgl. Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 6. Die Beobachtung ist tatsächlich richtig, hat ihren Hintergrund aber darin, dass der Kaufpreis den zwischen den Parteien im Rahmen ihrer kooperativen Äquivalenzabsprache maßgeblichen ,Marktpreis‘ erst bildet, was im Ergebnis auch Canaris, a.a.O., S. 11 anerkennt: „In der Tat gibt es rechtliche Vermutung des Inhalts, dass der Preis dem Wert entspricht.“.
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zum Ausdruck kommenden Erklärungswert der Parteien und damit dem überkommenen Grundsatz der Vertragsgerechtigkeit, volenti non fit iniuria hinreichend Rechnung getragen werden. (5) Eigener Maßstab absoluter Unverhältnismäßigkeit § 439 Abs. 3 BGB enthält damit eine Bezugnahme auf einen allein der Parteivereinbarung entstammenden subjektiven Äquivalenzmaßstab. Trotz allem sind die der Norm zugrunde zu legenden Anwendungsmaßstäbe jedoch nicht ganz frei auch von ihrer Ratio entspringenden objektiven Äquivalenzerwägungen, die sich jedoch einerseits in den hier gespiegelten ökonomischen Vorherigkeiten widerfinden und andererseits auf gesetzlichen und eine jede Parteivereinbarung überlagernden (Gerechtigkeits-)Erwägungen227 beruhen: § 439 Abs. 3 BGB stellt bei zutreffender dogmatischer Einordnung eine spezialgesetzliche Ausprägung des Schikaneverbots aus § 226 BGB dar.228 Sinn und Zweck des Schikaneverbotes ist es, formal begründbare Rechte ausschließlich im Interesse der Schädigung des aus ihnen Verpflichteten auszuüben, ohne dass dem ein eigener Nutzen des Rechteinhabers gegenüberstünde.229 Schon diese Formulierung zeigt die große Nähe des § 439 Abs. 3 BGB zu ökonomischen Erwägungen. Eingangs der Analyse der käuferseitigen Wahlrechte im Anwendungsbereich des Nacherfüllungsanspruchs war bereits darauf hingewiesen worden,230 dass das Nacherfüllungsverlangen des Käufers nicht zu einem lock in des Verkäufers führen darf, der dem Käufer die Möglichkeit zu einem opportunistischen Ausnutzen seiner formalen Rechtsposition ermöglichte. Gleichermaßen war aus der Teleologie des § 439 BGB jedoch abzuleiten, dass die Norm vorrangig der Sicherung des Erfüllungsanspruchs231 und damit der Einhaltung der verkäuferseitig eingegangenen vertrauensauslösenden Versprechungen und der daraus hervorgegangenen Verpflichtungen dient,232 die es grundsätzlich erlauben, dem Verkäufer auf Grundlage der parteiautonomen ausdrücklichen, konkludenten und impliziten vertraglichen Absprachen – in der günstigeren Nacherfüllungsalternative – zunächst jeden möglichen233 Nacherfüllungsaufwand anzulas227 Zu diesem Maßstab für eine objektive Äquivalenz vgl. noch einmal Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 6 f., wonach es um objektive Äquivalenz geht, „wenn die Rechtsordnung die Gegenleistung unabhängig vom Parteiwillen festlegt oder diese an vertragsexternen Kriterien misst und ihr bei einer Abweichung von diesen u.U. die Anerkennung versagt.“. 228 Büdenbender, in: AnwKomm, § 439 Rz. 7. 229 Statt vieler Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 226 Rz. 3; sehr zurückhaltend OLG Frankfurt, NJW 1979, 1613. 230 Dazu breits oben 2. Kap. § 2 B) III.1 a) bb). 231 Weitergehend, als nur von der Sicherung des Erfüllungsanspruchs zu sprechen, Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen, Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 424: „Die Neuregelung gibt dem Nacherfüllungsanspruch bei einem Sach- oder Rechtsmangel nach §§ 437 Nr. 1 439 BGB als modifiziertem Erfüllungsanspruch den Vorrang und vertieft somit die Vertragsbindung.“. 232 Ausführlich oben 2. Kap. § 2 B) II.2 und II.3. 233 Die Vorschriften des § 275 Abs. 2, 3 BGB bleiben nicht nur nach dem Gesetzestext und dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 232) selbstverständlich auch
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ten. Dies umso mehr, als der Nacherfüllungsanspruch ökonomisch betrachtet nicht allein eine Versicherungsfunktion zugunsten des Käufers erfüllt, sondern vielmehr auch den Eigeninteressen des Verkäufers an dem Erhalt seiner Marktreputation dient.234 Diese Funktion und der mit ihr verbundene Nutzen für den Verkäufer sind bei der Verteilung der Lasten zusätzlich zu berücksichtigen. Überdies hat der Käufer seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag durch Zahlung des Kaufpreises erfüllt. Der Verkäufer war derjenige, der in der Verhandlungsbeziehung mit geringerem Aufwand die Kosten der Erfüllung, also die eigene Zahlungsbereitschaft hatte ausloten und in die Verhandlungsbeziehung und die Preisfindung hatte einbringen können. Ihn trifft daher grundsätzlich die Aufklärungslast hinsichtlich aller aus der Erfüllungssphäre in Bezug auf den Transaktionsgegenstand herrührenden Umstände.235 Gleichzeitig mit der Aufklärungslast trägt der Verkäufer dann jedoch auch das Kostenrisiko der ordnungsmäßigen Erfüllung, soweit im Rahmen der Nacherfüllung Umstände auftreten, die seiner, des Verkäufers, Aufklärungssphäre entspringen. Nur wenn in Bezug auf den konkret eintretenden Umstand, der die Erfüllung in fortgesetzter Gestalt der Nacherfüllung stört und der nach Auffassung des Verkäufers die absolute Unverhältnismäßigkeit des Nacherfüllungsanspruchs insgesamt begründet, festzustellen ist, dass dieser nicht aus der Aufklärungs- und Informationssphäre des Verkäufers herrührt, sondern entweder implizit dem Käufer zugewiesene oder im Vertrag überhaupt nicht erfasste Kontingenzen erfasst, kann unter Berücksichtigung des käuferseitigen Vertrauens von einem Nacherfüllungsanspruch abgesehen, dieser als unverhältnismäßig eingestuft und so der stets vorrangige Erfüllungsanspruch des Käufers zu Fall gebracht werden. Unter der absoluten ,Unverhältnismäßigkeit‘ im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB ist daher eine der subjektiven vertraglichen Äquivalenz entspringende Unverhältnismäßigkeit im Sinne einer kooperationsrechtlichen Inäquivalenz zu verstehen, die nur dann den aus der Kooperationsabsprache herrührenden und grundsätzlich unumstößlichen Erfüllungsanspruch des Käufers unterminieren kann, wenn die zu ihrer Begründung herangezogenen Umstände nicht einer in der parteiautonomen Kooperationsvereinbarung wurzelnden Risikoallokation236 und Äquivalenzvereinim 234 Anwendungsbereich des § 439 Abs. 3 BGB anwendbar, sondern auch nach der Ratio. Der Zwang zur Erfüllung einer jedenfalls wirtschaftlich unmöglichen Leistung stellte nämlich die denkbar stärkste Form einer Bindung des Verkäufers in einer lock in – Position dar, die ihn ohne Weiteres in opportunistischer Ausnutzung durch den Käufer zu überobligatorischen Leistungen zwingen könnte. 234 Ausführlich oben, 1. Kap. § 2 B) III.4 c) bb). 235 In ökonomischen Termini gesprochen, ist der Verkäufer in Bezug auf die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes daher grundsätzlich cheapest cost avoider und superior risk bearer, vgl. zu diesen Figuren oben 1. Kap. § 2 B) III.3 c) bb). 236 Diese hier an der vertraglichen Risikozuweisung ausgerichtete Argumentation, die dazu führt, dass derjenige Vertragspartner zu dem das Risiko in der Verhandlung alloziert wurde, sich bei Verwirklichung dieses Risikos nicht von dem Vertrag soll lossagen können, wird auch vom BGH verwendet, nämlich im Anwendungsbereich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB, vgl. BGH, Urt. v. 16.01.2004 – V ZR 166/03 (zitiert nach juris, Tz. 20): „Für eine Berücksichtigung von Stö-
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barung entgegenstehen.237 Mit diesem Verständnis ist letzthin nicht nur sichergestellt, dass der einzig verlässliche Umstand zur Bemessung subjektiver Werte, nämlich die Parteivereinbarung selbst vollständig zur Geltung gebracht wird238 und sich so die mit der gesetzgeberischen Adelung des subjektiven Fehlerbegriffs beabsichtigte Stärkung der Parteiautonomie239 bis in den Nacherfüllungsanspruch hinein fortsetzt,240 sondern können allgemeine, die Verhandlungsbeziehung determinierende Erwägungen zur Begründung und Rechtfertigung von Aufklärungspflichten dadurch gestärkt werden, dass die selben Gründe, die für die Zuweisung einer Aufklärungslast entscheidend sind, auch den Inhalt des mit ihrer Hilfe erst in der parteiautonomen Kooperationsvereinbarung definierten Erfüllungsanspruch maßgeblich bestimmen. Der Gesetzgeber wollte für das Kaufrecht die Privatautonomie stärken und hat sich sowohl für die Erfüllungstheorie als auch für den subjektiven Fehlerbegriff entschieden. § 439 Abs. 3 BGB ist Teil dieses gesetzgeberischen Konzepts, weshalb der unbestimmte Rechtsbegriff der ,Unverhältnismäßigkeit‘ nicht vorrangig an objektiven gesetzlichen Maßstäben zu orientieren ist, sondern im Sinne einer subjektiven Unverhältnismäßigkeit ausgelegt werden muss.241 Was in ihrem Verhältnis zueinan237 rungen der Geschäftsgrundlage ist nämlich kein Raum, wenn nach der vertraglichen Regelung derjenige das Risiko zu tragen hat, der sich auf die Störung beruft.“. Identisch liegt der Fall jedoch, wenn der Verkäufer mit seinem Leistungsversprechen die ordnungsmäßige Erfüllung zugesagt und dafür den Kaufpreis entgegengenommen hat. Soweit die Mängel der abstrakt-typisierten Risikoallokation nach den impliziten Vertragsbestandteilen entsprechen, begründen auch hohe Nacherfüllungskosten grundsätzlich keine vertragliche Unverhältnismäßigkeit. 237 Es sei hier noch einmal auf Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 5, verwiesen: „Dieses aber [Anm.: das subjektive Äquivalenzprinzip] stellt nichts anderes dar als eine Ausprägung der Vertragsfreiheit und gehört als solche mit Selbstverständlichkeit zu den Leitprinzipien des Vertragsrechts, zumal es darüber hinaus auch noch dem Gedanken der formalen oder prozeduralen Vertragsgerechtigkeit Rechnung trägt.“. 238 Dazu sehr ausführlich der Komplex zur Entwicklung des hier vertretenen kooperationsbasierenden Modells in 1. Kap. § 2 C) I.4. 239 Vgl. nochmals die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 212 f.: „Der Entwurf legt den subjektiven Fehlerbegriff zugrunde (…). Es kommt also zunächst auf den Inhalt der getroffenen Vereinbarung an. (…) Im Übrigen kann für die Umschreibung des Sachmangels auf eine Unterscheidung zwischen Fehlern und dem Fehlen zugesicherter Eigenschaften verzichtet werden, wenn maßgeblich auf die Vereinbarung der Parteien abgestellt wird und nicht auf außerhalb des Willens der Vertragsparteien liegende ,objektive‘ Merkmale.“. 240 Mit vergleichbarer Argumentation abermals anschaulich Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 5: „(…) bedarf es offenbar einer Schärfung des Bewusstseins dafür, dass das von den Parteien festgelegte Äquivalenzverhältnis nicht nur anfänglich, d.h. im Rahmen der Vorschriften über die Gültigkeit des Vertrages. Von der Rechtsordnung zu respektieren ist, sondern auch gegenüber nachträglichen Veränderungen durch diese, also insbesondere im Rahmen der Anpassung oder Rückabwicklung des Vertrages, grundsätzlich Schutz verdient, (…); denn auch wenn die Rechtsordnung das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung nachträglich korrigiert, obwohl es als solches intakt geblieben ist, liegt darin ein grundloser und daher teleologisch nicht legitimierter Eingriff in die Privatautonomie. Das subjektive Äquivalenzprinzip enthält somit auch eine Komponente, die auf seine Wahrung bzw. sein Fortwirken gerichtet ist.“. 241 Dies folgt nicht aus der vorstehend wiedergegebenen Argumentation von Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 5, sondern ebenso bereits aus dem ebenfalls vorstehenden Zitat aus der Gesetzesbegründung: Warum nämlich, während im Rahmen der Ausfüllung des Fehlerbegriffs nicht auf außerhalb
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der unverhältnismäßig ist, bestimmen die Parteien und nur die Parteien.242 Sie tun dies zunächst und vorrangig mit der einvernehmlichen Bestimmung eines Kaufpreises und dem darin jedenfalls implizit zum Ausdruck kommenden Erklärungsgehalt.243 Vereinfacht formuliert lässt sich das Ergebnis daher wie folgt zusammenfassen: Der Verkäufer haftet auch im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs unabhängig von den hiermit verbundenen Kosten für diejenigen Umstände, für die ihm in der Verhandlungsbeziehung, wären sie ihm bereits bekannt oder mit dem vorvertraglich geschuldeten Aufwand erkennbar gewesen, eine Aufklärungslast oblegen haben würde. Er haftet also nur für das, was er dem Käufer ohnehin mit allein von ihm zu vertretenden Aufwand versprochen hat.244 Der Schutz des Verkäufers, soweit erforderlich, ist demgegenüber, soweit die vertragliche Risikoallokation betroffen ist, über § 275 Abs. 2 BGB herzustellen, der unstreitig neben § 439 Abs. 3 BGB anwendbar bleibt.245 Zwei nur vordergründig auf der Hand liegenden Einwänden gegen diese Ansicht mag sogleich begegnet werden: Zunächst stellt die Tatsache, dass die hier allein auf Basis der Kooperationsvereinbarung entwickelte Auffassung ohne ein quantifizierbares Verhältnis zwischen ,Wert der Kaufsache‘ und ,Nacherfüllungskosten‘ auskommt, keinen Nachteil in Bezug auf die Justitiabilität dar. Denn an die Stelle einer solchen Quantifizierung tritt die Assimilation der absoluten Unverhältnismäßigkeit mit den in der Rechtsprechung seit jeher praktizierten Grundsätzen zur Rechtdes242 Willens der Vertragsparteien liegende objektive Merkmale zurückzugreifen ist, dies im Anwendungsbereich des Nacherfüllungsanspruchs der Fall sein soll, wäre weder gesetzessystematisch noch gesetzesdogmatisch zu erklären. 242 Die Aussage von Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2060, 2064, die objektive Nichterfüllung einer Pflicht des Verkäufers könne nicht zu Leistungsanstrengungen führen, „die über die von ihm vertraglich übernommene Preisgefahr hinausgehen“, beinhaltet zwar eine mit den hier angestellten Erwägungen vergleichbare Überlegung, lässt jedoch unberücksichtigt, dass die kooperative Leistungsäquivalenzbeziehung dem Verkäufer grundsätzlich die am vereinbarten Preis als Qualitätsmaßstab ausgerichtete Leistung abverlangt, ohne hierbei jedoch zugleich auf den zur Herstellung kooperationsgerechter Zustände notwendigen Aufwand abzustellen. Der vereinbarte Preis ist daher Kommunikationsvehikel für die vereinbarte Qualität, grundsätzlich jedoch nicht für die zur Herstellung versprechensgerechter Zustände geschuldeten Anstrengungen des Verkäufers. 243 Die Auffassung Huber’s, NJW 2002, 1004, 1008, bei einer zu hohen Grenze für die absolute Unverhältnismäßigkeit (dort 150%) drohe die Gefahr, dass der Nacherfüllungsanspruch zu einem verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch ausarte, liegt daher neben den rechtspraktischen und rechtsökonomischen Realitäten: Der Verkäufer ersetzt keinen Schaden, sondern erfüllt, was er dem Käufer an nutzenstiftender Leistung versprochen hat und wird lediglich an den von ihm implizit übernommenen Erfüllungsrisiken festgehalten. 244 Die Formulierung scheint Ähnlichkeit zu der von Bitter/Meidt, ZIP 2001, 2114, 2121, ins Feld geführten, vom Verkäufer ,ohnehin bereits getragenen Verlust‘ zu haben, beruht aber – wie gezeigt – auf grundlegend anderen Erwägungen und kommt auch zu beinahe diametral entgegengesetzten Ergebnissen. 245 Auf diese Art und Weise ergänzen sich § 439 Abs. 2 BGB und § 275 Abs. 2 BGB, deren Verhältnis zuneinander und deren in der Literatur verschieden definierte Unzumutbarkeitsschwellen anderenfalls nur schwer zu erklären sind, was nach Köndgen, in: FS Schäfer, S. 275, 276 (dort Fn. 5) bis dato nicht überzeugend gelungen ist.
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fertigung von vertraglichen Aufklärungspflichten, hinsichtlich derer sich weder Rechtsprechung noch Literatur vor unlösbare Aufgaben gestellt sahen und die auch hier noch einmal systematisiert werden konnten.246 Zum Zweiten droht auch keine Überforderung des Verkäufers. Soweit die Kosten der Nacherfüllung der Höhe nach zwar nicht absolut anhand einer quantifizierbaren Wertgrenze, sondern allein subjektiv aus der Kooperationsvereinbarung heraus limitiert sind, kann der Verkäufer zwar deutlich höheren Aufwand schulden, als von ihm zunächst kalkuliert; er kann sich hiervon jedoch faktisch durch Verstreichenlassen der Nacherfüllungsfrist und Flucht in die käuferseitigen Sekundärrechtsbehelfe ,befreien‘, hält er dies für opportun und ist er bereit, denn dann geschuldeten Schadensersatz zu tragen. (6) Ergebnis Nach alledem ist festzuhalten, dass die Eingangs auf der Suche nach der Bestimmung der absoluten Unverhältnismäßigkeit gegenüber den in der Literatur festgestellten Tendenzen, die Grenze der absoluten Unverhältnismäßigkeit an starren Wertrelationen festzumachen, entgegengebrachte Kritik nicht nur deshalb berechtigt ist, weil die vorgeschlagenen Wertgrenzen weder auf eine einheitliche Begründung zurückgreifen, noch zu halbwegs deckungsgleichen Ergebnissen führen, sondern insbesondere deshalb, weil sich eine solche starre Wertrelation zwischen Nacherfüllungskosten und Wert der Kaufsache, der sich grundsätzlich an dem Kaufpreis zu bemessen hat, der subjektiven Äquivalenz in der Austauschbeziehung der Parteien und damit der gesamten Kooperationsbeziehung nicht gerecht würde.247 Die absolute Unverhältnismäßigkeit, an welche deshalb ein strenger Maßstab anzulegen ist, weil sie den das gesamte Schuldvertragsrecht überschattenden Grundsatz ,pacta sunt servanda‘ durchbricht, ist eine im Vertrag selbst wurzelnde Unverhältnismäßigkeit, was nicht zuletzt den Bestrebungen des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zur Versubjektivierung des Kaufvertragsrechts Rechnung trägt. Es folgt hieraus, dass die Nacherfüllung in der relativ verbleibenden Variante nach den Grundsätzen der Kooperationsbeziehung solange nicht unverhältnismäßig ist, wie der Verkäufer sein kaufvertragliches Versprechen erfüllt. Dies tut er immer dann, wenn der Mangel, den es im Rahmen der Nacherfüllung zu beseitigen gilt, seiner vertraglichen Risikosphäre entspringt, er also für den Umstand nach den hier konkretisierten Maßstäben der Rechtsprechung wegen des Umstandes zur Aufklärung gegenüber dem Käufer verpflichtet gewesen wäre. Auf eine absolute Be246 Vgl. die Zusammenfassung und die ökonomischen Schlussfolgerungen zu der Rechtfertigung von Aufklärungspflichten unter oben 1. Kap. § 3 B). 247 Die Bedeutung des Äquivalenzprinzips für die Vertragstheorie hat Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 4, demgegenüber prägnant zusammengefasst: „Zugleich rückt mit dem Äquivalenzprinzip eines der Fundamente des gesamten Vertragsrechts ins Blickfeld, über dessen Bedeutung und Tragweite möglichst viel Klarheit zu gewinnen ein dringendes Desiderat der Vertragstheorie darstellt.“. Diesem Appell Canaris‘ leistet die hier vertretene Auffassung Folge.
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grenzung dem Werte nach kann sich der Verkäufer nicht berufen. Unverhältnismäßig sind die Kosten nämlich immer erst dann, wenn ihre Übernahme nicht vertraglich versprochen worden war. a) Zementierung der Wahl oder Flexibilität der Rechtsfolgen § 439 Abs. 1 BGB eröffnet dem Käufer nach den Worten des Gesetzes zunächst die Wahl, ob er seinen Nacherfüllungsanspruch durch den Verkäufer in Gestalt der Nachbesserung oder in Gestalt der Neulieferung erfüllt wissen möchte. Wie gesehen, ist dieses Wahlrecht jedoch bei einer an den ökonomischen Vorherigkeiten ausgerichteten Auslegung auch des § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB objektiv weitgehend leerlaufend: Wählt der Käufer nämlich die aus Sicht des Verkäufers kostspieligere Nacherfüllungsalternative, ohne dass hierfür berechtigte und rechtfertigende Belange des Käufers ausschlaggebend sind, läuft diese Wahl wegen relativer Unverhältnismäßigkeit ins Leere. Der Nacherfüllungsanspruch konkretisiert sich in diesem Fall – freilich mit neuerlichem Zurückweisungsrecht des Verkäufers – nach § 439 Abs. 3 Satz 3 BGB auf die verbleibende Art der Nacherfüllung. Tatsächlich steht dem Käufer daher zunächst immer nur die nach den Verhältnissen beim Verkäufer bemessene kostengünstigere Nacherfüllungsvariante offen. Die in der Literatur248 diskutierte Frage nach der Bindung des Käufers an eine einmal ausgeübte Wahl oder – entgegensetzt – nach einer Flexibilisierung der Rechtsfolgen dadurch, dass dem Käufer unter gewissen Umständen das Recht zugestanden wird, das ihm zustehende Wahlrecht nachträglich noch einmal in entgegengesetzter Richtung auszuüben, scheint sich daher überhaupt nicht zu stellen. Dem ist hingegen nicht so. Lässt der Verkäufer die vom Käufer zur Nacherfüllung in der relativ zumutbaren Art gesetzte Frist fruchtlos verstreichen, so bedeutete die Zementierung der Wahl des Käufers zwingend einen vorrangigen Rückgriff auf die Sekundärrechtsbehelfe vor der verbleibenden relativ unverhältnismäßig gewesenen Nacherfüllungsalternative. Ob dies gerechtfertigt ist, darf angesichts des Vorrangs der Erfüllungsansprüche vor Sekundärrechtsbehelfen im Allgemeinen bezweifelt werden.249 Es ist bereits mehrfach herausgestellt worden, dass insbesondere wegen der fehlenden Möglichkeit eines interpersonellen Nutzenvergleichs, der zur Bemessung von Kompensations- und Regressansprüchen jedoch in aller Regel zur Ausfüllung von Sekundärrechtsbehelfen nötig ist, und auf Grundlage des transaktionsspezifischen Vertrauens in der Parteibeziehung der Vertragserfüllung im Rahmen der im248 So z.B. bei Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 424 f.; Schroeter, NJW 2006, 1761 ff.; Spickhoff, BB 2003, 589 ff. 249 Ähnlich Spickhoff, BB 2003, 589, 591, der allerdings im Rahmen seiner dogmatischen Einordnung das Beispiel des Unmöglichwerdens der gewählten Nacherfüllungsalternative und die bei Bindung an die Wahl in diesem Fall fehlende Möglichkeit, auf den verbleibenden Nacherfüllungsbehelf umzuschwenken, verwendet.
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pliziten vertraglichen Absprachen grundsätzlich unbedingter Vorrang vor dem Ausweichen auf Sekundärrechtsbehelfe einzuräumen ist.250 Mit diesem auf ökonomischem Fundament fußenden teleologischen Grundgerüst des § 439 BGB wäre es nicht zu vereinbaren, würde die relative Unverhältnismäßigkeit, die zwar geeignet ist, aber auch nur dazu geeignet sein soll, dem Käufer lediglich die zunächst ausgeübte Wahl wegen für den Verkäufer unverhältnismäßigen Kosten im Verhältnis zur verbleibenden Alternative abzuschneiden, zu einem Verweigerungsrecht in Bezug auf die Nacherfüllung insgesamt werden. Weißt der Verkäufer nämlich die eine Art der Nacherfüllung wegen unverhältnismäßiger Kosten zurück, weigert er sich hingegen, die andere Art zu erbringen, lässt er eine hierzu gesetzte Frist fruchtlos verstreichen oder wird die verbleibende Art dem Käufer aus anerkennenswerten Gründen unzumutbar,251 würde die relative Unverhältnismäßigkeit sich zu einer absoluten Unverhältnismäßigkeit auswachsen, was mit dem Grundsatz vom Vorrang des Erfüllungsanspruchs nicht zu vereinbaren wäre. Im Übrigen wäre eine bedingungslose Bindung des Käufers an die einmal getroffene relativ verhältnismäßige Wahl mit den Worten des Gesetzes nicht zu vereinbaren. Nach § 439 Abs. 3 Satz 3 1. Hs. BGB beschränkt sich der Anspruch des Käufers nämlich nur „in diesem Fall“ auf die andere Art der Nacherfüllung; gemeint mit „diesem Fall“ ist das Recht des Verkäufers, die vom Käufer zunächst gewählte Art der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB aus den in § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB beispielhaft genannten oder in derselben Weise maßgeblichen Gründen zurückzuweisen. Liegen diese Gründe jedoch nicht oder nach Ausübung und Zurückweisung der Wahl nicht mehr vor, ist auch der Tatbestand, unter dem das Wahlrecht des Käufers beschränkt wird, nicht mehr erfüllt. Die Voraussetzungen für die zunächst zulässige Beschränkung des Wahlrechts fallen daher nachträglich weg.252 Wenn nämlich der Verkäufer sich weigert, die relativ zumutbare Art der Nacherfüllung zu erbringen, eine hierzu gesetzte Frist verstreichen lässt oder die zunächst
250 Dies war auf Grundlage der ausführlichen Auseinandersetzung mit dem ökonomischen Modell des effizienten Vertragsbruchs unter oben 1. Kap. § 2 C) I.4 bereits Fundament auch der übrigen Ableitungen zu § 439 BGB und der Rechtfertigung des Nacherfüllungsanspruchs insgesamt, vgl. insbesondere zur Teleologie und zur Dogmatik des Nacherfüllungsanspruchs oben 2. Kap. § 2 B) II.2 bis II.4. 251 Ist die kostspieligere Alternative der Nacherfüllung von vorneherein unzumutbar, so ist dies bereits bei der Bestimmung der relativen Unverhältnismäßigkeit zu berücksichtigen und kann auch die für den Verkäufer kostspieligere Alternative einmal verhältnismäßig sein. Liegen die Gründe, aus denen die Unzumutbarkeit der kostengünstigeren Nacherfüllung für den Käufer erwachsen, bei der ursprünglichen Wahl erkennbar noch nicht vor oder treten sie erst später zu Tage, ist hierauf im Rahmen eines Wahlrechts des Käufers, nachträglich auf die verbleibende Art der Nacherfüllung umzuschwenken, zu reagieren. Die Gründe für die Unzumutbarkeit in diesem Sinne können der Rechtsprechung zu § 282 BGB entlehnt werden. 252 Aus diesem Grunde formulieren Brox/Walker, SR-BT, 1. Kap. Rz. 46, richtig: „Unter den Voraussetzungen des § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt sich der Anspruch des Käufers auf die andere Art der Nacherfüllung“; aber eben nur unter diesen Voraussetzungen, die bis zur vollständigen Erfüllung vorliegen müssen.
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relativ zumutbare Art der Nacherfüllung dem Käufer in Anlehnung an §§ 282, 241 Abs. 2 BGB unzumutbar wird,253 etwa weil er seine Wirtschaftsgüter der Einflusssphäre des sich als unzuverlässig erwiesenen Verkäufers254 aussetzen und so seine Integritätsinteressen gefährden müsste, kann auf die andere Art der Nacherfüllung nicht mehr ,ohne erhebliche Nachteile für den Käufer‘ zurückgegriffen werden, was nach § 439 Abs. 3 Satz 2 BGB aber einer der besonderen Umstände ist, der für die Anerkennung des verkäuferseitigen Verweigerungsrecht maßgeblich ist.255 Diese Umstände aber nur bei der erstmaligen Ausübung der Wahl und nicht auch bis zur endgültigen Erfüllung des Leistungsversprechens aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB für maßgeblich zu halten, hieße, den Käufer auf halber Wegstrecke schutzlos zu stellen, jedenfalls aber die kooperative Äquivalenzbeziehung, die für die Abstufung der Wahl- und Verweigerungsrechte nach dem bis hierher Gesagten verbindlich ist, nicht konsequent bis zum Ende durchzuhalten. Da die Kooperationsbeziehung aber erst mit der vollständigen versprechens- und kooperationsgerechten Erfüllung ihr Ende findet,256 bleiben die bislang erarbeiteten Grundlagen auch während der Abwicklung auf dem Weg zur Erfüllung maßgeblich.257 Letztlich handelt es sich nämlich bei einem solcherart veränderten Entscheidungsrahmen im Nacherfüllungszeitraum um eine Veränderung der sozial-ökonomischen Umweltbedingungen, die Präferenzverschiebungen mit sich bringt.258 Auf solche Präferenzverschiebungen ist jedoch, solange sie sich im ökonomischen Rahmen der mit der
253 Vgl. statt vieler Brox/Walker, SR-AT, 8. Kap. Rz. 5 f.: „Insbesondere wird es auf Gewicht und Häufigkeit der Pflichtverletzung ankommen. Ferner dürfte Unzumutbarkeit um so eher anzunehmen sein, je größer die Gefahr ist, dass auch in Zukunft mit weiteren Schutzpflichtverletzungen zu rechnen ist.“. 254 Mit einem Hinweis auf den ,unzuverlässigen Verkäufer‘ auch die Gesetzesbegründung zu § 439 Abs. 1 BGB, BT-Drs. 14/6040, S. 231. 255 So ausdrücklich Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 445, die darauf abstellen, dass die neben der vollständigen Beseitigung des Mangels auftretenden Umstände und sonstigen Beeinträchtigungen, wie z.B. die Dauer des Nutzungsausfalls, für die Frage maßgeblich sind, ob ohne erhebliche Nachteile auf die verbleibende Art der Nacherfüllung zurückgegriffen werden kann. 256 Dies ist denknotwendig der Fall, da ja Grundlage der Kooperationsbeziehung die Auslotung der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft ist, die sich wiederum an dem erwarteten subjektiven Nutzen ausrichtet. Dieser wird aber erst durch die versprechensgerechte Erfüllung vermittelt, sodass die Kooperationserwartung auch erst mit dem vollständigen Erfüllungserfolg enden kann. Diese Folge ergibt sich im Übrigen auch noch einmal aus der Fortwirkung des kooperativen Äquivalenzverhältnisses in der Erfüllungs- und Abwicklungsphase, vgl. noch einmal Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 5. 257 Hieraus folgt aber ebenfalls, dass selbstverständlich ein freies Wahlrecht nicht besteht, sondern dass während sich der Verkäufer um Erfüllung bemüht und bereits darauf gerichtete Aufwendungen getätigt hat, der Käufer nicht auf die verbliebene Art der Nacherfüllung umschwenken kann, solange die angemessene Frist zur Nacherfüllung noch nicht abgelaufen ist. Dieser Bestandteil der Kooperationsbeziehung folgt rechtsdogmatisch jedenfalls aus § 242 BGB, in dessen besonderer Ausprägung das Wahlrecht eingeräumt und auch beschränkt wird, vgl. ausführlich Büdenbender, AcP 205 (2005), S. 387, 391 ff.; aber z.B. auch Brox/Walker, SR-BT, 1. Kap. Rz. 45; Schroeter, NJW 2006, 1761, 1762. 258 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 I.4 b).
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Kooperationsbeziehung abgedeckten Kontingenzen bewegen,259 mit möglichst flexiblen rechtlichen Institutionen zu reagieren.260 Dazu folgendes Beispiel: Der Verkäufer verkauft und liefert einen gebrauchten aber hochwertigen Pkw als „Jahreswagen“. Der Käufer bemängelt wenige Tage nach Übergabe des Fahrzeugs verschiedene „Klapper- und Fahrgeräusche“. Die erste Nachbesserung schlägt fehl. Der Käufer, inzwischen auf das Auto eingestellt, verlangt weitere Nachbesserung, die für den Verkäufer bei absoluter Betrachtung grundsätzlich auch den günstigeren Weg darstellt. Dennoch weigert sich der Verkäufer, weitere Nachbesserungsversuche zu unternehmen, da er den Käufer derart einschätzt, dass dieser ,nie zufrieden‘ sein werde und deshalb ständig neue Nachbesserungsverlangen fürchtet. In einem solchen Fall darf der Käufer nicht sogleich auf die Sekundärrechtsbehelfe verwiesen werden. Vielmehr muss es ihm auf Grundlage der Kooperationsvereinbarung möglich sein, äquivalenz- und kooperationsgerechte Zustände durch Umstellung des Nacherfüllungsverlangens noch zu erreichen und so den angestrebten subjektiven Nutzen zu erlangen. Der Verkäufer ist dann nach erneuter Fristsetzung zur Neulieferung verpflichtet, auch wenn diese mit relativ unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist.
Letzthin gründet daher auch die Einräumung eines ius variandi zwischen den bestehenden und nicht absolut unverhältnismäßigen Nacherfüllungsalternativen auf den ökonomischen Vorherigkeiten der Kooperationsbeziehung. Wenn und soweit diese aber für die Auslegung und das teleologische Verständnis der Norm ausschlaggebend sind, beantwortet sich hiermit auch die im Anwendungsbereich des § 439 Abs. 1 BGB diskutierte Frage,261 ob die zwei Varianten der Nacherfüllung zueinander im Verhältnis der Wahlschuld nach § 262 BGB oder der elektiven Konkurrenz stehen.262 Die Auffassung, der Gesetzgeber habe mit § 439 Abs. 1 BGB auf §§ 262 ff. BGB Bezug genommen,263 findet in der Gesetzesbegründung unmittelbar keine 259 Zum maßgeblich durch die Kooperationsvereinbarung gesteckten Rahmen der Auslegung vgl. ausführlich oben zur Hermeneutik der Kooperationsbeziehung 1. Kap. § 2 C) I.5. 260 In der Sache letztlich ebenso Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 424: „Es genügt auch nicht, darauf zu verweisen, dass der Käufer notfalls durch Fristsetzung zu den Rechten nach § 437 Nr. 2 und 3 BGB übergehen darf, da er ja ein berechtigtes Interesse an einer Nacherfüllung haben kann, vor allem wenn er dem Verkäufer Rückgewähr- und Ersatzleistungen nicht zutraut. Daher ist in konsequenter Weise auch insofern ein ius variandi zwischen den beiden Arten der Nacherfüllung zuzugestehen, und zwar in der Form, dass der Käufer für die Erfüllung des von ihm zunächst gewählten Anspruchs eine angemessene Frist setzen und nach deren Ablauf die andere Alternative der Nacherfüllung wählen darf.“ 261 Vgl. z.B. Spickhoff, BB 2003, 589, 590 ff.; Schroeter, NJW 2006, 1761 ff.; Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016 f.; Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 375 ff.; Büdenbender, AcP 205 (2005), S. 387 ff. 262 Die Wahlschuld und die elektive Konkurrenz unterscheiden sich dadurch, dass bei der Wahlschuld, die inzwischen als nicht mehr interessengerechte gesetzgeberische Lösung eines Zielkonflikts verstanden wird, die Ausübung der Wahl, anders als bei der elektiven Konkurrenz Gestaltungsakt ist, vgl. Bittner, in: Staudinger, BGB, § 262 Rz. 7 ff. 263 So ausdrücklich Büdenbender, in: AnwKomm, § 439 Rz. 1; offenbar auch Derleder, in: DaunerLieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 424. Widersprüchlich Putzo, in: Palandt, BGB, § 439 Rz. 5 („elektive Konkurrenz“), Rz. 6 („Gestaltungswirkung“).
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Stütze.264 Es stellt sich daher die Frage, ob sich die Vorschriften der §§ 262 ff. BGB systematisch mit dem festgestellten abstrakt-typisierten Inhalt der Kooperationsvereinbarung decken, oder ob nicht vielmehr die Parteien mit ihren Kooperationsabsprachen eine abweichende Auslegung determiniert haben.265 Übt die zur Wahl berechtigte Partei im Rahmen einer Wahlschuld ihr Wahlrecht als Gestaltungsrecht aus, so konkretisiert sich der Vertrag nach § 263 Abs. 2 BGB auf die gewählte Variante und gilt diese als die von Anfang an allein geschuldete. Dies hingegen verträgt sich weder mit dem soeben aus der Kooperationsbeziehung extrapolierten ius variandi des Käufers im Anwendungsbereich des § 439 Abs. 1 BGB266 noch mit der Rechtsfolge des § 439 Abs. 3 BGB, die gerade einen Wechsel zwischen den Nacherfüllungsalternativen bei relativer Unverhältnismäßigkeit auch nach Ausübung der Wahl noch zulässt.267 Diese auf das kooperative Äquivalenzverhältnis einerseits und die innere Struktur des § 439 BGB andererseits gestützte Argumentation lässt sich noch durch einen Hinweis auf die Gesetzesbegründung, die zwar keinen Bezug auf §§ 262 ff. BGB nimmt, jedoch ein Argument in umgekehrter Richtung liefert, stützen: Nach § 262 BGB steht das Wahlrecht bei einer Wahlschuld ,im Zweifel‘ dem Schuldner zu. Hieraus folgt, dass eine Umkehr dieser Wahlberechtigung allein durch Gesetz oder ausdrückliche Vereinbarung erfolgen kann.268 Die Gesetzesbegründung jedoch versteht § 439 Abs. 3 BGB nicht als gesetzliche Umkehr der Vermutungsregel des § 262 BGB: „Satz 3 enthält die (…) Klarstellung des Verhältnisses der beiden Arten der Nacherfüllung zueinander.“. Soweit das Wahlrecht jedoch nur eine Klarstellung und keine Ausnahmeregelung beinhaltet, kann daraus geschlossen werden, dass der Gesetzgeber nicht vom Vorliegen eines Gestaltungsrechts mit unwiderruflicher Bindung des Berechtigten an die getroffene Wahl ausgegangen
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Mit dem Hinweis darauf auch Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371,
376. 265 Auch hier bietet sich noch einmal der Hinweis auf die Hermeneutik der Kooperationsvereinbarung an, wie oben unter 1. Kap. § 2 C) I.5 entwickelt, wenn es hier auch um eine typisierte Hermeneutik zur dogmatischen Einordnung der Institution an sich geht. 266 Mit ähnlichen Erwägungen wie denjenigen, die hier aus der Kooperationsvereinbarung abgeleitet worden sind, auch Spickhoff, BB 2003, 589, 592: „Die Strenge des Rechts der deutschen Wahlschuld wird der Stellung des Käufers (…) nicht gerecht. Denn die Annahme, dass durch die Wahl des Berechtigten die gewählte Leistung als von Anfang an allein geschuldet gelten würde, konterkariert in ihrer Pauschalität, dass durch § 439 BGB bzw. Art. 3 RiLi das Erfüllungsinteresse des Käufers in Bezug auf die Mangelfreiheit des Kaufgegenstandes befriedigt werden soll. Davon kann aber erst die Rede sein, wenn der Verkäufer die gewählte Art der Nacherfüllung ordnungsgemäß erbracht hat. Ist dies nicht gelungen, sollte und muss es möglich bleiben, dass der Käufer auch zu einer anderen Art der Nacherfüllung überwechselt, solange der Verkäufer die vom Käufer gewählte Form der Nacherfüllung nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht hat.“; auch die Argumentation Spickhoff ’s geht im Ergebnis letztlich auf die hier erarbeiteten ökonomische Erwägungen und die darauf gründende Kooperationsvereinbarung zurück, ohne dass er diesen Zusammenhang freilich herausstellen würde. 267 Mit diesem Argument auch Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 376. 268 Bittner, in: Staudinger, BGB, § 262 Rz. 20.
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ist,269 und deshalb auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Wahl aus § 439 Abs. 1 BGB nicht das Verständnis von einer Wahlschuld zugrunde gelegt werden kann. III.2 Nacherfüllung in der Schwebe a) Aufforderung zur Wahlrechtsausübung durch den Verkäufer? Die Entscheidung für die dogmatische Einordnung des Nacherfüllungsanspruchs als Wahlschuld oder als elektive Konkurrenz scheint auch weitreichende Folgen für die Möglichkeiten des Verkäufers zu haben, den nach Eintritt eines Mangels bestehenden Schwebezustand zu beseitigen.270 Einerseits muss sich der Verkäufer zur Nacherfüllung bereithalten, andererseits scheint er dies nicht mit der geboteten Sorgfalt tun zu können, solange nicht der Käufer sein Wahlrecht ausgeübt hat. Dem Wahlrecht des Käufers steht daher ein Interesse des Verkäufers an einer möglichst frühzeitigen Ausübung des Wahlrechts gegenüber. Dies umso mehr, als der Käufer während des Nacherfüllungszeitraums das Recht hat, die Zahlung des Kaufpreises im Wege der Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB zurückzuhalten. Dies theoretisch sogar auch dann noch, wenn der eigentliche Nacherfüllungsanspruch verjährt ist, da die Einrede auch nach Eintritt der Verjährung gemäß § 215 BGB erhalten bleibt.271 Demgegenüber verfolgt der Nacherfüllungsanspruch mit seinem dem Käufer zugewiesenen Wahlrecht gerade das Ziel, dem Käufer den Primärleistungsanspruch möglichst lange zu erhalten.272 Diesen Interessenwiderstreit aufzulösen, hielt der Gesetzgeber zwar grundsätzlich nicht für geboten,273 da es dem vertragsbrüchigen Schuldner nicht gestattet sein könne, den Gläubiger durch Fristsetzung seinerseits unter Druck zu setzen,274 erkannte andererseits aber sehr wohl, dass es anerkennenswerte und wohl auch schutzwürdige Interessen des Verkäufers geben könne,275 vergebliche Aufwendungen zur Leistungsvorbereitung und -erbringung zu vermeiden.276 269 Mit dieser Argumentation und nämlichem Zitat aus der Gesetzesbegründung überzeugend Tiedtke/Schmitt, DStR 2004, 2016, 2017. 270 Zu dieser Fragestellung ausführlich Gsell, in: FS Huber, S. 299 ff. 271 Mit Hinweis auf diese Gefahr Schroeter, NJW 2006, 1761, 1763. 272 Dies ergibt sich nicht allein aus den hier zugrunde liegenden ökonomischen Erwägungen, sondern liegt nach der Gesetzesbegründung auch ausdrücklich der Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 185. 273 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung (zu § 281 Abs. 3 BGB), BT-Drs. 14/6040, S. 140: „Es ist erwogen worden, diese Unsicherheit des Schuldners dadurch zu überbrücken, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, den Gläubiger zu einer Entscheidung zu zwingen. Eine solche Lösung hätte allerdings den Nachteil, dass ausgerechnet der vertragsbrüchige Schuldner dem Gläubiger eine ihm ungünstige Entscheidung aufzwingen kann. Dies erscheint nicht gerechtfertigt. Außerdem kann der Schuldner die Ungewissheit jederzeit dadurch beenden, dass er die nach dem Schuldverhältnis geschuldete Leistung erbringt.“. 274 Ebenso Althammer, NJW 2006, 1179, 1181. 275 Vgl. noch einmal die Gesetzesbegründung zu § 281 Abs. 3 BGB, die, übertragen auf den Fall der Nacherfüllung vor Nachfristsetzung, den Schwebezustand zwischen den Nacherfüllungsalternati-
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Wäre das Wahlrecht des Käufers aus § 439 Abs. 1 BGB als Wahlschuld zu qualifizieren, so eröffnete § 264 Abs. 2 BGB eine Lösungsmöglichkeit für den Verkäufer, sobald der Käufer mit der Ausübung seines Wahlrechts in Verzug gerät. Käme der Käufer nämlich auch nach Fristsetzung durch den Verkäufer dem Wahlverlangen nicht nach, ginge nach § 264 Abs. 2 BGB das Wahlrecht auf den Verkäufer über. Zum Teil wird, um nicht den Umweg über die Wahlschuld gehen zu müssen, im Sinne einer interessengerechten Lösung deshalb auch vertreten, dass § 264 Abs. 2 BGB als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch bei elektiver Konkurrenz entsprechend anwendbar sei.277 Wollte man diesem Ansatz folgen, so könnte der Verkäufer dem Käufer alternativ die Beseitigung des Mangels oder die Neulieferung anbieten (§ 295 BGB) und ihm eine angemessene Frist zur Ausübung der Wahl setzen.278 Diese Lösung setzte jedoch ergänzend voraus, dass der Verkäufer tatsächlich in der Lage wäre, den Käufer mit der Wahlrechtsausübung in Verzug zu setzen. Da ein Verzugseintritt ohne Fälligkeit des Anspruchs ausscheidet, hängt die Anwendbarkeit des § 264 Abs. 2 BGB auf das Wahlrecht aus § 439 Abs. 1 BGB deshalb außerdem davon ab, dass der Nacherfüllungsanspruch selbst auch vor der Ausübung des Wahlrechts fällig wird, anderenfalls der Verkäufer den Käufer nämlich nicht in Verzug setzen kann. Die überwiegende Ansicht im Schrifttum vertritt demgegenüber die Auffassung, dass der Nacherfüllungsanspruch vor Wahlrechtsausübung nicht fällig sei,279 weil es sich um einen verhaltenen Anspruch280 handele.281 Die Argumentation Gsell’s,282 die Fälligkeit des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs dauere – ungeachtet dessen Umwandlung in einen Nacherfüllungsanspruch mit alternativ konkurrierendem Inhalt – schlicht fort, stützt sich auf die zunächst bestechend wirkende Überlegung, dass gegen die Einordnung des Nacherfüllungsanspruchs als elektive Konkurrenz das einheitliche Anspruchsziel spreche, auf das beide Nacherfüllungsvarianten gerichtet sind: Die Herstellung vertragsgerechter Zustände durch mangelfreie Leistung.283 Gsell 284 geht deshalb davon aus, ven276in derselben Ratio betrifft, BT-Drs. 14/6040, S. 140: „Andererseits ist es auch dem Schuldner nicht zuzumuten, sich über einen unter Umständen erheblichen Zeitraum sowohl auf Erfüllung als auch auf Schadensersatzleistung einrichten zu müssen.“. 276 Gsell, in: FS Huber, S. 299, 305. 277 Heinrichs, in: FS Derleder, S. 87, 108. 278 Schroeter, NJW 2006, 1761, 1763. 279 Vgl. statt vieler Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 37; Putzo, in: Palandt, BGB, § 439 Rz. 3a; Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 439 Rz. 6.; nochmals Schroeter, NJW 2006, 1761, 1763 m.w.N. 280 Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 439 Rz. 11; Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 439 Rz. 6. 281 Anderer Auffassung Gsell, in: FS Huber, S. 299, 309 f., die für die Fortdauer der Fälligkeit des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs im Rahmen der Nacherfüllung als alternativ fällige Wahlschuld eintritt. 282 Gsell, in: FS Huber, S. 299, 310. 283 Dieser Gesichtspunkt ist auch hier bereits bei der Argumentation gegen Allozierung des Wahlrechts zum Schuldner und der vor diesem Hintergrund engen Grenzziehung für die relative Unverhältnismäßigkeit bereits bemüht worden, vgl. oben 2. Kap. § 2 B) III.1 a) aa). 284 Gsell, in: FS Huber, S. 299, 309.
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dass es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch um einen einzigen Anspruch alternativ konkurrierender Leistungsmodalitäten handele, was charakteristisch für eine Wahlschuld ist. Auch Gsell 285 erkennt jedoch, dass fraglich ist, „ob nicht die Bindungswirkung, die bei der Wahlschuld nach ganz herrschender Ansicht an die getroffene Wahl zu knüpfen ist, doch zu einer Einordnung des Wahlrechts des Käufers als elektive Konkurrenz“286 zwinge. Sie umgeht dieses Problem jedoch dadurch, dass sie unter Rückgriff auf eine rechtshistorische Auslegung für ein begrenztes ius variandi auch bei der Wahlschuld eintritt und die Anordnung des § 263 Abs. 2 BGB, wonach sich durch Ausübung der Wahl das Schuldverhältnis ex ante auf die gewählte Schuld konkretisiert, auflösend bedingt durch einen Widerruf der Gestaltungserklärung sei. Dass eine Gestaltungserklärung durch einmalige Ausübung verbraucht werde, sei „kein unumstößliches Dogma mehr, sondern eine vom Schutz des Erklärungsgegners abhängige Frage der Zweckmäßigkeit“.287 Diese Auffassung lässt sich mit dem Wortlaut des § 263 Abs. 2 BGB im Ergebnis aber wohl kaum vereinbaren.288 Denn durch die Ausübung der Wahl gilt die gewählte Schuld als die von Anfang geschuldete. Dies bedeutet, dass sich das Schuldverhältnis rückwirkend konkretisiert, als habe es zu keinem Zeitpunkt ein Wahlrecht gegeben.289 Soweit aber das Schuldverhältnis mit seiner Konkretisierung ex ante die Alternativität einbüßt, scheidet denknotwendig das latente Fortbestehen eines ius variandi aus. Wo es keine Alternativität in der Schuld mehr gibt, kann auch kein Wahlrecht des Gläubigers wieder aufleben.290 An der Bindungswirkung der Wahl führt nach § 263 Abs. 2 BGB daher konstruktiv kein Weg vorbei,291 womit 285
Gsell, in: FS Huber, S. 299, 312 ff. Gsell, in: FS Huber, S. 299, 312. 287 Unter Rückgriff auf Leser, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 228 f., Gsell, in: FS Huber, S. 299, 316, welche die Argumentation Leser’s für den Rücktritt auf das Wahlrecht aus § 439 Abs. 1 BGB für Übertragbar hält. 288 Vgl. z.B. ausdrücklich Bittner, in: Staudinger, BGB, § 263 Rz. 2: „Die Wahlerklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung (§§ 130–132). Sie kann ohne Einwilligung des Gegners nicht widerrufen werden. Die in E I und II enthaltene ausdrückliche Bestimmung der Unwiderruflichkeit wurde mit Recht als selbstverständlich gestrichen. Denn als Gestaltungserklärung ist die Wahlerklärung per se unwiderruflich.“. Auf genau diesen Wegfall der Bestimmung der Unwiderruflichkeit beruft sich jedoch Gsell, in: FS Huber, S. 299, 313 f., in ihrer Argumentation. 289 Nochmals Bitter, in: Staudinger, BGB, § 263 Rz. 11: „Die Wahl bewirkt somit nicht nur die Konzentration der Schuld auf einen bestimmten Leistungsgegenstand, sondern sie wirkt nach der ausdrücklichen Vorschrift des Abs. 2 auf den Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses zurück.“. 290 Selbst soweit die Argumentation Leser’s, Der Rücktritt vom Vertrag, S. 228 f., auf die sich Gsell, in: FS Huber, S. 299, 316, bezieht, den eingeschränkten Widerruf des gestaltenden Rücktritts möglich machte, ließe sich diese Argumentation nicht entgegen nicht nur dem eindeutigen Wortlaut des § 263 Abs. 2 BGB, sondern auch entgegen der Systematik der Wahlschuld mit ihrer ex ante Konkretisierung der Schuld auf diese übertragen. Hieran scheitert im Ergebnis die Auffassung Gsell’s. 291 Plastisch beschreibt Bittner, in: Staudinger, BGB, § 262 Rz. 1, die Versuche, die Konstruktion und die dogmatische Struktur der Wahlschuld ergebnisorientiert aufzulösen: „(…) tragen die Bestimmungen der §§ 262–265 kaum der wirklichen Interessenlage Rechnung bereiten deshalb Praxis und Lehre Schwierigkeiten bei der Rechtsfindung. Diese Schwierigkeiten werden nicht selten durch eine etwas gezwungene Vertragsauslegung, durch Vertragsergänzung contra legem, durch Gesetzesauslegung iS ab286
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es bei den Gründen für eine Einordnung des Wahlrechts aus § 439 Abs. 1 BGB als elektive Konkurrenz bleiben muss. Eines solchen Versuchs, die dogmatische Struktur der Wahlschuld zu unterminieren, bedarf es jedoch gar nicht, um den Interessen des Verkäufers an einer alsbaldigen Wahl des Käufers auch dann gerecht zu werden, wenn das Wahlrecht aus § 439 Abs. 1 BGB als elektive Konkurrenz verstanden wird. Zunächst ist nach der hier vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass der Verkäufer sich auf das Nacherfüllungsverlangen sehr wohl hinreichend einstellen und vorbereiten kann. Geht man nämlich davon aus, dass die Wahl des Käufers schon dann nach § 439 Abs. 3 BGB relativ unverhältnismäßig ist, wenn nach subjektiver Einschätzung des Verkäufers die verbleibende Art der Nacherfüllung die kostengünstigere darstellt, hat es der Verkäufer letztlich durch Ausübung der Einrede des § 439 Abs. 3 BGB in der Hand, nur die nach seiner eigenen Kalkulation jeweils günstigste Art der Nacherfüllung tatsächlich leisten zu müssen. Hierauf kann er sich einstellen. Dass sich der Verkäufer alternativ zur Nachbesserung oder Neulieferung bereit halten müsste, könnte nur in dem unwahrscheinlichen Ausnahmefall auftreten, dass beide Arten der Nacherfüllung für ihn mit identischen Kosten verbunden sind, er also tatsächlich nicht vorherzusehen in der Lage ist, auf welche Nacherfüllungsalternative die Vertragserfüllung hinauslaufen wird. Letzthin bedarf es jedoch, auch damit der Verkäufer den Käufer verzugsbegründend zur Ausübung des Wahlrechts auffordern kann, einer Fälligkeit des Nacherfüllungsanspruchs aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1 BGB nicht. Der Nacherfüllungsanspruch setzt den ursprünglichen Erfüllungsanspruch des Käufers aus § 433 Abs. 1 BGB fort. Er ist also Ausprägung der vertraglichen Leistungspflichten. Nach § 433 Abs. 2, 2. Hs. BGB ist der Käufer jedoch neben seiner synallagmatischen Pflicht zur Zahlung des Kaufpreises aus § 433 Abs. 2, 1. Hs. BGB mit dem Inhalt einer kaufvertraglichen Nebenpflicht292 auch zur Abnahme der Kaufsache verpflichtet. Der Abnahme der Sache ist der Abruf vorgelagert, der ebenfalls vertragliche Nebenpflicht sein kann.293 Eine solche Nebenpflicht lässt sich auch als impliziter Bestandteil der Kooperationsvereinbarung ohne Weiteres feststellen. Die Parteien sind grundsätzlich bemüht, in der Vertragsverhandlung das sozial-ökonomische Optimum ihrer Vertragsbeziehung auszuloten und auf dieser Grundlage ihre Zahlungsbereitschaft festzulegen. Der Käufer geht hierbei von dem durch eine versprechensgerechte, also mangelfreie Sache vermittelten Nutzen aus, der Verkäufer kalkuliert die Kosten der Vertragserfüllung gegen den auszuhandelnden Kaufpreis. In die Kalkulation seiner Kosten stellt er üblicherweise einen pauschalen Betrag für Gewährleistungsrisiken ein, die der Käufer im Ergebnis mit vergütet, wozu er im Allgemeinen auch bereit 292 weichender Ordnungsvorstellungen oder gar durch die Entwicklung alternativer Rechtsfiguren (…) überwunden.“. 292 Vgl. z.B. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 174 ff. 293 Vgl. z.B. Putzo, in: Palandt, BGB, § 433 Rz. 43, 50.
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ist. Dadurch wird die Pflicht zur Nacherfüllung im Mangelfall zum Bestandteil der Kooperationsbeziehung.294 Hieraus folgt dann jedoch nicht allein die kooperative Pflicht des Verkäufers, die Nacherfüllungsansprüche auch zu erfüllen, sondern ebenso die Pflicht des Käufers, sich zur Erfüllung durch den Verkäufer auch bereitzuhalten. Nicht ohne Grund wurde auch hier bereits von dem Nacherfüllungsanspruch des Käufers auch als Recht zur zweiten Andienung des Verkäufers gesprochen. Schlägt sich diese aus den impliziten Bestandteilen der Kooperationsbeziehung abzuleitende Pflicht des Käufers, sich zur Nacherfüllung durch den Verkäufer dadurch bereit zu halten, dass er sein Wahlrecht binnen angemessener Frist ausübt, in einer vertraglichen Nebenpflicht des Käufers nieder, so kann er hiermit auch in Verzug geraten. Dogmatisch liegt dem nämlich gerade nicht ein Verzug mit der Ausübung des Wahlrechts selbst, sondern ein Verzug mit der kaufvertraglichen Abnahmepflicht, die sich in dem Nacherfüllungsanspruch ebenfalls modifiziert fortsetzt, zugrunde. Selbstverständlich steht dem Käufer aber gegen eine Fristsetzung des selbst nicht vertragstreuen und gegebenenfalls leistungsunwilligen Verkäufers der tu quoqueEinwand zur Seite, will der Verkäufer die Fristsetzung nutzen, sich von seinen vertraglichen Erfüllungspflichten kooperationswidrig zu lösen. Der Verzug des Käufers mit der Abnahme als kaufvertraglicher Nebenpflicht aus § 433 Abs. 2 BGB, die sich lediglich in dem spiegelbildlich dem Nacherfüllungsanspruch gegenüberstehendem Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung fortsetzt, setzt daher die Fälligkeit des Nacherfüllungsanspruchs, die erst mit Ausübung des Wahlrechts eintritt, nicht voraus. Der eingangs aufgezeigte Interessenwiderstreit zwischen den Kaufvertragsparteien wird hierdurch nach allen Seiten interessengerecht und mit Rücksicht auf die der Kooperationsabsprache zugrunde liegenden impliziten Vertragsbestandteile justitiabel aufgelöst. b) Bindung des Käufers an ein Nacherfüllungsverlangen nach Fristablauf – Zum Erfordernis einer Nach-Nachfrist Neben der Möglichkeit, den Käufer zur Ausübung des Wahlrechts aufzufordern, sieht sich der Verkäufer einer weiteren möglichen Schwebelage ausgesetzt, wenn der Käufer sein Wahlrecht ausgeübt und eine angemessene Nachfrist gesetzt hat, diese aber fruchtlos verstrichen ist. Nach der früheren Rechtslage ging der Erfüllungsanspruch des Käufers mit Ablauf der Nachfrist gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. BGB a.F. unter. Eine entspre294 Hieraus folgt die allgemein übliche Praxis, dass ohne Gewährleistung verkaufte Gegenstände mit geringeren Kaufpreisen gehandelt werden, als solche, bei denen der Verkäufer ein Gewährleistungsrisiko übernimmt, das der Käufer zu vergüten bereit ist. Dies lässt sich besonders deutlich auf dem Kfz-Markt beim Kauf eines gebrauchten Pkw mit identischen Spezifikationen einmal aus privater Hand und einmal von einem Kfz-Händler beobachten.
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chende Regelung kennt das modernisierte Schuldrecht nicht mehr.295 Dem Käufer steht es daher grundsätzlich frei, auch nach Ablauf der Nachfrist noch an dem Erfüllungsanspruch festzuhalten, oder jederzeit auf die Sekundärrechtsbehelfe umzuschwenken. Eine Situation, die für den Verkäufer zu der misslichen Lage führt, sich einerseits noch zur Erfüllung bereit halten, andererseits aber befürchten zu müssen, ohnehin einem Schadensersatzanspruch oder anderen Sekundärrechtsbehelfen ausgesetzt zu werden,296 jedenfalls aber die vertragliche Gegenleistung nicht mehr zu verdienen.297 Der BGH298 hatte genau über diese Konstellation im Jahr 2006 zu entscheiden: Die Klägerin verlangt von dem Beklagten nach einem Rücktritt von einem Grundstückskaufvertrag Schadensersatz für Kosten, die ihr zur Durchführung des Vertrages entstanden sind. Nach dem Grundstückskaufvertrag war der Beklagte zur lastenfreien Übertragung des Grundstücks und Beibringung der Löschungsunterlagen binnen einer vertraglich bestimmten Frist verpflichtet. Dem kam der Beklagte auch nach ergebnislosem Ablauf einer Nachfrist nicht nach. Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin zunächst Übertragung des Grundstücks Zug-um-Zug gegen Zahlung des Kaufpreises. Nachdem der Beklagte auf die Klage nicht erwidert hatte, erklärte die Klägerin in anwaltlichem Schriftsatz den Rücktritt vom Vertrag und stellte die Klage auf Ersatz der Vertragskosten um.
Die Klage hatte erstinstanzlich Erfolg, war vom OLG Celle299 aber unter Hinweis auf einen Selbstbindungseffekt des nach Fristablauf durch Klageerhebung aktualisierten Erfüllungsverlangens abgewiesen worden.300 Immerhin ließ das OLG jedoch die Revision zu; der BGH stellte das erstinstanzliche Urteil wieder her. Der BGH ließ in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich offen, wie zu entscheiden wäre, wenn der Schuldner nach Ablauf der Nachfrist und auf eine darauf-
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Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 185: „Nach dem bisherigen § 326 kann der Gläubiger nach erfolgter Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bei Ausbleiben der Leistung nur noch Sekundäransprüche geltend machen, aber nicht mehr Erfüllung verlangen, § 326 Abs. 1 Satz 2 a.E. Diese Regelung ist für den Gläubiger ungerecht. Er muss sich in der Sache bereits mit der Fristsetzung für die Sekundäransprüche und gegen den Leistungsanspruch entscheiden, ohne die dafür erforderliche Entscheidungsgrundlage zu haben. Er weiß nicht, wie es nach Ablauf der Frist um die Leistungsfähigkeit des Schuldners bestellt ist. Er kann nicht beurteilen, ob es nach Ablauf der Frist sinnvoll ist, den Schuldner auf Schadensersatz oder auf Erfüllung in Anspruch zu nehmen oder ob es geraten wäre, in diesem Fall vom Vertrag zurückzutreten. Deshalb sieht § 323 Abs. 1 RE hier eine Änderung vor. Der Gläubiger kann auch nach ergebnislosem Ablauf der Frist weiterhin Erfüllung verlangen. Erst mit der gestaltenden Wirkung der Rücktrittserklärung, die das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt, erlischt der Anspruch auf die Leistung.“. 296 Ebenso Althammer, NJW 2006, 1179. 297 Mit ähnlicher Überlegung Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 37: „Für den Verkäufer kann eine entsprechende Entscheidung des Käufers wichtig sein, da er durch eine ordnungsgemäße Nacherfüllung den Kaufpreis noch verdienen kann.“. 298 BGH, Urt. v. 20.01.2006, NJW 2006, 1198. 299 OLG Celle, NJW 2005, 2094. 300 Vgl. Althammer, NJW 2006, 1179 f.
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hin erhobene Erfüllungsklage die geschuldete Leistung angekündigt hätte,301 und stellte fest, dass die Auffassung des OLG Celle in dessen Berufungsurteil jedenfalls insoweit rechtsfehlerhaft sei, als das OLG von einem Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge einer Selbstbindung des Verkäufers durch ein nach Fristablauf aktualisiertes Erfüllungsverlangen ausgegangen sei und für das Entstehen eines neuen Rücktrittsrechts eine neuerliche Fristsetzung verlangt habe. Für eine solche ,Nach-Nachfrist‘ ließen die Tatbestände der §§ 281 Abs. 1, 323 Abs. 1 BGB keinen Raum, da auch die (weitere) Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs die Folgen der erfolglosen Fristsetzung gegenüber dem vertragsbrüchigen Schuldner nicht aufhebe.302 Der BGH setzt sich in seiner Entscheidung mit sämtlichen Erwägungen auseinander, die zu einer solchen Bindung an die weitere Erfüllungswahl herangezogen werden,303 und hat im Ergebnis für die dem Erfordernis einer Nach-Nachfrist erteilten Absage Zuspruch in der Literatur erfahren.304 Nach den bis hierher gefundenen Ergebnissen ist es aus rein rechtsdogmatischer Sicht zutreffend, eine Bindung des Käufers an ein nach Nachfristablauf ausgesprochenes Erfüllungsverlangen nicht über § 264 Abs. 2 BGB zu begründen, wie es das OLG Celle305 getan hat. Die verschiedenen Handlungsoptionen des Käufers nach Fristablauf stehen zueinander gerade nicht im Verhältnis der Wahlschuld, sondern der elektiven Konkurrenz. Darauf weist der BGH306 noch einmal ausdrücklich hin. Einzig erwägenswert ist, ob nicht die Überlegungen des OLG, durch einen sich zu dem weiteren Erfüllungsverlangen in Widerspruch setzenden Rücktritt verstoße der Käufer gegen die Grundsätze aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) in der Ausprägung des Verbotes eines venire contra factum proprium auch vor dem Hintergrund der hier angestellten Überlegungen zu vertiefen sind. Auch der BGH erkennt an, dass ein Rücktritt im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen könne, etwa weil er nur kurze Zeit nach dem bekräftigten Erfüllungsverlangen,307 also zur Unzeit ausgesprochen sei.308 Wenn auch der BGH den Eindruck erweckt, in Fällen des nur kurze Zeit nach dem weiteren Erfüllungsverlangen ausgesprochenen Rücktritts sei mit einiger Grundsätzlichkeit von einem 301 Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 323 Rz. 156, vertritt die Auffassung, dass der Gläubiger wegen des in diesem Fall mit der Erhebung der Erfüllungsklage verbundenen Erklärungswerts, der im Ergebnis ein ,Vertrauen‘ des Schuldners begründet, die für die Erfüllung erforderliche Zeit abwarten müsse, ehe er zurücktreten und die Klage umstellen könne. 302 So ausdrücklich BGH, NJW 2006, 1198 f. 303 Zu den angebotenen Erklärungsansätzen, mit denen sich der BGH, NJW 2006, 1198, auseinandersetzt, vgl. Stadler, in: Jauernig, BGB, § 281 Rz. 15 (reziproke Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB); Schwab, JR 2003, 133 (Bindung an die Wahl über § 263 Abs. 2 BGB); OLG Celle, NJW 2005, 2094 (ergänzende Begründung aus § 242 BGB, venire contra factum proprium). 304 Vgl. insbesondere Althammer, NJW 2006, 1179 305 OLG Celle, NJW 2005, 2094; mit Zustimmung Schwab, JR 2003, 133, 135 f. 306 BGH, NJW 2006, 1198 f. 307 So z.B. Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 323 Rz. 22; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 323 Rz. 155 f. 308 BGH, NJW 2006, 1198, 1199.
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Verstoß gegen Treu und Glauben auszugehen, so steht nicht zu erwarten, dass er selbst in dieser Pauschalität urteilen würde. Vielmehr bringt der BGH mit diesem Beispiel einer unzulässigen Rechtsausübung zum Ausdruck, dass auch für die Frage, wie ein solches Erfüllungsverlangen des Käufers nach Nachfristablauf zu würdigen ist, die wechselseitige Interessenlage der Parteien den Ausschlag gibt.309 Es stellt sich im Ergebnis nämlich allein die Frage, wie sich solcherart Erfüllungsverlangen in die vertragliche Kooperationsabsprache der Parteien einbetten lässt. Hierbei ist freilich zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Verkäufer vertragsbrüchig verhalten hat310 und dass durch den Ablauf der Nachfrist die dem Käufer zur Wahl stehenden weiteren Handlungsalternativen bereits eröffnet sind. Ein schutzwürdiges Vertrauen des Verkäufers, er behalte die Möglichkeit zur Nacherfüllung und eine Chance, den Kaufpreis noch zu verdienen, besteht in dieser Situation zunächst nicht. Er selbst ist aus der Kooperationsvereinbarung ausgebrochen, so dass er sich jetzt auf deren Schutz nur noch sehr eingeschränkt berufen kann.311 Andererseits kann es für den Käufer durchaus opportun sein, obgleich er zur Wahrung aller Rechte sich durch Nachfristsetzung seine sämtlichen Handlungsoptionen offen gehalten hat, an dem Erfüllungsanspruch festzuhalten, da er aus seiner Warte häufig nicht einschätzen kann, ob sich der Verkäufer hinsichtlich eines Schadensersatzbegehrens als leistungsfähig erweist.312 Umgekehrt weckt die zunächst 309 In diesem Sinne wohl auch Althammer, NJW 2006, 1179, 1181: „Denn dem Schuldner muss zumindest Gelegenheit gewährt werden, dieser erneuten Leistungsaufforderung zu entsprechen. Die den Gläubiger treffende ,Sanktion‘ darf somit nur dilatorischer Art sein, als Schadensersatzverlangen und Rücktritt in ihrer Wirkung solange suspendiert werden, wie der Schuldner eben zur Erbringung der Leistung üblicherweise benötigt.“; ebenso Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 323 Rz. 155 f., § 281 Rz. 101. 310 Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren, den Rücktritt auszuschließen, wenn der Schuldner wegen besonderer Umstände trotz fruchtlosem Ablaufs der Nachfrist mit ihm nicht zu rechnen brauchte, sind ausdrücklich abgelehnt worden. Der Bericht des Rechtsausschusses, vgl. BT-Drs. 14/ 7052, S. 185, 192, stellt hierzu klar, dass die einmalige fruchtlose Fristsetzung durch den Gläubiger ausreichen müsse, um zu dem Anspruch auf Schadensersatz überzugehen oder den Rücktritt zu erklären, wenn der Gläubiger die weitere Verfolgung des Erfüllungsanspruchs für nicht mehr zweckmäßig erachte. Der Schuldner könne und müsse sich nach dem Ablauf der von dem Gläubiger gesetzten Frist darauf einrichten, dass dieser Schadensersatz statt der Leistung verlangen oder den Rücktritt erklären werde. Die Regelung solle insofern, so der Rechtsausschuss ausdrücklich, für den Gläubiger einfach zu handhaben und für den vertragsbrüchigen Schuldner streng sein. 311 Diese Argumentation an die sog. „Edelmann-Fälle“ bereits des Reichsgerichts, vgl. RGZ 117, 121 ff., und ähnlich auch des BGH, vgl. BGHZ 45, 376 ff., wonach demjenigen, der sich bewusst nicht dem Recht unterstellt, das Recht auch nicht hilft. Oder in den Worten des BGH: Wer eine ihm bekannte Vorschrift missachte, dem fehle der Rechtsfolgewille. Auf die Kooperationsbeziehung übertragen folgt daraus, dass derjenige, der bewusst aus der Kooperationsbeziehung ausbricht, sich dem Schutz seiner aus ihr hervorgehenden Äquivalenzinteressen nachfolgend nicht auf die von ihm missachtete kooperative Bindung soll berufen können. 312 Vgl. in ähnlichem Zusammenhang Derleder, NJW 2003, 998, 1000: „Der Gläubiger muss weiterhin den für ihn günstigsten Rechtsbehelf wählen können (…). Nur so kann er es vermeiden, dass auch einem leistungsschwachen Rückgewährschuldner gegenüber unklugerweise der große statt der kleine Schadensersatzanspruch verfolgt werden muss. Die Gegebenheiten der Schuldnerseite kann der Gläubi-
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mangelhafte Leistung des Verkäufers und der hinzutretende erfolglose Ablauf der Nachfrist berechtigte Zweifel beim Käufer, ob dem Verkäufer die Vertragserfüllung noch zuzutrauen ist. Der Käufer befindet sich daher in einem Entscheidungsdilemma, weil er die sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen,313 die für seine Präferenzbildung ausschlaggebend sind, und derer umfassenden Kenntnis er für eine zweckentsprechende Entscheidung bedürfte, in aller Regel nicht in einer als Entscheidungsgrundlage genügenden Weise überblicken kann. Doch aus dieser konkreten Definition des Käufer-Dilemmas leitet sich auf Basis der hier entwickelten Grundlagen zwanglos die Lösung des Problems ab: Es bestehen gute Gründe für den Käufer, nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist an dem Erfüllungsanspruch festzuhalten. Der Verkäufer hat im Rahmen der Kooperationsbeziehung die Erfüllung auch zugesagt, sodass kein schutzwürdiges und in die Kooperationsbeziehung implizit einbezogenes Vertrauen des Verkäufers entgegensteht, der Käufer werde nach Ablauf der Nachfrist von dem Erfüllungsanspruch tatsächlich Abstand nehmen. Dies käme nämlich im Ergebnis einem einseitigen Recht des Verkäufers gleich, die Kooperationsvereinbarung schlicht dadurch aufzulösen, dass er die Nachfristsetzung abwartet. Dadurch aber würden für den Käufer subjektive Nutzenerwartungen vernichtet, die dieser berechtigterweise mit dem Vertrag verbunden hat. Es träte eine nicht gerechtfertigte Störung des kooperativen Äquivalenzverhältnisses ein, weshalb der Gesetzgeber zu Recht von einem Wegfall des Erfüllungsanspruchs ipso iure mit Ablauf der Nachfrist Abstand genommen hat. Hält der Käufer nach Ablauf der Nachfrist aber tatsächlich an seinem Erfüllungsanspruch fest und kommuniziert er dies dem Verkäufer gegenüber durch ein weiteres Erfüllungsverlangen, sei es außergerichtlich oder in Form der auf Erfüllung gerichteten Klage, so weckt er hiermit ein modifiziertes transaktionsspezifisches Vertrauen des Verkäufers, die Erfüllung zwar noch erbringen zu müssen, jedoch trotz seines vorangegangenen Ausbruchs aus der Kooperationsbeziehung auch die Gegenleistung noch verdienen zu können.314 Einer der Grundsteine des mit dieser Arger 313 meist nicht voll übersehen, so dass ihm auch die nachträgliche Berücksichtigung eines von Anfang bestehenden Rückgewährhindernisses ebenso gestattet werden sollte wie die Reaktion auf den späteren Eintritt eines solchen Hindernisses.“. 313 Nochmals ein Hinweis auf Derleder, NJW 2003, 998: „Wer eine Pflichtverletzung eines Vertragspartners geltend macht, sollte sich auch nach der Schuldrechtsreform gut überlegen, welchen Rechtsbehelf er wählt. Er könnte auf diesen festgelegt sein, auch wenn seine Entscheidung voreilig war oder ihre sozialökonomische Grundlage verliert.“. Zur Bedeutung der sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c). 314 Dieser Mechanismus, nach dem nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen, Realakte also, eine geeignete Vertrauensgrundlage bilden können, die auf die vertraglichen Ansprüche zurückwirkt, ist aus der u.s. amerikanischen Rechtsfigur des promissory estoppel bekannt, wonach ein Versprechen bindend ist, wenn der eine Leistung Versprechende vernünftigerweise damit rechnen muss, durch sein Versprechen den Versprechensempfänger zu einer Handlung oder Unterlassung endgültiger oder wesentlicher Art zu veranlassen, wenn Unbilligkeit nur durch den Zwang zur Erfüllung vermieden werden kann. Damit entsteht aus einer einseitigen Erklärung ohne rechtsgeschäftlichen Bindungswillen
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beit angebotenen Konzepts war die Überlegung, dass die Transaktionsbeziehung bidirektionaler und dynamischer Natur ist.315 Sie erschöpft sich daher nicht allein in berechtigten Erwartungen des Käufers. Vielmehr löst jede solche Erwartung auf Käuferseite eine Reaktion auf Verkäuferseite aus, die gerade auch in der Bildung transaktionsspezifischen Vertrauens liegen kann, das wiederum die weitere Abwicklung der Transaktion selbst determiniert und, dies ist eine Funktion des Vertrauens,316 den Verkäufer gegebenenfalls zu Investitionen auf Grundlage eben dieses Vertrauens – hier in die doch noch zu erbringene Vertragserfüllung – veranlasst, jedenfalls aber veranlassen soll. Dies macht gerade den dynamischen Charakter einer vertrauensgetragenen Kooperationsbeziehung aus.317 Ähnlich wie sich der vertragliche Erfüllungsanspruch und mit ihm die vertragliche Nebenpflicht zur Abnahme durch den Käufer in der Nacherfüllungsphase fortsetzen,318 entwickelt sich auch die Kooperationsbeziehung mit dem Eintritt in die Nacherfüllungsphase weiter und richten sich die impliziten kooperativen Äquivalenzabsprachen an diesen veränderten Rahmen- und sozial-ökonomischen Umweltbedingungen der Transaktionsbeziehung aus. Mit jeder weiteren Stufe der Nacherfüllungsphase, also auch mit Ablauf der Nacherfüllungsfrist treten sozialökonomische Veränderungen ein, die zu Präferenzverschiebungen319 führen, die in einem flexiblen rechtsinstitutionellen Rahmen nachzuzeichnen sind. Mit einem weiteren Erfüllungsverlangen nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist bringt der Verkäufer unter kooperativen Gesichtspunkten zum Ausdruck, dass er das abstrakte Transaktionsvertrauen in die versprechensgerechte Erfüllung durch den Verkäufer noch nicht vollständig verloren habe. Dies begründet ein korrespondierendes Vertrauen des Verkäufers, trotz allem noch die Gelegenheit zu haben, diese abstrakte Vertrauenserwartung des Käufers auch zu erfüllen. Ein Abrücken des Käufers von seiner Erfüllungswahl und damit der Entzug des mit ihr entgegengebrachten Vertrauens, das wiederum als Katalysator einer weiteren Vertrauensentein315 erfüllungsgleicher Anspruch, worauf Stoll, Vertrauensschutz, zutreffend hinweist. Die Funktionsweise des hier für maßgeblich gehaltenen transaktionsspezifischen Vertrauens liegt im Ergebnis auf derselben Linie. 315 Dazu bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.4 d) mit Hinweis auf 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb): Wer sich auf kommunizierte Vertrauenswürdigkeit seines Verhandlungspartners einlässt und Vertrauen entgegenbringt, kann erwarten, dass auch ihm mit Vertrauen begegnet wird. 316 Dazu sehr ausführlich oben 1. Kap. § 2 A) II.1, dort insbesondere c). Hier war unter Hinweis u.a. auf Ködgen/Randow, Sanktionen bei Vertragsverletzung, S. 123 f., und Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 205 ff., dargestellt worden, dass ein wesentlicher Ausfluss des Vertrauens als Institution gerade das Bestreben ist, für den Vertrauenden Investitionsanreize („Incentives“) zu setzen, die er aus einem institutionalisierten Vertrauenschutz heraus für gesichert halten darf, um hierdurch die Rahmenbedingungen für vertragliche Effizienzsteigerungen zu verbessern. 317 Zu diesem auf kooperativem Dialog beruhenden Dynamik der Vertrags- als Vertrauensbeziehung ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) mit Abb. 4. 318 Dazu soeben 2. Kap. § 2 B) III.2 a). 319 Davon, dass Präferenzen anders als noch zu Zeiten starrer wohlfahrtsökonomischer Modelle nicht unveränderlich sind und von der Bedeutung dieses Umstandes für die Ökonomik und die Rechtsanwendung, war oben, 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa), bereits die Rede.
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stehung wirkt, stellte sich daher zunächst als kooperationsbrüchig und deshalb unzulässig dar. Dies spricht für eine grundsätzlich eintretende Bindung des Käufers auch an eine nach Fristablauf ausgesprochene Erfüllungswahl. Dem ist in dieser Grundsätzlichkeit auch nicht entgegenzutreten, solange und soweit das abstrakte Vertrauen in die fortwirkende Erfüllungschance die modifizierte Kooperationsbeziehung tatsächlich determiniert. Zu bedenken ist nämlich, dass das aus dem abstrakten Vertrauen des Käufers, der Verkäufer werde sich eventuell doch noch kooperationsgerecht verhalten, resultierende Vertrauen des Verkäufers, die vertragliche Schuld noch erbringen zu dürfen, auf einer schwachen Vertrauensgrundlage steht. Denn einerseits ist das Vertrauen des Käufers in die vielleicht doch noch zu erlangende Vertragserfüllung häufig weniger aus – der bereits enttäuschten – Vertrauenswürdigkeit des Verkäufers als vielmehr aus der Not heraus geboren, die Erfolgsaussichten der durch Ablauf der Nachfrist bereits eröffneten Rechtsschutzalternativen nicht hinreichend einschätzen zu können. Hinzu kommt andererseits der verständliche Wunsch des Käufers, den aus der Vertragserfüllung angestrebten Nutzen noch nicht vollständig verloren zu geben und so auch an dem sprichwörtlich letzten Strohhalm festzuhalten. Und gerade die Tatsache, dass die Alternativen der Sekundärrechtsbehelfe durch Nachfristablauf bereits eröffnet sind, schwächt die Schlagkraft des korrespondierenden Vertrauens des Verkäufers in ein fortbestehendes Recht zur zweiten Andienung. Da aber jedes abstakte Vertrauen durch konkrete Umstände überlagert werden kann,320 gilt dies insbesondere für abstrakte Vertrauensmomente auf wenig belastbarer Vertrauensgrundlage. Soweit dem Verkäufer bewusst ist, dass die Vertrauensgrundlage des Käufers, auf die er sich allein stützt, zu wesentlichen Teilen auch auf der fehlenden Möglichkeit zur Einschätzung der sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen zurückgeht, entzieht eine Änderung dieser Umstände und eine daraus resultierende Präferenzverschiebung des Käufers dem Verkäufer das Vertrauen in die weitere Vertragserfüllungschance unmittelbar. Werden dem Käufer daher nach seinem weiteren Erfüllungsverlangen Umstände offenbar, die ihm bei seiner überobligatorischen Erfüllungswahl noch nicht bekannt oder nicht bewusst waren, erlaubt ihm dies, seine Wahl zu ändern, von seinem Erfüllungsverlangen Abstand zu nehmen und auf Sekundärrechtsbehelfe auszuweichen. Schutzwürdige Belange des Verkäufers, die über § 242 BGB zur Geltung gebracht werden könnten, stehen dem dann nicht entgegen. Eine unzulässige Rechtsausübung aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium kann immer nur dann eine rechtshindernde Einwendung begründen, wenn die ursprüngliche und die widersprechende Handlung auf ein und dem selben Lebens- und Vertrauenssachverhalt beruhen.321 Der zur Entscheidung anste320
Ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb). Vgl. Roth, in: MünchKomm-BGB, § 242 Rz. 261: „Bei den Fallgruppen des vertrauensbegründenden Verhaltens ist die Gegenseite grundsätzlich nicht schutzwürdig, wenn infolge ihrer Kenntnis der tatsächlichen Gegebenheiten, Absichten etc. ein Vertrauenstatbestand nicht geschaffen wurde (…)“. 321
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hende Lebenssachverhalt wird hier aber maßgeblich durch das mehr oder minder situationsbedingt dem Käufer abgenötigte Vertrauen beschrieben. Ändert sich in dieser Vertrauensgrundlage etwas, ändert sich der Lebenssachverhalt und der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist abgeschnitten. Eine Änderung der Vertrauensgrundlage kann dann aber zum Beispiel bereits darin liegen, dass der Verkäufer trotz Nachfristablaufs und weiteren Erfüllungsverlangens keinerlei Anstalten zu einer vordringlichen Erfüllung des Vertrages macht oder diese Anstalten dem Käufer gegenüber nicht kommuniziert.322 Es ist nämlich Sache des Käufers, auf das ihm entgegengebrachte Vertrauen offen zu reagieren, um hieraus selbst eine Vertrauensgrundlage ableiten zu dürfen.323 Es ist also nicht Voraussetzung, dass der Verkäufer die wenig belastbare Vertrauensgrundlage des Käufers aktiv beschädigt oder dem Käufer Umstände bekannt werden, die an der Fähigkeit des Verkäufers zur Vertragserfüllung neue Zweifel aufkommen lassen; es reicht bereits aus, dass der Verkäufer das ihm auch weiterhin entgegengebrachte Vertrauen nicht in so hinreichendem Maße beantwortet, dass hieraus für den Käufer eine subjektive Rechtfertigung des weiter entgegengebrachten Vertrauens abzuleiten ist und deshalb eine korrespondierende Vertrauensdynamik nicht in Gang kommt. In dogmatischer Hinsicht ist aus diesen vertrauensökonomischen Erwägungen also abzuleiten, dass die weitere Erfüllungswahl des Käufers zunächst und allein zu Handlungs- und Kommunikationsobliegenheiten für den Verkäufer führt und erst deren Erfüllung eine zeitlich befristete Bindung des Käufers an die modifizierte Vertrauens- und Kooperationsbeziehung auslöst, die ipso iure auch ohne weitere Nach-Nachfrist entfällt, wird ihr die Vertrauensgrundlage aktiv oder reflektorisch entzogen. III.3 Nutzenersatz nach § 439 Abs. 4 BGB – Nacherfüllung als Verlängerung der Gesamtlebens- und Nutzungsdauer? Keinen unmittelbar augenfälligen Bezug zu der Frage der institutionellen Bewältigung einer Verstrickung durch Desinformation – und deshalb hier nur am Rande zu erörtern – hat die Diskussion um die Rechtfertigung der Verpflichtung des Käufers, im Falle der Neulieferung nach § 439 Abs. 4 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB auch die gezogenen Nutzungen bzw. deren Wert an den Verkäufer herausgeben zu müssen.324 Mittelbar hat die Frage aber dennoch Gewicht, da sie gegebenenfalls Rückwirkung auf die Ausübung des Wahlrechts des Käufers und die Frage haben, welche Art der Nacherfüllung für den Verkäufer 322 So lag es im Fall BGH, NJW 2006, 1198, weshalb die Entscheidung des BGH im Ergebnis völlig zutreffend ist. 323 Die Akteure selbst beeinflussen nämlich die Umstände und Rahmenbedingungen unter denen sich das Vertrauen erst entwickeln kann, vgl. Möllering, Understanding Trust, S. 18, und oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb). 324 Vgl. Gsell, NJW 2003, 1969; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409; Riha, Ökonomische Analyse, S. 235 ff.
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subjektiv die günstigere und deshalb auch die relativ zumutbare ist. Soweit nämlich der Verkäufer bei seiner Einschätzung berechtigt wäre, auch einen herauszugebenden Nutzungsersatz im Falle der Neulieferung einzukalkulieren, könnte dies bei der Bestimmung der Wahl eine Rolle spielen und könnte dies geeignet sein, den Käufer von der Ausübung eines Neulieferungsanspruchs insbesondere nach längerer Zeit kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist, nach einer langen Nutzungsperiode also abzuhalten. Aus diesem Grund, und weil sich der EuGH325 im Jahre 2008 zu dieser Frage zu Wort gemeldet und der deutsche Gesetzgeber darauf zeitnah für Verbrauchsgüterkaufverträge durch Streichung einer Nutzungsersatzpflicht in § 474 Abs. 2 BGB reagiert hat,326 soll diesem Gesichtspunkt aus dem Blickwinkel des Erhalts der Flexibilität im Umgang mit Verstrickungslagen zumindest kurz nachgegangen werden. Die Rechtfertigung eines solchen Nutzungsherausgabeanspruchs im Falle der Neulieferung auf Grundlage der allgemeinen Verweisung in § 439 Abs. 4 BGB auf die Folgen des Rücktritts in §§ 346 ff. BGB wird in Rechtsprechung und Literatur äußerst kontrovers diskutiert.327 Während die bislang wohl überwiegende Ansicht328 eine solche Ersatzpflicht unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung329 für sachgerecht hielt, mehrte sich in der jüngeren Vergangenheit die Kritik hieran.330 Auch der BGH331 hatte Zweifel, ob die generelle Verweisung auf das Rücktrittsrecht auch den Ersatz von gezogenen Nutzungen einschließen könne und legte die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung (ex Art. 234 EG) vor.
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EuGH, ZIP 2008, 794. BT-Drs. 16/10607, S. 5. Die Neufassug des § 474 Abs. 2 BGB lautet: „Auf die in diesem Untertitel geregelten Kaufverträge ist § 439 Abs. 4 mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind. Die §§ 445 und 447 sind nicht anzuwenden.“; vgl. dazu kritisch Artz, ZGS 2009, 241. 327 Vgl. z.B. OLG Nürnberg, NJW 2005, 3000, mit einer Bestätigung der Rechtsauffassung der Vorinstanz LG Nürnberg, NJW 2005, 2558; Gsell, JuS 2006, 203; Büdenbender, in: AnwKomm, § 439 Rz. 16; Höpfner, NJW 2010, 127. 328 Unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung: Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 439 Rz. 17; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 439 Rz. 34; Brox/Walker, SR-BT, § 4 Rz. 42; Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 392; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 432 f.; Fest, NJW 2005, 2959, 2961; Sachgerecht: Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 53; i.E. als Abzug ,Neu für Alt‘ und nicht als Nutzungsersatz: Gsell, NJW 2003, 1969, 1971 ff.; mit ökonomischer Untersuchung: Riha, Ökonomische Analyse, S. 235 ff. 329 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 232 f.: „Deshalb muss der Käufer (…) gemäß §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB auch die Nutzungen (…) herausgeben.“. 330 OLG Nürnberg, NJW 2005, 3000: „§ 439 Abs. 4 BGB stellt keine gesetzliche Anspruchsgrundlage für die Forderung des Verkäufers auf Erstattung gezogener Nutzungen durch den Käufer hinsichtlich der ursprünglich gelieferten, Mangel behafteten Sache dar.“; Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1411 f.; Büdenbender, in: AnwKomm, § 439 Rz. 43; Lorenz, in: MünchKomm-BGB, 19 vor § 474; Putzo, in: Palandt, BGB, § 439 Rz. 25. 331 BGH, NJW 2006, 3200; die Vorlage des BGH ist hier im Revisionsverfahren zum Urteil des OLG Nürnberg, NJW 2005, 3000, ergangen, das die Vereinbarkeit des Nutzungsherausgabeanspruchs mit der Richtlinie nicht weiter problematisiert hatte. 326
§ 2 Vorrang der Vertragserfüllung – Das Recht zur zweiten Andienung
343
Der EuGH332 bestätigte in der Sache die Auffassung des BGH, wonach eine Verpflichtung des Verbrauchers zur Zahlung einer Nutzungsvergütung nicht mit den Regelungen der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vereinbar ist. Der EuGH stützt sich hierbei in seiner knappen aber dennoch erschöpfenden Begründung333 im Wesentlichen auf den Wortlaut der Richtlinie in deren Art. 3 Abs. 3, nach deren Inhalt der Verbraucher als Käufer eines mangelhaften Guts entweder die unentgeltliche Nachbesserung oder die unentgeltliche Neulieferung verlangen kann. In den Augen des EuGH334 stellt die Verpflichtung des Verkäufers, vertragsgemäße Zustände unentgeltlich herzustellen, einen zentralen Bestandteil des durch die Richtlinie gewährleisteten Verbraucherschutzes dar, indem sie den Verbraucher vor jedweder finanziellen Belastung schützt, die geeignet ist, diesen von der Geltendmachung der ihm durch die Richtlinie eingeräumten Rechte abzuhalten.335 Der EuGH336 sieht sich an seiner Auffassung, der Terminus ,unentgeltlich‘ erfasse auch jedweden Nutzungsersatz, nicht durch den 15. Erwägungsgrund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gehindert, wonach die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass eine dem Verbraucher zu leistende Erstattung gemindert werden kann, um der Benutzung der Ware Rechnung zu tragen, die durch den Verbraucher seit ihrer Lieferung erfolgt ist. Nach Auffassung des EuGH bezieht sich der 15. Erwägungsgrund der Richtlinie nämlich ausschließlich auf den Fall der Vertragsauflösung, die wechselseitige Herausgabepflichten und damit auch die Erstattung des Kaufpreises zugunsten des Käufers umfasst. Damit hat der Gerichtshof ein Argument angesprochen, das auch schon in der Berufungsinstanz der nationalen Gerichte, nämlich in den Entscheidungsgründen des OLG Nürnberg337 eine nicht unbedeutende Rolle gespielt hat: Die Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer. Sämtliche Vertreter, die einen Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers im Falle der Neulieferung über die Verweisung des § 439 Abs. 4 BGB für interessengerecht halten und deshalb befürworten, stellen zu seiner Rechtfertigung darauf ab, dass der Käufer anderenfalls die zuvor gelieferte mangelhafte Sache unentgeltlich hätte nutzen können338 und sich die ,Gesamtlebens- ‘ und damit die Gesamtnutzungsdauer des Kaufgegenstandes durch eine Neulieferung – gegebenenfalls auch erst kurz vor Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist vorgenommen – wegen des Austauschs des mangelhaften Gegenstandes gegen eine neue und unbenutzte Sache
332
EuGH, ZIP 2008, 794. Vgl. die Besprechung von Mörsdorf, ZIP 2008, 1409, 1411 f. 334 EuGH, ZIP 2008, 794 (Rz. 33). 335 Hierin spiegelt sich genau der Gedanke wider, der einleitend auch zur Rechtfertigung der Auseinandersetzung mit der Frage des Nutzungsersatzes auch im Kontext der Flexibilität des Rechts im Umgang mit Verstrickungslagen herangezogen wurde. 336 EuGH, ZIP 2008, 794 (Rz. 38 f.). 337 OLG Nürnberg, NJW 2005, 3000. 338 Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 53. 333
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
um diesen Zeitraum bis zur Nacherfüllung verlängere.339 Insoweit weißt Riha340 jedoch überzeugend nach, dass eine Verlängerung der Nutzungsdauer im vertragsäquivalenten Sinn bei ökonomischer Betrachtung den Ausnahmefall darstellen wird. Gegenstand der überschießenden Nutzung könne nämlich nur eine verlängerte Gesamtlebensdauer am Ende der vom Käufer prospektierten Nutzungsperiode sein. Eine solche Verlängerung der Gesamtlebensdauer ließe sich jedoch regelmäßig nur bei objektiver Betrachtung feststellen und vernachlässige subjektive Nutzungserwägungen, die jedoch für die vertragliche Äquivalenzbemessung allein ausschlaggebend sind. Die Gesamtlebensdauer sei subjektiv nämlich nur dann über die ursprünglich prospektierte Nutzungsdauer hinaus von Nutzen, wenn der Käufer mit dem Kaufgegenstand einen funktionalen Bedarf decke, der über die prospektierte Nutzungsdauer hinaus fortbestehe. Nur wenn die Sache einen solchen fortdauernden subjektiven Bedarf in ihrer verlängerten Gesamtnutzungsdauer decke, könne ein Nutzungsherausgabeanspruch gerechtfertigt sein. Gerade bei Gegenständen, die einer häufigen und oft kurzlebigen Innovation unterlegen sind, wie z.B. technischen Geräten, sei hiervon aber regelmäßig nicht auszugehen.341 Über diese regelmäßig fehlende ökonomische Rechtfertigung der Annahme, die verlängerte Gesamtlebensdauer des neugelieferten Gegenstandes schaffe auf Käuferseite einen subjektiv realisierbaren Mehrwert, hinaus, mit deren Wegfall auch das Argument an Schlagkraft verliert, der Nutzungsersatzanspruch sei gerade wegen dieser Verlängerung der Gesamtlebensdauer interessengerecht, übersieht, wer einen Nutzungsersatzanspruch kraft der Verweisung des § 439 Abs. 4 BGB auf das Rücktrittsrecht (§ 346 Abs. 1 BGB) gerade auch außerhalb von Verbrauchsgüterkaufverträgen befürwortet, dass die Annahme eines Nutzungsersatzanspruchs der Abschöpfung einer ungerechtfertigen Bereicherung gleichkäme, Voraussetzung dafür jedoch wäre, dass es für das Behaltendürfen der Nutzungen an einem Rechtsgrund fehlte. Allein dies ist nicht der Fall, denn Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Nutzungen ist der Kaufvertrag selbst. Hiernach hat der Käufer ab Fälligkeit des Anspruchs aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Anspruch und ab Gefahrübergang nach § 446 Satz 1 BGB das alleinige Recht, die Nutzungen aus dem Kaufgegenstand zu ziehen.342 Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kaufvertag Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Nutzungen erst ab endgültiger Erfüllung also mit Vollendung des – gelungenen – Nacherfüllungsversuchs sein könne,343 da ein etwaiger Nutzungsersatzanspruch für die Schwebezeit durch einen korrespondierenden Verzugsschadensersatzanspruch für die entgangenen Nutzungen des Käufers überlagert würde und es deshalb wertungsmäßig nicht zu vertreten wäre, einseitig auf
339 Deshalb mit der Übertragung der schadensrechtlichen Grundsätze des Abzugs ,Neu für Alt‘: Gsell, NJW 2003, 1969, 1971 f. 340 Riha, Ökonomische Analyse, S. 236 ff. 341 Riha, Ökonomische Analyse, S. 238. 342 Ebenso Gsell, JuS 2006, 203, 204; kritisch Höpfner, NJW 2010, 127, 128 f. 343 Auch insoweit Gsell, NJW 2003, 1969, 1970; dies., JuS 2006, 203, 204.
§ 2 Vorrang der Vertragserfüllung – Das Recht zur zweiten Andienung
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die Interessen des Verkäufers, dessen Verursachungssphäre das Nacherfüllungserfordernis ohnehin zuzurechnen ist, abzustellen. Schließlich übersehen Vertreter einer den Nutzungsersatzanspruch bejahenden Auffassung vollständig, dass der Käufer in aller Regel den Kaufpreis bereits gezahlt hat und dieser zur (Kapital-)Nutzung durch den Verkäufer zur Verfügung steht, der Käufer jedoch das kooperationsgerechte Äquivalent dazu für die Dauer der Nacherfüllungsphase nicht erhält.344 Mit der Bezahlung des Kaufpreises vergütet der Käufer, anders als die Gesetzesbegründung345 vermuten ließe,346 gerade die Nutzungsmöglichkeit von dem vertraglich versprochenen Leistungszeitpunkt an. Bei ökonomischer Betrachtung wendet der Käufer den Kaufpreis allein – oder jedenfalls weit überwiegend – auf, nicht um die Sache abstrakt-theoretisch zu halten und zu haben, sondern um den aus dem Umstand des Haltens und Habens subjektiv erwarteten Nutzen zu realisieren, auch wenn dieser sich in ihrem Eigentum und Besitz erschöpft. Der Kaufpreis ist damit sehr wohl Äquivalent nicht der Nutzung, sehr wohl jedoch des Nutzens, den der Käufer allerdings nicht, jedenfalls nicht wie versprochen erhält.347 Ungeachtet der Schwierigkeiten, dass eine Bemessung des subjektiv beim Käufer verbleibenden Nutzens einer mangelhaften Sache interpersonell nicht vergleichbar und deshalb verlässlich nicht zu bemessen ist,348 was zu wenig vorhersagbaren, weil wenig justitiablen Fallgestaltungen führt, und darüber hinaus der Nutzungsersatzanspruch nur eine Verlagerung des Wertverzehrs der mangelhaften Sache vom Käufer auf den Verkäufer bewirkt und jede Verlagerung ökonomisch grundsätzlich ineffizient ist, weil sie keinerlei Wohlfahrtssteigerung, wohl aber Transaktionskosten generiert, ist der Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers außerdem nicht losgelöst von einem korrespondierenden Ersatzanspruch des Käufers wegen der Kapitalnutzung zu erfassen, da sich beide Anspruchsrichtungen in der kooperativen Äquivalenzbeziehung denknotwendig bedingen.349 Diese – abermals bidirektionale – Betrachtung führt zunächst zu der augenfälligen Erkenntnis, dass der Verkäufer, da er den vereinbarten Kaufpreis erhalten hat, den vollen aus der kooperativen 344 Ebenso Gsell, NJW 2003, 1969, 1970, die diese Inkongruenz in der „partiellen Rückabwicklung“ über § 439 Abs. 4 BGB zu Recht anmerkt und feststellt, dass jedenfalls auch der Verkäufer zur Herausgabe der Nutzungen im Nacherfüllungszeitraum zu verpflichten wäre. 345 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 232 f.: „Deshalb muss der Käufer (…) auch die Gebrauchsvorteile herausgeben. Das rechtfertigt sich daraus, dass der Käufer mit der Nachlieferung eine neue Sache erhält und nicht einzusehen ist, dass der die zurückzugebende Sache in dem Zeitraum davor unentgeltlich nutzen können soll und so noch Vorteile aus der Mangelhaftigkeit ziehen können soll. (…) Ohne die Mangelhaftigkeit hätte der Käufer nämlich auch die gekaufte Sache nicht unentgeltlich nutzen können. Abnutzungen durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch wären vielmehr zu seinen Lasten gegangen.“. 346 Den Erwägungen der Gesetzesbegründung zustimmend Jacobs, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 371, 393, der noch ausdrücklich die Frage stellt, warum die Wertung, dass der Käufer Abnutzungen bei vertragsgerechter Lieferung in seinem Vermögen realisiert hätte, nicht auch für den Fall der mangelhaften Lieferung gelten solle. 347 So auch Gsell, NJW 2003, 1969, 1970. 348 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b). 349 Mit ähnlichem Gedanken bereits Gsell, JuS 2006, 203, 204.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Äquivalenzbeziehung erwarteten Nutzen realisieren kann, er also erhalten hat, was ihm versprochen wurde, während der Käufer im Nacherfüllungszeitraum nur einen reduzierten, gegebenenfalls unter Berücksichtigung auch subjektiver Erwägungen gar keinen Nutzen hat realisieren können. Um diesem vertraglichen Äquivalenzverhältnis gerecht zu werden, müssten daher richtigerweise nicht nur die Nutzungsersatzansprüche des Verkäufers gegenüber dem Käufer im Rahmen der Neulieferung abgewickelt werden, sondern auch korrespondierende Ansprüche des Käufers gegen den Verkäufer wegen der Kapitalnutzung.350 Dies käme einer teilweisen Rückabwicklung des Vertrages mit Anleihen bei den Rechtsgedanken des Bereicherungsrechts gleich.351 Vergegenwärtigt man sich jedoch, dass der Kaufpreis, abgeleitet aus der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft der Parteien, der einzige verlässliche Faktor war, mit dem die jeweils parteisubjektiven Vertragswerte und erwarteten Nutzen verlässlich und justitiabel bemessen werden konnten, begegnet die korrespondierende Teilrückabwicklung des Vertrages abermals Problemen bei ihrer Bemessung und Wertfindung. Die Parteien gingen von subjektiver Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung aus: Der Verkäufer schätzt die Kapitalnutzung höher ein, als den Nutzen aus dem Kaufgegenstand. Beim Käufer ist dies umgekehrt. Das richtige Ausgleichsverhältnis zu finden, begegnet daher erheblichen Schwierigkeiten, da subjektive Wertansätze, die sich ausschließlich in der Zahlungsbereitschaft ausdrücken, anderweitig verobjektiviert werden müssten, was an anderer Stelle aus Mangel an Praktikabilität bereits abgelehnt wurde. Zu helfen ist an dieser Stelle mit einer Fortentwicklung der in der Literatur bereits angesprochenen Anleihe beim Bereicherungsrecht: Stehen sich bei einer – auch partiellen – Rückabwicklung synallagmatischer Leistungen, wie hier bei dem kooperativ-äquivalenten Austauschverhältnis der Fall, Rückgewähransprüche in einem fortgesetzten Synallagma gegenüber, so werden diese nach der Saldotheorie gegeneinander verrechnet und werden etwaige Entreicherungen zum Abzugsposten.352 Legt man nun weiter die subjektiven Äquivalenzerwägungen der Parteien für die Bemessung der jeweils empfangenen Leistung und die Vorstellung von einer vertraglichen objektiven Äquivalenz, also der Vermutung von einer Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung zugrunde, so würde regelmäßig zulasten des Verkäufers ein negativer Saldo, also ein Erstattungsbetrag zugunsten des Käufers 350
Mit diesem Gedanken bereits OLG Nürnberg, NJW 2005, 3000, und auch der EuGH, ZIP 2008,
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Plastisch im Ergebnis aber ablehnend Gsell, NJW 2003, 1969, 1970: „Obwohl die Leistung der Kaufsache bereits bei Lieferung des mangelhaften Gutes fällig war, wird der Kaufvertrag so betrachtet, als sei er erst mit der Nachlieferung in die maßgebliche Erfüllungsphase getreten, als sei also die mangelhafte Sache nicht nur unzulänglich, sondern gar nicht die geschuldete Leistung gewesen. Die Nutzung der mangelhaften Sache erscheint dann – jedenfalls rückblickend – rechtsgrundlos.“; dieses Modell verfolgend und ihm zustimmend hingegen Fest, NJW 2005, 2959, 2960: „(…) wird deutlich, dass § 439 IV BGB bezweckt, eine aus der mangelhaften Leistung resultierende ungerechtfertigte Bereicherung des Käufers zu vermeiden.“. 352 Dazu statt vieler anschaulich Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 224 ff.
§ 3 Mechanismen zur Abwehr von Verstrickungsschäden
347
entstehen, da der Verkäufer ja seinen vollen Nutzen aus der Kaufpreiszahlung hat realisieren können, während der Käufer seine subjektiven Nutzenerwartungen enttäuscht sieht, also die objektive vertragliche Äquivalenz bei subjektiver Bemessung der einzelnen Nutzungen gestört ist. Vor diesem Hintergrund verbietet sich jedenfalls ein Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers gegen den Käufer, wobei es einer teleologischen Reduktion entgegen dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, wie er in der Gesetzesbegründung seinen Niederschlag gefunden hat, nicht bedarf. In Fällen, in denen es nicht um einen Verbrauchsgüterkauf geht, für den heute die Neufassung des § 474 Abs. 2 BGB in Umsetzung des Judikats des EuGH maßgeblich ist, kann vielmehr an der gesetzlichen Verweisung festgehalten werden, die sich in der Sache jedoch in der entsprechenden Anwendung der bereicherungsrechtlichen Saldotheorie verläuft.353 Der Verkäufer kann daher, um die eingangs gestellte Frage zu beantworten, seiner subjektiven Bemessung der relativen Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung nicht etwaige Nutzungsersatzansprüche bei Neulieferung kalkulatorisch zugrunde legen, weil solche vom Käufer nicht zu erstatten sind. Eine Rückwirkung auf die Bereitschaft des Käufers, seine Nacherfüllungsrechte geltend zu machen, bleibt hierdurch ebenfalls ausgeschlossen.
§ 3 Das Scheitern der Vertragserfüllung – Mechanismen zur Abwehr von Verstrickungsschäden A) Einführung Bereits im einleitenden Kapitel354 war die Rede davon, dass die Erfüllung des Vertrages, die – wie gesehen – grundsätzlich absoluten Vorrang genießt, für den durch Desinformation verstrickten Käufer nicht immer die präferenzgerechte Lösung darstellt, weil die im Zusammenhang mit den desinformationsbedingten Fehlvorstellungen aufgetretenen Kontingenzen oder, in juristischer Terminologie: Leistungsstörungen, käuferseits eine Präferenzverschiebung bewirken können.355 Treten solche Präferenzverschiebungen auf, scheint es für den mit Bedacht handelnden Käufer zunächst nahe zu liegen, – freilich erst nach Ablauf der erforderli353 Zu der inhaltlich zunächst vergleichbar scheinenden Frage des Nutzungsersatzanspruchs des Verkäufers gegen den Käufer nach mangelbedingtem Rücktritt von einem Verbrauchsgüterkauf, in welcher der BGH, NJW 2010, 148, dem Verkäufer einen Nutzungsersatzanspruch zu- und eine Kollision mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht erkennt, vgl. Höpfner, NJW 2010, 127. 354 Oben Einl. § 3 C) II.4. 355 Einige möglichen Ursachen für solche Präferenzverschiebungen legt Derleder, NJW 2003, 998 ff., anhand der dort analysierten Beispielsfälle anschaulich dar.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
chen Nachfrist356 – vom Vertrag zurück treten zu wollen. Es läge daher nahe, der Auseinandersetzung mit dem Nacherfüllungsanspruch im Rahmen der Abwehr von Verstrickungslagen nunmehr diejenige mit dem Rücktrittsrecht folgen zu lassen. Da aber das Rücktrittsrecht im Rahmen der Entwicklung eines rechtlichen Korsetts zur Bewältigung von Verstrickungslagen in erster Linie in seinem Verhältnis zu übrigen – auch außerhalb des Gewährleistungsrechts stehenden – Rechtsbehelfen problematisch ist,357 ist zur Entwicklung der Grundlagen eines konsistenten und an seinen ökonomischen Vorherigkeiten ausgerichteten Abwehrsystems zunächst die Prüfung vorzuschalten, inwieweit solche Rechtsbehelfe außerhalb des besonderen Gewährleistungsrechts überhaupt – noch – in Konkurrenz zum Gewährleistungsrecht treten und treten können, um dann auf das Rücktrittsrecht selbst und seine innergewährleistungsrechtlichen Konkurrenzen einzugehen. Diese Reihenfolge der Prüfung scheint nicht zuletzt auch deshalb sinnvoll, weil sie sich an einer Art Parallelwertung in der Laiensphäre orientiert: Denn, und auch davon war im einleitenden Kapitel bereits die Rede, nicht alle in einen ungewollten Vertrag verstrickten Akteure handeln mit Bedacht. Vielmehr neigen ,geprellte Käufer‘ nicht selten dazu, den aus ihrer Sicht nächstliegenden Rechtsbehelf zu wählen und den Vertrag anzufechten.358 Soweit diese Anfechtung wirksam ist, laufen sie damit Gefahr, sich wesentliche Rechte abzuschneiden, bietet nicht die Rechtsordnung eine konkurrenzorientierte Lösung an.
B) Das Recht zur Irrtumsanfechung nach § 119 BGB I. Die Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB Die bisherige Auffassung zum Konkurrenzverhältnis zwischen der Irrtumsanfechtung wegen Inhalts- oder Erklärungsirrtums nach § 119 Abs. 1 BGB und den kaufvertraglichen Gewährschaftsrechten ist verhältnismäßig klar und weitgehend unbestritten:359 Konkurrenzprobleme zwischen den verschiedenen Rechtsinstituten des allgemeinen und des besonderen Schuldrechts ergeben sich nur, soweit sich die Regelungszwecke und/oder der jeweilige Schutzbereich überschneiden. Für die Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB findet eine solche Schutzbereichsüberschneidung zum 356 Bereits hierin kann aber für den Käufer ein Problem liegen, da der Vorrang der Nacherfüllung im neuen Schuldrecht, wie Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, anschaulich herausstellen, den Kaufvertragsparteien „mehr Geduld bei der Vertragsdurchführung abverlangt“. Auch die rechtsdogmatische Dehnbarkeit dieses Geduldsfadens auszuloten ist daher Aufgabe eines kohärenten Rechtsfolgensystems der Verstrickung durch Desinformation. 357 Vgl. nochmals oben Einl. § 3 C) II.4. 358 Derleder, NJW 2001, 1161, 1162, bezeichnet die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen und die Versuche ihrer Eindämmung im wohlverstandenen Käuferinteresse nicht zu Unrecht als „unbewältigtes rechtsdogmatisches Dilemma“. 359 Ausdrücklich Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 12: „Unbestritten ist eine Anfechtung wegen Inhalts- und Erklärungsirrtums auch nach Gefahrübergang möglich.“.
§ 3 Mechanismen zur Abwehr von Verstrickungsschäden
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Kaufgewährleistungsrecht jedoch nicht statt. Für die Irrtümer des § 119 Abs. 1 BGB ist es gleichgültig, auf ein Rechtsgeschäft welcher Art sich der Irrtum über den Erklärungsakt oder die Erklärungsbedeutung bezieht; dies mag ein Kauf- ebenso wie ein Schenkungs-, Bürgschafts- oder wie auch immer gearteter sonstiger Vertrag oder auch nur ein einseitiges Rechtsgeschäft sein. Ein solcher Irrtum hat mit einer etwaigen Fehlerhaftigkeit der Kaufsache nichts zu tun.360 Da sich aber eine Norm gleichen Regelungszweckes, die solcherart übergeordnete Irrtümer erfasste, im Kaufrecht nicht findet, können sich auch die Konkurrenzfragen nicht stellen.361 Gegenüber § 119 Abs. 1 BGB kann die kaufrechtliche Gewährleistung daher von vorneherein keine Sperr- oder Ausschlusswirkung erzeugen. Soweit die klare Linie von Rechtsprechung und Literatur, die den Wechsel der Schuldrechtsdogmatik durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz unbeeinflusst überdauert hat. Ob dieses Dogma jedoch auch vor dem Hintergrund der hier entwickelten ökonomischen Analyse im Recht Bestand haben kann, lohnt einen kurzen Blick auf die Grundlagen und den Ausgangspunkt der bisherigen Überlegungen: Die herausragende Bedeutung des Vertrauens in einer Transaktionsbeziehung sowohl aus ökonomischer als auch aus rechtsdogmatischer Sicht gründete darauf, dass am Ende der Vertragsanbahnung in unserer modernen Informationsgesellschaft eine Informiertheitsillusion stehen kann, die dem Akteur zwar den Eindruck vermittelt, umfassende Information gewonnen, verarbeitet und seine Entscheidung darauf aufgebaut zu haben, tatsächlich aber der Informationshorizont stark eingeschränkt, selektiv erworben und jedenfalls beeinflusst, wenn nicht gar manipuliert ist.362 Auf dieser etwaig entstandenen Informiertheitsillusion, im Ergebnis also einem Trugbild von dem Vertragsgegenstand baut die subjektive Ermittlung und Kommunikation der Zahlungsbereitschaft und damit letzthin die Einigungserklärung über die auf Kooperation angelegte Äquivalenzbeziehung auf. Ähnlich wie bei der an ökonomischen Vorherigkeiten ausgerichteten rechtsdogmatischen Herleitung der Anwendung des Nacherfüllungsanspruchs auch auf Stückschulden,363 die letzthin zu einer Entmaterialisierung des Kaufvertragsrechts geführt hat, weil dem Verhandlungsgegenstand bei verständiger Würdigung nurmehr die Funktion zugewiesen sein kann, Kommunikationsvehikel für die mit ihm verbundenen Nutzenerwartungen und die daraus folgende Auslotung der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft sein kann, führt auch eine auf einer vollständigen Informiertheitsillusion aufbauende Erklärung dazu, dass der Erklärende sich im Irrtum über den Inhalt seiner Erklärung befinden kann. Hiervon kann nämlich möglicherweise dann aus360 So z.B. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 791: „Der Irrtum über den Erklärungsinhalt oder die Erklärungsbedeutung hat nichts mit der Fehlerhaftigkeit der gekauften Sache zu tun und wird daher von den §§ 434 ff. BGB nicht geregelt.“. 361 Mit vergleichbarem Wortlaut Brox/Walker, SR-BT § 4 Rz. 139: „(…) hier taucht das Konkurrenzproblem nicht auf.“. 362 Oben Einl. § 1. 363 Oben 2. Kap. § 2 B) II.4.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
zugehen sein, wenn der Erklärende sich bei Abgabe der Erklärung in einem Irrtum über die Identität des Gegenstandes befindet, auf den sich seine Erklärung bezieht.364 Die Informiertheitsillusion in der Vertragsanbahnung vermag daher gegebenenfalls die Annahme eines error in objecto zu begründen, wenn und soweit man den Kommunikationsirrtum als Eigenschaftsirrtum365 zu klassifizieren bereit ist. Hieran bestehen jedoch trotz der hier vertretenen Entmaterialisierung des Kaufrechts durchgreifende rechtsdogmatische Bedenken, die aus der Abgrenzung des Inhaltsirrtums aus § 119 Abs. 1 BGB von einem Motivirrtum nach § 119 Abs. 2 BGB herrühren. Zwar ist die Rechtsfolge beider Anfechtungstatbestände dieselbe;366 jedoch ergeben sich Verwerfungen gerade in den hier näher zu bestimmenden Konkurrenzverhältnissen zum Kaufgewährleistungsrecht, weshalb die Differenzierung mit Augenmaß vorzunehmen ist. Das Problem der auf Basis einer Informiertheitsillusion geborenen vertraglichen Einigung liegt darin, dass der Käufer sich eine bestimmte Vorstellung von demjenigen Nutzen gebildet hat, den er mit dem Kaufgegenstand zu realisieren erwartet. Diese Erwartung wird durch den Gegenstand, so er besichtigt wurde, anderenfalls durch Erklärungen des Verkäufers und weitere Informationsquellen gebildet. Am Ende dieser subjektiven Kosten-Nutzen-Analyse des Käufers steht die Bereitschaft zum Konsens über das ausgehandelte oder – jedenfalls in Alltagsgeschäften – die durch Preisauszeichnung vom Verkäufer vorgegebene Äquivalenzverhältnis. In einem solchen Mechanismus aber stellt sich der Irrtum des Käufers über die dem Gegenstand tatsächlich anhaftenden Eigenschaften nicht als Irrtum über den Inhalt seiner Erklärung dar. Der Käufer hat sich über den Vertragsgegenstand eine Meinung gebildet, sei sie auch falsch, und hat in Vollzug dieses Meinungsbildungsprozesses eine auf den von ihm subjektiv identifizierten Gegenstand eine Erklärung abgegeben. Die Entscheidungsgrundlagen für diese Erklärung sind Motiv der Willensbildung und unterfallen insoweit dem Anwendungsbereich des § 119 Abs. 2 BGB.367 Die Argumentationsweise ist hier abermals dieselbe, wie sie die Begründung der Entmaterialisierung des Kaufvertragsrechts getragen hat: Die Einigung der Parteien bezieht sich auf die in der Äquivalenzvereinbarung zum Ausdruck kommenden Nutzenerwartungen, die sie durch die wechselseitigen Leistungen zu realisieren wünschen. Der Käufer irrt dann aber, bleibt die erhoffte Nutzensteigerung aus, nicht über die nutzenstiftenden Eigenschaften, die er dem Vertragsgegenstand vermittels seiner Äquivalenzerklärung zugewiesen hat; er irrt darüber, dass dieser Gegenstand die den Nutzen vermittelnden Eigenschaften auch tatsächlich aufweist. 364
Ausführlich Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 46 ff. So ausdrücklich Birk, JZ 2002, 446, 447 f. 366 Diese Klarstellung hält im Zusammenhang mit der Abgrenzung beider Tatbestände voneinander auch Heinrichs, in: Palandt (2002), § 119 Rz. 13, noch einmal für erforderlich, wobei er davon ausgeht, dass die Abgrenzung wegen dieser Identität der Rechtsfolgen in der Regel unerheblich sei. Dies ist in dieser Allgemeinheit jedenfalls nur für Fälle außerhalb des Kaufvertragsrechts richtig. 367 Im Ergebnis ebenso Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 48. 365
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Der Käufer war dann aber weder über den Inhalt seiner Erklärung noch über die Konkretisierung des Vertragsgegenstandes, auf den sie sich bezieht, im Irrtum, sondern lediglich im Irrtum darüber, dass seine Informationen über den Gegenstand die Erwartung tatsächlich rechtfertigen. In die juristische Terminologie übersetzt hieße dies, dass der Käufer nicht über die mit seiner Erklärung zum Vertragsbestandteil erhobene Soll-Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes im Irrtum ist, sondern über dessen Ist-Beschaffenheit. Das aber ist kein Irrtum über den Inhalt der Erklärung, sondern über die Eigenschaften des Vertragsgegenstandes.368 Im Grundsatz hat sich daher auch nach der Schuldrechtsreform tatsächlich an der weitgehend unstreitigen Parallelität der Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB und dem Kaufgewährleistungsrecht nichts geändert. II. Das Verhältnis des § 119 Abs. 2 BGB zum Katalog der kaufvertraglichen Gewährschaftsrechte des § 437 BGB II.1 Historie und Grundlagen des Konkurrenzverhältnisses Anders stellt sich dies jedoch im Verhältnis zu § 119 Abs. 2 BGB dar: Hier bezieht sich der Irrtum des Käufers auf Eigenschaften der Kaufsache, auf deren Beschaffenheit also. Die Folgen einer Abweichung der Ist- von der zunächst in die kooperativen Äquivalenzbeziehung eingeführten und damit über die Feststellung impliziter Vertragsbestandteile letztlich nach § 434 Abs. 1 BGB vertraglich vereinbarten oder vorausgesetzten Sollbeschaffenheit sind jedoch durch die Vorschriften der kaufrechtlichen Gewährleistung bereits institutionalisiert. Es drängt sich deshalb die Frage auf, ob und inwieweit der sich bei Kaufvertragsschluss in einem Motivirrtum befindliche Käufer über § 119 Abs. 2 BGB von den Folgen seiner Erklärung soll befreien können, oder ob nicht das Gewährleistungsrecht hier die spezielleren und in seinen Wirkungen besser auf die wechselseitigen Interessen der Parteien abgestimmten Regeln bereithält. Dies war bislang jedenfalls überwiegend so vertreten worden.369 Soweit der nach § 119 Abs. 2 BGB grundsätzlich beachtliche Motivirrtum sich tatsächlich auf vertraglich vereinbarte oder nach dem Vertrag vorausgesetzte Eigenschaften der Sache bezieht, der den Irrtum begründende Umstand also zugleich einen Sachmangel im 368 U.a. Birk, JZ 2002, 446 ff. [449], ist anderer Ansicht und hält auch solche Irrtümer für nach § 119 Abs. 1 BGB beachtlich. Dies ist jedoch insoweit problematisch, als diese Ansicht die Grenze zwischen § 119 Abs. 1 und Abs. 2 BGB verschwimmen lässt und insbesondere bei einer klaren Strukturierung der Konkurrenzverhältnisse zwischen Allgemeinem Teil des BGB und dem Schuldrecht wenig förderlich ist. Da ein Rechtssystem jedoch nur in sich konsistent weiter entwickelt werden sollte, spricht einiges dafür, wenn sich das Ergebnis der Willensbildung und die Willenserklärung decken, keinen Irrtum nach § 119 Abs. 1 BGB anzunehmen, nur weil auf dem Weg der Willensbildung Informationsdefizite zu Fehlern geführt haben. Diese zu kompensieren stehen andere Rechtsinstitute zur Verfügung. 369 Vgl. Huber, in: FS Hadding, S. 105: „In Deutschland gab es zum früheren Recht eine festgefügte herrschende Meinung, welche dem Käufer die Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums (§ 119 Abs. 2 BGB) versagte, wenn sich der Irrtum auf einen Sachmangel bezog.“.
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Sinne des § 434 BGB begründet, ist nämlich zum alten Schuldrecht die bereits vom Reichsgericht370 begründete Auffassung, das Gewährleistungsrecht genieße absoluten Vorrang und bewirke eine Sperrwirkung zulasten des § 119 Abs. 2 BGB vom BGH371, ohne tiefgehende Erörterung372 unter nahezu einhelligem Zuspruch aus der Rechtslehre373 fortgeführt worden. § 119 Abs. 2 BGB ist durch die Schuldrechtsreform unangetastet geblieben, obwohl in der Rechtslehre vereinzelt auch hier Reformbedarf gesehen worden war.374 Obwohl damit also das Schuldrecht und mit ihm die kaufrechtliche Gewährleistung unter Einschluss der klaren Entscheidung des Gesetzgebers für die Erfüllungstheorie in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB grundlegend neu gefasst wurde, scheint es wenig Grund zu geben, an der Fortgeltung des Vorrangverhältnisses des Kaufrechts vor der Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB zu zweifeln; hieran hat sich, so eine verbreite Meinung in der Literatur, richtigerweise und im Grundsatz nichts geändert.375 Man möchte meinen, im Gegenteil: Es sprechen nämlich zunächst gute Gründe dafür, dass die Neuordnung des Kaufvertragsrechts mit der damit einhergegangenen Stärkung des Erfüllungsanspruchs die für den Vorrang des Gewährleistungsrechts gegenüber der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums ins Feld geführten Argumente noch gefestigt hat. Wertungsmäßiger376 Ausgangspunkt für diese Überlegung zur Verfestigung der Ausschlusswirkung des § 119 Abs. 2 BGB durch das Gewährleistungsrecht ist das den gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfen des Käufers vorgeschaltete Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung.377 Der Käufer soll sich von dem Vertrag erst dann lösen können, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert, diese scheitert oder unmöglich ist. Würde dem Käufer neben den Gewährleistungsrechten aber das Recht eingeräumt, sich im Wege der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB 370
Vgl. grundlegend RGZ 61, 171, 175; RGZ 135, 339, 340; RGZ 138, 354, 356. So z.B. bereits BGHZ 16, 54, 57; BGHZ 34, 32, 34. 372 So Huber, in: FS Hadding, S. 105, 106. 373 Larenz, Schuldrecht, Bd. II, 1, § 41 II e; Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 82 ff.; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 792; Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 142; Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 13; aA jedoch Faust, in: Bamberger/Roth, § 437 Rz. 173; Löhnig, JA 2003, 516, 520 f.; zum alten Schuldrecht Wasmuth, Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums; P. Huber, Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung, 2001; zum neuen Schuldrecht differenzierend Schur, Eigenschaftsirrtum. 374 vgl. Canaris, JZ 2001, 499, 507 f.; ders., in: Schulze/Schulte-Nölke, Die Schuldrechtsreform vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 43, 62. 375 So ausdrücklich z.B. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 793: „Auch nach der Schuldrechtsreform sind die Erwägungen, die für eine Ausschlusswirkung des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts gesprochen haben, nicht hinfällig geworden.“; ebenso Brors, WM 2002, 1780, 1781. 376 Die Betonung liegt hier aus gutem Grund auf der Klarstellung, dass es sich zunächst um eine wertungsmäßige Betrachtung handelt, da in der Literatur, allen voran von Huber, in: FS Hadding, S. 105, 109 f. (mit Hinw. auf ders., Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung, S. 177 ff.) überzeugend dargelegt wird, dass die Frage nach den methodischen Instrumenten zur Begründung einer Ausschlusswirkung des kaufrechtlichen Sachmängelrechts gegenüber der Irrtumsanfechtung bisher in Literatur und Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt sei. 377 Dazu ausführlich soeben 2. Kap. § 2. 371
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von dem Vertrag zu lösen, würde dieses Recht des Verkäufers auf Nachlieferung, das angesichts der verlängerten kaufrechtlichen Gewährleistungsfristen nach § 438 BGB jedenfalls zwei Jahre währt, unterlaufen. Der mit der Nacherfüllung verfolgte gesetzgeberische Zweck, nämlich im Interesse beider Parteien den Bestand und die weitere Durchführung des Vertrages soweit und solange wie möglich zu gewährleisten, wäre nicht erreicht.378 Und dass dieses Ziel, nämlich ein weitgehendes Festhalten am Grundsatz pacta sunt servanda auch aus rechtsökonomischen Blickwinkel grundsätzlich richtig ist, ist ebenfalls bereits nachgewiesen:379 Wegen eines schon ökonomisch kaum darstellbaren, jedenfalls aber noch erheblich schwieriger justitiablen interpersonellen Nutzenvergleichs380 dient der Nacherfüllungsanspruch dazu, den berechtigten Versuch zu flankieren, kooperationsgerechte Zustände noch herzustellen381 und nicht vorschnell auf eine Vertragsbegrenzung durch Abwehrrechtsbehelfe auszuweichen.382 Auch ein zweites Argument, das der ökonomischen Auseinandersetzung mit der Kompensationswirkung bei Ersatz des positiven und des negativen Interesses entlehnt ist,383 lässt sich heranziehen, die Bedeutung des Nacherfüllungsanspruchs für das Spezialitätsverhältnis des Kaufrechts gegenüber der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB zu unterstreichen: Die ökonomische Bedeutung des auf den Ersatz des negativen Interesses gerichteten Anspruchs resultierte aus der Feststellung, dass der Geschädigte den Schaden infolge eines Ausbleibens der kooperationsgerechten Leistung dadurch erleidet, dass er seine Handlungsoptionen und Handlungspräferenzen an seiner in die Kooperationsvereinbarung transformierten Vertrauenserwartung ausgerichtet und in Erwartung des Kooperationserfolges bereits vor dem kooperationsschädlichen Verhalten ökonomischen Aufwand getätigt hat, der durch die zeitlich nachfolgende Veränderung der sozial-ökonomischen Umweltbedin378 Brox/Walker, SR-BT, § 4 Rz. 136; Brors, WM 2002, 1780, 1781; Schur, Eigenschaftsirrtum, S. 889, 901. 379 Zur Vorrangigkeit der Kooperation vor einem effizienten Vertragsbruch vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (4) und (5). 380 Vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4. 381 Dieses Argument taucht – in etwas pauschalierter Form und nähere Auseinandersetzung mit den ökonomischen Grundlagen – auch bei Huber, in: FS Hadding, S. 105, 112, unter dem Stichwort ,Verfügbarkeit der Vertragsaufhebung‘ als Maßstab für eine Gesetzeskonkurrenz auf: „Bedeutung und Reichweite des Kriteriums der Verfügbarkeit der Vertragsaufhebung erschließen sich aus einer Analyse der modernen internationen Regelwerke (…). Diese Regelwerke stimmen in dem Bemühen überein, die Vertragsaufhebung als Sanktion für Pflichtverletzungen zugunsten anderer Rechtsbehelfe (…) zurückzudrängen. Dies beruht auf zwei Überlegungen. Zum einen soll der Vertrag in Wahrung des Grundsatzes ,pacta sunt servanda‘ möglichst aufrechterhalten und doch noch durchgeführt werden. Zum anderen sollen aus ökonomischer Sicht unnötige Güterbewegungen möglichst vermieden werden.“. Bei vertiefter Auseinandersetzung zeigt sich demgegenüber nach der hier vorgenommenen Analyse und der hier vertretenen Auffassung, dass diese zwei angeführten Argumente bei einer interdisziplinären und ganzheitlichen Betrachtung tatsächlich ein und dasselbe darstellen, der Grundsatz pacta sunt servanda sich also unmittelbar aus den auch bei Huber erwähnten ökonomischen Überlegungen ableiten lässt. 382 Zu dieser Teleologie des Nacherfüllungsanspruchs ausführlich oben, 2. Kap. § 2 B) II.2. 383 Ausführlich oben § 2 C) II.2 a).
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gungen seine Zwecksetzung, jedenfalls aber seine subjektive Nützlichkeit ganz oder zum Teil einbüßt.384 Der Unterschied zwischen Schadenspositionen des negativen und des positiven Interesses war deshalb im Zeitlauf zu suchen, wobei sich die Schadenspositionen des negativen Interesses vor dem gedachten Erfüllungszeitpunkt, die des positiven Interesses danach verwirklichen. Überträgt man diesen Mechanismus einer zeitlich gestreckten Schadensentstehung in seiner Funktion auf das Verhältnis von Nacherfüllung und Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums, so unterbräche die Anfechtungserklärung zu einem Zeitpunkt, zu dem die zweite Andienung rechtlich und tatsächlich noch möglich ist, die Kausalkette der Kooperationsvereinbarung und hätte das Potential, den im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit den Schadenspositionen des negativen Interesses erörterten Effekt der Eigenkompensation, der im Wege der Nacherfüllung noch uneingeschränkt eintreten und damit den mit dem Vertrag verfolgten originären Nutzen realisieren kann, zu unterminieren. Da jedoch diese Eigenkompensation ausschließlich subjektiv zu bewerten und durch Geldkompensation niemals vollständig und vor allem nicht maßgenau auszugleichen ist, besteht nicht nur ein Interesse des Verkäufers, sondern vor allem auch ein Interesse des Käufers daran, der Nacherfüllung den Vorrang vor der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums einzuräumen. Im Interesse des Erhalts dieses Kompensationseffekts durch den Versuch der Herstellung kooperationsgerechter Zustände wird das überkommene Konkurrenzverhältnis zwischen der kaufrechtlichen Gewährleistung und der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB daher tatsächlich noch gestärkt. In juristischer Terminologie könnte man diesen hier ökonomisch hergeleiteten Effekt als ,kausale Überholung der Pflichtverletzung‘ bezeichnen:385 Der Anfechtungstatbestand setzt voraus, dass der Käufer sich über eine wesentliche Eigenschaft der Kaufsache geirrt hat. Diese Abweichung der Ist- von der vorausgesetzten Soll-Beschaffenheit stellt in aller Regel zugleich einen Sachmangel dar. Warum aber soll sich der Käufer über die Anfechtung von dem Vertrag lösen können, wenn ein seiner Vorstellung entsprechender Zustand der Sache über die Nacherfüllung noch herzustellen ist. Der Irrtum, der sich zugleich auf eine Pflichtverletzung des Käufers nach § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB bezieht, kann nämlich durch die – mögliche und ordnungsmäßige – Nacherfüllung noch kausal überholt werden, was den Untergang eines etwaig bestehenden Anfechtungsrechts zwingend zur Folge hätte. Der Käufer muss sich im Ergebnis aber jedenfalls an dem Festhalten lassen, was er sich bei Vertragsschluss vorgestellt 384
So umfassend oben § 2 C) II.2 a) mit Abb. 7. Auch Schur, AcP 204 (2004), S. 883, 891, 893, legt diese veränderte Wirkweise des Rechts der kaufrechtlichen Gewährleistung seinen Überlegungen zugrunde: „Die Neuregelung des Kaufrechts geht demgegenüber für den Normalfall von einem gestreckten Tatbestand aus. (…) Die Verpflichtung des Verkäufers betrifft nicht mehr länger nur das Sein des Gegenstandes, sondern sie schließt ein Werden ein in Form der Herstellung der Mangelfreiheit der Sache.“. Die Verpflichtung des Verkäufers kann sich daher im Gegensatz zu längst überkommenen Vorstellungen auch auf eine noch zu bewirkende Veränderung der Kaufsache beziehen, worauf Schur zu Recht hinweist. 385
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hat; hieran haben die Parteien ihr kooperatives Äquivalenzverhältnis ausgerichtet, an dem sie grundsätzlich auch festhalten lassen müssen, solange kooperationsgerechte Zustände im Rahmen der implizit vereinbarten Zumutbarkeitsschwelle, die sich unbeschadet besonderer Absprachen der Parteien in §§ 439, 440 BGB widerspiegelt, noch herzustellen sind.386 Ist dieser Zustand über die Nacherfüllung noch herzustellen, wird der Anfechtungsanspruch seines Tatbestandes entkleidet.387 Der – noch mögliche und offene – Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB hat in einer Art dogmatischer Wechselwirkung daher zur Folge, dass für die Dauer der gewährleistungsrechtlichen Verjährung und damit der möglichen Ausübung der Rechte aus § 439 BGB der Anfechtungsanspruch nach § 119 Abs. 2 BGB nur als betagter Anspruch zu qualifizieren ist, dessen Tatbestand noch nicht rechtsbeständig verwirklicht ist und daher auch nicht ausgeübt werden kann.388 Darüber hinaus ist jedenfalls als flankierendes Element die Tatsache heranzuziehen, dass die Irrtumsanfechtung verschuldensunabhängig möglich ist, während § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB Gewährleistungsrechte ausschließt, wenn der – nicht arglistig getäuschte – Käufer den Mangel aus grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat; auch dies spricht zunächst für einen grundsätzlichen Vorrang des Gewährleistungsrechts vor der Irrtumsanfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB.389 Der Käufer soll sein eigenes Verschulden nicht durch eigene (Anfechtungs-)Erklärung aus der Rechtsfolgenbetrachtung ausklammern können390. Sowohl aus rechtsökonomischer als auch aus rechtsdogmatischer Sicht ist das – dogmatisch noch genauer einzuordnende – Vorrangverhältnis des Gewährleistungsrechts vor dem Recht der Anfechtung wegen Motivirrtums daher grundsätzlich geeignet, die kooperative Äquivalenzvereinbarung der Parteien bestmöglich zur Geltung zu bringen. In Symbiose der aus beiden Disziplinen nach der hier ver386 Für eine Vertragsreue nämlich darf weder die Interpretation der gewährleistungsrechtlichen Institutionen herhalten noch dürfen hierfür ökonomische Argumente unter dem Mantel vermeintlicher Effizienz missbraucht werden. Ein vorschnelles Lösen vom Vertrag, sei er auch unter die ökonomische Figur des effizienten Vertragsbruch zu subsumieren, ist im Rahmen einer Ökonomik im Recht nicht zu rechtfertigen, wie oben, 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc), ausführlich entwickelt und dargestellt wurde. 387 Schur, Eigenschaftsirrtum, S. 889, 902, baut auf einer ganz ähnlichen Argumentation auf und zieht insoweit eine Parallele zum Reuerecht, welches das Anfechtungsrecht seit jeher tatbestandlich einschränkt. 388 Hieraus folgt, dass das Verhältnis von Anfechtung und Gewährleistung angesichts einer solchen Überlagerung als vorrangigem Argument für die – untechnisch gesprochen – Spezialität des Kaufrechts sich zunächst nicht als Gesetzes-, sondern als Anspruchskonkurrenz darstellt, bei welcher jedoch die Normen des Gewährleistungsrechts tatbestandlich auf § 119 Abs. 2 BGB einwirken; zu den methodischen Grundlagen der Differenzierung zwischen Gesetzes- und – ggf. aufeinander einwirkender – Anspruchskonkurrenz vgl. ausführlich Huber, Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung, S. 177 ff. 389 Dieses Argument lässt Huber, in: FS Hadding, S. 105, 116, nicht zu, da er § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB mit guten Gründen lediglich für eine Modalität der Vertragsaufhebung hält, die den vollständigen Ausschluss der Irrtumsanfechtung im Wege der Gesetzeskonkurrenz nicht rechtfertigen könne. 390 Brors, WM 2002, 1780, 1781.
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tretenen Auffassung eines interdisziplinär auszufüllenden Auslegungsmaßstabs391 zusammenzuführenden Argumente ist dieses Vorrangverhältnis im Ausgangspunkt damit zunächst einmal Teil eines abgestuften und zutreffend an vorherigen ökonomischen Realitäten ausgerichteten Rechtsfolgenkonzepts, das die wechselseitigen Parteiinteressen angemessen zum Ausgleich bringt.392 Hierüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass ein vor der Schuldrechtsreform häufig bemühtes Argument für einen vermeintlich zwingenden Vorrang der Gewährleistung vor der Anfechtung wegen Motivirrtums seit der Schuldrechtsmodernisierung nicht mehr zwingend für eine solcherart umfassende Sperrwirkung spricht:393 die Divergenz in der Verjährung beider Ansprüche. Wegen der Verlängerung der kaufrechtlichen Verjährungsfristen auf mindestens zwei Jahre nämlich kann diese mit guten Gründen nicht mehr als kaufrechtliches Spezifikum angesehen werden, das auf schnelle Klärung etwaiger Mängel der Sache ausgelegt ist;394 vielmehr legt eine mindestens zweijährige Verjährungsfrist nahe, dass hiermit der allgemeine Ausgleich der Käufer- und der Verkäuferinteressen sowie das Interesse des Rechtsverkehrs daran, dass zu irgendeinem vorgegebenen Zeitpunkt Rechtsfrieden einkehren muss, erreicht werden soll. Dann aber handelt es sich bei der kaufrechtlichen und der Regelverjährung in der Sache schlicht um ein und dasselbe Rechtsinstitut mit unterschiedlichen Fristen, die gleichbedeutend nebeneinander stehen. Ein Vorrang- oder Spezialitätsverhältnis, wie es früher als schlagendes Argument für den Ausschluss von § 119 Abs. 2 BGB im Anwendungsbereich der Mängelgewährleistung angeführt wurde, lässt sich aus dem unterschiedlichen Verjährungslauf heute allerdings kaum noch ableiten.395 Zwar wird das überkommene Vorrangargument divergierender Verjährung zwischen zwei Jahren im Kaufrecht und bis zu zehn Jahren absoluter Regelverjährung bei §§ 119, 121 BGB auch seit der Schuldrechtsmodernisierung nach wie vor – unterstützend – bemüht;396 dieses Ar391 Zu dessen Begründung und Rechtfertigung auf Grundlage einer integrativen Ökonomik im Recht und des hier entwickelten vertrauensökonomischen Informationsmodells ausführlich oben 1. Kap. § 3 C). 392 Die Kritik von Wasmuth, Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums, S. 1083 ff., zum alten Recht, der in dem abgestuften System bereicherungsrechtlicher Rückabwicklung eine gerechtere Lasten- und Risikoverteilung insbesondere unter Berücksichtigung auch der verkäuferseitigen Interessen („Privilegierung des Käufers“) sah, dürfte unter Einbeziehung des Rechts zur zweiten Andienung und der hier angestellten ökonomischen Erwägungen zum längstmöglichen Vorrang des Grundsatzes pacta sunt servanda weitgehend überholt sein, jedenfalls aber nicht mehr überzeugen. 393 A.A. z.B. Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 82: „Für die Präklusion der Anfechtung spricht insbesondere, dass sich der Käufer auch nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 438 BGB, die mit der Übergabe oder Ablieferung beginnt, durch Anfechtung vom Vertrag lösen kann (…)“. 394 Weniger bestimmt als Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 82, aber wohl auch a.A. Köster, Jura 2005, 145 f.: „(…) und die Unterschiede in der Verjährungsdauer, deren Bedeutung trotz der Verlängerung der kaufrechtlichen Verjährung auf zwei Jahre (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) im Verhältnis zur zehnjährigen Frist des § 121 Abs. 2 BGB nicht zu verleugnen ist.“; ähnlich Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 793: „Er [Anm.: Der Unterschied im Verjährungslauf] ist aber immer noch so erheblich, dass auch künftig die Gefahr besteht, das Gewährleistungsrecht könnte durch die Irrtumsanfechtung unterlaufen werden.“. 395 So i.E. auch Huber, in: FS Hadding, S. 105, 116; Schur, Eigenschaftsirrtum, S. 889, 899 f. 396 Brors, WM 2002, 1780, 1781; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 793; Brox/Walker, SR-BT Rz. 136.
