Versicherte und Steuerzahler: Zu den Voraussetzungen und den Grenzen einer hybriden Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und versicherungsspezifischer Aufgaben in der Kranken- und Pflegeversicherung [1 ed.] 9783428584932, 9783428184934

Die Pandemie wirkt wie ein Schlaglicht und wirft Fragen neu auf, die eigentlich ganz grundsätzlich sind und sich nicht e

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Versicherte und Steuerzahler: Zu den Voraussetzungen und den Grenzen einer hybriden Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und versicherungsspezifischer Aufgaben in der Kranken- und Pflegeversicherung [1 ed.]
 9783428584932, 9783428184934

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Schriften zum Gesundheitsrecht Band 65

Versicherte und Steuerzahler Zu den Voraussetzungen und den Grenzen einer hybriden Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und versicherungsspezifischer Aufgaben in der Kranken- und in der Pflegeversicherung

Von Gregor Thüsing Christian Waldhoff

Duncker & Humblot · Berlin

GREGOR THÜSING / CHRISTIAN WALDHOFF

Versicherte und Steuerzahler

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 65 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR) Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin a.D.

Versicherte und Steuerzahler Zu den Voraussetzungen und den Grenzen einer hybriden Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben und versicherungsspezifischer Aufgaben in der Kranken- und in der Pflegeversicherung

Von Gregor Thüsing Christian Waldhoff

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3 w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buch.bücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-18493-4 (Print) ISBN 978-3-428-58493-2 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Pandemie wirkt wie ein Schlaglicht und wirft Fragen neu auf, die ganz grundsätzlich sind und sich nicht erst heute stellen: Die Politik entscheidet sich für eine Coronaprämie – doch wer muss sie zahlen? Die Politik entscheidet sich für eine Beitragsgrenze im Bereich der Sozialversicherung von 40 % und ist bereit, dafür erhöhte Steuerzuschüsse in die Sozialversicherung zu leisten. Gibt es hierfür rechtliche Schranken und Voraussetzungen? Und umgekehrt: In jüngerer Zeit wurden zunehmend Aufgaben auf die gesetzliche und die private Krankenversicherung übertragen, die ihre überkommenen Verpflichtungen übersteigen und zu einer finanziellen Mehrbelastung der Beitragszahler führen. In der juristischen Diskussion wird bei nicht einheitlicher Terminologie zumeist von „versicherungsfremden Leistungen“ gesprochen. Gibt es hier rechtliche Grenzen? Wie aktuell das Thema ist, zeigte jüngst auch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2021 (B 1 A 2/20 R), wonach die Regelungen in § 20a Abs. 3 und 4 SGB V über die Beauftragung und Vergütung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gegen Art. 87 Abs. 2 GG verstoßen, denn der Bund müsse die organisatorische und finanzielle Selbstständigkeit der Sozialversicherungsträger wahren. Die Beitragsmittel der Versicherten dürfen allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden. Was folgt daraus für andere Fälle der Mischfinanzierung und Aufgabenzuweisung? Wer hier Antworten sucht, der wird in der vorliegenden Rechtsprechung und im kommentierenden Schrifttum kaum fündig. Zu wenig haben sich bislang diese Fragen in der Rechtspraxis gestellt. Auch wir hatten sie uns nicht selbst gestellt, sondern es bedurfte der Anregung durch die Praxis. Die nachfolgenden Ausführungen sind die Quintessenz zweier entsprechender Rechtsgutachten für den Verband der Privaten Krankenversicherung. Weil wir aber glauben, dass gerade die Grenzen hybrider Finanzierung ein relevantes Thema darstellen, bei dem die hinreichende wissenschaftliche Durchdringung noch fehlt, und wir selber in unserer Suche nach überzeugenden Antworten an verschiedenen Stellen feststellen mussten, dass hier die Problemsicht noch fehlt, haben wir uns entschlossen, unsere Gedanken zur Diskussion zu stellen. Wir danken dem Verlag Duncker & Humblot für die freundliche Aufnahme in diese so angesehene Reihe. Bonn / Berlin, im August 2021

Gregor Thüsing und Christian Waldhoff

Inhaltsverzeichnis A. Solidarität in der sozialen Sicherung durch die Gruppe der Steuerzahler und die Gemeinschaft der Beitragszahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Solidarität als Strukturprinzip von Sicherungsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Gemeinschaft der Beitragszahler – Gemeinschaft der Steuerzahler? . . . . . . . . . 12 III. Das Prüfprogramm: Konsequenzen der Zuordnung von Risiken und Kosten . . . 13 IV. Unsere Schlussfolgerungen in nuce . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 B. Die Finanzierung staatlicher Aufgaben durch die Pflege- und die Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 I. Finanzrechtliche Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Begriff der Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 III. Begriff der Fremdlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Finanzverfassungsrechtliche Unterscheidung von Gemeinlast und Sonderlast 28 2. Sozialversicherungsrechtliche Unterscheidung von Solidarlast und Fremdlast 28 IV. Unterscheidung von systemimmanenten und systemfremden Fremdlasten . . . . . 29 1. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: Entbehrlichkeit einer Definition von Fremdlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Beschränkung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf systemimmanente Fremdlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 3. Begriff der systemfremden Fremdlast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 V. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Zulässigkeit von systemfremden Fremdlasten in der Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu systemfremden Fremdlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Übertragung der Sonderabgaben-Judikatur des Bundesverfassungsgerichts auf systemfremde Fremdlasten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Begriff der Sonderabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Sonderabgaben-Judikatur des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . 36 aa) Verfolgung eines Sachzwecks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

8

Inhaltsverzeichnis bb) Einzelne Voraussetzungen der Sonderabgaben-Judikatur . . . . . . . . . . 38 (1) Homogenität der Gruppe der Abgabepflichtigen . . . . . . . . . . . . . . 38 (2) Sachnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (3) Gruppennützige Mittelverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (4) Zusätzlich: Überprüfungs- und Dokumentationspflichten . . . . . . . 42 VI. Mitfinanzierung von systemfremden Fremdlasten durch Unternehmen der privaten Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 VII. Exkurs: Rechtsschutz gegen systemfremde Fremdlasten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Rechtsschutz der Sozialversicherungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Rechtsschutz der Beitragspflichtigen und der Arbeitgeber . . . . . . . . . . . . . . . 47 3. Rechtsschutz der Unternehmen der privaten Krankenversicherung . . . . . . . . . 50 VIII. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Präventionsleistungen in Lebenswelten der Versicherten gem. § 20a SGB V 52 a) Präventionsleistungen in Lebenswelten der Versicherten als systemfremde Fremdlast in der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Einbeziehung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung . . . . . . 55 2. Strukturfonds gem. § 12 Abs. 1 S. 1 KHG zur Verbesserung der Strukturen in der Krankenhausversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Strukturfonds gem. § 12 Abs. 1 S. 1 KHG als systemfremde Fremdlast in der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 b) Einbeziehung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung . . . . . . 59 3. Ausgleichsfonds zur Finanzierung der Kosten der generalistischen Pflegeausbildung gem. §§ 26 bis 36 PflBG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Finanzierung der Kosten der generalistischen Pflegeausbildung als systemfremde Fremdlast in der sozialen Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Verpflichtung der Unternehmen der privaten Pflege-Pflichtversicherung zur Mitfinanzierung der Kosten der generalistischen Pflegeausbildung als verfassungswidrige Sonderabgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. Mutterschaftsgeld in der privaten Krankentagegeldversicherung gem. § 192 Abs. 5 VVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 a) Mutterschaftsgeld als systemfremde Fremdlast in der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 b) Mutterschaftsgeld in der privaten Krankentagegeldversicherung . . . . . . . . 65

C. Die Finanzierung der Pflege- und der Krankenversicherung durch Steuern . . . . 67 I. Der Rechtsrahmen von gesetzlicher und privater Kranken- und Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 2. Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Inhaltsverzeichnis

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II. Beitrag und Steuer als Instrumente der Finanzierung sozialer Sicherung . . . . . . 77 III. Zweck und Legitimation eines möglichen Steuerzuschusses: Abgeltung versicherungsfremder Leistungen und keine bloße Kostenbegrenzung . . . . . . . . . . . . 81 1. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen beitragsfinanzierter Solidargemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Rechtfertigungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Hybridfinanzierung . . . . . . . 83 3. Eine Konturierung der versicherungsfremden Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4. Ergänzende Rechtfertigungsgründe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5. Beitragsgarantie ist kein Rechtfertigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 6. Erste Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 IV. Versicherungsfremde Leistungen in der Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Abgeltung eines Pflegebonus und pandemiebedingte Mehrbelastung . . . . . . . 94 3. Durchführung anlassloser Corona-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Ein kurzes Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 V. Versicherungsfremde Leistungen in der Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Förderung des Auf- und Ausbaus ehrenamtlicher Pflege . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Rentenversicherungszuschuss pflegender Angehöriger . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem . . . . . . . 101 1. Personaler Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Bildung von Vergleichsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 b) Ungleichbehandlung der Vergleichsgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 3. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Keine Präjudizierung durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Die Position des Bundesverfassungsgerichts zur Krankenversicherung im Hinblick auf versicherungsfremde Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Fehlende Übertragbarkeit auf andere versicherungsfremde Leistungen . . . 113 c) Fehlende Übertragbarkeit auf die Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 5. Gründe der Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 a) Unterschiedliche Organisation öffentlich-rechtlich/privatrechtlich . . . . . . . 115 b) Unterschiedliche Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 bb) Pflegeversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 cc) Ein kurzes Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 c) Unterschiede im Risikoprofil der Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 d) Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Versicherten . . . . . . . . . . . . . . 119

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Inhaltsverzeichnis e) Unterschied Beihilfeberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 VII. Steuerzuschüsse als Eingriff in die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit . . . . . . . . . 125

D. Summa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

A. Solidarität in der sozialen Sicherung durch die Gruppe der Steuerzahler und die Gemeinschaft der Beitragszahler Soziale Sicherung braucht Solidarität. Es geht um die Gewissheit oder das Risiko, irgendwann nicht selbst für seinen Lebensunterhalt im Alter oder in Zeiten ohne Arbeit, für die Kosten der Pflege oder der Krankenbehandlung aufkommen zu können. Hier kann die Gemeinschaft leisten, was der Einzelne nicht kann. Wechselseitig steht man füreinander ein und leistet Vorsorge. Doch immer stellt sich die Frage, welche Gemeinschaft adressiert ist, zwischen wem Solidarität gelebt wird. Denn Solidargemeinschaft ist nicht beliebig – rechtlich wie tatsächlich. Schon die Entwicklung der Renten- und der Krankenversicherung zeigt, dass hier – unabhängig davon, ob aus privater oder staatlicher Initiative entstanden – immer eine vorgefundene Gruppe mit gleichen Interessen und gleichem Risiko den Ausgangspunkt bildete. Die Bruderbüchsen des 18. Jahrhundert, die in den Bergwerken das Leben bei Invalidität und im Alter ermöglichen sollten, beruhten auf einer Initiative von Bergleuten für Bergleute. Und auch die Rentenversicherung hat ihren Ausgangspunkt im Kollektiv der Arbeiterschaft, wie es in der Kaiserlichen Botschaft von 1881 deutlich wird.1

I. Solidarität als Strukturprinzip von Sicherungsgemeinschaften Der Begriff der Solidarität ist dabei deutungsoffen.2 Er bezeichnet als Seinsprinzip die Zusammengehörigkeit des Individuums zu Gruppen und die wechselseitige Verbundenheit von Gruppen. Als Sollensprinzip bezeichnet er die hieraus resultierende Pflicht zur Hilfe und zum Eintreten füreinander. Solidarität ist letztlich Folge des auf Gemeinschaft bezogenen und angewiesenen Wesens des Menschen. Aber was heißt das für den Bereich der sozialen Sicherung? Diese bildet nach, was 1 Auszugsweise abgedruckt als Dokument Nr. 291 bei Huber, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 2, 3. Aufl. 1986, S. 474 f.; zum Hintergrund einerseits ders., Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 4, 1969, S. 1191 ff., andererseits Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 1849 – 1914, 1995/2008, S. 907 ff. 2 Vgl. bereits Thüsing, ZRP 2012, 145, 146; allgemein aus verfassungsrechtlicher Perspektive Volkmann, Solidarität, 1998; aus arbeitsrechtlicher Perspektive Seifert, Solidarität im Arbeitsrecht, 2019.

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A. Solidarität durch die Steuerzahler und die Beitragszahler

sonst die solidarische Kleingruppe realisieren müsste: Was im familiären Kontext persönlich empfundener Verantwortung und Verbundenheit entspricht, überträgt das Umlageverfahren auf das Verhältnis der Generationen zueinander. Nicht der Einzelne pflegt seine eigenen Eltern, sondern die arbeitende Generation insgesamt stellt durch ihre Beiträge sicher, dass die pflegebedürftige Generation notwendiger Zuwendung teilhaft wird. Nicht das Kind zahlt den Unterhalt seiner Eltern, die nicht mehr arbeiten können, sondern in der Rentenversicherung zahlt die jüngere Generation den Unterhalt der älteren – hoffend, es werde eines Tages auch bei ihr so geschehen. Solidarität setzt damit die Bereitschaft zur Verantwortung voraus. Der zur Freiheit Berechtigte ist fähig, selbst Verantwortung zu übernehmen und daher in erster Linie verpflichtet für sich selbst zu sorgen. Sodann besteht die Verantwortung und Pflicht, dem zu helfen, der nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen. Je weniger Menschen der solidarischen Hilfe bedürfen, umso wirksamer kann den wirklich Bedürftigen geholfen werden, stellt Joseph Höffner in seiner Einführung in die christliche Gesellschaftslehre fest.3 Solidarität und Eigenverantwortung korrespondieren also. Durch Initiative und Eigenverantwortung wird Solidarität gestärkt.

II. Gemeinschaft der Beitragszahler – Gemeinschaft der Steuerzahler? Die „Gemeinschaften“, die zur Solidarität berufen sind, sind dabei nicht beliebig austauschbar. Sie konstituieren sich eben durch die Homogenität der Gruppe, aus der sie gebildet werden. In der Diskussion um die Bürgerversicherung ist dies auch juristisch deutlich geworden. Das zeigt zunächst ein Blick auf den Kompetenztitel für die Gesetzgebung des Bundes. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gewährt – das Bundesverfassungsgericht ist da eindeutig – keine umfassende Kompetenz für die soziale Sicherheit.4 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst Sozialversicherung alles, was in seinen „wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Durchführung und hinsichtlich der abzudeckenden Risiken dem Bild [entspricht], das durch die ,klassische‘ Sozialversicherung geprägt ist“.5 Das klassische Bild der Sozialversicherung bildet dabei die Arbeiterversicherung von 1883. Viele sagen, dieses Bild wäre noch schwerlich erkennbar, wenn ausnahmslos die gesamte Bevölkerung von der Sozialversicherung umfasst ist. Die 3

Joseph Kardinal Höffner, Christliche Gesellschaftslehre, 8. Aufl. 1983, S. 23 ff. BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105, 111 f.; s.a. Maunz/Dürig/Maunz, GG, 64. EL 2012, Art. 74 Abs.1 Nr. 12 Rn. 171; dieses Ergebnis ergibt sich bereits aus der Systematik des Art. 74 GG: Würde Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 eine umfassende Kompetenz für die soziale Sicherheit gewähren, verlören Nr. 7 und Nr. 10 ihren eigenen Anwendungsbereich. Vgl. dazu auch Schnapp/Kaltenborn, Friedensgrenze 2001, 13. 5 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 146. 4

III. Das Prüfprogramm

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primäre Anknüpfung der Versicherung an die Arbeitnehmerstellung ginge ebenso verloren wie die Anknüpfung an die Schutzbedürftigkeit. Das Thema braucht hier nicht vertieft werden, aber es ist eben die Homogenität der Gruppe, die eingefordert wird: „Die[se] vorgegebene Homogenität bildet die Grundlage für die vom Gesetzgeber errichtete Solidargemeinschaft mit ihren Umverteilungsmechanismen.“6 Mit der Ausweitung des Versichertenkreises auf alle Einwohner der Bundesrepublik geht aber ein gravierender Aspekt einher: Sozialversicherung ist Versicherung. Das Bundesverfassungsgericht macht das durch die Formulierung, zur Sozialversicherung gehöre jedenfalls „die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“7, deutlich. Das Versicherungsprinzip ist konstituierend. Wo ein voraussetzungsloser sozialhilfeähnlicher Anspruch gegen den Staat mit einer Zwecksteuer kombiniert wird, ist das nicht mehr erkennbar8: Jedem steht ein Anspruch auf die Krankenversicherungsleistung zu. Einen Beitrag zahlt aber nur, wer dazu nach bestimmten Kriterien in der Lage ist. Auch die Beitragshöhe bemisst sich ausschließlich nach der persönlichen Leistungsfähigkeit. Der Anspruch des Kindes auf Versicherungsleistungen erwächst nicht mehr aus der Beitragsleistung eines Elternteils, sondern entsteht originär, unabhängig von einem Beitrag. Damit wird deutlich: Auch juristisch sind die Kollektive zu unterscheiden. Steuerzahlung und Beitragszahlung haben andere Grundlagen und andere Ziele. Sie haben einen anderen rechtlichen Rahmen und unterliegen anderen Voraussetzungen. Sie sind nicht beliebig austauschbar. Die Steuerzahler bilden gerade keine Solidargemeinschaft zur Absicherung von Individualrisiken. Das Bundesverfassungsgericht spricht daher treffend von der „Allgemeinheit der Steuerzahler“.9 Steuerzahler wird man, weil man (Ansässigkeit vorausgesetzt) Geld hat, finanziell leistungsfähig ist. Daher sind auch juristische Personen, Mitunternehmer, Erben etc. einbezogen. Die Solidargemeinschaft der Versicherten verlangt demgegenüber eine Homogenität, die bei der Steuer nicht Voraussetzung ist.

III. Das Prüfprogramm: Konsequenzen der Zuordnung von Risiken und Kosten Das führt zu dem Prüfprogramm, das nachfolgend entfaltet werden soll: Es geht darum die Überschneidungen der finanziellen Verantwortung auszuleuchten. Wo geschieht eine hybride Finanzierung dessen, was im Interesse der Allgemeinheit und 6

Isensee, NZS 2004, 393, 396. BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 146. 8 So zutreffend Isensee, NZS 2004, 393, 396 ff. 9 Exemplarisch BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 1999 – 2 BvL 5/95, BVerfGE 101, 141. 7

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A. Solidarität durch die Steuerzahler und die Beitragszahler

dessen, was im spezifischen Interesse der Versicherten erfolgt? Wo übernimmt welche Solidargemeinschaft die finanzielle Verantwortung und in welchem Ausmaß? Und daran anknüpfend: Wo liegen hier der Grenzen sozial- und abgabenrechtlicher Stimmigkeit und verfassungsrechtlicher Zulässigkeit? Zunächst soll daher in einem ersten Teil der Inhalt des Rechtsbegriffs „Sozialversicherung“ in Erinnerung gebracht werden, um sich sodann den Fremdlasten zuzuwenden. Dabei wird insbesondere zu klären sein, wie „echte“, das heißt systemfremde Fremdlasten zu definieren und von systemimmanenten, mehr oder weniger von Anfang bestehenden Fremdlasten in der Sozialversicherung zu unterscheiden sind. Es ist ferner zu fragen, welche verfassungsrechtlichen Beschränkungen für die Zulässigkeit solcher „systemfremden Fremdlasten“ bestehen. Dazu soll zunächst untersucht werden, inwiefern sich verfassungsrechtliche Maßstäbe direkt aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben beziehungsweise welche Maßstäbe durch eine Übertragung der zu anderen verfassungsrechtlichen Problematiken wie den Sonderabgaben ergangenen Rechtsprechung gewonnen werden können. Es folgt eine Darstellung, wie sich eine Mitfinanzierung von systemfremden Fremdlasten durch Unternehmen der privaten Krankenversicherung verfassungsrechtlich auswirkt. Sodann wird untersucht, welche Rechtsschutzmöglichkeiten gegen systemfremde Fremdlasten seitens der Sozialversicherungsträger, der Beitragspflichtigen und der Unternehmen der privaten Krankenversicherung bestehen. Im Anschluss an diese allgemeinen Ausführungen sollen aktuelle aufgabenübertragende Gesetzgebungsbeispiele vor dem Hintergrund der zuvor ausgearbeiteten verfassungsrechtlichen Kriterien für die Zulässigkeit von systemfremden Fremdlasten in der gesetzlichen Krankenversicherung und für die Einbeziehung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung zur Mitfinanzierung dieser Aufgaben untersucht werden. Im Einzelnen werden die Präventionsleistungen in Lebenswelten der Versicherten gem. § 20a SGB V (insoweit bestätigend zu der jüngsten Ansicht des BSG)10, der Strukturfonds gem. § 12 Abs. 1 S. 1 KHG zur Verbesserung der Strukturen in der Krankenhausversorgung, der Ausgleichsfonds zur Finanzierung der Kosten der generalistischen Pflegeausbildung gem. §§ 26 bis 36 PflBG sowie das Mutterschaftsgeld in der privaten Krankentagegeldversicherung gem. § 192 Abs. 5 VVG näher betrachtet. Sodann wendet sich der Blick – es geht dann nicht um die Frage, welche Fremdlasten der Beitragsgemeinschaft aufgebürdet werden dürfen, sondern wie weit und mit welchem Ziel ihr durch Steuerzahlung „unter die Arme gegriffen“ werden kann. Hierzu soll der Rechtsrahmen von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sowie von sozialer und privater Pflegeversicherung mit Blick auf die jeweiligen Finanzierungsmodelle in den Grundzügen dargestellt werden, um darauf aufbauend Beitrag und Steuer als Instrumente der Finanzierung sozialer Sicherung zu beleuchten sowie Zweck und Legitimation des Steuerzuschusses durch den Bund 10

BSG, Urt.v.18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R.

IV. Unsere Schlussfolgerungen in nuce

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zu untersuchen. Allgemein ist hierbei zunächst auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der beitragsfinanzierten Solidargemeinschaft einzugehen, um in einem zweiten Schritt die Rechtfertigungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Hybridfinanzierung darzulegen. Sodann bedarf es der Definition der versicherungsfremden Leistungen und der Prüfung, ob und unter welchen Voraussetzungen ergänzende Rechtfertigungsgründe für einen Steuerzuschuss angeführt werden können. Diese Ausführungen münden in erste Folgerungen. Hiervon ausgehend werden einzelne versicherungsfremde Leistungen in der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung exemplarisch in den Blick genommen, für die eine steuerbasierte finanzielle Unterstützung grundsätzlich möglich erscheint. Unterstellt man die rechtliche Zulässigkeit, erschließt sich aber aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht auf Anhieb, warum nach den aktuellen Vorschlägen nur die Sozialversicherung, nicht aber die private Kranken- und Pflegeversicherung an einem möglichen Steuerzuschuss partizipieren soll, soweit beide dieselben Lasten tragen. Dies begründet jedenfalls eine Ungleichbehandlung, die anhand eines spezifischen, aus grundlegenden Gleichheitserwägungen zu entwickelnden Prüfungsmaßstabs zu messen ist. In einem folgenden Schritt wird dargelegt, dass zur Verfassungsmäßigkeit von Steuerzuschüssen in der Pflegeversicherung trotz einer zur Verfassungsmäßigkeit des für die Krankenversicherungen geltenden § 221 Abs. 1 SGB V ergangenen Entscheidung für den hier zu erörternden Fall noch keine Präjudizierung durch das Bundesverfassungsgericht stattgefunden hat. Hierzu erfolgt zunächst eine Darstellung der Entscheidung im Einzelnen, um anschließend auszuführen, warum weder eine Übertragbarkeit außerhalb der benannten versicherungsfremden Leistungen noch eine Übertragbarkeit auf die Pflegeversicherung angezeigt ist. Sodann bedarf es der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Eben diese Rechtfertigung mag sich – was en détail zu prüfen sein wird – möglicherweise aus der unterschiedlichen Organisationsform, der unterschiedlichen Finanzstruktur oder aber aus dem unterschiedlichen Risikoprofil bzw. der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und der unterschiedlichen Beihilfeberechtigung der Versicherten im System von sozialer und privater Kranken- und Pflegeversicherung ergeben. Hieran schließt sich die Frage an, inwieweit Steuerzuschüsse zur Sozialversicherung für die privaten Versicherungsgesellschaften, die diesen Zuschuss gerade nicht erhalten, einen Eingriff in ihre aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Berufsund Wettbewerbsfreiheit bedeuten können. Zuletzt fasst eine kurze Summa die wesentlichen Ergebnisse zusammen und die Untersuchung kehrt zu dem Postulat der Transfergerechtigkeit zurück. Die Wissenschaft ist daran zu erinnern, dass die Pflege- und die Krankenversicherung funktionsgerecht zu finanzieren ist.

IV. Unsere Schlussfolgerungen in nuce Das Ergebnis unserer Prüfung kann kurz vorangestellt werden: Die hier bisher für die Kernfrage unmittelbar nicht anwendbare bzw. angewendete Sonderabgaben-

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A. Solidarität durch die Steuerzahler und die Beitragszahler

dogmatik schärft den Blick für den Zusammenhang zwischen zu erfüllender Aufgabe und deren Finanzierung: Die im Finanzverfassungsrecht gängige Unterscheidung zwischen Gemeinlast und Sonderlast mit dem Postulat der Steuerfinanzierung für die allgemeinen Staatsaufgaben gibt wichtige Erkenntnisse. Kommt es doch zur rechtfertigungsbedürftigen Sonderlast, bietet die inzwischen ausgefeilte, 40 Jahre alte Judikatur zu den Sonderabgaben Kriterien für eine Finanzierungsverantwortlichkeit jenseits der Steuerfinanzierung. Werden die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und die Kunden der privaten Krankenversicherung zu einer Finanzierungsgruppe zusammengespannt bilden sie cum grano salis regelmäßig die Gesamtbevölkerung ab, denn die Gruppe der Nichtversicherten kann vernachlässigt werden. Das allein stellt schon einen Indikator für die Notwendigkeit der Steuerfinanzierung der betreffenden Aufgabe dar. Sind beide Versicherungstypen gesetzlich verpflichtet in einen Finanzierungsfonds einzuzahlen, stellt sich dies für die private Krankenversicherung regelmäßig als rechtfertigungsbedürftige Sonderabgabe dar und die einschlägige Rechtsprechung kann insofern unmittelbar angewendet werden. Es kann gezeigt werden, dass derartige Fehlfinanzierungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen und in der Tendenz sogar eher zunehmen. Werden die Privaten Krankenversicherungen gezwungen oder wird zumindest erwartet, sich an diesen Fehlfinanzierungen zu beteiligen, verstärkt sich die Fehlfinanzierung in ihrer Gesamtheit. Dies alles mündet in ein Postulat funktionsadäquater Finanzierung der Krankenversicherung. Diese ist grundrechtlich vorausgesetzt und dient letztlich der Funktionsfähigkeit der Absicherung der Krankheitsrisiken in der Gesamtbevölkerung. Auf der anderen Seite gilt: Je höher der Steuerzuschuss in die gesetzliche Krankenversicherung und soziale Pflegeversicherung ausfällt, desto deutlicher stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Ein Steuerzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung mit dem Ziel, versicherungsfremde Leistungen abzugelten, ist dabei verfassungsrechtlich unproblematisch möglich, sodass aus dieser Perspektive auch ein ergänzender Bundeszuschuss zur Abfederung der Auswirkungen der Corona-Pandemie möglich wäre. Eine Hybridfinanzierung von Steuern und Beitrag bedarf jedoch stets besonderer Rechtfertigung. Ergänzende Gründe müssen nachgewiesen sein und konkret benannt werden. Der bloße politische Wille, eine Grenze prozentualer Höchstbelastung der Beitragszahler in der Sozialversicherung zu ziehen, ist kein solcher Grund. Soweit sich diese Gründe auf die Finanzierung von Leistungen beziehen, die die gesetzlichen und die privaten Versicherungen gleichermaßen erbringen, ist es zudem aus dem Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG erforderlich, entsprechende Zuschüsse nicht allein der sozialen, sondern auch der privaten Krankenund Pflegeversicherung zukommen zu lassen. Wenn es entsprechende Aufwendungen auch hier gibt, und weil es Versicherte der privaten Kranken- und Pflegeversicherung gibt, die weniger verdienen als Versicherte der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung, und weil es Versicherte in der privaten Kranken- und Pflege-

IV. Unsere Schlussfolgerungen in nuce

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versicherung gibt, die mehr zahlen als sie in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zahlen würden – und jeweils umgekehrt – können beide Solidargemeinschaften im Hinblick auf staatliche Bezuschussung nicht unterschiedlich behandelt werden.

B. Die Finanzierung staatlicher Aufgaben durch die Pflege- und die Krankenversicherung I. Finanzrechtliche Problemstellung In jüngerer Zeit wurden zunehmend Aufgaben auf die gesetzliche und die private Krankenversicherung übertragen, die ihre überkommenen Verpflichtungen zu sprengen drohen. In der juristischen Diskussion wird bei nicht einheitlicher Terminologie zumeist von „versicherungsfremden Leistungen“ gesprochen. Die gesetzliche Krankenversicherung kann sich dagegen nur schwer rechtlich wehren, auf die privaten Krankenversicherer wird politischer Druck ausgeübt, diese Aufgaben aufgrund einer behaupteten „Symmetrieerwartung“ mehr oder weniger freiwillig zu übernehmen. Für eine (verfassungs-)rechtliche Einordnung sollen im Folgenden finanzrechtliche Maßstäbe fruchtbar gemacht werden. Anders als im Sozial-(versicherungs-)recht beschäftigt sich das öffentliche Finanzrecht seit langem mit Fragen sachgerechter Finanzierung von (Staats-)Aufgaben. Der Zusammenhang zwischen Aufgabe und deren Finanzierung gehört zu den Grunddeterminanten der Finanzverfassung und damit der Verfassungsordnung des Grundgesetzes insgesamt.1 Sie zeigt sich zum einen in der nur der Finanzverfassung bekannten verfassungsrechtlichen Kompetenz der Finanzierungslast (Art. 104a ff. GG). Zum anderen überlässt die Finanzverfassung dem Gesetzgeber nicht die Finanzierungsform, sondern koppelt sie an die zu bewältigende Aufgabe zurück. Die Finanzverfassung erweist sich dabei als Steuerfinanzverfassung.2 Die Steuer als Gemeinlast ist damit der legitime Finanzierungsmodus für allgemeine Staatsaufgaben im demokratischen Verfassungsstaat.3 Allgemeine Staatsaufgaben sind aus Steuern zu finanzieren. Andere Abgabenformen sind als Sonderlasten nicht ausge-

1

Vgl. etwa Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 99; insgesamt Kube, Finanzgewalt in der Kompetenzordnung, 2004. 2 Vgl. etwa BVerfG, Urt. v. 19. 3. 2003 – 2 BvL 9, 10, 11, 12/98, BVerfGE 108, 1, 15 f.; Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, § 2 Rn. 1; Tappe/Wernsmann, Öffentliches Finanzrecht, 2. Aufl. 2019, Rn. 198; grundsätzlich zu der zugrundeliegenden Figur des Steuerstaates Isensee, FS für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 409. 3 Isensee/Kirchhof/Waldhoff, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 5; P. Kirchhof, Die Steuern, in: Isensee/Kirchhof/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 1 ff.

I. Finanzrechtliche Problemstellung

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schlossen, müssen jedoch im konkreten Fall gerechtfertigt werden.4 Mit dieser Unterscheidung zwischen Steuerfinanzverfassung und den übrigen Regelungen sind grundsätzlich unterschiedliche Finanzierungsmodelle verbunden.5 Die Finanzierung der Sozialversicherung fällt aus dem Anwendungsbereich der Art. 104a bis 115 GG – der bundesstaatlichen Finanzverfassung – grundsätzlich heraus und folgt ihrem eigenen Finanzierungsmodus („Finanzverfassung der Sozialversicherung“).6 In dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 18. Mai 2021 ist davon die Rede, dass die Art. 87 Abs. 2, 74 Abs. 1 Nr. 12 und 120 Abs. 1 Satz 4 GG ein „geschlossenes verfassungsrechtliches Regelungssystem für die Sozialversicherung und deren Finanzierung“7 bilde. Das hat weitreichende Folgen, etwa auch hinsichtlich der Intensität wissenschaftlicher Bearbeitung. Die Unterscheidung zwischen Gemeinlast und Sonderlast ist jedoch auch im Finanzierungsbereich der Sozialversicherung nicht unbekannt. Während die eigentliche Sozialversicherung einer an einen Parafiskus gekoppelten Beitragsfinanzierung unterliegt, werden bestimmte Sozialleistungen, wie die ursprüngliche Sozialhilfe, steuerfinanziert, also aus allgemeinen Haushaltsmitteln bestritten. Verfassungsrechtlich ist der Kompetenzbegriff der „Sozialversicherung“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Abgrenzung. Die differenzierten Erkenntnisse, die das Finanzverfassungsrecht mittlerweile zu dem Zusammenhang von Aufgabe und deren Finanzierung gewonnen hat, sind im Sozial-(versicherungs-)recht freilich noch nicht in gleichem Maße entwickelt. Das zeigt sich etwa darin, dass der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung gar nicht richtig als (rechtfertigungsbedürftiges) Problem gesehen wird.8 Die sozialversicherungsrechtliche Diskussion scheint über die Formel, dass – um den Versicherungscharakter zu erhalten – das Schwergewicht bei der Beitragsfinanzierung liegen muss, kaum hinauszukommen.9 Genau hier setzen nachstehende Überlegungen an.

4 Isensee/Kirchhof/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 119. 5 Vgl. etwa Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004; dagegen Isensee/Kirchhof/Waldhoff, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 5 m.w.N. 6 Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, 1992; Isensee, in: Sozialfinanzverfassung, 1992, S. 7; Isensee/Kirchhof/Axer, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 95; Isensee/Kirchhof/F. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 125; ders., NZS 1999, 161. 7 BSG, Urt.v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn. 51; Hervorhebung nur hier. 8 Ruland/Becker/Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 14 Rn. 45 f.; Isensee/ Kirchhof/F. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 125 Rn. 38: „verfassungsrechtlich […] unproblematische Budgetentscheidung“. 9 Viellehner, Das Finanzierungsrecht der Gesetzlichen und Privaten Krankenversicherung, 2017, S. 20: „Primat der Beitragsfinanzierung“; Ruland/Becker/Axer, Sozialrechtshandbuch, 6. Aufl. 2018, § 14 Rn. 47.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass durch die Trennung von (vorwiegend) steuerfinanzierter allgemeiner staatlicher Finanzwirtschaft und (vorwiegend) beitragsfinanzierter Sozialversicherung die sachgerechte Abstimmung, die Lastengerechtigkeit in der Gesamtbelastung des Bürgers erschwert wird. Das gilt vor allem auch deshalb, weil der Gesamtfinanzierungsumfang der Sozialversicherung sich von den Gesamtsteuereinnahmen nicht kategorial unterscheidet. Unter dem Schlagwort von der „Transfergerechtigkeit“10 wird versucht, die dem Versicherungsprinzip folgenden Kernaufgaben der gesetzlichen Sozialversicherung von lenkenden, subventionierenden und sozialausgleichenden steuerfinanzierten Elementen abzuschichten.11 Der beachtliche Spielraum, den das Bundesverfassungsgericht in diesem Kontext dem Gesetzgeber gelassen hat, führt im Ergebnis zu Inkonsistenz und Intransparenz. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung steigert sich das Problem, sofern Aufgaben, die als allgemeine Staatsaufgaben verfassungssystematisch der Steuerfinanzierung unterliegen müssten, zugleich auch der privaten Krankenversicherung aufgebürdet werden.12 Hier ist die Finanzierung durch die gesetzliche Krankenversicherung schon problematisch; das Problem vertieft sich, wie noch zu zeigen sein wird, durch die zusätzliche Beteiligung privater Versicherungsträger. Durch den hier gewählten methodischen Ansatz, Erkenntnisse und Figuren der finanzverfassungsrechtlichen Forschung stärker auf die Finanzierung der Krankenversicherung zu beziehen, soll der Abstand zwischen allgemeiner und Sozialfinanzverfassung verringert werden. Damit ist nicht gemeint, Normen für anwendbar zu erklären, die nach eindeutiger Judikatur und dem Willen des (Verfassungs-)Gesetzgebers im hiesigen Bereich nicht anwendbar sind; Erkenntnisse aus dem Finanzverfassungsrecht sollen vielmehr auf verfassungssystematischer wie verfassungsrechtlicher Ebene helfen, verfassungsrechtliche und finanzwirtschaftliche Unwuchten in der Finanzierung der Krankenversicherung zu identifizieren und zu analysieren. Auf die Krankenversicherung bezogen kann die Problemstellung vor dem gerade skizzierten Hintergrund präzisiert werden: Seit längerer Zeit wird über die Zulässigkeit und Finanzierung versicherungsfremder Leistungen beziehungsweise Fremdlasten in der Sozialversicherung diskutiert. Diese Diskussion erfolgt – wie die einleitenden Bemerkungen bereits deutlich gemacht haben – nur „innersozialrechtlich“. Dabei ist oft schon nicht klar umrissen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um von Fremdlasten sprechen zu können, zumal keine Legaldefinition des Begriffs existiert. Zwar regelt für die gesetzliche Krankenversicherung § 221 Abs. 1 SGB V, dass der Bund zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Kran10

Vgl. Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001. Isensee/Kirchhof/Waldhhoff, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 11. 12 Allgemein zur „bipolaren Versicherungsordnung“ in diesem Isensee/Kirchhof/Axer, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 95 Rn. 7 ff. 11

I. Finanzrechtliche Problemstellung

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kenkassen für versicherungsfremde Leistungen Zuschüsse in monatlich zum ersten Bankarbeitstag zu überweisenden Teilbeträgen an den Gesundheitsfonds leistet (ab dem Jahr 2017 jährlich 14,5 Milliarden Euro). Diese Mittel waren zunächst kontinuierlich und nahezu jährlich erhöht worden, wobei Regelungen zunächst festgeschriebener jährlicher Erhöhungsbeträge später zugunsten konkreter Gesamtsummen für einzelne Jahre aufgehoben wurden.13 Versicherungsfremde Leistungen werden zwar teilweise ausdrücklich ausgewiesen bei der Verteilung des Zuschusses in der Pauschalabgeltungsverordnung vom 26. April 2004.14 Bei der Bemessung der Zuschusshöhe, die für einige Jahre sogar mehrmals geändert wurde, verfolgte der Gesetzgeber dennoch kein nachvollziehbares Konzept. Mangels amtlicher Auflistung versicherungsfremder Leistungen kann nicht überprüft werden, ob diese Bundeszuschüsse die Kosten für Fremdlasten in der gesetzlichen Krankenversicherung abdeckten bzw. abdecken.15 Aufgrund des gesetzlich breit definierten Versicherungszwecks der gesetzlichen Krankenversicherung wird der Umfang von Fremdlasten in der Krankenversicherung zwar als relativ gering eingeschätzt16; dennoch können die vorhandenen Fremdlasten zu einer Fehlfinanzierung durch die Vermischung von Sozialversicherungsbeitrags- und Steuermitteln führen, wodurch es nicht nur zu größerer Intransparenz des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung kommt, sondern woraus sich darüber hinaus auch verfassungsrechtliche und aufgrund der Haushaltsflüchtigkeit der aus Sozialversicherungsmitteln finanzierten Fremdlasten auch demokratietheoretische Probleme ergeben können.

13

Unter Berücksichtigung der jeweiligen Fassungen von § 221 SGB V ergeben sich folgende Summen: für das Jahr 2004 1 Milliarde Euro; für das Jahr 2005 2,5 Milliarden Euro; für das Jahr 2006 4,2 Milliarden Euro; für die Jahre 2007 und 2008 je 2,5 Milliarden Euro; für das Jahr 2009 7,2 Milliarden Euro; für das Jahr 2010 11,8 Milliarden Euro (zudem weitere 3,9 Milliarden zum Ausgleich konjunkturbedingter Mindereinnahmen gemäß § 221a SGB V); für das Jahr 2011 13,3 Milliarden Euro (zudem weitere 2 Milliarden Euro gemäß des geänderten § 221a SGB V); für das Jahr 2012 14 Milliarden Euro; für das Jahr 2013 11,5 Milliarden Euro; für das Jahr 2014 10,5 Milliarden Euro; für das Jahr 2015 11,5 Milliarden Euro; für das Jahr 2016 14 Milliarden Euro; ab dem Jahr 2017 bis heute 14,5 Milliarden Euro. 14 BGBl. I, 644. 15 Schätzungen zur Höhe versicherungsfremder Leistungen in der gesetzlichen Krankenund der sozialen Pflegeversicherung finden sich bei Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Versicherungsfremde Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der Sozialen Pflegeversicherung, Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 051/16, 2016, 7 f. 16 Vgl. Raffelhüschen/Moog/Vatter, Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung. Studie des Forschungszentrums Generationenverträge im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 2011, ii; Fichte, Versicherungsfremde Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 106, 2010, 24 ff. und 61.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

II. Begriff der Sozialversicherung Das System der Sozialversicherung ist – im Gegensatz zur Finanzverfassung17 – im Grundgesetz nicht in einem gesonderten Abschnitt geregelt. Vielmehr finden sich nur drei die Sozialversicherung explizit betreffende Vorschriften. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, Art. 87 Abs. 2 GG und Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG bilden dabei ein in sich geschlossenes Regelungssystem für die Sozialversicherung und deren Finanzierung:18 Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG weist dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz u. a. für „die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“ und als aus der Sachkompetenz folgende Annexkompetenz auch die Regelung der Sozialversicherungsbeiträge zu.19 Art. 87 Abs. 2 GG regelt die Verwaltungszuständigkeit und umfasst auch die Ertragshoheit für die Sozialversicherungsbeiträge.20 Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG regelt die Lastentragung21 und ist lex specialis im Verhältnis zu den finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften der Art. 104a ff. GG, die somit im Bereich der Sozialversicherung nicht anwendbar sind.22 Der Begriff der Sozialversicherung ist dabei einerseits nicht umfassend im Sinne von sozialer Sicherheit zu verstehen, sind doch Versorgung und Fürsorge in weiteren Kompetenztiteln geregelt.23 Auch ist Sozialversicherung vom privatrechtlichen

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Vgl. den X. Abschnitt des Grundgesetzes, Art. 104a bis 115 GG. BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/0, BVerfGE 113, 167, 200 – Risikostrukturausgleich; BSG, Urt.v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn. 51; Maunz/Dürig/Ibler, GG, 64. EL 2012, Art. 87 Rn. 165. 19 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/ 83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 148 – Künstlersozialversicherung; BVerfG, Beschl. v. 5. 10. 1993 – 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132, 144 – Konkursausfallgeldversicherung; Kahl/Waldhoff/ Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 42. 20 Vgl. Maunz/Dürig/Ibler, GG, 64. EL 2012, Art. 87 Rn. 206 ff.; ausführlich Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 455 ff. 21 Ausführlich Reiter, FS für Franz Klein, 1994, S. 1101, 1105 ff.; Kahl/Waldhoff/Walter/ Hebeler, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 171. EL 2015, Art. 120 Rn. 27 ff., insbesondere 43 ff.; Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 473 ff. 22 BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167, 199 f.; vgl. Kahl/ Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 41; Maunz/Dürig/Ibler, GG, 64. EL 2012, Art. 87 Rn. 165; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 264 ff.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 172. 23 Kahl/Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 25; vgl. ausführlich zu den weiteren Kompetenztiteln Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 334 ff. 18

II. Begriff der Sozialversicherung

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Versicherungswesen in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG abzugrenzen.24 Andererseits ist der Begriff „Sozialversicherung“ nicht so zu verstehen, dass er nur die bei Erlass des Grundgesetzes historisch überkommenen „klassischen“ vier Versicherungszweige (Kranken-, Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) umfasst.25 Vielmehr wird „Sozialversicherung“ vom Bundesverfassungsgericht als verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff verstanden, der alles umfasst, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt.26 Dabei ist die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem der Sozialversicherung zulässig, wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Bewältigung ihrer Durchführung dem Bild entsprechen, das durch die überkommene Sozialversicherung geprägt ist.27 Es können also neue Zweige oder Teilzweige der Sozialversicherung begründet werden, die nach dem überkommenen System funktionieren. Dies ist der Fall, wenn die folgenden vier Merkmale kumulativ vorliegen:28 1. Versicherungscharakter:29 Zur Sozialversicherung gehört „die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“30, mithin muss ein sozialversicherungstypischer Bedarf vorliegen. Ein individuelles Risiko ist dabei jedoch nicht not24 Vgl. zu diesem Kahl/Waldhoff/Walter/Rengeling/Szcekalla, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 11 Rn. 138 ff.; Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 344 ff. 25 Zur Einführung der Pflegeversicherung vgl. BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197, 215. 26 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105, 112; vgl. Kahl/Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 25 ff.; ausführlich Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 84 ff. 27 St. Rspr., BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105, 112. So auch BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 1982 – 2 BvL 12/79, BVerfGE 62, 354, 366; BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 1, 35; BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 146 ff.; BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44/86, 48/87, BVerfGE 81, 156, 185 f.; BVerfG, Urt. v. 7. 7. 1992 – 1 BvL 51/86, 50/87, 1 BvR 873/90, 761/91, BVerfGE 87, 1, 34; BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92, BVerfGE 88, 203, 313; vgl. Kahl/Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 27; ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 151 ff.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 201 ff.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 100 ff. 28 Vgl. Kahl/Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12, Rn. 28 ff.; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 168 ff. 29 Dazu ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 181 ff.; Überblick über Positionen im Streit um die Versicherungsqualität der Sozialversicherung bei Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 18 ff.; vgl. auch Kahl/Waldhoff/ Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 31 ff.; Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 105 ff. 30 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105, 112.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

wendig, da die Sozialversicherung nicht vom Risikobegriff der Privatversicherung ausgeht; sie enthält vielmehr auch ein Stück staatlicher Fürsorge.31 2. Soziale Ausgleichsfunktion:32 Das Bundesverfassungsgericht betont den Unterschied zwischen der privaten und der gesetzlichen (Sozial-)Versicherung durch Modifikationen des Versicherungsprinzips im Sinne eines sozialen Ausgleichs innerhalb der Versicherung:33 „Der versicherungsmäßige Risikoausgleich wird in der Sozialversicherung mit einem sozialen Ausgleich innerhalb der Versichertengemeinschaft verbunden.“34 Beispiele sind der Gedanke der Familienversicherung, also der beitragsfreien Mitversicherung von Familienmitgliedern, und die umverteilende Wirkung durch die einkommensbezogene Bemessung der Beiträge. 3. Organisation durch selbstständige Träger:35 Kennzeichnend für das Vorliegen von Sozialversicherung ist zudem die Art und Weise der organisatorischen Bewältigung der Aufgabe, nämlich in mittelbarer Staatsverwaltung durch selbstständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts.36 31 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105, 114, mit Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 22. 1. 1959 – 1 BvR 154/55, BVerfGE 9, 124, 133; BVerfG, Beschl. v. 27. 10. 1959 – 2 BvL 5/56, BVerfGE 10, 141, 166. 32 Dazu ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 219 ff.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 253 ff.; Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, S. 165 ff.; auch Kahl/Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 34 f.; Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 183 ff. 33 St. Rspr., BVerfG, Beschl. v. 22. 1. 1959 – 1 BvR 154/55, BVerfGE 9, 124, 133 – Armenrecht; BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105, 114 – Kindergeld; BVerfG, Urt. v. 24. 7. 1963 – 1 BvL 30/57, 11/61, BVerfGE 17, 1, 9 – Witwenrente; BVerfG, Beschl. v. 2. 5. 1967 – 1 BvR 578/63, BVerfGE 21, 362, 378 – Sozialversicherungsträger; BVerfG, Beschl. v. 27. 5. 1970 – 1 BvL 22/63, 27/64, BVerfGE 28, 324, 348 f. – Heiratswegfallklausel; BVerfG, Beschl. v. 6. 5. 1975 – 1 BvR 332/72, BVerfGE 39, 316, 330 – Kinderzuschuss in der Knappschaft; BVerfG, Beschl. v. 18. 6. 1975 – 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121, 134 ff. – Waisenrente II; BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 1982 – 2 BvL 12/79, BVerfGE 62, 354, 366 – Heilfürsorgeansprüche der Soldaten; BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 1, 35 – Schornsteinfegerversorgung; BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 146 – Künstlersozialversicherung; BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44/86, 48/87, BVerfGE 81, 156, 185 – Arbeitsförderungsgesetz 1981; BVerfG, Urt. v. 7. 7. 1992 – 1 BvL 51/86, 50/87, 1 BvR 873/90, 761/91, BVerfGE 87, 1, 34 – Trümmerfrauen; BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92, BVerfGE 88, 203, 313 – Schwangerschaftsabbruch II. 34 BVerfG, Urt. v. 6. 5. 1964 – 1 BvR 320/57, 1 BvR 70/63, BVerfGE 18, 1, 9 – Waisenrente I. 35 Dazu ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 243 ff.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 116 f.; vgl. auch Axer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12, Rn. 36 ff.; Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 244 ff. 36 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105, 113; so auch BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 1982 – 2 BvL 12/79, BVerfGE 62, 354, 366; 63, 1 (35); BVerfG 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108,

II. Begriff der Sozialversicherung

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4. Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge der Beteiligten:37 Die Träger der Sozialversicherung bringen ihre Mittel durch die Beiträge der an der Sozialversicherung Beteiligten auf, wobei als Beteiligte herkömmlich die Versicherten und ihre Arbeitgeber angesehen werden, deren Heranziehung zugunsten der Arbeitnehmer als Auswirkung eines Fürsorgeprinzips angesehen wird, von dem das moderne Arbeitsverhältnis geprägt ist.38 Die Beitragslast kann teilweise oder gar vollständig durch Dritte getragen werden, sofern sachorientierte Anknüpfungspunkte in den Beziehungen zwischen den Versicherten und den Beitragspflichtigen bestehen.39 Dies verdeutlicht der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur Künstlersozialversicherung aus dem Jahr 1987: „Eine solche Rechtfertigung kann sich indes aus spezifischen Solidaritäts- oder Verantwortlichkeitsbeziehungen zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten ergeben, die in den Lebensverhältnissen, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und weiterentwickeln, angelegt sind. Solche Beziehungen, die von einer besonderen Verantwortlichkeit geprägt sind, können z. B. aus auf Dauer ausgerichteten, integrierten Arbeitszusammenhängen oder aus einem kulturgeschichtlich gewachsenen besonderen Verhältnis gleichsam symbiotischer Art entstehen. Das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist der in der modernen Erwerbs- und Industriegesellschaft weithin typische und nach der Dichte der ihm zugrundeliegenden Sozialbeziehung beispielhafte, aber – auch nach geltendem Sozialversicherungsrecht – nicht etwa der einzige Fall einer solchen spezifischen Verantwortlichkeit.“40 Eine solche Verantwortlichkeit hat das Bundesverfassungsgericht an genannter Stelle für die Beziehung zwischen selbstständigen Künstlern und Publizisten auf der einen sowie deren Vermarktern auf der anderen Seite bejaht.41 146; BVerfG, Urt. v. 7. 7. 1992 – 1 BvL 51/86, 50/87, 1 BvR 873/90, 761/91, BVerfGE 87, 1, 34; BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92, BVerfGE 88, 203, 313. 37 Dazu Kahl/Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 39 ff.; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 256 ff.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip in der Sozialversicherung, 2000, S. 117 ff. 38 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105, 113; BVerfG, Beschl. v. 16. 10. 1962 – 2 BvcL/27/60, BVerfGE 14, 312, 318; BVerfG, Beschl. v. 8. 12. 1982 – 2 BvL 12/79, BVerfGE 62, 354, 366; BVerfG, Beschl. v. 12. 1. 1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, 1, 35; BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/ 82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 146; BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44/86, 48/87, BVerfGE 81, 156, 185; BVerfG, Urt. v. 7. 7. 1992 – 1 BvL 51/86, 50/87, 1 BvR 873/90, 761/91, BVerfGE 87, 1, 34; BVerfG, Urt. v. 28. 05. 1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92, BVerfGE 88, 203, 313; BVerfG, Beschl. v. 5. 10. 1993 – 1 BvL 34/81, BVerfGE 89, 132, 144; BVerfG, Beschl. v. 10. 11. 1998 – 1 BvR 2296/96, 1081/97, BVerfGE 99, 202, 213; vgl. Kahl/Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 40. 39 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 147 – Künstlersozialversicherung. 40 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 158 f. 41 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 158 f.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

Weitere überkommene Merkmale, wie die Beschränkung auf eine Arbeitnehmerversicherung für Notlagen,42 der Zwangsversicherungscharakter43 oder die Gewährung von Staatszuschüssen zur Sozialversicherung44, haben dagegen nur indiziellen Charakter für das Vorliegen von Sozialversicherung.45 Dass hieraus auch praktisch wichtige Grenzen der Finanzierung folgen hat jüngst noch einmal das Bundessozialgericht in seinem bereits eingangs zitierten aktuellen Urteil zur Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung so wie in § 20a SGB V vorgesehen deutlich gemacht: „Die verfassungsrechtlich vorgegebene organisatorische Selbstständigkeit der Sozialversicherung setzt auch der Verwendung und dem Transfer von Mitteln der Sozialversicherung Grenzen. Die Legitimation der Beitragsbelastung beschränkt sich auf die Finanzierung im Binnensystem der Sozialversicherung. Sie erstreckt sich grundsätzlich nicht auf die Finanzierung von Leistungen an Dritte außerhalb der Sozialversicherung …. Auch ein Transfer von Mitteln der Sozialversicherung setzt voraus, dass sie für Zwecke im Binnensystem der Sozialversicherung verwendet werden … Die erhobenen Geldmittel dürfen allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden; zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner sonstigen Glieder stehen sie nicht zur Verfügung …. Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt … Die Sozialversicherungsbeiträge sollen wegen ihrer strengen Zweckbindung weder den Bund oder die Länder noch sonstige staatliche Aufgabenträger zu eigenverantwortlichen finanziellen Entscheidungen befähigen. Sie eröffnen keine haushaltspolitischen Entscheidungsspielräume. Es handelt sich für Bund und Länder vielmehr um Fremdgelder, die der eigenen Haushaltsgewalt entzogen sind. Ein Transfer von Sozialversicherungsbeiträgen zwischen einer KK und der unmittelbaren Staatsverwaltung kommt nicht in Betracht … Bei dem Begriff der Sozialversicherung, wie ihn Art 74 Abs 1 Nr 12 und Art 120 Abs 1 Satz 4 GG verwenden und er auch Art 87 Abs 2 GG zugrunde liegt, handelt es sich um einen weit gefassten verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff, der alles umfasst, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt … Andererseits genügt es nicht, dass eine Regelung in irgendeiner Weise allgemein der ,sozialen Sicherheit‘ zugeordnet werden kann; vielmehr muss geprüft werden, ob dieses Ziel gerade auf dem spezifischen Weg der Sozialversicherung erreicht werden soll. Kennzeichnend sind insbesondere die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit, die organisatorische Durchführung durch selbstständige An42 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190/58, 1 BvR 363/58, 1 BvR 401/58, 1 BvR 409/58, 1 BvR 471/58, BVerfGE 11, 105, 113; BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 146; vgl. dazu Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 302 ff. 43 BVerfG, Beschl. v. 25. 2. 1960 – 1 BvR 239/52, BVerfGE 10, 354, 369; BVerfG, Beschl. v. 26. 11. 1964 – 1 BvL 14/62, BVerfGE 18, 257, 258; vgl. dazu Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 306 f. 44 BVerfG, Beschl. v. 30. 9. 1987 – 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 (301, 307); vgl. zu diesen Reiter, FS für Franz Klein, 1994, S. 1101 ff.; Kranz, Die Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung, 1998; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 307 ff. 45 Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 170 f.; Kahl/Waldhoff/ Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 29.

II. Begriff der Sozialversicherung

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stalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die abzudeckenden Risiken und die Mittelaufbringung durch Beiträge der Beteiligten … Die Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Sozialversicherung und den Aufgaben der Gesamtgesellschaft ist verfassungsrechtlich nicht im Einzelnen vorgegeben, sondern politischer Natur und vom Gesetzgeber zu treffen … Dieser ist auch nicht verpflichtet, die Systeme sozialer Sicherheit in Selbstverwaltung auszugestalten … Er kann soziale Sicherheit auch in unmittelbarer Staatsverwaltung organisieren. Allerdings kann er sich dann nicht auf den Kompetenztitel des Art 74 Abs 1 Nr 12 GG stützen, sondern es bedarf anderer Kompetenztitel, etwa dem der öffentlichen Fürsorge (Art 74 Abs 1 Nr 7 GG…). Und er darf sich auch nicht der organisatorischen und finanziellen Mittel der Sozialversicherung bedienen“.46

Die Herleitung überzeugt und macht deutlich: Die Beiträge der Versicherten müssen den Versicherten zugutekommen gesamtgesellschaftliche Aufgaben dürfen nicht durch die Beitragszahler finanziert werden.47 Dementsprechend formulieren die Kasseler Richter ihr nachfolgendes obiter dictum: „Ob die fehlende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine konzeptionelle Präventionspolitik dadurch ,konstruiert‘ werden kann, dass die Leistungen formal auf ,in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte‘ beschränkt werden, kann vorliegend dahingestellt bleiben … Dafür sprechen zwar der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Sozialversicherung … Dass die Leistungen reflexhaft auch Nichtversicherten zugutekommen (sog. Overspill-Effekt), steht einer Zuordnung zur Sozialversicherung grundsätzlich nicht entgegen … Andererseits steht die formale Beschränkung der Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere in Lebenswelten (sog. Verhältnisprävention) auf Versicherte der GKV im Widerspruch dazu, dass diese Leistungen konzeptionell-inhaltlich nach wie vor als gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe ausgestaltet sind, an der neben den KKn auch andere Akteure auf Bundes,– Länder- und kommunaler Ebene sowie Unternehmen der privaten Kranken- und Pflegeversicherung beteiligt sind (vgl. §§ 20d f SGB V…).“48 46 BSG, Urt. v. 18. 4. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn. 53 ff. (interne Nachweise ausgelassen) Andere hatten das bereits so gesehen: vgl. auch Schmidt am Busch, in: Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein (Hrsg.), Rechtswissenschaftliche Fragen an das neue Präventionsgesetz, 2016, S. 35 ff.; Schuler-Harms, in: Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein (Hrsg.), a.a.O., S. 13, 28 ff.; dies., SDSRV 67 (2018), S. 27, 42; Kemmler, in Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein (Hrsg.), a.a.O., S. 61, 74 ff.; Kiefer, SDSRV 67 (2018), S. 45, 56; Wallrabenstein, Einbindung der Gesetzlichen Krankenversicherung in die Aufgaben- und Ausgabenzuweisung des Präventionsgesetzes, Gutachten im Auftrag des AOK-Bundesverbandes GbR vom 14. 4. 2015, Bl. 113 ff. der Gerichtsakten des LSG; wohl auch Pitschas, VSSR 2018, 235, 247; Wenner, in: Prütting (Hrsg.), Medizinrecht, 5. Aufl 2019, § 20a SGB V Rn. 2; a.A. Gutachten WD 9 – 128/14 der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags 2015, abrufbar unter www.bundestag.de; Axer, KrV 2015, 221, 225 f.; ders., in: Spiecker genannt Döhmann/Wallrabenstein (Hrsg.), a.a.O., S. 43 ff.; Luik, in: Krauskopf, SozKV/ PV, § 20a SGB V Rn. 17 f., Stand März 2020; Schifferdecker, in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 20a Rn. 8, Stand September 2020; Welti, in: Becker/Kingreen, SGB V, 7. Aufl 2020, § 20a Rn. 12; differenzierend Schütze, in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 20a Rn. 34 f. 47 So auch BVerfG, Beschl.v. 22. 5. 2018 – 1 BvR 1728, 1756/12, BVerfGE 149, 50 (77 Rn. 77 f.). 48 BSG, Urt.v.18. 5. 2021 – 1 A 2/20 R, Rn. 60.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

III. Begriff der Fremdlast 1. Finanzverfassungsrechtliche Unterscheidung von Gemeinlast und Sonderlast Das Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes sieht als Hauptfinanzierungsmittel für staatliche Aufgaben die Steuer an (Prinzip des Steuerstaates).49 Dies gilt zumindest für die allgemeinen Staatsaufgaben, die sog. Gemeinlasten, die durch Steuern zu finanzieren sind, wobei es im Wesen der Steuer liegt, dass diese unabhängig von einer besonderen Gegenleistung und anknüpfend an die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erhoben wird.50 Den Gemeinlasten stehen sog. Sonderlasten gegenüber: Bestimmte staatliche Tätigkeiten werden nur von ausgewählten Bürgern in Anspruch genommen. Daher kann es gerechtfertigt sein, den Nutzern dieser staatlichen Leistung eine spezielle Finanzierungsverantwortung in Form von Gebühren oder Beiträgen (so genannten Vorzugslasten oder Kausalabgaben) aufzuerlegen. Bezüglich des Finanzierungsprinzips tritt bei den Sonderlasten an die Stelle des Leistungsfähigkeitsprinzips das Äquivalenzprinzip.51 Bemessungsgrundlage ist also nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, etwa das Einkommen, sondern der Wert der erhaltenen Leistung.

2. Sozialversicherungsrechtliche Unterscheidung von Solidarlast und Fremdlast Eine der soeben dargestellten ähnliche Unterscheidung lässt sich auch in der Sozialversicherung vornehmen, nämlich jene zwischen Versicherungsleistungen, sog. Solidarlasten, auf der einen und versicherungsfremden Leistungen, sog. Fremdlasten, auf der anderen Seite. Dabei verhält sich das sozialversicherungsrechtliche Verhältnis von Solidar- zu Fremdlast genau umgekehrt zum finanzverfassungsrechtlichen Verhältnis von Gemein- zu Sonderlast: Während in der Finanzverfassung des Grundgesetzes die eindeutige Präferenz für die Gemeinlast jede Sonderlast rechtfertigungsbedürftig erscheinen lässt, ist die Sozialversicherung im Ausgangspunkt und Kern als Sonderlast konzipiert, wodurch die Übernahme von 49 BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 299; BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 – 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 178; BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1995 – 2 BvR 413/88, 1300/93, BVerfGE 93, 319, 342; Isensee/Kirchhof/Waldhoff, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 116 Rn. 5; Isensee/ Kirchhof/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 118 Rn. 1 ff. 50 Zum Steuerbegriff Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 67 ff. 51 Grundsätzlich Schmehl, Das Äquivalenzprinzip im Recht der Staatsfinanzierung, 2004; zu Gebühren etwa Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 116 ff.; zu Beiträgen ebd. Rn. 137 ff.

IV. Unterscheidung von systemimmanenten und systemfremden Fremdlasten

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Gemeinlasten in der Sozialversicherung im Grundsatz ausgeschlossen ist.52 Dem die Sozialversicherung prägenden Versicherungsprinzip entspricht auf Seiten der Finanzierung der Sozialversicherung das Äquivalenzprinzip.53 Ein Einsatz von Mitteln aus den Sozialversicherungsbeiträgen zur Deckung allgemeiner Staatsaufgaben ist daher grundsätzlich ausgeschlossen: „Der grundrechtlich gebundene Sozialversicherungsbeitrag ist damit als indisponible Finanzmasse generell kein tauglicher Gegenstand finanzverfassungsrechtlicher Verteilungsmechanismen. […] [D]ie Finanzmasse der Sozialversicherung [ist] tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt […] und ein Einsatz von Sozialversicherungsbeiträgen zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats unzulässig“.54

IV. Unterscheidung von systemimmanenten und systemfremden Fremdlasten Der Begriff der Fremdlast bleibt jedoch zunächst unscharf. In der Literatur finden sich unterschiedlichste Definitionsvorschläge55 und Auflistungen von Leistungen, die von den einzelnen Autoren als Fremdlasten angesehen werden.56

1. Rechtsprechung des Bundessozialgerichts: Entbehrlichkeit einer Definition von Fremdlasten Das Bundessozialgericht hat 1985 dem Gesetzgeber einen weiten, auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützten und daher von steuerrechtlichen Zuständigkeiten un52

Vgl. Kirchhof, NZS 1999, 161, 164. Zum versicherungstechnischen Äquivalenzprinzip vgl. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 71 ff. 54 BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/0, BVerfGE 113, 167, 205; BVerfG, Beschl v. 22. 5. 2018 – 1 BvR 1728/1756/12, BVerfGE 149, 50 (77 Rn. 77 f.); vgl. auch Kahl/Waldhoff/ Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 41. 55 Vgl. nur die Nachweise bei Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 32 ff.; sowie Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 195 ff.; wenig klar zum Beispiel die Begriffsbestimmung bei Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 295 ff.; Raffelhüschen/Moog/Vatter, Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung, 2011, S. 8; für die gesetzliche Krankenversicherung Fichte, Versicherungsfremde Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, 2010, S. 19 f. 56 Ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 59 ff.; vgl. auch Rolfs, Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 212 ff.; Leisner, NZS 1996, 97, 99; für die Rentenversicherung Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, S. 18 ff; für die gesetzliche Kranken- und die soziale Pflegeversicherung Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Versicherungsfremde Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der Sozialen Pflegeversicherung Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 051/16, S. 5. 53

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

abhängigen Spielraum eingeräumt, seine Beitragsregelungen auch als Instrument des sozialen Ausgleichs innerhalb der Solidargemeinschaft der Versicherten einzusetzen. Dadurch hat es die Frage der Zulässigkeit von Fremdlasten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung vollständig entzogen und sie zu einer rein politischen Entscheidung erklärt; eine Definition des Begriffs „Fremdlast“ könnte dadurch entbehrlich geworden sein.57 Eine gegen diese Entscheidung gerichtete Verfassungsbeschwerde ist vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden.58 Bei dieser Einschätzung ist es in einem weiteren Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1998 geblieben.59 Erneut ist die anschließende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen worden.60

2. Beschränkung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf systemimmanente Fremdlasten Eine Bestätigung der Ansicht des Bundessozialgerichts lässt sich den Nichtannahmebeschlüssen des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht entnehmen.61 Vielmehr ist zunächst die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Zulässigkeit von versicherungsfremden Leistungen zu untersuchen. Dabei benutzt auch das Bundesverfassungsgericht den Begriff der Versicherungsfremdheit letztlich ungenau. Es ist erneut an die vier Charakteristika von „Sozialversicherung“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu erinnern, insbesondere daran, dass der versicherungsmäßige Risikoausgleich durch das Merkmal des sozialen Ausgleichs modifiziert wird. Diese sozialen Aspekte werden vom Bundesverfassungsgericht teilweise – wenn auch nur in einigen Entscheidungen zum sozialen Ausgleich in der Sozialversicherung62 – als versicherungsfremde Gesichtspunkte bezeichnet, so in der Witwenrenten-Entscheidung aus dem Jahr 1963: 57

BSG, Urt. v. 17. 12. 1985 – 12 RK 38/83, SozR 2200 § 1385 Nr. 16 Rn. 23 –, juris; zustimmend Reiter, FS für Franz Klein, 1994, S. 1101, 1117; Kahl/Waldhoff/Walter/Hebeler, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 171. EL 2015, Art. 120 Rn. 54. 58 BVerfG, Beschl. v. 12. 6. 1987 – 1 BvR 476/86, SozR 2200 § 1385 Nr. 17. 59 BSG, Urt. v. 29. 1. 1998 – B 12 KR 35/95 R BSGE 81, 276 – 288, SozR 3 – 2600 § 158 Nr. 1, Rn. 22; kritisch Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, 73. 60 BVerfG, Kammerbeschl. v. 29. 12. 1999 – 1 BvR 679/98, juris. 61 Nachweise zu Zustimmung und Kritik an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 20. 62 Die Gleichsetzung des sozialen Ausgleichs mit Versicherungsfremdheit findet sich beispielsweise nicht in BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190/58, 1 BvR 363/58, 1 BvR 401/58, 1 BvR 409/58,1 BvR 471/58, BVerfGE 11, 105, 114; BVerfG, Beschl. v. 21. 6. 1960 – 1 BvL 10, 25/58, BVerfGE 11, 221, 226; BVerfG, Beschl. v. 19. 7. 1967 – 2 BvL 1/65, BVerfGE 22, 241, 253; BVerfG, Beschl. v. 27. 5. 1970 – 1 BvL 22/63, 27/64, BVerfGE 28, 324, 349; BVerfG, Urt. v. 12. 3. 1975 – 1 BvL 15, 19/71, 32/73, 1 BvR 297, 315/71, 407/72, 37/73, BVerfGE 39, 169, 186; BVerfG, Beschl. v. 18. 6. 1975 – 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121, 136; BVerfG, Urt. v. 6. 6.

IV. Unterscheidung von systemimmanenten und systemfremden Fremdlasten

31

„Die Leistungen der Sozialversicherung knüpfen demgegenüber nicht nur an die Beitragszahlungen, sondern auch an bestimmte persönliche Verhältnisse an, berücksichtigen also auch ,versicherungsfremde‘, nämlich ,soziale‘ Gesichtspunkte. Der versicherungsmäßige Risikoausgleich wird in der Sozialversicherung mit einem sozialen Ausgleich innerhalb der Versichertengemeinschaft verbunden“.63

Ähnlich formulierte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss aus dem Jahr 1975: „Die deutsche Sozialversicherung, namentlich die Rentenversicherung, beruht seit alters nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern enthält eine starke soziale Komponente […]. Die ,versicherungsfremden‘ Prinzipien der Fürsorge und des sozialen Ausgleichs haben gerade in der Ausgestaltung des Kinderzuschusses ihren Niederschlag gefunden“.64

Auch in der Beamtenversorgungsentscheidung aus dem Jahr 1987 findet sich eine entsprechende Formulierung: „Das Versicherungsprinzip wird […] durch soziale und damit versicherungsfremde Gesichtspunkte zwar nicht vollständig beseitigt, aber doch – im Vergleich zur Privatversicherung – entscheidend modifiziert.“65

„Versicherungsfremd“ bezieht sich hier auf einen Vergleich zur Privatversicherung. Für diese wären die gerichtlich beurteilten Leistungen „fremd“. In Bezug auf die gesetzliche Sozialversicherung gehören sie demgegenüber seit langem zum Erscheinungsbild. Die Judikate des Bundesverfassungsgerichts beziehen sich daher – wie jenes zum Kindergeld66 oder zur Witwenrente67 – in Bezug auf die gesetzliche Sozialversicherung auf versicherungstypische Leistungen, also Leistungen, die der Sozialversicherung zugeordnet werden können, die sich aber auf Mitversicherte erstrecken, beziehungsweise – wie die Entscheidung zum Risikostrukturausgleich68 – auf einen sozialen Ausgleich zwischen verschiedenen Gruppen von Versicherten, daher auf Leistungen, die nur vor einem allgemeinen, übergreifenden Versicherungsprinzip „versicherungsfremd“ sind. Einschränkend gilt dies für die

1978 – 1 BvR 102/76, BVerfGE 48, 346, 357 f.; BVerfG, Urt. v. 28. 2. 1980 – 1 BvL 17/77, 7, 9, 14, 15, 16, 37, 64, 74, 78, 100/78, 5, 16/79, 1 BvR 807/78, BVerfGE 53, 257, 290 ff.; BVerfG, Beschl. v. 16. 6. 1981 – 1 BvL 129/78, BVerfGE 57, 335, 345; BVerfG, Beschl. v. 1. 7. 1981 – 1 BvR 874/77, 322, 324, 472, 543, 694, 752, 753, 754/78, 1 BvL 33/80, 10, 11/81, BVerfGE 58, 81, 110, 113; BVerfG Beschl. v. 17. 7. 1984 – 1 BvL 24/83, BVerfGE 67, 231, 237; BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 1988 – 1 BvL 22/84, 71/86, 9/87, BVerfGE 79, 87, 101 f.; BVerfG, Beschl. v. 4. 6. 1985 – 1 BvL 12/83, BVerfGE 70, 101, 111; BVerfG, Beschl. v. 18. 2. 1998 – 1 BvR 1318, 1484/86, BVerfGE 97, 271, 285. 63 BVerfG, Urt. v. 24. 4. 1963 – 1 BvL 30/57, 11/61, BVerfGE 17, 1, 9; Hervorhebung im Original. 64 BVerfG, Beschl. v. 6. 5. 1975 – 1 BvR 332/72, BVerfGE 39, 316, 330. 65 BVerfG, Beschl. v. 30. 9. 1987 – 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256, 301. 66 BVerfG, Urt. v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190, 363, 401, 409, 471/58, BVerfGE 11, 105. 67 BVerfG, Urt. v. 24. 4. 1963 – 1 BvL 30/57, 11/61, BVerfGE 17, 1. 68 BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/0, BVerfGE 113, 167.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

Einrichtung der Künstlersozialversicherung69, die in gewisser Weise zwischen der Einrichtung eines neuen Zweiges der Sozialversicherung, dem Solidarprinzip und der funktionsangemessenen Finanzierung anhand des Problems fremdnütziger Sozialversicherungsbeiträge steht. Es kann daher in Bezug auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Fremdlasten in der Sozialversicherung von systemimmanenten oder „unechten“ Fremdlasten gesprochen werden – „systemimmanent“ in Bezug auf die gesetzliche Sozialversicherung. Damit sind Fragen des versicherungsimmanenten Risikoausgleichs gemeint, also die intertemporale Umschichtung und die interpersonelle sowie die intergenerationelle Umverteilung.70

3. Begriff der systemfremden Fremdlast Von den systemimmanenten Fremdlasten sind solche Leistungen zu unterscheiden, die nicht dem kompetenzrechtlichen Begriff der Sozialversicherung zugeordnet werden können, da sie primär oder ausschließlich Interessen befriedigen sollen, die außerhalb der Solidargemeinschaft der Beitragszahler der Sozialversicherung liegen, mithin Gemeinwohlbelange zu verwirklichen suchen.71 Diese Leistungen können als systemfremde oder „echte“ Fremdlasten bezeichnet werden. In der Sache handelt es sich um allgemeine Staatsaufgaben. Aufgrund ihrer Gemeinwohldienlichkeit sind sie aus Steuermitteln zu finanzieren. Eine als systemfremde Fremdlast zu charakterisierende Aufgabe verliert daher ihren Charakter als Last, wenn konkrete aus Steuermitteln finanzierte Zuschüsse an die Sozialversicherung geleistet werden, die die der Sozialversicherung aufgrund dieser Aufgabe entstehenden tatsächlichen Kosten vollständig abdecken. An eine solche Aufgabe, deren Kosten konkret durch Zuschüsse abgedeckt sind, sind daher keine weiteren Kriterien anzulegen, es handelt sich insofern um eine „systemfremde Fremd-Nichtlast“.72 Eine solche konkrete Kostenerstattung existiert in der Sozialversicherung jedoch nicht, vielmehr sieht § 221 Abs. 1 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung gerade nur einen pauschalen Ausgleich vor, der – mangels Nachprüfbarkeit der vollständigen Kostenabdeckung – den Lastencharakter von systemfremden Fremdlasten nicht beseitigen kann.73 Mangels konkreter Kostenabdeckung ist daher 69

BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108. 70 Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 228 ff. 71 Ähnlich Leisner, NZS 1996, 97, 100; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 205 m.w.N.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 164. 72 Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 84 ff., 645 f.; so im Ergebnis auch Raffelhüschen/Moog/Vatter, Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung, 2011, S. 8. 73 So im Ergebnis auch Leisner, NZS 1996, 97, 101.

IV. Unterscheidung von systemimmanenten und systemfremden Fremdlasten

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bei einer Aufgabe, die im Verdacht steht, eine systemfremde Fremdlast zu sein, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist. Wird die Eigenschaft der Aufgabe als systemfremde Fremdlast bejaht, hat dies zur Folge, dass die Übertragung der Aufgabe verfassungsrechtlich rechtfertigungsbedürftig ist. Denn da es sich um eine Aufgabe handelt, die Gemeinwohlbelangen dient, wäre diese – wie erwähnt – aus Steuermitteln zu finanzieren, nicht aber – wie es die Folge der Übertragung der Aufgabe auf die Sozialversicherung ohne konkrete Kostenabdeckung ist – durch Sozialversicherungsbeiträge. Stellt sich dagegen heraus, dass die Aufgabe keine systemfremde, sondern eine systemimmanente Fremdlast oder gar keine Fremdlast ist, ist eine Beitragsfinanzierung verfassungsrechtlich ohne Weiteres zulässig. Somit können systemfremde Fremdlasten in Anlehnung an eine Definition von Butzer wie folgt definiert werden: Zunächst sind Fremdlasten „diejenigen finanziellen Lasten, die einem Sozialversicherungsträger dadurch entstehen, daß ihm durch den Gesetzgeber, also von außen, fremde Aufgaben mit Leistungsverpflichtungen auferlegt worden sind oder noch auferlegt werden, ohne daß ihm zugleich eine finanzielle Kompensation für die Erbringung dieser Leistungsverpflichtungen in Form einer Kostenerstattung durch den Staat […] zur Verfügung gestellt wird.“74 Fremdlasten sind zudem als systemfremd „im Sinne des Verbots einer Beitragsfinanzierung […] anzusehen, wenn sich der Bundesgesetzgeber für die Übertragung dieser Aufgabe […] nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stützen kann, weil die Regelung nicht (mehr) dem vom Grundgesetzgeber gemeinten normativ geprägten Strukturtypus ,Sozialversicherung‘ entspricht. Das ist der Fall, wenn die Aufgabenregelung nicht mit den für ,Sozialversicherung‘ maßgeblichen Merkmalen (Versicherung, sozialer Ausgleich, Organisationsform, Beitragsfinanzierung) übereinstimmt oder wenn sie – trotz Übereinstimmung – dennoch nicht dem ,klassischen’ Erscheinungsbild von ,Sozialversicherung‘ zugeordnet werden kann. Die Übertragung der Aufgabe an den Träger kann […] auch dann verfassungswidrig sein, wenn die Grundrechtsbeeinträchtigungen, die in der Beitragserhebung zwecks Finanzierung der Aufgabe liegen, dem Grund oder der Höhe nach gegenüber den Mitgliedern oder beitragspflichtigen Versicherten nicht zu rechtfertigen sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn Leistungen beitragsfinanziert werden, die weder aus dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleichs (eigennützige Beiträge) noch aus dem Gesichtspunkt des (seinerseits vom Gedanken der Solidarität gerechtfertigten) sozialen Ausgleichs im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG legitimiert werden können.“75

Damit ist zwar der Begriff der systemfremden Fremdlasten umrissen, jedoch noch nichts über die Kriterien ausgesagt, mit denen im Einzelnen dem Gemeinwohl und dem Solidarausgleich dienende Aufgaben, mithin systemfremde und systemimmanente Fremdlasten, voneinander abgegrenzt und die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Übertragung von fremdlastverdächtigen Aufgaben auf die Sozialversicherung überprüft werden können.