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gument dürfte heute jedoch, wie die begründeten Zweifel hieran belegen, mehr ein rechtstatsächliches denn ein rechtsdogmatisches sein. Damit ist ihm seine grundsätzliche Bedeutung aber genommen. Trotz der zuletzt in Bezug auf die Verjährung angestellten Bedenken, aber angesichts des fortgeltenden wertungsmäßigen Vorrangs der kaufrechtlichen Gewährleistung vor einer Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums und angesichts der auch vom Gesetzgeber397 zugrunde gelegten Fortgeltung dieser überkommenen Auffassung, ist nunmehr der Versuch zu unternehmen, diesen Vorrang zu methodisieren und zu systematisieren, die Wertungsargumente also auf Grundlage des hier vertretenen interdisziplinären Ansatzes398 zu dogmatisieren.399 II.2 Inhaltliche Reichweite und Schranken des Gewährleistungsvorrangs a) Gewährleistungsvorrang, wenn sich der Irrtum auf einen Rechtsmangel bezieht Der Vorrang des Gewährleistungsrechts gilt unabhängig davon, ob der Irrtum über eine Eigenschaft der Kaufsache zugleich einen Sach- oder „nur“ einen Rechtsmangel begründet. Dies allerdings stellt eine Neuerung gegenüber dem alten Schuldrecht dar. Vor der Schuldrechtsmodernisierung waren der BGH400 und mit ihm die Rechtslehre401 überwiegend davon ausgegangen, dass die Irrtumsanfechtung bei Vorliegen eines Rechtsmangels nicht ausgeschlossen sei, da die Rechtsmängelgewährleistung weder einen Ausschluss wegen grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels noch eine kurze Verjährung gekannt habe, sie deshalb durch die parallele Geltung des Anfechtungsrechts nicht hatte unterlaufen werden können. Mit der Gleichschaltung der Sach- und Rechtsmängelgewährleistung hat sich diese Differenzierung – unabhängig von dem möglicherweise heute nicht mehr schlagenden Verjährungsargument – überholt. Es sprechen nunmehr dieselben Gründe für einen Vorrang der Gewährleistung gegenüber der Anfechtung bei Sach397 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 210: „(…) Dieses Konkurrenzverhältnis ändert sich durch die vorgeschlagene Neuregelung nicht.“. 398 Dabei wird insbesondere das Verhältnis der verstärkten Vertragsbindung durch die Einführung des durch den vorrangigen Nacherfüllungsanspruch abgestuften Gewährschaftssystems in Beziehung zu den Aspekten der durch den Eintritt einer Gewährschaftssituation schon grundsätzlich gefährdeten Vertrauensbindung zu beleuchten sein, worauf auch Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, allerdings beschränkt auf den Fall der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer, hinweisen; diese Wechselbezüglichkeiten von Vertrauen, Äquivalenzbeziehung, Präferenzverschiebung und Nutzenrealisierung durch ein Festhalten an der vorrangigen Vertragserfüllung lassen sich jedoch, wie hier bereits verschiedentlich zum Ausdruck gekommen ist, auch auf die Strukturierung jeder anderen Verstrickungslage außerhalb der arglistigen Täuschung übertragen. 399 Damit soll der Kritik Huber’s, in: FS Hadding, S. 105, 109 f., an einer solchen Methodisierung fehle es bisher, ebenso wie seinem Vorschlag zu einer solchen Systematisierung gleichermaßen Rechnung getragen werden. 400 Vgl. z.B. BGHZ 65, 246, 252. 401 Heinrichs, in: Palandt, § 119 Rz. 28; Huber, in: Soergel, § 434 Rz. 88; Honsell, in: Staudinger, § 434 Rz. 33 (jeweils in letzter Auflage vor 2002).
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mängeln auch für einen solchen Vorrang bei Identität des Irrtums mit einem Rechtsmangel.402 Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen.403 Die nachfolgende Diskussion erfasst daher, wie das Gewährleistungsrecht selbst, die Fälle der Sachund der Rechtsmängelhaftung unterschiedslos.404 b) Gewährleistungsvorrang, wenn sich der Irrtum nicht auf einen Mangel der Kaufsache bezieht Ob das nach dem bisher Gesagten fortbestehende Konkurrenzverhältnis der kaufrechtlichen Gewährleistung zu der Anfechtung wegen Motivirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB nach wie vor auch dann gilt, wenn sich der Irrtum nicht auf einen Umstand bezieht, der zugleich einen Sach- oder einen Rechtsmangel begründet, ist auch auf Grundlage der bis hierher zur Begründung der Fortgeltung vorgetragenen Argumente fraglich. Der BGH405 hatte bereits sehr früh einen Fall zu entscheiden, in dem die abweichende Vorstellung des Käufers über das Baujahr eines gekauften Kfz zwar keinen Sachmangel im Sinne des § 459 BGB a.F. begründete, der BGH den Irrtum aber im Rahmen des § 119 Abs. 2 BGB für beachtlich hielt. § 119 Abs. 2 BGB hatte seinerseits nach Auffassung des BGH mangels Anwendbarkeit der kaufrechtlichen Gewährleistung nicht verdrängt werden können, sodass der BGH die Anfechtung wegen eines ausnahmsweise beachtlichen Motivirrtums, der sich nicht auf eine Eigenschaft der Kaufsache bezog, zuließ. An der Richtigkeit dieser Entscheidung bestand damals wie heute Zweifel;406 ein Anwendungsbereich für § 119 Abs. 2 BGB neben dem Gewährleistungsrecht kann aber jedenfalls nach der Neufassung des kaufrechtlichen Fehlerbegriffs in solchen Fällen richtigerweise nicht mehr angenommen werden: § 119 Abs. 2 BGB setzt tatbestandlich voraus, dass sich die erklärende Partei über verkehrswesentliche Eigenschaften des Vertragsgegenstandes irrt. Die Verkehrswesentlichkeit im Sinne der Norm ist aber nach richtiger Auffassung nicht anhand objektiver Verkehrsanschauung ohne Bezug auf den jeweiligen Fall zu beurteilen, sondern vielmehr im Sinne einer „Geschäftswesentlichkeit“407 zu verstehen, nämlich 402 Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 13 a.E.; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 795; Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 437 Rz. 55; Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 82; Brors, WM 2002, 1780, 1781. 403 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 210. 404 Eine Differenzierung zwischen beidem wird sich jedoch gegebenenfalls noch in Anlehnung an Derleder/Sommer, JZ 2007, S. 338 f., im Zusammenhang mit der Frage um die Zumutbarkeit der im Rahmen der Nacherfüllung notwendigen weiteren Kooperation nach einer arglistigen Täuschung durch den Verkäufer ergeben. Dazu unten 2. Kap. § 3 C). 405 BGH, NJW 1979, 160; dazu Flume, DB 1979, 1637; die Ansicht des BGH in diesem ,BaujahrFall‘ zeichnete die herrschende Meinung in der Rechtsprechung wider, vgl. z.B. noch BGHZ 78, 216, 218 f. und später z.B. auch OLG Stuttgart, NJW 1989, 2547. 406 Vgl. nur Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 82: „Dem ist weder nach altem noch nach neuem Recht zu folgen.“. 407 Der Begriff der „Geschäftswesentlichkeit“ ist geprägt worden von Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, sowie ders., BGB-AT II § 24; im Anschluss daran auch Medicus, Allgemeiner Teil, Rz. 767; ders., Bürgerliches Recht, Rz. 138 ff., entgegen der wohl noch herrschenden Meinung, vgl. z.B. Hein-
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danach zu bestimmen, welche Vorstellung die Parteien im konkreten Fall in Bezug auf die konkrete Kaufsache hatten. Die Verkehrswesentlichkeit ist daher richtigerweise danach zu bestimmen, welche Eigenschaften für das konkrete Geschäft verkehrs- und damit, um den Unterschied auch terminologisch zu verdeutlichen, geschäftswesentlich sein können.408 Nur mit einer solchen auf das konkrete Geschäft und die Vorstellung der Parteien von diesem Geschäft bezogenen Auffassung wird man auch dem Charakter der Vertragsbeziehung als kooperativer Vertrauensbeziehung wechselseitig sich vertiefender Eigen- und Fremdbindungen gerecht. Wie gesehen, ist der Vertrag das Ergebnis eines vorvertraglichen Entwicklungsprozesses,409 der auf Grundlage eines – zunächst und objektiv beinahe blinden – abstrakten Vertrauens in Gang gesetzt wird410 und sich von dort aus durch Konkretisierung der Verhandlungs- und der Informationsbeziehung zu einer konkreten Vertrauensrelation weiterentwickelt, vertieft und verfestigt.411 Dieses sich zunehmend konkretisierende Vertrauensgeflecht ist dann wiederum Grundlage der auf das konkrete Geschäft bezogenen wechselseitigen Zahlungsbereitschaft und damit der vertraglich-kooperativen Äquivalenzbeziehung.412 Das Vertrauen ersetzt hierbei die Evaluation konkreter Information 408 richs, in: Palandt, § 119 Rz. 20, wonach die Verkehrswesentlichkeit zwar auf das konkrete Geschäft zu beziehen, aber objektiv anhand der Verkehrsanschauung zu bestimmen ist, die Kausalität also verobjektiviert wird, da es in der Sache um einen Irrtums- und nicht eine Leistungsstörung gehe. Vgl. zur Kritik an der Auffassung Flume’s auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 300 ff.; ebenso Bork, BGB-AT, Rz. 864. 408 Ein aktuelles Beispiel hierfür bietet die von der Bundesregierung im Rahmen der Konjunkturpakete 2008/09 beschlossene Abwrackprämie, die zu einer nennenswerten Steigerung der Nachfrage von Kleinwagen geführt hat: Zur Ankurbelung der Nachfrage und Stärkung der Automobilindustrie – gepaart mit umweltpolitischen Zielsetzungen – zahlt die Bundesregierung bei dem Kauf eines neuen Fahrzeugs (oder eines Jahreswagens) einen Zuschuss in Höhe von 2500 EUR, wenn zugleich ein Altwagen, der mindestens 9 Jahre alt sein muss, verschrottet wird. Viele Autohersteller hat dies zu Sonder- und Lockangeboten veranlasst. Sie werben mit geringen Kaufpreisen für Neuwagen, jeweils verbunden mit dem Hinweis „inklusive Abwrackprämie“. Damit wird unter Berücksichtigung des informationsökonomischen Interpretationsmodells, wie hier entwickelt, auch das Baujahr des zu verschrottenden Alt-Pkw zu einer geschäftswesentlichen Eigenschaft des Neuwagenkaufs, wo erhebliche Zweifel bestünden, das Baujahr eines anderen Fahrzeug als objektiv verkehrswesentlich für den Kauf eines anderen, nämlich eines Neuwagens zu halten. Das eigentliche Problem besteht dann in dem Gleichlauf zwischen der Geschäftswesentlichkeit eines Umstandes und der Einbeziehung dieses Umstandes über die kooperative Äquivalenzbeziehung als impliziten Vertragsbestandteil und damit – in konsequenter Fortführung der hier vertretenen Auffassung – in der Begründung eines Rechtsmangels des Kaufvertrages über den Neuwagen. 409 Bereits oben Einl. § 3 B) VI. 410 Ohne einen ersten Schritt in die Verhandlungs- oder Vertragsbeziehung auf Grundlage eines rational nicht valide begründbaren abstrakten Vertrauens wäre die Entstehung von vertraglichen Kooperationsbeziehungen im immer komplexer werdenden Vertragsalltag kaum möglich, was ausführlich unter oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) nachvollzogen ist. 411 Vgl. dazu oben Abb. 4 unter 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb). 412 Die Parteien sind – bei modellhafter Betrachtung – bemüht, in ihrer Verhandlungsbeziehung das sozial-ökonomische Optimum auszuloten, also eine Äquivalenzsituation zu schaffen, in der keine der Parteien ihre Situation verbessern kann, ohne die des Gegenübers zu verschlechtern und so ein ausgewogenes vertragliches Austauschverhältnis schaffen, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) cc) und dd).
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über den Vertragspartner einerseits und den Vertragsgegenstand andererseits und hat deshalb informationssubstituierende Wirkung.413 Hierbei ist entscheidend, dass aufseiten beider Vertragspartner die eigene Äquivalenzbereitschaft Opportunitätskosten ,einpreist‘, also der erwartete Nutzen aus dem erfolgreichen Geschäft der Äquivalenzbereitschaft maßgeblich zugrunde gelegt wird und so der Erhalt von Quasi-Renten aus Sicht der jeweiligen Partei gesichert ist.414 Das in dem Vertragsabschluss gipfelnde Vertrauen ist daher (auch) davon getragen, dass die Parteien regelmäßig für alle für das Geschäft wesentlichen Umstände implizit eine vertragliche Risikozuweisung getroffen haben und dass damit aus einer solchen kooperativen Übereinkunft regelmäßig zugleich folgt, dass außerhalb dieser impliziten Vertragsbestandteile stehende Umstände und aus ihnen resultierende Präferenzverschiebungen gerade keinen Einfluss auf den Vertrag und die ökonomisch sinnvolle Bindung an den Grundsatz pacta sunt servanda haben sollen.415 Denn wären solche Umstände beachtlich, würde in das kooperative Äquivalenzverhältnis eingegriffen, ohne dass hierfür ein geeignetes Kompensationsinstrument zur Verfügung stünde. Gerade nämlich die mit der Äquivalenzvereinbarung beiderseits in den Vertrag einbezogenen Erwartungen, die vorgestellten Quasi-Renten zu realisieren, lässt sich nicht durch den als Rechtsfolge einer Anfechtung greifenden Schadensersatzanspruch aus § 122 BGB in seiner Auslegung, die er in Rechtsprechung und herrschender Lehre erfährt, kompensieren.416 413
Zur Herleitung dieser Wirkweise des Vertrauens oben 1. Kap. § 2 A) II.1 b). Bei Quasi-Renten handelte es sich um die Differenz des aus dem konkreten Geschäft zu ziehenden Nutzens zu dem aus der zweitbesten Verwendungsalternative realisierbaren Nutzen. Die Sicherung dieser Quasi-Renten war eine wesentliche Funktion des hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretatinsmodells, wie aus der Herleitung oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) bb) und cc) (5) folgt. 415 Dieses Ergebnis folgt aus der hier vertretenen Zurückdrängung der Figur des effizienten Vertragsbruchs auf Grundlage des informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells, da auf Grundlage der impliziten Risikoallokationen für alle abstrakt im Vorfeld des Vertragsschlusses erkenn- und aufklärbaren Umstände eine von konkretem Transaktionsvertrauen getragene Kooperationsvereinbarung hätte getroffen werden können, jedoch solche Umstände, hinsichtlicher derer die Suche nach der richtigen Frage kostenaufwendiger wäre, als die ungefragte Offenbarung, im Umkehrschluss implizit der Risikosphäre des Schweigenden zugewiesen sind (vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 cc) (5)). Die Überwälzung ungefragter Risiken, wie es hier durch die Erhebung nicht ausgesprochener Motive in den Rang geschäftswesentlicher Umstände bei Zulassung einer Anfechtung geschähe, begründet deshalb in der Regel eine Risikoallokation zum schweigenden Vertragspartner. Diese Risikoallokation drückt sich hier richtigerweise dadurch aus, dass der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 434 BGB die Beachtlichkeit versagt bleibt (so ausdrücklich bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.5 a.E.). 416 Es entspricht nämlich ständiger Rechtsprechung und wohl herrschender Ansicht in der Literatur, dass der Ersatzanspruch aus § 122 BGB lediglich auf den Ersatz des Vertrauensschadens, also den Ersatz des negativen und nicht auf den Ersatz des Erfüllungsinteresses gerichtet ist, vgl. Singer, in: Staudinger, § 122 Rz. 14; Heinrichs, in: Palandt, § 122 Rz. 4; BGH, NJW 1984, 1950; a.A. Harke, JR 2003, 1, 5, der den Vertrauensschaden abstrakt berechnen und dieser Berechnung die Annahme zugrunde legen will, dass dem Gläubiger durch sein Vertrauen auf das infolge Anfechtung nicht durchgeführte Geschäft ein Gewinn entgangen sei, der dem positiven Interesse an der Durchführung des nicht zustande gekommenen Geschäfts entspreche. Wollte man die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 414
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Daraus folgt, dass in Anwendung des informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells nur solche Präferenzverschiebungen Einfluss auf das kooperative Äquivalenzverhältnis haben dürfen, hinsichtlich derer Information durch transaktionsspezifisches Vertrauen substituiert wurde. Dann aber ist dem Vertragsverhältnis durch vertrauens- und informationsökonomische Vertragsinterpretation auch eine implizite Risikozuweisung zu entnehmen, die sich entweder als Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB oder aber als bloßes Motiv einordnen lässt, das auch im Anwendungsbereich des § 119 Abs. 2 BGB unbeachtlich ist. Denn wenn die Parteien ihrer Vorstellung trotz entsprechender Möglichkeit durch gesetzliche Institutionalisierung des subjektiven Fehlerbegriffs in den Vertragsverhandlungen keinen Raum gegeben haben, tritt eine solche auch nicht konkludent eingebrachte oder implizit vereinbarte Vorstellung, mag sie die Vertragsverhandlungen auch mitgetragen haben, in den Rang eines nicht äquivalenzbeeinflussenden und damit unbeachtlichen Motivs zurück und besteht kein Bedürfnis, diese nicht kommunizierte Vorstellung über die Eröffnung einer Anfechtungsmöglichkeit in den Rang einer geschäftswesentlichen im Sinne einer übergeordneten objektiv verkehrswesentlichen Eigenschaft417 zu 417 BGB für Umstände außerhalb der subjektiven Beschaffenheitsvereinbarung zulassen, so wäre dieser Ansicht Harke’s auf Grundlage des hier (vgl. oben 1. Kap. C) II.2 c)) bereits extrapolierten ökonomischen Verständnisses der auf das negative Interesse gerichteten Ersatzansprüche zwingend zu folgen: In der ökonomischen Modellwelt vollständig transparenter und kompetetiver Märkte gleichen sich positives und negatives Interesse und ist eine Differenzierung zwischen beiden Schadenspositionen nicht veranlasst. Da es solche Märkte vollständiger Konkurrenz aber nicht gibt, sind Wahlhandlungen der Marktteilnehmer stets mit Handlungs- und Prognoseunsicherheiten verbunden, woraus folgt, dass Märkten mit ,Konkurrenzdefiziten‘ auch Informationsdefizite und damit Informationsasymmetrien immanent sind. Aus diesem Grunde bleibt häufig der Ersatz des Vertrauensschadens hinter den tatsächlichen Opportunitätskosten zurück, weshalb das positive Interesse regelmäßig das negative übersteigt. Als symbiotisches Ergebnis dieser Beschreibung ökonomischer Realitäten im Recht war rechtsdogmatisch abzuleiten, dass immer dann, wenn und soweit sich in Märkten mit vollständiger Konkurrenz positives und negatives Interesse gleichen, Markttransparenz- und Konkurrenzprobleme, die sich in Informationsasymmetrien, Desinformation und Verstrickung manifestieren, dadurch kompensiert werden müssen, dass das negative Interesse tatsächlich dort positiviert wird, wo ein anderenfalls zu beobachtendes Auseinanderlaufen allein in Informationsasymmetrien und intransparenten Märkten begründet wäre (so das Ergebnis der ausführlichen Ableitung oben 1. Kap. C) II.2 c)). Genau dies wäre jedoch der Fall, ließe man die Anfechtung aus § 119 Abs. 2 BGB außerhalb des § 434 Abs. 1 BGB zu. Eine Informationsasymmetrie zwischen den Parteien, die als Anfechtungsgrund genügte, bewirkte das Scheitern des Geschäfts; einen Gleichlauf zwischen negativen und positivem Interesse herzustellen, lässt der Markt außerhalb der ökonomischen Modellwelten nicht zu. Der Grund für die geringere Kompensation nach § 122 BGB gegenüber einem vollständigen Nutzenausgleich nach einer Verstrickungsabwehr wäre also allein in der fehlenden Markttransparenz und vollständigen Marktkonkurrenz zu suchen, was den institutionellen Anspruch auslöst, diese vollständige Konkurrenz durch eine Positivierung des negativen Interesses zu modellieren, wie es z.B. mit der Rentabilitätstheorie rechtspraktisch geworden ist. Dieselben Erwägungen greifen hier wie dort. Solange aber Rechtsprechung und herrschende Lehre diesen Schritt, der von Harke – freilich mit anderer Begründung – vorgedacht ist, nicht mitgehen, muss es deshalb bei dem Ausschluss des § 119 Abs. 2 BGB auch außerhalb des Anwendungsbereichs des § 434 Abs. 1 BGB verbleiben. 417 Der BGH ist dieser Rückbeziehung der ,Verkehrswesentlichkeit‘ auf eine ,Geschäftswesentlichkeit‘ bislang allerdings nicht gefolgt, vgl. BGH, NJW 1979, 160; BGHZ 78, 216; dagegen auch Bork,
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erheben.418 Dieser Auffassung liegt im Ergebnis ein reziprokes Verständnis des informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells zugrunde: Umstände, die nicht, auch nicht über die Extrapolation impliziter Vertragsbestandteile zum Gegenstand einer vertraglichen Risikozuordnung gemacht wurden, bleiben auf das vertraglich-kooperative Äquivalenzverhältnis grundsätzlich, nämlich solange sie nicht den möglichen Informations- und Erkenntnishorizont der Parteien übersteigen, ohne Einfluss419 und führen insbesondere nicht zu einer risikoreallozierenden Informationshaftung.420 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass ein geschäftswesentlicher Motivirrtum, der nicht zugleich auch einen Fehler der Kaufsache im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB begründet nach der Institutionalisierung des subjektiven Fehlerbegriffs tatbestandlich nicht mehr denkbar und deshalb für eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB außerhalb des Gewährleistungsrechts gesetzessystematisch kein Raum ist.421 418 BGB-AT, Rz. 864, lehnt gerade diese Deckung von Eigenschaftsirrtum und subjektiver Beschaffenheitsvereinbarung des Gewährleistungsrechts mit dem zunächst überzeugenden Hinweis ab, dass ein solches Leerlaufen des § 119 Abs. 2 BGB gerade nicht dem Konzept des Gesetzes entspreche. Dieses Argument ließe sich allerdings auf das gesamte Konkurrenzverhältnis der Anfechtung zum Gewährleistungsrecht übertragen. Dadurch dass der Gesetzgeber sich mit der Schuldrechtsreform dem subjektiven Fehlerbegriff verschrieben hat, hat er zugleich in die Konzeption der Spezialität des Gewährleistungsrechts vor dem Anfechtungsrecht eingegriffen. Auch das weitere Argument von Bork, gewöhnlich vorhandene Eigenschaften seien typischerweise nicht konkludent miterklärt, sondern würden schlicht vorausgesetzt, seien also keine accidentalia, sondern naturalia negotii, verfängt vor dem Hintergrund der hier angebotenen Auslegung am ökonomischen Maßstab impliziter Erklärungen nicht, da gerade auch die naturalia negotii Bestandteil der in die äquivalente Kooperationsabsprache hineinwirkenden impliziten Vereinbarungen sind. Mag der Auffassung von Bork daher bei streng rechtsdogmatischer Betrachtung zuzusprechen sein, so hält sie einer auch rechtsökonomischen Überprüfung m.E. jedoch nicht stand. 418 Im Ergebnis ebenso Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 802; nach Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 140, trägt auch allein diese Auffassung der Parteiautonomie hinreichend Rechnung, womit Medicus letztlich auf dasselbe Fundament abstellt, das hier über die interpretatorische Examinierung impliziter Vertragsbestandteile auf Grundlage einer informationssubstituierenden kooperativen Vertrauensbeziehung entwickelt und begründet wurde. 419 Zum möglichen Umfang unvollständiger Verträge vor dem Hintergrund des hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells und zur Hermeneutik der Kooperationsbeziehung ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.5. 420 Die hier vollzogene Argumentation, die das Konkurrenzverhältnis letzthin auch auf Grundlage einer vertraglich-kooperativen Allokation von Informationsrisiken aufbaut, ist nicht zu verwechseln mit der von Kramer, in: MünchKomm-BGB, § 119 Rz. 97 ff., vorgeschlagenen verhaltensbezogenen Interpretation des § 119 Abs. 2 BGB, der u.a. Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 149 ff., zu Recht entgegentritt: Die Frage der Zuordnung von Risikosphären dient der Definition der äquivalenz- und damit geschäftswesentlichen Umstände, die ihrerseits aber über § 434 Abs. 1 BGB zum – jedenfalls impliziten – Vertragsgegenstand hätten gemacht werden müssen. Wo es hieran fehlt, fehlt es an einem transaktionsspezifischen Vertrauen und damit auch an einer notwendigen Grundlage für die Zuweisung des Informations- und Vertragsrisikos, auf das Kramer abstellt. 421 A.A. aber wohl Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 14, die die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB in einem solchen Fall ohne weitere Auseinandersetzung zulässt, da anderenfalls der Käufer im Unterschied zu allen anderen Vertragspartnern bei einem entsprechenden Irrtum keinen Rechtsbehelf hätte. Die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB werde jedoch, wenn eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht festzustellen ist, regelmäßig an dem Fehlen einer verkehrswesentlichen Eigenschaft scheitern. Die Frage, inwieweit sich beide Begriffe notwendigerweise decken, behandelt Grunewald nicht.
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c) Gewährleistungsvorrang, wenn ein Nacherfüllungsanspruch außerhalb eines vertraglichen Gewährleistungsausschlusses nicht besteht aa) Vorbemerkung Wie gesehen,422 wird das überkommen schon zum alten Schuldrecht entwickelte Konkurrenzverhältnis zwischen der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB und der kaufrechltichen Gewährleistung im Wesentlichen durch die mit der Schuldrechtsmodernisierung eingetretenen Neuerungen, allen voran durch den Vorrang der Nacherfüllung gestärkt,423 der – ökonomisch sinnvoll – dem Grundsatz pacta sunt servanda im Kaufrecht besondere Geltung verschafft und das Ziel verfolgt, den Bestand des Vertrages auch über einen zunächst gescheiterten Erfüllungsversuch hinaus zu erhalten und damit das Kaufrecht in ein Spezialitätsverhältnis zur Anfechtung rückt. Mit der Schaffung dieses Nacherfüllungsanspruchs hat der Gesetzgeber einem Bedürfnis des Rechtsverkehrs und damit einer real-wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung getragen und diese in einer Evolution des Rechts nachgezeichnet.424 Darüber hinaus begründet sich der Vorrang des Kaufrechts aus dem Ausschluss der Gewährleistung für den – nicht getäuschten – Käufer (§ 442 BGB), der den Mangel aus grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat und sich wegen dieser Obliegenheitsverletzung nicht auf dem Anfechtungswege von dem als nachteilig empfundenen Vertrag soll befreien dürfen.425 Angesichts dieser Argumentation drängt sich allerdings die Frage auf, ob es bei dem Vorrangverhältnis auch dann verbleiben soll und darf, wenn dem Käufer ein Nacherfüllungsanspruch aus anderen Gründen als wegen eines gesetzlichen oder vertraglichen Gewährleistungsausschlusses z.B. aus § 442 BGB nicht zusteht. Die Frage stellt sich namentlich in den Fällen der Unmöglichkeit der Nacherfüllung, die eine Befreiung des Verkäufers von der Nacherfüllungspflicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB zur Folge hat, sowie in den Fällen der berechtigten Erfüllungsverweigerung beider Arten der Nacherfüllung nach §§ 439 Abs. 3, 440 BGB, die eine Wahl der übrigen gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfe ohne vorherige Fristsetzung eröffnet. Hierneben stehen die Fälle, in denen zwar ein Nacherfüllungsanspruch zunächst (noch) besteht, dies allerdings ohne Vorrang vor den übrigen Rechtsbehelfen des § 437 BGB, nämlich wenn die Nacherfüllung fehlgeschlagen oder dem Käufer unzumutbar ist, wenn also der Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs in Anbetracht der vertraglichen Begleitumstände nach der typisierten Betrachtung des Gesetzgebers als nicht sachgerecht empfunden wird und die Weiterverfolgung des Anspruchs anstelle der Geltendmachung der übrigen zur Wahl stehenden ge422
Soeben 2. Kap. § 3 B) II.1. So ausdrücklich auch Schur, AcP 204 (2004), S. 883, 901. 424 Ausführlich dazu oben 2. Kap. § 2 B) I. 425 Vgl. statt vieler noch einmal Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 82, der allerdings entgegen der hier vertretenen Ansicht auch auf den unterschiedlichen Verjährungslauf als Vorrangkriterium abstellt; ähnlich Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 793; Brox/Walker, SR-BT, Rz. 136. 423
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währleistungsrechtlichen Rechtsbehelfe im – beinahe freien426 – Ermessen des Käufers steht. In all diesen Fällen besteht ein vorrangiger Nacherfüllungsanspruch nicht. Das wesentliche Argument, das neben § 442 BGB nach der Schuldrechtsmodernisierung noch für die Spezialität des Kaufrechts gegenüber der Anfechtung spricht, vermag daher nicht zu greifen. Dies könnte den Schluss nahelegen, dass der Katalog der Käuferrechte aus § 437 BGB in solchem Fall um § 119 Abs. 2 BGB zu ergänzen ist, um dem verstrickten Käufer die größtmögliche Flexibilität in den Rechtsfolgen427 tatsächlich zu eröffnen. Letztlich ist diese Frage verwandt mit der zum alten Schuldrecht vertretenen Auffassung, dass § 119 Abs. 2 BGB durch die Rechtsmängelgewährleistung nicht ausgeschlossen werde.428 Auch hier fehlte es nämlich, da die Rechtsmängelgewährleistung weder einen Ausschluss bei grob fahrlässiger Unkenntnis des Käufers von dem Mangel noch eine kurze Verjährung kannte, an der Gefahr, dass vorrangige Wertungen des Kaufrechts unterlaufen würden und somit an einem beachtlichen Konkurrenzverhältnis, das Grundlage der Spezialität des Kaufrechts hätte sein können. Die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB stand dem Käufer eines Rechts daher uneingeschränkt als Rechtsfolgenalternative zur Verfügung.429 Ob diese seinerzeit zu dem Konkurrenzverhältnis zwischen der Rechtsmängelgewährleistung und der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB für maßgeblich gehaltenen Argumente, ein Unterlaufen der vorrangigen kaufrechtlichen Wertungen drohe nicht, auf Sachverhalte unter Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes übertragbar sind, in welchen der Verkäufer, sei es wegen der berechtigten Verweigerung beider Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 BGB, sei es wegen Unmöglichkeit der Nacherfüllung im Sinne des § 275 BGB oder ihres Scheiterns nach § 440 BGB, nicht mit Nacherfüllungsansprüchen belastet ist, hängt davon ab, ob einerseits der grundsätzlichen Anordnung der Nacherfüllung eine gesetzgeberische Wertung zu entnehmen ist, die ein Vorrangverhältnis auch außerhalb des dem gesetzgeberischen Leitbild entsprechenden Normalfalls gebie-
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Das Ermessen des Käufers in solchen Fällen an der Nacherfüllung festzuhalten, dem Verkäufer also eine weitere Erfüllungschance einzuräumen, oder aber auf die übrigen Institutionen der kaufrechtlichen Gewährleistung zurückzugreifen ist im Ausgangspunkt frei, solange der Käufer nicht einen hinreichend konkretisierten Vertrauenstatbestand hinsichtlich eines weiteren Festhaltens an der Erfüllungswahl gesetzt hat; vgl. dazu 2. Kap. § 2 B) III.2 b). 427 Mit diesem Anspruch insbesondere Derleder, NJW 2003, 998 f.; ders., in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411 f. 428 Vgl. z.B. BGH, NJW-RR 1992, 91, 92; BGH, NJW 2000, 803, 804; BGH, NJW 2001, 2875. 429 Dass ein Rechtsmangel heute in Abweichung von dieser früher vertretenen Auffassung wegen des Gleichlaufs der Gewährleistungsrechte von dem grundsätzlichen Vorrang der Gewährleistung vor der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB gleichermaßen erfasst wird, ist auch unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6040, S. 210) weitgehend und auch zu Recht Konsens, vgl. Brors, WM 2002, 1780, 1781; Köster, Jura 2005, 145, f.; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 795; Heinrichs, in: Palandt, § 119 Rz. 28; Singer, in: Staudinger, § 119 Rz. 82.
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tet,430 und ob andererseits dem Kaufrecht unabhängig vom Bestehen eines Nacherfüllungsanspruchs eine Privilegierung der einen oder der anderen Partei zu entnehmen ist, die eine Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB ausschließt, rechtfertigt oder sogar gebietet. bb) Zum Stand der Diskussion vor der Schuldrechtsreform Eine solche Privilegierung war vor der Schuldrechtsreform argumentativ von Wasmuth431 ins Feld geführt worden, der eine Besserstellung des Käufers durch das Sachmängelgewährleistungsrecht erkannte, jedoch die Privilegierung des Verkäufers durch den Ausschluss der Anfechtung gemäß § 119 Abs. 2 BGB nach Ablauf der kurzen kaufrechtlichen Verjährung von damals sechs Monaten (§ 477 BGB a.F.) für nicht zu rechtfertigen hielt. Der Käufer werde durch die kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln deshalb besser gestellt, weil insbesondere die Wandlung ihn so stelle, als hätte er den Vertrag nicht geschlossen, ihn die Wandlung also zulasten des Verkäufers vollständig schadlos halte. Diese Privilegierung kehre sich jedoch mit Ablauf der kaufrechtlichen Gewährleistungsfrist um: Soweit nämlich die Anfechtung auch nach Ablauf der Verjährungsfristen das § 477 BGB a.F. ausgeschlossen bleibe, dürfe der Verkäufer, der den Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt habe, dennoch den unberechtigt erzielten Gewinn behalten.432 Die einzig durch das Bereicherungsrecht als Konsequenz einer zugelassenen Anfechtung herzustellende Rechtsfolge in Gestalt der diesem typischen Abschöpfungsfunktion, die den deutlich ausgewogeneren Interessenausgleich zwischen den Parteien ermögliche, werde durch das herrschend vertretene Vor-
430 So insbesondere Huber, in: FS Hadding, S. 105, 115 ff., 117 f., der auf die Grundstruktur des Sachmängelrechts abstellt, wobei das modernisierte deutsche Schuldrecht über das Instrument der Nachfristsetzung den Rücktritt zugunsten anderer Rechtsbehelfe zurückdränge, woran auch die punktuellen Ausnahmen nichts änderten. Da es aber für die dogmatisch richtige Aufarbeitung des Konkurrenzverhältnisses der Sachmängelgewährleistung zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB auf die grundsätzliche Frage ankomme, in welcher Weise das Kaufgewährleistungsrecht den Zugang zur Vertragsaufhebung bereit halte, sei davon auszugehen, dass mit dem Rücktritt in ähnlicher Grundsätzlichkeit auch das korrelierende Anfechtungsrecht zurückgedrängt sei. 431 Wasmuth, in: FS Piper, S. 1083, 1087 ff. 432 Wasmuth, in: FS Piper, S. 1083, 1092 ff., hält aber gerade diesen durch das Vorrangverhältnis bewirkten Schutz des Verkäufers nicht für mit dem Schutzzweck des § 477 BGB a.F., der den Verkäufer nur vor gewährleistungsrechtlichen Inanspruchnahmen aus §§ 459 BGB ff. a.F. schützen solle vereinbar. Auch die ,vielbeschworene‘ Befriedigungsfunktion, die der kurzen Verjährung zugesprochen werde, bestehe tatsächlich nicht, wie allein die vielen Entscheidungen des BGH zur Verjährungsfragen zeigten. Im Übrigen – und in soweit sind die Ausführungen von Wasmuth zur fehlenden Befriedungsfunktion des § 477 BGB a.F. zu ergänzen – hat der BGH selbst diese Befriedigungsfunktion unterminiert, indem er mit der Anwendbarkeit der pVV für Mangelfolgeschäden Instrumente zur Unterminierung der Verjährung geschaffen und so das Potential für Begehrlichkeiten geweckt hat, den jeweils individuellen Fall unter die pVV anstelle des § 459 BGB a.F. zu subsumieren. Die Funktion der ,Wiederherstellung des Rechtsfriedens im Bereich des Kaufrechts‘ (vgl. z.B. BGHZ 60, 9, 11; 66, 315, 317; 77, 215, 219; 87, 88, 93; 88, 130, 136 ff.; 100, 88, 92; 114, 34, 38) konnte § 477 BGB a.F. daher schon unter Geltung des alten Schuldrechts nicht (mehr) erfüllen.
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rangverhältnis ohne hinreichenden Grund ausgeschlossen.433 Der Verkäufer trage im Rahmen einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung insbesondere nicht das Risiko, den Kaufpreis erstatten zu müssen, obwohl er die Sache nicht zurückerhalte. Der Käufer könne deshalb mit der Anfechtung nur erreichen, dass dem Verkäufer der aus dem Geschäft realisierte Gewinn nicht verbleibe. Diese Privilegierung des Verkäufers aber durch einen Vorrang des Gewährleistungsrechts vor dem Anfechtungsrecht in Stein zu meißeln, lasse sich dogmatisch aus keiner der dem Normenkomplex des Gewährleistungsrechts zuzuordnenden Vorschriften ableiten.434 Das in die Nähe einer ökonomischen Betrachtung rückende Wertungsargument Wasmuth’s, die Abschöpfungsfunktion des Bereicherungsrechts als Rechtsfolge der Anfechtung diene lediglich dazu, dem Verkäufer unberechtigte Vermögensvorteile nicht zu belassen, folge letztlich also dem Ziel, eine verursachungsgerechte Ressourcenallokation (wieder) herzustellen, scheint zunächst schlüssig und überzeugend. Allein die von Wasmuth unterstellte Rechtsfolge lässt sich über das Bereicherungsrecht tatsächlich aber wohl nicht herstellen: sie setzte nämlich die uneingeschränkte Anwendung der bereicherungsrechtlichen Saldotheorie zur Herstellung des von Wasmuth in den Vordergrund gestellten Interessenausgleichs voraus. Dies scheitert jedoch daran, dass sich die Wertungen des Kaufrechts, wie andere übergeordnete Wertungsargumente auch, in der Saldotheorie fortsetzen, diese also ihrerseits überlagert werden kann. Die Privilegierung des Käufers, wie sie in der kaufrechtlichen Gewährleistung zum Ausdruck kommt und die Wasmuth gerade auch daran festmacht, dass der Käufer selbst dann noch wandeln könne, wenn die Sache bei ihm untergegangen sei, setzt sich auch im Bereicherungsrecht fort. Nach überzeugender und richtiger Auffassung war und ist die bereicherungsrechtliche Saldotheorie nämlich gerade dann nicht anwendbar, wenn der Untergang der Sache beim Käufer auf den zur Anfechtung berechtigenden Mangel zurückgeht.435. In diesem Fall nämlich soll zu Recht die in dem kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht zum Ausdruck kommende vertragliche Zuweisung von Risikosphären, auf die sich die Parteien jedenfalls implizit durch den Vertragsschluss verständigt haben,436 die Anwendung der Saldotheorie unterminieren. Damit hätte der Verkäufer aber sehr wohl das vollständige Mangelrisiko auch nach Ablauf der kurzen kaufrechtlichen Gewährleistung noch getragen, da über den Ausschluss der Saldotheorie im Bereicherungsrecht dieselbe Privilegierung des Käufers hergestellt wird, wie Wasmuth sie für das Kaufrecht feststellt.
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Wasmuth, in: FS Piper, S. 1083, 1095 f. Wasmuth, in: FS Piper, S. 1083, 1092 ff., mit einer dogmatisch fundierten Differenzierung der verschiedenen Normen, aus denen ein solcher Vorrang abzuleiten sein könnte. 435 Vgl. BGHZ 78, 216, 223; Sprau, in: Palandt, § 818 Rz. 49. 436 Zur Beachtlichkeit einer solchen vertraglichen und damit privatautonomen Risikozuordnung auch im Rahmen der Vertragsanpassung und -abwicklung vgl. Rothoeft, Risikoverteilung, S. 230, 239 f. 434
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Ein restlos überzeugendes Argument konnte Wasmuth als prominentester Vertreter, der für eine parallele Geltung von Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB und kaufrechtlicher Gewährleistung eintrat, für das alte Recht daher nicht liefern. cc) Das Vorrangverhältnis außerhalb eines Nacherfüllungsanspruchs nach der Schuldrechtsreform An der Privilegierung des Käufers durch das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht, begrenzt durch Ausschluss- und abweichende Verjährungsregeln, hat sich indes durch die Schuldrechtsmodernisierung einiges geändert. Der Nacherfüllungsanspruch ist nicht nur ein solcher des Käufers, sondern beinhaltet zugleich und gerade auch im wohlverstandenen Interesse des Verkäufers ein Recht zur zweiten Andienung.437 Geht diese zweite Andienung fehl, oder verweigert der Verkäufer die Ausübung dieses Rechts – und verletzt er damit zugleich den korrespondierenden Anspruch des Käufers438 – stehen dem Käufer als Folge des Vertragsbruchs die allgemeinen Rechtsbehelfe des Schuldrechts zur Seite. Hieraus folgt aber: Neben dem Nacherfüllungsanspruch begründet das Kaufrecht keine besonderen Tatbestände zu Gunsten des Käufers und keine gegenüber anderen Typenverträgen abweichenden Rechtsfolgen und Privilegien mehr, sieht man einmal von der kaufvertraglich eigenständig geregelten, aber auch in anderen Vertragstypen bekannten Minderung ab. Vielmehr verweist das Kaufrecht den Käufer über die Brücke des § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht. Dem Käufer stehen die selben Rechte zu, wie dem enttäuschten Vertragspartner in allen übrigen typischen und atypischen Verträgen auch, sobald die Nacherfüllung ausgeschlossen oder gescheitert ist. Die Nacherfüllung selbst schützt damit zwar den Bestand des Vertrages und stärkt den Grundsatz pacta sunt servanda, gibt ihn aber den Institutionen des allgemeinen Schuldrechts ohne jede kaufvertragsspezifische Privilegierung Preis, ist das Recht zur zweiten Andienung – nicht aber notwendigerweise auch der Nacherfüllungsanspruch des Käufers – einmal ausgeschlossen.439 Während zwar der Nacherfüllungsanspruch auch einem ökonomischen Bedürfnis des Käufers entspringt, die ursprünglich beabsichtigte und für die nützlichste gehaltene Ressourcenallokation durch vorstellungs- und äquivalenzgerechte Erfüllung des Vertrages noch zu erreichen,440 verwirklicht das Recht zur zweiten Andie437
Vgl. dazu ausführlich oben 2. Kap. § 2 A) und B) I. Es handelt sich dabei um den ursprünglichen Erfüllungsanspruch des Käufers, der sich in dem Nacherfüllungsanspruch fortsetzt. Scheitert also die Nacherfüllung, bewirkt dies ein Scheitern des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs selbst, vgl. oben 2. Kap. § 2 A). 439 So z.B. auch deutlich Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 758: „Die Folgen für die Verpflichtung des Verkäufers und die Rechte und Ansprüche des Käufers ergeben sich deshalb aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht, das durch die §§ 439 bis 441 lediglich in einzelnen Beziehungen im Hinblick auf die Besonderheiten des Kaufrechts modifiziert wird.“. 440 Darauf, dass die Abstandnahme vom Vertrag, gepaart mit Kompensationsansprüchen aus Sicht des Käufers häufig allenfalls die zweitbeste Alternative darstellt, ist bereits bei der Auseinandersetzung mit dem Nacherfüllungsanspruch umfassend hingewiesen und zurückgegriffen worden, vgl. oben 2. Kap. § 2 B). 438
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nung und geht seine Evolution441 doch im Wesentlichen auf die Interessen des Verkäufers zurück, nicht vorschnell Sekundärrechtsbehelfen ausgesetzt zu sein, sondern vielmehr den Kaufpreis durch ordnungsmäßige und kooperationsgerechte zweite Andienung trotz des erstmaligen Scheiterns der Erfüllung noch verdienen zu können442 und gleichzeitig das Entstehen von Schadensersatzansprüchen zu vermeiden. Es lässt sich daher mit guten Gründen vertreten, dass das Kaufrecht in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes eine Privilegierung zunächst nur noch des Verkäufers enthält.443 Da aber die Ergänzung der kaufrechtlichen Gewährleistung um den Nacherfüllungsanspruch als letztes wesentliches Argument für das angenommene Vorrangverhältnis der Gewährleistung vor der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB verblieben ist,444 ist Folge dieses Privilegs des Verkäufers damit zugleich dessen Schutz vor Ansprüchen des Käufers aus § 119 Abs. 2 BGB. Der Verkäufer selbst „erkauft“ sich daher seinen Schutz vor einer Anfechtung durch den Käufer wegen Eigenschaftsirrtums mit seiner, des Verkäufers, Bereitschaft und dem Vorhalten der Möglichkeit zur Nacherfüllung, zu der er – vorbehaltlich seines doppelten Verweigerungsrechts aus § 439 BGB – und korrespondierend auch verpflichtet ist.445 Schutz und Pflicht lassen sich insoweit zueinander in das Verhältnis einer gesetzlichen Äquivalenz stellen.
441 Auch zur Rechtsevolution, welche der Institutionalisierung des Nacherfüllungsanspruchs in den §§ 437 Nr. 1, 439 BGB zugrunde liegt und den ökonomischen Implikationen ausführlich oben 2. Kap. § 2 B) I. 442 Mit umgekehrter Formulierung in der Sache aber derselben Aussage Westermann, JZ 2001, 530, 537: „Insgesamt ist es aber richtig, dass der Käufer – und nicht nur der Verbraucher – gegenüber dem gegenwärtigen Rechtszustand durch die Streichung des Rechts auf sofortige Wandlung oder Minderung schlechter gestellt wird (…)“. 443 In der Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz kommt an verschiedenen Stellen zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber mit dem Nacherfüllungsrecht wenn auch nicht eine alleinige Privilegierung, so doch jedenfalls den Schutz des Verkäufers bezweckt hat: So heißt es bereits im einleitenden Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 94: „Macht der Käufer wegen des Fehlers der gelieferten Kaufsache einen Schadensersatzanspruch geltend oder will er deshalb vom Vertrage zurückreten, so kann der Verkäufer diese Rechte dadurch abwenden, dass er seinerseits nacherfüllt.“. In der Erläuterung zu § 433 Abs. 1 Satz 2, BT-Drs. 14/6040, S. 210, heißt es: „So gesehen tritt hinsichtlich einer Schadensersatzpflicht keine grundlegende Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage ein. (…), weil Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, § 439 i.V.m. § 281 RE grundsätzlich nur dann verlangt werden kann, wenn der Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung ungenutzt hat verstreichen lassen.“. Schließlich kommt die Intention, den Verkäufer durch einen Schutz vor der frühzeitigen Geltendmachung von Sekundärrechtsbehelfen zu privilegieren, in der Begründung zu § 437 Nr. 1, BT-Drs. 14/6040, S. 220, zum Ausdruck: „Im geltenden Recht stehen Wandelung (Rückgängigmachen des Kaufs) und Minderung (Herabsetzung des Kaufpreises) als Käuferrechte im Vordergrund (bisheriger § 462). Der Verkäufer kann diese Rechte durch eine zweite Andienung nicht verhindern. (…) Diese Rechtslage entspricht jedenfalls heute in vielen Fällen nicht mehr dem Rechtsempfinden der Kaufvertragsparteien.“. 444 Vgl. insoweit noch einmal Schur, AcP 204 (2004), S. 883, 901 f. 445 Anderer Ansicht wohl Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rz. 318, die von einem grundsätzlichen Gewährleistungsvorrang bei mangelbezogenen Irrtümern ausgehen.
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Diese wertungsorientierte Betrachtung gewinnt vor dem Hintergrund einer auch dogmatischen Beleuchtung des Vorrangverhältnisses an besonderem Gewicht: Die der kaufrechtlichen Gewährleistung in dem Verhältnis zur Anfechtung wegen Motivirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB eingeräumte Vorrangstellung fußt auf der Annahme, dass der Normenkomplex des Gewährleistungsrechts zur Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB im Verhältnis der Gesetzes- und nicht der Anspruchskonkurrenz steht. Von einer solchen Gesetzeskonkurrenz kann dabei jedoch nur dann ausgegangen werden, wenn sich ein Normenkomplex generell und umfassend als eine abschließende Regelung darstellt;446 allein hieran bestehen im Verhältnis der kaufrechtlichen Gewährleistung zum Anfechtungsanspruch aus § 119 Abs. 2 BGB jedoch begründete Zweifel. Voraussetzung für die Annahme einer solch umfassend abschließenden Regelung, wie sie der kaufrechtlichen Gewährleistung gegenüber der Anfechtung aus § 119 Abs. 2 BGB zugesprochen wird, wäre nämlich, dass die Institutionen im zu überlagernden Normenkomplex in ihrem Rechtsfolgenbereich durch die kaufrechtliche Gewährleistung nicht nur modifiziert, sondern von dieser abschließend und eigenständig geregelt werden. Es müsste also festzustellen sein, dass diejenigen Institutionen, die wie die Anfechtung in ihren Rechtsfolgen auf die Abstandnahme vom Vertrag gerichtet sind, von den gewährleistungsrechtlichen Institutionen nicht nur gestaltend überlagert werden,447 sondern dass vielmehr das Gewährleistungsrecht mit seinen Institutionen die Frage der Vertragsaufhebung umfassend und abschließend regelt und deshalb vollständig an deren Stelle tritt.448 Hieran bestehen schon deshalb Zweifel, weil das kaufvertragliche Gewährleistungsrecht durch Statuierung der Pflicht zur mangelfreien Lieferung in § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB und den Verweis in das allgemeine Leistungsstörungsrecht sich lediglich noch den Institutionen des allgemeinen Schuldrechts bedient, die gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfe aber nicht mehr eigenständig regelt. Vielmehr beschränkt sich das Kaufrecht darauf, die Zugangsvorraussetzungen zu diesen allgemeinen Rechtsbehelfen zu modifizieren und an die kaufvertraglichen Besonderheiten anzupassen: Bereits die Gesetzesbegründung449 bringt diese Funktions- und Wirkweise 446 Dazu ausführlich Huber, Irrtumsanfechtung und Sachmängelhaftung, S. 177 ff.; zunächst überzeugend auch in Bezug auf das Konkurrenzverhältnis zwischen Kaufgewährleistung und Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB ders., in: FS Hadding, S. 105, 110 ff. 447 Auch Huber, in: FS Hadding, S. 105, 111, hält die Verfügbarkeit der Vertragsaufhebung für das entscheidende wertungsmäßige Argument zur Auflösung der Frage, ob zwischen Gewährleistung und Anfechtung Gesetzes- oder Anspruchskonkurrenz besteht. 448 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 267 f.: „Soweit nämlich die Rechtsfolgen der konkurrierenden Rechtssätze miteinander verträglich sind, kommt es darauf an, ob die Rechtsfolgen der spezielleren Norm für deren Anwendungsbereich die der allgemeineren Norm nach der Regelungsabsicht des Gesetzes nur ergänzen, sie modifizieren, oder aber an ihre Stelle treten sollen. Das ist eine Frage der (teleologischen und systematischen) Auslegung. Nur dann, wenn die Rechtsfolgen sich ausschließen, führt das logische Verhältnis der Spezialität notwendig zur Verdrängung der allgemeineren Norm, da im umgekehrten Fall die spezielle Norm überhaupt kein Anwendungsgebiet hätte.“. 449 Vgl. dazu ausdrücklich die Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BT/Drs. 14/6040, S. 86, 94: „Die Gewährleistungsansprüche werden vom geltenden Recht nur insoweit
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des Gewährleistungsrechts deutlich zum Ausdruck. Das Recht zur zweiten Andienung ist die Hürde, die der Käufer nehmen muss, um sich den Anwendungsbereich – auch der auf Vertragsaufhebung gerichteten – Institutionen des allgemeinen Schuldrechts zu eröffnen. Eine eigenständige Regelung der Vertragsaufhebung, die zu einer vollständigen Ersetzung der allgemeineren Norm, nämlich der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB führen kann, ist dem Gesetz daher prima facie nicht zu entnehmen.450 Die Lösung der Konkurrenzfrage außerhalb des Bestehens eines Nacherfüllungsanspruchs ist daher aus einer teleologischen und systematischen Auslegung zu extrapolieren,451 die sich nicht zuletzt auch an den eingangs herausgestellten Wertungsargumenten und deren Einfluss auf dem Weg zu einer konsistenten Ordnung rechtlicher Institutionen zu orientieren hat.452 Wertungsmäßiger Ausgangspunkt war die Annahme einer ,gesetzlichen Äquivalenz‘ zwischen dem Schutz des Verkäufers vor Sekundärrechtsbehelfen mit der Annexwirkung eines Schutzes auch vor Anfechtungsansprüchen aus § 119 Abs. 2 BGB einerseits, mit dem jedoch andererseits die Möglichkeit, die Bereitschaft und nicht zuletzt auch die Verpflichtung des Verkäufers zur zweiten Andienung aus § 433 mit450 dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht verzahnt, als es um die Haftung des Verkäufers und Werkunternehmers für Rechtsmängel geht (vgl. §§ 440 Abs. 1, 651 Abs. 1 BGB). Soweit es hingegen um Sachmängel geht, hat das Bürgerliche Gesetzbuch an eine aus dem römischen Recht stammende Tradition angeknüpft und in §§ 459 ff., 633 ff. BGB eine eigenständige Regelung getroffen, die – besonders im Kaufrecht – unverbunden neben dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht steht. (…) Die vorgesehene Neuregelung des Kaufvertragsrechts zielt vor allem darauf ab, die vom geltenden Recht vorgesehene eigenständige Regelung des Gewährleistungsrechts zu beseitigen und die Ansprüche des Käufers in das allgemeine Leistungsstörungsrecht einzufügen. (…) Macht der Käufer wegen des Fehlers der gelieferten Kaufsache einen Schadensersatzanspruch geltend oder will er deshalb vom Vertrage zurücktreten, so kann der Verkäufer diese Rechte dadurch abwenden, dass er seinerseits nacherfüllt.“. 450 Insoweit m.E. wenig konsequent Huber, in: FS Hadding, S. 105, 117 f., der einerseits in dem Recht zur zweiten Andienung eine generelle Beschränkung der Verfügbarkeit der Vertragsaufhebung sieht, andererseits aber punktuelle Ausnahmen von dieser Beschränkung in Fällen, in denen ein solcher Nacherfüllungsanspruch nicht besteht, ohne nähere Begründung als für die Grundtendenz unerheblich abtut. Hierzu passt nicht recht, dass Huber selbst im Anschluss noch herausstellt, dass das Gewährleistungsrecht die Verfügbarkeit der Vertragsaufhebung weniger konsequent beschränke, als es internationale Regelwerke (UN-Kaufrecht, European Principles, Unidroit Principles) täten, was daran liege, dass die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung für die Vertragsaufhebung nicht Voraussetzung sei, sondern lediglich vom Nachfristsetzungserfordernis befreie. Da das Nachfristerfordernis seinerseits jedoch einzige Beschränkung der Verfügbarkeit der Vertragsaufhebung ist, kommt genau in dieser Besonderheit des deutschen Rechts zum Ausdruck, dass die Vertragsaufhebung als Regelfolge grundsätzlich zur Verfügung steht und nicht als Rechtsfolge ultima ratio einzuordnen ist, und dass das Gewährleistungsrecht die auf Vertragsaufhebung gerichteten Tatbestände und Rechtsfolgen daher nicht uneingeschränkt überlagert, sondern deren Tatbestand, nämlich die Anwendungsvoraussetzungen modifiziert. 451 Vgl. dazu noch einmal Larenz, Methodenlehre, S. 267 f. 452 Die konsistente Ordnung rechtlicher Institutionen mit auch ökonomisch wohlbedachten Rechtsfolgen ist nämlich nicht zuletzt Voraussetzung auch für die Akzeptanz rechtlicher Institutionen und damit auch deren selbstexekutiver Wirkung im täglichen Wirtschaftsleben, vgl. von Hayek, Recht, Gesetz und Freiheit, S. 103; dazu bereits ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (4).
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Abs. 1 Satz 2 BGB korrespondieren. Im Katalog der während des Nacherfüllungszeitraums betagten Sekundärrechtsbehelfe stehen Minderung, Rücktritt und Schadensersatz im selben Rang nebeneinander.453 Die Rückabwicklung des Vertrages nach – aus welchen Gründen auch immer – unterbliebener Nacherfüllung stellt also keine ultima ratio dar, sondern ist Regelrechtsfolge einer vertraglichen Leistungsstörung. Auf dieselbe Rechtsfolge ist auch die Anfechtung gerichtet, weshalb die gesetzgeberische Äquivalenzvorstellung die Sekundärrechtsbehelfe des in Verweisung genommenen Allgemeinen Schuldrechts ebenso erfasst, wie diejenigen des ohne besondere Verweisung ohnehin geltenden Allgemeinen Teils. Solche gesetzlichen Äquivalenzvorstellungen als Leitbild des typisierten gesetzgeberischen Lösungsvorschlages454 sind wesentliche Grundlage des institutionellen Elements individualisierten Vertrauens. Der institutionelle Schutz von Vertrauensaufwendungen ist wesentliche Determinante der Vertrauensentscheidung selbst und damit nicht zuletzt eine der Voraussetzungen für die Entstehung vertraglich-kooperativer Äquivalenzbeziehungen.455 Wird diese gesetzgeberisch intendierte Äquivalenz der Institutionen gestört, folgt hieraus mutatis mutandis auch eine Störung des vertragskooperativen Äquivalenzverhältnisses. Die Kompensation dieser damit gleichsam institutionellen wie individuellen Äquivalenzstörung hat durch eine interpretative Fortschreibung des gesetzlichen Zielerreichungshypothese zu erfolgen,456 durch die der gesetzgeberische Lösungsvorschlag in einem dynamischen Prozess den vorgefundenen Gegebenheiten angepasst wird und so aus einem statischen Normengerüst eine dynamisch-flexible Institution entstehen lässt.457 Diese Fortschreibung des gesetzgeberischen Lösungsvorschlages zur Wiederherstellung der institutionellen und damit auch die individuellen Äquivalenz mündet in dem Wegfall der durch den grundsätzlich vorrangigen, aber in einigen ebenfalls institutionalisierten Ausnahmefällen458 tatsächlich nicht vorgeschalteten Nacherfüllungsanspruch vermittelten Sperrwirkung. 453 Diese Gleichordnung der verschiedenen gewährleistungsrechtlichen Institutionen ist auch vor dem ökonomischen Hintergrund nicht verlässlich messbarer und vor allem nicht justitiabler Präferenzen und Präferenzverschiebungen während der Vertragsanbahnung und der Vertragserfüllung (vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa)) richtig. Denn bereits der Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs aus der Sphäre des Verkäufers zuzurechnenden Gründen kann eine Präferenzverschiebung hin zu einer Neigung des Käufers bewirken, seine Ressourcen neu zu allozieren, während der Verkäufer seine ,Chance gehabt hat‘; vgl. mit ähnlichem Gedanken anhand konkreter Fallbeispiele Derleder, NJW 2003, 998 ff. 454 Vgl. zum Verständnis von Normen als historischem gesetzgeberischem Lösungsvorschlag die einleitenden Ausführungen zum eigenen methodologisch individualisierten Ansatz der Ökonomik in der Gesetzesauslegung und Rechtsfortbildung unter oben 1. Kap. § 1 B) II.2. 455 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 A) II.3. 456 Eindrucksvoll Kirchner, Folgenberücksichtigung, S. 35. 457 Auch dazu nochmal ausführlich oben 1. Kap. § 1 B) II.2. 458 Hier zeigt sich m.E. ein weiteres Mal, dass die Argumentation von Huber, in: FS Hadding, S. 105, 117 f., vereinzelte Ausnahmefälle, in denen ein vorrangiger Nacherfüllungsanspruch nicht bestehe, würden auf die Grundtendenz des Sachmängelgewährleistungsrechts nicht zurückwirken können, nicht überzeugen kann: Denn Bestandteil des Sachmängelgewährleistungsrechts ist der instituti-
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Hat der Verkäufer den ihm obliegenden Teil des äquivalenten Leistungsaustauschs erbracht, nämlich die Möglichkeit und die Bereitschaft zur Nacherfüllung während des Laufs der Gewährleistungsfrist aufrecht erhalten, darf er mit Ablauf der Gewährleistungsfrist mit Recht von einer endgültigen Befriedung der Rechtslage ausgehen und erwarten, den Kaufpreis ebenso endgültig behalten zu dürfen.459 Tritt nun aber eine Störung dieses Äquivalenzverhältnisses aus Schutz und Pflicht des Verkäufers ein, hat sich dieser von der Pflicht zur Nacherfüllung befreit oder ist er aus anderen Gründen nicht mit der Pflicht zur Nacherfüllung belastet (gewesen), so entfällt hiermit die für den Schutz vor einer Vertragsaufhebung, sei es durch Rücktritt, sei es durch Anfechtung zu erbringende Gegenleistung. Dies gilt freilich nur dort, wo die Befreiung von der Nacherfüllungslast zumindest in der Tendenz der Sphäre des Verkäufers zuzurechnen ist, also in Fällen des § 439 Abs. 3 BGB, des § 440 BGB (unter Einschluss der §§ 281 Abs. 2, 323 Abs. 2 BGB) oder der Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) der Leistungspflicht aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB; nicht aber ist der Verkäufer verantwortlich vor allem für den Wegfall eines Nacherfüllungsanspruchs des Käufers in Fällen des § 442 Abs. 1 BGB, nämlich der Kenntnis des Käufers von dem Mangel, oder in Fällen eines vertraglichen Haftungsausschlusses. Denn insbesondere im Falle eines vertraglichen Haftungsausschlusses wird das gesetzgeberische Äquivalenzkonzept durch die kooperative Äquivalenzbeziehung der Parteien und deren impliziten Vertragsbestandteile überlagert, wodurch die Parteien gerade zum Ausdruck bringen, ein anderes Wert- und Äquivalenzkonzept als das auf Grundlage des gesetzgeberischen Leitbildes gefunden und bevorzugt zu haben. Damit ist aber zugleich der Rahmen für die Haftung des Verkäufers gesteckt: Befreit sich der Verkäufer selbst oder befreien ihn die ihm im weitesten Sinne zurechenbare Begleitumstände von der Nacherfüllungspflicht, die der Gesetzgeber als wesentlichen Teil des Interessenausgleichs im Rahmen kaufrechtlicher Leistungsstörungen vorgesehen hat, so tritt eine Äquivalenzstörung ein, die es rechtfertigt, dem Verkäufer seinen in einem ausgeglichenen Werte- und Rechteverhältnis bestehenden Anspruch auf Bestandsschutz des Vertrages zu nehmen. Mit dem Wegfall des Nacherfüllungsanspruchs aus Gründen, die in der rechtlichen Sphäre des leistungspflichtigen Verkäufers liegen, öffnet sich daher nicht nur die dogmatische Schranke, die eine Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB im Rahmen kaufrechtlicher Gewährleistung gesperrt hat, sondern besteht auch wertungsmäßig 459 onalisierte Nacherfüllungsanspruch ebenso, wie die im selben Rang institutionalisierten Ausnahmen hierzu. Auch letztere sind Bestandteil des gesetzgeberischen Wirk- und Wertungskonzepts, ohne dass dem einen eine Grundtendenz, dem anderen aber nur ein wertungsmäßig subsidiärer Ausnahmecharakter zugewiesen werden könnte. Vielmehr bedarf es dieser Ausnahmen, um die vermeintliche Grundtendenz zu rechtfertigen. Ohne die institutionalisierten Ausnahmen wäre die Regelfolge wertungsmäßig nicht tragbar, weshalb die institutionalisierten Ausnahmen einen gleichrangigen Beitrag zur Einordnung des Normenkomplexes des Gewährleistungsrechts in das Gesamtnormengefüge zu leisten haben. 459 Knapper in der Begründung, i.E. aber ebenso Schur, AcP 204 (2004), S. 883, 889, 905.
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kein Grund für eine Gleichbehandlung mit denjenigen Fällen, in denen ein Nacherfüllungsanspruch besteht.460 Es lässt sich deshalb mit guten Gründen vertreten, dass die Spezialität des Kaufrechts gegenüber der Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums lediglich in einem Verhältnis der Anspruchskonkurrenz mit Modifikationen der allgemeinen Rechtsbehelfe durch das Gewährleistungsrecht besteht und diese Modifikationen in Fällen der Gewährleistungsäquivalenzstörung verdrängt werden. Dann ist jedoch der Weg für die Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB frei. Während des Laufs der Gewährleistungsfrist wird dies zwar kaum je eine Rolle spielen, da die Rechtsfolgen des (großen) Schadensersatzes und/oder Rücktritts für den Käufer häufig günstiger sein werden, als die Abwicklung über das der Anfechtung nachfolgende Bereicherungsrecht; nach Ablauf der kaufrechtlichen Gewährleistungsfrist jedoch, die – wie gesehen – keinen hinreichenden Grund für die Annahme eines Vorrangverhältnisses mehr darstellt, öffnet die parallele Anwendung der Anfechtungsregeln für den Käufer neue Möglichkeiten. Der Verkäufer hingegen hat wertungsmäßig sein sonst berechtigtes Vertrauen darauf, den Kaufpreis nach Ablauf der kaufrechtlichen Verjährung behalten zu dürfen, mit seiner Entlassung aus der Nacherfüllungsverpflichtung vergeben. Dieses Ergebnis ist auch vor dem Hintergrund des hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells richtig, auch wenn es den Verkäufer dem Risiko aussetzt, gegebenenfalls auch nach Jahr und Tag noch eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung hinnehmen zu müssen. Die gesetzlichen Institutionen müssen nämlich dann zum Erhalt der grundsätzlich auf Kooperation und einer Risikozuweisung auf Grundlage jedenfalls impliziter Vertragsbestandteile entwickelten individuellen Vertragsbeziehung eingreifen, wenn und soweit anderenfalls die Substitutionswirkung des Vertrauens in seinem institutionellen Charakter gefährdet würde und als Folge hieraus das den Schutz parteiautonomer Transaktionen erst ermöglichende Marktumfeld einen Vertrauensverlust erlitte.461 Diese Gefahr ist hier gegeben: Die Anwendung der hier erarbeiteten Grundsätze einer Ökonomik im Recht rechtfertigte sich aus der als Folge von systemisch angelegten Informationsasymmetrien drohenden strukturellen Unterlegenheit eines Vertragspartners.462 Eine solche strukturelle Unterlegenheit bewirkt einen Angriff auf die ,materielle Selbstbestimmung‘ des Betroffenen, soweit nicht in der Vertragsanbahnung für diesen Fall vorgebeugt wurde.463 Das gesetzgeberische Präventionskonzept fußt aber auf der Institutionalisierung eines allokationseffizienten Nacherfüllungsanspruchs. Fehlt es hieran, wird das bei der Willensbildung unterstellte System gesetzlicher Vorbeugung und gesetzlichen Schutzes löchrig. Der gesetzgeberisch typisierte Anspruch an die vertragliche Äquivalenz und das Vertrauen des Käufers, im 460 461 462 463
Vgl. noch einmal Schur, AcP 204 (2004), S. 883, 903 ff. Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.5. Ausführlich oben 1. Kap. § 3 C) II. Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 254.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Falle einer – heilbaren – Verstrickung, den Kooperationserfolg im Wege der Nacherfüllung noch realisieren zu können, wird so unterminiert. Da andersherum auch der Verkäufer genau diese Überlegung in seine Äquivalenzbetrachtung einpreist, seiner Zahlungsbereitschaft also die Vorstellung zugrunde legt, im Falle erstmaligen Scheiterns der Erfüllung, nacherfüllen zu können, vertrauen Käufer und Verkäufer gleichermaßen auf diese Institution, die sie zugleich – transaktionskosteneffizient – davon abhält, eigene Sicherungsinstrumentarien, z.B. in AGB464, vorzusehen. Entfällt nun ein für die Ausgestaltung dieser vertrauenskatalysierenden Institution maßgebliches Teilstück, wirkt dies auf das transaktionsspezifische Vertrauen der Parteien insgesamt und damit nicht zuletzt auf die Willensbildung des Käufers zurück. Denn auch der Käufer rechnet damit, dass der Verkäufer etwaige Nacherfüllungsansprüche in die Ermittlung seiner Zahlungsbereitschaft einbezogen hat; und er war bereit, dies anteilig zu vergüten. Vereitelt nun aber der Verkäufer aus Gründen, die seiner Spähre zuzurechnen sind, den Nacherfüllungsanspruch, entzieht er der Transaktion damit ein wesentliches vertrauensstärkendes und äquivalenzgestaltendes Moment. Wird dies offenbar, so stellt sich heraus, dass nicht nur der Käufer mit der Bereitschaft, die potentielle Nacherfüllung durch den Käufer in dessen Kaufpreisbemessung mit zu vergüten, zu viel bezahlt hat, im Ergebnis seine Äquivalenzüberlegungen wegen des Fehlens eines solcherart berücksichtigten Nacherfüllungsrechts also an falschen Grundvoraussetzungen ausgerichtet hat. Außerdem hat der Verkäufer überdies einen Kooperationsgewinn vereinnahmt, der ihm erstens wegen des nicht kooperationsgerechten Zustandes der Kaufsache und zweitens wegen der Vereitelung des Nacherfüllungsanspruchs nicht zusteht.465 Hieraus folgt zweierlei: Zunächst ist der Verkäufer, dessen vertraglicher Äquivalenz- und Risikosphäre466 der Wegfall des äquivalenztragenden Nacherfüllungsanspruchs zuzuordnen ist, wenig schutzwürdig. Überdies führt der Wegfall der gesetzgeberisch typisierten Instrumente zum Schutze des abstrakten Transaktionsvertrauens zu einer normativen Störung der Vertragsparität, da die fehlerhafte Bildung des Erklärungswillens des Käufers hier nicht der Sphäre seiner Selbstverantwortung, sondern der Risikosphäre des Verkäufers zuzurechnen ist. Außerhalb dieser Selbstverantwortung schützt die Rechtsordnung die Selbstbestimmung jedoch vornehmlich durch die Möglichkeit der Anfechtung.467 Es muss dann aber – in Verwirklichung der Selbstbestimmung mit größtmöglicher Flexibilität im Recht – dem 464 Gerade für den Nacherfüllungsanspruch sahen AGB vor der Schuldrechtsmodernisierung häufig eine Modifikation des gesetzlichen Leitbildes vor, vgl. oben 2. Kap. § 2 B) I. 465 Mit diesem Argument im Wesentlichen auch Schur, AcP 204 (2004), 883, 903 ff. 466 Vgl. Rothoeft, AcP 170 (1970), S. 230, 237 ff., nimmt solche Äquivalenzstörungen ebenfalls zum Anlass, den Äquivalenzmangel durch Anfechtung – allerdings nach § 119 Abs. 1 BGB – auszugleichen. Zur grundsätzlichen Verbindlichkeit des Äquivalenzprinzips in der Rechtsanwendung vgl. Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 5: „Dieses (Anm.: das Äquivalenzprinzip) stellt nichts anderes dar als eine Ausprägung der Vertragsfreiheit und gehört als solche mit Selbstverständlichkeit zu den Leitprinzipien des Vertragsrechts, zumal es darüber hinaus auch noch dem Gedanken der formalen oder prozeduralen Vertragsgerechtigkeit Rechnung trägt.“. 467 Dazu nochmal Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 255.
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Käufer nach seiner Wahl überlassen bleiben, ob er an der Transaktion festhalten oder diese nach dem Maßstab des Bereicherungsrechts rückabwickeln will. Die damit verbundene Umkehr der institutionellen Anwendungsregeln zum Zwecke der Verwirklichung des ursprünglichen gesetzgeberischen Schutz- und Äquivalenzkonzepts, nämlich hier die Zulassung der Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB trotz Anwendbarkeit des um den Nacherfüllungsanspruch reduzierten aber dennoch grundsätzlich vorrangigen Gewährleistungsrechts ist der juristischen Dogmatik keineswegs fremd. Soweit dies zur Verwirklichung der hinter einem normativen Anwendungsbefehl stehenden Wertungen erforderlich ist, können auch feststehende Grundsätze der Norminterpretation umzukehren sein, um dem Leitbild des typisierten gesetzgeberischen Lösungsvorschlages468 gerecht zu werden: Im Jahr 1995 hatte der BGH469 einen Fall zu entscheiden, in welchem sich die in seiner Rechtsprechung überkommene470 Beantwortung der Frage nach der Wirksamkeit einer Willenserklärung trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins, die er bis dato im Interesse des Verkehrsschutzes zulasten des Erklärenden vorgenommen hat, wenn ihm seine Erklärung zurechenbar war, für den konkreten Fall gegenteilig entschieden, weil sich dort die Annahme der Wirksamkeit der Erklärung trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins zu Gunsten des Erklärenden ausgewirkt hätte. Der Schutz des Erklärenden solle jedoch durch die Annahme der Wirksamkeit der Erklärung nicht bewirkt werden, weshalb im zu entscheidenden Fall eine Umkehr der Anwendungsregeln mit dem Ziel der Verwirklichung der hinter §§ 116 ff. BGB stehenden Wertungen geboten sei.471 468
Hier zeigt sich ein weiteres Mal die Richtigkeit der eingangs vertretenen Auffassung, dass gesetzgeberische Problemlösungsvorschläge unter Berücksichtigung der tatsächlich sich verschiebenden Rahmenbedingungen tatsächlich nur als solche zu verstehen und weiterzuentwickeln sind, vgl. ausführlich oben 1. Kap. § 1 B) II.2. 469 BGH NJW 1995, 953. 470 Seit 1984 vertritt der BGH seine Auffassung zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit des fehlenden Erklärungsbewusstseins, wenn „der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat“, BGH NJW 1984, 2279. 471 Kritisch Habersack, JuS 1996, 585, 587 f., dessen Kritik an der wertungsorientierten Betrachtung m.E. allerdings nicht überzeugt. Er vergleicht den vom BGH entschiedenen Fall des unbewussten Widerrufs einer noch vom Erblasser erteilten Vollmacht durch den Erben, der zum Vorteil des (nochmals: unbewusst) Widerrufenden gereichen würde, mit demjenigen, in dem ein Käufer in Unkenntnis eines Sonderangebots nach seinem Dafürhalten zum Listenpreis bestellt; auch diesem Käufer dürfte wohl ein Berufen auf das Sonderangebot nicht verwehrt werden. Die Fälle unterscheiden sich jedoch grundsätzlich dadurch, dass es im Letzteren um die Frage der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont und der Ermittlung kongruenter Willenserklärungen geht (§§ 133, 157 BGB), während in dem vom BGH entschiedenen Fall dem Erklärungsempfänger sehr wohl bekannt war, dass ein bewusster Widerruf nicht erklärt sein würde, weil von der erteilten Vollmacht überhaupt keine Kenntnis des Erben bestand, daher von vorneherein vom Erben eine Willenserklärung in Gestalt des Widerrufs nicht beabsichtigt und dies vom ,Erklärungsempfänger‘ auch genau so erkannt worden war. Beide Fälle sind daher weder tatsächlich noch in ihren zugrunde liegenden Wertungen miteinander vergleichbar.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Die dort vom BGH angestellten Überlegungen überzeugen hinsichtlich der darin zum Ausdruck kommenden Wertung auch hier: Der vorrangige Nacherfüllungsanspruch, das Recht zur zweiten Andienung, schützt im Wesentlichen den Verkäufer und ist zugleich maßgeblicher Teil der vertraglichen Äquivalenzgrundlage. Vereitelt der Verkäufer oder seiner Sphäre zuzurechnende Umstände den angemessenen Äquivalenzausgleich, gebietet der gesetzgeberische Problemlösungsvorschlag eine Umkehr des Regel-Ausnahme-Prinzips, um wertungsmäßig identische Ergebnisse herbeizuführen.472 Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass zwar ein grundsätzlicher Vorrang des Gewährleistungsrechts vor der Anfechtung wegen Eigenschaftsirrtums im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB besteht, dass sich dieser Vorrang aber auf eine ungestörte Äquivalenzbeziehung im Sinne der uneingeschränkten Funktionsfähigkeit der die Äquivalenzbeziehung typisierenden gesetzlichen Institutionen bezieht. Werden diese gesetzlichen Institutionen in einer das Äquivalenzverhältnis unterminierenden Weise gestört, kann die auf einem durch diese Institutionen gestützten Vertrauen basierende Kooperationsbeziehung nicht denselben institutionellen Rang beanspruchen, wie ohne eine solche Störung. Fällt der Nacherfüllungsanspruch aus Gründen, die der Risikosphäre des Verkäufers zuzuordnen sind weg, resultiert hieraus im Sinne größtmöglicher Flexibilität im Recht473 die Eröffnung nicht nur der Institutionen des Allgemeinen Schuldrechts, sondern auch des Allgemeinen Teils des BGB.474 472 Dieses Ergebnis kommt dem wertenden Verständnis nahe, wie es Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 236, dem § 119 Abs. 2 BGB zur Bewältigung desinformationsbedingter Verstrickungslagen entnimmt: „Soweit das Gesetz dem Irrenden ein Anfechtungsrecht einräumt, ermöglicht es ihm eine nachträgliche Berichtigung informationsbedingter Fehlentscheidungen, die ihn nicht einmal schadensersatzpflichtig macht, wenn sein Gegenüber die Fehlvorstellung kannte oder kennen musste; vgl. § 122 Abs. 2 BGB. Solchermaßen verstanden, bietet die Irrtumsanfechtung der unzulänglich unterrichteten Vertragspartei vor allem dort Flankenschutz, wo eine Anfechtung wegen arglisiger Täuschung an tatsächliche oder rechtliche Grenzen stößt. (…) Es liegt daher nahe, dem Irrenden in jenen Fällen, in denen man fast geneigt war, eine Aufklärungspflicht zu bejahen, wenigstens das schwächere Recht einzuräumen, sich unter Berufung auf einen Eigenschaftsirrtum vom Vertrag zu lösen.“. 473 Vgl. abermals Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 414: „Der flexible Übergang von einem der Mängelgewährleistungsrechte zum anderen ermöglicht es also dem Käufer wie dem Werkbesteller ganz allgemein, der weiteren Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere der späteren Schadensentstehung Rechnung zu tragen.“ Was aber für den Übergang zwischen den Mängelgewährleistungsrechten gilt, sollte hinsichtlich des Anspruchs an die Flexibilität des Rechts auch auf die in concreto anwendbaren Institutionen des Allgemeinen Teils gelten, nicht zuletzt weil die Forderung nach Flexibilität auf dem Anspruch beruht, dem Käufer die Anpassung der Rechtslage an die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse zu ermöglichen, sich in dieser Entwicklung aber die vertragliche Äquivalenz fortsetzen muss, vgl. Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 3, 5. Da aber, wie gesehen, § 119 Abs. 2 BGB außerhalb eines Nacherfüllungsanspruchs gerade dieser Äquivalenzwahrung dient, ist er Teil des flexibel, dynamisch und handlungsoffen zu handhabenden Rechtsfolgenkatalogs. 474 Inwieweit damit auch eine Schadensersatzhaftung des anfechtenden Käufers nach § 122 BGB verbunden ist, hängt von der Zuweisung der Aufklärungslasten im Vertrag, zu entnehmen den impliziten Vertragsbestandteilen, ab. Wenn nämlich den Verkäufer für den irrtumsbegründenden Umstand die Aufklärungslast kraft vertraglicher Risikozuweisung trifft, hat dieser den Irrtum des Käufers
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d) Zeitliche Reichweite und Schranken des Gewährleistungsvorrangs Ist der Inhalt des Konkurrenzverhältnisses beleuchtet, bleibt die Frage der zeitlichen Geltung dieses Anwendungsvorrangs zu klären. Der BGH475 geht seit jeher davon aus, dass § 119 Abs. 2 BGB erst vom Zeitpunkt des Gefahrübergangs an durch das Gewährschaftsrecht verdrängt werde. Denn erst ab diesem Zeitpunkt stünden dem Käufer Gewährleistungsansprüche zu, sodass eine Ausschlusswirkung zeitlich nicht vor der Anwendbarkeit der vorrangigen Norm eintreten könne. Während diese Rechtsprechung schon vor der Schuldrechtsreform heftig kritisiert worden war,476 ist sie nach der Modernisierung des Schuldrechts aus denselben Erwägungen, die soeben für die grundsätzliche Bestätigung des Anwendungsvorrangs angeführt worden waren,477 nicht mehr haltbar: Wenn der Käufer Gewährleistungsrechte erst dann soll geltend machen dürfen, wenn er dem Verkäufer zuvor die Möglichkeit zur Nacherfüllung eingeräumt hat, würde dieser Schutz des Verkäufers vollständig unterlaufen, könnte der Verkäufer statt auf die Nacherfüllung zu warten, den Vertragsschluss nach § 119 Abs. 2 BGB noch vor Gefahrübergang anfechten. Auch hier zeigt sich, dass der Nacherfüllungsanspruch das die Spezialität begründende Recht und damit der Grund für den Ausschluss des Anfechtungsrechts nach § 119 Abs. 2 BGB ist. Dieser Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs vor § 119 Abs. 2 BGB wird aber umgekehrt dazu führen müssen, dass dem Käufer der Nacherfüllungsanspruch auch schon vor Übergabe der Sache, verbunden mit einem Annahmeverweigerungsrecht zusteht. Denn nach alter Rechtslage war zu Recht bereits vertreten worden, dass dem Käufer die Gewährschaftsrechte auch schon vor Gefahrübergang zustünden,478 falls der bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbare Mangel unbehebbar war oder der Verkäufer erklärt hatte, nicht nachbessern zu wollen. Diese Einschränkung war angesichts der Tatsache, dass es einen vorgeschalteten Nacherfüllungsanspruch des Käufers nicht gab, zutreffend; mit Begründung eines solchen Anspruchs aber erstreckt sich die Möglichkeit, Gewährschaftsrechte auch schon vor Gefahrübergang geltend zu machen, auch und vorrangig auf diesen.479 Denn es würde – auch unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung unnötiger Transaktionskosten – keinen Sinn machen, würde die erkannt fehlerhafte Kaufsache erst dem Käufer übergeben werden müssen, damit dieser sie dann dem Verkäufer zum Zwecke der Nachbesserung oder im Zuge der Neulieferung wieder herausgebe. im475 Sinne des § 122 Abs. 2 BGB „kennen müssen“. Eine Schadensersatzhaftung des anfechtenden Käufers ist in diesem Fall ausgeschlossen, vgl. Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 236. 475 BGHZ 34, 32, 35. 476 vgl. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht (Aufl. 2001), Rz. 798; Flume, BGB-AT II, § 24, 3a; Huber, in: Soergel, BGB, 192 vor § 459. 477 Siehe dazu oben 2. Kap. § 3 II.1. 478 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht (Aufl. 2001), Rz. 798; Flume, BGB-AT II, § 24, 3a; Larenz, Schuldrecht II, 1, § 41 II e; Huber, in: Soergel, BGB, 192 vor § 459 a.F. 479 So i.E. wohl auch Schur, AcP 204 (2004), 889, 896 und dort Fn. 36.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Es bleibt festzuhalten: Die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB ist nicht erst mit Gefahrübergang der Kaufsache, sondern bereits ab Vertragsschluss ausgeschlossen. Im Gegenzug ist der Käufer aber berechtigt, die Mängelgewährleistungsrechte, insbesondere den Nacherfüllungsanspruch auch schon vor Gefahrübergang geltend zu machen. Der Käufer ist also nicht verpflichtet, eine erkannt mangelhafte Sache, hinsichtlich derer Sachmängelgewährleistungsansprüche bestehen, zunächst anzunehmen, den Gefahrübergang also herbeizuführen, um sie dann sogleich zu Rügen und vom Verkäufer Nacherfüllung zu verlangen.
C) Das Recht zur Arglistanfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB I. Einführung Im Unterschied zur Irrtumsanfechtung wird die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB durch die Gewährleistungsvorschriften des Kaufrechts nicht ausgeschlossen. Die Gewährleistungsansprüche und das Anfechtungsrecht aus § 123 BGB stehen wahlweise nebeneinander, jedenfalls solange ihre Voraussetzungen gegeben sind.480 Der Grund hierfür lässt sich bereits den Motiven zum BGB entnehmen: Die Vorschrift des § 123 BGB schützt „die freie Selbstbestimmung auf rechtsgeschäftlichem Gebiet“.481 Hinsichtlich der Schutzrichtung etwas schärfer konturiert,482 lässt sich daraus ableiten, dass § 123 BGB dem Schutz der freien Willensbildung vor exogenen Störungen dient.483 Auch die jüngste Rechtsprechung des BGH484 ist geeignet, den Eindruck zu erwecken, dass die kaufrechtliche Gewährleistung und die Anfechtung nach § 123 BGB wechselseitig unbeeinflusst nebeneinander stünden.485 Allein dieser Eindruck täuscht. Der Tatbestand des § 123 BGB setzt eine arglistige Täuschung des Käufers durch den Verkäufer voraus, deren Leitbild nach Herkommen und Schutzrichtung die positive Handlung durch Vorspiegeln falscher oder Unterdrücken wahrer Tatsachen ist, die gleichwohl aber – und in der Praxis nicht minder bedeutsam – ebenso durch das Verschweigen von aufklärungsschuldigen und entscheidungserheblichen Tatsachen verwirklicht werden kann.486 Hin480
So wörtlich Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger, BGB, § 123 Rz. 94. Motive, Bd. I, S. 204. 482 So treffend Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 244. 483 So mit Nachdruck auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 314: „Aus diesem Schutzzweck der Vorschrift ergibt sich auch, dass § 123 BGB grundsätzlich durch kein anderes Rechtsinstitut des Schuldrechts, insbesondere auch nicht durch Regelungen der Leistungsstörungen verdrängt wird.“. 484 Vgl. die bereits bei der Auseinandersetzung mit dem Nacherfüllungsanspruch (oben 2. Kap. § 2 B) II.1) zitierte Grundlagenentscheidung zur Nacherfüllung beim Stückkauf BGH, NJW 2006, 2839. 485 So Derleder/Sommer, JZ 2007, 338; vgl. außerdem Kulke, ZGS 2007, 89 ff. 486 Vgl. mit ausführlicher Auseinandersetzung im Zusammenhang mit der Informationslastenverteilung zwischen den Parteien Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 245 ff.; außerdem Grigoleit, 481
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sichtlich der Aufklärungsschuldigkeit einer Tatsache stellt die in Rechtsprechung und Schrifttum vorherrschende Meinung auf dieselbe Formel ab,487 wie sie auch für die Aufklärungsschuld im Rahmen der culpa in contrahendo überkommen zugrunde gelegt wird:488 Die Unterlassung einer Aufkläurng stellt danach eine Pflichtverletzung – und unter Berücksichtigung des erforderlichen aber auch ausreichenden bedingten Vorsatzes489 – eine arglistige Täuschung dar, wenn es sich um einen für die Entschließung der anderen Seite erkennbar wesentlichen, insbesondere den Vertragszweck gefährdenden Umstand handelt und der Vertragspartner nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte Aufklärung erwarten darf.490 Damit aber ist die Brücke zum hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodell491 geschlagen: Wenn und soweit auch für die Erfüllung des Tatbestandes der arglistigen Täuschung im Sinne des § 123 BGB entscheidend ist, welche Aufklärung der Käufer auf Grundlage seines abstrakten oder bereits konkretisierten kooperativen Transaktionsvertrauens und der impliziten Zuweisung von Aufklärungslasten im Vertrag normativ erwarten darf,492 fügt sich auch dieser Tatbestand in ein kooperatives Transaktions- und Interpretationsmodell, wie es hier auf Grundlage der behavioral law and economics493 entwickelt 487 Vorvertragliche Informationshaftung, S. 16 f., der aus einer Gesamtschau der auf eine Informationshaftung ausgerichteten Vorschriften des BGB auf ein informationelles Vorsatzdogma schließt, S. 30 ff., und hieraus einen Grundsatz erhöhter tatbestandlicher Argumentationslast für eine Fahrlässigkeitshaftung im Rahmen vorvertraglicher Aufklärungspflichten herleitet, S. 80 ff. Diese Argumentation hat indes an Gewicht eingebüßt, seit der Gesetzgeber mit §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 1 BGB das Rechtsinstitut der culpa in contrahendo institutionalisiert und eine vorvertragliche Fahrlässigkeitshaftung, die das bisdortige Vorsatzdogma aufweicht, in Gesetzesrang erhoben hat. 487 Vgl. dazu Breidenbach, Informationspflichten, S. 9 f. m.w.N. 488 Bereits ausführlich oben, Einl. § 3 B). 489 Vgl. z.B. BGH, NJW 1995, 45, 47: Es genügt die „billigende Erkenntnis“ des Täuschenden, der Vertragspartner könne getäuscht und dadurch in seiner Entscheidung beeinträchtigt werden. 490 So bereits grundlegend RGZ 111, 233, 234; aus der jüngeren Rechtsprechung BGH, NJW 1970, 653 (Einzelhandelsgeschäft); BGH, ZIP 2001, 918 (gesteigerte Aufklärungslast bei GmbH-Anteilen wegen erschwerter Bewertung durch den Käufer); BGH, NJW 2006, 2839 (Behauptung ,ins Blaue‘ beim Gebrauchtwagenkauf). Vgl. jüngst aber die Tendenzen zur Einengung der c.i.c.-Aufklärungshaftung und zur ,Rückbesinnung‘ auf die Erforderlichkeit eines ,subjektiven Vermögensschadens‘ BGH, ZIP 1998, 154; dazu Lorenz, ZIP 1998, 1053 ff.; Grigoleit, NJW 1999, 900 ff. 491 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5). 492 Zur Erinnerung: Der Vertrauensbegriff, wie er dem vertrauens- und informationsökonomischen Interpretationsmodell zugrunde liegt, ist ein normativer. Es kommt nicht auf den Nachweis eines tatsächlich entgegengebrachten abstrakten der konkreten Transaktionsvertrauens im Einzelfall an, sondern darauf, ob angesichts des Transaktionsumfelds ein solches Vertrauen typisiert zugrunde liegt und berechtigterweise gebildet werden durfte. Das Vertrauen ist als Institution geschützt, nicht als individuelles Recht, vgl. dazu bereits oben Einl. § 3 B) III. und später 1. Kap. § 2 C) I.4. 493 Nochmals zur Erläuterung: Die behavioral economics haben, was hier bereits umfassend erörtert wurde (vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4), das ökonomische Modell des homo oeconomicus längst überwunden und entwickeln ihre Annahmen (auch) auf Grundlage einer interdisziplinären Betrachtung, nämlich unter Einbeziehung auch von sozialwissenschaftlichen und psychologischen Erkenntnissen, insbesondere zur Einbeziehung typischer kognitiver Anomalien in das menschliche Verhaltensmo-
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
wurde, nahtlos ein. Macht der Verkäufer Zusagen, die in den Rang ausdrücklicher, konkludenter oder impliziter Vertragsbestandteile erwachsen und gründet hierauf das transaktionsspezifische Vertrauen, so stellt der jedenfalls bedingt vorsätzliche Missbrauch dieses Kooperatiosvertrauens zugleich eine arglistige Täuschung dar, die nach § 123 BGB der Anfechtung unterliegt. Aus dieser Parallelität des Vertrauensbruchs, nämlich einmal der tatbestandlichen Erfüllung des § 123 BGB, welche die Anfechtung eröffnet, und einmal des kooperationsspezifischen Vertrauensbruchs, der sich in gewährleistungsrechtlichen Institutionen niederschlägt, folgt zugleich eine mögliche Wechselwirkung zwischen beiden, die sich in der Qualität der arglistigen Täuschung als jedenfalls bedingt vorsäztlichem Handeln und dem abgestuften Rechtsfolgensystem des Gewährleistungsrechts niederschlägt: Ein vom Verkäufer zu vertretener Kooperations- in Gestalt eines Vertrauensbruchs kann nämlich zugleich einen Umstand darstellen, der es dem Käufer im Sinne des § 440 BGB unzumutbar machen kann, an einer weiteren Kooperation mit dem Verkäufer festzuhalten oder gar mitzuwirken, weshalb die tatbestandliche Erfüllung des § 123 BGB zugleich und stets geeignet sein kann, den grundsätzlichen Vorrang des Nacherfüllungsanspruchs zu Fall zu bringen und dadurch Rücktritt, Schadensersatz und Minderung in den selben Rang mit der Anfechtung zu stellen.494 Die sich hieraus ergebenden Wechselwirkungen und Konkurrenzen sind bislang wenig beleuchtet.495 II. Ne bis in idem – oder: Die Sperrwirkung des rechtskräftigen Gewährleistungsurteils für den Anfechtungsanspruch Die eher untergeordnete Bedeutung, die dem Verhältnis zwischen dem Recht der Gewährleistung und dem der Arglistanfechtung bislang in der dogmatischen Grundlagendiskussion beigemessen wurde, verwundert angesichts des nicht zuletzt aus der Rechtsprechung496 abgeleiteten Eindrucks, beide Normenkomplexe stünden voneinander unbeeindruckt und unbeeinflusst nebeneinander,497 vor dem Hintergrund umso mehr, dass der BGH498 unlängst eine ganz erhebliche Wechselbezüglichkeit in einer Entscheidung aus dem Jahre 2003 provoziert hat; dies allerdings auf prozessualer, nicht auf materieller Ebene, wodurch er aber die Frage beantwortet hat, ob sich beide Institute in ihrer systemischen Bedeutung dell,494vgl. v. Aaken, Rational Choice, S. 82 ff. Der hier vertretene Ansatz versucht nichts weiter, als diese interdisziplinäre Betrachtung auch auf die Rechtswissenschaft auszudehnen und folgt damit der auch bei v. Aaken, a.a.O., im Vordergrund stehenden Strömung eines behavioral law and economics approach. 494 Dazu ausführlich Derleder/Sommer, JZ 2007, 338 ff. 495 Vgl. aber z.B. Derleder, NJW 2004, 969 ff., mit seinem Versuch, ein konsistentes und in den Rechtsfolgen aufeinander abgestimmtes Anspruchssystem für die Sachmängel- und Arglisthaftung im neuen Schuldrecht vorzulegen. 496 BGH NJW 2006, 2839. 497 Dazu nochmals Derleder/Sommer, JZ 2007, 338. 498 BGH NJW 2004, 1252 (Urt. v. 19.11.2003 – VIII ZR 60/03).
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derart beeinflussen, dass die Ausübung der einen, das Berufen auf die andere präkludiert.499 Aus einer solchen Präklusion folgte eine institutionelle Überlagerung, die für die systematische Ordnung der Wechselwirkungen zwischen beiden Instituten von entscheidendem Wert sein kann. In dem vom BGH500 zu entscheidenden Fall versagte dieser dem über die Unfallfreiheit des gebraucht erworbenen Kfz getäuschten Käufer die Anfechtung nach § 123 Abs. 1 BGB innerhalb der noch offenen Anfechtungsfrist des § 124 BGB, weil der Käufer zuvor in einem rechtskräftig abgeschlossenen Wandelungsprozess mit seinem gewährleistungsrechtlichen Begehren gescheitert war; die zum Beweis der arglistigen Täuschung erforderlichen Tatsachen hatte der Käufer erst nach rechtskräftigem Abschluss des Wandelungsprozesses in Erfahrung gebracht. Der BGH führt aus, die Ausübung des Anfechtungsrechts durch den Kläger führe lediglich zu einer Auswechslung der materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage für sein Rückforderungsbegehren, indem die Vorschriften über die Leistungskondiktion die Regelungen des vertraglichen Gewährleistungsrechts verdrängten; darin jedoch liege keine Änderung des Streitgegenstandes, weshalb die Rechtskraft des Urteils aus dem Erstprozess dem Anfechtungsprozess den Erfolg versagen müsse. Das Urteil ist nicht ohne Kritik geblieben,501 hat jedoch auch Zuspruch erfahren.502 Der Kern der Diskussion hängt sich daran auf, ob die Einflussnahme des prozessualen Präjudizialitätsschutzes materiell-rechtlich ganze Normenkomplexe abschneiden kann. Dogmatisch ist die Antwort auf diese Frage in der Definition des Streitgegenstandsbegriffs, der nach ständiger Rechtsprechung503 und der in der Literatur gefestigten Meinung504 von dem materiellen Anspruch im Sinne der Legaldefinition des § 194 BGB und damit von der konkret geltend gemachten Anspruchsgrundlage unabhängig ist, zu suchen. Der BGH505 rechnet zu dem neben dem Klageantrag den Streitgegenstand bestimmenden Lebenssachverhalt – unter bewusstem Verzicht auf die juristischen Konturen des Lebenssachverhalts506 – all 499 Vgl. zu dieser Entscheidung des BGH die Besprechungen von Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520 ff.; Rimmelspacher, JuS 2004, 560; Schulze-Schröder, NJW 2004, 1364. 500 BGH, NJW 2004, 1252. 501 Schulze-Schröder, NJW 2004, 1364: „(…) Rechtsschutzverweigerung zu Gunsten einer nicht nachvollziehbaren, überzogenen Rechtsschutzgewährung für die als arglistig entlarvte Gegenseite (…)“. 502 Ausführlich Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520 ff.; differenzierend Rimmelspacher, JuS 2004, 560. 503 So vor der hier angesprochenen Entscheidung zuletzt etwa BGH, NJW-RR 2004, 495, 496 m.w.N. 504 Rimmelspacher, JuS 2004, 560, 561, weist zu Recht darauf hin, dass sich seit den grundlegenden Monographien zum Streitgegenstandsbegriff von Schwab, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß (1954), Habscheid, Der Streitgegenstand im Zivilprozeß und im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (1956) und Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß (1961) die Trennung zwischen materiellem und prozessualem Anspruch durchgesetzt habe. 505 BGH, NJW 2004, 1252, 1253. 506 Dieser Verzicht auf eine an den juristischen Konturen des Lebenssachverhalts anknüpfende Definition folgt aus der hier zitierten Klarstellung des BGH, dass es auf die ,natürliche Anschauung‘
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das, was „bei natürlicher Anschauung zu dem im Vorprozess vorgetragenen Lebensvorgang“ gehört. Diese Anknüpfung an einen Lebenssachverhalt unter dem Blickwinkel einer ,natürlichen Anschauung‘ weckt Assoziationen zu den hier der Rechtfertigung einer Ökonomik im Recht zugrunde liegenden Feststellungen, nämlich zu der Ausrichtung der kooperativen Parteivereinbarung an den sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen und der Abkehr von dem Modell eines homo oeconomicus unter Annahme einer nachhaltigen Präferenzstabilität.507 Maßstab für den das Anspruchsbegehren des Betroffenen beschreibenden Lebenssachverhalt sind daher die in seinem Antrag und dem zu seiner Begründung vorgetragenen tatsächlichen Umständen dokumentierten Präferenzen als Exegese eines Bündels endogener Einflüsse. Der Vertrag wird von einem kooperativen Vertrauensverhältnis getragen, durch das künftige Risiken und – jedenfalls von einer der Parteien – nicht vorhersehbare Kontingenzen der jeweiligen Risiko- und Haftungssphäre eines der Vertragspartner zumindest implizit zugewiesen werden. Bleibt nun die dem kooperativen Äquivalenzverhältnis zugrunde liegende Vorstellung des Käufers hinter der Realität zurück und geht dies auf einen Kooperationsbruch des Verkäufers zurück, so führt dies zu einer Präferenzverschiebung, die es dem Käufer unter Inanspruchnahme der für einen solchen Fall zur Verfügung stehenden rechtlichen Institutionen ermöglicht – und ermöglichen muss – seine Handlung und Ressourcenallokation diesen veränderten sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen anzupassen und in einer Angleichung der vormaligen Kooperationsbeziehung an das neue Transaktionsumfeld münden zu lassen; nicht zuletzt, um den Verlust der Quasirente aus der Transaktion so gering wie möglich zu halten. In dem konkret vom BGH508 entschiedenen Fall hat der Käufer seiner Präferenzverschiebung und der von ihm subjektiv als am nützlichsten empfundenen Reallokation seiner Ressourcen bereits im zunächst angestrengten Wandlungsprozess Ausdruck verliehen und sich mit seinem Recht auf und aus Wandlung nach § 463 BGB a.F., wo ihm auch ein Minderungsrecht zugestanden hätte, für die Abwicklung des Vertrages entschieden. Damit hat der Käufer dokumentiert, dass er den Vertrauens- und Kooperationsbruch des Verkäufers und seine sich daraus ableitende – einer nur sehr begrenzten Justitiabilität unterliegende509 – Präferenzverschiebung für so durchgreifend erachtet, dass er an einer Fortsetzung der Transaktionsbeziehung nicht weiter interessiert ist. Vielmehr, so zeigt es das Wandlungsbegehren, bevorzugt der Käufer aus ökonomischen oder anders motivierten Gründen eine freie 507 ankomme. Rimmelspacher, JuS 2004, 560, 562, meint demgegenüber, dass für die Grenzen einer ,natürlichen Anschauung‘ nachvollziehbare Kriterien erforderlich seien, die in einem Rechtsstaat und einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren nur rechtliche sein könnten. 507 Zu der Veränderbarkeit von Präferenzen durch exogene Einflüsse und dem sich hieraus ableitenden Anspruch auch an die Rechtsordnung, diese Realität durch ein System flexibler Institutionen nachzuzeichnen ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4, dort insb. lit. b). 508 BGH, NJW 2004, 1252. 509 Vgl. auch dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa).
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Reallokation seiner Ressourcen. Soweit die gesetzlichen Institutionen eine solche Restitution zulassen, wie seinerzeit durch die Wandlung nach § 463 BGB a.F. und heute durch den Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 BGB, hat der Käufer seine transaktionsspezifische Vertrauensenttäuschung bereits durch Abwehr der entstandenen Verstrickungslage wenn auch nicht kompensiert, so aber doch neutralisiert. Der neben dem ausgeübten Anspruch auf und aus Wandlung alten Rechts und neben dem Rücktrittsbegehren neuen Rechts bestehende Anfechtungsanspruch nach § 123 BGB ist insoweit auf eine identische Reallokation der Ressourcen, in juristischer Terminologie: auf dieselbe Rechtsfolge, gerichtet. Ein Neutralisationsmehrwert in Bezug auf die Verstrickungslage lässt sich durch die Abwehr der Verstrickung auf Grundlage der einen oder der anderen Anspruchsgrundlage nicht erreichen. Dass die Anfechtung nach § 123 BGB tatbestandlich ein Mehr an Vertrauensbruch gegenüber der Wandlung oder dem Rücktritt voraussetzt, ist daher in reziproker Anwendung des althergebrachten Arguments a maiore ad minus unerheblich: Wenn für den Käufer schon die bloße Kenntnis von der Abweichung der kooperationsrechtlich vorausgesetzten von der tatsächlich vorgefundenen Beschaffenheit einen ausreichenden Vetrauensbruch und eine hinreichende Präferenzverschiebung darstellt, von der Transaktion Abstand zu nehmen und diese rückabzuwickeln, dann kann die spätere Kenntnis von einer arglistigen Täuschung, also von einem erheblich tiefergehenden Vertrauensbruch als ursprünglich angenommen, dieses Begehren nach Anpassung der Rechtslage an die veränderten sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen nicht mehr umkehren. Eine nochmalige Veränderung der sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen im Sinne einer endogen beeinflussten Präferenzkorrektur, diesmal gerichtet auf eine Fortsetzung der Kooperationsbeziehung tritt hierdurch nämlich keinesfalls ein. Gerade die Maßgeblichkeit endogener und nicht vornehmlich exogener Einflüsse für die in juristischer Hinsicht bedeutsame Präferenzbildung510 stützt dieses Ergebnis: Dass der Käufer die Kenntnis von einer unter den Begriff der arglistigen Täuschung zu subsumierenden Handlung des Verkäufers als massiven Ausbruch aus der Kooperationsbeziehung empfindet, der den Wunsch nach weiteren Konsequenzen nährt, ist zwar nachvollziehbar; jedoch handelt es sich bei der veränderten Sachlage im Hinblick auf den Täuschungsgrad um einen exogenen Einfluss, der die endogen bereits gebildete Präferenzstruktur nicht mehr ändern kann. Ob sich der Käufer betrogen fühlt, oder nicht: Die Kooperationsbeziehung rückabzuwickeln hat er sich bereits zuvor entschieden. Die endogenen Reflexionen des erneut veränderten Transaktionsumfeldes sind demgegenüber stabil geblieben, weshalb im Ergebnis nochmals veränderte sozial-ökonomische Rahmenbedingungen im kooperationsrelevanten Sinne nicht vorliegen. Daraus folgt dann aber, dass die spätere Kenntnis von Umständen, die neben der Wandlung oder dem Rücktritt auch die Anfechtung nach § 123 BGB begründet hätten, aus einem rechts-ökonomischen Blickwinkel für den auch zuvor bereits 510
Nochmals oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa).
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
rückabwicklungswilligen Käufer unbeachtlich sind. Im Umkehrschluss ist damit der – ökonomisch sinnvollen, weil transaktionskosteneffizienten – Befriedungsfunktion, die der BGH511 mit seinem Judikat dem Erstprozess beigemessen hat, der uneingeschränkte Vorzug zu gewähren. Eine Verstärkung der für die Präferenzbildung schon zuvor maßgeblichen Umstände und Motive beinhaltet gerade keine neuen Motive, die einer nochmaligen institutionellen Öffnung zugeführt werden müssten.512 Im Ergebnis ist daher dem BGH darin Recht zu geben, dass es für die Frage der Bindungswirkung eines Vorprozesses nach dem prozessualen Grundsatz des ne bis in idem bei der Berücksichtigung alternierender Anspruchsgrundlagen allein auf die ,natürliche Anschauung‘ des Lebenssachverhalts ankommt; die Subsumtion unter den Begriff der ,natürlichen Anschauung‘ setzt aber ein justitiables Vorverständnis der Subsumtionsgrundlagen voraus,513 das seinerseits nicht ohne einen Blick auf Grundstrukturen menschlichen Handelns im Wirtschaftsverkehr insbesondere nicht ohne einen Blick auf die Grundstruktur von Transaktionsbeziehungen auskommt. Die vom BGH514 präferierte ,natürliche Anschauung‘ erfordert daher ein gemeinsames Verständnis von den ökonomischen Vorherigkeiten, die den Blick auf den zugrunde liegenden Lebenssachverhalt und seine die jursitische Einordnung determinierenden Merkmale zu einem ,natürlichen‘ macht.515 Dass der hier aufgezeigte Weg dabei zu richtigen Ergebnissen führt, zeigt sich insbesondere daran, dass er die juristische Argumentation zur Verteidigung der besprochenen BGH-Entscheidung in sich aufzunehmen in der Lage ist: Insbesondere Rimmelspacher516 versucht eine materielle Anknüpfung über den Begriff der 511
BGH, NJW 2004, 1252. Konsequenterweise wäre dies anders zu beurteilen, wenn der Käufer im Erstprozess statt Wandlung (nur) Minderung verlangt hätte. Dann wäre seine an den zunächst sich darstellenden veränderten sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen ausgerichtete Präferenzstruktur nämlich noch nicht auf Rückabwicklung des Kooperationsverhältnisses ausgerichtet gewesen. Führt die Kenntnis von dem tiefgreifenderen Vertrauensbruch dann aber dazu, dass der Käufer nunmehr die Rückabwicklung wünscht, so steht ihm dies nach § 123 BGB frei, sodass die Beurteilung des zugrunde liegenden Lebenssachverhalts bei ,natürlicher Anschauung‘ dazu führen muss, dass die Rechtskraft des Erstprozesses dem nicht entgegensteht; aA wohl Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 529 ff. 513 Vgl. dazu ausführlich oben zur Bedeutung der Hermeneutik im Recht für die Einbeziehung ökonomischer Vorherigkeiten in Subsumtionsgrundlagen, 1. Kap. § 2 C) I.5. 514 BGH, NJW 2004, 1252, 1253. 515 Aus diesem Grunde kann auch die Auffassung von Schulze-Schröder, NJW 2004, 1364, die faktische Verkürzung der Anfechtungsfrist komme einer „Rechtsschutzverweigerung zu Gunsten einer nicht nachvollziehbaren, überzogenen Rechtsschutzgewährung für die als arglistig entlarvte Gegenseite“ gleich, nicht überzeugen. Sein Rechtsschutzbegehren hat der Käufer bereits durch den Erstprozess zum Ausdruck gebracht. Verweigert ist ihm sein Rechtsschutzziel nicht worden. Er war schlicht nicht in der Lage, die prozessualen Voraussetzungen dafür herzustellen. Das ist ein grundlegendes und allgemeines Rechtsschutzrisiko, das einen jeden Kläger trifft und bei der Wahl des Zeitpunkts der Rechtsverfolgung stets eine Rolle spielt. Wenn sich aber das Rechtsschutzbegehren bei richtigem hermeneutischem Vorverständnis nicht ändert, gibt es keinen Grund, die bereits verbrauchte Rechtegewährleistung wieder zu eröffnen. 516 Rimmelspacher, JuS 2004, 560, 562 ff. 512
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Leistungsanrechte. Soweit dem Kläger mit Blick mit auf die behauptete Rechtsfolge selbst aus mehreren Normenkomplexen nur ein einheitliches Leistungsanrecht zustehe, er also Leistung auch aus den verschiedenen Anspruchsgrundlagen insgesamt nur einmal verlangen könne, handele es sich um ein einheitliches Leistungsanrecht, das durch die Rechtskraftwirkung eines Ersturteils gesperrt sei. Soweit diese Argumentation aber auf die begehrte Rechtsfolge und die Frage abstellt, ob sich diese aus den verschiedenen Normenkomplexen ergänze oder überlagere, geht es letzthin auch hier um die Frage, zum Anlass für welche Reallokation der Ressourcen der Kläger die ihm im jeweiligen Verfahrensstadium bekannten sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen nimmt. Die Konzentration auf das präferenzbezogene Leistungsbegehren des Käufers bietet gegenüber der Anknüpfung an das Leistungsanrecht aber den Vorteil, dass nicht auf prozessualer Ebene das materielle Konkurrenzverhältnis der betreffenden Normenkomplexe zueinander aufgelöst und entschieden werden muss, ob Anspruchskonkurrenz besteht oder nicht. Darüber hinaus hat der verstrickte Käufer auf institutionelle Konkurrenzen keinen Einfluss, sodass sein Rechtsschutzziel auf Grundlage seiner Leistungsanrechte abstrakt, also von der konkreten Verstrickungslage losgelöst beurteilt würde; eine Ausrichtung an dem eigenen präferenzbezogenen Rechtsschutzbegehren dürfte demgegenüber die größere Akzeptanz auslösen und damit nicht zuletzt zur selbstvollstreckenden Wirkung der Institution beitragen.517 Althammer/Löhnig518 stützen ihre Ansicht von einer Einheitlichkeit des Klagegrundes darauf, dass die Arglist klagebegründende Tatsache sowohl im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB als auch als Replik gegen typische Verkäufereinwendungen von Bedeutung sei, so etwa gegen die Einrede der Verjährung oder im Rahmen von Gewährleistungsausschlüssen. Da von der Präklusionswirkung der materiellen Rechtskraft aber nur solche Umstände nicht erfasst seien, die eine solche Selbstständigkeit aufwiesen, dass der Kläger sie von seinem Standpunkt aus nicht hatte vorbringen müssen, komme es hier auf die Herleitung aus unterschiedlichen materiellen Normenkomplexen nicht entscheidend an. Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass sie nicht aus ihrer systematischen Grundstruktur heraus den zu entscheidenden Fall löst, sondern aus der Betrachtung des Falls eine Struktur abzuleiten versucht, die bereits im nächsten Fall nicht mehr mit der selben Überzeugungskraft passen muss. So kann z.B. der arglistig getäuschte und deshalb in einen ungewollten Vertrag verstrickte Käufer, der – regelmäßig auch aus einer Beweisnot heraus – in einem Aktivprozess mit seinem Anfechtungsbegehren nach § 123 BGB gescheitert ist, die Zahlung des Kaufpreises im Passivprozess sehr wohl noch unter Berufung
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Zur Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Akzeptanz von Normen und der damit einhergehenden selbstvollstreckenden Normwirkung von Hayek, Studies in Philosophy, S. 100, und auch schon oben 1. Kap. § 2 B) III.3 b). 518 Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 524.
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auf die Arglisteinrede des § 853 BGB verweigern,519 liegen ihm nunmehr die erforderlichen Beweismittel vor. Auch hier ist der Umstand der Arglist des Verkäufers nicht mit einer Selbstständigkeit in dem Sinne ausgestaltet, dass der Käufer sich von seinem Standpunkt aus im Erstprozess nicht darauf hätte berufen müssen; dennoch sind die sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen nicht miteinander vergleichbar, da es im einen Fall dem Käufer um die aus eigenem Antrieb angestrengte Rückabwicklung des Vertrages, im anderen um die Abwehr einer arglistig erworbenen Forderung zu einem Zeitpunkt geht, zu dem der verstrickte Käufer eigene Bemühungen unlängst – wegen der Rechtskraft einerseits, der Verjährung andererseits – hatte einstellen müssen. Die hier vertretene Auffassung bietet damit den Vorteil, dass sie einer als systemischen erkannten Grundstruktur entspringt und deshalb von der konkreten Sachverhaltsgestaltung losgelöst in der Lage ist, Strukturen zu extrapolieren und einer juristischen Subsumtion zuzuführen, wo sonst das Risiko besteht, den konkreten Fall zur Systembildung heranzuziehen, wie dies bei Althammer/Löhnig520 den Eindruck erweckt, aber den Widerspruch schon in den Begrifflichkeiten ,Einzelfall‘ und ,Systembildung‘ nicht aufzulösen vermag. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass der ,natürlichen Anschauung‘ des BGH521 zur Beurteilung der Präklusionswirkung der materiellen Rechtskraft unter der Maßgabe zuzustimmen ist, dass die Betrachtung des Sachverhalts deshalb zu einer ,natürlichen‘ Anschauung wird, weil sie auf ein systemisches Verständnis der Geschehensabläufe aufbaut und damit erst die für eine verlässliche juristischen Subsumtion einzubeziehenden verhaltensökonomischen Vorherigkeiten in sich aufnimmt. Eine Rechtsschutzverweigerung522 ist dann aber nicht im Ansatz erkennbar,523 da dem verstrickten Käufer für jedes berechtigte Rechtsschutzziel der Klageweg – einmal – eröffnet ist; eine mehrfache Bereitstellung des Klageweges aber ist weder geboten noch sinnvoll oder (transaktionskosten-)effizient.524 Aus dieser ökonomischen Gleichrichtung der Anspruchsziele folgt schließlich eine institutionelle Überlagerung im Sinne eines primen usus: Mit der Ausübung der Wahl eines der sich überlagernden Institute, der Arglistanfechtung und des ge519 Der Arglisteinrede nach § 853 BGB steht nämlich nicht die Rechtskraft des gescheiterten Arglistanfechtungsprozesses nach § 123 BGB entgegen, da es sich hierbei nicht um das kontradiktorische Gegenteil handelt. Einmal, nämlich im Anfechtungsprozess, ist materieller Streitgegenstand das rechtswirksame und rechtsbeständige Zustandekommen des Vertrages, während die Arglisteinrede einen Fall der unzulässigen Rechtsausübung aus dem grundsätzlich rechtswirksamen Vertrag betrifft. Dementsprechend hat der BGH, NJW 1969, 604, bereits sehr früh klargestellt, dass § 853 BGB z.B. im Falle der Versäumung der Anfechtungsfrist aus §§ 123, 124 BGB entsprechend anzuwenden ist. 520 Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 524 f. 521 Nochmals: BGH, NJW 2004, 1252. 522 Mit diesem sehr strengen Postulat Schulze-Schröder, NJW 2004, 1364. 523 Auch Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 525, halten diese Ansicht Schulze-Schröder’s, NJW 2004, 1364, für „überzogen“. 524 Und auch das Argument, durch die Präklusion der materiellen Rechtskraft werde die Verjährung des § 124 BGB abgeschnitten und der arglistig Getäuschte zu einer frühzeitigen Ausübung des Anfechtungsanspruchs gezwungen, verfängt jedenfalls seit der Ersetzung der kurzen kaufrechtlichen Verjährung durch die zweijährige Regelverjährung des modernisierten Kaufrechts nicht mehr.
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währleistungsrechtlichen Rücktritts hat der Käufer sein aus den veränderten sozialökonomischen Rahmenbedingungen folgendes Reallokationsrecht in Bezug auf die transaktionsspezifischen Ressourcen ausgeübt und damit seinen geänderten und nunmehr bevorzugten Nutzenerwartungen Ausdruck verliehen. Der Reallokationsanspruch ist im ersten Schritt erfüllt, so dass die institutionelle Überlagerung nicht zu einer Konkurrenz der Ansprüche im Sinne eines das jeweils andere Rechtsinstitut sperrenden Prioritätsgrundsatzes führt, sondern vielmehr zu einer institutionenübergreifenden Erfüllung des Reallokationsanspruchs.525 Scheitert diese Erfüllungswirkung im Stadium des Prozesses, liegt dies in der Trennung zwischen Prozess- und materiellem Recht und darin begründet, dass auch das Prozessrecht eigenen, auch ökonomischen Gesetzes gehorcht und gehalten ist, eine effiziente und verfahrensökonomische Struktur zur Verfügung zu stellen, die im Zivilprozess nicht zuletzt und grundsätzlich zu Recht auf dem Beibringungsgrundsatz aufbaut. III. Das Verhältnis der Arglistanfechtung zur Nacherfüllung III.1 Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung a) Vorbemerkung und Präjudizienbestand Die enge Einbettung der sich überlagernden Anspruchsgrundlagen in das Gefüge ökonomischer Vorherigkeiten auf Grundlage der Interpretation des Handelns der betroffenen Akteure am Maßstab der sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen zeigt bereits, dass die Rechtsinstitute der Arglistanfechtung nach § 123 BGB und der kaufrechtlichen Gewährleistung nicht derart unbeeinflusst nebeneinander stehen, wie es die jüngeren Judikate des BGH526 vielleicht vermuten lassen. Das Verständnis von der Gleichrichtung des mit dem Anspruchsziel verfolgten Nutzens hilft nunmehr, auch die direkte Einflussnahme auf tatbestandlicher Ebene konsistent zu erfassen und zu verarbeiten.527 Wenn das Rücktrittsrecht und die Arglistanfechtung der einheitlichen Abwehr einer vom Verkäufer verursachten Verstrickungslage dienen,528 und damit letztlich 525 An dieser Stelle entsteht bei der Betrachtung vom Ergebnis her damit wieder ein gewisser Gleichlauf mit der Ansicht Rimmelspacher’s, JuS 2004, 560, 562 ff. 526 BGH, NJW 2006, 2839. 527 Ohne jede Auseinandersetzung mit den sich im Rahmen der Nacherfüllung ergebenden Konkurrenzproblemen in Fällen der arglistigen Täuschung des Käufers Köster, Jura 2005, 145, 147, die sich auf den Hinweis der Zulässigkeit der Arglistanfechtung wegen eines fehlenden Schutzbedürfnisses des Verkäufers beschränkt; Brors, WM 2002, 1780, verzichtet insgesamt auf die Erwähnung des § 123 BGB im Rahmen ihrer Darstellung der ,Konkurrenzen im neuen Kaufgewährleistungsrecht‘. 528 Die Einheit der Rückabwicklung zeigt sich bereits bei rein juristischer Betrachtung in den Schutzrichtungen beider Rechtsinstitute: Während das Gewährleistungsrecht vornehmlich der Wahrung des Äquivalenzinteresses dient, soll das Anfechtungsrecht den Schutz der freien Willensbildung vor exogenen Einflüssen bewirken. Auch diese freie Willensbildung dient jedoch der Wahrung des Äquivalenzinteresses, da nur der über die relevanten Umstände informierte Käufer die Entscheidung über die subjektive Wertäquivalenz fehlerfrei treffen kann, Weiler, ZGS 2002, 249, 254. Die Argumentation Weiler’s entspricht der hier rechtsökonomisch hergeleiteten Argumentation zur Ermittlung der
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ein Wahlrecht des Käufers besteht, auf welchen der grundsätzlich eröffneten Normenkomplexe er sein Reallokationsinteresse stützen möchte, spricht vieles dafür, dass dieser Gleichlauf auch auf tatbestandlicher Ebene hergestellt werden muss, nämlich eine arglistige Täuschung immer auch die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung im Sinne des § 440 BGB begründet und deshalb der Käufer zum sofortigen Rücktritt berechtigt ist.529 Erst durch diese Gleichschaltung auch der Tatbestände wird eine Gleichrangigkeit der Arglistanfechtung mit dem Rücktrittsrecht tatsächlich hergestellt. Der BGH530 hat sich solcher Fälle im überlagernden Rechtsfolgenbereich auch im neuen Schuldrecht bereits wiederholt angenommen und unter Hinweis darauf, dass der arglistig Täuschende den Schutz des Rechts zur zweiten Andienung verwirke, dem Käufer ein grundsätzlich sofortiges Rücktrittsrecht eingeräumt. Wesentliches Argument für den BGH ist hierbei, dass derjenige, der den Mangel kenne, die Möglichkeit habe, ihn vor Vertragsschluss zu beseitigen, um sich regelkonform zu verhalten. Entscheide er sich jedoch dagegen, verdiene er keine zweite Chance.531 Ob dies allerdings in dieser Pauschalität richtig ist, bleibt zu untersuchen. b) Verwirkung des Rechts zur zweiten Andienung und das Recht zur Andienung einer mangelbehafteten Sache Zunächst ist das letzte Argument des BGH zu präzisieren. Auf den ersten Blick hat freilich die Annahme, dass derjenige, der den Mangel kenne und die mangelbehaftete Sache dennoch als Erfüllungssubstrat anbiete, sein Recht zur zweiten Andienung verwirkt habe, den bestechenden Charme des Einfachen für sich; allein die sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen sind nicht immer einfach: So hat der BGH gerade auch in den hier angesprochenen Fällen, seiner ständigen Rechtsprechung folgend, die Arglistschwelle bei Behauptungen des Verkäufers ,in’s Blaue‘532 als überschritten angesehen und so nicht die tatsächliche Kenntnis des Verkäufers von dem Mangel für den tatbestandsbegründenden Umstand gehalten, sondern ein Kennenmüssen genügen lassen.533 Für den Verkäufer indes kann sich die unterlassene Untersuchung trotz der daran anknüpfenden Haftungsgefahren – in Anwendung des Learned Hand – Kriteriums534 – als vorteilhaft darstellen: 529 Zahlungsbereitschaft und des daraus abgeleiteten kooperativen Äquivalenzverhältnisses, was ein weiteres Mal zeigt, wie eng die rechtsökonomische Methodik mit der juristischen bei genauerer Betrachtung verwurzelt ist. 529 Dazu ausführlich Derleder/Sommer, JZ 2007, 338 ff. 530 BGH, ZGS 2007, 109; BGH, ZGS 2006, 348; BGH, ZGS 2006, 236. 531 BGH, ZGS 2007, 109 (Tz. 14). 532 So insbesondere in der hier bereits besprochenen Entscheidung BGH, NJW 2006, 2839. 533 Der Arglist im Sinne des § 123 BGB liegt tatbestandlich damit ein normatives Verständnis zugrunde, ähnlich, wie dies bereits einleitend für das normative Vertrauen, nämlich ein Vertrauendürfen herausgestellt worden war, vgl. Einl. § 3 B) III. 534 Vgl. dazu mit ausführlicher Darstellung des zugrunde liegenden Falls aus der u.s.-amerikanischen Rechtsprechung oben 1. Kap. § 1 A).
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Übersteigen die Kosten des gewerblichen Kfz-Wiederverkäufers einer obligatorisch-präventiven Untersuchung von z.B. in Zahlung genommenen Gebrauchtwagen die mit der aus der Häufigkeit solcher Schäden ermittelten Eintrittswahrscheinlichkeit multiplizierten und der Höhe nach zu prospektierenden Gewährleistungsaufwendungen, reduziert um etwaige Regressansprüche gegen den eigenen Verkäufer, so kann die unterlassene Untersuchung sich als ökonomisch effizient erweisen.
Auch insoweit kann dem Verkäufer natürlich vorgehalten werden, dass wer ein solches Kalkül zulasten des Käufers anstelle, ebenfalls keine Chance zur zweiten Andienung verdiene; jedoch ist dieses Argument dann bereits sehr viel weniger gewichtig, weil nicht auf einer böslichen Gesinnung des Verkäufers beruhend, sondern auf einem nachvollziehbaren ökonomischen Kalkül. Darüber hinaus wäre das Argument der bewussten Andienung einer mangelhaften Sache als präkludierender Umstand vollends entkräftet, wenn der Verkäufer sogar ein Recht hierzu hätte: Ein solches ließe sich – unter gleichzeitiger Negierung eines Zurückweisungsrechts des Käufers – aus dem Vorrang der Nacherfüllung an sich ableiten, wenn und soweit der Verkäufer unter bestimmten Umständen berechtigt ist, die Kaufsache beim Käufer zu reparieren.535 Dem liegt die – auch im alten Schuldrecht für Fälle eines vertraglichen Nachbesserungsrechts vertretene – These zugrunde, dass ein Recht des Verkäufers, die mangelhafte Sache beim Käufer zu verbessern, das Recht des Käufers zur Zurückweisung der mangelhaften Sache ausschließt,536 sodass der Käufer bei Nichtannahme des – mangelhaften – Leistungsangebots in Annahmeverzug geraten und damit die Sachgefahr auf ihn übergehen solle.537 Das Argument jedoch, der Gesetzgeber habe mit seiner dogmatischen Neuordnung des Sachmängelgewährleistungsrechts keine Änderung in Bezug auf den Übergang der Sachgefahr vom Verkäufer auf den Käufer treffen wollen538 und die klare Entscheidung für die Erfüllungstheorie habe nur dem Zweck gedient, das Gewährleistungsrecht in das allgemeine Leistungsstörungsrecht zu integrieren,539 überzeugt indes nicht. Denn ein solches Nachbesserungsrecht setzte voraus, dass der Verkäufer einen eigenen durchsetzbaren Nachbesserungsanspruch überhaupt hat. Dies hingegen ist nicht der Fall. Der Verkäufer hat zwar ein Recht zur zweiten Andienung. Dies schützt aber nur vor der unmittelbaren Geltendmachung von Sekundärrechtsbehelfen und ist deshalb davon abhängig, dass der Käufer überhaupt Gewährleistungsansprüche geltend macht. Tut er dies nicht, 535
So Jansen, ZIP 2002, 877, 878. Ausführlich Jud, JuS 2004, 841, 843 ff. 537 Jansen, ZIP 2002, 877, 878 f. 538 Der Hinweis auf die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 189, wonach die Änderungen des § 326 Abs. 2 BGB gegenüber § 324 BGB a.F. nur redaktioneller Natur sein sollten, ist nicht geeignet, die gesamte dogmatische Struktur des neuen und an der Erfüllungstheorie ausgerichteten Sachmängelgewährleistungsrechts zu unterminieren. Auch soweit deshalb in Teilbereichen die Änderungen nur redaktioneller Natur sein sollten, sind die Gewährleistungsrechtsbehelfe dennoch konsistent in das neue System einzubetten, woraus sich für sich allein bereits Änderungen ergeben können. 539 Jansen, ZIP 2002, 877, 878. 536
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gibt es auch keinen Nachbesserungsanspruch des Verkäufers.540 Der Käufer demgegenüber ist angesichts seines – fortbestehenden – Erfüllungsanspruchs aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB und aufgrund der Tatsache, dass das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz § 266 BGB unangetastet gelassen hat und deshalb eine Derogation der Vorschrift durch das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung nicht ohne weiteres herzuleiten ist,541 nicht verpflichtet, eine Teilleistung, zu welcher der Verkäufer nach § 266 BGB grundsätzlich nicht berechtigt ist, anzunehmen.542 Zur Ausübung von Gewährleistungsrechten kommt es in diesem Fall dann aber nicht, da die Erfüllung des Schuldverhältnisses auf Ebene des primären Erfüllungsanspruchs, auf welchen der Käufer sich vorrangig zu berufen berechtigt ist, stecken bleibt. Es ist dann und außerhalb des Gewährleistungsrechts nach wie vor am Verkäufer, eine ordnungsmäßige und vertragsgerechte Erfüllungshandlung vorzunehmen, die geeignet ist, den Leistungserfolg herzustellen. Dieser sich daraus ergebende Vorrang eines Zurückweisungsrechts des Käufers auch bei behebbaren Mängeln vor einem ,Nachbesserungsanspruch‘ des Verkäufers ist auch vor dem Hintergrund eines effektiven Erhalts der mit dem Gewährleistungsrecht institutionell zur Verfügung gestellten Wahlmöglichkeiten des Käufers gerechtfertigt. Die Einbeziehung ökonomischer Vorherigkeiten im Recht jedenfalls unterstützt dieses Ergebnis: Wie im Zusammenhang mit der Erörterung von Präferenzverschiebungen und dem hierbei bedeutsamen endowment effect gesehen,543 bewerten Menschen entgangene Chancen tendenziell niedriger, als tatsächlich anfallende Kosten („out of pocket“ – Kosten), und als unmittelbarer Folge hieraus Güter, die sich in ihrem Besitz befinden, höher, als solche, die sie erst noch erwerben müssen.544 Dies bewirkt aber, dass die „Erfüllung“ des Vertrages mit einem mangelbehafteten Vertragsgegenstand eine Präferenzverschiebung auf Käuferseite bewirken kann, die potentiell geeignet ist, den Käufer in der Wahl seiner Gewährleistungsrechte zu beeinflussen, nämlich die Nachbesserung der Neulieferung oder die Minderung dem Rücktritt vorzuziehen. Der Besitz und das Innehaben des – auch mangelbehafteten – Vertragsgegenstandes selbst nämlich birgt bereits das Potential einer unbewussten und nicht ökonomisch-rationalen Präferenz540
Ebenso Lamprecht, ZIP 2002, 1790, 1791, mit ausdrücklicher Erwiderung auch auf Jansen, ZIP 2002, 877: „Die Thesen Jansens betreffen das Recht des Käufers, mangelhafte Kaufsachen gar nicht erst vom Verkäufer entgegenzunehmen. Dieses Recht ermöglicht dem Käufer, allein durch Nichtabnahme der Kaufsache von vornherein auf einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Kaufvertrags zu beharren. (…) Dient der Verkäufer [eine] mangelhafte Sache an, ist nicht das Abnahmeverweigerungsrecht, sondern dessen Einschränkung zu begründen.“. 541 Eines Rückgriffs auf § 266 BGB, der auf eine Schlechtleistung im Rahmen der Erfüllung eines Kaufvertrages unter dem Gesichtspunkt der ,qualitativen Teilleistung‘ anwendbar ist, vgl. Krüger, in: MünchKomm-BGB, § 266 Rz. 4, bedarf es demgegenüber nicht, wenn man das Zurückweisungsrecht des Käufers aus dem Erfüllungsanspruch originär ableitet, weil die Andienung einer mangelbehafteten Sache keine gehörige Erfüllung darstellt, vgl. Bittner, in: Staudinger, BGB, § 266 Rz. 14. 542 Ausführlich Jud, JuS 2004, 841, 843 ff. 543 Ausführlich dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa). 544 Vgl. auch hier noch einmal v. Aaken, Rational Choice, S. 91 ff.
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verschiebung.545 Wenn aber der Mangel bereits bei der Erstlieferung bekannt ist, besteht keine Rechtfertigung, dem Verkäufer aus den Erkenntnissen der behavioural law and economics folgendes Potential an die Hand zu geben, mit Präferenzverschiebungen des Käufers zu taktieren.546 Vielmehr muss es dem Käufer freistehen, die mangelbehaftete Sache anzunehmen und kooperationsäquivalente Zustände im Rahmen der Nacherfüllung und der Sekundärrechtsbehelfe herzustellen, oder aber auf seinem primären Erfüllungsanspruch zu bestehen. Dann aber kann er die Sache entsprechend § 266 BGB zurückweisen, um Nachteile, offensichtliche in seiner Rechtsposition547 und weniger offensichtliche für seine Entscheidungsfreiheit in Bezug auf das ihm gesetzlich eröffnete Wahlrecht zu vermeiden. c) Unzumutbarkeit der Nacherfüllung als Ableitung des vertraglich-kooperativen Äquivalenzverhältnisses In der Sache verliert das Argument des BGH, der dem Käufer bewusst eine mangelbehaftete Sache andienende Verkäufer sei nicht schutzbedürftig und verdiene deshalb die zweite Chance des Nacherfüllungsrechts nicht, daher nicht deshalb an Kraft, weil der Verkäufer zur Andienung einer solchen Sache berechtigt und der Käufer zu ihrer Annahme verpflichtet wäre. Trotz allem ist der Nacherfüllungsanspruch aber, wie bereits ausführlich hergeleitet,548 mit dem Ziel, den Grundsatz pacta sunt servanda zu stärken und die in der Rechtsökonomik teils vertretene Möglichkeit eines effizienten Vertragsbruchs549 zurückzudrängen, ökonomisch sinnvoll und als solcher Bestandteil des als Gesamtheit zu betrachtenden kooperativen Äquivalenzverhältnisses.550 Daraus jedoch folgt, dass die tat545 Diese Gefahr erkennt auch Lamprecht, ZIP 2002, 1790 f., als wesentlichen Grund für ein Zurückweisungsrecht des Käufers auch im modernisierten Schuldrecht: „Die Abnahme der Kaufsache besitzt daher die Kraft des Faktischen. (…) Sinn des Abnahmeverweigerungsrechts ist es, den Käufer vor dieser Entwicklung sowie vor den Belästigungen einer Nacherfüllung zu schützen. (…) Die Gefahr, dass die Abwicklung des Kaufvertrags verteuert und gefährdet wird, weil der Käufer die Kaufsache wegen eines Mangels nicht abnimmt, muss grundsätzlich beim Verkäufer verbleiben. Er ist es, der hinter seinen Vertragspflichten zurückbleibt. Es sollte dem Verkäufer auch kein Anreiz geboten werden, (…) gleich darauf zu spekulieren, dass der Käufer – einmal im Besitz der Kaufsache – sich mit dieser trotz ihrer Mangelhaftigkeit zufrieden geben wird.“. Gerade in diesen letzten Worten kommt die auch von Lamprecht erkannte Gefahr für den Käufer aus dem endowment effect zum Ausdruck, vor dem die Rechtsordnung gehalten ist, den Käufer zu schützen. 546 Dass außerjuristische Zwänge die rechtsdogmatische Bewertung eines Vorgangs beeinflussen können, ist bei der Rechtfertigung der Einbeziehung ökonomischer Vorherigkeiten in die juristische Auslegungsmethodik unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BVerfG bereits hergeleitet worden, vgl. 1. Kap. § 3 C). Die dort verwendeten Argumente greifen auch hier und gebieten im Rahmen einer Kooperationsbeziehung darauf Rücksicht zu nehmen. 547 So vertritt Lamprecht, ZIP 2002, 1790, 1791, zu Recht die Auffassung, dass es dem Käufer nicht zugemutet werden könne, seine Rechtsposition durch die Annahme einer mangelbehafteten, wenn auch nachbesserungsfähigen Sache sehenden Auges zu verschlechtern. I.E. ebenso Jud, JuS 2004, 841, 844. 548 Dazu 2. Kap. § 2 B). 549 Vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.1 bis I.3. 550 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4.
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bestandliche Erfüllung des § 123 BGB einen Automatismus in Richtung der Unzumutbarkeit der Nacherfüllung im Sinne des § 440 BGB nur dann auslösen kann und damit die Anfechtung tatsächlich dergestalt in den Rang neben Rücktritt und Schadensersatz tritt, dass diese nicht von einem vorherigen und erfolglos gebliebenen Nacherfüllungsverlangen abhängig sind, sondern ebenso wie die Anfechtung unmittelbar geltend gemacht werden können,551 wenn dies mit einer Gesamtwertung auch unter Berücksichtigung der Interessenlage des Verkäufers in Einklang zu bringen ist. Auch die Interessenlage des Verkäufers spielt hierbei nämlich eine – wenn auch wertungsmäßig untergeordnete – Rolle, da es trotz des als Folge der arglistigen Täuschung stark zurückgedrängten Verkäuferinteresses nach wie vor um die Frage der Abwehr einer Verstrickungslage, also die Lösung aus einem als Kooperationsverhältnis angelegten bidirektionalen Vertragsund Vertrauensverhältnis552 geht. Aus diesem Grunde scheint es problematisch, die Wertung, ob die Nacherfüllung gemäß § 440 BGB nach einer verkäuferseitigen arglistigen Täuschung dem Käufer unzumutbar ist, mit Derleder/Sommer553 allein daraus abzuleiten, ob für die Vornahme der Nacherfüllung noch eine weitere Kooperation zwischen den Vertragsparteien erforderlich ist, für welche es aber nach der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer bereits in der Ausgangskommunikation der Parteien an der nötigen Vertrauensgrundlage fehle. Wenn nämlich zum Zwecke der Leistungserbringung – wie regelmäßig – eine weitere Kooperation zwischen den Parteien nötig sei, so könne diese dem Käufer nicht abverlagt werden, da ihm nicht zumutbar sei, seine Rechtsgüter erneut der Einflusssphäre des sich als untreu erwiesenen Verkäufers auszusetzen. Im Vordergrund dieser Betrachtung steht – unausgesprochen – das Integritätsinteresse des Käufers. Soweit dieses nicht gefährdet werde, weil es etwa um die durch Leistung an einen Dritten zu bewerkstelligende Beseitigung eines Rechtsmangels geht oder die Nacherfüllung ausnahmsweise mal nicht von einer rechtsgeschäftlichen Annahmeerklärung und einer weiteren Mangelprüfung abhängig ist, bestehe kein Grund für den nachfristlosen Übergang auf die Sekundärrechtsbehelfe.554 Eine Beurteilung auf Basis des Integritätsinteresses des Käufers allein wird jedoch der als kooperatives Äquivalenzverhältnis zu qualifizierenden Vertragsbezie551 Differenzierend Derleder/Sommer, JZ 2007, 338 ff. Für einen generellen Ausschluss des Rechts zur zweiten Andienung unter Befürwortung der Rechtsprechung des BGH Kulke, ZGS 2007, 89 ff. 552 Zur Bidirektionalität des der Kooperationsbeziehung zugrunde liegenden Vertrauens oben 1. Kap. § 2 C) I.4 d). 553 So die wesentlichen Argumente von Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 339 ff. 554 Für den Rechtsmangel Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 339, ausdrücklich; mit Blick auf den Sachmangel ergibt sich die offenbar gewollte Einschränkung aus der Schlussbemerkung (S. 342 f.): „Der über einen Sachmangel arglistig getäuschte Käufer braucht keine Nacherfüllung des Verkäufers hinzunehmen, wenn für diese eine Kooperation in Form der rechtsgeschäftlichen Annahme und einer weiteren Mangelprüfung erforderlich ist.“.