74 75

Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 92. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 643.

34

B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

V. Verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Zulässigkeit von systemfremden Fremdlasten in der Sozialversicherung 1. Keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu systemfremden Fremdlasten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu solchen systemfremden Fremdlasten finden sich soweit ersichtlich nicht. Der einzige solche Fall, der dem Bundesverfassungsgericht im Jahr 1984 vorlag, hat zu keiner Entscheidung in der Sache geführt, da die konkrete Normenkontrolle bereits für unzulässig erklärt wurde – wohl nicht zuletzt wegen der außerordentlichen Umstrittenheit der Materie sämtlicher Fragen um den Schwangerschaftsabbruch.76 Im zweiten Abtreibungsurteil aus dem Jahr 1993 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts nur die Finanzierung nicht rechtmäßiger Abtreibungen durch die Krankenversicherung untersagt und insofern auf die Sozialhilfe verwiesen, hat jedoch die Frage, ob es sich bei der sozialen Notlagenindikation überhaupt um eine Versicherungsleistung oder nicht vielmehr eine „versicherungsfremde Last“ handele, die aus Steuermitteln zu finanzieren sei, ausdrücklich offen gelassen.77 Der Risikostrukturausgleich wurde vom Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts demgegenüber zutreffend als Maßnahme innerhalb der Sozialversicherung eingeordnet: „Der Risikostrukturausgleich modifiziert damit das klassische Sozialversicherungskonzept nicht inhaltlich, sondern erweitert es lediglich. Der Solidarausgleich wird, wie die Ausgleichsfaktoren Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder, Alter, Geschlecht, Anzahl der Familienversicherten zeigen, nicht nur innerhalb der Krankenkasse, sondern kassenübergreifend durchgeführt. Der Risikostrukturausgleich ist damit das organisatorische Pendant des interpersonalen Sozialausgleichs zwischen den Versicherten.“78 Mithin geht es – anders als bei systemfremden Fremdlasten, die Gemeinwohlbelange zu verwirklichen suchen – eben nicht um außerhalb des Sozialversicherungssystems Stehende. Auch die Entscheidung zur Künstlersozialversicherung79 behandelt die Frage der systemfremden Fremdlasten nicht, da in der Künstlersozialversicherung nicht Außenstehende begünstigt, sondern Nichtversicherte zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werden.

76

Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. 4. 1984 – 1 BvL 43/81, BVerfGE 67, 26. BVerfG, Urt. v. 28. 5. 1993 – 2 BvF 2/90, 4, 5/92, BVerfGE 88, 203, 327 f. 78 BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/0, BVerfGE 113, 167, 217 f. 79 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108. 77

V. Verfassungsrechtliche Maßstäbe

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Damit ist bisher keine verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu systemfremden Fremdlasten und ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit ersichtlich, der entsprechende Kriterien entnommen werden könnten.

2. Übertragung der Sonderabgaben-Judikatur des Bundesverfassungsgerichts auf systemfremde Fremdlasten? Mangels einschlägiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von systemfremden Fremdlasten ist zu überlegen, welche verfassungsrechtlichen Maßstäbe an diese Frage anzulegen sind. Nahe liegt ein Blick auf die Sonderabgaben-Judikatur des Bundesverfassungsgerichts.80 Dabei handelt es sich um inzwischen ausgesprochen differenzierte Überlegungen zu dem Zusammenhang zwischen Abgabenbelastung einerseits und dem Finanzierungszweck andererseits, also genau der hier für die Fremdlasten identifizierten Frage.81 Bei den Sozialversicherungsbeiträgen geht es genauso wie bei den Sonderabgaben um die Finanzierungsverantwortung für einen bestimmten Zweck.82 Auch wenn es nicht zu einer direkten Übertragung dieser finanzverfassungsrechtlichen Figur auf die Finanzierung der Sozialversicherung kommt, helfen die dort entwickelten Kriterien bei der Identifizierung von Fehlfinanzierungen, da die Rechtsprechung bisher nicht bereit war, ihre differenzierten, an den Sonderabgaben entwickelten Kriterien, auch im Bereich der Finanzierung der Sozialversicherung zu erproben. Auf einer anderen Ebene wird später konkret zu untersuchen sein, ob Mitfinanzierungspflichten privater Krankenversicherungen über gemeinsame Fonds sich für diese als rechtfertigungsfähige Sonderabgaben darstellen.83 a) Begriff der Sonderabgabe Zunächst ist der Begriff der Sonderabgabe zu klären.84 Sonderabgaben sind eine prätorische Rechtsschöpfung des Bundesverfassungsgerichts, deren Begrifflichkeit es in der Berufsausbildungsabgabe-Entscheidung 1980 herausgearbeitet hat.85 Sie lassen sich nicht einer der klassischen Abgabenkategorien der grundgesetzlichen 80

Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 272, zu der Diskussion, ob die Sonderabgaben-Judikatur zumindest analog auf sozialversicherungsrechtliche Abgaben anzuwenden ist. 81 Vgl. auch Waldhoff, VVDStRL 66 (2007), 216, 235 ff., 244 ff. 82 Zur Zweckbindung von Sozialversicherungsbeiträgen vgl. F. Kirchhof, NZS 1999, 161, 162 f.; BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/0, BVerfGE 113, 167, 203, 205; Kahl/Waldhoff/ Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 40. 83 S. u. unter B. VI. 84 Vgl. ausführlich Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 153 ff. 85 Vgl. BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 297 ff.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

Finanzverfassung zuordnen, sondern sind ein eigenständiger, verfassungsrechtlicher Abgabentyp. Sonderabgaben zeichnen sich dadurch aus, dass sie einem von der Allgemeinheit der Steuerzahler gesonderten Personenkreis auferlegt werden und in einen Fonds fließen, mithin in aller Regel haushaltsflüchtig sind. Anders als bei Vorzugslasten und wie bei der Steuer steht der Sonderabgabe keine unmittelbare staatliche Geldleistung gegenüber.86 Belastungsgrund ist jedoch anders als bei der Steuer nicht das Leistungsfähigkeitsprinzip, sondern die Gruppenverantwortlichkeit für einen speziellen Finanzierungszweck.87 Auch die Zweckbindung und die Fondsverwaltung, d. h. die Haushaltsflüchtigkeit sind der Steuer fremd. Es können Sonderabgaben mit Finanzierungszweck, bei denen die Finanzierungsfunktion Haupt- oder Nebenzweck sein kann, und so genannte Ausgleichsabgaben ohne Finanzierungszweck unterschieden werden.88 Innerhalb der Sonderabgaben differenziert das Bundesverfassungsgericht weiter zwischen AusgleichsFinanzierungsabgaben als Sonderabgaben im engeren Sinn, deren verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen hier von Interesse sind, und Ausgleichsabgaben ohne Finanzierungszweck, also Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion, die vorliegend sogleich ausgeschlossen werden können.89 b) Sonderabgaben-Judikatur des Bundesverfassungsgerichts aa) Verfolgung eines Sachzwecks Die Gesetzgebungskompetenz für Sonderabgaben ergibt sich nicht aus einer eigenen Abgabenkompetenz, sondern „unter Inanspruchnahme von Kompetenzen zur Regelung bestimmter Sachmaterien, die ihrer Art nach nicht auf Abgabenerhebung bezogen sind“.90 Aufgrund der Konkurrenz der Sonderabgabe mit der Steuer versagt das Grundgesetz dem Gesetzgeber kompetenzrechtlich, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allgemeinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden. Der Gesetzgeber darf sich einer Sonderabgabe also nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der

86

BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 147 f.; BVerfG, Beschl. v. 8. 6. 1988 – 2 BvL 9/85, 3/86, BVerfGE 78, 249, 267; BVerfG, Urt. v. 23. 1. 1990 – 1 BvL 44/86, 48/87, BVerfGE 81, 156, 186 f. 87 Dazu sogleich unter b) aa). 88 BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 256, 277. 89 BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83 BVerfGE 122, 316, 334; vgl. Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 156. 90 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 147.

V. Verfassungsrechtliche Maßstäbe

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über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht.91 Dies ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus den Begrenzungs- und Schutzfunktionen der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG).92 Diese setze für Abgaben, die der Gesetzgeber in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz auferlegt, Grenzen: „Die Finanzverfassung, die die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertragsund Verwaltungskompetenzen im Wesentlichen – neben den Zöllen und Finanzmonopolen – nur für das Finanzierungsmittel der Steuer regelt, schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben verschiedener Art zwar nicht aus; das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabetypen. Die grundgesetzliche Finanzverfassung verlöre aber ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde.“93

Überträgt man die bisher gefundenen Kriterien (hypothetisch) auf Sozialversicherungsbeiträge, liegt ein über die allgemeine Mittelbeschaffung hinausgehenden Sachzweck als Abgaben eigener Art94 grundsätzlich vor, sofern sie der Finanzierung der Sozialversicherung dienen: „Der Gesetzgeber kann sich seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen. Die Finanzmasse der Sozialversicherung ist tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt. Ein Einsatz der Sozialversicherungsbeiträge zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staates ist ausgeschlossen.“95 91 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 147; Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 169 f. 92 BVerfG, Urt. v. 6. 7. 2005 – 2 BvR 2335, 2391/95, BVerfGE 113, 128, 146. 93 BVerfG, Urt. v. 6. 7. 2005 – 2 BvR 2335, 2391/95, BVerfGE 113, 128, 146 f.; ebenso BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 – 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 181; BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1995 – 2 BvR 413/88, 1300/93, BVerfGE 93, 319, 342; BVerfG, Beschl. v. 18. 5. 2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, 387; BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83 BVerfGE 122, 316, 333; zur Schutzfunktion der Kompetenzen im Finanzbereich generell Waldhoff, VVDStRL 66 (2007), 216, 235 ff. m.w.N. 94 H.M., vgl. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, 1973, S. 41 f.; Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 269; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 171 ff.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 124; Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, 199 f.; Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes 2007, 156 ff. 95 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 148; BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 2 BVR 633/86, BVerfGE 91, 186, 201; BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 1999 – 2 BvL 5/95, BVerfGE 101, 141, 148; BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 2003 – 2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01, BVerfGE 108, 186, 212; BVerfG, Beschl. v. 18. 5. 2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, 385; BVerfG, Urt. v. 6. 7. 2005 – 2 BvR 2335, 2391/ 95, BVerfGE 113, 128, 146; BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, BVerfGE 113, 167, 203.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

Dies bedeutet, dass der Sachzweck sich innerhalb der oben ausgeführten vier Merkmale von „Sozialversicherung“ im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bewegen muss: „Soweit gesetzgeberische Regelungen sich sachlich-gegenständlich im Kompetenzbereich Sozialversicherung halten […], sind kompetenzrechtlich auch die zur Finanzierung der Sozialversicherung getroffenen Regelungen unbedenklich. Weitergehende Begrenzungen sind aus Kompetenzgründen weder erforderlich noch angezeigt.“96

Daraus folgt, dass die Abgaben von Beteiligten der Sozialversicherung erhoben werden müssen, sie rechtlich und organisatorisch verselbständigten, demgemäß mit eigener Ertragshoheit versehenen Sozialversicherungsträgern zufließen müssen, und sie dort zur Deckung desjenigen Finanzbedarfs eingesetzt werden müssen, der mit der Erfüllung des Sozialversicherungsauftrags verbunden ist.97 bb) Einzelne Voraussetzungen der Sonderabgaben-Judikatur Die weiteren Anforderungen an die Rechtfertigung von Sonderabgaben sind je nach ihrem Typus unterschiedlich streng. Das Recht der Sonderabgaben ist dabei von einer breiten Kasuistik des Bundesverfassungsgerichts geprägt, wobei das erwähnte Urteil zur Berufsausbildungsabgabe aus dem Jahr 1980 bis heute die Leitentscheidung darstellt. Dort heißt es: „Die außersteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt voraus, daß zwischen den Belastungen und den Begünstigungen, die die Sonderabgabe bewirkt, eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Das ist der Fall, wenn das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also ,gruppennützig‘ verwendet wird […]. ,Fremdnützige‘ Sonderabgaben sind – soweit ihnen nicht schon Bedenken aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 14 GG, entgegenstehen – unzulässig, es sei denn, daß die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigt […]. ,Gruppennützige‘ Verwendung der Abgabe besagt allerdings nicht, daß das Abgabeaufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen zu verwenden ist; es genügt, wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird.“98

Damit ergeben sich drei kumulativ erforderliche Voraussetzungen, um eine Sonderabgabe ausnahmsweise von Verfassungs wegen zulässig werden zu lassen: (1) Homogenität der Gruppe der Abgabepflichtigen Eine vorgefundene homogene gesellschaftliche Gruppe muss belastet werden, die im Hinblick auf den jeweiligen Regelungsgegenstand durch eine vorgegebene ge96 BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 148. 97 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 126. 98 BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 307 f.

V. Verfassungsrechtliche Maßstäbe

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meinsame Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und von anderen Gruppen objektiv abgrenzbar ist.99 Dabei können zur Gruppenbildung neben wirtschaftlich-faktischen Kriterien und normativen Vorprägungen, die sich aus anderweitigen Regelwerken ergeben, Wertungen herangezogen werden, die der Gesetzgeber selbst bei der Einführung und Ausgestaltung der Sonderabgabe vorgenommen hat.100 Die Gruppenbildung steht jedoch nicht zur freien Disposition des Gesetzgebers, vielmehr hat sie nur anhand von Gesichtspunkten zu erfolgen, die in der Rechts- und Sozialordnung vorgegeben sind.101 Das Bundesverfassungsgericht stellt wegen des Ausnahmecharakters der Sonderabgabe dabei hohe Anforderungen.102 Die Homogenität der Gruppe der Abgabenpflichtigen ist das zentrale Element zur Rechtfertigung von Sonderabgaben und führt meist zu einer Vorentscheidung über die Zulässigkeit der Sonderabgabe. Dies folgt schon aus dem Gebot der Dreifach-Kongruenz: Die Gruppe der Abgabenpflichtigen muss grundsätzlich identisch mit der Gruppe der Zweckverantwortlichen und der Gruppe der potenziell Begünstigten sein, sodass Anforderungen an eine der Gruppen auch für die anderen gelten, bildlich gesprochen vor die Klammer gezogen werden.103 Entscheidend ist der mit der Sonderabgabe verfolgte Zweck: So muss jedes Gruppenmitglied das Merkmal einer besonderen Nähe zu dem mit der Abgabe verfolgten Zweck aufweisen, das heißt, bei typisierender Betrachtung die Gefahr, der die Sonderabgabe begegnen will, entweder aktiv mitverursacht haben oder dieser Gefahr in spezifischer Weise passiv ausgesetzt sein. Dabei ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei, die Gruppe nach Maßgabe eines gemeinsamen Merkmals so zu definieren, dass sie nebeneinander aus Gefährdern und Gefährdeten besteht.104 Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde in der Kohlepfennig-Entscheidung105 zwischenkonsolidiert: Danach treffe die Allgemeinheit der Stromverbraucher keine besondere Finanzierungsverantwortung für die Aufgabe der Förderung des Steinkohleeinsatzes zur Stromerzeugung. Die bloße Nachfrage von Haushalten und der Industrie nach dem gleichen Wirtschaftsgut 99

BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 305 f.; st. Rspr. Vgl. Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 166. 101 St. Rspr., vgl. BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 305 f.; BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 256, 276; BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 – 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 180; BVerfG, Beschl. v. 24. 1. 1995 – 1 BvL 18/93, 1 BvL 5/94, 1 BvL 6/94, 1 BvL 7/94, 1 BvR 403/ 94, 1 BvR 569/94, BVerfGE 92, 91, 120. 102 BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 2 BVR 633/86, BVerfGE 91, 186, 201 ff.; st. Rspr. 103 Vgl. Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, Rn. 164. 104 Vgl. ausführlich Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 166. 105 BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 2 BVR 633/86, BVerfGE 91, 186. 100

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

forme die Verbraucher nicht zu einer „homogenen Gruppe“ mit Finanzierungsverantwortung für diese Aufgabe. Der Kreis der Stromverbraucher sei nahezu konturenlos und gehe in der Allgemeinheit der Steuerzahler auf:106 „Die mit einer Sonderabgabe eingeforderte Finanzverantwortung findet keine homogene Gruppe vor, deren gemeinsame Interessenlage eine besondere Sachnähe zur Kohleverstromung begründete. Die Art der Stromproduktion ist für die Stromverbraucher unerheblich; ihr paralleles Interesse zielt eher auf die Sicherheit der jeweils individuellen Versorgung als Reflex der allgemeinen Versorgungssicherheit. Die Sicherstellung der Strom- oder Energieversorgung aber ist ein Interesse der Allgemeinheit, das deshalb als Gemeinlast – durch Steuer – finanziert werden muß.“107

Übertragen auf die Sozialversicherung bedeutet dies, dass zwar Solidarverpflichtungen zwischen den verschiedenen Versicherten existieren, sich aber Finanzierungsverantwortlichkeiten zwischen den Versicherten nicht schon daraus ergeben, dass die Versicherten vergleichbaren Risiken unterliegen, die zu einem vergleichbaren Bedarf führen können.108 Vielmehr ist auch hier im Rahmen der Überprüfung der Homogenität der zur Finanzierung herangezogenen Gruppe insbesondere darauf zu achten, dass diese nicht in der Allgemeinheit der Steuerzahler aufgeht. (2) Sachnähe Das Bundesverfassungsgericht verlangt sodann eine spezifische Sachnähe zwischen der homogenen Gruppe und dem zu finanzierenden Zweck, aus der sich eine besondere Gruppenverantwortung ergibt: „Die mit der Abgabe belastete Gruppe muß dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck evident näherstehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler; andernfalls wäre die Sonderbelastung der durch die Abgabe in Anspruch genommenen Gruppe schon mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Aus dieser zu fordernden Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck muß eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen. Die Aufgabe, die mit Hilfe des Abgabeaufkommens erfüllt werden soll, muß demnach ganz überwiegend in die Sachverantwortung der belasteten Gruppe, nicht in die der staatlichen Gesamtverantwortung fallen. Andernfalls würde es sich bei der Verfolgung des Zwecks um eine öffentliche Angelegenheit handeln, deren Lasten nur die Allgemeinheit treffen dürfen und die deshalb nur mit von der Allgemeinheit zu erbringenden Mitteln, das heißt im wesentlichen mit Steuermitteln finanziert werden darf […]. Angesichts der Bedeutsamkeit der ,Sachnähe‘ für die Zulässigkeit der Erhebung einer Sonderabgabe darf […] die ,Sachnähe‘ nicht als formales und damit ,machbares‘ Kriterium aufgefaßt werden; es wäre dem Gesetzgeber sonst ohne weiteres möglich, die finanzverfassungsrechtlichen Grundentscheidungen des Grundgesetzes zu unterlaufen […]. Der 106 107 108

BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 2 BVR 633/86, BVerfGE 91, 186, 203, 205 f. BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 2 BVR 633/86, BVerfGE 91, 186, 205 f. Vgl. Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, 2001, S. 213.

V. Verfassungsrechtliche Maßstäbe

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Begriff der ,Sachnähe‘ ist daher nach materiell-inhaltlichen Kriterien zu bestimmen, die sich einer gezielten Normierung des Gesetzgebers aus Anlaß der Einführung der Abgabe entziehen. Ob eine bestimmte Gruppe eine ,besondere Sachnähe‘ zu einer bestimmten Aufgabe aufweist, ist mithin unter Anknüpfung an vorgegebene Strukturen der Lebenswirklichkeit bei Berücksichtigung der Rechts- und Sozialordnung zu bestimmen.“109

Inwieweit das Kriterium der Sachnähe neben jenem der Homogenität der Gruppe eigenständige Bedeutung hat, ist unklar, zumal einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – wie beispielsweise jene zum Klärschlamm-Entschädigungsfonds110 – den Begriff der Sachnähe recht weit ausgelegt haben.111 (3) Gruppennützige Mittelverwendung Schließlich muss das Abgabenaufkommen gruppennützig verwendet werden, um eine sachgerechte Verknüpfung zwischen der Belastung und der mit der Sonderabgabe finanzierten Begünstigung herzustellen:112 „Die außersteuerliche Belastung von Angehörigen einer Gruppe setzt voraus, daß zwischen den Belastungen und den Begünstigungen, die die Sonderabgabe bewirkt, eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Das ist der Fall, wenn das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen, also ,gruppennützig‘ verwendet wird […]. ,Fremdnützige‘ Sonderabgaben sind – soweit ihnen nicht schon Bedenken aus den Grundrechten, insbesondere aus Art. 14 GG, entgegenstehen – unzulässig, es sei denn, daß die Natur der Sache eine finanzielle Inanspruchnahme der Abgabepflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen Gründen eindeutig rechtfertigt […]. ,Gruppennützige‘ Verwendung der Abgabe besagt allerdings nicht, daß das Abgabeaufkommen im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen zu verwenden ist; es genügt, wenn es überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet wird.“113

Auch bezüglich der Gruppennützigkeit haben einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts die Tendenz zur Aufweichung des Zulässigkeitskriteriums der Sonderabgaben, so erneut in der Klärschlamm-Entscheidung, die bereits eine „generelle Verbesserung der Bedingungen für eine landbauliche Verwertung“ und 109 BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 306 f.; BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 256, 276; BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 – 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 180; st. Rspr. 110 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. 5. 2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, 390 f. 111 Vgl. Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 172. 112 St. Rspr. vgl. BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 307 f.; BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 256, 276 f.; BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 147 f.; BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 – 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 179 ff.; BVerfG, Beschl. v. 18. 5. 2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, 387 f.; BVerfG, Urt. v. 6. 7. 2005 – 2 BvR 2335, 2391/95, BVerfGE 113, 128, 146; BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83 BVerfGE 122, 316, 334 f. 113 BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 307 f.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

eine „mittelbare Verwendung des Abgabenaufkommens im Interesse der Abgabenpflichtigen“ als ausreichend erachtete,114 während spätere Entscheidungen die Kriterien unverändert streng anwenden. Die Bestimmung des jeweiligen konkreten Nutzens wird in vorliegendem Gutachten für die zu untersuchenden Fragestellungen herauszuarbeiten sein. (4) Zusätzlich: Überprüfungs- und Dokumentationspflichten Neben den drei genannten Kriterien hat das Bundesverfassungsgericht von Beginn der Sonderabgaben-Judikatur an dem Sonderabgaben einführenden Gesetzgeber die Pflicht auferlegt, die Notwendigkeit der Sonderabgabe in regelmäßigen Abständen zu überprüfen: „Der Gesetzgeber ist bei einer auf längere Zeit angelegten Finanzierung einer in die spezifische Verantwortung einer Gruppe fallenden Aufgabe durch Erhebung einer Sonderabgabe von Verfassungs wegen gehalten, stets zu überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des gesetzgeberischen Mittels ,Sonderabgabe‘ aufrechtzuerhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände, insbesondere wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung zu ändern oder aufzuheben ist […]. Denn die Sonderabgabe bedarf – im Gegensatz zur Steuer – als Ausnahmeinstrument der fortdauernden Legitimation durch hinreichende Rechtfertigungsgründe.“115

„Angesichts des Fortschreitens der Sonderabgabengesetzgebung des Bundes und der Länder“116 fordert das Bundesverfassungsgericht seit 2003 vom SonderabgabenGesetzgeber im Interesse einer wirksamen parlamentarisch-demokratischen Legitimation und Kontrolle zudem, die erhobenen Sonderabgaben haushaltsrechtlich vollständig zu dokumentieren.117 Damit soll sowohl für den politischen Prozess wie auch für die Allgemeinheit Transparenz über die verschiedenen Finanzierungswege hergestellt werden.

114

Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. 5. 2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, 392. BVerfG, Urt. v. 10. 12. 1980 – 2 BvF 3/77, BVerfGE 55, 274, 308; vgl. ebenso BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67, 256, 276 f.; BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1990 – 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 180 f.; BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 2 BVR 633/86, BVerfGE 91, 186, 201; BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 1999 – 2 BvL 5/95, BVerfGE 101, 141, 148; Vgl. BVerfG, Beschl. v. 18. 5. 2004 – 2 BvR 2374/ 99, BVerfGE 110, 370, 389. 116 BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 2003 – 2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01, BVerfGE 108, 186, 218. 117 vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. 7. 2003 – 2 BvL 1, 4, 6, 16, 18/99, 1/01, BVerfGE 108, 186, 218 f.; BVerfG, Beschl. v. 18. 5. 2004 – 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370, 389; BVerfG, Urt. v. 6. 7. 2005 – 2 BvR 2335, 2391/95, BVerfGE 113, 128, 150; BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83 BVerfGE 122, 316, 335. 115

VI. Mitfinanzierung von systemfremden Fremdlasten

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VI. Mitfinanzierung von systemfremden Fremdlasten durch Unternehmen der privaten Krankenversicherung Die soeben in Bezug auf die Übertragung von systemfremden Fremdlasten auf die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung beschriebene verfassungsrechtliche Problematik verschärft sich noch, wenn zusätzlich auch Unternehmen der privaten Krankenversicherung zur Mitfinanzierung der systemfremden Fremdlasten gesetzlich herangezogen werden. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Gesetzgeber zur Regelung der Finanzierung von neuen Aufgaben in der Sozialversicherung wie gezeigt auf die Sachkompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zurückgreift. Das privatrechtliche Versicherungswesen ist dagegen im Wortlaut von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG dem Kompetenztitel des Rechts der Wirtschaft zugeordnet. Sofern also Privatversicherung im Sinne einer Bearbeitung individueller (oder einzelwirtschaftlicher) Risiken in den Formen des Privatrechts und auf der Grundlage marktwirtschaftlicher Gegebenheiten118 betroffen ist, ist diese Norm einschlägig. Regelmäßig wird es jedoch um die Erfüllung eines bestimmten Sachzwecks, etwa im Gesundheitswesen gehen; dann ist die jeweils einschlägige Kompetenzgrundlage für diesen Sachzweck zugleich Kompetenztitel für eine der Finanzierung dienenden Sonderabgabe. Bezogen auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG bedeutet dies, dass die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach dieser Norm dort endet, wo nicht mehr allein den Sozialversicherungsträgern, sondern auch Dritten Aufgaben auferlegt werden.119 Daraus, dass der Gesetzgeber etwas als Aufgabe der Sozialversicherungsträger geregelt hat, kann nicht folgen, dass auch ein Tätigwerden Dritter in diesem Aufgabengebiet fortan unter der Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG vom Bund geregelt werden kann, wollte man der Kompetenzzuweisung dieser Norm nicht jede Kontur nehmen.120 Sofern – wie regelmäßig – für die privaten Krankenversicherer der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG damit nicht greift121 und es sich auch nicht um eine unter Art. 74 Abs.1 Nr. 11 GG fallende Ausgestaltung des privaten Versicherungsrechts handelt,122 ist die Übertragung von Aufgaben auf private Krankenversicherer 118 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 78; allgemein zur Interpretation Isensee/Kirchhof/Rengeling, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 234; Sachs/Degenhart, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 74 Rn. 49. 119 So auch Thüsing, Prävention und Gesundheitsförderung im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge, 2013. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Länderpräventionsprogrammen und eines Ländergesundheitsfonds entsprechend dem Beschluss des Bundesrates v. 22. 3. 2014 – BR-Drs. 753/12 – (Gutachterliche Stellungnahme auf Anfrage des Bundesministeriums für Gesundheit), 2013, S. 14. 120 Vgl. Thüsing, Prävention und Gesundheitsförderung im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge, 2013, S. 16 f. 121 Vgl. BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197, 215. 122 Das ist in BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197, 215 ff. zur privaten Pflegepflichtversicherung für den Kontrahierungszwang privater Versicherungsun-

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

dennoch am Grundgesetz zu messen. Neben das stets zu prüfende Erfordernis einer die Regelung abdeckenden Sachkompetenz für den Gesetzgeber treten grundrechtliche Fragen.123 Es handelt sich um Fälle, die unter dem Schlagwort von der „Indienstnahme Privater für öffentliche Aufgaben“ üblicherweise verfassungsrechtlich diskutiert werden.124 Das Bundesverfassungsgericht zieht hier Art. 12 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab heran und hat die Indienstnahme im Ergebnis meistens gerechtfertigt. In den Entscheidungen zur Kuponsteuerabführungspflicht der Banken und der Erdölbevorratungspflicht von Einführern bzw. Herstellern bestimmter Erdölprodukte wurde dies vorrangig damit begründet, dass die gesetzlich auferlegte Pflicht das verlange oder steigere, was die betroffenen Unternehmen ohnehin unternehmerisch täten und mit geringem Aufwand verbunden sei.125 In einer anderen Entscheidung zur unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter durch öffentliche Verkehrsmittel in privater Hand kam zu dem Faktum, dass die Beförderung mittels ohnehin durchgeführter Fahrten erfolgte, zusätzlich ein pauschaler Kostenausgleich staatlicherseits hinzu.126 Die Indienstnahme der Arbeitgeber zur (unentgeltlichen) Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen127 wird wie deren Tätigkeit im Rahmen des Lohnsteuerabzugs überwiegend für grundgesetzkonform gehalten.128 Werden Unternehmen der privaten Krankenversicherung zur Finanzierung von Aufgaben herangezogen, die aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung systemfremde Fremdlasten darstellen, kann sich diese Finanzierungsverpflichtung ihnen gegenüber als eine Sonderabgabe darstellen, deren Verfassungsmäßigkeit anhand der bereits dargestellten, hier nun direkt anzuwendenden SonderabgabenJudikatur des Bundesverfassungsgerichts zu messen ist. Voraussetzung ist, dass diese Aufgabenfinanzierung in Form einer gesetzlich vorgeschriebenen Einrichtung eines gemeinsam mit den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung getragenen Fonds ausgestaltet ist und die privaten Unterneh-

ternehmen bejaht worden; da es sich um den Zwang zum Abschluss von Versicherungsverträgen handelte, ist diese kompetenzielle Einordnung durchaus überzeugend; grundrechtlicher Prüfungsmaßstab war dann auch Art. 2 Abs. 1 und nicht Art. 12 Abs. 1 GG. 123 BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/6, BVerfGE 30, 292, 311. 124 Vgl. grundlegend Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, m.w.N. 125 BVerfG, Beschl. v. 29. 11. 1967 – 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, 380, 385 f.; BVerfG, Beschl. v. 16. 3. 1971 – 1 BvR 52, 665, 667, 754/6, BVerfGE 30, 292, 324 f. 126 BVerfG, Beschl. v. 17. 10. 1984 – 1 BvL 18/82, 46/83, 2/8, BVerfGE 68, 155, 172. 127 BSG, Urt. v. 29. 4. 1976 – 4/12 RJ 106/75, BSGE 41, 296, 301; BSG, Urt. v. 10. 9. 1987 – 12 RK 13/85, BB 1988, 210, 211; zu weiteren sozialrechtlichen Fällen i.w.S. Drüen, Die Indienstnahme Privater für den Vollzug von Steuergesetzen, 2012, S. 41 f. m.w.N. 128 Kritisch demgegenüber G. Kirchhof, Die Erfüllungspflichten des Arbeitgebers im Lohnsteuerverfahren, 2005, der zur Erzielung von Verfassungskonformität eine Vergütung der Leistung vorschlägt.

VI. Mitfinanzierung von systemfremden Fremdlasten

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men in Form einer öffentlich-rechtlichen Abgabe beteiligt sind.129 Kompetenztitel für eine solche Abgabe wäre – aufgrund der Zweckbindung der Sonderabgabe – die jeweilige Sachgesetzgebungskompetenz, die den Zweck betrifft, der zur Rechtfertigung der Sonderabgabe angeben wurde. In Bezug auf die weiteren Voraussetzungen der Sonderabgaben-Judikatur ist schon die Homogenität der Gruppe der Abgabepflichtigen, die hier aus Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung und Unternehmen der privaten Krankenversicherung besteht, zumindest in ihrer Vorfindlichkeit fraglich. Zumindest dürfte jedoch eine besondere Finanzierungsverantwortung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung oftmals fehlen. Auch die gruppennützige Mittelverwendung ist problematisch, da nicht in jedem Fall gewährleistet sein wird, dass die Mittel auch den abgabepflichtigen Unternehmen der privaten Krankenversicherung beziehungsweise den bei ihnen Versicherten zugute kommen.130 Oftmals wird es an der vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur „Sonderabgabe Absatzfonds“ geforderten Evidenz des rechtfertigenden Gruppennutzens fehlen: „Lässt sich eine Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen praktisch ausschließlich mit Blick auf Zweck und Wirkung staatlicher Förderungsmaßnahmen zugunsten der belasteten Gruppe begründen, so bestehen in Bezug auf die gruppennützige Verwendung erhöhte Anforderungen. Der durch die Abgabe zu finanzierende und die Abgabe rechtfertigende Gruppennutzen muss evident sein. […] In Konstellationen […], in denen das Abgabenaufkommen nicht für direkte Zuwendungen an Gruppenmitglieder, etwa zur Befriedigung von Ausgleichsbedarfen, verwendet wird, kann sich der erforderliche greifbare Gruppennutzen vor allem dann ergeben, wenn es bei den staatlichen Fördermaßnahmen um das plausibel begründete Erfordernis geht, erheblichen Beeinträchtigungen entgegenzuwirken oder spezielle Nachteile auszugleichen, die die Gruppenangehörigen besonders betreffen und die von diesen selbst voraussichtlich nicht, oder jedenfalls nicht mit gleicher Erfolgsaussicht kompensiert werden könnten.“131

Letzteres ist in Bezug auf die Beteiligung von Unternehmen der privaten Krankenversicherung bei der Finanzierung von systemfremden Fremdlasten nicht der Fall. Auch wenn die Unternehmen der privaten Krankenversicherung nur faktisch zu einer Beteiligung an der Finanzierung von – aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung – systemfremden Fremdlasten gezwungen werden, ist dies ausnahmsweise verfassungsrechtlich problematisch. Ein solcher faktischer Zwang kann sich dabei insbesondere daraus ergeben, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Gesetzesbegründung und des Gesetzgebungsverfahrens seine Erwartung ausdrückt, die Unternehmen der privaten Krankenversicherung würden sich an der Finanzierung 129 Allgemein zum Abgabenbegriff Ehlers/Fehling/Pünder/Waldhoff, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2021, § 67 Rn. 28 ff. 130 So auch Thüsing, Prävention und Gesundheitsförderung im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge, 2013, S. 40 f. 131 BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83 BVerfGE 122, 316, 337 f.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

der betroffenen Leistungen beteiligen, auch wenn diese Erwartung in Form einer „Einladung“ zur Beteiligung formuliert ist. Zwar bewirkt eine solche Erwartungshaltung des Gesetzgebers zuallererst politischen Druck; dieser kann sich jedoch auf verfassungsrechtlich bedeutsame Weise verdichten, wenn den Unternehmen der privaten Krankenversicherung eine Ablehnung ihrer Beteiligung an der Finanzierung von systemfremden Fremdlasten aus tatsächlichen Gründen schwer fällt. Indizien für eine solche Situation faktischen Zwangs sind in der Gesetzesbegründung oder im Gesetzesverfahren seitens des Gesetzgebers wiederholt gemachte Aussagen, die positiven oder negativen faktischen Zwang ausüben. Ein positiver faktischer Zwang kann sich dabei aus Aussagen ergeben, die die Freiwilligkeit der Beteiligung an der Finanzierung von systemfremden Fremdlasten aufgrund einer Verknüpfung mit anderen, für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung günstigen Gesetzesvorhaben im Rahmen eines „Tauschhandels“ aufheben könnten. Ein negativer faktischer Zwang kann dagegen aufgrund von Aussagen entstehen, die für den Fall der Nichtbeteiligung gesetzgeberische Maßnahmen in Aussicht stellen, die die Unternehmen der privaten Krankenversicherung finanziell stark belasten würden. Eine verfassungsrechtlich erhebliche Intensität wird ein solcher, zuallererst politischer Zwang jedoch wohl äußerst selten erreichen.

VII. Exkurs: Rechtsschutz gegen systemfremde Fremdlasten? Angesichts der dargestellten verfassungsrechtlichen Problematik der Zulässigkeit systemfremder Fremdlasten in der Sozialversicherung stellt sich die Frage des Rechtsschutzes gegen die gegebenenfalls verfassungswidrige, aber dennoch erfolgte oder erfolgende Übertragung solcher Aufgaben auf die Sozialversicherung durch den Gesetzgeber. Zu unterscheiden ist dabei zwischen den Rechtsschutzmöglichkeiten der Sozialversicherungsträger, jenen der Beitragspflichtigen und jenen der Unternehmen der privaten Krankenversicherung.

1. Rechtsschutz der Sozialversicherungsträger Den Trägern der Sozialversicherung steht keine Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen die Übertragung von systemfremden Fremdlasten durch den Gesetzgeber auf die Sozialversicherung (und damit auf sie selbst als deren Träger) zur Verfügung. Dies ergibt sich schon aus ihrer Organisation als Körperschaften beziehungsweise Anstalten des öffentlichen Rechts – Art. 87 Abs. 2 GG – und der grundsätzlichen Grundrechtsunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, jedenfalls

VII. Exkurs: Rechtsschutz gegen systemfremde Fremdlasten?

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soweit sie öffentliche Aufgaben erfüllen.132 Kompetenzfragen sind keine Grundrechtsfragen – zumindest nicht für den kompetenziell Ermächtigten. Somit würde bei entsprechenden Klagen von Sozialversicherungsträgern die Klagebefugnis beziehungsweise das Feststellungsinteresse, bei Verfassungsbeschwerden die Beschwerdebefugnis fehlen; auch ist mangels in Rede stehender subjektiver öffentlicher Rechte der Sozialversicherungsträger eine Berufung auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht möglich.133 Zwar ist im Jahr 1998 eine über viele Jahre bestehende Rechtsschutzlücke, die einerseits in der Ablehnung der Verfassungsbeschwerdebefugnis von Versicherungsträgern, andererseits im Fehlen einer prinzipalen Normenkontrolle von untergesetzlichen Normen lag, durch das Bundessozialgericht geschlossen worden, indem es für die Sozialversicherungsträger den Weg einer Feststellungsklage eröffnet hat, in deren Rahmen inzident die Nichtigkeit untergesetzlicher Normen festgestellt werden kann.134 In Bezug auf die gesetzliche Übertragung neuer Aufgaben bleibt diese Lücke jedoch weiterhin bestehen.

2. Rechtsschutz der Beitragspflichtigen und der Arbeitgeber Nach der bisherigen Rechtsprechung der Sozialgerichte wie auch des Bundesverfassungsgerichts bestehen auch für die Beitragspflichtigen der gesetzlichen Krankenversicherung keine Rechtsschutzmöglichkeiten gegen durch den Gesetzgeber eingeführte oder einzuführende Fremdlasten in der Sozialversicherung.135 Aus Sicht des einzelnen Beitragspflichtigen sei die Leistungsseite, also die Art und Weise der Verwendung des Beitragsaufkommens durch den Träger der Sozialversicherung einer gerichtlichen Überprüfung entzogen. So sei eine sozialgerichtliche Unterlassungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG unzulässig, da kein Rechtsanspruch auf ein Unterlassen einer bestimmten Beitragsverwendung denkbar sei. Eine entsprechende Gesetzes- oder Urteilsverfassungsbeschwerde sei unbegründet. Denn ein solcher Anspruch eines Mitglieds eines öffentlich-rechtlichen Zwangsverbandes auf gene132

BVerfG, Beschl. v. 2. 5. 1967 – 1 BvR 578/63, BVerfGE 21, 362, 369 ff.; BVerfG, Beschl. v. 7. 6. 1977 – 1 BvR 108, 424/73, 226/74, BVerfGE 45, 63, 78; BVerfG, Beschl. v. 8. 7. 1982 – 2 BvR 1187/80, BVerfGE 61, 82, 101; BVerfG, Beschl. 31. 10. 1984 – 1 BvR 35, 356, 794/82, BVerfGE 68, 193, 206, st. Rspr. Für die gesetzlichen Krankenversicherungen explizit auch Isensee/Kirchhof/Axer, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 95 Rn. 13. 133 St. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 2. 5. 1967 – 1 BvR 578/63, BVerfGE 21, 362, 368 ff.; BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 1967 – 2 BvL 4/65, BVerfGE 23, 12, 30; BVerfG, Beschl. v. 9. 4. 1975 – 2 BvR 879/73, BVerfGE 39, 302 312 ff.; BVerfG, Beschl. v. 15. 12. 1987 – 2 BvL 11/ 86, BVerfGE 77, 340, 344; BVerfG, Beschl. v. 23. 1. 1997 – 1 BvR 1317/86, NJW 1997, 1634, 1634; BVerfG, Beschl. v. 1. 9. 2000 – 1 BvR 178/00, NVwZ-RR 2001, 93, 93. 134 BSG, Urt. v. 24. 11. 1998 – B 1 A 1/96 R, BSGE 83, 118, 121 f. zur Zwangsvereinigung von Innungskrankenkassen mittels Rechtsverordnung. 135 Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 660 ff.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

relle Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlicher Mittel ergebe sich mangels subjektiv-öffentlichen Rechts auch nicht aus Grundrechten des Beitragspflichtigen.136 Entsprechende Überlegungen müssten konsequenterweise auch für etwaige Klagen der ebenfalls beitragspflichtigen Arbeitgeber bestehen. Die Rechtsprechung verneint auch die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung der Beitragsseite, also der Beitragsfestsetzung der Höhe nach.137 So sei sowohl eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 1. Alt. SGG als auch eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SGG unbegründet, da das Hinzukommen oder der Wegfall von (systemfremden) Leistungsverpflichtungen nicht zwingend eine Änderung des Beitragssatzes zur Folge habe, da die Sozialversicherungsträger in ihrer Kalkulation frei seien. Dies gelte jedenfalls, solange die die Leistungspflicht festschreibende Norm nicht als verfassungswidrig beseitigt worden sei, wobei – wie soeben gezeigt – eine gerichtliche Überprüfung der Leistungsseite nach der Rechtsprechung gerade nicht möglich ist. Noch nicht ausgelotet scheint jedoch die Parallele zu der Rechtsprechung zur Überschreitung des Aufgabenkreises von öffentlich-rechtlichen Zwangskörperschaften, etwa Industrie- und Handelskammern: Hier können sich die Mitglieder gerichtlich gegen eine Betätigung „ihrer“ Körperschaft wehren.138 Diese Rechtsprechung stößt in der Literatur zu Recht auf Kritik. So ist es mit Blick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG und die dazu ergangene verfassungsrechtliche Rechtsprechung139 nicht überzeugend, an der Verneinung eines subjektiv-öffentlichen Rechts der Beitragspflichtigen festzuhalten, zumal diese Frage anhand eines hochpolitischen Einzelfalls behandelt wurde.140 Die sich hier auch prozessual auswirkende Trennung zwischen der Einnahmen- und der Ausgabenseite in der Sozialversicherung erinnert an das haushaltsrechtliche Gesamtdeckungsprinzip aus dem Finanzverfassungsrecht, wonach alle Einnahmen alle Ausgaben decken und bestimmte Einnahmen daher auch nicht bestimmten Ausgaben zugeordnet werden können (vgl. § 7 HGrG; § 8 Satz 1 BHO). Das ist für die voraussetzungslos gezahlte Steuer konsequent, ja unumgänglich.141 So hat etwa auf dieser Grundlage das Bundesverfassungsgericht eine Klage wegen Steuerverweigerung aus Gewissensgründen (in Höhe des Finanzierungsanteils des Verteidi-

136

BVerfG, Beschl. v. 18. 4. 1984 – 1 BvL 43/81, BVerfGE 67, 26, 37; BVerfG, Beschl. v. 15. 6. 1988 – 1 BvR 1301/86, BVerfGE 78, 320, 331. 137 Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 667 ff. m.w.N. 138 BVerwG, Urt. v. 17. 12. 1981 – 5 C 56.79, BVerwGE 64, 298; ständ. Rspr., zuletzt BVerwF, Urt.v.14. 10. 2020 – 8 C 23/19, NVwZ 2021, 408 – Austritt einer IHK aus ihrem Dachverband. 139 Vgl. zu dieser ausführlich Kahl/Waldhoff/Walter/Schenke, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 207. EL 2020, Art. 19 Abs. 4 Rn. 111 ff., insbesondere 358 ff. zum Begriff der „öffentlichen Gewalt“ i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG. 140 So auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 703. 141 Ausführlich Waldhoff, StuW 2002, 285.

VII. Exkurs: Rechtsschutz gegen systemfremde Fremdlasten?

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gungshaushalts durch einen pazifistischen Pfarrer) zu Recht nicht akzeptiert.142 Das haushaltsrechtliche Gesamtdeckungsprinzip ist für die hier in Rede stehende Frage jedoch der falsche Vergleichspunkt. Demgegenüber ist, da es sich gerade nicht um eine Gemeinlast handelt, als Vergleich wieder die Sonderabgabenjudikatur heranzuziehen. Sie räumt dem einzelnen Abgabepflichtigen die Klagemöglichkeit wegen Fehlfinanzierung gerade ein. Das korrespondiert konsequenterweise mit der Haushaltsflüchtigkeit der Sonderabgabe. Sämtliche Klagen gegen Sonderabgaben können letztlich als Versuch der Durchsetzung der richtigen Finanzierungsverantwortung gedeutet werden. Anders gewendet: Nur hinsichtlich des (allgemeinen) Staatshaushalts überzeugt die strikte Trennung zwischen der Einnahmen- und der Ausgabenseite. Für Parafisci – wie sie auch die Sozialversicherungen darstellen – gilt das Gegenteil. Nimmt man nun ein Bestehen eines subjektiv-öffentlichen Rechts der Beitragspflichtigen an,143 ist die Klagebefugnis einer auf die Leistungsseite bezogenen Unterlassungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG auch dann gegeben, wenn es um eine gesetzliche Übertragung verfassungswidriger systemfremder Fremdlasten geht.144 Da außer bei den Versicherten auch bei den Arbeitgebern und sonstigen Beteiligten an der Sozialversicherung die Verbindung zwischen Aufgabenübertragung und Beitragsverpflichtung besteht, gilt dies auch für jene.145 Daher muss das im Rahmen einer Unterlassungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG angerufene Sozialgericht gegebenenfalls das die Aufgabe zuweisende Gesetz dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vorlegen, wenn es die systemfremde Fremdheit einer auf die Sozialversicherung übertragenen Aufgabe annimmt. Das Bundesverfassungsgericht wiederum muss in der Folge auch die materielle Verfassungsmäßigkeit der Aufgabenzuweisung prüfen.146 Nach Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs kommt zudem eine Verfassungsbeschwerde in Betracht, wobei dann konsequenterweise die Beschwerdebefugnis mindestens aus Art. 2 Abs. 1 GG zu bejahen wäre, der jedermann ein Recht einräumt, nur mit verfassungsmäßigen Abgaben belastet zu werden.147 Aus Versichertensicht kommt daneben insbesondere ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund einer Gleichsetzung der Beitragspflichtigen mit der Allgemeinheit der Steuerzahler in Betracht148 – auch das stellt wieder eine Parallele zu Sonderabgabenrechtsprechung dar. Für die Prüfung eines solchen Verstoßes kann 142 BVerfG, Beschl. v. 26. 8. 1992 – 2 BvR 478/92, StuW 1992, 360; dazu näher Vogel/ Waldhoff, Grundlagen des Finanzverfassungsrechts, 1999, Rn. 573. 143 Vgl. ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 680 ff. 144 So Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 694 ff. 145 Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 699 ff. 146 So auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 702. 147 Waldhoff, VVDStRL 66 (2007), 216 235 f. 148 Vgl. ausführlich Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 409 ff.; Leisner, NZS 1996, 97, 101; Rolfs, Das Versicherungsprinzip im Sozialversicherungsrecht, 2000, S. 231; auch Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 54, allerdings ohne nähere Begründung.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

dabei auf die oben gemachten Ausführungen zum Kriterium „Homogenität der Gruppe der Abgabepflichtigen“ im Rahmen der auf die Prüfung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von systemfremden Fremdlasten in der Sozialversicherung übertragenen Sonderabgaben-Judikatur zurückgegriffen werden.149 Aus Sicht der Arbeitgeber beziehungsweise der weiteren Beteiligten an der Sozialversicherung im Sinne der Künstlersozialversicherungsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts150 kommt aus den bereits für die Versicherten genannten Gründen ebenfalls ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht: Liegt nach der übertragenen Sonderabgaben-Judikatur eine verfassungswidrig auf die Sozialversicherung übertragene systemfremde Fremdlast vor, gilt dies sowohl gegenüber den Versicherten als auch, quasi akzessorisch, gegenüber den Arbeitgebern beziehungsweise den anderen Beteiligten an der Sozialversicherung.151 Einen Schritt in die richtige Richtung hat die Entscheidung zum sog. Aussteuerungsbetrag in der Arbeitslosenversicherung in puncto Rechtsschutzmöglichkeiten gemacht. Hier wandten sich Beschwerdeführer mittels Verfassungsbeschwerde nicht gegen die Übernahme versicherungsfremder Leistungen, sondern argumentierten, durch diese Leistungen seien ihre Beiträge signifikant erhöht worden. Beanstandungen der Beitragshöhe seien rügefähig, so der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts; das führe zur Abgrenzung zu der Entscheidung von 1984.152

3. Rechtsschutz der Unternehmen der privaten Krankenversicherung Anders als bei den Sozialversicherungsträgern und den Beitragspflichtigen stellt sich die Situation für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung dar. Diesen steht eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen systemfremde Fremdlasten in der Sozialversicherung zu, wenn sie zur Mitfinanzierung dieser Fremdlasten gesetzlich verpflichtet sind: So wären Verfassungsbeschwerden der Unternehmen der privaten Krankenversicherung mit der Behauptung, eine der gesetzlichen Krankenversicherung übertragene Aufgabe sei als systemfremde Fremdlast verfassungswidrig und die Verpflichtung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung zur Mitfinanzierung dieser Aufgabe verletze sie in ihren Grundrechten, wegen der Mitfinanzierungspflicht zulässig. Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit dieser Verfassungsbeschwerden wären dann die herausgearbeiteten Voraussetzungen der auf systemfremde Fremdlasten in der Sozialversicherung übertragenen Sonderab149

So auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 426 f. BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909, 934, 935, 936, 938, 941, 942, 947/82, 64/83, 142/84, BVerfGE 75, 108, 158. 151 So auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 578; im Ergebnis wohl auch Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, 2000, S. 164. 152 BVerfG, Beschl. v. 22. 5. 2018 – 1 BvR 1728, 1756/12, BVerfGE 149, 50 (74 Rn. 66 ff.). 150

VII. Exkurs: Rechtsschutz gegen systemfremde Fremdlasten?

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gaben-Judikatur in Bezug auf die angegriffene Aufgabe und die Finanzierungsbeteiligung der Unternehmen zu prüfen.153 In Betracht kommt einerseits eine Verletzung der Berufsfreiheit der Unternehmen der privaten Krankenversicherung: Öffentliche Abgaben greifen in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen.154 Auch kann eine Parallele zur Entscheidung zur „Sonderabgabe Absatzfonds“ gezogen werden. In dieser hat das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG für Unternehmen der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft durch die inkriminierte Abgabe mangels Verursachung der mit der Abgabe zu finanzierenden Folgen durch die betroffenen Unternehmen bejaht: „Es handelt sich bei dieser Abgabe nicht um eine Sonderabgabe, die bei der Zurechnung von Sonderlasten der Abgabepflichtigen an den Verursachungsgedanken anknüpft und ihre Rechtfertigung in einer Verantwortlichkeit für die Folgen gruppenspezifischer Zustände oder Verhaltensweisen finden kann. Vielmehr geht es um eine zwangsweise durchgeführte Fördermaßnahme, zu deren Finanzierung die Gruppe der Abgabepflichtigen nur aus Gründen eines Nutzens herangezogen wird, den der Gesetzgeber dieser Gruppe zugedacht hat. Die Unternehmen der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft verursachen keinen Bedarf, für dessen Befriedigung sie ohne Weiteres verantwortlich gemacht werden könnten. Der Staat greift vielmehr auf der Grundlage des Absatzfondsgesetzes mit wirtschaftspolitisch begründeten Förderungsmaßnahmen gestaltend in die Wirtschaftsordnung ein und weist den erst dadurch entstehenden Finanzierungsbedarf den mit der Abgabepflicht belasteten Unternehmen zu. Diese finanzielle Inanspruchnahme für die staatliche Aufgabenwahrnehmung, die durch hoheitliche Entscheidung an die Stelle des individuellen unternehmerischen Handelns tritt, stellt sich aus der Sicht des Abgabepflichtigen nicht nur als eine rechtfertigungsbedürftige, zur Steuer hinzutretende Sonderbelastung, sondern auch als Verkürzung seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit dar (vgl. BVerfGE 111, 191 [213 f.]; 113, 128 [145]) und bedarf auch insoweit besonderer Rechtfertigung.“155 Ähnliche Konstellationen können sich bei der Mitfinanzierungspflicht systemfremder Fremdlasten durch Unternehmen der privaten Krankenversicherung ergeben. Denn es dürfte äußerst selten der Fall sein, dass diesen nach dem Verursachergedanken eine besondere Verantwortung für die der gesetzlichen Krankenversicherung übertragene oder allgemeine Aufgaben der Gesundheitsförderung zukommt.

153 So auch Thüsing, Prävention und Gesundheitsförderung im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge, 2013, S. 43. 154 Vgl. BVerfG, Urt. v. 7. 5. 1998 – 2 BvR 1876/91, 1083, 2188, 2200/92, 2624/9, BVerfGE 98, 83, 97. 155 BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 122, 316, 336 f.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

VIII. Einzelfälle Im Folgenden sollen konkrete Fälle näher beleuchtet werden, bei denen sich die Unternehmen der privaten Krankenversicherung an der Finanzierung einer der gesetzlichen Krankenversicherung übertragenen Aufgabe beteiligen.

1. Präventionsleistungen in Lebenswelten der Versicherten gem. § 20a SGB V Mit dem Präventionsgesetz vom 17. Juli 2015156 wurde die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Generalprävention in sog. Lebenswelten auf die Versicherungsträger übertragen.157 Ziel dieses Gesetzes ist es ausweislich seiner Begründung, unter Einbeziehung aller Sozialversicherungsträger sowie der privaten Krankenversicherung und der privaten Pflege-Pflichtversicherung die Gesundheitsförderung und Prävention, insbesondere in den Lebenswelten der Bürger, auch unter Nutzung bewährter Strukturen und Angebote zu stärken, die Leistungen der Krankenkassen zur Früherkennung von Krankheiten weiterzuentwickeln und das Zusammenwirken von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz zu verbessern.158 Dabei werden die Lebenswelten im neu eingeführten § 20a Abs. 1 S. 1 SGB V definiert als „für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme insbesondere des Wohnens, des Lernens, des Studierens, der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der Freizeitgestaltung einschließlich des Sports“. Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung werden durch § 20a SGB V verpflichtet, kassenübergreifende Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten zu erbringen, wobei deren Höhe in § 20 Abs. 6 SGB V vorgegeben wird. Eine verpflichtende Einbeziehung der privaten Krankenversicherung und der privaten Pflegeversicherung wurde nicht festgeschrieben.159 Jedoch setzt die Beteiligung an der neu geschaffenen nationalen Präventionskonferenz gem. § 20e Abs. 1 S. 3 SGB V eine „angemessene finanzielle Beteiligung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung und der Unternehmen, die die private Pflegepflichtversicherung durchführen, an Programmen und Projekten im Sinne der Rahmenempfehlungen nach § 20d Abs. 2 Nr. 1 SGB V“ voraus. Gem. § 20e Abs. 1 S. 4 156

BGBl. I, 1368, in Kraft getreten am 25. Juli 2015. Zur offensichtlich begrenzten Funktionstauglichkeit vgl. FAZ vom 17. Juli 2017, S. 15: „Krankenkassen ärgern sich über Präventionszwang“; zum Ausgreifen des Bundes durch institutionelle Gründungen (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) sowie durch Inpflichtnahme der gesetzlichen Krankenversicherung kritisch unter Kompetenzgesichtspunkten Schmidt am Busch, Die Gesundheitssicherung im Mehrebenensystem, 2007, S. 27 ff. 158 BT-Drs. 18/4282, S. 1. 159 Vgl. BT-Drs. 18/5261, S. 43. 157

VIII. Einzelfälle

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SGB V bemisst sich die Höhe der hierfür jährlich von den Unternehmen der privaten Krankenversicherung zur Verfügung zu stellenden Mittel mindestens nach dem Betrag, den die Krankenkassen nach § 20 Abs. 6 S. 2 und 3 SGB V für Leistungen zur Gesundheitsförderung und Prävention nach § 20a SGB V aufzuwenden haben, multipliziert mit der Anzahl der in der privaten Krankenversicherung Vollversicherten. a) Präventionsleistungen in Lebenswelten der Versicherten als systemfremde Fremdlast in der gesetzlichen Krankenversicherung Problematisch ist zunächst, dass die gesetzliche Krankenversicherung durch die Regelungen des Präventionsgesetzes nicht mehr nur zur Lohnfortzahlung und der Finanzierung medizinischer Behandlungen, sondern auch zur Prävention verpflichtet wird. Zwar sind Präventionsleistungen als solche nicht immer klar von Behandlungsmaßnahmen zu trennen und können zu einer Kostenersparnis in Bezug auf spätere medizinische Maßnahmen führen.160 Auch haben die gesetzlichen Krankenversicherungen schon seit Beginn der 1970er Jahre freiwillig Präventionsaufgaben übernommen, da sich dadurch ihre Leistungsverpflichtungen zumindest langfristig verringern können.161 Mit Einfügung der §§ 20 bis 24 SGB V162 wurden die gesetzlichen Krankenkassen zudem im Jahr 1988 zu gesundheitsfördernden Maßnahmen verpflichtet, wobei die festgeschriebenen Leistungen mehrfach geändert wurden.163 Dies ändert jedoch nichts daran, dass Präventionsmaßnahmen prinzipiell keinen Bezug zum Versicherungsverhältnis aufweisen, sondern die gesamtgesellschaftliche Aufgabe der Generalprävention aus Sozialversicherungsbeiträgen finanziert wird.164 Das Bundessozialgericht machte diesen Zusammenhang erst jüngst deutlich:

160 Aus diesem Grund die Versicherungszweckmäßigkeit bejahend Raffelhüschen/Moog/ Vatter, Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung, 2011, S. 34 ff. Umfassend zur Kompetenzsituation im Präventionsbereich Schmidt am Busch, Die Gesundheitssicherung im Mehrebenensystem, 2007. Zum Begriff der Prävention Krauskopf/Luik, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 95. EL 2017, Vorbemerkung zu §§ 20 ff. SGB V Rn. 1 ff. 161 Vgl. Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 221 f. 162 Eingeführt durch das Gesundheitsreform-Gesetz vom 20. Dezember 1988, BGBl. I, 2477. 163 Vgl. Fuchs/Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 221 f.; Krauskopf/Luik, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 95. EL 2017, Vorbemerkung zu §§ 20 ff. SGB V Rn. 4 ff. 164 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Einbeziehung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und zur möglichen Förderung der Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes (Regierungsentwurf), Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 128/14, 2015, S. 13; Fichte, Versicherungsfremde Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung, 2010, S. 26 m.w.N.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung „Mit den durch das Präventionsgesetz neu gefassten Regelungen des § 20a SGB V zur Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten geht der Gesetzgeber über die klassischen Maßnahmen zur Krankheitsfrüherkennung, die aufgrund ihres engen Bezugs zum Versicherungsfall Krankheit von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Sozialversicherung in jedem Fall umfasst sind, hinaus (vgl. Axer, KrV 2015, 221, 224). Prävention und Gesundheitsförderung in Lebenswelten sind auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers ,Querschnittsaufgaben einer Vielzahl von Akteuren auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene und nicht allein Aufgabe der Krankenkassen‘ (so der Regierungsentwurf zum Präventionsgesetz, BT-Drucks. 18/4282 S 35 zu Nr. 5 und S. 64 zu Nr. 7; vgl. dazu auch Köpke, SozSich 2014, 352).“165

Präventionsleistungen stellen daher nur dann keine versicherungsfremde Leistung dar, wenn nur die eigenen Versicherten der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung betroffen sind. Demnach ist die Finanzierung von Präventionsmaßnahmen aus Versicherungsbeiträgen nur insoweit ohne größere verfassungsrechtliche Bedenken, wie sich die konkrete Ausgestaltung der Präventionsarbeit an gesetzlich Krankenversicherte richtet, wobei die Begrenzung auf gesetzlich Versicherte die Homogenität der Gruppe der Abgabepflichtigen sicherstellt. Andernfalls würde das Interesse der Gemeinschaft der Krankenversicherten an der Gesunderhaltung ihrer Mitglieder nicht für das Bestehen einer besonderen Finanzierungsverantwortlichkeit ausreichen. Denn ein solches Interesse ist zumindest auch ein gesellschaftliches, sodass mit Blick auf die Kohlepfennig-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch hier davon gesprochen werden kann, dass die Gruppe der Abgabepflichtigen in der Allgemeinheit aufgeht.166 In der Folge wäre auch die Gruppennützigkeit der Mittelverwendung zu verneinen. Auch die durch die Präventionsleistungen verringerten Krankheitskosten der nicht gesetzlich Versicherten würden den gesetzlich Versicherten eben nicht zugutekommen.167 Inwiefern eine erforderliche Abgrenzung der Präventionsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 20a Abs. 1 SGB V derart, dass nur gesetzlich Versicherte von ihnen profitieren, überhaupt möglich ist, ist dabei mehr als fraglich168. Dies gilt insbesondere mit Blick auf die Verknüpfung der Präventionsleistungen mit dem unklaren und problematischen Begriff der „Lebenswelten“.169 Die in § 20a Abs. 1 S. 1 SGB V offene und äußerst vielsagende Definition als „für die Gesundheit bedeutsame, abgrenzbare soziale Systeme“, die eine nicht abschließende Aufzählung ebenfalls ungenauer Beispiele („insbesondere des Wohnens, des Lernens, des Studierens, der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie der 165

BSG, Urt. v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn. 57. BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 2 BVR 633/86, BVerfGE 91, 186, 203, 205 f.; so auch Thüsing, Prävention und Gesundheitsförderung im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge, 2013, S. 34. 167 So auch Thüsing, Prävention und Gesundheitsförderung im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge, 2013, S. 35. 168 Die Verfassungskonformität offenlassend BSG, Urt. v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn 60. 169 Vgl. zu diesen BT-Drs. 18/4282, S. 35; Schlegel/Voelzke/Schütze, jurisPK-SGB V, § 20a Rn. 13 ff. 166

VIII. Einzelfälle

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Freizeitgestaltung einschließlich des Sports“) enthält, vermag kaum sicherzustellen, dass nur gesetzlich Versicherte Nutznießer der lebensweltlichen Präventionsleistungen werden. Exemplarisch lässt sich dies schon am in der Gesetzesbegründung besonders hervorgehobenen Beispiel der Kindertagesstätte170 verdeutlichen. Eine Begrenzung nur auf gesetzlich Versicherte scheint hier in der Praxis nicht möglich, denn dann müsste – nähme man diese Anforderung ernst – festgestellt und dokumentiert werden, dass die die Kindertagesstätte besuchenden Kinder ebenso wie deren Familien ausschließlich gesetzlich versichert sind. Wirkt die Präventionsleistung über einen längeren Zeitraum, wäre dies nicht nur einmalig, sondern dauerhaft sicherzustellen. Im Ergebnis kann es daher nicht auf die praktische Ausführung der lebensweltlichen Präventionsleistungen ankommen, die die Begrenzung auf gesetzlich Versicherte nicht umsetzen kann.171 Vielmehr hätte die Begrenzung auf gesetzlich Versicherte schon im Rahmen der gesetzlichen Konzeption der Lebenswelten sichergestellt werden müssen. Da dies nicht der Fall ist, sondern auch nicht gesetzlich Versicherte von den lebensweltlichen Präventionsleistungen profitieren können, wären – wie bereits ausgeführt – die Anforderungen der auf Fremdlasten in der Sozialversicherung übertragenen Sonderabgaben-Judikatur nicht erfüllt. Die der gesetzlichen Krankenversicherung übertragene Aufgabe der Präventionsleistungen in Lebenswelten der Versicherten ist damit als nicht gerechtfertigte systemfremde Fremdlast zu klassifizieren. Sie ist – wie das Bundessozialgericht zurecht festgestellt hat – aus verwaltungskompetenziellen Gründen verfassungswidrig aufgrund Verstoßes gegen Art. 87 Abs. 2 GG.172 b) Einbeziehung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung Die verpflichtende Mitfinanzierung der systemfremden Fremdlast der lebensweltlichen Präventionsleistungen in Form einer Abgabe könnte zudem – wie bereits oben allgemein dargestellt – aus Sicht der Unternehmen der privaten Krankenversicherung zu einer verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Sonderabgabe führen, wenn etwa ein Fonds (beispielsweise zur Finanzierung von Programmen und Projekten im Sinne der Rahmenempfehlungen nach § 20d Abs. 2 Nr. 1 SGB V) gespeist würde. Dabei käme es auf die konkrete Ausgestaltung der Finanzierung der lebensweltlichen Präventionsleistungen an.

170

Vgl. BT-Drs. 18/4282, S. 35. So aber Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Zur Einbeziehung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und zur möglichen Förderung der Schulvernetzungsstellen im Rahmen des Präventionsgesetzes, Ausarbeitung WD 9 – 3000 – 128/14, S. 17 f. 172 BSG, Urt. v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R. 171

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

Problematisch wäre auch insofern bereits die Gesetzgebungskompetenz. Diese folgt – wie erwähnt – nicht bereits aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, sondern aus der jeweiligen, den Zweck der Sonderabgabe betreffenden Sachkompetenz. Erforderlich wäre mithin eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für lebensweltliche Präventionsleistungen. Selbst wenn eine solche für Präventionsleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf die Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gestützt werden könnte,173 ist eine Gesetzgebungskompetenz für Präventionsleistungen im Bereich der privaten Krankenversicherung umso fraglicher. Insbesondere unterfallen lebensweltliche Präventionsleistungen nicht den in Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 und Nr. 19a GG aufgezählten Varianten. Denkt man diesen zurzeit nicht vorliegenden Fall weiter, wird Folgendes evident: Treten die Privatversicherten zu den gesetzlich Krankenversicherten hinzu, handelte es sich um „die Allgemeinheit“, die zur Finanzierung der Generalprävention herangezogen wird, die geringe Zahl Nichtversicherter wäre zu vernachlässigen. Umgekehrt fehlt zumindest die besondere Finanzierungsverantwortung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung für Präventionsmaßnahmen, da diese nicht dazu dienen, „erheblichen Beeinträchtigungen entgegenzuwirken oder spezielle Nachteile auszugleichen, die die Gruppenangehörigen besonders betreffen und die von diesen selbst voraussichtlich nicht, oder jedenfalls nicht mit gleicher Erfolgsaussicht kompensiert werden könnten“.174 Zudem ist auch die gruppennützige Verwendung der Mittel nicht gewährleistet, da die Präventionsmaßnahmen auch zugunsten gesetzlich Versicherter ergehen.175 Wie erwähnt ist eine Einbeziehung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung gesetzlich zurzeit jedoch nicht vorgeschrieben. Eine Mitfinanzierung der lebensweltlichen Präventionsleistungen gem. § 20e Abs. 1 S. 3 SGB V ist bloße Voraussetzung für eine Beteiligung an der nationalen Präventionskonferenz, wobei für den Fall der Mitfinanzierung die Höhe der von den Unternehmen der privaten Krankenversicherung für Prävention zu verwendenden Mittel in § 20e Abs. 1 S. 4 SGB V festgeschrieben ist. In der Gesetzesbegründung wird – wie bereits dargelegt – als allgemeine Zielsetzung des Präventionsgesetzes unter anderem angegeben, dass der Aufbau und die Stärkung gesundheitsförderlicher Strukturen in den Lebenswelten unter der Beteiligung der privaten Krankenversicherungen und der privaten Pflege-Pflichtversicherung vorangebracht werden sollen.176 Diese Formulierung reicht jedoch allein nicht aus, um einen faktischen Zwang der Unternehmen der privaten Krankenversicherung zur Mitfinanzierung der systemfremden Fremdlast der lebensweltlichen Präventionsleistungen anzunehmen, zumal die Gesetzesbe173 174

337 f.

So auch implizit BT-Drs. 18/4282, S. 25. BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984 – 2 BvL 19, 20/83, 2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 122, 316,

175 So auch Thüsing, Prävention und Gesundheitsförderung im bundesstaatlichen Kompetenzgefüge, 2013, S. 40 f. 176 BT-Drs. 18/4282, S. 21 f.

VIII. Einzelfälle

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gründung wiederholt die Freiwilligkeit der Beteiligung betont. Weitere Indizien für die Annahme eines solchen faktischen Zwangs lassen sich weder der Gesetzesbegründung noch dem Gesetzesverfahren entnehmen. Ein Rechtsschutzersuchen der Unternehmen der privaten Krankenversicherung gegen die Mitfinanzierung der Präventionsleistungen in Lebenswelten der Versicherten wäre somit auch nicht erfolgreich, zeigt die Fallstudie doch deutlich das Bemühen des Gesetzgebers, Fehlfinanzierungen im noch legalen Bereich zu installieren: Der Zweck heiligt nicht die Mittel, aber die – teilweise informelle – Finanzierungsform. Die allgemeine Kritik an den Risiken einer stärkeren Entformalisierung von Staatshandeln177 gilt auch hier.

2. Strukturfonds gem. § 12 Abs. 1 S. 1 KHG zur Verbesserung der Strukturen in der Krankenhausversorgung Im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) vom 10. Dezember 2015178 soll hier allein der in das Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) eingefügte § 12 KHG, genauer der dort vorgesehene Strukturfonds untersucht werden.179 § 12 Abs. 1 S. 1 KHG sieht vor, dass zur Förderung von Vorhaben der Länder zur Verbesserung der Strukturen in der Krankenhausversorgung beim Bundesversicherungsamt aus Mitteln der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds ein Fonds in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro errichtet wird (Strukturfonds). § 12 Abs. 2 KHG schreibt dabei eine hälftige Mitfinanzierung durch die Länder vor und soll gleichzeitig sicherstellen, dass die Länder diese Mitfinanzierungsmittel zusätzlich zu eigenen Investitionsmitteln für die Krankenhausversorgung, die in der Höhe dem Durchschnitt der vergangenen Jahre entsprechen müssen, bereitstellen. Zweck dieses Strukturfonds ist es, die Umwandlung der vorhandenen Krankenhausstrukturen zu bedarfsgerechten Einrichtungen zu finanzieren, insbesondere durch den Abbau von Überkapazitäten, die Konzentration von stationären Versorgungsangeboten und Standorten sowie die Umwandlung von Krankenhäusern in nicht akut stationäre örtliche Versorgungseinrichtungen, wobei palliative Versorgungsstrukturen gefördert werden sollen, § 12 Abs. 1 S. 3 KHG.180 § 12 Abs. 1 S. 2 KHG lässt eine finanzielle Beteiligung der privaten Krankenversicherungen am Strukturfonds zu, schreibt diese jedoch ebenso wenig fest wie eine (Mindest-)Höhe der von den Unternehmen der privaten Krankenversicherung im Falle der Beteiligung aufzubringenden Mittel. 177 Vgl. Isensee/Kirchhof/Schoch, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 3, 3. Aufl. 2005, § 37 insbes. Rn. 108 ff. m.w.N. 178 BGBl. I, 2229, in Kraft getreten am 1. Januar 2016. 179 Einen Überblick über das Krankenhausrecht und die Krankenhausfinanzierung bietet Ehlers/Fehling/Pünder/Sodan, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, 4. Aufl. 2020, § 53 Rn. 94 ff. 180 Vgl. BT-Drs. 18/6372, S. 52.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

a) Strukturfonds gem. § 12 Abs. 1 S. 1 KHG als systemfremde Fremdlast in der gesetzlichen Krankenversicherung Es stellt sich die Frage, ob es eine systemfremde Fremdlast darstellt, wenn die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sich über den beitragsfinanzierten Gesundheitsfonds181 an der Förderung des Strukturwandels im Krankenhauswesen finanziell beteiligen sollen. Legt man auch hier das Analyseraster aus der Sonderabgabendogmatik zu Grunde, ist wiederum das Kriterium der Homogenität der Gruppe, v. a. die Frage nach der besonderen Finanzierungsverantwortung im Sinne der Kohlepfennig-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts182 problematisch. Die Gesetzesbegründung verweist lediglich auf nicht quantifizierte Einsparungsmöglichkeiten aufgrund eines beschleunigten Strukturwandels in der Krankenhausversorgung.183 Indirekt kann zudem von einer verbesserten Versorgung durch weniger, aber aus versorgungstechnischer Sicht passgenauere Krankenhäuser ausgegangen werden. Beides vermag aber nicht eine besondere Finanzierungsverantwortung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung zu begründen. Von diesem Strukturwandel würden zudem nicht nur die gesetzlich Versicherten profitieren: Vielmehr erfolgt einerseits der Betrieb der Krankenhäuser bisher über Entgelte der gesetzlichen Krankenkassen beziehungsweise der Privatversicherten für die tatsächliche Inanspruchnahme der Krankenhäuser. Andererseits finanzieren die Länder (ggf. unter Beteiligung des Bundes gem. Art. 104a GG) die Krankenhausstruktur über die Förderung von Investitionen.184 Nutznießer des Strukturfonds sind somit die von den Mitteln des Strukturfonds profitierenden Krankenhausträger und die entsprechende Mitfinanzierungsmittel bereitstellenden Länder, da ihre Investitionsmittel aus dem Strukturfonds entsprechend erhöht werden, sowie aufgrund möglicher künftiger Einsparungen zur Finanzierung des Betriebs der Krankenhäuser sowohl die gesetzlichen Krankenversicherungsträger als auch die Unternehmen der privaten Krankenversicherung. Damit wird deutlich, dass aus Sicht der gesetzlichen Krankenversicherung die Mittel des Strukturfonds nicht gruppennützig verwendet werden. Auch der Strukturfonds nach § 12 Abs. 1 KHG stellt sich als systemfremde Fremdlast in der gesetzlichen Krankenversicherung dar.

181 Vgl. zu Konstruktion, Funktion und Rechtsgrundlage des Gesundheitsfonds Fuchs/ Preis, Sozialversicherungsrecht, 2. Aufl. 2009, S. 384 ff.; Pressel, Der Gesundheitsfonds, 2011, insbesondere Kap. 6. 182 BVerfG, Beschl. v. 11. 10. 1994 – 2 BVR 633/86, BVerfGE 91, 186, 203, 205 f. 183 BT-Drs. 18/6372, S. 41. 184 Zur Krankenhausfinanzierung vgl. Ehlers/Fehling/Pünder/Sodan, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, 4. Aufl. 2020, § 53 Rn. 108 ff.