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hung nicht hinreichend gerecht. Die Beurteilung der Unzumutbarkeit im Sinne des § 440 BGB ist deshalb, um den vertraglichen Wechselbezüglichkeiten gerecht zu werden, neben dem gewichtigen und von Derleder/Sommer555 in der Sache auch zu Recht herausgestellten Arguments des Schutzes des käuferseitigen Integritätsinteresses, um eine Betrachtung vor dem Hintergrund des der Vertragsbeziehung zugrunde liegenden kooperativen Äquivalenzverhältnisses zu ergänzen. Dies muss allerdings nicht bedeuten, dass eine solche Betrachtung vom Äquivalenzinteresse her zu grundlegend anderen Ergebnissen führte. Das kooperative Äquivalenzverhältnis bildet sich aus der schrittweise Annäherung der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft der Parteien, die ihrerseits gebildet wird auf Grundlage des jeweiligen transaktionsspezifischen Informationshorizonts. Dieser wiederum wird maßgeblich bestimmt durch die dem Kooperationsverhältnis zugrunde liegenden Aufklärungsverantwortlichkeiten und -obliegenheiten einerseits sowie durch eine implizite Risikozuweisung für unaufgeklärt gebliebene Umstände andererseits.556 Wenn nun auf der einen Seite der Verkäufer – im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB definitionsgemäß557 – derart auf den Informationshorizont des Käufers Einfluss nimmt, dass der Käufer hierdurch zu einer Entscheidung veranlasst wird, die er bei kooperationsgerechter Informationslage nicht getroffen haben würde, so wirkt dies unmittelbar auf die Bildung seiner Zahlungsbereitschaft558 und damit auf die Grundfesten der Äquivalenzbeziehung ein.559 Diese stellt sich dann aber insoweit, da nicht privatautonom gebildet, nicht länger als kooperative Äquivalenzbeziehung dar und verliert überdies ihre ökonomische Rechtfertigung, Korrelat nicht mess- und vergleichbarer subjektiver Vertragswerte zu sein. Wenn gleichzeitig aber auf der anderen Seite der institutionalisierte Nacherfüllungsanspruch, wie hier ausführlich hergeleitet,560 grundlegender Bestandteil des im Falle einer arglistigen Täuschung unterminierten kooperativen Äquivalenzverhältnisses ist, so entfällt mit der täuschungsbedingten Einflussnahme auf die Zahlungsbereitschaft des Käufers die realwissenschaftliche Rechtfertigung für die dogmatische Begründung des Nacherfüllungsanspruchs insgesamt. Wo nämlich das Vertragsverhältnis nicht auf einem kooperativ unter den Grundsätzen marktwirtschaftlichen Miteinanders gebildeten Äquivalenzverhältnis gründet, muss dieses Äquiva-
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Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 339 ff. Dies fasst die wesentlichen Ergebnisse des 1. Kapitels der Arbeit noch einmal sehr knapp zusammen. Vgl. dazu die ausführliche Zusammenfassung unter oben 1. Kap. § 3 A) sowie die wesentlichen Elemente der Herleitung unter 1. Kap. § 2 C) I.4 und I.5. 557 Zur Definition des Schutzzwecks des § 123 Abs. 1 BGB und des Tatbestandes der arglistigen Täuschung oben 2. Kap. § 3 C) I. mit Hinweis auf Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 244. 558 Zur Zahlungsbereitschaft als einzig messbarem und justitiablem Instrument der Vertragswertbemessung und der impliziten Risikozuordnung und damit als Grundlage der kooperativen Äquivalenzbeziehung vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc). 559 In ähnlichem Sinne, freilich aber ohne Bezugnahme auf die ökonomischen Implikationen der Vertragsbeziehung Grigoleit, NJW 1999, 900, 902; Lorenz, NJW 1998, 1053, 1055. 560 Vgl. oben 2. Kap. § 2 B) I. bis II.3. 556
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lenzverhältnis auch nicht durch die Institutionalisierung eines Nacherfüllungsanspruchs geschützt werden.561 Daraus folgt dann aber mutatis mutandis, dass richtigerweise die Geltendmachung von Sekundärrechtsbehelfen zur Abwehr der vom Verkäufer – jedenfalls bedingt – vorsätzlich herbeigeführten Verstrickung des Käufers nicht von einem vorherigen Nacherfüllungsanspruch und damit nicht von einer vorherigen Fristsetzung abhängen kann. Denn wo es ein schützenswertes vertragliches Äquivalenzverhältnis als Grundlage der Kooperation nicht gibt, kann ein solches auch nicht im Wege der Nacherfüllung im Wege einer zweiten Andienung verwirklicht werden. Dem steht auch nicht das eingangs angeführte Beispiel des ökonomisch auf Grundlage des Learned Hand – Kriteriums kalkulierenden Gebrauchtwagenhändlers entgegen, das zur Abschwächung der vom BGH verwendeten These des nicht schutzwürdigen Verkäufers verwendet worden war, entgegen. Denn auch wenn und soweit es aus Verkäufersicht ökonomisch sinnvolle Gründe für die Handlungsentscheidung geben sollte und das Verhalten aus subjektivem Kalkül heraus effizient erscheinen mag, ändert dies nichts daran, dass dieses Kalkül vom Verkäufer bewusst außerhalb der vertraglich-kooperativen Äquivalenzbeziehung angestellt wird, aber nur letzteres durch das Recht zur zweiten Andienung geschützt werden muss. Das die Äquivalenzbeziehung gerade unterminierende eigene Kalkül des Verkäufers steht damit aber zwingend außerhalb dieses Schutzzwecks und damit außerhalb eines der Nacherfüllung zugänglichen Kooperationsverhältnisses. Außerdem dienen die rechtlichen Institutionen zur Bewältigung von Verstrikkungslagen der Kompensation fehlender Markttransparenz und der Simulation der Bedingungen, wie sie unter vollständiger Information und Konkurrenz herrschten.562 Unter diesen ideal-typischen Modellbedingungen aber würden Verkäufer, die der arglistigen Täuschung ihrer Kunden überführt werden, sich nicht halten können; die potentiellen Käufer würden vielmehr abwandern und das Angebot des untreuen durch ehrliche Verkäufer substituiert. Die von der Rechtsordnung geforderte Simulation solcher Marktbedingungen563 setzt dann aber voraus, dass der Käufer für das konkret zur rechtlichen Beurteilung anstehende Geschäft tatsächlich aus dem Markt genommen und ihm nicht durch eine zweite Andienung die Chance 561 Einen ähnlichen, weniger realwissenschaftlich und mehr wertungsmäßig geprägten Ansatz verfolgt Kulke, ZGS 2007, 89, 91, wenn er den grundsätzlichen Ausschluss des Rechts zur zweiten Andienung nach arglistiger Täuschung mit dem Regel-Ausnahme-Prinzip des Gesetzes begründet: Das Gesetz gehe davon aus, dass der mangelhaft leistende Verkäufer eine zweite Chance erhalten solle. Diesem Recht liege aber zugleich der Gedanke zugrunde, dass der Verkäufer redlich und lauter sei. Das Bestehen des Fristsetzungserfordernisses zur Ermöglichung der zweiten Andienung sei die Regel, deren Entbehrlichkeit die Ausnahme. Da jedoch der unredliche Verkäufer nicht den Regelfall repräsentiere, könne er für sich auch nicht die Regel des Rechts zur zweiten Andienung in Anspruch nehmen. 562 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 c) mit Hinweis u.a. auf Williamson, Institutionen, S. 334. 563 Vgl. dazu wie bereits oben Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 218.
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weiterer Marktteilnahme eröffnet wird. Dieses Ergebnis allerdings ist nur durch das sofortige Wahlrecht des Käufers zu erreichen, auf Sekundärrechtsbehelfe umzuschwenken und dem Verkäufer keine Nacherfüllungschance einräumen zu müssen. Ebenso folgt hieraus, dass es für die grundsätzliche Unzumutbarkeit der Nacherfüllung und damit für den Entfall des Fristsetzungserfordernisses gemäß § 440 BGB nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob der Käufer tatsächlich nach § 123 Abs. 1 BGB angefochten hat oder ihm dieses Anfechtungsrecht noch offen steht. Die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung für den Käufer folgt aus den kooperationsrechtlichen und äquivalenzgerechten Grundlagen des Vertrages und ist daher unabhängig von der tatsächlichen Ausübung alternierender Rechtsbehelfe.564 Dem Käufer muss es überdies freistehen, die veränderten sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen einer neuen subjektiven Nutzenbewertung zu unterziehen und daraus seine Handlungsoptionen mit dem subjektiv größten Nutzen abzuleiten. d) Ergebnis Im Ergebnis folgt daraus, dass eine tatbestandliche arglistige Täuschung im Sinne des § 123 Abs. 1 BGB obligatorisch auch die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung im Sinne des § 440 BGB begründet. Dem Käufer steht es daher frei, anzufechten, sich auf die kaufvertraglichen Sekundärrechtsbehelfe zu berufen oder aber dem Verkäufer trotz dessen Ausbruchs aus der Kooperationsbeziehung die Chance zur zweiten Andienung zu geben. Über die Brücke des § 440 BGB wird damit ein institutioneller Gleichlauf zwischen der Arglistanfechtung als Rechtsbehelf des Allgemeinen Teils und den Sekundärrechtsbehelfen des Besonderen und des Allgemeinen Schuldrechts hergestellt. Wo die Anfechtung möglich ist, ist auch der sofortige Rücktritt oder die Geltendmachung des großen Schadensersatzes ohne vorherige Fristseztung eröffnet. Dieser Gleichlauf hilft, Wertungswidersprüche zu vermeiden und stellt einen weiteren Schritt auf dem Weg der Verfestigung eines konsistenten und vollumfänglich aufeinander abgestimmten Rechtsfolgensystems der Verstrickung durch Desinformation dar. III.2 Arglistanfechtung in der Nacherfüllungsschwebe Wenn es, wie soeben gesehen, dem Käufer frei steht, neben oder statt der Arglistanfechtung und den gewährleistungsrechtlichen Sekundärrechtsbehelfen dem Verkäufer trotz dessen Ausbruchs aus der Kooperations- und damit der Vertrauensbeziehung die Chance der zweiten Andienung einzuräumen und so den Nacherfüllungsanspruch geltend zu machen, so folgt hieraus unweigerlich die 564 Im Ergebnis ebenso Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 341: „Ist die einjährige Anfechtungsfrist des § 124 BGB abgelaufen und der Streit über eine mögliche Nacherfüllung noch in der Schwebe, dann kann sich der Käufer gleichfalls noch zur Begründung fälliger Gewährleistungsrechte auf die arglistige Täuschung berufen, wie er dies anerkanntermaßen auch nach Ablauf der Frist zur Begründung eines Schadensersatzanspruchs aus culpa in contrahendo und unerlaubter Handlung kann.“.
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Frage, ob das Recht zur Arglistanfechtung dadurch zu Fall gebracht oder aber jedenfalls für die Dauer der laufenden Nacherfüllungsfrist suspendiert wird. Voraussetzung dafür wäre, dass durch das Nacherfüllungsverlangen ein modifiziertes Transaktionsvertrauen aufseiten des Verkäufers geschaffen wird, das zu einer Derogation des Anfechtungstatbestandes durch das Nacherfüllungsverlangen führt.565 Dieser Ansatz ist im Ausgangspunkt bereits bekannt. Auch im Zusammenhang mit dem Erfordernis einer Nach-Nachfristsetzung beim Nacherfüllungsanspruch566 war erörtert worden, inwieweit ein Nacherfüllungsverlangen trotz bereits eröffneter Sekundärrechtsbehelfe ein transaktionsspezifisches Vertrauen in der Abwicklungsphase des Schuldverhältnisses zu schaffen vermag, an das der die Wahl ausübende Käufer im Rahmen der Dynamik der Vertrauens- und damit auch der Kooperationsbeziehung insoweit gebunden ist, wie die jeweilige Veränderung der sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen dies zulässt. Es war nämlich auf Grundlage der Überlegung, dass sich die Dynamik der Kooperationsbeziehung in der Abwicklungsphase fortsetzt, davon ausgegangen worden, dass die (Nach-)Erfüllungswahl des Käufers ein korrespondierendes Vertrauen des Verkäufers rechtfertigt, die ursprünglich versprochene Leistung noch erbringen zu dürfen, um die versprochene Vergütung so doch noch zu verdienen. Der Unterschied zwischen dem dort behandelten und dem hier zu entscheidenden Fall besteht darin, dass in jenem aus der Anfangskommunikation der Parteien eine belastbare Äquivalenzbeziehung extrapoliert werden konnte, da der Verkäufer in der – als Ausgangspunkt des Kooperationsverhältnisses grundlegenden567 – Anfangskommunikation zur äquivalenz- und damit kooperationsgerechten Vertragserfüllung bereit war. Demgegenüber blockiert die arglistige Täuschung des Käufers bereits in der Vertragsanbahnung die Entwicklung eines äquivalenzgerechten konkreten Transaktionsvertrauens bei gleichzeitiger Enttäuschung Vorschuss- in Form eines abstrakten Anfangsvertrauens;568 der von Beginn an fehlenden äquivalenzgerechten Erfüllungsbereitschaft des Verkäufers als Gegenleistung 565 Kulke, ZGS 2007, 89, erörtert das Problem lediglich für den Fall, dass der Käufer erst im Anschluss an die Nachfristsetzung erfährt, dass der Verkäufer arglistig gehandelt hat. Dies entspricht nicht dem hier zunächst zu diskutierenden Fall, dass sich der Käufer in Kenntnis der Täuschung – zunächst – für die Nacherfüllung entscheidet. 566 Oben 2. Kap. § 2 B) III.2 b). 567 Auch Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 341, halten diese Ausgangskommunikation der Vertragsparteien und das darauf gründende Vertrauen für ein ganz wesentliches Merkmal der Kooperationsbeziehung. Wird dieses in der Ausgangskommunikation seinen Anfang nehmende abstrakte Transaktionsvertrauen missbraucht, so hat dies wesentlichen Einfluss auf die gesamte weitere Kooperationsbeziehung und damit auf das Vertragsverhältnis und die in seinem Rahmen vorzunehmende wertende Risiko- und Lastenverteilung. 568 Zur Differenzierung zwischen dem – hier als „blind“ bezeichneten – abstrakten Anfangsvertrauen, das für das Ingangbringen von das Funktionieren des Marktes über die Grenzen der eigenen Rationalität hinaus als unerlässlich identifiziert wurde, und dem sich daraus erst entwickelnden konkreten Transaktionsvertrauen ausführlich nochmals oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) mit Abb. 4).
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für die unter Ausnutzung des erregten Irrtums provozierte Zahlungsbereitschaft des Käufers steht die enttäuschte Nutzenerwartung des Käufers gegenüber, die infolge des Irrtums tatsächlich niemals Gegenstand einer kooperativen Äquivalenzvereinbarung geworden ist. Wenn es aber von vorneherein an einer validen Äquivalenzvereinbarung und der darauf bezogenen Erfüllungsbereitschaft des Verkäufers fehlt, dann fehlt es an einem Fundament für ein mit dem Nacherfüllungsverlangen korrespondierendes Vertrauen des Verkäufers, die durch Erregung oder Förderung eines Irrtums provozierte und deshalb aus Äquivalenzgesichtspunkten überhöhte Gegenleistung noch verdienen zu können, für welche der Verkäufer selbst niemals beabsichtigte, seinerseits eine nach der Parteivereinbarung subjektv-wertäquivalente Leistung zu erbringen. Ohne ein solcherart korrespondierendes Vertrauen ist aber die Bindung des Käufers an ein Nacherfüllungsverlangen unter gleichzeitiger Derogation des Anfechtungsanspruchs aus § 123 BGB und der gewährleistungsrechtlichen Sekundärrechtsbehelfe nicht denkbar. Die sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen bei der Betrachtung der Nach-Nachfristsetzung im Rahmen des regulären Nacherfüllungsanspruchs und der Nachfristsetzung nach arglistiger Täuschung sind daher trotz der auf den ersten Blick scheinenden Vergleichbarkeit in ihrem Fundament und in ihrer Entwicklung grundverschiedenen und müssen deshalb auch in einer differenzierenden rechtlichen Betrachtung enden. Wenn es damit zwar an einem die ursprüngliche Kooperationsabsprache fortsetzendem korrespondierenden Vertrauen, ausgelöst durch ein Nacherfüllungsverlangen fehlt, ist jedoch noch nicht entschieden, dass das Nacherfüllungsverlangen auf Verkäuferseite überhaupt keine Vertrauensgrundlage schafft und damit für den Käufer ohne jede Bindung bliebe. Durch das Nacherfüllungsverlangen treten die Parteien vielmehr erstmals in eine auf Kooperation angelegte Vertragsbeziehung ein. Durch das Nacherfüllungsverlangen nämlich sieht sich der ursprünglich arglistige Verkäufer nunmehr in eine Kooperationsvereinbarung gezwungen, die er mit diesem Inhalt zunächst nicht hatte abschließen wollen. Die Nacherfülung im Kaufrecht führt demgemäß zu einer gleichsam reziproken Auflösung des Täuschungstatbestandes.569 Erst durch sein Nacherfüllungsverlangen zwingt der Käufer den Verkäufer in die – erstmalige – Bereitstellung der für eine vertragsgerechte Erfüllung notwendigen Ressourcen. Dazu ist er qua Kaufrechts und vor dem Hinter569 Die Arglist war definiert worden als die Erregung eines Irrtums in dem Bewusstsein, dass der andere Teil den Vertrag ohne den Irrtum nicht oder nicht so abgeschlossen hätte, vgl. Singer/v. Finckenstein, in: Staudinger-BGB, § 123 Rz. 6. Dabei war der Verkäufer seinerseits jedoch nicht bereit, den Vertrag zu den dem Käufer vorgespiegelten Konditionen zu erfüllen. Er hat den Käufer so in einen ungewollten Vertrag verstrickt. Durch das Nacherfüllungsverlangen des Käufers kehrt sich dieses Verhältnis um. Nunmehr ist der Käufer in Ausübung der ihm zustehenden Rechte in der Lage, den Verkäufer an der nur vorgespiegelten Erfüllungsbereitschaft auf Grundlage der zunächst nur vermeintlichen Äquivalenzbeziehung festzuhalten und so die mit einem – nach § 116 BGB unbeachtlichen – geheimenen Vorbehalt belegten Erklärungen des Verkäufers in vertraglich valide Absprachen münden zu lassen.
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grund der Unbeachtlichkeit des geheimen Vorbehalts nach § 116 Satz 1 BGB berechtigt.570 Andererseits ist dann aber die vom Käufer versprochene Gegenleistung zwar nicht Vertrauenskatalysator für die nachträgliche Verwirklichung einer ursprünglichen kooperativ-äquivalenten Nutzenerwartung des Verkäufers, so aber jedenfalls Kompensationsmittel für den von ihm im Rahmen der vom Käufer geforderten Nacherfüllung nunmehr tatsächlich geschuldeten Aufwand. Soweit der Käufer mit dem Nacherfüllungsverlangen die Tür zu einer erstmaligen – und wenn auch vom Verkäufer ungewollten – Kooperation der Vertragsparteien aufstößt, ist der Verkäufer zur Mitwirkung hieran nur um den Preis der kooperations-äquivalenten Gegenleistung des Käufers verpflichtet. Dies dürfte selbstverständlich sein. Die Rechtsausübung durch den Käufer außerhalb des Anfechtungstatbestandes bewirkt daher trotz der Täuschung und des dadurch bedingt fehlenden Anfangsvertrauens auch das Entstehen korrespondierender Pflichten. Diese können hier allerdings nicht streng nach dem Grundsatz eines venire contra factum proprium in einer absoluten Bindung an das Nacherfüllungsverlangen festgeschrieben werden.571 Denn ein jedes Verkäufervertrauen ist nur insoweit schutzwürdig, wie es kongruent zu der in dem Erfüllungsverlangen des Käufers zum Ausdruck kommenden Vertrauenserwartung ist und deshalb mit dieser korrespondiert. Im Falle der ordnungsmäßigen Vertragsanbahnung, in deren Folge es zu einer mangelbedingten Störung des Abwicklungsverhältnisses kommt, gründet diese Vertrauenserwartung des Käufers auf einem aus der in den Markt getragenen Reputation des Verkäufers abgeleiteten abstrakten Anfangsvertrauen, das sich in einem etwaig in der Vertragsanbahnungs- und Kooperationsbeziehung konkretisierten Vetrauen fortsetzt. Leistet der Verkäufer – ohne den Käufer zu täuschen – mangelhaft, so zehrt die im ersten Anlauf gescheiterte Erfüllung das Transaktionsvertrauen regelmäßig noch nicht vollständig auf.572 Im Falle der arglistigen Täuschung demgegenüber fehlt es an dieser anfänglichen Vertrauensgrundlage, die sich in der Abwicklungsbeziehung nur schrittweise aufzehren, in der Nacherfüllungszeit aber einstweilen fortsetzen kann. Der Verkäufer hat nämlich bereits in der Anfangskommunikation der Parteien das 570 Die ökonomische Legitimation eines solchen Zwanges in einen vom Verkäufer niemals mit diesem Inhalt beabsichtigten Vertrag ist im Zusammenhang mit der Kommunikations- und Vertrauenswirkung der Reputation im Markt bereits nachgewiesen worden, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die caveat emptor – Regel dahingehend abzuschwächen ist, dass auch dem Werbenden Sorgfaltsobliegenheiten anzulasten sind, die eine Bindungswirkung hinsichtlich des beworbenen Vertragsinhalts auslösen, vgl. oben 1. Kap. § 2 B) III.4 c). 571 Für eine solche aus dem Nacherfüllungsverlangen resultierende Bindung im Rahmen der für erforderlich gehaltenen Nach-Nachfrist aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium insbesondere OLG Celle, NJW 2005, 2094, das jedoch vom BGH, NJW 2006, 1198, aufgehoben worden ist. Zu den i.ü. angebotenen, hier aber bereits verworfenen (oben 2. Kap. § 2 B) III.2 b)) Erklärungsansätzen vgl. Stadler, in: Jauernig, BGB, § 281 Rz. 15 (reziproke Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB); Schwab, JR 2003, 133 (Bindung an die Wahl über § 263 Abs. 2 BGB). 572 Diese Wertung kommt insbesondere darin zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber grundsätzlich in § 440 BGB die zweimalige Nacherfüllung für zumutbar und damit – unausgesprochen – für von der vertraglichen Vertrauensgrundlage gedeckt hält.
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abstrakte Vertrauen des Käufers fehlgeleitet und damit der Vertragsbeziehung die Grundlage eines solchen, sich nur schrittweise verzehrenden Vertrauensstocks entzogen. Mit seinem Nacherfüllungsverlangen nach arglistiger Täuschung spricht der Käufer im Ergebnis deshalb nicht mehr aus als die Aufforderung gegenüber dem Verkäufer, sich so zu verhalten, wie er es bei Berechtigung der von ihm in den Markt getragenen Vertrauenswerbung geschuldet haben würde. Im Nachgang einer arglistigen Täuschung setzt das Nacherfüllungsverlangen daher keine anfänglich berechtigte Vertrauensbeziehung im zweiten Glied fort, sondern eröffnet die Möglichkeit, ein Anfangsvertrauen in einem zweiten Anlauf überhaupt erst zu rechtfertigen, gibt daher die sprichwörtlich sonst niemals gegebene zweite Chance, einen ersten Eindruck zu hinterlassen. Ob der Verkäufer aber die hieran zu stellenden Anforderungen tatsächlich zu erfüllen in der Lage ist, übersteigt in aller Regel den möglichen Informationshorizont des Käufers. Dieser nur eingeschränkten Informationsgrundlage in einem sich bereits als unzuverlässig erwiesenem Vertragsumfeld muss bei der Bindung des Käufers an dessen Nacherfüllungsverlangen Rechnung getragen werden. Das Maß der Bindung des Käufers an sein Nacherfüllungsverlangen trotz einer vorangegangenen arglistigen Täuschung des Verkäufers hängt daher von den in ihrer Folge sich offenbarenden sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen, insbesondere von der Erfüllung der zweifelbehafteten Vertrauenserwartung des Käufers durch den Verkäufer ab. Dabei sind folgende Fälle zu unterscheiden: Kennt der Käufer im Zeitpunkt der Geltendmachung des Nacherfüllungsverlangens die arglistige Täuschung noch nicht und offenbart sich diese ihm erst während der Nacherfüllungsschwebe, so konnte das Nacherfüllungsverlangen kein erstmaliges auf eine kooperative Abwicklung gerichtetes Anfangsvertrauen initiieren, da es gerade an der impliziten Erklärung des Käufers fehlt, dem Verkäufer trotz der Täuschung die Möglichkeit zur Erfüllung des – zunächst vermeintlichen – Reputationsanspruchs noch zu ermöglichen. Der Verkäufer muss vielmehr von dem noch fortwirkenden Irrtum des Käufers ausgehen, was dem nachträglichen Eintritt in eine diesmal reale Kooperationsbeziehung entgegensteht. Eine Bindung des Käufers an das Nacherfüllungsverlangen, die das Recht zur Ausübung des Anfechtungsrechts suspendieren könnte, ist aus diesem Grunde nicht zu erklären. Sobald der Käufer von der Täuschung Kenntnis erlangt, steht es ihm frei, den Vertrag auch während der schwebenden Nacherfüllungsfrist anzufechten. Ganz ähnlich verhält es sich, wenn dem Käufer die arglistige Täuschung zwar bereits bekannt ist, er diese jedoch (noch) nicht in prozessual genügender Form beweisen kann.573 Denn auch in diesem Fall fehlt es mit Ausübung des Nacherfül573
Diese Sachlage entspricht der Konstellation, wie sie dem Urteil des BGH, NJW 2004, 1252, vom 19.11.2003 zugrunde lag, dazu oben 2. Kap. § 3 C) II. mit ausführlicher Erörterung der Besprechungen von Schulze-Schröder, NJW 2004, 1364; Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520 und Rimmelspacher, JuS 2004, 560.
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lungsanspruchs an der impliziten Erklärung, damit auch auf das Anfechtungsrecht verzichten zu wollen.574 Das fortgesetzte Erfüllungsverlangen stellt sich unter den sich für den Käufer ergebenden sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen vielmehr als einzige Handlungsalternative dar, ist daher nicht geeignet, auf Verkäuferseite ein Vertrauen in die Fortsetzung der durch Täuschung erschlichenen Vertragsbeziehung zu schaffen, da der Verkäufer jederzeit damit rechnen muss, dass der Käufer das Anfechtungsrecht ausübt, sobald er sich in der Lage glaubt, die Täuschung auch beweisen zu können. Auch in diesem Fall steht es dem Käufer daher frei, jederzeit und damit auch während der schwebenden Nacherfüllungsfrist die Anfechtungserklärung auszusprechen. Anders stellt sich die vertrauens-theoretische Grundlage der sich im Nacherfüllungsverlangen fortsetzenden Vertragsbeziehung lediglich dann dar, wenn der Käufer in Kenntnis der auch beweisbaren arglistigen Täuschung statt auf die Anfechtung und den Bereicherungsanspruch auszuweichen, zunächst an dem vertraglichen Erfüllungsanspruch festhält und somit den Eintritt in eine erstmalige kooperative Äquivalenzbeziehung ermöglicht.575 In dieser Situation mag der Verkäufer darauf vertrauen, dass er die Gelegenheit erhält, das ursprünglich missbrauchte abstrakte Anfangsvertrauen nunmehr zu rechtfertigen; sieht sich der Verkäufer in dieser Bringschuld und verhält er sich entsprechend, insbesondere durch kommunizierte Bemühungen, die ordnungsmäßige Erfüllung innerhalb der gesetzten Frist zu bewirken, ist dieses Vertrauen schutzwürdig und der Käufer insoweit an seiner Wahl festzuhalten. Da aber der Verkäufer in der Bringschuld ist, geht die Bindung nicht soweit, dass sich der Käufer selbst darum bemühen müsste, zu erfahren, ob der Verkäufer bereits Anstrengungen zur kooperationsgerechten Erfüllung unternommen hat. Tun sich Umstände auf, die Zweifel des Käufers an der Erfüllung der abstrakten Vertrauenserwartung rechtfertigen, und sei es allein durch Schweigen des Verkäufers auf das Nacherfüllungsverlangen, kann dies den Anfechtungsanspruch nicht suspendieren oder gar ganz entfallen lassen.576 Es ist daher am Ver574
Mit ähnlichem Erklärungsansatz Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 341. Durch ein solches Erfüllungsverlangen verliert der Käufer sein Anfechtungsrecht keinesfalls endgültig, etwa weil er den Vertrag gemäß § 144 Abs. 1 BGB bestätigt hätte. Der BGH, WM 1990, 894; NJW-RR 1992, 779, hat mit Recht bereits zum alten Kaufrecht ausgeführt, dass in der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten in Kenntnis der arglistigen Täuschung keine die spätere Anfechtung ausschließende Bestätigung des Vertrages zu sehen ist. Der BGH, WM 1990, 894, führt zur Begründung überzeugend aus: „Der Grund hierfür ist darin zu suchen, dass das Anfechtungsrecht und die vertraglichen Gewährleistungsansprüche (…) zumindest solange wahlweise nebeneinander stehen, wie die Verfolgung eines Rechts erfolglos bleibt. Erst der Erfolg eines der Rechte kann frühestens zu einer Bindung führen und das Wahlrecht sowie die Möglichkeit der Umdeutung beseitigen. Das Wahlrecht würde unzulässigerweise verkürzt, wenn schon der bloßen Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen bzw. der Erhebung einer entsprechenden Klage die Bedeutung zukäme, dass der Kaufvertrag gemäß § 144 BGB (…) bestätigt wird.“. 576 Zu Recht verlangt der BGH, NJW-RR 1992, 779, 780, nämlich im Rahmen des § 144 Abs. 1 BGB für die Bestätigung des Vertrages, dass „(…) jede andere den Umständen nach einigermaßen verständliche Deutung dieses Verhaltens ausscheidet“. Sobald ein Verhalten auch auf einem anderen Grund beruhen kann, scheidet danach eine Bestätigung grundsätzlich aus, so Roth, in: Staudinger, 575
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käufer, alles erdenklich mögliche zu tun, die mit dem Nacherfüllungsverlangen verbundene Offerte zur Begründung eines Anfangsvertrauens anzunehmen, die nötigen sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen zu schaffen und vor allem auch gegenüber dem Käufer zur kommunizieren. Fehlt es an solcher Kommunikation schützen den Verkäufer auch tatsächliche aber nicht erkennbar gewordene Bemühungen um die vertragsgerechte Erfüllung nicht. Die Vertrauensofferte des Käufers ist in erheblichem Maße subjektiv beeinflusst und ist letztlich die reziproke Antwort auf eine in den Markt getragene, also vom Verkäufer kommunizierte Vertrauenswerbung durch Reputation. Wenn das Vertrauen aber durch Kommunikation erst initiiert wurde, so stellt es keine überobligatorische Belastung des Verkäufers dar, auch in der Abwicklungsphase solche Kommunikation zu verlangen, um das ursprünglich enttäuschte Vertrauen nachträglich zu rechtfertigen. Kommt er dem nicht mit gesteigertem Sorgfaltsanspruch nach, ist sein etwaiges Vertrauen in die nachträglich eröffnete Erfüllungsmöglichkeit gerade nicht schutzwürdig, und steht dem Käufer auch insoweit die Anfechtung während der Nacherfüllungsschwebe offen.577 IV. Arglistanfechtung und ius variandi IV.1 Einführung Ausgangspunkt der Überlegungen zum ius variandi im Anwendungsbereich des § 123 BGB ist die Annahme, dass der Käufer mit einer Anfechtungserklärung zunächst zum Ausdruck bringt, kein Interesse an dem Behalten der vertragsgegenständlichen Leistung zu haben und die – bereicherungsrechtliche – Rückabwicklung zu begehren. Damit ist indes noch nichts darüber gesagt, ob ihm insoweit ein ius variandi, seine Erklärung in den Rechtsfolgen und gegebenenfalls sogar in der Anspruchsgrundlage umzustellen, auch nach Zugang der Anfechtungserklärung noch zusteht.578 Die Frage der Reichweite des käuferseitigen ius variandi wurde seit der Schuldrechtsreform im Rahmen des § 325 BGB und dort im Wesentlichen im Zusammen577 BGB, § 144 Rz. 5. Hier liegt dieser Grund aber in der Alternativität von Gewährleistung und Arglistanfechtung, die – wie gesehen – erstens im Range nebeneinander stehen und sich zweitens daran auch solange nichts ändert, wie nicht einer der Rechtsbehelfe erfolgreich gewesen ist. Muss sich dann aber für den Käufer der Eindruck aufdrängen, dass die gewählte Nacherfüllung erfolglos zu werden droht, hat eine Bestätigung des Vertrages in einer die Anfechtung ausschließenden Art und Weise noch nicht stattgefunden. 577 Dieses Ergebnis wird auch durch eine vergleichende Wertung mit § 144 Abs. 1 BGB und das Verständnis der Norm, die sie in der Auslegung durch den BGH (vgl. nochmals BGH, WM 1990, 894; NJW-RR 1992, 779) erfahren hat, bestätigt. Wenn in dem Nacherfüllungsverlangen noch keine Bestätigung des Vertrages liegt, die das Anfechtungsrecht zum Erlöschen bringt, so steht dem Käufer die Anfechtung grundsätzlich noch offen. Aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis aber folgt, dass es eine Obliegenheit des Verkäufers darstellt, die nötigen Vertrauensdispositionen zu treffen und zu kommunizieren, um einen daraus sich ableitenden Vertrauensschutz, der stets auch vom Empfängerhorizont – hier des Käufers – zu betrachten ist, für sich in Anspruch nehmen zu können. 578 Ebenso Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 341 (dort mit Fn. 22).
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hang mit dem Übergang vom Rücktritt zur Minderung und zum kleinen Schadensersatz diskutiert.579 In diesen Fällen nämlich besteht die Notwendigkeit, die mit dem Zugang der Rücktrittserklärung eintretende Gestaltungswirkung, die das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet, unter Aufarbeitung der bislang weitgehend ungeklärten rechtsdogmatischen Feinstruktur umzukehren.580 Die Frage des Verhältnisses der Gewährleistungsrechte zu einem bereits ausgeübten Anfechtungsrecht ist, obwohl die rechtsdogmatische Struktur vergleichbar ist, demgegenüber nicht in demselben Maße und in derselben Tiefe diskutiert,581 sehr wohl aber in der Diskussion bereits auf den Weg gebracht worden.582 Dennoch entsteht ein bislang nur unzureichend bewältigtes rechtsdogmatisches Dilemma583, wenn der Käufer, der sich ob der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer düpiert fühlt, den Vertrag – rechtlich nicht hinreichend beraten – voreilig anficht und sich damit der Gefahr aussetzt, vertragliche Schadensersatz- und andere Gewährleistungsansprüche zu verlieren und an deren Stelle nur auf die ihm oft weniger dienlichen Bereicherungsansprüche verwiesen zu sein.584 Weithin Einigkeit, wenn auch nicht ganz ohne Gegenstimmen,585 scheint jedoch darüber zu bestehen, dass auch dem anfechtenden Käufer jedenfalls die vertraglichen Schadensersatzansprüche erhalten bleiben sollen,586 wenn auch der Weg dorthin unterschiedlich beschrieben wird.587 Der BGH half sich zuletzt, wie schon in der Vergangenheit bei der Abfederung der Wirkung voreiliger Rücktrittserklärungen,588 579 Grundlegend Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 418 ff.; ders., NJW 2003, 998 ff.; mit sehr engem, wenig flexiblem und fehlerhaften Verständnis der vorstehend zitierten Beiträge von Derleder Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 533 f.; Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 90 ff. 580 Die hier angesprochenen Fragen sind Gegenstand der grundlegenden Erörterung des Verhältnisses des Rücktritts zu anderen gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfen unten unter 2. Kap. § 3 E) II. An dieser Stelle kann sich die Darstellung auf die Besonderheiten eines ius variandi im Zusammenhang mit dem Anfechtungsanspruch beschränken. 581 So finden sich etwa in den Darstellungen zum ius variandi bei Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 90 ff., Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 589 ff. und Brox/Walker, SR-BT, Rz. 60, keinerlei Ausführungen zum Verhältnis der Gewährleistungsrechte zu § 123 BGB. 582 Zum alten Recht bereits Derleder, NJW 2001, 1161, 1162; Nach der Schuldrechtsreform Derleder, NJW 2004, 969, 970; Larenz/Wolf, BGB-AT, § 37 Rz. 47; 583 So Derleder, NJW 2001, 1161, 1162. 584 Vgl. Derleder, NJW 2004, 969, 970. 585 Kritisch Höpfner, NJW 2004, 2865. 586 So Derleder, NJW 2004, 969, 970, wörtlich: „(…) in jedem Fall überzeugt es, die vertragliche Rechtsstellung des Käufers nicht zu verschlechtern, wenn er – zumal als Laie – nicht nur einen Sachmangel rügt, sondern eine Täuschung durch den Verkäufer geltend macht und deswegen angefochten hat.“. 587 Flume, BGB AT II, § 31 Rz. 6 sieht den vertraglichen Schadensersatz als Ergänzung zum Anfechtungsanspruch; Larenz/Wolf, BGB-AT, § 37 Rz. 47, deuten die Anfechtungserklärung in eine bloße Ablehnung der Vertragserfüllung um; Derleder, NJW 2001, 1161, 1162, hält eine Analogie zu den vertraglichen Schadensersatznormen im Anfechtungsrecht für den richtigen Weg, wobei im modernisierten Schuldrecht § 325 BGB als Wegweiser und Ausgangspunkt der Analogie zur Verfügung stehe, vgl. Derleder, NJW 2004, 969, 970. 588 So z.B. in BGH, NJW 1979, 762, wo der Rücktrittserlärung nur eine Rücktrittsandrohung entnommen wurde, in BGH, NJW 1982, 1279, wo die Anforderungen an eindeutige Rücktrittserklärun-
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mit der Umdeutung der Anfechtungserklärung in eine ,Ablehnungserklärung‘589 und umschifft damit die rechtsdogmatische Hürde, vertragliche Ansprüche trotz der rechtsgestaltenden Auflösung der Vertragsbeziehung durch die Anfechtung (§ 142 Abs. 1 BGB) gewähren zu müssen. Der BGH bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass er ein Bedürfnis für die Gewährung eines ius variandi auch nach zugegangener Anfechtungserklärung erkennt. Ein solches Bedürfnis mag bei etwas differenzierterer Betrachtung allerdings in zwei verschieden weitreichenden Ausprägungen zu begründen sein. IV.2 Die ,kleine Lösung‘ und das ius variandi In einer kleinen Lösung ist davon auszugehen, dass der Käufer mit seiner Anfechtungserklärung zwar zum Ausdruck gebracht hat, den Vertragsgegenstand nicht behalten und den Vertrag auflösen zu wollen, weshalb mit dem ius variandi keine mit den Rechtsfolgen der Anfechtung unvereinbaren Rechtsfolgen begehrt werden könnten,590 nicht aber zugleich auch erklärt habe, dass er auf den Ersatz seines positiven Interesses verzichte. Insoweit wäre ihm einer solchen kleinen Lösung deshalb das Wahlrecht, einen ergänzenden Schadensersatz geltend zu machen, zu gewähren. Denn soweit das modernisierte Schuldrecht mit §§ 280, 281 BGB auf der einen und §§ 280, 284 BGB auf der anderen Seite, beide über § 437 Nr. 3 BGB dem Katalog der Gewährleistungsrechtsfolgen angehörig, sehr viel deutlicher zwischen dem positiven und dem negativen Interesse als den beiden Formen des Schadensersatzes differenziert, ist diese Differenzierung auch bei der Geltendmachung anderer Rechtsbehelfe auf derselben Sachverhaltsgrundlage fortzusetzen, weshalb die Anfechtungserklärung nicht einem Rechtsfolgenirrtum gleich den Verlust des vertraglichen Schadensersatzes nach sich ziehen dürfe. Da die mit den anfechtungsrechtlichen Rechtsfolgen allein vereinbarte Rückgabe der Kaufsache sowohl bei der Berechnung des negativen als auch des positiven Interesses möglich sei, stünden beide Formen der Schadensberechnung über eine analoge Anwendung des § 325 BGB neben der Anfechtung offen.591 Neben dem rechtstheoretischen Bedürfnis, das diese Analogie trägt, sprechen auch rechtsevolutorische Gesichtspunkte dafür: Der Gesetzgeber hat mit der Modernisierung des Schuldrechts eine konsistente Neuregelung des Gewährleistungsrechts angestrebt, ohne hierbei wohlbedachte Differenzierungen des alten Rechts gen589ganz erheblich verschärft und später, vgl. BGH, NJW 1985, 2697, auch auf anwaltliche Erklärung ausgedehnt wurden, sowie durch beinahe ungezählte andere Hilfskonstruktionen, vgl. dazu m.w.N. Derleder, NJW 2003, 998, 999. 589 So zuletzt in BGH, NJW 2006, 2839, 2840, wo eine unwirksame Anfechtungs- in eine Rücktrittserklärung umgedeutet wurde. 590 So Larenz/Wolf, BGB-AT, § 37 Rz. 47, und i.E. auch Derleder, NJW 2004, 969, 970. 591 Derleder, NJW 2004, 969, 970; ebenso bereits Derleder, NJW 2001, 1161, 1162: „Eine solche analoge Anwendung scheidet nur aus, wenn der Käufer auf diese Weise Unvereinbares begründen will (…)“; dagegen Höpfner, NJW 2004, 2865.
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allzu leichtfertig aufgeben592 und damit ein bereits erreichtes Schutzniveau gerade im Bereich der Arglistanfechtung der Willkür des Verkäufers preisgeben zu wollen. Da aber im alten Recht bereits die Parallelität von Arglistanfechtung und der Gewährung von Schadensersatzansprüchen aus einer auf die Eigenschaften der Kaufsache bezogenen culpa in contrahendo (c.i.c.) anerkannt war,593 sollte sich diese längst überkommene Wertung auch heute, nämlich in einer jedenfalls analogen Anwendung des § 325 BGB widerspiegeln,594 nachdem der Schadensersatzanspruch der c.i.c. in §§ 280 ff. BGB aufgegangen ist, für deren Anwendungsbereich § 325 BGB Türöffner nach einer rechtsgestaltenden Einflussnahme auf die vertraglichen Ansprüche ist. Die kleine Lösung beschränkt sich daher auf die Gewährung vertraglichen Schadensersatzes trotz Anerkennung der rechtsvernichtenden Wirkung einer wirksamen Anfechtung und vermag ihre Ansicht dogmatisch vorzugswürdig auf Grundlage einer Analogie zu § 325 BGB wohl zu begründen.595 IV.3 Über die Grenzen der Gestaltungswirkung hinaus: Die ,große Lösung‘ und das ius variandi a) Bedürfnis und Gegenstand einer ,großen Lösung‘ Demgegenüber bleibt zu fragen, ob nicht dem Käufer in einer großen Lösung auch nach Zugang der Anfechtungserklärung ein ius variandi dahingehend einzuräumen ist, die Gestaltungswirkung seiner möglicherweise übereilten Erklärung umzukehren und auf solche gewährleistungsrechtlichen Institutionen zurückzugreifen, die ihm das Behalten der Kaufsache bei gleichzeitiger Kompensation des durch die Verstrickung eingetretenen Äquivalenzminus ermöglichen. Anders als in der kleinen Lösung, in welcher sich die Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen rechtsvernichtender Gestaltungserklärungen und vertraglichen Schadensersatzes über die Brücke der Analogie allein zu § 325 BGB verhältnismäßig einfach umgehen lässt, bedarf es für eine Abkehr von der Gestaltungswirkung der Anfechtung in einer großen Lösung einer sehr viel belastbareren Begründung. Ausgangspunkt für die Herleitung einer solchen Begründung ist naturgemäß der 592
Vgl. Derleder, NJW 2004, 969, 970. Vgl. z.B. BGH, NJW-RR 1990, 970; für das neue Recht ebenso Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 861, die im Falle der Arglist die eigenschaftsbezogene c.i.c. zu Recht nicht durch das Gewährleistungsrecht suspendiert sehen. 594 Inwieweit es einer solchen Analogie im Anwendungsbereich des § 325 BGB bedarf und wie diese im Einzelnen zu begründen ist, soll im Rahmen der Diskussion um die Rechtsnatur und die Reichweite des § 325 BGB unten, 2. Kap. § 3 F) III.5, nochmal aufgegriffen werden. 595 Insbesondere das Kernargument Höpfner’s, NJW 2004, 2865, 2866, mit dem Zugang der Anfechtungserklärung und der daran anknüpfenden ex tunc – Wirkung des § 142 Abs. 1 BGB entfalle die Grundlage für einen vertraglichen Schadensersatzanspruch, woran eine Analogie zu § 325 BGB zwingend scheitern müsse, verfängt nicht, stellt man der Subsumtion, was Höpfner vermissen lässt, eine Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur des § 325 BGB voran; da die dazu anzustellenden Erwägungen jedoch grundsätzlicher Natur sind und die ,kleine Lösung‘ hier mehr aus Gründen der Vollständigkeit nachvollzogen ist, sei insoweit auf die Ausführungen zu § 325 BGB unter 2. Kap. § 3 F II. und III.5 verwiesen. 593
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zur Beurteilung anstehende Sachverhalt, also die Verstrickung des Käufers in den nach täuschungsbedingtem Irrtum ungewollten Vertrag. Nachdem sich der Käufer der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer gewahr geworden ist, verschiebt sich jedoch der Fokus der Verstrickung: In der Phase der Vertragsanbahnung und der Vertragserfüllung stützt sich der Käufer auf die Reputation des Verkäufers und lässt sich in abstraktem und gegebenenfalls in einer durch die Dynamisierung des Vertragsanbahnungsverhältnisses eintretenden Konkretisierung des Vertrauens auf eine Informationsasymmetrie in Bezug auf den Vertragsgegenstand und die mit ihm zu realisierende Nutzenerwartung, abgebildet in seiner eigenen Zahlungsbereitschaft, mehr oder minder bewusst ein. Demgegenüber tritt nach einer arglistigen Täuschung durch den Verkäufer die Informationsasymmetrie in Bezug auf die Legitimation der in den Markt transportierten Reputation des Verkäufers, also in Bezug auf die Vertrauenswürdigkeit des Verkäufers selbst in den Vordergrund.596 Fällt jedoch infolge der arglistigen Täuschung die Reputation als Stütze eines notwendigerweise vertrauensbasierenden Marktes weg,597 wären die Voraussetzungen für eine weitere Kooperation der Parteien nur durch vollständige Information des Käufers in Bezug auf die tatsächliche Vertrauenswürdigkeit des Verkäufers zu schaffen.598 Das jedoch ist ein theoretisches Konstrukt. Vielmehr ist da596
Der Fokus der Informationsasymmetrie verschiebt sich daher von transaktions- und transaktionsgegenstandsbezogenen Desinformationsrisiken hin zu subjektbezogenen Desinformationsrisiken, die einer sehr viel weitergehenden Aufklärungsverantwortung des Betroffenen unterliegen, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5); mit einem ähnlichen Gedanken im Leistungsstörungsrecht Canaris, JZ 2001, 499, 507. 597 Anders als bei der schlicht mangelbehafteten Erfüllung durch den grundsätzlich erfüllungsbereiten Verkäufer wird durch eine arglistige Täuschung, da diese wie oben gesehen, vgl. soeben 2. Kap. § 3 C) III.2, auf die Anfangskommunikation und damit das abstrakte Anfangsvertrauen des Geschäfts zurückwirkt, dem Vertragsverhältnis die Vertrauensgrundlage insgesamt entzogen. 598 Wenn die Voraussetzungen für die notwendige abstrakte Vertrauensgrundlage fehlen, so kann diese nur durch konkretes Wissen ersetzt werden. Zur Erinnerung: Kunz, Marktsystem und Information, S. 101: „Der Markt glaubt nur an die Signale derer, die ein Interesse daran haben, im Markt zu bleiben.“. Die Signale des arglistig täuschenden Verkäufers aber kommunizieren ein solches Interesse, sich im Markt zu behaupten gerade nicht mehr. Dies nachzuvollziehen, ist der Kontext der Signalwirkung entscheidend. Soweit ein Verkäufer durch Reklame bei den Kunden die kaufentscheidenden subjektiven Wertvorstellungen selbst erzeugt oder jedenfalls gefördert hat und die Erfahrung, die der Kunde nach dem Kauf mit dem Produkt macht, negativ von seiner Erwartung abweicht, wird der Kunde nicht sogleich abwandern, sondern zunächst ,Widerspruch‘ äußern, um mit dem Verkäufer zu einer einvernehmlichen Kulanzregelung zu gelangen, um seine subjektiven Nutzenerwartungen, den Eigenwert des Vertrages, noch zu realisieren (insoweit Kunz, a.a.O., S. 86 f.). „Andererseits wird sich der Verkäufer auf dieses Begehren seines Kunden um so eher einlassen, je höher der Eigenwert nicht nur des bestehenden Vertrages für ihn selbst ist, sondern auch die (abgezinsten) Eigenwerte künftiger gedachter gleichartiger Verträge mit demselben Partner oder mit Dritten. (…) Kurz gesagt: Der Verkäufer wird sich auf die Kulanzregelung einlassen, wenn sie ihm langfristig mehr einbringt als sie ihn kostet. So ist in Vertragsbeziehungen, in denen beide Partner einen Eigenwert der beschriebenen Art sehen, zu erwarten, dass es zu Festlegungen darüber kommt, welche Norm – außer der gültigen Rechtsordnung – zwischen ihnen konkret gelten soll, wenn unvorhergesehene Schwierigkeiten auftreten. (…) Und da die Möglichkeit solcher Ereignisse (…) in der Regel ex ante unbekannt sind, kann im Vorhinein nicht gesagt werden, auf welche konkrete Norm man sich im Bedarfsfalle zubewegen wird. Die konkreten Norminhalte sind daher
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von auszugehen, dass es dem Käufer mit effizientem und daher mit gebotenem Aufwand nicht möglich ist, vollständige Information hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Verkäufers zu erlangen. Aus Sicht eines ökonomisch rationalen und in seinem Verhalten an dem bestehenden informationsund vertrauensbasierenden Marktsystem ausgerichteten Käufers, liegt die Aufhebung des Rechtsgeschäfts durch Anfechtung daher zunächst nahe, stellt bei oberflächlicher Betrachtung sogar die einzig rationale Handlungsoption in unvollständigen Märkten ohne Vertrauensgrundlage dar.599 Dies kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass auch die – jedenfalls aus Sicht des Laien – als erstes Mittel der Wahl erscheinende Anfechtung die zuvor bereits beschriebenen und nennenswerten Desinformationsrisiken birgt. Ebensowenig, wie der Käufer die Leistungsfähigkeit des Verkäufers in Bezug auf die kooperationsgerechte Leistungserbringung mit dem effizient möglichen Aufwand abschätzen kann, kann er dies nämlich hinsichtlich der sich an die Anfechtung anschließenden bereicherungsrechtlichen Ansprüche.600 Es mag sich deshalb für den Käufer nach der Anfechtung herausstellen, dass seine Reallokationsinteressen oder auch nur die effizienteste Schadensminimierung auf anderem Wege, nämlich unter Rückgriff auf vertragliche Ansprüche hätten mit größerem subjektivem Nutzen realisiert werden können. Würde die Gestaltungswirkung der ausgesprochenen Anfechtung einer Reaktion auf sich in der Abwicklungsphase offenbarende Desinformations- und deshalb neuerliche Verstrickungsrisiken entgegenstehen, wäre dem getäuschten Käufer ein großes Maß an ökonomischer Flexibilität genommen. Dem entgegengesetzt stellt die als erste Reaktion des Käufers naheliegende Anfechtung für den Verkäufer die einschneidenste Folge dar, da ihm damit der Schutz, den das Gewährleistungsrecht für den redlichen Verkäufer bereit hält, abgeschnit599 ereignisabhängig (…)“, vgl. Kunz, a.a.O., S. 87 f. Da im Falle der arglistigen Täuschung das Ereignis aber vorbestimmt und dem Verkäufer bekannt ist, hat er damit aus der Warte des Empfängerhorizonts des Käufers zugleich zum Ausdruck gebracht, sich mit dem Käufer nicht mehr auf eine gemeinsame Norm und eine etwaige Kulanzregel zubewegen zu wollen. Das damit zum Ausdruck gebrachte Desinteresse an Fortbestand des Marktauftritts unterminiert jedes weitere Transaktionsvertrauen und damit jede abstrakte Transaktionsgrundlage. Der Verkäufer schafft die Voraussetzungen für einen zweiten Anlauf daher allein dadurch, dass er in Bezug auf das konkrete Geschäft seine wider des ersten Anscheins bestehende Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft ,unter Beweis‘ stellt. 599 Diese Erkenntnis, dass nämlich Märkte ohne vollständige Information und ohne Vertrauen nicht funktionieren und deshalb insbesondere keine Grundlage für einen rechtsgeschäftlichen kooperativen Leistungsaustausch bieten, stellt den Kern des ökonomischen Fundaments der Arglistanfechtung dar. Daran muss sich die Anfechtung, will sie sich den Erkenntnissen der Ökonomik im Recht und den ökonomischen Vorherigkeiten, also ihrer Tatsachengrundlage im rechtsdogmatischen Nexus menschlichen Handelns nicht verschließen, bei der Einbettung in das gewährleistungsrechtliche Rechtsfolgensystem messen lassen. 600 Mit einer exemplarischen Darstellung einiger im Rahmen der Rückabwicklung denkbaren Desinformationsrisiken und Präferenzverschiebungen, also mit einer Darstellung, die sich im Ergebnis ganz eng an dem hier entwickelten Modell einer Ökonomik im Recht orientiert Derleder, NJW 2003, 998, 999.
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ten wird.601 Wenn dies auch wegen des mangelnden Schutzbedürfnisses zugunsten des arglistig handelnden Verkäufers zu rechtfertigen ist,602 so ist damit noch nicht gesagt, dass nicht eine Rechtfertigung auch dafür besteht, im Interesse effizientest möglicher Ressourcenallokation, dem Käufer die Möglichkeit der Restitution der Gestaltungswirkung zu eröffnen.603 Hierdurch nämlich würde dem Käufer die nötige Flexibilität an die Hand gegeben, incentives604 für den Verkäufer zu setzen, die ursprünglich vorgespiegelte Vertrauenswüdigkeit und Kooperationsbereitschaft valide zu machen und so nicht nur einem nachhaltigen Reputationsabbau entgegen zu wirken, sondern mit dem Vertrag verbundene Nutzensteigerungen noch zu realisieren. Und nutzt der Verkäufer solche incentives, entfällt auch das rechtsökonomische Bedürfnis für die Arglistanfechtung ex nunc: Wie ausgeführt, liegt das rechtsökonomische Fundament der Arglistanfechtung und ihrer strengen Rechtsfolgen darin begründet, dass Märkte und in ihnen abgeschlossene Rechtsgeschäfte nicht funktionieren können, wenn sie erstens unvollständig und unvollkommen sind und zweitens die fehlende vollständige Information nicht durch ein informationssubstituierendes Transaktionsvertrauen kompensiert wird. Durch die arglistige Täuschung ist der für den (neuerlichen) Eintritt in eine auf einem abstrakten Vertrauensvorschuss basierende Kooperationsbeziehung zunächst verspielt. Es bleibt dem Verkäufer aber ersatzweise die Möglichkeit, in Bezug auf das konkrete Rechtsgeschäft für vollständige Information zu sorgen, also dem Käufer gegenüber alle Fakten offen zu legen und gegebenenfalls in einer Art und Weise zu belegen, die den Käufer jedenfalls wieder das nötige Vertrauen in die Richtigkeit der überobligatorisch offengelegten Information fassen lässt.605 601
Mangels Schutzbedürfnisses des Verkäufers ist dies grundsätzlich auch richtig. Die Rechtsfolgen werden für den Verkäufer besonders gravierend, soweit man der früher herrschenden Rechtsprechung (vgl. nochmals BGH, NJW-RR 1990, 970) und auch heute vertretenen Meinung folgt, dass neben der Arglistanfechtung auch Schadensersatzansprüche entweder aus § 325 BGB i.V.m. §§ 280 ff. BGB (Derleder, NJW 2004, 969, 970) oder aus c.i.c. nach §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB (Reinicke/ Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 861) möglich sind. 602 Zur dogmatischen Einordnung der Arglist als Auslöser für das Entfallen der Subsidiarität von Sekundärrechtsbehelfen vgl. Rösler, AcP 207 (2007), 565, 590 ff. 603 Im Zusammenhang mit der vertrauenskommunizierenden Wirkung der Reputation war oben, 1. Kap. § 2 B) III.4 c), von einer Kurzzeit-Inflexibilität der Konsumenten die Rede, die dem Anbieter kurzzeitige Opportunismusprämien ermöglichen, sich mittelfristig aber als wenig vorteilhaft herausstellen. Bricht man diesen Mechanismus von Markttransaktionen im Allgemeinen auf die eine zur Beurteilung anstehende Transaktion herunter, so entspräche die Anfechtung der Simulation vollständiger Märkte, in welchen der Anbieter nach einem Vertrauensbruch aus dem Markt genommen wird, und würde der alternative gewährleistungsrechtliche Schadensersatz diesen Vorgang in Fällen substituieren, in denen die Herausnahme aus dem Markt nicht zu den gewünschten Ergebnissen führt. Die Konsumenten-Inflexibilität würde durchbrochen und so größtmögliche Effizienz gewährleistet. 604 Davon, wie wichtig solche Incentives für das Funktioieren einer vertrauensbasierenden Marktstruktur und Marktwirtschaft sind, war bereits an verschiedenen Stellen der Arbeit die Rede, vgl. nur 1. Kap. § 2 A) II.1 b) und c) sowie ergänzend 1. Kap. § 2 B) II.4 d) und 1. Kap. § 2 C) I.4 a). 605 Zum Vertrauen als Grundlage der Anwendbarkeit der gewährleistungsrechtlichen Institutionen und zu dem daraus folgenden Grundsatz, dass ohne die nötige Vertrauensgrundlage auch das gewährleistungsrechtliche Institutionengerüst nicht Normen- und Wertemaßstab sein kann, Rösler, AcP 207 (2007), 565 ff., 590 ff.
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Der sich nach Zugang der Anfechtungserklärung entwickelnde und verändernde Informationshorizont des Käufers kann also, insbesondere wenn er durch überobligatorischen Informationsaufwand des Verkäufers veranlasst ist, das rechtsökonomische Bedürfnis für die Anfechtung bzw. deren ökonomisches Fundament nachträglich entfallen lassen.606 Wenn auch der verstärkten Aufklärungs- und Informationsobliegenheiten gehorchende Verkäufer, der nach Aufdeckung der arglistigen Täuschung sehr wohl noch ein Interesse an dem Geschäft haben kann,607 hierfür ein Musterbeispiel darstellt, so kann die sich vervollständigende Information des Käufers aber gleichermaßen z.B. in Bezug auf dessen Leistungsfähigkeit eintreten und deshalb die Abkehr von der Anfechtung nahelegen. Auch dies stellte einen Fall veränderter sozial-ökonomischer Rahmenbedingungen dar, der auf die Simulation vollständiger Märkte durch das Recht und damit auch auf das konkrete Transaktionsumfeld Einfluss nimmt, weshalb rechtsökonomisch die Flexibilisierung der gestaltenden Wirkung der Anfechtungserklärung geboten ist. Aus ökonomischem Blickwinkel und unter Beachtung ökonomischer Vorherigkeiten im Recht existiert also ein Bedürfnis für eine große Lösung beim ius variandi im Anwendungsbereich des § 123 BGB; es bleibt deshalb ein Weg zu suchen, dieses Bedürfnis rechtsdogmatisch umzusetzen, soweit nicht die Ökonomik im Recht, in den Grenzen ausgetretener dogmatischer Pfade sich sicher wähnend, darauf degradiert werden soll, Bedürfnisse zu formulieren, um von dort aus unter Hinweis darauf, dass nicht nicht jedes Bedürfnis auch einen Anspruch schaffe, nach dem Gesetzgeber zu rufen.
606 Wie die Vertragsanbahnung auch, stellt die Vertragsabwicklung nach einer Störung des Kooperationsverhältnisses eine dynamische Beziehung der Parteien dar. Diese Dynamik wird insbesondere auch durch das einer stetigen Fortschreibung unterlegene Bedürfnis getragen, Transaktionskosten auch in der Abwicklungsphase gering zu halten und stets die kostenminimierende Koordinationsform zu wählen. Diese Dynamik der transaktionskostenorientierten Koordination der Parteibeziehung bewirkt mutatis mutandis eine dynamische Veränderung der ökonomischen Struktur, vgl. dazu ausführlich unter Rückgriff auf die Thesen von Williamson und Coase und mit einer Ableitung für die ökonomische Strukturanalyse Bössmann, ZgS 138 (1982), 664 ff., 675 f. Mit einer Verschiebung der ökonomischen Struktur verändern sich aber auch die für das juristische Verständnis vorgreiflichen ökonomischen Vorherigkeiten, weshalb die Rechtsordnung gehalten ist, darauf in geeigneter Weise zu reagieren. 607 Zur Erläuterung sei nur auf das Beispiel des nach dem Learned Hand – Kriterium kalkulierenden Kfz-Händlers unter oben 2. Kap. § 3 C) III.1 b) verwiesen, der nach Aufdeckung einer ,Behauptung in’s Blaue‘ und Qualifizierung derselben als arglistige Täuschung sehr wohl ein gesteigertes Interesse daran haben kann, seine Reputation zu erhalten und durch umfassende Offenbarung seiner Geschäftspraxis im konkreten Fall, seiner Möglichkeiten zur Nacherfüllung und dem Nachweis seiner Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft den Käufer von einer Abstandnahme vom Vertrag als beidseitig ökonomisch vorteilhaftesten Weg zu überzeugen. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich der Wert der Reputation im Markt (vgl. oben 1. Kap. § 2 B) III.3 c)), in deren Erhaltensinteresse bereits gescheitert scheinende Verträge ökonomisch noch einen Wert erlangen und so die individuelle ebenso wie die Gesamtwohlfahrt gesteigert werden können. Rechtsdogmatisch sollte das Mittel der Wahl aber nicht der Neuabschluss eines Kauf- und Gewährleistungsvertrages nach Festhalten an der gestaltenden Wirkung der Anfechtung sein müssen.
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b) Bewältigung des Bedürfnisses: Analogie und Regelungslücke Für einen solchen auch rechtsdogmatisch tragbaren Lösungsweg ist ein unmittelbarer institutioneller Ansatz auf den ersten Blick nicht greifbar. Die Lösung scheint daher allein aus einer Analogie ableitbar zu sein. Der Rückgriff lediglich auf § 325 BGB kann hierfür aber nicht ausreichen. Die Norm lässt schon in ihrer direkten Anwendung die Gestaltungswirkung des Rücktritts zunächst unangetastet, wie sich bereits aus ihrem Wortlaut, wonach das Recht, Schadensersatz zu verlangen ,durch den Rücktritt nicht ausgeschlossen‘ wird, ergibt. Das Erfordernis, Schadensersatzansprüche durch den Rücktritt nicht auszuschließen, besteht aber nur insoweit, wie dessen Gestaltungswirkung grundsätzlich reicht. Würde die Gestaltungswirkung des Rücktritts hingegen durch § 325 BGB aufgehoben, bedürfte es der ausdrücklichen Anordnung, dass neben dem Rücktritt Schadensersatz geltend gemacht werden kann, nicht. § 325 BGB lockert damit, einem rechtstatsächlichen Bedürfnis folgend608, aber unter Ausnutzung des gesetzgeberischen Privilegs, ein solches Bedürfnis auch ohne dogmatisches Fundament umsetzen zu können, die Grenzen der Gestaltungswirkung, ohne diese niederzureißen; die dogmatische Lösung dieses gesetzgeberischen Privilegs muss ihrerseits in einer reziprok analogen Anwendung des § 281 Abs. 5 BGB gefunden werden.609 Wenn aber schon im direkten Anwendungsbereich der Norm eine Umkehr der Gestaltungswirkung nur unter Inanspruchnahme einer umgekehrten Analogie eintritt, so fällt es, darin ist der Kritik Recht zu geben, schwer, eine solche Analogie sogar auf andere, in der Norm nicht genannte Gestaltungsrechte ohne weiteres auszudehnen. Das Privileg des Gesetzgebers, Anordnungen ohne ausreichende dogmatische Fundierung treffen zu können, kann die Analogie für sich gerade nicht in Anspruch nehmen. Die Ermöglichung mit der Anfechtung grundsätzlich unvereinbarer Rechtsfolgen in einer großen Lösung, also insbesondere die Umstellung von 608 Ähnlich wie bei der gesetzlichen Institutionalisierung des Nacherfüllungsanspruchs liegt auch der Einführung des § 325 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eine rechtstatsächliche Evolution zugrunde, die sich jedoch weniger auf vertraglicher Ebene als vielmehr in den diversen ,Rettungsversuchen‘ der Rechtsprechung vollzogen hat. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 85: „Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den gesetzlichen Rücktritt vom Vertrag genügen in verschiedener Hinsicht nicht den praktischen Anforderungen. Unbefriedigend ist zunächst der Grundsatz, dass Rücktritt und Schadensersatz einander ausschließen. Das bedeutet insbesondere, dass der Gläubiger, der gemäß §§ 325, 326 BGB den Rücktritt vom Vertrag wirksam erklärt hat, nicht mehr Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrags verlangen kann. Da diese Lösung nicht den praktischen Bedürfnissen entspricht, hat sie der BGH z.B. durch die Annahme korrigiert, dass die Erklärung des Rücktritts, selbst wenn sie von einem Rechtsanwalt abgegeben ist, unklar und auslegungsbedürftig sei, sofern in ihr irgendwie erkennbar werde, dass Schadensersatzansprüche vorbehalten seien; in diesem Falle sei Rücktritt zwar erklärt, aber nicht wirklich gewollt (vgl. BGH, NJW 1982, 1279, 1280). Hat der Gläubiger umgekehrt Schadensersatz verlangt, so kann er diesen Anspruch mit den Folgen eines Rücktritts kombinieren, indem er den Ersatzanspruch nach der Differenzmethode berechnet (vgl. dazu im Einzelnen Huber, Gutachten S. 713 ff.).“. 609 Vgl. hierzu und zur dogmatischen Feinstruktur des § 325 BGB und seiner dogmatischen Einordnung in das Gesamtgefüge des Rechts der Leistungsstörungen unten 2. Kap. § 3 F).
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der Anfechtung auf den kleinen Schadensersatz oder die Minderung, die beide das Behalten der Kaufsache zwingend voraussetzen,610 wäre deshalb aus einer Analogie allein zu § 325 BGB nur unter großen Anstrengungen zu begründen.611 Eine die große Lösung rechtfertigende Analogie muss daher über § 325 BGB, der lediglich eine – nicht allein wertungsmäßige, sondern auch rechtsdogmatische612 – Richtung weist und damit einen notwendigen Baustein liefert,613 hinausgehen. Dabei kann das soeben festgestellte rechtsökonomische Bedürfnis für entsprechend flexible Rechtsfolgen im Anwendungsbereich der Verstrickung durch Desinformation helfen, die als Voraussetzungen für eine solche Analogie notwendige Regelungslücke nachzuweisen. Wie bereits gesehen, steht die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung im Rang gleichberechtigt neben dem Rücktritt und dem großen Schadensersatz614 und eröffnet damit einen neben dem besonderen Schuldrecht stehenden Rechtsfolgenweg zur Abwehr von Verstrickungslagen. Das Verhältnis der Rechtsbehelfe zueinander ist gesetzlich nicht geregelt. Wie die Diskussion um die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 1 BGB in Gewährleistungsfällen zeigt,615 hat der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Abwehr von Verstrickungslagen die Ausfüllung des Konkurrenzverhältnisses der besonderen zu den allgemeinen Ansprüchen der Rechtsprechung zur Klärung überlassen.616 Stellt sich nun aber heraus, dass in diesem Verhältnis ein 610 Und damit der Ausübung in einer kleinen Lösung entgegenstehen, da diese ein ius variandi nur insoweit zulässt, wie die Rechtsfolgen der Wahl mit denen der ausgesprochenen Anfechtung vereinbar sind, vgl. Larenz/Wolf, BGB-AT, § 37 Rz. 47; Derleder, NJW 2004, 969, 970; ders., NJW 2001, 1161, 1162. 611 Überhaupt wird eine solche Analogie zu § 325 BGB in Bezug auf die Umkehr von Gestaltungswirkungen insbesondere beim Rücktritt sehr kritisch betrachtet, vgl. z.B. Höpfner, NJW 2004, 2865; Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 534: „Die Schuldrechtsmodernisierung hat somit zu einer Vorverlagerung der Bindung des Käufers und zu einer entsprechenden zeitlichen Beschränkung des ius variandi geführt“. Die ökonomischen Bedürfnisse sprechen eine andere Sprache, weshalb diese Ansicht hier zu widerlegen sein wird. 612 Vgl. zur Rechtsnatur der Norm noch einmal unten 2. Kap. § 3 F) II. 613 Diese Funktion des § 325 BGB, Richtungsweiser zu sein, erkennt auch Derleder, NJW 2004, 969, 970, an, der darauf seine Analogie zu § 325 BGB in der von ihm vertretenen kleinen Lösung stützt. 614 Vgl. oben 2. Kap. § 3 C) III.1 d). 615 Ausführlich oben 2. Kap. § 3 B). 616 Aus diesem Grunde verfängt auch wohl das Argument Höpfner’s, NJW 2004, 2865, 2866, nicht, der Schuldrechtsmodernisierungsgesetzgeber habe die These Derleder’s aus NJW 2001, 1161, 1162, die während der ,Schaffenphase der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts‘ publiziert worden sei gekannt, und habe darauf nicht reagiert, was eine bewusste Entscheidung zu Lasten einer Analogie des § 325 BGB auch auf das Anfechtungsrecht sei. Wenn aber der Gesetzgeber das Verhältnis zwischen den ersten beiden Büchern des BGB bewusst der Rechtsprechung überlassen hat und hat überlassen wollen, dann bestand aus seiner Sicht kein Bedürfnis, in § 325 BGB eine Aussage – gleich in welcher Richtung – auch in Bezug auf das Verhältnis zum Anfechtungsrecht aufzunehmen. § 325 BGB regelt Konkurrenzverhältnisse innerhalb des 2. Buchs des BGB; eine Aussage zu den Konkurrenzen zum Allgemeinen Teil trifft er hingegen nicht, sodass insoweit sehr wohl von einer gar planvollen Regelungslücke mit dem Ziel der Ausfüllung durch Rechtslehre und Rechtsprechung ausgegangen werden kann.
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rechtstatsächliches Bedürfnis nicht nur für die alternative Anwendung beider Vorschriften, sondern auch für eine etwaige dogmatische Überlagerung allgemeiner Grenzen im besonderen Fall besteht, so folgt hieraus eine der Analogie zugängliche Regelungslücke. Ein Gesetz ist in dem für eine Analogie nötigen Sinne zwar ,lükkenhaft‘ oder unvollständig stets nur im Hinblick auf die von ihm erstrebte, sachlich erschöpfende und in diesem Sinne ,vollständige‘ sowie sachgerechte Regelung;617 an einer solchen sachgerechten gesetzgeberischen Regelung zur Feststellung der Reichweite eines ius variandi fehlt es aber.618 Wenn es nun aber im alten Recht ein von der Rechtsprechung erkanntes Erfordernis gab, die Gestaltungswirkung eines Rücktritts nach § 326 BGB a.F. durch die Umdeutung von Rücktrittserklärungen z.B. in bloße Ablehnungsandrohungen einzugrenzen, unterscheidet sich die Sachlage mit Blick auf die Gestaltungswirkung der Anfechtung nicht. Das gesetzgeberische Wertungssystem weist daher eine Lücke auf, die systemkonsistent zu schließen ist. Hinzu kommt, dass im zeitlich umgekehrten Fall der Ausübung der konkurrierenden Rechte der Wechsel unproblematisch geboten sein kann und möglich ist,619 wie folgendes einfache Beispiel zeigt: Bsp.: K kauft bei der Privatperson V einen Gebrauchtwagen gegen Barzahlung. Kurz nach der Übergabe stellt K fest, dass er von V über die nur vermeintliche Unfallfreiheit des Fahrzeugs arglistig getäuscht wurde. Da K zunächst nicht auf die bereicherungsrechtlichen Vorschriften verwiesen werden möchte und eine Nacherfüllung mangels Neulieferungsbereitschaft und -fähigkeit des V nicht in Betracht kommt, macht K den kleinen Schadensersatz geltend und verlangt den Minderwert des Fahrzeugs ausgezahlt. Während des schwebenden Prozesses erfährt K jedoch, dass V bereits die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, zur Schadensersatzleistung daher nicht in der Lage sein wird; die als Kaufpreis erhaltene Summe hat V schenkweise seiner Freundin zugewendet.
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Larenz, Methodenlehre, S. 375. Höpfner, NJW 2004, 2865, 2866, übersieht mit seiner Annahme von einem ,beredten Schweigen‘ des Gesetzgebers, der die Ansätze Flume’s und Derleder’s gekannt, § 325 BGB aber dennoch nicht um die Anfechtung nach § 123 BGB erweitert habe, dass der Gesetzgeber sich mit einer ,Schuldrechtsreform‘ befasst hat, das Verhältnis des Schuldrechts aber zum Allgemeinen Teil nicht auf der Tagesordnung stand und insbesondere an keiner Stelle der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommt, dass der Gesetzgeber auch in Bezug auf diese seit jeher bewusst der Rechtsprechung zur Ausformung überlassenen Materie ebenfalls eine Regelung hat treffen wollen. Im Gegenteil: Da dies einer Abkehr von dem bisherigen Auftrag an Rechtsprechung und Rechtslehre gleichgekommen wäre, hätte es insoweit eines ausdrücklichen Hinweises bedurft. Die These Höpfner’s, ein Gericht, dass in diesem Zusammenhang ,eine Lücke annehmen und ausfüllen würde, beginge einen Gesetzesverstoß‘, scheint vor diesem Hintergrund schon in ihrem Ausgangspunkt nicht haltbar zu sein. 619 Vgl. z.B. BGH NJW-RR 2002, 308, zur Geltendmachung eines Anspruchs aus c.i.c. mit der Begründung, arglistig getäuscht worden zu sein, was der BGH auch nach Ablauf der Anfechtungsfrist aus § 124 BGB – in st. Rspr. – zulässt. Für Ansprüche aus unerlaubter Handlung gilt seit jeher dasselbe, vgl. bereits BGH NJW 1969, 604. 618
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Hier steht es K zweifelsohne offen, den Kaufvertrag innerhalb der Frist des § 124 BGB trotz des bereits geltend gemachten Schadensersatzverlangens noch anzufechten, um sich so die Rechtsfolgen des § 821 BGB i.V.m. §§ 812, 818 BGB zu eröffnen.620
Der Gesetzgeber hat weder für den Weg von den Sekundärrechtsbehelfen in die Anfechtung noch für den umgekehrten Weg eine Regelung getroffen. Wenn aber die Umgestaltung des Vertrages infolge der Geltendmachung von Sekundäransprüchen das Recht zur Anfechtung wie selbstverständlich nicht ausschließt, und in dieser Richtung die nötige Flexibilität, auf bessere Erkenntnisse im Laufe der Abwicklungsbeziehung reagieren zu können, sichergestellt ist, so ist ungeachtet der damit verbundenen dogmatischen Besonderheiten aufgrund der Tatsache, dass die Anfechtung und der Rücktritt als Gestaltungsrechte normiert wurden, nicht ohne Weiteres einsichtig, warum der Gesetzgeber allein mit dem gewählten dogmatischen Weg hätte zum Ausdruck bringen wollen, dass für den Weg aus der Anfechtung in die Sekundärrechtsbehelfe größere Hürden gelten, als für den umgekehrten Weg aus den Sekundärrechtsbehelfen in die Anfechtung. Vielmehr spricht einiges dafür, die Flexibilität bei der Abwehr von Verstrickungslagen nicht davon abhängig zu machen, welches Recht durch möglicherweise auch übereilte Erklärungen zuerst ausgeübt worden ist. Diese angesichts eines notwendigerweise für die Abwicklungsbeziehung erneut nur unvollständigen Informationshorizonts des Erklärenden eher zufällige Erstwahl sollte auf das Maß der Flexibilität keinen Einfluss haben. Beide Fälle sollten daher in der Spannbreite der auch nach der Ausübung des Rechts der ersten Wahl noch zur Verfügung stehenden Optionen gleich zu behandeln sein. Hierfür ist ein dogmatisch verträglicher Weg zu finden. Kann deshalb davon ausgegangen werden, dass das Gesetz hinsichtlich der Reichweite eines ius variandi nach erklärter Anfechtung trotz der vordergründig eindeutigen und mit der Gestaltungswirkung der Anfechtung verbundenen Rechtsfolge der ex tunc Unwirksamkeit des Schuldverhältnisses eine Lücke enthält, so ist damit – nach Feststellung eines rechtsdogmatischen und rechtsökonomischen Bedürfnisses für die große Lösung – auch die zweite Voraussetzung für die Rechtfertigung dieser großen Lösung durch Analogie nachgewiesen. c) Dogmatik einer ,großen Lösung‘: Die institutionelle Bewältigung der Analogie Es bleibt also in einem dritten und letzten Schritt der institutionelle Ansatz für eine solche Analogie zu bestimmen. Da, wie ausgeführt, eine Analogie allein zu § 325 BGB nur schwer genügen kann, die Gestaltungswirkung der Anfechtung in einer großen Lösung zu übergehen, ist der Lückenschluss durch Rückgang auf ein im Gesetz angelegtes Prinzip zu versuchen,621 das sich gegebenenfalls im 620 Der Vorteil eines Anspruchs aus §§ 821, 812, 818 BGB gegenüber einer Anfechtung nach § 4 AnfG besteht darin, dass § 821 BGB einen schuldrechtlichen Anspruch schafft, der einen Zugriff auf das gesamte Vermögen des Beschenkten zulässt, während der Anfechtungsanspruch nur die gegenständlich beschränkte Vollstreckungsmöglichkeit eröffnet. 621 Larenz, Methodenlehre, S. 381.
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Wege einer Gesamtanalogie auf die hier zu lösende Frage der Umkehr einer Gestaltungserklärung übertragen lässt.622 Bei der Suche nach einem solchen Prinzip als Grundlage für eine Gesamtanalogie kommt zunächst ein Rückgriff auf einen im Anfechtungsrecht bekannten Gedanken, der in Rechtsprechung und Rechtslehre seit jeher den Rang eines Rechtsprinzips bekleidet, in Betracht: Nach der Lehre vom Reuerecht soll der Anfechtende sich durch die Anfechtung nicht auch von dem Teil des Rechtsgeschäfts befreien können, den er ursprünglich auch ohne Irrtum oder Täuschung hatte abschließen wollen.623 Die Anfechtung darf daher nicht zur Befreiung vom ursprünglich intendierten Leistungsaustausch führen, soweit sich ein solcher noch feststellen lässt. Die rechtsgestaltende Wirkung der Anfechtung wird daher durch die vertragstheoretischen Grundlagen der Privatautonomie eingeschränkt, obwohl die Aufspaltung eines einheitlichen Rechtsgeschäfts in einen durch Anfechtungserklärung umgestalteten und einen hiervon unberührten Teil grundsätzlich rechtsdogmatisch unmöglich wäre.624 Das Reuerecht bewirkt daher eine Begrenzung der Gestaltungswirkung der Anfechtung selbst.625 Wenn aber die Anfechtung, wie hier herausgestellt, ihren rechtsökonomischen und für ihre rechtstheoretische Rechtfertigung maßgeblichen Ursprung in einem durch die Täuschung bedingten Wegfall des Vertrauens hat, und damit die für marktwirtschaftliche Transaktionen nötige, informationssubstituierende Wirkung der abstrakten Vertrauensgrundlage entfällt, durch diesen Mechanismus bedingt aber die nötigen Transaktionsgrundlagen durch anderweitige Bereitstellung der für eine marktadäquate Wahl des Reallokationsmittels erforderlichen Informationsbasis geschaffen werden können, so folgt daraus auch für diesen Fall das Gebot einer 622 Die Möglichkeit einer solchen Ableitung von Lösungen aus gesetzgeberischen Prinzipien folgt homogen der hier vertretenen Auffassung von Gesetzen als gesetzgeberischen Lösungsvorschlägen, die sich dynamisch an das zu lösende Problem anzupassen haben, vgl. oben 1. Kap. § 1 B) II.2. 623 Vgl. zum Reuerecht Singer, in: Staudinger, BGB, § 119 Rz. 100; Lobinger, AcP 195 (1995), 274, 278. 624 Der Grund für diese teleologische Restriktion des Anfechtungsrechts liegt darin, dass sein tragender Grund, nämlich einen Akt fehlerhafter Selbstbestimmung zu beseitigen, entfällt, wenn der Selbstbestimmung durch Anpassung des Rechtsgeschäfts an das wirklich Gewollte entsprochen wird. Der Restriktion des Anfechtungsrechts liegt daher dogmatisch tatsächlich, die Aufteilung des Rechtsgeschäfts in einen wirklich gewollten und einen nicht gewollten anfechtbaren Teil und nicht ein Rückgriff auf die Grundsätze von Treu und Glauben zugrunde, vgl. nochmals Singer, in: Staudinger, BGB, § 119 Rz. 100. 625 Der teleologischen Restriktion, wie sie durch das Reuerecht für die Anfechtung bewirkt wird, liegt ebenfalls eine Analogie zur Ausfüllung einer gesetzlichen Lücke zugrunde, wie Larenz, Methodenlehre, S. 391, überzeugend begründet: „Als eine ,verdeckte Lücke‘ haben wir den Fall bezeichnet, dass eine gesetzliche Regel entgegen ihrem Wortsinn, aber gemäß der immanenten Teleologie des Gesetzes einer Einschränkung bedarf, die im Gesetzestext nicht enthalten ist. Die Ausfüllung einer solchen Lücke geschieht durch die Hinzufügung der sinngemäß geforderten Einschränkung. Weil hiermit die im Gesetz enthaltene, nach ihrem insoweit eindeutigen Wortsinn zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückgeführt, reduziert wird, sprechen wir von einer ,teleologischen Reduktion‘. Gebräuchlich ist auch der Ausdruck ,Restriktion‘.“.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Restriktion der Gestaltungswirkung: Wenn das Reuerecht die Gestaltungswirkung im Umfang auf die Abwehr des nicht gewollten Teils eines Rechtsgeschäfts begrenzt, sich aber erst durch die weitere Informationstransparenz in zeitlicher Folge der Anfechtung offenbart, in welchem Umfang und unter welchen tatsächlichen Bedingungen das Geschäft oder der Vertragspartner nicht gewollt sind,626 so muss es dem Käufer in Anwendung des dem Reuerecht zugrunde liegenden (Rechts)Gedankens einer aus der immanenten Teleologie der Norm mit dem Ziel der Lückenfüllung ableitbaren Restriktion – hier freilich mit umgekehrten Vorzeichen, weil es nicht am Verkäufer ist, den Käufer am Gewollten festzuhalten – freistehen, sich dafür zu entscheiden, an dem festzuhalten, was sich nach fortschreitender Verbreiterung der Informationsgrundlage als das im Rahmen der durch das Gewährleistungsrecht eröffneten Möglichkeiten wirklich Gewollte herausstellt. Die rechtsvernichtende Gestaltungswirkung der Anfechtung wird durch eine hiermit dogmatisch zu bewältigende teleologische Restriktion in Anlehnung an ein gesetzliches Prinzip eingegrenzt.627 Durch die Abkehr von der Gestaltungswirkung z.B. durch Umstellung des Leistungsbegehrens auf den kleinen Schadensersatz wird das Reuerecht in nahezu unveränderter Form verwirklicht: Der Käufer begehrte mit dem Erhalt des Kaufgegenstandes eine Leistung, die bei ihm einen subjektiv bemessenen Nutzenvorteil bewirken sollte. Der Kaufgegenstand blieb infolge der Täuschung hinter diesen Erwartungen zurück. Entscheidet sich der Verkäufer nun, den Gegenstand zu behalten und seinen Nutzenentgang in Geld entschädigen zu lassen, so hat er bei einer rein ökonomischen Nutzenbetrachtung unter Einbeziehung der Kompensation erhalten, was vertraglich bedungen war.628 Sich daran festhalten zu lassen, sollte dem Käufer auf eigenen Wunsch in jedem Stadium der Vertragsabwicklung offenstehen. 626 Wie in dem oben kurz skizzierten Beispiel erkennbar, können nicht selten erst die im Laufe der Abwicklungsbeziehung zu erlangenden Informationen die nötige Informationsgrundlage für die Entscheidung liefern, ob die Abwehr der Verstrickung unter Rückgabe des nicht erwartungs- und äquivalenzgerechten Kaufgegenstandes, die Kompensation bei gleichzeitigem Behalten des Kaufgegenstandes oder eine Kombination aus beidem tatsächlich gewollt sind. 627 Im Ergebnis wird hierdurch eine Verzahnung des Allgemeinen Teils mit dem (Besonderen) Schuldrecht hergestellt, da die Institutionen des einen in einer Gesamtwertung mit denen des anderen zu einem homogenen Rechtsfolgenapparat zusammengeführt werden. Dieses gesetzliche Prinzip ist nicht allein beim hier herangezogenen Reuerecht zu beobachten, sondern ist auch anderen Ortes angelegt, was den Prinzipiencharakter, der Grundlage und Ausgangspunkt der hier zu begründenden Analogie ist, unterstreicht: § 283 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3 BGB, der einen vertraglichen Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Fällen gewährt, in denen der Verkäufer nach § 275 Abs. 1 oder 3 BGB von seiner Leistungspflicht befreit ist, schlägt eine ähnliche Brücke zwischen Allgemeinem und Besonderem Schuldrecht. § 283 BGB zeigt damit, dass dem Gesetzgeber die Gewährung vertraglicher Ansprüche trotz einer Durchbrechung der gewährleistungsrechtlichen Ereignisfolge durch Rechtsinstitute des Allgemeinen Teils keineswegs fremd ist. 628 Dies gilt freilich nur unter der mehr theoretischen Annahme, dass die Kompensation in der Lage ist, den subjektiv bemessenen Nutzenentgang vollständig abzubilden und so eine vollständige Kompensation zu gewährleisten. Realiter wird eine solch genaue Bemessung hingegen kaum möglich sein. Dies aber ist gerade Argument für die größtmögliche Flexibilität im Umgang mit den zur Verfügung stehenden Institutionen.
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Gestützt wird diese Argumentation noch durch eine reziprok analoge Anwendung des § 144 Abs. 1 BGB. Während danach die ausdrückliche Bestätigung des Rechtsgeschäfts die Anfechtung ausschließt, muss dies im Umkehrschluss nicht bedeuten, dass auch eine auf unvollständiger Informationsgrundlage ausgesprochene Anfechtung – und das ist die Anfechtung infolge arglistiger Täuschung zwingend, weil ein wesentlicher Teil der transaktionsbezogenen Information durch die weggefallene Vertrauensgrundlage substituiert wurde –, die unbedingte Abkehr vom Vertrag und seinen Institutionen in derselben Weise festschreibt. Jedenfalls wären an eine solche Annahme hohe Anforderungen zu stellen, womit sich die allgemeine Aussage, allein durch die Anfechtungserklärung bringe der Käufer bereits zu Ausdruck, den Kaufgegenstand nicht behalten zu wollen,629 nicht vereinbaren lässt. Die Anfechtung geht, wie eingangs dargestellt,630 auf einen sich von der Kaufsache und ihren Eigenschaften zunehmend entfernenden Fokus der Verstrickung zurück, beruht nämlich zuvörderst auf der infolge der Täuschung fehlenden Vertrauenswürdigkeit des Verkäufers und dem fehlenden Vertrauen in die von ihm in den Markt getragene Reputation. Fokussiert sich die real-ökonomische Motivation der Anfechtung aber nicht an erster Stelle auf den Kaufgegenstand und die durch in vermittelten Eigenschaften, ist mit der Anfechtungserklärung in dieser Allgemeinheit auch keine Aussage über das Behaltenwollen dieser Kaufsache aufseiten des Käufers getroffen. Dafür bedürfte es einer ebenso differenzierteren Erklärung des Käufers. Solange es aber an einer solchen fehlt, liegt in der Anfechtungserklärung keine Bestätigung der endgültigen Abstandnahme vom vertraglichen Leistungsaustausch, sondern allein die Bestätigung der Abstandnahme von der gegenwärtigen Vertrauens- und der darauf gründenden Vertrags- und Informationslage. Verändert sich diese, kann der Anfechtungserklärung keinerlei Bestätigungswirkung mehr in Bezug auf das Behaltenwollen des Kaufgegenstandes und damit in Bezug auf den vertraglichen Leistungsaustausch entnommen werden, sodass die vertraglichen und gewährleistungsrechtlichen Reallokationsmöglichkeiten des Käufers zulasten des Verkäufers noch nicht ,entpflichtet‘ sind. d) Ergebnis Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass sich das rechtsökonomische Bedürfnis nach flexiblen Rechtsfolgen zur Ausfüllung der Gesetzeslücke in Bezug auf die Reichweite und den Umfang des ius variandi im Anwendungsbereich des § 123 BGB durch eine Gesamtanalogie zu den dem Rechtsprinzip des Reuerechts zugrunde liegenden Gedanken, zu § 325 BGB und in reziproker Anwendung zu § 144 Abs. 1 BGB rechtsdogmatisch im Sinne einer ,großen Lösung‘ umsetzen lässt. In zeitlicher Hinsicht sollte die Flexibilität dieser großen Lösung solange erhalten bleiben, wie nicht das Abwicklungsverhältnis durch Erfüllung eines der konkurrie629 630
Derleder/Sommer, JZ 2007, 338, 341; Derleder, NJW 2004, 996, 970. Dazu soeben 2. Kap. § 3 C) IV.3 a).
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
renden Ansprüche erloschen oder Verjährung der Ansprüche eingetreten ist. Im Interesse der Rechtssicherheit nämlich ist freilich die Umstellung des Leistungsbegehrens auf einen verjährten Anspruch nicht (mehr) möglich. Im Übrigen sollte das ius variandi möglichen Einschränkungen des Rechts der Verwirkung unterliegen, wenn nämlich in der Ausübung der zunächst gewählten Anfechtung und durch Zeit- und Umstandsmoment eine Vertrauensbildung aufseiten des Verkäufers liegt, die ihm einen späteren Wechsel in die Sekundärrechtsbehelfe unzumutbar macht.631 Da das Umstandsmoment sich aber immer nur auf einen gegebenen Informationshorizont beziehen kann, fördert auch dies das Interesse des arglistigen Verkäufers, nach Aufdeckung der Täuschung möglichst schnell für die umfassende Information des Käufers zu sorgen und so noch bestmöglich die Voraussetzungen für eine effiziente Ressourcenallokation zu schaffen. Das hier angebotene dogmatische Fundament für eine große Lösung beim ius variandi im Anwendungsbereich des § 123 BGB ermöglicht die Inkorporation ökonomisch effizienter Ergebnisse und implementiert ein weiteres Mal ökonomische Vorherigkeiten in die rechtsdogmatische Problemlösung, ohne dabei zugleich die Autonomie des Rechts in Frage zu stellen. Durch das hier vorgeschlagene integrative Verständnis beider Disziplinen werden jedoch homogene Ergebnisse mit hohem Akzeptanzpotential ermöglicht.
D) Die Vertragsaufhebung nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 249 BGB – Der schadensrechtliche Befreiungsanspruch aus culpa in contrahendo (c.i.c.) I. Einführung Das Konkurrenzverhältnis der kaufrechtlichen Gewährleistung zum Schadensersatzanspruch aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, durch welche die richterrechtliche culpa in contrahendo (c.i.c.) des alten Schuldrechts in das BGB inkorporiert wurde, ohne dass hiermit systemische Änderungen des Rechtsinstituts der c.i.c. einhergehen sollten,632 bei den Ansprüchen zur Abwehr von Verstrickungslagen 631
Dieser Mechanismus ist bereits aus der möglichen Bindung des Käufers an eine Nach-Nachfrist im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs bekannt, vgl. oben 2. Kap. § 2 B) III.2 b). Die Wertungskriterien sollten hier wie dort dieselben sein. 632 Vgl. die Regierungsbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 161, 162: „Die culpa in contrahendo ist in ihrer über Jahrzehnte fortentwickelten Ausgestaltung gekennzeichnet durch eine große Flexibilität, die es verhindert, dass das Institut als solches erkennbare und reformbedürftige Mängel hat; zweifelhaft und vielleicht kritikwürdig sind stets nur konkrete Anwendungsfälle des Prinzips. (…) Es soll vielmehr – der Regelungstradition des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend – eine abstrakte Regelung vorgesehen werden, die der Ausdifferenzierung und Fortentwicklung durch die Rechtsprechung zugänglich ist. (…) Abs. 2 [Anm.: § 311 BGB] regelt – aufbauend auf einer gefestigten Rechtsprechung – die Voraussetzungen für das Entstehen eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses. Über den Inhalt und die Reichweite der hierdurch begründeten Pflichten enthält die Vorschrift keine Aussage.“. Rieble, Kodifikation der c.i.c., S. 137, knüpft hieran an und hält die Kodifikation nur des Rechtsprinzips für eine inhaltsleere Generalklausel ohne subsumtionsfähigen Inhalt.
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zu erörtern, erschließt sich nicht auf den ersten Blick; liegt es doch nahe, einen Schadensersatzanspruch zunächst den Kompensationsansprüchen zuzuordnen. Demgegenüber ist jedoch die Abwehr einer Verstrickungslage durch die schadensrechtliche Rückabwicklung des nicht erwartungsgerechten Vertrages – die ihrerseits vertraglich, nämlich durch Aufhebungsvertrag erfolgt633 – von eminenter Bedeutung.634 Normativ ist der Schutz vor einem infolge Informationspflichtverletzung erwartungsinkongruenten Vertrag durch die sprachlich insoweit ein wenig missglückte Bezugnahme auf ,Rücksichtnahmepflichten‘ in § 241 Abs. 2 BGB erfasst.635 Konstruktiv führt der Weg zu einem solchen Aufhebungsvertrag über die Regelfolge des Schadensersatzes, die Naturalrestitution: Nach § 249 Satz 1 BGB ist im Falle des Bestehens einer Schadensersatzverpflichtung der frühere Zustand wieder herzustellen. Wiederherstellung des früheren Zustandes bedeutet in Fällen, in denen aufgrund einer schuldhaften Irreführung ein Vertrag geschlossen wurde, der bei pflichtgemäßem Verhalten nicht zustande gekommen wäre, die Verpflichtung zur Beseitigung des Vertrages,636 im Ergebnis also die Pflicht zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages.637 Genau bei dieser Definition setzten aber bereits die Probleme im Umgang mit dem Konkurrenzverhältnis des schadensrechtlichen Aufhebungsanspruchs zu anderen Institutionen der Verstrickungsabwehr, namentlich zur kaufrechtlichen Gewährleistung und zu § 123 BGB ein: Während für den schuld- und schadensersatzrechtlichen Vertragsaufhebungsanspruch als Verschuldensmaßstab bereits einfache Fahrlässigkeit ausreicht, setzt der konkurrierende Aufhebungsanspruch aus § 123 BGB Täuschungsvorsatz voraus; und während der Aufhebungsanspruch aus c.i.c. der dreijährigen Verjährung einerseits und keinem vorrangigen Nacherfüllungsanspruch andererseits unterliegt, erfordern sowohl der Rücktritt als auch der große Schadensersatz im Rahmen der kaufrechtlichen Gewährleistung die gescheiterte Nacherfüllung und verjähren bereits in zwei Jahren.638 Obschon das Konkurrenzverhältnis der c.i.c. zur Arglistanfechtung einerseits und zur kaufrechtlichen Gewährleistung andererseits lange Zeit in Wissenschaft und Rechtsprechung zwar kontrovers aber doch abschließend behandelt schien, 633
Nickel, c.i.c., S. 172 f.; Lorenz, ZIP 1998, 2053, 1054. So wörtlich Grigoleit, NJW 1999, 900: „Steht eine Lösung vom Vertrag wegen Täuschung in Frage, wird man zunächst geneigt sein, eine Anfechtung nach § 123 BGB zu erwägen. Weniger naheliegend, obwohl von eminenter Bedeutung, ist die richterrechtlich entwickelte Möglichkeit einer schadensrechtlichen Rückabwicklung von Verträgen nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo.“. 635 Krebs, in: AnwKomm, § 311 Rz. 29. 636 Weiler, ZGS 2002, 249, 250. 637 In diesem Punkt unterscheidet sich der Aufhebungsanspruch aus c.i.c. konstruktiv von den Rechtsfolgen der Anfechtung, die über § 142 BGB ,dinglich‘ wirkt, also die unmittelbare Nichtigkeit des Vertrages im Gegensatz zu einem schuldrechtlichen Aufhebungsanspruch auslöst. Dieser konstruktive Unterschied in den Rechtsfolgen war für den BGH lange Zeit maßgebliches Argument für die parallele Zulassung von c.i.c. und § 123 BGB, vgl. bereits BGH, NJW 1962, 1197, 1198. 638 Kritisch zum Kokurrenzverhältnis deshalb jüngst statt vieler Fleischer, AcP 200 (2000), S. 91 ff.; Lorenz, ZIP 1998, 1053; Lieb, in: FS Medicus, S. 337 ff. 634
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und sowohl akademisches Interesse an als auch praktischer Mehrwert aus einem weiteren Diskurs nicht mehr zu erwarten waren,639 hat nicht erst die Schuldrechtsreform, sondern bereits ein Urteil des BGH vom 26.09.1997640 die Diskussion wieder ins Rollen gebracht.641 Der BGH hielt hier an einer grundsätzlichen Parallelität von schadensrechtlicher Vertragsaufhebung und Arglistanfechtung fest, besann sich für die tatbestandliche Anwendbarkeit des auf § 249 BGB gestützten Aufhebungsanspruchs aus c.i.c. jedoch auf die Erforderlichkeit des Nachweises eines Vermögensschadens zurück.642 Die Schuldrechtsmodernisierung tat dann zur Ausweitung der nun wieder kontrovers geführten Diskussion um die Anwendbarkeit der c.i.c. neben Aufhebungsansprüchen aus § 123 BGB643 und neben gewährleistungsrechtlichen Institutionen,644 die nunmehr ebenfalls einen Schadensersatzanspruch vorsehen, ihr Übriges.645 639 Mit ähnlicher Einschätzung Fleischer, AcP 200 (2000), S. 91, 92: „In jüngerer Zeit zeigte die anfangs lebhafte Diskussion allerdings zunehmend Ermüdungserscheinungen: Die wesentlichen Argumente schienen ausgetauscht, die Rechtsprechung in ihren Ergebnissen festgelegt und an einer inhaltlichen Auseinandersetzung nicht länger interessiert.“. 640 BGH, NJW 1998, 302 (= ZIP 1998, 154). 641 Von dieser Entscheidung des BGH (ZIP 1998, 154) war bereits oben, 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (4), dort Fn. 1109, bei Legitimation einer ökonomisch gebotenen Einbeziehung subjektiver Elemente in den normativen Schadensbegriff die Rede. Darauf wird hier zurückzukommen sein. 642 Dabei stellt der BGH (ZIP 1998, 154; Tz. II. 2. b) cc), Rz. 28) zur Berechnung des Schadens aber ausdrücklich nicht allein auf die Differenzhypothese ab, sondern unterzieht diese einer normativen Korrektur anhand subjektiver Bewertungsmaßstäbe, die für die hier anzustellenden Überlegungen auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse zur Legitimation der Einbeziehung ökonomischer Vorherigkeiten in die rechtsdogmatische Auseinandersetzung zu einer groben Leitschnur gemacht werden können: „Ist – was zwischen den Parteien streitig ist – der Kaufgegenstand den Kaufpreis wert, so kann ein Vermögensschaden schon darin liegen, dass der von dem schuldhaften Pflichtverstoß Betroffene in seinen konkreten Vermögensdispositionen beeinträchtigt ist. Der Schadensersatzanspruch dient dazu, den konkreten Nachteil des Geschädigten auszugleichen; der Schadensbegriff ist mithin im Ansatz subjektbezogen. Wird jemand durch ein haftungsbegründendes Verhalten zum Abschluss eines Vertrages gebracht, den er sonst nicht geschlossen hätte, kann er auch bei objektiver Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung dadurch einen Vermögensschaden erleiden, dass die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar ist. (…) Die Bejahung eines Vermögensschadens unter diesem Aspekt setzt allerdings voraus, dass die durch den unerwünschten Vertrag erlangte Leistung nicht nur aus rein subjektiv willkürlicher Sicht als Schaden angesehen wird, sondern dass auch die Verkehrsanschauung bei Berücksichtigung der obwaltenden Umstände den Vertragsschluss als unvernünftig, den konkreten Vermögensinteressen nicht angemessen und damit als nachteilig ansieht.“. 643 Vgl. mit Schwerpunkt auf die Konkurrenz zu § 123 BGB statt vieler Fleischer, AcP 200 (2000), 91 ff.; Grigoleit, NJW 1999, 900 ff.; Lorenz, NJW 1998, 1053 ff.; Lieb, in: FS Medicus, S. 337 ff.; Nickel, c.i.c., S. 173 ff. 644 Vgl. mit Schwerpunkt auf die Konkurrenz zum Gewährleistungsrecht statt vieler Weiler, ZGS 2002, 249 ff.; Brors, WM 2002, 1780, 1782 f.; Köster, Jura 2005, 145, 147; Häublein, NJW 2003, 388 ff.; Barnert, WM 2003, 416 f. 645 Der Beitrag des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zur ,neuen‘ Diskussion um die Konkurrenzen der c.i.c. liegt in einer ausdrücklichen Nichtbefassung des Gesetzes mit dieser Frage begründet, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 162 f.: „Im geltenden Recht ist das Verhältnis von Ansprüchen aus culpa in contrahendo zu Ansprüchen auf Erfüllung des Vertrags oder wegen Verletzung von vertraglichen Hauptpflichten sehr differenziert und auch nicht vollständig geklärt. (…) Ob es genügt, wenn der Geschädigte auf dieser Grundlage unter Anwendung von § 249 die Lösung von dem Vertrag als Naturalrestitution zu
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In den beiden praktischen Bereichen möglicher Rechtskollisionen ist daher die Legitimation für einen auf Vertragsaufhebung gerichteten Schadensersatzanspruch aus c.i.c.646 in der Fallgruppe der Informations- und damit der Verstrickungshaftung im Lichte der hier erarbeiteten Grundlagen – neu – zu würdigen. II. Das Verhältnis der schadensrechtlichen Vertragsaufhebung zur Arglistanfechtung II.1 Schutzgut und Schutzzweck einer Differenzierung zwischen schadensrechtlicher Vertragsaufhebung und Arglistanfechtung Das bis zum Anrollen der durch das Urteil des BGH vom 26.09.2007647 ausgelösten zweiten Diskussionswelle um das Verhältnis der schadensrechtlichen Vertragsaufhebung zur Arglistanfechtung in der Rechtsprechung herrschende Konkurrenzverständnis entsprang einem rechtsethischem Bedürfnis648 und der Feststellung, dass es tatsächlich immer wieder Fälle gebe, in denen ohne Rückgriff auf die c.i.c. schwerlich auszukommen sei.649 Die c.i.c. entwickelte sich, dem hier nachgezeichneten Bild von dem einer dynamischen Fortschreibung unterlegenen gesetzgeberischen Problemlösungsvorschlag650 ganz entsprechend, zu einem praeter legem rechtsfortbildend ausdifferenzierten Rechtsinstitut.651 Dieser Prozess einer bedürfnismotivierten Rechtsevolution,652 die schließlich in einer gesetzgeberischen Institutionalisierung, hier durch Normierung der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 BGB mündet, ist bereits aus der Diskussion
646 verlangen, oder ob auch eine Modifikation der eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen in Betracht kommt, soll offen und der Rechtsprechung überlassen bleiben“. Die an dieser Delegation auf die Rechtsprechung von Rieble, Kodifikation der c.i.c., S. 137, 151, geübte Fundamentalkritik, „Der Gesetzgeber hat selbst den ,krassen Wertungswiderspruch‘ geschaffen. Er mag ihn selbst bereinigen. Bis dahin stehen c.i.c. und Anfechtung unkoordiniert nebeneinander.“, schießt wohl deutlich über das Ziel hinaus, resultiert das Konkurrenzverhältnis doch aus dem systematisch dem Gesetz zugrunde liegenden Nebeneinander von Allgemeinem und Besonderem Teil des BGB, das im Einzelfall einer konsistenten Lösung zuzuführen ist. 646 Zur Legitimation der c.i.c. als ergänzendem Haftungsinstitut sehr grundlegend und überzeugend Stoll, Culpa in Contrahendo, S. 435 ff.; in Bezug auf den Schutz der Entscheidungsfreiheit durch die c.i.c. vg. Lieb, in: FS Medicus, S. 337 ff. 647 BGH, ZIP 1998, 154; der BGH hat diese Rechtsprechung kurz darauf mit Urt. v. 19.12.1997, NJW 1998, 898, noch einmal bestätigt. 648 Lorenz, ZIP 1998, 1053, 1054. 649 So Emmerich, in: MünchKomm-BGB (3. Aufl.), Rz. 96 Vor § 275. 650 Dazu oben 1. Kap. § 1 B) II.2. 651 Ausführlich Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 333 f. 652 Eine solche Rechtsevolution kommt in Bezug auf die Kodifizierung der c.i.c. auch in der Gesetzesbegründung selbst zum Ausdruck, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 84: „Zwar kann es nicht die Aufgabe des Gesetzgebers sein, jede von der Rechtsprechung entwickelte Regel in Gesetzesform zu gießen. Wohl aber stellt sich die Frage, ob dies nicht jedenfalls dort geboten ist, wo das in Rede stehende Richterrecht für die Entscheidung praktischer Fragen in der täglichen Rechtsanwendung von grundlegender Bedeutung ist und eine befriedigende gesetzliche Regelung möglich scheint.“.
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um die Adelung des Nacherfüllungsanspruchs durch Erhebung in den Gesetzesrang bekannt.653 Der BGH hat mit seiner zuletzt zitierten Entscheidung jedoch versucht, das Rad der juristischen Evolutionsgeschichte wieder ein wenig zurück zu drehen, indem er erneut für eine strikte Trennung zwischen den vermeintlichen Schutzbereichen der Anfechtung und der culpa in contrahendo eintrat: Während die c.i.c. das Vermögen schütze, dienten die Vorschriften über die Arglistanfechtung ausschließlich dem Schutz der freien Willensbestimmung.654 Dieser Versuch einer klaren Abgrenzung hat in der Rechtslehre sowohl Wider-655 als auch Zuspruch656 erfahren. Die in der Rechtslehre durch diese Entscheidungen des BGH ausgelöste Diskussion folgt dabei verständlicherweise im Wesentlichen der vom BGH vorgegebenen Linie und orientiert sich an der Abgrenzung beider Rechtsinstitute nach ihren Schutzbereichen,657 wobei nur wenige Autoren über die Differenzierung zwischen der freien Willensbildung und dem Vermögen als Schutzgut hinausblicken.658 Insbesondere der Ansatz Fleischer’s,659 die Konkurrenzfrage nicht an typisiert zu bestimmenden Schutzbereichen festzumachen, sondern das Hauptaugenmerk auf den von beiden Rechtsinstituten gemeinsam verfolgten und übergeordneten institutionellen Regelungsanspruch, nämlich auf das ,Schutzgut der vertragsschlussbezogenen Informationspflichten‘ zu legen, scheint der wegen dieses gemeinsamen Zwecks nicht zu tren653
Dazu bereits ausführlich oben 2. Kap. § 2 B) I. So ausdrücklich BGH, ZIP 1998, 154; vgl. außerdem die bestätigende Entscheidung BGH, NJW 1998, 898. 655 Lorenz, ZIP 1998, 1053; Fleischer, AcP 200 (2000), 91; differenzierend Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 127 ff., 137 ff., der zwar eine Parallelität von § 123 BGB und schadensrechtlicher Vertragsaufhebung entschieden ablehnt, sich aber nach seinem Modell eines zu überwindenden informationellen Vorsatzdogmas des BGB für die Übertragung der Grundsätze einer Vertragsaufhebung nach c.i.c. auf den Anfechtungsanspruch nach § 123 BGB und damit für dessen Ausdehnung auch auf fahrlässige Aufklärungs- und Offenbarungspflichtverletzungen ausspricht. 656 Lieb, in: FS Medicus, S. 337 ff.; bedingt auch Grigoleit, NJW 1999, 900, 903; mit ausführlichem Überblick über die in ihrer jeweiligen Einzelausprägung verschiedenen Ansichten, Nickel, C.i.c., S. 177 ff. 657 So heißt es etwa bei Lieb, in: FS Medicus, S. 337: „Diese Entscheidungen sind schon deswegen zu begrüßen, weil sie die Problematik deutlich herausstellen und – mit der Forderung nach Vorliegen eines Vermögensschadens – auch klar Stellung nehmen.“; vgl. ausserdem Nickel, c.i.c., S. 192: „Es kann jedoch vorläufig festgehalten werden, dass Schutzgut der c.i.c. auch die Willensfreiheit ist und die Beeinträchtigung der Willensfreiheit zu einem Nichtvermögensschaden führt.“. 658 Lorenz, NJW 1998, 1053, 1055 f., hält diese Differenzierung für untauglich, da der Schutzzweck der c.i.c. nur in Abhängigkeit der konkreten Pflichtverletzung bestimmt werden könne und deshalb zunächst einmal ,umfassend‘ sei. Eindrucksvoll auch Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 111 f.: „Der Bundesgerichtshof und mit ihm die herrschende Lehre ziehen insoweit strikte Trennungslinien zur Rechtsgeschäftslehre: Sie möchten den Schutz der Willensfreiheit den Anfechtungsvorschriften vorbehalten und die culpa in contrahendo nur beim Vorliegen eines konkreten Vermögensschadens zur Geltung bringen. Ein solcher Lösungsentwurf besticht auf den ersten Blick durch seine systematische Geschlossenheit. Bei näherer Betrachtung neigt die h.M. indessen dazu, das Gewicht ihrer Argumente zu überschätzen. (…) Das Hauptaugenmerk der wissenschaftlichen Auseinandersetzung hat deshalb dem Schutzgut der vertragsschlussbezogenen Informationspflichten zu gelten.“. 659 Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 112. 654
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nenden Überkreuzung der konkreten Schutzzwecke der Arglistanfechtung auf der einen und des schadensrechtlichen Vertragsaufhebungsanspruchs auf der anderen Seite allein gerecht zu werden. Gleich ob konkretes Schutzgut der jeweils in Streit stehenden Institution die freie Willensbestimmung oder das Vermögen ist; beide dienen einheitlich dem Schutz vor einer vorvertraglichen Verstrickung durch Desinformation.660 Daran hat sich die Auflösung des Konkurrenzverhältnisses vorrangig auszurichten. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die im Übrigen in der Rechtslehre vorgeschlagene Differenzierung zur Erreichung konsistenter, nachvollziehbarer und deshalb durch allseitige Akzeptanz legitimierbarer Lösungen661 nicht geeignet ist: Zunächst setzt die auf § 249 BGB als Naturalrestitutionsanspruch gestützte Vertragsaufhebung tatbestandlich gar keinen rechnerisch nach der Differenzhypothese oder normativ ermittelbaren Schaden voraus, wie es der BGH unterstellt, weil die Ersatzfähigkeit ideeller und immaterieller Schäden nur im Rahmen des § 253 BGB für Geldersatzansprüche eingeschränkt ist;662 darüber hinaus sind auch bei Durchmusterung des bestehenden Fallmaterials zu § 123 BGB kaum Fälle einer arglistigen Täuschung aus den Tiefen des Präjudizienbestandes zu heben, die nicht auch einen – jedenfalls nach dem normativen Verständnis des BGH – Vermögensschaden begründen ließen.663 Eine Differenzierung zwischen diesen beiden Rechtsinstituten anhand einer Beschränkung des jeweils verfolgten Schutzzwecks lässt sich damit einerseits dogmatisch schwer begründen und führt andererseits zur Ungleichbehandlung im wirtschaftlichen Ergebnis regelmäßig gleicher Sachverhalte.
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Mit diesem Gedanken zutreffend auch Weiler, ZGS 2002, 249, 254, allerdings für das Verhältnis der c.i.c. zum Gewährleistungsrecht: „Die Gewährleistung ist, wie sich aus § 433 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, als Erfüllungshaftung ausgestaltet. Die Haftung des Verkäufers beruht mithin auf der vertraglichen Vereinbarung. Demgegenüber liegt der Grund der vorvertraglichen Haftung nach h.M. in der Gewährung und Inanspruchnahme von Vertrauen. Die Gewährleistung dient dagegen dem Schutze des Äquivalenzinteresses, welches durch vertragliche Beschaffenheitsvereinbarungen begründet und ausgestaltet wird. Die unterschiedlichen Schutzrichtungen sprechen auf den ersten Blick für ein Nebeneinander der Haftung. Indessen dient der Schutz der Entscheidungsfreiheit auch dem des Äquivalenzinteresses. Denn die vom Käufer zu treffende Entscheidung, ob die Kaufsache nach seinen Vorstellungen dem Kaufpreis entspricht, kann nur dann fehlerfrei getroffen werden, wenn er nach Möglichkeit über alle entscheidungserheblichen Umstände informiert ist.“. 661 Dass ein statisches Rechtssystem, dem es an der nötigen Dynamik fehlt, die Evolution sozialer Institutionen nachzuzeichnen, niemals geeignet sein wird, einen vollständigen Vertrag nachzuzeichnen, wie ihn die Parteien unter Abwesenheit von Transaktionskosten geschlossen haben würden, was das Ziel einer jeden gesetzlichen Regelung sein sollte, war oben, 1. Kap. § 2 B) III.3 b), unter Hinweis auf von Hayek, Studies in Philosophy, S. 100 ff., bereits dargestellt worden. Canaris, Systemdenken, S. 17, leitet mit ähnlichen Erwägungen die Notwendigkeit einer abstrakt generellen Öffnung und Flexibilisierung des Rechts her, auf die es auch zur Entscheidung des hier betroffenen Konkurrenzverhältnisses ankommt. Formale Abgrenzungskriterien, die sich weder in der gesetzlichen Dogmatik noch in den tatsächlichen Verhältnissen verlässlich wiederfinden, sind als Fundament einer institutionelle Akzeptanz anstrebenden Lösung jedenfalls nicht geeignet. 662 So zu Recht Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 73 f.; ders., NJW 1998, 1053, 1055; ebenso Grigoleit, NJW 1999, 900, 901. 663 Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 97.
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Versucht man jedoch eine Abgrenzung zwischen beiden Rechtsinstituten unter Heranziehung des vorgelagerten Schutzes vor einer desinformationsbedingten Verstrickung in einen ungewollten Vertrag als maßgeblichem übergeordneten Schutzgut, so tritt die dogmatisch durchaus streitige Frage,664 ob bereits der Abschluss eines unerwünschten Vertrages einen immateriellen Schaden darstellen kann, auch wenn die Gegenleistung im konkreten Fall objektiv gleichwertig, subjektiv aber mit der erwarteten nicht kongruent ist, in den Hintergrund.665 Dies auch zu Recht, da sich jedenfalls unter der gebotenen Berücksichtigung ökonomischer Vorherigkeiten im Recht eine Trennung zwischen der Willensbildung und der Entstehung eines ökonomischen Schadens in Gestalt der Fehlallokation von Ressourcen nicht vornehmen lässt: Wie bereits in der Diskussion um die Anwendbarkeit des § 123 BGB neben dem kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht gesehen,666 begründet die Einflussnahme auf die Willensbildung einer der Vertragsparteien denknotwendig die Verletzung von Aufklärungs- und Offenbarungspflichten. Deren Umfang richtet sich aus an der vertraglichen Risikoallokation der Parteien, die auf Basis der durch Reputation, abstraktes und dynamisch-konkretes Vertrauen in den Vertrag einbezogenen konkreten, konkludenten und impliziten Vertragsbestandteile zu rekonstruieren ist. Maßstab für diese Rekonstruktion insbesondere der impliziten Vertragsbestandteile ist die vertrauensbasierende und damit informationssubstituierende Ermittlung der Zahlungsbereitschaft der betroffenen Partei.667 Da aber gerade die Zahlungsbereitschaft wiederum Maßstab für den mit dem Vertrag zu 664 Brandner, in FS R. Fischer, S. 24, hat hierfür – in wettbewerbsrechtlichem Zusammenhang – den einprägsamen Begriff des ,Vertragsabschlussschadens‘ geprägt; im Übrigen vertreten insbesondere auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 72–75, und Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 137, die Auffassung, dass der Schutzzweck vorvertraglicher Sorgfaltspflichten auch die korrekte Willensbildung erfasse und deshalb insbesondere in Anlehnung an die Theorie vom ,subjektiven Schadenseinschlag‘ die Abweichung des auch objektiv Werthaltigen vom subjektiv Gewollten bereits einen Schaden begründe, jedenfalls aber eine konkrete Vermögensgefährdung für die Anwendbarkeit der c.i.c. genüge; wie zuletzt insb. Lorenz, ZIP 1998, 1053, 1055. 665 Unter Bezugnahme auf Grigoleit, NJW 1999, 900, 902, der in dem schadensrechtlichen Aufhebungsanspruch die Respektierung des Grundsatzes der Privatautonomie in Gestalt der negativen Abschlussfreiheit erkennt, weist Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 113, zu Recht darauf hin, dass es von der Anerkennung des subjektiven Schadenseinschlages durch den BGH in seinen Grundlagenurteilen vom 26.09.1997 (ZIP 1998, 154) und vom 19.12.1997 (NJW 1998, 898) nur einer kleiner Schritt zur Anerkennung der rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit als eigenständiges Schutzgut der c.i.c. sei. Angesichts der vorgetragenen Argumente (vgl. zur Gegenansicht etwa Stoll, in: FS Deutsch, S. 361, 366; kritisch auch Lieb, in: FS Medicus, S. 337, 350, der die Tendenzen in der Rechtsprechung einem unreflektierten Schutz des Schwächeren und einem überpointierten Verbraucherschutz zuschreibt), aber jedenfalls lässt sich die feinsinnige Differenzierung zwischen einem ausreichenden subjektiven Schaden, der nicht objektiv lebensfremd ist und dem Vertragsabschluss selbst als Schaden von vornherein ungeachtet der objektiven Werthaltigkeit der Vertragsleistung sowohl in der einen wie auch in der anderen Richtung begründen, wobei m.E. die besseren Argumente für die von objektiven Grenzen unabhängige Betrachtung sprechen. Daraus folgt aber, dass die bisherige an der Schutzgutargumentation haftende Differenzierung keine verlässlichen Ergebnisse zu liefern vermag und deshalb nicht zuvörderst die Richtung weisen sollte. 666 Vgl. oben 2. Kap. § 3 C) III.1 c). 667 Dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5) und d).
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realisierenden subjektiven Nutzen und dieser Nutzen anders als durch Rückgriff auf die vertraglich fixierte Zahlungsbereitschaft nicht messbar ist,668 muss jede tatbestandsmäßige Täuschung denknotwendig zu einer vermögensmäßigen Beeinflussung und damit zu einer Fehlallokation der in den Vertrag und seine Durchführung investierten Ressourcen führen. Dies mag man im Kleid der rechtsdogmatischen Argumentation – meines Erachtens zu Recht – als subjektiv-normativen Schaden im Sinne des § 249 BGB qualifizieren;669 jedenfalls aber löst eine infolge der Verletzung von Aufklärungs- und Offenbarungspflichten entstandene Verstrickung in einen ungewünschten Vertrag nach dem hier entworfenen Modell grundsätzlich einen Reallokationsanspruch aus, der sich an diesem übergeordneten Schutzziel orientiert und nicht mit der dahinter zurücktretenden Beantwortung der Frage aufhält, ob konkret zu schützendes Rechtsgut im zu entscheidenden Fall die Willensbildung oder – davon bei zutreffender Betrachtung ohnehin untrennbar – das Vermögen ist.670 Soweit aber die Rechtswissenschaft gehalten ist, die ökonomischen Realitäten als Grundlage ihrer Vertragstheorie zu akzeptieren, folgt hieraus unweigerlich, dass eine rechtsdogmatische Trennung der Rechtsinstitute der Anfechtung und der schadensrechtlichen Vertragsaufhebung an den Schutzzwecken Willensbildung gegen Vermögensschutz weder konsistent begründbar noch in der Lage ist, Grenzfälle belastbar zu lösen. II.2 Anspruchskonkurrenz unter einem gemeinsamen Schutzziel Wenn eine Trennung beider Rechtsinstitute sich aber angesichts ihres gemeinsamen übergeordneten Schutzzweckes der Abwehr von Verstrickungslagen nicht bewerkstelligen lässt, stellt sich konsequent die daraus abgeleitete Frage, ob es einer solchen Trennung überhaupt bedarf. Die Argumente der eine strenge Trennung befürwortenden Vertreter671 beschränkt sich letzthin darauf, dass der Gesetzgeber an den Schutz der freien Willensbildung durch das Vorsatzerfordernis hohe Anforderungen gestellt habe, die durch die bloße Fahrlässigkeitshaftung der c.i.c. nicht unterlaufen werden dürften.672 Angesichts dieses in den letzten Tagen des ,alten‘ 668
Zur gesamten Herleitung ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4. So im Ergebnis wohl auch Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 113 f., der unter Hinweis auf einen „Wandel der Normsituation“ seinen Blick auf das übergeordnete Schutzgut vertragsabschlussbezogener Schutzpflichten auch dafür geeignet hält, „die arbeitsteilig bedingten Informationsasymmetrien in einer modernen Wettbewerbswirtschaft“ abzumildern, weshalb die angebotene Lösung insoweit auf einem „ökonomisch (…) soliden Fundament“ ruhe. 670 Fleischer, AcP 200 (2000), 91. 671 Allen voran freilich der BGH, ZIP 1998, 154; NJW 1998, 898, mit seinen hier besprochenen Entscheidungen, in der Literatur in der Tendenz wenn auch mit Kritik im Einzelnen insbesondere unterstützt von Lieb, in: FS Medicus, S. 337, 343 ff.; Canaris, ZGR 1982, 395, 416, der seine Ansicht allerdings in AcP 200 (2000), 273, 307, aufgegeben und umgekehrt hat. 672 Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 37 ff., akzeptiert diese vermeintlich grundsätzliche Wertentscheidung des Gesetzgebers und stützt sein auf Grundlage eines informationellen Vorsatzdogmas entwickeltes Konzept der vorgeschlagenen Ausdehnung des § 123 BGB auch auf fahr669
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Schuldrechts so engagiert und in zeitlicher Parallele zu den Arbeiten am Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geführten Streits verwundert es, dass der Gesetzgeber, hat er mit dem § 123 BGB tatsächlich eine klare Wertentscheidung zugunsten eines allein an vorsätzliches Aufklärungsverschulden gebundenen Aufhebungsanspruchs treffen wollen, § 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB in der vorzufindenden Weite formuliert hat, ohne die Gelegenheit zu nutzen, den Streit zu entscheiden. Vielmehr hat er die Klärung des Konkurrenzverhältnisses – wie gesehen673 – ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen. Eine klare Wertentscheidung des Gesetzgebers ist damit widerlegt;674 er zeigt sich vielmehr indifferent. Die Lösung muss also auf anderer Ebene gefunden werden. Dass aber ausreichend Wertungsargumente für eine parallele Anwendung beider Rechtsinstitute einschließlich der erforderlichen ökonomischen Grundlagen vorliegen, hat Fleischer675 unlängst nachgewiesen und ist auch im Übrigen, einschließlich des Nachweises eines auch rechtsethischen Bedürfnisses für einen Vertragsaufhebungsanspruch bereits bei fahrlässiger vorvertraglicher Informationspflichtverletzung676 in der Literatur umfassend dargelegt.677 Diese überkommenen Begründungsansätze gilt es hier nicht, noch einmal zu wiederholen, sondern zu bestätigen. Mit der Aufbereitung der ökonomischen Wechselbezüglichkeiten einer Verstrickung durch Desinformation678 ist hier bereits der Nachweis geführt worden, dass es ein rechtsökonomisches Bedürfnis dafür gibt, Aufklärungs- und Offenbarungs673 lässiges Aufklärungsverschulden daher auf eine rechtsfortbildende Weiterentwicklung des § 123 BGB. Die Unterschiede zur Anerkennung des schadensrechtlichen Vertragsaufhebungsanspruchs sind allerdings überwiegend konstruktiver Natur; denn es macht im dogmatischen und im praktischen Ergebnis keinen nennenswerten Unterschied, ob die fahrlässige Informationshaftung auf Grundlage des praeter legem entwickelten Rechtsinstituts der c.i.c. oder einer praeter legem vorgeschlagenen Fortentwicklung des § 123 BGB erreicht wird, wenn Grigoleit seine Konstruktion eines informationellen Vorsatzdogmas und die daraus gezogenen Schlüsse auch konsistent und überzeugend herleitet, so lässt er hierbei trotz allem Einfallstore offen, die das vermeintliche Vorsatzdogma des BGB unterminieren, worauf Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 97 f., zu Recht hinweist. 673 Vgl. nochmals BT-Drs. 14/6040, S. 162 f.: „Im geltenden Recht ist das Verhältnis von Ansprüchen aus culpa in contrahendo zu Ansprüchen auf Erfüllung des Vertrags oder wegen Verletzung von vertraglichen Hauptpflichten sehr differenziert und auch nicht vollständig geklärt. (…) Ob es genügt, wenn der Geschädigte auf dieser Grundlage unter Anwendung von § 249 die Lösung von dem Vertrag als Naturalrestitution zu verlangen, (…) soll offen und der Rechtsprechung überlassen bleiben.“. 674 So bereits zum alten Recht vor der Schuldrechtsmodernisierung Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 333, was die hier vertretene Auffassung einer fehlenden Wertentscheidung durch den Gesetzgeber nur unterstreicht: Würde er nämlich eine Wertentscheidung getroffen haben wollen, so hätte angesichts der Argumentation, dass eine solche Wertentscheidung schon bei Normierung der §§ 123, 124 BGB im Jahre 1900 nicht angenommen werden könne, weil dies in Kenntnis der Lehre Ihering’s von der culpa in contrahendo geschah, die nur teilweise verankert, im Übrigen aber der Rechtsprechung zur Ausprägung überlassen worden sei, besonderes Bedürfnis für eine Klarstellung bestanden. 675 Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 101 ff. 676 Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 337 ff. 677 Vgl. z.B. die ausführliche Darstellung bei Nickel, c.i.c., S. 171 ff.; außerdem Lorenz, ZIP 1998, 1053 ff.; ders., Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 68 ff., 330 ff. 678 Zusammenfassend dazu 1. Kap. § 3 B) mit Abb. 8.
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pflichten in Bezug auf unproduktive Informationen bereits dann zu institutionalisieren, wenn die ungefragte Offenbarung günstiger ist, als die Suche nach der richtigen Frage.679 Grundlage für diese Annahme war die Feststellung, dass die vertragliche Risikoallokation dem Schutz vor einer Veränderung der sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen und damit dem Erhalt der mit dem Vertrag zu realisierenden ökonomischen Quasi-Renten dient. Soweit sich aber diese Risikoallokation verlässlich allein aus dem kooperativen Äquivalenzverhältnis und der diesem zugrunde liegenden Zahlungsbereitschaft einer jeden der Parteien sowie den darin zum Ausdruck kommenden impliziten Vertragsbestandteilen ableiten lässt, auf die Bildung der Zahlungsbereitschaft aber, wie soeben noch einmal nachgezeichnet,680 auch Willensbeeinflussungen unterhalb der Vorsatzschwelle des § 123 BGB nachteilig einwirken können, wäre eine konkurrenzrechtliche Verdrängung des schadensrechtlichen Vertragsaufhebungsanspruchs durch § 123 BGB unter keinem Gesichtspunkt sachgerecht. Zum einen würde hierdurch ein Wertungswiderspruch zu denjenigen Fällen aufgeworfen, in welchen sich die vorvertragliche Aufklärungs- oder Offenbarungspflichtverletzung in einem Gewährleistungsmangel fortsetzt. Eine solche Absorption der vorvertraglichen durch eine vertragliche Pflichtverletzung ist immer dann anzunehmen, wenn im Rahmen der gesetzlichen Typenverträge, allen voran im Rahmen des Kaufvertragsrechts, Gewährleistungsansprüche institutionalisiert sind, die auf einen ,gestreckten Tatbestand‘,681 nämlich den Beginn des gewährleistungsrechtlich schädlichen Verhaltens bereits im vorvertraglichen Informationsstadium und deren Überlagerung durch die nachfolgende tatsächlich erwartungsinkongruente Erfüllung zurückgreifen, und sich die vorvertragliche Informationspflichtverletzung auf einen späteren Sachmangel bezieht. Letztes haftungsauslösendes Moment, an das typenvertragliche Gewährleistungsansprüche grundsätzlich anzuknüpfen haben,682 ist stets die vertragliche Pflichtverletzung, die deshalb die Haftungszuweisung auch vorrangig bestimmt.683 Es kommt zu einer haftungsrecht679
Ausführlich dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.4, insb. c) cc) (5). Die Maßgeblichkeit des kooperativen Äquivalenzverhältnisses, durch welches das Zusammenwirken der jeweiligen Zahlungsbereitschaft der Parteien auf dem gefundenen gemeinsamen Nenner beschrieben wird, und dessen Herleitung ausführlich oben unter 1. Kap. § 2 C) I.4 vorgenommen wurde, ist daher im hier zu beschreibenden Zusammenhang nicht nur Grund für die fehlende Differenzierbarkeit zwischen Willensbildung und Vermögensschaden, sondern auch für den Nachweis, dass es einer institutionellen Bewältigung auch fahrlässig verursachter Verstrickungslagen bedarf. 681 Mit diesem Begriff des ,gestreckten Tatbestands‘ im Gewährleistungsrecht Schur, Eigenschaftsirrtum, 883, 889, 891. 682 Auf das Konkurrenzverhältnis der c.i.c. zum kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht, also die Ausdifferenzierung der hier angedeuteten „Absorptionstheorie“ wird sogleich unter 2. Kap. § 3 D) III. zurückzukommen sein. 683 In diesem Sinne bereits Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 226: „Ist aber die vertragliche Berücksichtigung des pflichtenbegründenden Umstandes Zweck der Informationspflicht, so muss die Annahme einer haftungsbegründenden Informationspflichtverletzung grundsätzlich ausscheiden, wenn das realiter beeinträchtigte Interesse des Informationsberechtigten normativ durch eine vertragliche Abrede geschützt ist.“. 680
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lich überholenden Kausalität der vorvertraglichen durch die vertragliche Pflichtverletzung, die ihren Grund nicht zuletzt darin hat, dass das jeweils an den wechselseitigen Interessen ausdifferenzierte typenvertragliche Gewährleistungssystem nicht durch die Anknüpfung an die überlagerte Pflichtverletzung im vorvertraglichen Bereich ausgehebelt werden soll.684 Soweit aber das Gewährleistungsrecht in seinen der Abwehr einer Verstrickung dienenden Institutionen, z.B. der vertragskonformen Nacherfüllung oder des Rücktritts verschuldensunabhängig685 ausgestaltet ist und insoweit die vorvertragliche Pflichtverletzung überlagert, käme es für die Abwehrrechte des infolge Desinformation in einen unerwünschten Vertrag Verstrickten darauf an, ob die vorvertragliche Pflichtverletzung tatsächlich (typen-)vertraglich absorbiert wird, weil der konkret zugrunde liegende Vertragstyp ein dem Kaufrecht entsprechendes Gewährleistungsrecht kennt. Dass aber der Verstrickungsschutz je nach Ausgestaltung des Vertrages und in Abhängigkeit davon, ob sich die vorvertragliche Informationspflichtverletzung auf einen Sachmangel oder einen sonstigen, für die Zahlungsbereitschaft möglicherweise ebenso erheblichen Begleitumstand bezieht, in einer Bandbreite von Arglist bis verschuldensunabhängiger Garantiehaftung ausgestaltet sein soll, ist nur schwer begründbar und bewirkte derart grundlegende Verwerfungen im Verstrickungsschutz, die nicht allein damit zu rechtfertigen wären, dass für das Sachmängelgewährleistungsrecht besondere Regeln gelten. Berücksichtigt man, dass die das Transaktionsverhältnis überspannende und informationssubstituierende Vertrauensentscheidung eine Ressourcenallokation bewirkt, die auch außerhalb des Sachmängelrechts schutzwürdig ist,686 führte eine Verdrän684 Dieses Prinzip ist insbesondere aus der Diskussion um die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 2 BGB im Verhältnis zum kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht bekannt. Nach hier vertretener Auffassung wird die Anwendung des § 119 Abs. 2 BGB wegen einer vorvertraglichen Informationspflichtverletzung durch die Institutionen des Gewährleistungsrechts solange gesperrt, wie dessen an den wechselseitigen Parteiinteressen ausdifferenziertes Wertungssystem tatsächlich vollzogen wird und insbesondere der Nacherfüllungsanspruch besteht, vgl. oben 2. Kap. § 3 B) II.2. 685 Zur Einordnung der kaufgewährleistungsrechtlichen Ansprüche als Garantiehaftungsansprüche Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62. 686 So haben Derleder/Abramjuk, AcP 190 (1990), 624, 633, bereits unter Geltung des alten Schuldrechts – in etwas anderem Zusammenhang, nämlich bei der Begründung der Einbeziehung von auf das negative Interesse gerichteten Ausgleichsansprüchen in den Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB a.F. – zu Recht darauf hingewiesen, dass in einer hochentwickelten Marktwirtschaft mit immer komplexeren und in der Kommunikation immer differenzierteren Wareneigenschaften, Produktprofilen und Verwendungsmöglichkeiten, in der ein Großteil der Verkäufer-Käufer-Kommunikation auf die besonderen Formen der Werbung unter Heranziehung aller Medien beschränkt bleibt, wobei die Konsumneigungen zugleich einem starken makrosozialen Abstimmungsprozess unterliegen, ein erhöhter Qualitätsschutz durch eine strenge Gewährleistungshaftung erforderlich ist, dass dies allein aber nicht genügt: „Darüber hinaus ist jedoch auch die grundsätzliche und gleichberechtigte Anerkennung der Notwendigkeit des Schutzes vor Verstrickung in Geschäfte notwendig, die dem Stand der Abstimmung von Warenprofil und Konsumbedürfnis widersprechen“. Damit ist gesagt, was auch hier tragendes Argument für einen effektiven Verstrickungsschutz durch Gewährung eines schadensrechtlichen Aufhebungsanspruchs für vorvertragliche Informationspflichtverletzungen ist, da infolge der fehlgeleiteten Ressourcenallokation die subjektiv inäquivalente nicht mehr kooperative Transaktionsbeziehung stets dem in der ebenfalls fehlgeleiteten Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck kommenden Konsumbedürfnis widerspricht.
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gung des schadensrechtlichen Aufhebungsanspruchs durch § 123 BGB dazu, diesen Schutz außerhalb des Sachmängelgewährleistungsrechts nur bei Arglist zu gewähren, und damit nicht nur die ökonomischen Vorherigkeiten einer jeden Transaktionsentscheidung zu negieren,687 sondern auch die Ausstrahlungswirkung der Wertungen des Gewährleistungsrechts zu missachten. Dem steht auch insbesondere nicht entgegen, dass die Zuerkennung eines schadensrechtlichen Aufhebungsanspruchs zur Verstrickungsabwehr als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren und deshalb auszuschließen wäre, weil der Getäuschte, dem mit der Anfechtung die Möglichkeit zur sofortigen Vertragsaufhebung eröffnet ist, mit der Unterlassung der Anfechtung zu erkennen gäbe, dass er jedenfalls vorläufig am Vertrag festzuhalten gewillt ist.688 Wie gesehen,689 ist der Geltendmachung oder der Unterlassung der Anfechtung zunächst überhaupt kein Erklärungswert in Bezug auf die vertragliche – und bislang unkooperative – Austauschbeziehung zu entnehmen, da die vorvertragliche und arglistige Täuschung den Fokus der Verstrickung von dem kooperativen Äquivalenzverhältnis auf die verkäuferseits in den Markt getragene Reputation und die Berechtigung des diesem entgegenzubringenden Vertrauens verschiebt. Auf den Schutz vor einer missbräuchlichen Rechtsausübung wird sich der Verkäufer daher mangels entsprechenden Erklärungswerts nach unterlassener Anfechtung und nachfolgender Geltendmachung eines schadensrechtlichen Aufhebungsanspruchs nicht berufen können. Zum anderen eröffnet eine grundsätzlich parallele Geltung von schadensrechtlicher Vertragsaufhebung nach c.i.c. und Anfechtung nach § 123 BGB eine abgestufte Reaktion des verstricken Vertragspartners am Maßstab der Tiefe des Vertrauensbruchs. Mit anderen Worten: Die Anfechtung nach § 123 BGB bewirkt eine Vertragsaufhebung ipso iure und außerhalb der Kooperation, während der schadensrechtlich erst durchzusetzende Aufhebungsanspruch aus c.i.c. unter kooperationsrechtlichem Blickwinkel nicht mehr aber auch nicht weniger als eine finale Vertragsanpassung bewirkt, die angefangen bei Schadensminderungspflichten aus 687 Leider hat der BGH in seiner Grundlagenentscheidung zur Abgrenzung der schadensrechtlichen Vertragsaufhebung von der Arglistanfechtung eine Entscheidung des LG München I (v. 07.12.1994 – 25 O 82832/94, n.V.) aufgehoben, die genau diese ökonomischen Vorherigkeiten zutreffend erkannt hatte, dem es aber leider nicht gelungen war, sie revisionsbeständig in ein Kleid rechtsdogmatischer Argumentation zu hüllen. In den Entscheidungsgründen des BGH, die bereits oben (Fn. 981) schon einmal herangezogen wurden, heißt es: „Allerdings kann dieser deutlichen Warnung (Anm.: im Text der notariellen Urkunde) vor den Risiken des Geschäfts nicht deswegen die Erheblichkeit für die Entschließung der Kläger abgesprochen werden, weil diese – wie das Landgericht gemeint hat – als einfache Menschen kaum so flexibel gewesen seien, den einmal gefassten Kaufentschluss angesicht des Hinwieses noch einmal umzustoßen“. Genau diese fehlende Flexibilität ist es aber, die durch den verhaltensökonomisch bekannten endowment effect beschrieben wird, vgl. dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa). Der BGH bewertet im Ergebnis, weil er die ökonomischen Vorherigkeiten verkennt, den Wert einer notariellen Belehrung deutlich über und gelangt so unter Berücksichtigung auch ökonomischer Vorherigkeiten im Recht zu zweifelhaften Ergebnissen. 688 So ausdrücklich Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 128 f. 689 Soeben bei der Herleitung der hier vertretenen ,großen Lösung‘ bei der Gewährung eines ius variandi auch im Anwendungsbereich des § 123 BGB, 2. Kap. § 3 C) IV.3 a).
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§ 254 BGB690 bis hin zur Fortwirkung anderer impliziten Erklärungen des Verstrickten eine kooperationsrechtliche Derogation des Abwicklungsanbahnungsverhältnisses gebietet, die ihrerseits einen flexiblen Umgang mit der Verstrickungslage eröffnet.691 Diese Flexibilisierung des Abwicklungsverhältnisses ist bei Anerkennung einer grundsätzlichen Parallelität von Anfechtung und schadensrechtlicher Vertragsaufhebung unabhängig davon, auf welchen der beiden Rechtsbehelfe der Verstrickte seinen Aufhebungsanspruch stützt. Wirkt das Kooperationsverhältnis in das Abwicklungsanbahnungs- und das Abwicklungsverhältnis hinein, so treffen diese Folgewirkungen auch das Abwicklungsverhältnis nach ausgesprochener Anfechtung und laufen die Rechtsfolgen insoweit parallel.692 690 Der BGH, ZIP 1998, 154, scheint von der grundsätzlichen Möglichkeit eines Mitverschuldens bei der vorvertraglichen Verstrickung auszugehen, wie die Passage unter Rz. 32 belegt: „Allerdings weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Kläger angesichts des deutlichen Hinweises auf eine mögliche Deckungslücke in dem Notarvertrag schuldhaft gegen eigene Belange verstoßen haben, indem sie diesem Hinweis nicht die nötige Beachtung geschenkt haben“. Wenn auch der BGH, gestützt auf § 242 BGB den Mitverschuldenseinwand im konkreten Fall nicht hat gelten lassen, so ist bereits der Ansatz eines möglichen Mitverschuldens verfehlt. Die vertragliche Risikoallokation nach impliziten Vertragsbestandteilen, abgeleitet aus einer Interpretation der Zahlungsbereitschaft und des zu ihrer Fixierung führenden Verhandlungsverhaltens ist zwar in ihrer Entwicklung bipolar und dynamisch, führt in ihrem Ergebnis jedoch zwangsläufig zu einer individualisierten Risikoallokation durch Zuweisung der Aufklärungs- oder Offenbarungslast. Eine zwischen den Parteien geteilte Aufklärungsverantwortlichkeit ist nicht vorstellbar. Ähnlich formuliert dies Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 258: „(…) ein Mitverschulden des Informationsberechtigten kann regelmäßig weder darin gesehen werden, dass dieser auf die positiven Falschinformationen der Gegenseite vertraut hat, noch darin, dass er die Fehlvorstellung, deren Beseitigung die Aufkärungspflicht zu dienen bestimmt ist, nicht eigenständig aufgelöst hat. Bei der Verletzung einer Aufklärungspflicht ist insoweit die strenge Argumentationslast zu berücksichtigen, welche bereits der Begründung der Pflicht entgegensteht. Danach dürfte die Feststellung einer erheblichen Eigenverantwortlickeit hinsichtlich der Fehlvorstellung regelmäßig schon die Entstehung einer Aufklärungspflicht verhindern, so dass eine Informationshaftung schon tatbestandlich zu Gänze ausscheidet.“; noch etwas plastischer Grigoleit, NJW 1999, 900, 904: „Eine Mitverantwortlichkeit wegen ,sorgfaltswidrigen Vertrauens‘ auf Falschangaben der Gegenseite scheidet daher aus“. So auch Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 442. Demgegenüber ist allerdings ein mitwirkendes Verschulden des Geschädigten, das im Rahmen auch der schadensrechtlichen Rückabwicklung durch einen auf den teilweisen Ersatz des Rückabwicklungsschadens als negatives Interesse gerichteten gegenläufigen Schadensersatzanspruch des Täuschenden Berücksichtigung finden kann, vorstellbar, wenn und soweit die Fehlvorstellung weiter reicht, als die Informationspflichtverletzung, aufklärungsrichtiges Verhalten die Fehlvorstellung daher nicht vollständig hätte beseitigen können, vgl. dazu Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 258, 259 f. 691 Dies schließt die in den dogmatischen Unterschieden beider Institute wurzelnde Möglichkeit ein, vor Beendigung der schadensrechtlichen Rückabwicklung von dem Verlangen des Abschlusses eines Abwicklungsvertrages unproblematisch auch wieder Abstand zu nehmen; eine Möglichkeit, die angesichts des § 142 BGB im Rahmen der Anfechtung nur bei – hier vertretener – Anerkennung eines ius variandi in einer großen Lösung eröffnet ist. 692 Im Ergebnis wird auch damit ein Teil des Lösungsansatzes Grigoleit’s, NJW 1999, 900, 903, sowie ders., Vorvertragliche Informationshaftung, 129 ff., 157 ff., der zwar entgegen der hier vertretenen Auffassung für einen Vorrang des § 123 BGB eintritt, demgegenüber aber wesentliche Elemente aus dem vorvertraglichen Kooperations(anbahnungs)verhältnis, wie z.B. die Fahrlässigkeitshaftung und etwaige Zurückbehaltungsrechte auf das Anfechtungsrecht rechtsfortbildend übertragen will, hier in einer dogmatisch weniger aufwendigeren in sich aber nicht weniger homogenen, weil einheitlich an dem kooperatien Äquivalenzverhältnis als Basis der Vertragsbeziehung orientierten System adaptiert.