VIII. Einzelfälle

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b) Einbeziehung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung Erneut würde eine – gesetzlich gerade nicht vorgesehene, aber wohl kompetenzrechtlich auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG („wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser“) zu stützende – verpflichtende Einbeziehung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung dazu führen, dass die Gruppe der Abgabepflichtigen in der Allgemeinheit der Steuerzahler aufgeht. An dieser Stelle wird die Bestimmung des konkreten Nutzens im Sinne der Sonderabgabenjudikatur relevant. Wenn auch nicht im Ergebnis, so doch in der Tendenz ist der Nutzen einer geordneten medizinischen Infrastruktur für die gesetzliche Krankenversicherung aufgrund des dort dominierenden Sachleistungsprinzips185 nicht völlig fernliegend; für die private Krankenversicherung erwiese sich ein derartiger Vorteil nur als äußerst mittelbar. Der Vorteil muss sich jedoch für den Finanzierungspflichtigen gegenüber den Vorteilen für die Allgemeinheit abgrenzen lassen. Für eine besondere Finanzierungsverantwortung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung reichen Einsparungen aufgrund einer strukturbereinigten Krankenhauslandschaft186 jedoch nicht aus. Auch hinsichtlich des Strukturfonds nach § 12 Abs. 1 KHG besteht jedoch für die Unternehmen der privaten Krankenversicherung kein faktischer Zwang zur finanziellen Beteiligung. Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung, es sei sachlich gerechtfertigt, wenn sich die privaten Versicherungsunternehmen an dieser Aufgabe finanziell entsprechend ihrem Versichertenanteil mit einem angemessenen Beitrag an den Gesamtkosten beteiligten, da die geförderten Strukturvorhaben sowohl den gesetzlich als auch den privat versicherten Krankenhauspatienten zugutekommen würden.187 Diese die Freiwilligkeit schon dem Wortlaut nach nicht relativierende Aussage vermag ähnlich wie beim Präventionsfonds einen auf verfassungsrechtlich bedeutsame Weise verdichteten Druck nicht zu begründen, der den Unternehmen der privaten Krankenversicherung geradezu keine andere Wahl ließe, als sich an der Finanzierung zu beteiligen. Auch hier bleibt es bei der Erwartung zur Unterstützung einer Fehlfinanzierung.

185 Vgl. statt aller nur Ehlers/Fehling/Pünder/Sodan, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, 4. Aufl. 2020, § 53 Rn. 18. 186 So das Argument in BT-Drs. 18/6372, S. 52. 187 BT-Drs. 18/6372, S. 52.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

3. Ausgleichsfonds zur Finanzierung der Kosten der generalistischen Pflegeausbildung gem. §§ 26 bis 36 PflBG Aus dem Bereich der Pflegeversicherung ist in unserem Zusammenhang der im Pflegeberufereformgesetz vom 17. Juli 2017188 enthaltene Komplex der Finanzierung der generalistischen Pflegeausbildung durch Ausgleichsfonds zu untersuchen, wie er im am 1. Januar 2019 in Kraft tretenden189 3. Abschnitt des 2. Teils des durch Art. 1 des Pflegeberufereformgesetzes eingeführten Pflegeberufegesetzes (§§ 26 bis 36 PflBG) geregelt ist. Gem. § 26 Abs. 1 PflBG werden die Kosten der Pflegeausbildung durch Ausgleichsfonds finanziert. Diese werden nach § 26 Abs. 2 PflBG auf Landesebene organisiert und verwaltet. § 26 Abs. 3 PflBG regelt die Teilnehmer an der Finanzierung der Ausgleichsfonds, zu denen nach § 26 Abs. 3 Nr. 4 PflBG die soziale Pflegeversicherung und die private Pflege-Pflichtversicherung gehören. Die jeweiligen Finanzierungsanteile sind in § 33 Abs. 1 PflBG festgelegt, dabei werden gem. § 33 Abs. 1 Nr. 4 PflBG 3,6 Prozent durch Direktzahlung der sozialen Pflegeversicherung aufgebracht, wobei die private Pflege-Pflichtversicherung der sozialen Pflegeversicherung zehn Prozent ihrer Direktzahlung erstattet. Laut § 33 Abs. 5 S. 2 PflBG werden die Direktzahlung der sozialen Pflegeversicherung sowie die Erstattung der privaten Pflege-Pflichtversicherung aus Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung nach § 65 SGB XI oder an den Ausgleichsfonds erbracht. § 33 Abs. 5 S. 3 PflBG ordnet die entsprechende Geltung von § 45c Abs. 7 SGB XI an. Dabei scheint es sich jedoch um ein Redaktionsversehen zu handeln. Gemeint sein dürfte § 45c Abs. 8 SGB XI, denn ausweislich der Gesetzesbegründung sollte Regelungsinhalt sein, dass die Beteiligung der privaten Pflege-Pflichtversicherung wie bei der Förderung von Modellmaßnahmen nach § 45c SGB XI durch Zahlung des Verbandes der privaten Krankenversicherung e. V. erfolgen kann.190 Bei der Ermittlung der Höhe des Finanzierungsbedarfs ist in § 32 Abs. 1 Nr. 5 PflBG ein Aufschlag von drei Prozent zur Bildung einer Liquiditätsreserve vorgesehen, die die erforderlichen Mittel abdeckt für in der Meldung des Ausbildungsbudgets nach § 30 Abs. 4 PflBG und § 31 Abs. 4 PflBG noch nicht berücksichtigte Ausbildungsverhältnisse sowie für Forderungsausfälle und Zahlungsverzüge. a) Finanzierung der Kosten der generalistischen Pflegeausbildung als systemfremde Fremdlast in der sozialen Pflegeversicherung Auch die anteilige Finanzierung der Kosten der generalistischen Pflegeausbildung durch die Träger der sozialen Pflegeversicherung stellt nach den hier entwickelten Kriterien eine systemfremde Fremdlast dar. Auch hier ist das Kriterium der Homogenität der Gruppe mangels besonderer Verantwortung der Gruppe der Ab188 189 190

BGBl. I, 2581. Vgl. Art. 15 Abs. 2 des Pflegeberufereformgesetzes. Vgl. BT-Drs. 18/7823, S. 84.

VIII. Einzelfälle

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gabenpflichtigen nicht erfüllt. Denn die Ausbildungskosten der Leistungserbringer werden institutionell, also ohne Bezug zur Inanspruchnahme der Leistungen, auf die Versicherungen abgewälzt.191 Zwar profitieren die Träger der sozialen Pflegeversicherung indirekt und mittelbar von einer guten Ausbildung der Pflegekräfte. Dies kann eine besondere Finanzierungsverantwortung jedoch nicht begründen. Zudem würden die von den Trägern der sozialen Pflegeversicherung bereitgestellten Mittel nicht gruppennützig verwendet, denn neben den Trägern der Sozialversicherung würden auch die weiteren Mitfinanzierer nach § 26 Abs. 3 PflBG, also Krankenhäuser, stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sowie das jeweilige Land, profitieren. b) Verpflichtung der Unternehmen der privaten Pflege-Pflichtversicherung zur Mitfinanzierung der Kosten der generalistischen Pflegeausbildung als verfassungswidrige Sonderabgabe Aus § 26 Abs. 3 Nr. 4 PflBG, § 33 Abs. 1 Nr. 4 sowie Abs. 5 S. 2 und 3 PflBG ergibt sich – anders als in den bisher untersuchten Fällen – eine gesetzlich geregelte Verpflichtung der Unternehmen der privaten Pflege-Pflichtversicherung zur Mitfinanzierung einer aus Sicht der gesetzlichen Versicherung systemfremden Fremdlast durch Beiträge an einen Fonds, also einen Nebenhaushalt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass nur die soziale Pflegeversicherung direkt in die Fonds einzahlt und dann eine „Erstattung“ von der privaten Pflege-Pflichtversicherung erhält. Kompetenzrechtlich ließe sich diese Verpflichtung wohl – da den Ausbildungsberuf der Pflegefachleute betreffend – auf eine Kombination von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG („Arbeitsrecht“, wovon auch das arbeitsvertragliche Ausbildungsverhältnis umfasst ist192) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG („Zulassung zu anderen Heilberufen“) stützen, wobei auch die Voraussetzungen der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG gegeben sein dürften.193 Die Gesetzesbegründung des Pflegeberufereformgesetzes versucht, die Beteiligung der Privatversicherung damit zu rechtfertigen, dass diese wie eine Sozialversicherung zu behandeln sei: „In der privaten Pflege-Pflichtversicherung sind im erheblichen Umfang ein solidarischer Ausgleich und soziale Elemente vorhanden, wie dies sich bei sonst keiner anderen privaten Versicherung wiederfindet. Die private Pflege-Pflichtversicherung ist daher in ihrem Charakter einer Sozialversicherung stark angenähert. Die private PflegePflichtversicherung wurde bei der Finanzierung der Weiterentwicklung der pflegerischen Versorgungsstrukturen nach § 45c SGB XI zu einer gleichrangigen Mit191 Insofern unterscheiden sich die Regelungen der §§ 26 ff. PflBG von jenen des § 17a KHG, wobei hier dahingestellt bleiben muss, ob eine solche Regelung als systemfremde Fremdlast anzusehen wäre; vgl. zu Vorgängervorschriften von § 17a KHG aber Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, 2001, S. 67, Fn. 130. 192 Vgl. Kahl/Waldhoff/Walter/Axer, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 126. EL 2006, Art. 74 Nr. 12 Rn. 20. 193 Vgl. auch BT-Drs. 18/7823, S. 54 f.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

finanzierung verpflichtet. Es war vom Selbstverständnis der Versicherungsunternehmen und des sie vertretenden Verbandes auch kein Problem, sich an dieser Aufgabe der Daseinsvorsorge zu beteiligen und damit Länder und Kommunen in ihren Aufgaben zu entlasten (also eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, die nur einen mittelbaren Zusammenhang mit Leistungen für konkret bei ihnen versicherte und leistungsberechtigte Personen hat). Die private Pflege-Pflichtversicherung will bei Erfüllung öffentlicher Aufgaben neben der SPV durchaus gleichgewichtig präsent sein.“194 Aus der Bereitschaft, sich nicht gegen eine Übertragung einer Aufgabe der Daseinsvorsorge im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens zu wehren, kann jedoch nicht auf die Verfassungsmäßigkeit dieser Übertragung beziehungsweise deren Vereinbarkeit mit der Sonderabgaben-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geschlossen werden, denn diese steht nicht zur Disposition der Belasteten: Eine verfassungswidrige Abgabe wird nicht dadurch verfassungsmäßig, dass der Pflichtige mit ihr „einverstanden“ ist.195 Die Rechtsformel „volenti non fit iniuria“ setzt die Verzichtsfähigkeit in Bezug auf das betroffene Recht, d. h. die Verfügungsfähigkeit über dieses Recht voraus. Gleiches gilt für das Argument, die private Pflege-Pflichtversicherung sei in ihrer Ausgestaltung einer Sozialversicherung angenähert. Denn dies ändert nichts daran, dass Regelungen in Bezug auf die private Pflege-Pflichtversicherung sich nicht auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stützen können196, zumal sich die „sozialversicherungsähnliche“ Ausgestaltung – wie die Einrichtung eines Risikoausgleichs197 – nur innerhalb des Systems der Pflege-Pflichtversicherung und eben nicht systemübergreifend auswirkt. Auch hier ist der Nutzen, der nach der Sonderabgabenjudikatur geforderte Vorteil bei der ebenfalls grundsätzlich vom Sachleistungsprinzip geprägten sozialen Pflegeversicherung näherliegend als für die privaten Anbieter. Vorrangig ist jedoch Folgendes: Für letztere geht die Gruppe der Abgabepflichtigen mit der Einbeziehung der Unternehmen der privaten Pflege-Pflichtversicherung in der Allgemeinheit der Steuerzahler auf, da praktisch niemand als weder privat noch gesetzlich versichert übrigbleibt. Eine besondere Finanzierungsverantwortung besteht entsprechend dem zur sozialen Pflegeversicherung Gesagten nicht. Dies gilt erst recht für die Liqui194

BT-Drs. 18/7823, S. 79. Zur Unverfügbarkeit von Kompetenznormen Isensee/Kirchhof/Isensee, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 133 Rn. 80, für das Verhältnis von Bund und Ländern; dass Private indirekt an die Kompetenzordnung gebunden sind, versteht sich von selbst; ggf. klagen sie nicht; kommt es gleichwohl zu einer rechtlichen Überprüfung, ist ihr „Einverständnis“ irrelevant. 196 So hat das Bundesverfassungsgericht die Kompetenzgrundlage der privaten PflegePflichtversicherung gerade nicht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG („Sozialversicherung“), sondern in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („privatrechtliches Versicherungswesen“) gesehen, vgl. BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103, 197, 215 f. Zur „einvernehmlichen“ Übertragung sozialversicherungsrechtlicher Strukturen auf die Privatversicherung Zimmermann, Sozialversicherung und Privatversicherung im Kompetenzgefüge des Grundgesetzes, 2007, S. 451 f. 197 So das Argument von BT-Drs. 18/7823, S. 78. 195

VIII. Einzelfälle

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ditätsreserve im Sinne von § 32 Abs. 1 Nr. 5 PflBG, da die Annahme einer Finanzierungsverantwortung der Unternehmen der privaten Pflege-Pflichtversicherung für rein verwaltungspraktische Probleme wie noch nicht berücksichtigte Ausbildungsverhältnisse, Forderungsausfälle und Zahlungsverzüge nicht überzeugend ist. Hier ist die Sonderabgabenjudikatur direkt anwendbar, denn es wird – wenn auch über den oben angesprochenen „Umweg“ über die gesetzliche Pflegeversicherung – ein Fonds zur Finanzierung eines Sachzwecks aufgrund gesetzlicher Verpflichtung mitfinanziert.

4. Mutterschaftsgeld in der privaten Krankentagegeldversicherung gem. § 192 Abs. 5 VVG Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) vom 4. April 2017198 wurde ein neuer § 192 Abs. 5 S. 2 VVG eingefügt.199 Nach dieser Vorschrift ist in der privaten Krankenversicherung der Versicherer bei der Krankentagegeldversicherung nunmehr verpflichtet, den Verdienstausfall, der während der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 MuSchG und § 6 Abs. 1 MuSchG, also während der Mutterschutzzeiten, sowie am Entbindungstag entsteht, durch das vereinbarte Krankentagegeld zu ersetzen, soweit der versicherten Person kein anderweitiger angemessener Ersatz für den während dieser Zeit verursachten Verdienstausfall zusteht. Durch die ebenfalls neu eingefügte Nennung von § 192 Abs. 5 S. 2 VVG in § 208 VVG ist diese Regelung für den Versicherer unabdingbar. a) Mutterschaftsgeld als systemfremde Fremdlast in der gesetzlichen Krankenversicherung Ausweislich der Gesetzesbegründung strebt der Gesetzgeber mit den genannten Änderungen an, die Möglichkeiten für eine finanzielle Absicherung von privat krankenversicherten selbstständig erwerbstätigen Frauen denen der gesetzlich Versicherten anzugleichen: Selbstständige, die im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sind, haben die Möglichkeit, Krankengeld als Wahlleistung durch die Krankenkasse abzusichern (so genannte Wahlerklärung gem. § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V). Sie erhalten dann nach § 24i SGB V während der gesetzlichen Schutzfristen nach dem MuSchG Mutterschaftsgeld in Höhe des Krankengeldes.200 Zudem soll eine Gleichbehandlung von Selbstständigen und Angestellten erreicht werden, denn Arbeitnehmerinnen sind, unabhängig davon ob sie über eine private oder gesetzliche Krankenversicherung verfügen, während der gesetzlichen Schutzfristen nach dem MuSchG durch das 198 199 200

BGBl. I 2017, 778. In Kraft getreten am 11. April 2017. Vgl. BT-Drs. 18/11205, S. 82.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

Mutterschaftsgeld (§ 13 MuSchG) und den Arbeitgeberzuschuss (§ 14 MuSchG) finanziell abgesichert.201 Zunächst ist festzustellen, dass die Regelungen zum Mutterschaftsgeld für in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Angestellte (§ 13 Abs. 1 MuSchG i.V.m. § 24i SGB V) als systemimmanente Fremdlast zu sehen ist. Denn diese Normen sind Ausgestaltungen eines sozialen Ausgleichs innerhalb der Sozialversicherung und können daher dem kompetenzrechtlichen Begriff der Sozialversicherung zugeordnet werden. Insbesondere ist auch eine besondere Finanzierungsverantwortung der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung für in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Angestellte zu bejahen. Anders stellt sich die Situation jedoch für in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherte Selbstständige dar: Die Regelung des § 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 24i SGB V erweitert die Möglichkeit des Bezugs von Mutterschaftsgeld auf in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherte Selbstständige, wodurch die Homogenität der betroffenen Gruppe beeinträchtigt wird. Art. 6 Abs. 4 GG proklamiert den Mutterschutz als eine Verpflichtung des Staates als Repräsentant der Gemeinschaft.202 Bei der Ausgestaltung des Mutterschutzes verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Gestaltungsspielraum203 und die Möglichkeit einer einfachrechtlichen Inpflichtnahme Dritter.204 Dies gestattet dem Staat jedoch nicht, sich seiner Grundrechtsbindung durch die Belastung Privater zu entledigen; jede Inpflichtnahme Privater zum Zweck des Mutterschutzes bedarf daher einer gesonderten Begründung.205 So darf die Kostenlast des der gesamten Gemeinschaft abverlangten Mutterschutzes den Arbeitgebern auferlegt werden, da es sich um Kosten handelt, die sich dem einzelnen Arbeitsverhältnis zuordnen lassen.206 Eine solche besondere Finanzierungsverantwortung beziehungsweise Sachnähe kann in Bezug auf die Gruppe der Pflichtversicherten bejaht werden.207 Sie besteht jedoch nicht im vorliegenden Fall für das Verhältnis zwischen den freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Selbstständigen und den übrigen gesetzlich (Pflicht-)Versicherten, sodass sich eine Mitfinanzierung des Mutterschaftsgeldes für 201

Vgl. BT-Drs. 18/11205, S. 83. Kahl/Waldhoff/Walter/Seiler, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 139. EL 2009, Art. 6 Abs. 4 Rn. 27. 203 BVerfG, Beschl. v. 18. 11. 2003 – 1 BvR 302/96, BVerfGE 109, 64, 87 – Mutterschaftsgeld II. 204 Kahl/Waldhoff/Walter/Seiler, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 139. EL 2009, Art. 6 Abs. 4 Rn. 29. 205 Kahl/Waldhoff/Walter/Seiler, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 139. EL 2009, Art. 6 Abs. 4 Rn. 30. 206 BVerfG, Beschl. v. 18. 11. 2003 – 1 BvR 302/96, BVerfGE 109, 64, 87 f.; vgl. Kahl/ Waldhoff/Walter/Seiler, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 139. EL 2009, Art. 6 Abs. 4 Rn. 99. 207 Die Verfassungsmäßigkeit der Aufteilung der Kosten des Mutterschutzes zwischen Bund, Krankenkassen und Arbeitgebern bejaht BVerfG, Beschl. v. 23. 4. 1974 – 1 BvL 19/73, BVerfGE 37, 121, 128 f. 202

VIII. Einzelfälle

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freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Selbstständige durch Beitragsmittel aller Versicherten nicht rechtfertigen lässt. Folglich handelt es sich bei der Aufgabe der Finanzierung des Mutterschaftsgeldes für in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherte Selbstständige um eine systemfremde Fremdlast, die aus Steuermitteln zu finanzieren wäre. b) Mutterschaftsgeld in der privaten Krankentagegeldversicherung Treten nun neben die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Angestellten (§ 13 Abs. 1 MuSchG i.V.m. § 24i SGB V) und die in der privaten Krankenversicherung versicherten Angestellten (§ 13 Abs. 2 MuSchG, der die entsprechende Anwendung der Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch über das Mutterschaftsgeld anordnet) sowie die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten Selbstständigen (§ 44 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V i.V.m. § 24i SGB V) auch noch die in der privaten Krankenversicherung versicherten Selbstständigen (§ 192 Abs. 5 S. 2 VVG), wird offensichtlich, dass die Gruppe der Leistungsberechtigten nahezu konturenlos ist und in der Allgemeinheit aufgeht. Dass eine Gleichbehandlung möglichst aller Mütter, unabhängig von ihrem Status als Angestellte oder Selbstständige einerseits und ihrer Mitgliedschaft in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung andererseits, gerade beabsichtigt ist, zeigt auch die Anrechnungsregelung in § 192 Abs. 5 S. 2 2. Hs. VVG, die eine Besserstellung von Müttern, die als Selbstständige in der privaten Krankentagegeldversicherung versichert sind, verhindern will.208 Allerdings liegt hier kein Fall einer Sonderabgabe vor, da es sich bei § 192 Abs. 5 S. 2 VVG schon nicht um eine Abgabe, sondern um eine gesetzlich angeordnete Leistungsverpflichtung der Unternehmen der privaten Krankenversicherung handelt. Die Finanzierung dieser Leistung erfolgt gerade nicht in Form eines gemeinsamen Fonds der Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und der Unternehmen der privaten Krankenversicherung, sondern direkt aus den Beitragsmitteln der privat Krankentagegeldversicherten im Sinne von § 192 Abs. 5 S. 2 VVG aufgrund im Rahmen ihrer Versicherungsverhältnisse mit dem jeweiligen Unternehmen der privaten Krankenversicherung. Folglich ist die Verfassungsmäßigkeit des § 192 Abs. 5 S. 2 VVG nicht an den Maßstäben der Sonderabgaben-Judikatur zu messen, sondern unabhängig von den Regelungen zur Zahlung von Mutterschaftsgeld in der gesetzlichen Krankenversicherung zu betrachten. Jedoch kann das zum Mutterschaftsgeld in der gesetzlichen Krankenversicherung Gesagte auf § 192 Abs. 5 S. 2 VVG übertragen werden. Auch die Gruppe der in der privaten Krankentagegeldversicherung Versicherten weist keine besondere Finanzierungsverantwortung bezüglich der Tragung der Kostenlast des Mutterschutzes auf. Gerade mit Blick auf den gem. Art. 6 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich verbürgten Mutterschutz als staatlicher Aufgabe wäre eine steuerfinanzierte Regelung, vor208

Vgl. BT-Drs. 18/11205, S. 82 f.

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B. Finanzierung durch die Pflege- und die Krankenversicherung

zugsweise im Rahmen des Mutterschutzgesetzes, der verfassungsrechtlich unbedenkliche Weg gewesen. Hinzu kommt hier noch eine verfassungsrechtliche Rückwirkungsproblematik, da die Änderung des § 192 Abs. 5 S. 2 VVG mangels Übergangsvorschrift nicht nur für neu abgeschlossene Krankentagegeldversicherungen, sondern auch für bereits bestehende Verträge gilt. Dies stellt – da es auf den abgeschlossenen Sachverhalt des Abschlusses des Versicherungsvertrages, nicht das laufende Versicherungsverhältnis ankommt – eine unechte Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung dar209, da der Inhalt des in der Vergangenheit geschlossenen Vertrages im Nachhinein durch die gesetzliche Verpflichtung zu weiteren Leistungen für die Zukunft geändert wurde. Dadurch kommt es zu einem Eingriff in die verfassungsrechtlich von Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Vertragsautonomie.

209 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 31. 5. 1960 – 2 BvL 4/59, BVerfGE 11, 139, 145 f. – Kostenrechtsnovelle; BVerfG, Beschl. v. 23. 3. 1971 – 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197, 210, 472/66, BVerfGE 30, 367 (386) – Bundesentschädigungsgesetz; BVerfG, Urt. v. 23. 11. 1999 – 1 BvF 1/ 94, BVerfGE 101, 239, 263 – Stichtagsregelung; BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009, 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 257 – PKV-Basistarif; BVerfG, Beschl. v. 10. 10. 2012 – 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302, 318 – Streubesitzbeteiligung; BVerfG, Beschl. v. 17. 12. 2013 – 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, 13 – Kapitalanlagegesellschaft.

C. Die Finanzierung der Pflege- und der Krankenversicherung durch Steuern Das angesprochene Problem soll im Folgenden aus einer anderen Perspektive beleuchtet werden. Ein Vierteljahrhundert nach ihrer Einführung im Jahr 1995 steht die Finanzierung der Pflegeversicherung erneut auf der politischen Agenda. Das kann nicht verwundern, ist doch der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung in den vergangenen Jahren gleich mehrfach erhöht worden (allein drei Mal zwischen den Jahren 2015 und 2019).1 Der Grund für die Anhebungen des Beitragssatzes und die hierdurch ausgelöste Suche nach neuen Wegen zur Pflegefinanzierung liegt in einer deutlichen Kostensteigerung begründet.2 Verstärkt wird die durch den demographischen Wandel bedingte, sukzessive steigende Zahl an Pflegebedürftigen (derzeit knapp vier Millionen Menschen3) und Pflegekosten (ca. 38,2 Milliarden Euro im Jahr 20184) durch die Anfang des Jahres 2017 eingeführten, neuen Pflegestufen und den damit einhergehenden, weiter gefassten Pflegebedürftigkeitsbegriff.5 Nach jüngsten Berechnungen soll die letzte Erhöhung des Beitragssatzes um 0,5 Prozentpunkte zum 1. Januar 2019 die Kosten der sozialen Pflegeversicherung bis in das Jahr 2022 decken,6 das von der Bundesregierung avisierte Maßnahmenpaket zur Steigerung der Attraktivität von Pflegeberufen (bspw. durch höhere Gehälter und bessere Ausstattung für professionelle Pflegekräfte in der Langzeitpflege7) ist hierbei allerdings noch nicht eingerechnet.8 All das sind die zentralen Gründe für die schon in den vergangenen Jahren breit geführte politische Diskussion um die Zukunft der Pflegefinanzierung, die sich in eine Vielzahl von Kontroversen rund um das Thema Pflege einreiht (etwa den Ausbau der Pflegeversicherung, das Einfrieren 1

Dazu Schwinger/Rothgang/Kalwitzki, Gesundheits- und Sozialpolitik (6) 2018, 13. Ausführlich zu den Beitragsanhebungen BeckOK-Sozialrecht/Baumeister, 55. Ed. 2019, § 55 SGB XI Rn. 4 ff. 3 S. dazu die „Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung“ des Bundesgesundheitsministeriums, S. 1, Stand 1. 8. 2019, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fi leadmin/Dateien/3_Downloads/Statistiken/Pflegeversicherung/Zahlen_und_Fakten/Zahlen_ und_Fakten_der_SPV_2019.pdf, Abruf v. 2. 4. 2020. 4 Ebd., S. 5. 5 S. zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff nach § 14 SGB XI Krahmer/Plantholz/Heitmann/Plantholz, SGB XI, 5. Aufl. 2018, § 14 Rn. 21 ff.; vgl. zu dessen finanziellen Auswirkungen BeckOK-Sozialrecht/Pfitzner, 55. Ed. 2019, § 14 SGB XI Rn. 33 ff. 6 Schwinger/Rothgang/Kalwitzki, Gesundheits- und Sozialpolitik (6) 2018, 13. 7 Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislatur, Zeilen 4426 ff. 8 Umfassend Schwinger/Rothgang/Kalwitzki, Gesundheits- und Sozialpolitik (6) 2018, 13 ff. 2

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C. Die Finanzierung durch Steuern

der Selbstbeteiligungen oder auch eine Vollübernahme der Kosten stationärer Pflege).9 Ein Vorschlag des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherung zur Lösung der Finanzierungsprobleme ging bereits im Jahre 2018 dahin, die „Finanzierung der Pflegeversicherung durch [einen] neuen Bundeszuschuss“ zu stärken.10 Die Politik hat genauso aufmerksam wie wohlwollend zugehört, denn eine leistungsfähige Pflegeversicherung wünschen sich viele und ein Steuerzuschuss des Bundes klingt verlockend, soll er doch Armutsrisiken minimieren, die sich durch hohe Pflegekosten realisieren können. So hat am 5. Dezember 2018 zunächst die 95. Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder (ASMK) mehrheitlich für einen solchen Bundeszuschuss gestimmt und die Bundesregierung aufgefordert, „einen finanziellen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu etablieren“.11 In eine ähnliche Richtung weist auch ein Entschließungsantrag „zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“, den die Länder Hamburg, Berlin, Bremen und Schleswig-Holstein am 1. März 2019 in den Bundesrat eingebracht haben, und der einen dynamischen Bundeszuschuss fordert:12 „Das Verhältnis von Eigenverantwortung und Solidarität bei der Finanzierung von Pflegeleistungen wird neu ausbalanciert. Begrenzte und kalkulierbare Eigenbeiträge der Pflegebedürftigen und die paritätischen Beiträge zur Pflegeversicherung werden ergänzt durch einen dynamisierten Zuschuss aus dem Bundeshaushalt an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung.“13

Zur Berechnung der Dynamisierung des steuerfinanzierten Bundeszuschusses haben die Länder klare Vorstellungen: „In einem ersten Schritt orientiert sich die Höhe des steuerfinanzierten Zuschusses am Wert der Leistungen, die die Pflegeversicherung derzeit vordringlich im gesamtgesellschaftlichen Interesse erbringt.“14

Sollte sich also – wie derzeit geplant – der Katalog versicherungsfremder Leistungen der Pflegekassen erweitern, würden auch die Steuerzuschüsse steigen. Zu diesem zunächst spezifisch für die Pflegeversicherung avisierten Vorhaben tritt in jüngster Zeit das am 3. Juni 2020 von der Bundesregierung verabschiedete Konjunkturpaket hinzu,15 das anlässlich der Corona-Pandemie Steuerzuschüsse für 9 S. exemplarisch den Bericht der FAZ v. 17. 1. 2019: „Spahn will neue Finanzierungsmodelle diskutieren“, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/ pflegeversicherung-spahn-will-finanzierung-diskutieren-15992922.html, Abruf v. 2. 4. 2020. 10 Pressemittelung des GKV-Spitzenverbandes v. 24. 7. 2018, abrufbar unter https://www. gkv-spitzenverband.de/gkv_spitzenverband/presse/pressemitteilungen_und_statements/presse mitteilung_730176.jsp, Abruf v. 2. 4. 2020. 11 ASMK 2018, S. 15. 12 BR-Drs. 106/19. 13 Ebd., S. 1. 14 Ebd., S. 1. 15 S. hierzu https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/konjunkturpaket-1757482.

C. Die Finanzierung durch Steuern

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die gesetzliche Krankenversicherung, aber auch für die soziale Pflegeversicherung vorsieht. Teil des verabschiedeten Konjunkturpaketes ist eine Sozialversicherungsbeitragsgarantie von 40 %, wobei der jetzige Gesamtversicherungsbeitrag 39,75 % beträgt. Fehlbeträge, die das 40 %-Ziel in Frage stellen, sollen ausweislich des Pakets durch Steuermittel ausgeglichen werden.16 Aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise wurde am 16. Juni 2020 zur Umsetzung das Zweite Nachtragshaushaltsgesetz beschlossen, mit dem die finanziellen Erma¨ chtigungen zur schnellen Umsetzung entsprechender Maßnahmen geschaffen bzw. die aus steuerlichen Entlastungen resultierenden Steuermindereinnahmen nachvollzogen werden sollen.17 Konkret soll der Bund hiernach weitere Schulden in Höhe von 62,5 Milliarden Euro aufnehmen dürfen. Zusammen mit den im ersten Nachtragshaushalt bereits bewilligten 156 Milliarden Euro würde sich die Nettokreditaufnahme des Bundes damit auf 218,5 Milliarden Euro erhöhen. Im Konjunkturpaket sind auch Zuschüsse für die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung enthalten. In das Haushaltsgesetz 2020 wurde hierzu ein § 12a eingefügt: Vorgesehen ist eine Aufteilung der 5,3 Milliarden Euro in eine einmalige Überweisung von 3,5 Milliarden Euro für den Gesundheitsfonds und eine einmalige Überweisung von 1,8 Milliarden Euro für den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung. Das Paket enthält außerdem die Ausgleichszahlungen gem. § 21 Krankenhausfinanzierungsgesetz in Höhe von 11,5 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Finanzierungsoption eines steuerfinanzierten Bundeszuschusses im Allgemeinen und unter spezifischer Betrachtung des ergänzenden Bundeszuschusses zur Abfederung der Auswirkungen der Corona-Pandemie verfassungsrechtlichen Bestand hätte. Falls eine Zulässigkeit zu bejahen ist: Kann ein Zuschuss des Bundes aus Steuermitteln ausschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, nicht aber der privaten Kranken- und Pflegeversicherung gewährt werden, obwohl diese strukturell einander angenähert sind. Um diese Fragen zu beantworten, wird schrittweise vorgegangen: Zunächst soll der Rechtsrahmen von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sowie von sozialer und privater Pflegeversicherung mit Blick auf die jeweiligen Finanzierungsmodelle in den Grundzügen dargestellt werden (I.), um darauf aufbauend Beitrag und Steuer als Instrumente der Finanzierung sozialer Sicherung zu beleuchten (II.) sowie Zweck und Legitimation des angedachten Steuerzuschusses durch den Bund zu untersuchen (III.). Allgemein ist hierbei zunächst auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen der beitragsfinanzierten Solidargemeinschaft einzugehen (1.), um in einem zweiten Schritt die Rechtfertigungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Hybridfinanzierung darzulegen (2.). Sodann bedarf es der Definition der versicherungsfremden Leistungen (3.) und der Prüfung, ob und unter welchen Voraussetzungen 16 17

Hierzu https://www.tagesschau.de/inland/konjunkturpaket-115.html. BGBl. 2020 I 1669.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

ergänzende Rechtfertigungsgründe für einen Steuerzuschuss angeführt werden können (4.). Diese Ausführungen münden in erste Folgerungen (5.). Hiervon ausgehend werden dann einzelne versicherungsfremde Leistungen in der Krankenversicherung (IV.) und in der Pflegeversicherung (V.) exemplarisch in den Blick genommen, für die eine steuerbasierte finanzielle Unterstützung grundsätzlich möglich erscheint. Unterstellt man die rechtliche Zulässigkeit, erschließt sich aber aus verfassungsrechtlicher Perspektive nicht auf Anhieb, warum nach den aktuellen Vorschlägen nur die Sozialversicherung, nicht aber die private Kranken- und Pflegeversicherung an einem möglichen Steuerzuschuss partizipieren soll, soweit beide dieselben Lasten tragen. Dies begründet jedenfalls eine Ungleichbehandlung, die anhand eines spezifischen, aus grundlegenden Gleichheitserwägungen zu entwickelnden Prüfungsmaßstabs zu messen ist. In einem folgenden Schritt wird dargelegt, dass zur Verfassungsmäßigkeit von Steuerzuschüssen in der Pflegeversicherung trotz einer zur Verfassungsmäßigkeit des für die Krankenversicherungen geltenden § 221 Abs. 1 SGB V ergangenen Entscheidung für den hier zu erörternden Fall noch keine Präjudizierung durch das Bundesverfassungsgericht stattgefunden hat. Hierzu erfolgt zunächst eine Darstellung der Entscheidung im Einzelnen, um anschließend auszuführen, warum weder eine Übertragbarkeit außerhalb der benannten versicherungsfremden Leistungen noch eine Übertragbarkeit auf die Pflegeversicherung angezeigt ist. Sodann bedarf es der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Ungleichbehandlung. Eben diese Rechtfertigung mag sich – was en détail zu prüfen sein wird – möglicherweise aus der unterschiedlichen Organisationsform, der unterschiedlichen Finanzstruktur, oder aber aus dem unterschiedlichen Risikoprofil bzw. der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit und der unterschiedlichen Beihilfeberechtigung der Versicherten im System von sozialer und privater Krankenund Pflegeversicherung. Hieran schließt sich die Frage an, inwieweit Steuerzuschüsse zur Sozialversicherung für die privaten Versicherungsgesellschaften, die diesen Zuschuss gerade nicht erhalten, einen Eingriff in ihre aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Berufs- und Wettbewerbsfreiheit bedeuten können (VII.). Zuletzt fasst eine kurze Summa die wesentlichen Ergebnisse des Gutachtens zusammen (D.).

I. Der Rechtsrahmen von gesetzlicher und privater Kranken- und Pflegeversicherung 1. Krankenversicherung Um Zweck und Legitimation eines Steuerzuschusses durch den Bund in der Krankenversicherung bestimmen zu können, bedarf es in einem ersten Schritt eines Blicks auf die Rechtsrahmen von gesetzlicher und privater Krankenversicherung mit besonderem Fokus auf die jeweiligen Finanzierungsmodelle. Evident ist zunächst, dass sowohl die gesetzliche wie die private Krankenversicherung Akteure im Gesundheitswesen sind, die gleichermaßen das abzusichernde

I. Der Rechtsrahmen der Kranken- und Pflegeversicherung

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Risiko der Krankheit eint.18 Der gesetzlichen Krankenversicherung wird dabei gemäß § 1 S. 1 SGB V die Aufgabe zuteil, „die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern“, der sie durch das Zurverfügungstellen verschiedener, in den §§ 11 ff. SGB V näher benannter Leistungen nachkommt. Getragen wird die gesetzliche Krankenversicherung von den Krankenkassen, die gemäß § 4 Abs. 1 SGB V als rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung organisiert sind.19 Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen, die in den §§ 220 – 274 SGB V geregelt ist, beruht nahezu ausschließlich auf den Beiträgen ihrer Mitglieder.20 Familienangehörige mit keinem oder geringem eigenen Einkommen werden kostenfrei mitversichert, § 10 SGB V. Hinter diesen Grundsätzen steht die Vorstellung der Sozialversicherung als Verband, der primär sozial-ausgleichend für eine spezifische Einstehensgemeinschaft soziale Sicherheit in Gesundheitsbelangen organisiert, kurzum die Idee der gesetzlichen Krankenversicherung als „Solidargemeinschaft“, wie § 1 S. 1 SGB V ausdrücklich formuliert.21 Ausdruck findet das auch in § 3 S. 1 SGB V, der die Finanzierung der Leistungen und sonstigen Ausgaben der Krankenversicherungen ausdrücklich im Wege der Beitragserhebung anordnet.22 Die Regelung schreibt die Beitragsfinanzierung- und Deckung im Sinne der Globaläquivalenz nieder: die GKV darf keine Defizite machen und Schulden aufnehmen, sondern der Ausgleich muss zwischen den Gesunden und Kranken innerhalb der aktuell Versicherten erfolgen. Dabei richtet sich die Höhe der Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bis zur Beitragsbemessungsgrenze, §§ 223 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, 226 ff. SGB V. Ihre Festsetzung erfolgt also in Abhängigkeit zur individuellen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Versicherten.23 Der allgemeine Beitragssatz für die gesetzliche Krankenversicherung beläuft sich gemäß § 241 SGB V derzeit auf 14,6 % 18 BVerfG, Beschl. v. 4. 2. 2004 – 1 BvR 1103/03, VersR 2004, 898, 899 Rn. 20; Seegmüller, VersR 1998, 1469, 1470; Sternberg, „Systemwettbewerb“ zwischen Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung, 2015, S. 38. 19 Becker/Kingreen/Mühlhausen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 4 Rn. 3 f.; s. auch Sternberg, „Systemwettbewerb“ zwischen Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung, 2015, S. 46. 20 Hierzu BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 188; von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 294 f.; Sodan/Rixen/Kluckert, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 37 Rn. 2 f.; 5 ff.; Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 8 Rn. 168 f. 21 Becker/Kingreen/Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 1 Rn. 4; von KoppenfelsSpies, Sozialrecht, 2018, Rn. 294; Krauskopf/Vossen, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 105. EL Januar 2020, § 1 Rn. 6; Sodan/Rixen/Kluckert, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 37 Rn. 5. 22 Becker/Kingreen/Becker/Kingreen, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 1 Rn. 4; Beckmann/Matusche-Beckmann/Stormberg, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, § 44 Rn. 5. 23 von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 294; Krauskopf/Vossen, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 105. EL Januar 2020, § 1 Rn. 6; Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 8 Rn. 172.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

der beitragspflichtigen Einnahmen, der bei den versicherungspflichtig Beschäftigten i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und bei den gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Versicherungspflichtigen, wenn sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, gemäß §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 3 SGB V hälftig vom Arbeitgeber getragen wird.24 Bei bestimmten Personengruppen, insbesondere freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten, besteht gemäß den §§ 257, 258 SGB V ein Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zahlung eines steuerfreien Zuschusses zu den Beiträgen, der auf die Höhe des Betrages begrenzt ist, den der Arbeitgeber gemäß § 249 Abs. 2 oder S. 2 SGB V bei der gesetzlichen Krankenversicherung zahlen müsste.25 Zur Finanzierung der Krankenkasse durch Beiträge treten gemäß § 220 Abs. 1 S. 1 SGB V sonstige Einnahmen, welche aus Zuschüssen, Erstattungs- und Ersatzansprüchen oder aus Erträgen, Zinsen und Gebühren resultieren.26 Zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen erhält die gesetzliche Krankenversicherung zudem gemäß § 221 Abs. 1 SGB V Zuschüsse des Bundes. Alle Finanzierungsinstrumente finden sich gebündelt im sog. Gesundheitsfonds, § 271 SGB V, aus dem die Krankenkassen gemäß § 266 Abs. 1 SGB V zum Ausgleich unterschiedlicher Risikostrukturen Zuweisungen erhalten.27 Das Modell der privaten Krankenversicherung beruht dagegen auf privatrechtlichen Grundlagen. Da es sich bei den privaten Krankenversicherungen um juristische Personen des Privatrechts handelt, können diese grundsätzlich – im Rahmen der für das private Versicherungsrecht geltenden Vorschriften, insbesondere des VVG – frei über den Abschluss von Versicherungsverträgen entscheiden sowie durch privatautonome Ausgestaltung der Versicherungsverträge Art und Höhe der Versicherungsleistungen festlegen.28 Angesichts der Bedeutung des Krankenversicherungsschutzes hat die Gestaltungsfreiheit gleichwohl teilweise gesetzliche Einschränkungen erfahren: So wurde bereits im Jahre 1993 durch § 193 Abs. 3 VVG eine Krankenversicherungspflicht für solche Personen eingeführt, die in keinem anderen System gegen Krankheit abgesichert sowie einem Personenkreis zuzuordnen sind, denen der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung verschlossen ist.29 Insoweit besteht ein Kontrahierungszwang des Versicherungsunternehmens sowie die Verpflichtung,

24

von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 297 f. von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 300. 26 Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 8 Rn. 168. 27 von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 301; Krauskopf/Vossen, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 105. EL Januar 2020, § 1 Rn. 7; Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 8 Rn. 171. 28 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 189; s. auch Beckmann/Matusche-Beckmann/Stormberg, 3. Aufl. 2015, Versicherungsrechts-Handbuch, § 44 Rn. 8. 29 BGBl. I 1993, S. 378, 478 ff. 25

I. Der Rechtsrahmen der Kranken- und Pflegeversicherung

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einen einheitlichen Basistarif anzubieten, der dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, § 193 Abs. 5 S. 1 VVG i.V.m. § 152 Abs. 1 VAG.30

Der Versicherer gibt ein Versicherungsversprechen (Tarif). Hierzu kalkuliert er für alle möglichen Zugangsalter eine Prämie. Dies erfolgt unabhängig vom Individuum. Dann aber kommt es zur Individualisierung: der Versicherte entscheidet sich für einen Tarif. Bei der Risikoprüfung wird dann geprüft, ob im Verhältnis zur kalkulierten Prämie Anpassungen erforderlich sind. Die Versicherungsprämie in der privaten Krankenversicherung richtet sich damit nach dem sog. Äquivalenzprinzip, also nach dem individuellen Risiko des Versicherten, das von verschiedenen Faktoren – unter anderem vom Eintrittsalter und der individuellen Invaliditäts- oder Krankheitsgefahr – abhängt.31 Zudem bestimmt sich die Prämienhöhe in Abhängigkeit des jeweiligen Leistungsumfangs: Wurden ein Selbstbehalt oder ein geringes Leistungsspektrum vereinbart, geht dies mit einer Reduzierung der Beitragshöhe einher; die Gewährleistung eines größeren Leistungsumfangs führt andersherum zu einem höheren Beitrag.32

2. Pflegeversicherung Durch die Pflegeversicherung soll das Risiko der Pflegebedürftigkeit sozial abgesichert werden, § 1 Abs. 1 SGB XI. Die soziale Pflegeversicherung, die für diesen Fall solidarische Unterstützung gewährleisten soll,33 wird von den Pflegekassen getragen, die nach § 12 Abs. 1 SGB XI eine pflegerische Versorgung sicherzustellen haben. Werden Versicherte pflegebedürftig, was gemäß § 14 SGB XI im Sinne einer typologischen Gesamtbetrachtung und anhand von fünf Pflegegraden zu ermitteln ist, haben sie Anspruch auf (ambulante oder stationäre) Pflegeleistungen, deren Art und Umfang sich nach § 4 SGB XI bestimmt. Zwischen den verschiedenen Diensten und Einrichtungen, die eben diese Leistungen erbringen können, dürfen die Versicherten gemäß § 2 SGB XI frei wählen; nach § 3 SGB XI wird dies nur durch den Vorrang der häuslichen vor der stationären Pflege eingeschränkt.34 Als Körperschaften des öffentlichen Rechts nehmen die sozialen Pflegekassen also ersichtlich Aufgaben der Selbstverwaltung im Sinne von § 46 Abs. 2 SGB XI wahr; angegliedert sind sie nach § 46 Abs. 1 SGB XI an die Träger der gesetzlichen Krankenversi30

Zur Verfassungsmäßigkeit des Basistarifs s. BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 235 ff.; s. auch MüKo-VVG/Kalis, 2. Aufl. 2017, § 193 Rn. 27 ff.; Langheid/Rixecker/Muschner, VVG, 6. Aufl. 2019, § 193 Rn. 45 ff. 31 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 189; Beckmann/Matusche-Beckmann/Stormberg, 3. Aufl. 2015, Versicherungsrechts-Handbuch, § 44 Rn. 11; von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 294. 32 Krauskopf/Vossen, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 105. EL Januar 2020, § 1 Rn. 6. 33 von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 307. 34 Eichenhofer, Sozialrecht, 11. Aufl. 2019, § 18 Rn. 334.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

cherung (man spricht vom Prinzip: „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung“). Daher sind die Organe von Pflege- und Krankenkasse identisch, also Vorstand und Verbandsversammlung. Finanziert wird die soziale Pflegeversicherung gemäß § 54 Abs. 1 SGB XI u. a. durch Beiträge, die nach § 55 Abs. 1 SGB XI gesetzlich bestimmt werden. Die Bemessung erfolgt wie in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit,35 sodass allein auf beitragspflichtige Einnahmen abgestellt wird (gedeckelt durch die Beitragsbemessungsgrenze, § 55 Abs. 2 SGB XI). Der im Jahr 2019 das letzte Mal erhöhte und nach diesen Vorgaben konkret zu berechnende Beitragssatz liegt derzeit bei 3,05 % bzw. bei 3,3 % für Kinderlose. Mit dieser im Jahr 2004 eingeführten Differenzierung von 0,25 %36 trägt der Gesetzgeber einer älteren Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung, in welcher das Gericht die beitragsrechtliche Gleichbehandlung von Versicherten mit und ohne Kindererziehungsanteil als verfassungswidrig kritisiert hatte, da Kindererziehende einen „generativen Beitrag“ leisteten.37 Familienangehörige, Hinterbliebenenrentenberechtigte und andere besondere Personengruppen sind von der Pflicht zur Entrichtung eben dieser Beiträge befreit, § 56 SGB XI. Bei versicherten Arbeitnehmern greift wiederum ein dualistisches Beitragssystem: Sind sie versicherungspflichtig, wird der Beitrag zur sozialen Pflegeversicherungen gemäß § 58 Abs. 1 SGB XI hälftig vom Arbeitgeber getragen, ganz so, wie es aus der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bekannt ist.38 Sind sie dagegen freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert (z. B. Freiberufler) oder in der privaten Krankenversicherung versichert, haben sie gemäß § 61 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 58 SGB XI Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Zahlung eines steuerfreien Zuschusses zu den Beiträgen für die private Pflegeversicherung, der jedoch nach § 61 Abs. 2 S. 3 SGB XI auf die Höhe des Betrages begrenzt ist, den der Arbeitgeber bei der sozialen Pflegeversicherung zu zahlen hätte.39 Zwingende Vorschriften zur Ausgestaltung der privaten Pflegeversicherung wiederum enthält § 110 SGB XI: Jeder, der privat krankenversichert ist, muss danach einen bestimmten Vorgaben entsprechenden Pflegeversicherungsvertrag mit einer privaten Pflegeversicherung abschließen, § 1 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XI.40 Die Vorschriften des SGB XI gehen insoweit denen des VVG vor.41 Auf 35

Ausführlich Krauskopf/Baier, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, 104. EL 2019, § 55 SGB XI Rn. 3 ff. 36 BGBl. I 2004, S. 3448 (Kinderberücksichtigungsgesetz). 37 BVerfG, Urt. v. 3. 4. 2001 – 1 BvR 1629/94, NJW 2001, 1712; eingeschränkt durch BSG, Urt. v. 27. 2. 2008 – B 12 P 2/07 R, BeckRS 2008, 54576; s. dazu näher von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 381, auch zu Ausnahmen von diesem Beitragszuschlag nach § 55 Abs. 3 S. 7 und Abs. 3a SGB XI. 38 Zum Grundsatz der Halbierung der Beitragslast KassKomm-Sozialversicherungsrecht/ Peters, 107. EL 2019, § 58 SGB XI Rn. 5 ff. 39 Dazu Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 9 Rn. 243. 40 Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 9 Rn. 245.

I. Der Rechtsrahmen der Kranken- und Pflegeversicherung

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diese Weise wird ein Kontrahierungszwang für die privatrechtlich organisierten Pflegeversicherungsunternehmen der Privatwirtschaft etabliert, der den damit verfolgten Zweck der Sozialbindung unterstreicht.42 Hinsichtlich des Leistungsumfangs enthält § 23 Abs. 1 S. 2 und S. 3 SGB XI ein sog. Gleichwertigkeitsgebot:43 Danach müssen die Leistungen der privaten Pflegeversicherung in sachlicher, persönlicher und zeitlicher Hinsicht gleichwertig zu den Leistungen sein, die die soziale Pflegeversicherung nach den §§ 24 ff. SGB XI gewährleistet.44 Um es mit den Worten des BSG zu sagen: Es besteht eine „vollständige materielle Gleichwertigkeit und die weitestgehende verfahrensrechtliche Parallelität der privaten mit der sozialen Pflegeversicherung“.45 Die Pflegepflichtversicherung ist ein Einheitstarif, die Leistungen aller Versicherer sind identisch. Maßgeblich für den Beitrag eines Versicherten in der privaten Pflegeversicherung sind sein Gesundheitszustand bei Vertragsabschluss und sein Alter bei Versicherungsbeginn. Dadurch ist der Beitrag umso höher, je später eine Person in die private Pflegeversicherung wechselt. Derjenige, der seit Einführung der Pflegeversicherung oder seit mindestens fünf Jahren privat pflegeversichert ist, zahlt maximal den Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung, § 110 Abs. 1 Nr. 2 lit. e) Var. 1 SGB XI bzw. § 110 Abs. 3 Nr. 5 Hs. 1 SGB XI. Die Versicherten, deren Beitrag auf den Höchstbeitrag begrenzt wird, müssten kalkulatorisch einen höheren Beitrag zahlen. Den Differenzbetrag zwischen dem kalkulatorischen und dem tatsächlichen Beitrag finanzieren alle Versicherten, deren Beitrag unter dem Höchstbeitrag liegt, über eine Umlage. Seit Einführung der Pflegepflichtversicherung ist die Zahl der Versicherten, deren Beitrag begrenzt wird, aber stetig gesunken. Die Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung sind – wie in der gesetzlichen Krankenversicherung – in den letzten Jahren stärker gestiegen, als in der privaten Pflegeversicherung: In der privaten Pflegeversicherung ist der Durchschnittsbeitrag von etwa 26 Euro im Jahr 1995 auf ca. 72 Euro im Monat (ab 2020) gestiegen. Im selben Zeitraum hat sich der Beitrag eines Durchschnittsverdieners in der sozialen Pflegeversicherung von 22 Euro auf 115 Euro im Monat erhöht. Der Arbeitgeber zahlt den Beschäftigten zur privaten Pflegepflichtversicherung einen Zuschuss in Höhe des Beitrags, den er bei Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung als Arbeitgeberanteil zu zahlen hätte, höchstens jedoch die Hälfte des tatsächlich zu zahlenden Beitrags, § 61 Abs. 2 S. 3 SGB XI. Privatver-

41

BSG, Urt. v. 22. 4. 2015 – B 3 P 8/13 R, BeckRS 2015, 71043 Rn. 14. Berchtold/Huster/Rehborn/Wallrabenstein, Gesundheitsrecht, 2. Aufl. 2018, § 110 SGB XI Rn. 2 ff.; Krahmer/Plantholz/Kuhn/Zuber, SGB XI 5. Aufl. 2018, § 110 Rn. 5. 43 BeckOK-Sozialrecht/Baumeister, 55. Ed. 2019, § 23 SGB XI Rn. 17. 44 KassKomm-Sozialversicherungsrecht/Peters, 107. EL 2019, § 23 SGB XI Rn. 13; Krauskopf/Baier, Soziale Krankenversicherung und Pflegeversicherung, 104. EL 2019, § 23 SGB XI Rn. 6. 45 BSG, Urt. v. 25. 11. 2015 @ B 3 P 3/14 R, NZS 2016, 268 Rn. 13. 42

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C. Die Finanzierung durch Steuern

sicherte Rentner erhalten ebenso wie gesetzlich versicherte Rentner keinen Zuschuss zur Pflegeversicherung.

Abb. 1: Entwicklung des Eintrittsbeitrags eines 40-Jährigen in der Pflegeversicherung

Abb. 2: Jährliches Wachstum der Ausgaben je Versichertem und der beitragspflichtigen Einnahmen je Mitglied in der SPV von 1999 bis 2019

II. Beitrag und Steuer als Instrumente der Finanzierung sozialer Sicherung

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II. Beitrag und Steuer als Instrumente der Finanzierung sozialer Sicherung Aus diesem Rechtsrahmen von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sowie sozialer und privater Pflegeversicherung heraus lassen sich dann auch Beitrag und Steuer als Instrumente der Finanzierung sozialer Sicherung näher betrachten, um hiervon ausgehend die Anforderungen an eine Hybridfinanzierung präzisieren zu können. Ausgangspunkt der Finanzierung sozialer Sicherung ist dabei § 20 Abs. 1 SGB IV, wonach die Mittel der Sozialversicherung nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige durch Beiträge der Versicherten, der Arbeitgeber und Dritter, durch staatliche Zuschüsse und durch sonstige Einnahmen aufgebracht werden. Dabei sind unter „Mittel“ alle Einnahmen und wirtschaftlichen Werte zu verstehen, die den Sozialversicherungsträgern zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zur Verfügung stehen, worunter konkret Beiträge, staatliche Zuschüsse und sonstige Einnahmen, denen regelmäßig die Leistungen für die Versicherten gegenüberstehen, zu fassen sind.46 Die wichtigste Einnahmequelle bilden die Beiträge, welche für die einzelnen Versicherungszweige unterschiedlich geregelt sind.47 Dabei hat der Beitrag in der Sozialversicherung mehrere Funktionen: Die Beitragspflicht bestimmt zum einen den Kreis derjenigen, die für das Finanzaufkommen verantwortlich sind und begründet zugleich eine Ertragshoheit des Versicherungsträgers.48 Zum anderen erfolgt eine Zweckbestimmung des Beitragsaufkommens und damit verbunden eine Eigenvorsorge durch die Beitragspflichtigen, sodass sich – trotz einkommensabhängiger Berechnung in der gesetzlichen Versicherung – zumindest mittelbar eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung ergibt.49 Anstelle der kalkulatorischen Individualäquivalenz bis zum Ende Laufzeit des Vertrages, wie sie für die private Versicherung kennzeichnend ist – die Versicherungsprämie entspricht dem kalkulatorischen Risiko bis zum Versicherungsende – tritt die Gruppenäquivalenz in einem Jahr: Die Gesamtheit der Beiträge deckt die Gesamtheit der Risiken ab. Die herausragende Bedeutung der Beitragsfinanzierung hat auch das Bundesverfassungsgericht betont: „Zur Sozialversicherung gehört jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit. […] Außer dem sozialen Bedürfnis nach Ausgleich besonderer Lasten ist die Art und Weise kennzeichnend, wie die Aufgabe organisatorisch bewältigt wird: Träger der Sozialversicherung sind selbständige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts, die ihre 46

Kreikebohm/Kreikebohm, SGB IV, 3. Aufl. 2018, § 20 Rn. 4. Für die Krankenversicherung finden sich detaillierte Regelungen in den §§ 249 ff. SGB V, für die Pflegeversicherung in den §§ 55, 57 – 59 SGB XI, für die Rentenversicherung in den §§ 157 ff. SGB VI, für die Arbeitslosenversicherung in den §§ 341 ff. SGB III bzw. §§ 46 ff. SGB II und für die Unfallversicherung in den §§ 150 ff. SGB VII. 48 Mrozynski/Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2019, § 4 Rn. 4. 49 Mrozynski/Mrozynski, SGB I, 4. Aufl. 2019, § 4 Rn. 4; Wallerath, JZ 2004, 949. 47

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C. Die Finanzierung durch Steuern Mittel durch Beiträge der ,Beteiligten‘ aufbringen. Bet. in diesem Sinne ist allerdings nicht einfach jeder, den der Gesetzgeber mit einer Abgabe belegt, deren Aufkommen zur Finanzierung von Sozialleistungen verwandt wird. Die Heranziehung nicht selbst Versicherter als Bet. bedarf vielmehr eines sachorientierten Anknüpfungspunktes in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen, der diese Heranziehung nicht außerhalb der Vorstellungen liegend erscheinen läßt, von denen die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Gehalt bestimmt wird. Auch das gehört zum ,verfassungsrechtlichen Gattungsbegrif‘ der Sozialversicherung.“50

Der Beitrag wird vor diesem Hintergrund als Grundlage der Sozialversicherung gesehen; als integrales System von Leistungen und Lasten begriffen muss mithin primär eine Finanzierung der Sozialversicherung durch die Beiträge ihrer Mitglieder stattfinden.51 Neben sonstigen, nachrangigen Einnahmen wie Vermögenserträgen, Säumniszuschlägen, Geldbußen und Erstattungen durch die Träger der Versorgungslasten sind die zweite wichtige Säule der Finanzierung sozialer Sicherung staatliche Zuschüsse aus Steuermitteln.52 Dass Steuerzuschüsse in verschiedenen Bereichen der sozialen Sicherung grundsätzlich taugliche Finanzierungsinstrumente darstellen, ist unbestritten. Drei Beispiele sollen es plastisch machen: Exemplarisch kann zunächst auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Ablösung der beitragsfreien Mitversicherung der Ehegatten durch ein beitragsbezogenes System mit hohem Zuschussbedarf in der landwirtschaftlichen Alterssicherung verwiesen werden.53 Obwohl in diesem Bereich ein hoher Bundeszuschuss gewährt wird, hat das Gericht der Alterssicherung ihren sozialversicherungsrechtlichen Charakter nicht abgesprochen. Im Gegenteil sei es für ein sozialversicherungsrechtliches Leistungssystem grundsätzlich unschädlich, wenn sich die Finanzierung neben Versichertenbeiträgen aus weiteren Einnahmequellen zusammensetze. Dies werde schon deutlich anhand von Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG, der ausweislich Zuschüsse aus Steuermitteln als Finanzierungsoption verfassungsrechtlich anerkenne.54 Dass staatliche Zuschüsse als unterstützende Finanzierungsinstrumente herangezogen werden können, ist neben § 221 Abs. 1 SGB V, der die pauschale Abgeltung von Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen durch Steuerzuschüsse in der gesetzlichen Krankenversicherung regelt, auch für die gesetzliche Rentenversicherung in § 213 SGB VI ausdrücklich vorgesehen. Während § 213 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI eine steuerliche Unterstützung bei allgemeinen Ausgaben statuiert, sieht § 213 Abs. 3 SGB VI einen zusätzlichen Bundeszuschuss zur pauschalen Abgeltung nicht beitragsgedeckter Leistungen vor. Den Zuschüssen kommt eine Entlastungs- und Ausgleichsfunktion zum einen gegenüber der Allgemeinheit zu, in dem Bereich, in dem die Rentenversicherung nicht beitragsäquivalente Leistungen abdeckt; zum anderen sollen aber auch andere Sozialleistungsträger entlastet werden, wenn es etwa um 50

BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., NJW 1987, 3115, 3116. Maunz/Dürig/Butzer, GG, 90. EL 2020 (Februar), Art. 120 Rn. 196. 52 Kreikebohm/Kreikebohm, SGB IV, 3. Aufl. 2018, § 20 Rn. 5. 53 BVerfG, Beschl. v. 9. 12. 2003 – 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96. 54 BVerfG, Beschl. v. 9. 12. 2003 – 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96, 110; s. hierzu auch Maunz/Dürig/Butzer, GG, 90. EL 2020 (Februar), Art. 120 Rn. 196. 51

II. Beitrag und Steuer als Instrumente der Finanzierung sozialer Sicherung

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Altersrenten an Schwerbehinderte geht.55 Daneben soll die Handlungs- und Funktionsfähigkeit der Rentenversicherungsträger sichergestellt werden.56 Auch in der Rentenversicherung kommt neben den Beiträgen auch Steuerzuschüssen eine wichtige Funktion als Finanzierungsmittel zu.

Diese Überlegungen bestätigen sich im Blick auf die Gesetzgebungskompetenz. Die Sozialversicherung des Grundgesetzes ist die im Kern beitragsfinanzierte Absicherung. Die Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu einer Neujustierung ist nur insoweit gegeben, als die erhebliche oder gar überwiegende Steuerfinanzierung noch dem Typus der Sozialversicherung zuzuordnen ist. Hier dürfte es Grenzen geben, die verfassungsrechtlich noch nicht ausgelotet sind. Prominente Stimmen gehen davon aus, dass zumindest eine überwiegende Beitragsfinanzierung gewährleistet sein müsse, um überhaupt dem Typos der Sozialversicherung zugeordnet werden zu können.57 Zur Definition der Sozialversicherung iSd Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stellt das Bundesverfassungsgericht im Leitsatz seiner Grundsatzentscheidung zum Familienlastenausgleich vom 10. Mai 1960 fest: „Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Nr. 12 GG – Recht der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung – ist nicht auf die klassischen Sozialversicherungszweige beschränkt.“ Das Urteil stellt dann auch folgerichtig fest: „Die Formulierung des Art. 74 Nr. 12 GG geht davon aus, daß der Begriff ,Sozialversicherung‘ häufig in diesem beschränkten Sinne verstanden wird, zeigt aber auch, daß dieser Sinn seiner Regelung gerade nicht zugrunde liegt. Sie versteht ,Sozialversicherung‘ vielmehr als verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff, der alles umfaßt, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt. Dieser Charakter eines Gattungsbegriffes, der bei der Präzisierung einer Kompetenz zu künftiger Gesetzgebung ohnehin zu vermuten ist, wird im Wortlaut des Art. 74 Nr. 12 GG deutlich sichtbar: Die Arbeitslosenversicherung wird hier nicht als außerhalb der ,Sozialversicherung‘ stehend betrachtet, sondern wird in sie ,eingeschlossen‘, um dem bei dieser Versicherung besonders naheliegenden Mißverständnis vorzubeugen, das Wort ,Sozialversicherung‘ sei in der Verfassung nicht als Gattungsbegriff gemeint und stehe auch hier nur für die vier ,klassischen‘ Versicherungszweige.“58 Schon Maunz legte zur Definition der Sozialversicherung dar: „Die Formulierung ,Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung‘ versteht sich daher nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und heute allgemein anerkannter Auffassung als verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff, der alles umfaßt, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt. Die Kompetenznorm ermöglicht deshalb die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem der Sozialversicherung, wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturele55

KassKomm/Kater, Sozialversicherungsrecht, 108. EL 2020 (März), § 213 SGB VI Rn. 4. KassKomm/Kater, Sozialversicherungsrecht, 108. EL 2020 (März), § 213 SGB VI Rn. 5. 57 S. die ausführliche Darstellung der Diskussion bei Maunz/Dürig/Butzer, GG, 90. EL 2020 (Februar), Art. 120 Rn. 191 ff. Das BVerfG hat die Frage offengelassen: „Wann ein Grund der staatlichen Finanzierung erreicht ist, der die Zuordnung eines sozialen Sicherungssystems zum ,Recht der Sozialversicherung‘ im Sinne des Art. 74 I Nr. 12 GG in Frage stellt, ist hier nicht zu entscheiden.“ (BVerfG, Beschl. v. 9. 12. 2003 – 1 BvR 558/99, BVerfGE 109, 96). 58 BVerfG v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190/58, 1 BvR 363/58, 1 BvR 401/58, 1 BvR 409/58, 1 BvR 471/58, BVerfGE 11, 105 – Familienlastenausgleich, Rn. 19. 56

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C. Die Finanzierung durch Steuern menten, insbesondere in der organisatorischen Bewältigung ihrer Durchführung dem Bild entsprechen, das durch die klassische Sozialversicherung geprägt ist. (BVerfGE 11, 111 f; 29, 233; aus dem Schrifttum vgl. statt vieler Schmidt-Bleibtreu/Klein, Komm., Art. 74 Rdnr. 31; v. Münch, GG Komm., Art. 74 Rdnr. 62).“59

Diese Weite des Typos mag auch offen sein für neue Formen der Finanzierung. Freilich ist konstitutiv für die Versicherung der Beitrag. Abzulehnen ist jedenfalls eine Auslegung des Kompetenztitels als umfassende Kompetenz für alle Gebiete der sozialen Sicherheit.60 Eine Erweiterung der Kompetenznorm auf neue Lebenssachverhalte und Finanzierungen bleibt aber dennoch möglich und muss auch möglich bleiben, um dem Gesetzgeber Möglichkeiten zur Gestaltung offen zu halten. Erforderlich ist dazu jedoch eine Gleichwertigkeit der Neureglungen mit der Sozialversicherung nach traditionellem Verständnis. Das Bundesverfassungsgericht legt insoweit dar: „Um die Gesetzgebungskompetenz des Bundes […] aus Art. 74 Nr. 12 GG herzuleiten, genügt es also nicht, das Gesetz dem Bereich der ,sozialen Sicherheit‘ zuzuordnen; vielmehr muß geprüft werden, ob dieses Ziel auf dem spezifischen Wege der ,Sozialversicherung‘ im Sinne von Art. 74 Nr. 12 GG erreicht werden soll. Diese Kompetenznorm ermöglicht die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem ,Sozialversicherung‘, wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Bewältigung ihrer Durchführung dem Bild entsprechen, das durch die ,klassische‘ Sozialversicherung geprägt ist. Dann stellen sie der Sache nach Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 GG dar.“61 Geboten ist damit eine Definition der Sozialversicherung in ihrer herkömmlichen Gestalt. Hieran sind dann wäre jede Neuregelung zu messen. Die Sozialversicherung in ihrer herkömmlichen Gestalt wurde stets und wird auch heute im Kern durch Beiträge finanziert. Dem Bund ist es nicht möglich, die Sozialversicherung beliebig auszugestalten. Vielmehr ist dem Umfang der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG normierten Gesetzgebungskompetenz durch das Bundesverfassungsgericht eine klare und eindeutige Grenze gezogen worden: „Den grundsätzlichen Ausführungen des Bundessozialgerichts über das Wesen der Sozialversicherung ist zuzustimmen. Danach gehören hierzu jedenfalls die gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit.“62 Eine solche Bedarfsdeckung durch eine organisierte Vielheit setzt einen Ausschnitt aus der Bevölkerung voraus, der zur Deckung des Bedarfs herangezogen wird. Die Idee der Sozialversicherung baut gerade auch auf dem Gedanken auf, dass die von der Solidargemeinschaft als organisierter Vielheit aufgebrachten Mittel zum Nutzen dieser Gemeinschaft selbst auch verwendet werden. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Künstlersozialversicherung bereits ausgeführt: 59

Maunz/Dürig/Maunz, GG, Art. 74 GG, Rn. 170. BVerfG v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190/58, 1 BvR 363/58, 1 BvR 401/58, 1 BvR 409/58, 1 BvR 471/58, BVerfGE 11, 105. 61 BVerfG v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190/58, 1 BvR 363/58, 1 BvR 401/58, 1 BvR 409/58,1 BvR 471/58, BVerfGE 11, 105 – Familienlastenausgleich, Rn. 20. 62 BVerfG v. 10. 5. 1960 – 1 BvR 190/58, 1 BvR 363/58, 1 BvR 401/58, 1 BvR 409/58,1 BvR 471/58, BVerfGE 11, 105 – Familienlastenausgleich, Rn. 21. 60

III. Zweck und Legitimation eines möglichen Steuerzuschusses

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„Die Sozialversicherungsbeiträge dienen von vornherein nicht der allgemeinen Mittelbeschaffung des Staates, sondern finden ihren Grund und ihre Grenze in der Finanzierung der Sozialversicherung. Der Gesetzgeber kann sich seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen.“63 Dies gilt auch umgekehrt: Wenn die Finanzierung eines gruppenspezifischen Bedarfs maßgeblich durch Steuern, und damit der Allgemeinheit erfolgt, dann steht dies im deutlichen Spannungsverhältnis; anderes Verständnis nähme der Kompetenzzuweisung jede Kontur.

Es wird deutlich: Allgemein im Bereich sozialer Sicherung stellen Beiträge und staatliche Zuschüsse aus Steuermitteln taugliche und legitime Instrumente zur Finanzierung der Träger dar, wobei der Beitrag schon der Struktur der Sozialversicherung nach die schwerpunktmäßige Einnahmequelle bilden soll. Oder mit anderen Worten: Die Versorgung der Versicherten wird durch die Beitragszahlung gewährleistet; dies schließt Steuerzuschüsse – das wird bereits verfassungsrechtlich in Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG vorausgesetzt – aber nicht aus. Noch nicht gesagt ist freilich, welche Voraussetzungen hierfür gegeben sein müssen.

III. Zweck und Legitimation eines möglichen Steuerzuschusses: Abgeltung versicherungsfremder Leistungen und keine bloße Kostenbegrenzung Soweit der Bund einen Steuerzuschuss gewährt, verfolgt er damit stets auch einen konkreten Zweck. Ganz naheliegend kann zunächst Zweck – und damit letztlich zugleich Legitimation – eines Steuerzuschusses zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung die Abgeltung versicherungsfremder Leistungen sein.

1. Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen beitragsfinanzierter Solidargemeinschaft Es stellt sich zunächst die Frage, zu welchen Zwecken Steuerzuschüsse überhaupt gewährt werden dürfen. Zwar bestehen mit Blick auf eine ältere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keine Zweifel an der grundsätzlichen rechtlichen Zulässigkeit von Steuerzuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung: Denn das Gericht hat sich in der Vergangenheit bereits mit den auf Grundlage von § 221 Abs. 1 SGB V gewährten Steuerzuschüssen an die gesetzliche Krankenversicherung auseinandergesetzt und dabei deren Verfassungsmäßigkeit ohne allzu großen argu63 BVerfG v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82, 2 BvR 934/82, 2 BvR 935/82, 2 BvR 936/82, 2 BvR 938/82, 2 BvR 941/82, 2 BvR 942/82, 2 BvR 947/82, 2 BvR 64/83, 2 BvR 142/84, BVerfGE 75, 108 – Künstlersozialversicherung, Künstlersozialversicherungsgesetz, Rn. 99.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

mentativen Aufwand bejaht.64 Keine eindeutige Aussage enthält das Urteil jedoch zu der Frage, ob Steuerzuschüsse zu Versicherungen nur zu bestimmten Zwecken – nämlich zur Abgeltung von Leistungen, die gerade außerhalb der Solidargemeinschaft liegen – oder gänzlich unabhängig von einer bestimmten Zielsetzung zulässig sind. Man kann dennoch einen Anhaltspunkt zur Auflösung dieser Problematik in der Entscheidung finden. So formuliert das Gericht: „Durch § 221 I SGB V wird der Bund verpflichtet, den gesetzlichen Krankenkassen als Abgeltung für versicherungsfremde Leistungen die im Gesetz genannten Geldleistungen zur Verfügung zu stellen. Eine Verwendung des Geldes für spezielle Personengruppen oder besondere Zwecke sieht das Gesetz nicht vor; es fließt in den allgemeinen Haushalt der Krankenkassen.“65

Prima facie könnte man den Hinweis, dass die Steuerzuschüsse in den allgemeinen Haushalt der gesetzlichen Krankenversicherungen fließen und keiner besonderen Zweckbindung unterliegen, dahingehend verstehen, dass ein solcher Zuschuss aus dem Bundeshaushalt letztlich unabhängig von einer bestimmten Zielsetzung zulässig sein kann. Doch das Bundesverfassungsgericht hatte sich in seiner Entscheidung lediglich mit der Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Zuschusses nach § 221 Abs. 1 SGB V zu beschäftigten. Für diesen ergibt sich die Zweckbindung, – wie auch das Gericht selbst an anderer Stelle klarstellt – jedoch bereits unmittelbar aus dem konkreten Gesetz. Allgemeine Rückschlüsse auf die Frage, ob Steuerzuschüsse zu einer Versicherung nur für versicherungsfremde Leistungen oder auch unabhängig von einer bestimmten Zweckbindung verfassungsrechtlich zulässig sind, lassen sich daher nur bedingt ziehen. In jedem Fall wird zumindest ein erhöhter Rechtfertigungsbedarf bestehen, wenn ein Steuerzuschuss für andere Zwecke als die Abgeltung versicherungsfremder Leistungen gewährt werden soll. Denn nur wenn der Solidargemeinschaft Verpflichtungen oktroyiert werden, die nicht gruppennützig sind, besteht bereits auf den ersten Blick ein Bedürfnis nach einem finanziellen Ausgleich. Bestehen derartige Belastungen der Solidargemeinschaft demgegenüber gar nicht, so ist auch ein Steuerzuschuss nur aus anderen Gedanken heraus zu rechtfertigen. Alle – die Steuerzahler – zahlen dann für etwas, was nur einigen – den Versicherten – zugutekommt. Dieser Gedanke klingt letztlich auch in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an: „Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme diesen Begriff unter Rückgriff auf die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragenen gesamtgesellschaftlichen Lasten definiert und vor allem auf familienpolitische Leistungen wie die beitragsfreie Versicherung von Familienangehörigen, die Beitragsfreistellung bei Bezug von Mutterschafts- und Erziehungsgeld oder das Krankengeld bei Betreuung eines kranken Kindes verwiesen. […] 64

BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2035 f. Rn. 137 f. 65 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2035 Rn. 137.

III. Zweck und Legitimation eines möglichen Steuerzuschusses

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§ 221 I SGB V zielt auf einen Lastenausgleich innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung […]“.66

Und gerade aus diesem Grund hatte das Gericht auch eine Rechtsverletzung der privaten Krankenversicherungen, die einen solchen Zuschuss nicht erhalten, abgelehnt – sie erbringen keine vergleichbaren versicherungsfremden Leistungen und benötigen einen entsprechenden finanziellen Ausgleich daher nicht.67 Damit fällt auch die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Steuerzuschusses nach § 221 Abs. 1 SGB V an die gesetzlichen Krankenkassen recht knapp aus und enthält für die vorliegende Problematik keine konkrete Aussage. Deutlich wird dennoch, dass sich das Gericht im Kern darauf stützt, dass der Steuerzuschuss gerade der Abgeltung versicherungsfremder Leistungen, die eben außerhalb der Solidargemeinschaft liegen und für die daher ein besonderes Bedürfnis nach einem finanziellen Ausgleich besteht, dient. Die Argumentation fällt wohl deshalb so knapp aus, weil die Verfassungsmäßigkeit eines solchen Zuschusses auf der Hand liegt. Im Falle eines vergleichbaren Zuschusses auch zu Versicherungsleistungen würde die Beurteilung womöglich erheblich anders ausfallen. Zwar ist angesichts der für die Rentenversicherung in § 213 Abs. 1 SGB VI enthaltenen Regelung, die gerade auch allgemeine, nicht zweckgebundene Steuerzuschüsse vorsieht und deren Verfassungsmäßigkeit – soweit ersichtlich – weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ernstlich in Zweifel gezogen wurde, nicht davon auszugehen, dass diese von vornherein verfassungswidrig sind. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass § 213 Abs. 1 SGB VI seine Grundlage wiederum in Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG findet68 und damit seinerseits verfassungsrechtlichen Anforderungen Rechnung trägt.