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II.3 Kooperative Grenzen uneingeschränkter Anspruchsalternativität Teil dieses fortwirkenden Kooperationsverhältnisses ist aber – in Grenzen – auch der Schutz des täuschenden Vertragspartners vor abwicklungsbedingten lock in – Effekten,693 der es dem Getäuschten verbietet, mit den ihm zur Auswahl stehenden Rechten auf dessen Rücken zu spekulieren.694 Diese Gefahr, die in dieselbe Richtung geht, wie die Befürchtung, eine Parallelität beider Rechtsinstitute fördere eine ,konturenlose Billigkeitsrechtsprechung‘,695 hat sich – bei rechtsvergleichender Betrachtung – schon in den U.S.A., deren Rechtssystem sehr viel mehr auf Verkehrsschutz und Vertragstreue bedacht ist und ein solches floodgate argument gerade nicht gelten lässt, zwar als weitgehend unbegründet erwiesen.696 Dessen ungeachtet wäre ein solcher lock in des Täuschenden durch extensive Ausdehnung des Schwebezeitraums jedoch möglich, wenn und soweit es dem Getäuschten möglich wäre, die Entscheidung über die (schadensrechtliche) Vertragsaufhebung deutlich länger zurückzustellen, als ihm eine Anfechtung möglich wäre und so den Täuschenden in die Situation zu drängen, sich zur Abwicklung ohne die Möglichkeit, Rechtssicherheit herstellen zu können, bereithalten zu müssen. Angesprochen ist damit nicht zuletzt die Frage der Inkongruenz zwischen der Ausschlussfrist für die Arglistanfechtung auf der einen und der Verjährungsfrist für die schadensrechtliche Vertragsaufhebung aus c.i.c. auf der anderen Seite. Während der Anfechtungsanspruch nach Ablauf der Jahresfrist des § 124 BGB ausgeschlossen wird, unterliegt der Schadensersatzanspruch aus c.i.c. der dreijährigen relativen Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB mit ihren absoluten Höchstgrenzen. Zwar wird aus der berechtigten Parallelität beider Rechtsinstitute abgeleitet, dass es an einer regelungswidrigen Planlücke fehle, die einjährige Ausschlussfrist des § 124 693 Zur ökonomischen Wechselwirkung und der Bedeutung von lock in – Risiken vgl. oben 1. Kap. § 2 B) III.4 d). 694 Mit diesem Anspruch auch die systematische Einordnung der Anfechtungsverjährung nach § 124 BGB von Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 334: „Die Verfristung des Anfechtungsrechts wird dort nicht etwa deshalb angeordnet, weil das Vertrauen des Täuschenden oder Drohenden auf den Bestand des Vertrages als schützenswert erachtet oder ein Bedürfnis nach Rechtsklarheit anerkannt wird. Sie bezweckt lediglich den Schutz Dritter sowie den Ausschluss einer Spekulation des Anfechtungsberechtigten mit dem Anfechtungsrecht.“. Zu Recht weist Lorenz, a.a.O., deshalb darauf hin, dass die Ansicht Grunsky’s, ZIP 1990, 967, es sei kein Wertungsgesichtspunkt erkennbar, der es rechtfertigen könne, die Willenserklärung auch noch nach Ablauf der Frist des § 124 BGB beseitigen zu können, die Sache in ihr Gegenteil verkehrt. Grundsätzlich ist eine täuschungsbedingt zustande gekommene Willenserklärung nicht geeignet ein kooperatives Äquivalenzverhältnis zu begründen, das aber Rechts- und Behaltungsgrund für die wechselseitig festgelegte Zahlungsbereitschaft ist. Die Argumentationslast für die Beendigung des Lösungs- als Reallokationsrechts liegt daher aufseiten der Ausschluss- und Verjährungsnorm. In den Zusammenhang des Ausschlusses einer möglichen Spekulation des verstrickten Vertragspartners mit den ihm zur Auswahl stehenden Rechten passt wohl auch der – soeben bereits entkräftete – Einwand Grigoleit’s, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 128 f., in der Geltendmachtung des schadensrechtlichen Aufhebungsanspruchs liege eine missbräuchliche Rechtsausübung. 695 So wörtliche Gonzenbach, ZSR 106 (1987), 435, 456. 696 Mit diesem berechtigten Hinweis Fleischer, AcP 200 (2000), 91, 117.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
BGB im Wege der Analogie auch auf den Aufhebungsanspruch aus c.i.c. zu übertragen;697 jedoch finden sich in der Literatur ebenso Stimmen, die gerade für eine solche Fristenübertragung eintreten, um § 124 BGB nicht im Deckungsbereich von Arglistanfechtung und schadensrechtlicher Vertragsaufhebung obsolet werden zu lassen.698 Bei allen Gründen, die auch nach der hier vertretenen Auffassung für eine Parallelität von Anfechtung und schadensrechtlicher Vertragsaufhebung sprechen, ist aber dennoch a maiore ad minus schwer verständlich, warum die Verstrickungsabwehr nach einer vorsätzlichen Irreführung bereits nach Ablauf eines Jahres mit dem Ziel des Ausschlusses von Spekulationsmöglichkeiten des Anfechtungsberechtigten mit dem Anfechtungsrecht gesperrt ist und dies auch von denjenigen Vertretern, die sich gegen eine Übertragung des § 124 BGB auch auf die c.i.c. aussprechen, so auch ausdrücklich anerkannt wird,699 aber die nur fahrlässige Irreführung, also ein weniger einschneidender Eingriff in die Kooperationsbeziehung und deshalb weniger tiefgreifender Vertrauensbruch einer jedenfalls dreijährigen Verjährung unterliegen soll. Insbesondere weil eine Trennung nach verschiedenen Schutzbereichen der c.i.c. einerseits und der Anfechtung andererseits nach der hier vertretenen Auffassung nicht möglich ist,700 da auch jede Willensbeeinflussung auf die Zahlungsbereitschaft und damit auf das kooperative Äquivalenzverhältnis zurückwirkt,701 und weil sich beide Rechtsinstitute deshalb in ihrem Anspruchsziel der Öffnung von Reallokationsmöglichkeiten decken, die Parallelität beider Institute ihren Grund demgegenüber aber in der Begründung eines flexiblen und abgestuften Rechtsfolgensystems hat, das, wie hier herausgestellt, eine Übertragung der Folgewirkungen des einen auch auf das andere gebietet, spricht dies auch für die systemimmanente Übertragung der Ausschlussfrist des § 124 BGB auf den schadensrechtlichen Vertragsaufhebungsanspruch aus c.i.c.702 Darüber hinaus richtet sich das gemeinsame Schutzziel beider Institute an der Öffnung von Reallokationsmöglichkeiten für den verstrickten Vertragspartner aus. Je länger jedoch die Vertragserfüllung bzw. die hierauf bezogene und gegebenenfalls ganz oder zum Teil erfolglose Handlung zurückliegt, desto näher rücken die mit der Allokation verbundenen spezifischen In697
Ausführlich Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 332 ff.; im Ergebnis auch BGH, NJW-RR 2002, 308; ebenso Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 808; unentschieden demgegenüber Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 119 f. 698 Vgl. z.B. Canaris, in: (2.) FS für Larenz, S. 27, 108 f.: Die Aushebelung des § 124 BGB sei „geradezu grotesk“; ausführlich mit verschiedenen Beispielen der Übertragung kürzerer Verjährungsfristen auf Ansprüche aus c.i.c. Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 159 ff.; auch Medicus, Gutachten, S. 485, 543, trat in seinen Reformvorschlägen für eine Übertragung des § 124 BGB auf die schadensrechtliche Vertragsaufhebung ein. 699 So insbesondere Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S. 334 und ff., der den Ausschluss der Spekulationsgefahr über § 124 BGB anerkennt, andererseits aber einer Übertragung des § 124 BGB auf die c.i.c. entschieden entgegentritt. 700 Vgl. soeben 2. Kap. § 3 D) II.2. 701 Vgl. die ausführliche Herleitung dazu unter oben 2. Kap. § 3 C) III.1 c). 702 Ebenso Fleischer, AcP 200 (2000), S. 91, 119.
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vestitionen des Abnehmers in die Nähe ökonomisch unbeachtlicher sunk costs,703 was auch rechtsmethodisch durch eine zeitliche Begrenzung des Reallokationsanspruchs widerzuspiegeln ist. Eine andere als eine typisiert-zeitliche Betrachtung, wie durch Übertragung des Anspruchs aus § 124 BGB hergestellt, ist hierbei weder praxisgerecht noch vor dem Hintergrund einer auch transaktionskostenorientierten Betrachtung zu rechtfertigen. Gerade vor dem Hintergrund dieses zuletzt genannten Arguments ist jedoch folgendes zu bedenken: Die Verstrickung durch vorvertragliche Irreführung ist zunächst vertragsgegenstandsbezogen. Der getäuschte Vertragspartner erwartet eine vorstellungsgerechte Leistung, für die er – subjektiv bemessen – bereit war, die vertraglich bedungene Gegenleistung zu erbringen. Stellt sich nun heraus, dass die geschuldete Leistung nicht erwartungskongruent ist und dies auf eine vorvertragliche Informationspflichtverletzung zurückgeht, verschiebt sich der Fokus der Verstrickung mehr in Richtung eines personenbezogenen Vertrauensdefizits.704 Wenn und soweit aber die vorvertragliche Verhandlungsphase von einer vertragsgegenstandsbezogenen Verstrickungsgefahr dominiert wird, für deren Anerkennung zwar selbstverständlich die Reputation und das dem Anbieter entgegengebrachte Vertrauen eine bedeutende Rolle spielt, jedoch in der bewussten Vorstellung der Parteien häufig in den Hintergrund tritt, ist das Ausmaß der Verstrickung und die Verlagerung ihres Fokus regelmäßig erst mit Eintritt der vertragsgegenständlichen Leistung in die Einflussspähre des Getäuschten, also mit ,Gefahrübergang‘ entsprechend oder im Sinne des § 363 BGB erkennbar. Den Lauf der – durch Übertragung verkürzten – Ausschlussfrist für eine kooperationsbezogene Anspruchsgrundlage vor diesem Zeitpunkt beginnen zu lassen, bedeutete nicht nur, die Grundlagen der Verstrickung im vorvertraglichen Bereich nicht hinreichend zu würdigen, sondern auch die Zeitspanne zwischen Verwirklichung der erwartungsinkongruenten Ressourcenallokation und Begrenzung des Reallokationsanspruchs, also die Grenze zwischen spezifischem Kapital und sunk costs um eine Zeitspanne zu verkürzen, in welcher der getäuschte Vertragspartner überhaupt nicht die Gelegenheit hatte, zu erkennen, dass seine Allokation nicht den gewünschten subjektiven Nutzen realisieren würde. Hierdurch aber würde die Legitimation der Übertragung der Ausschlussfrist auf die vertragliche Anspruchsgrundlage insgesamt wieder in Frage gestellt, was es zu vermeiden gilt. Die Ausschlussfrist des § 124 BGB ist daher zwar richtigerweise auch auf den schadensrechtlichen Vertragsaufhebungsanspruch aus c.i.c. anzuwenden und zu übertragen, beginnt aber erst mit vollständiger Leistungserbringung bzw. mit Ge703 Die Differenzierung zwischen abnehmerseitigem und ökonomisch beachtlichem spezifischen Kapital auf der einen und ökonomisch nicht berücksichtigungsfähigen sunk costs auf der anderen Seite und die Ausrichtung des Differenzierungsmaßstabes ebenfalls an dem das gesamte Kooperationsverhältnis überspannenden inderdisziplinären Vertrauensargument ist oben unter 1. Kap. § 2 B) III.4 d) ausführlich dargestellt worden. 704 Die Herleitung dieses sich verschiebenden Fokus, von dem hier schon mehrfach die Rede war, ist unter oben 2. Kap. § C) IV.3 a) vorgenommen.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
fahrübergang im Sinne des § 363 BGB zu laufen und nicht bereits mit Vollendung der vorvertraglichen Informationspflichtverletzung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Geringe Verschiebungen im Lauf der relativ identischen Ausschlussfrist nach § 124 BGB beim Anfechtungsanspruch aus § 123 BGB auf der einen und dem schadensrechtlichen Aufhebungsanspruch aus c.i.c. auf der anderen Seite sind hierbei hinzunehmen. II.4 Ergebnis Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass eine schutzgutorientierte Betrachtung zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche von Arglistanfechtung und schadensrechtlicher Vertragsaufhebung nicht geeignet ist. Vielmehr hat sich die zwischen den Vorschriften tatsächlich bestehende Anspruchskonkurrenz an dem gemeinsamen Schutzziel der Abwehr von vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen und der Öffnung von Reallokationsmöglichkeiten auszurichten, die es dem in den unerwünschten Vertrag Verstrickten ermöglichen, seine ursprünglich subjektive Nutzenerwartung gegebenenfalls auf anderem Wege oder in flexiblen Nachverhandlungen mit dem Täuschenden herzustellen. Diese ökonomisch gerechtfertigte und rechtsdogmatisch tragende Anspruchsalternativität kann jedoch nicht grenzenlos gewährt werden. Zunächst wirken kooperationsrechtliche Folgen in das Abwicklungsverhältnis hinein, gleich ob dieses auf § 123 BGB oder c.i.c. gesützt ist; darüber hinaus ist die Möglichkeit einer schadensrechtlichen Vertragsaufhebung zeitlich durch Übertragung der Ausschlussfrist des § 124 BGB auch auf diesen Anspruch begrenzt, wobei die Ausschlussfrist jedoch erst mit Erhalt der vollständigen erfüllungsbestimmten Leistung zu laufen beginnt. III. Das Verhältnis der schadensrechtlichen Vertragsaufhebung zur kaufrechtlichen Gewährleistung III.1 Bedürfnis und Grundlagen einer Anspruchskonkurrenz Die schadensrechtliche Vertragsaufhebung kollidiert, wie anhand der wertungsbezogenen Argumentation in Bezug auf die erwartungsinkongruente Leistung inner- und außerhalb eines Gewährleistungssystems im vorangegangenen Abschnitt bereits deutlich geworden ist,705 neben den Konkurrenzproblemen zu § 123 BGB überdies sowohl hinsichtlich der Beendigung des nicht erwartungsgerechten Vertrages als auch eines minderungsartigen Schadensersatzes706 mit den kaufrechtlichen Gewährleistungsregeln. Dieses Konkurrenzverhältnis hat Ge-
705
Vgl. oben 2. Kap. § 3 D) II.2. Obwohl der minderungsgleiche Schadensersatz den Kompensations- und anders als der schadensrechtliche Vertragsaufhebungsanspruch nicht den Abwehransprüchen zuzuordnen ist, soll die Konkurrenz der vorvertraglichen Haftung zum vertraglichen Gewährleistungsrecht qua Sachzusammenhangs hier einheitlich erörtert werden. 706
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schichte; der Präjudizienbestand ist nahezu unüberschaubar. Aufgrund der Mängel des Gewährleistungsrechts vor der Schuldrechtsmodernisierung wurde die c.i.c. in immer größerem Maße zu einem beinahe parallelen Gewährleistungsrecht herausgebildet.707 Dass hierfür auch heute noch ein Bedürfnis besteht, mag bezweifelt werden.708 Dies gilt nicht allein mit Blick auf das möglicherweise entfallene Bedürfnis für eine parallele Haftung aus c.i.c. neben der kaufrechtlichen Gewährleistung.709 Dies gilt auch, wenn man die bis zur Schuldrechtsmodernisierung geltenden Rechtsprechungsgrundsätze auf das geltende Recht übertrüge: Der BGH710 ging in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass ein Ersatzanspruch nach c.i.c. ausscheiden müsse, wenn sich das vorvertragliche Aufklärungsverschulden auf eine zusicherungsfähige Eigenschaft bezog, auch wenn im Einzelfall eine solche Zusicherung nicht abgegeben worden war,711 das Gewährleistungsrecht seine schützende Hand also nicht über das vom Käufer vorausgesetzte Äquivalenzverhältnis hielt.712 Adaptierte man diese Rechtsprechung mit Blick auf die Beschaffenheitsvereinbarungen des § 434 Abs. 1 BGB neuen Rechts, wäre entscheidend, ob es sich bei den unaufgeklärt gebliebenen Umständen um Merkmale der Sache handelt, die einer Beschaffenheitsvereinbarung zugänglich gewesen wären. Für die Konkurrenzfrage folgte daraus, dass Ansprüche aus c.i.c. immer dann ausgeschlossen wären, wenn sich die vorvertragliche Aufklärungs707
So im Ganzen Krebs, in: AnwKomm, § 311 Rz. 29, 32. Zu solchen Zweifeln gibt insbesondere die Gesetzesbegründung Anlass, vgl. BT/Drs. 14/6040, S. 242: „Soweit es um den Unternehmenskauf geht, hat der BGH die Haftung des Verkäufers, der unzutreffende Angaben über Umsatz oder Ertrag des verkauften Unternehmens gemacht hatte, zwar nicht nach den Vorschriften über die Sachmängelhaftung, sondern nach den Regeln über das Verschulden bei Vertragsanbahnung beurteilt [es folgen Nachw. aus der Rspr. des BGH]. Die Gründe, die ihn dazu veranlasst haben, sind aber nach den Vorschriften des Entwurfs weithin entfallen, da diese dem Käufer ein Nachbesserungsrecht gewähren, ihm ein Schadensersatzanspruch auch bei Fahrlässigkeit des Verkäufers zustehen kann, die Berechnung der Minderung erleichtert und auch eine angemsessene Regelung der Verjährungsfrage bereitgestellt wird.“. Gegen die Anwendbarkeit der c.i.c. mangels entsprechenden Bedürfnisses daher auch Brors, WM 2002, 1780; Krebs, in: AnwKomm, § 311 Rz. 33; Brüggemeier, WM 2002, 1376, 1378. 709 Wegen den nunmehr identischen Rechtsfolgen der c.i.c. einerseits und der kaufrechtlichen Gewährleistung andererseits wird nämlich auch die gegenteilige Auffassung vertreten, wonach die c.i.c. in Abkehr von früheren tatbestandlichen Grenzen nunmehr auch jedes mangelbezogene Verschulden erfassen könne, vgl. Barnert, WM 2003, 424; Häublein, NJW 2003, 388, 391; Emmerich, SR-BT, § 5 Rz. 5; vermittelnd Derleder, NJW 2004, 969, 974 f. 710 So die klare Linie des BGH seit BGH, NJW-RR 1988, 10, 11; BGH NJW 1990, 1658, 1659; BGH NJW 1992, 2564, 2565; zur Rechtsprechungsentwicklung Müller, ZIP 1993, 1045 ff. 711 Die von der Rechtsprechung vollzogenen Differenzierungen und Abgrenzungen, die nötig wurden, um in der Sache zu angemessenen Ergebnissen zu gelangen, waren äußerst diffizil und, so Häublein, NJW 2003, 388, 389, mitunter kaum mehr nachvollziehbar. 712 Das Konkurrenzverhältnis war jedoch nicht tatbestandsunabhängig ausgestaltet. Ein Ersatzanspruch aus c.i.c. wurde von der Rechtsprechung daher zugelassen, wenn sich das Aufklärungsverschulden auf einen Umstand bezog, der nicht zusicherungsfähig war und deshalb das für abschließend gehaltene kaufvertragliche Gewährleistungsrecht nicht zu unterlaufen werden drohte (vgl. BGHZ 114, 263); dabei war die Rechtsprechung z.T. jedoch unstet. So gewährte z.B. BGH NJW 1993, 1703 einen parallelen Schadensersatzanspruch aus c.i.c. trotz zusicherungsfähiger Eigenschaft. 708
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pflichtverletzung auf Merkmale des Kaufgegenstands bezogen haben würde, die zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung hätten gemacht werden können.713 Da aber mit der Schuldrechtsmodernisierung der subjektive Fehlerbegriff die Herrschaft über das Gewährleistungsrecht übernommen hat und damit grundsätzlich jeder Umstand ohne Beschränkung auf die ,zusicherungsfähigen Eigenschaften‘ oder den ,Fehlerbegriff ‘ alten Rechts einer Beschaffenheitsvereinbarung zugänglich ist,714 hieße dies, dass für eine vorvertragliche Informationshaftung aus c.i.c. im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Gewährleistung grundsätzlich kein Raum wäre. Ob gerade dies nicht aber richtig ist, ist allein mit dieser Feststellung noch nicht entschieden. Grundsätzlich verwirklicht der Vertrag und verwirklicht das diesem zugrunde liegende kooperative Äquivalenzverhältnis das Erfüllungsinteresse und damit die subjektiven Nutzenerwartungen des Käufers. Der Inhalt des Äquivalenzverhältnisses bestimmt sich nach der determinierenden Zahlungsbereitschaft der Parteien. In ihr wiederum spiegeln sich die jeweiligen Erwartungen und Leistungsbereitschaften als implizite Vertragsbestandteile wider.715 Da nach diesem hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodell716 Kooperationsvereinbarungen in Bezug auf vorhersehbare Kontingenzen grundsätzlich als vollständig anzusehen sind und grundsätzlich jede Informationslücke vertrauenssubstituiert und damit in der Risikoallokation einer der Vertragsparteien zugewiesen ist,717 scheint zunächst tatsächlich kein Bedürfnis für einen weitergehenden Schutz aus vorvertraglicher Informationshaftung zu bestehen, wenn und soweit bereits die vertragliche Risikozuordnung als umfassend und damit im Grunde auch als abschließend anzusehen ist. Es entspricht nämlich gerade nicht dem vertragsbezogenen Schutzzweck der Informationshaftung, vom Verkäufer zusätzlich zur Einräumung dieses garantiemäßigen Schutzes des Gewährleistungsrechts ein bestimmtes Informationsverhalten zu verlangen; der Käufer hat sich nämlich soweit die Beschaffenheitsvereinbarungen und die impliziten vertraglichen Risikoallokationen reichen, gerade nicht auf seine möglicherweise durch den Verkäufer gestörte Informationsgrundlage verlassen, sondern seine Erwartungen vertraglich – wenn auch nur durch die implizit in der Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck kommende Beschaffenheitserwartung – abgesichert.718 713 Mit diesem Argument tritt Barnert, WM 2003, 416, 425, für eine fortbestehende Parallelität von c.i.c. und kaufrechtlicher Gewährleistung ein, da eine Beschränkung der Käuferrechte in diesem Umfang nicht gewollt gewesen sein könne. 714 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 304; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 524 f. 715 Dies waren, darauf der wiederholte Hinweis, die essentiellen Feststellungen des sich mit der ökonomischen Analyse und Synthese beschäftigenden ersten Kapitels dieser Arbeit. Vgl. dort im Wesentlichen 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc). 716 Vgl. auch hierzu nochmals 1. Kap. § 2 C) I.4 d) mit Abb. 6. 717 Diese Feststellung war das Ergebnis einer hermeneutischen Betrachtung der Kooperationsbeziehung unter oben 1. Kap. § 2 C) I.5. 718 Mit ganz ähnlicher Argumentation überzeugend Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 227.
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Soweit also dem hier entwickelten Modell gefolgt und angenommen wird, dass jede Informationslücke durch implizite Risikoallokation infolge informationssubstituierenden Vertrauens als geschlossen anzusehen und der Umfang der Beschaffenheitsvereinbarungen nach entsprechender Auslegung zu bestimmen ist, bewirkt der Vertragsschluss einen umfassenden Verstrickungsschutz auch gegen vorvertragliche Informationspflichtverletzungen.719 Es kann daher keine Informationspflichtverletzung geben, die nicht bereits den vertraglichen Verstrickungsschutz genösse, wenn und soweit das kaufvertragliche Gewährleistungsrecht tatbestandlich zur Anwendung gelangt. Für einen überschießenden vorvertraglichen Verstrickungsschutz besteht in diesem Fall daher weder auf Tatbestandsebene, noch, wegen der weitgehenden Assimilation der Rechtsfolgen, auf Rechtsfolgenebene ein Bedürfnis.720 Einzig der unterschiedliche Verjährungslauf könnte insoweit noch als Argument für ein Bedürfnis alternativer Rechtsfolgen sprechen. Dabei ist weniger der absolute Unterschied in der Verjährungsfrist, die im Kaufrecht 2 Jahre und bei c.i.c. 3 Jahre beträgt, als mehr der relative Unterschied von Bedeutung, dass nämlich die c.i.c.-Verjährung erst mit Kenntnis von Schaden und Schädiger zu laufen beginnt, während die kaufrechtliche Verjährung bereits mit Ablieferung der Kaufsache (§ 438 BGB) in Gang gesetzt wird.721 Als Folge daraus führt der erweiterte Beschaffenheitsbegriff des § 434 Abs. 1 BGB vordergründig zu einer Privilegierung des schuldhaft vorvertragliche Informationspflichten verletzenden Verkäufers gegenüber z.B. gegenüber Dienstverpflichteten, die sich wegen ihrer vorvertraglichen Informationspflichtverletzungen einem Haftungsobligo während der dreijährigen relativen Verjährung ausgesetzt sehen.722 Ob eine solche Privilegierung tatsächlich angenommen und in diesem Fall auch hingenommen werden kann, bleibt zu prüfen.
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So bereits grundlegend in der Einleitung zu diesem Kapitel, oben 2. Kap. § 1. Auch wenn Mertens, AcP 203 (2003), 818, 821, darin Recht zu geben ist, dass man die Konkurrenzfrage „nicht einfach im Rahmen einer ,Bedürfnisprüfung‘ beantworten“ kann, so impliziert das Fehlen eines solchen Bedürfnisses zumindest den abgeschlossenen Charakter der gewährleistungsrechtlichen Institutionen, was gesetzessystematisch einen Anwendungsvorrang des Gewährleistungsrechts begründen kann, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 266 ff., 268 (,Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung‘), und damit die ,Bedürfnisprüfung‘ zu einem Teil der materiellen Subsumtion unter die Konkurrenzfrage macht. Dies hat dann aber nichts damit zu tun, wie Mertens, a.a.O., meint, dass der c.i.c. „eine bloße Lückenfüllungsfunktion für die Fälle zugewiesen [wird], in denen es an einer speziellen Regelung des Gesetzes fehlt.“. 721 Vgl. dazu z.B. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 860; Mertens, AcP 203 (2003), 818, 828; vgl. außerdem Brüggemeier, WM 2002, 1376, 1384, allerdings ohne nähere Beleuchtung des Konkurrenzverhältnisses. 722 Häublein, NJW 2003, 388, 391. 720
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III.2 Tatbestandliche Überlagerung bei beschaffenheitsbezogener Informationspflichtverletzung a) Beschaffenheitsvereinbarung und vereinbarungsfähige Beschaffenheitsmerkmale Ob und inwieweit dieses letzte Argument allein aber geeignet ist, eine vorvertragliche Pflichtverletzung in die vertragliche Haftungssphäre uneingeschränkt übergreifen zu lassen, ist zweifelhaft.723 Dies umso mehr, als vor dem Hintergrund der vertraglichen Inkorporation vorvertraglicher Aufklärungsobliegenheiten durch implizite Risikoallokationen im Falle des dem Aufklärungsverschulden nachfolgenden Vertragsschlusses an der tatbestandlichen Erfüllung eines vorvertraglichen Haftungsinstituts gezweifelt werden kann.724 Bereits im Rahmen der Konkurrenz des Gewährleistungsrechts zur Arglistanfechtung war die Rede davon,725 dass eine vorvertragliche Pflichtverletzung sich in einer späteren vertraglichen Pflichtverletzung fortsetzen kann. Der Tatbestand des § 311 Abs. 2, 3 BGB wird in diesem Fall von den vertraglichen Tatbeständen überlagert, weil die vorvertragliche durch eine vertragliche Pflichtverletzung kompensiert wird, also in dieser aufgeht. Wo der Pflichtenkatalog einer Vertragspartei im Rahmen eines gestreckten Tatbestandes726 revolvierend ist, gilt dies auch für den Pflichtverletzungstatbestand und die Pflichtverletzung selbst. Der revolvierende Pflichtenkatalog bewirkt dann aber zugleich eine haftungsrechtlich überholende Kausalität der vorvertraglichen durch die vertragliche Pflichtverletzung. Es kommt zu einer Ersetzung im Tatbestand, die zur Folge hat, dass eine haftungsrechtlich relevante vorvertragliche Pflichtverletzung im Tatbestand des § 311 Abs. 2, 3 BGB nicht mehr angenommen werden kann, wenn die Pflichtverletzung selbst im Sinne einer haftungsrechtlichen Evolution in einer vertraglichen und dort tatbestandlichen Pflichtverletzung aufgegangen ist. Mit anderen Worten: Soweit eine vorvertraglich tatbestandsmäßige Pflichtverletzung in der weiteren zeitlichen Entwicklung der Vertragsanbahnung und des Vertrages auch einen vertraglichen Haftungstatbestand erfüllt, liegt dies in der kooperativen Fixierung des vorvertraglichen Haftungskatalogs durch das vertragliche Äquivalenzverhältnis begründet.727 Wo es in der Hand des Verkäufers liegt, eine etwa durch Täuschung über die Beschaffenheit der Kaufsache begangene vorvertragliche Pflichtverletzung haftungskausal dadurch zu unterbrechen, dass er spätestens im Rahmen der Nacherfüllung eine erwartungskongruente und deshalb im
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So hält auch Derleder, NJW 2004, 969, 974 f., obwohl er für eine bedingte Parallelität beider Rechtsinstitute eintritt, die Rechtsfolgen der c.i.c. für durch das Gewährleistungsrecht ,überformt‘, was gerade für die Verjährungsregeln aus § 438 BGB gälte, die auf den Anspruch aus c.i.c. zu übertragen seien. 724 Vgl. dazu noch einmal Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 227. 725 Oben 2. Kap. § 3 D) II.2. 726 Schur, Eigenschaftsirrtum, 883, 889, 891; dazu ebenfalls oben 2. Kap. § 3 D) II.2. 727 Dies entspricht abermals dem bereits zitierten Begründungsansatz von Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S. 227.
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Sinne des vertraglichen Kooperation und Äquivalenz mangelfreie Sache liefert, bewirkt die vertragliche Abwendungsmöglichkeit die zwingende Transformation der vorvertraglichen in eine vertragliche Pflichtverletzung.728 Die soeben als solche bezeichnete ,haftungsrechtliche Evolution‘ im Tatbestand führt deshalb auf Rechtsfolgenebene zu einer haftungsrechtlich überholenden Kausalität.729 Es folgt daraus, dass vorvertragliche Pflichtverletzungen, die sich auf mögliche Beschaffenheitsvereinbarungen730 beziehen mit dem Abschluss des Kaufvertrages ihre vorvertragliche Tatbestandsmäßigkeit verlieren und allenfalls noch einen vertraglichen Haftungstatbestand begründen können.731 Dessen Reichweite ergibt sich aus dem kooperativen Äquivalenzverhältnis und den daraus abzuleitenden vertraglichen Risikoallokationen. Lässt sich daher der Kooperationsvereinbarung keine Risikoallokation zum Verkäufer entnehmen, ist der vorvertraglich unaufgeklärt gebliebene Umstand also nicht jedenfalls implizit über die in seiner Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck kommenden Käufererwartungen in das kooperative Äquivalenzverhältnis einbezogen worden, so liegt hierin ebenfalls eine Risikoallokation, allerdings eine reziproke Allokation zum Käufer.732 Eine alternative Anwendung von vorvertraglichem Schadensersatz aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) und vertraglichen Verstrickungsschutzes aus Gewährleistungsrecht kommt daher nicht in Betracht, weil mit der tatbestandlichen Eröffnung des Gewährleistungsrechts die Tatbestandlichkeit der vorvertraglichen
728 Auch Derleder, NJW 2004, 969, 974, hält es für selbstverständlich, dass das kaufrechtliche System der Nacherfüllung nicht durch eine vorvertragliche Informationshaftung unterlaufen werden könne. Genau dieses Ergebnis wird auf dem hier vorgeschlagenen Weg aber in einer dogmatisch konsistenten Weise hergestellt. 729 Die sich auf frühere Aussagen des BGH LM H. 9/2001 §§ 276, 434, 440 Abs. 1 BGB Nr. 163, stützende Ansicht Barnert’s, WM 2003, 416, 425, die Informationshaftung aus c.i.c. habe nach Entstehung und Rechtsfolge eine orginäre und eigenständige, vom späteren Zustandekommen des Vertrages und seiner Wirksamkeit unabhängige Rechtsnatur, überzeugt daher jedenfalls für das geltende Recht nicht. Im Übrigen lässt diese Ansicht unberücksichtigt, dass jede vorvertragliche Informationspflicht überhaupt erst durch die Kommunikation eines intendierten Vertragsschlusses, also durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen und damit nur mit Blick auf den Vertragsschluss entstehen kann. Das vorvertragliche Pflichtenheft ist daher auf den abzuschließenden Vertrag ausgerichtet. Warum dann aber kommt es zu diesem Vertragsschluss, der vorvertragliche Pflichtenkatalog von diesem unabhängig sein soll, wenn und soweit der vertragliche Rechtsfolgenapparat identische Institutionen – und diese verschuldensunabhängig – zur Verfügung stellt, ist schlechterdings kaum nachvollziehbar. 730 Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 14 Rz. 26, bezeichnen solche Umstände zu Recht als ,vereinbarungsfähige Beschaffenheitsmerkmale‘. 731 A.A. Mertens, AcP 203 (2003), 818, 839 f., mit dem Argument, dass der subjektive Fehlerbegriff jeden Umstand ,beschaffenheitstauglich‘ mache, eine Abgrenzung von beschaffenheitsuntauglichen und beschaffenheitstauglichen anhand objektiver Kriterien damit nicht mehr möglich sei; der Anspruch aus c.i.c. greife damit immer dann, wenn eine ausdrückliche oder konkludente Einbeziehung des aufklärungsgeschuldeten Umstandes in die Beschaffenheitsvereinbarung nicht, auch nicht anhand § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, festzustellen sei. Diese Ansicht unterläuft jedoch die hier dargestellte ,negative Einbeziehungswirkung‘ durch Nichtvereinbarung des betreffenden Umstandes. 732 Vgl. dazu das Fallbeispiel zu oben 1. Kap. § 2 C) I.5 („Himalaya-Expedition“).
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Informationspflichtverletzung erlischt.733 Dies gilt sowohl für den Fall der ausdrücklichen, konkludenten oder impliziten Einbeziehung des unaufgeklärt gebliebenen Umstandes in die Beschaffenheitsbestimmung als auch für den Fall, dass eine solche vertragliche Fixierung der betreffenden Umstände unterbleibt, da auch hierin eine kooperative Vereinbarung liegt,734 die für die Zahlungsbereitschaft des Verkäufers entscheidend ist und ein vertraglich nicht vorausgesetzter Offenbarungs- oder Informationsanspruch nicht durch eine vorvertragliche Pflicht den Katalog der Vertragspflichten derogieren kann.735 Diesem Ergebnis steht auch nicht eine vermeintliche Privilegierung des mit Blick auf den vorvertraglichen Informationspflichtenkatalog schuldhaft handelnden Verkäufers gegenüber anderen Schuldnern, z.B. Dienstverpflichteten, entgegen.736 Zunächst begegnet schon der Versuch, vertragsbezogene Pflichtverletzungen zurück in den vorvertraglichen Bereich zu verlagern, um so die gewährleistungsrechtlichen Verjährungsregeln durch die allgemeine und relative Verjährung zu ersetzen, Be733
Im Ergebnis ebenso und mit dem zutreffenden Hinweis, dass die unterschiedliche Schutzrichtung, nämlich Vertrauensschutz im vorvertraglichen Bereich und Äquivalenzschutz durch das vertragliche Gewährleistungsrecht, keine Argument für eine Parallelität beider Rechtsinstitute liefert, weil das Gewährleistungsrecht das Informationsbedürfnis des Käufers in sich aufnimmt und jeder Informationsmangel einen Äquivalenzmangel begründet (vgl. dazu hier bereits oben 2. Kap. § 3 C) II.1 b)), Weiler, ZGS 2002, 249, 253 ff. Mit gleichem Ergebnis i.ü. auch Köster, Jura 2005, 145, 147 ff.; Krebs, in: AnwKomm, § 311 Rz. 33; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, S. 114 ff.; Schaub, AcP 200 (2000), 757, 795 f.; Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, § 437 Rz. 66 ff.; Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 311 Rz. 129; Rieble, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 137, 152; Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 21; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 860. 734 Ebenso Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 22: „Für fahrlässig unrichtige Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die zu einer Beschaffenheitsvereinbarung hätten führen können, die aber vertraglich nicht geschuldet sind, haftet der Verkäufer nicht, da der Käufer insoweit eine vertragliche Vereinbarung nicht hat durchsetzen können. Die von Verkäufer zu gewährleistende Beschaffenheit bestimmt sich nach § 434 BGB. Weitergehende fahrlässig gemachte Beschaffenheitsangaben bleiben sanktionslos, auch weil der Verkäufer in diesen Fällen davon ausgehen kann, es komme dem Käufer auf diese Punkte nicht an.“. 735 Im Ergebnis setzt dies, wenn auch mit anderer Begründung, die frühere Rechtsprechung des BGH fort, wonach ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. bereits dann ausgeschlossen ist, wenn und soweit der unaufgeklärt gebliebene Umstand zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung hätte gemacht werden können, einer solchen also abstrakt zugänglich war, vgl. z.B. BGH, NJW 1983, 2697; BGH, NJW 1986, 918; dazu ausführlich Müller, ZIP 1993, 1045 ff. Die Fortführung dieser Rechtsprechung setzt nach der hier vertretenen Ansicht jedoch ein deutliches Bekenntnis für und eine Orientierung an der Hermeneutik der Kooperationsvereinbarung voraus, wie sie hier unter oben 1. Kap. § 2 C) I.5 dargestellt ist, und verlangt damit die Anerkennung der rechtsökonomischen Vorherigkeiten einer jeden Transaktionsbeziehung. Dann nämlich wird sich in aller Regel der verstrickungsrechtlich schadensstiftenden Vertragsbeziehung eine jedenfalls implizite Risikoallokation ohne große Schwierigkeiten entnehmen lassen, sodass erstens weder die Gefahr der Begründung von Schutzlücken noch zweitens die vom Gesetzgeber beklagten „schwierigen und unsicheren“ Abgrenzungen (vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 212, in der Zukunft zu Problemen führten. Vielmehr lässt sich insoweit der Großteil der Verstrickungslagen konsistent im Bereich des vertraglichen Gewährleistungsrechts lösen. 736 So aber ausdrücklich Häublein, NJW 2003, 388, 391, worauf zu Beginn dieses Abschnitts bzw. zu Ende des vorangegangenen Abschnitts III.1 bereits hingewiesen wurde, dort aber noch unbeantwortet geblieben ist.
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denken, weil dadurch eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung737 unterlaufen würde.738 Allein dafür fehlt es an einer Rechtfertigung.739 Darüber hinaus verfängt das Argument der Privilegierung des Verkäufers gegenüber z.B. Dienstverpflichteten schon deshalb nicht, weil es eine solche Privilegierung nicht gibt.740 Der Vergleich scheitert nämlich bereits daran, dass Leistungspflichten des Schuldners im Kauf- und im Dienstvertragsrecht schon nicht miteinander vergleichbar sind. Während der Dienstverpflichtete ausschließlich die Erbringung der Leistungshandlung schuldet, sich eine vorvertragliche Informationspflichtverletzung also allein darauf beziehen und bei Fehlinformation hieraus ein Schaden und verschuldensabhängig ein Schadensersatzanspruch entstehen kann, schuldet der Verkäufer nicht die Erbringung der Erfüllungshandlung, sondern steht verschuldensunabhängig und deshalb garantiemäßig741 für den Eintritt des Leistungserfolges ein. Soweit aber der Verkäufer – auch im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs – verschuldensunabhängig grundsätzlich solange zur Nachholung der Leistungshandlung verpflichtet, bis der Leistungserfolg eingetreten ist, und aus diesem Grunde auch solange seine Leistungsfähigkeit bereit zu halten hat, nimmt die kaufrechtliche Gewährleistung in einem nicht vergleichbar anderem Ausmaß Einfluss auf das Äquivalenzinteresse auch des Verkäufers. Würde auch im Rahmen der kaufrechtlichen Gewährleistung auf die allgemeinen Verjährungsregelungen mit ihrem relativen und für den Verkäufer nicht zu überblickenden Beginn des Fristlaufs abgestellt, so müsste der Verkäufer sich über einen unüberschaubaren Zeitraum leistungsbereit halten, ohne zu wissen, ob und inwieweit gegebenenfalls Gewährleistungsinanspruchnahmen drohen. Die hiermit verbundenen Transaktionskosten für die nachfolgende Vertragsüberwachung und 737 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 229: „Es wäre nicht sinnvoll, die aus der Mangelhaftigkeit einer Sache herrührenden Ansprüche einem unterschiedlichen Verjährungsgregime zu unterwerfen.“. 738 Darauf und auf die vorzitierte Passage aus der Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz weist Mertens, AcP 203 (2003), S. 818, 828, zu Recht hin. 739 Auch wenn sich die Gesetzesinterpretation nicht ausschließlich und auch nicht vorrangig nach einer subjektiven Theorie allein am historischen Willen des Gesetzgebers orientieren kann und darf, so steht hinter jedem Gesetz doch eine Regelungsabsicht und stehen sachliche Bestrebungen. Die ,Bindung an Recht und Gesetz‘ aus Art. 20 Abs. 3 GG meint deshalb sowohl den Gesetzestext, wie die ihm zugrunde liegenden Wertungen und Absichten, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 316 f., wenn diese auch im Sinne eines gesetzgeberischen Problemlösungsvorschlages einer Rechtsevolution unterliegen, vgl. dazu bereits oben 1. Kap. § 1 B) II.2 mit Hinweis auf Kerber, Recht als Selektionsumgebung für evolutorische Wettbewerbsprozesse, S. 307 ff., und Kirchner, Folgenberücksichtigung, S. 35. Ähnlich stellt Larenz, Methodenlehre, S. 317, heraus, dass ein Gesetz „mit der Länge der Zeit mehr und mehr gleichsam ein eigenes Leben [gewinnt] und [sich] damit von den Vorstellungen seiner Urheber“ entfernt. Ein solches Eigenleben aber kann der Ausdehnung und Aufweichung der gewährleistungsrechtlichen Verjährungsfrage angesicht der bewusst extensiven Ausdehnung gegenüber der früheren 6-Monats-Frist im Gewährleistungsrecht selbst wohl kaum bescheinigt werden, sodass die gesetzgeberische Vorstellung hier durchaus noch Gewicht hat. 740 In einem Randbereich stellt Schaub, AcP 202 (2002), 757, 782 f., u.a. heraus, dass der Anwendungsbereich der Arglisthaftung im Gewährleistungsrecht weiter reichen kann, als nach den allgemeinen Regeln. 741 Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62.
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Leistungsbereitstellung müssten dabei in die Kalkulation der Zahlungsbereitschaft des Verkäufers Einzug halten und würden die Vertragspreise erheblich erhöhen.742 Demgegenüber bewirkt der absolute Verjährungsbeginn im Rahmen der kaufrechtlichen Gewährleistung eine Planungs- und Kalkulationssicherheit für den Verkäufer, die sich wohlfahrtsökonomisch positiv auswirkt und deshalb ohne Einschränkung zu befürworten ist. Schutzlücken in Fällen arglistig handelnder Verkäufer sind nicht zu befürchten, da in diesem Fall das ökonomische Bedürfnis für die Planungssicherheit des Verkäufers entfällt; er kennt die drohende Inanspruchnahme und kann diese von Beginn an einpreisen.743 Auch insoweit kann und sollte daher, trotz der verjährungsrechtlichen Erweiterung des Gewährleistungsrechts für diese Fälle durch § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB an der überkommenen Rechtsprechung festgehalten werden, dass der arglistig handelnde Verkäufer sich nicht auf die Sperrwirkung des Gewährleistungsrechts gegenüber der c.i.c. berufen kann und diese neben das Gewährleistungsrecht tritt.744 Eine tatbestandliche Überholung kann insoweit überdies nicht eintreten, da der arglistig getäuschte Käufer nicht bewusst auf die Einbeziehung der aufklärungs- und offenbarungsschuldigen Umstände in die Vereinbarung der Sachbeschaffenheit und damit nicht auf die Einbeziehung in das kooperative Äquivalenzverhältnis verzichtet hat und das Fehlen einer solchen Vereinbarung deshalb keinen Rückschluss auf die Reichweite des tatbestandlichen Verstrickungsschutzes, wie hier verteten, eröffnet. b) Reichweite der Beschaffenheitstauglichkeit und des negativen Erklärungswerts unterbliebener Beschaffenheitsvereinbarung Soweit bereits vereinbarungsfähige Beschaffenheitsmerkmale über den negativen Erklärungswert des Fehlens einer Beschaffenheitsvereinbarung den konkurrenzrechtlichen Ausschluss einer Haftung aus c.i.c. bewirken, kommt darin die besondere Bedeutung der Auslegung des Beschaffenheitsbegriffs,745 dessen Abgrenzung zu Umständen, die außerhalb der vertraglichen Beschaffenheitsvereinba742 Vgl. dazu noch einmal die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Implikationen der Transaktionskosten bei North, Institutionen, S. 39: „Die Transaktionskosten bringen die Unsicherheit insoweit zum Ausdruck, als sie eine Risikoprämie enthalten, deren Höhe von der Wahrscheinlichkeit der Nichterfüllung durch den Partner und der daraus für den anderen Partner entstehenden Kosten abhängt.“. 743 Diese Überlegung bestätigt die gesetzgeberische Entscheidung in § 438 Abs. 3 Satz 1 BGB, in Fällen arglistiger Täuschung nicht die verkürzte kaufrechtliche, sondern die allgemeine Verjährung greifen zu lassen. 744 Ebenso Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 861; Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 23; Grunewald, in: Erman, BGB, 29 vor § 437; a.A. Mertens, AcP 203 (2003), 818, 830; Schaub, AcP 202 (2002), 757, 783. 745 Häublein, NJW 2003, 388, stellt genau dieses Zusammenspiel aus Reichweite des Beschaffenheitsbegriffs und deren Auswirkungen auf die c.i.c. heraus, kommt dabei jedoch zu dem der hier vertretenen Ansicht widersprechendem Ergebnis, dass eine volle Anspruchskonkurrenz dogmatisch richtig und deshalb grundsätzlich zuzulassen sei; zur inhaltlichen Konkretisierung des Beschaffenheitsbegriffs vgl. auch Berger, JZ 2004, 276 ff.
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rung liegen,746 und die Notwendigkeit zum Ausdruck, neben der Arglist des Verkäufers eine weitere Fallgruppe zu institutionalisieren, in der eine Ausnahme von dem absoluten Gewährleistungsvorrang gegenüber der auf beschaffenheitstaugliche Umstände bezogenen c.i.c. zuzulassen ist. Der subjektive Fehlerbegriff, wie er vom Gesetzgeber in § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB geadelt wurde, lässt grundsätzlich die privatautonome Bestimmung der Reichweite der vertraglichen Haftung zu, ohne dass hierfür ein Rückgriff auf die Definition der ,zusicherungsfähigen Eigenschaft‘ alten Rechts nötig oder geboten wäre.747 Daraus wurde soeben748 der Schluss abgeleitet, dass nicht Gegenstand der äquivalenten Kooperationsbeziehung wird, was nicht mindestens implizit über die zum Ausdruck gebrachte und zum Gegenstand der Vereinbarung gemachte Zahlungsbereitschaft in die Kooperationsabrede einbezogen wurde. Denn insoweit folgt aus der unterbliebenen Einbeziehung grundsätzlich eine negative Kooperations- und Äquivalenzabsprache, die für den Verkäufer von entscheidender Bedeutung für die Ermittlung seiner eigenen Zahlungsbereitschaft ist. Dieses grundsätzlich richtige, weil die ökonomischen Vorherigkeiten der Vertragsanbahnungsbeziehung in sich aufnehmende Verständnis versagt aber dann, wenn der Käufer aus schlechterer Sachkunde und im reputationsgestützten und deshalb berechtigten749 Vertrauen auf die insoweit umfassende Aufklärung durch den Verkäufer die Notwendigkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung in seinem subjektiven Nutzungskontext nicht erkennt und allein aus diesem Grunde die Einbeziehung in die kooperative Beschaffenheitsbestimmung nicht betreibt. Zwei Mechanismen wirken dieser Gefahr zunächst allerdings entgegen. Nach dem hier vertretenen informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodell stellt eine unvollständige Kooperationsbeziehung die Ausnahme dar.750 Dies schloss allerdings negative Kooperationsabsprachen, um die es hier geht, ein. Da sich aber, was Grundlage des hier entwickelten Modells ist, die subjektiven Nutzenerwartungen des Käufers, die diesen zu seiner Entscheidung veranlasst haben, regelmäßig in dessen Zahlungsbereitschaft erkennbar widerspiegeln, ist in aller Regel 746 Mertens, AcP 203 (2003), 818, 839 f., steht auf dem Standpunkt, dass es solche Umstände vor dem Hintergrund des subjektiven Fehlerbegriffs und der daraus abzuleitenden Freiheit, jeden Umstand zur Beschaffenheit zu erheben, nicht mehr geben könne. Dies greift jedoch zu kurz, wie sogleich unter III.3 bb) zu erläutern sein wird. 747 Statt vieler ausführlich Mertens, AcP 203 (2003), 819, 832; Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 524 f., und bereits oben 2. Kap. § 1. 748 Außerdem ließ sich dieses Ergebnis bereits aus der Analyse der Hermeneutik der Kooperationsbeziehung, oben 1. Kap. § 2 C) I.5, ableiten. 749 Zu der Frage der Berechtigung von Vertrauen vgl. ausführlich oben 1. Kap. § 2 A) II.3, wonach die Determinanten der richtigen und berechtigten Vertrauensentscheidung durch das Zusammenspiel von Informationskosten, deren Zuweisung, das Verhältnis von Vertrauens- zu Opportunismusprämien sowie letztlich durch die Verlässlichkeit des institutionellen Schutzes der Vertrauensentscheidung bestimmt werden, wobei die Grenzen der berechtigten Vertrauensentscheidung durch die Art der Information vorgegeben werden, nämlich grundsätzlich nur unproduktive Informationen Preis zu geben sind. 750 Vgl. dazu ausführlich nochmals oben 1. Kap. § 2 C) I.5.
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von einer impliziten Einbeziehung in das kooperative Äquivalenzverhältnis auszugehen. Anders kann dies aber sein, wenn es sich aus Sicht des Käufers um so fernliegende Umstände handelt, dass eine Einbeziehung in die Kooperationsabsprache gar nicht erforderlich schien und aus diesem Grunde die betreffenden Umstände auch von den impliziten Vertragsabsprachen nur mit großer Argumentationslast gedeckt werden könnten.751 Als Beispiel sei der Kauf eines Diesel-PKW genannt, der vom Verkäufer nachhaltig mit Bio-Diesel gefahren wurde und deshalb ggf. für reguläre Kraftstoffe nicht mehr geeignet ist.
Solchen Fällen aber wird auf gesetzlicher Ebene begegnet: § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB und – insoweit als Auffangvorschrift – hilfsweise § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB begrenzen das Risiko unerkannt unterbliebener Beschaffenheitsvereinbarungen, da hierdurch die nach dem Vertrag vorausgesetzte752 und hilfsweise die für die übliche Verwendung bei Sachen gleicher Art gewöhnliche Beschaffenheit Kraft Gesetzes zum Gegenstand der Äquivalenzbeziehung gemacht wird.753 Es verbleiben außerhalb des arglistigen Verschweigens des Verkäufers damit offenbar nur einige wenige theoretisch denkbare Fälle, in denen eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht in der äquivalenten Kooperationsbeziehung aufgegangen ist, sich diesem Umstand aber dennoch kein negativer Erklärungswert entnehmen lässt. Es sind dies aber beispielsweise solche, wie sie der BGH754 etwa für den Neuwagenkauf unmittelbar vor einem Modellwechsel entschieden hat: K beabsichtigt, bei Vertragshändler V einen Neuwagen zu kaufen. Der Vertrag wird geschlossen, das Auto ausgeliefert. Das ausgelieferte Fahrzeug wird allerdings schon ab dem auf die Auslieferung folgendem Monat vom Hersteller nicht mehr – unverändert – vertrieben, weil dieser eine sog. ,Modellpflege‘ vorgenommen hat und fortan nur noch die modifizierten Fahrzeuge ausliefert. Die von K gekaufte Motorenvariante ist aus dem Programm genommen und durch eine andere Motorisierung ersetzt worden.
Der BGH erkennt in der vertraglichen Vereinbarung über den Kauf eines Neuwagens in ständiger Rechtsprechung die konkludente ,Zusicherung‘, das gekaufte Kfz sei ,fabrikneu‘. Dies bedeute, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe an den 751
Das genau umgekehrte Beispiel mit entgegengesetzten Vorzeichen wird durch den Fall Jacob & Youngs vs. Kent, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (2), beschrieben, in dem ein aus Sicht des Werkunternehmers/Verkäufers so fernliegender Umstand, dass mit ihm nicht hatte gerechnet werden können, vonseiten des Bestellers/Käufers ausdrücklich in den Vertrag einbezogen wurde, weil eine Einbeziehung über implizite, also unausgesprochene Absprachen nicht möglich gewesen wäre. 752 Bei dieser ,vorausgesetzten Beschaffenheit‘ geht es jedoch nicht um die im konkreten Fall tatsächlich vom Käufer subjektiv vorausgesetzte Beschaffenheit, sondern um eine objektivierte Beschaffenheitsvereinbarung aufgrund abstrakten Kooperationsvertrauens, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5). Aus diesem Grunde kann § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB implizite Kooperationsabsprachen auch nicht ersetzen. 753 Vgl. auch zu einer (rechts-)ökonomischen Einbettung dieser Vorschriften im Übrigen ebenfalls oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5). 754 Dazu z.B. BGH, ZIP 2003, 1755 („fabrikneu“); BGH, ZIP 2004, 122 (Standzeit des unverändert hergestellten Kfz von mehr als 12 Monaten).
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Käufer noch unverändert hergestellt und vom Hersteller ausgeliefert werden müsse.755 Den impliziten Vertragsbestandteilen einer kooperativen Äquivalenzbeziehung lässt sich das nämliche Ergebnis entnehmen, da der Käufer seine Zahlungsbereitschaft bei der Entscheidung für einen Neuwagenkauf erkennbar daran ausrichtet, im Zeitpunkt der Auslieferung tatsächlich das aktuelle Modell zu fahren.756 Insoweit ändert sich an der Rechtsprechung des BGH zunächst also nichts. Der BGH ist jedoch über diese Auslegung des – des auch von ihm als implizit erkannten – Erklärungswerts ,fabrikneu‘ in einem obiter dictum noch hinausgegangen: „Sollte die neue Berufungsverhandlung ergeben, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Produktion des älteren Modells noch nicht eingestellt war, dennoch aber die neuen Modelle der 5er-Reihe bereits im Handel angeboten wurden, wird das Oberlandesgericht erneut zu prüfen haben, ob der Schadensersatzanspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht über den Modellwechsel begründet ist.“757
Unter geltendem Recht wäre der Umstand, dass ein Modellwechsel nicht unmittelbar bevorsteht, ohne weiteres beschaffenheitstauglich, könnte also zur Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB erhoben werden. Einfluss auf die nach dem Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) oder die bei Sachen gleicher Art gewöhnliche Verwendungseignung (§434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) hat der bevorstehende Modellwechsel allerdings nicht. Auch begegnet es angesichts des regelmäßig fehlenden Anlasses für den Käufer, sich hierüber überhaupt Gedanken zu machen, Schwierigkeiten, von einer impliziten Einbeziehung in das Kooperationsverhältnis auszugehen. Insoweit wäre nämlich der Zeitraum, über den das Modell ,aktuell‘ bleiben muss, nur mit Anstrengung und starken Typisierungen zu umreißen, was wiederum den subjektiven Erwartungen des Käufers, um deren Objektivierung es bei der Entschlüsselung impliziter Vertragsbestandteile gerade geht, im Ergebnis kaum gerecht würde. Den Käufer hier auf den negativen Erklärungswert einer unterbliebenen jedenfalls impliziten Beschaffenheitsvereinbarung zu verweisen, und Gewährleistungsrechte deshalb wegen der unterlassenen Vereinbarung eines beschaffenheitstauglichen Umstandes auszuschließen, gleichzeitig aber die c.i.c. wegen des abschließenden Charakters der kaufrechtlichen Gewährleistung zu sperren, hieße aber, die vertragliche Risikoallokation und die Implikationen des der Kaufentscheidung zugrunde liegenden Vertrauensgerüstes zu konterkarieren.
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So m.w.N. BGH, ZIP 2003, 1755. Die Zahlungsbereitschaft des Käufers kommt hierbei auch bei feststehenden Listenpreisen für ein Neufahrzeug gerade darin zum Ausdruck, dass der Käufer nicht z.B. auf einen Jahreswagen mit geringer Laufleistung ausweicht, obwohl solche Fahrzeuge z.T. deutlich unterhalb der Neupreise angeboten werden, sondern bereit ist, diesen Eingangs- und im Ergebnis relativ größten Wertverlust um den Preis, einen Neuwagen zu fahren, selbst zu tragen. 757 BGH, ZIP 2003, 1755 (Rz. 19). 756
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Der Zeitpunkt und die Reichweite der informationssubstituierenden Vertrauensentscheidung wird, dies ist ausführlich erläutert,758 grundsätzlich durch zwei Determinanten bestimmt, nämlich einmal das adverse selection – Risiko, also die Risiken aus unbewussten Selektionsprozessen als Folge z.B. einer in der Marktkommunikation herausgestellten Reputation des Verkäufers, welche die Gefahr in sich bergen, Opportunismusrisiken zum Opfer zu fallen, und zum anderen aus einer bewussten Transaktionskostenentscheidung des Käufers, nämlich der Entscheidung, im Vertrauen auf die richtige und vollständige Information durch den Verkäufer die eigenen Informationsanstrengungen, das eigene Involvement, zu reduzieren und die Transaktionskosten so auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten. Ob diese negative Investitionsentscheidung ökonomisch richtig und rechtsdogmatisch berechtigt ist, hängt von der Verteilung der Kostenlast, der Icentivierung der Vertrauenserfüllung und damit nicht zuletzt auch von der Art der betroffenen Information ab. Da es sich aber in dem hier angeführten Beispiel um eine unproduktive Information759 handelt, die ohne weiteres Zutun ohnehin kurzfristig in den Markt gelangen wird und vom Verkäufer nicht durch besondere Anstrengung erlangt werden musste, überwiegt hier das adverse selection – Risiko des Käufers das Interesse des Verkäufers, für die Preisgabe der Information eine Vertrauensprämie zu erhalten. Würde der Käufer sich für einen anderen, vertrauenswürdigen Vertragshändler entschieden haben, hätte dieser über den ihm längst bekannten Umstand des bevorstehenden Modellwechsels aufgeklärt. Es besteht daher kein Bedürfnis, der Opportunismusgefahr zugunsten des Verkäufers durch die Kompensation der Opportunismus- mit einer Opportunitäts- oder Vertrauensprämie zu begegnen, wie sonst grundsätzlich geboten.760 Vielmehr kann das Opportunismusrisiko zur Vertrauensstärkung in Bezug auf unproduktive Informationen durch die Institutionalisierung einer die Opportunismusprämie aufzehrenden Haftung ausgeschaltet werden,761 ohne dass hierdurch dem Verkäufer ineffiziente Lasten zugewiesen würden. Es bleibt nämlich bei dem schon mehrfach herausgestellten Grundsatz, dass bei unproduktiver Information effiziente Ergebnisse durch die Statuierung einer Aufklärungs-, und weil ungefragt geschuldet: richtiger einer Offenbarungspflicht, hergestellt werden, wenn die Erteilung ungefragter Auskunft für den Verkäufer kostengünstiger ist, als die Suche nach der richtigen Frage für den Käufer.762 Genau dies ist im hier exemplarisch angeführten Fall des bevorstehenden Modellwechsels aber gegeben, da der Händler frühzeitig über solche Maßnahmen des Herstellers informiert ist, jedenfalls aber die Möglichkeit hat und infolge seiner Re758
Dazu oben 1. Kap. § 2 A) II.3. Ausführlich 1. Kap. § 2 A) II.3 d). 760 Auch dazu oben 1. Kap. § 2 A) II.3. 761 Unter Hinweis auf Williamson, Institutionen, S. 334, war bereits die Rede davon, dass der Umstand, dass der Vertragsbruch „in vollem Umfang bestraft“ wird, für die Beachtlichkeit von Reputationseffekten und informationssubstituierendem Vertrauen wesentlich ist. 762 Vgl. nochmals Kötz, Vertragliche Aufklärungspflichten, S. 569. 759
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putation als Vertragshändler auch gehalten ist, sich hierüber ohne nennenswerten Aufwand zu informieren. Trotz der Beschaffenheitstauglichkeit des Umstandes und der sich daraus grundsätzlich ableitenden Konkurrenzsperre wird in solchen Fällen deshalb gleichwohl an der vom BGH angedeuteten Haftung aus c.i.c. auch nach der Schuldrechtsmodernisierung festzuhalten sein. Die Systematisierung dieser Fallgruppe kann, als Aufklärungslast unterhalb der Arglistschwelle, dahingehend erfolgen, dass eine Haftung aus c.i.c. neben der kaufrechtlichen Gewährleistung immer dann eröffnet ist, wenn ein Vertragspartner hinsichtlich eines offenbarungspflichtigen und beschaffenheitstauglichen Umstandes aufklärungsschuldig geblieben und dieser Umstand deshalb nicht zur Beschaffenheitsvereinbarung erhoben worden ist. Die Fallgruppe mag daher als ,c.i.c. wegen der Verletzung einer beschaffenheitsbezogenen Offenbarungslast‘ bezeichnet werden, wobei die Haftung dabei aber nach wie vor subsidiär gegenüber den Auffangvorschriften des § 434 Abs. 1 Satz 2 BGB ist. III.3 Verschulden bei Vertragsschluss, das sich nicht auf eine Beschaffenheit der Kaufsache bezieht a) Abbruch von Vertragsverhandlungen Nach altem Recht war die c.i.c. uneingeschränkt neben der kaufvertraglichen Gewährleistung anwendbar, wenn sich die Pflichtverletzung nicht auf Fehler oder zugesicherte Eigenschaften der Kaufsache bezog.763 Paradebeispiele hierzu waren, neben der häufig kaum mehr nachvollziehbaren764 Einengung des Fehlerbegriffs und des Begriffs der zusicherungsfähigen Eigenschaft,765 diejenigen Fälle, in denen eine vertragliche Haftung von vorneherein nicht in Betracht kam, weil der Vertrag wegen des Abbruchs der Vertragsverhandlungen durch eine Partei zu einem Zeitpunkt, zu dem der Vertragsschluss bereits als sicher hingestellt worden war, nicht zustande kam. Der BGH766 sanktionierte solches Verhalten mit überwiegender Zustimmung aus der Literatur767 durch Eröffnung eines Haftungstatbestandes unter Rückgriff auf die c.i.c., wenn ein Verhandlungspartner, ohne Verpflichtungen einzugehen, in dem anderen schuldhaft die irrige Vorstellung hervorgerufen hatte, er habe fest vor, den in Aussicht genommenen Vertrag zu schließen, die Vertragsverhandlungen später aber ,ohne triftigen Grund‘768 ab763
Vgl. z.B. BGH, NJW 1999, 1404; BGHZ 69, 53; BGH, NJW 2002, 208; BGH, NJW 1998, 202. So wörtlich Häublein, NJW 2003, 388, 389. 765 Dazu Mertens, AcP 203 (2003), 818 ff.; Schaub, AcP 202 (2002), 757 ff.; insbesondere für Unternehmenskaufverträge vgl. Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 524 f. 766 BGH, ZIP 1989, 514; BGH, JZ 1984, 745; BGH, NJW 1979, 915. 767 Küpper, DB 1990, 2460; ders., Vertragsverhandlungen, Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 1093. 768 So in einer Vielzahl von Entscheidungen, vgl. z.B. BGH, NJW 1980, 1683; BGH, NJW 1985, 1779; BGH, MDR 1954, 346; BGH, NJW-RR 1989, 627; BGH, WM 1996, 738; BHG, NJW-RR 2001, 381; BGH, NJW-RR 2001, 1524; BGH, NJW 2004, 3779, 3781; BGH, WM 2006, 1119, 1120 Tz. 9; i.ü. auch das BAGE 14, 206; und auch die Instanzrechtsprechung: OLG München, NJW-RR 1991, 86; 764
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brach. Der Ersatzanspruch war auf das negative Interesse gerichtet, der andere Vertragspartner war also so zu stellen, wie er stünde, wenn er über die innere Einstellung des die Verhandlung abbrechenden Partners richtig informiert worden wäre. Der BGH769 ging dabei sogar soweit, auch bei einem formgebundenen Vertrag eine Verpflichtung zum Schadenersatz aus c.i.c. anzunehmen, wenn die Verhandlungen vor Vertragsschluss ohne triftigen Grund abgebrochen wurden, auch wenn der Wandel in der inneren Einstellung unverzüglich mitgeteilt worden war. In seinem – wohl als Leitentscheidung770 zu bezeichnenden – Urteil aus dem Jahre 1989, durch welches die Entwicklung der Rechtsprechung zur Haftung wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen zunächst ihren Höhepunkt fand, hat der VIII. Senat771 ausgeführt: „Wer gegenüber dem Partner im Laufe der Verhandlungen den späteren Vertragsschluss ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten als sicher hinstellt, haftet aus Verschulden aus Vertragsverhandlungen grundsätzlich auch dann, wenn er das berechtigte Vertrauen des anderen Teils nicht schuldhaft herbeigeführt hat.“ Allen Entscheidungen und auch der Auseinandersetzung in der Literatur ist dabei eines gemein: Es besteht Einigkeit darin, dass die Haftung aus c.i.c. nicht mit Blick auf eine mögliche Kollision zum Gewährleistungsrecht ausgeschlossen werden kann. Soweit es nicht zu dem zunächst in Aussicht genommenen Vertragsabschluss kommt, kann sich eine vorvertragliche Pflichtverletzung nicht in einer vertraglichen Pflichtverletzung fortsetzen. Revolvierende Pflichten in Bezug auf die Fortsetzung der Vertragsanbahnung und die umfassende Offenbarung einer (neuerdings) fehlenden Abschlussbereitschaft können denknotwendig nicht in vertraglichen Pflichten aufgehen. Dann kann es aber auch auf Rechtsfolgenseite nicht zu einer haftungsrechtlich überholenden Kausalität kommen, was zur Folge hat, dass die vorvertragliche Pflichtverletzung tatbestandsmäßig und der Anspruch aus §§ 280 ff. BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, gerichtet auf das negative Interesse, zunächst durchsetzbar bleibt. Eine Kollision mit dem kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht besteht daher im neuen Recht ebenso wenig, wie vor der Schuldrechtsmodernisierung. Die Haftung aus c.i.c. ist in dieser Fallgruppe daher konkurrenzrechtlich mit einer gewissen Selbstverständlichkeit unverändert möglich. Damit bleibt aber zugleich der Rückgriff auch auf den noch zur alten Rechtslage geschaffenen Präjudizienbestand und die hierzu geführte Auseinandersetzung in
769 OLG München, WM 2003, 443; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1988, 988; OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 23; OLG Düsseldorf, WM 2001, 1147; OLG Koblenz, WM 1993, 1241; OLG Saarbrücken, NJW 1998, 341; OLG Celle, ZMR 2000, 168; OLG Dresden, ZIP 2001, 604 f. 769 BGH, ZIP 1989, 514; BGH, WM 1977, 618; BGHZ 76, 343. 770 BGH, ZIP 1989, 514. 771 Diese Rechtspechung hat die Zustimmung des II. Senats, BGH ZIP 1988, 89, und des III. Senats, BGHZ 71, 386, gefunden; der V. Senat, BGH, WM 1974, 1223, hat die Frage offen gelassen.
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der Literatur772 eröffnet. Hier war und ist streitig, ob tatsächlich schon allein der ,Abbruch von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund‘773 ausreichen kann, die Haftung auszulösen.774 Die Pole, die sich hier gegenüberstehen, sind nicht schwer zu identifizieren: Hat sich eine Partei noch nicht gebunden, so steht es ihr in Ausübung ihrer Privat- und Vertragsautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) frei, sich auch ohne triftigen Grund775 von dem in Aussicht genommenen Vertrag zu distanzieren.776 Dies gilt umso mehr, wenn der Vertrag formbedürftig ist, und es Teil des Schutzzweckes der betreffenden Formvorschrift ist,777 einer vorschnellen vertraglichen Bindung und hieraus etwaig drohenden Schadenersatzansprüchen vorzubeugen.778 Demgegenüber obliegt es der sich distanzierenden Partei auch schon vorvertraglich auf das Integritätsinteresse der anderen Partei Rücksicht zu nehmen779 und diese vor vermeidbaren Schäden zu bewahren, was seit der Schuldrechtsmodernisierung unmittelbar aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB folgt. Die Rechtsprechung geht bei der Ausprägung dieses vorvertraglichen Integritätsschutzes überwiegend einen vermittelnden Weg. So heißt es in einem Urteil des V. Senats des BGH780 einschränkend: „Wird der Abschluss eines formbedürftigen Ver772 Ausführlich Stoll, Culpa in Contrahendo, S. 445 ff.; ausführlich Emmerich, in: MünchKommBGB, § 311 Rz. 213 ff. 773 Das OLG Hamm, NJW 2008, 764, 766, geht darüber sogar noch hinaus und lässt für eine Haftung aus c.i.c. sogar den ,grundlosen oder sachfremd begründeten‘ Abbruch der Vertragsverhandlungen genügen. 774 Insbesondere Schwab, JuS 2002, 773, 775 ff., vertritt die Auffassung, dass auf eigene Gefahr handele, wer vor Abschluss des Vertrages allein im Vertrauen darauf bereits Aufwendungen tätige; i.E. ähnlich zurückhaltend BGH, WM 2008, 491, 493 ff.; anders aber, wenn die Abschlussbereitschaft von vorneherein nur vorgetäuscht worden ist, OLG Stuttgart, WM 2007, 1743m 1744 f.; a.A. insoweit Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1528, der den Abbruch von Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund nur dann und insoweit für haftungsauslösend hält, wenn nicht die weggefallene Abschlussbereitschaft unverzüglich offenbart wird. 775 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 845; grds. so zunächst auch Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 213. 776 Mit diesem Ergebnis im Übrigen auch das Einheitliche UN-Kaufrecht, auf das die nationale Rechtsprechung zur Haftung aus c.i.c. wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen nicht übertragbar ist, was allerdings nicht zuletzt daran liegt, dass Art. 16 UN-Kaufrecht eine – abschließende – Lösung des Problems bereitstellt, vgl. Schlechtriem/Schroeter, in: Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, 38 vor Artt. 14–24. 777 Ist dies nicht der Fall, wie z.B. zum Schriftformerfordernis für längerfristig befristete Mietverträge nach § 550 BGB (= § 566 BGB a.F.), vgl. OLG Celle, ZMR 2000, 168, gelten die allgemeinen Vorschriften über den Abbruch von Vertragsverhandlungen, vgl. Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rz. 119. 778 Grundsätzlich besteht in solchen Fällen keine Schadensersatzpflicht, BGH, NJW 1975, 43; OLG Köln, NJW-RR 1987, 801; anders allerdings wenn über die nicht mehr vorhandene anfängliche Abschlussbereitschaft getäuscht und der Vertragspartner dadurch zu Aufwendungen veranlasst wird, dazu grundlegend BGH, NJW 1996, 1884, 1885, dazu Medicus, EWiR 1996, 679; BGH, DStR 2001, 802. 779 Insbesondere Wertenbruch, ZIP 2004, 1525, 1528; ebenso Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 268 ff. 780 BGH, WM 1996, 1728, mit – nicht offen ausgesprochener – Distanz zu früheren Judikaten anderer Senate.
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trages als sicher dargestellt, kann der Abbruch der Verhandlungen durch einen Partner grundsätzlich nur dann einen Schadensersatzanspruch des anderen begründen, wenn das Verhalten des Abbrechenden einen schweren Verstoß gegen die Verpflichtung zu redlichem Verhalten bei den Vertragsverhandlungen bedeutet. Dies erfordert in der Regel die Feststellung vorsätzlichen pflichtwidrigen Verhaltens.“781 Ungeachtet der unsteten Rechtsprechung782 und der hierzu in der Literatur vorgebrachten Kritik,783 ob der Schadensersatzanspruch aus c.i.c. wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen ein Verschuldenselement voraussetzt, weil anderenfalls und nicht zuletzt in nicht zu rechtfertigender Weise in die Privatautonomie eingegriffen würde,784 tritt mit dem vorstehenden Zitat ein ganz anderer Aspekt in den Vordergrund, der unter Berücksichtigung ökonomischer Vorherigkeiten und sozial-ökonomischer Rahmenbedingungen für die Reichweite eines etwaig erforderlichen Schutzes des Integritätsinteresses der auf den Vertragsschluss vertrauenden Partei von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist: Die Pflichtverletzung des die Vertragsanbahnung beendenden Verhandlungspartners liegt nämlich, dies kann man aus der ,Verpflichtung zu redlichem Verhalten‘ herauslesen, zunächst nicht darin, den Vertrag nicht geschlossen zu haben; die Entscheidung, einen Vertrag zu schließen oder nicht, ist bis zum rechtsverbindlichen Vertragsschluss grundsätzlich frei. Die – inzwischen durch §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB gesetzgeberisch institutionalisierte – Rücksichtnahmepflicht auf die Integritätsinteressen nicht erst des Vertrags-, sondern auch schon des Verhandlungspartners beinhaltet jedoch zunächst und jedenfalls die Pflicht, den Verhandlungspartner vor Schäden zu schützen, die aus einem informatorisch fehlgeleiteten Vertrauen auf eine tatsächlich nicht (mehr) vorhandene Abschlussbereitschaft des sich vom Vertrag distan781 Das in diesem Zitat zum Ausdruck kommende Verschuldenserfordernis ist von Rechtsprechung und Literatur lange uneinheitlich beantwortet worden, vgl. Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 223 f.; auch jüngere obergerichtliche Entscheidungen stellen jedoch darauf ab, wie z.B. folgendes Zitat aus OLG Hamm, NJW 2008, 764, zeigt: „Eine Haftung bei Scheitern von Vertragsverhandlungen kommt nach der Rechtsprechung lediglich in engen Grenzen in Betracht. Die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund, mithin aus sachfremden Erwägungen, abbrechende Partei, muss bei der anderen Partei zurechenbar das Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages erweckt und sie dadurch zu Aufwendungen veranlasst haben, die sie anderenfalls nicht getroffen hätte. Erforderlich ist damit ein qualifizierter Vertrauenstatbestand, der etwa dann gegeben ist, wenn der Abbrechende den Vertragsschluss als sicher hingestellt oder er den anderen Teil – wie möglicherweise hier – zu Vorleistungen veranlasst hat, er insbesondere bereits mit der Durchführung des Vertrages begonnen hat. Dabei sind strenge Anforderungen zu stellen, da die Postulierung einer Haftung nicht zu einer Aushöhlung der Entschließungsfreiheit der Parteien führen darf “. 782 Dieses Zitat aus der Rechtsprechung des V. Senats (BGH, WM 1996, 1728) steht in Widerspruch zu allererst zu dem oben als Leitentscheidung bezeichneten Urteil des VII. Senats (BGH, ZIP 1989, 514), was die Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung deutlich hervorhebt. 783 Vgl. die Nachweise bei Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 223 f. Soweit in der Literatur ein Verschulden nicht für erforderlich gehalten wird, wird dies mit dem vertrauensrechtlichen Charakter des Haftungstatbestandes begründet, die verschuldensunabhängige Aufklärungs- und Warnpflichten in Analogie zu § 122 BGB auslöse, so z.B. Canaris, in: FS 50 Jahre BGH, S. 129, 181; Singer, Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, S. 303 ff. 784 Vgl. z.B. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 845.
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zierenden Teils resultieren.785 Inhaltlich können solche Schäden darauf zurückgehen, dass der getäuschte Verhandlungspartner im Vertrauen auf den bevorstehenden Vertragsschluss Aufwendungen tätigt786 oder die Suche nach anderen Interessenten unterlässt.787 Mit dieser – weitgehend anerkannten und deshalb nicht neuen788 – Fallgruppe der unterlassenen Offenbarung einer fehlenden oder weggefallenen Abschlussbereitschaft ist das Haftungspotential eines (dann) pflichtwidrigen Abbruchs von Vertragsverhandlungen aber ebensowenig ausgeschöpft, wie das Schadenspotential mit ihr abgedeckt wäre.789 Nimmt man nämlich die Erkenntnis hinzu, dass die Verhandlungsbeziehung von einem informationssubstituierenden Vertrauen insbesondere in die Reputation und damit in die Person des Verhandlungspartners getragen ist, und überdies die Verhandlungsbeziehung als dynamischer Prozess sich stetig vertiefender Eigen- und Fremdbindungen zu qualifizieren ist,790 so können bereits in der Verhandlungsbeziehung implizit Schutzanforderungen formuliert und so in den Rang der schon vorvertraglich geschützten Integritätsinteressen erhoben werden, wenn dies in der Verhandlungsbeziehung und insbesondere in den Verhandlungen über die wechselseitige Zahlungsbereitschaft hinreichend zum Ausdruck kommt. Erforderlich dafür ist, dass der Verhandlungspartner, der sich durch das Signaling seines Gegenüber in Bezug auf dessen Abschlussbereitschaft zu Investitionen, sei es in Gestalt von out of poket – costs oder Opportunitätskosten veranlasst sieht, die Absicht zu solchen Investitionen jedenfalls implizit in die Verhandlungsbeziehung einführt und diese damit über den Grad des abstrakten Verhandlungsvertrauens hinaus durch Begründung eines konkreten Abschlussvertrauen qualifiziert. Dies kann etwa durch Signalisierung einer höheren Zahlungs785 Der auf die unterlassene Mitteilung vom Wegfall der Abschlussbereitschaft gestützte Schadensersatzanspruch ist auch in der Rechtsprechung anerkannt, vgl. z.B. OLG Stuttgart, BB 1989, 1982; OLG Koblenz, BB 1992, 2178. 786 In einem solchen Vertrauensschutz spiegelt sich die Incentivierung von Vorlaufaufwendungen wider, die der Verhandlungspartner zur Wertsteigerung der erwarteten Leistung tätigt und – unter den gegebenen Voraussetzungen – auch soll tätigen dürfen, vgl. zur ökonomischen Seite solcher Incentivierung oben 1. Kap. § 2 A) II.1 c) mit Hinweis auf Köndgen/Randow, Sanktionen bei Vertragsverletzung, S. 123 f., und. Außerdem auf Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 205 ff. 787 Durch die unterlassene Suche nach alternativen Vertragsschlussmöglichkeiten können Schäden in Gestalt entgangener Opportunitätskosten entstehen; eine Fallgruppe, die bereits als Kategorie ersatzfähiger Schäden qualifiziert und klassifiziert worden war, vgl. oben 1. Kap. § 2 C) II.2 b) cc), und jüngst durch BGH, ZIP 2009, 1220, im insolvenzrechtlichen Bereich noch einmal bestätigt worden ist. 788 Vgl. dazu nochmals die Kommentierung und die Nachweise insbesondere bei Emmerich, in: MünchKomm-BGB, § 311 Rz. 223 ff. 789 Stoll, Culpa in Contrahendo, S. 435, 448, weißt nämlich zu Recht darauf hin, dass die Haftung für die unterlassene Aufklärung über eine nicht mehr vorhandende Abschlussbereitschaft dort an ihre Grenzen stößt, wo der die Verhandlungen – aus welchen Gründen auch immer – abbrechende Vertragspartner bis zum Abbruch der Verhandlungen tatsächlich abschlussbereit gewesen ist. In solchen Fällen einen Kontrahierungszwang durch die schadensersatzrechtliche Sanktionierung der Vertragsanbahnungsbeziehung herzustellen, bedürfte tatsächlich einer sehr belastbaren Begründung. 790 Dazu ausführlich bereits oben Einl. § 3 B) VI. und auch 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) zur dynamischen Entwicklung konkreter Vertrauensbeziehungen, die letztlich demselben Muster folgt.
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bereitschaft infolge bereits vorvertraglich zu veranlassender oder veranlasster Anlaufinvestitionen oder durch die offen kommunizierte Einstellung der Suche nach Wettbewerbsangeboten trotz termingebundenen Lieferzeitpunkts im Vertrauen auf die Lieferbereitschaft und die in den Verhandlungen zugesagte fristgerechte Lieferfähigkeit geschehen, um nur zwei mögliche Beispiele zu nennen. Jedenfalls aber muss einerseits der vertrauende Verhandlungspartner sein Vertrauen und seine Investitionsabsicht – jedenfalls implizit – zum Ausdruck bringen und muss, damit korrespondierend, der sich später distanzierende Verhandlungspartner das auf diese Kommunikation gründende konkrete Abschlussvertrauen zunächst in Anspruch genommen haben. Aus der Inanspruchnahme solchen Vertrauens folgt dann aber ein Haftungstatbestand für die vertrauensäquivalent dem Verhandlungspartner entstehenden Schäden. Anderenfalls würden dem das Vertrauen des Verhandlungspartners sanktionslos missbrauchenden Akteurs aus der lock in – Situation des Vertrauenden Opportunismusprämien eröffnet, für die auch die Vertragsautonomie keine Rechtfertigung liefert. Dass dieses überwiegend aus dem hier entwickelten System einer von informationssubstituierendem Vertrauen getragenen und ökonomischen Vorherigkeiten folgenden Vertragsanbahnungsbeziehung abgeleitete Ergebnis auch dem Gesetzgeber nicht fremd ist, zeigt ein Blick in das Einheitliche UN-Kaufrecht (CISG). Nach Art. 16 Abs. 2 lit. b) CISG tritt eine vorvertragliche Bindung und eine Beschränkung des in Art. 16 Abs. 1 CISG verankerten Grundsatzes der freien Widerruflichkeit von Angeboten ein, „wenn der Empfänger vernünftigerweise darauf vertrauen konnte, daß das Angebot unwiderruflich ist, und er im Vertrauen auf das Angebot gehandelt hat“. Das hierin zum Ausdruck kommende Prinzip entspricht demjenigen, was hier zugrunde gelegt wird: ,Vernünftigerweise‘ auf die Verbindlichkeit eines Angebots vertrauen kann nur, wer dieses Vertrauen seinerseits zum Ausdruck gebracht hat. Hat er dies getan und überdies sein Verhalten – ebenfalls erkennbar – darauf eingestellt,791 obliegt es dem Verhandlungspartner, solchem Vertrauen entweder entgegenzutreten oder aber es für sich in Anspruch zu nehmen, in letztem Fall aber auch, dafür einstehen zu müssen. Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass der Abbruch von Vertragsverhandlungen auch im modernisierten Schuldrecht Schadensersatzansprüche aus c.i.c. gemäß §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB begründet. Dies aber nicht aus einer wie auch immer gearteten rechtsgeschäftlich-vorvertraglichen Bindung der Vertragspartner an die kommunizierte Abschlussbereitschaft, sondern vielmehr aus dem hieraus abzuleitenden allgemeinen und infolge der Dynamisierung der Verhandlungsbeziehung einem konkreten Verhandlungs- und Abschlussvertrauen, das ebenso wie ein geschlossener Vertrag den vertrauenden Verhandlungspartner in die Vertrags791
Das Vertrauen bewirkt hier das kausale Bindeglied zwischen der Offerte und der Handlung; wo aber bereits die Offerte selbst mangelnde Bindung zum Ausdruck bringt, kann ein solches Vertrauen nicht entstehen, vgl. Schlechtriem/Schroeter, in: Schlechtriem/Schwenzer, UN-Kaufrecht, Art. 16 Rz. 11.
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anbahnung verstricken und dort lock in – Effekte hervorrufen kann, die ihm einem etwaigen opportunistischenVerhalten des anderen Verhandlungspartners aussetzen. Solche Verstrickungs- und Schadensrisiken zu begünstigen, ist nicht Aufgabe der Privatautonomie, weshalb diese auch der Annahme eines Schadenseratzanspruchs wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen nicht entgegenstehen kann. Voraussetzung für einen solchen Anspruch ist jedoch die Kommunikation und zumindest implizite Einbeziehung der schadensbegründenden Umstände in die Verhandlungsbeziehung, um dem anderen Teil die Möglichkeit zu eröffnen, einem ihm solcherart entgegengebrachten Vertrauen entgegenzutreten, und nicht durch hohe aber zunächst verborgen gebliebene Vertrauensinvestitionen lock in – Effekte mit umgekehrten Vorzeichen zu eröffnen. b) Äußere, nicht beschaffenheitsbezogene Umstände Neben diesen Fällen der ,c.i.c. wegen der Verletzung von Offenbarungspflichten über die Abschlussbereitschaft‘, wie die vorgenannte Fallgruppe sachgerechter bezeichnet würde, soll sich eine vorvertragliche Haftung aus §§ 280 ff. BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB als Ausnahme zur Sperrwirkung des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts auch aus fehlerhaften Informationen in Bezug auf äußere Umstände ableiten lassen, die sich nicht auf solche einer Beschaffenheitsvereinbarung zugängliche Umstände beziehen und aus diesem Grunde nicht in Konkurrenz zu (kauf-)vertraglichen Gewährleistungsvorschriften träten.792 Ob sich eine solche Fallgruppe neben dem hier skizzierten Definitions- und Anwendungsbereich der Haftung für die Verletzung von beschaffenheitsbezogenen Offenbarungspflichten tatsächlich als Ausnahme zur Sperrwirkung des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts begründen und damit einer ,kaufvertraglichen c.i.c.‘ zuordnen lässt, oder nicht vielmehr nur eine Pflichtverletzung bei Gelegenheit eines Kaufvertrages eintritt, die vom Vertragstyp und -charakter völlig unabhängig ist und deshalb nicht im Zusammenhang mit der Sperrwirkung des Kaufgewährleistungsrechts zu erörtern ist, ist fraglich. Es geht hierbei um die fortwährende Einordnung der vormals einer Haftung aus c.i.c. ohne Bezug zum Kaufgegenstand zugeordneten Fälle aus der früheren Rechtsprechung, in welchen der Verkäufer wegen nicht auf Eigenschaften der Kaufsache 792 Vgl. z.B. Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 21; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 843 ff.; Canaris, in: Karlsruher Forum, S. 5, 89; i.E. so wohl auch Derleder, NJW 2004, 969, 974, der das Konkurrenzverhältnis der c.i.c. zur kaufrechtlichen Gewährleistung allein für ,mangelbezogenes Verschulden‘ erörtert. Nach Mertens, AcP 203 (2003), 818, 839 f., kann es solche nicht beschaffenheitstauglichen Umstände vor dem Hintergrund des subjektiven Fehlerbegriffs und der damit einhergehenden uneingeschränkten Vertragsautonomie bei der vertraglichen Beschaffenheitsdefinition nicht geben. Diese Sicht greift m.E. jedoch zu kurz, da es auch außerhalb des im Synallagma stehenden Leistungsaustauschs vertragliche Vereinbarungen geben kann, die zwar im vertraglich-kooperativen Äquivalenzverhältnis stehen, aber nicht unmittelbar objektbezogen sind, vgl. dazu oben die Unterscheidung zwischen transaktionsbezogenem, transaktionsgegenstandsbezogenem und personenbezogenem Vertrauen in der Kooperationsbeziehung, zunächst in Einl. § 3 B) VI., sodann in 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5).
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bezogene Umstände bewusst wahrheitswidrige Angaben gemacht hat,793 also etwa über die regelmäßige Belegung der Fremdenpension794 durch Patienten einer Krankenkasse oder die nachhaltige Störung der Nachtruhe durch den Nachbarn des verkauften Hausgrundstücks.795 Außerdem gehört hierzu die weitgefächerte und nach wie vor praxisrelevante Rechtsprechung796 zur Haftung aus c.i.c. beim Unternehmenskauf. Die Einordnung in eine Fallgruppe kaufvertragsähnlicher c.i.c. wegen nicht beschaffenheitsbezogenen Verschuldens scheint hierbei überholt und nicht mehr an den Eingangsvoraussetzungen für die Eröffnung des Gewährleistungsrechts orientiert. Soweit nämlich nicht bereits eine zumindest implizite Beschaffenheitsvereinbarung angenommen werden kann, wie es etwa für die Belegungszahlen und die nachhaltige Gästestruktur einer Fremdenpension oder die Umsatz- und Ertragsangaben in Bezug auf ein verkauftes Unternehmen797 nahe liegt, lassen sich diese Fälle unter dem Primat des subjektiven Fehlerbegriffs eher und richtiger der Fallgruppe der Verletzung von beschaffenheitsbezogenen Offenbarungspflichten798 zuweisen.799 Ein Bedürfnis für eine weitere Untergliederung der Anwendungsgruppen der c.i.c. durch Institutionalisierung einer Fallgruppe für die Verletzung von Informationspflichten, die sich auf nicht einer Beschaffenheitsvereinbarung zu793 Vgl. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 843 ff., die nach wie vor davon ausgehen, dass solche Fälle nicht gewährleistungsrechtlich zu lösen seien, wenn sich die verschwiegenen Umstände nicht auf eine Beschaffenheit der Kaufsache bezögen. Unter Geltung des subjektiven Fehlerbegriffs, nach dem nahezu jeder Umstand aber einer Beschaffenheitsvereinbarung zugänglich ist, scheint diese Abgrenzung jedoch tatsächlich problematisch, jedenfalls solange und soweit keine Auseinandersetzung mit der Frage der Beschaffenheitstauglichkeit erfolgt. Insoweit, wenn auch im Ergebnis nicht mit der hier unter 2. Kap. § 3 D) III.3 b) vertretenen Auffassung vereinbar, so weist Mertens, AcP 203 (2003), 818, 839, doch zu Recht auf die fehlende begriffliche Einschränkung des Beschaffenheitsbegriffs hin: „Geht man hingegen wie dargelegt nach neuem Recht davon aus, dass primär die von den Parteien vereinbarte oder vorausgesetzte Ausgestaltung der Leistungspflicht des Verkäufers über dessen gewährleistungsrechtliche Einstandspflicht entscheidet, ohne dass insofern Korrekturen mittels begrifflicher Einschränkungen des Beschaffenheitsbegriffs angezeigt sind, (…)“. 794 RGZ 148, 286 („Fremdenpension“). 795 BGH, WM 1991, 1341 („Nachbar“). 796 Vgl. nur BGH NJW 1970, 653 (Umsatzangabe bei Einzelhandelsgeschäft); BGH, ZIP 2001, 918 (gesteigerte Aufklärungspflicht beim Kauf von GmbH-Anteilen); außerdem BGH, NJW 1990, 1659; BGH ZIP 1995, 655. 797 Dass auch insoweit an die Stelle der c.i.c. wegen z.B. falschen Umsatz- und Ertragsangaben die Möglichkeit einer Beschaffenheitsvereinbarung getreten ist, was jedoch im Umkehrschluss nicht die gängige Praxis des Unternehmenskaufs ausschließt, die Gewährleistung durch ein eigenständiges und abgestuftes System von ,Garantien‘ und Rechtsfolgen unter Ausschluss der gesetzlichen Kaufgewährleistung zu regeln, habe ich bereits an anderer Stelle vorgestellt, vgl. Triebel/Hölzle, BB 2002, 521, 524 ff.; ausführlich mit einer Abgrenzung der Reichweite des Beschaffenheitsbegriffs beim Unternehmenskauf Barnert, WM 2003, 416. 798 Dazu soeben 2. Kap. § 3 D) III.3 b). 799 Wiedemann, In. FS Nipperdey, S. 815, hat bereits im Jahr 1965 für den Unternehmenskauf herausgestellt, und dies gilt m.E. noch heute, dass es Sache des Verkäufers sei, das richtige Zahlenmaterial anzugeben, und Sache des Käufers, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Aus der ,Sache des Käufers‘, das zutreffende Zahlenmaterial zur Verfügung stellen zu müssen, folgt im Verletzungsfalle aber mutatis mutandis die Anwendbarkeit der Fallgruppe der c.i.c. wegen der Verletzung von beschaffenheitsbezogenen Offenbarungspflichten.
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gängliche, trotzdem aber dem kaufvertraglichen Pflichtenkatalog zuzuordnende Umstände beziehen, besteht daher nicht, da es solche Umstände vor dem Hintergrund des subjektiven und damit parteiautonomen Fehlerbegriffs nicht geben kann.800 Eine solche klare Abgrenzung hilft nicht zuletzt, eine weitergehende Zersplitterung des Rechts, die mit der Schuldrechtsmodernisierung gerade eingegrenzt werden sollte,801 zu verhindern. Fälle, die nur bei Gelegenheit des Kaufvertrages zu einem Beratungs- oder Informationsverschulden führen, sollten auch außerhalb
800 Insoweit stimme ich mit Mertens, AcP 203 (2003), 818, 839, überein. Der Gegenansicht, vgl. Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 21; Canaris, in: Karlsruher Forum, S. 5, 89; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 843 ff., fehlt es m.E. bislang an überzeugenden Argumenten für eine Fallgruppenbildung, da sich die dort einzuordnenden Fälle m.E. allesamt als ebenso gut einer Beschaffenheitsvereinbarung zuordnen lassen. Und soweit es an jedem auch mittelbarem Bezug zum Kaufgegenstand fehlt, stellt sich die Frage, woraus die Verantwortlichkeit des Verkäufers herzuleiten sein soll. Dessen Reputation, die Grundlage für das Entgegenbringen eines informationssubstituierenden Vertrauens ist, bezieht sich allein auf dessen Eigenschaft, Verkäufer, und hinsichtlich solcher Umstände, die auf den Kaufvertrag, seinen Gegenstand und die Person des Verkäufers einwirken, verlässlich zu sein. Auf Umstände aber, die mit dem Leistungsaustausch, nach dem sich das kooperative Äquivalenzverhältnis bemisst, nicht in Zusammenhang stehen, erstreckt sich jedenfalls das abstrakte Käufervertrauen nicht mehr, sodass es der Begründung eines konkreten Transaktionsvertrauens in Bezug auf diese transaktionsübergreifenden Umstände bedürfte. Sobald ein solches Vertrauen aber in den Vertrag einbezogen wird, liegt es nahe, über die hierdurch eintretende Begründung unselbstständiger Informations-, Beratungsund Aufklärungsverpflichtungen nachzudenken. Solche unselbstständigen Beratungspflichten treten mit einer Haftung aus Gewährleistungsrecht jedoch nicht in Konkurrenz. Anwendbar ist diese Überlegung z.B. auf den auch von Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 849, zitierten und dort der Fallgruppe der nicht beschaffenheitsbezogenen c.i.c. zugeordneten „Motoryacht-Fall“ des BGH (NJW 1990, 1659), in welchem der Verkäufer dem Käufer versichert hatte, die niederländische Umsatzsteuer sei für die Yacht entrichtet und könne auf die deutsche Umsatzsteuer angerechnet werden, wobei beide Angaben falsch waren. Da die Zusicherung nicht in Zusammenhang mit dem Kaufgegenstand und nicht in Zusammenhang mit dem transaktionsbezogenen Vertrauen steht, sondern vielmehr der Käufer dem Verkäufer über die Grenzen der Transaktion hinausgehendes Vertrauen entgegenbringt, stellt sich die Frage der Konkurrenz zum Gewährleistungsrecht nicht. Eine hierfür zu begründene Fallgruppe der c.i.c. als Ausnahme zur Sperrwirkung des Gewährleistungsrechts verbietet sich daher. Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung eines (unselbstständigen) Auskunfts- oder Beratungsvertrages oder einer übernommenen sonstigen Informationspflicht schließt dies freilich nicht aus, vgl. dazu ausführlich Schaub, AcP 202 (2002), S. 757 ff., 784 ff. Eine ausführlichere Befassung auch mit dem Problem vertraglich übernommener Nebenpflichten, die ebenso wie die Hauptpflichten Bestandteil des kooperativen Äquivalenzverhältnisses werden können, würde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen, die sich zum Ziel gesetzt hat, Verstrickungslagen ausschließlich am Beispiel des Kaufvertragsrechts und dessen (Haupt-)Leistungspflichten integrativ und homogen aufzulösen. 801 Vgl. bereits die Erläuterungen zu dem „Ziel des Gesetzes“ in der Gesetzesbegründung (BTDrs. 14/6040, S. 79), in der es heißt: „Dies führt wie auch in den anderen Bereichen zu einer übersichtlicheren Schuldrechtsordnung. (…) Sie nutzt die integrative Kraft des Bürgerlichen Gesetzbuchs, um die Einheit des Schuldrechts zu gewährleisten und zu stärken.“. Zur Neuordnung des Kaufvertragsrechts heißt es dort, S. 94, ausdrücklich: „Die vorgesehene Neuregelung des Kaufvertragsrechts zielt vor allem darauf ab, die vom geltenden Recht vorgesehene eigenständige Regelung des Gewährleistungsrechts zu beseitigen und die Ansprüche des Käufers in das allgemeine Leistungsstörungsrecht einzufügen. Dadurch wird es möglich, die Unterscheidung des geltenden Rechts zwischen Sach- und Rechtsmängeln, zwischen Stückkauf und Gattungskauf sowie zwischen Kaufvertrag und Werkvertrag zu beseitigen oder beträchtlich zu verringern.“.
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des Kaufvertrages gelöst werden, ohne dass es auf eine Diskussion um die Konkurrenz zum Gewährleistungsrecht ankäme. Es verbleibt aber dennoch ein Anwendungsbereich auch für eine nicht auf Beschaffenheitsmerkmale bezogene c.i.c. in der Peripherie des Kaufvertragsrechts, die sich nicht durch einen unmittelbaren Rückgriff auf das kooperative Äquivalenzverhältnis lösen lässt. Es geht um die vorvertragliche Haftung für eine aus der Eröffnung eines Verkehrs resultierende Gefährdungslage. Das Gewährleistungsrecht bezieht sich zunächst allein auf die Pflicht des Verkäufers aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB, den Kaufgegenstand frei von Sach- und Rechtsmängeln zu liefern. Erleidet der designierte Käufer nun aber in der Phase der Vertragsanbahnung Schäden, die keinerlei Bezug zu der Kaufsache selbst aufweisen, oder wird der Grund für solche Schäden im Vertragsanbahnungszeitraum z.B. allein durch die Eröffnung eines Verkehrs durch den Verkäufer gelegt, so ist fraglich, wie eintretende Schäden zu kompensieren sind, nämlich über vertragliche oder die vorvertraglichen Haftungsinstitute. Ein Beispiel für solche äußeren Umstände stellt der seit jeher viel bemühte „Linoleumrollen-Fall“ schon des Reichsgerichts802 dar, dem sich der BGH bei Gelegenheit in der Sache gleich gelagerter Fälle, nämlich den Fällen der liegen gebliebenen Bananenschale803 und des Salatblattes804 angeschlossen hat. Die umstürzende und den kaufinteressierten Besucher des Baumarkts verletzende Linoleumrolle hat ebenso wenig Bezug zum eigentlichen Kaufgegenstand, wie die liegen gebliebene Bananenschale oder das nicht weg gefegte Salatblatt, auf denen der Kaufinteressent oder auch der nicht mehr kaufinteressierte Kunde auf dem Weg, den Laden zu verlassen, ausrutscht. Der Bezug zum Kaufvertrag selbst aber ist nicht zu leugnen, da sich der kaufinteressierte Besucher durch den Marktauftritt des Anbietenden, das Erscheinungsbild seiner Verkäufsräume, seine damit verbundene Reputation und gegebenenfalls dessen Werbung veranlassen lässt, den Laden zu betreten. Dieser Anbahnungskontakt ist, davon war bereits die Rede,805 von einem abstrakten Vertrauen getragen. Solches Vertrauen aber bezieht sich nicht nur auf die Wahrung des Äquivalenz-, sondern soweit sich der designierte Käufer in den Gefahren- und Einflussbereich des potentiellen Verkäufers begibt, auch auf die Wahrung seines Integritätsinteresses. § 241 Abs. 2 BGB, für die Vertragsanbahnungsphase in Verweisung genommen über § 311 Abs. 2 BGB, institutionalisiert diesen Schutzanspruch. Das anspruchsauslösende Vertrauen ist dabei aber kaufvertragsbezogen, weshalb es in der Sache um einen kaufvertraglichen Integritätsschutz geht. In dieser Fallgruppe der Haftung für äußere Umstände, man nehme die Fälle der Bananenschalen, Salatblätter und Linoleumrollen als Beispiel, ist nun fraglich, ob es sich ebenfalls um Fälle revolvierender Pflichtverletzungen handelt, die aus der 802 803 804 805
RGZ 78, 239. BGH, NJW 1962, 31. BGHZ 66, 51. Vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) mit Abb. 4.
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Phase vorvertraglicher Gefährdung in einen vertraglichen Haftungstatbestand hineinwachsen. Letzteres, also ein Übergreifen der vorvertraglichen Pflichtverletzung des Verkäufers, bestehend in der nicht ordnungsmäßigen Sicherung des von ihm eröffneten Verkehrs, in die vertragliche Sphäre ist zwar vorstellbar; dies insbesondere, wenn die Linoleumrolle erst nach Vertragsschluss umstürzt oder der Käufer erst hinter der Kasse auf dem Salatblatt ausrutscht. Jedoch bestehen erhebliche systematische Unterschiede zu den bislang erörterten Fällen vorvertraglicher Informationspflichtverletzungen, die der Annahme, die vorvertragliche Gefährdungslage setze sich revolvierend in einer vertraglichen Gefährdungslage fort, entgegenstehen. Denn stürzt der Käufer oder stürzt die Linoleumrolle erst nach Vertragsschluss, tritt auch die vollständige Tatbestandsverwirklichung einschließlich der Entstehung des Schadens erst nach Vertragsschluss ein. Dass die – nicht verwirklichte – Gefährdungslage gegebenenfalls auch schon in der Phase der Vertragsanbahnung bestanden hat, spielt insoweit wegen der fehlenden tatsächlichen Verwirklichung des Haftungstatbestandes keine Rolle.806 Hätte der Käufer den Laden unverrichteter Dinge wieder verlassen, ohne zu stürzen, wäre ein Schaden nicht entstanden und damit ein Schadensersatzanspruch aus c.i.c. auch nicht verwirkt. Der Abschluss des Kaufvertrages begründet insoweit also eine haftungsrechtliche Zäsur. Die Abwicklung der Schäden sollte deshalb in diesem Fall erst bei oder nach Vertragsschluss sich verwirklichender Schäden im Rahmen der vertraglichen Haftung über § 280 BGB unmittelbar erfolgen.807 Sich überlagernde bzw. ablösende und je für sich tatbestandsverwirklichende Kausalverläufe gibt es nicht. Der während der Verstrickung potentiell in Gang gesetzte Kausalverlauf ist ohne Schadensereignis beendet und hat, anders als bei der Täuschung über die Beschaffenheit der Kaufsache, die der Käufer nämlich nicht gekauft haben würde, hätte er die vorvertragliche Fehlinformation und damit die Pflichtverletzung erkannt, im Vertragsverhältnis keinen sich tatbestandlich wiederholenden, also revolvierenden Niederschlag gefunden. Die Fälle, in welchen äußere Umstände die Haftung begründen, sind daher nicht mit den Fällen revolvierender Pflichtverletzungen vergleichbar, obwohl in beiden sowohl das vorvertragliche als auch das vertragliche Haftungsinstitut entsprechende Anspruchsgrundlagen bereit stellt und der identische Tatbestand, abgegrenzt allein nach dem Zeitpunkt seiner Verwirklichung die Haftung auslöst. Diese nur durch den Vertragsschluss begründete Zäsur in der Kausalkette ist argumentativ in der Nähe der Diskussion um die Abgrenzung der Schadenersatzan806 Der Unterschied zur vorvertraglichen Informationspflichtverletzung, die sich in der vertraglichen Abwicklung fortsetzt, besteht darin, dass die Informationspflichtverletzung nicht nur eine Gefährdungslage begründet, sondern den Haftungstatbestand, nämlich die Haftung für fehlerhafte, unvollständige oder unrichtige Information selbst schon vollständig verwirklicht. 807 Der Käufer, der angesichts der zu Tage getretenen Sorglosigkeit des Verkäufers in rechtlich anerkennenswerter Weise auch kein Interesse an der Hauptleistung mehr hat, mag auch wegen dieser eigentlich nicht beeinträchtigten Leistung Schadensersatz nach §§ 280 Abs. 1 und 3, 282 BGB verlangen.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
sprüche aus § 280 Abs. 1 BGB und § 281 Abs. 1 BGB anzusiedeln, wie sie im Einleitenden Kapitel geführt worden war.808 Für die Abgrenzung zwischen § 280 BGB und § 281 BGB war entscheidend, wann die Schadensverwirklichung irreversibel wurde.War der Schaden bereits während des Laufs der Nacherfüllungsfrist irreversibel entstanden, richten sich die Ansprüche des Käufers nach der allgemeinen Norm des § 280 BGB; wäre die Schadensvermeidung während der Nacherfüllungsfrist möglich gewesen, ist § 281 Abs. 1 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1 und 3 BGB richtige Anspruchsgrundlage. Der nämliche Gedanke gilt auch hier: Ist die Schadensvermeidung während der Vertragsanbahnung noch möglich und ist es (deshalb) während der Verstrickungsphase nicht zur Schadensentstehung gekommen, stehen im Anschluss hieran nur noch die besonderen, für das Vertragsverhältnis geltenden Vorschriften zur Verfügung. Dies gilt auch soweit der Schaden nach Vertragsschluss eintritt, weil die durch diesen bewirkte Zäsur als nachvertragliche Schutzpflicht über den auf das abstrakte Vertrauen des Kaufinteressenten gestützten Integritätsschutzanspruch nach § 241 Abs. 2 BGB solange fortwirkt, bis der Käufer die verkäuferseitige Einflusssphäre verlassen hat. An seiner Vertrauenswerbung aber muss sich der Verkäufer – auch nachvertraglich – festhalten lassen. War der Haftungstatbestand des § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB aber durch vollständige Tatbestandsverwirklichung im vorvertraglichen Stadium bereits vollendet oder tritt der Schaden ein, ohne dass es zu einem Vertragsschluss gekommen wäre, etwa weil der nicht mehr Kaufinteressierte den Laden wieder verlässt, richtet sich der Ausgleich nach dem vorvertraglichen Haftungsinstitut der c.i.c. Die Begründung folgt hier demselben Argumentationsmuster, da die aus der Verkehrseröffnung folgende Vertrauenswerbung und der sich daraus ableitende Integritätsschutz unabhängig von einem tatsächlichen Vertragsschluss ist. Es geht dem Verkäufer nämlich gerade auch darum, durch die Eröffnung des Verkehrs, auch nur Kaufinteressierte anzuwerben, die sich in derselben Weise auf den Schutz ihres Integritätsinteresses verlassen können müssen.809 Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass sich die Fallgruppe der Haftung aus c.i.c. wegen äußeren Umständen, die sich nicht auf Beschaffenheiten der Kaufsache beziehen, in der Peripherie und nicht nur bei Gelegenheit des Kaufvertrages auf die Fälle des Integritätsschutzes beim nicht oder noch nicht zustande gekommenen Vertrag beschränken.
808
Vgl. oben Einl. § 3 III.1. Anders könnte dies allenfalls dann zu beurteilen sein, wenn sich ein von vorneherein nicht Kaufinteressierter in den Laden begibt, etwa um sich aufzuwärmen, weil dann gerade nicht die nötige vorvertragliche Vertrauensgrundlage, die aus der Repuation und der Vertrauenswerbung des Anbietenden resultiert in Anspruch genommen wird. Ohne eine berechtigte jedenfalls potentiell vertragsschlussbezogene Vertrauensgrundlage fehlt es aber ein einer Risikoallokation des Integritätsschutzes des Interessenten zum Anbietenden und damit an einer Haftungsgrundlage. 809
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c) Sonderfall: Haftung für Werbung und Anpreisung Unter Geltung des alten Schuldrechts war die Haftung für Werbeangaben des Verkäufers schwer zu fassen und daher – zwar ebenfalls als Fallgruppe der c.i.c. diskutiert – nicht klar abgrenzbar. Das Problem bestand und besteht noch heute darin, dass Werbeangaben als nicht rechtsgeschäftliche Erklärungen im vorvertraglichen Bereich abgegeben werden und deshalb fraglich ist, inwieweit aus solchen Erklärungen eine Haftung für rechtlich relevantes Verhalten ohne rechtsgeschäftliche Qualifikation abzuleiten ist.810 Dennoch war die Rechtsprechung vereinzelt und in ihrer Entwicklung unstet dazu übergegangen, eine Haftung des Verkäufers für falsche oder irreführende (Werbe-)Angaben aus c.i.c. anzunehmen, wenn eine Sorgfaltspflichtverletzung des Werbenden dahingehend feststellbar war, dass dieser den Irrtum des Werbeadressaten erkannt hat oder hätte erkennen müssen.811 In der Regel hat der BGH die Bedeutung falscher oder irreführender Werbeangaben jedoch allenfalls zur inhaltlichen Bestimmung des Fehlerbegriffs und nur dann herangezogen, wenn die Werbeangaben in individuelle Verkaufsgespräche einbezogen worden waren.812 Nur vereinzelt erkannte der BGH in einer individuell gemachten Werbeangabe eine auch Schadensersatz bewehrte Eigenschaftszusicherung.813 Die im Interesse des Verbraucherschutzes zum 01. Januar 1987 eingeführte Bestimmung des § 13a UWG a.F. hat in der Praxis demgegenüber keinerlei Bedeutung erlangen können.814 Der Hauptgrund hierfür liegt wohl darin, dass § 13a UWG a.F. mit seiner Bezugnahme auf § 4 UWG eine unwahre und zur Irreführung geeignete Werbeangabe voraussetzt.815 Eine nur irreführende Angabe, die jedoch wahr ist, konnte demgegenüber das Rücktrittsrecht des § 13a UWG nicht auslösen.816 Dieses Problem hat auch der Gesetzgeber erkannt und nach Einführung des § 24a Nr. 3 AGBG (jetzt: § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB), der für Verbraucherverträge bereits auf die ,den Vertragsschluss begleitenden Umstände‘ abstellt,817 in Übereinstimmung mit der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB 810
Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 116, 347. Vgl. z.B. BGH, NJW 1978, 2145, 2147; aus der jüngeren Literatur vor der Schuldrechtsmodernisierung z.B. Medicus, JuS 1988, 6; zu einer Haftung aus c.i.c. für solche irreführenden Werbeangaben im Zusammenhang mit Kapitalanlagen vgl. vgl. z.B. BGH, DB 1978, 1490; BGHZ 111, 314, 315; BGH, NJW-RR 1992, 879. 812 Vgl. z.B. BGH, WM 1996, 828; BGH, NJW 1997, 2590. 813 BGHZ 48, 118. 814 Lehmann/Dürrschmidt, GRUR 1987, 549; Tonner, NJW 1987, 1917. Die Vorschrift ist wegen ihrer fehlenden praktischen Bedeutung mit der UWG-Novelle vom 09.05.2003 (vgl. BT-Drs. 15/1487, S. 14) wieder gestrichen worden. 815 Zur Einordnung des § 13a UWG in den Katalog spezialgesetzlicher Informationspflichten vgl. Grigoleit, Vorvertragliche Informationspflichten, S. 52 ff., 61 ff. 816 Grigoleit, Vorvertragliche Informationspflichten, S. 241 f., hat deshalb auch zu Recht herausgestellt, dass die vorvertragliche schadensrechtliche – oder nach seinem Alternativmodell: anfechtungsrechtliche – Vertragsaufhebung uneingeschränkt neben die spezialgesetzliche Regelung des § 13a UWG trat. 817 Vgl. m.w.N. Lehmann, DB 2002, 1090. 811
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eine Haftung für Werbeangaben des Verkäufers – und in eingeschränktem Umfang auch für Angaben des Herstellers – für das gesamte Kaufrecht übernommen. Den Umgang mit Werbeangaben in der Rechtspraxis hat der Gesetzgeber damit jedoch nicht erleichtert, insbesondere die bisherigen Grundsätze der hierfür entwickelten Haftung aus c.i.c. nicht vollständig ablösen können. Grundlage der Haftung für Anpreisung und Werbung ist, wie auch sonst bei reputationsgestützten Verkäuferangaben, das dadurch beim potentiellen Käufer ausgelöste Vertrauen, zunächst in Gestalt eines abstrakten Anfangsvertrauens, später gegebenenfalls individualisiert durch ein konkretes Kooperationsvertrauen.818 Diese Vertrauensgrundlage mit informationssubstituierender Bestimmung wirkt auf die Bildung der Zahlungsbereitschaft des Käufers und damit unmittelbar jedenfalls auf die impliziten Vertragsbestandteile ein, so dass auch Werbeangaben das Gewicht erlangen können,819 Bestandteil des kooperativen Äquivalenzverhältnisses zu werden und deshalb zu Recht unter gewährleistungsrechtlichem Schutz gestellt wurden.820 Dabei ist es für die käuferseitige Entwicklung der für die subjektive Zahlungsbereitschaft maßgeblichen Faktoren gleichgültig, ob die Werbeangaben aus der Sphäre des Herstellers oder des Verkäufers stammen. Da es aber um die Bestimmung der impliziten Vertragsbestandteile des kooperativen Äquivalenzverhältnisses geht, und diese Äquivalenz sich nur auf die konkrete Parteivereinbarung beziehen kann, überdies der Verkäufer ebenfalls muss erkennen können, welche impliziten Erwartungen der Käufer mit dem Kaufgegenstand verbindet und welche Haftungsrisiken dessenthalben gegebenenfalls drohen, um seine eigene Zahlungsbereitschaft zu bestimmen, ist es richtig die Haftung für solche Herstellerangaben auszunehmen, die der Verkäufer nicht hatte kennen können. Ebenso erklärt das hier entwickelte Modell impliziter Vertragsbestandteile821 die zutreffenden weiteren Einschränkungen des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, nämlich den Ausschluss der Haftung für Werbung, wenn diese auf dieselbe Weise widerrufen worden war oder keinen Einfluss auf die Kaufentscheidung haben konnte. Im ersten Fall muss der potentielle Käufer sich zurechnen lassen, dass er jedenfalls diejenigen Informations818
Ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) mit Abb. 4. Auch Weiler, WM 2002, 1784, 1799 f., stellt darauf ab, ob der Käufer der Werbung ,Vertrauen entgegenbringen‘ dürfe. Dabei sei danach abzustufen, ob es sich um nüchterne mit Fakten werbende Absatzerklärungen handle, oder ob die Werbung reißerisch und offenkundig anpreisend sei. Zutreffend ist, dass reißerische offensichtlich überzogene Werbung sehr viel weniger geeignet sein dürfte, ein abstraktes Anfangsvertrauen zu begründen, es insoweit tatsächlich noch auf den durchschnittlich verständigen Käufer und im Ansatz auch noch auf ,legitime Käufererwartungen‘ ankommt, vgl. dazu Lehmann, JZ 2000, 280, 283 f.; Reich, NJW 1999, 2397, 2400. 820 So nimmt Weiler, WM 2002, 1784, 1786, zutreffend an, dass die Pflicht zur Verschaffung einer mangelfreien Sache aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB verkäuferseits nicht allein mit der Übereignung einer zur üblichen Verwendung geeigneten Sache erfüllt werden könne, sondern vielmehr der Kaufgegenstand zusätzlich die auch durch die Werbung mitbestimmte übliche Beschaffenehit aufweisen müsse. Habe mithin der Verkäufer oder der Hersteller mit einer Eigenschaft geworben, die der verkauften Sache fehle, so sei diese auch dann mangelhaft, wenn sie sich trotz des Fehlens dieser Eigenschaft zur üblichen Verwendung eigne. 821 Oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) bis I.5 einschließlich. 819
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kanäle bis zum Vertragsschluss beobachtet, die er sich selbst zunutze gemacht hat, im zweiten Fall fehlt es von vorneherein an einer Einflussnahme auf die Zahlungsbereitschaft und damit auf das kooperative Äquivalenzverhältnis, sodass ein Eintritt in das Gewährleistungsrecht mutatis mutandis nicht geboten ist. Damit sind die Fälle vertragsbeeinflussender Werbung aber noch nicht erschöpfend institutionalisiert.822 Die auf c.i.c. zu stützende Haftung wegen fahrlässiger oder vorsätzlicher Fehlinformation in der Vertragsanbahnung neben § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB bleibt insbesondere dann von Bedeutung, wenn der Tatbestand des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht erfüllt ist, weil sich z.B. die Werbeangabe nicht, wie dessen Tatbestand verlangt, auf ,Eigenschaften der Sache‘ bezieht. Der Rückgriff des Gesetzgebers auf den früher in § 459 Abs. 2 BGB a.F. verwendeten und durch die Maßgeblichkeit der vereinbarten Beschaffenheit abgelösten Eigenschaftsbegriffs in § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB führt hierbei zu Auslegungs- und Abgrenzungsproblemen. Gesetzgeberisches Motiv823 für diesen Anachronismus war das Bestreben um die Begrenzung der Haftung auf konkrete Soll-Beschaffenheiten der Kaufsache umschreibende Werbeangaben unter ausdrücklicher Distanzierung von undifferenzierten und augenscheinlich übertriebenen Anpreisungen.824 Dennoch hat der jetzt verwendete Eigenschaftsbegriff mit demjenigen aus § 459 Abs. 2 BGB a.F. nicht viel gemein. An letzteren waren nämlich sehr viel höhere Anforderungen zu stellen, als nunmehr an die Bestimmung einer Eigenschaft der Kaufsache unter Berücksichtigung der infolge von Werbeangaben berechtigten Käufererwartungen.825 Die Haftung für Werbeangaben nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB vollzieht sich richtigerweise nämlich wegen des in der Norm selbst hergestellten Bezugs durch Parallelwertung mit den im Rahmen des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB begründeten Käufererwartungen. Die Werbeangabe muss also derart konkrete Vorstellungen beim Käufer zu wecken geeignet sein, dass diese zunächst die übliche Verwendbarkeit der Sache zu beschreiben in der Lage sind und darüber hinaus nach dem Grad ihrer inhaltlichen Bestimmtheit auch zur vertraglichen Beschaffenheitsvereinbarung hätten erhoben werden können.826 Denn § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, auf den die Haftung für Werbeangaben in § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB Bezug nimmt, tritt systematisch an die Stelle einer unterlassenen Beschaffenheitsvereinbarung, kann sich dann aber zwingend nur auf Beschaffenheitsmerkmale beziehen, die inhaltlich jedenfalls hinreichend bestimmbar sind. Nur in diesem Fall nämlich war die Werbeangabe geeignet, beim Käufer ein kaufgegenstandsbezoge822
Anders aber wohl Rieble, Kodifikation der c.i.c., S. 152, der bereits die Möglichkeit einer vorvertraglichen Informationspflichtverletzung durch Werbeangaben überhaupt in Zweifel zieht, eine solche aber jedenfalls für durch § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB gesperrt hält. Dies allerdings, ohne sich mit der Regelung, ihrem Tatbestand und einem etwaig ergänzenden Anwendungsbereich für die c.i.c. überhaupt auseinanderzusetzen. 823 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 214. 824 Dazu Weiler, WM 2002, 1784. 825 Lehmann, DB 2002, 1090, 1092. 826 Nochmals Lehmann, DB 2002, 1090, 1092.
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nes Vertrauen827 auszulösen, dass mit informationssubstituierender Wirkung Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft und damit auf das kooperative Äquivalenzverhältnis hatte nehmen können, das dem gewährleistungsrechtlichen Schutz unterliegt. Nur wenn von der Werbeangabe eine so definierte Eigenschaft des Kaufgegenstandes be- oder umschrieben wird, ist deshalb die Anwendung des kaufvertraglichen Gewährleistungsrechts eröffnet. Nur in diesem Fall kann sich eine vorvertragliche Aufklärungs- und Offenbarungspflichtverletzung828 in der Verletzung vertraglicher Pflichten, nämlich solcher aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 434 Abs. 1 Satz 3, 2 Nr. 2 BGB fortsetzen. Nur in solchen Fällen liegt eine revolvierende Pflichtverletzung vor, die eine schadenskausale Überholung auslösen und damit tatbestandlich allein das kaufvertragliche Gewährleistungsrecht zur Anwendung bringen kann. In allen übrigen Fällen, also z.B. auch denjenigen der Lockvogelangebote, die in nur geringem Umfang vorgehalten werden, um potentielle Kunden anzulocken,829 verbleibt es bei der Tatbestandsverwirklichung im Rahmen der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB, ohne dass es insoweit zu einer tatbestandlichen Ablösung durch das Gewährleistungsrecht käme.
E) Das Recht zum Rücktritt vom Vertrag und seine Einordnung in das gewährleistungsrechtliche Institutionengerüst: Parallelität statt Alternativität von Reallokation und Kompensation I. Vorbemerkung Lag es für den (arglistig) getäuschten und sich betrogen fühlenden Käufer aus emotionalen Gründen und häufig in einer Spontanreaktion nahe,830 den Vertrag anzufechten, ohne sich über die damit gegebenenfalls verbundenen negativen Folgewirkungen im Vorfeld Klarheit zu verschaffen, so wecken enttäuschte Erwartungen unterhalb der Arglistschwelle regelmäßig das Bestreben, den Vertrag rückabwickeln zu wollen. Mittel der Wahl ist dann der Rücktritt nach §§ 437 Nr. 3, 323 BGB mit den in §§ 346 ff. BGB geregelten Folgen. Dieses Bestreben des desinformierten und deshalb in einen für ihn subjektiv ungünstigen oder jedenfalls ungewollten Vertrag verstrickten Käufers, die Verstri827
Zur Abgrenzung von kaufgegenstandsbezogenem und subjekt-, also personenbezogenem Vertrauen oben, 1. Kap. § 2 C) I.5. 828 Vgl. zum haftungsauslösenden Moment der Offenbarungspflichtverletzung im Zusammenhang mit irreführender Werbung, was auch dem hier vertretenen Ansatz entspricht, nach dem die reputationsbildende Werbeangabe eine Allokation der Informationslasten zum Verkäufer bewirkt, auch Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S. 352 f. 829 Lehmann, DB 2002, 1090, 1091; aus wettbewerbsrechtlicher Sicht Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, Anh. § 3 Rz. 5.1 ff. 830 Dazu bereits oben 2. Kap. § 3 C IV.1.
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ckung abwehren, anstatt sie kompensieren zu wollen, nimmt seinen Ausgang in Präferenzverschiebungen,831 die nach Vertragsschluss und anlässlich der Vertragsabwicklung infolge der erwartungsinkongruenten Erfüllung und des damit einhergehenden Vertrauensverlusts auftreten. Im Zeitpunkt der ausgebliebenen oder nicht erwartungsgerechten Erfüllung mag sich der Rücktritt für den Käufer insoweit als der die Reallokationschancen bestmöglich eröffnende Rechtsbehelf darstellen. Jedoch können Präferenzverschiebungen nicht allein im Stadium der Erfüllung der primären Vertragspflichten eintreten, sondern auch das Rückabwicklungsverhältnis selbst betreffen. Mit anderen Worten: Der zunächst vom Käufer nach erfolglosem Ablauf der obligatorisch zu setzenden Nachfrist beispielsweise gewählte Rücktritt kann sich im Laufe der Abwicklung dieses Sekundäranspruchs aufgrund der sich nunmehr entwickelnden und offenbarenden Informationslage für den Käufer als bislang unerkannt nachteilig erweisen;832 dies z.B. weil sich der Verkäufer als nicht leistungsfähig erweist, den gezahlten Kaufpreis zu erstatten, um nur eine Möglichkeit zu nennen. Auf solche Präferenzverschiebungen noch eine Reaktionsmöglichkeit zu eröffnen, haben Rechtsprechung und Rechtslehre vor der Schuldrechtsreform mit Blick auf § 325 BGB a.F., wonach der Erfüllungsanspruch bereits mit Ablauf der auszusprechenden Nachfrist erlosch und jede Flexibilität der Rechtsfolgen zunichte machte, mit Umdeutungsversuchen der Rücktrittserklärung in bloße Androhungen833 dogmatisch fragwürdig,834 in der Sache jedoch nachvollziehbar zu konstruieren versucht. Demgegenüber wurde in der Literatur schon zu Zeiten des ,alten Schuldrechts‘ dafür plädiert, dem Gläubiger ein generelles ius variandi einzuräumen und ihm einen Wechsel des Rechtsbehelfs solange zu ermöglichen, bis der Schuldner sein Einverständnis mit dem ausgeübten Rechtsbehelf erklärt habe oder überwiegende Schuldnerinteressen im Wechsel des Rechtsbehelfs entgegenstünden. Diese Ansicht würde, so ihre Vertreter, am ehesten einer Interessenabwägung zwischen den Parteien, nach der das Gläubigerinteresse überwiegt, solange sich nicht der Schuldner durch konkrete Vertrauensinvestitionen auf den gewählten Rechtsbehelf eingestellt habe, entsprechen.835 Der Nutzen einer solchen Flexibilisierung des Rechts läge augenscheinlich darin, die problematischen ökonomischen und sozialen Folgen836 der
831 Zum Modell veränderbarer und exogen beeinflusster Präferenzen ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b). 832 Mit Beispielen dazu Derleder, NJW 2003, 998 ff. 833 Vgl., wie bereits oben (Einl. § 3 C II.4), z.B. BGH, NJW 1979, 762; BGH NJW 1982, 1280; BGH, NJW 1988, 2878; vgl. zur Entstehungsgeschichte außerdem Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 5, 12. 834 Derleder, NJW 2003, 998, 999: „Dieses Dilemma löste sich auf unterschiedliche, teilweise rechtsdogmatisch bedenkliche Weise auf, so insbesondere durch Uminterpretation von Rücktrittserklärungen in bloße Androhungen (…)“. 835 So insbesondere Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 5 mit Hinw. auf die Vorauflage [2001] und die dortige Kommentierung zu § 325 BGB a.F., Rz. 105 f., und die dortigen weiteren Nachweise. 836 So Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 412.
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strengen Bindung an die Gestaltungserklärung nach altem Recht abzumildern;837 die Rechtsprechung ist dem allerdings unter Geltung des § 325 BGB a.F. nur sehr eingeschränkt838 gefolgt. Der Gesetzgeber des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes hat sich der in der Literatur vorgebrachten Kritik jedoch angenommen und in der Gesetzesbegründung zu § 325 BGB, der heute die uneingeschränkte Parallelität von Rücktritt und Schadensersatz anordnet, auf die überwiegende Einschätzung in der Rechtslehre, eine Alternativität dieser Rechte sei ,unbefriedigend‘ und ,nicht sachgemäß‘, Bezug genommen.839 Bezeichnend ist jedoch, dass sich bereits in der Auseinandersetzung mit dem alten Schuldrecht und der seinerzeit geführten Diskussion nicht nur der Rückgriff auf ,ökonomisch problematische Wirkungen‘840 der strengen und unflexiblen Bindung an eine einmal ausgesprochene Gestaltungserklärung finden, sondern auch dass die Reichweite des von Teilen der Literatur geforderten ius variandi durch ,konkrete Vertrauensinvestitionen‘841 des Verkäufers begrenzt werden sollte. Die Inbezugnahme dieser Wertungen, die aus der im 1. Kapitel vollzogenen ökonomischen Analayse im Recht bekannt sind und auf der Grundlage des dort entwickelten vertrauensökonomischen Interpretationsmodells in einen größeren Kontext eingeordnet werden konnten, wirft sogleich die Frage auf, inwieweit durch die – mittelbare – Aufnahme dieser Kritik in die Gesetzesbegründung die Auslegung des Gesetzes präjudiziert wird und diese Wertungen auf die zu entwickelnden Anwendungsgrundlagen zu § 325 BGB in seiner heutigen Fassung sowie die Voraussetzungen nach §§ 323, 326 BGB und die Folgen des Rücktritts aus §§ 346 ff. BGB übertragen werden können. Gerade die Rücktrittsfolgen nach §§ 346 ff. sind für die Bedeutung und die Wirkung des ius variandi nicht minder entscheidend. Unterstrichen wird 837 Für das modernisierte Schuldrecht ist ein solcher Ansatz zur Flexibilisierung des Rechts hier bereits für die verwandte Frage eines ius variandi zwischen der Anfechtung als Gestaltungserklärung und der Gewährleistung umfassend erörtert worden, oben 2. Kap. § 3 C) IV. 838 Nämlich nur bei einem Übergang vom Schadensersatz zum Rücktritt, nicht aber bei einem Übergang vom Rücktritt zum Schadensersatz. Andererseits hat der BGHZ 29, 148, 152, die Bindung an eine Wandlungserklärung dann verneint und hielt sie mit der Bindung an eine Rücktrittserklärung für nicht vergleichbar, solange nicht der Übergang zu einem Schadensersatzanspruch treuwidrig sei. 839 BT-Drs. 14/6040, S. 187 f. 840 Wie z.B. bei Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 412; oder ders., NJW 2003, 998: „Er könne auf diesen [Anm.: Rechtsbehelf] festgelegt sein, auch wenn seine Entscheidung voreilig war oder ihre sozialökonomische Grundlage verliert.“. 841 Vgl. soeben Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 5; ebenso Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 414: „Auf Seiten des Verkäufers kann sich andererseits ein Vertrauenstatbestand bilden, wenn er sich im Konsens mit dem Käufer auf eine bestimmte Art der Mängelregulierung eingelassen hat.“. Im Verhältnis zu den bisherigen Ergebnissen dieser Arbeit sticht bei diesem letzten Zitat insbesondere die vertrauensbildende Funktion des ,Konsens‘ der Parteien heraus. Ein solcher Konsens kann sich, freilich auf etwas geschwächter Vertrauensgrundlage, nämlich gerade auch aus impliziten Absprachen, beredtem Schweigen und dem Erklärungswert käuferseitiger Äußerungen auch im Rahmen der Abwicklung ergeben, wie die Ausführungen zur Bindung des Käufers an eine Nach-Nachfrist, oben 2. Kap. § 2 B) III.2 b), zeigen.
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dies noch dadurch, dass sich nicht allein die Rücktrittsfolgen nach den §§ 346 ff. BGB richten, sondern auch im Falle eines Schadensersatzverlangens statt der ganzen Leistung nach § 281 BGB der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs gemäß § 281 Abs. 5 BGB verpflichtet ist, die seinerseits empfangene Leistung nach §§ 346 ff. BGB zurückzugewähren, der Anwendungsbereich des Rücktrittsfolgenrechts daher u.a. hierdurch erheblich ausgeweitet wurde.842 Bevor deshalb die dogmatische Feinstruktur843 des § 325 BGB geklärt werden kann, muss das Rücktrittsfolgenrecht und müssen seine Implikationen für die Abwehr einer Verstrickungslage beleuchtet werden. II. Eingangsvoraussetzungen der Reallokation – Tatbestandliche Schranken des Rücktrittsrechts als kaufrechtlicher Gewährleistungsinstitution II.1 Vorrang der Nacherfüllung(sfrist) Ziel der Abwehr von Verstrickungslagen ist die Eröffnung einer Reallokationsmöglichkeit der eingesetzten Ressourcen für den verstrickten Käufer.844 Da aber jede Reallokation grundsätzlich nur die zweitbeste Investitionschance eröffnet, die ökonomischen Quasi-Renten im Falle eines Rücktritts mit nachfolgender Neuallokation also häufig oder gar regelmäßig verloren gehen,845 und dies für beide Vertragsteile – im Einzelfall mit je unterschiedlicher Gewichtung in Abhängigkeit von der Faktorspezifizität846 des investierten und zu reallozierenden Guts – gleichermaßen gilt, hat der Gesetzgeber in Anerkennung und Vollendung einer nicht zuletzt auch rechtsökonomisch motivierten Rechtsevolution847 der Reallokation die Bindung an den Vertrag und das Nacherfüllungsrecht vorgeschaltet.848 Beide Vertragsteile behalten so in der Vertragserfüllungsphase trotz eines im ersten Anlauf fehlgeschlagenen Erfüllungsversuchs in Anerkennung des zwischen den Parteien bestehenden kooperativen Äquivalenzverhältnisses noch die Möglichkeit, die Quasi-Renten auch tatsächlich zu verdienen.
842 Vgl. z.B. Arnold, Jura 2002, 154, 156; Gaier, WM 2002, 1: „Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung erfährt das Rücktrittsrecht eine deutliche Aufwertung durch die Erweiterung seines Anwendungsbereichs“. 843 Mit dieser Formulierung Derleder, NJW 2003, 998, 1000, der postuliert, dass die Auswirkungen eines nach Rücktritt geltend gemachten Schadensersatzverlangens noch nicht genauer diskutiert worden seien; diskutiert mag diese Frage heute demgegenüber sein. An einem überzeugenden Konzept für eine konsistente Lösung fehlt es allerdings bis heute. 844 In diesem Sinne auch Riha, Ökonomische Anlayse, S. 245 f. 845 Ausführlich erläutert oben, 1. Kap. § 2 C) I.4 c) bb). 846 Vgl. zur Bedeutung der Faktorspezifität eines Guts noch einmal Williamson, Institutionen, S. 60 ff, 61 f., wonach sich transaktionsspezifische Güter „ohne Einbuße an Produktionswert nicht anderweitig verwenden [lassen], falls Verträge vorzeitig abgebrochen oder vorzeitig beendet werden.“; dazu und mit Wiedergabe eben dieser Zitatstelle ebenfalls bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) bb). 847 Hergeleitet oben, 2. Kap. § 2 B) I. 848 Ausführlich zu Grundsatzfragen oben, 2. Kap. § 1, und zur Nacherfüllung und deren Anwendung im Besonderen, oben 2. Kap. § 2 B) II.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Dies spiegelt sich auch im Tatbestand des Rücktritts als gewährleistungsrechtlichem Rechtsbehelf zu Recht wider. Das Rücktrittsrecht ist unverändert ein Gestaltungsrecht, das durch einseitige empfangsbedürftige und nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich unwiderrufliche Willenserklärung ausgeübt wird.849 Nach § 437 Nr. 2 1. Alt. BGB steht dem verstrickten Käufer eine solche Erklärung unter den Voraussetzungen der §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 BGB offen. Bereits im Rahmen der Erörterung des Nacherfüllungsanspruchs aus § 439 BGB, der mit dem ökonomisch richtigen Grundsatz des Vorrangs der Vertragserfüllung vor einem effizienten Vertragsbruch in Einklang steht,850 ist herausgestellt worden, dass vor der Geltendmachung von Sekundärrechtsbehelfen stets der Nacherfüllungsanspruch zu prüfen und deshalb jeder Sekundärrechtsbehelf, so auch der Rücktritt, grundsätzlich von dem Ablauf einer „angemessenen Frist zur Leistung oder Nacherfüllung“ abhängig ist.851 § 323 Abs. 1 BGB verlangt darüber hinaus zudem, dass die Frist dem Schuldner vom Gläubiger „bestimmt“ worden sein muss, also ein rein passives Abwarten nach einer etwaigen Mängelanzeige offenbar nicht ausreichend ist, sondern vielmehr aktiv eine Frist gesetzt werden müsse.852 Vor dem Hintergrund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie,853 die der Modernisierung des Kaufrechts in weiten Teilen zugrunde liegt, ist bereits streitig, ob ein solches Fristsetzungserfordernis als tatbestandliche Voraussetzung richtlinienkonform sein könne,854 da es für den Gläubiger das eine sei, die Mängelrechte anzuzeigen, aber ein anderes, formal eine Frist setzen zu müssen.855 Darin könne nämlich eine formale Erschwernis der Rechteausübung liegen,856 die mit der Richtlinie, die 849
Statt vieler Gaier, WM 2002, 1, 2. Dazu nochmals oben 2. Kap. § 2 A). 851 Richtigerweise ist deshalb von einem ,Vorrang der Nacherfüllungsfrist‘ und nicht von einem ,Vorrang der Nacherfüllung‘ zu sprechen. Denn es kommt nicht darauf an, dass sich der Verkäufer tatsächlich auf eine Nacherfüllung eingelassen hätte, sondern allein darauf, dass der Käufer eine entsprechende Frist gesetzt hat, die fruchtlos verstrichen ist. 852 Vgl. dazu die Rechtfertigung der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 222, wonach das Erfordernis einer aktiven Fristsetzung nicht zuletzt im Interesse des Käufers selbst liege. 853 EU-Richtlinie zur Gewährleisung beim Verbrauchsgüterkauf, RL 1999/44/EG v. 25.05.1999, Abl EG Nr. L 171 v. 07.07.1999, S. 12. 854 Nach Art. 3 Abs. 5, 2. Spiegelstrich der Richtlinie kommt es allein darauf an, ob der Verkäufer „innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat“. Von einer Fristsetzung ist dort hingegen nicht die Rede. 855 Zu einem Vorentwurf des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes bereits Ernst/Gsell, ZIP 2000, 1410, 1418: „Eine Übernahme des Nachfristmechanismus aus § 326 BGB [Anm.: a.F.] oder auch Art. 47, 49 CISG kommt, auch wenn sie zweckmäßig wäre, nicht in Betracht, da die Richtlinie die Frist als eine objektiv-rechtlich zu bestimmende auffasst; es geht vor dem Hintergrund der Richtlinie nicht an, den Käufer mit der Obliegenheit einer konkreten Nachfristsetzung zu belasten. Der Lauf der Frist beginnt, ohne dass dies im Gesetz ausgesprochen werden müsste, mit dem Abhilfeverlangen seitens des Käufers.“. 856 Dieselbe Wertung, die hier zum Ausdruck kommt, liegt auch § 309 Nr. 13 BGB zugrunde, wonach Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, die den Rechteerhalt an eine 850
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ein solches Erfordernis – ebensowenig wie andere europäische Rechtsordnungen – nicht kenne, nicht in Einklang zu bringen sei.857 § 323 Abs. 1 BGB sei deshalb in einer richtlinienkonformen Auslegung, gegebenenfalls unter Rückgriff auf § 323 Abs. 2 BGB zu korrigieren.858 Dass aber eine solche richtlinienkonforme Auslegung dazu führt, dass nur der Verbraucher ohne bestimmende Fristsetzung zurücktreten dürfe, nicht aber jeder andere Käufer,859 folgt aus der Tatsache, dass der Zwang einer richtlinienkonformen Auslegung sich freilich nur für den Verbrauchsgüterkauf ableiten lässt,860 nicht bedenkenlos. Ein Rückgriff auf § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB als ,Auslegungshilfe‘ kann auch für den Kauf zwischen Personen, die nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie unterfallen, in Betracht kommen, wenn hierfür andere belastbare Gründe auszumachen sind.861 Allein, dies ist der Fall. Ausgangspunkt für eine solche Überlegung vorrangiger Gründe gegen eine ,bestimmende Fristsetzung‘ ist § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 282, 241 Abs. 2 BGB. Hiernach ist der Verkäufer zur mangelfreien (Haupt-)Leistung verpflichtet. Gemäß §§ 280 Abs. 1, 3 BGB i.V.m. § 282 BGB stehen dem Gläubiger der Leistung, dem Käufer also, aber auch Schadensersatzansprüche wegen etwaigen Nebenpflichtverletzungen zur Seite. Eine Nebenpflichtverletzung in diesem Sinne liegt insbesondere bei einer Verletzung von Integritätsinteressen des Käufers vor.862 Das Integritätsinteresse des Käufers umfasst jedoch auch sein Interesse daran, den Kaufgegenstand innerhalb der vereinbarten Leistungsfrist, also zum Zeitpunkt der – versuchten und zunächst gescheiterten – fristgerechten Ersterfüllung zu er857 strengere Form als die Schriftform oder besondere Zugangserfordernisse knüpfen, vgl. statt vieler Basedow, in: MünchKomm-BGB, § 309 Nr. 13 Rz. 1. Dass der Aufbau von Barrieren für die Rechtsdurchsetzung unwirksam ist, ist dem Gesetz daher nicht unbekannt. 857 So insbesondere D. Schmidt, in: PWW, BGB, § 437 Rz. 23. 858 Lorenz, NJW 2005, 1889, 1894. 859 Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 439 Rz. 7; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 437 Rz. 18; D. Schmidt, in: PWW, BGB, § 437 Rz. 23. 860 Die Notwendigkeit einer richtlinienkonformen Auslegung jedenfalls im Verbrauchsgüterkauf ist zwar streitig, im Ergebnis ist aber mit der wohl überwiegenden Meinung, a.A. jedoch Henssler/Graf v. Westphalen, in: Graf v. Westphalen, BGB, § 437 Rz. 10, auch vor dem Hintergrund, dass schon im alten Recht die Notwendigkeit von Fristsetzung und Ablehnungsandrohung ständigen Anlass für Auseinandersetzungen bot und die Rechtsprechung nachhaltig beschäftigten, anzunehmen, dass das Fristsetzungserfordernis eine Erschwernis gegenüber dem schlichten Abhilfeverlangen darstellt, das mithin von der Richtlinie nicht gedeckt und deshalb europarechtswidrig ist. Gerade der Rechtslaie wird sich in aller Regel darauf beschränken, Abhilfe zu verlangen, ohne eine konkrete Frist zu setzen. Dies zu eigenen Gunsten umzukehren, würde gegebenenfalls bereits ein treuwidriges Verhalten des Verkäufers darstellen, was abermals für eine entsprechend restriktive Auslegung spricht. 861 So z.B. Lorenz, NJW 2005, 1889, 1894, der von einer ,richtlinienorientierten‘ Auslegung spricht, die auch außerhalb des Regelungsgehalts der Richtlinie zur Vermeidung einer vom Gesetzgeber gerade nicht gewollten Spaltung des Rechts geboten sei, aber ausschließlich im autonomen Recht wurzele. 862 Dies ist wohl h.M. auch für eine Verletzung des Integritätsinteresses im Nacherfüllungszeitraum, vgl. Tiedtke/Schmitt, BB 2005, 615, 618; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 437 Rz. 69; D. Schmidt, in: PWW, BGB, § 437 Rz. 38.
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halten. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Käufer sich in seiner persönlichen Vermögensdisposition und in der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse auf die Lieferung und den vereinbarten oder angekündigten Lieferzeitpunkt eingestellt hat. Eine verzögerte Lieferung wirkt daher auf die Gestaltung der Lebens- und der Vermögensverhältnisse des Käufers ein und verletzt diesen daher in der Integrität seiner persönlichen Dispositionsfreiheit. Dieses verzugsbedingt beeinträchtigte Integritätsinteresse wird von der Rechtsordnung indessen nicht uneingeschränkt geschützt. Einen solchen Automatismus gibt es nämlich allein für Geldforderungen. Diese werden während des Verzuges kraft gesetzlicher Anordnung (hoch) verzinst. Entgangene Nutzungen im Falle einer verzögert erfüllten Sachleistungsschuld unterliegen nicht in derselben Weise einem pauschalierten (Nutzungs-)Ersatzanspruch, wie ihn §§ 286 bis 288 BGB anordnen. Bleibt der vom Käufer intendierte Nutzungszweck darüber hinaus privater oder immaterieller Natur, laufen (Verzugs-) Schadensersatzansprüche regelmäßig vollständig ins Leere. Ungeachtet der Schwierigkeiten einer subjektiven Nutzenwertbemessung, die im Falle der Gewährung eines ,immateriellen Verzugsschadensersatzes‘ provoziert würden, und der dessenthalben nachvollziehbaren Wertentscheidung des Gesetzgebers ist aber jedenfalls ein Integritätsinteresse des Käufers an einer verzugsvermeidenden oder jedenfalls -reduzierenden Erfüllung der Sachleistungsschuld auch außerhalb quantifizierbarer Schadensersatzansprüche anzuerkennen. Anderenfalls nämlich fehlte es an einer hinreichenden Sanktionierung und damit an den erforderlichen incentives, den Verkäufer zu einer fristgerechten Leistung anzuhalten.863 Die Verpflichtung des Verkäufers, dass darauf gerichtete Integritätsinteresse des Käufers zu respektieren und zu schützen folgt unmittelbar aus einer kaufvertraglichen Nebenpflicht der Verpflichtung zur sachmängelfreien Lieferung aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dieser Pflicht kommt der Verkäufer indessen allein durch unverzügliche (§ 121 BGB) Erfüllung des Nachbesserungs- oder Neulieferungsanspruchs nach. Wenn aber der Verkäufer ohnehin zu einer unverzüglichen Leistung auf den Nacherfüllungsanspruch verpflichtet ist, bleibt für eine Obliegenheit des Käufers, zum Erhalt bzw. erst zur Eröffnung seiner Rechte dem Verkäufer eine konkrete Frist bestimmen zu müssen, kein Raum.864 Unter dem Gesichtspunkt kooperationsrechtlicher Risikoallokation wäre der Verkäufer, der seine Pflichten aus dem Kaufvertrag durch nicht kooperations-äqui863 Die fehlende Anerkennung eines auf fristgerechte Erfüllung von Sachleistungsschulden gerade auch außerhalb unternehmerischer Verwendung des Kaufgegenstandes gerichteten Integritätsinteresses provozierte die Notwendigkeit der Vereinbarung von Vertragsstrafen, sobald der Käufer ein beachtliches Interesse an der fristgerechten Lieferung hat. Das aber wiederum zieht Transaktionskosten nach sich, die durch eine nachvollziehbare und transparente gesetzliche Institutionalisierung vermieden werden können. 864 Die Auffassung Riha’s, Ökonomische Analyse, S. 259, überzeugt daher nicht. Riha geht davon aus, das Fristbestimmungserfordernis diene der Klarheit für den Verkäufer und hebe die Schwelle für den Rücktritt bewusst an. Klarheit für den Verkäufer ist aber gar nicht nötig, soweit dieser ohnehin zur unverzüglichen Nacherfüllung verpflichtet und nur er in der Lage ist, diesen so gesteckten Zeitrahmen zuverlässig zu bestimmen.
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valenten Erfüllungsversuch zunächst verletzt hat, mangels Einblick des Käufers in dessen, des Verkäufers, Organisationsstrukturen, Vertriebswege und Betriebsabläufe nämlich ohnehin verpflichtet, dem Käufer unter Berücksichtigung schnellstmöglicher Erfüllung den kürzest möglichen Erfüllungszeitraum zu benennen. Denn auch bei solcherart geschuldeter Aufklärung handelt es sich im Ergebnis um die Offenbarung unproduktiver Informationen, für welche die Aufklärungslast beim Verkäufer liegt und die dieser im Rahmen des Nacherfüllungsschuldverhältnisses ungefragt zu offenbaren hat. Würde die Bestimmung der Frist im Rahmen der Abwicklung des Nacherfüllungsschuldverhältnisses nun aber kraft Gesetzes dem Käufer übergebürdet, liefe dieser Gefahr, durch Setzung einer nicht erfüllbar kurzen Nachfrist zusätzliches Konfliktpotential zu schaffen, das in ineffizientem Verhandlungsaufwand und gegebenenfalls erst gerichtlich zu befriedenden Auseinandersetzungen mündete, oder aber die Nachfrist zu lang zu bemessen, und so – unerkannt – Eigenschädigungen durch eine nicht notwendige zusätzliche Belastung seines (Integritäts-)Interesses an einer möglichst schnellen Nacherfüllung zu bewirken. Die Wahrscheinlichkeit jedenfalls, dass der Käufer ohne näheren Einblick in die betriebsinternen Verhältnisse beim Verkäufer die unter Berücksichtigung des unverzüglich zu erfüllenden Anspruchs einerseits, der Anerkennung üblicher Betriebsabläufe auf Verkäuferseite andererseits zu bestimmende Nacherfüllungsfrist ,trifft‘, ist äußerst gering. Damit aber ist die Allokation der Nachfristsetzung zum Käufer wegen ihrer Determination durch die ohnehin bestehende Pflicht zur unverzüglichen Nacherfüllung ineffizient. Der Verkäufer ist im Zusammenhang mit der Bestimmung der Nacherfüllungsfrist cheapest cost avoider865 und damit auch aus Gründen rechtsökonomischer Verfestigung des käuferseitigen Integritätsinteresses zur ,Fristbestimmung gegen sich selbst‘ verpflichtet. Diese ,Obliegenheit zur Fristbestimmung gegen sich selbst‘, die eine unverzügliche Nacherfüllung am objektivierten Maßstab des im Geschäftsbetrieb des Verkäufers Möglichen866 verlangt, überlagert das Normverständnis des § 323 Abs. 1 BGB und das darin – gesetzgeberisch offensichtlich unbedacht und deshalb im Wortlaut nicht verbindlich – zum Ausdruck kommende Erfordernis einer Fristbestimmung durch den Käufer; die Bemessung der Nacherfüllungsfrist folgt ipso iure aus der schadensrechtlichen Verpflichtung des Verkäufers zur unverzüglichen Erbringung der geschuldeten Leistung, und ist damit einer Dispositionsobliegenheit der Parteien entzogen. Das normspezifisch weit auszulegende Tatbestandsmerkmal des ,Bestimmens‘ einer angemessenen Nachfrist ist daher in Anlehnung an § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB, der mit der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung bei Unzumutbarkeit eine nämliche 865 Zu diesem auf Calabresi zurückgehenden und verbreiteten Modell der ökonomischen Analyse vgl. oben 1. Kap. § 2 B) III.3 c) bb). 866 Nach dem anzulegenden objektivierten Maßstab kann es den Verkäufer dabei nicht entlasten, wenn er seinen Geschäftsbetrieb nicht so organisiert hat, dass eine schnellstmögliche Nacherfüllung möglich ist. Anzulegen ist vielmehr ein am Durschnitt eines ordnungsmäßig organisierten Geschäftsbetriebs derselben Branche und vergleichbarer Größe orientierter Zeitmaßstab.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Wertung zum Ausdruck bringt, bereits erfüllt, wenn der Käufer dem Verkäufer ein bloßes Abhilfeverlangen übermittelt. Hierin liegt nämlich mutatis mutandis zugleich die Bestimmung der Frist zur unverzüglichen Nacherfüllung, die der Käufer gar nicht genauer einzugrenzen in der Lage ist.867 Davon abweichend steht es dem Käufer aber selbstverständlich frei, dem Verkäufer entgegenzukommen und eine längere Frist überobligatorisch zu bestimmen. Eine Obliegenheit oder gar Verpflichtung des Käufers dazu gibt es indes nicht.868 II.2 Ausschlusstatbestände Der Gesetzgeber hat in §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 i.V.m. § 275 Abs. 1 bis 3 BGB (Unmöglichkeit), in §§ 437 Nr. 2, 440 Satz 1, 439 Abs. 3, 323 Abs. 1 BGB (Unverhältnismäßigkeit) sowie in § 437 Nr. 2, 323 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (Leistungsverweigerung) besondere Ausschlussgründe festgeschrieben, bei deren Vorliegen das dem Rücktritt und anderen gewährleistungsrechtlichen Rechtsbehelfen grundsätzlich vorgeschaltete Fristsetzungserfordernis entbehrlich und der sofortige Rücktritt möglich ist. Ob darin aber tatsächlich eine Ausprägung des ökonomischen Modells eines effizienten Vertragsbruchs869 erkannt werden kann,870 darf nach der hier vertretenen Auffassung von einer informationssubstituierenden Vertrauensbeziehung als Grundlage eines kooperativen Äquivalenzmodells bezweifelt werden. Soweit nämlich Vertragsbeziehungen grundsätzlich durch Extrapolation impliziter Risikoallokationen vermittels interpretatorischer Auflösung der in der Verhandlungsbeziehung kooperativ zur Deckung gebrachten wechselseitigen Zahlungsbereitschaft als vollständig anzusehen sind und sich offenbarende Vertragslücken hinsichtlich solcher Umstände, für die ausnahmsweise eine solche implizite Risikoallokation nicht abgeleitet werden kann, in Anwendung der would have wanted theory871 zu schließen sind, bleibt zunächst kein Raum für die Anwendung oder gar Institutionalisierung eines effizienten Vertragsbruchs.872 Als Grundannahme für die Einordnung der eingangs genannten Ausschlusstatbestände in Bezug auf das Erfordernis einer dem Rücktritt vorausgehenden frucht867
Der Umstand, dass der Käufer zur ,richtigen‘ Fristbestimmung überhaupt nicht in der Lage ist, würde eine darauf gerichtete gesetzliche Anforderung unmöglich machen. Ein gesetzlicher Tatbestand kann aber schlechterdings nicht auf eine von vorneherein unmögliche Handlung gerichtet sein. 868 Anders als nach der z.B. von D. Schmidt, in: PWW, BGB, § 437 Rz. 23 a.E.; Faust, in: Bamberger/Roth, BGB, § 437 Rz. 18; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 439 Rz. 7 propagierten Auffassung, dass kein Weg daran vorbeiführe, die Fristbestimmung sei allein für den Verbraucher entbehrlich, für jeden anderen Käufer hingegen nicht, besteht sehr wohl das hier vorgestellte Lösungmodell für eine richtlinienkonforme und dennoch einheitliche Anwendung des Rücktrittsrechts als Gewährleistungsrechtsbehelf. 869 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I. 870 So Riha, Ökonomische Analyse, S. 260 ff., mit einer Diskussion der jeweiligen Ausnahmetatbestände im Einzelnen unter ökonomischem Blickwinkel. 871 Dazu noch einmal ausführlich Ayres/Gertner, Incomplete Contracts, Y.L.J. 99 (1989), S. 87 ff. 872 So das Ergebnis der ausführlichen Ableitung, zusammengefasst oben unter 1. Kap. § 2 C) I.4 d).
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los abgelaufenen Nacherfüllungsfrist kann zunächst unterstellt werden, dass redliche Parteien bei Abschluss des Kaufvertrages regelmäßig von der Leistungsfähigkeit des Verkäufers im Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistungspflicht, also von dessen Fähigkeit zur Verschaffung von Eigentum und Besitz gemäß § 433 Abs. 1 BGB zum Fälligkeits- und Leistungszeitpunkt ausgehen. Dies ist jedenfalls der Fall bei vorrätig gehaltenen Waren oder industriell gefertigten Massenprodukten, bei denen es sich zwar häufig auch um Beschaffungsschulden handelt, hinsichtlich derer sich ein in die Vertragsverhandlungen einbezogenes oder insoweit kalkulatorich berücksichtigtes Beschaffungsrisiko873 jedoch in aller Regel nicht niederschlägt.874 Die Parteien treffen daher, die Leistungsfähigkeit des Verkäufers vorausgesetzt und mangels Vorhersehbarkeit875 sich realisierender Beschaffungsrisiken außerhalb der Beeinflussungssphäre des Verkäufers – unbeschadet etwaig einbezogener Selbstbe-
873 Einzig die Übernahme eines Preisrisikos kann aus der Vereinbarung von Lieferfristen und damit korrespondierenden Preisabsprachen regelmäßig aus dem Vertragsinhalt abgeleitet werden, nämlich beispielsweise die Allokation des Risikos beim Verkäufer, bei der Vereinbarung von Festpreisen, sowie die Allokation zum Käufer bei der Vereinbarung der Lieferung zum Tagespreis, wobei insoweit AGB-rechtliche Schranken zu berücksichtigen sind, vgl. differenzierend z.B. BGH, ZIP 1982, 71; ZIP 1984, 330, zu Tagespreisklauseln beim Neuwagenkauf. 874 Aus diesem Grunde scheitert der Vertragsschluss regelmäßig auch nicht an der Allokation eines theoretischen Beschaffungsrisikos zum Käufer durch AGB-Klauseln, nach welchen sich der Verkäufer die Selbstbelieferung vorbehält. Solche Klauseln sind nach § 308 Nr. 3 und § 307 BGB unter den hier zugrundegelegten Voraussetzungen zulässig. Hiernach nämlich sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Unternehmer berechtigt sein soll, sich im Falle der Nichtverfügbarkeit der Leistung von seiner Verpflichtung wieder zu lösen, gegenüber Verbrauchern zwar nur in engen Grenzen möglich. Eröffnet ist dieser Weg aber gerade dann, wenn entweder von vorneherein eine auf einen bestimmten Vorrat beschränkte Gattungsschuld vereinbart ist („Nur so lange der Vorrat reicht.“), oder aber der auch hier angesprochene Vorbehalt der Selbstbelieferung, wenn er sich, und dies ist die Voraussetzung für die von den Parteien implizit unterstellte Leistungsfähigkeit des Verkäufers, auf vom Unternehmer nicht verschuldete Beschaffungshindernisse beschränkt, so etwa auf den Fall, dass der Unternehmer trotz Abschlusses eines kongruenten Deckungsgeschäfts und eigener Leistungsbereitschaft gegenüber dem eigenen Lieferanten von letzterem im Stich gelassen wird. Unwirksam hingegen ist ein solcher Vorbehalt, wenn das Selbstbelieferungshindernis in die Sphäre des Verwenders fällt, etwa weil dieser mit seinen Zahlungspflichten gegenüber seinem Lieferanten in Verzug gerät. Das selbe gilt für einen Globalvorbehalt des Unternehmers, die Leistung nach seinem Gutdünken zu erbringen oder auch nicht („Lieferung vorbehalten“). In beiden Fällen wird nämlich nicht mehr ein von den Parteien regelmäßig nur für theoretisch denkbar gehaltenes Beschaffungsrisiko alloziert, sondern hält sich der Verkäufer frei, sich gegebenenfalls aus der Kooperationsvereinbarung insgesamt zu lösen, auch soweit sich ein Risiko verwirklicht, das nach den impliziten Parteiabsprachen, nämlich der impliziten Zusage des Verkäufers, den Kaufgegenstand solange beschaffen zu können, wie dieser zu den marktüblichen, vorausgesetzten und gegebenen Umständen am Markt (noch) zu beschaffen ist, dem Verkäufer unmittelbar zugewiesen wurde. Eine solche Freizeichnung kann daher von der entsprechenden AGB-Klausel zu Recht nicht mehr gedeckt werden. Vgl. dazu im Ganzen und statt vieler Kieninger, in: MünchKomm-BGB, § 308 Nr. 3 Rz. 8 mit Hinweis auf BGH NJW 1983, 1320, 1321; 1985, 855, 857; OLG Koblenz NJW-RR 1993, 1078, 1079 sub I 7; LG Halle VuR 1998, 53, 57; OLG Hamm NJW-RR 1987, 311, 316. 875 Der Vorbehalt der Selbstbelieferung in AGB ist deshalb auch unwirksam, wenn er sich auf ein Leistungshindernis bezieht, das im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits bekannt oder absehbar war, vgl. nochmals Kieninger, in: MünchKomm-BGB, § 308 Nr. 3 Rz. 6.
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lieferungsvorbehalte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen876 – keine, auch keine impliziten Absprachen hinsichtlich der Risikoallokation. Tritt nun jedoch wider des ursprünglichen Erwartens ein solches, nicht kalkuliertes Leistungshindernis auf, ist der Gesetzgeber berufen, ein Instrumentarium zu schaffen, den vollständigen Vertrag der Parteien nachzuzeichnen.877 Dies geschieht dadurch, dass im Ergebnis durch richterlichen Akt auf Grundlage gesetzlicher Institutionen zur Lückenfüllung festgestellt wird, was die Parteien unter Heranziehung des übrigen Vertragswerks und der darin allgemein zum Ausdruck kommenden Risikoallokationen vereinbart haben würden, hätten sie den betreffenden Umstand bedacht.878 Es geht deshalb um die Rekonstruktion eines vollständigen Vertrages879 mit gesetzgeberischer Vorgabe (§ 157 BGB). Diesem Leitbild folgen sowohl §§ 437 Nr. 2, 326 Abs. 5 i.V.m. § 275 Abs. 1 bis 3 BGB für Fälle der Unmöglichkeit und des Unvermögens als auch §§ 437 Nr. 2, 440 Satz 1, 439 Abs. 3, 323 Abs. 1 BGB für die Fälle der Unverhältnismäßigkeit. In all diesen Fällen ist nämlich davon auszugehen, dass die Parteien, hätten sie den etwaigen Eintritt einer solchen Veränderung der ursprünglich vorausgesetzten sozialökonomischen Rahmenbedingungen bedacht und im Vorfeld geregelt, die Entlas876 Wie im Zusammenhang mit der Entwicklung des Nacherfüllungsanspruchs (oben 2. Kap. § 2 B) I.) gesehen, stehen Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht selten Pate für eine Rechtsevolution, da sie im Zusammenspiel mit ihrer Einbeziehungs- und Wirksamkeitskontrolle nur dasjenige ohne konkrete Vertragsverhandlung zum Gegenstand des Vertrages werden lassen, was die wechselseitigen Parteiinteressen angemessen zum Ausgleich bringen und helfen kann, unnötigen Verhandlungsaufwand zu vemeiden und so Transaktionskosten zu sparen. Die Einbeziehung des vorstehend diskutierten Selbstbelieferungsvorbehalts in Allgemeine Geschäftsbedingungen stellt deshalb eine zu Recht in den dargestellten Grenzen zulässige Klausel dar, weil hierdurch eine Lösung zum Vertragsgegenstand gemacht wird, die das Gesetz in vergleichbarer Form durch die Befreiung des Schuldners von der Leistungspflicht wegen Unmöglichkeit oder Unvermögens ebenfalls vorsieht und in Anwendung der would have wanted theory zu angemessenen – auch ökonomisch vernünftigen – Ergebnissen führt, wie sogleich zu zeigen sein wird. 877 Vgl. zum gesetzgeberischen Auftrag der Rekonstruktion vollständiger Märkte in der mikroökonomischen Vertragsbeziehung Trimarchi, Vertragshaftung aus ökonomischer Sicht, S. 119; Cooter/ Ulen, Law and Economics, S. 218, und bereits oben 1. Kap. § 2 B) III. und dort insb. auch III.4 c) aa). 878 Weil hier aus der substituierenden Wirkung des Vertrauens in Ermangelung eines auch nicht als implizit regelungsbedürftig erkannten Umstandes eine unmittelbare Ableitung nicht möglich ist, gelten die Grundsätze der Rekonstruktion vollständiger Verträge ohne Berücksichtigung der substituierenden Wirkung des Vertrauens, wie oben unter 1. Kap.§ 2 B) III.3 ausführlich dargestellt. Die Rekonstruktion vollständiger Verträge folgt, wie dort ebenfalls dargestellt, weitgehend den institutionalisierten Grundsätzen der Vertragsauslegung nach § 157 BGB, sodass insoweit von einer ökonomisch richtigen Lückenfüllung auf gesetzlicher Grundlage ausgegangen werden kann. 879 Zunächst – im Zusammenhang mit dem artverwandten § 275 Abs. 2 BGB – ebenso auch Köndgen, in: FS Schäfer, S. 275, 280: „Richtschnur ist dabei – wie grundsätzlich bei sämtlichen Vertragsstörungen – die Frage, wie voll informierte Parteien in einem ,vollständigen Vertrag‘ das eingetretene Risiko geregelt hätten, konkret: was sie bei Voraussicht der Leistungserschwerung vereinbart hätten“. Köndgen stellt dann jedoch darauf ab, dass ein Vertrag zwischen Parteien nur dann zustande kommt, wenn die Summe aus dem beiderseitigen Vertragsnutzen (= Kooperationsgewinn) positiv ist. Die Nutzenbewertung aber diskutiert er nicht weiter, sodass der dort unterbreitete Lösungsvorschlag, so überzeugend er in der Theorie ist, in den Bereich der Injustitiabilität abgleitet. Es ist deshalb nach einer Lösung zu suchen, die dogmatisch gleichsam belastbar, wie praktisch umsetzbar ist.
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sung des Verkäufers aus seiner Verpflichtung zur Leistungserbringung vereinbart haben würden. Für den Fall der Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) liegt dies auf der Hand. Keine vernünftige Partei wird im Rahmen einer kooperativen und beidseits mit dem Ziel, sich handelseinig zu werden, geführten Vertragsverhandlung auf der Erfüllung einer objektiv unmöglichen Leistung bestehen.880 Und für die Fälle des Unvermögens (§ 275 Abs. 2, 3 BGB), der subjektiven Unmöglichkeit also, bei der die Leistungserbringung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand (,grobes Missverhältnis‘)881 möglich ist, gilt dasselbe. Auch insoweit ist grundsätzlich die Bereitschaft auch des Käufers anzunehmen, einem Befreiungsanspruch zuzustimmen, der in Fällen – unverschuldet und nicht von vorneherein der Risikosphäre des Verkäufers zugewiesenen – Leistungserschwernissen,882 die das Maß eines groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung erreichen, den Verkäufer von seiner vertraglichen Leistungs- und Erfüllungspflicht entbindet.883 Denn letztendlich ist auch die Frage der Grenze des Unvermögens eine Frage der Zahlungsbereitschaft des Verkäufers, ließe sich also, wäre der Umstand tatsächlich bedacht worden, aus den impliziten vertraglichen Absprachen unmittelbar ableiten. Da diese aber zum integralen Bestandteil der gesamten vertraglichen Kooperationsabrede geworden ist bzw. diese erst definiert, liegt darin bereits das Einverständnis des Käufers mit einer Befreiung des Verkäufers von dessen Lieferverpflichtung im Falle des Unvermögens begründet.884 Für den Fall der Unverhältnismäßigkeit nach §§ 437 Nr. 2, 440 Satz 1, 439 Abs. 3, 323 Abs. 1 BGB ist ein entsprechendes Ergebnis bereits oben im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem Nacherfüllungsanspruch hergeleitet worden.885 Auch dort wurde nämlich herausgestellt, dass § 439 Abs. 3 BGB eine Bezugnahme allein auf einen vertraglichen und damit parteiautonomen Äquivalenzmaßstab
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Der Grundsatz impossibilium nulla est obligatio ist insoweit nicht allein der § 275 Abs. 1 BGB zugrunde liegende Rechtsgrundsatz, sondern auch ,Gemeingut rational handelnder Marktteilnehmer‘. 881 Zur ökonomischen Systematisierung des § 275 Abs. 2 BGB, die hier, da nicht verstrickungsrelevant, nicht aufgegriffen werden soll, vgl. ausführlich Köndgen, in: FS Schäfer, S. 275. 882 Klassischer Beispielsfall hierfür ist z.B. der auf dem Meeresgrund liegende Goldring, vgl. etwa Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 158. 883 Auch die § 275 Abs. 1 bis 3 BGB stellen daher, ebenso wie der Nacherfüllungsanspruch, das Ergebnis einer rechtlichen Evolution dar, nämlich üblicher und zu beobachtender Handelsgepflogenheiten, wie der üblicherweise vorgesehene „Selbstbelieferungsvorbehalt“ in AGB zeigt. Die § 275 Abs. 1 bis 3 BGB setzten diesen konsequent fort, weil im Falle des Unvermögens die Befreiung nur eintritt, wenn das Unvermögen schuldlos eingetreten ist, also der Verkäufer, wie für die Wirksamkeit des AGB-Selbstbelieferungsvorbehaltes auch gefordert, sich selbst vertragstreu verhalten hat, nämlich ein kongruentes Deckungsgeschäft tätigte und sich auch in diesem Vertragsverhältnis vertragstreu gezeigt hat. 884 Dies schützt natürlich nicht davor, die Grenze des Unvermögens aus § 275 Abs. 2 BGB definieren zu müssen, was mit erheblichen Problemen verbunden ist. Vgl. dazu nochmals Köndgen, in: FS Schäfer, S. 275. 885 Oben 2. Kap. § 2 B) III.1 a).
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
enthält.886 Auch insoweit liegt damit die Grundlage für die Befreiung des Verkäufers von dessen Leistungs- und Erfüllungspflichten in der vertraglichen Absprache selbst verwurzelt. Umgekehrte Vorzeichen allerdings hat die Begründung des Verzichts auf eine Nacherfüllungsfrist im Falle der Veweigerung der Leistung durch den Verkäufer. Der Nacherfüllungsanspruch dient der Durchsetzung des vertraglichen Erfüllungsanspruchs und der Sicherung des Grundsatzes pacta sunt servanda. Er ist damit Schutzinstrumentarium für den Käufer, der die versprochene Leistung erhalten und damit die von ihm kalkulierte Quasi-Rente realisieren können soll, und für den Verkäufer gleichermaßen, der die Chance erhält, den vereinbarten Kaufpreis doch noch zu verdienen.887 Wie soeben herausgestellt, beeinträchtigt der Nacherfüllungsanspruch den Käufer jedoch wegen der Verzögerung der Leistung bereits in seinem, des Käufers, Integritätsinteresse,888 woraus der Verkäufer zur unverzüglichen Nacherfüllung verpflichtet ist. Aus dem in einem kooperativen Äquivalenzverhältnis herzuleitenden Interessenausgleich kann dem Käufer jedoch nicht zugemutet werden, diese verzögerungsbedingte Beeinträchtigung seines Integritätsinteresses auch dann noch hinzunehmen, wenn und soweit der Verkäufer aus der Kooperationsbeziehung ausgebrochen ist, und den ihm zugedachten Schutzzweck des Nacherfüllungsanspruchs gar nicht mehr zu realisieren sucht und bereit ist. Genau dies ist jedoch der Fall, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung insgesamt verweigert, zu einer zweiten Andienung, gleich welcher Gestalt also gar nicht (mehr) bereit ist. Daraus folgt, dass mit der Leistungsverweigerung des Verkäufers ein Anspruch des Käufers auf sofortigen Rücktritt entsteht, da es seinem Ermessen obliegt, die Kosten eines weiteren Zuwartens und gerichtlichen Durchsetzens des Erfüllungsanspruchs gegen die Kosten eines Ausbleibens der kalkulierten Quasi-Rente mit der nachfolgenden Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen abzuwägen.889 Im Ergebnis ist damit festzustellen, dass nach der hier vertretenen Ansicht die Tatbestände, nach welchen eine vorherige Nachfristsetzung entbehrlich wird, nicht mit dem ökonomischen Modell eines effizienten Vertragsbruchs zu erklären sind.890 Es geht nämlich nicht darum, den Grundsatz pacta sunt servanda durch effizienzbedingte Ausnahmeregularien zu unterminieren. Vielmehr liegt die Rechtfertigung für die einzelnen Ausschlusstatbestände in der – allerdings ökonomisch interpretierten – Allgemeinen Rechtsgeschäfts- und Vertragslehre begründet. Die Rechtfer886 Dort ist nach dem hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodell jedoch im Unterschied zu § 275 Abs. 2 BGB nicht auf konkrete Wertgrenzen, sondern auf die vertragliche Risikoallokation unter Rückgriff auf Aufklärungslasten abgestellt worden, wodurch § 439 Abs. 3 BGB und § 275 Abs. 2 BGB einen je eigenständigen Bedeutungs- und Anwendungsbereich erhalten. 887 Zu dieser Ratio des Nacherfüllungsanspruchs bereits ausführlich oben 2. Kap. § 2 A). 888 Soeben 2. Kap. § 3 E II.1). 889 Mit einem kombinierten ökonomischen Erklärungsansatz, der die Effizienz des sofortigen Rücktritts ökonomisch nachweist Riha, Ökonomische Analyse, S. 264 f. 890 Anders jedoch Riha, Ökonomische Analyse, S. 260 ff.
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tigung und die Auslegungsgrundsätze für die Ausnahmevorschriften entwickeln sich daher aus der Vertragsbeziehung in Gestalt einer äquivalenten Kooperationsbeziehung selbst und nicht aus einer von außen aufblickenden Analyse mit Mitteln und Methoden einer anderen Disziplin. Die Ausnahmevorschriften allein mit dem Modell des effizienten Vertragsbruchs zu erklären, bedeutete, an der Polarisierung zwischen Ökonomik und Recht festzuhalten. Die Ausnahmevorschriften aber mit einem ökonomisch interpretierten vertragstheoretischen Auslegungs- und Interpretationsmodell, wie hier vorgestellt, zu erklären, heißt, eine konsistente Lösung aus dem Recht selbst herauszufinden. Stimmt diese Lösung mit den Ergebnissen der Ökonomischen Analyse des Rechts überein,891 ist dies ein weiterer Beleg dafür, dass die Integration beider Disziplinen zu einem einheitlichen informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodell ihre Rechtfertigung aus beiden Disziplinen gleichermaßen ableiten kann und die Ergebnisse beider Disziplinen praxistauglich und dogmatisch konsistent miteinander zu verbinden in der Lage ist. III. Die Rechtsfolgen des Rücktritts – Grenzen kooperativer Äquivalenz in der Rückabwicklung III.1 Einführung Durch die Erklärung des Rücktritts als Gestaltungsrecht wird das Schuldverhältnis in ein Rückgewähr- oder Abwicklungsschuldverhältnis umgewandelt.892 Die Rechtsfolgen des Rücktritts aus § 346 BGB a.F. wurden in der Rechtslehre stets als Fremdkörper verstanden, die aus dem der Zivilrechtskodifikation des BGB insgesamt entgegengebrachten Lob, die Frucht einer imposanten Epoche deutscher Rechtswissenschaft, nämlich der Pandektistik zu sein, ausdrücklich ausgenommen waren.893 Der Ausspruch v. Caemmerer’s,894 die Rücktrittsfolgeregelungen seien „gesetzestechnisch so missglückt und in zentralen Fragen auch rechtspolitisch so fragwürdig und umstritten, dass ein für Theorie und Praxis kaum noch zu durchdringendes Dickicht von Streitfragen und Thesen entstanden ist“, hat traurige Berühmtheit erlangt.895 Obgleich der Gesetzgeber bemüht war, das modernisierte Schuldrecht um diese erkannten Mängel der überkommenen Kodifikation zu bereinigen, schlägt auch der Neufassung der §§ 346 ff. BGB teils massive Kritik entgegen.896 Demgegenüber er891 Was hier im Anschluss an die Ergebnisse Riha’s, Ökonomische Analyse, S. 260 ff., weitgehend der Fall ist. 892 Vgl. statt vieler Gaier, WM 2002, 1, 2. 893 So insbesondere Wagner, in: FS Huber, S. 591. 894 v. Caemmerer, in: FS Larenz I, S. 621, 625. 895 Vgl. die wörtlichen Zitate z.B. bei Wagner, in: FS Huber, S. 591, ebenso wie bei Heinrichs, in: FS E. Schmidt, S. 159. 896 Vgl. z.B. Kohler, JZ 2002, 682, 684: „Mit der quantitativen Karriere des Rücktrittsrechts geht nicht mit Notwendigkeit auch eine qualitative einher. Der Ausweitung des Rücktritts auf zahlreiche Anwendungsfelder entspricht nicht das geringe Maß an Aufmerksamkeit, das dem Rücktrittsrecht bei den Gesetzesberatungen zuteil wurde; der geringe Umfang der substantiellen Befassung mit der Reform des
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
fährt die Neugestaltung des Rücktrittsrechts aber auch Lob und wird die vorgebrachte Kritik schlicht mit einem Hinweis auf ,ohne großen Aufwand bestehende Lösungmöglichkeiten mit dem herkömmlichen Auslegungsinstrumentarium‘ pariert.897 Auch diese Extremposition scheint angesichts der Fülle an Literatur, welche die neuen Probleme um die Rücktrittsfolgen zu lösen versucht, nicht ganz den Kern zu treffen, denn der Aufwand, der schon in den noch nicht einmal 10 Jahren des neuen Schuldrechts betrieben wurde, ist ganz beträchtlich. Tatsächlich wirft das neugestaltete Rücktrittsrecht Probleme auf; allerdings, und darin ist Heinrichs898 wohl Recht zu geben, keine solch schwerwiegenden, die nicht tatsächlich durch den Rückgriff auf übergeordnete Prinzipien einer Lösung zuzuführen wären. Die Ableitung solcher (über)ordnender Prinzipien zur Herleitung einer sich konsistent in das Rechtsfolgen- und Gewährleistungssystem der Verstrickung durch Desinformation eingliedernden Lösung ist dabei der Systematik des Rücktrittsrechts selbst zu entlehnen: Durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz ist eine Gleichordnung im Rücktrittsfolgenrecht hergestellt worden, wonach es fortan symmetrisch sowohl für das vertraglich vereinbarte als auch für das gesetzlich eingeräumte Rücktrittsrecht unterschiedslos gilt.899 In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dass ein Bedürfnis „für den gesetzlichen Rücktritt eine eigenständige Regelung zu entwickeln“ nicht bestehe.900 Demgegenüber scheint zwar bei vordergründiger Betrachtung richtig zu sein, dass sich das vertraglich vorgesehene Rücktrittsrecht und der gesetzlich angeordnete Rücktritt zunächst dadurch unterscheiden, dass der mit einem vertraglichen Rücktrittsrecht belastete Vertrag von den Parteien gewollt einer nur schwebenden Vertragserfüllung gleicht, die den potentiellen Rückgewährschuldner gleichsam zu einem vorübergehenden ,Sachwalter fremden Guts‘ macht, was den früheren Verweis auf die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses bei Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit in § 347 BGB a.F.901 rechtfertigte und folgerichtig erscheinen ließ. Allerdings ist zu vergegenwär897 Rücktrittsrechts im Gesetzgebungsverfahren ist besonders auffällig, weil das Rücktrittsrecht in den neuen §§ 346 ff. BGB ganz radikal verändert wurde, und ist gerade deswegen zu beklagen. Indizien für Qualitätsmängel sind in der Tat nicht zu übersehen (…)“; in demselben Sinne, aber etwas dramatischer in der Wortwahl bereits ders., JZ 2001, 325, 337: „Die systematische Stimmigkeit des dem Bürgerlichen Gesetzbuch insgesamt innewohnenden Konzepts und die Orientierung an gründlich durchdachten sowie konsequent umgesetzten Leitgedanken sind für das geltende Recht so wesentlich, dass das Gebäude des gesamten deutschen Zivilrechts gefährdet wird, wenn so wie vorgeschlagen in tragende Teile des Allgemeinen Schuldrechts – hier insbesondere des Rückabwicklungsrechts – eingegriffen wird.“; ähnlich Schwab, JuS 2002, 630: „Man stellt freilich bereits jetzt fest, dass das neue Recht im Vergleich zum alten wesentlich mehr Probleme schafft, als es beseitigt.“; ebenso ders., JZ 2002, 1127: „Kaum in Gesetzeskraft erstanden, bietet nun das neue Rücktrittsrecht eine Fülle von Zweifeln und Unklarheiten, die es wahrlich zum Dschungel machen.“; kritisch und mit konkreten Änderungsvorschlägen Kaiser, JZ 2001, 1057 ff. 897 Heinrichs, in: FS E. Schmidt, S. 159, 160. 898 Heinrichs, in: FS E. Schmidt, S. 159 ff. 899 Dazu kritisch Kohler, JZ 2001, 325 ff. 900 BT-Drs. 14/6040, S. 194. 901 Insoweit überzeugend Kohler, JZ 2001, 325, 326: „Die Vertragsmäßigkeit eines Rechts zum Rücktritt impliziert Kenntnis der Beteiligten von der Schwebelage und Wissen um die Möglichkeit künftiger
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tigen, dass die Betitelung des in §§ 437 Nr. 3, 323 BGB vorgesehenen Rücktrittsrechts als „gesetzlicher Rücktritt“ im Sinne eines Gegenpols zu einem vertraglichen Rücktrittsrecht zu allzu weitreichenden Differenzierungen verleitet. Verkannt werden darf nämlich nicht, dass auch dieses ,gesetzliche Rücktrittsrecht‘ zu allererst einer vertraglichen Grundlage entspringt, was auch die Gesetzesbegründung anerkennt und deshalb ihrer Erläuterung zu § 346 BGB zunächst eine Rechtfertigung für den weiteren Gebrauch des Terminus ,gesetzliches Rücktrittsrecht‘ in der Vorbemerkung voranstellt.902 Dieser vertragliche Ursprung des gesetzlichen Rücktritts wird insbesondere auch in der sog. ,neueren Lehre‘903 des BGH904 zum Rücktrittsfolgenrecht deutlich, wonach durch die Ausübung des Rücktritts ein Rückgewährschuldverhältnis als schuldrechtliches Abwicklungsverhältnis der bisdortigen vertraglichen Leistungsbeziehung entsteht, das seinerseits wechselseitige Handlungspflichten und -obliegenheiten begründet. Für die Ableitung eines zur Lösung der im Rahmen der Bewältigung des ,modernisierten Rücktrittsrechts‘ umfangreich diskutierten Fragestellungen905 geeigneten Prinzips folgt aus diesem vertraglichen Ursprung auch des gesetzlichen Rücktritts aber, dass zur Abwehr von Verstrickungslagen auch insoweit auf kooperationsrechtliche Grundlagen und implizite vertragliche Risikoallokationen abgestellt werden kann, dass also die Auseinandersetzung nicht ausschließlich auf abstrahiert dogmatischer Ebene und jeweils orientiert am Wortlaut einzelner Normen zu führen ist, sondern dass die Bewältigung des Rücktritts als umgekehrter Kooperationsvereinbarung auch einen Blick auf wechselseitige implizite Zugeständnisse in der ursprünglichen Äquivalenzabrede erfordert. III.2 Der Rücktritt als reziprok-kooperative Abwicklungsvereinbarung Wie der BGH906 in seiner Grundlagenentscheidung zur Rechtsnatur des durch den Rücktritt entstehenden Rückgewährverhältnisses aus dem Jahre 1998 im An902 Rückgewährpflicht. Eventualiter hat daher jeder Beteiligte sich von Anbeginn des Erwerbs darauf einzustellen, über das Erlangte wie ein Sachwalter über ein fremdes Gut abrechnen zu müssen. Diese Haftungslage entspricht durchaus der Rechtshängigkeitshaftung bzw. der Bösgläubigenhaftung gemäß den §§ 990 Abs. 1 Satz 1, 987, 989, 994 Abs. 2 BGB im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis als einer echten Gestorhaftung im Sinne der gebotenen und gewussten Führung eines potentiell auch fremden Geschäfts bei Verwaltung des erworbenen Leistungsgegenstands.“. 902 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 189: „Das Rücktrittsrecht kann sich aus vertraglicher Abrede oder aus einer Pflichtverletzung der Parteien ergeben. Für letzteres hat sich – trotz der vertraglichen Grundlage – die Bezeichnung gesetzliches Rücktrittsrecht in Rechtsprechung und Literatur durchgesetzt.“. 903 Mit dieser Begrifflichkeit zuletzt Gaier, WM 2002, 1, 2 (dort Fn. 17). 904 BGH, NJW 1998, 3268; zuvor in der Tendenz bereits BGHZ 88, 46, 48; BGH, NJW 1990, 2068, 2069; BGH, NJW 1994, 1161, 1162. 905 Vgl. statt vieler mehr Gaier, WM 2002, 1 ff.; Kohler, JZ 2002, 1127 ff.; Perkams, Jura 2003, 150 ff.; Arnold, Jura 2002, 154 ff.; Rheinländer, ZGS 2004, 178 ff.; Hager, in: FS Musielak, S. 195 ff.; Kaiser, JZ 2001, 1057 ff.; Schwab, JuS 2002, 630 ff.; Kohler, JZ 2001, 325 ff.; Kohler, JZ 2002, 682 ff.; Wagner, in: FS Huber, S. 591 ff.; Heinrichs, in: FS E. Schmidt, S. 159 ff. 906 BGH, NJW 1998, 3268.
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schluss an die herrschende Lehre ausdrücklich festgestellt hat, führt die Ausübung des Rücktritts nicht zur Aufhebung des vertraglichen und Ersetzung desselben durch ein gesetzliches Schuldverhältnis mit dem Inhalt der §§ 346 ff. BGB, sondern besteht der Vertrag in umgewandelter Form und mit der Grundregel fort, dass noch ausstehende Leistungen nicht erbracht und die bereits bewirkten Leistungen zurückgewährt werden müssen.907 Der BGH entwickelt sein Verständnis von einem Rückgewährschuldverhältnis nicht zuletzt aus einer Auslegung am Maßstab der richtig verstandenen Parteiinteressen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses.908 Beide Annahmen des BGH, nämlich einmal, dass der Rücktritt ein vertragliches Rückgewährschuldverhältnis durch Umwandlung und Neuausrichtung des bisherigen Vertrages zur Folge hat, und zum anderen, dass es für die Bestimmung des Inhalts dieses Rückgewährschuldverhältnisses durch Auslegung am Maßstab der Parteiinteressen auf die Würdigung der Parteiinteressen nicht auf den Zeitpunkt des Rücktritts, sondern auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt, fügen sich nahtlos in das hier vorgestellte informations- und vertrauensökonomische Interpretationsmodell ein. Ausgangspunkt der ursprünglichen Parteivereinbarung ist eine in der Willensbildung der Parteien im Verlaufe der Vertragsverhandlungen hergestellte Kongruenz der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft, die Grundlage für die – auch implizit – vereinbarte vertragliche Äquivalenz und damit Fundament der je individuellen Nutzenerwartungen ist, welche die Parteien mit der ungestörten Vertragsabwicklung verbinden. Daraus folgt, dass eine jede Partei mit ihrem um der Gegenleistung 907
In der Entscheidung des BGH vom 10.07.1998, NJW 1998, 3268, heißt es insoweit wörtlich: „In seiner – zum gesetzlichen Rücktrittsrecht nach §§ 326, 327 BGB ergangenen – Entscheidung vom 24. Juni 1983 (BGHZ 88, 46) hatte der Senat noch offen gelassen, ob die Rücktrittserklärung, wie es das Reichsgericht vertreten hatte (RGZ 50, 266 f; 75, 201), zur rückwirkenden Aufhebung des Vertragsverhältnisses führt. Die dem zugrunde liegende Sicht, wonach an die Stelle der erloschenen Leistungspflichten ein gesetzliches Schuldverhältnis mit dem Inhalt der §§ 346 ff BGB tritt, das durch die Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung ergänzt wird, ist indessen überholt. Nach der im Schrifttum annähernd einhellig vertretenen Meinung besteht der Vertrag in umgewandelter Form mit der sich aus §§ 346, 347 BGB ergebenden Grundregel fort, dass die noch ausstehenden Leistungen nicht erbracht und die bereits bewirkten Leistungen zurückgewährt werden müssen (MünchKomm-BGB/Janßen, 3. Aufl. Vor § 346 Rdn. 46; Palandt/Heinrichs, BGB, 57. Aufl., Einf vor § 346 Rdn. 2; Soergel/Hadding, BGB, 12. Aufl., Vor § 346 Rdn. 4; Staudinger/Kaiser, BGB, 13. Bearb., Vorbem zu §§ 346 ff, Rdn. 53, jeweils m.w.N.; a.A. Canaris, NJW 1982, 305, 310). Dass der Senat dieser Vorstellung den Vorzug gab, hat er schon in der Entscheidung vom 24. Juni 1983 zum Ausdruck gebracht. Von ihr ist er auch im Folgenden ausgegangen (Urteile v. 8. Dezember 1989, V ZR 174/88, NJW 1990, 2068, 2069; v. 21. Januar 1994, V ZR 238/92, NJW 1994, 1161, 1162). (…) Ein Unterschied zwischen vertraglichem und gesetzlichem Rücktrittsrecht besteht insoweit nicht.“. 908 Gerade auf das zeitliche Moment, das der Auslegung der Parteierklärungen im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses zugrunde zu legen ist, legt der BGH, NJW 1998, 3268, dabei besonderen Wert: „Bei der interessengerechten Auslegung von Willenserklärungen geht es nicht darum, dem Rechtsgeschäft zu dem Inhalt zu verhelfen, der dem Richter im Entscheidungszeitpunkt als interessengemäß erscheint. Maßgeblich ist vielmehr der Einfluss, den das Interesse der Parteien auf den objektiven Erklärungswert ihrer Äußerungen bei deren Abgabe hatte (vgl. BGH, Urt. v. 5. Juli 1990, IX ZR 10/90, WM 1990, 1549, 1551).“.
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Willen abgegebenen Leistungsversprechen auch Sachwalter der subjektiven Nutzenerwartungen der anderen ist.909 Darin liegt eine der wesentlichen Vertrauensgrundlagen von Austauschverträgen.910 Dies ist das Ergebnis der hier vertretenen Auffassung von einer kooperativen Äquivalenz. Scheitert nun die Vertragserfüllung, weil sich ein auch im Rahmen der Nacherfüllung nicht behobener oder nicht zu behebender Kooperationsmangel auftut, so wirkt dieses kooperative Äquivalenzverhältnis nach der in § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Ausdruck kommenden – und nicht unproblematischen911 – Vorstellung des Gesetzgebers in dem sich daran anschließenden Vertragsstadium der Rückabwicklung fort, wonach eine vertraglich vereinbarte Gegenleistung die Berechnung etwaiger Wertersatzansprüche präjudiziert. Bei den darüber hinausgehenden Nutzungsersatzansprüchen ist der Gesetzgeber im Falle des ,gesetzlichen Rücktritts‘ etwas zurückhaltender und stellt mit § 347 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die diligentia quam in suis ab, was sich kooperationsrechtlich ohne Weiteres erklären lässt: Aus gutem Grund hat die Bemessung des subjektiven Nutzens der Parteien Einzug in die vertragliche Dogmatik, also in das hier vorgestellte informations- und vertrauensökonomische Interpretationsmodell nur insoweit gehalten, wie dieser Nutzen durch die in der vertraglichen Äquivalenz zum Audruck kommende Zahlungsbereitschaft abgebildet und insoweit objektiviert werden konnte.912 Wird nun die Leistungsbeziehung im Rahmen eines Rückabwicklungsschuldverhältnisses umgekehrt, so entsteht daraus ein reziprokes Kooperationsverhältnis. Soweit der Rücktrittsberechtigte durch Verwendung des Gegenstandes begonnen hat, seinen subjektiven Nutzen zu realisieren, so war er dazu grundsätzlich berechtigt, weil dieses Nutzungsrecht Ausfluss der von ihm in die Kooperationsbeziehung eingebrachten Zahlungsbereitschaft war. Das Recht zur 909 Hierin kommt ein weiteres Mal der bereits in der Einleitung aufgegriffene Gedanke Köndgen’s zum Audruck, wonach die Vertragsanbahnung sich als ein auf den Konsens als Schlusspunkt gerichtetes immer dichter werdendes Geflecht von Selbst- und Fremdbindungen präsentiert, wobei jede Vertrauenswerbung eines Verhandlungsbeteiligten ihn in die Vertrauenserwartung des anderen Teils einbezieht und bindet, vgl. Einl. § 3 B) VI. 910 Vgl. insoweit noch einmal den Hinweis auf Ripperger, Ökonomik des Vertrauens, S. 64, die herausstellt, dass Wirtschaftssubjekte interdependent handeln, da sie, um ihre Ziele zu erreichen mit anderen Akteuren in Leistungsbeziehungen treten und ihre eigenen Interessen zum gegenseitigen Vorteil modifizieren müssen. 911 Diese Inbezugnahme des vertraglichen Äquivalenzmaßstabs zur Bestimmung etwaiger Wertersatzansprüche ist, worauf sogleich (unten III.3 a) bb)) zurückzukommen sein wird, deshalb problematisch, weil sich das vertragliche Äquivalenzprinzip auf eine den subjektiven Nutzen realisierende vertragsgerechte Sache bezieht und die nicht vertragskonforme Leistung des Rücktrittsgegners grundsätzlich die Nutzenerwartungen des Rücktrittsberechtigten nicht erfüllen konnte. Da aber ausschließlich diese Nutzenerwartungen die Zahlungsbereitschaft des Rücktrittsberechtigten bestimmt und damit die vertragliche Äquivalenz determiniert hat, kehrt sich die Verbindlichkeit der Äquivalenzabsprache in der Rückabwicklung um. Die gelieferte Sache hatte gerade nicht den Wert, den die Parteien ihr in ihrer Kooperationsabsprache zugrunde gelegt haben, weshalb sie auch nicht ohne Weiteres zur wertmäßigen Bestimmung etwaiger Wertersatzansprüche herangezogen werden kann; ähnlich Hager, in: Ernst/Zimmermann, S. 429, 450 f.; Gaier, WM 2002, S. 1, 5; Arnold, Jura 2002, 154, 157. 912 Dazu ausführlich 1. Kap. § 2 C) I.4.
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Nutzung des Gegenstandes und zur Realisierung persönlicher Nutzenerwartungen war durch das Maß der Zahlungsbereitschaft und die daraus folgende Äquivalenzbeziehung objektiviert. Dieser Objektivierungmaßstab muss dann aber grundsätzlich auch in der Rückabwicklung gelten, weshalb die Rückabwicklung etwaig gezogener oder nicht gezogener Nutzungen sowie eines etwaigen Wertverzehrs sich ebenfalls an diesem Maßstab der Zahlungsbereitschaft des Rücktrittsberechtigten zu orientieren hat.913 Da auch dies Folge der ursprünglichen Äquivalenzbeziehung der Parteien ist, hat auch dieser Umstand in das Rückabwicklungsschuldverhältnis hineinzuwirken und ist Bestandteil der vertraglichen Vertrauens- und Sachwalterbeziehung fremder Nutzenerwartungen. Dem Rückabwicklungsschuldverhältnis liegt damit eine reziprok-koopearative Äquivalenzbeziehung zu Grunde, an deren Maßstab die Auslegung und Interpretation der Rechtsfolgenbestimmungen sich als überordnendem Prinzip zu orientieren hat.914 III.3 Pflichten, Obliegenheiten und Haftung des Rücktrittsberechtigten a) Das ungestörte Abwicklungsverhältnis aa) Statusverschlechterung durch Ingebrauchnahme Durch das mit dem Zugang der Rücktrittserklärung915 entstehende Rückabwicklungsschuldverhältnis werden die Parteien gemäß § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet, die wechselseitig empfangenen Leistungen nebst Nutzungen einander zurück zu gewähren. Der z.B. nach §§ 437 Nr. 2, 346 ff. BGB zum Rücktritt berechtigte Käufer hat dem Verkäufer daher zunächst den nicht vertragsgerechten Kaufgegenstand zurück zu gewähren, während der Verkäufer den gezahlten Kaufpreis zu erstatten hat. Sind beide Parteien hinsichtlich diesen ihnen im reziprok-kooperativen Abwicklungsverhältnis zugewiesenen Leistungspflichten auch leistungsfähig, weil der Kaufgegenstand noch unverändert vorhanden und der Verkäufer zur Rückzahlung des Kaufpreises bereit und in der Lage ist, scheinen sich Äquivalenzprobleme zunächst nicht zu ergeben. 913 Da die subjektive Nutzenerwartung ähnlich schwer zu bemessen ist, wie die eigenübliche Sorgfalt, beides aber in Bezug auf den Umgang mit dem Vertragsgegenstand eng beieinander liegt, ist der Rückgriff des Gesetzgebers auf den Haftungsmaßstab der diligentia quam in suis im Ergebnis nicht nur rechtsdogmatisch gut begründet, sondern fügt sich, wie sogleich unter III.3 b) näher zu zeigen sein wird, auch nahtlos in ein vertrauensinterpretatorisches Modell rechtsökonomischen Verständnisses ein. 914 Zur grundsätzlichen Ersatzpflicht gezogener Nutzungen auch bei einem Rücktritt vom Verbrauchsgüterkauf vgl. BGH, NJW 2010, 148; dazu Höpfner, NJW 2010, 127. 915 Ob eine Rücktrittserklärung, was richtigerweise wohl zu bejahen ist, auch in einem bloßen Rückzahlungsverlangen liegen kann, soll hier, weil für das Abwicklungsverhältnis als solchem nicht weiter entscheidend, nicht vertieft werden; vgl. dazu Derleder, NJW 2004, 969, 974; Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 437 Rz. 10.
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Anders jedoch, wenn der Käufer, wovon bei regelmäßigem Lauf der Dinge auszugehen ist, den Kaufgegenstand in Gebrauch genommen hat, um den von ihm mit dem Vertrag avisierten Nutzen zu realisieren. Durch eine solche Ingebrauchnahme mindert sich der Wert des Kaufgegenstandes, wie das häufig bemühte Beispiel des zugelassenen und gefahrenen Neuwagens zeigt,916 häufig ganz erheblich. Es stellt sich daher die Frage, wie dieser Wertverzehr auch der nicht vertragsgerechten Sache in der reziproken Kooperationsbeziehung zu allozieren ist. Der Gesetzgeber ordnet in § 346 Abs. 2 Nr. 3, 2. Hs. BGB an, dass eine durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eintretende Verschlechterung bei der grundsätzlichen Wertersatzpflicht außer Betracht zu bleiben habe. Auf den ersten Blick mag dies verwundern, da die ursprüngliche Äquivalenzbeziehung der Parteien diesen durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme des Kaufgegenstandes eintretenden Wertverzehr dem Käufer zugewiesen hat. Dieser hat mit seiner Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck gebracht, den Gegenstand zu erwerben, ihn nutzen, aber auch seinen Wertverzehr tragen zu wollen, anderenfalls hätte er keinen neuen, sondern einen gebrauchten Gegenstand gekauft. Die Zahlungsbereitschaft ist damit aber ganz wesentlich auch von einem solchen Wertverzehr, oder anders herum ausgedrückt, von dem subjektiven Nutzen aus dem ,Haben und Halten einer neuen Sache‘, dem möglichen Werterhalt und einem etwaigen Wiederverkaufswert beeinflusst. Hier kommt dann jedoch die Reziprozität des Rückabwicklungsschuldverhältnisses zum Tragen. Wenn der Käufer auch bereit war, diesen Wertverzehr zu tragen und daran seine Zahlungsbereitschaft ausgerichtet hat, so kehrt sich mit der Umkehr der Leistungsbeziehungen auch die Allokation der Wertverluste und des ,Verbrauchs der Sache‘ um. Der Käufer war um der äquivalenzgerechten Gegenleistung Willen bereit, einen bestimmungsgemäß eintretenden und deshalb zu erwartenden Wertverzehr im Rahmen der von ihm konsentierten Äquivalenzabrede und des von ihm zu zahlenden Kaufpreises zu tragen. Eine äquivalenzgerechte Erfüllung hat es aber nicht gegeben, weshalb er den Rücktritt von dem Vertrag erklärt hat. Damit erklärt er aber zugleich den Rücktritt von der Bereitschaft, die nach der Äquivalenzabrede zunächst bei ihm allozierten Wertverluste und Lasten zu tragen, weshalb sich die Allokation eines von vorneherein vorhersehbaren Wertverzehrs, da dieser von Beginn an Bestandteil der Äquivalenzvereinbarung war, mit Eintritt in das Rückgewährschuldverhältnis ebenfalls umkehren muss.917 Der wechselseitige An916
Dazu z.B. Perkams, Jura 2003, 150, der dieses Beispiel als den einzig genannten praktischen Anwendungsfall einer bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme bezeichnet. Tatsächlich nennt die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 196, nur dieses eine Beispiel. Daraus kann allerdings nicht darauf geschlossen werden, dass es weitere Anwendungsfälle nicht gibt. Vielmehr ist jede Wertminderung eines Gegenstandes erfasst, für den es einen Gebrauchtmarkt gibt, da jede bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme aus einer neuen eine gebrauchte Sache macht. 917 In der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 193 f., heißt es dazu: „Im Beispielsfall des Kaufvertrags erhält der Verkäufer seine Nachteile durch eine infolge der Benutzung des PKW eingetretenen Wertminderung allerdings nicht stets in vollem Umfang, sondern nur in dem Umfang ersetzt, in dem
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spruch einer Herausgabe der jeweils empfangenen Leistungen nach § 346 Abs. 1 BGB erstreckt sich daher auch auf das Recht, die in der Äquivalenzabrede wurzelnde Erklärung zur Allokation des Wertverzehrs der Sache gleichsam zu kondizieren.918 Auch insoweit ist also der Rücktrittsschuldner Sachwalter fremden Nutzens, nämlich auch des Rechts, die Sache zwar im Rahmen der Äquivalenzbeziehung nach Belieben nutzen zu können, im Falle einer Äquivalenzstörung aber auch diese Allokation als Ausfluss einer ungestörten Nutzenrealisation umkehren zu können.919 Mit dieser ,Kondiktion der Allokationswirkungen‘ aber ist geklärt, dass der allein durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme eintretende Wertverzehr einer Ausgleichspflicht nicht unterliegt. Bleibt man allerdings beim Beispiel des Autokaufs, zeigt sich schnell, dass das damit nicht sein Bewenden haben kann. Denn auch der bestimmungsgemäße Gebrauch des Fahrzeugs führt zu einer Verschlechterung, nämlich zu einem zunehmenden Wertverzehr durch die fortwährende Erhöhung der Laufleistung.920 Auch für eine solche Verschlechterung könnte daher Wertersatz nach § 346 Abs. 2 Nr. 3, 1. Hs. BGB geschuldet sein.921 Doch allein hier gilt dasselbe. Auch diese Wertverschlechterung der Kaufsache durch – freilich: ordnungsmäßigen – Gebrauch, der grundsätzlich nicht zu einer objektiven Reduzierung der Gebrauchstauglichkeit führt, weil ein Auto mit 5000 km Laufleistung ebenso gebrauchstauglich ist, wie ein Auto mit 15 000 km Laufleistung, ist Teil des mit der ursprünglichen Kooperations- und Äquivalenzabder918 Käufer Gebrauchsvorteile erlangt hat. Damit bleibt zum Beispiel die Wertminderung unberücksichtigt, die unabhängig von einer Nutzung des Wagens allein dadurch eintritt, dass der PKW zum Straßenverkehr zugelassen wird und deshalb nicht mehr als ,neu‘ angesehen werden kann. Dasselbe gilt für einen eventl. Wertverlust infolge eines Preisverfalls auf dem Markt. Diese Formen des Wertverlustes dem Verkäufer aufzuerlegen ist sachgerecht, da er entweder durch die Lieferung einer mangelhaften Sache die Ursache für den Rücktritt des Käufers gesetzt hat oder sich bei einem vertraglichen Rücktrittsrecht auf das Risiko einer Rückabwicklung des Vertrags eingelassen hat.“. 918 Die Abwicklung erfolgt dabei freilich über § 346 Abs. 1 BGB selbst und nicht über das Bereicherungsrecht, weshalb es sich nicht um eine Kondiktion im engeren Sinne des § 812 Abs. 1 BGB handelt. Da aber die Wertungen der Rechtsinstitute des Rücktritts und des Bereicherungsrechts eng beieinander liegen, vgl. dazu ausführlich Bockholdt, AcP 206 (2006), 769 ff., erscheint es gerechtfertigt, auch im Rahmen des § 346 Abs. 1 BGB von der ,Kondiktion der Allokationswirkungen‘ zu sprechen. 919 Wäre dem nicht so, könnten Käufer während der Gewährleistungszeit bemüht sein, nutzungsbedingte Werteinbußen so gering wie möglich zu halten, da sie sich nicht sicher sein können, diese im Falle eines Gewährleistungsmangels trotz Rückabwicklung selbst tragen zu müssen. Eine solche Einschränkung aber ist mit der kooperativen Äquivalenzbeziehung, in welcher der Kaufpreis für eine unbeeinträchtigte Nutzung der Sache gezahlt wird, nicht in Einklang zu bringen. 920 Diese im Gesetz angelegte Differenzierung verkennt Kaiser, JZ 2001, 1057, 1061, wenn sie zur Legitimation der später in das Gesetz übernommenen Entwurfsregelung auf die frühere Rechtsprechung des BGH, NJW 1984, 1525, abstellt, wonach ,allein der Weitergebrauch der Sache das Wandlungsrecht nicht‘ ausgeschlossen hat. 921 So sieht sich z.B. Gaier, WM 2002, 1, 8, wegen des ausdrücklichen Wortlauts des § 346 Abs. 2 Nr. 3, 2. Hs. BGB, der nur die Ingebrauchnahme, nicht aber den bestimmungsgemäßen Gebrauch erfasst, eine vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift losgelöste Antwort auf die Frage des Wertverzehrs durch Gebrauch anzubieten; ebenso z.B. Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 346 Rz. 9.
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rede beim Käufer allozierten Wertverzehrs. Wird die Äquivalenzabrede gestört und deshalb rückabgewickelt, gilt auch hier, dass sich diese Allokation umkehrt und im Rahmen des § 346 Abs. 1 BGB kondiziert werden kann.922 Der Wertverzehr durch bestimmungsgemäßen Gebrauch belastet daher im Grundsatz den Verkäufer als Rückgewährgläubiger, weil er typische Folge des mit der Kooperationsvereinbarung implizit abgedeckten Austauschverhältnisses und damit Bestandteil der zurückzugewährenden Leistungen ist. Rechtsdogmatisch lässt sich dieses aus der Kooperationsabrede hergeleitete Ergebnis begründen, indem in einem solchen Wertverzehr allein aus der bestimmungsgemäßen (Weiter-)Nutzung des Kaufgegenstandes keine Verschlechterung der Kaufsache im Rechtssinne erkannt, das Tatbestandsmerkmal der Verschlechterung also restriktiv ausgelegt wird.923 Eine zusätzliche Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit des Gegenstandes selbst wird, wenn die Ingebrauchnahme einmal erfolgt ist und es sich deshalb bereits um einen Gebrauchtwagen handelt, zunächst nicht mehr eintreten. In Bezug auf den üblichen Verschleiß der Sache, erfolgt dieser aus dem jeweiligen Gebrauchszustand und Alter der Kaufsache. Solange und soweit der Verschleiß nicht das übliche Maß übersteigt, handelt es sich bei der gebrauchten Kaufsache nicht um eine schlechtere gebrauchte Sache als es andere Gebrauchtsachen mittlerer Art und Güte sind. Da aber einerseits mit § 346 Abs. 2 Nr. 3, 2. Hs. BGB die Metamorphose des Kaufgegenstandes von einer neuen zu einer gebrauchten Sache an sich der Ersatzpflicht entzogen ist, andererseits der Käufer aus § 346 Abs. 1 BGB Nutzungsersatz – in noch zu bestimmender Höhe – schuldet, ist die zunehmende Gebrauchstiefe in der zeitlichen Entwicklung des Schuldverhältnisses und damit auch in der zeitlichen Entwicklung des zunächst als Eventualschuldverhältnis zu qualifizierenden Rückabwicklungsschuldverhältnis angelegt und einem Ersatzanspruch insoweit nicht zugänglich.924 Dann aber stellt die Tatsache allein, dass ein z.B. gebrauchtes Kfz üblichen, aber dem (Rückabwicklungs-)Schuldverhältnis immanenten Verschleiß erfährt, keine Verschlechterung der Sache im Sinne des § 346 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar.925 922 Diese Kondiktionslösung stellt dabei keinen Fremdkörper im Rücktrittsrecht dar, da dieses bei Restitutionshindernissen ohnehin eine nach Bestehen und Umfang an bereicherungsrechtlichen Haftungsprinzipien orientierte Wertersatzhaftung vorsieht, vgl. z.B. Kohler, JZ 2002, 682, 686; grundlegend auch Bockholdt, AcP 206 (2006), 769 ff. Danach scheint es aber gerechtfertigt, auch die Allokation des Wertverzehrs in der Sache einer rücktrittsrechtlichen Kondiktion zu unterziehen. 923 So ausdrücklich bereits die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 14/6040, 193: „Eine Verschlechterung im Sinne des § 346 Abs. 2 Nr. 3 stellt diese Abnutzung nicht dar.“, ähnlich auch auf S. 196; Gaier, in: MünchKomm-BGB, § 346 Rz. 43; Bockholdt, AcP 206 (2006), S. 769, 779. 924 Gaier, WM 2002, 1, 8, spricht insoweit von einem ,Vorrang der Herausgabe der gezogenen Nutzungen nach § 346 Abs. 1 BGB‘ und sieht Raum für Wertersatzansprüche nur dann, wenn die Kaufsache einen übermäßigen Verschleiß im Verhältnis zum Alter, also eine negative Abweichung der Istvon der üblichen Sollbeschaffenheit vergleichbarer Sachen mittlerer Art und Güt erlitten hat. 925 Mit ähnlichem Ergebnis Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, S. 245, Perkams, Jura 2003, 150; Arnold, Jura 2002, 154, 157, wobei insbesondere die letzteren beiden zur Begründung nicht auf eine Restriktion des Tatbestandes zurückgreifen, sondern wertungsorientiert argumentieren, dass
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Klargestellt sei dabei, dass es für den Ausschluss der Wertersatzpflicht für den üblichen Verschleiß nicht darauf ankommt, ob der Käufer bereits Kenntnis vom Rücktrittsgrund hat oder nicht. Der Ausschluss der Wertersatzpflicht ist von subjektiven Erwägungen abgekoppelt. Im Übrigen hat er den Kaufpreis dem Verkäufer als Gegenleistung für den Kaufgegenstand und damit als Gegenleistung für den Umgang mit der Sache nach seinem Belieben gewährt. Solange aber diese – wenn auch gestörte – Kooperationsabsprache noch in Vollzug ist, der Käufer also auch seinen Kaufpreis noch nicht zurückerhalten hat, folgt daraus zwingend ein fortwährendes Nutzungsrecht. Rechtsdogmatisch folgt dieses Nutzungsrecht darüber hinaus nicht zuletzt aus § 347 Abs. 1 BGB, wonach der Rückgewährschuldner Ersatz für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen schuldet; die Pflicht zur Nutzung der Sache muss jedoch denknotwendig mit einem entsprechenden Recht hierzu korrespondieren.926 bb) Nutzungsersatz vs. Nutzenersatz Nach § 346 Abs. 1 BGB haben die Parteien im Rahmen des Rückgewährschuldverhältnisses nicht nur die ausgetauschten vertraglichen Hauptleistungen herauszugeben, sondern auch die wechselseitige gezogenen Nutzungen nach § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. § 100 BGB zurückzugewähren. Für schuldhaft nicht gezogene Nutzungen haften sie nach § 347 BGB i.V.m. § 100 BGB. Vor dem Hintergrund der hier entwickelten Kooperationsüberlegungen, die auf dem Prinzip der vertraglichen Äquivalenz fußen, verwundert dieses Ergebnis zunächst. Der Käufer hat den Kaufpreis aufgebracht und gezahlt, um mit der Sache nach Belieben verfahren und gerade durch Nutzung der Sache seinen vorgestellten und mit dem Vertrag beabsichtigten Nutzen realisieren zu können.927 Er hat diese der926 Rückgewährschuldner nicht doppelt durch den geschuldeten Ausgleich des Wertverzehrs einerseits und die zu vergütenden Nutzungen andererseits belastet werden könne. Arnold, a.a.O., weist überdies darauf hin, dass ein ähnliches Verständnis bereits zu § 361a Abs. 3 S. 6, 2. Hs. BGB a.F. vorgeherrscht habe. 926 Ebenso und zutreffend Kaiser, JZ 2001, 1057, 1061. 927 In dieser Unterscheidung kommt noch einmal deutlich der Unterschied zwischen dem ökonomischen Nutzen und dem juristisch verwendeten Terminus der Nutzung und der Vorteile daraus zum Ausdruck. Ökonomisch sind tatsächlich realisierte Werte und einem Nutzenniveau zugeschriebene Zahlenwerte ohne jede Bedeutung. Eine Nutzenfunktion ist ökonomisch betrachtet schlicht eine Möglichkeit, eine Präferenzordnung darzustellen oder zusammenzufassen, also einem bestimmten Güterbündel einen größeren Nutzen zuzuweisen, als einem anderen. Um wieviel größer der Nutzen ist, ist dabei allein von Bedeutung für die Reihung verschiedener Güterbündel im Sinne einer Präferenzordnung, vgl. Varian, Mikroökonomik, S. 52 ff. Zwar verlangt auch der juristische Begriff der Nutzungen in § 100 BGB nicht zwingend, dass dem Vorteil aus einer gezogenen Nutzung ein Vermögenswert zukommt, vgl. Bork, BGB-AT, Rz. 268. Jedoch stellt § 100 BGB auf tatsächlich realisierte (Gebrauchs-)Vorteile ab, die aus dem Sachbesitz oder der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit resultieren und – in den regelmäßigen Anwendungsbereichen des § 100 BGB – abgeschöpft werden sollen, vgl. dazu Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 100 Rz. 2 ff. Diese Unterscheidung darf bei der Rechtfertigung und der Bestimmung der Reichweite eines – ökonomisch richtigen – Nutzungsersatzanspruchs nicht gänzlich außer Betracht bleiben.
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erwarteten Nutzenvorteile subjektiv bewertet und als höherwertig eingestuft als die Nutzung bzw. den daraus zu realisierenden Nutzen des als Gegenleistung aufzubringenden Kapitals. Solange er also auf die Nutzung und den Nutzenwert des Kapitals verzichten muss, dessen Rückgewähr für ihn regelmäßig ohnehin zum Verlust der Quasi-Renten928 führt, solange sollten ihm auch die Nutzungsvorteile aus der Sachherrschaft über den – wenn auch mangelbehafteten – Kaufgegenstand, sollte ihm also jedenfalls der reduzierte Nutzen verbleiben. Hinzu kommt, dass der Vertrag bis zu seiner Umgestaltung in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der Nutzungen durch den Käufer ist.929 Überdies ist mit Blick auf die Kooperationsabrede folgendes zu bedenken: Der Käufer hat den Nutzenwert aus dem zur Zahlung des Kaufpreises aufzubringenden Kapital investiert, weil er mit einer kooperations-äquivalenzgerechten Erfüllung und damit einer subjektiv-äquivalenten Realisierung des von ihm erwarteten Nutzen gerechnet hat. Der tatsächliche Nutzen der Kaufsache bleibt wegen der gestörten Kooperationsabrede und der damit zugleich gestörten vertraglichen Äquivalenz aber hinter den Erwartungen zurück, anderenfalls der Käufer nicht zurückgetreten wäre.930 Daraus wiederum folgt mutatis mutandis, dass aus dem Blickwinkel des vertragstreuen Käufers in der gestörten Äquivalenzbeziehung der Nutzen des von ihm hingegebenen Kapitals regelmäßig größer ist, als derjenige der nicht äquivalenz- und kooperationsgerechten Kaufsache. Diese Verschiebung in der ursprünglichen Vorstellung von den Wertverhältnissen hat den Käufer gerade zur Erklärung des Rücktritts veranlasst. Hätte auch die mangelhafte Kaufsache für den Käufer nämlich einen größeren Nutzenerwartungswert, als das eingesetzte Kapital, würde er sich bei typisierter Betrachtung mit der Minderung begnügt, aber gerade nicht den Rücktritt erklärt haben.931 Damit aber bleibt aus dem reziproken Kooperations928
Vgl. ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4. c) bb). Diese Argumentation ist aus der Auseinandersetzung mit einem verkäuferseitigen Nutzungsersatzanspruch nach Neulieferung gemäß § 439 Abs. 4 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB bekannt, für den eine Rechtfertigung nach hier vertretener Auffassung nicht besteht, vgl. oben 2. Kap. § 2 B) III.3, und der deshalb verneint worden war. Im Rahmen des Rücktrittsrechts ist die Frage des Nutzungsersatzes jedoch zunächst isoliert innerhalb des Rechtsfolgensystems des Rücktritts zu untersuchen, um später der Frage der Kollision eines gegebenenfalls eröffneten Nutzungsersatzanspruchs mit anderen kaufrechtlichen Gewährleistungsinstitutionen nachzugehen (vgl. dazu unten 2. Kap. § 3 F) III.4). 930 Hierfür ist unerheblich, ob der objektive Nutzen, also die Funktionsfähigkeit des Kaufgegenstandes ebenfalls beeinträchtigt ist. Wie gesehen, wird die vertragliche Verbindlichkeit der subjektiven Nutzenerwartung in der Zahlungsbereitschaft und der vertraglichen Äquivalenz ausgedrückt. Die Objektivität des Mangels ist allein für die Frage entscheidend, ob ein Rücktrittsgrund gegeben ist. Darüber entscheiden die – auch impliziten – vertraglichen Absprachen über die Sollbeschaffenheit. Steht dann aber fest, dass sich ein beim Verkäufer alloziertes Risiko verwirklicht hat, der Käufer daher zum Rücktritt berechtigt ist, so ist die subjektive Beeinträchtigung des vom Käufer vorgestellten Nutzens damit bereits nachgewiesen; als Beispiel sei der Versuch der Vertragserfüllung eines in der Farbe schwarz bestellten aber in silber gelieferten Kfz genannt. Die objektive Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs ist nicht eingeschränkt. Ein Beschaffenheitsmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB und eine subjektive Nutzenreduktion liegen aber jedenfalls vor. 931 Diese Annahme ist gerade Ausfluss der ökonomischen Nutzentheorie, wonach der Nutzen als Ordnungsgröße zur Bestimmung von Präferenzreihen dient, vgl. noch einmal Varian, Mikroökono929
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verhältnis abzuleiten, dass aus Sicht des Käufers der Verkäufer in der gestörten Äquivalenzbeziehung überschießende Vorteile realisiert hat, da er nämlich durch Nutzung des Kapitals seine ursprüngliche Nutzenerwartung bis zum Vollzug der Rückabwicklung verwirklichen konnte; eine Möglichkeit, die dem Käufer infolge des Mangels verwehrt war. Das Rückabwicklungsschuldverhältnis zeichnet sich deshalb hinsichtlich der Rückabwicklung der gezogenen Nutzungen durch eine ihm immanent fehlende Äquivalenz aus.932 Diese Äquivalenzstörung wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass mit der Rückgewähr der vom Verkäufer gezogenen Nutzungen eine Kompensation auf Käuferseite einträte. Im Regelfall handelt es sich bei der vom Verkäufer zurück zu gewährenden Leistung, um die Rückgewähr des erhaltenen Kaufpreises, also um einen auf die Zahlung von Geld gerichteten Rückgewähranspruch des Käufers. Die vornehmliche Funktion des Geldes erschöpft sich aber darin, Zahlungs- und Wertaufbewahrungsmittel zu sein.933 Die Nutzung von Kapital kann daher im Rahmen des § 100 BGB nur dadurch typisiert werden, dass pauschale Zinssätze festgelegt werden, durch welche die Kompensation eines Nutzenwegfalls des Geldes abgebildet werden soll. Dies aber hat freilich mit der Realität nichts zu tun, da der Käufer offensichtlich hinsichtlich dieses Kapitalbetrages investitions- und nicht anlagebereit war, ihm diese Investitionsmöglichkeit und der daraus zu realisierende Nutzen für die Dauer bis zum Vollzug der Rückabwicklung und Eröffnung einer neuen Investitionsmöglichkeit aber genommen wird. Die typisierte Kompensation durch pauschalierte Zinssätze, auf Basis einer käuferseitig unterstellten (durchschnittlichen) Anlagestrategie ermittelt, vermag diesen subjektiven Nutzenwegfall nicht abzubilden und deshalb schon gar nicht (vollständig) zu kompensieren. Es bleibt deshalb festzuhalten, dass ein äquivalenzgerechter Ausgleich für den dem Käufer entgangenen Nutzen, nicht zuletzt auch als Folge der bereits festgestell932 mik, S. 52 ff. Soweit der Wert des Nutzenbündels aus der Sachherrschaft über die mangelbehaftete Sache (x1, x2) den Wert des Nutzen des zur Zahlung des Kaufpreises eingesetzten Kapitals (y1, y2) übersteigt, also x1, x2 > y1, y2 ist, entsteht eine Präferenzreihe zugunsten des Behaltens auch der mangelbehafteten Sache, wird der Käufer sich also mit der Minderung oder dem minderungsähnlichen kleinen Schadensersatz begnügen. Erst wenn x1, x2 < y1, y2 ist, der dem Nutzen der mangelhaften Sache beigemessene Wert also unter dem Wert des eingesetzen Kapitals liegt, beschreibt der Rücktritt die präferenzgerechte Handlungsalternative. 932 So bereits der Bundesrat, der das gestörte Äquivalenzverhältnis im Falle des mangelbedingten Rücktritts im Gesetzestext berücksichtigt wissen wollte, vgl. BR-Drs. 338/01, S. 40, 41. 933 In der Geldtheorie kommen neben diesen beiden hier genannten Funktionen noch die Funktion als Tauschmittel, als Wertmaßstab oder Recheneinheit zur Vergleichbarkeit der Werte von verschiedenen Gütern sowie die Funktion des Kreditmittels hinzu, vgl. an dieser Stelle nur den Hinweis auf Blum, Volkswirtschaftslehre, S. 254 f. In allen diesen Funktionen kommt aber zum Ausdruck, dass der Geldnutzen sich in den subjektiven Präferenzen erschöpft, wie dieses Geld zur subjektiv bestmöglichen Nutzenrealisierung eingesetzt, also seiner Tausch- und Zahlungsmittelfunktion zugeführt werden soll. Denn der kaufbereite Marktteilnehmer hat durch den Kauf zum Ausdruck gebracht, dass er die Zahlungsmittelfunktion des eingesetzten Kapitals der Wertaufbewahrungsfunktion vorzieht, also investitions- anstatt anlagebereit war.
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ten Schwierigkeiten bei der Bemessung subjektiven Nutzens,934 die gleichermaßen im Rahmen des Rückabwicklungsschuldverhältnisses durchgreifen, nicht herzustellen ist. Dieser Feststellung schließt sich dann jedoch die Frage an, ob und gegebenenfalls wie dieser Umstand im Rahmen der Verstrickungsabwehr im Rücktrittsfolgenrecht Berücksichtigung finden muss.935 Für den Ersatz von Nutzungen ist dabei zunächst festzuhalten, dass – um bei dem Beispiel des Autokaufs zu bleiben – die Herausgabe der Nutzungen naturaliter häufig ausgeschlossen sein wird, sich deshalb der Ersatzanspruch nicht nach § 346 Abs. 1 Satz 1 BGB richtet, sondern nach § 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB.936 Das bedeutet, dass für gezogene Realnutzungen Wertersatz zu leisten ist.937 Für die Bemessung dieses Wertersatzanspruchs enthält § 346 Abs. 2 Satz 2, 1. Hs. BGB einen Verweis auf die vertragliche Äquivalenzabrede. Daraus folgt, dass für die Höhe des Nutzungsersatzes nicht der – wie auch immer sonst zu bestimmende – ,objektive Wert‘ der Sache, sondern der vertraglich vereinbarte Kaufpreis maßgebliche Referenzgröße sein soll.938 Auch wenn diese Anknüpfung an die zur Deckung gebrachte wechselseitige Zahlungsbereitschaft der Parteien genau dem hier vertretenen Ansatz entspricht939 und deshalb grundsätzlich zu begrüßen wäre, kann dieser Verweis gerade für den Sonderfall des Rückabwicklungsschuldverhältnisses vor dem Hintergrund der soeben festgestellten diesem immanenten Inäquivalenz keinen Bestand haben. Auch darüber herrscht zunächst Konsens.940 934
Auch dazu oben 1. Kap. § 2 C) I.4 a), b). In der Literatur wird diese Frage zu Recht bejaht. So nimmt Kohler, JZ 2002, 682, 688, insbesondere für gesetzliche Rücktrittsrechte an, dass hier nicht typischerweise davon ausgegangen werden könne, dass die Wertbemessung am Vertragswert wirtschaftlich plausibel und ausgleichender Gerechtigkeit entspreche, weshalb eine ,sinnvolle Normbegrenzung‘ notwendig sei. In der Sache entspricht dies weitgehend einhelliger Auffassung. 936 Gaier, WM 2002, 1, 5; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1066. 937 Diese Regelung entspricht dem auch im alten Schuldrecht nach § 346 Satz 2 BGB a.F. geltenden Prinzip, vgl. Arnold, Jura 2002, 154, 157, 160. 938 Dieser Kaufpreis wird dann nach der ständigen Rechtsprechung des BGH als Relationsgröße des Wertverzehrs durch anteilige Anrechnung der gezogenen Nutzungen im Verhältnis zur Gesamtnutzungsdauer zugrunde gelegt, vgl. statt vieler mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des BGH Gaier, in: MünchKomm-BGB, § 346 Rz. 27 ff. 939 So stellt Röthel, in: Ermann, BGB, § 346 Rz. 15, als Normzweck des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6040, S. 196) heraus: „Das Gesetz respektiert also die Bewertungsabrede der Parteien.“. 940 Vgl. bereits die Stellungnahme des BR zum RegE, BT-Drs. 14/6857, S. 22, wonach auch bei der Rückabwicklung die Störung des Äquivalenzverhältnisses Berücksichtigung finden müsse; im Übrigen Wagner, in: FS Huber, S. 591, 604: „Vielmehr umfasst der Ersatzanspruch lediglich den Wert des mangelhaften Fahrzeugs. Von dem Kaufpreis ist somit der Minderungsbetrag des § 441 BGB abzuziehen.“; ebenso Kaiser, JZ 2001, 1057, 1066; Gaier, WM 2002, 1, 6; ders., in: MünchKomm-BGB, § 346 Rz. 27 a.E., dort allerdings mit Einschränkung: „Bei Sachen, deren Gebrauchstauglichkeit durch einen Mangel eingeschränkt ist, ist ein entsprechender Abschlag vorzunehmen.“; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 346 Rz. 10; Medicus, in: PWW-BGB, § 346 Rz. 9; Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 346 Rz. 46; unklar Schwab, JuS 2002, 630, 631, der vom ,Wert der Sache‘ spricht. Abweichend Kohler, JZ 2002, 682, 688 f., der nicht die nach § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB maßgebliche Gegenleistung um einen Minderungsbetrag nach § 441 Abs. 3 BGB, sondern § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB teleologisch reduzieren will. 935
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Selbst wenn aber die Störung des Äquivalenzverhältnisses dergestalt zugrunde gelegt wird, dass für die Wertbemessung nur der wegen eines Mangels geminderte Vertragswert zugrunde zu legen ist, reicht dies allein nicht aus, die dem Rückabwicklungsschuldverhältnis implizite Inäquivalenz auszugleichen. Denn es bleibt dabei: Der Käufer stuft, sonst hätte er den Rücktritt nicht erklärt, den Nutzenwert des mangelhaften Gegenstandes, der durch den reduzierten Nutzungsersatz typisiert wird, geringer ein, als den Nutzenwert des zur Zahlung des Kaufpreises eingesetzten Kapitals. Damit hat sich seine Präferenzordnung infolge der mangelhaften Erfüllung umgekehrt. Dem Verkäufer demgegenüber war bis zum Vollzug der Rückabwicklung die präferenzgerechte Nutzung des erlangten Kapitals möglich; er ist deshalb, da er mit dem mangelbehafteten Gegenstand weniger weggegeben hat, als er kooperationsrechtlich verpflichtet gewesen wäre, allein durch die Nutzenrealisierung überkompensiert. Diese Überkompensation bliebe erhalten, wenn die gestörte Äquivalenzgrundlage in das Rückabwicklungsschuldverhältnis hineingetragen und dort zementiert würde. Genau dies geschieht jedoch, wenn für die Wertbemessung auf den um einen Minderungsbetrag nach § 441 Abs. 3 BGB reduzierten Kaufpreis abgestellt wird.941 § 441 Abs. 3 Satz 1 BGB normiert nämlich eine proportionale Berechnung der Minderung, die gerade gewährleistet, dass das von den Parteien bestimmte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bei der Herabsetzung des Kaufpreises beibehalten wird.942 Daraus aber folgt, dass dem Verkäufer ein in seiner Kalkulationsgrundlage auf dem Weg zur kooperativen Kongruenz der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft enthaltener Vorteil auch nach der Minderung verbleibt.943 Während also der Käufer infolge der Inäquivalenz der Rückabwicklungsbeziehung mit dem ihm zustehenden Nutzungsersatzanspruch, der in seiner Berechnung auf eine typisierte und zu keinem Zeitpunkt vom Käufer verfolgte Anlagestrategie abstellt, regelmäßig weniger zurück erhält, als er subjektiv zu realisieren beabsichtigte, sein Ersatzanspruch damit auch nicht im Ansatz an der vertraglichen Äquivalenz und den mit ihr verfolgten Nutzenwerten ausgerichtet ist, soll dem Verkäufer, durch dessen nicht kooperationsgerechte, weil mangelhafte Leistung der Rücktritt überhaupt erst veranlasst ist,944 der ursprüngliche Kooperationsvorteil anteilig verbleiben. Dafür fehlt es an einer Rechtfertigung.945 941 So zutreffend Kohler, JZ 2002, 682, 689: „Eine partielle Aufrechterhaltung der Vertragsinäquivalenz widerspricht daher grundsätzlich dem essentiellen Regelungsziel des Rücktrittsrechts; eine minderungsartige Berechnung ist dem gemäß grundsätzlich verfehlt.“. 942 So ausdrücklich und statt vieler Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 492. 943 Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 80 a.E.: „(…) genaus so wie umgekehrt dem Verkäufer ein Vorteil nicht verloren geht.“. 944 Hierbei sei klargestellt, dass ,Veranlassung‘ nicht im Sinne von ,Verschulden‘ zu verstehen ist. Der Rücktrittsgrund muss vom Verkäufer nicht verschuldet sein. Die Feststellung von Kooperationsund Äquivalenzstörungen ist frei von Verschuldensmaßstäben und -vorwürfen. Es kommt allein darauf an, dass der Verkäufer den ihm – implizit – zugewiesenen vertraglichen Leistungskatalog nicht erfüllt hat und dafür in der Risikoallokation der Rückabwicklung einzustehen muss. 945 Auch hier mit klaren Worten Kohler, JZ 2002, 682, 689: „Das Ergebnis ist in vielen Fällen evident verfehlt, und zwar in der Regel in Fällen des gesetzlichen Rücktritts und dort namentlich im Gewährleis-
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Die Umkehr der vertraglichen Äquivalenz im Rückabwicklungsschuldverhältnis als reziprok-kooperativer Abwicklungsvereinbarung gebietet vielmehr, dem Wegfall der subjektiven Nutzenerwartungen des Käufers einen Wegfall dieser Erwartungen auch des Verkäufers gegenüber zu stellen und auf diese Weise ein Mindestmaß an vertraglicher Äquivalenz auch im Rückabwicklungsschuldverhältnis herzustellen.946 Kehrt sich die vertragliche Äquivalenz um, so gilt diese Umkehr auch für die Kooperationsvorteile, welche die Parteien mit dem Vertrag zu realisieren beabsichtigten. Der Käufer investiert diese Vorteile in die Rückabwicklungsbeziehung durch oktroyierten Verzicht auf einen nutzenäquivalenten Nutzungsersatzanspruch; dem Verkäufer ist Nämliches durch einen Verzicht auf den mit dem Vertragsschluss verfolgten Kooperationsgewinn abzuverlangen.947 Daraus folgt, will man es bis hierher bei der Verbindlichkeit der Anordnung eines Nutzungsersatzanspruchs auch im Falle des mangelbedingten Rücktritts vom Kaufvertrag belassen,948 dass der nach § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB der Wertbemessung zugrunde zu legende Kaufpreis nicht nur um einen Minderungsbetrag nach § 441 Abs. 3 Satz 1 BGB, sondern auch um die vom Verkäufer einkalkulierte Marge, dessen Gewinnanteil also zu korrigieren ist,949 sodass der vom Käufer zu erstattende 946 tungsrecht.“; für eine schadensrechtliche Überlagerung des rücktrittsrechtlichen Nutzungsersatzanspruchs in Fällen kaufrechtlicher Gewährleistung deshalb auch Gsell, JuS 2006, 203, 205; zu den Rechtsfolgen des Widerrufs nach § 357 Abs. 1 BGB ähnlich eindeutig Arnold/Dötsch, NJW 2003, 187, 188. 946 Auf diese Weise wird dem von Kohler, JZ 2002, 682, 688, für das Rücktrittsfolgenrecht geforderten Ziel der Herstellung einer ,ausgleichenden Gerechtigkeit‘ wirtschaftlich entsprochen. 947 Nur klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass diese Auffassung nichts mit einer ,Renaissance des Strafgedankens im Privatrecht‘ und einer ausweitenden Tendenz zu punitive damages im deutschen Zivilrecht zu tun hat, was Coing (…)/Honsell, in: Staudinger/Eckpfeiler, S. 24 f., sehr kritisch beleuchten, zu tun hat, sondern schlicht Folge einer äquivalenzgerechten Rückabwicklung im Rücktrittsrecht ist. 948 Eine in der Literatur verbreitete Ansicht spricht sich gerade dagegen aus und tritt unter Rückgriff auf § 325 BGB für eine schadensrechtliche Überlagerung des Nutzungsersatzanspruchs ein, da nicht hinzunehmen sei, dass im Falle der Geltendmachung des großen Schadensersatzes der Käufer Ersatz für entgangene Nutzung verlangen könne, während er im Falle der Erklärung des Rücktritts seinerseits Nutzungsersatz leisten müsse, vgl. z.B. Gsell, JuS 2006, 203; dies., NJW 2003, 1669; Büdenbender, in: AnwKomm, § 439 Rz. 16; in ähnlichem Zusammenhang auch BGH, NJW 2008, 911, mit Anm. Gsell, NJW 2008, 912; anders jedoch BGH, NJW 2010, 148; kritisch auch Höpfner, NJW 2010, 127; gegen eine schadensrechtliche Überlagerung auch KG Berlin, NZV 2009, 567. Der Frage nach der Rechtfertigung einer solchen Überlagerung und einem Bedürfnis hierfür wird im Rahmen der Auseinandersetzung mit § 325 BGB, unten 2. Kap. § 3 F) III.4., nachgegangen. 949 Im Ergebnis ebenso Arnold/Dötsch, NJW 2003, 187, 188; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 346 Rz. 10, der darauf abstellt, dass dem Rücktrittsgegner der Gewinnanteil unter Wertungsgesichtspunkten nur dann zustehe, wenn er ordnungsgemäß erfüllt habe; dagegen allerdings Gaier, in: MünchKomm-BGB, § 346, Rz. 47; a.A. auch Benicke, ZGS 2002, 372, 374, der zwar zutreffend erkennt, dass erstens die Einigung der Parteien auf einen bestimmten Preis grundsätzlich „die beste Annäherung an den jeweiligen Marktwert“ darstellt, zweitens aber diese Marktwertbestimmung anhand der Parteivereinbarung unter dem Vorbehalt steht, „dass die vertragliche Vereinbarung nicht an Defekten leidet“, um sich dann jedoch der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/6040, S. 196) anschließt, wonach beim Rücktritt die Störung nicht beim Vertragsschluss, sondern bei der Vertragsdurchführung liegt. Dieser Hinweis allerdings geht fehl, da sich der Vertragsschluss nicht von der Vertragsdurchführung trennen
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Nutzungsersatz sich aus dem um den Mangelwert und den Unternehmerlohn reduzierten ,Nettokalkulationswert‘ des Kaufgegestandes berechnet.950 Der in Abzug zu bringende kalkulierte Unternehmerlohn des Verkäufers sollte grundsätzlich vom Verkäufer entsprechend § 252 BGB als Nebenpflicht aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis offen zu legen sein, ist im Versagensfalle jedoch hilfsweise nach § 441 Abs. 3 Satz 2 BGB und entsprechend § 287 ZPO zu schätzen.951 Solange der Verkäufer seiner Offenlegungspflicht nicht nachgekommen ist, steht dem Käufer wegen dessen eigener Verpflichtung zur Leistung von Nutzungsersatz ein einredeweise geltend zu machendes Zurückbehaltungsrecht zu. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei der Maßgeblichkeit der Wertproportionalität von Leistung und Gegenleistung auch bei der Rückabwicklung allenfalls um eine rechtspolitisch kritisierbare Entscheidung des Gesetz950 lässt. Die Vertragserfüllung mit einem ,mangelbehafteten‘ Gegenstand ist in Ordnung, wenn sich die Beschaffenheitsvereinbarung auf einen solchen bezieht oder das Risiko in sonstiger Weise bei dem Käufer alloziert ist. Ein Gegenstand ist niemals von sich heraus nicht erfüllungstauglich. Dies kann nur in einer Einheit zwischen Vertragsschluss und Vertragserfüllung beurteilt werden. Mit dem Vertragsschluss nämlich wird nach dem hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodell die Grundlage für die kooperative Äquivalenz des Vertrages und seiner Durchführung gelegt, sodass jeder Durchführungsmangel zwingend auf den Vertragsschluss zurückwirkt. Erfüllt der Verkäufer nicht kooperations- und äquivalenzgerecht, folgt daraus zwingend eine Störung der bei Vertragsschluss vorausgesetzten Äquivalenzgrundlage und damit eine Vertragsstörung, die einem unbeschränkten Rückgriff auf das ursprüngliche vertragliche Äquivalenzverhältnis entgegen steht. 950 Diese weitere Korrektur der Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des Nutzungsersatzanspruchs ist auch vor dem Hintergrund der Stellung des Rücktrittsrechts im Normgefüge des Rechts der Leistungsstörungen konsistent und richtig: Der Rücktritt gründet auf der Gegenseitigkeit des Vertrages als solcher. Erhält der Gläubiger nicht das, was ihm vertraglich (hier: kooperationsrechtlich) versprochen war, kann sich unabhängig von einem Verschulden der Gegenseite von dem Vertrag lossagen. Es ist dann der status quo ante wiederherzustellen, die Parteien sind der rechtsdogmatischen Idealvorstellung gemäß, die nur unter der Vernachlässigung von Transaktionskosten Bestand haben kann, also so zu behandeln, als hätten sie nie miteinander kontrahiert, vgl. statt vieler Ernst, in: MünchKomm-BGB, 2 ff. vor §§ 323 ff. Dann aber würde auch der Verkäufer den Unternehmerlohn nicht realisiert und der Käufer einen solchen auch nicht mittelbar über den Nutzungsersatz vergütet haben. Dem Rücktrittsrecht fehlt es daher nicht nur an einer Legitimation für die Einbeziehung des Unternehmerlohns in die Bemessungsgrundlage des Nutzungsersatzanspruchs; richtigerweise verbietet es diese systematisch sogar. 951 Einer solchen Begrenzung des § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB steht auch nicht ein ausdrücklich geäußerter andersgerichteter Wille des Gesetzgebers entgegen: Der Vorschlag der Schuldrechtskommission (BMJ, Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, 1992, S. 185) und der Regierungsentwurf (BT-Drs. 14/6040, S. 196) zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz sahen noch einen strikten Gleichlauf zwischen der vereinbarten Gegenleistung und der Höhe des Wertersatzes dadurch vor, dass die Gegenleistung an die Stelle des Wertersatzes treten sollte. Erst in der Fassung, die das Gesetz durch den Bundesrat und den Rechtsausschuss erhalten hat, wurde bestimmt, dass bei der Berechnung des Wertersatzes die im Vertrag bestimmte Gegenleistung zugrunde zu legen ist (Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/6857, S. 22; zustimmend Bundesregierung, BT-Drs. 14/6857, S. 57; Rechtsausschuss, BT-Drs. 14/7052, S. 193), vgl. dazu Benicke, ZGR 2002, 369, 374. Damit hat der Gesetzgeber aber von einer strikten Bindung an die vertragliche Äquivalenz Abstand genommen und mit der Anordnung, dass die vertraglich bestimmte Gegenleistung dem Wertersatz nur noch zugrunde zu legen ist, Raum für eine vertragstheoretisch und dogmatisch gebotene Reduktion gelassen.
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gebers handele.952 Wie gesehen, hat der Gesetzgeber die Maßgeblichkeit des Vertragswertes im Gesetzgebungsverfahren von der zunächst vorgesehenen starren Vorgabe, Wertersatz sei in Höhe der vereinbarten vertraglichen Gegenleistung zu leisten, abgekoppelt, gerade um Raum für die Berücksichtigung von Äquivalenzstörungen zu schaffen.953 Da eine solche Äquivalenzstörung aber nicht allein in Bezug auf einen etwaigen Mangel der Kaufsache vorliegt, sondern auch in Bezug auf die jeweiligen Nutzenerwartungen, ist § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB einer teleologischen Reduktion in diesen beiden Richtungen gleichermaßen zugänglich.954 Die ökonomischen Vorherigkeiten und die ökonomische Analyse im Recht, welche der Gesetzgeber mit der Berücksichtigung von Äquivalenzstörungen implizit inkorporiert, gebieten demgemäß die Berücksichtigung aller äquivalenzbezogenen Faktoren im Rahmen der Rückabwicklungsbeziehung; ein isoliertes Herausgreifen einzelner Gesichtspunkte würde dem Rückabwicklungsschuldverhältnis als reziprok-kooperativer Abwicklungsvereinbarung und damit dem Verständnis von dem Vertrag als Kooperationsvereinbarung insgesamt nicht gerecht. Zu bedenken bleibt jedoch, dass damit aber allein ein Mindestmaß vertraglicher Äquivalenz im Rückabwicklungsschuldverhältnis auch mit Blick auf die Nutzungen hergestellt wird, dass hierdurch aber der Käufer noch nicht für die ihm entgangenen Nutzen, die in der pauschalen Verzinsung des Kaufpreises nicht abgebildet werden können, einen Ausgleich tatsächlich nicht enthält. Dieser ist gegebenenfalls außerhalb des Rücktrittsfolgenrechts zu gewährleisten.955 b) Das gestörte Abwicklungsverhältnis aa) Vorbemerkung Eingangs der Erörterung des Rücktrittsfolgenrechts956 war dieses als reziprok-kooperatives Abwicklungsverhältnis qualifiziert und war daraus abgeleitet worden, 952
So aber Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 346 Rz. 46; ebenso Höpfer, NJW 2010, 127, 130. Wie vor: BT-Drs. 14/6857, S. 22; BT-Drs. 14/6857, S. 57; BT-Drs. 14/7052, S. 193. 954 Diesem Verständnis steht, worauf Arnold/Dötsch, NJW 2003, 187, 189, zu Recht hinweisen, auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber mit dem OLG-Vertretungsänderungsgesetz (v. 23.07.2002, BGBl. I, 2850) mit dem in § 346 Abs. 2 Satz 2 BGB angefügten 2. Halbsatz für den Wertersatz für den Gebrauchsvorteil aus einem Darlehen eine abweichende Regelung für den Fall getroffen hat, dass der tatsächlich realisierte Gebrauchsvorteil niedriger war. Zum einen, und darauf stellen auch Arnold/ Dötsch, a.a.O., ab, handelt es sich um eine ,hastige Reaktion‘ des Gesetzgebers auf die „Heininger-Entscheidung“ des EuGH (NJW 2002, 281), aus der über ihren eigentlichen Regelungsgehalt hinausgehende Rückschlüsse für das Verständnis und die Auslegung anderer Normen wohl nicht gezogen werden können; zum anderen stellt § 346 Abs. 2 Satz 2, 2. Hs. BGB lediglich klar, dass für Gebrauchsvorteile aus einer Darlehensüberlassung statt des Vertragswerts der niedrigere objektive Gebrauchswert angesetzt werden kann, also eine vollständige Loslösung von der vertraglichen Vereinbarung in der Beweislast des Rücktrittsgläubigers möglich ist. Damit ist eine Aussage über die Bewertungsmaßstäbe bei Rückgriff auf die Vertragsleistung, nämlich ob diese mit oder ohne minderungsbedingter Kürzung sowie mit oder ohne Gewinnanteil zugrunde zu legen ist, mit nichten verbunden. Ein Rückschluss aus diesem Halbsatz auf die Wertbestimmung in anderen Fällen verbietet sich daher von vorneherein. 955 Vgl. auch dazu unten die Auseinandersetzung mit § 325 BGB, 2. Kap. § 3 F) III.4. 956 Oben 2. Kap. § 3 E) III.2. 953
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dass eine Objektivierung von Nutzungs- und Wertersatzansprüchen ebenso wie die Bestimmung des Vertragswerts selbst verlässlich nur am Maßstab der vertraglichen Äquivalenz, also der ursprünglich kongruenten wechselseitigen Zahlungsbereitschaft der Parteien und den darin enthaltenen impliziten Vereinbarungen erfolgen kann. Kommt es nun zu einer Störung des Rückabwicklungsverhältnisses vor oder nach Abgabe der Rücktrittserklärung, weil der Rücktrittsgläubiger außer Stande ist, das seinerseits Erhaltene nach § 346 Abs. 1 BGB herauszugeben, so folgt aus diesem Verständnis von dem Rückabwicklungsschuldverhältnis für Ansprüche des Rücktrittsgegners auf Wertersatz wegen des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache zunächst: Ist die ursprüngliche Äquivalenzbeziehung Maßstab für die Bemessung des Vertragswerts und des vertraglichen Nutzens und bestimmt diese Äquivalenzabrede auch das reziprok-kooperative Abwicklungsschuldverhältnis, so kann die subjektive Verwendung durch den zum Rücktritt Berechtigten, durch welche dieser seine Nutzenerwartung erst zu realisieren beabsichtigte, nicht über den Maßstab der subjektiven Zahlungsbereitschaft hinaus objektiviert und mit Obliegenheiten belastet werden, die zu einer – auch rückwirkenden – Nutzenreduktion führen. Bildet aber die Zahlungsbereitschaft die objektivierte Nutzenerwartung ab und kann nur der Umgang mit der Sache Katalysator der Nutzenrealisation sein, so ist es folgerichtig, diesen Objektivierungsmaßstab auch für das Rückabwicklungsschuldverhältnis anzulegen.957 Es kann dem Käufer nämlich im Rückabwicklungsschuldverhältnis nicht mehr angelastet werden, als ihm für den Fall ordnungsmäßiger Erfüllung vertragstheoretisch958 zugesprochen wird. Wie der Käufer aber seine subjektiven Nutzenerwartungen realisiert, obliegt ihm und seinem subjektiven Umgang mit der Sache. Ist insoweit aber für die Nutzenrealisation und die Rückabwicklung derselbe Objektivierungsmaßstab anzulegen, so ist dem Käufer der realisierte oder jedenfalls zu realisieren beabsichtigte Nutzen auch haftungsrechtlich zu belassen. In dieser Annahme liegt zunächst der Ausgangspunkt einer inneren Rechtfertigung für die Festschreibung eines nur reduzierten Haftungsmaßstabs für Fälle des gesetzlichen Rücktrittsrechts in § 346 Abs. 3 Nr. 3 BGB begründet, der lediglich auf die diligentia quam in suis, nämlich die subjektive Verwendung der Kaufsache durch den Käufer nach eigenüblichen Handlungsmaßstäben abstellt. Dasselbe gilt 957 Diesem Gedanken folgt auch die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 196, wenn es dort heißt: „Das grundsätzliche Festhalten an den vertraglichen Bewertungen erscheint interessengerecht, da die aufgetretene Störung allein die Rückabwicklung, nicht aber die von den Parteien privatautonom ausgehandelte Entgeltabrede betrifft.“. 958 Der Rückgriff auf dasjenige, was dem Käufer ,vertragstheoretisch‘ zugesprochen wird, ist deshalb nötig, weil bereits im 1. Kapitel festgestellt worden ist, dass sich die realen Nutzenerwartungen, da ausschließlich subjektiv geprägt, nicht verlässlich bewerten lassen und deshalb ein vertragstheoretisches Gerüst zur Objektivierung und Justitiabilität der Nutzenerwartungen durch den Rückgriff auf die Zahlungsbereitschaft und die daraus abzuleitenden impliziten Vertragsbestandteile geschaffen werden musste.
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für den Haftungsausschluss in Fällen, in denen sich der zum Rücktritt berechtigende Umstand erst im Rahmen einer Umgestaltung oder Verarbeitung der Sache im Sinne des § 346 Abs. 3 Nr. 1 BGB zeigt. Auch hier führt der Käufer den Gegenstand nur seiner subjektiven Nutzenbestimmung zu, wozu er – jedenfalls vor Kenntnis von einem etwaigen Rücktrittsrecht – vertraglich uneingeschränkt berechtigt ist. Dem Gesetzgeber ist insoweit also zunächst zu testieren, einen sachgerechten Ansatz zur Lösung der Verstrickungsproblematik auch im Rücktrittsfolgenrecht gewählt zu haben, der sich nach seinem Leitgedanken nahtlos auch in das ökonomische Gefüge des Rechts einreiht, was im Folgenden einerseits noch zu konkretisieren, andererseits aber gegebenenfalls auch seinerseits wieder im Sinne einer Schranken-Schranken-Funktion zu begrenzen ist. bb) Kompensationspflicht, Befreiungsansprüche und die Kenntnis vom Rücktrittsgrund als Merkmal einer übertatbestandlichen Haftungsanknüpfung (1) Kompensationspflicht als wirtschaftliche Rücktrittsschranke und Befreiungsansprüche (1a) Grundlegung: Kompensationspflicht statt Ausschluss des Rücktrittsrechts. Die Neuregelung des Rücktrittsfolgenrechts folgt einer unzweideutigen Kompensationslösung. In offener Abkehr von § 351 BGB a.F., wonach der Rücktritt ausgeschlossen war, wenn der Rücktrittsberechtigte den Untergang oder die wesentliche Verschlechterung der Sache zu vertreten hatte, wird das Recht zum Rücktritt in einem solchen Fall nicht tangiert. Stattdessen hat der Rücktrittsberechtigte Kompensation durch Wertersatz für die Unmöglichkeit der Rückgewähr des empfangenen Gegenstandes oder dessen Verschlechterung zu leisten.959 Zwar wird in Anlehnung an § 351 BGB a.F. zum Teil auch heute noch vertreten, dass die Ausübung des Rücktritts in ,krassen Ausnahmefällen‘, so z.B. nach einer vorsätzlichen Zerstörung der Sache ausgeschlossen sei;960 jedoch steht dem die eindeutig Neuordnung des Rücktritts- und Rücktrittsfolgenrechts entgegen, die einen solchen Rücktrittsausschluss konzeptionell schlicht nicht mehr kennt.961 Dem Rückgriff auf § 242 BGB steht daher die klare gesetzgeberische Konzeption ent959 Vgl. statt vieler Schwab, JuS 2002, 630 f.: „Das Rücktrittsrecht wird nach neuem Recht von Rückgewährhindernissen nicht mehr berührt.“; Kaiser, JZ 2001, 1057, 1059: „Der vorgeschlagene Rücktritt gegen Wertersatz wird den Interessen der Vertragspartner besser gerecht, als die Alles-oder-nichts-Regel der §§ 350 ff. BGB und ist damit grundsätzlich zu begrüßen.“; deutlich auch Wagner, in: FS Huber, S. 591, 602: „Der Rücktrittsausschluss wegen – verschuldeter – Unmöglichkeit der Rückgabe wird aus dem Rücktrittsrecht verabschiedet und ,durch ein Modell der Rückabwicklung dem Wert nach‘ ersetzt. Die Unmöglichkeit der Herausgabe der empfangenen Sache schließt den Rücktritt niemals aus, mag der Empfänger auch noch so schuldhaft gehandelt haben, sondern sie begründet bloß eine Verpflichtung zum Wertersatz.“. 960 So Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 346 Rz. 1; Kohler, JZ 2002, 325, 329. 961 Mit der wohl herrschenden Lehre deshalb gegen einen solchen Ausschlusstatbestand auch Gaier, in: MünchKomm-BGB, § 346 Rz. 13; Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 346 Rz. 28; Wagner, in: FS Huber, S. 591, 602.
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gegen, wobei in Ansehung dieser zu unterstellen ist, dass wegen des Wertersatzanspruchs, der im Falle der beispielhaft in’s Feld geführten vorsätzlichen Zerstörung der Sache verwirkt wird, die nachfolgende Ausübung des Rücktritts nicht treuwidrig sein kann. Die grundsätzliche Folge, Werterstatz für einen nicht oder nicht mehr unverändert herausgebbaren Gegenstand leisten zu müssen, besteht demgegenüber nicht uneingeschränkt. Der Gesetzgeber sieht sich bei der Normierung des Rücktrittsfolgenrechts, wie es Flessner962 vor Jahr und Tag in einem vielzitierten Diktum ausgedrückt hat, in einem Dilemma, weil er von zwei schuldlosen Beteiligten einem den Verlust auferlegen muss. Eine solche Lösung sei aber niemals „ganz gerecht in dem Sinne (…), dass nicht auch Gründe für die gegenteilige Lösung vorhanden wären“. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bei der Lösung dieses Dilemmas dafür entschieden, die Sachgefahr963 auf den Verkäufer zurück- und die Wertersatzpflicht nach § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB entfallen zu lassen, wenn das Rücktrittsrecht auf einen Mangel zurückgeht und sich dieser Mangel erst während einer Umgestaltung oder Verarbeitung gezeigt hat (Nr. 1), der Rücktrittsgegner den Untergang zu vertreten hat oder auf Basis eines hypothetischen Kausalverlaufs der Schaden auch bei ihm eingetreten wäre (Nr. 2) oder – beschränkt auf den Fall des gesetzlichen Rücktritts – der Rücktrittsberechtigte die eigenübliche Sorgfalt beachtet hat und der Gegenstand dennoch untergegangen oder verschlechtert worden ist (Nr. 3). Anders als nach § 351 BGB a.F. spielt das Verschulden des Rücktrittsberechtigten daher zwar für die Existenz des Rücktrittsrechts keine Rolle mehr, sehr wohl aber für den an die Stelle des Herausgabeanspruchs tretenden Anspruch auf Wertersatz.964 (1b) § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB – Befreiung bei Erkennbarkeit des Mangels erst bei der Verarbeitung. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB nimmt dabei die schon im alten Recht in § 352 BGB a.F. i.V.m. § 467 S. 2 BGB a.F. angelegte Interessenbewertung auf, wonach derjenige, der erst bei der Verarbeitung eines erhaltenen Leistungsgegenstandes bemerkt, dass dieser mangelhaft ist, ohne Weiteres seine Gegenleistung zurückerhält, ungeachtet der Tatsache, dass er selbst zur – unveränderten – Herausgabe des seinerseits Erlangten nicht mehr in der Lage ist. Der Sinn dieser Privilegierung ist ohne Weiteres einsichtig. Ist die gelieferte Sache nämlich mangelhaft, so schafft die Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes typischerweise nicht den mit ihr bezweckten Mehrwert, sondern birgt vielmehr die Gefahr, dass das Endprodukt insgesamt – jedenfalls aus subjektiver Sicht des Käufers – wertlos ist.965 Für diesen Fall das Rückabwicklungsri962
Flessner, NJW 1972, 1777, 1780. Vgl. nochmals mit dieser plastischen Formulierung Wagner, in: FS Huber, S. 591, 595; Gaier, WM 2002, 1, 10, spricht von ,die Gefahrtragung steuernden Ausnahmetatbeständen‘. 964 Erneut Wagner, in: FS Flume, S. 591, 602. 965 Vgl. Benicke, ZGS 2002, 369, der überdies für eine analoge Anwendung des § 364 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB für Fälle des Verbrauchs und der Veräußerung eintritt, weil die Interessenlage hier identisch angelegt sei; ebenso Gaier, WM 2002, 1, 10. Dem ist zuzustimmen. § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB verfolgt das Ziel der sachgerechten Eröffnung einer Reallokationsmöglichkeit für den Käufer, dem ge963
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siko beim Verkäufer als Rücktrittsgegner zu allozieren, ist unbeschadet eines fehlenden Verschuldensvorwurfs richtig. Der Verkäufer weiß oder muss jedenfalls damit rechnen, dass der verkaufte Gegenstand beim Käufer gegebenenfalls der Umgestaltung oder Verarbeitung dienen soll, insbesondere wenn es sich um typische Vorprodukte handelt. Da die Gewährleistungshaftung aber Garantiehaftung966 ist, kann es sich nicht zulasten des Käufers aus- und einen Einschnitt in dessen Rechte bewirken, wenn und soweit sich die Wertlosigkeit oder jedenfalls eingeschränkte Tauglichkeit des Kaufgegenstandes während oder anlässlich seiner käuferseits bestimmungsgemäßen Verwendung zeigt. Diese uneingeschränkte Verwendungsmöglichkeit ist insoweit von dem abstrakten Käufervertrauen gedeckt,967 ohne dass es einer besonderen Offenbarung der Umgestaltungsabsicht bedürfte, um diese in den gewährleistungsrechtlichen Schutzkatalog des Kooperationsverhältnisses einzubeziehen. Der Käufer ist, tritt ein solcher Gewährleistungsfall ein, gehindert, den von ihm mit dem Vertrag verfolgten Nutzen zu realisieren, was ihm eine Reallokationsmöglichkeit eröffnen muss. Diese allerdings ist nur dann gegeben, wenn nicht auf rein tatsächlicher Ebene die Ausübung des Rücktritts zwar nicht mit einem rechtlichen, wohl aber mit einem wirtschaftlichen Rückabwicklungsverbot in Gestalt der Wertersatzpflicht belegt wird.968 Mit § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB wird dem Verkäufer daher allein ein Risiko übergebürdet, das er angesichts seiner gewährleistungsrechtlichen Garantiehaftung ohnehin bereits trägt, weshalb sich das gesetzgeberische Dilemma, den Verlust einem der beiden schuldlosen Beteiligten zuweisen zu müssen,969 nicht als so schwerwiegend erweist. Soweit nämlich einer der beiden schuldlos Beteiligten eine Garantiehaftung übernommen hat, ist das Urteil, bei welchem dieser Akteure das Rückabwicklungsrisiko zu allozieren ist, ein-
966 genüber nicht ordnungsmäßig und unter Durchbrechung der kooperativen Äquivalenzabrede geliefert worden ist. Würde diese Reallokation durch einen Wertersatzanspruch auch im Falle des bestimmungsgemäßen Verbrauchs oder der Veräußerung ihrem Werte nach jedenfalls gemindert, bedeutete dies eine Fortsetzung der Äquivalenzstörung in das Rückabwicklungsverhältnis. Richtig ist demgegenüber, wie gesehen, die Umkehr der Äquivalenzbeziehung, weshalb das Reallokationsrisiko dem Verkäufer zuzuweisen ist. Ein Unterschied in dieser Interessenbewertung ergibt sich für die Fälle der Verarbeitung und Umgestaltung auf der einen und den Verbrauch oder die Veräußerung auf der anderen Seite nicht. 966 Ausführlich Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62 ff. 967 Zur Differenzierung zwischen abstraktem und konkretem Vertrauen und den daraus sich jeweils für die Vertrags- im Sinne einer informationssubstituierenden Vertrauens- und Kooperationsbeziehung jeweils ergebenden Konsequenzen ausführlich oben, 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) und c). 968 Mit ähnlichem Ansatz Wagner, in: FS Huber, S. 591, 606: „Bei der Würdigung dieses Paradigmenwechsels darf allerdings nicht außer acht gelassen werden, dass die Verpflichtung zum Wertersatz gemäß § 346 Abs. 2 BGB in ihrem wirtschaftlichen Ergebnis der Rücktrittssperre des § 351 BGB a.F. nahezu gleichkommt, denn soweit die Sache ihr Geld wert war, erhält der Käufer den gezahlten Preis eben doch nicht zurück, wenn er die Kaufsache nicht zurückgeben kann.“. 969 Vgl. nochmalls Flessner, NJW 1972, 1777, und mit Bezugnahme darauf auch Wagner, in: FS Huber, S. 591, 607.
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fach zu fällen.970 § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB ist daher Ausprägung der konsequenten Fortwirkung des in seinem Ursprung als Garantiehaftung971 ausgestalteten Gewährleistungsrechts. (1c) § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB – Befreiungsansprüche bei ,Vertretenmüssen‘ des Rückgewährgläubigers und zufälligem Untergang. Auch die Vorschrift des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB, wonach die Wertersatzpflicht entfällt, soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, folgt einer ähnlichen Interessenbewertung. Während die zweite Alternative der Vorschrift die Fälle des zufälligen Untergangs erfasst, die nicht der Sphäre des Käufers zuzurechnen sind, also z.B. die Zerstörung der Sache durch Blitzschlag, den Diebstahl der ordnungsmäßig gesicherten Kaufsache beim Käufer etc., erstreckt sich die Haftungsbefreiung des Käufers in der ersten Alternative des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB insbesondere auf diejenigen Fälle, in welchen die Verschlechterung oder der Untergang der Kaufsache auf einen Mangel zurückgeht,972 dieser also für die eingeschränkte Rückgewährmöglichkeit des Rücktrittsberechtigten zumindest mitursächlich geworden ist.973 Diese Haftung für eine mangelbedingte Verschlechterung oder Zerstörung der Kaufsache beim Käufer lässt sich dem Wortlaut der Norm, wonach der ,Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten‘ haben müsse, allerdings 970 Auch die Gesetzesbegründung hat auf dieses Dilemma Bezug genommen, hat es aber eindeutig gelöst, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 196: „Das Dilemma, von zwei schuldlosen Beteiligten einem den Verlust auferlegen zu müssen (Flessner, NJW 1972, 1777, 1780), muss hier, wie es auch der h.M. im geltenden Recht entspricht, zugunsten des Rücktrittsberechtigten gelöst werden.“. 971 Die für Zwecke der Rechtsfolgenbestimmung richtige Bezeichnug des Gewährleistungsrechts als ,Garantiehaftung‘ folgt dabei allein der rechtsdogmatischen Einordnung und Qualifizierung. In Anwendung des hier vorgestellten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodells (vgl. 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5)) darf dies allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Ursprung dieser Garantiehaftung allerdings in einer auf abstraktem Vertrauen gründenden impliziten kooperativen und damit vertraglichen Risikozuweisung liegt, auf welche sich die Parteien in Ausfüllung ihrer Preisabsprache als kongruentem Ergebnis der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft und der diese bestimmenden Faktoren verständigt haben. Die Garantiehaftung des Gewährleistungsrechts ist daher kein gesetzgeberisches Diktum, was diese Qualifizierung auf den ersten Blick vermuten lassen möchte, sondern ist rechtsökonomisch wohl begründete Konsensualhaftung. 972 Man denke insoweit insbesondere an die Fälle der sogenannten Weiterfresser-Mängel, in welchen entweder ein fehlerhaftes Teil der Kaufsache selbst auf die gesamte Kaufsache einwirkt, BGH, NJW 1983, 178; NJW 1985, 2420, oder aber in Fällen der Verbindung und Vermischung mit eigenen Sachen des Käufers die fehlerhafte Kaufsache zur Beschädigung auch der zuvor unversehrten Teile der neuen Sache führt, BGH, NJW 1992, 1225. In verschuldensrechtlicher Hinsicht hat der BGH, NJW 1992, 1678, die Haftung sogar noch dahingehend verschärft, dass für die Haftung nicht entscheidend ist, ob der Fehler bei ,normalem Lauf der Dinge‘ entdeckt werden konnte, sondern allein darauf, ob er zu entdecken gewesen wäre, wäre mit zumutbarem wirtschaftlichen Aufwand ,gezielt nach ihm gesucht worden‘. 973 Vgl. zunächst statt vieler Schwab, JuS 2002, 630, 634; Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 346 Rz. 50; Röthel, in: Erman, BGB, § 346 Rz. 22; Kaiser, in: Staudinger, BGB, § 346 Rz. 170; Gaier, in: MünchKomm-BGB, § 346 Rz. 53; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 346 Rz. 12.
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nicht unmittelbar entnehmen. Der Verkäufer nämlich hat einen Sachmangel ganz regelmäßig nicht im technischen Sinne des § 276 BGB zu vertreten, dies jedenfalls nicht, soweit er – wie üblich – selbst nur Zwischenhändler eines nicht von ihm hergestellten industriell gefertigten Produkts ist. Bei einem solch wörtlichen, engen Verständnis der Norm, täte sich jedoch der Widerspruch auf, dass der Rücktritt als gewährleistungsrechtlicher Rechtsbehelf und anders als die Schadensersatzfolge der §§ 437 Nr. 3, 280 ff. BGB zwar verschuldensunabhängig und deshalb rechtstheoretisch möglich ist, bei einem mangelbedingten Untergang der Sache jedoch faktisch, weil wirtschaftlich ausgeschlossen wäre. Die Abwehr des Verstrickungsschadens wäre dem Käufer in solchem Fall wirtschaftlich kaum mehr möglich. Da der Verkäufer aber für Sachmängel auch einzustehen hat, wenn er sie nicht zu vertreten hat,974 und wenn überdies der Untergang oder die Verschlechterung der Kaufsache auf diesen Sachmangel zurückzuführen ist,975 so ist der vertraglichen Risikoallokation trotz Gefahrübergangs nach § 446 Satz 1 BGB ein Rückfall der Sachgefahr zum Verkäufer zu entnehmen.976 Der Untergang der Kaufsache ist gerade nicht ,zufällig‘ im Sinne des § 446 Satz 1 BGB, 974 Vgl. nochmals zur Einordnung des Gewährleistungsrechts als ,Garantiehaftung‘ Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62 ff. 975 Mit dieser Argumentation auch Wagner, in: FS Huber, S. 591, 606: „Die jetzige Nr. 2 dieser Vorschrift geht haarscharf am Regelungsinhalt des Art. 1647 Abs. 1 Code civil vorbei, weil dort darauf abgestellt wird, dass der Verkäufer die Verschlechterung oder den Untergang der Sache zu vertreten hat. Für Sachmängel hat der Verkäufer jedoch auch dann einzustehen, wenn er den Mangel nicht zu vertreten hat; vorzugswürdig ist deshalb (…) § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB analog auf den Fall anzuwenden, dass die Kaufsache infolge eines Mangels untergeht, den der Verkäufer nicht zu vertreten hat.“. 976 Auch Gaier, WM 2002, 1, 10, stellt für die Auslegung des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB gerade auf die ausdrückliche oder stillschweigende Risikoverteilung aus dem ursprünglichen Vertrag ab und hält diese, ganz im Einklang mit den hier entwickelten ökonomischen Grundsätzen des kooperationsrechtlichen Äquivalenzverhältnisses, für die Abwicklung und den Ausschluss von der Wertersatzpflicht für maßgeblich: „Ist Ursache der Verschlechterung oder des Untergangs der Sache ein Risiko, das im ursprünglichen Vertrag der Rückgewährgläubiger ausdrücklich oder stillschweigend übernommen hatte, so wird der Rückgewährschuldner von seiner Verpflichtung zu Wertersatz frei.“; mit ähnlicher risikoallokativer Argumentation und dem zusätzlichen Hinweis darauf, dass es hier nicht um die Begründung von Schadensersatzansprüchen, sondern um die Beschränkung eigener Rechte geht, die gedanklich an die Verbote widersprüchlichen Verhaltens sowie des Rechtsmissbrauchs anknüpft, auch Röthel, in: Bamberger/Roth, BGB, § 346 Rz. 22. Gerade der Hinweis auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens passt wiederum zu den vorherigen rechtsökonomischen Verhältnissen. Der Verkäufer würde, könnte er auf dem Wertersatzanspruch nach mangelbedingtem Untergang der Kaufsache und Rücktritt durch den Käufer bestehen, das in das kooperative Äquivalenzverhältnis eingepreiste Gewährleistungsrisiko auf den Käufer abwälzen, was die Inkongruenz der Zahlungsbereitschaften zur unmittelbaren Folge hätte und damit dem Vertrag seine wirtschaftliche Grundlage entzöge. Denn mit dem Vertragsschluss hat der Verkäufer jedenfalls implizit das Gewährleistungsrisiko zu eigenen Lasten übernommen. Würde ihm ein Weg eröffnet, sich hiervon außerhalb der vertraglichen Absprachen zu befreien, wäre Folge der dadurch eintretenden Äquivalenzstörung jedenfalls ein Wegfall der Geschäftsgrundlage des Vertrages, gegebenenfalls sogar dessen Anfechtbarkeit. Dann aber wären die wechselseitig empfangenen Leistungen nach §§ 812 ff. BGB zurückzugewähren, wobei der Käufer nach § 818 Abs. 3 BGB wegen des Untergangs der Sache seine Entreicherung einwenden könnte. Es würde das selbe wirtschaftliche Ergebnis hergestellt, was die auch ökonomische Richtigkeit eines weiten Verständnisses des Verschuldensbegriffs im Rahmen des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB belegt.
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sondern entspringt nach dem hier entwickelten informations- und vertrauensökonomischen Interpretationsmodell977 der – jedenfalls implizit vereinbarten – vertraglichen Risikosphäre des Verkäufers.978 Solange also die Gewährleistungsfrist noch nicht verstrichen ist oder Gewährleistungsansprüche aus anderen Gründen ausgeschlossen sind, bewirken die impliziten vertraglichen Absprachen als Ausfluss des kooperativen Äquivalenzverhältnisses einen Gefahranker beim Verkäufer, geht nämlich die Sachgefahr für mangelbedingte Schädigungen und den mangelbedingten Untergang des Kaufgegenstandes noch nicht endgültig auf den Käufer über.979 § 446 Satz 1 BGB ist insoweit durch das Gewährleistungsrecht und damit auch für die Rücktrittsfolgen begrenzt.980 Diese Wechselwirkung zwischen § 446 Satz 1 BGB und § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB macht dann auch den Rückgriff auf eine Analogie zu § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB für Fälle des unverschuldeten Untergangs der Kaufsache in einem engen technischen Wortsinne des ,Verschuldens‘ entbehrlich, wie er insbesondere von Canaris981 vorgeschlagen wird. (1d) § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB – Befreiungsanspruch und diligentia quam in suis. Die wohl umfassendste Diskussion im Rahmen des § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB ist bislang aber wohl zu dessen Nr. 3 geführt worden, dessen Begrenzung der Haftung auf die eigenübliche Sorgfalt, die diligentia quam in suis, einleitend bereits als rechtsökonomisch grundsätzlich sachgerecht qualifiziert worden ist. Eingangs dieses Kapitels982 war nämlich bereits herausgestellt worden, dass die Reduzierung des Haftungsmaßstabes des Rücktrittsgläubigers in Fällen des gesetzlichen Rücktritts auf die eigenübliche Sorgfalt (§ 277 BGB), die diligentia quam in suis also, auf eine unter dem Blickwinkel der Ökonomik im Recht sachgerechte Entscheidung des Gesetzgebers zurückgeht. Der Rückgriff auf einen subjektivierten Haftungsmaßstab im Rückabwicklungsschuldverhältnis ist dabei nämlich Ausprä977 Zur Herleitung oben 1. Kap. § 2 C), dort insbesondere I.4 c) cc) mit einem zusammenfassenden Fazit in Ziff. (5). 978 Diesen Gedanken greift auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 196, auf, allerdings erst zu § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB. In der Sache greift sie jedoch bereits hier: „Sachgerecht ist das Rückspringen der Gefahr zum Verkäufer nur dann, wenn der Käufer auf Grund eines gesetzlichen Rücktrittsrechts vom Vertrag zurücktritt. Der Rücktritt erfolgt hier deshalb, weil der Verkäufer seine Pflichten nicht vollständig erfüllt hat. Wer nicht ordnungsgemäß geleistet hat, darf nicht darauf vertrauen, dass der Gefahrübergang auf den anderen Teil endgütltig ist.“. 979 Mit solcher Einschränkung des § 446 BGB als Reflexwirkung der ,Gewährleistungsgarantie‘ ist eine konsistente, sich an den vertrauensökonomischen Vorherigkeiten der Vertragsbeziehung ausrichtende Lösung für das Problemfeld des zufälligen Untergangs der mangelbehafteten Sache beim Käufer gefunden, das Jud, JuS 2004, 841, 844, als bislang ,im BGB noch nicht erörtert‘ herausgestellt hat. 980 Mit einem ähnlichen Gedanken für den Fall der Entgegennahme des Kaufgegenstandes unter gleichzeitiger Rüge des Mangels und insoweit mit einer Analogie zum Werkvertragsrecht (§§644 Abs. 1 Satz 1, 640 BGB) mit der Folge, dass auch insoweit trotz körperlicher Entgegennahme des Kaufgegenstandes die Gefahr noch nicht auf den Käufer übergegangen ist, Lamprecht, ZIP 2002, 1790, 1792. 981 Canaris, Schuldrechtsreform, S. XL; dem folgend auch Wagner, in: FS Huber, S. 591, 607. 982 Wie hier bereits oben 2. Kap. § 3 E) III.3 b) aa).
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gung von dessen Qualifizierung als reziprok-kooperativem Abwicklungsverhältnis, in welchem die ursprüngliche Äquivalenzbeziehung, die Maßstab für die Bemessung des Vertragswerts und des vertraglichen Nutzens war, auch zum Objektivierungsmaßstab des Abwicklungsschuldverhältnisses werden muss, da nur so verhindert wird, dass die für die ursprüngliche Zahlungsbereitschaft ausschlaggebende subjektive Verwendungsabsicht über den Maßstab der subjektiven Zahlungsbereitschaft hinaus objektiviert und mit Obliegenheiten belastet wird, die zu einer – auch rückwirkenden – Nutzenreduktion und damit zu einer vertraglichen Inäquivalenz ex nunc führen. Aus diesem Grunde hielt der Gesetzgeber die uneingeschränkte Wertersatzpflicht in Fällen eines gesetzlichen Rücktrittsrechts für zu streng und z.B. auch den Regelungsmechanismus des einheitlichen UN-Kaufrechts für nicht überzeugend,983 da die dort vorgenommenen Differenzierungen schwierige Abgrenzungsprobleme mit sich brächten. Trotz dieses nach hiesigem Verständnis sachgerechten Rückgriffs auf § 277 BGB ist der Regelung des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB zum Teil erhebliche Kritik entgegengeschlagen. Zwar mag es auf den ersten Blick tatsächlich verwundern, dass „die Wohltat der Haftungsbeschränkung auf Verletzungen der diligentia quam in suis sonst nur bei persönlichen Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem (§§ 708, 1359, 1664, 2131 BGB) oder bei unentgeltlicher Tätigkeit in fremdem Interesse (§ 690 BGB) gewährt wird“.984 Dazu passt auch die Kritik daran, dass die Vorschrift des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB stillschweigend voraussetzt, dass der Rücktrittsberechtigte „ohne jede Einschränkung als Vollrechtsinhaber, der niemandem Sorgfalt schuldet als sich selbst“ behandelt werde, obwohl „jeden Rückgewährschuldner (…) wegen der Möglichkeit der späteren Rückgewähr besondere, von der Rückgewährpflicht zu trennende, vorgreifliche Rücksichtnahmepflichten“ träfen.985 Jedoch überzeugt diese Kritik schon nicht im Ansatz, da sie wesentliche Gesichtspunkte der einer jeden Norminterpretation und Auslegung vorangehenden Vorherigkeiten ebenso außer Betracht lässt, wie die informationssubstituierende Wirkung des Vertrauens in einer jeden Kooperationsbeziehung einerseits und die Bedeutung der Äquivalenzfindung in der Kaufpreisbemessung als dem Spiegel der wechselseitigen Zahlungsbereitschaften andererseits. Der Vergleich mit den übrigen Fällen, in welchen das Gesetz die Haftung in die Schranken des § 277 BGB weist, die tatsächlich eine enge Nähebeziehung oder ein unentgeltliches fremdnütziges Handeln voraussetzen, mit dem tatbestandlich in der mangelhaften Erfüllung des Ursprungskaufvertrages angelegten Rückgewähr983 BT-Drs. 14/6040, S. 196: „Indes bedarf der Grundsatz, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs auch im Fall des Rücktritts beim Käufer bleibt, einer Einschränkung. Nicht zu überzeugen vermag die Lösung des Einheitlichen Kaufrechts (Art. 82 UN-Kaufrecht), die entscheidend darauf abstellt, ob der Untergang der Sache auf einer Handlung, einem freien Handeln, einem risikoerhöhenden Verhalten des Schuldners oder einem sonstigen Ereignis beruht.“; mit ähnlichem Rückgriff auf die Gesetzesbegründung auch Arnold, Jura 2002, 154, 158. 984 Wagner, in: FS Huber, S. 591, 610. 985 Kaiser, JZ 2001, 1057, 1063.