2. Rechtfertigungsbedürftigkeit und -fähigkeit der Hybridfinanzierung Sind also neben den Beiträgen grundsätzlich auch Steuerzuschüsse taugliche Finanzierungsinstrumente im Bereich sozialer Sicherung, ist eine Hybridfinanzierung angesichts der primären Finanzierung durch die Beitragszahlung – einem Strukturmerkmal der Sozialversicherung – gleichwohl besonders auf ihre Rechtfertigungsbedürftigkeit und -fähigkeit zu überprüfen. Zwar ist die Möglichkeit staatlicher Unterstützung in der Sozialversicherung verfassungsrechtlich abgesichert. So sieht Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG ausdrücklich vor, dass der Bund die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluss 66

BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2036 Rn. 139. 67 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2036 Rn. 138. 68 KassKomm-Sozialversicherungsrecht/Kater, 107. EL 2019, § 213 SGB VI Rn. 3.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe trägt. Das Grundgesetz geht hier aber nur von einem „Zuschuss“ aus, der bereits dem natürlichen Wortsinne nach lediglich ein zusätzliches, aber kein gleichwertiges Finanzierungsinstrument zur Beitragszahlung bilden kann.69 Das findet zusätzlich eine Stütze, wenn man auf das System der Sozialversicherung blickt, das auf die „gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“70 angelegt ist.71 Es wird dann umso deutlicher, führt man sich die organisatorischen Vorzüge respektive den Sinn und Zweck der vorrangigen Beitragsfinanzierung gegenüber der Steuerfinanzierung vor Augen. Konkret: Die Beitragsfinanzierung kann als Pendant zur organisatorischen Staatsunabhängigkeit der Sozialversicherung begriffen werden. Insbesondere in Zeiten schlechter Haushaltslagen werden die Versicherten durch das beitragsfinanzierte System davor geschützt, dass sie Leistungen nur in Abhängigkeit zur Finanzlage des staatlichen Haushaltes erhalten.72 Zudem schützt die Beitragsfinanzierung die Versicherten vor Eingriffen des Haushaltsgesetzgebers; würde die Finanzierung vorrangig durch Steuermittel bestritten, würden die Sozialversicherungsträger ihren Status als Parafiskus aufgeben. Dass dies kein theoretisches Problem ist, zeigen aktuelle Ereignisse im Kontext der CoronaPandemie: So wurde beispielsweise der Rettungsschirm für die Vertragszahnärzte aufgrund von Interventionen von Haushaltspolitikern zu einem Kredit umgewandelt.73 In die aktuelle Diskussion um die Ausgestaltung von Freihalteprämien in Krankenhäusern, die nach dem gesetzlichen Krankenhausrettungsschirm aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren sind, bringen sich ausschließlich Haushaltspolitiker ein.74

Schließlich bildet der Beitrag als Vorzugslast die Verknüpfung zwischen der Versicherungsleistung und der Beitragsbelastung. Mit anderen Worten: Die Beitragsfinanzierung schützt den Versicherten davor, dass Mittel aus dem Sozialversi69

Ähnlich Kirchhof, NZS 1999, 161, 162. BVerfG, Beschl. v. 8. 4. 1987 – 2 BvR 909/82 u. a., NJW 1987, 3115, 3116. 71 Hierzu bereits ausführlich unter Gliederungspunkt B. II. 72 S. auch das BSG, Urt. v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn. 53 u. a. im Anschluss an BVerfG, Urt. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01 - BVerfGE 113, 167, 205: „Die Sozialversicherungsbeiträge sollen wegen ihrer strengen Zweckbindung weder den Bund oder die Länder noch sonstige staatliche Aufgabenträger zu eigenverantwortlichen finanziellen Entscheidungen befähigen. Sie eröffnen keine haushaltspolitischen Entscheidungsspielräume. Es handelt sich für Bund und Länder vielmehr um Fremdgelder, die der eigenen Haushaltsgewalt entzogen sind.“ 73 S. hierzu den Beitrag „Schutzschirm für Zahnärzte ist nur eine Liquiditätshilfe“ vom 4. 5. 2020, abrufbar unter https://www.zm-online.de/news/politik/schutzschirm-fuer-zahnaerzte-istnur-eine-liquiditaetshilfe/. 74 S. den Beitrag „Spahn will Krankenhäuser mit Milliardensummen am Leben erhalten“ vom 21. 3. 2020, abrufbar unter https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/corona-spahn-will-kran kenhaeuser-mit-geld-am-leben-erhalten-16690128.html und den Beitrag „Finanzspritze für Krankenhäuser aus dem Bundeshaushalt wird deutlich teurer” vom 30. 4. 2020, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/coronakrise-finanzspritze-fuer-krankenhaeu ser-aus-dem-bundeshaushalt-wird-deutlich-teurer/25791964.html?ticket=ST-10385868-L4 i0zzuyUGQ9LRsXeeid-ap4. 70

III. Zweck und Legitimation eines möglichen Steuerzuschusses

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cherungshaushalt zweckentfremdet werden. Auch deshalb ist die steuerbasierte Bezuschussung im Bereich der Sozialversicherung stets rechtfertigungsbedürftig. Der Ausnahmecharakter steuerbasierter Finanzierung ist auch in Bezug auf § 221 Abs. 1 SGB V anerkannt: In der Literatur wird angemerkt, dass eine Beteiligung des Bundes eine Durchbrechung des Grundsatzes der Beitragszentriertheit bedeutet.75

Unter welchen Voraussetzungen ist eine Hybridfinanzierung aber nun rechtfertigungsfähig? Ausgangspunkt in der Suche nach einer Antwort muss die Struktur der Sozialversicherung sein. Im Unterschied zum Bereich der Fürsorge, die für den Fall der Bedürftigkeit Leistungen vorsieht, und zur Versorgung, die steuerfinanziert besondere Aufwendungen ausgleichen soll, ist maßgebliches Charakteristikum einer Versicherung, „einen im Einzelfall zufälligen, in seiner Gesamtheit aber schätzbaren Bedarf auf eine große Risikogemeinschaft zu verteilen und ihn damit für jedes ihrer Mitglieder tragbar zu machen“.76 Damit geht einher, dass die Absicherung durch Vorsorge in Form von Geldleistungen der Versicherten bzw. ihrer Arbeitgeber (mit-) finanziert sein muss; würde der Gesetzgeber die Absicherung etwa des Krankheitsoder des Altersrisikos allein durch Steuern organisieren, oder würde er vorsehen, dass ein Bundeszuschuss in einer Höhe, die alle Leistungen abdecken, an eine Körperschaft geleistet würde, die mit diesen Mitteln die Absicherung des Risikos übernähme, läge schon keine Sozialversicherung qua definitionem mehr vor.77 Gleiches gilt für den Fall, dass Steuerzuschüsse in einer Höhe gewährt werden, die letztlich zu einer umfänglichen Finanzierung der Sozialleistungen durch den Staat führt. In einem solchen Fall fehlt es am erforderlichen Vorsorgecharakter sowie an einem versicherungstypischen Risikoausgleich zwischen den Versicherten.78 Damit ergibt sich in quantitativer Hinsicht: Steuerzuschüsse dürfen schon der Struktur einer Versicherung entsprechend nur eine im Vergleich zur Beitragszahlung geringe finanzielle Unterstützung bieten. Exemplarisch formuliert auch Ulmer in Bezug auf § 221 Abs. 1 SGB V: „Angesichts der vorerst zum Gesamtvolumen relativ geringen Beträge ist dies verfassungsrechtlich unproblematisch. Eine deutlich umfangreichere Steuerfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung wäre bedenklich, da diese aus Abgaben zu bestreiten sind.“79

In qualitativer Hinsicht müssen sie sich auf die Finanzierung solcher Leistungen beschränken, die nicht durch die Beiträge hinreichend abgegolten werden können. Dies erfasst vor allem versicherungsfremde Leistungen, die also nicht als Äquivalent zum Beitrag einzuordnen sind. Hier mag nicht nur eine Zulässigkeit, sondern – in

75 76 77 78 79

Becker/Kingreen/Mecke, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 221 Rn. 1. Maunz/Dürig/Butzer, GG, 90. EL 2020 (Februar), Art. 120 Rn. 194. Maunz/Dürig/Butzer, GG, 90. EL 2020 (Februar), Art. 120 Rn. 195. Maunz/Dürig/Butzer, GG, 90. EL 2020 (Februar), Art. 120 Rn. 197. BeckOK Sozialrecht/Ulmer, 56. Ed. 2020, § 221 SGB V Rn. 1.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

Grenzen – auch eine Verpflichtung zur Kompensation bestehen.80 Eine steuerliche Bezuschussung anderer Aufwendungen ist damit zwar nicht kategorisch ausgeschlossen; dennoch verbleibt es dabei, dass wohl im Grundsatz nur dann, wenn der Solidargemeinschaft Verpflichtungen auferlegt werden, die sich nicht auf den Versichertenkreis beschränken, ein Bedürfnis nach staatlicher Unterstützung überhaupt anzuerkennen ist. Denn stets muss bedacht werden, dass andernfalls die Gesamtheit der Steuerzahler durch die Bezuschussung für Leistungen aufkommen würde, die lediglich einer Gruppe von Versicherten zugutekommen und die der Konzeption der Sozialversicherung nach grundsätzlich durch Beiträge finanziert werden sollen. Mit anderen Worten: Was der Gesamtgesellschaft zugutekommt, dass kann auch durch sie finanziert werden, was nur den Versicherten zugutekommt, dass muss durch die Versicherten finanziert werden. Vor dem Hintergrund, dass der Beitrag als wesentliches Strukturmerkmal die Grundlage der Sozialversicherung bildet, ist eine Finanzierung aus Steuermitteln in einer Versicherung „grundsätzlich systemfremd“81. Das bedeutet freilich noch nicht ihre Unzulässigkeit; jedoch unterliegt eine solche Hybridfinanzierung erhöhten Rechtfertigungsvoraussetzungen. Die Beitragszahlung muss stets primäres Finanzierungsinstrument bleiben, die Steuerfinanzierung darf in geringem Umfang hinzutreten. Verlangt werden angesichts der Struktur des Sozialversicherungssystems zudem sachliche Gründe, welche über die allgemeine Finanzierung von Versicherungsleistungen hinausgehen. Konkret erscheint eine steuerbasierte Bezuschussung zur Abgeltung von Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen vor diesem Hintergrund grundsätzlich möglich.

3. Eine Konturierung der versicherungsfremden Leistungen Was aber sind versicherungsfremde Leistungen, die verfassungsrechtlich abgesichert ausgeglichen werden können? Die Frage stellen sich auch andere: „Die Krux ist, dass niemand von uns sozusagen par ordre du mufti festlegen kann, was versicherungsfremde Leistungen sind und was nicht.“ (Sachverständiger Prof. Dr. Klaus-Dirk Henke in einer Anhörung des Haushaltsauschuss v. 15. 5. 2014, Stenografisches Protokoll 18/12, S. 6).

80 S. auch – wenn auch nur zum direkten Finanztransfer – das BSG, Urt. v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn. 53, im Anschluss an BVerfG, Urt. v. 22. 5. 2018 – 1 BvR 1728/12, BVerfGE 149, 50, 78: „Die erhobenen Geldmittel dürfen allein zur Finanzierung der Aufgaben der Sozialversicherung eingesetzt werden; zur Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs des Staats und seiner sonstigen Glieder stehen sie nicht zur Verfügung“. 81 Sternberg, „Systemwettbewerb“ zwischen Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung, 2015, S. 126.

III. Zweck und Legitimation eines möglichen Steuerzuschusses

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Bei der Frage der Finanzierung von Leistungen durch die Versichertengemeinschaft ist diese Frage bereits relevant geworden.82 Aber eben auch beim entgegengesetzten Blick: Im Bereich der Pflegeversicherungen findet sich dieser Begriff nicht ausdrücklich im Gesetz. Im Krankenversicherungsrecht ist er zumindest in § 221 Abs. 1 SGB V enthalten, an einer Definition fehlt es aber auch hier – sowohl im Gesetzestext selbst als auch in der Gesetzesbegründung.83 Einziger Anhaltspunkt kann insofern sein, was vom Gesetzgeber vereinzelt ausdrücklich als versicherungsfremde Leistung für die Krankenversicherung benannt wird: Die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern,84 Bestattungskostenzuschüsse85 sowie Empfängnisverhütung, Sterilisation und Schwangerschaftsabbruch.86 Was tatsächlich versicherungsfremde Leistungen sind, bleibt – so wird verbreitet beklagt – angesichts dieser nur fragmentarischen Aufzählung jedoch letztlich unklar.87 Das Schrifttum ist sich weitgehend einig in der Uneinigkeit. So verwundert es nicht, dass sich in der Literatur zahlreiche Definitionsversuche finden.88 Manche möchten alle Leistungen als versicherungsfremd einordnen, die für verschiedene Versicherte in unterschiedlichem Ausmaß erbracht werden, ohne dass ihnen entsprechend zugleich unterschiedliche Beiträge gegenüberstehen.89 Andere halten für maßgeblich, ob die jeweiligen Leistungen Interessen befriedigen, „die außerhalb der Solidargemeinschaft der Beitragszahler der Sozialversicherung als solcher liegen“90. Dem entspricht der Sache nach die Eingrenzung des Bundessozialgerichts, wonach eine „gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe“ keine Aufgabe der Sozialversicherung ist.91 Wieder andere wollen vielmehr eine negative Abgrenzung vornehmen und den Begriff der versicherungsfremden Leistungen von ihrem Gegenstück, nämlich den versicherungsimmanenten Leistungen, ausgehend formulieren: Denn Aufgabe der Versicherungen sei gerade, das versicherte Risiko zu tragen und die versprochene Leistung zu erbringen, soweit der Versicherungsfall eintritt, sich also die übernommene Gefahr realisiert.92 Kurz gesagt: Was abgesichert ist, ist jedenfalls keine versicherungsfremde Leistung. Damit können versicherungsfremd nur Leistungen sein, „die weder durch den individuellen versiche82

S. Abschnitt B. III. der Darstellung sowie jüngst BSG, Urt. v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn. 51. 83 S. BT-Drs. 16/3100, S. 181. 84 BT-Drs. 16/3100, S. 181. 85 BT-Drs. 15/1525, S. 92. 86 Anlage zu § 2 Abs. 1 PauschAV Nr. 2. 87 Ebenso Becker/Kingreen/Mecke, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 221 Rn. 3; Krauskopf/Vossen, Soziale Krankenversicherung, 104. EL Februar 2019, § 221 SGB V Rn. 5. 88 Einen ausführlichen Überblick über den Streitstand gebend Hauck/Noftz/Luthe, SGB, Stand 4/17, § 221 SGB V Rn. 6. 89 Ruland, DRV 1995, 28, 31. 90 Leisner, NZS 1996, 97, 100. 91 BSG, Urt. v. 18. 5. 2021 – B 1 A 2/20 R, Rn. 57 ff., im Hinblick auf § 20a SGB V. 92 Rolfs, NZS 1998, 551, 555.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

rungstechnischen Risiko-, noch durch den Solidarausgleich legitimiert sind“.93 Demgegenüber halten einige schon den Begriff der versicherungsfremden Leistung für paradox: Jede Leistung, die durch die Versicherung erbracht werde, sei zwangsweise auch eine Versicherungsleistung, ihr also gerade nicht fremd.94 Hinter der Begrifflichkeit verberge sich vielmehr jede Leistung, die genau genommen nicht zur Versicherung gehöre, weil sie eine spezifische Nähe zu den Risiken der jeweiligen Versicherung gerade nicht aufweise und eher gesamtgesellschaftlich wertvollen Zielen dient.95 Versicherungsfremde Leistungen werden nämlich „in Erfüllung gesamtstaatlicher, nicht auf die Versichertengemeinschaft bezogener gruppenspezifischer Aufgaben gewährt“.96 Vor diesem Hintergrund wird teilweise eingewandt, man müsse statt von versicherungsfremden Leistungen vielmehr von „gesamtgesellschaftlichen Aufgaben“97 sprechen, was jedoch letztlich mangels eindeutiger Definition auch dieses Begriffes konturlos und damit wenig zielführend bleibt.98 Auch die Rechtsprechung reiht sich bei der Suche nach Definitionsansätzen ein und formuliert: „Als ,versicherungsfremde Leistungen‘ werden Leistungen und Teile davon bezeichnet, denen keine entsprechenden Beiträge gegenüberstehen, ferner Leistungen, die vorzeitig bewilligt oder günstig berechnet werden.“99 Daran anknüpfend befürworten einzelne Vertreter in der Literatur, die Versicherungsfremdheit einer Leistung durch einen internen und einen externen Vergleich zu bestimmen: Intern sei das Verhältnis zwischen den unterschiedlichen Versichertengruppen und die Relation von Beitrag und Leistung entscheidend, extern die Belastung der Beitragszahler mit Beiträgen, die Aufgaben und Leistungen finanzieren, die allgemeine Staatsaufgaben sind.100 Es bestehen mithin zahlreiche Definitionsansätze, die sich inhaltlich teilweise überschneiden, teilweise an unterschiedliche Ausgangspunkte anknüpfen. Einen gemeinsamen Nenner haben sie jedoch jedenfalls insofern, als das Element der „Leistung“ nicht infrage gestellt wird. Es muss sich demnach stets um etwas handeln, dass dem Versicherten – wenn auch nur mittelbar – in irgendeiner Form zugutekommt. Welche Leistung aber versicherungsfremd ist, ist weiterhin nicht eindeutig geklärt. Sicherlich zutreffend ist die Erwägung, dass jede Leistung, die durch die Versicherung erbracht werde, zwangsweise auch eine Versicherungsleistung, ihr also 93

Rolfs, NZS 1998, 551, 556. Becker/Kingreen/Mecke, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 221 Rn. 4. 95 Becker/Kingreen/Mecke, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 221 Rn. 4. 96 Rolfs, NZS 1998, 551. 97 Diesen Begriff ebenfalls verwendend BT-Drs. 16/3100, S. 86, 212; ähnlich auch ebd. S. 92, 181. 98 Greß/Haun/Jacobs, Zur Stärkung der Solidarität bei der Pflegefinanzierung, PflegeReport 2019, 241 ff., abrufbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-5893 5-9_19, Abruf v. 2. 4. 2020. 99 BSG, Urt. v. 29. 1. 1998 – B 12 KR 35/95 R, NZS 1998, 482, 483. 100 Bieback, FS 50 Jahre BSG, 2004, S. 117, 129. 94

III. Zweck und Legitimation eines möglichen Steuerzuschusses

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gerade nicht fremd sei.101 Auf der Hand liegt aber auch, dass dieses Verständnis vom Gesetzgeber nicht intendiert sein kann, denn andernfalls wäre die in § 221 Abs. 1 SGB V angelegte Differenzierung von versicherungsfremden und versicherungsimmanenten Leistungen obsolet – keine Leistung einer Versicherung könnte noch „versicherungsfremd“ sein. Geht man vom Wortlaut aus und legt zudem vorstehende Erwägungen zugrunde, so muss als „versicherungsfremd“ letztlich jede Leistung eingeordnet werden, die gerade der spezifischen Versicherung fremd, von ihr also nicht abgedeckt ist. Entscheidend ist damit nicht der Leistende – das ist stets die Versicherung –, sondern vielmehr der Grund der Leistung. Denn wie Rolfs zutreffend feststellt, ist Aufgabe der Versicherung, das versicherte Risiko zu tragen und die versprochene Leistung zu erbringen, soweit der Versicherungsfall eintritt.102 Muss die Versicherung weitergehende Leistungen erbringen, so ist diese Leistung gerade versicherungsfremd. Eine solche Leistungsverpflichtung der Versicherung kann indes – soweit sie das Risiko nicht auf Grundlage entsprechender Beitragszahlungen absichert – nur dann gerechtfertigt sein, wenn es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben handelt. Mit anderen Worten: Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zur Finanzierung kann es nur geben, wenn es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die finanziert werden soll, nicht losgelöst davon. Man mag also zusammenfassen: Versicherungsfremd sind Leistungen, die dem Versicherten regelmäßig nicht unmittelbar, jedenfalls aber mittelbar zugutekommen, dabei jedoch grundsätzlich nicht von der von ihm geschlossenen Versicherung abgedeckt sind, sodass die Versicherung bei Erbringung der Leistung nicht in Erfüllung ihrer unmittelbar aus der Versicherung folgenden Pflichten, sondern vielmehr zur Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben tätig wird.

4. Ergänzende Rechtfertigungsgründe? Können vor diesem Hintergrund Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen wegen ihrer gesamtgesellschaftlichen Dimension dem Grunde nach vom Staat bezuschusst werden, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob sich ergänzende Rechtfertigungsgründe ergeben können, aufgrund derer – auch unabhängig von der Einordnung einer Leistung als versicherungsfremd – die Sozialversicherung steuerbasierte Unterstützung erfahren kann. Zunächst gilt: Für Gründe, die eine staatliche Bezuschussung rechtfertigen können, besteht kein numerus clausus. Hat der Gesetzgeber zu § 221 SGB V beispielhaft die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern,103 Bestattungskostenzuschüsse104 sowie Empfängnisverhütung, Sterilisation und Schwangerschaftsab101 102 103 104

Becker/Kingreen/Mecke, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 221 Rn. 4. Rolfs, NZS 1998, 551, 555. BT-Drs. 16/3100, S. 181. BT-Drs. 15/1525, S. 92.

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bruch105 benannt, so ist diese Auflistung unbestritten nicht abschließend. Im Gegenteil: Die anhaltende Diskussion im Schrifttum, welche Leistungen als versicherungsfremd zu charakterisieren sind,106 deutet darauf hin, dass selbst im Bereich der versicherungsfremden Leistungen eine offene Aufzählung exemplarischer Leistungen, die durch einen Bundeszuschuss finanziert werden können, besteht. Die Anführung ergänzender Rechtfertigungsgründe für einen Steuerzuschuss ist damit nicht von vornherein ausgeschlossen. Dies bedeutet freilich nicht, dass jeder sachliche Grund eine steuerbasierte Bezuschussung rechtfertigen könnte. Vielmehr ergeben sich erstens Grenzen aus der Struktur des Versicherungssystems: Wie bereits dargelegt,107 stellt diese erhöhte Anforderungen an die Rechtfertigung einer Hybridfinanzierung. Zum einen muss die Finanzierung durch Steuermittel quantitativ deutlich hinter die Beitragszahlung zurücktreten; qualitativ dürfen die Gründe nicht solche sein, die sich allein auf die Kostenabgeltung von Versicherungsleistungen beziehen – denn hierfür ist der Beitrag vorgesehen. Auch ergänzende, bislang noch nicht diskutierte Rechtfertigungsgründe müssen damit dem Sinn und Zweck eines staatlichen Zuschusses – die Versicherung dort zu unterstützen, wo der Beitrag nicht ausreicht, weil sie eben gesamtgesellschaftliche Aufgaben erbringt – genügen. Zweitens müssen ergänzende Rechtfertigungsgründe exakt benannt werden und die Erforderlichkeit der staatlichen Unterstützung muss nachgewiesen werden. Wird der Gesamtheit der Steuerzahler ein Teil der Finanzierung der gesetzlichen Krankenund Pflegeversicherung auferlegt, muss hinreichend transparent und nachvollziehbar sein, dass es sich nicht nur um die Finanzierung (fremder) Versicherungsleistungen handelt. Hiermit geht einher, dass der Nachweis erbracht wird, dass gerade diese steuerbasierte Bezuschussung auch erforderlich ist, um die benannten Kosten abzugelten.

5. Beitragsgarantie ist kein Rechtfertigungsgrund Auf dieser Basis kann eine allgemeine Beitragsfinanzierung, das Halten eines bestimmten politisch oder wirtschaftspolitisch opportunen Beitragssatzes („Sozialgarantie 2021“), kein tauglicher Grund sein, um eine Steuerfinanzierung für die Sozialversicherung zu begründen. Denn die Beitragsstabilisierung ist kein Zweck an sich, sondern kann nur Mittel für ein anderes Ziel sein. Die Belastungsgrenze in der Sozialversicherung wird damit begründet, die Lohnnebenkosten zu begrenzen, und

105

Anlage zu § 2 Abs. 1 PauschAV Nr. 2. Ebenso Becker/Kingreen/Mecke, SGB V, 6. Aufl. 2018, § 221 Rn. 3; Krauskopf/Vossen, Soziale Krankenversicherung, 104. EL Februar 2019, § 221 SGB V Rn. 5; s. auch Hauck/Noftz/ Luthe, SGB, Stand 4/17, § 221 SGB V Rn. 6. 107 S. ausführlich Gliederungspunkt B. III. 2. 106

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damit letztlich mit der Belastungsfähigkeit der Wirtschaft wie des einzelnen Versicherten.108 Das ergibt sich aus der Begründung des entsprechenden Beschlusses des Koalitionsausschusses vom 3. Juni 2020: „Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie steigen die Ausgaben in allen Sozialversicherungen. Um eine dadurch bedingte Steigerung der Lohnnebenkosten zu verhindern, werden wir im Rahmen einer ,Sozialgarantie 2021‘ die Sozialversicherungsbeiträge bei maximal 40 % stabilisieren, indem wir darüber hinaus gehende Finanzbedarfe aus dem Bundeshaushalt jedenfalls bis zum Jahr 2021 decken. Das schützt die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer und bringt Verlässlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit für die Arbeitgeber.“ Es wird gefordert, dass diese Grenze dauerhaft eingehalten wird. Der Bundeswirtschaftsminister geht laut eines Interviews im Stern davon aus, dass in Deutschland Arbeitsplätze vernichtet werden, wenn die Beiträge zur Sozialversicherung die Obergrenze von 40 Prozent überschreiten, und fordert daher ganz allgemein eine Obergrenze für Sozialabgaben, weil sonst weniger investiert werde oder weil es sich dann erst recht lohne, Menschen durch Maschinen zu ersetzen.109 Arbeitgeberpräsident Kramer stimmt dem zu.110

Diese Belastungsfähigkeit zu respektieren mag ein legitimer Grund staatlicher Unterstützung sein, doch müssen dafür systemimmanente Mittel gewählt werden: die effizientere Gestaltung der Ausgabenseite oder auch eine Leistungsbegrenzung. Auch kann ein Steuerzuschuss für den einzelnen Versicherten, der sich an dessen individueller Leistungsfähigkeit orientiert, ein solcher Weg sein. Der pauschale Steuerzuschuss wäre demgegenüber nichts anderes als eine mittelbare allgemeine staatliche Lohnsubventionierung über den Umweg der Sozialversicherung. Hier müsste der Staat den direkten Weg gehen – eben über Zahlungen an den Arbeitnehmer oder aber, wo dies reicht, mittels eines modifizierten Steuersatzes. Den Grundsatz der Äquivalenz von Beitragssumme und Leistungsausgaben würde andernfalls in Frage gestellt. Der intensive Streit darüber, was versicherungsfremde Leistungen sind, wäre sonst überflüssig. Die verfassungsrechtlich engen Grenzen einer Lohnsubventionierung und die Gefahr möglicher Mitnahmeeffekte sind an anderer Stelle aufgezeigt worden; zudem sind diese selbst für den Niedriglohnbereich sehr umstritten.111 Das mag in der Rentenversicherung anders sein. Hier haben Butzer/Hollo ausführlich begründet, dass Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, das Eigentumsrecht (Art. 14 GG) an sozialversicherungsrechtlichen Anwartschaften, der Allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und 108

https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Schlag lichter/Konjunkturpaket/2020-06-03-eckpunktepapier.pdf?__blob=publicationFile). 109 https://www.stern.de/wirtschaft/news/peter-altmaier-im-stern–quote-der-sozialabgabenim-grundgesetz-festschreiben-8577432.html. 110 https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/arbeitgeber-wollen-maximal-40prozent-sozialabgaben-16046831.html. 111 Zu letzterem instruktiv der Wissenschaftliche Beirats des Bundesministeriums der Finanzen bereits 2008, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Mi nisterium/Geschaeftsbereich/Wissenschaftlicher_Beirat/Gutachten_und_Stellungnahmen/Aus gewaehlte_Texte/001_a_gutachten_existenzsicherung_erwerbsanreiz.pdf?__blob=publication File&v=3, Abruf v. 31. 8. 2020.

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das Unionsrecht (Art. 101 AEUV) einer Erhöhung der Bundeszuschüsse erst entgegenstehen, wenn eine Grenze von 50 Prozent Staatsfinanzierung überschritten wird.112 Sie fragen aber nur nach einer äußeren Grenze der Staatsfinanzierung – nicht nach legitimen Gründen der Bezuschussung innerhalb dieser äußeren Grenze. Hier kann zwischen den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung differenziert werden. Soweit die Sozialversicherung außerhalb des Versicherungsprinzips Aufgaben des sozialen Ausgleichs übernimmt, ist es sachgerecht, die entsprechenden Kosten dem Gesamtstaat und damit dem Steuerzahler aufzubürden; die Sozialversicherung dient insoweit lediglich als organisatorischer Rahmen für die Wahrnehmung allgemeiner Staatsaufgaben.113 Aber eben nur insoweit. Selbst der, der in Art. 120 GG nicht nur eine Kompetenznorm im Bund/Länder-Verhältnis sieht114, und weitergehend Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG als verfassungsrechtliche Verbürgung einer Nachhaltigkeit im Sozialrecht ansieht, kann damit eine pauschale Obergrenze der Beitragslast herleiten.115

6. Erste Folgerungen Soweit die Versicherung solche gesamtgesellschaftlichen Aufgaben wahrnimmt, erfüllt sie letztlich Pflichten, die grundsätzlich dem Staat obliegen. Bedient der Staat sich zur Erfüllung seiner Aufgaben der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, erscheint es naheliegend, dies durch einen Steuerzuschuss abzugelten. Darin kann der Zweck eines Steuerzuschusses gesehen werden. Ausgeschlossen ist es zwar nicht, ergänzende Rechtfertigungsgründe heranzuziehen. Diese müssen aber benannt und nachgewiesen sein und dürfen sich nicht in der Finanzierung bloßer Versicherungsleistungen erschöpfen. Nicht damit vereinbar ist es also, auf eine bloße Kostenbegrenzung116 im Sinne einer Beitragssenkung als Ziel des Steuerzuschusses abzustellen. Dies knüpft nicht an einer wie auch immer gearteten Leistung der Versicherung an. Danach kann es gerade nicht der Gemeinschaft der Steuerzahler von solchen, spezifisch zu benennenden Leistungen unabhängig auferlegt werden, eine Beitragssenkung für den einzelnen Versicherten zu finanzieren: Nur soweit gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrgenommen werden, kommt in Betracht, deren Erfüllung auch durch Steuerzuschüsse sicherzustellen. Eine Beitragssenkung für den einzelnen Versicherten herbeizuführen, kann indes nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe eingeordnet werden – auch wenn eine Beitragssenkung rein tatsächlich das Ergebnis eines Steuerzuschusses sein sollte.117 Hier wird nicht auf die

112 Butzer/Hollo, Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer signifikanten Erhöhung des Bundeszuschusses an die Gesetzliche Rentenversicherung, 2007. 113 BeckOK GG/Kaltenborn/Barczak, 43. Ed. 1. 12. 2019, GG Art. 120 Rn. 8 m.w.N. 114 So aber BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, NVwZ 2006, 559. 115 Zur Diskussion Hebeler, NZS 2018, 848, 851 mit zahlreichen Nachweisen. 116 Bericht des Handelsblatts v. 14. 7. 2019: „Bayern fordert Bundeszuschuss aus Steuern für Pflege“, abrufbar unter https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gesundheitspoli tik-bayern-fordert-bundeszuschuss-aus-steuern-fuer-pflege/24590926.html, Abruf v. 2. 4. 2020. 117 BVerfG, Beschl. v. 14. 6. 2011 – 1 BvR 429/11, NZS 2011, 936, 937, Rn. 13.

IV. Versicherungsfremde Leistungen in der Krankenversicherung

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Leistungen, sondern auf den Beitrag geschaut. Alleiniges Ziel für einen Steuerzuschuss kann die Beitragssenkung jedoch nicht sein.

IV. Versicherungsfremde Leistungen in der Krankenversicherung Diese allgemeinen Erwägungen zugrunde legend ist damit noch nicht geklärt, welche Leistungen konkret in der Krankenversicherung als versicherungsfremd einzuordnen sind. Der Ausgangspunkt der Prüfung ist klar konturiert: Es muss sich hierbei um Leistungen handeln, die den Versicherten nicht unmittelbar, jedenfalls aber mittelbar zugutekommen, wobei die Versicherung bei Erbringung ebendieser Leistung nicht in Erfüllung ihrer unmittelbar aus der Versicherung folgenden Pflichten, sondern vielmehr zur Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben tätig wird – nur dann käme, wie bereits dargelegt, eine finanzielle Unterstützung durch einen Steuerzuschuss grundsätzlich in Betracht.

1. Beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen Zweifelsohne stellt vor diesem Hintergrund die beitragsfreie Mitversicherung Familienangehöriger eine versicherungsfremde Leistung dar.118 Unterhaltsberechtigte Kinder, Ehegatten und Lebenspartnerinnen und Lebenspartner, deren regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen nicht höher als aktuell 455 Euro bei geringfügig Beschäftigten ist, sind im Rahmen der sozialen Familienversicherung unter den Voraussetzungen des § 10 SGB V mitversichert. Dies bedeutet, dass die erfassten Personengruppen keine Beiträge zur Krankenversicherung zahlen müssen; sie haben eigene Leistungsansprüche gegen das Versicherungsunternehmen, ohne zugleich Mitglied zu sein.119 Dass hierin keine versicherungsimmanente, sondern eine versicherungsfremde Leistung liegt, hat der Gesetzgeber des § 221 SGB V für die gesetzliche Krankenversicherung ausdrücklich anerkannt: „Die gesetzliche Krankenversicherung trägt auch heute noch eine Reihe gesamtgesellschaftlicher Lasten, wie insbesondere die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern, und 118 BT-Drs. 16/3100, S. 92, 212; s. hierzu auch Becker/Kingreen/Mecke, Gesetzliche Krankenversicherung, 6. Aufl. 2018, § 221 SGB V Rn. 4; Krauskopf/Vossen, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 104. EL 2019, § 221 SGB V Rn. 5; Sodan/Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 118; s. auch Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages (2016a): Versicherungsfremde Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der Sozialen Pflegeversicherung v. 16. 9. 2016, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/480530/23a869c6255b792438e52762 5bcb7e46/WD-9-051-16-pdf-data.pdf, S. 10, Abruf v. 2. 4. 2020. 119 BeckOK-Sozialrecht/Baumeister, 55. Ed. 2019, § 25 SGB XI Rn. 23 ff.; Berchtold/ Huster/Rehborn/Simon, Gesundheitsrecht, 2. Aufl. 2018, § 25 SGB XI Rn. 2.

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C. Die Finanzierung durch Steuern leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung gesamtgesellschaftlicher Solidarität. Mit der Einrichtung des Gesundheitsfonds verbunden sind Fortführung und Ausbau der teilweisen Finanzierung der eingangs beschriebenen gesamtgesellschaftlichen Aufgaben über Steuermittel. Damit wird die GKV auf eine langfristig stabilere, gerechtere und beschäftigungsfördernde Basis gestellt. Gleichzeitig gelingt es, in der GKV gesamtgesellschaftliche Solidarität zu verwirklichen.“120

Als Leistung, die eine spezifische Nähe zu Risiken der gesetzlichen Krankenversicherung vermissen lässt, wird die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern mithin ausdrücklich als versicherungsfremde Leistung eingeordnet, weil sie einem gesamtgesellschaftlich wertvollen – konkret: familienpolitischen – Ziel dient und damit Ausdruck des Solidaritätsprinzips ist. Man mag intuitiv zögern: Wenn Kinder, die selber nicht verdienen, ohne Beitrag „mitversichert“ werden, dann mag man darin auch die konsequente Fortschreibung des am Einkommen orientierten Beitragssatz sehen und so eine durchaus systemimmanente Fortschreibung des allgemeinen Systems. In diese Richtung die Einschätzung von Volker Ulrich als Sachverständiger des Haushaltsausschusses am 13. Mai 2014: „Darüber, was versicherungsfremd ist und was nicht, lässt sich nicht einmal hier am Tisch einfach Einigkeit herstellen. Wenn man den Begriff sehr eng auslegt, kann eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, die ja eine solidarische Versicherung ist, nicht schon deswegen versicherungsfremd sein, weil jemand kein Einkommen bezieht. Das ist ja gerade ein Merkmal im Zusammenhang mit der Einkommensbezogenheit: Selbst wenn das Einkommen null ist, wird eine Leistung gewährt.“121

Der Ansatz des Gesetzgebers ist jedoch ein anderer: Die finanziellen Belastungen durch den Unterhalt von Familienmitgliedern sollen durch die beitragsfreie Mitversicherung abgemildert werden.122 Angesichts dessen stellt sich die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen nicht als beitragsäquivalente, sondern als versicherungsfremde Leistung dar. Diese ausdrückliche Festlegung des Gesetzes scheint vertretbar.

2. Abgeltung eines Pflegebonus und pandemiebedingte Mehrbelastung Auf dieser Grundlage kann auch die den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen durch § 150a Abs. 1 S. 1, Abs. 7 SGB XI auferlegte Verpflichtung, die Kosten für die Auszahlung der den Beschäftigten von zugelassenen Pflegeeinrichtungen i.S.v. § 72 SGB XI garantierten Sonderleistung (sog. Corona-Prämie) zu tragen, als versicherungsfremde Leistung eingeordnet werden. Zwar sind im Verhältnis zu den Pflegekräften gem. § 150a Abs. 1 S. 1 SGB XI die Pflegeeinrichtungen selbst die maßgeblichen Zahlstellen. Jedoch erhält die Pflegeeinrichtung den Betrag, den sie 120 121 122

BT-Drs. 16/3100, S. 92. Stenografisches Protokoll 18/12. BeckOK-Sozialrecht/Baumeister, 55. Ed. 2019, § 25 SGB XI Rn. 1.

IV. Versicherungsfremde Leistungen in der Krankenversicherung

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zur Auszahlung der „Corona-Prämie“ benötigt, gem. § 150a Abs. 7 S. 1 SGB XI von den sozialen Pflegekassen erstattet. Bei ambulanten Pflegeeinrichtungen werden die Kosten der „Corona-Prämie“ nach Maßgabe von § 150a Abs. 7 S. 4 SGB XI zwischen den gesetzlichen Krankenkassen und der sozialen Pflegeversicherung aufgeteilt. Soweit die Kranken- und Pflegeversicherungen den pandemiebedingten Mehraufwand der in Pflegeeinrichtung tätigen Beschäftigten finanziell ausgleichen, erbringen sie indes keine Leistung, die unmittelbar ihren Versicherten zugutekommt. Denn die Auszahlung der „Corona-Prämie“ dient dem finanziellen Ausgleich der besonderen Belastung von Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen, die sich aus dem regelmäßigen und unmittelbaren Kontakt mit zur Hochrisikogruppe zählenden oder bereits an Covid-19 erkrankten Pflegebedürftigen ergibt.123 Dabei betreut und versorgt das Personal der Pflegeeinrichtungen allerdings nicht nur gesetzlich, sondern auch privat Versicherte.124 Soweit die Kranken- und Pflegekassen allgemein den dadurch entstehenden Mehraufwand ausgleichen, werden sie mithin nicht zur Erfüllung ihrer unmittelbar aus der Versicherung folgenden Pflichten, sondern vielmehr zur Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben tätig.125 Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Abgeltung der „Corona-Prämie“ – jedenfalls im ambulanten Bereich – um eine versicherungsfremde Leistung der Krankenversicherung.