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schuldverhältnis liefert keinerlei Argumentationswert, da die Fälle weder gesellschaftlich noch wirtschaftlich überhaupt vergleichbar sind. Die Gesellschafter bürgerlichen Rechts (§ 708 BGB), Ehegatten986 (§ 1359 BGB), Eltern gegenüber ihren Kindern (§ 1664 BGB) und der Vor- gegenüber dem Nacherben (§ 2131 BGB) haften untereinander jeweils nur für die Wahrung der eigenüblichen Sorgfalt. Dasselbe gilt von demjenigen, der für einen anderen einen Gegenstand unentgeltlich in Verwahrung nimmt (§ 690 BGB). Es handelt sich hierbei in gesellschaftlichen Kategorien gesprochen – mit Ausnahme der Verwahrung, die als Gefälligkeitsverwahrung wohl eher einen landläufig so bezeichneten ,Freundschaftsdienst‘ darstellt – jeweils um besondere Formen des Miteinanders, das auf die Errichtung eines gemeinsamen sozialen Gefüges ausgerichtet ist und in diesem Miteinander rechtlich befriedet werden soll, wodurch die partnerschaftliche Komponente gegenüber dem Schutz des Integritätsinteresses im Verhältnis zu dem eng verbundenen und – hier mit Ausnahme der Eltern-Kind-Beziehung – selbst gewählten Partner in den Vordergrund tritt.987 In mehr juristischen Kategorien gedacht, liegen den hier genannten Beziehungen Dauerschuldverhältnisse zugrunde, in welchen aufgrund persönlicher Nähebeziehung dem einen Teil außerhalb einer jeden Äquivalenzbeziehung oder -betrachtung eine Einflusssphäre auf die Rechtsgüter des anderen Teils eröffnet wird. In dem schwebenden Gewährleistungsverhältnis vor Ausübung der Rücktrittserklärung fehlt es augenscheinlich an diesen drei wesentlichen die Haftungsbeziehung qualifzierenden Merkmalen: Zunächst begründet der mangelhaft erfüllte Kaufvertrag, durch den erst die bedingte Rücktrittslage ausgelöst wird, kein Dauerschuldverhältnis zwischen den Parteien des Kaufvertrages. Bereits der Ausgangspunkt für die Anordnung des Haftungsmaßstabes allein nach § 277 BGB muss daher ein anderer sein, als in den hier genannten Fällen sozialer Gefüge. Darüber hinaus eröffnet zwar der Käufer durch Rückgriff in der Vertragsverhandlung zu einem Großteil lediglich auf seinen vertrauenssubstituierten Informationshorizont dem Verkäufer eine Einflusssphäre auf sein, des Käufers, Integritäts- und Äquivalenzinteresse,988 jedoch gründet dieses Vertrauen nicht in einer besonderen Nähebeziehung der Parteien zueinander, sondern in einer wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Relation und in dem wechselseitigen Interesse, Transaktionskosten zu reduzieren.989 Und damit ist der dritte, ganz wesentliche Punkt erreicht: Das bedingte 986
Dasselbe gilt i.ü. nach § 4 LPartG für eingetragene Lebenspartnerschaften. Mit diesem Argument, den Partner im Vorfeld genau ansehen, später dann aber auch so hinnehmen zu müssen, bereits RGZ 143, 212, 215, für die Gesellschaft. Für die familiäre Haftungsprivilegierung kommt hinzu, dass die Wahrnehmung der Angelegenheiten der Familienmitglieder so eng mit der Wahrnehmung eigener Angelegenheiten verwoben ist, dass eine Aufteilung des Haftungsmaßstabes willkürlich erschiene, vgl. Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 277 Rz. 2. 988 Dass dies gerade Grund für die Institutionalisierung des Vertrauensschutzes in der Rechtsdogmatik ist, ist bereits oben, 1. Kap. § 2 A) II.1 a), herausgestellt worden. 989 Zum Ursprung und zur Funktion der Vertrauensbeziehung in der Vertragsanbahnung ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b). 987
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Rückabwicklungsschuldverhältnis dient der Abwehr einer Verstrickungslage. Verstrickungslagen sind dadurch gekennzeichnet, dass wegen eines Informationsdefizits die ursprünglich zugrunde gelegte Äquivalenzabrede gestört ist. Durch die Rückabwicklung soll die Reallokation der ,verschwendeten‘ Ressourcen ermöglicht, sollen also die disallokativen Wirkungen des gestörten Äquivalenzverhältnisses abgewendet werden. In den persönlichen Nähebeziehungen, die Wagner990 zum Vergleich heranzieht, gibt es eine solche Anknüpfung an die Äquivalenz des Schuldverhältnisses aber gerade nicht. Der Grund für die Haftungsreduzierung auf den Maßstab des § 277 BGB muss daher, dies ist den Kritikern zuzugeben, ein gänzlich anderer sein, als in familiären und anderen sozialen Gefügen, in denen dieser Haftungsmaßstab sonst herangezogen wird. Dass das Gesetz die Haftungsprivilegierung der diligentia quam in suis bislang aber nur dort kannte, ist kein Argument gegen die Anwendung einer Haftungsregel aus dem Allgemeinen Teil des BGB auch in anderen Konstellationen. Die Fälle haben vielmehr nichts gemeinsames, weshalb die fehlende Übertragbarkeit der inneren Rechtfertigung für die Privilegierung in den einen Fällen auf die anderen auch keinen Aussagewert hinsichtlich der Berechtigung einer solchen Privilegierung im zu untersuchenden Fall haben kann.991 Als ein solcher Grund für den Rückgriff auf die Haftungsprivilegierung des § 277 BGB in § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB war hier bereits auf die Reziprozität des Rückabwicklungsschuldverhältnisses abgestellt und daraus abgeleitet worden, dass eine systematisch konsistente Lösung das Rückabwicklungsschuldverhältnis nicht stärker belasten darf, als die vorangehende vertragliche Äquivalenz- und Austauschbeziehung. Dort aber werden die wechselseitigen Pflichten – implizit992 – am Maßstab der Zahlungsbereitschaft als nach außen erkennbar gewordenen subjektiven Präferenzen bestimmt. Diese Objektivierung subjektiven Nutzens hält über den Rückgriff auf § 277 BGB Einzug auch in das Rückabwicklungsschuldverhältnis. Die Verweisung in § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB auf § 277 BGB beinhaltet damit eine an dem kooperativen Äquivalenzmaßstab der Vertragsbeziehung orientierte Risikoallokation, die sich in das sozial- und das rechts-ökonomische Gefüge des Vertrages nahtlos einfügt.993 Die Anwendung des § 277 BGB auf § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB ist daher begründbar und gerechtfertigt, auch wenn die Vorschrift im Übrigen ihren Anwendungsbereich insbesondere in sozialen Näheverhältnissen wiederfindet. Es bleibt daher bis hierher, sich mit der in der Sache selbst hiergegen vorgebrachten Kritik auseinander zu setzen. 990
Wagner, in: FS Huber, S. 591, 610. Das Argument Wagner’s, in: FS Huber, S. 591, 610, gerade der Vergleich mit den übrigen Anwendungsfällen der diligentia quam in suis habe besonderes ,Gewicht‘, dürfte damit widerlegt sein. 992 Ausführlich 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc). 993 Mit einem ähnlichen Verständnis von der Funktion der Verweisung auf § 277 BGB als vertraglicher Risikoallokation Oechsler, SR-BT, § 2 Rz 206: „Es kann im Rahmen des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 nicht um einen echten Vorwurf an die Adresse des Berechtigten gehen, sondern um eine Risikoverteilung zwischen Käufer und Verkäufer.“. 991
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Beinahe auf einer Linie liegen dabei die dem Gesetzgeber gemachten Vorwürfe, der Rücktrittsberechtigte werde als niemandem als sich selbst verantwortlicher Vollrechtsinhaber behandelt,994 was dazu führe, in der Sache aber nicht zu verstehen sei, dass der Verkäufer das Risiko dafür tragen müsse, dass sich der Käufer stets und überall unsorgfältig zu verhalten pflege.995 Was Widerspruch gegen diese Kritik auslösen muss, ist die Perspektive, aus der sie den Sachverhalt gestörter Äquivalenz und der nur aus diesem Grunde bedingt entstehenden Rücktrittslage betrachtet. Das Augenmerk wird dabei nämlich auf die Belastung des Rücktrittsgegners mit dem Zufallsrisiko und dem Risiko des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache durch den eigenüblichen Umgang durch den Käufer gelegt. Allein die wertungsmäßige Betrachtung aus dieser Perspektive entbehrt einer Rechtfertigung. Mit der Ablieferung des Kaufgegenstandes durch den Verkäufer beim Käufer beabsichtigt der Verkäufer, seine vertragliche Pflicht zur Verschaffung von Eigentum und Besitz nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB zu erfüllen. Dass ihm dies nicht gelingt, ist Folge der Pflicht zur mangelfreien Erfüllung aus § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB. Im Ergebnis ändert die Verletzung dieser beschaffenheitsbezogenen Pflicht aber nichts daran, dass der Käufer Eigentümer des Kaufgegenstandes wird. Als solcher ist er gemäß § 903 Satz 1 BGB berechtigt, mit der Sache nach Belieben zu verfahren. Dieses Recht ist nur eingeschränkt, soweit nicht ,Rechte Dritter entgegenstehen‘. Behandelt man den Käufer also, wie es Kaiser,996 verbunden mit einem Anwurf gegen die Vorschrift formuliert, als ,niemandem als sich selbst verantwortlichem Vollrechtsinhaber‘, so tut man zunächst nichts anderes, als dem Käufer diejenigen Rechte zuzugestehen, die das Gesetz an sein Eigentum, das er infolge der Erfüllung des Kaufvertrages erlangt hat, knüpft.997 Anders wäre dies nur dann zu beurteilen, dazu fehlt es der bisher vorgebrachten Kritik aber an der hierfür nötigen Substantiierung, sähe man das Bedürfnis zur Einschränkung des ,Rückfalls der Gefahr zum Verkäufer‘998 als ein der freien Sachherrschaft des Käufers im Sinne des § 903 Satz 1 BGB entgegenstehendes Recht. Dazu müsste dann aber begründet werden, wie eine Vertragsverletzung durch den Verkäufer dessen Rechte gegenüber dem Käufer im Vergleich zur ordnungsmäßigen Erfüllung noch soll ausweiten können. Eine Vertragspflichtverletzung ist grundsätzlich allein geeignet, Ansprüche gegen den Verletzer zu be994
Kaiser, JZ 2001, 1057, 1063 f. Wagner, in: FS Huber, S. 591, 609. 996 Kaiser, JZ 2001, 1057, 1063 f. 997 Vgl. auch insoweit ganz ähnlich Oechsler, SR-BT, § 2 Rz. 206: „Auch diese Formulierung [Anm.: Die Definition des Verstoßes gegen die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten als gegenüber dem vertragsgemäßen Gebrauch übermäßige, atypische, risikoerhöhende Nutzung] vermittelt eine eher trügerische Sicherheit, wenn man sich fragt, welcher Gebrauch aufgrund der kaufvertraglichen Verabredung vertragsgemäß ist. Denn Gegenstand des Kaufvertrages ist es, dem Käufer Eigentum zu verschaffen; Verwendungsbeschränkungen im Hinblick auf die Kaufsache werden ihm dabei (…) nicht auferlegt.“. 998 So plastisch Röthel, in: Ermann, BGB, § 346 Rz. 25: „Bei Leistung mangelhafter Gegenstände springt die Gefahr also wieder auf den Rückgewährgläubiger zurück, wenn es zum Rücktritt kommt“; ähnlich Gaier, WM 2002, 1, 10. 995
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gründen, nicht aber Ansprüche des Verletzers gegenüber dem Verletzten. Insbesondere führt die mangelhafte Erfüllung des Kaufvertrages im Lichte des § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB und der dadurch bewirkte Gefahranker beim Verkäufer nicht dazu, dass der Verkäufer unmittelbar Rechte an dem Kaufgegenstand erwirbt oder behält. Gegenstand der Leistungspflicht des Verkäufers ist die Übertragung von Eigentum und Besitz einer mangelfreien Sache. Kommt er dieser Leistungspflicht vollständig nach, geht auch die Sach- und Preisgefahr gemäß § 446 Satz 1 BGB vom Verkäufer auf den Käufer über. Erfüllt der Verkäufer jedoch nicht vollständig, tritt lediglich diese Rechtsfolge ordnungsgemäßer Erfüllung ebenfalls nicht vollständig ein, wird also zwar der Käufer Eigentümer und Besitzer der Sache, ohne dass er jedoch die Gefahr deren Untergangs zu tragen hätte.999 Die nicht vollständige Befreiung des Verkäufers1000 ist in der Sache aber etwas grundlegend anderes als die Neubegründung von Rechten gegenüber dem Käufer in Bezug auf die auf diesen übergegangene Sachherrschaft, wie sie für eine Einschränkung des § 903 Satz 1 BGB erforderlich wäre; wer die Gefahr des Untergangs einer Sache trägt, muss gerade nicht notwendigerweise auch Inhaber von Rechten, den Umgang mit der Sache betreffend sein. Auch kann ein solches Recht des Verkäufers nicht aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis und dem daraus folgenden Rückgewähranspruch abgeleitet werden, da dieses erst mit Zugang der Rücktrittserklärung beim Verkäufer entsteht.1001 Ehe aber das Schuldverhältnis nicht zur Entstehung gelangt ist, können daraus 999 Im Ergebnis und in der Wertung ähnlich, in der Sache aber ohne Rückgriff auf die Notwendigkeit der Begründung von Rechten des Verkäufers, welche geeignet wären, die Sachherrschaft des Käufers zu begrenzen, Röthel, in: Ermann, BGB, § 346 Rz. 25, der die maßgebliche Erwägung für die Haftungsbegrenzung in dem Umstand sieht, dass der Verkäufer mit der mangelhaften Lieferung die für die Rückabwicklung maßgebliche Ursache gesetzt hat und die Privilegierung des Rückgewährschuldners einen Anreiz zu mangelfreier Lieferung schaffe. In der Begründung weniger ausführlich aber ähnlich auch Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 346 Rz. 52; vgl. darüber hinaus auch Medicus, in: PWW-BGB, § 346 Rz. 17: „Dieser Standpunkt (Anm.: Des Gesetzgebers) ist wohlüberlegt und vertretbar; ihn gänzlich und sogar entrüstet abzulehnen, übersieht das in der Tat vorliegende Dilemma.“. 1000 In dieser nicht vollständigen Befreiung des Verkäufer kommt auch der Unterschied in der hier gewählten und der in der Kommentierung üblichen Formulierung zum Ausdruck: Während z.B. Gaier, WM 2002, 1, 10 und Röthel, in: Ermann, BGB, § 346 Rz. 25, davon sprechen, dass ,die Gefahr zum Verkäufer zurück springt‘, scheint es richtiger davon auszugehen, dass sie ihn im Falle einer mangelbedingt gescheiterten Erfüllung bis zum Eintritt der Verjährung oder des Ausschlusses von Gewährleistungsrechten aus anderem Grund gar nicht verlässt, weshalb hier der Terminus des ,Gefahrankers‘ gewählt worden ist. 1001 Ungeachtet der Diskussion, ob schon vor Begründung des Rückabwicklungsschuldverhältnisses Schadensersatzansprüche nach § 346 Abs. 4 BGB i.Vm. §§ 280 ff. BGB möglich sind, dazu ausführlich Kohler, JZ 2002, 1127, dürfte über den Entstehenszeitpunkt des Rückabwicklungsschuldverhältnisses selbst erst mit Zugang der Rücktrittserklärung Einigkeit bestehen. Plastisch wird dies insbesondere an den Ausführungen Heinrichs’, in: FS E. Schmidt, S. 159, 166 f, der ebenfalls nicht in Abrede stellt, dass das Rückgewährschuldverhältnis erst mit Zugang der Rücktrittserklärung entsteht, die für § 346 Abs. 4 BGB erforderliche Pflichtverletzung aber zu Recht darin erkennt, dass der Kaufgegenstand nicht zurückgewährt werden kann; wann die Ursache hierfür gesetzt worden ist, ist für die Begründung der Pflichtverletzung unerheblich und allenfalls bei der Frage des Verschuldens von Bedeutung.
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nicht schon einschneidende Rechtsfolgen in Gestalt der Beschränkung des § 903 Satz 1 BGB abgeleitet werden. Ist der Käufer aber berechtigt, mit der Sache als deren Eigentümer nach Belieben zu verfahren und vermögen weder der nur unvollständig erfüllte Kaufvertrag noch das bislang nicht entstandene und daher nur bedingte Rückabwicklungsschuldverhältnis, diese Rechte einzuschränken, so bedarf es keiner Rechtfertigung für den Rückgriff auf den reduzierten Haftungsmaßstab des § 277 BGB, sondern dafür, dem Käufer überhaupt eine Haftung gegenüber dem nicht vertragstreuen Verkäufer aufzuerlegen, sei es auch nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Der Grund für eine solche Haftungsanknüpfung allerdings ist auch außerhalb von lediglich wertungsorientierten Argumenten schnell in einer Ableitung aus dem schadensrechtlichen Grundsatz der Erheblichkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens1002 und überholender Kausalitäten (Reserveursachen)1003 gefunden. Das Gewährleistungsrecht verfolgt das Ziel, die vertraglich ausgehandelte Äquivalenz der Austauschbeziehung bestmöglich zur Geltung zu bringen, indem es dem Verkäufer eine Garantie für die Einhaltung der Äquivalenzabrede auferlegt und, soweit eine erstmalige oder Wiederherstellung der vertraglichen Äquivalenz nicht möglich ist, dem Verkäufer durch den Rücktritt oder – dann verschuldensabhängig – den großen Schadensersatz eine Reallokationsmöglichkeit eröffnet. Doch kommt im Ergebnis die gestörte Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung, die sich regelmäßig in der nicht vereinbarungsgerechten Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ausdrückt, nicht zum Tragen, geht der Kaufgegenstand beim Käufer aufgrund vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verhaltens unter. Das gestörte Äquivalenzkann sich im Kooperationsverhältnis gar nicht mehr auswirken, weil der Käufer zwischenzeitlich eine außerhalb üblicher und vom Verkäufer im Rahmen seiner Risikoeinschätzung vorhersehbarer Gepflogenheiten1004 liegende Ursachenkette in Gang gesetzt hat, die durch die Eröffnung einer Reallokationsmöglichkeit mit dem ersten Kausalstrang der Kooperationsbeziehung unzulässig verknüpft würde. Dies deshalb, weil sich der Äquivalenzmangel gar nicht hatte auswirken können, oder anders herum formuliert, die Sache auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten, nämlich bei vollständig vertragsgerechter Erfüllung in Folge der vom Käufer – vorsätzlich oder grob fahrlässig – in Gang gesetzten Reserveursache untergegangen wäre.1005 1002
Vgl. statt vieler Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 852 ff. Auch dazu Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 848 ff. 1004 Hierbei ist davon auszugehen, dass nur leicht fahrlässiges Handeln, wie es auch von § 277 BGB noch gedeckt ist, regelmäßig im Bereich des Vorhersehbaren liegt, da sich im täglichen Umgang miteinander und mit eigenen oder mit Rechtsgütern Dritter niemand davon freisprechen kann, seinem Handeln stets ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, die Möglichkeit leicht fahrlässigen Handelns und die eigenübliche Sorgfalt bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit der Risikoprognose und damit der Kosten-Nutzen-Relation im Rahmen der Ausprägung der eigenen Zahlungsbereitschaft des Verkäufers zuzuweisen. 1005 Diese Ableitung entspricht der wohl vorherrschenden Auffassung zur Berücksichtigung von Reserveursachen: Ist der Objektschaden einmal eingetreten, ist für den darauf gründenden Ersatzan1003
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Richtigerweise ist daher die Anordnung des reduzierten Haftungsmaßstabes in § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB konsequente Folge der nicht vollständigen Entlastung des Verkäufers aus dessen vertraglichen Pflichten und fügt sich insoweit konsistent in das Gefüge des als Garantiehaftung ausgestalteten Gewährleistungsrechts einerseits, die unmittelbar mit dem Eigentum verknüpften Rechte andererseits sowie in das ökonomische Gerüst zur Objektivierung subjektiver Präferenzen ein. Die Kritik an der in der Norm zum Ausdruck kommenden Haftungsverfassung des Rücktrittsrechts als wesentlichem Bestandteil des Kaufgewährleistungsrechts, die einseitig die Interessen des nicht vertragstreuen Verkäufers im Fokus hält, erscheint vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt. (2) Haftung bei Kenntnis vom Rücktrittsgrund – Eine übertatbestandliche Haftungsanknüpfung? Fraglich ist allerdings, ob die vorstehende Argumentation zur Rechtfertigung des auf die diligentia quam in suis reduzierten Haftungsmaßstabes auch dann noch gelten kann, wenn der Käufer bereits Kenntnis von der Rücktrittsmöglichkeit, diesen aber noch nicht erklärt hat. In solchem Fall nämlich, und dies wird in Anlehnung an die Rechtslage vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetztes vielfach vertreten,1006 könnte davon auszugehen sein, dass der Käufer, sobald die Entstehung des Rückgewährschuldverhältnisses nur noch von seiner eigenen Erklärung abhängig ist, nicht mehr zulasten des Verkäufers haftungsrechtlich privilegiert werden dürfe da er es anderenfalls durch die Wahl des Zeitpunkts seiner Rücktrittserklärung selbst in der Hand hätte, den Zeitpunkt der Beendigung seiner Haftungsprivilegierung zu bestimmen. Er hafte ab diesem Zeitpunkt daher für die verkehrsübliche Sorgfalt oder gar auch für Zufallsschäden.1007 Dogmatisch wird diese Haftung teils mit einer teleologischen Reduktion des Privilegierungstatbestandes des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB begründet,1008 überwiegend jedoch auf die Verletzung einer Nebenpflicht aus § 241 1006 spruch die Reserveursache unbeachtlich; im Falle einer zeitlich gestreckten Schadensentstehung, für einen Vermögensfolgeschaden also, ist die Reserveursache allerdings erheblich, vgl. nochmal Medicus, Bürgerliches Recht, Rz. 850. Übertragen auf den hier gegebenen Fall bedeutet dies, dass die vorsätzliche oder grob fahrlässige Beschädigung oder Zerstörung des Kaufgegenstandes die Verwirklichung des durch den Käufer verursachten Objektschadens bewirkt, sodass die gestörte Äquivalenz, die sich in der künftigen Nutzung der Sache niedergeschlagen hätte, nicht mehr beachtlich sein kann. 1006 Gaier, WM 2002, 1, 11; ders., in: MünchKomm-BGB, § 346 Rz. 59; Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893; Kohler, JZ 2002, 1127, 1134. 1007 So weitgehend vor allem Schwab, JuS 2002, 630, 635. 1008 So ebenfalls Schwab, JuS 2002, 630, 635, dagegen jedoch mit Recht Kamanabrou, NJW 2003, 30, 31 sowie Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893, da die gesetzgeberische Legitimation der Privilegierung in dem Umstand gesehen wird, dass der Rücktrittsgegner z.B. wegen der mangelbehafteten Lieferung den Rücktritt zu vertreten habe und deshalb nicht auf die Endgültigkeit des Gefahrübergangs auf den anderen Teil vertrauen dürfe (BT-Drs. 14/6040, S. 196), diese gesetzgeberische ratio aber nichts mit der Kenntnis von dem Rücktrittsgrund zu tun habe und sich deshalb eine teleologische Reduktion unter Anknüpfung an die Kenntnis vom Rücktrittsgrund angesichts der klaren gesetzgeberischen Entscheidung verbiete.
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Abs. 2 BGB zum sorgfältigen Umgang mit dem zukünftigen Rücktrittsgegenstand,1009 also auf eine übertatbestandliche Anknüpfung gestützt.1010 Richtigerweise allerdings gibt es in Anbetracht der hier herausgestellten inneren Rechtfertigung der Haftungsprivilegierung keinen belastbaren Grund, den Haftungsmaßstab als solchen bereits mit Eintritt der Kenntnis vom Rücktrittsgrund zu verschärfen. Zunächst beeinflusst die Kenntnis des Rücktrittsberechtigten vom Rücktrittsgrund die vom Gesetzgeber mit der Norm ausweislich der Gesetzesbegründung1011 verfolgte ratio tatsächlich nicht. Wenn und soweit der Rückfall der Gefahr zum Rücktrittsgegner darin begründet liegt, dass dieser angesichts der nicht vertragsgerechten Lieferung nicht mit einem nachhaltigem Gefahrübergang rechnen konnte,1012 so ändert die Kenntnis des Rücktrittsberechtigten daran nichts.1013 1009 Insbesondere Canaris, Schuldrechtsmodernisierung 2002, XLVI m.w.N.; zustimmend Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893, der insoweit Raum für eine Korrektur der gesetzgeberischen ratio sieht, da nicht die Haftungsprivilegierung als solche, sondern allein der Haftungsmaßstab in Frage gestellt werde und ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund keine Rechtfertigung mehr dafür bestehe, dem Rücktrittsberechtigten den eigenüblichen Umgang mit der Sache zu gestatten. 1010 Unklar ist insoweit dann aber, wie sich eine solche übertatbestandliche Anknüpfung im Verhältnis zu § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB rechtfertigen lässt, da der Käufer einerseits nur aus diligentia quam in suis haftet, andererseits aber zu einem pfleglichen Umgang mit der Sache aus einer übertatbestandlichen und damit dem Grunde nach überobligatorischen Haftungsanknüpfung verpflichtet sein soll. Arnold, Jura 2002, 154, 158, spricht deshalb auch von einer ,vorläufig ungelösten Frage der Haftung des Berechtigten beim gesetzlichen Rücktritt ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund‘, während Gaier, WM 2002, 1, 12, in der Verwendung der ,Pflichtverletzungsterminologie‘ Missverständnisse provoziert sieht und die Lösung der Rechtsprechung und Literatur überlässt. 1011 Die hier angestellten rechtsökonomischen Erwägungen, welche die Reduzierung des Haftungsmaßstabes auf die diligentia quam in suis vor dem Hintergrund des Rückabwicklungsschuldverhältnisses als reziprokem Kooperations- und Äquivalenzverhältnis stützen, haben dabei freilich expressis verbis keinen Einzug in die Gesetzesbegründung gehalten. 1012 So ausdrücklich die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 196, während die Grundannahme, der Käufer dürfe zunächst davon ausgehen, dass der ihm übertragene Gegenstand endgültig Bestandteil seines Vermögens geworden ist, sich in der Gesetzesbegründung allein zur Rechtfertigung der Abwendung von §§ 350 bis 353 BGB a.F. und zur Legitimation des neugefassten Regimes der Wertersatzpflicht bei der Erläuterung zu § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB findet, vgl. BT-Drs. 14/ 6040, S. 194 f. 1013 Die Kritik, die Thier, in: FS Heldrich, S. 439, 444, diesem Begründungsansatz des Gesetzgebers entgegenbringt, verfängt m.E. nicht. Thier (a.a.O.) stellt darauf ab, dass der Rücktrittsgegner in dieser Konzeption des Gesetzgebers gleichsam mit einem negativen Vertrauensschutz belastet sei, was nicht in das Konzept des BGB passe, da Vertrauensschutz im BGB regelmäßig nur Dispositionen des Vertrauenden umfasse. Gerade in Fällen des zufälligen Untergangs der Sache aber habe der Rücktrittsgegner jede Einflussnahmemöglichkeit auf die Sache verloren, weshalb ihm nicht im Wege eines negativen Vertrauensschutzes das Risiko einer mangels Eröffnung einer Einflusssphäre nicht möglichen Disposition angelastet werden könne. Demgegenüber liegt die ,Disposition‘ des Verkäufers, wollte man eine solche tatsächlich für erforderlich halten, darin, den am Maßstab des § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht erfüllungstauglichen Kaufgegenstand dem Käufer zu Eigentum zu übertragen und damit allein dessen Einflussspähre zu übergeben. Er hat damit eine Disposition dahingehend getroffen, dass er trotz Verbleibens der Sachgefahr bei ihm dem Erfüllungsversuch Vorrang einräumt und so das Risiko einer nachteiligen Veränderung des Gegenstandes selbst verantwortet. Demgegenüber steht der Schutz des Vertrauens des Käufers darauf, in Bezug auf den ihm übereigneten Gegenstand keine besonderen Dispositionen zum Schutze der Interessen des Verkäufers treffen zu müssen. Thier (a.a.O.)
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Ebensowenig vermag allein die Kenntnis von einem potentiellen und mangels Rücktrittserklärung noch nicht zur Entstehung gelangten Rückgewährschuldverhältnis den Rücktrittsberechtigten bereits in dessen Befugnissen aus § 903 BGB1014 zu beschränken,1015 sodass die Haftungsprivilegierung auch nach Kenntnis vom Rücktrittsgrund konsequente Fortsetzung des Erfüllungsversuchs und des dem Rücktrittsberechtigten uneingeschränkt zustehenden Rechts ist, seine Nutzenerwartung durch eigenüblichen Gebrauch des Vertragsgegenstandes zu erfüllen zu suchen.1016 Dies ist auch deshalb gerechtfertigt, weil anderenfalls das gewährleistungsrechtliche Wahlrecht des Rücktrittsberechtigten aus § 437 BGB, insbesondere aus § 437 Nr. 2 BGB selbst unzulässig belastet würde. Die Rücktrittsvoraussetzungen treten nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist zur Herstellung kooperations- und äquivalenzgerechter Zustände ein.1017 Alternativ steht z.B. dem Käufer als Rücktrittsberechtigtem aber das Recht zur Seite, den Kaufpreis zu mindern, oder, Verschulden des Verkäufers vorausgesetzt, (nur) den kleinen Schadensersatz geltend zu machen, im Ergebnis daher mit dem Rücktritt voraussetzungsgleiche Gewährleistungsrechte geltend zu machen, den Kaufgegenstand aber dennoch zu behalten. Zu einem Zeitpunkt also, zu dem der Käufer bereits Kenntnis von dem Rücktrittsgrund und sei1014 übersieht m.E., dass es sich um einen negativen Vertrauensschutz handelt, dass also nicht der Schutz eigener Dispositionen im Fokus steht, sondern die Befreiung des anderen Teils davon, Dispositionen zugunsten des mit dem negativen Vertrauen Belasteten treffen zu müssen. Mit der Umkehr des Vertrauens in einen negativen Vertrauensschutz kehrt sich daher auch die Zielrichtung der geschützten Dispositionen um. Die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte ratio des Gesetzes ist daher wohlbegründet und kann ohne berechtigte Zweifel in die Auslegung des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB Einzug halten. 1014 Mit einem entsprechenden, jedoch nicht konsequent zu Ende geführten Ansatz auch Kaiser, in: Staudinger, BGB, § 346 Rz: 183: „Der Rücktrittsberechtigte wird nicht von einer Haftung gegenüber dem Rücktrittsgegner befreit, sondern er wird bis zur Kenntnis vom Rücktrittsgrund entsprechend der tatsächlichen Rechtslage behandelt: Er ist Eigentümer der Sache.“ Dazu aber, dass sich daran auch durch die Kenntnis des Rücktrittsberechtigten von seinem Rücktrittsrecht nichts ändert, damit aber die auch von Kaiser, a.a.O., Rz. 188, befürwortete, nach § 280 BGB schadensersatzbewährte Verpflichtung zur Rücksichtnahme einer Grundlage entbehrt, fehlt jede Auseinandersetzung. Ähnlich im Übrigen auch Oechsler, SR-BT, § 2 Rz. 206, der ebenfalls zunächst auf das Eigentum des Käufers als Legitimationsgrundlage für den unbeschränkten Umgang mit der Sache abstellt, die Norm aber ,über den Wortlaut hinaus‘ für nicht anwendbar hält, wenn der Berechtigte den Rücktrittsgrund kennt. 1015 Dass die Rückgewähr der verschlechterten oder trotz Beachtung der eigenüblichen Sorgfalt untergegangenen Sache ,obligationswidrig‘ wäre, wie Heinrichs, in: FS E. Schmidt, S. 159, 166, im Anschluss an E. Schmidt, Schuldverhältnis, Rz. 190 ff., unterstellt, entbehrt leider einer entsprechenden Begründung, da Heinrichs nicht überzeugend nachzuweisen vermag, woraus eine solche Obligation im Sinne einer Pflichtverletzung abzuleiten sein soll, bevor ein Rückabwicklungsschuldverhältnis mit wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten überhaupt entstanden ist. Richtigerweise könnte allein die Ausübung des Rücktritts nach Verschlechterung der Sache als Pflichtverletzung angesehen werden, wollte man die Ausübung des Rücktritts in solchem Fall für treuwidrig halten; dies ließe sich jedoch mit dem Paradigmenwechsel im Rücktrittsrecht gerade nicht (mehr) vereinbaren. Die Lösung des Problems muss daher auf anderer Ebene gefunden werden. 1016 So z.B. auch Röthel, in: Erman, BGB, § 346 Rz. 29; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 346 Rz. 13b; Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 346 Rz. 53; bis hierher auch noch zustimmend Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893. 1017 Dazu ausführlich oben 2. Kap. § 2 A) und B) I.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
nem Rücktrittsrecht hat, steht deshalb keineswegs bereits fest, ob er sich tatsächlich für die Rückabwicklung und damit für das Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses entscheidet, oder ob der Kaufgegenstand nicht dennoch auf Dauer in seinem Vermögen und Einflussbereich verbleiben soll, weil er sich für den kleinen Schadensersatz oder die Minderung anstelle des Rücktritts entscheidet.1018 Nach der gesetzgeberischen ratio des neugefassten Rücktrittsrechts aber soll die Rechtfertigung für einen nicht ersatzbewährten Erhalt der Rücktrittslage auch nach Beschädigung oder Zerstörung des Vertragsgegenstandes trotz Beachtung der eigenüblichen Sorgfalt durch den Käufer erst dann entfallen, wenn der Käufer nicht mehr uneingeschränkt davon ausgehen kann, dass die Sache endgültiger Bestandteil seines Vermögens ist.1019 Dies ist aber erst nach Zugang der Rücktrittserklärung beim Rücktrittsgegner der Fall. Die für die teleologische Beschränkung des Haftungsprivilegs aus § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB ins Feld geführte Begründung, der Käufer dürfe ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund nicht mehr von der uneingeschränkten Endgültigkeit seines Rechtserwerbs ausgehen und deshalb mit der Sache auch nicht mehr ohne Rücksicht auf etwaig betroffene Rechte des designierten Rückgewährgläubigers in eigenüblicher Sorgfalt verfahren,1020 sondern müsse im Vorgriff auf sein Gewährleistungswahlrecht bereits einen ggf. höheren als den eigenüblichen Sorgfaltsmaßstab anwenden, kann daher in dieser Allgemeinheit nicht verfangen. Nach der hier vertretenen Legitimation der Begrenzung des Haftungsmaßstabs auf die diligentia quam in suis als Folge und Ausprägung des Rückgewährschuldverhältnisses als reziprok-kooperativem Abwicklungsverhältnis verbietet sich jede zusätzliche Belastung des Käufers, die potentiell oder tatsächlich geeignet ist, dessen mit dem Vertrag verfolgten Nutzen zu beschränken.1021 Genau eine solche Beschränkung der Realisationsmöglichkeiten tritt aber ein, wenn und soweit der Umgang mit dem Vertragsgegenstand bereits in der Entscheidungsphase, ob der Gegenstand durch Ausübung des Rücktritts aus dem Vermögen wieder ausgesondert oder aber unter Reduzierung der eigenen Zahlungsbereitschaft und damit unter Anpassung der Äquivalenzbeziehung in das eigene Vermögen integriert bleiben soll. Die Entscheidungsgrundlagen werden hierdurch ganz erheblich berührt, da bei einem nicht unbefangenen Umgang mit dem Gegenstand auch keine unbefan1018 Die Annahme Medicus’, in: PWW-BGB, § 346 Rz. 18, bereits ab Kenntnis vom Rücktrittsgrund könne der Rücktrittsberechtigte nicht mehr davon ausgehen, den Gegenstand auf Dauer behalten zu dürfen, entspricht daher nicht den rechtlichen Gegebenheiten. 1019 Vgl. dazu erneut BT-Drs. 14/6040, S. 195, 196, sowie Lorenz, NJW 2005, 1889, 1893, und Kamanabrou, NJW 2003, 30, 31. 1020 Nochmals Schwab, JuS 2002, 630, 635; ebenso Perkams, Jura 2003, 150, 151; Rheinländer, ZGS 2004, 178. 1021 Vgl. nochmals Oechsler, SR-BT, § 2 Rz. 206, wonach der Käufer Eigentum gerade frei von jedweder Beschränkung erwirbt. Das muss sich bis in das (noch) schwebende Gewährleistungsverhältnis fortsetzen, da nicht erkennbar ist, wie allein das Bestehen eines durch Erklärung auszuübenden und noch nicht näher bestimmten Rechts die erworbene Rechtsstellung soll begrenzen und dem Käufer als Eigentümer soll Beschränkungen auferlegen können.
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gene Entscheidung in dem Sinne getroffen werden kann, dass der tatsächlich der mangelbehafteten Sache verbliebene Nutzenwert durch eigenüblichen Umgang mit ihr erforscht und so die Grundlage für die Entscheidung geschaffen wird, diese auszusondern oder zu behalten. In einem schwebenden Gewährleistungsverhältnis1022 spricht daher zunächst vieles dafür, die Nutzenerwartung des grundsätzlich auch vom Gesetzgeber für schützenswürdiger gehaltenen Käufers über das Interesse des Verkäufers zu stellen, bereits vor Ausübung des Rücktritts durch subjektiv überobligatorische Verhaltensanforderungen an den Käufer in seinem Rückgewähr-, der zu diesem Zeitpunkt nur Eventualanspruch ist, zusätzlich geschützt zu werden. Aus einer solchen Interessenabwägung folgt aber selbstverständlich zugleich, dass rechtsmissbräuchliches und treuwidriges Verhalten des Verkäufers in Anwendung des § 242 BGB zu einem Entfall des Haftungsprivilegs führen können.1023 Zugleich folgt aus dieser Interessenabwägung während der Schwebelage aber auch, dass der Verkäufer das Recht haben muss, Gewissheit über das Entstehen eines Rückgewährschuldverhältnisses zu erlangen, und ihm – insbesondere wenn er den eigenüblichen Umgang des Käufers mit dem Kaufgegenstand für risikobehaftet hält – ein Weg offen stehen muss, die Schwebelage und damit das Haftungsprivileg zu beenden. Ein solcher Weg ist innerhalb der kaufgewährleistungsrechtlichen Institutionen aber bereits bekannt und hier auch schon erörtert: Dasselbe Problem, nämlich das Bestehen einer für den Verkäufer unbefriedigenden Schwebelage infolge noch ausstehender Wahlrechtsausübung durch den Käufer besteht auch im Rahmen des dem Käufer zugewiesenen Wahlrechts der vorrangig gewünschten Nacherfüllungsalternative gemäß § 439 BGB. Dort muss sich der Verkäufer, solange der 1022 In dieser qualitativen Zuordnung der Schwebelage zum Gewährleistungs- und nicht zum Rückgewährschuldverhältnis liegt der wesentliche Unterschied zur Auffassung Kohler’s, JZ 2002, 1127, 1131 f., der die Haftung des Rücktrittsberechtigten von der Kenntnis vom Rücktrittsgrund an mit dem Argument verschärfen will, dass es einem allgemeinen und auch anderen Orts feststellbaren Rechtsgrundsatz entspreche, dass im Fall der späteren Beendigung einer Schwebelage das dadurch entstandene Rechtsverhältnis haftungsrechtlich auf den Zeitpunkt vor ihrer Beendigung zurückbezogen werde, der Haftungsmaßstab vor Beendigung der Schwebelage sich also im Falle der späteren Beendigung an dem dadurch entstehenden Rechtsverhältnis zu orientieren habe. Dies mag zutreffen, wenn die Schwebelage tatsächlich in Bezug auf ein konkretes Rechtsverhältnis besteht und im hier konkret zu entscheidenden Fall konkret in Bezug auf das Rückgewährschuldverhältnis bestünde. Allein dies ist nicht der Fall. Die Schwebelage besteht in Bezug auf das Gewährleistungsverhältnis im Allgemeinen mit den Wahlmöglichkeiten des Käufers aus § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB, von welchen der Rücktritt nur eine ist. Die Haftung während dieser Schwebelage, die sich z.B. ebenso auf die Minderung wie auf den Rücktritt bezieht, vorrangig an das Rückgewährschuldverhältnis anzuknüpfen, besteht keine Rechtfertigung. Damit würde nämlich jedenfalls haftungsrechtlich die Entscheidung des Käufers vorweggenommen und das Wahlrecht unzulässig beschränkt. 1023 So im Ergebnis auch Röthel, in: Erman, BGB, § 346 Rz. 29; die vorsätzliche Vernichtung oder Beschädigung der Kaufsache für sich allein muss allerdings noch kein treuwidriges Verhalten in diesem Sinne darstellen, da jede Treuwidrigkeit Bezug zum konkreten Abwicklungsverhältnis verlangt. Allein die vorsätzliche Zerstörung oder Beschädigung der Kaufsache reicht daher noch nicht aus, das Rücktrittsrecht auszuschließen, vgl. z.B. Rolland, in: Das neue Schuldrecht, S. 140.
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Käufer sein Wahlrecht nicht ausgeübt hat, alternativ zur Neulieferung oder zur Nachbesserung bereit halten, hier droht ihm die Rücknahme eines Kaufgegenstandes, mit dem der Käufer bis zur Ausübung der Wahl nicht nach objektiven, sondern allein nach subjektiven Verhaltensmaßstäben zu verfahren berechtigt ist; in beiden Fällen eine für den Verkäufer wirtschaftlich gegebenenfalls nachteilige Situation. Ergebnis der Erörterung von Lösungsmöglichkeiten für dieses Dilemma im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs war demgegenüber aber bereits die Feststellung, dass der Inhalt eines potentiellen Gewährleistungsverhältnisses Bestandteil der vertraglichen Kooperationsbeziehung ist und damit nicht allein die kooperative Pflicht des Verkäufers besteht, die käuferseitigen Gewährleistungsansprüche zu erfüllen, sondern ebenso die Pflicht des Käufers, sich zur Erfüllung durch den Verkäufer auch bereit zu halten. Daraus folgt aber kooperationsrechtlich eine nebenvertragliche Pflicht des Käufers aus § 241 Abs. 1 BGB, sein Wahlrecht binnen angemessener Frist und spätestens nach Aufforderung durch den Verkäufer auch auszuüben.1024 Tut er dies nicht, gerät er mit der kaufvertraglichen Abnahmepflicht, die Nebenpflicht aus § 433 BGB ist, in Verzug.1025 Während des Verzugs aber verschiebt sich der Haftungsmaßstab bereits nach § 287 BGB zu Lasten des Käufers. Einer teleologischen Reduktion des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB bedarf es dann nicht. Im Ergebnis sind daher drei Zeitabschnitte mit jeweils verschiedener Haftungsqualität zu unterscheiden: Allein die Kenntnis vom Rücktrittsgrund ändert an dem Sorgfaltsmaßstab der Haftung des Käufers nur für die diligentia quam in suis noch nichts. Fordert der Verkäufer den Käufer allerdings zur Ausübung des Gewährleistungswahlrechts auf oder übt der Käufer auch ohne eine solche Aufforderung sein Wahlrecht nicht binnen angemessener Frist nach Kenntniserlangung aus, gerät er mit einer kaufvertraglichen Nebenpflicht (§§ 433 Abs. 1, 241 Abs. 1 BGB) in Verzug, was zu einer Verschärfung des Haftungsmaßstabes führt, da ab diesem Zeitpunkt § 287 BGB das Privileg des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB überlagert. Übt er hingegen sein Wahlrecht aus und wählt er den Rücktritt, gelangt das Rückabwicklungsschuldverhältnis des § 346 Abs. 1 BGB zur Entstehung, das dann tatsächlich die Rechte des Käufers aus § 903 BGB beschränkt und Rücksichtnahmepflichten des Käufers nach § 241 Abs. 1 BGB auslöst,1026 deren Inhalt – wie im 1024 Entgegen Oechsler, SR-BT, § 2 Rz. 206, ist damit sehr wohl ein Grund ersichtlich, dem Käufer bis zur Ausübung des Rücktritts die privilegierte Haftung zu erhalten; die Interessen des Verkäufers werden dabei über eine Haftungsanknüpfung in Bezug auf die gebotene Entscheidung zur Beendigung des Schwebezeitraums zwischen Kenntniserlangung und Wahlerklärung gewahrt, was insgesamt zu einer im Gesamtgefüge konsistenteren Lösung führt. 1025 Dazu im Zusammenhang mit der Ausübung des Wahlrechts zur Nacherfüllung ausführlich oben, 2. Kap. § 2 III.2 a). 1026 Statt vieler, sei z.B auf Grothe, in: Bamberger/Roth, BGB, § 346 Rz. 53, und Medicus, in: PWWBGB, § 346 Rz. 18, hingewiesen, die wie andere davon ausgehen, dass der Rücktrittsberechtigte schon vor der Rücktrittserklärung in eine Pflichtenstellung für den Fall des Rücktritts einrücken könne, weil eine Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB greife. Kohler, JZ 2002, 1127, 1131 f., begründet die entstehende Haftung ausführlich, wie soeben gesehen, über einen von ihm erkannten Rechtsgrund-
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Folgenden zu klären sein wird – dogmatisch über § 346 Abs. 4 BGB zu gewährleisten ist.1027 cc) Rücktrittsrechtliche Schadensersatzhaftung Auch soweit nämlich eine teleologische Reduktion des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB nach der hier vertretenen Auffassung nicht in Betracht kommt, bleibt die – vieldiskutierte – Frage zu beantworten, wie sich die hier vorgenommene zeitlichqualitative Differenzierung mit der Möglichkeit einer Überlagerung des Haftungsprivilegs aus § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB durch § 287 BGB vor Ausübung des Rücktritts und des Entstehens von Pflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB in dem mit Zugang der Rücktrittserklärung entstehenden Rückgewährschuldverhältnis zu der allgemeinen Schadensersatzpflicht des § 346 Abs. 4 BGB i.V.m. §§ 280 ff. BGB verhält. Zunächst spricht § 346 Abs. 4 BGB von einer Schadensersatzhaftung wegen einer Verletzung der ,Rückgewährpflicht‘. Die Verletzung einer Rückgewährpflicht setzt aber das Bestehen eines Rückgewähranspruchs voraus. Ein solcher entsteht erst mit dem Zugang der Rücktrittserklärung, also mit der Umwandlung des Vertrages in ein Rückgewährschuldverhältnis. Ein Ansatzpunkt für eine frühere Haftungsanknüpfung besteht daher zunächst nicht.1028 Gegen diese streng terminologische Auffassung ist zum Teil heftige und inzwischen in der Literatur wohl auch als herrschend zu bezeichnende Kritik vorgebracht worden, die sich im Wesentlichen an einem von Gaier1029 entwickelten 3satz1027 der Haftung in Schwebelagen, weicht damit also jedenfalls in der Begründung ebenfalls von dem Konzept der h.M. ab. Die m.E. näherliegende Haftungsanknüpfung an ein berechtigtes Interesse des Verkäufers, die Schwebelage zu beenden, wird bislang demgegenüber nicht diskutiert. Künftige Rücksichtnahmepflichten sind ebenso wie eine Schwebelage dann zu rechtfertigen, wenn der zur Ausübung eines Rechts Berechtigte allein die Entscheidung zu treffen hat, ob er sein (Gewährleistungs-) Recht ausübt, oder nicht. Das trifft jedoch nicht den hier gegebenen Fall, da der Käufer sehr wohl Gewährleistungsrechte ausüben kann, ohne dass es zu einer Rückabwicklung kommt. Allein die Kenntnis von einem Gewährleistungsfall und der gescheiterten, jedenfalls nicht fristgerechten oder aus Rechtsgründen nicht vorzuschaltenden Nacherfüllung begründen in Bezug auf das rücktrittsrechtliche Rückgewährschuldverhältnis aber noch gar keine Schwebelage im engeren und damit im eigentlichen Sinne. Es ist daher sachnäher, an die gewährleistungsrechtliche Schwebelage anzuknüpfen und diese zum Gegenstand der Interessenwahrung auch des Verkäufers zu machen. 1027 Anders als in dem 3-Phasen-Modell von Gaier, WM 2002, 1, 12, (dazu sogleich) sind die Zeitabschnitte vor Ausübung des Rücktrittsrechts daher hier nicht danach unterschieden, ob der Rücktrittsberechtigte bereits Kenntnis von seinem Rücktrittsrecht hat, sondern danach, ob er sich mit der Ausübung seiner Wahlerklärung bereits in Verzug befindet und so kooperative Nebenpflichten verletzt. M.E. vermag dies eine Verschiebung des Haftungsmaßstabes sehr viel verlässlicher zu erklären, da dem Rücktrittsberechtigten ein realer Verstoß gegen Obliegenheiten anzulasten ist, während demgegenüber nach der in der Literatur im Anschluss an Gaier, a.a.O., wohl herrschenden Auffassung einseitig an subjektive Merkmale ohne Bezug zu der zugrunde liegenden Kooperationsbeziehung angeknüpft wird. 1028 Vgl. z.B. Kaiser, JZ 2001, 1057, 1063; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 434; Bezzenberger, in: Erman, BGB, § 346 Rz. 31, 34 f. 1029 Gaier, in: MünchKomm-BGB, § 346 Rz. 61 ff.; ders., in: WM 2002, 1, 12 ff.; ihm folgend Heinrichs, in: FS E. Schmidt, S. 159, 164 ff.; Arnold, Jura 2002, 154, 158.
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Phasen-Modell orientiert, das ebenfalls das Ziel verfolgt, das Haftungsprivileg des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB vom Zeitpunkt der Kenntnis der Rücktrittsmöglichkeit an zu begrenzen. Nach diesem 3-Phasen-Modell treffen den Rückgewährschuldner vor Ausübung des Rücktritts keine Sorgfaltspflichten in Bezug auf den Umgang mit der Sache, wenn und soweit er noch keine Kenntnis und auch keine fahrlässige Unkenntnis von dem Rücktrittsgrund hat. Sobald eine solche Kenntnis jedoch gegeben ist, gelte der allgemeine Haftungsmaßstab des § 276 Abs. 1 BGB, was nach Ausübung des Rücktritts, in der dritten Phase also, selbstverständlich sei. Die Verschärfung des Haftungsmaßstabes in der zweiten Phase, also vor der Rücktrittserklärung aber nach Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis von dem Rücktrittsgrund habe ihre Rechtfertigung darin, dass der Schuldner nach § 346 Abs. 1 BGB verpflichtet sei, den Gegenstand in dem Zustand zurück zu gewähren, in dem er sich bei ordnungsmäßiger Nutzung befände. Sei er, der Schuldner, hierzu nicht in der Lage, falle ihm eine – objektive – Pflichtverletzung zur Last, gleichgültig, ob die die Rückgewähr störende Handlung in die Zeit vor oder nach Erklärung des Rücktritts falle.1030 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass sich der Maßstab einer ,ordnungsmäßigen Nutzung‘ in diesem Sinne gerade nicht über die Anordnung des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB und den darin zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers1031 hinwegsetzen kann, mit anderen Worten: Der Rücktrittsberechtigte bestimmt selbst, welche Nutzung vor Ausübung des Rücktritts ordnungsgemäß ist. Geht der Gegenstand im Rahmen einer solchen Nutzung unter oder wird er verschlechtert, so vermag dies – auch vor dem Hintergrund des § 903 BGB und den soeben entwickelten Grundsätzen – keine Haftungsverschärfung zulasten des nur potentiell Rücktrittsberechtigten auszulösen; oder, wie Wagner1032 es in Anlehnung an Weir und Kipling formuliert: „It’s clever, but is it law?“ Die Bestrebungen, die ungeliebte Rechtsfolge des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB zurückzudrängen, dürfen im Ergebnis nicht dazu führen, das gesetzgeberische Regelungskonzept, das dieser mit der Neuordnung des Rücktrittsrechts verfolgt hat, zu unterlaufen und durch die Hintertür die Rücktrittssperre des § 351 BGB a.F. und damit auch die zu dieser Vorschrift geführte Diskussion, um den Maßstab eines ,fahrlässigen Umgangs mit der Sache‘ wieder zu beleben. Der Gesetzgeber hat an die Stelle der Rücktrittssperre eine Wertersatzpflicht gesetzt und diese in Fällen, die er für billig und geboten hielt, eingeschränkt. Die Vorschriften über die Wertersatzpflicht sind daher Korrelat des auch nach Beschädigung oder Zerstörung der Sache möglich gebliebenen Rücktritts. Sie beziehen sich daher allein auf den Zeitpunkt vor Ausübung der Rücktrittserklärung und die Frage, ob und mit welchen Konse1030
So Heinrichs, in: FS E. Schmidt, S. 159, 166. So auch überzeugend Wagner, in: FS Huber, S. 591, 616 ff. 1032 Wagner, in: FS Huber, S. 591, 616, im Anschluss an und mit Hinweis auf R. Kipling, The Conundrum of Workshops, in: ders., The Complete Verse, London 1990, S. 272, und T. Weir, Economic Torts, 1997, S. 5 Fn. 14. 1031
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quenzen diese möglich bleibt. Wollte man nun, der Argumentation Heinrichs’1033 folgend, davon ausgehen, dass es für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs allein auf eine objektive Verletzung der Pflicht zur Rückgewähr aus § 346 Abs. 1 BGB ankomme, wobei gleichgültig sei, wann die die Rückgewähr störende Handlung eingetreten sei, so würde dieses gesetzgeberische Konzept unterlaufen, da Pflichten aus dem später erst durch Ausübung des Rücktritts entstehenden Rückgewährschuldverhältnisses bereits auf einen Zeitpunkt vor der Erklärung zurückbezogen würden und damit gegebenenfalls eine wirtschaftliche Rücktrittssperre bewirkten.1034 Hinzu kommt, dass nach der hier vertretenen zeitlich-qualitativen Abstufung des schwebenden Gewährleistungsverhältnisses ein Bedürfnis für eine zeitlich auf einen Zeitpunkt vor Entstehen des Rückgewährschuldverhältnisses und damit der Pflichten aus § 346 Abs. 1 BGB vorverlagerten Haftung nicht besteht: Der Verkäufer hat es in der Hand, die Schwebe- und aus seiner Sicht unbefriedigende Haftungslage durch Aufforderung des Käufers, seine Gewährleistungswahl binnen angemessener Frist zu treffen, zu beenden. Mit Fristablauf gerät der Käufer in Verzug, wodurch das Haftungsprivileg des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB von § 287 BGB überlagert wird. Übt der Käufer sein Wahlrecht aus und erklärt er den Rücktritt, entsteht das Rückgewährschuldverhältnis. Da ab diesem Zeitpunkt die Wertersatzregeln, welche systematisch, wie soeben gesehen, allein die Frage des ob und der Folgen des Rücktritts regeln, nicht mehr greifen, ist der Weg für die Anwendung des allgemeinen Haftungsmaßstabes aus § 276 Abs. 2 BGB mit Rücksichtnahmepflichten aus § 241 Abs. 1 BGB und im Verletzungsfalle Schadensersatzansprüchen nach § 346 Abs. 4 BGB i.V.m. §§ 280 ff. BGB frei. Es bleibt damit festzuhalten: § 346 Abs. 4 BGB hat einen Anwendungsbereich erst nach Zugang der Rücktrittserklärung beim Rücktrittsgegner und Entstehen des Rückgewährschuldverhältnisses. Zeitgleich verlieren die Haftungsprivilegien, die nach der systematischen Neuordnung des Rücktrittsrechts Korrelat der bestehen gebliebenen Möglichkeit zum Rücktritt sind und sich deshalb – exklusiv – nur auf die Zeit bis zum Zugang der Rücktrittserklärung erstrecken, ihre Anwendbarkeit und werden durch den allgemeinen Haftungsmaßstab des § 276 Abs. 2 BGB und den Pflichtenkatalog des § 241 Abs. 1 BGB abgelöst. III.4 Pflichten, Obliegenheiten und Haftung des Rücktrittsgegners – insbesondere: Rückgewähranspruch und Rücknahmepflicht Solange der Käufer sein Gewährleistungswahlrecht in einer schwebenden Gewährleistungslage nicht ausgeübt hat, muss sich der Verkäufer zur Erfüllung der alternativen Gewährleistungsrechtsbehelfe bereithalten. Dies ist Bestandteil seiner kaufvertraglichen Pflichten. Sobald ihm eine Rücktrittserklärung des Käu1033 1034
Heinrichs, in: FS E. Schmidt, S. 159, 166. Im Ergebnis ähnlich Wagner, in: FS Huber, S. 591, 620 ff.
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fers zugeht, konkretisiert sich diese Nebenpflicht auf die Verpflichtungen aus dem nach § 346 Abs. 1 BGB entstehenden Rückgewährschuldverhältnis. Nach § 346 Abs. 1 BGB sind die Parteien verpflichtet, die wechselseitig empfangenen Leistungen zurück zu gewähren. Nicht geregelt ist in § 346 Abs. 1 BGB jedoch die Frage, ob auch eine Verpflichtung der Parteien zur Rücknahme der wechselseitig gewährten Leistungen besteht, ob also der Verkäufer nicht nur verpflichtet ist, den erhaltenen Kaufpreis zurückzuzahlen, sondern ebenso, den gelieferten Kaufgegenstand auch zurückzunehmen. Diese Frage kann insbesondere dann von Bedeutung sein, wenn die Kaufsache beim Käufer beschädigt worden ist und der Verkäufer deshalb an ihr kein Interesse mehr hat, oder wenn die Rücknahme etwa wegen der Notwendigkeit einer Demontage mit erhöhtem Aufwand verbunden ist. Die wohl herrschende Meinung1035 bejaht eine solche Rücknahmepflicht des Verkäufers, lässt korrespondierende Pflichten des Käufers aber, z.B. wenn diesem eine Ersetzungsbefugnis eingeräumt worden war, weitgehend unerwähnt.1036 In der Vergangenheit ist die Beantwortung der Frage nach der Rücknahmepflicht stets eng mit der in § 346 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht geregelten Frage nach dem Leistungsund Erfüllungsort der Rückgewähr- und gegebenenfalls der Rücknahmepflicht erörtert worden.1037 Die Annahme auch einer Rücknahmepflicht kann, wie bereits die Beispielsfälle einer notwendigen Demontage zeigen, mit nennenswertem Aufwand für die belastete Partei verbunden sein. In der Sache geht es deshalb auch hier um eine gerechte Risikoverteilung,1038 die es einerseits dem Verkäufer ermöglicht, ex ante eine verlässliche Risikokalkulation vornehmen zu können und diese in die Ermittlung seiner Zahlungsbereitschaft einfließen zu lassen, andererseits aber den Käufer nicht über Gebühr belastet, wo der Rücktritt als Maßnahme der Verstrickungsabwehr gerade dem Ziel dient, eine Neuallokation seiner Ressourcen vorzunehmen, das rückabzuwickelnde Geschäft für ihn also im besten Fall kostenneutral1039 zu halten.1040 1035 Statt vieler: Oechsler, SR-BT, § 2 Rz. 219; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 346 Rz. 2; Reinicke/ Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 386; Noch zur Wandlung nach § 467 BGB a.F.: BGH, NJW 1983, 1479; BGH, MDR 1955, 464. 1036 Deshalb kritisch und für einen gleichlautenden Pflichtenkatalog plädierend Kaiser, in: Staudinger, BGB, § 346 Rz. 88 ff.; dazu nunmehr BGH, NJW 2008, 2028, wo es heiß (Tz. 17): „Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung des BerGer. nicht lediglich eine wirtschaftliche, sondern auch eine rechtliche Verknüpfung des Neuwagenkaufs mit der Vereinbarung über das Altfahrzeug, die dazu führt, dass der Kl. Rückabwicklung des Neuwagengeschäfts nur unter Einbeziehung des Altwagengeschäfts beanspruchen kann.“. Auch der BGH scheint daher an einer solchen Einheitlichkeit der Rückabwicklung künftig festhalten zu wollen. 1037 Muscheler, AcP 187 (1987), 343. 387; Köhler, in: FS Heinrichs, S. 367, 370 ff.; so leitet Oechsler, SR-BT, § 2 Rz. 219, auch heute seine Auffassung von der bestehenden Rücknahmepflicht aus einem arg. e contr. § 269 Abs. 1 BGB ab. 1038 So bereits Köhler, in: FS Heinrichs, S. 367, 370. 1039 Hierbei darf allerdings nicht übersehen werden, dass der Rückgriff auf den Terminus „Kosten“ nicht im ökonomischen Sinne verstanden werden kann, da allein die Transaktionskosten im Zusammenhang mit der Rückabwicklung sowie der gegebenenfalls zu erwartende Verlust von Quasirenten
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Es stellt sich daher zuvörderst die Frage, ob nicht bereits der Gesetzgeber die Frage der Risikoallokation in vergleichbaren Fällen geregelt hat und sich nicht die dort zugrunde liegenden Erwägungen auch auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen lassen. Tatsächlich hat der Gesetzgeber nämlich in ganz ähnlichem Zusammenhang die Kostentragungslast für die Rückholung auch einer nicht mehr am ursprünglichen vertraglichen Erfüllungsort vorhandenen Kaufsache dem Verkäufer zugewiesen, in dessen Verantwortungssphäre das die Rückholung auslösende Ereignis fällt. Die Rede ist von § 439 Abs. 2 BGB, wonach der Verkäufer die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen hat. Wenn auch streitig ist, ob es sich bei § 439 Abs. 2 BGB um eine Anspruchsgrundlage oder eine bloße Kostenzuweisungsnorm handelt,1041 so liegt ihr Regelungsziel jedoch klar auf der Hand: Der Nacherfüllungsanspruch dient der (erstmaligen) Herstellung der vertraglichkooperativen Äquivalenz1042 und damit zunächst dem durch mangelhafte Lieferung gestörten Äquivalenzinteresse des Käufers. Ohne eine Zuweisung der Kostentragungslast der Nacherfüllung zum Verkäufer würde dieses Äquivalenzinteresse des Käufers zusätzlich verletzt.1043 Soweit aber der Anordnung des § 439 Abs. 2 BGB das Ziel der Herstellung der vertraglichen Äquivalenz zugrunde liegt, verfolgt die Norm ein dem Rückgewährschuldverhältnis vergleichbares Regelungsziel: Weil nämlich das mit der Nacherfüllung verfolgte Ziel nicht, jedenfalls nicht innerhalb der hierfür bestimmten Frist zu erreichen war, eröffnet das Rücktrittsrecht den Eintritt in ein reziprok-kooperatives Abwicklungsverhältnis, das auf die (Wieder)Herstellung1044 einer negativen vertraglichen Äquivalenz gerichtet ist: Wenn der Rücktritt das ursprüngliche Schuldverhältnis umkehrt und somit die ursprünglichen Kooperationsabsprachen reziprok wirken, so gilt dies auch für die vertragliche Äquivalenzbeziehung. Ein subjektivbei1040 Eingehung eines Ersatzgeschäfts in jedem Fall zu einer Belastung des rückabwickelnden Käufers mit Kosten im ökonomischen Sinne führt. 1040 Vgl. Kaiser, in: Staudinger, BGB, § 346 Rz. 92: „Diese Kostenbelastung widerspricht dem Ziel der Rückabwicklung nach Rücktritt, den ohne Austausch der Leistungen bestehenden Zustand wiederherzustellen.“. Ähnlich auch Muscheler, AcP 187, 343, 386: „(…) obwohl die Vor- und Nachteilszuweisungen des Vertrags gerade nicht mehr gelten sollen und der Rücktritt es dem Berechtigten ermöglichen muss, möglichst schadlos aus dem Vertrag herauszukommen.“. Im Ergebnis so auch schon BGHZ 87, 104, 110 (zur Wandlung alten Rechts), der ein Interesse des Käufers anerkennt, möglichst weitgehend so gestellt zu werden, als habe er sich nicht auf den Vertrag eingelassen. 1041 Dazu ausführlich Hellwege, AcP 206 (2006), 136 ff., der die Einordnung der Norm als Anspruchsgrundlage ablehnt. Richtiger erscheint m.E. demgegenüber die Auffassung, die § 439 Abs. 2 BGB als Anspruchsgrundlage qualifziert, jedoch einen Anspruch auf den Ersatz von Selbstvornahmekosten ablehnt, da hierdurch das Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung unterlaufen werden könnte, vgl. Schmidt, in: PWW, BGB, § 439 Rz. 31 m.w.N. 1042 Dazu bereits sehr ausführlich oben 2. Kap. § 2 B) I. 1043 So anschaulich Berger, in: Jauernig, BGB, § 346 Rz. 37. 1044 Im Unterschied zum Nacherfüllungsanspruch dient das Rückabwicklungsschuldverhältnis nicht der erstmaligen Herstellung der vertraglichen Äquivalenz, sondern der Wiederherstellung der negativen vertraglichen Äquivalenz.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
äquivalenter Austausch der vertraglichen Leistungen ist nicht zustande gekommen. Der Käufer hat sich deshalb in einen Vertrag verstrickt, der nicht seinen subjektiven Präferenzen entspricht. Deshalb soll ihm über den Rücktritt eine Reallokationsmöglichkeit seiner in den Vertrag und dessen Durchführung investierten Ressourcen eröffnet werden. Eine vollständige Reallokation ist jedoch nur möglich, wenn die Gesamtinvestition in den Vertrag und seine Kosten in die Rückabwicklung einbezogen wird. Das Äquivalenzziel der Rückabwicklung besteht deshalb in der Wiederherstellung der ursprünglichen Ressourcenverteilung, also in der Wiederherstellung des status quo ante, dem negativen Äquivalenzziel der Kooperation.1045 Die Übertragung der Wertung des § 439 Abs. 2 BGB auch auf das Rückabwicklungsschuldverhältnis ist jedoch nicht allein vor dem Hintergrund dieser Äquivalenzüberlegungen gerechtfertigt, sondern auch aus rechtstatsächlichen Gründen. Zunächst ist kein belastbarer Grund dafür zu erkennen, warum der Verkäufer im Rahmen der Nachlieferung mit den Kosten des Rücktransports belastet werden soll, im Rahmen des für ihn sehr viel einschneidenderen käuferseitigen Rechtsbehelfs des Rücktritts jedoch nicht. Bereits ein argumentum a maiore ad minus spricht daher für die Übertragung der in § 439 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Wertung. Darüber hinaus wird die Entscheidung über Nacherfüllung oder Rücktritt vielfach gar nicht ohne Übergabe der Kaufsache an den Verkäufer bereits im Rahmen des noch schwebenden Nacherfüllungsverhältnisses möglich sein. Denn häufig wird der Verkäufer erst nach Inaugenscheinnahme der Sache entscheiden können, ob er sich zur Nacherfüllung in der Lage sieht oder nicht.1046 Befindet sich die Sache aber beim Verkäufer und entscheidet er sich, den Rücktritt durch fruchtloses Verstreichenlassen der Nachfrist zu provozieren, so kann dies nicht zu einer Neubewertung der Kosten der Rückholung führen, nur weil sich das Schuldverhältnis in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgestaltet hat. Aus diesem Grunde ist es auch unerheblich, ob der Käufer die Kaufsache zwischenzeitlich an einen anderen Ort als den ursprünglichen vertraglichen Erfüllungsort verbracht hat. Anders als § 467a Satz 2 BGB a.F. enthält § 439 Abs. 2 BGB eine Einschränkung in Bezug darauf nicht mehr, was dem ausdrücklichen Willen des Gesetzge1045
Dieses negative Äquivalenzziel der Rückabwicklung lässt sich ergänzend über einen begleitenden Schadensersatzanspruch (§ 325 BGB) aus § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. § 280 Abs. 1, 3 BGB, § 281 Abs. 1, 2. Alt. BGB, § 249 BGB begründen. Infolge des Sachmangels, der vor dem Hintergrund des § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Pflichtverletzung begründet, steht dem Käufer ein Schadensersatzanspruch, grundsätzlich gerichtet auf Naturalrestitution (§ 249 BGB) zu. Die Naturalrestitution umfasst jedoch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, was die Wegschaffung der Kaufsache beinhaltet, ähnlich Rolland, in: Das neue Schuldrecht, S. 141. Ob die Sache den Käufer ,übermäßig belastet‘, wie es Kaiser, in: Staudinger, BGB, § 346 Rz. 92, für erforderlich hält, aber dadurch selbst relativiert, dass allein der Verbleib einer defekten Sache im Besitz des Käufers eine solche übermäßige Belastung begründe, ist daher für den Anspruch des Käufers auf Herstellung der negativen Äquivalenz und des status quo ante und deshalb auch für die Diskussion um das Bestehen einer Rücknahmepflicht des Verkäufers unerheblich. 1046 Mit diesem Argument bereits und noch zur Wandlung alten Rechts Köhler, in: FS Heinrichs, S. 367, 372 f.
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bers entspricht.1047 Ist aber die Wertung des § 439 Abs. 2 BGB auf das Rückabwicklungsschuldverhältnis zu übertragen, so ist kein Grund ersichtlich, diese Übertragung danach zu differenzieren, ob sich die Kaufsache noch am ursprünglichen Erfüllungsort befindet. Soweit der Gesetzgeber im Rahmen des § 439 Abs. 2 BGB keine Veranlassung sah, den Verkäufer in diesem Fall von den zusätzlichen Kosten zu entlasten, besteht Anlass hierfür auch im Rahmen des § 346 Abs. 1 BGB nicht.1048 Es bleibt damit festzuhalten, dass unter Äquivalenzgesichtspunkten und in Analogie zu § 439 Abs. 2 BGB eine wechselseitige Verpflichtung der Kaufvertragsparteien besteht, nicht nur die empfangene Leistung zurück zu gewähren, sondern gleichermaßen, die ursprünglich hingegebene Leistung auch auf eigene Kosten zurückzunehmen. Nur auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass der Rücktritt seine Funktion, im Falle der Verstrickung in einen subjektiv nicht gewünschten Vertrag die Reallokation der in den Vertrag und seine Durchführung investierten Ressourcen zu ermöglichen, so weit wie möglich zu erfüllen in der Lage ist. Dies berücksichtigt bis hierher allerdings nur die (Äquivalenz)Interessen des Käufers. Wie eingangs dargestellt, muss eine sich in das Gerüst des Rückabwicklungsschuldverhältnisses als reziprok-kooperativer Abwicklungsvereinbarung einbettende Lösung auch die Interessen des Verkäufers an der Möglichkeit zu einer Kostenkalkulation ex ante zur Ermittlung seiner vertraglichen Zahlungsbereitschaft berücksichtigen.1049 Auch dieser Gesichtspunkt der Interessenabwägung zwischen den Parteien lässt sich jedoch über die hier vertretene Analogie zu § 439 Abs. 2 BGB berücksichtigen, führt man diese Analogie konsequent zu Ende. Die Kosten der Nacherfüllung im Sinne des § 439 Abs. 2 BGB sind nämlich Bestandteil der Bemessung der Nacherfüllungskosten im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB und finden daher Eingang in die Bemessung der Unzumutbarkeit der Nacherfüllung.1050 1047 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 231; dazu Schmidt, in: PWW, BGB, § 439 Rz. 18, mit Hinweis u.a. auf OLG München, NJW 2006, 449. 1048 Insoweit ist denn auch die Auffassung von Muscheler, AcP 187 (1987), 343, 387, nicht zu Ende gedacht. Nach seiner Auffassung ist es richtig, als Erfüllungsort der Rückgewährschuldverpflichtungen immer – ohne Berücksichtigung des Erfüllungsortes der vertraglichen Primäransprüche, die ja durch den Rücktritt gerade rückgängig gemacht werden sollten – den Wohnsitz des Rücktrittsberechtigten anzusehen, damit dieser, „wenn schon der Ersatz seines sonstigen Vertrauensschadens höchst ungewiss bleibt, nicht auch noch die Kosten der Rückabwicklung zu tragen“ habe. Eine zusätzliche Kostenbelastung bleibt aber nur dann ausgeschlossen, wenn auch die subjektive Verwendungsabsicht des Käufers in die Betrachtung einbezogen wird. Folge dieser subjektiven Verwendung, zu welcher der Käufer bis zum Entstehen des Rückgewährschuldverhältnisses ja gerade berechtigt bleibt, kann jedoch die örtliche Verlagerung des Kaufgegenstandes sein. Wäre er zur Rückholung verpflichtet, wäre diese von ihm in seine Zahlungsbereitschaft eingeflossene Verwendungsabsicht von ihm rückgängig zu machen, was das Äquivalenzverhältnis erneut zu seinen Lasten beeinträchtigte. Der grundsätzlich anzuerkennende Ansatz von Muscheler (a.a.O.) ist deshalb in der Weise konsequent zu Ende zu führen, dass Erfüllungsort für die Rückgewährverpflichtung derjenige Ort ist, an dem sich die Sache im Zeitpunkt des Zugangs der Rücktrittserklärung beim Verkäufer befindet, und der Verkäufer verpflichtet ist, die Sache auch dort abzunehmen. 1049 Vgl. dazu nochmals Köhler, in: FS Heinrichs, S. 367, 370. 1050 Vgl. z.B. Berger, in: Jauernig, BGB, § 439 Rz. 37 a.E.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Das heißt, sind die – zusätzlichen Kosten – der Rückholung dem Verkäufer unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zumutbar, wofür auf die Wertung des § 439 Abs. 3 BGB zurückgegriffen werden kann, ist der Verkäufer im Einzelfall von der Verpflichtung zur Rücknahme der Kaufsache entbunden.1051 Die die Zumutbarkeit beeinflussenden Faktoren müssen dabei aber, weil es um den vom Verkäufer nicht zu beeinflussenden Teil seiner Kostenkalkulation ex ante geht, auf solche aus der Sphäre des Käufers beschränkt bleiben, wie z.B. die Verbringung des Kaufgegenstandes an einen anderen Ort. III.5 Fazit Durch den Rücktritt kann sich der in den subjektiv ungewollten Vertrag verstrickte Käufer daher, liegen seine Eingangsvoraussetzungen vor, aus der Verstrickung befreien und so seine in den Vertrag und dessen Abwicklung investierten Ressourcen zur anderweitigen Allokation freischaffen. Dies setzt voraus, dass der Käufer, ist er mit der Kaufsache seiner ebenfalls subjektiven Nutzenpräferenz und deshalb seiner Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten entsprechend umgegangen, den Kaufgegenstand lediglich in dem Zustand zur verpflichtenden Abholung durch den Verkäufer bereithalten muss, in dem er sich bei Zugang der Rücktrittserklärung befindet. In jedem anderen Fall würde der Käufer mit zusätzlichen, in die ursprüngliche Kosten-Nutzen-Relation nicht einbezogenen (Transaktions)Kosten belastet, wodurch das ohnehin gestörte vertragliche Äquivalenzverhältnis noch weiter zulasten des Käufers verschoben würde. Dennoch führt die Rückabwicklung des Vertrages häufig nicht dazu, dass der Käufer seine Ressourcen mit identischem Nutzen anderweitig wieder einsetzen kann. Darüber hinaus ist ein vollständiger Ausgleich der in den gescheiterten Vertrag investierten Ressourcen allein durch den Rücktritt weder theoretisch noch praktisch möglich.1052 Zunächst nämlich gehen mit der Rückabwicklung des gewollten und der Investition in einen alternativen Vertrag häufig die mit dem gewollten Vertrag verfolgten Quasi-Renten verloren, da das alternative Investment nicht selten nur die zweitbeste Lösung darstellt.1053 Darüber hinaus ist die Rückabwicklung selbst, auch dann und insoweit wie der Käufer von Transport-, Wegeund Arbeitskosten freigehalten wird, für ihn mit weiteren Transaktionskosten verbunden. 1051 Das Regel-Ausnahme-Prinzip stellt sich daher genau umgekehrt dar, als von Kaiser, in: Staudinger, BGB, § 346 Rz. 88 ff., vertreten, wonach grundsätzlich eine Rücknahmepflicht nicht bestehen, sondern nur dann gegeben sein soll, wenn die zurückzugebende Sache den Rückgewährschuldner übermäßig belastet. Tatsächlich ist davon auszugehen, dass eine Rücknahmepflicht grundsätzlich besteht, es sei denn die Rücknahme führt für den Rückgewährgläubiger zu einer nicht zumutbaren Belastung. 1052 Dazu bereits ausführlich oben 2. Kap. § 3 E) III.2. 1053 Die Wirkung der Nutzenrealisierung durch die Realisierung von Quasi-Renten, die für die Wertigkeit der vertraglichen (Rück-)Abwicklung von ganz entscheidender Bedeutung sind, ist ausführlich oben unter 1. Kap. § 2 C) I.4 c) bb) dargestellt.
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Um dieses Kompensationsdefizit des Rücktritts, das seit jeher in seinen ökonomischen Auswirkungen für problematisch gehalten wurde,1054 auszugleichen, ist der Gesetzgeber der Kritik in der Literatur zum alten Schuldrecht, die seinerzeit bestehende Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz, von Abwehr und Kompensation also sei nicht hinnehmbar, gefolgt,1055 und hat mit § 325 BGB ein Bindeglied zwischen beiden Institutionen geschaffen, und dadurch grundsätzlich ermöglicht, dass sich Abwehr und Kompensation der Verstrickungsschäden zur bestmöglichen Realisierung ökonomisch sinnvoller Ergebnisse ergänzen.1056
F) Reallokation und Kompensation – Alternativität durch § 325 BGB, oder: Der Wechsel zwischen Gläubigerrechten I. Vorbemerkung Erkennbar hat die Rechtspraxis schon lange ein Bedürfnis für den nunmehr von § 325 BGB verkörperten Anwendungsbereich gesehen und sich mit zum Teil bedenklichen Konstruktionen einen entsprechenden Rechtsraum geschaffen.1057 Auch mit der Schaffung des § 325 BGB gibt der Reformgesetzgeber daher im Wesentlichen einem rechtsevolutorischen Bedürfnis nach.1058 Dabei erschöpft sich die Zwecksetzung der Norm jedoch nicht darin, ein Instrumentarium zu schaffen, rücktrittsimmanente Kompensationslücken zu schließen,1059 sondern institutionalisiert darüber hinaus auch eine gesteigerte Flexibilität,1060 die es dem in einen ungewollten Vertrag Verstrickten ermöglicht, auch auf Präferenzverschiebungen im Anschluss an die zunächst erklärte Gewährleistungswahl zu reagieren.1061 Denn auch die (Aus)Wahl des „richtigen“ Gewährleistungsrechtsbehelfs ist, davon war bereits die Rede,1062 für den enttäuschten Käufer mit – neuen – 1054
Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 412. Vgl. zur Entstehungsgesichte des § 325 BGB Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 5, 12. 1056 Zur ökonomischen Würdigung der durch § 325 BGB angeordneten Parallelität der Institutionen vgl. Riha, Ökonomische Analyse, S. 252 ff. 1057 BGH, NJW 1979, 762; BGH NJW 1982, 1280; BGH, NJW 1988, 2878; vgl. zur Entstehungsgeschichte außerdem Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 5, 12. Vgl. dazu nochmals z.B. aus der Rechtsprechung, z.B. BGH, NJW 1979, 762; BGH NJW 1982, 1280; BGH, NJW 1988, 2878, und entsprechend kritisch von daher statt vieler auch Derleder, NJW 2003, 998, 999. 1058 Eine solche Rechtsevolution war bereits im Zusammenhang mit der Schaffung des Nacherfüllungsanspruchs festgestellt worden, vgl. oben 2. Kap. § 2 B) I. 1059 Auch wenn hierin der Schwerpunkt des vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Telos liegt, vgl. ausführlich z.B. Herresthal, JuS 2007, 798 ff. 1060 So ausdrücklich Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 415: „Die (…) erforderliche Ausdifferenzierung des ius variandi des Käufers sollte daher in erster Linie eine marktadäquate Flexibilität für die Mängelregulierung sichern (…)“. 1061 Dies ist im Zusammenhang mit der hier entwickelten ,großen Lösung‘ bei der Übertragung des Rechtsgedankens des § 325 BGB auch in den Anwendungsbereich der Arglistanfechtung nach § 123 BGB bereits exemplarisch vorgeführt worden, vgl. oben 2. Kap. § 3 C) IV. 1062 Oben 2. Kap. § 3 E) I. 1055
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Verstrickungsrisiken verbunden, da sein Informationshorizont auch insoweit stark begrenzt ist1063 und überdies der Verkäufer, anders als in der Vertragsanbahnung, regelmäßig ein nur sehr geringes Interesse haben wird, an der Abmilderung von Desinformationsrisiken mitzuwirken. Das Verstrickungsrisiko im Leistungsstörungsverhältnis ist daher sogar noch bedeutend größer, als im ungestörten vertraglichen Anbahnungs- und Abwicklungsverhältnis. Insbesondere im Zusammenhang mit der Flexibilisierung der Rechtsfolgen eines schwebenden Gewährleistungsverhältnisses aber ist bislang nicht zuverlässig geklärt1064 und in seiner dogmatischen Feinstruktur noch nicht letztverbindlich nachvollzogen,1065 wie weit die Dimensionen dieses ius variandi des Käufers tatsächlich reichen und welche Restriktionen möglicherweise auch übereilte (Erst)Wahlerklärungen für den verstrickten Käufer mit sich bringen.1066 II. Zur Rechtsnatur des § 325 BGB Bei Betrachtung der Diskussion um die – auch analoge – Anwendung des § 325 BGB auf andere Rechtsbehelfe, wie z.B. die Anfechtung,1067 insbesondere aber der Diskussion um die Wahlmöglichkeiten des verstrickten Käufers, auch nach dem Zugang der rechtsgestaltenden Rücktrittserklärung gegebenenfalls noch auf den kleinen Schadensersatz, die Minderung oder die Schadensberechnung nach der Surrogationsmethode zurückgehen, seine Wahl also in Bezug auf das ,Behaltendürfen der Gegenleistung‘ umkehren zu können,1068 verwundert, dass es insgesamt an einer vorgreiflichen Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur des § 325 BGB, also seinem dogmatischen Fundament fehlt.1069 Die Frage aber, zwi1063 So sieht Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 414, die ökonomische Zwecksetzung des § 325 BGB gerade auch darin, dass der Käufer in die flexible Lage versetzt wird, der weiteren Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere auch einer späteren Schadensentstehung Rechnung zu tragen. 1064 Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411. 1065 So insbesondere Derleder, NJW 2003, 998, 1000. 1066 Zum Streitstand in der Literatur vgl. exemplarisch Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 412: „Auf den ersten Blick ist ein kohärentes Konzept zum ius variandi von Käufer und Besteller jedenfalls nicht erkennbar, auch wenn ein solches durch den mit der Verlagerung vieler Konfliktregelungen in das allgemeine Leistungsstörungsrecht verbundenen höheren systematischen Anspruch gefordert erscheint.“; ders., NJW 2003, 998; Herresthal, JuS 2007, 798; Althammer/ Löhning, AcP 205 (2005), 520; Wertenbruch, JZ 2002, 862; Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462; Höpfner, NJW 2004, 2865; ausführlich auch Otto, in: Staudinger, BGB, § 325, Rz. 23 ff. 1067 Dazu ausführlich oben 2. Kap. § 3 C) IV. 1068 Vgl. dazu mit zahlreichen Nachweisen aus der Literatur Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 29 ff. 1069 Einzig Derleder, NJW 2003, 998, 1000, erkennt dies und weist darauf hin, dass es nicht damit getan sei, das Recht zum Übergang vom Rücktritt zum kleinen oder großen Schadensersatz zu postulieren, vielmehr auch die rechtsdogmatische Feinstruktur eines solchen Übergangs zu klären sei; mit einem Versuch der Klärung ders., in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 421 f.; Höpfner, NJW 2004, 2865, der mit der von Derleder (NJW 2003, 998, 1000) dort angebotenen Analogie zu § 325 BGB ins Gericht geht, verhält sich zur Dogmatik des § 325 BGB überhaupt nicht. Gsell, JZ 2004, 643, 644, bemüht sich um eine Bestimmung des Regelungsgehalts, ohne diese jedoch dogmatisch zu
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schen welchen Gewährleistungs- und Gestaltungsrechten § 325 BGB einen Brückenschlag ermöglicht und ermöglichen muss, kann nicht allein auf Grundlage der dogmatischen Struktur der jeweils zu kummulierenden Institutionen beantwortet werden, sondern setzt, wie Derleder1070 zu Recht herausstellt, eine Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur und der dogmatischen Feinstruktur des § 325 BGB selbst voraus. Unausgesprochene Einigkeit hinsichtlich des Platzes, den § 325 BGB im System des Leistungsstörungsrechts einnimmt, scheint wohl einzig darüber zu bestehen, dass die Norm nicht Anspruchsgrundlage ist, also keine eigenen Ansprüche des Rücktrittsgläubigers zu begründen vermag, sondern lediglich bestehende Ansprüche kummuliert.1071 Auch dabei tritt aber die Frage auf, wie sie dies dogmatisch zu bewältigen in der Lage sein kann. Betrachtet man nämlich allein den in der Norm angelegten Regelfall, wonach die Ausübung des Rücktritts das Recht, Schadensersatz zu verlangen, nicht ausschließt, so ist es nicht mit der Erklärung getan, dass Anknüpfungspunkt für das Schadensersatzbegehren das ursprüngliche Schuldverhältnis bleibe, das durch den Rücktritt nur umgestaltet und nicht aufgehoben werde.1072 Da der Rücktritt nur ex nunc wirke, so diese Auffassung, bestehe wegen der eingetretenen Nichterfüllungsschäden kein Hinderungsgrund, auf die rücktrittsauslösende Pflichtverletzung abzustellen; dies sei Konsequenz des grundlegenden systematischen Unterschieds zwischen einem Rücktritt und der Anfechtung mit der ex tunc – Wirkung des § 142 Abs. 1 BGB, die das Schuldverhältnis von Beginn an zu Fall bringe, sodass zwar im Falle der Anfechtung auf die Verletzung von Pflichten aus dem Schuldverhältnis nicht mehr zurückgegriffen werden könne, im Falle des Rückritts aber sehr wohl. Wenn aber durch die Umgestaltung des Schuldverhältnisses in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis mit Zugang der Rücktrittserklärung – auch wenn diese nur ex nunc wirkt – der Schuldner von seiner Pflicht, die ursprünglich vertraglich be1070 untermauern. Auch Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 533 f., postulieren schlicht, dass die Schuldrechtsmodernisierung zu einer Vorverlagerung der Bindung des Käufers und zu einer entsprechenden zeitlichen Beschränkung des ius variandi geführt habe, ohne sich insoweit mit den möglichen Folgewirkungen einer dogmatischen Einordnung des § 325 BGB auseinanderzusetzen. Dasselbe gilt für die Ausführungen von Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462, und Büdenbender, AcP 205 (2005), 386, 410 f. Mit überzeugenden aber ebenfalls ausschließlich wertungsorientierten Argumenten für einen freien Wechsel des Gläubigers zwischen Rücktritt und Minderung auch Wertenbruch, JZ 2002, 862 ff.; Obwohl sich mit dem ,Telos‘ der Norm ausführlich auseinandersetzend, bemüht sich auch Herresthal, JuS 2007, 798 ff., nicht um eine dogmatische Fundierung der Rechtsnatur des § 325 BGB. Schließlich stellen zwar Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 1 ff., und Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 18, ihrer Kommentierung jeweils die Erläuterung des ,Normzweckes‘ voran, beide beschränken sich dabei aber konsequent auf die Motive für die Einführung des § 325 BGB und dessen Wirkweise, ohne diese auf ein dogmatisches Grundgerüst zurück zu beziehen. 1070 Nochmals: Derleder, NJW 2003, 998, 1000. 1071 Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 16; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 1, 20; Medicus, in: PWW, BGB, § 325 Rz. 1 f.; Höpfner, NJW 2004, 2865, 2866; Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462, 3463 f. 1072 So insbesondere Gsell, JZ 2004, 643; Höpfner, NJW 2004, 2865, 2866; Herresthal, JuS 2007, 798.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
dungene Leistung zu erbringen, befreit wird, so entfällt hierdurch jedenfalls in diesem Zeitpunkt die Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Nichterfüllungsschaden. Wo nämlich der Schuldner von einem gewissen Zeitpunkt an infolge einer Wahlerklärung des Gläubigers nicht mehr verpflichtet ist, die vormals geschuldete Leistung zu erbringen, kann ein früherer Verzug – und zu mehr hat die Pflichtverletzung in Gestalt der mangelhaften Lieferung nicht geführt – keinen Nichterfüllungsschaden bzw. auf dessen Kompensation gerichteten Schadensersatzanspruch begründen.1073 Ein Nichterfüllungsschaden wäre nämlich, würde § 325 BGB nicht ein über die bloße Verbindung von Instutitionen hinausgehender dogmatischer Gehalt zugesprochen, gar nicht eingetreten, da es vor Umwandlung des Verzugs- in einen Nichterfüllungsschaden zum Erlöschen der Erfüllungspflicht infolge Rücktrittserklärung gekommen ist,1074 sodass die Schlecht- oder Nichtleistung sich schadensbegründend kausal nicht mehr hat auswirken können. Die Ausübung des Rücktritts ist mit Blick auf den Schadensersatzanspruch daher zunächst kausalitätsüberholend.1075 Soweit man also in der Auffassung, die Legitimation des § 325 BGB in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich liege in der Anknüpfung an die ursprüngliche Pflichtverletzung, den Versuch einer dogmatischen Einordnung sehen wollte, so wäre solcher untauglich.1076 Die Frage nach der Rechtsnatur des § 325 BGB bleibt damit weiter offen. Zu ihrer Beantwortung sind im Ausgangspunkt zunächst diejenigen Ansätze aufzugreifen, die sich in einem ersten Schritt mit dem Normzweck des § 325 BGB befassen, um von dort aus eine rechtliche Einordnung der Norm ihrer Rechtsnatur nach zu entwickeln.1077 Bereits der Normzweck nämlich kann einen Hinweis auch auf die Rechtsnatur der Vorschrift geben. Mit § 325 BGB wollte der Gesetzgeber den früheren Rechtszustand umkehren und die Alternativität zwischen Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung auf-
1073 Ähnlich eindeutig Medicus, in: PWW, BGB, § 325 Rz. 1: „Der Rücktritt schließt hinsichtlich der Primärleistung Erfüllungsansprüche aus. Es scheint daher logisch nötig, dass auch Schadensersatzansprüche statt der Erfüllung ausgeschlossen sind.“. 1074 Mit ganz ähnlicher Begründung für die Ausschlusswirkung des Rücktritts alten Rechts in Bezug auf ein seinerzeit unzulässiges alternatives Schadensersatzverlangen Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 3. 1075 Aus diesem Grunde gelangt Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 421, bei seinem Versuch einer dogmatischen Einordnung des § 325 BGB wohl auch zu dem Ergebnis, dass „Schadensersatz durch einen Rücktritt nicht ausgeschlossen wird, weil bei einem Schadensersatzverlangen der Rücktritt als nicht geschehen gilt, soweit dieser es beeinträchtigt.“. 1076 Tatsächlich unternehmen Gsell, JZ 2004, 643; Höpfner, NJW 2004, 2865, 2866; Herresthal, JuS 2007, 798, einen solchen Versuch, in der von ihnen als ,selbstverständlich‘ postulierten Auffassung, im Rahmen des originären Anwendungsbereichs könne wegen der nur umgestaltenden Wirkung des Rücktritts auf den ursprünglichen Vertrag als schadensersatzbegründendes Schuldverhältnis zurückgegriffen werden, eine dogmatische Fundierung des § 325 BGB zu erkennen, nicht einmal. Weitere dahingehende Versuche in der Literatur sind ebenfalls nicht ersichtlich. 1077 So z.B. Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 18 f.; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 1 ff.
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geben;1078 beide Institutionen sind infolge der Wirkung des § 325 BGB in ihrer Begründung und Ausübung getrennte Rechte, wobei der Rücktritt die Alleinzuständigkeit dafür übernimmt, den Gläubiger aus der Vertragsbindung, der Verstrickung also zu lösen, während der Schadensersatz statt der Leistung dem Gläubiger das positive Vertragsinteresse trotz des Rücktritts erhält.1079 Neben dem kummulativen Erhalt des positiven Interesses bleibt dem Gläubiger darüber hinaus auch die Möglichkeit erhalten, auf sich neu offenbarende Verstrickungslagen im Rückabwicklungsschuldverhältnis zu reagieren und sich so nicht neuerlichen Abwicklungsrisiken auszusetzen bzw. diese jedenfalls durch Flexibilisierung der ursprünglich bestehenden Wahlrechte minimieren zu können.1080 Im Ergebnis hat § 325 BGB daher die rechtspraktische Wirkung, an der Gestaltungswirkung des Rücktritts vorbei1081 den vertraglichen Schadensersatzanspruch und die mit ihm verbundenen Wahlrechte grundsätzlich zu erhalten.1082 Die Funktion der Vorschrift liegt also darin, eine gegebene Anspruchsgrundlage trotz des Bestehens einer rechtsvernichtenden Einwendung, im konkreten Fall: der Ausübung des Rücktritts, in Anspruchskonkurrenz1083 zum Rücktrittsfolgenrecht bestehen zu lassen. Der Rechtscharakter der Norm bestimmt sich demnach zuvörderst durch ihre rechtserhaltende Natur. Solche anspruchserhaltenden Normen sind dem Zivilrecht jedoch nicht grundsätzlich fremd. Das prominenteste Beispiel hierzu stammt mit § 615 BGB wohl aus dem Dienstvertragsrecht, der eine Ausnahme von dem Grundsatz ,Ohne Arbeit kein Lohn‘ für den Fall des Annahmeverzugs des Dienstberechtigten begründet. Auch § 615 BGB gewährt dem Dienstverpflichteten dabei keinen eigenen Anspruch, ist also nicht Anspruchsgrundlage, sondern erhält nur diejenigen Ansprüche aufrecht, die ohne das rechtshindernde Ereignis bestünden; der Anspruch ist 1078 1079
BT-Drs. 14/6040, S. 187 f. Vgl. statt vieler Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 1 ff.; Medicus, in: PWW, BGB, § 325
Rz. 1. 1080 Mit ähnlicher Interpretation Derleder, NJW 2003, 998, 1000; ders., in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 412 f.; Wertenbruch, JZ 2002, 862 ff. 1081 Vgl. in diesem Sinne noch einmal die Formulierung bei Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, S. 411, 421, wonach bei einem Schadensersatzverlangen der „Rücktritt als nicht geschehen gilt“. 1082 Grundlegend zu den verschiedenen Wahlmöglichkeiten und ihrem Konkurrenzverhältnis zu primären Gläubigerrechten Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462 ff.; Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 23 ff. 1083 Die Anspruchskonkurrenz besteht dabei nur im Ausgangspunkt, da die Rechsfolgen beider Institutionen nicht vollständig losgelöst voneinander betrachtet werden können, vgl. Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 3; ebenso Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 411, 422. Dies jedenfalls nicht, soweit sie miteinander unvereinbare Rechtsfolgen enthalten und die Geltendmachung beider Rechte in unbeeinflusster Anspruchskonkurrenz zur Perplexität des Gewährleistungsverlangens führen würde, wobei die Auflösung des Rangverhältnisses anhand einer systematischen Gesetzesauslegung zu erfolgen hat, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 266 ff. Deshalb auch Medicus, in: PWW, BGB, § 325 Rz. 2: „Die Problematik der Vorschrift besteht aber in der Frage, wie der Rücktritt den Inhalt des Schadensersatzanspruchs beeinflusst.“.
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mithin Erfüllungs- und kein Schadensersatzanspruch und zugleich Gefahrtragungsregel.1084 Mit § 325 BGB verhält es sich, vergegenwärtigt man sich dessen Normzweck, ganz entsprechend. Auch durch § 325 BGB werden Ansprüche aufrechterhalten, welchen ohne entsprechende Anordnung ein rechtsvernichtendes Ereignis entgegenstünde,1085 ohne dass dabei ein eigener Anspruch gewährt oder eine neue Anspruchsgrundlage geschaffen werden müsste.1086 Unzweifelhaft liegt es auch in der Macht des Gesetzgebers, eine solche Anordnung, wonach rechtsvernichtende Ereignisse hinter der zivilrechtlichen Anspruchskonkurrenz zurückzutreten haben, zu treffen.1087 Darüber hinaus passt der Gedanke der Gefahrtragungsregel, wie er § 615 BGB zugrunde liegt, auch für § 325 BGB, da es hierbei im Ergebnis um die Zuweisung von Risikosphären geht. Der Rücktritt dient dem verstrickten Käufer allein zur Abwehr der Verstrickungslage, ohne dass dadurch der auch nach der Abwehr verbleibende Schaden kompensiert würde. Da das Gewährleistungsrecht aber als Garantiehaftung ausgestaltet ist1088 und sich mit Ausnahme des Verschuldensprinzips als Tatbestandsmerkmal des Schadensersatzanspruchs die Voraussetzungen beider Institutionen gleichen1089 sowie beide letzthin darauf gerichtet sind, die bestehenden vertraglichen Primäransprüche zum Erlöschen zu bringen,1090 beide Normengruppen also auf das selbe Anspruchsziel gerichtet sind, der Schadensersatzanspruch darüber aber im Falle eines Verschuldens noch hinaus geht, ist nicht einsichtig, warum der Käufer sich mit einem primären Entscheid für den Rücktritt als Gewährleistungsrecht der Wahl seines Kompensationsanspruchs begeben haben sollte.1091 Dies käme nämlich einer Umkehr der Gefahrtragung und einer Neuverteilung der 1084 Vgl. statt vieler Henssler, in: MünchKomm-BGB, § 615 Rz. 1; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 615 Rz. 3. 1085 Was – nochmals – Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 421, zu der Aussage veranlasst hat, der Rücktritt gelte, falls Schadensersatz verlangt werde, als nicht geschehen, um die Wirkweise des § 325 BGB erklären zu können, und nach Medicus, in: PWW, BGB, § 325 Rz. 1, logisch notwendige Folge des Rücktritts wäre. 1086 Aus der Gesetzesentstehung folgt vielmehr eindeutig, dass der Gesetzgeber unzweifelhaft davon ausging, Anspruchsgrundlage blieben die §§ 280, 281 BGB und nicht § 325 BGB, vgl. mit einer ausführlichen Zusammenfassung der Entstehungsgeschichte des § 325 BGB im Gesetzgebungsverfahren Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 12 ff. 1087 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 259, wonach sich der Gesetzgeber ,sehr häufig‘ einschränkender Rechtssätze mit negativen Geltungsanordnungen bediene: „Da die wahre Reichweite eines Rechtssatzes erst dann erkennbar wird, wenn man alle im Gesetz enthaltenen Einschränkungen hinzunimmt, so ergibt sich der vollständige Rechtssatz im Grunde erst aus der Verbindung der positiven Geltungsanordnung mit den sie wieder einschränkenden negativen Geltungsanordnungen.“. 1088 Vgl. Ehmann/Sutschet, JZ 2004, 62 ff. 1089 Wegen dieser Angleichung der Eingangsvoraussetzungen für den Rücktritt und den Schadensersatz hat es der Gesetzgeber, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 188, nicht (mehr) für erforderlich gehalten, den Schadensersatz statt der Leistung an die vorherige Erklärung des Rücktritts zu binden, wie dies noch dem Vorschlag der Schuldrechtskommission § 327 KE zugrunde lag. 1090 Zur grundlegenden Erörterung der Stellung von Rücktritt und Schadensersatz im Gesamtsystem des Leistungsstörungsrechts Ernst, in: MünchKomm-BGB, 2 ff. vor §§ 323 ff.
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Risikosphären gleich, für die es an einer Rechtfertigung fehlte. Dass dem Käufer aus der nicht kooperationsgerechten Erfüllung Schäden entstehen, ist typischerweise ein Risiko, das der Verkäufer zu tragen hat.1092 Diese Risikozuweisung endet jedoch nicht damit, dass der Käufer zunächst die Primäransprüche aus dem nicht ordnungsgemäß erfüllten Vertrag zu Fall bringt. Aus Käufersicht stellt der Rücktritt ein Minus gegenüber dem Schadensersatz dar. Eine Erklärung, die weiteren Rechtsfolgen, die an weitere Tatbestandsmerkmale geknüpft sind, nicht für sich in Anspruch nehmen zu wollen, ist damit nicht denknotwendig verbunden;1093 auch ein verkäuferseitiges Vertrauen in einen solchen Erklärungsgehalt ist weder zu erkennen, noch zu rechtfertigen,1094 weshalb die Anspruchserhaltung über § 325 BGB auch auf Grundlage der vertraglichen Risikozuweisung erstens richtig scheint und zweitens dem entspricht, was die Parteien wohl vereinbart haben würden, hätten sie diesen Fall in ihre ausdrückliche Kooperationsabrede aufgenommen.1095 Die rechtstechnische Umsetzung des Rücktritts als Gestaltungsrecht darf nach alledem der Geltendmachung auch des Kompensationsanspruchs auch rechtstechnisch nicht entgegenstehen. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass die Rechtsnatur des § 325 BGB daher nicht, wie nahezu einhellig1096 dargestellt, darin besteht, die Parallelität von Ansprüchen anzuordnen, sondern richtigerweise darin, die rechtsvernichtende Wirkung des Rücktritts – dem Wortlaute nach jedenfalls in Bezug auf konkurrierende Scha1091 Ebenso die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 188, in der es ausdrücklich heißt: „Dieses Ergebnis des geltenden Rechts ist nicht sachgemäß. Es ist nicht einsichtig, weshalb der Gläubiger nur bei der Wahl des Schadensersatzes die Rechtsfolgen beider Rechtsbehelfe kombinieren können soll, weshalb das aber nicht auch bei der Wahl von Rücktritt möglich sein soll.“. 1092 Vgl. zu den hier erarbeiteten Grundsätzen einer impliziten vertraglichen Risikozuweisung ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c). 1093 Eine solche Interpretation der Erklärung wäre insbesondere nicht mit der verschiedenen Zwecksetzung von Rücktritt und Schadensersatz, nämlich der Abwehr der Verstrickung mit der Folge der Möglichkeit zur Reallokation der investierten Ressourcen auf der einen und der Kompensation verbleibender Schäden auf der anderen Seite vereinbar, vgl. zur ökonomischen Einordnung dieser klaren Trennung Riha, Ökonomische Analyse, S. 252 ff. Darüber hinaus wäre ein solches Verständnis der Rücktrittserklärung auch mit den sich in der Abwicklungsbeziehung ergebenden Verstrickungsrisiken nicht zu vereinbaren. Mehr noch als in der Vertragsanbahnung weiß der verstrickte Käufer in der Gewährleistungsbeziehung, dass er über einen begrenzten Informationshorizont verfügt und gegebenenfalls die weitere Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse ein Überdenken der getroffenen Wahlentscheidung erfordern kann. 1094 Dies bedeutet aber selbstverständlich nicht, dass nicht im Rahmen der Ausübung des ius variandi dem Käufer Grenzen durch ein verkäuferseitiges Vertrauen und vertrauensgestützte Investitionen in die vom Käufer zunächst ausgeübte Wahl zu berücksichtigen wären, vgl. Derleder, in: DaunerLieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 422 f. 1095 Zur Maßgeblichkeit solcher hypothetischer Vertragsinhalte ausführlich oben 1. Kap. § 2 2 B) III. 1096 Vgl. alle gängigen Kommentare, hier exemplarisch Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 1; Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 18; Medicus, in: PWW, BGB, Rz. 1; knapp: Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 325 Rz. 1 f.; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 325 Rz. 1; die einzige Ausnahme bildet hierbei Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, S. 411, 421, mit dem hier bereits mehrfach zitierten Ausspruch, der Rücktritt gelte in Ansehung des Schadensersatzverlangens als nicht erfolgt.
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densersatzansprüche1097 – aus dem Kreise der berücksichtigungsfähigen Einwendungen auszuschließen. § 325 BGB ist damit, ebenso wie § 615 BGB, seiner Rechtsnatur nach Anspruchserhaltungsnorm. Von dieser Feststellung, gepaart mit dem herausgestellten Normzweck, hat die weitere Untersuchung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auszugehen. III. Zur Reichweite des § 325 BGB III.1 Einführung – Die Wahl des Schadensersatzes und das Schicksal der Gegenleistung Mit § 325 BGB beabsichtigte der Gesetzgeber, Missstände des alten Rechts zu beheben und dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs und der Rechtspraxis nach einem Erhalt des positiven Interesses auch nach einer – gegebenenfalls übereilten – Rücktrittserklärung nachzugeben.1098 Dass also die rechtsgestaltende Wirkung des Rücktritts einem Schadensersatzverlangen nicht rechtsvernichtend entgegengehalten werden kann, entspricht dem Willen des Gesetzgebers und ist nicht zuletzt aus diesem Willen abgeleitet. Die Frage ist aber dennoch, inwieweit der ausgeübte Rücktritt trotz allem geeignet ist, den Inhalt des Schadensersatzanspruchs zu beeinflussen1099 und diesen zur Begründung eines Systems kohärenter Rechtsfolgen gegebenenfalls auch beeinflussen muss. In Anbetracht der Rechtsnatur des als Anspruchserhaltungsnorm zu qualifizierenden § 325 BGB und der sich daraus ableitenden Folge, dass nämlich Rücktritt und Schadensersatz zunächst tatbestandlich voneinander unabhängig in (kummulativer) Anspruchskonkurrenz1100 nebeneinander stehen,1101 ist dieser Einfluss des erklärten Rücktritts auf das Schadensersatzverlangen aber im Ausgangspunkt nicht an ein Rangverhältnis1102 oder eine sich aus dem Rücktritt ableitende Vorgreiflichkeit für die Ausübung des Schadensersatzanspruchs gebunden. Für die Aussage, der 1097 Die entsprechende Anwendung des § 325 BGB auf die Minderung bejahend OLG Stuttgart, ZGS 2008, 479; Berscheid, ZGS 2009, 17; aA. Lögering, MDR 2009, 664. 1098 BT-Drs. 14/6040, S. 188. 1099 So ausdrücklich Medicus, in: PWW, BGB, § 325 Rz. 1; aber auch im Übrigen besteht Einigkeit darüber, dass es einen solchen Einfluss geben muss, vgl. nur Ernst, in: MünchKomm, BGB, § 325 Rz. 3; Otto, in: Staudinger, BGB, Rz. 23 ff. 1100 Vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 268 f., wonach die betroffenen Normen bei kummulativer oder Anspruchskonkurrenz einander ergänzen, ohne dass die eine die andere bereits im Ausgangspunkt verdrängt. 1101 Für das Verhältnis des Schadensersatzanspruchs zum Erfüllungsanspruch vor Zugang des Schadensersatzverlanges beim Verkäufer ist dies im Sinne einer elektiven Konkurrenz anerkannt, vgl. z.B. Heinrichs, in: FS Derleder, S. 87 ff. Vor dem Hintergrund der hier vorgenommenen rechtlichen Einordnung des § 325 BGB muss aber für das Verhältnis von Schadensersatzanspruch und Rücktrittsfolgenrecht zueinander entsprechendes mit der Ausnahme gelten, dass es hier nicht um eine elektive Konkurrenz, sondern in ihrem Ausgangspunkt um eine (kummulative) Anspruchskonkurrenz handelt, die lediglich in ihren unvereinbaren Rechtsfolgen aufeinander abzustimmen ist. 1102 Nochmals Larenz, Methodenlehre, S. 267: „Wir nehmen an, dass von den mehreren miteinander konkurrierenden Normen keine von vornherein ,ranghöher‘ ist als die andere (…)“.
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,zentrale Erklärungsgehalt und Funktionskern des Rücktritts‘ in Gestalt der ,Abstandnahme vom naturalen Leistungsaustausch‘ habe auch bei seiner Kombination mit einem Schadensersatzanspruch Bestand,1103 fehlt es daher an einer – im Übrigen bislang nicht einmal angebotenen1104 – Rechtfertigung. Wenn die Rechtsnatur und der Normzweck des § 325 BGB im Sinne eines einschränkenden Rechtssatzes darin bestehen, der rechtsgestaltenden Wirkung des Rücktritts die Funktion der rechtsvernichtenden Einwendung zu nehmen, kann sich der Inhalt des Schadensersatzanspruchs zunächst nicht an dem zentralen Erklärungsgehalt des Rücktritts und der Abstandnahme vom naturalen Leistungsaustausch auszurichten haben, da dies gerade nicht auch zentraler Erklärungsgehalt des Schadensersatzanspruchs selbst ist.1105 Die Konkurrenz zwischen beiden Normenkomplexen hat sich vielmehr an einer teleologischen, systematischen und nicht zuletzt auch an den ökonomischen Vorherigkeiten orientierten Auslegung mit dem Ziel der Feststellung des gebotenen Spezialitätsverhältnisses auszurichten.1106 Ein Dogma der Vorgreiflichkeit der eingetretenen Rücktrittsfolgen ist vor dem Hintergrund der Rechtsnatur des § 325 BGB dogmatisch aber gerade nicht zu begründen. Dasselbe gilt für die Diskussion um die Möglichkeit des Geschädigten, im Rahmen der §§ 280, 281 BGB seinen Schaden, auch ohne zuvor zurückgetreten zu sein, nach der Differenzmethode berechnen zu können, was zu Recht weitgehend bejaht wird.1107 Nicht nur, dass der Gesetzgeber mit der von ihm beabsichtigten Flexibilisierung der Rechtsfolgen durch Schaffung des § 325 BGB nicht nach altem Recht bereits bestehende Wahlmöglichkeiten hat verkürzen wollen,1108 gebietet eine freie Wahl des Geschädigten in Bezug auf die Schadensberechnung; dass §§ 280, 281 BGB mit Zugang des Schadensersatzverlangens nur die primären Erfüllungspflichten des Schuldners des Schadensersatzanspruchs zum Erlöschen brächten, nicht aber auch diejenigen des Gläubigers, weil sie über das Schicksal der Gegenleistungspflicht keine Aussage träfen,1109 steht einem freien Wahlrecht ebenfalls nicht entgegen. Bereits zum alten Schuldrecht war anerkannt, dass Bestandteil des Schadensersatzanspruchs auch solche Schadenspositionen sein können, die nicht streng 1103
So aber wörtlich Herresthal, JuS 2007, 798, 799; ähnlich Gsell, JZ 2004, 643, 644. Insbesondere Herresthal, JuS 2007, 798, 799, stellt dieses Postulat auf, ohne es im Rahmen seiner ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Telos des § 325 BGB auch nur dem Versuch einer dogmatischen Herleitung oder Begründung zu unterziehen. 1105 Dieser lässt vielmehr mit den Alternativen des ,kleinen‘ und des ,großen‘ (dazu bereits oben Einl. § 3 C) III.1 b)), sowie der Berechnung des ,großen Schadensersatzes‘ nach der Differenz- oder der Surrogationsmethode verschiedene Wege offen, die gerade nicht in jedem Falle die Abstandnahme vom naturalen Leistungsaustausch zum Dogma erheben. 1106 Zur Notwendigkeit solcher Auslegung zur Feststellung eines Spezialitätsverhältnisses zwischen grundsätzlich ranggleichen Normen vgl. auch hier grundlegend Larenz, Methodenlehre, S. 267 f. 1107 Grüneberg, in: Palandt, § 281 Rz. 20; Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 26 f.; Stadler, in: Jauernig, § 281 Rz. 18; Emmerich, in: MünchKomm-BGB, 28 Vor § 281; Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462, 3464; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rn. 208 ff.; a.A. Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 8 f. 1108 So im Wesentlichen Otto, in: Staudinger, § 325 Rz. 27. 1109 So die Argumentation von Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 8 f. 1104
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
kausal auf das schädigende Ereignis zurückgehen.1110 Dies führte dazu, dass im Rahmen der Schadensabwicklung bestimmte Schadenspositionen, die bei ordnungsmäßiger Erfüllung typischerweise kompensiert worden wären, als sogenannter ,Mindestschaden‘ anerkannt wurden, und zwar auch soweit sie bei streng dogmatischer Betrachtung nicht dem positiven Interesse zuzurechnen waren. Dies galt insbesondere für die vom Geschädigten bereits erbrachte Gegenleistung, also z.B. den bereits gezahlten Kaufpreis, der im Rahmen der Rentabilitätsvermutung in jedem Falle als Mindestschaden zu ersetzen war,1111 sodass sich bereits insoweit die Rechtsfolgen von Rücktritt und Schadensersatz deckten, ohne dass auf eine – seinerzeit konkurrierend nicht mögliche – Rücktrittserklärung abgestellt worden wäre.1112 Soweit man aber die Gegenleistung des Schadensersatzgläubigers bereits im Rahmen der Schadensberechnung als Mindestschaden für ersatzfähig hält, und hierbei ist letztendlich gleichgültig, ob dieses Ergebnis über die in ihrer Fortgeltung streitige Rentabilitätstheorie1113 oder unmittelbar über § 284 BGB begründet wird, ist eine vorherige Rücktrittserklärung, um die Schadensberechnung nach der Differenzmethode zu eröffnen, nicht erforderlich; der Entfall der Gegenleistungspflicht ist insoweit bereits Bestandteil der originären Schadensberechnung. Nur diese Auffassung kann im Ergebnis auch überzeugen, wie die Diskussion um die schadensrechtliche Überlagerung des Rücktrittsrechts zeigt.1114 Wollte man nämlich dem Käufer, will er den Schaden nach der Differenzmethode berechnen, immer auch aufgeben, zuvor zurücktreten zu müssen, so würde ihm übergebürdet, will er sich von seiner Gegenleistungspflicht befreien, die Folgen unsicherer Rechtslage im Zusammenhang mit der Diskussion um die schadensrechtliche Korrektur des Rücktrittsrechts auf sich zu nehmen, wo ihm ein rechtssicherer Weg ohne kraft Gesetzes zunächst entstehende und gegen ihn gerichtete Nutzungsersatzansprüche zur Verfügung stünde. Da aber bereits die Belastung mit Eventualansprüchen vermögensrechtlich einen Schaden begründet, jedenfalls aber ökonomisch Transaktionskosten auslöst, fehlt es für einen solchen Weg an einer Rechtfertigung. 1110 Im Ergebnis geht es hier um die schadensrechtliche Rentabilitätstheorie und somit auch hier um die Frage, ob und inwieweit die Rentabilitätstheorie alten Rechts neben oder im Rahmen des § 284 BGB noch Anwendung finden kann, vgl. zu ihrer rechtlichen Begründung Einl. § 3 C) III.2 cc) und zu ihrer ökonomischen Rechtfertigung ausführlich 1. Kap. § 2 C) II.2 c). 1111 Dazu nur beispielhaft BGH, NJW 1971, 2218; BGH, NJW 1982, 1279; BGH, NJW 1983, 442; BGH NJW 1998, 2360. 1112 Vgl. zum Ganzen ausführlich Emmerich, in: MünchKomm-BGB, 30 ff. Vor § 281. 1113 Die Berechnung dieses Mindestschadens als Argument gegen das Verlangen nach einer kummulierenden Rücktrittserklärung ist im Ergebnis also Bestandteil der Schadensabwicklung nach der Rentabilitätstheorie. Dass für diese nach wie vor eine Rechtfertigung und ein (ökonomisches) Bedürfnis besteht, ist bereits nachgewiesen (vgl. nochmals 1. Kap. § 2 C) II.2 c)). Zu ihrer tatsächlichen Fortgeltung, womit dann auch die hier entscheidende Frage zugunsten eines freien Wahlrechts zwischen Differenz- und Surrogationsmethode letztverbindlich und ohne den alternativ möglichen Rückgriff auf § 284 BGB entschieden ist, vgl. unten die Darstellung zu § 284 BGB. 1114 Dazu bereits oben 2. Kap. § 3 E) III.3 a) bb).
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Dem in den ungewollten Vertrag verstrickten Käufer stehen daher nach Eintritt der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280, 281 BGB in Bezug auf die Berechnung des Schadens und das Schicksal der von ihm zu erbringenden Gegenleistung beide Alternativen der Schadensberechnung, also der Weg über die Surrogationsmethode ebenso offen, wie derjenige über die Differenzmethode. Dieses Wahlrecht ist von der vorherigen Ausübung eines Rücktrittsrechts unabhängig. Dass demgegenüber aber § 325 BGB seinem Wortlaut entsprechend die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auch nach Erklärung des Rücktritts nicht ausschließt, bewirkt nach der Vorstellung des Gesetzgebers zunächst nur, dass zum Ausgleich der nach Rücktritt verbliebenen Kompensationslücken der Käufer sein positives Interesse beim Verkäufer nach wie vor liquidieren kann. Die im Rahmen des § 325 BGB dabei zu beantwortende Kernfrage aber lautet, ob er dies auch in der Weise tun kann, dass er die Kaufsache behält und nur im Übrigen Ersatz fordert.1115 Mit der Entscheidung über das Wahlrecht in Bezug auf die Schadensberechnung nach der Surrogations- oder Differenzmethode ist dementsprechend die Frage über das Wahlrecht, den großen oder den kleinen Schadensersatz nach einer Rücktrittserklärung zu verlangen, noch nicht beantwortet. III.2 Rücktritt und ,kleiner Schadensersatz‘ – Die Umstellung von der Leistung auf das Interesse Erklärt der Käufer zunächst den Rücktritt vom Vertrag und bewirkt er damit die Umgestaltung des ursprünglichen Erfüllungsschuldverhältnisses in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis, wären aus der Nichterfüllung abzuleitende (Schadens-)ersatzansprüche damit grundsätzlich ausgeschlossen, würde nicht § 325 BGB das Nebeneinander der Ansprüche in kummulativer Anspruchs- oder Normenkonkurrenz anordnen. Geht man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass es sich bei § 325 BGB seiner Rechtsnatur nach um eine Anspruchserhaltungsnorm handelt, so beeinflussen sich weder Tatbestand noch Rechtsfolgen der konkurrierenden Normen wechselseitig, sodass es dem Käufer freisteht, die sich aus jedem der beiden Normenkomplexe ergebenden Ansprüche uneingeschränkt auszuüben.1116 Es stellte sich damit richtigerweise eigentlich die Frage, warum die Geltendmachung des sog. kleinen Schadensersatzes nach Zugang einer vorherigen Rücktrittserklärung ausgeschlossen sein sollte und nicht, warum ein solches Wahlrecht zuzulassen ist. Das Wahlrecht als solches folgt nämlich aus § 281 BGB, der zwischen dem , einfachen Schadensersatz statt der Leistung‘ und dem ,Schadensersatz statt der ganzen Leistung‘1117 differen1115
So ausdrücklich Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411. Dieses Nebeneinander der Rechtsfolgen ist gerade Gegenstand der zivilrechtlichen Anspruchskonkurrenz, vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 269 f. 1117 Dieses Wahlrecht kann dabei nicht frei ausgeübt werden, da der Schadensersatz statt der ganzen Leistung nur unter den erweiterten tatbstandlichen Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB eröffnet ist. 1116
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
ziert.1118 Soweit der Anwendungsbereich der §§ 280 ff. BGB eröffnet ist, erstreckt sich dies daher zunächst auf den gesamten Tatbestand und damit auch das Wahlrecht, sofern dessen tatbestandliche Voraussetzungen vorliegen; aus § 325 BGB ergibt sich nicht anderes, da dieser weder eine unmittelbar seinem Wortlaut noch mittelbar seiner Rechtsnatur zu entnehmende Einschränkung oder – wegen des mit Ausnahme des Verschuldens bestehenden Gleichlaufs in den Tatbeständen – gar nur eine begrenzte Rechtsfolgenverweisung enthält. Im Gegenteil: Die vollständige Eröffnung des Tatbestandes der §§ 280 ff. BGB auch nach einem erklärten Rücktritt über § 325 BGB bewirkt wegen der von letzterem angeordneten kummulativen Normenkonkurrenz in einem ersten Schritt die vollständige Eröffnung des uneingeschränkten Wahlrechts. Die Frage nach einer Beschränkung dieses Wahlrechts ist dann aber eine Frage nach den einer jeden kummulativen Konkurrenz immanenten Kompatibilitätsgrenzen. Im Rahmen von Normenkonkurrenzen ist nämlich, beginnend bei der Annahme, dass es einen grundsätzlichen Vorrang der einen vor der anderen Norm nicht gibt, nach der Ratio der Vorschriften, dem gesetzgeberischen Willen und im Interesse konsistenter und widerspruchsfreier Rechtsfolgen im Wege der Gesetzesauslegung ein Spezialitätsverhältnis für den jeweils konkret zu prüfenden Anwendungsfall zu entwickeln.1119 Dass ein Bedürfnis für eine solche Auflösung des Konkurrenzverhältnisses zwischen den Rechtsfolgen von Rücktritt und kleinem Schadensersatz besteht, liegt auf der Hand, da nicht miteinander vereinbare Rechtsfolgen, nämlich die Rückgabe des Vertragsgegenstandes einerseits und dessen Behalten im Rahmen der Schadensberechnung andererseits, nicht miteinander konkurrieren können.1120 Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung des § 325 BGB, der Rücktritt schließe den Schadensersatz nicht aus, eine negative Entscheidung des Gesetzgebers dahingehend enthält, dass die Geltendmachung des kleinen Schadensersatzes davon nicht erfasst ist. Der zum Teil propagierte Vorrang des Rücktritts1121 gegenüber dem kleinen Schadensersatz kann sich dabei jedoch nicht allein aus einer zeitlichen Komponente, nämlich der Reihenfolge der Ausübung der Rechte in dem Sinne ergeben, dass wer sich für den Rücktritt als primärem Rechtsbehelf entscheidet, sich das Wahlrecht, den kummulativ eröffneten Schadensersatzanspruch als kleinen Schadensersatz geltend zu machen, abschneide. Denn für einen solchen zeitlichen Vorrang gibt § 325 BGB, dessen Ziel gerade darin besteht, die fragwürdigen Konstruktionen alten Rechts zur Abschwächung übereilter Rücktrittserklärungen unnötig zu machen,1122 nichts her.1123 Überdies würde eine solche Beschränkung der Wahlmöglichkeiten, die mit § 325 BGB angestrebte Flexibilität der Rechtsfolgen geradezu 1118
Vgl. dazu bereits oben Einl. § 3 C) III.1 b). Vgl. nochmals Larenz, Methodenlehre, S. 268 ff. 1120 Bis hierher noch übereinstimmend Gsell, JZ 2004, 643, 644. 1121 Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 325 Rz. 28; Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 42; Kleine/ Scholl, NJW 2006, 3462, 3464 f.; für die Minderung Althammer/Löhning, AcP 205 (2005), 520, 533. 1119
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konterkarrieren, da dem verstrickten Käufer die Möglichkeit, auf erneute Informationsasymmetrien und einer daraus folgenden Verstrickung in das Rückabwicklungsschuldverhältnis zu reagieren, genommen würde. Eine solche Reaktionsmöglichkeit ist aber insbesondere dann vonnöten, wenn sich der Rückgewährschuldner – und bei der ursprünglichen Verstrickung in einen Kaufvertrag schuldet der Verkäufer in aller Regel die Rückgewähr von Geld – sich im Rückabwicklungsschuldverhältnis als leistungsunwillig,1124 leistungsunfähig1125 oder der gewählte Rechtsbehelf sich aus anderen Gründen und aufgrund späterer besserer Erkenntnis als ungünstig1126 erweist. Wenn aber bereits die ursprüngliche Vertragsbeziehung als kooperative Äquivalenzbeziehung auf der informationssubstituierenden Wirkung des Vertrauens1127 aufbaut, so muss dies umso mehr für die Rückabwicklungsbeziehung gelten, in welcher die Desinformationsrisiken sich potenzieren, da es den Parteien an einem gemeinsamen Kooperationsziel und damit einer Kooperationsgrundlage für die Begründung einer vertrauensbasierenden Austauschbeziehung fehlt. Vielmehr wirkt allein das kooperative Äquivalenzverhältnis der ursprünglichen Austauschbeziehung dergestalt in die Rückabwicklung hinein, dass daraus die ex ante und gegebenenfalls implizit vereinbarte Risikoallokation auch für Rückabwicklungsfragen abgeleitet werden kann; der verstrickte Käufer jedoch ist bei der Wahl seiner Sekundärrechte auf sich allein gestellt, ohne auf ein informationssubstituierendes Vertrauen aus der – gescheiterten – Kooperationsbeziehung zurückgreifen zu können. Daraus folgt im Umkehrschluss jedoch, weil die Kooperationsbeziehung wechselbezüglich war,1128 dass sich aus der Wahl des Käufers zunächst ein korrespondierendes Vertrauen des Verkäufers in den nachhaltigen Bestand dieser Wahl nicht ableiten kann. Dem Käufer steht es vor diesem Hintergrund der ökonomi-
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BT-Drs. 14/6040, S. 188. Ausdrücklich setzt sich die Gesetzesbegründung zu § 325 BGB sogar mit der Frage der Geltendmachung des großen Schadensersatzes und dem nicht mehr bestehenden Bedürfnis auseinander, hierfür zuvor die Ausübung des Rücktritts zu verlangen. Hierin kommt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber eine Beschränkung des § 325 BGB auf den kleinen Schadensersatz, wie sie § 326 BGB-KE in der Vorentwurfsfassung noch enthielt, nicht für erforderlich gehalten, sondern mit § 325 BGB den ganzen Tatbestand der §§ 280 ff. BGB eröffnet hat. 1123 Derleder, NJW 2003, 998, 1000. 1124 Zu einer daraus sich ableitenden Einschränkung der Gestaltungswirkung des Rücktritts aus dem Gesichtspunkt des venire contra factum proprium vgl. Wertenbruch, JZ 2002, 862, 864 ff. 1125 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 594: „Gerade der Übergang vom Rücktritt zum kleinen Schadensersatzsanspruch kann für den Käufer von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein. Dies ist z.B. der Fall, wenn sich erst nach der Rücktrittserklärung herausstellt, dass der Verkäufer insolvent geworden ist (…)“. 1126 Mit plastischen Beispielsfällen dazu Derleder, NJW 2004, 969 ff. 1127 Dazu oben 1. Kap. § 2 A) II.1 b). 1128 Zur dynamischen Entwicklung des der Verhandlungsbeziehung zugrunde liegenden Vertrauens vgl. oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) sowie zu der sich daraus ableitenden bipolaren Kooperationsbeziehung als ein Bündel von Rechten und Pflichten aufeinander abgestimmter Selbst- und Fremdbindungen oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc).
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schen Vorherigkeiten der Rückabwicklungsbeziehung wertungsmäßig1129 deshalb grundsätzlich frei, auf veränderte sozial-ökonomische Rahmenbedingungen in der Rückabwicklungsbeziehung noch zu reagieren.1130 Ist der Norm des § 325 BGB aber eine solche Wertung zu entnehmen, folgt hieraus, dass dem Gesetzgeber keine Regelungsabsicht unterstellt werden kann, wonach der Schadensersatzanspruch Rücktritt nur ergänzt, ohne auch, nämlich im Falle der Wahl des kleinen Schadensersatzes, an dessen Stelle treten zu können. Ein solches Verständnis nämlich ließe sich weder aus einer teleologischen noch und gerade nicht aus einer systematischen Auslegung des als Anspruchserhaltungsnorm zu qualifizierenden § 325 BGB ableiten.1131 Im Gegenteil: In der Gesetzesbegründung1132 bringt der Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck, dass er nicht gewillt war, sein Ziel größtmöglicher Flexibilität und Alternativität der Rechtsfolgen konstruktiv-dogmatischen Hürden unterzuordnen. Anders jedenfalls, als dass es Leitmotiv auch für die deutsche Regelung sein soll, kann der Hinweis darauf, dass (auch) im amerikanischen Recht, wo die angenommene logische Unvereinbarkeit von Vertragsauflösung und Schadensersatz einen gewissen Einfluss gehabt habe, heute als aufgegeben gelten dürfe, nicht verstanden werden.1133 1129 Diese Wertung wird im Ergebnis noch unterstützt durch ein prozessökonomisches Element: Wie in § 256 Nr. 3 ZPO zum Ausdruck kommt, stellt es keine Änderung des prozessualen Streitgegenstandes dar, der sich aus dem gestellten Antrag und dem zugrunde liegenden Lebenssachverhalt zusammensetzt, wenn der Kläger seine Rechtsverfolgung von der Leistung auf das Interesse umstellt; der Regelungsgrund hierfür liegt darin, dass es prozessökonomisch nicht zu rechtfertigen wäre, die Gerichte mit der letztlich identischen Sachfrage allein wegen der Anpassung des Leistungsinteresses des Klägers an veränderte Umstände oder bessere Erkenntnisse zweifach zu befassen, wo der wirtschaftliche Kern des Streits identisch bleibt. Diese prozessökonomische Wertung lässt sich auf die materiell-rechtsökonomische Wertungsgrundlage jedoch weitgehend übertragen. 1130 Mit einer ähnlichen, wertungsorientierten Betrachtung Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 419, 420, der das Wahlrecht, nach Rücktritt auch noch auf den kleinen Schadensersatz übergehen zu können, mit einer „teleologischen Interpretation des § 437 Nr. 2 und 3 i.V.m. § 325 BGB“ begründet. Nur auf diese Weise nämlich könne sichergestellt werden, dass die „Umdeutungsjudikatur und die Korrekturprothesen“ nicht auch im neuen Recht erhalten blieben, und dass der Rückgewährgläubiger eine tatsächliche Entwicklung noch berücksichtigen könne, „bei der nur der kleine Schadensersatzanspruch ein wirtschaftliches Ergebnis für ihn“ zeitige; dagegen mit der stark formalistischen Argumentation, einer Gestaltungserklärung lasse keinen Spielraum, sie ,nach Belieben zurückzunehmen‘, Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), S. 520, 533, wobei diese Argumentation – ungeachtet der von Derleder, a.a.O., überzeugend vorgebrachten Wertungsargumente – die Rechtsnatur des § 325 übersieht, der sich als Anspruchserhaltungsnorm gerade über die Gestaltungswirkung des Rücktritts hinwegsetzt. Gerade unter einem formalistischen Ansatz ist deshalb die Alternativität beider Normenkomplexe uneingeschränkt zuzulassen. 1131 Eine solche Regelungsabsicht des Gesetzgebers festzustellen aber, wäre Voraussetzung für die Annahme einer Modifikation oder Überlagerung des in kummulativer Normenkonkurrenz neben den Rücktritt tretenden Schadensersatzanspruch, will man diesen in seinem Anwendungsbereich einschränken, vgl. nochmals Larenz, Methodenlehre, S. 267 f. 1132 BT-Drs. 14/6040, S. 188. 1133 Insoweit auch Gsell, JZ 2004, 643, 644, die ebenfalls Bezug auf eine in verschiedenen anderen Rechtsordnungen und dem UN-Kaufrecht bestehende Parallelität von Rücktritt und Schadensersatz nimmt und dies auch zur Rechtfertigung des § 325 BGB heranzieht.
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Das Regelungsziel des Gesetzgebers ist damit klar herausgestellt. Eine Begrenzung der kummulativen Normenkonkurrenz ist im Ergebnis deshalb nicht zu begründen. Es bleibt damit ein konstruktiver Weg zu finden, auf dem diese gesetzgeberische Absicht umgesetzt werden kann und auf dem die zunächst miteinander unvereinbaren Rechtsfolgen von Rücktritt und kleinem Schadensersatz konsistent zusammengeführt werden. Die Richtung für einen solchen Weg hat Derleder1134 indes unlängst aufgezeigt. Indem nämlich § 325 BGB dem Gläubiger trotz des Rücktritts den Übergang zum Schadensersatz erlaubt, so heißt es bei Derleder, eröffnet er ihm die Möglichkeit, durch sein Schadensersatzverlangen für eine schadensrechtliche Saldierung und Neutralisierung aller durch die Vertragsverletzung verursachten Nachteile und Vorteile zu sorgen und damit auch den Rückgewähranspruch in Wegfall zu bringen, wie er ohne den Rücktritt die Erfüllungsansprüche gem. § 281 Abs. 4 BGB zum Erlöschen bringen kann.1135 Denkt man dies vor dem Hintergrund der hier entwickelten dogmatischen Feinstruktur des § 325 BGB, der Anspruchserhaltungsnorm ist und nach dem gesetzgeberischen Willen das durch die Anspruchserhaltung entstehende Verhältnis kummulativer Normenkonkurrenz uneingeschränkt eröffnet, zu Ende, führt der Übergang zum kleinen Schadensersatz nach einer zugegangenen Rücktrittserklärung in reziprok analoger Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB zu einem Wegfall der Gestaltungswirkung des Rücktritts und der sich aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis ableitenden Rückgewähransprüche.1136 Dass § 281 Abs. 4 BGB in seinen Rechtswirkungen anspruchsvernichtend ist, ist in Bezug auf die vertraglichen Erfüllungsansprüche unbestritten; warum § 281 Abs. 4 BGB aber dann nicht auch Anspruchsvernichtungsnorm und damit Einwendung gegen die aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis erwachsenden Ansprüche sein sollte, wäre nicht recht nachvollziehbar, da die zugrunde liegenden Rahmenbedingungen vergleichbar sind. Mit dieser Lösung einer reziprok analogen Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB ist ein dogmatisch verlässlicher Weg zur Begründung der teleologisch gewonnenen Ergebnisse gefunden,1137 womit als Fazit festzuhalten bleibt, dass bis zur Erfüllung des Rückgewährschuldverhältnisses ein jederzeitiger Übergang vom Rücktritt zum kleinen Schadensersatz möglich ist. Vertrauensschutzaspekte des Verkäufers stehen dem grundsätzlich nicht entgegen, da es im Rückabwicklungsschuldverhältnis an einer korrespondierenden Vertrauensbeziehung fehlt. Es genügt deshalb, auf die sich allgemein aus § 242 BGB ergebenden Grenzen abzustellen; ein besonderes transaktionsbezogenes Vertrauen aber ist nicht festzustellen. 1134
Derleder, NJW 2003, 998. Derleder, NJW 2003, 998, 1001. 1136 Mit diesem Angebot einer dogmatisch fundierten Lösung ist der Kritik, die Gestaltungswirkung des Rücktritts könne nicht nach Belieben zur Disposition gestellt werden, wie sie sich insbesondere bei Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), S. 520, 533, findet, endgültig der Boden entzogen. 1137 Die hier gefundene Lösung ,überstrapaziert‘ auch nicht den Anwendungsbereich des § 325 BGB, wie Gsell, JZ 2004, 643, meint, da sie konsequente Folge des soweit erkennbar bislang einzigen aus dem dogmatischen Grundgerüst des § 325 BGB abgeleiteten Ansatzes ist. 1135
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III.3 Rücktritt, Minderung und Schadensersatz – Alternativität der Gestaltungsrechte und die Reichweite des § 325 BGB Die reziprok analoge Anwendung des § 281 Abs. 4 BGB, die konsequente Ableitung aus der Rechtsnatur des § 325 BGB als Anspruchserhaltungsnorm im Verhältnis von Rücktritt und Schadensersatz ist, führt auf den ersten Blick nicht unmittelbar weiter, soweit es um die ebenfalls kontrovers diskutierte Streitfrage1138 geht, ob die vom Gesetzgeber im Rücktrittsfolgenrecht beabsichtigte Flexibilisierung der Rechtsfolgen sich – etwa im Wege einer analogen Anwendung des § 325 BGB1139 – auch auf das Verhältnis von Rücktritt zur Minderung erstreckt. Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden, nämlich einmal die Frage nach einem ius variandi zwischen der Minderung und dem (,großen‘) Schadensersatz, also der Frage, ob die Minderungserklärung das Recht zum Schadensersatz ausschließt,1140 und zum anderen dem Bestehen eines ius variandi zwischen dem Rücktritt und der Minderung selbst. Die Ungewissheit resultiert daraus, dass mit der Schuldrechtsreform auch das Minderungsrecht gemäß §§ 437 Nr. 2, 441 BGB als Gestaltungsrecht ausgeformt ist, also mit Zugang der Minderungserklärung beim Verkäufer die Gestaltungswirkung, nämlich die proportionale Herabsetzung des Kaufpreises eintritt und damit grundsätzlich unwiderruflich ist. Dies könnte der Kombination mit einem Schadensersatzanspruch nicht zuletzt deshalb entgegenstehen, weil der Wortlaut des § 325 BGB expressis verbis allein die Kombination von Rücktritt und Schadensersatz erlaubt, für eine analoge Anwendung daher eine planwidrige Regelungslücke festgestellt werden müsste.1141 Das wiederum fällt deshalb schwer, weil der Gesetzgeber die Umgestaltung der vertraglichen Wandlungs- und Minderungsrechte alten Rechts in Gestaltungsrechte und die damit einhergehende Beschränkung eines früher eröffnete freien Wahlrechts gesehen, § 325 BGB aber dennoch in der vorliegenden Fassung formuliert hat.1142 Berücksichtigt man jedoch auch hier die Rechtsnatur des § 325 BGB auf der einen und die gesetzliche Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Rücktritt und Minderung auf der anderen Seite, so wird schnell deutlich, dass es einer analogen Anwendung des § 325 BGB zur Eröffnung von Schadensersatzansprüchen neben 1138 Vgl. Lögering, MDR 2009, 664; Berscheid, ZGS 2009, 17; Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 533; Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 425; ders., NJW 2003, 998, 1001 f.; aus der Rspr. OLG Stuttgart, ZGS 2008, 479. 1139 So vor allem Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 425. ders., NJW 2003, 998, 1002, hält daran wertungsmäßig fest, räumt jedoch Zweifel an den methodischen Voraussetzungen ein, die insbesondere von Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 533, herausgestellt werden. Derleder, NJW 2003, 998, 1002, hält diese Zweifel allerdings nicht für so gewichtig, dass nicht die Analogie zu § 325 BGB für den Fall des Wechsels von der Minderung zum großen Schadensersatz dennoch zuzulassen sei; zustimmend OLG Stuttgart, ZGS 2008, 479, mit ebenfalls zustimmender Anm. Berscheid, ZGS 2009, 17, 18 f. 1140 Mit dieser restriktiven Auffassung Lögering, MDR 2009, 664. 1141 Lögering, MDR 2009, 664; Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 533. 1142 Diesen Bedenken ins Auge blickend Derleder, NJW 2003, 998, 1002.
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bzw. nach einer erklärten Minderung überhaupt nicht bedarf, sondern dieser unmittelbar Schadensersatzansprüche auch nach einer Minderungserklärung in derselben Weise eröffnen muss. § 325 BGB ist Anspruchserhaltungsnorm. Er begründet deshalb ein Verhältnis kummulativer Anspruchs- oder Normenkonkurrenz zwischen den Institutionen des Rücktritts und des Schadensersatzes. Das Rücktritts- und das Minderungsrecht wiederum stehen als kaufvertragliche Gewährleistungsrechte zueinander im Verhältnis elektiver Konkurrenz,1143 wie bereits aus dem alternativ formulierten Wortlaut des § 437 Nr. 2 BGB folgt. Unterstrichen wird dieses Verhältnis elektiver Konkurrenz auch durch den Wortlaut des § 441 BGB, wonach der Käufer „statt zurückzutreten“ den Kaufpreis mindern kann.1144 Mit der vom Gesetzgeber in § 441 BGB gewählten Konstruktion hat er die Minderung tatbestandlich an den Rücktritt gekoppelt. Allein aus diesem Verweis nämlich ist zurückzuschließen, dass für die Möglichkeit zur Ausübung der Minderung der vollständige Tatbestand des Rücktritts eröffnet sein muss.1145 Der Gesetzgeber hat damit darauf verzichtet, für die Minderung noch einmal deren Voraussetzungen vollständig festzuschreiben, sondern hat sich insoweit damit begnügt, auf bereits geregelte und hinreichende ausdifferenzierte Institutionen im Wege der Rechtsgrundverweisung, also auf Tatbestands- und nicht auf Rechtsfolgenebene zurückzugreifen. Als Anspruchserhaltungsnorm wirkt § 325 BGB aber gerade auf Tatbestandsebene und ist im Interesse der Kohärenz des tatbestandlich zu eröffnenden Rechtsfolgenapparates als integraler Bestandteil des Rücktrittsrechts zu betrachten. Die Verweisung auf den Rücktrittstatbestand in § 441 BGB enthält daher zugleich eine implizite Verweisung auch auf § 325 BGB als tatbestandsflankierende Norm. Eines Rückgriffs auf eine Analogie zu § 325 BGB bedarf es zur Begründung eines ius variandi zwischen Minderung und Schadensersatz daher nicht.1146 In der dogmatischen Konstruktion folgt die Alternativität zwischen Minderung und Schadensersatz dann dem bereits im vorangegangenen Abschnitt1147 dargestellten Weg. Dass dieses rechtsdogmatisch abgeleitete Ergebnis auch wertungsmäßig überzeugt, ergibt sich bereits daraus, dass sich die Tatsachen- und Rechtslage nicht unterscheidet, je nachdem ob der Käufer übereilt zurückgetreten oder übereilt die Minderung erklärt hat.1148 Die sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen können sich in derselben Weise verschieben und die zunächst mit einem identisch begrenz1143
Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 437 Rz. 27, 28. BT-Drs. 14/6040, S. 223; vgl. auch Grunewald, Kaufrecht, § 9 Rz. 71. 1145 Vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 235: „Um mindern zu können, muss der Käufer also zunächst die Voraussetzungen für den Rücktritt herbeiführen (…)“. 1146 Ebenso Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 44 Rz. 3; Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 39; dagegen Lögering, MDR 2009, 664, 665. 1147 Vgl. soeben 2. Kap. § 3 F) III.2. 1148 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 596: „Allerdings kann die Erklärung der Minderung ebenso voreilig sein wie die des Rücktritts.“; ebenso Derleder, NJW 2003, 998, 1002. 1144
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ten Informationshorizont getroffene Wahl im Nachhinein unvorteilhaft erscheinen lassen.1149 Die Verstrickungsrisiken sind also dieselben.1150 Da aber Rücktritt und Minderung im Verhältnis elektiver Konkurrenz stehen, ist kein Grund erkennbar, warum an die in ihrem wertungsmäßigen Ausgangspunkt identische Situation des Käufers derart weitreichende Unterschiede in der Flexibilität und der Spannbreite der Rechtsfolgen geknüpft werden sollten.1151 Der Käufer ist daher nicht gehindert, auch nach einem erklärten Rücktritt nach § 325 BGB noch auf Schadensersatzansprüche umzuschwenken, also insbesondere den ,großen Schadensersatz‘ noch geltend zu machen, aber auch an Stelle der Minderung den ,kleinen Schadensersatz‘ vorzuziehen, wenn er später erkennt, dass das dem Vertrag zugrunde liegende Austauschverhältnis tatsächlich weniger günstiger war, als erwartet, weshalb er nicht länger an einer proportionalen Aufrechterhaltung der – gescheiterten – Äquivalenzabrede interessiert ist. Anders verhält es sich demgegenüber im Verhältnis von Rücktritt und Minderung unmittelbar. Eine dogmatisch belastbare Grundlage dafür, auch diese beiden Anspruchsgrundlagen in ein Verhältnis der Normenkonkurrenz zu stellen und ein ius variandi zu eröffnen, besteht tatsächlich ebensowenig, wie ein dogmatischer Weg erkennbar ist, auf dem ein solches Ergebnis erreicht werden könnte, will man nicht § 325 BGB in einer doppelt analogen Anwendung tatsächlich überstrapazieren.1152 Das über § 437 Nr. 2 BGB eröffnete Wahlrecht zwischen Rücktritt und Minderung erlischt demgemäß, sobald eines der beiden Rechte wirksam ausgeübt ist.1153 Will der Käufer nach einer übereilten Minderungserklärung sich noch vom Vertrag lösen, steht ihm dazu der große Schadensersatz offen; will er nach einem Rücktritt die Kaufsache dennoch behalten, etwa weil der Verkäufer sich als nicht leistungsfähig erweist, erreicht er dies über die Wahl des kleinen Schadensersatzes. Beides vermag über § 281 Abs. 4 BGB reziprok analog gerechtferigt werden. Im Minderungs- oder Rücktrittsrecht gibt es eine dem § 281 Abs. 4 BGB entsprechende Vorschrift nicht, womit es insoweit einer Grundlage für die Aushöhlung der 1149 Dieser Gleichlauf in der Wertung ist für Derleder, NJW 2003, 998, 1002, maßgeblicher Gesichtspunkt für die Rechtfertigung sogar einer Analogie zu § 325 BGB, der es hier jedoch gar nicht bedarf, sodass sogar eine deutlich geringere Schwelle vergleichbarer Interessenlage zum Beleg des gefundenen Ergebnisses ausreichte. 1150 Dem steht auch nicht die Kritik Lögering’s, MDR 2009, 664, 666, entgegen, der eine vergleichbare Interessenlage als Ausgangspunkt für eine analoge Anwendung des § 325 BGB auf die Minderung verneint, seine Auffassung aber gerade nicht an der Interessenlage der Parteien ausrichtet, sondern an formalistischen Merkmalen aus dem Tatbestand des § 441 BGB festmacht. 1151 So vor allem auch OLG Stuttgart, ZGS 2008, 479, mit zustimmender Anm. Berscheid, ZGS 2009, 17, 18 f. 1152 Vgl. mit der Kritik an einer extensiven Auslegung des § 325 BGB noch einmal Gsell, JZ 2004, 643. 1153 Schmidt, in: PWW, BGB, § 437 Rz. 25; ders., a.a.O., § 441 Rz. 6, 9; Westermann, in: MünchKomm-BGB, § 441 Rz. 4; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, § 437 Rz. 27; Berger, in: Jauernig, BGB, § 441 Rz. 7 a.E.; Boerner, ZIP 2001, 2264, 2270; Althammer/Löhnig, AcP 205 (2005), 520, 533; Lögering, MDR 2009, 664; a.A. noch Derleder, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 411, 425; einschränkend jedoch ders., NJW 2003, 998, 1002 f.
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Gestaltungwirkung der kaufrechtlichen Gewährleistungsinstitutionen entbehrt. Da dem Käufer aber auch nach dem erklärten Rücktritt oder der erklärten Minderung über § 325 BGB offen steht, auf den Schadensersatzanspruch umzuschwenken und sich so einer Verstrickung im umgestalteten Abwicklungsverhältnis zu entziehen, fehlt es auch an einer wertungsmäßigen Grundlage für ein auch nach Zugang der Erklärung fortbestehendes Wahlrecht zwischen Rücktritt und Minderung; eine analoge Anwendung des § 325 BGB auch auf diesen Fall scheidet deshalb bereits wegen des Fehlens einer vergleichbaren Interessenlage aus.1154 III.4 Reichweite der Anspruchskonkurrenz – Überlagerung der Rücktrittsfolgen durch den Schadensersatzanspruch? Bereits bei der Diskussion um die Bemessungsgrundlage für die Berechnung eines Nutzungsersatzanspruchs des Rücktrittsgegners, war die Frage aufgeworfen worden, inwieweit der rücktrittsrechtliche Nutzungsersatzanspruch durch den parallel eröffneten Rechtsfolgenkomplex des Schadensersatzrechts überlagert wird und gegebenenfalls der Schadensersatzanspruch Einfluss auf das durch den Rücktritt begründete Rückabwicklungsschuldverhältnis nimmt.1155 Ausgangspunkt der Überlegung war, dass § 346 Abs. 1 BGB den Rücktrittsschuldner einerseits zur Herausgabe auch der gezogenen Nutzungen verpflichtet, während sich andererseits aber der (große) Schadensersatzanspruch des Käufers, der infolge eines Sachmangels zurücktritt, auch auf den Ersatz verlorenen Nutzens erstreckt. Über die bislang diskutierten Punkte hinaus, wirft § 325 BGB also die Frage auf, wie sich das am negativen Interesse orientierte Rücktrittsfolgenrecht mit dem auf das positive Interesse gerichteten vertraglichen Schadensersatzanspruch vereinbaren lässt und was in diesem Zusammenhang für die gezogenen oder pflichtwidrig nicht gezogenen Nutzungen gilt, die das Rücktrittsfolgenrecht dem Rücktrittsgläuber zuweist.1156 Eine in der Literatur verbreitete Auffassung spricht sich dabei für eine schadensrechtliche Überlagerung des Rücktrittsfolgenrechts und infolge dessen für einen Zurücktreten der Nutzungsersatzansprüche hinter den Nutzungsausfallschaden des zurücktretenden Käufers aus. Begründet wird dies überwiegend mit dem systematischen Unterschied des allein auf das negative Interesse gerichteten Rücktritts und dem auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch, wobei der Rücktrittsgläubiger in Geld so zu stellen ist, als sei ordnungsgemäß erfüllt worden, was gerade auch den Ersatz entgangener Nutzungen einschließe.1157 Die 1154 Extremfällen, in denen z.B. der Schuldner die Ansprüche aus dem ausgeübten Rechtsbehelf nicht erfüllt, also in Verzug gerät, kann mit einer Anwendung des § 242 BGB begegnet werden, über die ein ius variandi zwischen den Gestaltungsrechten zugelassen wird. 1155 Vgl. dazu oben 2. Kap. § 3 E) III.3 a) bb). 1156 So wörtlich KG Berlin, NZV 2009, 567 (Rz. 29). 1157 Gsell, JZ 2004, 643, 646; dies., JuS 2006, 203, 205; Arnold, ZGS 2003, 427, 429; Büdenbender, in: AnwKomm, § 439 Rz. 16.
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Rechtsprechung1158 scheint sich dieser Auffassung jedoch, wofür sie Zuspruch aus der Literatur1159 erfährt, nicht anschließen zu wollen. Dogmatisch soll der Widerspruch in den Rechtsfolgen hinsichtlich des Nutzungsersatzes dadurch begründet sein, dass § 346 Abs. 1 BGB eine Spezialregelung zu § 446 Satz 2 BGB darstelle, durch welche dem Käufer, der vom Vertrag zurücktritt, ex tunc das Nutzungsrecht an der Kaufsache entzogen werde.1160 Bei der Auflösung des Streits um die Bedeutung des rücktrittsrechtlichen Nutzungsersatzanspruchs und – im Falle eines Verschuldens des Verkäufers – dessen regelmäßige Unbeachtlichkeit geht es letztlich um die Frage, welchen Stellenwert der auch nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers1161 neben den Rücktritt tretende Kompensationsanspruch des Käufers auch in Bezug auf den Nutzungsersatzanspruch hat und welche Bedeutung insoweit auf dogmatischer Ebene der Verweisung des § 281 Abs. 5 BGB auf das Rücktrittsfolgenrecht beizumessen ist. Bei genauerer Betrachtung jedoch sind die wertungsmäßigen Diskrepanzen nicht so beträchtlich, wie es auf den ersten Blick scheint. Im Rahmen einer wertungsorientierten Annäherung ist, weil hierin ein Argument für die Verbindlichkeit des durch § 346 Abs. 1 BGB angeordneten Nutzungsersatzanspruchs gesehen wird,1162 zunächst klarzustellen, dass eine Bereicherung des Rücktrittsgläubigers im Falle der Versagung eines Nutzungsersatzanspruchs oder die Kompensation des erlangten Mehrwerts durch einen Abzug ,Neu für Alt‘1163 argumentativ keine Rolle zu spielen hat, da eine solche Bereicherung dadurch, dass der Käufer, der den vollen Kaufpreis zurück und damit die Möglichkeit erhält, seine frei gewordenen Ressourcen zum Erwerb einer nicht in dem eingetretenen Umfang abgenutzten Sache einzusetzen, regelmäßig auszuschließen ist.1164 Dies ist bereits im Zusammenhang mit einer Nutzungsersatzpflicht nach Neulieferung im Rahmen des Nacherfüllungsanspruchs ausführlich erörtert.1165 Allerdings, und darin liegt der Unterschied zum Recht der Nacherfüllung, ist der Rücktritt auf die wechselseitige Herausgabe des Erlangten, also auf die Wiederherstellung des status quo ante, das negative Interesse gerichtet, während der Käufer während der schwebenden Nacherfüllung einseitig mit den Lasten des noch nicht vollständig er1158
In Abweichung zu dem zur Frage des Nutzungsersatzes bei der Neulieferung im Verbrauchsgüterkauf ergangenen sog. ,Quelle-Entscheidung‘ des BGH, NJW 2009, 427, hat der BGH mit Urteil vom 16.09.2009 eine Pflicht auch des Verbrauchers zur Nutzungsentschädigung nach Rücktritt jüngst bejaht, BGH, NJW 2010, 148. Auf derselben Linie liegt das KG Berlin, NZV 2009, 567, mit seinem Urteil vom 30.04.2009. 1159 So insbesondere Höpfner, NJW 2010, 127, mit seiner zustimmenden Besprechung des Urteils des BGH vom 16.09.2009, NJW 2010, 148. 1160 So Höpfner, NJW 2010, 127, 130. 1161 Nochmals: BT-Drs. 14/6040, S. 188. 1162 Insbesondere Höpfner, NJW 2010, 127, 129, tritt gegen eine aus seiner Sicht unberechtigte und im Rücktrittsfolgenrecht systemwidrige Bereicherungsabschöpfung ein. 1163 So Gsell, JuS 2006, 203, 205. 1164 Siehe dazu auch hier die Erörterung bei Riha, Ökonomische Analyse, S. 236 ff. 1165 Dazu oben 2. Kap. § 2 B) III.3.
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füllten Vertrages beschwert blieb. Letzteres war wesentliches Argument für die Versagung des Nutzungsersatzanspruchs in diesem Fall. Jedoch, und aus diesem Grunde entfällt nicht jedes wertungsmäßige Bedürfnis für einen Schadensersatzanspruch von vornherein, zeichnet sich auch der wechselseitige Nutzungsersatzanspruch durch eine ihm immanente Inäquivalenz aus,1166 die nur in Richtung eines in seinen Restriktionen gleichgerichteten Anspruchsinhalts angeglichen aber auf diese Weise niemals zu einer vollständigen vertraglichen Äquivalenz auch in der Rückabwicklungsbeziehung gebracht werden kann. Die Angleichung der Restriktionen in der Äquivalenz der Rückabwicklungsbeziehung war dadurch hergestellt worden, dass die Bemessungsgrundlage für den Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers nicht durch den nur um den Mangelwert geminderten Vertragspreis bestimmt, sondern überdies um den vom Verkäufer zu offenbarenden und nötigenfalls zu schätzenden Unternehmerlohn reduziert wird. Wenn sich auch die Gesamtnutzungsdauer durch einen dem Rücktritt nachgelagerten Neuerwerb des Käufers unter Einsatz seiner wieder frei gewordenen Ressourcen regelmäßig nicht verlängert, so ist dennoch zu bedenken, dass der Käufer den infolge des Mangels jedenfalls reduzierten Nutzungswert des Kaufgegenstandes, soweit eine restliche Nutzungsmöglichkeit trotz des Mangels verblieben war, hat realisieren können, obwohl er das eingesetzte Kapital nebst in Gestalt einer Zinszahlung pauschalierten Nutzungen zurück erhält. Dieser Erstattungsanspruch reduziert jedenfalls den Schaden, den der Käufer erlitten hat, weshalb insoweit für den Fall, dass der Käufer neben dem Rücktritt nach § 325 BGB Schadensersatz begehrt, zwei Fälle zu unterscheiden sind: War die Kaufsache infolge des Mangels für den Käufer nicht nutzbar, scheidet ein Nutzungsersatzanspruch des Verkäufers von vorneherein aus. Dem Käufer steht der große Schadensersatz einschließlich des Ersatzes der Nutzungsausfallschäden1167 und darüber hinaus ein Ersatzanspruch aus Rücktrittsrecht für das dem Verkäufer überlassene Kapital zu; letzterer ist neben der bloßen Kaufpreisrückzahlung als Mindestschaden Teil des Schadensersatzanspruchs. Verblieb trotz des rücktrittsbegründenden Mangels ein restlicher Nutzungswert, der vom Käufer realisiert werden konnte, so schuldet er hierfür nach §§ 346 Abs. 1, 347 BGB dem Verkäufer Nutzungsersatz auf Grundlage des Vertragspreises abzüglich des Mangelwerts und des Unternehmerlohns als Bemessungsgrundlage. Dem gegenüber steht der seinerseitige Nutzungsersatzanspruch für den dem Verkäufer gezahlten Kaufpreis1168 sowie der Schadensersatzanspruch aus §§ 280 ff. BGB wegen des Nutzungsausfallschadens. Die Nutzungsersatzpflicht des Käufers gegenüber dem Verkäufer aus § 346 Abs. 1 BGB zum Bestandteil des Schadensersatzanspruchs zu machen, obgleich der 1166
Dazu oben 2. Kap. § 3 E) III.3 a) bb). So auch Höpfner, NJW 2010, 127, 130. 1168 Diesen Ersatzanspruch übersieht Höpfner, NJW 2010, 127, 130, wenn er zwar an der Entstehung des rücktrittsrechtlichen Nutzungsersatzanspruchs des Verkäufers festhält, diesen aber als Schadensposition bei §§ 280, 281 BGB schadensersatzerhöhend berücksichtigt wissen möchte. 1167
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
Käufer seinerseits Anspruch auf Ersatz der Nutzungen des eingesetzten Kapitals aus § 346 Abs. 1 BGB hat, hieße im Rahmen einer hypothetischen Schadensberechnung unvereinbare Rechtsfolgen miteinander zu kombinieren und eine in sich perplexe Schadensberechnung zu institutionalisieren. Der Käufer würde in solchem Fall, da er sowohl sein positives (Vertragserfüllungs-)Interesse als auch die entgangenen Nutzungen des investierten Kapitals erstattet erhält, so gestellt, als habe er die vertragsgerechte Leistung erhalten, ohne aber das Kapital eingesetzt haben zu müssen. Er würde doppelt entlastet. Dem könnte man allein dadurch begegnen, dass dem Nutzungsersatzanspruch aus §§ 346 Abs. 1, 347 BGB für den Fall, dass der Käufer gemäß § 325 BGB zugleich Schadensersatz verlangt, jede Wirkung abgesprochen wird, also auch der Nutzungsersatzanspruch des Käufers entfällt; dies wäre jedoch systematisch schwer zu erklären, da sich für ein solches Verständnis keinerlei Anhaltspunkte im Gesetz finden und auch der Gesetzgeber von einer über die Rückabwicklung hinausgehenden Kompensation verbleibender Schäden ausgegangen ist. Oder aber man vermeidet die doppelte Begünstigung des Käufers dadurch, dass die wechselseitigen Nutzungsersatzansprüche aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis saldiert werden und nur der Saldo zum unselbstständigen Rechnungsposten im Rahmen der Ermittlung des Schadensersatzanspruchs der Höhe nach wird. Verbleibt also ein Nutzungsüberhang zugunsten des Käufers, erhöht dieser den Schadensersatzanspruch, verbleibt ein Nutzungsüberhang zugunsten des Verkäufers, reduziert dieser den Schadensersatzanspruch des Käufers.1169 III.5 Rekurs: Anspruchskonkurrenz auch nach Arglistanfechtung Nur der Vollständigkeit der Definition der Rechtsnatur und des Anwendungsbereichs des § 325 BGB ist an dieser Stelle der ergänzende Rekurs darauf geschuldet, dass ungeachtet der (erst) hier herausgestellten Rechtsnatur der Norm und der daraus vorgenommenen Ableitungen schon für das Recht der Arglistanfechtung (§ 123 BGB) an sehr viel früherer Stelle für eine ,große Lösung‘ plädiert worden war, welche § 325 BGB auch auf die Anfechtungserklärung für anwendbar erklärt, also die Geltendmachung nicht nur ergänzender Kompensation durch den großen, sondern auch die Anpassung der rechtlichen Verhältnisse an erst später sich offenbarende sozial-ökonomische Rahmenbedingungen durch Rückbeziehung auf den kleinen Schadensersatzanspruch zulässt.1170 Die dort gefundenen Ergebnisse basieren noch auf der in der Literatur verbreiteten Annahme, § 325 BGB lasse die Gestaltungswirkung des Rücktritts gänzlich 1169 Zur Klarstellung sei hier noch einmal angemerkt, dass das hier vorgeschlagene Modell nur dann zu wertungsmäßig korrekten Ergebnissen führt, wenn dem Ansatz der auch um den kalkulierten Unternehmergewinn reduzierten Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Nutzungsersatzanspruchs des Verkäufers gefolgt wird, da anderenfalls der Schadensersatzanspruch des Käufers über Gebühr belastet und beschränkt wird. 1170 Dazu ausführlich oben 2. Kap. § 3 C) IV.
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unangetastet, was im Ausgangspunkt zunächst ja auch richtig ist. Allerdings folgt aus der hier getroffenen Feststellung, dass § 325 BGB als Anspruchserhaltungsnorm den gesamten Regelungskomplex des Schadensersatzes neben dem Gestaltungsrecht grundsätzlich eröffnet und über eine reziprok-analoge Anwendung des § 281 Abs. 5 BGB die Gestaltungswirkung sodann tatsächlich revisibel erscheinen lässt, ein zusätzliches Argument für die dort gefundenen Ergebnisse. Zunächst sprechen damit, weil es sich bei Rücktritt und Anfechtung, ähnlich wie im Verhältnis des Rücktritts zur Minderung, um zwei gleichberechtigt nebeneinander stehende (Gestaltungs-)Rechte handelt, dieselben Argumente für die ,kleine anfechtungsrechtliche Lösung‘,1171 wie sie auch die unmittelbare Anwendung des § 325 BGB auf die Minderung tragen. Jedoch gehen die hier getroffenen Feststellungen in ihrer Wirkung auch auf das Verhältnis zur Arglistanfechtung § 123 BGB darüber noch hinaus und tragen auch die ,große Lösung‘,1172 wie sie hier bevorzugt wurde. Denn wenn über § 325 BGB Schadensersatzansprüche als Ganzes auch neben Gestaltungsrechten erhalten bleiben, so ist kein Grund erkennbar, die Anfechtung hiervon auszunehmen. Der Gesetzgeber sah keine Veranlassung, in der Schuldrechtsreform Aussagen zum Verhältnis des Schuldrechts zum Allgemeinen Teil zu treffen. Dies ist nach wie vor der Rechtsprechung und der Rechtslehre überlassen. Der seit jeher bestehende und mit § 325 BGB abzumildernde Streit um die Erhöhung der Flexibilität des gegebenenfalls voreilig handelnden Käufers und die Notwendigkeit, solche voreiligen Erklärungen in ihren Rechtswirkungen abschwächen zu müssen, betraf § 123 BGB ebenso wie § 325 BGB a.F.1173 Aus einem Schweigen des Gesetzgebers, das vielmehr für die Beibehaltung des Auftrages an Rechtsprechung und Rechtslehre spricht, das Verhältnis des Schuldrechts zum Allgemeinen Teil auch weiterhin auszuformen, kann deshalb nicht gefolgert werden, das dem § 325 BGB zugrunde liegende Prinzip sei auf bestimmte Gestaltungsrechte beschränkt. Dort wo eine vergleichbare Interessenlage besteht, sollen vergleichbare Rechtsfolgen hergestellt werden. Und da § 325 BGB in seiner rechtsdogmatischen Konstruktion als Anspruchserhaltungsnorm über eine reziprok-analoge Anwendung im Anfechtungsrecht nicht des § 281 Abs. 5 BGB sondern des § 142 Abs. 2 BGB einen identischen Weg eröffnet, sieht sich die weiter oben vorgeschlagene ,große Lösung‘ durch die hier gefundenen Ergebnisse nur bestätigt.
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Siehe oben 2. Kap. § 3 C) IV.2. Oben 2. Kap. § 3 C) IV.3. 1173 Vgl. die soweit erkennbar jüngste Entscheidung des BGH, NJW 2006, 2839, 2840, in welcher das Gericht eine unwirksame Anfechtungs- in eine Rücktrittserklärung umgedeutet hat. 1172
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
§ 4 Das Scheitern der Vertragserfüllung – Mechanismen zur Kompensation von Verstrickungsschäden A) Einführung: Kompensationsansprüche als Bestandteil des Gewährleistungsrechts – Ein Rückblick auf die bisherigen Feststellungen I. Der rechtliche Rahmen Wesentliche Neuerung der mit der Schuldrechtsmodernisierung geschaffenen Neuordnung des Kaufgewährleistungsrechts war die Verknüpfung des Gewährleistungsrechts mit dem allgemeinen Schuldrecht und die damit verbundene allgemeine Schadensersatzfolge auch im Rahmen der kaufrechtlichen Gewährleistung unabhängig von einer Zusicherung oder einem arglistigen Verschweigen.1174 Der Gesetzgeber hat damit einem lange erkannten und praktizierten Bedürfnis, nach der Eröffnung einer Kompensationsmöglichkeit auch im allgemeinen Gewährleistungsrecht Rechnung getragen1175 und ist damit der Einsicht gefolgt, dass die Abwehr von Verstrickungslagen durch die Wandelung früheren Rechts oder die nur eingeschränkte Kompensation durch das Minderungsrecht den tatsächlichen Bedürfnissen häufig nicht gerecht werden. Rechtsprechung und Rechtslehre haben diesem sozial-ökonomischen Bedürfnis gehorchend, schon im alten Recht durch eine Ausdehnung des Anwendungsbereich der positiven Vertragsverletzung (pVV) und zum Beispiel der deliktischen Haftung im Kaufrecht durch extensive Interpretation der so genannten ,Weiterfresserschäden‘1176 Rechnung getragen. Wie der Gesetzgeber mit seiner soeben zitierten Begründung zu §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB zeigt,1177 sind all diese Schadenspositionen in Anerkennung des bestehenden rechtstatsächlichen Bedürfnisses und der daraus sich entwickelten Institutionen in die Evolution des Schuldrechts eingeflossen und werden heute durch die allgemeine Schadensersatzfolge abgedeckt.1178 Sie sind damit deutlich vorhersehbarer geworden. Der Gesetzgeber hat im Rahmen dieser Institutionalisierung des Rechts aber nicht allein den sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen Rechnung getragen, 1174
Vgl. dazu, wie bereits in der Einführung, Schmidt-Räntsch, Das neue Schuldrecht, Rz. 790 ff.,
797. 1175 Siehe dazu Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/6040, S. 224, in welcher die Evolution der gewährleistungsrechtlichen Schadensersatzhaftung deutlich nachgezeichnet ist: „In der Erkenntnis, dass die Rechtsbehelfe der Wandelung und Minderung den Käufer nicht hinreichend vor solchen Schäden schützen, die über den Mangel begründenden Nachteil der verkauften Sache hinausgehen, hat die Rechtsprechung neben den bisherigen §§ 463, 480 Abs. 2 ein Anspruchssystem entwickelt, das über Umwege das Regel/Ausnahmeverhältnis nahezu umgekehrt hat. Gewohnheitsrechtlich gilt heute eine Haftung des Verkäufers für schuldhaft verursachte Mangelfolgeschäden aus dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung. (…) Hieraus folgt bereits der Modernisierungsbedarf. Der Sache nach geht es um die Übernahme des allgemeinen Grundsatzes, dass der Schuldner, der die Pflichtverletzung zu vertreten hat, dem Gläubiger schadensersatzpflichtig ist. Für eine Privilegierung des Verkäufers durch eine kaufrechtliche Sonderregelung besteht kein Anlass.“.
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sondern ist überdies angetreten, eine materielle Neustrukturierung des Schadensersatzrechts zu unternehmen.1179 Wie einleitend ausführlich dargestellt, ist mit dieser Neuordnung des Schadensrechts auch die frühere Differenzierung nach Mangel- und Mangelfolgeschäden obsolet geworden.1180 Die Abgrenzung nach Schadensersatzansprüchen statt der Leistung gemäß § 281 BGB und dem allgemeinen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB folgt nach wohl richtiger Auffassung heute nämlich aus der gegebenen oder fehlenden Reversibilität des Schadens in der Nacherfüllungsperiode.1181 Wäre der Schaden durch fristgemäße Nacherfüllung zu verhindern gewesen, ist er als Schaden statt der Leistung zu ersetzen; trat der Schaden unabhängig von oder während des Laufs der Nacherfüllungsfrist ein, würde also auch die fristgerechte Nacherfüllung den Eintritt des Schadens nicht verhindert haben, handelt es sich um einen über § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzenden Begleitschaden.1182 Da aber, gleichgültig ob der Geschädigte über § 280 Abs. 1 BGB den Ersatz auch durch eine zweite Andienung irreversibler Schäden oder Schadensersatz statt der Leistung begehrt, der Ersatzanspruch sowohl in Gesalt des großen als auch in Gestalt des kleinen Schadensersatzes auf den Ausgleich des positiven Interesses gerichtet ist, der Geschädigte also so zu stellen ist, wie er gestanden haben würde, 1176 Sehr kritisch zu der Rechtsprechung der ,Weiterfresserschäden‘ stets und hier statt vieler Reinicke/Tiedtke, NJW 1986, 10; Tiedtke, ZIP 1992, 1446, 1448. Mit der Schuldrechtsmodernisierung wurde wegen der nunmehr unter der Beweislastumkehr des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB angeordneten allgemeinen Schadensersatzfolge auch des Gewährleistungsrechts vertreten, dass es einer flankierenden deliktischen Haftung zum Schutz des Integritätsinteresses an einer funktional von dem mangelhaften Teil der im Übrigen ordnungsmäßigen Gesamtsache zu trennenden nicht stoffgleichen Restsache nicht mehr bedürfe, vgl. Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rz. 582; Grigoleit, ZGS 2002, 78, 80; Brors, WM 2002, 1780, 1784. Dieser Auffassung mag in der Sache zwar zuzustimmen sein, der Gesetzgeber hat es aber versäumt, das Gewährleistungsrecht insoweit als abschließende Institution auszugestalten und hat vielmehr die Fortentwicklung – oder auch die Aufgabe – dieser Rechtsprechung den Gerichten ausdrücklich überlassen, BT-Drs. 14/6040, S. 228 f. Eine Auseinandersetzung mit dem Tatbestand und den Rechtsfolgen des Weiterfressermangels hat daher auch im modernisierten Schuldrecht grundsätzlich noch zu erfolgen, vgl. ausführlich Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 950 ff.; Schaub, in: PWW, BGB, § 823 Rz. 39 ff. Da die deliktische Haftung für Rechtsgüter außerhalb der Äquivalenzbeziehung, und dies ist der Ausgangspunkt der konkurrierenden Deliktshaftung, jedoch nicht in die Sphäre einer vertrauensbedingten Verstrickung hineinwirkt, soll es hier mit diesem Hinweis sein Bewenden haben. 1177 Vgl. nochmals BT-Drs. 14/6040, S. 224. 1178 Diese gesetzgeberische Institutionalisierung eines rechtsevolutorischen Prozesses ist bereits aus der Anerkennung des Nacherfüllungsanspruchs (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB) bekannt, vgl. oben 2. Kap. § 2 B) I. 1179 BT-Drs. 14/6040, S. 133: „Das hat zu erheblichen Unterscheidungsschwierigkeiten geführt, deren Lösung mit den Begriffspaaren ,unmittelbar‘ und ,mittelbar‘ oder ,Mangelschaden‘ und ,Mangelfolgeschaden‘ versucht worden ist. Die hieraus entstandenen vielfachen Unsicherheiten zu beseitigen, ist eines der wesentlichen Ziele der Schuldrechtsmodernisierung.“. 1180 Dazu oben Einl. § 3 C) III.1. 1181 Zutreffend spricht Lorenz, NJW 2004, 26, 27, deshalb auch davon, dass „die Grenze zwischen Schadensersatz ,neben‘ der Leistung und Schadensersatz ,statt der Leistung‘ nicht mehr zwingend rechtsgutbezogen verläuft, sondern eine im Zeitablauf dynamische geworden ist.“. 1182 Auch insoweit oben Einl. § 3 C) III.1.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
hätte der Vertragspartner ordnungsgemäß erfüllt, standen stets auch Kausalitätsprobleme im Mittelpunkt der schadensrechtlichen Diskussion,1183 derer sich der Gesetzgeber mit der Schaffung des § 284 BGB nur sehr bedingt angenommen hat.1184 Aufwendungen nämlich, die der Geschädigte im berechtigten Vertrauen auf den Erhalt der vertraglich bedungenen Leistung gemacht hat, sind zunächst nicht kausal durch die Vertragspflichtverletzung verursacht, verlieren aber dennoch die Chance, beim Käufer nach ordnungsgemäßer Erfüllung durch die intendierte Nutzung des Vertragsgegenstandes amortisiert zu werden. Um auch solchen Aufwand in die Schadensberechnung einzubeziehen, haben Rechtsprechung und Rechtslehre, zurückgehend bereits auf Rechtsprechung des Reichsgerichts, die sog. Rentabilitätstheorie begründet, wonach bei regelmäßigem Lauf der Dinge davon auszugehen sei, dass der Käufer seine Vertrauensaufwendungen bei ordnungsmäßiger Erfüllung amortisiert haben würde. Im immateriellen Bereich trat an die Stelle der Rentabilitätstheorie die sogenannte Kommerzialisierungsthese oder auch Frustrationslehre, auf Grundlage derer der BGH annahm, dass Gegenstände von zentraler Bedeutung für die persönliche Lebensführung kommerzialisiert seien, weshalb der Entgang einer Nutzungsmöglichkeit im Schadensfalle zu ersetzen sei.1185 Im Anwendungsbereich dieser Konstruktionen zur Positivierung eines negativen Interesses vollzieht sich auch die Diskussion um die Rechtsnatur1186 und den Anwendungsbereich des § 284 BGB. II. Der ökonomische Rahmen Ökonomisch hingegen ist die Berechtigung solcher Materialisierungstendenzen in Bezug auf das negative Interesse zweifelsfrei berechtigt, will man dem Verzehr von Quasi-Renten einerseits entgegenwirken und andererseits der Erkenntnis Rechnung tragen, dass interpersonale Nutzenvergleiche und Versuche einer realitätsgerechten Nutzenbemessung in der ökonomischen Wirklichkeit endogen beeinflusster und Änderungen unterworfener Präferenzen von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Obwohl nach der Hermeneutik der Kooperationsbeziehung grundsätzlich davon auszugehen ist, dass Verträge – jedenfalls im Anwendungsbereich typischer Ver1183
Vgl. dazu z.B. grundlegend Meder, Schadensersatz als Enttäuschungsverarbeitung, S. 48 ff. Ausführlich Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 146 ff.; Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 97 ff. 1185 Zu beidem ausführlich oben Einl. § 3 C) III.2 a). 1186 Wie nämlich ebenfalls bereits einleitend herausgestellt, ist schon streitig, ob § 284 BGB eine eigene Anspruchsgrundlage darstellt, oder lediglich Teil der Schadensausfüllung ist, vgl. oben Einl. § 3 C) III.2 b); für die Einordnung als Anspruchsgrundlage: Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 146 f.; Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 28; Reim, NJW 2003, 3662, 3663; Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 284 Rz. 2; Otto, in: Staudinger, § 284 Rz. 10 a.E.; dagegen für eine Qualifizierung nur als Modalität der Schadensberechnung: Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 28 ff.; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 171 ff. 1184
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strickungsfälle – unter Einbeziehung ihrer impliziten Bestandteile vollständig sind,1187 so kann dies selbstverständlich nicht darüber hinweg täuschen, dass in der Rechtswirklichkeit ein breit gefächerter Anwendungsbereich für Kompensationsfälle nicht nur dort verbleibt, wo ausnahmsweise der Kooperationsbeziehung eine implizite Risikozuweisung für die konkret zu beurteilenden Kontingenzen nicht zu entnehmen ist, sondern auch dort, wo eine solche Risikozuweisung ableitbar, ein Konsens darüber aber nicht herzustellen, der Risikoträger zur Risikoübernahme nicht bereit oder nicht in der Lage ist. In all diesen Fällen muss es ökonomisch dem Anspruchsberechtigten freistehen, die gestörte Kooperationsbeziehung in eine Abwicklungsbeziehung umzukehren und Kompensation für den erlittenen Nutzenentgang zu fordern; der rechtliche Rahmen dafür wird durch das Gewährleistungsrecht und den dort institutionalisierten Vorrang der Nacherfüllung gesteckt.1188 Soll dieser Kompensationsanspruch unter ökonomischem Blickwinkel vollständig sein, um eine – um Transaktionskosten bereinigte – aufwandsneutrale Reallokationsmöglichkeit zu eröffnen, so muss er die nutzenrelative Dynamik der Kooperations- in Gestalt einer Vertrauensbeziehung und deren Einfluss auf die das Äquivalenzgerüst der Kooperation bestimmenden Faktoren für die Bildung der Zahlungsbereitschaft berücksichtigen. Will heißen: Das regelmäßig rechtstatsächliche Auseinanderklaffen von positivem und negativem Interesse ist, ökonomisch analysiert, ein Problem der Informationsasymmetrie. In Märkten vollkommener Konkurrenz unter gleichzeitiger Abwesenheit von Transaktionskosten gleichen sich positives und negatives Interesse auf Rechtsfolgenseite1189 grundsätzlich und führen jeweils zu einer vollständigen Kompensation des kooperationstreuen Vertragspartners.1190 Die neoklassische Gleichgewichtstheorie in einem ökonomischen Modell vollkommener Konkurrenz ist nämlich geprägt durch die Annahme der Existenz vieler identischer Käufer und Anbieter,1191 sodass an Stelle eines jeden Vertrages auch ein inhaltsgleicher anderer Vertrag hätte geschlossen werden können. Die Opportunitätskosten entsprechen daher jeweils dem Wert des tatsächlich geschlossenen Vertrages. Unter solchen Bedingungen ist es für einen infolge Desinformation verstrickten Käufer dann unerheblich, ob die Kompensation des negativen oder des positiven Interesses gewährt wird, da beide im Ergebnis identisch zu einer vollständigen Kompensation führen.1192 Da Märkte aber nicht vollkommen sind und Trans1187
Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.5. Auch dazu bereits ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) II.1. 1189 Auf Tatbestandsebene sind Schadenspositionen des positiven Interesses demgegenüber unmittelbar kausal durch das schädigende Ereignis verursacht, während sich Schadenspositionen des negativen Interesses tatbestandlich daraus entwickeln, dass ein in berechtigtem Vertrauen auf eine eintretende Eigenkompensation getätigter Aufwand wegen des Ausbleibens der vertragsgerechten Leistung tatsächlich durch die ursprünglich prospektierte Nutzung nicht (mehr) kompensiert werden kann. 1190 Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1445 ff. 1191 Vgl. nur Erlei/Leschke/Sauerland, Neue Institutionenökonomik, S. 43 ff., und bereits den Überblick oben 1. Kap. § 2 B) I.1. 1192 So bereits wörtlich oben 1.Kap. § C) II.2 c). 1188
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aktionskosten prohibitiv einer Angleichung der Opportunitätskosten an die konkrete Austauschbeziehung entgegenstehen, sich der Käufer aber dennoch, sich dessen bewusst aber in grundsätzlich berechtigten transaktionsspezifischem Vertrauen handelnd, auf die Kooperationsbeziehung einlässt, geht er das allein informationsökonomisch und dem Umstand nicht vollkommener Märkte geschuldete Risiko des Zurückbleibens seines negativem hinter dem positiven Interesse ein. Der Verkäufer hingegen, auf dessen Seite die selben Mechanismen von Vertrauensinvestition und prospektierter Amortisation wirken, nur eben nicht beschränkt auf die konkrete Transaktion, sondern bezogen auf den gesamten Markt, in dem er sich bewegt, geht durch den Kooperationsbruch ein ungleich geringeres Risko ein, weil die Märkte nicht nur unvollkommen, sondern auch intransparent und undurchlässig sind,1193 sich seine Eigenkompensationserwartung deshalb trotz des Kooperationsbruchs im Einzel- oder auch im Wiederholungsfall dennoch erfüllen kann.1194 Legt man aber zugrunde, dass sich das Auseinanderlaufen von positivem und negativem Interesse ökonomisch auf die Verstrickung durch Desinformation zurückführen lässt, so scheint es nur folgerichtig, diesem Umstand durch eine Positivierung des negativen Interesses in Verstrickungsfällen Rechnung zu tragen1195 und so eine vollständige Kompensation im Sinne vertragswertgleicher Opportunitätskosten wie in vollkommenen Märkten zu simulieren.1196 Weniger die Internalisierung externer Effekte, wie bei der ökonomischen Rechtfertigung der Rentabilitätstheorie, als mehr die relationale Vertrauensgrundlage der jedenfalls bipolaren Kooperationsbeziehung stehen im Fokus der Rechtfertigung einer Ersatzfähigkeit auch von immateriellen Schäden insbesondere wegen Nutzungs- und Nutzenentgangs,1197 die der BGH immer dann anerkennt, wenn es sich 1193 Vgl. zur Bedeutung der Markttransparenz für Informationswirkungen wie schon an anderer Stelle (1. Kap. § 2 B) III.4 c)) Kunz, Marktsystem und Information, S. 101. 1194 Diese Zusammenhänge sind ausführlich oben, 1. Kap. § 2 C) II.2 c) mit Hinweis auf einen Vergleich der Eigenkompensationskurven in Abb. 2 (Verkäufer) und Abb. 7 (Käufer) erläutert. 1195 Mit ähnlichem und allein juristisch hergeleiteten Ergebnis Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 98 f., der die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse für wenig hilfreich hält und stattdessen für eine „konsequente Ermittlung des Schadens auf Grundlage der Differenzhypothese“ eintritt. 1196 Dazu bereits ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 c) mit Hinweis u.a. auf Williamson, Institutionen, S. 334; Anders als Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 103, meint, ist die Rentabilitätsvermutung damit sehr wohl und sehr viel mehr als eine nur ,durchaus problematische Hilfskonstruktion‘. 1197 Beide Fallgruppen, nämlich die Rentabilitätsvermutung einerseits und die Kompensation entgangener Nutzung andererseits, lassen sich unter dem Oberbegriff der frustrierten Aufwendungen zusammenfassen. Diese Frustrationslehre geht bereits auf v. Tuhr zurück, der als erster die – ökonomisch wohl bedachte – Auffassung vertrat, dass auch Aufwendungen zum Erwerb einer Sache, die sich später infolge einer Vertragsverletzung oder eines Delikts als nutzlos erwiesen, als ersatzfähiger Schaden anerkannt werden müssten, um den Schädiger nicht unbillig zu entlasten, vgl. v. Tuhr, BGB AT Bd. I, S. 320. Ökonomisch geht es hier zwar mehr um die vollständige Kompensation des Geschädigten, um diesem eine möglichst uneingeschränkte Reallokation der fehlgeleiteten Ressourcen zu ermöglichen, als weniger um die Vermeidung einer unbilligen Entlastung des Schädigers, Grundgedanke und vor allem Rechtsfolgen beider Ansichten sind indes gleichgerichtet. Insbesondere Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 27, sieht in § 284 BGB eine partielle Positivierung dieser Frustrationslehre.
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um den Nutzungsentfall eines für die persönliche Lebensführung typischerweise zentralen Wirtschaftsguts handelt, das auch einer erwerbswirtschaftlichen Nutzung theoretisch zugänglich wäre.1198 Entgegen den bisherigen ökonomischen Erklärungsansätzen, wonach der (inzwischen: weitgehende) Ausschluss immateriellen Schadensersatzes nach § 253 BGB alter und geltender Fassung seine Rechtfertigung in einem gebotenen Selbstbehalt zur Abschwächung des mit einem ,Versicherungseffekts‘ nachlassenden Aktivitätsniveaus habe ich hier darauf hingewiesen, dass ein solcher Versicherungseffekt in Verstrickungsfällen regelmäßig gar nicht eintreten kann, da die eine Verstrickung verursachenden Informationslücken in grundsätzlich berechtigtem Vertrauen hingenommen werden und gerade dieses Vertrauen – als abstraktes Vertrauen vom Verkäufer außerhalb der Vertragsbeziehung aktiv aufgebaut und beworben und innerhalb der Vertragsbeziehung stillschweigend in Anspruch genommen, oder als konkretes Vertrauen in die Verhandlungsbeziehung explizit eingeführt – Bestandteil der Äquivalenzbeziehung und damit der impliziten Risikozuweisung ist. Dies gilt jedenfalls, soweit es sich um typischerweise vorhersehbare (immaterielle) Schäden handelt, was jedenfalls bei den Wirtschaftsgütern von zentraler Bedeutung für die persönliche Lebensführung, die auch einer erwerbswirtschaftlichen Nutzung zugänglich sind, der Fall ist. Diese besondere Funktion des Vertrauens in Vertragsbeziehungen mit seiner Grundlagenwirkung für die vertragliche Risikozuweisung darf aber nicht dadurch unterlaufen werden, dass typischerweise erkennbare Schäden im Falle einer Störung der Kooperationsund Äquivalenzgrundlage allein deshalb unausgeglichen bleiben, weil die intendierte Nutzung nicht erwerbswirtschaftlich ausgerichtet war. In einem letzten Schritt waren dann ökonomisch ersatzfähige Schäden von nicht ersatzfähigen sunk costs des Geschädigten abzugrenzen, was wiederum und ebenfalls über die implizite Risikozuweisung durch Auslegung des Zahlungsbereitschaftsverhalten der beteiligten Akteure erfolgte, abgesichert durch informationsökonomische Grundsätze, dass nämlich Schäden, die aus der verspäteten Offenbarung unproduktiver Information grundsätzlich keine sunk costs, sondern ersatzfähige Schäden begründen.1199 III. Die Zusammenführung zu einem rechtsökonomischen Rahmen III.1 Die Typisierung von Schadenspositionen im Gewährleistungsfolgenrecht Die bislang gefundenen und vorstehend noch einmal rekapitulierten rechtlichen und die ökonomischen Ergebnisse in Bezug auf Notwendigkeit, Reichweite und Inhalt von Kompensationsansprüchen zur Bewältigung des einer modernen Marktwirtschaft und ihrer Institutionen immanenten Problems der Verstrickung 1198
Die ökonomische Legitimation der Rechtsprechung zum Ersatz typischerweise vorhersehbarer Nutzungsausfallschäden im nicht erwerbswirtschaftlichen Bereich ist unter oben 1. Kap. § 2 C) II.3 entgegen bislang angebotenen ökonomischen Erklärngsansätzen ausführlich nachvollzogen. 1199 Auch dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) II.4.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
durch Desinformation, das unter dem Stichwort der ,Risiken aus einer Informiertheitsillusion‘ zutreffend zusammengefasst ist, mündeten bereits an früherer Stelle in einen Katalog aus typisierten Fallgruppen der Kompensation grundsätzlich zugänglicher Schadenspositionen. Es waren dort fünf typisierbare Kategorien kompensationswürdiger und deshalb aus ökonomischem Blickwinkel grundsätzlich ersatzfähiger Schadensereignisse identifiziert worden, die in der Rechtspraxis allesamt bereits als ausgleichsfähige Schadenspositionen anerkannt sind:1200 – Substitutionskosten, als die Kosten eines notwendigen Deckungskaufs einschließlich der darauf entfallenden Transaktionskosten, – Entgangener Gewinn, wenn und soweit ein Deckungskauf mit zumutbarem Aufwand nicht möglich ist, – Opportunitätskosten, als der Schaden aus dem Entgang einer alternativen und nunmehr verlorenen Vertragsabschlussmöglichkeit,1201 – Out of pocket – Kosten, als der tatsächlich im Vertrauen auf die Vertragserfüllung getätigte Aufwand und somit als die klassische Position des negativen Interesses und – der Differenz- oder Teilerfüllungsschaden, wenn die versprochene Leistung nicht dem erwarteten Nutzen entspricht und lediglich diese Nutzendifferenz zu kompensieren ist. Wie einer jeden Fallgruppenbildung immanent, können hierdurch freilich nicht alle Eventualfälle abgedeckt werden und muss eine jede Typisierung offen nach allen Richtungen bleiben, ohne die Pfeiler ihres Korsetts zu zementieren. Jedoch hilft die Systematisierung potentiell schadensstiftender Ereignisse in Fallgruppen kompensationsfähiger Schäden zunächst im Sinne eines vereinfachten Zugangs zu dem Problem der Bewältigung von Verstrickungslagen Konturen und Struktur in die unzähligen und denkbar möglichen Sachverhaltsgestaltungen zu bringen. Und ein Weiteres macht die Differenzierung nach potentiell schadensstiftenden Ereignissen noch einmal in einem klarstellenden Sinne deutlich, worin ihr eigentlicher Nutzen liegt: Sie hilft nach der ,Tatbestands-‘ und der ,Rechtsfolgenebene‘ des Schadens selbst zu differenzieren und daraus Grundsätze für die Anwendungsregeln zu ihrer Bewältigung abzuleiten. Während die Unterscheidung von Schadenskategorien nach danach, dass der Geschädigte so zu stellen ist, wie er stünde, wäre ordnungs1200
Zu den Fallgruppen im Einzelnen oben 1. Kap. § 2 C) II.2 b). Hierbei handelt es sich allerdings um eine Schadensposition des negativen Interesses, über deren Ersatzfähigkeit im Rahmen des kaufgewährleistungsrechtlichen Schadensersatzes statt der Leistung jedenfalls Klarstellungsbedarf besteht vgl. dazu die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 144, wonach solche Schadenspositionen beim Schadensersatz statt der Leistung nämlich ausdrücklich ausgeschlossen bleiben sollen. Dazu allerdings kritisch Canaris, JZ 2001, 399, 407, da dies zu einer deutlichen Schlechterstellung des Gläubigers im Gewährleistungsrecht als nach den Regeln über die culpa in contrahendo führt (dazu mit Beispielen aus der Rechtsprechung für zugesprochenen Ersatz von Opportunitätskosten oben 1. Kap. § 2 C) II.2 b)). 1201
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gemäß erfüllt worden (positives Interesse) oder aber so, als hätte er den Vertrag nie geschlossen (negatives Interesse) die ,Rechtsfolgenebene‘ des Schadens beschreibt, hilft der Blick auf die ,Tatbestandsebene des Schadens‘, die klare Trennung gedanktlich zu durchbrechen und vorhandene Gemeinsamkeiten in der Verursachung und der auf Rechtsfolgenebene zu erreichenden Kompensation herauszustellen, die zur Bewältigung dogmatischer Fragen in Bezug auf die zugrunde liegenden rechtlichen Anwendungsregeln beitragen können. Nachvollziehbar wird dies am Beispiel der Substitutionskosten: Erfüllt der Verkäufer nicht ordnungsgemäß und ist er dazu auch nach Ablauf der Nacherfüllungsfrist nicht bereit oder in der Lage, so kann der Käufer gehalten oder bestrebt sein, den mit dem Vertrag intendierten Nutzen – soweit möglich – durch Tätigung eines Deckungskaufs zu realisieren. Die hierfür entstehenden Kosten einschließlich der Transaktionskosten in Gestalt insbesondere von Such- und zusätzlichen Vertragsabschlusskosten sowie ein etwaig zu zahlender Kaufpreisaufschlag gegenüber dem gescheiterten Vertrag sind als Schadenspositionen des positiven Interesses ohne Weiteres ersatzfähig. Die dienen dazu, den Käufer so zu stellen, wie er bei ursprünglich ordnungsmäßiger Erfüllung gestanden haben würde. Doch damit hat es, blickt man auch auf die ,Tatbestandsebene des Schadens‘ nicht sein Bewenden. Denn soweit durch den Deckungskauf die ursprüngliche Aufwands-Nutzen-Kalkulation des Käufers verwirklicht wird, dessen für die Bestimmung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses grundlegende Zahlungsbereitschaft also durch Kompensation des entstandenen Mehraufwands nicht überfordert wird, setzt der ursprünglich vom Käufer kalkulierte und intendierte Effekt der Eigenkompensation ein, werden durch den Ersatz des positiven Interesses also zugleich und diesem immanent auch die bis zum vollen Ausgleich des Mehraufwands zeitweilig entstandenen und dem negativen Interesse zuzuordnenden Schäden gleichsam mitkompensiert.1202 Diese Begleitkompensation des negativen durch das positive Interesse ist Folge der Einordnung der Schadenspositionen des negativen Interesses als vorgezogener und einer Eigenkompensation auf interpersonal nicht vergleichbarer Nutzenebene zugänglichen Aufwands.1203 Es gibt daher auf Rechtsfolgenebene dem Ersatz des positiven Interesses zuzuordnende schadensstiftende Ereignisse, die zugleich durch den Effekt der Begleitkompensation auch den Ersatz des negativen Interesses inkorporieren.1204 Wie weit dieser Effekt in den verschiedenen Fallgruppen jeweils reicht, ist in Anleh1202
Dass Gegenstand des negativen Interesses bei der Nichterfüllung von Verträgen die entgangene Möglichkeit zur Eigenkompensation ist, ist hier als Grundlage auch der Rentabilitätstheorie bereits ökonomisch unterlegt worden, ist aber auch in der Rechtslehre anerkannt, vgl. Schackel, ZEuP 2001, 248, 249: „Der Schaden wird also nicht in den fehlgeschlagenen Gläubigeraufwendungen selbst, sondern in der entgangenen Kompensationsmöglichkeit dieser Aufwendungen gesehen.“. 1203 Siehe dazu noch einmal ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) II.2 c). 1204 Letztlich beinhaltet diese Aussage nicht viel anderes, als die schon vom Reichsgericht, RGZ 127, 245, 248 ff., begründete Vermutung, dass sich vorvertraglicher Aufwand nach ordnungsmäßiger Erfüllung regelmäßig amortisiere, liefert dafür aber eine belastbare Begründung.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
nung an die Eigenkompensationskurve des Käufers, dargestellt in Abb. 7,1205 am einfachsten ebenfalls grafisch nachzuvollziehen: negatives Interesse
30
positives Interesse
Schaden
25
Diff.Schaden
15 10 5
Substitutionsk.
Opportunitätsk.
out of pocket
0
entg. Gewinn
20
–5 –10 –15 –20 –25 Zeit
Entwicklung des Interesses Schadenskurve
Abb. 10: Kompensationswirkung typisierter Schadensereignisse Während also der Ersatz der out of pocket – Kosten tatsächlich allein das negative Interesse befriedigt, wirken sämtliche übrigen Schadenspositionen ergänzend im Sinne der Begleitkompensation auch auf das positive Interesse zurück, da in die Erfüllung des positiven Interesses von dem Käufer in dessen ex ante Kalkulation die Eigenkompensation und damit die vollständige Befriedigung auch des negativen Interesses einbezogen worden war.1206 Aus diesem Grunde nimmt die Schadenskurve mit zunehmender Erfüllung des positiven Interesses ab. Wird das positive Interesse ausgeglichen, verbleibt ein negatives Interesse nicht.1207 Diese beinahe trivial anmutende Aussage beinhaltet einerseits den ökonomischen Beleg für die Notwendigkeit einer rechtsdogmatischen Erfassung der Eigenkompensation und des Begleitkompensationseffekts, wie mit der Rentabilitätstheorie geschehen. Sie kann 1205
Oben 1. Kap. § 2 C) II.2 a). Die immer wieder zu findende Formulierung, dass § 284 BGB der Antwort auf die Frage näher träte, ob der Gläubiger ,auf das positive Interesse beschränkt sei, oder stattdessen auch den Ersatz des negativen Interesses fordern könne‘, wie sie z.B. bei Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 104, zu finden ist, verliert damit deutlich an Aussagekraft, da eine ,Beschränkung‘ auf das positive Interesse kaum vorstellbar ist. Immer dort, wo dieses ersetzt wird, ist das negative Interesse ökonomisch denknotwendig inkludiert. Darauf wird im Rahmen der dogmatischen Einordnung des § 284 BGB sogleich unter 2. Kap. § 4 B) I. zurückzukommen sein. 1207 In diesem Sinne auch Altmeppen, DB 2001, 1399, 1403; ebenso Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 322. 1206
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aber andererseits auch dabei helfen, die verbleibenden Grundsatz- und Anwendungsfragen im Zusammenhang insbesondere mit § 284 BGB zu bewältigen, weil in dieser Aussage zugleich zum Ausdruck kommt, dass die Vereitelung des Eigenkompensationseffekts nicht nur Vertrauens-, sondern Teil des Nichterfüllungsschadens ist. III.2 Das rechtsökonomische Fazit zur Objektivierung des negativen Interesses als Anspruch an die Rechtsordnung und Ausgangspunkt für die Einordnung des § 284 BGB Die Rentabilitätsvermutung der Rechtsprechung, begründet lange vor der Modernisierung des Schuldrechts, entbehrt, wie gesehen, nicht einer ökonomischen Berechtigung. Bedarf für die Anwendung der Rentabilitätsvermutung verbleibt auch unter Berücksichtigung der soeben herausgestellten Begleitkompensation des negativen durch den Ersatz des positiven Interesses dort, wo ein positives Interesse nicht geltend gemacht wird, erwartungsgemäß nicht zur vollständigen Kompensation führt oder nicht geltend gemacht werden kann. Dem Ziel, solche Aufwendungen vor Erfüllung, die durch die ordnungsgemäße Erfüllung einer materiellen oder immateriellen Kompensation zugeführt worden wären, auszugleichen, dient § 284 BGB.1208 Dass der Gesetzgeber sich dabei bewusst von der Rentabilitätsvermutung abgekehrt habe,1209 darf angesichts der Gesetzesbegründung, die lediglich einen über diese Rechtsprechung hinausgehenden Anspruch schaffen wollte, allerdings bezweifelt werden. Ungeachtet dessen, bedarf jedoch das Verhältnis der Rentabilitätstheorie zu § 284 BGB der Beleuchtung,1210 dem jedoch die rechtsdogmatische Einordnung der Norm, die inzwischen überwiegend als Anspruchsgrundlage qualifiziert wird,1211 vorgreiflich ist.
1208 So jedenfalls die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 143: „Der Entwurf geht davon aus, dass – über die Ergebnisse der Rechtsprechung hinausgehend – dem betroffenen Gläubiger stets die Möglichkeit zustehen soll, Ersatz seiner Aufwendungen unabhängig davon zu erlangen, ob sie auf Grund einer – vermuteten – ,Rentabilität‘ des Vertrags jedenfalls als der kostendeckende Teil des entgangenen materiellen Ertrags aus dem Geschäft qualifiziert werden können oder nicht. Unsicherheiten und Zufälligkeiten in der Rentabilitätsberechnung und der Bewertung von Vorteilen aus dem Geschäft als materiell oder immateriell werden so vermieden.“. 1209 So aber Lorenz, JuS 2008, 673. 1210 Lorenz ist bei der Beurteilung des Verhältnisses des § 284 BGB zur Rentabilitätstheorie alten Rechts unstet, wie der Vergleich seines soeben wiedergegebenen Verständnisses aus JuS 2008, 673, mit der früheren Äußerung aus NJW 2004, 26, 27, zeigt, wo es noch heißt: „In Bezug auf die Verfolgung kommerzieller Zwecke nimmt die Regelung die Rentabilitätsvermutung auf und führt sie zugleich weiter.“. 1211 Gsell, NJW 2006, 125; Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 102 ff.; Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275 ff.; Lorenz, NJW 2004, 26 ff.; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 1.
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B) § 284 BGB – Der Vertrauensschaden im System der Verstrickungsabwehr I. Dogmatische Einordnung des § 284 BGB: Schadensausfüllung oder Anspruchsgrundlage I.1 Vorbemerkung Der Aufwendungsersatzanspruch des § 284 BGB stellt im Vergleich zur Rentabilitätsvermutung des alten Rechts eine wichtige Neuerung dar;1212 er ist eine Neuschöpfung der Schuldrechtsmodernisierung1213 mit Anleihen sowohl bei der aus dem anglo-amerikansischen Rechtskreis1214 auch in die deutsche Rechtsordnung zunehmend implementierten Frustrationslehren als auch bei der Rentabilitätstheorie.1215 Obwohl auch der Ersatz des Vertrauensschadens dem deutschen Rechtskreis schon vor der Schuldrechtsmodernisierung nicht fremd war, besteht das Novum doch darin, dass ein Anspruch auf das negative Interesse rechtsdogmatisch vor Schaffung des § 284 BGB und mit Ausnahme der Rentabilitätstheorie, durch die eine Positivierung des negativen Interesses durch Abstellen nicht auf die Aufwendung selbst, sondern auf deren ausgebliebene Kompensation, nur bei Nichtzustandekommen eines Vertrages zugestanden wurde, nicht aber, wenn ein gültiger Vertrag geschlossen worden ist.1216 Soweit der Gesetzgeber damit grundsätzlich neuen Boden betritt, ist die dogmatische Grundlegung dieser erstmaligen Positivierung des Ersatzes von Schadenspositionen des negativen Interesses als vorläufiges Ergebnis einer rechtlichen Evolution zuvörderst auf dem Boden der Gesetzesbegründung zu bereiten.1217 Diese wiederum lässt beim ersten Blick darauf schließen, dass es sich bei § 284 BGB nicht um eine eigene Anspruchsgrundlage, sondern allein um eine Modalität der Schadensberechnung handelt.1218 Der Gesetzgeber selbst unterstellt nämlich, dass die §§ 280 Abs. 1, 331a BGB die einzigen schadensersatzrechtlichen Anspruchsgrundlagen des modernisierten Schuldrechts seien.1219 Unterstützung findet diese gesetzgeberisch motivierte Annahme auch in der Literatur.1220 Die wohl überwiegende Ansicht in 1212
Lorenz, NJW 2004, 26, 27. Reim, NJW 2003, 3662; kritisch Derleder, NJW 2004, 969, 972: „Diese Vorschrift ist eine besonders wenig durchdachte Innovation (…)“. 1214 Im u.s. amerikanischen Rechtskreis ist der Ersatz des reliance interest anerkannt, vgl. dazu Leonhard, AcP 199 (1999), 660 ff. 1215 Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 106; Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 27; anders Gsell, in: Dauer-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 334 ff. 1216 Schackel, ZEuP 2001, 248, 250. 1217 Ähnlich Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 102: „Die genaue Reichweite des neuen § 284 BGB kann man zutreffend wohl nur vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und der vorausgegangenen Diskussion würdigen.“. 1218 Dazu Reim, NJW 2003, 3662, 3663. 1219 BT-Drs. 14/6040, S. 135; kritisch Altmeppen, DB 2001, 1402, 1403, sowie ders., DB 2001, 1821, 1823. 1220 Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 28 ff.; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 171 ff. 1213
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der Literatur tritt dem allerdings entgegen und erhebt § 284 BGB – zum Teil allerdings janusköpfig1221 – in den Rang einer eigenständigen Anspruchsgrundlage.1222 Die Diskussion um diese dogmatische Einordnung der Norm hat ihren Ursprung und ihre Lösung gleichermaßen in der Frage, ob es bei dem Ersatz frustrierter Aufwendungen „nicht eigentlich um ein Schadensproblem, sondern um eine Frage des Aufwendungsersatzes“1223 geht. Ist aber der Aufwendungsersatz etwas grundlegend anderes, als der Anspruch auf Ersatz eines eingetretenen Schadens, so liegt es tatsächlich nahe, § 284 BGB wegen dieser Artverschiedenheit als eigene und qualitativ-alternativ neben § 281 BGB stehende Anspruchsgrundlage zu verstehen.1224 Nimmt man hinzu, dass § 284 BGB mit seiner Beschränkung des Ersatzanspruchs auf den Aufwendungsersatz vom Gesetzgeber offen kommuniziert das Ziel verfolgt, einem allgemeinen Anspruch auf den Ersatz des negativen Interesses eine Absage zu erteilen,1225 das negative Interesse aber unzweifelhaft Teil eines Schadensersatzanspruchs ist, so spricht dies noch einmal für die Artverschiedenheit von Aufwendungs- und Schadensersatz, die für die Einordnung als Anspruchsgrundlage mit einem qualitativ eigenständigen und vom Schadensersatz inhaltlich abgekoppelten Anwendungsbereich des § 284 BGB sprechen könnte. Eine klare teleologische Ausrichtung der Norm ist, dies zeigen die verschiedenen angebotenen Lösungen und deren Begründungsversuche, bislang allerdings nicht gefunden.1226 Dies hängt nicht zuletzt mit der – etwas künstlich anmutenden – Differenzierung zwischen dem positivierten Aufwendungsersatzanspruch des Gläubi1221
Derleder, NJW 2004, 969, 973, hält § 284 im immateriellen oder strategischen Bereich für eine haftungsbegründende Norm, also eine eigenständige Anspruchsgrundlage, bei erwerbswirtschaftlichen Geschäften hingegen für lediglich haftungsmodifizierend; ebenso Ernst, in: MüchKomm-BGB, § 284 Rz. 8; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 327. 1222 Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 102 ff.; Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 28; Gsell, NJW 2006, 125; dies., in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321; Dauner-Lieb, in: AnwKomm § 284 Rz. 9; Reim, NJW 2006, 3662, 3663; Lorenz/Riehm, Schuldrecht, Rz. 222. 1223 So wörtlich Dauner-Lieb, in: AnwKomm § 284 Rz. 2, mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung (vgl. das sogleich wiederzugebende Zitat aus BT-Drs. 14/6040, S. 144). 1224 Mit dieser Begründung Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 28, der in § 284 BGB einen Anspruch ,wegen Nichterfüllung‘ sieht, der gerechtfertigt sei, weil sich kein triftiges Argument dafür anführen lasse, den Anspruch wegen Nichterfüllung auf das positive Interesse, also den ,Schadensersatz statt der Leistung‘ zu beschränken und dem Gläubiger einen Anspruch auf ,negativen Vertrauensschutz‘ vorzuenthalten. 1225 Reim, NJW 2003, 3662, 3665; Grüneberg, in: Bamberger/Roth, BGB, § 284 Rz. 13. Beide mit Hinweis auch auf die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 144: „§ 327 Abs. 1 satz 2 KE wollte dem Gläubiger einen Anspruch auf Ersatz seiner frustrierten Aufwendungen dadurch verschaffen, dass er Ersatz seines Vertrauensschadens soll beanspruchen können. Dieser schadensersatzrechtliche Ansatz erweist sich als hinderlich. Der Ersatz des Vertrauensschadens kann zu viel einschneidenderen Folgen führen als der Ersatz des Erfüllungsinteresses (…).In der Sache geht es bei dem Ersatz frustrierter Aufwendungen nicht eigentlich um ein Schadensersatzproblem, sondern um eine Frage des Aufwendungsersatzes. Mit diesem Ansatz lässt sich das anzustrebende Ergebnis zielgenauer erreichen.“. 1226 In diesem Sinne auch Derleder, NJW 2004, 969, 973.
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gers und dessen negativem Vertragsinteresse zusammen, das von der Schadensersatzfolge des § 284 BGB nach dem vordergründigen Willen des Gesetzgebers ausgespart werden sollte.1227 I.2 Das negative Interesse als Zielgröße der Schadensbemessung in der Verstrickungsabwehr Ob zwischen Aufwendungsersatz und negativem Interesse aber tatsächlich derart differenziert werden kann, ist mehr als fraglich.1228 Denn zunächst sind die von § 284 BGB erfassten Aufwendungen Vertrauensaufwendungen und damit auf den ersten Blick scheinbar unzweifelhaft Bestandteil des negativen Interesses.1229 Dies sieht auch der Gesetzgeber so, wenn er in der Gesetzesbegründung das mit § 284 BGB zu lösende Problem als ein Problem des Ersatzes des Vertrauensschadens einleitet und die ursprüngliche Entwurfsfassung des § 327 Abs. 1 Satz 2 KE-BGB1230 gegen den Einwand rechtfertigt, der Ersatz des Vertrauensschadens ohne Begrenzung auf das positive Interesse sei grundsätzlich überzeugend soweit hierbei der Gesichtspunkt aufgegriffen werde, dass nicht auch solcher Vertrauensschaden zu ersetzen ist, der sich auch bei „ordnungsgemäßer Durchführung nicht wieder ,hereingeholt‘ hätte.“.1231 Der Gesetzgeber stellt an späterer Stelle der Gesetzesbegründung1232 dann darauf ab, dass sich der schadensrechtliche Ansatz der Schuldrechtskommission als ,hinderlich‘ erweisen könne, weil mit dem Ersatz des negativen Interesses viel einschneidendere Rechtsfolgen verbunden sein könnten, als mit dem Ersatz des Erfüllungsinteresses, wobei aber gleichzeitig der Vertrauensschaden nicht auf das positive Interesse begrenzt werden sollte, da dieses keinen tauglichen Abgrenzungsmaßstab für die ersatzfähigen Aufwendungen des Gläubigers begründe. Seinen Rückgriff auf einen Auf1227 Im Ausgangspunkt ähnlich Derleder, NJW 2004, 969, 973: „Eine insgesamt klare teleologische Ausrichtung ist jedoch zwingend mit der Entscheidung über den Ersatz des negativen Interesses verbunden.“. 1228 Schon v. Tuhr, BGB AT Bd I, S. 320 Fn. 33a, hat zur Abgrenzung einer grundsätzlich freiwilligen Aufwendung und eines unfreiwilligen Schadens und der Zuordnung ,frustrierter Aufwendungen‘ schon Schadensersatz festgestellt: „Diese Aufwendungen verwandeln sich nachträglich, durch Vereitelung ihres Zweckes, in Schaden.“. 1229 So ausdrücklich und deshalb statt vieler Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, die dies allerdings später einschränkt (S. 284); Altmeppen, DB 2001, 1399, 1403, der ergänzend im Anschluss an Canaris, JZ 2001, 499, 507, herausstellt, dass § 284 BGB inhaltlich den Ersatz des negativen Interesses im Sinne der §§ 122, 307, 179 Abs. 2 BGB gewährt, durch die Beschränkung auf die vergeblichen Aufwendungen aber in seiner Reichweite beschränkt, weil nicht alle Positionen des Vertrauensschadens erfasst würden. 1230 Nach § 327 Abs. 2 Satz 1 des 1. Entwurfs der Schuldrechtskommission sollte der Gläubiger bei gegenseitigen Verträgen anstelle des Schadensersatzes wegen Nichtausführung des Vertrags auch Ersatz des Schadens verlangen können, der ihm dadurch entsteht, dass er auf die Ausführung des Vertrags vertraut hat. Eine Begrenzung auf das positive Interesse sah der Kommissionentwurf – zu Recht – nicht vor. 1231 BT-Drs. 14/6040, S. 143. 1232 BT-Drs. 14/6040, S. 144.
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wendungsersatzanspruch rechtfertigt der Gesetzgeber im Anschluss daran mit dem Bemerken, es gehe „nicht eigentlich um ein Schadensersatzproblem“;1233 damit liefert er seiner ,Absage an den Ersatz des negativen Interesses‘ eine Begründung nach, die auch nach dem hier vertretenen Ansatz interpersonell nicht vergleichbaren und deshalb verlässlich nicht bezifferbaren Nutzens bereits bekannt ist.1234 Der Gesetzgeber verteidigt seinen Weg der Kompensation des Vertrauensschadens allein über einen Aufwendungsersatzanspruch nämlich mit dem Hinweis darauf, dass sich mit diesem Ansatz „das anzustrebende Ergebnis zielgenauer erreichen“1235 ließe. Strebt der Gesetzgeber aber die Zielgenauigkeit des zu gewährenden Ersatzanspruchs an, so fokussiert er die Kompensationsnorm damit auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Frage nach der richtigen Schadensbemessung, nicht aber auf die Tatbestandsseite, also die Frage nach der Ausgleichsfähigkeit des Schadens oder der Aufwendung dem Grunde nach. In § 284 BGB die Motivation des Gesetzgebers hineinzulesen, dem Ersatz des negativen Interesses grundsätzlich eine Absage erteilt haben zu wollen, scheint vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.1236 Vielmehr sieht der Gesetzgeber offenbar in der Gewährung (nur) eines Aufwendungsersatzanspruchs einen nach den wechselseitigen Interessen hinreichend differenzierten Weg der Schadensbemessung.1237 Zu den Kernaussagen des hier entwickelten Modells einer Ökonomik im Recht gehört die umfassend begründete These, dass infolge der fehlenden Justitiabilität interpersonell nicht vergleichbarer Nutzenerwartungen die von einer Partei in die Kooperations- und Äquivalenzvereinbarung eingeführte Zahlungsbereitschaft Objektivierungsmaßstab für die vertragliche Risikoallokation ist.1238 Die Zahlungsbereitschaft, gründend auf einem die Kooperationsbeziehung tragenden informationssubstituierenden Vertrauen, ist damit auch Haftungsgrundlage und Haftungsmaßstab im Falle einer Vertragspflichtverletzung.1239 Ihre subjektive Zah1233
Auch insoweit BT-Drs. 14/6040, S. 144. Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) aa). 1235 BT-Drs. 14/6040, S. 144 (li. Sp. unten/re. Sp. oben). 1236 So allerdings Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 106; ähnlich Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, 284; anders demgemäß auch Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 28, der in § 284 BGB im Anschluss an seine Vorarbeit in ders., Vertrauenshaftung, S. 5 f. [zur Unterscheidung zwischen ,positivem‘ und ,negativem Vertrauensschutz‘], 411 ff. [zum Vertrauensschutz als eigenständigem gesetzlichem Haftungsgrund], einen Anspruch auf Gewährung „negativen Vertrauensschutzes“ sieht. 1237 Bereits für die Rentabilitätstheorie wurde zu Recht vertreten, dass die Höhe der Aufwendungen nicht haftungsbegründend wirke, sondern Instrument der Schadensbemessung für den durch Wegfall der Kompensationsmöglichkeit eingetretenen Schaden sei, vgl. Schackel, ZEuP 2001, 248, 249: „Der Wert der Aufwendungen dient somit nur als Maß zur Bestimmung eines vermuteten positiven ,Mindestinteresses‘.“. 1238 Ebenso und konkret mit Bezug auf § 284 BGB auch Tröger, ZIP 2005, 2238, 2239 f. 1239 In Anlehnung an die vorangegangene Fußnote ist auch hier noch einmal der Hinweis auf das von Canaris, Vertrauenshaftung, S. 411 ff., gelegte Fundament, die Vertrauenshaftung als gesetzlichen Haftungsgrund zu verstehen, geboten. 1234
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lungsbereitschaft bringt die Vertragspartei allerdings nicht allein durch den im Austauschverhältnis zu zahlenden Vertragspreis zum Ausdruck, sondern ergänzend auch durch die Bereitschaft, durch vorbereitende und begleitende Investitionen den erwarteten Vertragswert – abermals: subjektiv – zu steigern.1240 Solche Wertsteigerungen durch Vorlauf- und Begleitinvestitionen sollen durch den gesetzlichen Schutz des Vertrauens1241 als Institution gerade incentiviert werden.1242 Wenn der Gesetzgeber mit § 284 BGB zur Bemessung des zu gewährenden Schadensersatzanspruchs und zur Kompensation des negativen Interesses auf die von dem Gläubiger getätigten Vertrauensaufwendungen zurückgreift, so tut er nicht mehr, als eine vor rechtsökonomischem Hintergrund rationale, weil die subjektive und anders kaum zu messende Vertragswert- und Nutzenerwartung des Geschädigten objektivierende Größe als Maßstab heranzuziehen1243 und damit lediglich das ersatzfähige Maß der Frustration festzulegen.1244 Dies vedient einerseits Anerkennung; andererseits muss diese Erkenntnis davor bewahren, den Tatbestand des § 284 BGB mit hierüber hinausgehenden Interpretationen des gesetzgeberischen Motivs zu überfrachten. I.3 Ergebnis Für die hier zunächst zu beantwortende Frage nach der Einordnung des § 284 BGB als Anspruchsgrundlage oder Schadensbemessungsnorm bedeutet das vorstehend hergeleitete Verständnis der Norm, dass diese – entgegen der wohl herrschenden Ansicht – insgesamt, also auch im ideellen Bereich als haftungsaufüllende und damit lediglich als Norm der Schadensbemessung und nicht als An-
1240 Zu recht weist Tröger, ZIP 2005, 2238, 2239, darauf hin, dass die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 143, zutreffend die Annahme zugrunde legt, dass ein Vermächtnisnehmer, der Aufwendungen für einen Rahmen für das geschuldete Kunstwerk macht, zum Ausdruck bringe, „dass die vermachte Sache ihm diesen Geldbetrag ,wert‘ ist.“. Diese Überlegung, so Tröger, a.a.O, zu Recht weiter, steht auch hinter der Rechtsprechung, die seit jeher die erbrachte Gegenleistung selbst dann als Mindestschaden ersetzt, wenn sie erheblich über dem Marktpreis liegt, vgl. insbesondere RG, JW 1913, 595, 596. Vereinzelt wurden auch vor der Schuldrechtsmodernisierung immaterielle Vorteile als vermögenswerte Äquivalente sonstiger Aufwendungen betrachtet, vgl. OLG Köln, NJW-RR 1994, 687, 688, dazu EWiR 1994, 965 (v. Randow); LG Bonn, NJW 2004, 74, 75. Hierin bestätigt sich noch einmal der berechtigte Rückgriff auch auf rechtsökonomische Vorherigkeiten und die Notwendigkeit, interpersonell nicht vergleichbare subjektive Nutzenerwartungen anhand der gemachten Aufwendungen zu objektivieren und diese damit zum Maßstab des Ersatzanspuchs zu machen. 1241 Der Vertrauensschutz hat nicht nur eine individualschützende, sondern auch eine starke institutionenschützende Wirkung, die miteinander in einem Komplementärverhältnis stehen und stark verzahnt sind, vgl. Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 136 f. unter Hinweis auf Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 424. Diese ,Verzahnung von Individual- und Institutionenschutz‘ ist nach der grundlegenden Vorarbeit von Fleischer, a.a.O., S. 422 ff., auch Grundlage der Haftung für Verschulden bei Vertragsschluss. 1242 Dazu bereits ausführlich oben 1. Kap. § 2 A) II.1. 1243 Ähnlich Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 44. 1244 Mit diesem Gedanken bereits E. Schmidt, in: FS Gernhuber, S. 423, 432.
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spruchsgrundlage verstanden werden kann.1245 Wenn und soweit § 284 BGB nämlich nach der Vorstellung des Gesetzgebers die zielgenaue Bemessung des zu ersetzenden Schadens im Blick hat und sich damit auf Rechtsfolgenseite bewegt, hat sie allein haftungsausfüllenden und nicht haftungsbegründenden Charakter. Haftungsbegründend bleiben allein die Pflichtverletzung und die daraus erwachsende Schadensersatzpflicht. Da die ordnungsmäßige Erfüllung des Vertrages den Effekt der Eigenkompensation ausgelöst und damit auch im Anwendungsbereich ideeller Verträge das negative Interesse des Gläubigers durch die positive Vertragserfüllung kompensiert haben würde, ist der Vertrauensschaden bzw. der Entfall des Eigenkompensationseffekt als Nichterfüllungsschaden1246 ersatzfähig.1247 Dieser Nichterfüllungsschaden bemisst sich in Ermangelung anderer greifbarer Objektivierungsmaßstäbe nach der erkennbar gewordenen Zahlungsbereitschaft des Gläubigers, die dieser mit den getätigten Vorlauf- und Begleitaufwendungen einer Objektivierung zugänglich gemacht hat.1248 Haftungsbegründend für den Schadensersatzanspruch bleibt aber die Pflichtverletzung, weshalb Anspruchsgrundlage die §§ 280, 281 BGB bleiben. Dies gilt auch für Verträge mit ideller oder komsuptiver Zwecksetzung.1249 Hier begründet § 284 BGB als Haftungsausfüllungsnorm rechtsdogmatisch einen der im Gesetz bestimmten (Ausnahme-) Fälle des Geldersatzes für immaterielle Schäden1250 gemäß § 253 Abs. 1 BGB.1251 1245 Anders z.B. Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 1; Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 284 Rz. 2; Otto, in: Staudinger, BGB, § 284 Rz. 10 a.E.; wohl auch Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321 ff.; Gsell, NJW 2006, 125; Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 146 f.; Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 28; Reim, NJW 2003, 3662, 3663; Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 102 ff.; Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275 ff.; Lorenz, NJW 2004, 26 ff. I.E. wie hier Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 28 ff.; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 171 ff. 1246 Zu der daraus abzuleitenden Konsequenz für die dogmatische Zuordnung des § 284 BGB zum positiven oder zum negativen Interesse sogleich 2. Kap. § 4 B) II.1. 1247 Dass der Wegfall der Eigenkompensation Teil des Nichterfüllungsschadens ist, war oben, 2. Kap. § 4 A) III.1, herausgestellt worden. Für das hier gefundene Ergebnis bedeutet dies, dass auch bei Verträgen mit rein immaterieller oder ideeller Zwecksetzung ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280, 281 BGB i.V.m. § 284 BGB als Schadensersatz ,wegen Nichterfüllung‘, so Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 28, denkbar ist, wobei Anspruchsgrund die Nichterfüllung des Vertrages und Anspruchsinhalt der durch die Vertrauensaufwendungen objektivierte Nutzenentgang ist. Der Kritik von Canaris, DB 2001, 1399, 1403 f., dass ein Aufwendungsersatzanspruch schadensdogmatisch nicht begründbar ist, soweit der Gläubiger Ersatz seines Nichterfüllungsschadens erhält, ist bei der Schadensbemessung nachzugehen. 1248 Im Ergebnis ebenso Tröger, ZIP 2005, 2238, 2240: „Die vorstehende Beschreibung der Funktion eines rationalen Aufwendungsersatzanspruchs rekurriert entscheidend auf den Schutz des Nutzengewinns aus der ordnungsgemäßen Erfüllung und legt daher dogmatisch nahe, § 284 BGB als Anspruch auf Ersatz des durch die Aufwendungen repräsentierten Teils des materiellen bzw. immateriellen positiven Interesses zu verstehen.“. 1249 Dass § 284 BGB nicht allein auf Verträge mit ideeller Zwecksetzung begrenzt ist, sondern auch für erwerbswirtschaftliche Verträge gilt, wird hier vorausgesetzt. Die in den ersten Jahren nach der Schuldrechtsreform vertretene Auffassung, § 284 BGB erfasse überhaupt nur Verträge mit ideeller Zwecksetzung ist inzwischen überwunden und wird nicht mehr ernstlich vertreten. 1250 Die Kritik Ellers’, Vergebliche Aufwendungen, S. 108, mit § 284 BGB werde die Sperre des § 253 BGB durchbrochen und es passe ,nicht in das System des Schadensrechts, die Frage, ob über-
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§ 284 BGB ist deshalb an §§ 280, 281 BGB angegliederte Haftungsausfüllungsnorm ohne anspruchsbegründenden Charakter, und ohne dass es einer Trennung zwischen kommerziellen und ideelen oder konsumtiven Zwecken bedürfte. II. Bemessung des negativen Interesses: Kompensation und Reallokation im Widerstreit mit moral hazard-Gefahren – Der Begriff der ,Aufwendung‘ im Anwendungsbereich des § 284 BGB II.1 Vorbemerkung Nach § 284 BGB kann der Gläubiger anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht hat und billigerweise machen durfte, es sei denn, deren Zweck wäre auch ohne die Pflichtverletzung des Schuldners nicht erreicht worden. Der Gesetzgeber hat damit bei der Schadensbemessung zwar die Beweislast für die fehlende Rentabilität der geltend gemachten Aufwendungen dem Anspruchsgegner auferlegt,1252 eine Hürde allerdings dadurch eingezogen, dass der Gläubiger die Aufwendungen, deren Ersatz er anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung auf haftungsausfüllender Ebene verlangt, billigerweise auch hatte machen dürfen.1253 Dies ist die eine, geschriebene, Beschränkung des Aufwendungsersatzanspruchs, durch die klargestellt wird, dass nicht sämtliche Aufwendungen uneingeschränkt und ungeachtet der konkreten Parteibeziehung ersatzfähig sind. Ergänzt und in der Auslegung präjudiziert wird diese Einschränkung um eine weitere, ungeschriebene Voraussetzung, die sich daraus ergibt, dass § 284 BGB Teil des Schadensersatzanspruchs für das Vertrauensinteresse ist.1254 1251 haupt und, wenn ja, in welcher Höhe ein Vermögensschaden vorliegt, anhand der vorausgegangenen Dispositionen des Geschädigten zu ermitteln‘, geht daher fehl, da eine solche Schadensbemessung Ausfluss auch rechtsdogmatisch nicht zu vernachlässigender ökonomischer Vorherigkeiten ist. Darüber hinaus ist der zum Beleg angeführte Hinweis auf Messer/Schmitt, in: FS Hagen, S. 424, 441, richtig muss es heißen S. 442, nicht geeignet, die Auffassung Ellers‘ zu bestätigen. Messer/Schmitt, a.a.O., stellen nämlich lediglich heraus, dass sie eine Anknüpfung des Ersatzes frustrierter Aufwendungen an das positive Interesse bevorzugen und dabei auf die Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB zurückgreifen wollen. An der Ersatzfähigkeit der getätigten Aufwendungen als Schadensposition ändert diese abweichende dogmatische Konstruktion lediglich auf Ebene der Beweislast und der Beweisführung etwas. 1251 Ebenso Tröger, ZIP 2005, 2238, 2240. Ähnlich, was die rechtliche Einordnung der Norm angeht, allerdings ohne einen konkreten Hinweis auch auf § 253 BGB für Verträge mit ideeller Zwecksetzung Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 31: „Damit ist § 284 BGB im Hinblick auf seine Rechtsnatur den haftungsausfüllenden Normen der §§ 249 ff. BGB zuzuordnen.“. 1252 Zu Beweislastfragen im Rahmen des § 284 BGB vgl. z.B. Lorenz, JuS 2008, 673 f. 1253 Canaris, JZ 2001, 499, 517, hält diese Einschränkung für überflüssig, da sich dasselbe Ergebnis über § 254 BGB erreichen lasse und sieht deshalb in diesem Halbsatz nicht mehr als die Anordnung einer ,besonders strikten Anwendung des § 254 BGB‘. 1254 Ausführlich zum Vertrauensschutz als Haftungsgrund des § 284 BGB Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 27: „Geschützt wrd das Vertrauen des Gläubigers in die Erbringung der Leistung durch den Schuldner und die darauf beruhende Dispositionsfreiheit des Gläubigers.“.
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Vertrauen ist rechtlich jedoch nur dann schutzwürdig, wenn es ,berechtigt‘ ist.1255 Der Aufwendungsersatzanspruch des Gläubigers aus § 284 BGB ist daher tatbestandlich und insoweit vom Gläubiger zu beweisen begrenzt, nämlich durch die Berechtigung des gewährten Vertrauens und die darin zum Ausdruck kommende Billigkeit der Vertrauensaufwendungen. Die Determinanten einer berechtigten Vertrauensentscheidung, wie sie hier bereits sehr früh und als Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen herausgearbeitet wurden,1256 spielten schon bei der Bestimmung impliziter Vertragsbestandteile zur Objektivierung des kooperativen Äquivalenzverhältnisses eine entscheidende Rolle.1257 Um nichts anderes, nämlich um die Risikoallokation des im Vertrauen auf die Leistung getätigten Begleitaufwandes innerhalb der Kooperationsbeziehung geht es auch bei der Auslegung des § 284 BGB und seiner tatbestandlichen Anwendungsschranken.1258 Als wesentliche Determinanten einer ökonomisch richtigen und deshalb rechtsdogmatisch berechtigten Vertrauensentscheidung waren die Verteilung der Informationskosten unter den Vertragsparteien, das Verhältnis der mit der ordnungsmäßigen Vertragserfüllung verbundenen Vetrauensprämie zu der im Falle des bewussten Vertragsbruchs zu erlangenden Opportunismusprämie sowie letztlich die Verlässlichkeit des institutionellen Schutzes1259 der Vertrauensentscheidung1260 her-
1255 So auch – ohne nähere Begründung – Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 331; ohne dies ausdrücklich so zu bezeichnen, in der Sache ebenso Reim, NJW 2003, 3662, 3665. 1256 Vgl. ausführlich oben 1. Kap. § 2 A) II.3. 1257 Die Herleitung der Auflösung von Verstrickungslagen über das Vertrauensargument als Katalysator impliziter Vertragsbestandteile ist Gegenstand des zentralen Abschnitts des 1. Kapitels unter 1. Kap. § 2 C) I.4. 1258 Ebenso Canaris, Äquivalenzwahrung, S. 3, 27; zustimmend Oechsler, NZM 2004, 647, 649 f. 1259 Vgl. zum Merkmal des institutionellen Schutzes und seiner Komplementärwirkung neben dem vertraglichen Individualschutz noch einmal Fleischer, Informationsasymmetrie, S. 422 ff. 1260 Besonders deutlich wird dies an dem dogmatischen Einwand Weitemeyer’s, AcP 205 (2005), 275, 284, im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem rechtlichen Fundament des § 284 BGB, die darauf hinweist, dass es auf „(…) der Grundlage der bisherigen deutschen Rechtsprechung (…) an einer entsprechenden Vertrauensgrundlage [fehlte], da sich der Gläubiger gerade nicht darauf verlassen durfte, in jedem Fall seine vergeblichen Aufwendungen ersetzt zu bekommen.“. Wo es an einer solchen Vertrauensgrundlage fehlt, fehlt es vorbehaltlich besonderer – auch impliziter – Vereinbarungen der Parteien zunächst auch an der Berechtigung des Vertrauens. § 284 BGB spielt daher für die Legitimation der Vertrauensentscheidung eine bedeutende Rolle und trägt damit – einem perpetuum mobile gleich – durch seine bloße Existenz zu einer Stärkung seiner Legitimationsgrundlage bei. Was nach einem Zirkelschluss klingt, ist nichts weiter als ein weiteres Mal die Festschreibung einer rechtsevolutorischen Entwicklung: Was mit der Rechtsprechung zur c.i.c., der Rentabilitätstheorie und der Frustrationslehre begonnen wurde, sah sich der Gesetzgeber veranlasst festzuschreiben, um damit die Legitimationsgrundlage eines transaktionsbedingten Vertrauens zu verfestigen und dessen Ersatzfähigkeit dem Grunde nach über jeden Zweifel erhaben zu machen. Auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 504, benennen deshalb ausdrücklich das Vertrauen in die gesetzlichen Sanktionen eines Vertragsbruchs als wesentlichen Faktor für eine effiziente Gestaltung des Vertragsrechts.
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ausgestellt worden, wobei diese Determinanten ihrerseits begrenzt wurden durch den gebotenen Schutz produktiver Information.1261 Die dem Aufwendungsersatz zugänglichen Vertrauensdispositionen sind daher nach der verlässlichen Institutionalisierung eines darauf gerichteten Ersatzanspruchs im Wesentlichen danach zu bestimmen, ob sich der Ersatz solcher Dispositionen nach dem Verständnis der Kooperationsbeziehung und des ihr zugrunde liegenden Äquivalenzverhältnisses als beim Verkäufer wegen der ihm zuzuweisenden Informationslast zu allozieren oder noch von der von ihm zu verdienenden Vertrauensprämie gedeckt verstehen lässt.1262 Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass ich die Vertrauensprämie nicht allein nach dem aus dem konkreten Geschäft zu erzielenden Erlös bestimmt, sondern als Teil des Reputationseffektes auf eine transaktionsübergreifende Amortisation angelegt ist.1263 Der Schutz des Verkäufers in dem konkreten Geschäft ist demgegenüber über eine Begrenzung des berechtigten Gläubigervertrauens dort geboten, wo grundsätzlich anerkennenswerter Aufwand des Gläubigers sich als Ausnutzung der Versicherung1264 des § 284 BGB darstellt und deshalb für den Verkäufer zu schwerlich zu rechtfertigenden moral hazard – Risiken führt. Dem Verständnis der Schadensbemessung durch § 284 BGB als Ersatz des durch den ausgebliebenen Eigenkompensationseffekt eingetretenen Vertrauensschadens, der zu seiner Objektivierung anhand der getätigten Aufwendungen zu bemessen ist, sich also in der Vertrauensdisposition niederschlägt, steht zuletzt auch nicht das Kausalitätsargument, das der Einbeziehung von Schadenspositionen des negativen Interesses in einen vertraglichen Ausgleichsanspruch – zunächst zu Recht1265 – regelmäßig entgegengehalten wird, entgegen. Denn sieht man, wie es Grundlage und Ergebnis der hier angestellten Untersuchung ist, das haftungsauslösende Moment in dem infolge der Pflichtverletzung ausgebliebenen Effekt der Eigenkompensation, 1261
Die insoweit sich ergebenden Wechselbezüglichkeiten sind noch einmal zusammengefasst unter 1. Kap. § 3 A) und B) sowie veranschaulicht in Abb. 8. 1262 Der Rückgriff auf das Äquivalenzverhältnis zur dogmatischen Einordnung des § 284 BGB verbietet sich auch nicht deshalb, wie Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 136, meint, weil die Norm auch außerhalb vertraglicher Schuldverhältnisse gelte, sodass die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung keine Ableitungen zulasse. Es geht bei der hier vorgenommenen Ableitung aber nicht primär um die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, sondern um die Gleichwertigkeit von berechtigter Nutzenerwartung und nutzensteigernden Aufwands. Eine berechtigte Nutzenerwartung kann jedoch auch in gesetzlichen und einseitigen Schuldverhältnissen begründet sein. 1263 Vgl. dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 c) bb) mit Abb. 2. 1264 Die Institutionalisierung eines Ersatzanspruchs für das negative Interesse, das nach den getätigten Aufwendungen objektiviert wird, bringt die Gefahr mit sich, dass in – unberechtigtem – Vertrauen auf den Ersatz der Aufwand nicht mehr ausschließlich rational und z.B. auch dann noch getätigt wird, wenn der Vertragsbruch bereits absehbar ist, vgl. Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 687. Ein solches, auf den Versicherungseffekt der Norm gestütztes Verhalten, durch die das Risiko solchen Aufwandes grundsätzlich dem Verkäufer zugewiesen wird, war ökonomisch unter den Begriff des moral hazard zu subsumieren. Dem muss auch im Anwendungsbereich des § 284 BGB begegnet werden. 1265 Dazu bereits oben Einl. § 3 C) III.1 b).
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so knüpft auch die Ersatzpflicht schadensrechtlich erst an die im Zeitpunkt der Pflichtverletzung entstehende Frustration an.1266 Die sich daran anschließende Feststellung wiederum, ob ein Aufwand in diesem Sinne frustriert ist oder nicht, bestimmt sich dann allerdings nach der Inanspruchnahme des später enttäuschten Vertrauens des Käufers,1267 ohne das Vertragsschlüsse nur in sehr begrenztem Umfang, nämlich nur in dem Aktionsradius eigener Erkenntnismöglichkeit sowie ausschließlich unter transparenten und durchlässigen Marktbedingungen überhaupt möglich wären.1268 Die Vertrauensaufwendungen sind Ausfluss und kausale Folge dieser Vertrauenswerbung des Verkäufers und der Inanspruchnahme des ihm entgegengebrachten Vertrauens,1269 da sie ohne den Vertrauenstatbestand nicht getätigt worden wären. Das Haftungsmodell des § 284 BGB stellt sich damit als dogmatisch zweistufig strukturiertes Modell dar:1270 Zwar knüpft der Kompensationsanspruch schadensrechtlich und unter Kausalitätsgesichtspunkten an die Frustration an; jedoch wird nicht die ,Frustration‘ ersetzt, sondern werden über die Brücke der Frustration die Vertrauensaufwendungen auch unter Kausalitätsgesichtspunkten1271 von der Schadensberechnung erfasst,1272 sodass haftungsausfüllendes Moment die Vertrauensaufwendungen bleiben. Dies ist auch nach dem hier vertretenen rechtsökonomischen Ansatz zur Positivierung des negativen Interesses1273 richtig, da zwar die ausbleibende Eigenkompensation zu einem Nutzenentgang führt, dessen subjektiver Wert grundsätzlich unabhängig von im Vorfeld getätigten Ver-
1266 Ebenso Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 336; Canaris, DB 2001, 1815, 1820. 1267 Mit diesem Ansatz ausführlich auch Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 35 ff. 1268 Dies ist das Ergebnis der ökonomischen Analyse der Bedeutung der informationssubstituierenden Wirkung des Vertrauens in einer Transaktionsbeziehung unter den Bedingungen einer modernen Marktwirtschaft mit komplexen Transaktionsstrukturen, Transaktionsgütern und weitgehend undurchlässigen Märkten, vgl. dazu 1. Kap. § 2 B) III.4. 1269 Ebenso Leonhard, AcP 199 (1999), S. 660, 685 f.: „Ursache für die Vermögensaufwendungen ist nicht der Vertragsbruch als solcher, sondern das Vertrauen des Gläubigers in die Durchführung des Vertrages. (…) Maßgeblich für die Frage der Ersatzfähigkeit fehlgeschlagener Aufwendungen ist nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern die Inanspruchnahme von Vertrauen auf eine mit der Durchführung des Vertrages verbundene positive Vermögensentwicklung. Daher können auch vorvertragliche Aufwendungen ersetzt werden, soweit und solange sie durch den Vertragspartner veranlasst worden sind und positiv festgestellt wird, dass der Schuldner für ihre Ersatzfähigkeit garantiert hat.“. 1270 Ebenso und überzeugend Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 167. 1271 Die Überlegung ist verwandt mit der ständigen Rechtsprechung des BGH im Rahmen des Ersatzes des negativen Interesses im vorvertraglichen Bereich. Hier ist der Ersatz des Vertrauensaufwandes nach einer Informations- oder Aufklärungspflichtverletzung unter Kausalitätsgesichtspunkten nie streitig gewesen, da die Pflichtverletzung, an die anzuknüpfen ist, ohne Weiteres zeitlich vor dem getätigten Aufwand liegt, vgl. z.B. BGHZ 99, 182; BGH NJW 1997, 2813. Da aber auch hier als Ausgangspunkt der Kooperations- und Äquivalenzbeziehung die Inanspruchnahme notwendigen Vertrauens herausgestellt worden ist, kann eine ganz ähnliche Haftungsanknüpfung gewählt werden, die durch die spätere Verletzung konkreter Kooperationspflichten nur in Gang gesetzt wird, haftungsbegründenden jedoch bereits zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt ansetzt. 1272 In diesem Sinne bereits Stoll, Vertrauensschaden, S. 313, 324. 1273 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) II.2 c).
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trauensaufwendungen ist,1274 der jedoch verlässlich und justitiabel nur durch das Moment der objektivierten Zahlungsbereitschaft bestimmt werden kann,1275 die sich wiederum – solange nicht das positive Interesse geltend gemacht wird und nachweisbar ist – nach dem getätigten Vertrauensaufwand richtet. Die in die Kooperationsbeziehung eingebrachten Vertrauensdispositionen dienen damit der Positivierung des negativen Interesses, womit zugleich im Rahmen des § 284 BGB die Frustration auf das negative Vertrauensinteresse begrenzt wird.1276 Die hier vertretene Ansicht zur dogmatischen Grundlage des § 284 BGB scheint deshalb auch nur vordergründig die zwei bislang vertretenen Begründungsansätze zur Rechtfertigung des Aufwendungsersatzanspruchs unter Kausalitätsgesichtspunkten miteinander zu vermengen. Soweit bisher nämlich zwischen einem Erklärungsansatz, der entsprechend §§ 122, 179 BGB auf den Vertrauenstatbestand und damit eine zeitlich vorverlagerte Haftungsanknüpfung abstellt, und zwischen der mit der Pflichtverletzung eintretenden Frustration als haftungsauslösendem Moment differenziert wurde,1277 verkennt dies, dass sich beide Ansichten mit dem auch1278 hier vertretenen Ansatz zu einer konsistenten Lösung zusammenführen lassen. Dabei wird trotz des ausbleibenden Effekts der Eigenkompensation und des durch den Aufwendungsersatz bemessenen Nutzenentgangs der Aufwendungsersatzanspruch nicht zu einem Teilaspekt des positiven Interesses selbst,1279 da es in der Sache dabei bleibt, dass die Aufwendungen im Vertrauen auf die Vertragserfüllung und im Vertrauen auf den dadurch eintretenden Eigenkompensationseffekt getätigt wurden und damit als Vertrauensaufwendungen dem negativen Interesse zuzuordnen sind; dieses negative Interesse allerdings wird durch den Aufwendungsersatzanspruch, der schadensrechtlich über die Brücke der Frustration inkorporiert wird, positiviert und erlangt insoweit eine dogmatisch, nämlich im Sinne einer Kausalitätskaskade zweifach anknüpfende Sonderstellung.1280 Der Vorteil dieser 1274
Insoweit noch oben 1. Kap. § 2 C) I.4 a). Die Herleitung dazu bereits ausführlich in 1. Kap. § 2 C) I.4 c). 1276 Im Ergebnis ähnlich Tröger, ZIP 2238, 2240 f., der ebenfalls die Einordnung des Aufwendungsersatzanspruchs als Teil des fortgesetzten positiven Interesses zur Sicherung der wohlfahrtssteigernden Funktion der Transaktion sieht und gleichfalls der Unterscheidung zwischen positivem und negativem Interesse, die auch hier ökonomisch nivelliert wurde, keinen immanenten Rechtfertigungswert beimisst, sondern diese als allein aus dem Zweck der Schadensersatzpflicht zu gewinnen verlangt. 1277 Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 37 ff. 1278 Mit ähnlichem Ansatz, in der Begründung freilich abweichend Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 167. 1279 So aber Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 336; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 6; im Allgemeinen erläuternd auch Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 38 ff., in der Sache für § 284 BGB dann jedoch ablehnend, a.a.O., S. 161 ff. 1280 Die Schwierigkeit bei der Abgrenzung von positivem und negativem Interesse in Fällen der Verstrickung in einen unerwünschten Vertrag und deren teilweise Überlagerung erkennt auch Medicus, in: FS Lange, S. 539, 554 ff., an. Tröger, ZIP 2005, 2238, 2241, zieht daraus den berechtigten Schluss, dass die Zuordnung des konkret geltend gemachten Schadens zum einen oder anderen Interesse keine immanente Rechtfertigung für dessen Ersatzfähigkeit enthält. 1275
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Auffassung liegt nicht zuletzt darin, dass eine Differenzierung zwischen frustrierten, ihre Nutzenerwartung infolge mangelhafter Erfüllung nachträglich verlierenden und, z.B. infolge einer Aufklärungspflichtverletzung, von Beginn an nutzlosen Aufwendungen unnötig bleibt.1281 Darüber hinaus genügt die durch die zeitlich vorverlagerte Haftungsanknüpfung an den Vertrauenstatbestand auch dem Schutzzweck der Norm.1282 Denn, wie gesehen, genügt der Gesetzgeber den an ihn gestellten Ansprüchen nicht allein dadurch, dass er die Erfüllung des materiellen Befriedigungsinteresses gewährleistet; das Funktionieren moderner Markt- und Volkswirtschaften setzt überdies den gesetzlichen Schutz des Markt- und Austauschprozesse erst katalysierenden Anfangsvertrauens voraus, weshalb der Schutz dieses Vertrauens auf den Erhalt der konkret und implizit vereinbarten Leistung Gegenstand und Zweck der Institutionen zur Kompensation von Vertragsstörungen sein muss. Nicht zuletzt hat der Gesetzgeber schließlich das hier vertretene Verständnis durch die ausdrückliche Aufnahme des Begriffs des ,Vertrauens‘ in den Tatbestand des § 284 BGB geadelt. Nach alledem ist § 284 BGB also Schadensberechnungsnorm für einen auf das negative Interesse gerichteten positivierten Ersatzanspruch, der insbesondere dort zum Tragen kommt, wo z.B. gerade wegen der Kooperationspflichtverletzung ein echtes Erfüllungsinteresse nicht mehr besteht und der Käufer in die Lage ungeschmälerter Reallokation versetzt werden soll, oder wo ein positives Interesse nicht beziffer- oder nachweisbar ist und deshalb sich die Umstellung des Ersatzanspruchs auf das positivierte negative Interesse für den Käufer als opportun erweist. Die grundsätzliche Ersatzfähigkeit des negativen Interesses auch dort, wo der Ersatzanspruch vorrangig auf Erfüllung gerichtet ist, sollte daher nicht in Zweifel gezogen werden,1283 wenn die Ersatzansprüche, gerade wegen der Nähe der hier zugrunde gelegten Kausalitätskaskade zur Frustration und damit zum positiven Interesse, auch im Einzelnen aufeinander abgestimmt werden müssen. Es wäre nämlich nach dem Ergebnis nicht nur der ökonomischen Analyse, sondern auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass rechtliche Institutionen sich in ihrer Interpretation vor ökonomischen Vorherigkeiten nicht verschließen dürfen,1284 mit marktwirtschaftlicher Rationalität und deshalb auch mit der Ratio der Implementierung eines allgemeinen Schadensersatzanspruchs in das allgemeine und das besondere Kaufgewährleistungsrecht nicht zu vereinbaren, würde man den Käufer an den Nutzen eines Geschäfts binden und ihm so seine Reallokationsmöglichkeit nehmen, das an 1281
Vgl. hierzu Unholtz, Frustrierte Aufwenden, S. 47 ff., der zu Recht darauf hinweist (S. 49), dass beide Kategorien sich seit Institutionalisierung des Nacherfüllungsanspruchs ohnehin überschneiden, da auch anfänglich nutzlose Aufwendungen im Wege der Nacherfüllung erwartungsgerecht Kompensiert werden können. 1282 Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 37 ff. 1283 Anders aber und gegenüber der Regelung des § 284 BGB sehr kritisch Altmeppen, DB 2001, 1399, 1402 ff.; ders., DB 2001, 1821, 1823 f. 1284 Ausführlich zur auch verfassungsmäßigen Rechtfertigung der Einbeziehung ökonomischer Vorherigkeiten in die rechtsinstitutionelle Erfassung von Verstrickungslagen oben 1. Kap. § 3 C) II.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
einem vom Verkäufer zu vertretenen Leistungsdefizit gescheitert ist.1285 Der Verstrickungsschaden gleichermaßen als Teil des negativen Vertrauensinteresses einerseits und des fortgesetzten Erfüllungsinteresses andererseits ist daher als Schadensposition grundsätzlich anzuerkennen, was für das Verständnis der Norm des § 284 BGB vorgreiflich ist. II.2 ,Aufwendungen‘ als Bemessungsgrundlage des negativen Interesses a) Aufwand und Schaden im Tatbestand des § 284 BGB Als Ergebnis ist bis hierher festzuhalten, dass der Gesetzgeber bei einem richtigen Verständnis des § 284 BGB nicht den Ersatz des negativen Interesses begrenzen wollte, wofür es im Übrigen an einer rechtsdogmatischen und rechtsökonomischen Rechtfertigung fehlte, sondern mit dem Rückgriff auf die vom Gläubiger getätigten Aufwendungen als Bestandteil des negativen Interesses lediglich eine objektivierbare und damit justitiable Bemessungsgrundlage für das fortgesetzte positive Interesse, die Frustration der Aufwendung, geschaffen hat. Entscheidend für das mit der Norm zu erreichende Schutzniveau bei der Kompensation von Verstrickungsschäden einerseits sowie andererseits entscheidend – und dies aus umgekehrtem Blickwinkel des Verkäufers betrachtet – für das Maß der als Ausgleich für die mit § 284 BGB verbundene Risikoallokation zu kalkulierende Vertrauensprämie ist daher die Definition und die Reichweite des Begriffs der von § 284 BGB geschützten ,Aufwendungen‘1286 und die Spannbreite der unter diesen Begriff zu subsumierenden Vermögens- und ggf. Nichtvermögensopfer.1287 Hierbei wird insbesondere auch auf die typischen schadensstiftenden Ereignisse zurückzugreifen sein, wie sie hier in Fallgruppen1288 geordnet worden sind. Einer grundsätzlichen Klärung vorab bedarf dabei jedoch das Verständnis des Begriffs der ,Aufwendung‘ im Anwendungsbereich des § 284 BGB in einer möglicherweise gebotenen Abgrenzung zum Schadensersatz, insbesondere da in der Diskussion um die Reichweite des § 284 BGB zwischen beidem in einer hier für unrichtig gehaltenen Weise differenziert wird.1289
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So ausdrücklich auch Derleder, NJW 2004, 969, 973. Auch soweit § 284 BGB als Ersatzvorschrift des negativen Interesses gesehen wird, besteht doch Einigkeit darüber, dass wegen des Rückgriffs auf das Tatbestandsmerkmal der ,Aufwendungen‘ nicht das gesamte negative Interesse des Geschädigten ersetzt wird, sondern lediglich ein Ausschnitt daraus, vgl. z.B. Altmeppen, DB 2001, 1399, 1403; Canaris, JZ 2001, 499, 517. Diesen Ausschnitt zu bestimmen, wird Aufgabe der nachfolgenden Ausführungen sein. 1287 Dass dies nicht ohne einen gewissen Begründungsaufwand geschehen kann, zeigt sich bereits daran, dass z.B. Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 16, eine normspezifische Definition des Begriffs der Aufwendungen vertritt, diese aber nicht weiter als mit einigen Beispielen differenziert oder begründet. 1288 Oben 2. Kap. § 4 A) III.1 mit Rückbezug auf 1. Kap. § 2 C) II.2 b). 1289 Vgl. nur Dauner-Lieb, in: AnwKomm § 284 Rz. 2. 1286
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Üblicherweise wird zwischen ,Aufwand‘ und ,Schaden‘ nach dem Kriterium der Freiwilligkeit1290 und der Fremdnützigkeit1291 des Vermögensopfers unterschieden, wobei ,Freiwilligkeit‘ die willentliche Selbstauferlegung meint, nicht die Aufwendung ,aus freien Stücken‘.1292 Demgegenüber hat v. Tuhr1293 allerdings bereits im Jahr 1910 zu Recht darauf hingewiesen, und dies war im deutschen Rechtskreis Ausgangspunkt für die später daraus entwickelten Frustrationslehren, dass sich frustrierter Aufwand durch die nachträgliche Zweckvereitelung in einen Schaden verwandeln könne und damit das Kriterium der Freiwilligkeit einbüße. Jede Aufwendung trägt daher im Kern die Anlage in sich, durch Frustration der mit ihr verfolgten Ziele und Nutzenerwartungen zu einem Schadensereignis zu mutieren. Dies gilt insbesondere für die hier zu beleuchtenden Fälle der Verstrickung durch Desinformation. Die Entscheidung, einen Vertrag einzugehen und in diesen Vertrag, seine Erfüllung und den aus ihm zu realisierenden Nutzen zu investieren, ist subjektiv geprägt durch die Erwartung, die an die ordnungsmäßige Erfüllung geknüpft wird.1294 Diese Erwartung wird genährt durch die Information, die der jeweilige Vertragsteil in Bezug auf den Vertragsgegenstand hat. Der wechselseitigen Informationslage der Vertragsparteien sind jedoch Informationsasymmetrien immanent, die der Komplexität des wirtschaftlichen Umfelds und der arbeitsteiligen Organisation moderner Volks- und Marktwirtschaften geschuldet sind. Solche Informationsasymmetrien resultieren aus einer Asymmetrie der Informationsbeschaffungskosten und einem dies berechtigterweise kompensierenden und deshalb rationalen Vertrauen des schlechter Informierten.1295 Verträge sind daher typischerweise von strukturellen Informationsdefiziten geprägt, die durch Vertrauen substituiert werden. Geht dieses Vertrauen fehl, folgt aus dem strukturellen Informationsdefizit eine strukturelle Unterlegenheit des schlechter informierten Vertragsteils in der Vertragsbeziehung. Diese strukturelle Unterlegenheit wirkt auf die Freiwilligkeit der im Vertrauen auf die erwartungsgerechte Nutzenrealisation aus dem Ver1290 Aus der älteren Rechtsprechung z.B. RGZ 75, 208, 211; BGH, NJW 1960, 1568, 1569; BGHZ 59, 328, 329 f.; Müller, JZ 1968, 769. 1291 Vgl. BGHZ 59, 328, 329 f.; aus der Rechtslehre z.B. Reim, NJW 2003, 3662, 3663; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 256 Rz. 1; Medicus, in: PWW, BGB, § 256 Rz. 3. 1292 Mit dieser Abgrenzung noch einmal Medicus, in: PWW, BGB, § 256 Rz. 3; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 256 Rz. 1. 1293 V. Tuhr, BGB AT Bd. I, S. 320 Fn. 33a. 1294 Die vom Käufer nach subjektiver Bewertung vorzunehmenden Begleitinvestitionen, mit welchen der Käufer eine Nutzensteigerung bezweckt, erhöhen deshalb zwar nicht denknotwendig den Wert der unmittelbaren vertraglichen Leistung, aber doch den Wert des aus dem Vertrag zu ziehenden Gesamtnutzens. Deshalb ist auch die Kritik Altmeppen’s, DB 2001, 1399, 1403 f., etwas abzuschwächen, wonach § 284 BGB das Problem des positiven Interesses überhaupt nicht berühre, sondern es allein um den Ersatz von Vertragskosten gehe. Denn durch den Verlust der intendierten Nutzensteigerung wird sehr wohl das positive Interesse berührt, das sich negativ in Gestalt der getätigten Aufwendungen abbildet. 1295 So noch einmal die knappe Zusammenfassung der Ergebnisse des 1. Kapitels, wie sie auch schon in 1. Kap. § 3 C) II. vorgenommen wurde.
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trag getätigten Aufwendungen zurück. Mögen die Aufwendungen zwar noch von einer äußeren Freiwillligkeit getragen sein, weil der desinformierte und deshalb verstrickte Vertragspartner den Realakt der Investition zwar willentlich steuert, so bleiben diese Investitionen aber dennoch Vertrauensinvestitionen. Und ist dieses Vertrauen desinformationsbedingt fehlgeleitet, so fehlt es den Aufwendungen an einer auch inneren Freiwilligkeit. Der desinformierte Vertragsteil würde die Investition nämlich nicht oder jedenfalls nicht so getätigt haben, hätte er über eine vollständige Informationsgrundlage verfügt, wäre sein transaktionsbezogenes und informationssubstituierendes Vertrauen also nicht enttäuscht worden. Wegen der fehlerhaften Informationsgrundlage fehlt es dem getätigten Aufwand an der Selbstbestimmung; die Investitionsentscheidung ist nämlich durch das Informationsdefizit von außen bestimmt. Freiwillig im Sinne der Definition der ,Aufwendung‘ ist diese deshalb nur dann, wenn sie von einer äußeren und einer inneren Freiwilligkeit zugleich getragen wird, also formell und materiell1296 freiwillig ist. Aufwand jedoch, der nicht selbstbestimmt ist, kann nicht materiell freiwillig sein. Fehlt es an der materiellen Freiwilligkeit, weil die Investitionsentscheidung auf einer dem anderen Vertragsteil zurechenbar falschen Informationsgrundlage getroffen wurde, so liegt deshalb keine Aufwendung im engeren Sinne mehr vor, sondern handelt es sich um eine drittverantwortete Selbstschädigung, die als echter Schaden der Kompensation durch Schadensersatzansprüche zugänglich ist.1297 Die zurechenbare Desinformation eines Vertragsteils nimmt dem von diesem in den Vertrag und seine Durchführung investierten Aufwand daher die Freiwilligkeit und wandelt diesen in einen Schaden.1298 Die strukturellen Informationsdefizite, die in immer komplexer werdenden Transaktionsstrukturen moderner Volks- und Marktwirtschaften angelegt sind, bedingen daher die Differenzierung zwischen echtem formell und materiell freiwilligem Aufwand und der – gegebenenfalls drittverantworteten – Selbstschädigung, sobald es an der materiellen Freiwilligkeit des Aufwands fehlt. Es muss daher bei Betrachtung des Tatbestandsmerkmals der zu ersetzenden ,Aufwendungen‘ zwischen echtem Aufwand und dem im Sinne einer drittverantworteten Selbstschädigung schadensstiftenden Aufwand unterschieden werden. 1296 Dies entspricht im Ansatz auch den von Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, S. 254, entwickelten Ergebnissen, wonach die Vertragsautonomie als ,materielle Selbstbestimmung‘ verstanden werden müsse, die durch die Unterlegenheit eines Vertragsteils auch dann beeinträchtigt sein könne, wenn sich diese erst während der Vertragsdurchführung zeige. 1297 Ist die Desinformation dem anderen Vertragsteil hingegen nicht zurechenbar, etwa weil die impliziten Kooperationsabsprachen dem Vertrag eine entsprechende Risikoallokation nicht entnehmen lassen, so verbleibt es zwar bei der Selbstschädigung, fehlt es aber an der Drittverantwortlichkeit hierfür, sodass der Schaden bleibt, ein Kompensationsanspruch aber ausscheidet. 1298 Im Ergebnis und gestützt auf eine Parallele zur Haftung aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) wegen des Abbruchs von Vertragsverhandlungen ebenso Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 27: „Daraus folgt ohne weiteres, dass alle Einwände, die gegen eine Gleichstellung von frustrierten Aufwendungen mit Schäden vorgebracht zu werden pflegen, im vorliegenden Zusammenhang von vornherein gegenstandslos sind.“.
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Soweit der schadensstiftende Aufwand aber Ausfluss struktureller und informationeller Unterlegenheit ist, so verbinden sich damit nicht zuletzt verfassungsrechtliche Ansprüche an die Rechtsordnung, einen effektiven institutionellen Schutz des strukturell Unterlegenen zu gewährleisten.1299 Nimmt man diesen Schutzauftrag ernst, so folgt daraus für das Verständnis des § 284 BGB, dass das dort inkorporierte Tatbestandsmerkmal der ersatzfähigen Aufwendungen nicht im Sinne echten Aufwands, sondern im Sinne schadensstiftenden Aufwands auszulegen ist, § 284 BGB also desinformationsbedingte und drittverantwortete Selbstschädigungen kompensiert und auf diese Weise seinen Beitrag im Konzept der Verstrickungsabwehr leistet.1300 Die schon eingangs geäußerten Zweifel,1301 ob im Anwendungsbereich des § 284 BGB tatsächlich zwischen Schaden und Aufwand differenziert werden könne, zumal die über § 284 BGB ersatzfähigen ,Aufwendungen‘ unbestritten dem negativen Interesse zuzurechnen sind, haben sich daher bestätigt. Es ist festzuhalten, dass es bei § 284 BGB sehr wohl um ein Problem des Schadensersatzes geht, dass also schadensrechtliche Erwägungen bei der Auslegung der Norm eine berechtigte Rolle spielen. Nicht zuletzt folgt hieraus zugleich, dass auch das Merkmal der ,Fremdnützigkeit‘ in der überkommenen Definition des ,Aufwands‘ für § 284 BGB keine Rolle spielt, da ein Schaden niemals fremdnützig entsteht, dieses Definitionsmerkmal im Rahmen schadensstiftenden Aufwands, wie er für § 284 BGB maßgeblich ist, daher denknotwendig entfällt.1302 b) Entscheidung über das negative Interesse Handelt es sich bei § 284 BGB im Kern daher, anders als auch die Gesetzesbegründung zunächst vermuten lässt,1303 um ein Schadensersatzproblem, und wird 1299
Auch dieser Anspruch an den Gesetzgeber ist im Rahmen der Rechtfertigung einer Ökonomik im Recht am Beispiel der Verstrickung durch Desinformation mit Anleihen bei der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zum Schutz des strukturell unterlegenen Bürgen oben, 1. Kap. § 3 C) II., bereits ausführlich hergeleitet worden. 1300 Auch insoweit ähnlich Tröger, ZIP 2005, 2238, 2244. 1301 Soeben, 2. Kap. § 4 B) I.2. 1302 Einer Argumentation, wie von Reim, NJW 2003, 3662, 3663, dass § 284 BGB jeden Anwendungsbereich verlöre, wollte man auf die vollständige Definition des Tatbestandsmerkmals ,Aufwand‘ unter Einschluss des Tatbestandsmerkmals der ,Fremdnützigkeit‘ zurückgreifen, bedarf es daher nicht, da es schon an einer Einbeziehung des Begriffs der Fremdnützigkeit in den Definitionsrahmen fehlt. 1303 Der Passus in der Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 144, wonach es „In der Sache (…) bei dem Ersatz frustrierter Aufwendungen nicht eigentlich um ein Schadensersatzproblem, sondern um eine Frage des Aufwendungsersatzes [geht]“, ist von der Motivation getragen, eine „zielgenaue“ (S. 144 f.) Schadensbemessung zu erreichen. Darin liegt der eigentliche Kern der gesetzgeberischen Aussage. Dass sowohl diese Motivation, die Frustration interpersonell vergleichbar und auf justitiable Art messbar zu machen, als auch der Weg dorthin, nämlich den vom Verstrickten getätigten Aufwand als Objektivierung der Zahlungsbereitschaft zum Maßstab zu erheben, legitim sind, ist hier bereits nachgewiesen und entspricht den wesentlichen Ergebnissen dieser Arbeit. Dass der Gesetzgeber die
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der Schaden, obgleich dem positiven Interesse zuzuordnen, unter Rückgriff auf das negative Interesse bemessen, so ist eine klare teleologische Ausrichtung der Norm zwingend mit einer Entscheidung über das negative Interesse selbst verbunden.1304 Es ist also, bevor in die Systematisierung (auch) nach Fallgruppen eingetreten werden kann, zunächst noch einmal unter Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse die Ersatzfähigkeit des negativen Interesses im Rahmen der Kompensation von Verstrickungsschäden dem Grunde nach klarzustellen. Ökonomisch betrachtet erwachsen Schadenspositionen des negativen Interesses aus dem Vertrauen in den schwebenden Vertrag und seine ordnungsmäßige Erfüllung einerseits sowie dem – wohlfahrtsökonomisch richtigem1305 – Bestreben, durch Investitionen in diesen schwebenden Vertrag den Nutzen aus seiner Erfüllung noch zu erhöhen. Da solche Investitionen in den künftigen Nutzen ökonomisch wünschenswert sind, ist der Schutz des darauf gerichteten Vertrauens zu institutionalisieren.1306 Denn nicht zuletzt erwachsen aus solchen Investitionen lock in-Effekte zulasten des Käufers, denen zu begegnen ist. Die Absicherung dieser lock in-Effekte wird entscheidend durch die gewährleistungsrechtlichen Folgen bestimmt, die wiederum für die Risikoprämie des Verkäufers entscheidend sind.1307 Auch insoweit ist deshalb die grundlegende Entscheidung über den Ersatz des negativen Interesses im Vorgriff auf die Ableitung von Anwendungs- und Auslegungsmaßstäben für § 284 BGB von entscheidender Bedeutung. Die ökonomischen Gesetzmäßigkeiten, die eine Einbeziehung des negativen Interesses in die Verstrickungsabwehr bzw. deren Kompensation gebieten, sind bereits fundiert.1308 Dasselbe gilt für die Kommerzialisierung von Nichtvermögensschäden.1309 Dass also (rechts)ökonomisch die Einbeziehung von Schadenspositionen des negativen Interesses in das Institutionengerüst der Abwehr und Kompensation von Verstrickungsschäden sinnvoll ist, darf damit vorausgesetzt werden. Maßgebliches Argument war hierbei die durch die Positivierung des negativen Inses 1304 legitime Ziel in dem ihm zur Verfügung stehenden Rahmen unter Rückgriff auf eine – den zu regelnden Fall tatsächlich nicht treffende – Differenzierung zwischen Aufwendungs- und Schadensersatz zu erläutern sucht, ist ihm nicht vorzuwerfen. Jedoch dürfen aus dieser – im Ergebnis falschen – Aussage des Gesetzgebers, § 284 BGB regle nicht eigentlich ein Problem des Schadensersatzes, die lediglich das eigentliche gesetzgeberische Ziel einer verlässlichen Schadensbemessung flankiert, keine Ableitungen für die Auslegung der Norm wider besseren Wissens vorgenommen worden. 1304 Derleder, NJW 2004, 969, 973. 1305 Dazu mit weiteren, auch hier verwendeten Nachweisen gerade aus der u.s.-amerikanischen Literatur zur Rechtsökonomik und mit Bezug gerade auf § 284 BGB auch Tröger, ZIP 2005, 2238, 2239. 1306 Die Grundlage für diese Kernaussage dieser Arbeit ist bereits bei der Erarbeitung des gemeinsamen rechtlichen und ökonomischen Rahmens des Vertrauens in Vertragsbeziehungen oben, 1. Kap. § 2 AI II.1 c), gelegt worden. Der konkrete Vertrauensschutz ergibt sich dann aus der anhand der in die Kooperationsbeziehung eingebrachten Zahlungsbereitschaft und ist an den sich zu ihrer Objektivierung anbietenden Umständen zu bemessen, vgl. ausführlich 1. Kap. § 2 C) I.4 und I.5. 1307 Zum Ganzen ausführlich oben, 1. Kap. § 2 B) III.4 d). 1308 Dazu oben, 1. Kap. § 2 C) II.2 c). 1309 Oben, 1. Kap. § 2 C) II.3.
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teresses zu gewährleistende Simulation vollständiger und transparenter Märkte. Überdies ist eine Risikoallokation des – unter Berücksichtigung der konkreten Umstände billigen – Vertrauensaufwands zum Verkäufer im Interesse einer Angleichung der Risiken des Verkäufers an die des Käufers geboten.1310 Während nämlich der Käufer im Falle der Enttäuschung des von ihm in die Kooperationsbeziehung eingebrachten Vertrauens seine mit dem Vertrag verbundene Nutzenerwartung unmittelbar einbüßt, genießt der Verkäufer in Bezug auf den drohenden Verlust seiner Reputation den Vorteil undurchlässiger Märkte und häufig fehlender oder jedenfalls eingeschränkter Markttransparenz. Soweit aber diese Risikoallokation kraft gewährleistungsrechtlicher Institutionen die tatsächlich fehlende Transparenz der Märkte simuliert, dient sie darüber hinaus auch einem über das konkrete Geschäft hinausgehenden Nutzen des Verkäufers und einer Wohlfahrtssteigerung insgesamt, die eine solche Risikoallokation rechtfertigen. Zur Erinnerung: Die kaufrechtliche Gewährleistung ist nicht beschränkt auf die ihr häufig zugesprochene Versicherungsfunktion zugunsten des Käufers, die eine Risikoerhöhung allein zulasten des Verkäufers mit sich bringt, sondern dient auch der Interessenwahrung des Verkäufers selbst, nämlich dessen Chance zum Reputationserhalt sowie als Katalysator für künftiges Käufervertrauen und damit künftigen Nutzen aus der einmal erworbenen Reputation;1311 den Lasten im Einzelfall steht daher ein übergeordneter Nutzen gegenüber, der als Risikoprämie die Rechtfertigung der Risikoallokation im Einzelfall flankiert. Mit dieser – abermals auf Informationsasymmetrien zurückzuführenden – ökonomischen Argumentation verbinden sich Ansprüche an die Rechtsordnung1312 nicht nur dahingehend, dass schadensstiftender Aufwand dem Grunde nach als Teil eines Schadensersatzanspruchs anzuerkennen ist,1313 sondern auch in Bezug auf dessen Anerkennung der Höhe nach. In der rechtsdogmatischen Diskussion um die Reichweite auch dem Grunde nach anerkannter Schadenspositionen ist die Auseinandersetzung mit der Reichweite solchen Schadensersatzes weder neu noch unbekannt. Gerade in der praktischen Anwendung der Rentabilitätstheorie hat der BGH1314 hier klare Grenzen gesetzt. 1310
Diese auf die festgestellte Annäherung des negativen an das positive Interesse je vollkommener und transparenter die Märkte sind zurückgehende Auffassung ist auch in der Rechtslehre – in Bezug auf diese ökonomischen Gesetzmäßigkeiten freilich unbewusst – aufgenommen worden: So stellt z.B. Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 98 f., deutlich heraus, dass der Nutzen der Unterteilung nach positivem und negativem Interesse begrenzt sei. Entscheidend sei daher „(…) nicht die Frage nach dem negativen oder positiven Interesse, sondern es geht vielmehr um eine konsequente Ermittlung des Schadens auf Grundlage der Differenzhypothese.“. 1311 Auch dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 B) III.4 c) bb). 1312 Siehe nochmals oben 1. Kap. § 3 C) II; ähnlich (m.w.N.) auch Tröger, ZIP 2005, 2238. 1313 Vgl. soeben, 2. Kap. § 4 B) II.2 a). 1314 Insbesondere in dem sogleich in abgewandelter Form darzustellenden ,Diskotheken-Fall‘ hat der BGH, ZIP 1991, 798, die Anwendung der Rentabilitätsvermutung auf unmittelbar aus dem Äquivalenzverhältnis herrührende Umstände beschränkt und auch erkennbare Investitionsabsichten außerhalb des Synallagmas hiervon unberührt gelassen.
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c) Ersatz des negativen Interesses in der gestörten Vertragsbeziehung Bevor jedoch diese Grenzen einer Systematisierung auch im Anwendungsbereich des § 284 BGB zugeführt werden können, bleibt jedoch noch eine dogmatische Hürde für die Anerkennung des Schadensersatzanspruchs in der gestörten Vertragsbeziehung zu nehmen: Die Annahme nämlich, § 284 BGB gewährt einen auf das negative Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch verleitet zu dem Schluss, dass damit zwingend die Rückabwicklung des Vertrages verbunden sein müsse.1315 Denn den Gläubiger so zu stellen, wie er stünde, hätte er nie etwas von dem Vertrag gehört, scheint zunächst nur möglich, wenn zuvor der Vertrag rückabgewickelt wird. Dieser Schluss geht jedoch zu weit. Der auf den Ersatz schadensstiftenden Aufwandes gerichtete Anspruch aus § 284 BGB setzt einen vorherigen Rücktritt von dem Vertrag nicht voraus. Dies aus verschiedenen Gründen: Als Zwischenergebnis der dogmatischen Einordnung des § 284 BGB war hier bereits herausgestellt worden, dass die Norm die auf das negative Vertrauensinteresse begrenzte Frustration des Gläubigers ersetzt.1316 Durch § 284 BGB wird daher nicht das negative Interesse unmittelbar kompensiert, sondern wird, aus (rechts)ökonomisch richtigen und aus Gründen der Justitiabilität, die auf das negative Interesse beschränkte Frustration, die grundsätzlich dem positiven Interesse zuzuordnen ist.1317 Wenn aber, wie bereits herausgestellt,1318 schadensrechtlich und auch unter Kausalitätsgesichtspunkten die Frustration des Aufwandes Anknüpfungspunkt der Haftung ist und der Anspruch lediglich auf Ebene der Haftungsausfüllung eine qualitative Änderung in einen auf den Ersatz des Vertrauensinteresses gerichteten Anspruch erfährt, sollte kein Zweifel daran bestehen, dass § 284 BGB als Schadensberechnungsnorm eigener Art1319 lediglich eine Störung des Vertrages, nicht jedoch dessen Rückabwicklung voraussetzt.1320 1315
Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462, 3466. Oben 2. Kap. § 4 B) II.1. 1317 So grundlegend bereits v. Tuhr, BGB AT Bd. I, S. 320; aus der neueren Lehre z.B. Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 336. 1318 Oben 2. Kap. § 4 B) I.1. 1319 In der Einordnung als ,besondere Form der Entschädigung wegen Nicht- oder Schlechterfüllung‘ ebenso Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 6; im Ergebnis wohl ebenso Gsell, in: DaunerLieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 336: „Vorzugswürdig ist es m.E., im Aufwendungsersatz eine Form der Gewährung des positiven Interesses zu sehen. (…) Ersatz wird geleistet für die nicht- bzw. schlechterfüllungsbedingte Vergeblichkeit der Aufwendungen. Die durch die unzureichende Erfüllung bewirkte Zweckverfehlung ist damit auch dann, wenn sie keinen Vermögensschaden darstellt, als sonstiger immaterieller Nichterfüllungsschaden ersatzfähig, wobei sich dessen Höhe gem. § 284 BGB nach den materiellen Aufwendungen richtet, die der Geschädigte zur Zweckerreichung eingesetzt hat.“. Anders Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 109 f., der mit m.E. unzutreffender Argumentation den Wert eines sich in die Schadensdogmatik einfügenden Verständnisses des § 284 BGB für begrenzt hält und stattdessen auf ,Gerechtigkeitserwägungen‘ abstellt, im Nachgang die Norm jedoch zutreffend im inneren System des Leistungsstörungsrechts ansiedelt (S. 142). 1320 Dies wiederum bedeutet nicht, dass für die Einbeziehung z.B. auch der bereits gezahlten Gegenleistung in den Aufwendungsersatz die Rückabwicklung Voraussetzung und § 284 BGB dazu mit einem Rücktritt zwingend zu kombinieren wäre. Dazu sogleich unter 2. Kap. § 4 B) II.2 d). 1316
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Darüber hinaus kann der schadensstiftende Aufwand bei ideellen oder konsumptiven Zwecksetzungen vollständig fehlgeleitet sein und den Vertragszweck endgültig vereiteln, sodass für eine Rückabwicklung des Vertrages neben dem Schadensersatz kein Raum bleibt.1321 Schließlich deckt der Ersatz des negativen Interesses auf haftungsausfüllender Ebene nach dem hier vertretenen Ansatz des Ausgleichs für das Ausbleiben des Effekts der Eigenkompensation nur einen Ausschnitt aus dem Spektrum des Schadensersatzes im Leistungsstörungsrecht ab. Der Gläubiger mag mit dem Vertrag verschiedene Ziele verfolgt haben, wovon lediglich eines auf die Amortisation des Aufwandes und damit auf Eigenkompensation gerichtet war. Diese Zwecksetzung muss aber – und ist es häufig auch nicht – nicht abschließend sein, so dass mit dem Ersatz des so verstandenen negativen Interesses nicht zwangsläufig eine Entscheidung über das Schicksal des Vertrages insgesamt verbunden sein muss. Folgendes – für Fälle der Darstellung der Rentabilitätsvermutung häufig bemühte – Beispiel aus der Rechtsprechung des BGH1322 möge das verdeutlichen: K kauft von V eine Immobilie zum Zwecke des Betriebs einer Diskothek. V sichert die entsprechende Eignung zu. K investiert in die Einrichtung und den Umbau bis sich herausstellt, dass der Betrieb einer Diskothek in diesem Objekt und an diesem Standort aus brand-, lärmschutzund ordnungsrechtlichen Gründen nicht genehmigungsfähig ist. Die Entscheidung, zu kaufen, anstatt ein entsprechendes Objekt zu mieten, hat K ursprünglich auch deshalb getroffen, weil er in Zeiten der Wirtschaftskrise für sich keine bessere Geldanlage als den Erwerb von Immobilieneigentum sieht. Er ist deshalb nicht bereit, von dem Vertrag zurückzutreten, sondern will das Objekt als Anlageobjekt behalten, seinen fehlgeleiteten Aufwand allerdings kompensiert wissen. Würde sich der Aufwand für Einrichtung und Umbau nachweislich1323 amortisiert haben, ist dieser als schadensstiftender Aufwand im Rahmen des § 284 BGB ersatzfähig. Der weiterführende Vertragszweck des K, die Immobilie als über den konkreten betrieblichen Nutzungszweck hinausgehende Geldanlage zu halten, ist demgegenüber erfüllt. K kann daher nicht sämtlichen Aufwand ersetzt verlangen, nämlich nicht die mit der Eigentumsverschaf1321 Man nehme als Beispiel die Fälle vereitelter Urlaubsfreuden, gestörter Affektionsinteressen etc. Voraussetzung für den abschließenden Charakter des Schadensersatzes nach § 284 BGB ist in diesen Fällen jedoch, dass auch der ,Kaufpreis‘ selbst als Teil der kompensationsfähigen Aufwendungen anerkannt wird. Dazu im Rahmen der Fallgruppenbildung sogleich. 1322 Bei dem sog. „Diskotheken-Fall“ (BGH, ZIP 1991, 798) handelt es sich um eine grundlegende Entscheidung des BGH zur Fortentwicklung der Rentabilitätsvermutung, weil der BGH hier zwar immer noch in Anlehnung an die bereits vom Reichsgericht begründete Rechtsprechung davon ausging, dass die Aufwendungen durch den Vorteil der erhaltenen Gegenleistung wieder eingebracht würden, beschränkt diese Vermutung aber auf den Geschäftswillen der Parteien und differenziert deshalb fortan nach Schadensquellen und Risikosphären. Die Rentabilitätsvermutung beschränke sich deshalb auf das synallagmatische Austauschverhältnis; außerhalb desselben stehende Aufwendungen nähmen an der Beweiserleichterung nicht teil, sondern unterlägen der Beweislast des Gläubigers, wobei ihm allerdings § 252 Satz 2 BGB zugute komme; dazu ausführlich Messer/Schmitt, in: FS Hagen, S. 425, 427 ff.; ausführlich auch Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 672 ff. 1323 Nach altem Recht und seit der Entscheidung des BGH im ,Diskotheken-Fall‘, ZIP 1991, 798, lag die Beweislast für die Amortisation des Aufwandes, erleichtert durch § 252 Satz 2 BGB beim Käufer. Mit § 284 BGB hat insoweit eine Umkehr der Beweislast eingesetzt, da es jetzt dem Verkäufer obliegt, die fehlende Rentabilität des Aufwandes zu beweisen (,es sei denn‘).
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fung verbundenen Kosten (Notar, Grundbuchkosten, Grunderwerbsteuer), sondern lediglich den Teil der frustriert wurde und diesen nach § 284 BGB beschränkt durch das negative Vertrauensinteresse. Demgegenüber ist K aber auch nicht genötigt, will er diesen Ersatzanspruch geltend machen, von dem Vertrag insgesamt zurück zu treten.
Es bleibt damit festzuhalten, dass es sich bei § 284 BGB um eine dem Leistungsstörungsrecht1324 zuzuordnende Schadensbemessungsnorm eigener Art handelt, die in Ausnahme zu § 253 BGB und damit als eine der dort genannten ,gesetzlich geregelten Fälle‘ bestehende Schadensersatzansprüche potentiell auf immaterielle Schäden ausdehnt und unter Haftungsanknüpfung an das positive Interesse auf haftungsausfüllender Ebene die auf das negative Interesse begrenzte Frustration des vom Gläubiger getätigten Aufwandes ersetzt, ohne dass hierfür ein vorheriger Rücktritt von dem Vertrag erforderlich wäre. d) Der Umfang des Ersatzanspruchs – Reichweite des kompensationsfähigen schadensstiftenden Aufwandes aa) Einführung Wie gesehen, sah sich der BGH bereits vor der Modernisierung des Schuldrechts und noch unter Geltung der Rentabilitätsvermutung veranlasst, eine Beschränkung dieser Hypothese auf die im Synallagma stehenden Äquivalenzabsprachen der Parteien zu verfügen und darüber hinaus dem Gläubiger allein mit § 252 Abs. 1 BGB zu helfen.1325 Auch wenn diese einschränkenden Tendenzen des BGH aus der Zeit vor Modernisierung des Schuldrechts durch § 284 BGB zurückgedrängt wurden, weil § 284 BGB mit seinem Rückgriff auf die Vertrauensdispositionen lediglich eine vertrauensrechtliche Kausalität nicht aber eine synallagmatische Verknüpfung verlangt,1326 liegt auf der Hand, dass nicht jede Frus1324 Dass § 284 BGB dem Leistungsstörungsrecht zuzuordnen ist, wie Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 142 ff., zutreffend feststellt, ergibt sich nicht allein bereits aus seiner systematischen Stellung, sondern bereits daraus, dass es sich lediglich um eine Haftungsausfüllungsnorm und nicht um eine eigene Anspruchsgrundlage handelt. Wenn Anspruchsgrundlage aber die im Leistungsstörungsrecht wurzelnden §§ 280, 281 BGB sind, kann für eine darauf gründende Haftungsausfüllungsnorm nichts anderes gelten. 1325 Die mit dem ,Diskotheken-Fall‘, BGH, ZIP 1991, 798, begonnene Rechtsprechung hat der V. Senat des BGH später mehrfach bestätigt und seine Rechtsprechung damit gefestigt, vgl. BGH NJW 1992, 2564, 2565; BGH, ZIP 1999, 845, 846; BGH NJW 1999, 1702, 1704; BGHZ 143, 41, 48 f.; aus der Rechtsprechung des VII. Senats: BGH NZBau 2004, 269, 270. Ohne Bezugnahme auf diese Rechtsprechung, in den Ergebnissen aber nicht divergierend der XII. Senat, BGHZ 136, 102, 104 f.; BGH NJW 200, 2342, 2343 (beide zum Mietvertragsrecht ergangen). 1326 Die fehlende synallagmatische Verknüpfung im Anwendungsbereich des § 284 BGB ergibt sich daraus, dass § 284 BGB alle Aufwendungen ersatzfähig stellt, die im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht wurden und billigerweise hatten gemacht werden dürfen. Auf den konkreten Vertragszweck und das vertragliche Austauschverhältnis stellt § 284 BGB demgegenüber nicht ab; so ausdrücklich Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 1; i.E. ebenso wohl Schmidt-Kessel, in: PWW, BGB, § 284 Rz. 5 ff.; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 22. Auch Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 332, verlangt für § 284 BGB keinen besonderen Leistungsbezug der Aufwendung, sondern lässt jeden mittelbaren Bezug des Aufwandes zur Leistung genügen.
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tration echten Aufwand in schadensstiftenden Aufwand umzuqualifizieren geeignet ist. Die Nutzenerwartung des Käufers kann sich hierneben nämlich auch unabhängig von einer vom Verkäufer zu vertretenen Verstrickung als fehlerhaft und die Aufwendung daher als anfänglich oder nachträglich nutzlos erweisen, wie die vielen Fälle zum Beispiel der Motivirrtümer zeigen.1327 Vielmehr tritt eine schadensrechtlich relevante Frustration nach dem hier entwickelten Konzept und in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung des BGH erst und nur insoweit ein, wie die Desinformations- und Verstrickungslage aus der Kooperationsbeziehung selbst erwächst und nicht auf Umstände zurück geht, die außerhalb der Äquivalenzbeziehung und außerhalb der implizit in den Vertrag eingeführten und mit ihm vergüteten Risikoallokationen liegen. Dies geht zwar über die frühere Begrenzung auf das vertragliche Synallagma hinaus, berücksichtigt aber zu Recht, dass die impliziten Vertragsbestandteile Grundlage des vertraglichen Vertrauens und damit der wechselseitig festgelegten Zahlungsbereitschaft sind und so die Äquivalenzbeziehung des Vertrages prägen. bb) Grenze der Billigkeit Aus dieser Feststellung leitet sich dann auch die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Billigkeitsgrenze in § 284 BGB ab. Während dem in der Literatur zum Teil keine eigenständige Bedeutung beigemessen und hierin lediglich die Anordnung einer besonders strengen Anwendung des § 254 BGB gesehen wird,1328 scheint auf den ersten Blick tatsächlich schwer nachvollziehbar zu sein, wie Aufwendungen als Vermögensdisposition im eigenen Interesse, für welche Rechenschaft dem Vertragspartner nicht geschuldet ist, einer Billigkeitsgrenze im Sinne einer Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Aufwand und Wert der Leistung1329 sollen unterliegen können.1330 Das Merkmal der ,Billigkeit‘ ist jedoch im Gesamtkontext der Norm und im Kontext von deren Einbettung in das Gesamtgefüge der Abwehr und Kompensation von Verstrickungsschäden zu verstehen. Wie gesehen, handelt es sich bei § 284 1327
In diesem Sinne auch Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 29 ff. So z.B. Canaris, JZ 2001, 499, 517; ähnlich Grigoleit, ZGS 2002, 122, 124; Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 284 Rz. 11; dagegen Reim, NJW 2003, 3662, 3665. 1329 Vgl. Otto, in: Staudinger, BGB, § 284 Rz. 32; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 6; SchmidtKessel, in: PWW, BGB, § 284 Rz. 7; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 284 Rz. 6 a.E.; a.A. Canaris, JZ 2001, 499, 517, der sich trotz – oder besser: gerade wegen – seiner auf § 254 BGB bezogenen Auffassung gegen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung einerseits und eine Einschränkung nach der Vorhersehbarkeit des Schadens für den anderen Teil andererseits ausspricht, weil § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verantwortlichkeit berücksichtigt, wenn ein unvorhersehbar hoher Schaden drohte und der Gläubiger den Schuldner darauf nicht hingewiesen hat. A.A. auch Tröger, ZIP 2005, 2238. 1330 Ebenso Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 344; vgl. auch Canaris, JZ 2001, 499, 517: „Die gegenteilige Ansicht verstieße gegen den Grundsatz der Entscheidungsfreiheit des Gläubigers in seinen eigenen Angelegenheiten und damit gegen das Prinzip der Privatautonomie und wäre auch mit dem Wortlaut von § 284 KF unvereinbar;“. 1328
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BGB um eine Vertrauenshaftung. Das Vertrauen ist schutzwürdig, solange und soweit es ökonomisch richtig und dogmatisch berechtigt ist. Die diesen Rahmen prägenden Determinanten sind bereits bestimmt.1331 Sie waren Ausfluss der wechselseitigen Selbst- und Fremdbindungen, die im Rahmen der Vertragsverhandlung entstehen und sich verfestigen, bis sie sich von einem abstrakten zu einem konkreten Transaktionsvertrauen verdichten. Der Transaktionsbeziehung liegt daher, und diese Feststellung entbehrt im Rahmen dieser Arbeit nicht einer gewissen Redundanz, eine bipolare Vertrauensbeziehung zugrunde, die eben diese Transaktionsbeziehung in eine Kooperationsbeziehung umqualifziert. Soweit im Rahmen der institutionellen Bewältigung einer Störung der Kooperationsbeziehung durch Kompensation des eingetretenen Nutzenentgangs der Kompensationsanspruch durch ein ,Billigkeitskriterium‘ begrenzt wird, so ist diese Grenze im Lichte der so beschriebenen Funktion und der Wirkung des Vertrauens als Differenzierungsmaßstab zu verstehen, Umstände und Investitionen des Gläubigers aus dem Ersatzanspruch auszuschließen, die außerhalb dieser Kooperationsbeziehung geblieben sind und keinen Einfluss auf die dem Vertrag implizit zugrunde gelegte Äquivalenzabrede genommen haben. Wenn nämlich das Vertrauen informationssubstituierende Wirkung hat und hierdurch ersetzte Information zur Grundlage der wechselseitigen Bildung der Zahlungsbereitschaft und damit im Ergebnis des Vertragspreises wird, so können außerhalb der implizit in die Äquivalenzabrede einbezogenen Zahlungsbereitschaft gebliebene Umstände nicht einem Kompensationsanspruch unterfallen.1332 Dies folgt nicht zuletzt auch daraus, dass es nicht nur dem Käufer möglich sein muss, seine Investitionsentscheidung an dem Erwartungshorizont des mit der Vertragserfüllung verfolgten Nutzens ausrichten zu können, sondern auch der Verkäufer die Gelegenheit haben muss, seine Zahlungsbereitschaft an den zu kalkulierenden Risiken auszurichten,1333 er also die Gelegenheit erhalten muss, seine Vertrauensprämie an der ihm entgegengebrachten Vertrauenserwartung auszurichten und so den Vertragspreis seinerseits zu bestimmen.1334 Bei dem Tatbestandsmerkmal der ,Billigkeit‘ handelt es sich daher um eine tatbestandliche Ausprägung der konkreten Funktion des Vertrauens in der Vertragsanbahnung und -ab-
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Im konkreten Zusammenhang mit § 284 BGB bereits oben 2. Kap. § 4 B) II.1. Auch das teleologische Verständnis der Billigkeitsgrenze und ihre dogmatische Anwendung unterliegen daher der Hermeneutik der Vertragsbeziehung, wie sie oben, 1. Kap. § 2 C) I.5, ausführlich diskutiert ist. 1333 Ebenso und mit ähnlichen Erwägungen auf informationsökonomischer Grundlage Tröger, ZIP 2005, 2238, 2244. 1334 Dies liegt rechtsökonomisch dem Verständnis zugrunde, das Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/ Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 344, mit dem Tatbestandsmekrmal der ,Billigkeit‘ als einer Grenze der ,Vorhersehbarkeit der Aufwendung im Zeitpunkt des Leistungsversprechens‘ verbindet. Auch Altmeppen, DB 2001, 1399, 1405, stellt auf die Erkennbarkeit des drohenden Schadens ab, da das Haftungsrisiko ,überschaubar‘ bleiben müsse. Ähnlich und ebenfalls auf die Vorhersehbarkeit abstellend bereits zum alten Recht Leonhard, AcP 199 (1999), S. 660, 675 ff. 1332
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wicklung.1335 Da diese Funktion des sich in der Kooperationsvereinbarung niederschlagenden bipolaren Vertrauens aber darin besteht, Inhalt und Reichweite vertraglicher Pflichten und damit zusammenhängende Risikoallokationen zu bestimmen, bewirkt die Billigkeitsgrenze in § 284 BGB eine tatbestandliche Anwendungsschranke und beschränkt den Ersatzanspruch auf den – impliziten – Inhalt der Kooperationsabrede. Nicht ganz von der Hand zu weisen ist daher die Auffassung, die in der Billigkeitsgrenze eine Beschränkung der Ersatzfähigkeit solcher Aufwendungen sieht, die für den Vertragspartner nicht ,vorhersehbar‘ waren,1336 soweit man die ,Vorhersehbarkeit‘ richtig als Maßstab der Informationshaftung und der daraus folgenden vertraglichen Risikoallokation versteht.1337 Dies führt jedoch nicht dazu, dass die konkrete Aufwendung der Höhe nach im Vorfeld bestimmt sein muss; es genügt, wenn der spätere Schuldner in den Vertragsverhandlungen und bis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennt, dass der Gläubiger 1335 I.E. ebenso Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 212 f., der dann jedoch zu einer abweichenden Einordnung des Billigkeitskriteriums auf Rechtsfolgenseite statt auf Tatbestandsebene gelangt. 1336 Vgl. dazu bereits soeben: Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 344; Leonhard, AcP 199 (1999), S. 660, 675 ff.; auch Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 Rz. 24, stellen auf die vereinbarte Verwendung des Vertragsgegenstandes ab und gehen damit in dieselbe Richtung; dagegen Canaris, JZ 2001, 499, 517, der die Vorhersehbarkeit als eine aus dem u.s.amerikanischen Rechtskreis (,foreseeability doctrine‘, vgl. Cooter/Ulen, Law and Economics, S. 264 f.) adaptierte, dem System des deutschen Rechts jedoch vollständig fremde Einschränkung hält. Dem ist entgegenzuhalten, dass die foreseeability doctrine letztlich das Problem der Vertrauens- und der Informationshaftung miteinander verbindet und so zu einer Informationshaftung des Inhalts geführt hat, dass der Geschädigte, der vollen Ersatz begehrt, den Schädiger in Vorfeld über den Umfang der drohenden Schäden zu informieren hat, sog. ,information-forcing‘, vgl. Cooter/Ulen, a.a.O., S. 265. Dies aber ist dem deutschen Rechtskreis, worauf Canaris, a.a.O., S. 517, selbst hinweist, ebenfalls nicht fremd, da mit § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB gerade eine solche, der im u.s.-amerikanischen Recht aus der ,foreseeability doctrine‘ abgeleiteten ,penality default rule‘ entsprechende Informationshaftung angeordnet wird. Der Rückschluss von Canaris, a.a.O., S. 517, eine Beschränkung nach der Vorhersehbarkeit komme nicht in Betracht, weil es sich hierbei um eine angloamerikanische Erscheinung handle, die im deutschen Rechtskreis keine Entsprechung findet, da das Problem dort als Informationsproblem in § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB erfasst sei, geht daher fehl, da genau dies die Ableitung ist, die auch aus der foreseeability doctrine vorgenommen wird. Wenn also das deutsche Recht eine schadensrechtliche Informationshaftung kennt, ist darin die Anerkennung einer Beschränkung der vertraglichen Risikoallokation auf vorhersehbare bzw. implizit in den Vertrag eingeführte Umstände enthalten. Versteht man daher die ,Vorhersehbarkeit‘ in diesem Sinne als ein Produkt aus Vertrauen, Informationshaftung und daraus abgeleiteter Risikoallokation, so fügt sie sich nahtlos in das hier entwickelte informations- und vertrauensökonomische Interpretationsmodell (1. Kap. § 2 C) I.4 c) cc) (5) mit Abb. 6) ein. Aus diesem Grunde hält auch Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 676, die Lehre von dem Ersatz nur vorhersehbarer Schäden dadurch für gerechtfertigt, dass hierdurch eine optimale Verteilung der vertragsimmanenten Risiken gewährleistet werde. Darüber hinaus ist dem deutschen Rechtskreis die Haftung allein für vorhersehbare Schäden z.B. auch aus der Rechtsprechung zur Fahrlässigkeitshaftung bekannt, vgl. z.B. BGH NJW 1989, 2616; BGH NJW 1990, 2885; BGHZ 93, 351. 1337 Noch einmal der Hinweis auf Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 676; ebenso und auch unter Einbeziehung der ökonomischen Wertungen in den Auslegungsmaßstab des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 467 ff. Aus dem u.s.-amerikanischen Rechtskreis Bebchuk/Shavell, 7 J.L. Econ. & Org. 284 (1991). A.A. Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, 284, die – allerdings ohne nähere Begründung – die Billigkeitsgrenze für ein rein objektiv ausgestaltetes Merkmal hält.
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in seine subjektive Nutzenerwartung Umstände einbezieht, die entsprechende Aufwendungen veranlassen und damit potentiell schadensgeneigt sind.1338 Im Ergebnis führt dies dazu, dass das Billigkeitskriterium in § 284 BGB bereits auf Tatbestandsebene solche Aufwendungen aus dem Anwendungsbereich des Ersatzanspruchs ausschließt, die nicht mehr von der Kooperationsbeziehung gedeckt sind und nicht, wie verbreitet vertreten wird,1339 zu einer Einschränkung tabestandlich ersatzfähiger Aufwendungen auf Rechtsfolgenebene gelangt, weil der Ersatz ,unbilliger Aufwendungen‘ dem Vertragspartner nicht zumutbar sei. Jede Begrenzung des Anspruchs der Höhe nach auf ein ,objektiv angemessenes‘ Maß, ist konsequent abzulehnen.1340 Ungeachtet dessen, dass hier bereits eine Abgrenzung des billigen vom unbilligen Aufwand kaum möglich wäre und abermals die durch das hier entwickelte informations- und vertrauensökonomische Interpretationsmodell gerade vermiedenen Probleme der Bemessung interpersonell nicht vergleichbaren Nutzens wieder heraufbeschworen würden, würde eine wie auch immer geartete ,Nützlichkeit‘ oder ,Vernünftigkeit‘ ersatzfähiger Aufwendungen z.B. in Anlehnung an das Auftragsrecht,1341 die Incentivierung nutzensteigernder Begleitaufwendungen potentiell konterkarieren sowie zugleich die Vorhersagbarkeit von Gerichtsentscheidungen empfindlich beeinträchtigen. cc) Systematisierung des Aufwendungsersatzes – Katalog schadensstiftenden Aufwandes (1) Fallgruppenbildung Die unter 1. Kap. § 2 C) II.2 b) vorgenommene rechtsökonomiche Typisierung schadensstiftender Kausalverläufe ist im Rahmen der bis hierher vorgenommenen dogmatischen Einordnung des § 284 BGB wiederholt angesprochen und als Hilfsmittel in Bezug genommen worden. Nachdem nunmehr die dogmatischen Grundlagen des Aufwendungsersatzanspruchs gefestigt sind, können diese zur Systematisierung des Ersatzsanspruchs im Sinne einer die Justitiabilität unter1338 Insoweit in der Einordnung nicht ganz klar Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 233, 263 f., der einerseits Canaris, JZ 2001, 499, 517, in der Auffassung beipflichtet, die Vorhersehbarkeit sei ein dem deutschen Rechtskreis fremdes Element, dies allerdings mit der Einschränkung, dass es jedenfalls nicht auf die ,Vorhersehbarkeit der konkreten Aufwendung‘ ankomme (S. 233), andererseits aber das Vorhersehbarkeitselement des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB auf § 284 BGB übertragen und den Schaden absolut begrenzt wissen möchte, da „das Erfordernis der ,Billigkeit‘ auf die Berücksichtigung dieser Grundsätze“ verweise (S. 263). 1339 Überwiegend wird es in der Literatur für zulässig gehalten, die Angemessenheit der Aufwendungen in Frage zu stellen, vgl. Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz 20; Otto, in: Staudinger, BGB, § 284 Rz. 31 f.; Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 74 ff. a.A. Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 4. Kap. Rz. 31. Dabei soll dann aber nicht die Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gläubigers in Bezug auf seine Aufwendungen im Vordergrund stehen, sondern die Frage der Rechtfertigung, diesen Aufwand, dem Schuldner aufzuerlegen. Das aber ist m.E. richtigerweise eine Frage des Tatbestandes, nicht der Rechtsfolge. 1340 Wie hier Tröger, ZIP 2005, 2238, 2247. 1341 So aber zB. Reim, NJW 2003, 3662, 3665 f.
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stützenden Kataloglisierung typisierter Schadens- und Kausalverläufe verwendet und kann so die Vorhersagbarkeit gerichtlicher Entscheidungen im Anwendungsbereich der Verstrickung durch Desinformation und der Kompensation von Verstrickungsrisiken erhöht werden. Selbstverständlich darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Fallgruppenbildung stets nur ein typisiertes Bild zeichnet und nicht von der Prüfung des Einzelfalls anhand der hier erarbeiteten Grundlagen entbindet. Dennoch lassen sich auch aus der Fallgruppenbildung selbst Anwendungsgrundsätze ableiten, die bei der Lösung auch von besonderen Sachverhaltskonstellationen und außerhalb des Typenrasters liegenden Fällen helfen, soweit nämlich ein allen Fallgruppen gemeinsames Prinzip festgestellt werden kann. (2) Vorvertragliche Aufwendungen im Vertrauen auf die Leistung § 284 BGB gewährt einen Ersatzanspruch für frustrierte Aufwendungen, die im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung gemacht worden sind. Daraus wird vielfach abgeleitet, dass Voraussetzung für das Entstehen des Aufwendungsersatzanspruchs das Bestehen des Schuldverhältnisses sei, dass also vorvertraglich bereits im Vertrauen auf den in Aussicht gestellten Vertragsabschluss gemachte Aufwendungen keinen Ersatzanspruch begründeten.1342 Ob in dem Wortlaut des § 284 BGB, der lediglich auf das Vertrauen in den Erhalt der Leistung abstellt, tatsächlich eine solch enge Auslegung angelegt ist, weil ein solches Vertrauen nur dann ,berechtigt‘ ist, wenn bereits ein vertraglicher Leistungsanspruch besteht,1343 darf bezweifelt werden. Der Schutzzweck des § 284 BGB ist dem Wortlaut unschwer zu entnehmen: Geschützt wird das Vertrauen des Gläubigers in die Erbringung der Leistung durch den Schuldner und die darauf beruhende Dispositionsfreiheit des Gläubigers.1344 An diesem Schutzzweck hat sich die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Vertrauensaufwendungen auszurichten. Berechtigt ist ein Vertrauen in den Erhalt der Leistung allerdings grundsätzlich (schon) dann, wenn aus der Kooperationsbeziehung und des ihr zugrunde liegenden Äquivalenzverhältnisses eine Risikoallokation zulasten des Verkäufers wegen der ihm zuzuweisenden Informationslast vorzunehmen ist.1345 Auch für die Frage des im Rahmen des § 284 BGB zugrunde zu legenden Vertrauensmaßstabes geht es daher um (Des-)Informationsrisiken und die darauf be1342 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 5; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 284 Rz. 6; Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 331; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 Rz. 13; Reim, NJW 2003, 3662, 3665. 1343 Insbesondere Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 331, leitet ihre restriktive Auffassung in Bezug auf vorvertraglichen Aufwand aus einer engen Auslegung des Tatbestandsmerkmals des ,berechtigten Vertrauens‘ her. 1344 So wörtlich Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 27; zustimmend Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 136. 1345 Unter Rückbeziehung auf die vorgreiflichen Ergebnisse dieser Arbeit und zu den auch im Rahmen des § 284 BGB maßgeblichen Determinanten der richtigen und deshalb berechtigten Vertrauensentscheidung bereits soeben in der Vorbemerkung, 2. Kap. § 4 B) II.1.
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zogene Risikoallokation. Die für den Vertragsschluss wesentlichen Informationen werden aber regelmäßig im vorvertraglichen Bereich gesammelt und ausgetauscht. Das informationssubstituierende zunächst abstrakte und sich im Verlauf der Vertragsverhandlung konkretisierende Vertrauen,1346 hat seine Grundlage daher gerade im vorvertraglichen Bereich. Diese Nähe des § 284 BGB zu vorvertraglichen Informationspflichten begründet eine dogmatische Nähe der Norm zur Haftung aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) wegen vorvertraglichen (Informations)Pflichtverletzungen1347 und dem haftungsbewährten Abbruch von Vertragsverhandlungen.1348 In diesem Zusammenhang war aber bereits darauf hingewiesen worden,1349 dass die (vorvertragliche) Verhandlungsbeziehung von einem informationssubstituierenden Vertrauen insbesondere in die Reputation und damit in die Person des Verhandlungspartners getragen ist, und überdies die Verhandlungsbeziehung als dynamischer Prozess sich stetig vertiefender Eigen- und Fremdbindungen zu qualifizieren ist.1350 Daraus können bereits in der Verhandlungsbeziehung implizit Schutzanforderungen formuliert und so in den Rang des schon vorvertraglich geschützten Integritätsinteressen erhoben werden, wenn dies in der Verhandlungsbeziehung und insbesondere in den Verhandlungen über die wechselseitige Zahlungsbereitschaft hinreichend zum Ausdruck kommt, der designierte Käufer also eine infolge des Vertrauens in die Information erhöhte Zahlungsbereitschaft signalisiert und so jedenfalls implizit in die Verhandlungsbeziehung, die bereits Kooperationsbeziehung ist, einführt.1351 Mit anderen Worten: Veranlasst der designierte Verkäufer bereits in vorvertraglicher Zeit ein – informationssubstituierendes, also auf den Vertragsschluss, den Vertragspartner oder den Vertragsgegenstand bezogenes – Vertrauen des künftigen Käufers, so reicht dies für eine Risikoallokation später frustrierten vorvertraglichen Aufwandes, mit dem der Käufer beabsichtigte, den künftigen Nutzen zu steigern, nach dem Schutzzweck des § 284 BGB für die Einbeziehung in den Schadensersatzanspruch aus.1352 1346
Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb). Vgl. hierzu die Diskussion unter oben 2. Kap. § 3 D). 1348 Ebenso Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 27: „Zugleich wird daraus (…) die Verwandtschaft des Anspruchs mit einem solchen aus culpa in contrahendo deutlich und damit auch die rechtsethische und rechtspolitische Legitimation des § 284 BGB.“. 1349 Ausführlich zur Haftung für den Abbruch von Vertragsverhandlungen auch außerhalb der anerkannten Fallgruppe der Haftung für die fehlende Aufklärung über die nicht (mehr) vorhandene Abschlussbereitschaft oben 2. Kap. § 3 D) III.3 a). 1350 Dazu ausführlich bereits oben Einl. § 3 B) VI. und auch 1. Kap. § 2 C) I.4 b) bb) zur dynamischen Entwicklung konkreter Vertrauensbeziehungen, die letztlich demselben Muster folgt. 1351 Ähnlich und ebenfalls unter Rückgriff auf die ökonomische Differenzierung des den Transaktionskosten zuzurechnenden Aufwands Messer/Schmitt, in: FS Hagen, S. 425, 442 ff. 1352 Ebenso Schmidt-Kessel, in: PWW, BGB, § 284 Rz. 5: „Außerdem müssen das Schuldverhältnis und der maßgebende Zweck zum Zeitpunkt der Tätigung der Aufwendungen bereits bestanden haben oder jedenfalls ein berechtigtes Vertrauen in den – später erfolgten – künftigen Vertragsschluss bestanden haben; der Maßstab entspricht insoweit demjenigen bei § 311 für den Abbruch von Vertragsverhandlungen.“; im Ergebnis zustimmend, wenn auch in der Formulierung etwas zurückhaltend Emmerich, in: 1347
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Ein unterschiedliche Behandlung der Ersatzfähigkeit vorvertraglichen Aufwands im Anwendungsbereich der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB (c.i.c.) und im Anwendungsbereich des § 284 BGB wäre darüber hinaus nicht zu rechtfertigen. Insbesondere aus dem Wortlaut und der Ratio des § 284 BGB lässt sich ein dahingehender Wille des Gesetzgebers, mit dem durch § 284 BGB zu bewirkenden Schutz hinter dem für vorvertragliche Pflichtverletzungen bereits erreichten Schutzniveau zurückbleiben zu wollen, nicht entnehmen. Soll der Schutzumfang aber parallel laufen, sind auch in den Anwendungsbereich des § 284 BGB vorvertragliche Aufwendungen, die nach den hier entwickelten Maßstäben informationssubstituierende Wirkung haben und hinsichtlich derer die Informationslast nach den impliziten Vertragsbestandteilen dem späteren Verkäufer zuzurechnen sind, als ersatzfähiger Schaden zu berücksichtigen. Dafür spricht auch, dass die zeitliche Komponente nur dann entscheidend wäre, wenn es sich bei § 284 BGB um einen allein auf den Ersatz des negativen Interesses begrenzten Ersatzanspruch handelte. Wie gesehen, begründet § 284 BGB auf haftungsausfüllender Ebene jedoch einen lediglich auf das negative Interesse in Höhe der Aufwendungen begrenzten Kompensationsanspruch für die erlittene Frustration, die grundsätzlich dem positiven Interesse zuzuordnen ist. Für die Einbeziehung von Aufwendungen in das positive Interesse ist der Zeitpunkt ihrer Vornahme aber grundsätzlich ohne Belang. Es kommt wiederum auf das allgemeine Testkriterium an, ob den Aufwendungen im Falle ordnungsgemäßer Primärleistung ein Wert gegenübergestanden hätte.1353 Dies aber ist unter Berücksichtigung der subjektiven Nutzenerwartung, die in der durch die getätigten Aufwendungen objektivierten Zahlungsbereitschaft zum Ausdruck kommt, grundsätzlich der Fall. Es bleibt deshalb dabei, dass von § 284 BGB auch vorvertraglicher Aufwand geschützt und in dessen Kompensations- und Anwendungsbereich einzubeziehen ist. Ein hiervon abweichendes Ergebnis wäre weder mit der Ratio noch mit der dogmatischen Konstruktion des § 284 BGB zu vereinbaren. (3) Der gezahlte Kaufpreis als Mindestschaden Bricht der Verkäufer durch Nicht- oder Schlechterfüllung aus der Kooperationsvereinbarung aus und wird deshalb die Nutzenerwartung des Käufers enttäuscht, so führt dies zur Frustration der in den Vertrag, seine Erfüllung und den mit ihm verfolgten Nutzen investierten Aufwendungen. Ob zu diesen Aufwendungen jedoch auch eine vom Käufer bereits erbrachte Gegenleistung, der vereinbarte Kaufpreis also zählt, wird nicht einheitlich beantwortet und bedarf deshalb der Klärung. 1353 FS Otte, S. 101, 110: „In derartigen Fallgestaltungen wird daher ohne die Einbeziehung gewisser vorvertraglicher Aufwendungen des Gläubigers in den Anwendungsbereich des § 284 BGB nicht auszukommen sein.“. Differenzierend auch Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 18. 1353 So ausdrücklich bereits Messer/Schmitt, in: FS Hagen, S. 425, 444.
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Nach einer weit verbreiteten, vereinzelt als herrschend bezeichneten1354 Ansicht ist der gezahlte Kaufpreis im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs nicht kompensationsfähig. Soweit der Gläubiger auch die Rückgewähr des gezahlten Kaufpreises begehre, müsse er nach §§ 323 ff., 346 ff. BGB vom Vertrag zurücktreten,1355 was angesichts der Alternativität von Rücktritt und Schadensersatz gemäß § 325 BGB auch unproblematisch möglich sei. Dass jedoch ein Bedürfnis für die Einbeziehung der erbrachten Gegenleistung in den Anwendungsbereich des § 284 BGB wegen der über § 325 BGB alternativ eröffneten Rücktrittsmöglichkeit möglicherweise nicht besteht,1356 ersetzt noch keine Begründung dafür, den in Gestalt des gezahlten Kaufpreises getätigten Aufwand des Gläubigers für nicht nach § 284 BGB ersatzfähig zu erklären. Dies umso weniger, als tatsächlich Fälle denkbar sind, in welchen ein solches Bedürfnis für ein Wahlrecht des Gläubigers zwischen Aufwendungsersatz und Rücktritt gerade in Bezug auf die erbrachte Gegenleistung ohne weiteres besteht. Dies nämlich immer dann, wenn die bereits erbrachte Gegenleistung nicht in Geld, sondern in einer Sachleistung besteht.1357 Im Falle einer Vertragsstörung kann der Gläubiger dann nämlich nach Erklärung des Rücktritts gemäß §§ 346 ff. BGB die Rückgewähr des Sachgegenstandes verlangen. Wählt er demgegenüber den Weg über § 284 BGB, ist der Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen gerichtet. Dieser Aufwendungsersatzanspruch wandelt sich, bestand die ,Aufwendung‘ in einer Sachleistung, jedoch im Rahmen des Ersatzanspruchs in einen Geldleistungsanspruch um, so dass dem Gläubiger nicht die Sache selbst zurückzugewähren, sondern deren Verkehrswert zu erstatten ist.1358 Dieses Wahlrecht, und daran zeigt sich die Richtigkeit dieser Überlegung, ist vergleichbar mit dem Wahlrecht des Gläubigers im Rahmen des § 281 BGB, an dessen Stelle die Rechte aus § 284 BGB geltend gemacht werden können: Auch dort steht dem Gläubiger das Wahlrecht zu, ob er vom Vertrag zurücktreten, seine erbrachte Leistung zurückerhalten und daneben nur den verbleibenden Differenzschaden liquidieren will, oder ausschließich über §§ 280, 281 BGB vollen Schadensersatz statt der (ganzen) Leistung begehrt. Weshalb dieses Wahlrecht allein im Rahmen der §§ 280, 281 BGB, nicht aber im Rahmen des § 284 BGB gewährt werden sollte, erschließt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Ratio der Norm. Ein Bedürfnis für die Einbeziehung der erbrachten Gegenleistung in den Anwendungsbereich des § 284 BGB besteht daher allemal. 1354
So Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 284 Rz. 5. Reim, NJW 2003, 3662, 3665; Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462, 3466; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 Rz. 17; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 8 a.E.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 284 Rz. 5; Otto, in: Staudinger, BGB, § 325 Rz. 19. 1356 So aber Reim, NJW 2003, 3662, 3665: „Insofern braucht diesbezüglich nicht auf § 284 BGB zurückgegriffen zu werden.“. 1357 Mit diesem überzeugenden Beispiel Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 66 f. 1358 Diese Umwandlung eines Sachleistungsanspruch im Rahmen des Aufwendungsersatzes ist für das Auftragsrecht (§ 670 BGB) anerkannt und ergibt sich unmittelbar aus § 256 Satz 1 BGB, der die Verzinsung dieses umgewandelten Anspruchs anordnet. 1355
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Unzweifelhaft lässt sich die vom Gläubiger erbrachte Gegenleistung auch unter den Begriff der Aufwendung subsumieren, da es sich um ein freiwillliges, aber schadensgeneigtes Vermögensopfer für den Fall handelt, dass der erwartete und vertraglich fixierte Gegenwert sich wegen der Vertragsstörung nicht realisiert. Aus einem argumentum a maiore ad minus folgt überdies, dass sich der Aufwendungsersatzanspruch gerade auch auf die Gegenleistung selbst beziehen sollte: Die dem Anwendungsbereich des § 284 BGB unstreitig unterfallenden Begleitaufwendungen sollen den aus dem Erhalt der vertraglich versprochenen Leistung zu realisierenden Nutzen steigern; eine solche Effizienzsteigerung durch Begleitaufwand setzt jedoch denknotwendig die Erbringung der Eingangsleistung, nämlich den Einsatz der zum Erhalt der in ihrem Nutzen zu steigernden Leistung selbst voraus. Wenn jedoch bereits der nutzenmehrende Begleitaufwand dem Ersatzanspruch unterfällt, dann muss dies umso eher für den den Nutzen erst eröffnenden Eingangsaufwand gelten. Darüber hinaus ist dem Gläubiger, obwohl der BGH1359 der Überlagerung des § 284 BGB durch die rücktrittsrechtlichen Restriktionen insbesondere des § 347 Abs. 2 BGB eine klare und eindeutige Absage erteilt hat, nicht zumutbar, sich obligatorisch den Rechtsfolgen der §§ 346 ff. BGB aussetzen zu müssen, will er allein Ersatz für die Frustration seiner Investitionen durchsetzen. Und hierin kommt auch das entscheidende Argument für die Differenzierung zwischen dem Rücktrittsrecht und § 284 BGB zum Ausdruck: Zurechnungskriterium für die Risikoverteilung des § 284 BGB ist die Pflichtverletzung durch den Schuldner. Das Rücktrittsrecht enthält demgegenüber eine sehr viel differenziertere Abstufung von Verantwortungsbereichen und knüpft Ersatzansprüche beispielsweise nicht bereits an die Pflichtverletzung, sondern erst an den Untergang der zurück zu gewährenden Sache.1360 Wenn aber der Ausgangspunkt der mit der betreffenden Institution vorzunehmenden Risikoallokation ein gänzlich anderer ist, so kann nicht der Anwendungsbereich der einen zugunsten der anderen beschränkt werden. Der Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB erfasst daher auch die vom Gläubiger erbrachte Gegenleistung, ohne dass es hierzu eines vorherigen oder parallelen Rücktritts bedürfte; eine Schlechterstellung des Schuldners ist damit nicht verbunden, da § 284 BGB an die Stelle des § 281 BGB tritt und damit auch § 281 Abs. 5 BGB bei der Abwicklung nach § 284 BGB entsprechende Anwendung findet, die Rückabwicklung von Leistung und Gegenleistung damit in ein Gegenseitigkeitsverhältnis tritt.1361
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BGH, ZIP 2005, 1512, 1513. Ebenso, obwohl in der Frage um die Einbeziehung der vertraglichen Gegenleistung selbst in den Anwendungsbereich des § 284 BGB nicht ganz klar, Tröger, ZIP 2005, 2238, 2242. 1361 Ebenso und überzeugend Schmidt-Kessel, in: PWW, BGB, § 284 Rz. 4. 1360
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(4) Out of pocket costs – oder: Vertrauensaufwand im Widerstreit mit Vertragskosten Vertrauensaufwendungen, oder ökonomisch: out of pocket – costs, sind dann ersatzfähig, wenn sie Einzug in das vertragliche Kooperations- und Erfüllungsmodell gehalten haben und nicht als sunk costs künftige Entscheidungen des Geschädigten ökonomisch nicht mehr beeinflussen sollten.1362 Im Rahmen des § 284 BGB wird jedoch diskutiert, dass es mit dieser Einschränkung nicht sein Bewenden haben soll, da der Gesetzgeber angetreten sei, die Rentabilitätstheorie alten Rechts zu kodifizieren und die dazu ergangene jüngere Rechtsprechung1363 Restriktionen in Bezug auf die Reichweite des Ersatzanspruchs begründet habe, die fortgelten müssten.1364 Danach sollen nur solche Aufwendungen ersatzfähig sein, die im Hinblick auf den Vertragssschluss und seine Durchführung getätigt wurden, nicht jedoch solche, die lediglich Bezug zur künftigen Verwendung des Vertragsgegenstandes haben, ohne ausdrücklich zum vertraglich vereinbarten oder vorausgesetzten Verwendungszweck erhoben worden zu sein.1365 In der (ökonomischen) Typisierung schadensstiftender Kausalverläufe war eine solche Restriktion nicht angelegt. Und tatsächlich besteht auch im Rahmen des § 284 BGB weder ein Bedürfnis noch eine dogmatische Rechtfertigung, den Abgeltungsbereich der Norm durch Restriktion ersatzfähiger Aufwendungen zu begrenzen. Dies lässt sich weder ihrer Ratio noch ihrem Wortlaut entnehmen.1366 Im Gegenteil: Nach der hier zugrunde gelegten Ratio des § 284 BGB dient dieser insbesondere der institutionellen Absicherung nutzensteigernden Aufwandes, der gerade mit dem Ziel und in der Absicht künftiger Wert- und Nutzensteigerungen getätigt wird, deren Eintritt grundsätzlich zu vermuten ist.1367 Solchen nicht unmittelbar mit dem Vertragszweck zusammenhängenden Aufwand aus dem Anwendungsbereich auszuscheiden, hieße, die Norm ihres ureigensten Zwecks im Normengefüge der Verstrickungsabwehr zu berauben. Der vom Gesetzgeber mit der Restriktion bezweckte Schutz des Schuldners, sich nicht unüberschaubaren Ersatzansprüchen ausgesetzt zu sehen, wird über das Bil1362 Dazu ausführlich oben bei der Katalogisierung möglicher schadensstiftender Ereignisse, 1. Kap. § 2 C) II.2 b) dd). 1363 Vgl. z.B. BGH, ZIP 1991, 798, 799 (sog. „Diskotheken-Fall“); BGH, ZIP 2000, 27, 29; ausführlich mit Kritik Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 672 ff. 1364 Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 4; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, Kap. 4 Rz. 20 ff., 24. 1365 Nicht zuletzt unter Rückgriff auf die mit dem Diskotheken-Fall (BGH, ZIP 1991, 798) begonnene Rechtsprechung so ausdrücklich Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 4. 1366 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 332 f.: „Dass die Zweckvereitelung der Aufwendung erst über viele Zwischenursachen vermittelt wurde, stellt keine schadensrechtliche Besonderheit dar. Auch sonst entspricht es den Grundsätzen unseres Schadensrechts, dass auch mittelbare Folgeschäden ersetzt werden, (…)“. Ebenso Canaris, in: FS Wiedemann, S. 3, 31 ff.; Reinicke/ Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 228; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 22; Otto, in: Staudinger, BGB; § 284 Rz. 27. 1367 Wie hier Tröger, ZIP 2005, 2238, 2244.
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ligkeitskriterium1368 und die dort im Rahmen der Auflösung impliziter Vertragsbestandteile zugrunde zu legende Vorhersehbarkeit des schadensgeneigten Aufwandes sichergestellt.1369 Damit ist die Restriktion aber dogmatisch richtig verortet und beschränkt nicht den tatbestandlichen Radius des grundsätzlichen ersatzfähigen Aufwandes, was negative Effekte auf die mit Institutionalisierung bezweckte Förderung nutzensteigernder Investitionsbereitschaft nach sich ziehen könnte. (5) Opportunitätskosten Der Abschluss eines Vertrages markiert bei rechtstatsächlicher und rechtsökonomischer Betrachtung das Ende einer Suche nach der den größten subjektiven Nutzen stiftenden Investitionsmöglichkeit und fixiert damit zugleich den Entschluss, von alternativen Investitionsmöglichkeiten abzusehen. Die Folge ist, dass die Wahl für eine bestimmte vertragliche Ressourcenallokation eine – je nach Vertragsinhalt auch hohe – Faktorspezifität begründet. Mit anderen Worten: Aus ökonomischer Sicht investieren die Parteien daher in die Transaktion auch den Wert der Möglichkeit einer unterlassenen alternativen Verwendung ihrer Ressourcen.1370 Diese in den Vertrag und seine Erfüllung investierten ,Opportunitätskosten‘1371 stellen ökonomisch den entscheidenden Vergleichsmaßstab alternativer Handlungsmöglichkeiten dar.1372 Verbreitet wird vertreten, dass solche Opportunitätskosten im Rahmen des § 284 BGB nicht ersatzfähig seien, da es sich allenfalls um ein Problem des Schadens-, nicht aber des Aufwendungsersatzes handeln könne.1373 Das vermeintlich für diese Auffassung sprechende Argument, bei gegenteiliger Annahme ließe sich jeder Nichterfüllungsschaden in einen Vertrauensschaden umwandeln – im Vertrauen auf die Erfüllung habe es der Vertragspartner unterlassen, ein Deckungsgeschäft vorzunehmen,1374 greift dabei jedoch zu kurz, da es allein auf den dogmatischen Gegensatz und die durch diesen suggerierte Trennschärfe zwischen positivem und 1368
Dazu ausführlich soeben 2. Kap. § 4 B) II.2 d) bb). Auch insoweit entsprechend Tröger, ZIP 2005, 2238, 2244. 1370 Dazu bereits ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) II.2 b) cc). 1371 Vgl. zur Ersatzfähigkeit von Opportunitätskosten nach einem Vertragsbruch auch Cooter/Eisenberg, Damages for breach of contract, C.L.R. 73 (1985), 1434, 1440 f. 1372 Dazu Blum, Volkswirtschaftslehre, S. 2 und ausführlich bereits oben 1. Kap. § 2 C) I.4 c) bb) sowie nochmals 1. Kap. § 2 C) II.2 b) cc). 1373 Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 334; Reim, NJW 2003, 3662, 3664; Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 62; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 4. Kap. Rz. 11; Unholtz, Frustriere Aufwendungen, S. 202 f.; Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 162 f.; ausdrücklich zum Entgang des gewinnbringenden Alternativgeschäfts auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/6040, S. 144. Etwas inkonsistent insoweit Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 228, die zwar einerseits die Ersatzfähigkeit von Opportunitätskosten im Rahmen des § 284 BGB anerkennen, den entgangenen Vorteil aus einem alternativen Vertragsschluss davon aber gerade mit dem Hinweis darauf, dass es sich allenfalls um Schadensersatz handeln könne, ausnehmen. 1374 So ausdrücklich Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 203, der selbst darauf hinweist, dass das OLG Dresden, Anm. Kgl. Sächs. OLG Dresden 28 (1907), S. 45, dies bereits abweichend entschieden hat. 1369
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negativem Interesse rekurriert, diese Differenzierung jedoch keine immanente Rechtfertigung für die vom Rechtsanwender zu treffende Wahl in sich trägt; die Rechtfertigung muss vielmehr aus dem Zweck der Schadensersatzpflicht selbst gewonnen werden.1375 Dies folgt nicht zuletzt aus der hier nachgewiesenen rechtsökonomischen Irrelevanz der Trennung zwischen positivem und negativem Interesse1376 in simuliert vollkommenen Märkten und dem daraus wiederum abzuleitenden Bedürfnis zur Positivierung des negativen Interesses.1377 Schließlich war § 284 BGB als auf die Kompensation der eingetretenen Frustration gerichteter Anspruch qualifiziert worden, wobei die Frustration eines Aufwandes systematisch dem positiven Interesse zuzuordnen ist, der Anspruch aber aus Gründen der objektivierbaren Schadensbemessung und damit aus Gründen der Justitiabilität auf den Aufwendungsersatz begrenzt wurde. Dass darüber hinaus der Verlust einer alternativen Allokationsmöglichkeit eine solche Frustration bewirkt, folgt bereits aus der mit ihr zugleich entgangenen alternativen Vermögensmehrung. Wenn nun mit der Anerkennung der Erstazfähigkeit von Opportunitätskosten die Einbeziehung eines bestimmten Aufwendungstypus in den Anwendungsbereich des § 284 BGB den Ersatzanspruch der – idealerweise vollständigen1378 – Kompensation des auf das Vertrauensinteresse begrenzten positiven Interesses näherbringt, so beinhaltet dies keinen Kritikpunkt, sondern trägt vielmehr zur Verwirklichung der wohlverstandenen Ratio des § 284 BGB bei. Auch das Argument, der ,Verlust‘ aus einem entgangenen alternativen Geschäft sei zwar möglicherweise dem Schadens-, nicht aber dem Aufwendungsersatz zuzuordnen,1379 verkennt, dass mit der Festlegung auf einen Vertrag in diesen unter der gebotenen Beachtung auch der rechtsökonomischen Vorherigkeiten auch der Wert einer alternativen Vertragsschlussmöglichkeit investiert wird und diese Investition erst die – teils hohe – Faktorspezifität der in den Vertrag zu investierenden Ressourcen begründet. Eine jede Erhöhung der Faktorspezifität ist jedoch auch mit einer Erhöhung von lock in – Gefahren verbunden,1380 sodass der Verzicht auf den alter1375 So wörtlich Tröger, ZIP 2005, 2238, 2241, in völliger Übereinstimmung mit den hier erarbeiteten Grundsätzen. 1376 Die unklare Trennlinie zwischen positivem und negativem Interesse in Fällen der Verstrickung in nicht erwartungsgerechte Verträge, in welchen der Vertragsschluss jedenfalls auch darauf zurückgeht, dass die eine Partei bei der anderen unzutreffende Erwartungen geweckt hat, ist auch in der Rechtslehre anerkannt und hat auch dort überwiegend zu einer Erörterung und Lösung des Problems unter Rückgriff auf Fallgruppen geführt, vgl. vor allem Medicus, in: FS Lange, S. 539, 554 f. 1377 Dazu ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) II.2 c). 1378 Je näher der Kompensationswert an die tatsächlichen Nutzeneinbußen heranrückt, desto größer ist die reale Reallokationsmöglichkeit und desto geringer der aus der gescheiterten Transaktion folgende Wohlfahrts- und Reibungsverlust. Das Ziel der Rechtsordnung sollte es daher sein, eine möglichst vollständige Reallokation nach Vertragsstörungen anzustreben. Diesem Ziel dient gerade § 284 BGB, mit dem der Gesetzgeber angetreten ist, im alten Recht bestehende Kompensationslücken zu schließen. Nimmt man diesen Auftrag ernst, so stellt sich die hier vertretene Auffassung als weitgehend alternativlos dar. 1379 So insbesondere Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 228. 1380 Williamson, Institutionen, S. 60 ff.
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nativen Vertragsschluss jedenfalls eine freiwillige Vermögensdisposition beinhaltet, die das Risiko in sich trägt, im Falle einer Vertragsverletzung durch den anderen Teil schadensgeneigt zu sein. Dies aber wiederum erfüllt die hier entwickelten Anforderungen an den Definitionsgehalt des in § 284 BGB zugrunde gelegte Tatbestandsmerkmals der ,Aufwendung‘. Insoweit lässt sich deshalb durchaus vertreten, dass sich der entgangene Vorteil aus einem aufgegebenen alternativen Vertragsschluss als typische Folge der Vermögensdisposition unter den Aufwendungsbegriff des § 284 BGB subsumieren lässt.1381 Der vermeintliche gesetzgeberische Wille, wie er in der Gesetzesbegründung1382 zum Ausdruck kommt, steht dem nicht entgegen, obwohl die Gesetzesbegründung den Fall des entgangenen vorteilhaften Alternativgeschäfts ausdrücklich als nach ihrem Willen nicht von § 284 BGB erfasst nennt. Der Gesetzgeber geht dabei jedoch von falschen Voraussetzungen aus. Er nennt diesen Fall der Opportunitätskosten nämlich im Kontext seiner Einordnung des § 284 BGB ,nicht eigentlich als Problem des Schadens- sondern des Aufwendungsersatzes‘. Da jedoch diese Differenzierung einerseits untauglich ist1383 und es sich andererseits sowohl bei § 284 BGB um eine Schadensersatznorm als auch bei den Opportunitätskosten um einen schadensgeneigten Aufwand handelt, kann die offenkundige Fehlvorstellung des Gesetzgebers nicht das Gewicht haben, die richtige Auslegung des § 284 BGB und dessen Einordnung in den Gesamtkontext der Verstrickungsabwehr zu derogieren. Legt man diese bis hierher gefundenen Ergebnisse zugrunde, so drängt sich die weitere Frage auf, mit welcher Rechtfertigung die Reichweite des Ersatzanspruchs davon soll abhängen dürfen, ob die Pflichtverletzung des Schuldners vorvertraglich begangen oder auf eine vertragliche Leistungspflicht bezogen ist. Im Kompensationsbereich des Verschuldens bei Vertragsschluss (c.i.c.) nach §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB nämlich ist durch die Rechtsprechung des BGH1384 anerkannt, dass auch der Schaden aus dem Verlust einer alternativen, günstigen Vertragsabschlussmöglichkeit ersatzfähig ist.1385 Allein die zeitliche Verortung der Pflichtverletzung jedoch vermag nur schwer eine Zäsur in Bezug auf die Reichweite des Kompensationsanspruchs zu begründen; dies umso weniger, als dass sich vorvertragliche Pflichtverletzungen nicht selten in einer vertraglichen Pflichtverletzung fortset-
1381 Im Ergebnis ebenso Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 17. Obwohl in der Sache gegenteiliger Ansicht, erkennt auch Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 162, an, dass die Subsumtion der Opportunitätskosten unter den Aufwendungsbegriff noch möglich ist, obwohl er zur Begründung dieser Auffassung davon ausgeht, dass das Tatbestandsmerkmal der ,Aufwendung‘ in § 284 BGB einen Vermögensabfluss nicht voraussetze; diese Annahme indes ist nicht erforderlich, da nach der hier vertretenen Argumentation in dem Verzicht auf die alternative Ressourcenallokation ein real messbarer Vermögensabfluss liegt, der sich ohne Weiteres auch von der Differenzhypothese erfassen lässt. 1382 BT-Drs. 14/6040, S. 144. 1383 Dazu soeben 2. Kap. § 4 B) II.2 a). 1384 Vgl. z.B. BGH, NJW 1998, 2900. 1385 Zweifelnd in Bezug auf die dogmatische Berechtigung einer solchen Ungleichbehandlung auch Canaris, JZ 2001, 499, 507.
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zen,1386 was insbesondere gilt, wenn es sich um Informationspflichtverletzungen handelt. Hier eine allein durch den formalen Akt des Vertragsschlusses bedingte Zäsur vorzunehmen, hieße, willkürlich zu differenzieren. Auch die Nähe des § 284 BGB zum vorvertraglichen Schadensersatz aus c.i.c.1387 streitet daher für die Anerkennung der Ersatzfähigkeit auch von Opportunitätskosten in seinem Anwendungsbereich. (6) Eigene Arbeitsleistung als Aufwand Nach überwiegender Auffassung in der Literatur,1388 die sich auf Rechtsprechung des BGH1389 stützt, ist auch der Einsatz eigener Arbeitsleistung des Gläubigers im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung als frustrierter Aufwand im Rahmen des § 284 BGB ersatzfähig. Die unmittelbar nach Einführung des § 284 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz insbesondere von Heinrichs1390 vertretene gegenteilige Auffassung, nach welcher der Ersatz eigener Arbeitsleistung grundsätzlich abzulehnen war, ist von ihm selbst bereits kurze Zeit später wieder aufgegeben1391 und auch von Grüneberg1392 in der Kommentierung nicht fortgesetzt worden. Dennoch gehen die Auffassung zum Teil auseinander und reichen von einer grundsätzlichen Anerkennung eines jeden im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung getätigten eigenen Arbeitseinsatzes1393 bis zur Ersatzfähigkeit nur solcher Aufwendungen, die einen Marktwert haben, was insbesondere für Aufwand in analoger Anwendung des § 1835 Abs. 3 BGB gelte.1394 Richtig ist einerseits, dass sich aus den übrigen Vorschriften des BGB zum Aufwendungsersatz einschließlich des Aufwendungsersatzanspruchs des Werkbestellers (§ 637 Abs. 1 BGB) und des Geschäftsführers ohne Auftrag (§ 683 BGB) und der dort jeweils vertretenen Auffassung zur Ersatzfähigkeit eigener Arbeitsleistung 1386 Dazu bereits oben im Zusammenhang mit der Einordnung der Schadensersatzansprüche aus vorvertraglicher Pflichtverletzung in das Gesamtgefüge der Verstrickungsabwehr, vgl. 2. Kap. § 3 D) III.2 a). 1387 Dazu nochmals Canaris, JZ 2001, 499, 507, der die Rechtfertigung für die überwiegend vertretene Meinung, § 284 BGB erfasse nicht auch den Ersatz von Opportunitätskosten, darin erblickt, dass diese über einen parallelen, auf den Ersatz des positiven Interesses gerichteten Anspruch kompensiert werden könnten und es deshalb an einem Bedürfnis für den Gleichlauf mit Ersatzansprüchen aus c.i.c. fehle. M.E. überzeugt dieses Argument nicht restlos, da der Aufwendungsersatzanspruch aus § 284 BGB gerade „statt“ des Schadensersatzes statt der Leistung geltend zu machen ist, der Kompensationsumfang sich also nicht aus alternativen Rechtsbehelfen ableiten darf, sondern aus dem Anwendungsbereich der Norm selbst ableiten muss. 1388 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 165 ff., und Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 205. 1389 BGH, NJW 1996, 921. 1390 Heinrichs, in: Palandt, BGB (63. Aufl. 2004), § 284 Rz. 6. 1391 Heinrichs, in: Palandt, BGB (65. Aufl. 2006), § 284 Rz. 5. 1392 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 284 Rz. 5 mit Hinw. auf Vorbm 44 vor § 249. 1393 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 228; Dauner-Lieb, in: AnwKomm, § 284 Rz. 9; Otto, in: Staudinger, BGB, § 284 Rz. 28; Reim, NJW 2003, 3662, 3664 f. 1394 Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 4. Kap. Rz. 12; Stadler, in: Jauernig, BGB, § 284 Rz. 4; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 205.
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eine Ableitung für § 284 BGB nur bedingt vornehmen lässt, da die Zweckrichtung der jeweiligen Aufwendungsersatzansprüche mit derjenigen des § 284 BGB wenig vergleichbar ist;1395 denn sowohl bei der GoA (§§ 677, 683 ff. BGB) als auch im Werkvertragsrecht (§ 637 BGB) tätigt der Gläubiger die Aufwendungen im jedenfalls mittelbar fremdnützigen Interesse,1396 im Werkvertragsrecht, weil der Werkunternehmer diesen Aufwand anderenfalls selbst hätte tätigen müssen.1397 Soweit der Aufwand aber fremdnützig ist, ist ein Rückgriff auf § 1835 Abs. 3 BGB in analoger Anwendung oder die Anerkennung eines generellen, auf andere Art zu bemessenden Aufwendungsersatzanspruchs naheliegend, da es der Schuldner ist, dem der zu ersetzende Aufwand zugute kam. Richtig ist aber andererseits auch, dass dem Wortlaut des § 284 BGB keine Einschränkung dahingehend zu entnehmen ist, dass der Einsatz eigener Arbeitskraft nicht als Aufwandsposition ersatzfähig ist.1398 Da es sich bei § 284 BGB um einen Schadensersatzanspruch für frustrierten Aufwand handelt, der auf das negative Interesse begrenzt wird, ist allein die Frage entscheidend, ob der Einsatz eigener Arbeitskraft geeignet ist, eine Schadensposition des negativen Interesses zu begründen. Eine solche Schadensabwälzung der als Aufwand zu qualifizierenden eigenen Arbeitsleistung hat der BGH1399 im Anwendungsbereich des § 994 BGB, bei dem es nicht um die Abschöpfung geschaffener Werte beim Eigentümer, sondern um den Ausgleich eines bestimmbaren, vom Besitzer geopferten Vermögenswertes geht,1400 bereits anerkannt. Diese Wertung von der Aufopferung eines objektiv bestimmbaren Vermögenswertes liegt nahe bei derjenigen des § 284 BGB, der nach der hier verstandenen Interpretation die Frustration subjektiv nutzensteigernder Investitionen kompensieren und so nicht zuletzt den gesamtwirtschaftlich gewollten Anreiz, im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung bereits nutzen- und damit wohlfahrtssteigernde Aufwendungen zu tätigen, schützen soll. Eine Übertragung der zu § 994 BGB ergangenen Rechtsprechung auch auf § 284 BGB ist wertungsmäßig daher zu befürworten.1401
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Dazu ausführlich Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 167 ff. Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 205 1397 Reim, NJW 2003, 3662, 3664, sieht gerade in der Parallele zum Werkvertragsrecht die Rechtfertigung für die allgemeine Ersatzfähigkeit auch dort anerkannten Aufwendungsersatzes für eigene Arbeitsleistung, weil anderenfalls der Käufer gegenüber dem Werkbesteller unangemessen benachteiligt würde. Den Unterschied jedoch, dass der Gläubiger im Rahmen des § 284 BGB freiwilligen, wenn auch schadensgeneigten Aufwand tätigt, während der Werkbesteller im Rahmen des Selbstvornahme nach § 637 BGB vom Werkunternehmer geschuldeten und diesem mit dem Werklohn vergüteten Aufwand unfreiwillig aber gezwungenermaßen übernimmt, um die Leistung – zeitnah – zu erhalten, würdigt Reim, a.a.O., in diesem Zusammenhang nicht. 1398 Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 228. 1399 BGHZ 131, 220, 223 f. 1400 BGHZ 131, 220, 224 f.; Bassenge, in: Palandt, BGB, § 994 Rz. 5; a.A. Englert, in: PWW, BGB, § 994 Rz. 4, der aber eine Parallele zur aufgedrängten Bereicherung zieht, die hier m.E. fehl geht, weil § 994 gerade keine bereicherungsrechtliche Zwecksetzung zugrunde liegt. 1401 Ebenso Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 169. 1396
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Das Problem jedoch, dass auch in dem Urteil des BGH1402 anklingt, der einen ,objektiv bestimmbaren Vermögenswert‘ verlangt, liegt auch hier in der interpersonellen Vergleichbarkeit und damit der Bewertung des aus der vergeblichen Arbeitskraft entgangenen Nutzens. Vor diesem Hintergrund wird der Rückgriff auf die analoge Anwendung des § 1835 Abs. 3 BGB verständlich, der weniger als anspruchsbegründende Analogie zu verstehen ist, sondern schlicht der Objektivierung der Schadensbemessung dient. Die damit verbundene Schlechterstellung desjenigen jedoch, der zwar über die entsprechende Begabung verfügt, den getätigten vorbereitenden Aufwand in eigener Arbeitsleistung zu erbringen, obwohl diese nicht zu seinem beruflichen Betätigungsfeld gehört, ist nur schwer zu rechtfertigen. Denn auch dieser Gläubiger hat in den Vertrag investiert. Allerdings ist tatsächlich fraglich, ob es sich insoweit um einen Vermögenswert handelt, da mit der Erbringung eigener Arbeitskraft ein Vermögensverlust nur dann verbunden zu sein scheint, wenn dadurch anderweitige Erwerbsmöglichkeiten vereitelt werden, also Einnahmen oder Gewinne, die in dieser Zeit anderenfalls verdient worden wären, entgehen.1403 Andererseits käme damit dem Schuldner die Begabung des Gläubigers zugute, der seinen Aufwand ohne Zweifel ersetzt verlangen könnte, würde er nicht die Zeit selbst investiert, sondern in Ermangelung eigener Fähigkeiten am Markt eingekauft haben. Allein diese Kontrollüberlegung zeigt, dass das idealiter zu erreichende Kompensationsziel des § 284 BGB auch den Ersatz eigener Arbeitsleistung außerhalb des beruflichen Betätigungsfeldes nahelegt. Der dazu gemachte Vorschlag, den Ersatzanspruch an dem für eine entsprechende Arbeitsleistung an einen Angestellten zu zahlenden Lohn festzumachen, scheint dagegen verfehlt, weil er zwar die Begünstigung des Schuldners gegenüber dem Fall abbildet, in dem der Gläubiger tatsächlich so verfahren wäre, jedoch nicht die mit § 284 BGB zu kompensierende Frustration des Gläubigers, die sich gerade nicht an dem tatsächlich ja nicht gezahlten Marktpreis der Leistung ausrichtet. Soweit der Gläubiger nämlich außerhalb seines beruflichen Betätigungsfeldes tätig wird ist seine Arbeitsleistung dem Bereich nicht materieller auch anderweitig zu verdienender Leistungen, sondern im Falle ihrer Frustration dem Bereich immaterieller Schäden zuzuordnen; auch insoweit hat der Gesetzgeber jedoch mit § 253 BGB i.V.m. § 651f Abs. 2 BGB die grundsätzliche Ersatzfähigkeit und den Vermögenswert entgangener Freizeit anerkannt. Im Ergebnis ist daher auch die eigene Arbeitsleistung des Gläubigers im Rahmen des § 284 BGB im Falle ihrer Frustration als Aufwendung ersatzfähig. Dabei ist, um einerseits den Wert der Frustration zutreffend zu bemessen, um andererseits die Schadensbemessung aber auch justitiabel zu halten, zu differenzieren: Fällt die aufgewendete Arbeitsleistung in den professionellen Tätigkeitsbereich des Gläubigers, so ist Aufwendungsersatzanspruch analog § 1835 Abs. 3 BGB, fällt er in den ideellen Bereich analog § 651f Abs. 2 BGB zu bemessen. Mit dieser Gesamtanalogie zu 1402 1403
BGHZ 131, 220, 224 ff. So kritisch Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 171.
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§§ 651f Abs. 2, 1835 Abs. 3 BGB im Anwendungsbereich des § 284 BGB ist eine vorhersehbare und damit in der Vertragsbahnung bei der Bemessung der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft der Parteien ohne Schwierigkeiten zu berücksichtigende Regelung gefunden, die auch in der Rechtsprechungspraxis keinen Schwierigkeiten begegnen wird, da auf überkommene Grundsätze der Schadensbemessung zurückgegriffen werden kann. (7) Differenz- oder Teilerfüllungsschaden § 284 BGB kompensiert frustrierten Aufwand. Verbleibt wegen des nur anteiligen Ausbleibens des vertraglich vorausgesetzten Nutzens ein anteiliger Nutzenwert auch der Vertrauensaufwendung, so ist freilich nur der entgangene Teil des Aufwandes zu kompensieren und nötigenfalls entsprechend zu schätzen (§ 287 ZPO). Es fehlt nämlich insoweit bereits an dem Tatbestandsmerkmal der Zweckverfehlung, wie es § 284 BGB voraussetzt.1404 Dies hat auch der BGH1405 in einer seiner frühen Entscheidungen zu § 284 BGB ohne zwischen verschiedenen Aufwendungen zu differenzieren so gesehen, weil sich im Falle anteiliger oder – in casu – zeitanteiliger Nutzung auch die Nutzenerwartung eines jeden Aufwandes zeitanteilig realisiert. Dem ist im Grunde nichts hinzuzufügen. (8) Substitutionkosten und entgangener Gewinn Zur Vervollständigung der Darstellung des Kanons typischer schadensgeneigter Kausalverläufe1406 im Rahmen der Darstellung des Anwendungsbereichs des § 284 BGB ist in Bezug auf Substitutionskosten und den entgangenen Gewinn lediglich der kurze Hinweis geschuldet, dass solche Schadenspositionen von § 284 BGB nicht erfasst werden können, da sie zwar möglicherweise, und das gilt lediglich für die Substitutionskosten, unter das Tatbestandsmerkmal der ,Aufwendungen‘ noch subsumiert werden können, es sich jedoch denknotwendig nicht um Aufwand ,im Vertrauen auf den Erhalt des Leistung‘ handeln kann. Zu einem Zeitpunkt, zu welchem der Gläubiger erkennt, ein Substitutionsgeschäft tätigen zu müssen, weil die versprochene vertragliche Leistung ausbleibt, vertraut er gerade nicht mehr auf die Erfüllung des ursprünglichen Vertrages. Der infolge Pflichtverletzung aus dem konkreten Vertrag entgangene Gewinn erfüllt demgegenüber schon nicht das Tatbestandsmerkmal einer ,Aufwendung‘ und ist bereits insoweit aus dem Anwendungsbereich des § 284 BGB ausgeschlossen. dd) Zusammenfassendes Ergebnis: Zur Ableitung eines allgemeinen Prinzips für die Anwendung des § 284 BGB Einleitend war der Zweck der Typisierung schadensstiftender Kausalverläufe auch im Anwendungsbereich des § 284 BGB neben der Erhöhung der Justitiabilität und der Vorhersagbarkeit gerichtlicher Entscheidungen, was wiederum die 1404 1405 1406
Gsell, NJW 2006, 125, 127. BGH, NJW 2005, 2848. Zur Systematisierung dieses Kanons oben 1. Kap. § 2 C) II.2 b).
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Plan- und Kalkulierbarkeit von Risiken erhöht und damit Transaktionskosten reduziert, auch darin gesehen worden, dass die einer Fallgruppenbildung immanente Typisierung auch der Lösung nicht von ihnen erfasster Fälle dadurch dienen kann, dass aus gefestigten Fallgruppen ein allgemeingültiges Prinzip abzuleiten sein kann, dass auch der Lösung außerhalb des erfassten Kanons liegender Sachverhalte dienlich sein wird. Ein solches, für § 284 BGB fruchtbar zu machendes Prinzip liegt hier in der in den behandelten Fallgruppen zum Ausdruck kommenden Ratio des § 284 BGB: Die Vorschrift behebt ein noch im alten Recht bestehendes Kompensationsdefizit, indem sie die Kooperationsbeziehung und die ihr zugrunde liegende Äquivalenzabrede dadurch stärkt, dass sie die käuferseits die Bestimmung der eigenen Zahlungsbereitschaft maßgeblich beeinflussende subjektive Nutzenerwartung insoweit flankiert, als sie wohlfahrtsökonomisch erwünschten vorbereitenden und begleitenden Aufwand zur Erhöhung des subjektiven Nutzens institutionell absichert, auf diese Weise ein abstraktes und ggf. auch konkretes Transaktionsvertrauen gegen moral hazard-Risiken abschirmt und im Ergebnis die Möglichkeit, Opportunismusprämien durch Fehlleitung von Vertrauen und das Ausnutzen von lock in-Effekten zu verdienen, beschneidet. § 284 BGB verfolgt daher das Ziel, eine möglichst umfassende und ökonomisch erschöpfende Reallokation der infolge des Kooperationsbruchs fehlgeleiteten Ressourcen zu ermöglichen, um so Effizienzverluste aus einer desinformationsbedingten Verstrickung gering zu halten. Da jedoch weder der verfolgte Nutzen, noch die zu seiner Realisierung eingesetzten Ressourcen interpersonell ohne Weiteres vergleichbar sind und dies eine Justitiabilität unter dem gebotenen Aufwand nahezu unmöglich macht, war der Gesetzgeber gezwungen, die grundsätzlich dem positiven Interesse zuzuordnende Frustration zu objektivieren. Dies hat er durch Rückgriff auf den getätigten, und dem negativen Interesse zuzuordnenden Aufwand als Bemessungsgrundlage des Kompensationsanspruchs getan, wobei die Differenzierung zwischen positivem und negativem Interesse keine immanente Rechtfertigung für die vom Rechtsanwender zu treffende Wahl enthält, sondern diese vielmehr aus dem Zweck der Schadensersatzpflicht selbst gewonnen werden muss.1407 § 284 BGB begründet damit einen aus gerechtfertigten Praktikabilitätsgründen auf das negative Interesse begrenzten Anspruch auf Ersatz der dem positiven Interesse zuzuordnenden Frustration. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Differenzierung zwischen positivem und negativem Interesse nicht nur nichts zur Rechtfertigung der Anerkennung einzelner Schadenspositionen im Rahmen des Ersatzanspruchs beiträgt, sondern dass diese Unterscheidung rechtsökonomisch auch irrelavant ist, da unter Bedingungen vollständiger Konkurrenz und vollkommener Information sich ein Unterschied in der Höhe des Ersatzanspruchs nicht ergibt. Da die Rechtsordnung aber gehalten ist, diese Bedingungen vollständiger Konkurrenz und vollkommener Informationen mithilfe von Aufklärungs-, Offenbarungs- und flankieren1407
Vgl. insoweit noch einmal Tröger, ZIP 2005, 2238, 2241.
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den Haftungsregeln zu simulieren, ist es bei allen gebotenen Restriktionen Aufgabe und Anspruch des § 284 BGB, die Kompensation bestmöglich an dem Wert der eingesetzten und zu reallozierenden Ressourcen zu orientieren, also wo es mit seiner dogmatischen Konstruktion zu vereinbaren ist, auf vollständige Kompensation abzuzielen. Dies zeigt sich gleichermaßen in den Fallgruppen der Einbeziehung von vorvertraglichem Aufwand, von Opportunitätskosten und der Ersatzfähigkeit eigener Arbeitsleistung. Dieses Kompensationsziel, das negative Interesse dem positiven so effektiv wie möglich anzunähern, muss als allgemeines Prinzip für die Anwendung des § 284 BGB auch außerhalb der hier typisierten Fallgruppen zur Geltung gebracht werden. III. Reichweite der Alternativität des Anspruchs III.1 Verhältnis zum Rücktrittsrecht Wie gesehen,1408 ist ein vorheriger Rücktritt vom Vertrag nicht nötig, begehrt der Gläubiger über § 284 BGB auch die Rückgewähr des bereits gezahlten Kaufpreises. Vielmehr ist auch der Kaufpreis selbst im Rahmen des § 284 BGB als Aufwandsposition ersatzfähig. Dennoch eröffnet freilich § 325 BGB die Möglichkeit, neben der Geltendmachung des Aufwendungsersatzanspruchs vom Vertrag zurückzutreten – oder umgekehrt, neben dem Rücktritt auch den Aufwendungsersatz geltend zu machen –, ohne dass insoweit im Ausgangspunkt irgendwelche Besonderheiten zu beachten wären.1409 Es stellt sich aber dennoch die Frage, ob und inwieweit gegebenenfalls Wertungen des Rücktrittsrechts den Ersatzanspruch aus § 284 BGB überlagern. Namentlich ist dies für Fälle des zufälligen Untergangs der zurück zu gewährenden Sache diskutiert worden, da in diesem Fall der Rücktritts- und Aufwendungsersatzgläubiger nach §§ 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3, 347 Abs. 2 BGB bereits von der Wertersatzpflicht befreit ist, also die Sachgefahr bereits beim Rücktrittsschuldner alloziert sei und hierneben der Rücktrittsgläubiger nicht auch noch Aufwendungsersatz soll geltend machen dürfen.1410 Der BGH1411 hat diesem Verständnis des § 284 BGB mit den deutlichen Worten, dass dies ,nicht richtig‘ sei, eine Absage erteilt. Vor dem Hintergrund der soeben noch einmal nachvollzogenen Wertung des § 284 BGB und seinem Anspruchsziel,1412 ist diesem Judikat des BGH im Grunde nichts hinzuzufügen. Während § 284 BGB dem Gläubiger im Anschluss an eine vertragliche Pflichtverletzung des Schuldners einen inhaltlich auf das positive Interesse ausgerichteten, jedoch lediglich aus Praktikabilitäts- und Justitiabilitätsgründen auf das negative Interesse begrenzten Kompensationsanspruch zuweist, der 1408 1409 1410 1411 1412
Soeben 2. Kap. § 4 B) II.2 d) cc) (3). Zu § 325 BGB vgl. ausführlich oben 2. Kap. § 3 F). So noch OLG Stuttgart, ZGS 2004, 434. BGH, ZIP 2005, 1512, 1513. Soeben 2. Kap. § 4 B) II.2 d) dd).
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bestmöglich dem positiven Interesse anzunähern ist, liegt die tatbestandliche Anknüpfung des Befreiungsanspruchs aus §§ 346 Abs. 3 Satz 3, 347 Abs. 2 BGB auf völlig anderer Ebene, nämlich im zufälligen Untergang der Sache begründet. Die mit §§ 346 Abs. 3 Satz 1, 347 Abs. 2 BGB verfolgte Risikoallokation wird daher von dem an das pflichtwidrige Verhalten des Schuldners anknüpfenden § 284 BGB überhaupt nicht berührt.1413 Eine wertungsmäßige Überlagerung des § 284 BGB durch §§ 346 Abs. 3, 347 Abs. 2 BGB ist daher nicht zu rechtfertigen.1414 III.2 Verhältnis zum Schadensersatz im Übrigen Der Aufwendungsersatzanspruch des § 284 BGB kann ,an Stelle des Schadensersatzes statt der Leistung‘ geltend gemacht werden. Auf den ersten Blick scheint daher der inhaltlich auf das negative Interesse gerichtete, weil darauf begrenzte Schadensersatzanspruch darauf angelegt zu sein, als alternativer Schadensersatzanspruch an die Stelle eines auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung zu treten.1415 Wäre dem so, so würde man Canaris wohl tatsächlich zugeben müssen, dass der Regelungsgehalt des § 284 BGB schwer verständlich ist, da, wer einen auf das Erfüllungsinteresse gerichteten Sekundäranspruch hat, per definitionem keinen Vertrauensschaden erleiden kann.1416 Jedoch hat der Gesetzgeber die Problematik, die er zu regeln wünscht, tatsächlich stärker durchdrungen, als Canaris1417 Glauben macht, oder hat der Gesetzgeber jedenfalls einer rechtsökonomisch beeinflussten Intuition folgend die richtigen Wertungen der von ihm geschaffenen Regelung zugrunde gelegt. § 284 BGB gewährt nämlich, wie hier deutlich herausgestellt,1418 keinen an die Stelle des positiven Erfüllungsinteresses tretenden Anspruch auf das Vertrauensinteresse, sondern greift auf das Vertrauensinteresse lediglich als Hilfsmittel, nämlich als Bemessungsgrundlage für die dem positiven Interesse zuzuordnende Frustration der subjektiven und interpersonell nicht vergleichbaren Nutzenerwartungen 1413
So anschaulich Tröger, ZIP 2005, 2238, 2242. Im Ergebnis ebenso Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 68 ff. 1415 In diesem Sinne Canaris, DB 2001, 1399, 1403. 1416 Denn mit einem vollständigen wertmäßigen Ausgleich des Erfüllungsinteresses setzt der hier zur Begründung von auf das negative Interesse gerichteten Ersatzansprüchen hergeleitete Eigenkompensationseffekt (vgl. oben 1. Kap. § 2 C) II.2 a)) vollständig ein, sodass es eines flankierenden Ersatzanspruchs nicht bedürfte. 1417 Canaris, DB 2001, 1399, 1403, geht mit dem Gesetzgeber in Bezug auf den Regelungsgehalt des § 284 BGB hart ins Gericht: „Auch diese Regelung zeigt, wie wenig ihre Verfasser die Problematik durchdrungen haben, die sie zu regeln wünschen:“. Canaris ist der Auffassung, dass die Kompensation der Frustration kein Problem des Schadensersatzes, sondern des Ersatzes der Vertragskosten nach Erklärung eines Rücktritts, also vollständig dem negativen Interesse zuzuordnen und ersatzfähig sei, soweit die aufgewendeten Vertragskosten für den Vertragspartner erkennbar waren, a.a.O. S. 1404 f. Mit dieser Auffassung jedoch offenbart Canaris, dass er selbst es ist, der den Regelungsgehalt des § 284 BGB und dessen Einordnung in den Gesamtkontext nicht vollständig durchdrungen hat. 1418 Vgl. dazu die umfassende Auseinandersetzung im vorangegangenen Abschnitt 2. Kap. § 4 B) II.2. 1414
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zurück. Seinem materiellen Kern nach handelt es sich bei § 284 BGB damit aber unverändert um einen auf den Ersatz des positiven Interesses gerichteten Anspruch.1419 § 284 BGB ist eine Schadensbemessungsnorm und keine materielle Anspruchsgrundlage,1420 was der Kritik Canaris‘ schlussendlich vollständig den Boden entzieht,1421 weil es sich damit letzthin um eine abweichende Berechnungsmodalität für den auf dasselbe Anspruchsziel gerichteten Anspruch und nicht um einen in materiell-rechtliche Konkurrenz tretenden alternativen Schadensersatzanspruch handelt. Der Gesetzgeber aber ist darin frei, dem Geschädigten verschiedene Berechnungsmethoden an die Hand zu geben. Soweit § 284 BGB materiell aber lediglich Schadensbemessungsnorm für einen in der konkreten Berechnung auf das negative Interesse begrenzten aber auf die Frustration als Bestandteil des positiven Interesses gerichteten Ersatzanspruch ist, lässt sich daraus unter Berücksichtigung der Systematik des reformierten Schadensersatzes im Leistungsstörungsrecht1422 auch das Konkurrenzverhältnis des § 284 BGB zu den übrigen Vorschriften der §§ 280 ff. BGB unschwer ableiten. § 284 BGB nimmt in seinem Wortlaut Bezug auf den ,Schadensersatz statt der Leistung‘, also auf den mit § 281 BGB normierten Nichterfüllungsschaden. Dies ist mit Blick auf die Tatsache, dass § 284 BGB die Frustration des Gläubigers infolge des Ausbleibens der kooperations- und damit der vertragsgerechten Leistung ersetzt, konsequent. Soweit neben dem eigentlichen Nichterfüllungsschaden weitere, nicht unmittelbar an die vertragsgerechte Hauptleistung anknüpfende Begleitschäden eintreten, die als solche über § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen sind, berührt dies den Anwendungsbereich des § 281 BGB ebenso wenig, wie den des § 284 BGB der lediglich den Nichterfüllungsschaden in der Berechnungsmethode substituiert.1423 Zunächst ist daher der sogenannte ,einfache Schadensersatz‘ neben dem Aufwendungsersatz nach § 284 BGB grundsätzlich und uneingeschränkt kompen1419
Nur der Vollständigkeit halber sei hier noch einmal darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser Auffassung nicht um eine hier allein vertretene, wenn auch gut begründete Sondermeinung handelt, sondern dass dies auch in der übrigen Literatur mit guten Gründen entsprechend vertreten wird, vgl. Tröger, ZIP 2005, 2238, 2242; Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 51; Arnold/Dötsch, BB 2003, 2250, 2251. 1420 Vgl. dazu ausführlich oben 2. Kap. § 4 B) I.3. 1421 Seine noch in DB 2001, 1399, 1403, vertretene Kritik hat Canaris dann wohl im Verlauf seiner weiteren Auseinandersetzung mit der Norm aufgegeben. Jedenfalls findet sich in den – weitgehend – treffenden Ausführungen in FS Wiedemann, S. 3, 26 ff., von dieser Fundamentalkritik nichts mehr, wenn Canaris dort auch immer noch – mit der überwiegenden Ansicht – davon ausgeht, dass es sich bei § 284 BGB um eine, wenn auch ,derselben Wurzel wie §§ 281–283 BGB entspringene‘ eigenständige Anspruchsgrundlage handelt. 1422 Vgl. dazu Einl. § 3 C) III.1 und zusammenfassend noch einmal 2. Kap. § 4 A) I. 1423 Hier zeigt sich, dass sowohl die systematisch bedachte Abgrenzung der Kompensationsbereiche des § 280 Abs. 1 BGB auf der einen und des § 281 BGB auf der anderen Seite als auch die klare dogmatische Einordnung des § 284 BGB nicht als eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern ,lediglich‘ als haftungsausfüllende Schadensberechnungsnorm von nicht zu unterschätzender Bedeutung für das Gesamtgefüge der Kompensation von Verstrickungsschäden und das System vertraglicher Sekundäransprüche zur Institutionalisierung von vertrauensbasierenden Vertragsmechanismen ist.
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sationsfähig.1424 Dasselbe gilt für einen neben dem Aufwendungsersatz geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Verzögerungsschadens nach §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.1425 Aus dem Telos des § 284 BGB, wie er hier definiert wurde, lässt sich überdies aber auch die Streitfrage um eine einschränkende Auslegung des Alternativitätsverhältnisses des § 284 BGB zu § 281 BGB selbst entscheiden. Nach einer weit verbreiteten Auffassung bedarf die Alternativitätsanordnung nämlich einer Einschränkung immer dann, wenn durch den gleichzeitigen Ersatz von frustrierten Aufwendungen nach § 284 BGB und einzelner Schadenspositionen des Nichterfüllungsschadens nach § 281 BGB eine doppelte Kompensation ein und desselben Schadens nicht eintritt, der Gläubiger ohne eine solche Einschränkung der Alternativitätsanordnung demgegenüber aber ein Kompensationsdefizit erleiden würde.1426 Gegen eine solche Einschränkung der Alternativitätsanordnung, die im Wege einer teleologischen Reduktion1427 gewonnen wird, spricht allerdings zunächst der Wortlaut der Norm, der ein striktes Alternativitätsverhältnis anzuordnen scheint.1428 Darüber hinaus ist der Gesetzesbegründung1429 zu entnehmen, dass der Rückgriff in § 284 BGB auf das negative Interesse auch dem Schutz des Schuldners vor einer ausufernden Haftung dienen soll.1430 Gerade eine solche ausufernde Haftung ist jedoch nicht zu befürchten, und auch das Wortlautargument hat nicht das Gewicht, das es auf den ersten Blick zu haben scheint: Ziel des § 284 BGB, und dieses Ziel ist gerade in problematischen, einer Typisierung nicht immer zugänglichen Fallgruppen zu verwirklichen,1431 ist es, die Kompensation des Gläubigers möglichst umfassend auszugestalten, um Reallokationsdefizite zu vermeiden. Obwohl § 284 BGB aus Gründen, die ihre Ursache in den Schwierigkeiten bei der Schadensbemessung interpersonell nicht vergleichbarer subjektiver Nutzenerwartungen haben, auf das negative Interesse begrenzt ist und damit im Ergebnis die für eine Institutionalisierung des ökonomisch gewollten Vertrauensschutzes in die Kooperationsabsprache nötige Justitiabilität erst herstellt, 1424 BGH, ZIP 2005, 1512, 1513 f.; LG Bonn, NJW 2004, 74, dazu Lorenz, NJW 2004, 26, 28; umfassend Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, 287 ff.; Tröger, ZIP 2005, 2238, 2243; Kleine/Scholl, NJW 2006, 3462, 3466; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 234; sehr weitgehend Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 337 ff., 343; Schmidt-Kessel, in: PWW, BGB, § 284 Rz. 4. 1425 Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, 287. 1426 In diesem Sinne Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 337 ff.; Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, 290 ff.; Canaris, JZ 2001, 499, 517; Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 4. Kap. Rz. 49 f.; Reim, NJW 2003, 3662, 3667; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 253 ff.; Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 123. 1427 So bereits Canaris, JZ 2001, 499, 517. 1428 In diesem Sinne Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 30, mit dem Hinweis auf eine anderenfalls ausufernde Haftung. Ähnlich Otto, in: Staudinger, BGB, § 284 Rz. 19. 1429 BT-Drs. 14/6040, S. 144. 1430 Mit Hinweis insbesondere darauf Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 248 f. 1431 So das Ergebnis aus der Ableitung allgemeiner Anwendungsgrundsätze für § 284 BGB oben 2. Kap. § 4 B) II.2 d) dd).
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muss die Norm darauf gerichtet bleiben, möglichst nahe an das positive Interesse, dem die zu kompensierende Frustration nun einmal zuzuordnen ist, heranzureichen. Begrenzt wird die Haftung dabei lediglich aber jedenfalls durch das Billigkeitskriterium1432 auf solche Schadenspositionen, die der Kooperationsabsprache entspringen und damit dem von den Parteien bestimmten Äquivalenzverhältnis zuzuordnen sind. Soweit aber die Beachtlichkeit des kooperativen Äquivalenzverhältnisses im Tatbestand des § 284 BGB sichergestellt bleibt, ist ein Ausufern der Haftung und sind insbesondere für den Schuldner unvorhersehbare Haftungsgefahren von vornherein ausgeschlossen. Ein wertungsmäßiges Argument gegen die Einschränkung der Alternativitätsanordnung des § 284 BGB lässt sich deshalb daraus jedenfalls nicht herleiten.1433 Dass andererseits aber der Schuldner innerhalb der kooperativen Äquivalenz den – soweit objektivier- und deshalb rechtlich auch umsetzbar – vollen Ausgleich seines Schadens erhalten soll, ist Teil des an die Institutionalisierung der Verstrickungsabwehr zu stellenden Anspruchs an den Gesetzgeber. Wertungsmäßig ist dann aber davon auszugehen, dass die überzeugenderen Gründe für eine nur eingeschränkte Alternativitätsanordnung sprechen,1434 soweit dies auch mit dem Wortlaut der Norm zu vereinbaren ist. Das Alternativitätsverhältnis zwischen § 284 BGB und § 281 BGB dient einem einfachen Zweck: Der Gläubiger soll nicht einerseits sein Erfüllungsinteresse über § 281 BGB vollständig ersetzt erhalten, wodurch der Eigenkompensationseffekt in Bezug auf die Vertrauensaufwendungen wertmäßig bereits hergestellt würde, und andererseits daneben die getätigten Vertrauensaufwendungen einem in Anspruchskonkurrenz geltend zu machendem Ersatzanspruch zuordnen dürfen.1435 Damit aber ist der Kern des Problems und dessen Lösung gleichermaßen beschrieben: Der Aufwendungsersatzanspruch des § 284 BGB gewährt Ausgleich für das Ausbleiben des Eigenkompensationseffekts, also Ausgleich für den Wegfall der subjektiv dem Vorlauf- oder Vertrauensaufwand wertäquivalenten Vertragserfüllung. § 284 BGB gewährt deshalb einen Ersatzanspruch in Höhe des getätigten Aufwands selbst, der Mindestbemessungsgrundlage für die an die ordnungsmäßige Vertragserfüllung gerichtete Nutzenerwartung ist. Die Frustration des Aufwandes muss also gerade durch das Ausbleiben der kooperations- und deshalb vertragsgerechten Erfüllung und darf nicht durch andere (Begleit-)Umstände verursacht sein, um die Gefahr einer doppelten Kompensation zu begründen. Soweit nämlich das Erfül1432
Dazu ausführlich oben 2. Kap. § 4 B) d) bb). Auch die allseits anerkannte Nähe des § 284 BGB zum u.s.-amerikanischen Modell des ,reliance interest‘ (vgl. nur Canaris, JZ 2001, 499, 517; ders., in: FS Wiedemann, S. 3, 27) spricht für eine solche Parallelität, solange daraus keine doppelte Kompensation des Gläubigers resultiert, da dem Gläubiger auch nach dem u.s.-amerikanischen Vorbild ein solches Wahlrecht allein unter dieser Einschränkung zusteht, vgl. Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 666. 1434 So insbesondere Gsell, in: Dauner-Lieb/Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 337 ff.; Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, 290 ff.; Reim, NJW 2006, 3662, 3667; Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 107. 1435 Ebenso Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 123; dies zu vermeiden entspricht auch der von Canaris, JZ 2001, 499, 517, ursprünglich vorgebrachten Kritik. 1433
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lungsinteresse wertmäßig den konkret betrachteten Aufwandsposten1436 nicht deckt, kann die Ratio des § 284 BGB, den vom Gläubiger zur Steigerung des erwarteten vertraglichen Nutzens investierten Vertrauensaufwand zur Bemessungsgrundlage der Frustration des enttäuschten Vertragserfüllungsinteresses zu machen, nicht greifen.1437 Ein hermeneutisch zutreffendes Verständnis des Wortlautes des § 284 BGB, bei dem es darum geht, das Innere des Untersuchungsgegenstandes in seiner Ganzheit zu betrachten, und das Verstehen hierbei als selbstständigen operativen Vorgang zu begreifen,1438 kann vor diesem Zweck des § 284 BGB als Hilfsnorm einer objektivierten Schadensbemessung die Augen nicht verschließen und gebietet daher gleichsam die teleologische Reduktion1439 der im Wortlaut angeordneten Alternativität zu § 281 BGB; dieser im Schrifttum verbreitet vertretenen Ansicht ist daher uneingeschränkt zuzustimmen. III.3 Verhältnis zur Rentabilitätstheorie In der soeben zitierten, erkennbar ersten zu § 284 BGB veröffentlichten Entscheidung des LG Bonn1440 tritt eine weitere Konkurrenzfrage zutage, die der Gesetzgeber bei Schaffung des § 284 BGB unbeantwortet und damit Rechtslehre und Rechtsprechung zur Klärung überantwortet hat. Gemeint ist die Fortgeltung der Rentabilitätstheorie alten Rechts auch unter Geltung des § 284 BGB. Tatsächlich ließe sich vertreten, dass § 284 BGB die Anwendung der Rentabilitätsvermutung alten Rechts verdrängt hat und für diese kein Raum mehr besteht,1441 1436
In diesem Sinne einer differenzierten Betrachtung für eine jede Schadensposition i.E. auch Schmidt-Kessel, in: PWW, BGB, § 284 Rz. 5; etwas zurückhaltender, für teilbare Leistungen aber ähnlich Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 30 a.E. 1437 In der Rechtslehre, vgl. z.B. Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, 277 ff., wird hierzu häufig der Fall des LG Bonn, NJW 2004, 74, mit Anm. Lorenz, NJW 2004, 26 ff., herangezogen, in welchem das LG dem Käufer eines Gewährleistungsmängel in der Gestalt von Feuchtigkeitsschäden aufweisenden Hauses nach vergleichsweise Rückabwicklung des Kaufvertrages über § 281 BGB neben dem Ersatz der Vertragskosten auch Ersatz der Kosten eines zum Mangelnachweis eingeholten Privatgutachtens zuerkannt hat. Wenn das LG dabei auch in zweierlei Hinsicht Unrecht hat, nämlich erstens die Vertragskosten nicht notwendig über § 281 BGB unter Anwendung der Rentabilitätstheorie zu ersetzen waren, sondern einfacher über § 284 BGB hätten ersetzt werden können, und zweitens es sich bei den Gutachterkosten nicht um eine Schadensposition des Schadensersatzes statt der Leistung im Sinne des § 281 BGB, sondern um einen Begleitschaden nach § 280 Abs. 1 BGB handelt, wie der BGH, NJW 2005, 2848, unlängst und zu Recht klargestellt hat, so wird hierin deutlich, dass für die Annahme eines Konkurrenzverhältnisses außerhalb der Funktion des § 284 BGB, als Bemessungsgrundlage des Frustrationsinteresses zu dienen, kein Bedürfnis und keine Rechtfertigung besteht. Auch der BGH, a.a.O., hat daher eine solche einschränkende Alternativitätsanordnung mittlerweile anerkannt, dazu Gsell, NJW 2006, 125 f. 1438 Mit dieser Definition einer modernen Hermeneutik ausführlich oben 1. Kap. § 2 C) I.5. 1439 So insbesondere Canaris, JZ 2001, 499, 517; Gsell, NJW 2006, 125, 126; dies., in: Dauner-Lieb/ Konzen/Schmidt, Schuldrecht, S. 321, 337 ff. 1440 LG Bonn, NJW 2004, 74. 1441 Dauner-Lieb, in: AnwKomm, BGB, § 284 Rz. 5; Stoppel, Frustrierte Aufwendungen, S. 142; Unholtz, Frustrierte Aufwendungen, S. 268.; Schellhammer, MDR 2002, 301, 305 f.
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weil der Gesetzgeber mit § 284 BGB eine abschließende Regelung zum schadensrechtlichen Aufwendungsersatz anstrebte.1442 Zwingend ist diese Annahme jedoch nicht. Demgegenüber wird aber auch von Vertretern, die in § 284 BGB keine abschließende Regelung sehen und die Fortgeltung der Rentabilitätsvermutung dem Grunde nach zulassen, bezweifelt, dass es hierfür noch ein Bedürfnis geben kann, da das Anspruchsziel, Ersatz der vergeblichen Aufwendungen zu erhalten, über § 284 BGB einfacher zu erreichen ist.1443 Schließlich geht die wohl überwiegende Meinung in der Literatur jedoch dahin, dass es dem Gläubiger freistehe, ob er seine frustrierten Aufwendungen über den zielgenauen, aber eben auch auf die Aufwendungen begrenzten Ersatzanspruch des § 284 BGB ersetzt verlangt, oder sie zum Abrechnungsposten im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs statt der ganzen Leistung (§ 281 BGB) macht und sich dabei auf die Vermutung stützt, dass der mit Blick auf die ordnugsmäßige Vertragserfüllung vorbereitend getätigte Aufwand sich jedenfalls armortisiert haben würde, wäre der Vertrag kooperationsgerecht erfüllt worden.1444 Dass ökonomisch ein berechtigtes Bedürfnis besteht, auch den Vertrauensschaden als Teil des Erfüllungsinteresses zu positivieren und, soweit er Einzug in die Kooperationsvereinbarung gehalten hat, durch ihn verursachte Vermögensminderungen in der schadensrechtlichen Abwicklung der Kooperationsbeziehung zu internalisieren, ist bereits ausführlich nachgewiesen1445 und hat zu der Einsicht geführt, dass die bereits auf Entscheidungen des Reichsgerichts1446 zurückgehende Rechtsprechung zur Rentabilitätsvermutung eine richtige Institutionalisierung rechtlicher Schutzmechanismen in Gang gesetzt hat. Dass überdies diese Rechtfertigung mit Einführung des § 284 BGB an Gewicht verloren hätte, ist nicht erkennbar, weshalb der grundsätzliche Anspruch an die Rechtsordnung, transparente Märkte mit vollkommener Konkurrenz zu simulieren,1447 unangetastet bleibt. Zur Beantwortung der Frage, ob § 284 BGB Einfluss auf die Fortgeltung der Rentabilitätsvermutung alten Rechts hat oder haben kann, ist daher allein entscheidend, ob § 284 BGB bei Annahme einer umfassenden Sperrwirkung geeignet ist, diesen Anspruch an den Gesetzgeber umfassend zu erfüllen. Nur dann nämlich wäre das Bedürfnis für eine elektive Konkurrenz zwischen Rentabilitätstheorie und § 284 BGB tatsächlich entfallen. Rechtspraktisch jedenfalls bleibt das Bedürfnis für eine alternative Anwendung beider Institutionen unangetastet: Begehrt der Gläubiger zuvörderst Ersatz wegen 1442 Darauf deutet jedenfalls die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/6040, S. 144, hin, wo es heißt, dass es auf die Rentabilitätsvermutung ,künftig nicht mehr ankommt‘. 1443 So z.B. Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, Rz. 233. 1444 Emmerich, in: MünchKomm-BGB, vor 281 Rz. 31; Ernst, in: MünchKomm-BGB, § 284 Rz. 35; Otto, in: Staudinger, BGB, § 284 Rz. 12; Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275, 278; Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 108; Ellers, Vergebliche Aufwendungen, S. 254 ff. 1445 Oben 1. Kap. § 2 C) II.2 c). 1446 Vgl. RGZ 127, 245, 248 ff. 1447 Zu den grundsätzlichen Ableitungen aus dem in der modernen Institutionenökonomie erkannten Problem intransparenter Märkte ohne vollkommene Konkurrenz oben 1. Kap. § 2 B) III.4 c).
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des ihm entgangenen Gewinns, so würde, ist er mit diesem Begehren erfolgreich, damit auch der angestrebte Eigenkompensationseffekt erfüllt und würde der von ihm getätigte Vertrauensaufwand wertmäßig amortisiert werden. Die Aufwendungen sind dabei nicht selbst haftungsauslösend kausal für den Schadensersatzanspruch, sondern begründen nach der Rentabilitätstheorie nur eine (widerlegliche) Vermutung für den eingetretenen Mindestschaden (§ 252 BGB).1448 Gelingt dem Gläubiger aber der Nachweis des entgangenen Gewinns nicht oder nicht in einem über diesen unterstellten Mindestschaden hinausgehenden Maße, so kann er schlechtestenfalls der Höhe nach auf diese Schadenspositionen zurückfallen. Über die parallele Anwendung der Rentabilitätstheorie gewinnt der Gläubiger daher die – prozessuale – Chance, einen höheren entgangenen Gewinn darlegen und geltend machen zu können, ohne dabei das Risiko einzugehen, wegen der Geltendmachung des Schadensersatzes gemäß § 281 BGB mit seinem Aufwendungsersatzanspruch nach § 284 BGB präkludiert zu sein. Würde § 284 BGB die Anwendung der Rentabilitätstheorie sperren, wäre der Gläubiger vor die Wahl gestellt, entweder den Aufwendungsersatz geltend zu machen und auf einen weitergehenden entgangenen Gewinn zu verzichten, oder den entgangenen Gewinn geltend zu machen und dabei das Risiko einzugehen, mit diesem Anspruch – etwa weil er die konkret an die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast gestellten Anforderungen nicht erfüllen kann – auch hinter den Wert der getätigten Vertrauensaufwendungen zurückzufallen und so ein vermeidbares Kompensationsdefizit zu erleiden. Da dem Gläubiger aber mit Einführung des § 284 BGB eine zusätzliche Möglichkeit an die Hand gegeben und eine im alten Recht erkannte Schutzlücke geschlossen werden sollte,1449 wäre es mit dem Regelungsziel der Vorschrift nicht zu vereinbaren, wenn der Gläubiger ihretwegen im Ergebnis schlechter und vor die Wahl gestellt würde, entweder nur den Aufwendungsersatz geltend zu machen, oder das Risiko einzugehen, nicht einmal diesen zu erhalten.1450 Im Übrigen trifft die Rentabilitätsvermutung das auch mit § 284 BGB verfolgte Regelungsziel des Ersatzes der infolge einer Verstrickung erlittenen Desinformation sehr viel genauer, als es § 284 BGB kann. Dies folgt bereits daraus, dass § 284 BGB materiell auf den Ersatz des positiven Interesses gerichtet ist, aus Gründen der Justitiabilität diesen Anspruch aber auf das negative Interesse beschränkt. Soweit aber der Gläubiger in der Lage ist, sein positives Interesse im Rahmen der allgemeinen Schadensberechnung darzulegen und zu beweisen, ist dies die sachnä1448 Auch die Rentabilitätstheorie stützt sich daher nicht auf eine explite Anerkennung eines Rechts des Gläubigers auf Ersatz seines Vertrauensschadens, sondern sieht den Ersatz der durch die Nichterfüllung des Vertrages nutzlosen Aufwendungen ebenfalls nur als besondere Form der Schadensberechnung im Rahmen des positiven Interesses, vgl. z.B. Leonhard, AcP 199 (1999), 660, 663. 1449 Statt vieler Emmerich, in: FS Otte, S. 101; Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275; Schmidt-Kessel, in: PWW, BGB, § 284 Rz. 1. 1450 I.E. ebenso und mit ähnlichen, wertungsgestützten Argumenten Emmerich, in: FS Otte, S. 101, 108.
§ 5 Verjährung von Gewährleistungsansprüchen
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here Kompensationslösung als der Weg über die Hilfskonstruktion des § 284 BGB. Auch dies spricht daher für eine parallele Anwendung der Rentabilitätstheorie neben § 284 BGB.
§ 5 Verjährung von Gewährleistungsansprüchen Gewährleistungsansprüche unterliegen der Verjährung. Daraus folgt, dass der Gläubiger, der seinen Schaden nicht rechtzeitig erkennt, Gefahr läuft, seines Abwehr- oder Kompensationsanspruchs trotz unstreitig von der Gegenseite zu verantwortender Verstrickung verlustig gehen kann. Trotz der damit verbundenen Kompensationsdefizite und Reallokationshürden, ist diese Befriedungsfunktion1451 der Verjährung auch rechts-ökonomisch gerechtfertigt, wenn diese Frage bislang auch kaum Gegenstand der Auseinandersetzung war.1452 Ohne hier eine vollständige Analyse der ökonomischen Theorie der Verjährung vorlegen zu wollen und zu können und vor allem, ohne eine Analyse der ökonomisch ,richtigen‘ Laufzeit der Verjährung1453 vorlegen zu wollen, soll aber jedenfalls kurz auf die wesentlichen Aspekte zur Rechtfertigung der auch in Rechtsprechung und Rechtslehre1454 anerkannten Notwendigkeit der Verjährung von Ansprüchen eingegangen werden. Der Grundgedanke, welcher der ökonomischen Rechtfertigung der Institution der Verjährung zugrunde liegt, geht auf zwei Gesichtspunkte zurück, nämlich einmal die Abnahme des Incentivierungseffekts, der mit der Durchsetzbarkeit von Gewährleistungsansprüchen verbunden ist, im zunehmenden Zeitlauf und zum anderen die Zunahme von Administrationskosten, je länger die Übergabe der Kaufsache bei Eintritt des Gewährleistungsfalls zurückliegt.1455 Die Gewährleistung soll einer möglichen Verstrickung des Käufers entgegenwirken und diesem Fall nicht der kooperations- und deshalb nicht nutzengerechten Vertragserfüllung entweder die Reallokation des nutzenlos gebliebenen Teils seiner Aufwendungen oder der Aufwendungen insgesamt ermöglichen und zugunsten des Käufers einen etwaig verbleibenden Nutzenausfall kompensieren. Das Gewährleistungsrecht incentiviert damit einerseits den Verkäufer, vertragsgerechte Produkte zu liefern, um sich nicht der Gefahr gewährleistungsrechtlicher und vor allem auch schadensrechtlicher Inan1451 Zur Rechtfertigung der an Art. 14 GG (dazu BGH, NJW-RR 2005, 1683) zu messenden Verjährung von berechtigten Ansprüchen aus dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes und des Rechtsfriedens vgl. bereits BGHZ 128, 82. 1452 Riha, Ökonomische Analyse, z.B., der eine umfassende ökonomische Analyse des Kaufgewährleistungsrechts vorlegt, berührt die Frage der Verjährung von Ansprüchen überhaupt nicht, obwohl die Überarbeitung auch des Verjährungsrechts ein zentrales Anliegen der Verfasser des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes war. Eine der wenigen Auseinandersetzungen zu dem Thema findet sich hingegen bei Lando, in: FS Schäfer, S. 307 ff. 1453 Mit Ansätzen dazu Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 492 ff. 1454 Vgl. z.B. die Nachweise bei Ellenberger, in: Palandt, BGB, Übbl. 7 bis 11 vor § 194. 1455 Lando, in: FS Schäfer, S. 307, 310 f.
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2. Kapitel: Rechtliche und rechtsinstitutionelle Bewältigung der Verstrickung
spruchnahme auszusetzen, incentiviert aber andererseits auch den Käufer, der sich unter dem Deckmantel des institutionellen Schutzes des Gewährleistungsrechts auch auf den Kauf von Produkten nach der Beschreibung, Werbung und Anpreisung des Verkäufers einlassen kann, deren Funktionsweise, Funktionsfähigkeit und nicht zuletzt deren vertragskonforme Erfüllung der mit der geweckten Erwartung verbundenen Vorstellung von dem zu erlangenden Nutzen der Käufer aus eigener Kenntnis nicht erschließen oder mit dem gebotenen Aufwand nicht überprüfen kann. Je länger der Kauf bzw. die Übergabe der Kaufsache zurückliegt, im zeitlichen Verlauf der Phase post-vertraglicher Erfüllung also, nehmen diese Incentivierungseffekte aber nach und nach ab, bis sie zu einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft1456 vollständig verblassen.1457 Schon aus diesem Grunde wäre eine zeitlich unlimitierte Gewährleistung nicht zu rechtfertigen. Gleichzeitig verliert mit Fortschreiten der zeitlichen Entwicklung auch die Vermutungswirkung, dass der aufgetretene Fehler der Verantwortungssphäre des Verkäufers zuzuordnen ist,1458 an Gewicht, so dass, je weiter die Übergabe der Kaufsache zeitlich zurück liegt, desto mehr Aufwand in die Erforschung der Fehlerursache investiert werden muss, um berechtigte von unberechtigten Gewährleistungsverlangen abzugrenzen. Gerade die – nur in ökonomischen Modellwelten zu leugnende – Existenz auch unberechtigter Gewährleistungsverlangen, insbesondere solcher nach Verstreichen einer gewissen zeitlichen Periode, erhöhen für den Verkäufer die Transaktionskosten ganz erheblich. Da solche Kosten auf den Vertragspreis umgelegt zu werden pflegen, weil sie nicht zuletzt Bestandteil der Bildung der eigenen Zahlungsbereitschaft des Verkäufers sind, in deren Bemessung sie als Risikofaktor einzupreisen sind, besteht wohlfahrtsökonomisch die Gefahr, dass die Gewährung zeitlich nicht hinreichend limitierter Gewährleistungsansprüche den positiven Reallokationsund Kompensationseffekt des Gewährleistungsrechts überkompensieren. Die Folge wäre ein Wohlfahrtsverlust aus der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten; dieser Wohlfahrtsverlust wäre auch institutionenökonomisch nicht zu rechtfertigen, da mit zunehmender Erfüllung der Nutzenerwartung in der Evolution der post-vertraglichen Erfüllungsphase der Käufer dem institutionellen Schutz vor später eintretenden Mängeln nicht mehr das Gewicht beimisst, wie er es hinsichtlich des Schutzes vor innerhalb eines überschaubaren Zeitraums nach Vertragserfül1456 An dieser Stelle würde die Untersuchung eines ökonomisch optimalen Verjährungszeitraums ansetzen, die ohne eine umfassende auch empirische Analyse nicht möglich scheint und deshalb Ziel und Umfang dieser Arbeit sprengen würde; vgl. aber Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, S. 492 ff. 1457 Die mit dem Kauf eines Produkts verbundene Nutzenerwartung erfüllt sich über den ursprünglich prospektierten Nutzungszeitraum, der sich in der subjektiven Vorstellung des Käufers gebildet hat, und der in aller Regel nicht mit dem technisch möglichen Nutzungszeitraum des Kaufgegenstandes konform geht, vgl. dazu bereits Riha, Ökonomische Analyse, S. 236 ff. Deshalb nimmt freilich auch der Nutzenwegfall bei Eintritt eines Mangels mit zunehmendem Zeitlauf ab. 1458 Diese Vermutungswirkung, die ökonomisch effizient Aufwand für die Ermittlung der Fehlerursache vermeidet, liegt der Vorschrift des § 476 BGB zugrunde.
§ 5 Verjährung von Gewährleistungsansprüchen
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lung auftretenden Kooperationsstörung tut. Der Incentivierungseffekt wird insoweit daher nur marginal beeinträchtigt, was auf das Funktionieren der Märkte weitgehend ohne Einfluss bleibt und deshalb hinzunehmen ist. Darüber hinaus eröffnet eine zeitlich limitierte Gewährleistungsinstitution dem Verkäufer die Nutzung zusätzlicher Signaleffekte dadurch, dass er individualvertraglich eine über den institutionell vorgegebenen Zeitraum hinausreichende Gewährleistung anbietet1459 und damit seine besondere Reputation herausstellt und um konkretes Kooperationsvertrauen wirbt. Es bleibt damit festzuhalten, dass die rechtstechnisch bereits für richtig und mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen1460 für vereinbar gehaltene Verjährung von berechtigten Ansprüchen auch rechtsökonomisch grechtfertigt ist. Dies nicht zuletzt deshalb, um den mit der Abgrenzung berechtigter von unberechtigten Gewährleistungsansprüchen, die lange Zeit nach Erfüllung des Vertrages geltend gemacht werden, verbundenen Aufwand zu minimieren und so die Vertragskosten insgesamt zu begrenzen. Es ist dabei davon auszugehen, dass dieser positive Einfluss auf die Vertragskosten insgesamt den im Einzelfall jeweils eintretenden Nutzenentgang des betroffenen Käufers dadurch kompensiert, dass dieser einerseits die Nutzungen bis zum Eintritt der Verjährung äquivalenzgerecht hat ziehen können, andererseits über die reduzierten Vertragskosten auch einen geringeren Vertragspreis gezahlt hat, was den Wegfall der Gewährleistungsansprüche mit Zeitablauf auch äquivalenzrechtlich aufwiegt.
1459 1460
Auch dazu Lando, in: FS Schäfer, S. 307, 310 f. Siehe nochmals BGH, NJW-RR 2005, 1683.
Schlussbemerkung
Zur Ökonomik im Recht – Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die vorliegende Arbeit ist von dem Selbstverständnis getragen, dass sich Ökonomie und Recht nicht ausschließen und dass die Öffnung des Rechts für ökonomische Einflüsse nicht zugleich auch die Preisgabe der Autonomie des Rechts bedeutet, sondern sich rechtliche Institutionen unter Zuhilfenahme von ökonomischen Erkenntnissen verständlich erklären und so dogmatische Streitfragen mit der nötigen rechtstatsächlichen Akzeptanz entscheiden lassen. Dieser angestrebten rechtstatsächlichen Akzeptanz, die zwingend mit einem gesellschaftlich-ökonomischen Konsens verbunden ist, geht jedoch die Notwendigkeit einer rechtsdogmatischen Akzeptanz voraus. Denn wenn sich Erkenntnisse aus der Ökonomie nicht in die anerkannten Grundsätze der Rechtsdogmatik implementieren lassen, ist das Projekt eines integrativen Auslegungsmodells von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil sich eine Kehrtwende in dogmatischen Grundüberzeugungen um der Einbeziehung ökonomischer Gesetzmäßigkeiten Willen einerseits nicht wird erreichen lassen, andererseits aber auch nicht erstrebenswert ist. Anders als in bisherigen rechtsökonomischen Abhandlungen geht es hier nämlich nicht darum, das Recht (nur) zu untersuchen und zu erklären, um sich aus dem Ergebnis dieser Untersuchung ein (Wert-)Urteil über die (wohlfahrts-)ökonomische Effizienz des Rechts zu bilden, sondern geht es um die rechtstatsächlich korrekte und vollständige Erfassung des rechtlich zu beurteilenden Sachverhalts. Die Berücksichtigung rechtsökonomischer Einflüsse ist deshalb auch nicht von dem Bestreben getrieben, die ökonomische Effizienz zum Wertungsziel der juristischen Auslegungsmethodik zu machen, sondern setzt eine Stufe früher an, nämlich bei der Ermittlung des der Auslegung überhaupt zugrunde zu legenden Sachverhalts, dessen Ursachen und den Grundlagen seiner Entstehung. Denn ohne dieses Verständnis, gepaart mit hermeneutischen Fähigkeiten des Rechtsanwenders, lässt sich der zu beurteilende Sachverhalt nicht einer Lösung zuführen, die auf die nötige gesellschaftliche Akzeptanz stößt, die der ihr zugrunde liegenden Institution für die Zukunft so weit wie möglich selbstvollziehenden Charakter (sog. self executing effect) verleiht und so im Recht und seinen Entscheidungen die gewünschte Verlässlichkeit und Vorhersagbarkeit gewährleistet. Ziel der im ersten Kapitel dieser Arbeit betriebenen ökonomischen Ursachenforschung war deshalb die Entwicklung eines Modells vorgreiflicher methodischer Rationalität, auf Basis welcher die juristische Methodenlehre mit festem Grund bauen
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Schlussbemerkung
kann. Das 2. Kapitel der Arbeit schließt dann mit der Validierung der so gewonnenen Ergebnisse einer ökonomischen Analyse im Recht, nicht: des Rechts, an und weist deren Fähigkeit nach, auch komplexe rechtsdogmatische Auseinandersetzungen aufzulösen und einem nach ihrer rechtsdogmatische Systemkonformität aufgelösten Ergebnis zuzuführen. Dies geschieht am Beispiel des Kaufrechts und seinen Institutionen und dort insbesondere am Beispiel der Verteilung von Aufklärungslasten und aus Informationsasymmetrien resultierenden Verstrickungslagen. Das Kaufrecht eignet sich hier in besonderer Weise, weil es nicht nur in Alltagsgeschäften millionenfache Transaktionen begleitet, sondern auch Grundlage hochkomplexer und wirtschaftlich bedeutender Verträge, wie z.B. bei Unternehmensverkäufen ist, weshalb das von ein und denselben Institutionen abzudeckende Spektrum hinsichtlich seiner rechtstatsächlichen Relevanz größer nicht sein könnte. Ziel der Arbeit war es, mit dem hier vertretenen Ansatz und jedenfalls einigen der daraus gewonnenen Ableitungen für den Kernbereich des Schuldrechts und damit nicht zuletzt auch der Zivilrechtswissenschaft im Ganzen Türen für eine integrative Interdisziplinarität aufzustoßen. So mögen sie hoffentlich einen Beitrag dazu leisten, in der ein oder anderen dogmatischen Streitfrage klarer auch dadurch zu sehen, den Blickwinkel ein wenig zu verschieben und von den gewohnten Wegen dogmatisch ausgetretener Pfade ein Stück weit abzuweichen, ohne sie dabei aber aus den Augen zu verlieren. Die Arbeit zielt dabei vor allem auf die Erarbeitung systemischer Grundlagen, die am Beispiel der Verstrickung durch Desinformation im Kaufrecht überprüft werden. Sie hat daher nicht den Anspruch, ein jedes Problem und jeden Anwendungs- oder Auslegungsstreit im Umfeld der Abwehr und Kompensation von Verstrickungslagen in der kaufrechtlichen Gewährleistung umfassend und abschließend zu diskutieren, möchte aber doch die Kernprobleme der verschiedenen gewährleistungsrechtlichen Institutionen und deren Zusammenwirkens in einem ganzheitlichen Konzept des Umgangs mit einer ,Verstrickung durch Desinformation‘ aufgreifen und einer systemkohärenten Lösung zuführen. Dies vorausgeschickt, lassen sich die wesentlichen Ziele und Ergebnisse der vorliegenden Arbeit in den folgenden 6 Thesen zusammenfassen:
1. Unsere moderne, marktwirtschaftlich ausgerichtete Industrie- und Konsumgesellschaft ist auch eine Informationsgesellschaft. Gerade der scheinbar unbegrenzte und allgegenwärtige Zugang (iPhone, iPad etc.) zu nahezu schrankenloser Information birgt aber die Gefahr einer Informiertheitsillusion. Diese Gefahr wird noch vestärkt durch die arbeitsteilige Organisation unserer Gesellschaft, die eine Spezialisierung von Wissen mit sich bringt. Würde ein Marktteilnehmer rational sich nur im Radius der von ihm abschätzbaren Rahmenbedingungen und Kontingenzen bewegen, wäre sein Handlungsradius entweder auf seinen intelektuellen
Schlussbemerkung
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Radius beschränkt oder steigen die Transaktionskosten zur Erweiterung des intelektuellen Radius in einem Maße, das den Nutzen irgendwann übertrifft. Die moderne Informationsgesellschaft birgt daher in besonderem Maße Desinformationsgefahren und damit das Risiko, infolge unvollständiger oder unrichtiger Information in ungewollte Verträge verstrickt zu werden. Die rechtlichen Institutionen zur Abwehr und Kompensation solcher Verstrickungslagen sind bislang – auch infolge der noch verhältnismäßig jungen institutionellen Überarbeitung durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz – noch nicht hinreichend konsistent aufeinander abgestimmt und zu einem geschlossenen System entwickelt. Eine systematisch aufeinander abgestimmte Ordnung insbesondere der gewährleistungsrechtlichen Konkurrenzverhältnisse ist abschließend noch nicht gefunden. Diese rechtlichen Institutionen zu einem einheitlichen System der Verstrickungsabwehr fortzuentwickeln ist daher eine Aufgabe, der sich die Rechtswissenschaft noch zu stellen hat. Da die jährlichen in der Marktwirtschaft entstehenden Transaktionskosten aber nach verlässlichen Schätzungen bis zu 30% des Bruttosozialprodukts ausmachen, darf die Rechtswissenschaft hiervor nicht die Augen verschließen und muss bei der Fortentwicklung ihrer Institutionen auch die ökonomischen Vorherigkeiten berücksichtigen.
2. Die Ökonomie darf die juristische Dogmatik nicht derogieren und die Rechtswissenschaft nicht ihres Anspruchs auf Autonomie berauben. Ein Rechtsprinzip der ökonomischen Effizienz gibt es nicht. Dies hindert aber nicht, nach einem integrativen Auslegungsmodell zu suchen. Grundlage eines solchen integrativen Modells, das Akzeptanz in beiden Disziplinen für sich in Anspruch nimmt, muss ein in beiden Disziplinen gleichermaßen anerkanntes Wertungs- und Wertegerüst sein. Eine solche grundlagenmethodisch übereinstimmend anerkannte Institution zur Erklärung von ökonomischen Modellen und Ableitungen auf der einen und juristischer Dogmatik auf der anderen Seite ist die Instiution des Vertrauens. Ohne ein Mindestmaß an Anfangsvertrauen und dessen Fortentwicklung in der Verhandlungs- und Vertragsbeziehung wären Markttransaktionen im heute täglich zu beobachtenden Umfange und Ausmaß, die Gegenstand der ökonomischen Betrachtung und der juristischen Beurteilung gleichermaßen sind, nicht denkbar. Das Vertrauen ist deshalb die Basis eines integrativen rechtsökonomischen Auslegungsmodells, einer Ökonomik im Recht, nicht des Rechts.
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Schlussbemerkung
3. Wesentlicher Kommunikationsfaktor für das Maß des in eine Transaktionsbeziehung eingebrachten Vertrauens ist dabei der Vertragspreis, also die zur Deckung gebrachte wechselseitige Zahlungsbereitschaft der Parteien, eine These, die in ihren Grundlagen auf die makroökonomischen Vorarbeiten von Hayek’s und auf das von ihm erkannte ,Markt-Preis-System‘ zurückgeht und diese mikroökonomisch adaptiert. Mit der Zahlungsbereitschaft bringen die Parteien implizit ihren Anspruch und ihre an die vertraglichen Leistungen gerichteten Erwartungen zum Ausdruck. Sie objektivieren so die subjektiv mit dem Vertrag verbundenen Nutzenerwartungen, die ohne ein Instrument zur Objektivierung interpersonell nicht, jedenfalls nicht mit einem durch die Jurisprudenz zu leistenden Aufwand miteinander vergleichbar und deshalb im Ergebnis auf andere Weise als durch eine solche Objektivierung anhand der kommunizierten Zahlungsbereitschaft nicht justitiabel sind. Bei der Kommunikation des Vertrauens ist zwischen abstraktem und konkretem Transaktionsvertrauen zu unterscheiden, wobei das abstrakte Vertrauen dem angebotenen Preis adäquate, (verkehrs-)übliche Erwartungen deckt, ohne dass es ergänzender Erklärungen bedürfte, während das konkrete Transaktionsvertrauen besondere Interessens- und Risikolagen betrifft, die durch Preiszu- und -abschläge dem Vertragspartner kommuniziert werden.
4. Die Entschlüsselung impliziter Vertragsbestandteile und daraus abzuleitender Risikoallokationen erfordert ein hohes Maß an hermeneutischen Fähigkeiten. Die Qualität der Rechtswissenschaft nicht nur als hermeneutischer, sondern auch als Werteordnung und Wertungswissenschaft wird dadurch nicht beeinflusst. Rechtliche Normen sind als gesetzgeberischer Lösungsvorschlag für ein in der Vorstellung des Gesetzgebers gebildetes Problem zu verstehen. Die Ökonomik im Recht kann dann dabei helfen, diesen gesetzgeberischen Lösungsvorschlag mit Blick auf das konkret zu lösende Problem und seine rechtstatsächlichen Rahmenbedingungen fortzuentwickeln und so rechtliche Institutionen nicht zu statischen Gebilden, sondern zu einem dynamischen lebenden System zu machen, das sich hierdurch der Gefahr verschließt, nicht die für sein Überleben im Wettbewerb der Rechtsordnungen nötige Akzeptanz zu verlieren. Die Ökonomik im Recht verfolgt mit diesem Anspruch aber einen, ihrer Disziplin eigentlich fremden normativen Ansatz, indem sie sich in die Nomenklatur juristischer Auslegungsdogmatik einfügt. Darin liegt das Zugeständnis der Ökonomik an ein integratives, disziplinenübergreifendes System. Die Ökonomik erlaubt der Rechtswissenschaft so jedoch die Anpassung ihrer normativen Wertungen an
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die Wirklichkeit in Gestalt einer an ökonomischen Vorherigkeiten ausgerichteten rechtsdogmatischen Auslegungsmethodik. Eine solche Berücksichtigung ökonomischer Vorherigkeiten bei der Anwendung rechtlicher Institutionen ist, weil die Desinformation als Katalysator der Verstrickung systemimmanent in unserer Marktwirtschaft angelegt ist und sich daraus strukturelle Desinformationsrisiken ergeben, nicht nur wünschenswert, sondern sogar verfassungsrechtlich geboten.
5. Die Verstrickung in einen unerwünschten Vertrag führt – jedenfalls – zu dem Verlust von ökonomisch so bezeichneten Quasi-Renten als dem Delta zwischen der mit der ordnungsmäßigen Vertragserfüllung subjektiv verbundenen Nutzenerwartung als nach der persönlichen Vorstellung des Gläubigers optimalen Ressourcenallokation und der im Falle einer Vertragsstörung bestenfalls noch verbleibenen zweitbesten Allokationsmöglichkeit. Ziel einer jeden an ökonomischen Vorherigkeiten ausgerichteten integrativen Auslegungsmodells ist die vollständige Abwehr und bzw. oder vollständige Kompensation der Gläubigerinteressen einerseits, wobei diese andererseits in ihrer Reichweite auf solche Umstände zu beschränken sind, die für den Schuldner jedenfalls potentiell vorhersehbar sind und deshalb Einzug in dessen Risikobeurteilung und damit die Bildung seiner eigenen Zahlungsbereitschaft haben halten können. Anderenfalls nämlich wäre ein Ausufern der Haftung zu befürchten, das zu einem nicht einzudämmenden Anstieg der Vertragskosten führen muss, da die Verkäufer sämtliche, nämlich auch die nicht vorhersehbaren Eventualrisiken anhand von Vergangenheitswerten in ihre Kalkulation einbeziehen müssten. Diese Maßstäbe für ein integriertes Auslegungsmodell bestimmen Inhalt und Reichweite der jeweiligen Institutionen zur Abwehr und zur Kompensation von Verstrickungslagen gleichermaßen, wie deren Konkurrenzverhältnis zueinander. Die Zahlungsbreitschaft der Parteien, wie sie in dem Vertrag ihren Niederschlag gefunden hat, ist dabei impliziter Objektivierungsmaßstab für die vertragliche Risikoallokation und koppelte diese von nicht messbaren und interpersonell nicht vergleichbaren subjektiven Nutzenerwartungen ab. Die Ableitung von Objektivierungsmaßstäben ist überdies zwingende Notwendigkeit einer jeden Institutionalisierung, die ihrerseits verlässlich erfolgen muss, um das ökonomisch gewünschte vorvertragliche Vertrauen in die Vertragserfüllung zu incentivieren, das Grundlage für ökonomisch sinnvollen, die Vertragserfüllung vorbereitenden Aufwand ist.
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6. Auf Basis dieser hier abgeleiteten und auf ihre Anwendbarkeit im 2. Kapitel überprüften Annahmen lassen sich (nahezu) alle Auslegungs- und Anwendungsprobleme des (Kauf-)Gewährleistungsrechts einer in sich geschlossenen, systemkohärenten und konsequenten Lösung zuführen, ohne dass die Rechtswissenschaft darüber ihre Eigenständigkeit zu verlieren drohte. Vielmehr beweist sie durch Integration interdisziplinärer Ansätze ihre Fähigkeit zum beständigen Wandel und öffnet sich so für dynamische Prozesse einer selbstbewussten Rechtsfindung und Rechtsgestaltung, was ihre gesamtgesellschaftliche Akzeptanz nur erhöhen kann. Nachgewiesen ist dies an den im 2. Kapitel der Arbeit analysierten Institutionen zur Abwehr und Kompensation von Verstrickungslagen im Kaufrecht, in deren Rahmen auf Grundlage einer integrativen Ökonomik im Recht die folgenden wesentlichen Ergebnisse zu Tage getreten sind:
6.1 Ausgangspunkt des modernisierten Kaufrechts ist der einem jeden Restitutionsanspruch, sei es bei der Restitution in Gestalt der Rückabwicklung, sei es bei der Restitution in Gestalt der Kompensation eines vorgeschalteten Nacherfüllungsanspruches. Die gesetzgeberische Institutionalisierung dieses Nacherfüllungsanspruchs ist Ergebnis einer rechtstatsächlichen Evolution, wie sie auch als rechtsökonomische Grundlage für die Akzeptanz und damit das Funktionieren eines Rechtssystems im ökonomischen Grundlagenteil dieser Arbeit beschrieben worden ist. Die Rechtslehre hat bislang nicht zu einer einheitlichen Konturierung des Nacherfüllungsanspruchs gefunden. Die bereits vorliegende Rechtsprechung des BGH hat sich zwar bereits mit verschiedenen grundlegenden Streitfragen auseinandergesetzt, diese – am Maßstab der hier zugrunde gelegten Determinanten – jedoch nicht konsequent zu Ende geführt. Zwar hat der BGH unlängst anerkannt, dass im Anwendungsbereich des Nacherfüllungsanspruchs die Differenzierung zwischen Stück- und Gattungsschulden keine Rolle mehr spielt, jedoch ist auch der BGH dafür eingetreten, einen Nacherfüllungsanspruch in Gestalt der Neulieferung bei dem Kauf einer gebrauchten Sache von Vorneherein auszuschließen. Damit verkennt der BGH m.E. die Dimension des in dem verhandelten Preis zum Ausdruck kommenden Kommunikationswertes und des mit ihm implizit dem Vertrag zugrunde gelegten Nutzen-, Pflichten- und Leistungsbündels. Nach der hier vertretenen Auffassung dient der konkret besichtigte Gegenstand, anhand dessen die vertraglichen Grundlagen verhandelt wurden, lediglich als Katalysator des auszuhandelnden wechselseitigen Pflichtenbündels, ohne dass sich dabei die Erfüllungsbereitschaft beider Parteien regelmäßig auf diesen konkreten Gegenstand ver-
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dichtete. Letzteres wird am Beispiel des Gebrauchtwagenkaufs deutlich, da es dem Käufer in Zeiten der qualitätsgleichen Massenproduktion nicht auf das konkrete Fahrzeug, sondern auf die Leistungs- und Ausstattungsmerkmale des Fahrzeugs ankommt. Ist das konkrete Fahrzeug fehlerbehaftet, so ist es in heutiger Zeit unschwer möglich, ein nahezu identisches Gebrauchtfahrzeug anderweitig zu beschaffen und ist dies häufig auch gewollt. Der Rückgriff auf die wechselseitige Zahlungsbereitschaft und die damit implizit verbundene Definition des vertraglichen Leistungskatalogs führt deshalb im Ergebnis zu einer Entmaterialisierung des Kaufrechts.
6.2 Auch hinsichtlich der Ausübung und der Beschränkung des käuferseitigen Wahlrechts bei der Nacherfüllung ist bislang eine einheitliche Linie nicht gefunden. Insbesondere bei der Bestimmung der relativen und der absoluten Unverhältnismäßigkeit werden – teils frei aus der Luft gegriffene – starre Grenzen vorgeschlagen, die rechtsdogmatisch nicht zu rechtfertigen sind. Demgegenüber ergibt sich vor dem hier zugrunde gelegten integrativen rechtsökonomischen Hintergrund, dass von einer relativen Unverhältnismäßigkeit zur Vermeidung opportunistischer Handlungsoptionen immer schon dann auszugehen ist, wenn die vom Käufer gewählte Nacherfüllungsalternative für den Verkäufer kostspieliger ist, als die nicht gewählte. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn sich aus dem impliziten Vertragsbestandteil ein konkretes Vertrauen des Abnehmers in den definierten Leistungsgegenstand und damit – prärogiert – auch für die Nacherfüllung ergibt. Ein justizieller Vergleich zwischen den Kosten beider Nacherfüllungsalternativen ist hierbei nicht erforderlich, da – ebenfalls vor ökonomischem Hintergrund – unterstellt werden kann, dass der Verkäufer jeweils auf der für ihn günstigeren Nacherfüllungsalternative besteht, Einwendungen des Verkäufers gegen die vom Käufer gewählte Alternative daher stets den Charakter einer kosten(effizienten) Bestimmung haben. Auch bei der Bestimmung der absoluten Unverhältnismäßigkeit, die den Nacherfüllungsanspruch insgesamt ausschließt, sind starre Grenzen in Prozent des Kaufpreises oder des Wertes nicht zu legitimieren. Insbesondere der Rückgriff bei solcher starren Grenzziehung auf objektive Marktwerte und nicht auf die Parteivereinbarung und den als Bestimmungselement für die vertraglichen Pflichtenbündel maßgeblichen Kaufpreis verstößt gegen die hier entwickelten Grundsätze rechtsökonomischer Kooperationsbeziehungen und die daraus abgeleiteten Auslegungsgrundsätze. Der in der Kaufpreisvereinbarung selbst zum Ausdruck kommende Erklärungswert der Parteien wird nur dann hinreichend berücksichtigt, wenn dieser Vertragspreis auch zur Grundlage der Bestimmung einer absoluten Unverhältnismäßigkeit gemacht wird.
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§ 439 Abs. 3 BGB enthält damit eine Bezugnahme auf einen allein der Parteivereinbarung entstammenden subjektiven Äquivalenzmaßstab. Trotz allem sind die der Norm zugrunde zu legenden Anwendungsmaßstäbe jedoch nicht ganz frei auch von ihrer Ratio entspringenden objektiven Äquivalenzerwägungen, die sich jedoch einerseits in den hier gespiegelten ökonomischen Vorherigkeiten wieder finden und andererseits auf gesetzlichen und eine jede Parteivereinbarung überlagernden (Gerechtigkeits-)Erwägungen beruhen: § 439 Abs. 3 BGB stellt bei zutreffender dogmatischer Einordnung eine spezialgesetzliche Ausprägung des Schikaneverbots aus § 226 BGB dar. Dabei stehen sich zwei grundsätzliche Erwägungen gegenüber: Der Nacherfüllungsanspruch darf einerseits nicht dem Käufer opportunistischer Handlungsweisen ermöglichen und so einen lock in des Verkäufers begründen, soll andererseits aber den Erfüllungsanspruch vorrangig vor Sekundäransprüchen effektiv und bereits auf rechtsökonomischer bzw. rechtstatsächlicher Grundlage sichern, ohne dass der Erfüllungsdruck auf Seiten des Verkäufers nur durch eine Erfüllungsklage aufgebaut werden kann. Dieses Dilemma ist m.E. dahingehend aufzulösen, dass ein Vertragsbruch des Verkäufers grundsätzlich nicht zu tolerieren ist, ein in der wechselseitigen Zahlungsbereitschaft, also in dem vertraglichen Kommunikationselement nicht berücksichtiger Umstand jedoch nicht als Katalysator verkäuferseitigen Opportunismus verwendet werden darf. Es folgt daraus, dass unter der absoluten Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB eine der subjektiven vertraglichen Äquivalenz entspringende Unverhältnismäßigkeit im Sinne einer kooperationsrechtlichen Inäquivalenz zu verstehen ist, die nur dann den aus der Kooperationsabsprache herrührenden und grundsätzlich unumstößlichen Erfüllungsanspruch des Käufers unterminieren kann, wenn die zu ihrer Begründung herangezogenen Umstände nicht einer in der parteiautonomen Kooperationsvereinbarung wurzelnden Risikoallokation und Äquivalenzvereinbarung entgegenstehen. Hierdurch wird gleichzeitig die vom Gesetzgeber angestrebte Stärkung der Parteiautonomie im Kaufvertragsrecht vollständig verwirklicht. Die sich hierbei auftuende Diskrepanz in den Haftungsmaßstäben relativer und absoluter Unverhältnismäßigkeit ist in der Ratio des Instituts begründet. Bei Bestimmung der absoluten Unverhältnismäßigkeit ist ein strenger Maßstab zugrunde zu legen, weil im Wesentlichen die Sicherung des Instituts als Mittel zur Stärkung der Vertragserfüllung im Vordergrund steht und institutionell der Vorrang des Erfüllungsanspruchs vor Sekundärrechten abzusichern ist. Demgegenüber ist bei der Wahl der Nacherfüllungsalternative die Erfüllung des vertraglichen Pflichtenprogramms in jedem Falle gewährleistet, sodass mehr die vertragliche Effizienz im Vordergrund steht und der Gesichtspunkt der Vermeidung opportunistischer Handlungsweisen das größere Gewicht erhält. Diesen unterschiedlichen Zielvorgaben nach der Ratio des Nacherfüllungsanspruchs insgesamt ist es geschuldet, bei der Bestimmung der relativen Unverhältnismäßigkeit eher den Verkäufer und bei der Bestimmung der absoluten Unverhältnismäßigkeit eher den Käufer zu privilegieren.
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Die Interessen des Verkäufers werden auch dadurch geschützt, dass diesem ein durchsetzbarer Anspruch gegen den Käufer gerichtet auf Ausübung des Wahlrechts zugestanden wird. Mit der Ausübung des Wahlrechts soll der Käufer demgemäß nach hier vertretener Auffassung in Verzug geraten können.
6.3 Auch auf das Recht der Anfechtung nach §§ 119 Abs. 2, 123 Abs. 1 BGB bleibt die rechtsökonomische Integration nicht ohne Auswirkungen. Während zu Recht vertreten wird, dass für eine Anfechtung wegen Motivirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB seit der Modernisierung des Schuldrechts grundsätzlich im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Gewährleistung kein Raum bleibt, weil es erstens einen Motivirrtum, der nicht gleichzeitig und unter Geltung des subjektiven Fehlerbegriffs auch einen Sachmangel darstellt, nicht mehr gibt und deshalb der Nacherfüllungsanspruch nicht durch eine Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB unterlaufen werden darf, ist demgegenüber jedoch noch kein Konsens darüber hergestellt, in welcher Konkurrenz das Anfechtungsrecht nach § 119 Abs. 2 BGB zum Gewährleistungsrecht steht, wenn und soweit ein Nacherfüllungsanspruch ausgeschlossen ist. Da in diesem Fall – aus der Sphäre des Verkäufers resultierend – die Möglichkeit, auf vertraglicher Grundlage kooperationsgerechte Zustände herzustellen, nicht mehr besteht, fehlt es an einer die Sperrwirkung begründenden Rechtfertigung für die Privilegierung des Verkäufers. Im Ergebnis war deshalb davon auszugehen, dass § 119 Abs. 2 BGB durch das Gewährleistungsrecht nicht gesperrt ist, soweit ein Nacherfüllungsanspruch ausgeschlossen ist. Der Inhalt der Konkurrenzfrage hat im Anwendungsbereich des § 123 Abs. 1 BGB einen etwas anderen Fokus, da eine Arglistanfechtung grundsätzlich auch neben dem Gewährleistungsrecht möglich und eine wie auch immer geartete Sperrwirkung hier nicht vertretbar ist. Die Konkurrenzfragen stellen sich dann erst auf Rechtsfolgenebene. Im Ergebnis Zustimmung verdient der BGH, soweit er nach abgeschlossenem Wandlungsprozess (alten Rechts) die Arglistanfechtung wegen entgegenstehender Rechtskraft ausschloss; in der Begründung freilich greift der BGH nach den hier entwickelten Grundsätzen zu kurz, da er allein auf die prozessuale Wirkung der Rechtskraft abstellt und eine materiellrechtliche Begründung vermissen lässt. Tatsächlich hat der Käufer seinen Präferenzen aber bereits in dem vorangegangen Prozess Ausdruck verliehen und sein Reallokationsbegehren bereits verfolgt. An dieser Präferenzwahl muss der Käufer festgehalten werden. Diese Grundsätze gelten aber nur nach bereits abgeschlossenem Reallokationsverfahren. Während der Nacherfüllungsschwebe ist zu differenzieren: Soweit der Käufer im Zeitpunkt seines Nacherfüllungsverlangens den Umstand der arglistigen Täuschung bereits kennt, bringt er hierdurch zum Ausdruck, dass er diesen für weniger gewichtig hält als die Möglichkeit, noch kooperationsgerechte Zustände her-
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zustellen. Die Anfechtung bleibt ausgeschlossen. Kennt er im Zeitpunkt des Nacherfüllungsverlangens die arglistige Täuschung noch nicht, so steht ihm das Anfechtungsrecht noch frei, da es erstens an einem schutzwürdigem Interesse des Verkäufers fehlt und zweitens der mit einer arglistigen Täuschung einhergehende Vertrauensbruch so gewichtig sein kann, dass sich die Präferenzen des Käufers mit Erlangung der Kenntnis von dem Vertrauensbruch grundlegend verschieben können. Des Weiteren stellt sich auf Rechtsfolgenebene die Frage, ob ein ius variandi des Käufers auch nach ausgeübter Anfechtungserklärung besteht und wie weit ein solches reicht. In einer zunächst dargstellten ,kleinen Lösung‘ soll dem Käufer auch nach einer Arglistanfechtung über eine Analogie zu § 325 BGB noch der Anspruch auf den Ersatz des positiven Interesses gewährt und der Schadensersatzanspruch nach §§ 280 ff. BGB dementsprechend erhalten bleiben. In der hier vertretenen ,großen Lösung‘ wird darüber hinaus sogar durch Anerkennung eines ius variandi auch nach einer Arglistanfechtung die Gestaltungswirkung der Anfechtung vollständig ausgeräumt. Dogmatische Grundlage für die Anerkennung eines solchen uneingeschränkten ius variandi auch nach Arglistanfechtung ist die sich in der Wahl der zur Verfügung stehenden rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten auf eine erkannte Täuschung fortsetzende Informationsasymmetrie in Bezug z.B. auf die Leistungsfähigkeit des Anfechtungsgegners. Die nötige rechtsökonomisch effiziente Flexibilität kann dem Käufer daher nur über eine Öffnung der Gestaltungswirkung für ein ius variandi gewährt werden. In allein rechtlicher bzw. rechtsdogmatischer Diktion lässt sich dies über eine reziproke Anwendung des § 144 BGB auch nach ausgeübter Anfechtungserklärung begründen.
6.4 Vor dem Hintergrund der hier als Grundlage der gesamten Analyse herangezogenen informationssubstituierenden Vertrauensentscheidung, die allüberspannendes Schutzgut bei der Auflösung von Verstrickungslagen ist, ist die frühere Differenzierung im Konkurrenzverhältnis der culpa in contrahendo zur Anfechtung, nämlich die Differenzierung nach dem Schutzgut ,freie Willensbestimmung‘ und dem Schutzgut ,Vermögen‘ nicht mehr zu rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund gibt es für eine Konkurrenz beider Rechtsinstitute keine Grundlage, sodass diese zueinander in Anspruchskonkurrenz stehen. Um hier kohärente Rechtsfolgen herzustellen, ist dann jedoch eine Vereinheitlichung der Verjährungs- bzw. der Ausschlussfristen nötig, weshalb m.E. die Ausschlussfrist des § 124 BGB auf die Geltendmachung der Rechte aus culpa in contrahendo im Anwendungsbereich des kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht zu übertragen ist.
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6.5 In der Konkurrenz zum Gewährleistungsrecht ist für vorvertragliche Pflichtverletzungen, insbesondere vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzungen zu berücksichtigen und zu bedenken, dass in der Nacherfüllungsschwebe die vorvertragliche Aufklärungspflicht noch kausal überholt und erwartungsgerechte Zustände hergestellt werden können. Während dieser Zeit sind sachmangelbezogene Aufklärungspflichtverletzungen daher einem Vertragsaufhebungsanspruch aus culpa in contrahendo nicht zugänglich. Dem steht jedoch nicht entgegen, dass grundsätzlich nach den hier herausgearbeiteten rechtsökonomischen Grundlagen und im Rahmen eines integrativen Auslegungskanons von einer Aufklärungs- und Offenbarungspflicht des Verkäufers für solche Umstände auszugehen ist, die rechtsökonomisch seiner Aufklärungssphäre zuzuordnen sind und bei denen es sich um unproduktive Informationen handelt.
6.6. Einer grundlegenden Neuordnung bedurfte das im alten Recht misslungene Rücktritts- und Rücktrittsfolgenrecht. Auch in der geltenden Fassung des Rücktritts- und Rücktrittsfolgenrechts tun sich jedoch Abgründe und Widersprüche auf, die bislang einer kohärenten und systemgerechten Lösung nicht zugeführt worden sind. Dies beginnt bereits bei dem Fristsetzungserfordernis nach § 323 Abs. 1 BGB und der Angemessenheit der vom Käufer zu setzenden Frist. Da es jedoch allein der Verkäufer ist, der die Angemessenheit im Sinne einer kürzest möglichen Frist bestimmen kann, folgt in einem integrativen Modell aus der Anwendung der ökonomischen Theorie des cheapest cost avoider, dass dem Verkäufer eine Obliegenheit zur kürzest möglichen Fristbestimmung gegen sich selbst zur Last fällt. Diese ist durch objektiv herstellbare Organisationsstrukturen und im Geschäftsverkehr zu erwartende Maximalfristen begrenzt, da eine Fristsetzungsobliegenheit gegen sich selbst dem Verkäufer selbstverständlich nicht Tür und Tor für Missbrauch öffnen darf. Daraus folgt, dass in dem Abhilfeverlangen des Käufers selbst auch ohne konkrete Fristbestimmung implizit die Fristsetzung im Sinne des aus verkäuferseitigen Organisationsstrukturen kürzest möglichen Nacherfüllungszeitraums enthalten ist. Die im Gesetz vorgesehenen Gründe, unter welchen eine Fristsetzung insgesamt entbehrlich ist, decken sich mit den hier entwickelten Grundsätzen äquivalenzkooperativen Verhaltens. Ist der Rücktritt erklärt, entsteht das Rückabwicklungsschuldverhältnis als Umkehr der ursprünglichen Leistungsbeziehung und damit als reziprok-kooperative Abwicklungsvereinbarung, die in der ursprünglichen Kooperationsvereinbarung bereits dem Grunde nach angelegt ist. Die vertraglichen Risikoallokationen und
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Schlussbemerkung
impliziten Informations- und Risikolastenverteilungen der Kooperationsabsprache lassen sich daher mit umgekehrten Vorzeichen auch auf die Rückabwicklungsvereinbarung anwenden. Dabei sticht insbesondere die gesetzliche Regel ins Auge, wonach im Falle der Rückabwicklung wechselseitiger Nutzungsersatz zu leisten ist. Bemessungsgrundlage hierfür soll der vertragliche Kaufpreis, wiederum als Kommunikationselement verstanden, sein. Dies ist unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenzgerechtigkeit nur schwer nachzuvollziehen, da der Verkäufer in der Kaufpreisbemessung seinen Unternehmerlohn einkalkuliert hat und diesen unter der gesetzlichen Prämisse auch zum Maßstab der Rückabwicklung machen kann. Der Käufer hingegen vermag im Falle der Rückabwicklung seinen mit der Vertragserfüllung beabsichtigten Mehrwert nicht zu realisieren. Ein Ausgleich hierfür mag dadurch geschaffen werden, dass der vom Käufer zu erstattende Nutzungsersatz sich allenfalls aus dem um den Mangelwert und den Unternehmerlohn reduzierten Nettokalkulationswert des Kaufgegenstandes berechnen lassen kann. Der Anteil des Unternehmerlohns ist, soweit der Verkäufer hierzu nichts offen legt, nötigenfalls zu schätzen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Nutzungsersatz schuldet der Käufer in den in § 346 Abs. 3 Satz 1 BGB genannten Fällen nicht. Diese lassen sich unter Geltung des hier entwickelten integrativen Auslegungsmodells vollständig erklären. Im Rahmen des § 346 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BGB ist dabei jedoch zu differenzieren und unterliegt der Käufer einer strengeren Haftung erst nach Ausübung des Rücktrittsrechts oder nach Eintritt des Verzuges mit der Ausübung seiner Gewährleistungswahlrechte.
6.7 Neben dem Rücktritt eröffnet § 325 BGB die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen. Die Reichweite des § 325 BGB ist dabei umstritten. Setzt man sich mit den vorgebrachten Argumenten auseinander, so verwundert jedoch, dass eine dogmatische Auseinandersetzung mit der Rechtsnatur des § 325 BGB bislang weitgehend fehlt und dass deshalb auch die zum Anwendungsbereich des § 325 BGB vertretenen Rechtsfolgen ein wenig in der Luft hängen. Tatsächlich handelt es sich bei § 325 BGB um eine – dem § 615 BGB vergleichbare – Anspruchserhaltungsnorm. Bleiben aber Ansprüche ungeachtet der Gestaltungswirkung des Rücktrittsrechts von dieser qua gesetzlicher Anordnung unberührt, so fehlt es an einer Legitimation dafür, die Flexibilität bei der Wahl der übrigen Ansprüche einzuschränken. Dem Käufer steht es daher frei, eine jede schadensersatzrechtliche Rechtsfolgenwahl zu treffen.
Schlussbemerkung
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6.8 Sind damit für die Abwehr einer Verstrickung durch Desinformation systemkohärente Lösungen gefunden, ist die alternativ oder parallel mögliche Kompensation eingetretener oder verbleibender Schäden in das Gesamtsystem ebenfalls einzuordnen. Dabei war besonderes Augenmerk auf die mit der Schuldrechtsmodernisierung neu geschaffene Vorschrift des § 284 BGB zu legen. Der Nähe des in § 284 BGB festgeschriebenen Aufwendungsersatzanspruchs zu den Schadenspositionen des negativen Interesses ist es dabei geschuldet, das negative Interesse zunächst in den ökonomischen Gesamtkontext einzuordnen, wobei entscheidend ist, dass es in vollkommenen Märkten der ökonomischen Theorienwelt eine Inkongruenz zwischen positivem und negativem Interesse nicht gibt. Da mit § 284 BGB die Position des Anspruchsberechtigten gestärkt werden sollte, ist aus dem integrativen Modell hier der Anspruch an § 284 BGB abgeleitet worden, eine vollständige Kompensation bestmöglich zu erreichen und das negative Interesse soweit möglich dem positiven anzugleichen. Dabei, so die hier entwickelte Ansicht, begründet § 284 BGB keine eigenständige Anspruchsgrundlage, sondern stellt lediglich eine Norm der Schadensbemessung dar. Vor diesem Hintergrund ist jede schadensgeneigte Vertrauensinvestition im Rahmen des § 284 BGB ersatzfähig, die aus der Kooperationsbeziehung selbst erwächst und deshalb – jedenfalls implizit – in der vertraglichen Kooperationsabrede ihren Niederschlag gefunden hat, sodass die Ersatzfähigkeit der Vertrauensaufwendung der impliziten vertraglichen Risikoallokation entnommen werden kann. Anhand der bereits zuvor entwickelten typisierten Fallgruppen schadensgeneigten Aufwandes lässt sich dies zu einem allgemeinen Haftungssystem entwickeln, das die Deklination auch unbekannter Schadensverläufe eröffnet.
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Sachverzeichnis
3-Phasen-Modell 509 f. Abbruch von Vertragsverhandlungen 445 ff. absolute Unverhältnismäßigkeit 313 ff. adverse selection-Risiko 444 Akerlof'sche Theorie 124 f. Alternativitätsanordnung 592 f. Anfechtung 609 Anspruchserhaltungsnorm 524 Anspruchskonkurrenz 432 ff. Arglistanfechtung 35, 378 ff., 609 Aufhebungsanspruch 417 f. Aufklärungspflichten 256 ff. Aufwendungsschadensersatz 578, 593 Aufwendungsschadensersatzanspruch 556 ff. Ausschlussfrist 431 f. Ausschlusstatbestände 468 ff. äußere Freiwilligkeit 564 Bedeutung des Mangels 310 Beschaffenheitsbegriff 275 beschaffenheitsbezogene Informationspflichtverletzung 436 f. Beschaffenheitstauglichkeit 440 ff. Beschaffenheitsvereinbarung 436 f. Billigkeit 571 ff. Billigkeitsgrenze 571 ff. c.i.c. culpa in contrahendo 36 f. cheapest cost avoider 119, 611 Coase-Theorem 100 commodum ex negotiatione 224 Descartsche Analysetechnik 248 Determinanten 85 f. Differenzschaden 231 f., 546, 587 diligentia quam in suis 477 f., 490, 496 ff. drittverantwortete Selbstschädigung 564 f.
echter Aufwand 564 f. effizienter Vertragsbruch 143 ff. Eigenkompensationseffekt 593, 596 Eigenkompensationskurve 548 Einmal-Transaktionen 128 elektive Konkurrenz 277 f., 328, 330 endowment effect 157, 390 entgangener Gewinn 222 ff., 546, 587 error in objecto 350 floodgate argument 429 foreknowledge 170 fortunate contingencies 146 ff., 149 Frustrationslehre 542 Frustrationstheorie 238 ff. frustrierte Aufwendungen 575 f. Gattungsschulden 287 ff. Geldleistungsanspruch 578 Geschäftswesentlichkeit 358 Gesetzesauslegung 68 Gewährleistungsvorrang 357 f. good will 130 ff. große Lösung (Verhältnis Anfechtung und Schadensersatz) 610 großer Schadensersatz 532 ff. Hermeneutik der Kooperation 204 ff. hermeneutische Wertungsjurisprudenz 258 hold up-Effekte 127 homo oeconomicus 223 Inäquivalenz 485 f. incentives 407 Incentivierung 444 Informationsökonomik 107, 168 ff. Informationspflichten 254 ff. Ingebrauchnahme 479
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Sachverzeichnis
innere Freiwilligkeit 564 Institutionsökonomik 107 invitatio ad credendum 162 Involvement 444 Irrtumsanfechtung 33 f., 348 f. Ist-Beschaffenheit 274 ff. ius variandi 278, 401 ff., 461, 533 f.
Offenbarungspflichten 254 ff. Opportunitätskosten 83, 226 ff., 546, 581 ff. Opportunitätsprämie 86 f., 125 Opprotunismusrisiko 112 out of pocket-Kosten (out-of-pocket-costs) 158, 229ff., 546, 580 f.
Kaldor-Hicks-Kriterium 103, 149, 153 kleine Lösung (Verhältnis Anfechtung und Schadensersatz) 610 kleiner Schadensersatz 527 ff. Kodifizierung 284 ff. Kommerzialisierungsthese 238 ff., 242 ff., 542 Kompensationskurve des positiven und negativen Interesses 219 ff. Kondiktion der Allokationswirkungen 480 Koranisierung des Rechts 203 Kosten-Nutzen-Funktion 84 Kosten-Nutzen-Kalkül 67 Kostenzuweisung 90
pacta sunt servanda-Regel 143, 151 ff., 188, 472 Pareto-effizienter Zustand 103 Pareto-Verbesserung 202 Polarisation (zw. Jurisprudenz und Ökonomik) 57 positives Interesse 217 ff. praeter legem 419 f. Präferenzverschiebung 346 primen usus 386 punitive damages 307
Learned Hand-Kriterium 121, 388 f. lock in-Effekte 116, 127, 141, 566 Mangel (§ 434 BGB) 274 ff. Markt-Preis-System 97 Methodenapparat 72 f. Methodenkonvergenz 73 moral hazard-Risiko 112, 127 Motivirrtum 33 f., 609 Nacherfüllungsanspruch 281 ff., 391 ff., 608 Nacherfüllungsschwebe 395 ff. Nach-Nachfrist 335 f. ne bis in idem (Sperrwirkung der Gestaltung) 380 ff., 384 negatives Interesse 217 ff., 226 neoklassische Gleichgewichtstheorie 233 neoklassische Wohlfahrtsökonomik 98 Neue Institutionenökonomik 99 nicht-dispositives Gesetzesrecht 114 Nichterfüllungsschaden 550 f. Nichtvermögensschaden 309 f. Nutzenersatz 341 ff., 482 ff. Nutzungsersatz 482 ff. Nutzungsherausgabeanspruch 342
Quasi-Renten 174 ff. Rechtsfortbildung 68, 71 Rechtsökonomik 68 Rekontruktion eines vollständigen Vertrages 470 relative Unverhältnismäßigkeit 309 ff. Rentabilitätstheorie 51, 542 f. Rentabilitätsvermutung 51, 549 f., 595 f. Reputation 132 f. Ressourcenallokation 96 Reuerecht 413 f. Risikoerwartung 79 Risikoprämie 142 Risikoverteilung 579 Rückabwicklung 40 Rückabwicklungsschuldverhältnis 485 ff. Rückgewähranspruch 511 ff. Rücknahmepflicht 512 ff. Rücktrittsausschluss 491 Rücktrittsrecht 40, 473 ff., 579 Saldotheorie 346 Schadensersatz 517 Schadenskurve des positiven und negativen Interesses 219 ff. schadensstiftende Kausalverläufe 221 schadensstiftender Aufwand 564 f.
Sachverzeichnis
self executing effect 601 Shavell'sches Modell 152 Soll-Beschaffenheit 274 ff. sozialökonomisches Optimum 165 specific performance 143 stellvertretende commodum 225 strukturelle Informationsdefizite 563 Stückschulden 287 ff. Substitutionskosten 221 f., 546 f., 587 sunk costs 132, 140 ff., 244 ff. superior risk bearer 122 Synthese 57 Tauschoptimum 166 Teilerfüllungsschaden 231 f., 546, 587 Transaktionsbeziehung 94 Transaktionsgegenstand 94 Transaktionskosten 89, 100, 151 Transaktionskosteneffizienz 77 tu quoque-Einwand 334 Umweltveränderungen 174 ff. unfortunate contingencies 146 ff. Unverhältnismäßigkeit der Kosten 308 vereinbarungsfähige Beschaffenheitsmerkmale 436 f.
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Verjährung Gewährleistungsansprüche 597 Verkehrswesentlichkeit 359 Vermögensschaden 244 ff. Verstrickung (durch Desinformation) 273 ff. Vertragsaufhebung 416 ff. Vertrauensaufwendungen 229 ff., 580 f. Vertrauensentscheidung 85 f., 94 f. Vertrauenshaftung 74 Vertrauenslehre 73 Vertrauensprämie 89 Vertrauensschaden 550 ff., 558 f. Vertrauensschutzargument 74 Vertrauenszeitpunkt 83 volenti non fit iniuria 320 vollständiger Vertrag 108 vorvertragliche Aufwendungen 575 ff. Wahlrecht 330 ff. Wahlschuld 278, 328, 330 Wertersatzanspruch 485 Wertentscheidung 52 Wertverzehr 479 ff. winner-take-all-Märkte 138 would have wanted-theory 117 zweite Andienung 367, 388 ff.