3. Durchführung anlassloser Corona-Tests Angesichts der jüngsten Entwicklungen kann zudem auch die Durchführung anlassloser Testungen zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARSCoV-2 als versicherungsfremde Leistung eingeordnet werden.126 Auf Grundlage von § 20i Abs. 3 S. 2 SGB V wird das Bundesministerium für Gesundheit ermächtigt, Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (Nr. 1), aber auch nicht gesetzlich krankenversicherten Personen (Nr. 2) einen Anspruch auf die Durchführung anlassloser Testungen auf das Coronavirus einzuräumen und gleichzeitig Regelungen zur Abrechnung dieser Leistungen zu treffen. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Gesundheit Gebrauch gemacht und die sog. „Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen für den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2“127 erlassen, die gesetzlich Versicherten nach § 1 Abs. 1 VO und nicht gesetzlich Versicherten nach § 1 Abs. 2 VO einen Anspruch auf Durchführung derartiger Tests zubilligt. Die Finanzierung der Testungen erfolgt dabei nicht durch die einzelnen Krankenkassen, sondern aus der 123

BT-Drs. 19/18967, S. 75. Schlegel, NJW 2020, 1911, 1915 Rn. 34. 125 Schlegel, NJW 2020, 1911, 1915 Rn. 34. 126 Schlegel/Meßling/Bockoldt/Bockholdt, § 11 Rn. 28 f. 127 Abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_ Downloads/C/Coronavirus/Corona-Test-VO_20i_SGB_V_mit_Begruendung.pdf, letzter Abruf v. 8. 7. 2020. 124

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C. Die Finanzierung durch Steuern

Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds,128 der sich jedenfalls überwiegend aus Beitragsgeldern sowie in geringerem Umfang auf Grundlage von § 221 Abs. 1 SGB V geleisteten Steuerzuschüssen des Bundes finanziert.129 Ziel der Durchführung anlassloser Testungen zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 ist dabei, die weitere Eindämmung des Virus, wie auch das Bundesministerium für Gesundheit formuliert: „Ziel ist es, umfassender als bisher insbesondere Personengruppen zu testen, bei denen noch keine Symptome für das Vorliegen einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 vorliegen, bei denen aber dennoch eine Infektion naheliegend erscheint oder bei denen eine hohe Gefahr besteht, dass sie oder andere Personen in ihrem Umfeld bei Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 besonders gefährdet wären.“130

Die Förderung des Infektionsschutzes liegt klar im gesamtgesellschaftlichen Interesse,131 sodass es sich – jedenfalls soweit Personen getestet werden, die nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind – um versicherungsfremde Leistungen seitens der Krankenkassen handelt.132

4. Ein kurzes Zwischenfazit Die Typologie der versicherungsfremden Leistungen bleibt auch bei Berücksichtigung des Corona-bedingten ergänzenden Bundeszuschusses mithin unverändert: Versicherungsfremd ist nur eine Leistung, die den Versicherten nicht unmittelbar, jedenfalls aber mittelbar zugutekommen, wobei die Versicherung bei Erbringung ebendieser Leistung nicht in Erfüllung ihrer unmittelbar aus der Versicherung folgenden Pflichten, sondern vielmehr zur Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben tätig wird. Etabliert ist dabei bereits seit langem die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen, die dem familienpolitischen Ziel dient, die durch den Unterhalt von Familienmitgliedern entstehenden finanziellen Belastungen abzumildern. Mit Blick auf die genannte Begriffsdefinition ergeben sich angesichts der Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie weitere, bisher in dieser Form nicht bekannte versicherungsfremde Leistungen: Einerseits die finanzielle Abgeltung der pandemiebedingten Mehrbelastung von Pflegekräften in 128 Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen fu¨ r den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, abrufbar unter https://www.bundesgesund heitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Corona-Test-VO_20i_ SGB_V_mit_Begruendung.pdf, S. 1, letzter Abruf v. 8. 7. 2020. 129 Schlegel/Meßling/Bockholdt/Bockholdt, § 11 Rn. 29. 130 Verordnung zum Anspruch auf bestimmte Testungen fu¨ r den Nachweis des Vorliegens einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, abrufbar unter https://www.bundesgesund heitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/C/Coronavirus/Corona-Test-VO_20i_ SGB_V_mit_Begruendung.pdf, S. 1, letzter Abruf v. 8. 7. 2020. 131 Schlegel/Meßling/Bockholdt/Bockholdt, § 11 Rn. 28. 132 Schlegel/Meßling/Bockholdt/Bockholdt, § 11 Rn. 28 f.

V. Versicherungsfremde Leistungen in der Pflegeversicherung

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Pflegeeinrichtungen („Corona-Prämie“), die sowohl gesetzlich, als auch privat Versicherte betreuen und damit gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen, sowie andererseits die Durchführung anlassloser Testungen auf eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2, die auf die Eindämmung der Pandemie abzielt und damit ebenfalls im Allgemeininteresse liegt. Zur Finanzierung dieser versicherungsfremden Leistungen käme gleichfalls eine finanzielle Unterstützung in Form eines Steuerzuschusses in Betracht.

V. Versicherungsfremde Leistungen in der Pflegeversicherung Vergleichbare versicherungsfremde Leistungen bestehen auch in der Pflegeversicherung, denn auch dort sind unterhaltsberechtigte Kinder, Ehegatten und Lebenspartnerinnen und Lebenspartner unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 25 SGB XI mitversichert. Für die private Pflegeversicherung gilt über den Verweis in § 110 Abs. 1 Nr. 2 lit. f) SGB XI Gleiches für Kinder des Versicherungsnehmers.

1. Förderung des Auf- und Ausbaus ehrenamtlicher Pflege Als versicherungsfremde Leistung konkret in der Pflegeversicherung anerkannt ist zudem unter anderem die Förderung des Auf- und Ausbaus der Strukturen ehrenamtlicher Pflege, die ausdrücklich in § 45c SGB XI genannt wird.133 Mit der Einführung des § 45c SGB XI erfährt die ehrenamtliche Pflege finanzielle Unterstützung, indem der Spitzenverband Bund der Pflegekassen verpflichtet wird, im Wege der Anteilsfinanzierung aus Mitteln eines Ausgleichsfonds Fördermittel in Höhe von 25 Mio. Euro pro Kalenderjahr zur Verfügung zu stellen. Den privaten Pflegeversicherungsunternehmen obliegt entsprechend ihrem Anteil am Versichertenaufkommen ebenfalls eine Beteiligung in Höhe von 10 % an diesem Fördervolumen.134 Die Förderung von Strukturen des Ehrenamts soll dem Telos der Norm entsprechend auf die Herausforderungen der pflegerischen Versorgung durch den demografischen Wandel sowie die Veränderung familiärer Strukturen reagieren.135 133

Raffelhüschen/Moog/Vatter, Studie des Forschungszentrums Generationenverträge zur Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung, Juni 2011, abrufbar unter http://www. fiwi1.uni-freiburg.de/publikationen/280.pdf, S. 51, Abruf v. 2. 4. 2020; s. auch Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages (2016a): Versicherungsfremde Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der Sozialen Pflegeversicherung v. 16. 9. 2016, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/480530/23a869c6255b792438e52762 5bcb7e46/WD-9-051-16-pdf-data.pdf, S. 10, Abruf v. 2. 4. 2020. 134 BeckOK-Sozialrecht/Streppel-Molitor, 55. Ed. 2019, § 45c SGB XI Rn. 2. 135 BeckOK-Sozialrecht/Streppel-Molitor, 55. Ed. 2019, § 45c SGB XI Rn. 1; Schlegel/ Voelzke/Waldhorst-Kahnau, jurisPK-SGB XI, 2. Aufl. 2017, § 45c Rn. 38.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

Der demografische Wandel sowie die Veränderung familiärer Strukturen macht die Förderung des ehrenamtlichen Engagements zu einer immer mehr an Relevanz gewinnenden Ergänzung der Versorgung Pflegebedürftiger und der Unterstützung pflegender Angehörigen oder anderer nahestehender Personen, indem die mit der Pflege einhergehenden Belastungen durch einen Ausbau der Strukturen ehrenamtlicher Pflege abgemildert werden können.136 Förderungsfähig i.S.v. § 45c SGB XI sind vor diesem Hintergrund insbesondere Aufwandsentschädigungen sowie Sachund Personalkosten, die mit der Koordination und Organisation der ehrenamtlichen Unterstützung verbunden sind.137 Dass die Versicherungen hierbei nicht in Erfüllung ihrer unmittelbar aus der Versicherung folgenden Pflichten tätig werden, ergibt sich daraus, dass die Leistungen nicht mit Blick auf einen spezifischen Versicherten(-kreis) erbracht werden, sondern sich als Wahrnehmung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben darstellen. Denn: Wenn Fördermittel zum Auf- und Ausbau ehrenamtlicher Pflege bereitgestellt werden, soll dies nicht gezielt bestimmten Versicherten zugutekommen, sondern als allgemeine Fördermaßnahme die gesamte Gesellschaft entlasten. Angesichts dessen handelt es sich hierbei um eine versicherungsfremde Leistung – mag sie auch der besseren Versorgung einzelner Pflegebedürftigen mittelbar dienen.

2. Rentenversicherungszuschuss pflegender Angehöriger Einen Grenzfall stellt der Rentenzuschuss pflegender Angehöriger nach § 44 SGB XI dar. Pflegende sind Sie ab dem 1. Januar 2017 in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert, wenn Sie eine oder mehrere pflegebedürftige Personen mit mindestens Pflegegrad 2 nicht erwerbsmäßig wenigstens zehn Stunden wöchentlich, verteilt auf regelmäßig mindestens zwei Tage in der Woche, in ihrer häuslichen Umgebung pflegen (Mindestpflegeumfang). Die zuständigen Träger für Ihre Rentenversicherungsbeiträge sind: - für pflichtversicherte Pflegebedürftige die Pflegekassen (identisch mit gesetzlichen Krankenkassen), - für privat versicherte Pflegebedürftige die privaten Versicherungsunternehmen und - für Pflegebedürftige mit Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorgeleistungen (zum Beispiel Beamte) die Beihilfestellen, Dienstherren und die privaten Versicherungsunternehmen oder Pflegekassen anteilig.

Grundlage des Rentenanspruchs für Pflegepersonen sind fiktive beitragspflichtige Einnahmen, die für die geleistete Pflege zugrunde gelegt werden. Sie bilden die so genannte Beitragsbemessungsgrundlage. Diese errechnet sich aus einem bestimmten 136

BT-Drs. 17/1898, S. 34; s. auch BeckOK-Sozialrecht/Streppel-Molitor, 55. Ed. 2019, § 45d SGB XI Rn. 1. 137 Udsching/Schütze/Rasch, SGB XI, Soziale Pflegeversicherung, 5. Aufl. 2018, § 45c Rn. 8.

V. Versicherungsfremde Leistungen in der Pflegeversicherung

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Prozentsatz der Bezugsgröße. Bei Pflege in den neuen Bundesländern gilt die Bezugsgröße (Ost).138 Wird dieser Zuschuss als (moderates) Entgelt für die Pflege betrachtet, dann ist es eine Versicherungsleistung wie die Vergütung professionell Pflegender: Pflegeleistung wird bezahlt, die dem Versicherten zugutekommt. Ist es aber eine Subvention der Rentenversicherung, der durch die fehlende Erwerbstätigkeit Beiträge verloren gehen, ihre im Umlagesystem finanzierten Leistungen zu erbringen, dann wäre es eine versicherungsfremde Leistung. Die Ausgaben sind hier in jüngerer Zeit deutlich gestiegen In der „Wissenschaftliche Evaluation der Umstellung des Verfahrens zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (§ 18c Abs. 2 SGB XI)“ von 2019 heißt es u. a.: Zwischen den Jahren 2016 und 2107 ist die Zahl der pflegenden Angehörigen und anderen Pflegepersonen, für die Rentenbeiträge seitens der Pflegekassen gezahlt werde, um 71 Prozent von rund 418.00 auf 718.000 Personen angestiegen. Die Pro-Kopf-Ausgaben für die Rentenbeitragsleistungen variieren über die zurückliegenden Jahre. Sie sind von jährlich 2.338 Euro im Jahr 2016 auf 2.130 Euro im Folgejahr zurückgegangen. Die Größenordnung wird damit deutlich von ca. 1,5 Milliarden Euro – im Verhältnis zu über 35 Mrd. Euro Gesamtausgaben allein der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 2017. Die Zuschüsse machen mehr als 5 % der Leistungen aus, die aus der Pflege in die Alterssicherung gehen. In der privaten Pflegeversicherung ist das der zweitgrößte Leistungsblock.

3. Zwischenfazit Als Zwischenfazit ist zu konstatieren, dass als versicherungsfremde Leistung in der Pflegeversicherung in Parallele zur Krankenversicherung auch die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen, bei der privaten Pflegeversicherung die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern, einzuordnen ist, denn hiermit wird ein gesamtgesellschaftliches Ziel, die finanzielle Entlastung unterhaltsverpflichteter Personen, verfolgt. Diese Leistung ist indes hinsichtlich ihres Umfangs gegenüber der Krankenversicherung als deutlich geringer einzustufen, betrifft die Pflegebedürftigkeit von Kindern doch einen seltenen Fall. Bei diesen und ähnlichen Leistungen ist aber festzustellen, dass diese im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Ausgaben in der Pflegeversicherung von eher geringerem Umfang sind. So haben diese versicherungsfremden Leistungen in der sozialen Pflegeversicherung einer Studie des Forschungszentrums Generationenvertra¨ ge der Albert-Ludwigs-Universita¨ t Freiburg zufolge im Jahr 2011 lediglich

138

Alles so anschaulich erklärt durch die DRV in ihrer Broschüre „Rente für Pflegepersonen: Ihr Einsatz lohnt sich“, abrufbar https://www.deutsche-rentenversicherung.de/Shared Docs/Downloads/DE/Broschueren/national/rente_fuer_pflegepersonen.pdf;jsessionid=FE2 058E3AE0F51B67E2980AC7C1D8652.delivery2-1-replication?__blob=publicationFile&v= 5. Näher Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Philipp, 6. Aufl. 2019, SGB XI § 44 Rn. 1 – 24.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

einen Umfang von schätzungsweise 0,5 Mrd. Euro ausgemacht.139 Dies entsprach für das Jahr 2011 einem Anteil von 5 % der Gesamtausgaben in der sozialen Pflegeversicherung.140 Sich auf die genannte Studie beziehend hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages das versicherungsfremde Leistungsvolumen im Jahre 2016 ebenfalls auf knapp eine halbe Mrd. Euro geschätzt141 – wenngleich auf die Schwierigkeit der exakten Quantifizierung hingewiesen wird. Selbst wenn man wie der GKV-Spitzenverband derzeit von einem Volumen versicherungsfremder Leistungen von 2,7 Mrd. Euro ausgeht,142 entspricht dies – legt man die Geschäftsstatistik der Pflegekassen zugrunde, nach denen die gesamten Leistungsausgaben in der sozialen Pflegeversicherung im Jahr 2018 38,2 Mrd. Euro betragen haben143 – immer noch einem geringen Anteil von ca. 7 %. Mag man zukünftig zwar steigende Ausgaben insbesondere vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung annehmen, so bleiben die versicherungsfremden Leistungen in der Pflegeversicherung im Vergleich zur Krankenversicherung gleichwohl von geringerer Relevanz.144 Dies ergibt sich schon daraus, dass etwa die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern, die allgemein als versicherungsfremde Leistung verstanden wird, in der Pflegeversicherung angesichts des geringen Risikos der Pflegebedürftigkeit von Kindern eine untergeordnete Rolle spielt. Dies bildet einen Gegensatz zur 139 Raffelhüschen/Moog/Vatter, Studie des Forschungszentrums Generationenverträge zur Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung, Juni 2011, abrufbar unter http://www. fiwi1.uni-freiburg.de/publikationen/280.pdf, S. 51, Abruf v. 2. 4. 2020. 140 Raffelhüschen/Moog/Vatter, Studie des Forschungszentrums Generationenverträge zur Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung, Juni 2011, abrufbar unter http://www. fiwi1.uni-freiburg.de/publikationen/280.pdf, S. 51 f., Abruf v. 2. 4. 2020: „Beru¨ cksichtigt man zusa¨ tzlich – als einzige Position auf der Finanzierungsseite – die Mindereinnahmen im Zuge der Beitragsfreiheit wa¨ hrend des Bezugs von Mutterschafts- und Elterngeld in Ho¨ he von rund 170 Mio. Euro, kann insgesamt von einem versicherungsfremden Leistungsvolumen von knapp einer halben Milliarde Euro ausgegangen werden. Dies entspricht einem Anteil von rund 5 Prozent der Gesamtausgaben der SPV.“ 141 Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages (2016a): Versicherungsfremde Leistungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung sowie in der Sozialen Pflegeversicherung v. 16. 9. 2016, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/480530/23a869c62 55b792438e527625bcb7e46/WD-9-051-16-pdf-data.pdf, S. 11, Abruf v. 2. 4. 2020. 142 Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes v. 22. 11. 2018 zum Entwurf eines Fu¨ nften ¨ nderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Beitragssatzanpassung (DruckGesetzes zur A sache 19/5464) vom 06. 11. 2018, abrufbar unter https://www.gkv-spitzenverband.de/media/do kumente/presse/p_stellungnahmen/181126_Stln_GE_Beitrassatzanpassung_final.pdf, Abruf v. 2. 4. 2020. 143 „Zahlen und Fakten zur Pflegeversicherung“ des Bundesgesundheitsministeriums v. 17. 2. 2020, abrufbar unter https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_ Downloads/Statistiken/Pflegeversicherung/Zahlen_und_Fakten/Zahlen_und_Fakten_der_ SPV_17. Februar_2020_barr.pdf, Abruf v. 2. 4. 2020. 144 So auch Greß/Haun/Jacobs, Zur Stärkung der Solidarität bei der Pflegefinanzierung, Pflege-Report 2019, 241 ff., abrufbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3662-58935-9_19, Abruf v. 2. 4. 2020: „[D]as Finanzierungsvolumen der von der SPV erfüllten gesamtgesellschaftlichen Aufgaben [dürfte] im Vergleich zur GKV vergleichsweise gering ausfallen.“

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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gesetzlichen Krankenversicherung, in der bereits durch die Einführung des § 221 SGB V ein berechtigtes Interesse an der pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen aufgrund ihres größeren Umfangs vom Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt wurde. Die Notwendigkeit einer steuerfinanzierten Bezuschussung in der sozialen Pflegeversicherung erscheint schon aus dieser Perspektive fraglich, könnte ein Bundeszuschuss ohnehin nur einen geringen Teil der finanziellen Unterstützung leisten. Um es zuzuspitzen: Ist das versicherungsfremde Leistungsvolumen bei der Pflegeversicherung gering, erlaubt dies zwangsläufig auch nur eine steuerfinanzierte Bezuschussung in geringem Umfang. Beliefe sich die finanzielle Unterstützung durch den Bundeszuschuss auf eine Summe, die die Ausgaben für versicherungsfremde Leistungen übersteigt, bestehen schon aus diesem Blickwinkel verfassungsrechtliche Bedenken, denn dann trüge die Allgemeinheit gruppenspezifische Kosten. Die Höhe des Zuschusses müsste mithin den geringen Umfang versicherungsfremder Leistungen widerspiegeln; denn nur in diesem Umfang ist die staatliche Unterstützung legitimiert.

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung sind also Grenzen gesetzt, auch wenn man sie mit möglichen versicherungsfremden Leistungen begründen will; insbesondere aber sind sie problembehaftet, wenn sie als Subventionen von Versicherungsleistungen fungieren sollen. Soll nur die soziale Kranken- und Pflegeversicherung, nicht aber die private Kranken- und Pflegeversicherung an dem Steuerzuschuss partizipieren, wirft das Vorhaben zusätzliche verfassungsrechtliche Fragen in Bezug auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG auf, soweit die gesetzlichen und die privaten Versicherungen dieselben Leistungen erbringen und damit auch dieselben finanziellen Belastungen haben. Art. 3 Abs. 1 GG statuiert ein Verbot der verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem.145 Zur Prüfung, ob eine Ungleichbehandlung vorliegt, ist die Bildung von Vergleichsgruppen erforderlich, denen im Wesentlichen gleiche Sachverhalte zugrunde liegen. Sodann bedarf es der Feststellung, dass ebendiese Vergleichsgruppen ungleich behandelt werden. In einem weiteren Schritt ist, soweit die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem festgestellt wurde, zu prüfen, ob diese verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Dies umfasst zunächst jeweils die Ermittlung eines zulässigen Differenzierungsziels und -grundes. Hierauf folgend ist zu ermitteln, ob ein sachgerechtes Verhältnis zwischen Ziel und Grund besteht. 145 BVerfG, Beschl. v. 11. 12. 2019 – 1 BvR 3087/14, NZA 2020, 37, 38 Rn. 9; Beschl. v. 23. 5. 2017 – 2 BvR 883/14, 2 BvR 905/14, NVwZ 2017, 1689, 1892 Rn. 81; Beschl. v. 11. 1. 2016 @ 1 BvR 1687/14, NZS 2016, 224; Beschl. v. 15. 12. 2015 – 2 BvL 1/12, NJW 2016, 1295, 1303 Rn. 93; Beschl. v. 7. 2. 2012 @ 1 BvL 14/07, NJW 2012, 1711, 1712 Rn. 40.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

1. Personaler Geltungsbereich In einem ersten Schritt kommt es darauf an, ob die private Kranken- und Pflegeversicherung überhaupt vom personalen Geltungsbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes erfasst wird. Dem personalen Geltungsbereich unterfallen alle grundrechtsfähigen Personen, also solche, die Träger von Grundrechten sein können.146 Dies betrifft alle natürlichen sowie nach den Vorgaben des Art. 19 Abs. 3 GG auch alle inländischen juristischen Personen des Privatrechts, denn der Gleichheitssatz ist seinem Wesen nach grundsätzlich auf juristische Personen anwendbar.147 Versicherungsunternehmen, die als juristische Personen des Privatrechts organisiert sind, können sich damit auf eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG berufen. Insofern ist der personale Anwendungsbereich eröffnet. Einer möglichen Verletzung läuft auch die fehlende Grundrechtsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen sowie der sozialen Pflegekassen, die gemäß § 4 Abs. 1 SGB V bzw. § 46 Abs. 2 S. 1 SGB XI als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind, nicht zuwider. Das Bundesverfassungsgericht spricht sich zwar in ständiger Rechtsprechung gegen die Grundrechtsfähigkeit von Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung aus, soweit diese gerade in ihrer öffentlichen Funktion tätig werden: „In der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist im Hinblick auf öffentlichrechtliche Körperschaften im Allgemeinen, im Hinblick auf Sozialversicherungsträger und gesetzliche Krankenkassen im Besonderen geklärt, dass für diese die Grundrechte gemäß Art. 19 III GG grundsätzlich nicht gelten. Denn die Grundrechte sind ihrem Wesen nach nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar, soweit letztere öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Die Grundrechtsberechtigung hängt damit namentlich von der Funktion ab, in der die juristische Person des öffentlichen Rechts von dem beanstandeten Akt der öffentlichen Gewalt betroffen wird. Besteht diese Funktion in der Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter öffentlicher Aufgaben, so kann eine juristische Person sich insoweit nicht auf Grundrechte berufen (vgl. BVerfGE 39, 302 [312 ff.]; 68, 193 [205 ff.]; 70, 1 [15]; 75, 192 [196 f.]).“148

Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind mithin grundsätzlich nicht Grundrechtsträger und können sich angesichts dessen auch nicht auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes berufen.149 Dass die Sozialversicherung eine 146

BeckOK-GG/Kischel, 42. Ed. 2019, Art. 3 Rn. 6 ff. BVerfG, Urt. v. 3. 6. 1954 – 1 BvR 183/54, BeckRS 1954, 64 Rn. 34; BeckOK-GG/Kischel, 42. Ed. 2019, Art. 3 Rn. 6 ff.; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 7; v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 64; Sachs/Nußberger, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 73. 148 BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 9. 6. 2004 – 2 BvR 1248/03, 2 BvR 1249/03, NZS 2005, 139, 140. 149 Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 2. 5. 1967 – 1 BvR 578/63, NJW 1967, 1411; s. auch Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 8; Sachs/Nußberger, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 73; v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 65. 147

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht geltend machen kann, steht der Prüfung im vorliegenden Fall gleichwohl nicht entgegen. Denn die gesetzliche Krankenversicherung respektive die soziale Pflegeversicherung fungiert hier lediglich als Vergleichsobjekt, nicht aber als Subjekt, das Träger eines bestimmten Grundrechts sein muss. Das Vergleichsobjekt, das zur Feststellung der verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung des Grundrechtsberechtigten – hier konkret: der privaten Kranken- und Pflegeversicherungen – herangezogen wird, muss aber nicht notwendig grundrechtsfähig sein.150 Dass juristische Personen des öffentlichen Rechts vielmehr vergleichspersonentauglich sind, hat auch das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 2012 – ohne dies als Problem zu thematisieren – angenommen.151 Ungeachtet dessen ist allgemein anerkannt, dass sich eine willkürliche Behandlung auch zu Lasten öffentlicher-rechtlicher Institutionen schon aus dem Blickwinkel des objektiven Gehalts des Art. 3 Abs. 1 GG verbietet. Als „selbstverständlicher ungeschriebener Verfassungsgrundsatz in allen Rechtsbereichen“152 besteht ein Willkürverbot, das auch dann zu beachten ist, wenn die betroffenen Subjekte Teil der öffentlichen Gewalt sind und sich aufgrund dessen nicht auf das Grundrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG berufen können.153 Eine belastende Maßnahme gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts kann insoweit wegen Verstoßes gegen die objektiv-rechtliche Substanz des allgemeinen Gleichheitssatzes, also gegen das objektivierte Willkürverbot, das sich bereits aus rechtsstaatlichen Grundsätzen ergibt, als rechtswidrig einzustufen sein.154

2. Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem Ist damit der personale Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG für private Kranken- und Pflegeversicherungen eröffnet, bedarf es im Folgenden der Erörterung der Problematik, ob die steuerfinanzierte Bezuschussung, die ausschließlich der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. der sozialen Pflegeversicherung zugutekommen soll, eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem darstellt.

150

Vorausgesetzt von BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 2012 – 1 BvL 8/11, 1 BvL 22/11, NJW 2013, 1797; s. auch Kempny/Lämmle, JuS 2020, 22, 25; Pöschl, Gleichheit vor dem Gesetz, 2008, S. 205, 209 f. 151 BVerfG, Beschl. v. 18. 12. 2012 – 1 BvL 8/11, 1 BvL 22/11, NJW 2013, 1797; hierzu Kempny/Lämmle, JuS 2020, 22, 25. 152 BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 1973 – 1 BvL 39/69 und 14/72, NJW 1973, 1491, 1492. 153 BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 1973 – 1 BvL 39/69 und 14/72, NJW 1973, 1491, 1492; BeckOK-GG/Kischel, 42. Ed. 2019, Art. 3 Rn. 8; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 1, 8. 154 BVerfG, Beschl. v. 19. 6. 1973 – 1 BvL 39/69 und 14/72, NJW 1973, 1491, 1492; BeckOK-GG/Kischel, 42. Ed. 2019, Art. 3 Rn. 8; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 8.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

a) Bildung von Vergleichsgruppen Zuerst müssen hierzu Vergleichsgruppen gebildet werden, um den spezifischen Bezugspunkt für die wesentliche Gleichheit der zu vergleichenden Sachverhalte, Gruppen oder Personen erfassen zu können.155 Bei den Vergleichsgruppen muss es sich „um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte“156 handeln. Denn verlangt wird eine Gleichbehandlung nur für „wesentlich Gleiches“; fehlt es an hinreichend vergleichbaren Sachverhalten, fehlt es bereits an Anknüpfungspunkten, anhand derer eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG vorgenommen werden könnte.157 Inhaltlich dient diese Einschränkung der Vergleichspersonenmenge auf solche Vergleichspersonen, die ein Mindestmaß an Gemeinsamkeiten mit dem Grundrechtsberechtigten aufweisen, der Vermeidung einer Uferlosigkeit der Gleichheitsprüfung.158 Erst wenn die Vergleichspersonen also als „wesentlich gleich“ einzuordnen sind, ist „sich mit naheliegenden Gründen für eine Differenzierung auseinanderzusetzen“159. Hieran misst sich die Ungleichbehandlung der in den verschiedenen Versicherungszweigen Versicherten. Durch die Gewährung eines Steuerzuschusses an die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung könnte man nicht nur auf die Ungleichbehandlung der beiden Versicherungen abstellen, sondern daneben erscheint auch eine Anknüpfung an die Ungleichbehandlung der Privatversicherten gegenüber den gesetzlich Versicherten denkbar. Denn die steuerbasierte Bezuschussung allein der Sozialversicherung führt dazu, dass ausschließlich in der Sozialversicherung eine Beitragssenkung oder jedenfalls das Halten eines bestimmten Beitragssatzes im Sinne einer höhenmäßigen Begrenzung bewirkt wird. Dagegen verbleibt es in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung dabei, dass eine Kostensteigerung stets zu einer Beitragserhöhung führt – ohne dass eine solche durch die steuerliche Unterstützung der Versicherung abgefedert werden könnte. Dabei mag man die Versicherten der privaten und der gesetzlichen Versicherung jedenfalls insoweit als „wesentlich gleich“ einstufen, als beiden Personenkreisen als 155 ErfK/Schmidt, 20. Aufl. 2020, Art. 3 GG Rn. 33; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 10; v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 80. 156 BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 2017 – 1 BvR 1489/16, NVwZ-RR 2018, 249, 251 Rn. 24; Beschl. v. 8. 11. 2016 – 1 BvR 935/14, NVwZ-RR 2017, 169, 170 Rn. 11; Beschl. v. 7. 11. 2016 – 1 BvR 1089/12 u. a., BeckRS 2016, 56116 Rn. 66; Beschl. v. 24. 1. 2012 @ 1 BvR 1299/ 05, NJW 2012, 1419, 1420 Rn. 95; hierzu Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 11; v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 82. 157 BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 1 BvL 18/11, NJW 2013, 1418, 1421 Rn. 63; s. auch Stein/Frank, StaatsR, 21. Aufl. 2010, 404 f.; Bleckmann, Die Struktur des allg. Gleichheitssatzes, 1995, S. 71. 158 Kempny/Lämmle, JuS 2020, 22, 25; s. auch Spielmann, Konkurrenz von Grundrechtsnormen, 2008, S. 208 f.; Kischel, AöR 124 (1999), 174, 184. 159 BVerfG, Beschl. v. 9. 11. 2017 – 1 BvR 1489/16, NVwZ-RR 2018, 249, 251 Rn. 24; Beschl. v. 7. 11. 2016 – 1 BvR 1089/12 u. a., BeckRS 2016, 56116 Rn. 66.

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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Mitgliedern die Zahlung eines Beitrags zur Abgeltung bestimmter Versicherungsleistungen obliegt. Bezuschusst man nur einen Versicherungszweig, führt dies letztlich dazu, dass nur einer Gruppe Versicherter eine höhenmäßige Beitragsbegrenzung zugutekommt. Damit ist jedoch noch nicht festgestellt, ob dies eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG darstellen kann. In einem Nichtannahmebeschluss aus dem Jahre 2010 hat das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf § 221 Abs. 1 SGB V festgestellt, dass der privat krankenversicherte Beschwerdeführer durch die Vorschrift nicht selbst, unmittelbar und gegenwärtig in seinem Grundrecht nach Art. 3 Abs. 1 GG betroffen ist. Ausdrücklich formuliert das Gericht: „Die Bestimmung regelt die Höhe des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Krankenversicherung. Der einzelne Bürger, der eine bestimmte Verwendung des Aufkommens aus öffentlichen Abgaben für grundgesetzwidrig hält, kann aus seinen Grundrechten regelmäßig keinen Anspruch auf generelles Unterlassen einer solchen Verwendung herleiten (vgl. BVerfGE 67, 26 [37] und Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 2. Oktober 2001 – 2 BvR 1594/01). Der Beschwerdeführer kann daher aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht die beantragte Feststellung herleiten, dass die gerügte Mittelverwendung in § 221 Abs. 1 SGB V nichtig sei.“160

Unter zwei Gesichtspunkten mag man Zweifel an der Übertragbarkeit auf die hier vorliegende Konstellation haben: So spricht das Bundesverfassungsgericht zum einen ausdrücklich nur von dem „einzelnen Bürgern, der eine bestimmte Verwendung […] für grundgesetzwidrig hält“, geht aber nicht auf die spezifische Situation des Versicherten ein, dessen Beitrag – im Vergleich zum Kreis der gesetzlichen Krankenversicherten – nicht durch steuerbasierte Unterstützung auf einem bestimmten Niveau gehalten werden kann. Zum anderen ist der Entscheidung lediglich zu entnehmen, dass keine Rechte in Bezug auf die Höhe des Bundeszuschusses bestehen; nicht eindeutig geklärt ist damit, ob sich eine relevante Ungleichbehandlung durch die generelle Einführung oder substantielle Erweiterung eines Steuerzuschusses ergeben kann. Vor diesem Hintergrund scheint es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes auch aus der Ungleichbehandlung der in den beiden Versicherungszweigen Versicherten herrühren kann. Angesichts der zitierten Aussagen des Bundesverfassungsgerichts, deren Übertragbarkeit auf den geplanten Steuerzuschuss nicht abschließend bestimmt werden kann, bestehen jedenfalls Zweifel in Bezug auf die Grundrechtsbetroffenheit der Versicherten, sodass im Rahmen der folgenden Betrachtung der Blick ausschließlich auf die Ungleichbehandlung der privaten und der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung gerichtet werden soll.

160

BVerfG, Beschl. v. 7. 4. 2010 – 1 BvR 810/08, BeckRS 2010, 48381, Rn. 2.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

b) Ungleichbehandlung der Vergleichsgruppen Vor diesem Hintergrund ist die Behandlung der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung bezogen auf die Einführung des steuerfinanzierten Bundeszuschusses mit der Behandlung der privaten Kranken- und Pflegeversicherung auf eine mögliche Ungleichbehandlung hin zu vergleichen. Eine Ungleichbehandlung besteht in jeder unterschiedlichen Behandlung verschiedener Personen oder Sachverhalte. Erfasst werden sowohl die Divergenzen auf Rechtsfolgenseite einer Norm als auch bei faktischem Handeln.161 Dabei kann sich die Differenzierung bereits aus einem Gesetz selbst ergeben, sie kann aber auch erst aus der Rechtsanwendung folgen.162 Denn dem Gleichheitssatz ist nicht bereits dadurch Genüge getan, dass ein Gesetz seinem Wortlaut nach verschiedene Betroffene gleich behandelt. Vielmehr sind der sachliche Gehalt der Vorschrift und ihre Wirkung maßgeblich. Das heißt: Soweit sich auch bei einer nicht dem Wortlaut ausdrücklich zu entnehmenden Differenzierung der Sachverhalte oder Personengruppen die ungerechtfertigte Ungleichheit aus der praktischen Anwendung einer Norm ergibt und diese ungleiche Auswirkung ihre Ursache in der rechtlichen Gestaltung ebendieser Norm findet, so bedeutet dies einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz.163 Die unterschiedliche Behandlung muss zudem zu einem Nachteil für den Betroffenen führen, der in jeder Beeinträchtigung eines rechtlich geschützten Interesses liegen kann.164 Auf dieser Basis kann eine Verletzung auch darin liegen, dass der Betroffene von einer Begünstigung ausgeschlossen wird, die einem anderen gewährt wird.165

3. Prüfungsmaßstab Liegt damit eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vor, ist eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung erforderlich. Hierzu bedarf es eines zulässigen Differenzierungsziels und zulässiger Differenzierungskriterien, die in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen, und damit einen hinreichenden Sachgrund für die unterschiedliche Behandlung bilden. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich hierbei je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Schranken, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen 161 Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 3; v. Mangoldt/Klein/Starck/ Wollenschläger, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 77. 162 Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 3; Sachs/Nußberger, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 83 f.; v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 78. 163 BVerfG, Beschl. v. 9. 8. 1978 – 2 BvR 831/76, NJW 1979, 151, 153. 164 Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 14. 165 BVerfG, Beschl. v. 7. 5. 2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, NJW 2013, 2257, 2258, Rn. 73; Beschl. v. 7. 7. 2009 – 1 BvR 1164/07, NJW 2010, 1439, Rn. 78; Beschl. v. 11. 1. 2005 – 2 BvR 167/02, NJW 2005, 1923, 1924; Beschl. v. 8. 6. 2004 – 2 BvL 5/00, NJW-RR 2004, 1657, 1658; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 14.

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.166 Die Voraussetzungen einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht bis zum Jahre 1980 ausschließlich mit der sog. Willkürformel umschrieben, wonach eine Verletzung des Gleichheitssatzes erst dann vorliegt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt“167. Erforderlich war damit stets eine evident unsachlich gleiche oder ungleiche Behandlung.168 1980 fand eine Ergänzung durch die sog. neue Formel statt: Art. 3 Abs. 1 GG sei danach insbesondere auch dann verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“169. Insofern fand die Möglichkeit einer umfassenden verfassungsrechtlichen Abwägung gegenüber einer bloßen Evidenzkontrolle Einzug in die gleichheitsrechtliche Grundrechtsprüfung. Gleichwohl hat das Bundesverfassungsgericht durch die Entwicklung der neuen Formel das Willkürverbot nicht aufgegeben, sondern nur den Prüfungsmaßstab durch die Eröffnung des Weges zur strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung flexibilisiert.170 Das heißt: Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls bei evident willkürlichem Handeln des Gesetzgebers verletzt, aber eine Verletzung kommt auch dann in Betracht, wenn entsprechend der neuen Formel eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.171 Auf den Punkt gebracht liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 166

BVerfG, Beschl. v. 11. 12. 2019 – 1 BvR 3087/14, NZA 2020, 37, 38 Rn. 9; Beschl. v. 23. 5. 2017 – 2 BvR 883/14, 2 BvR 905/14, NVwZ 2017, 1689, 1893 Rn. 82 ff.; Beschl. v. 11. 1. 2016 @ 1 BvR 1687/14, NZS 2016, 224; Beschl. v. 19. 12. 2012 – 1 BvL 18/11, NJW 2013, 1418, 1419 Rn. 44; Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, NVwZ 2006, 559, 564 Rn. 126; s. auch BVerfG, Beschl. v. 4. 12. 2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, NJW 2003, 2079; Beschl. v. 14. 7. 1999 – 1 BvR 995/95 u. a., NJW 2000, 1471; Beschl. v. 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., NJW 1993, 1517; Beschl. v. 2. 12. 1992 – 1 BvR 296/88, NZA 1993, 427; hierzu ErfK/Schmidt, 20. Aufl. 2020, Art. 3 GG Rn. 38. 167 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 23. 10. 1951 – 2 BVG 1/51, NJW 1951, 877, 878 f.; nachfolgend BVerfG, Urt. v. 5. 4. 1952 – 2 BvH 1/52, BeckRS 1952, 191 Rn. 129; Beschl. v. 9. 2. 1977 – 1 BvL 11/74, 2, 11, 13, 22/75, 5, 8, 9, 12/76, NJW 1977, 1099; Beschl. v. 27. 9. 1978 – 1 BvL 31/76, BeckRS 1978, 106559. 168 Sachs/Nußberger, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 9. 169 Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 7. 10. 1980 – 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, NJW 1981, 271 f.; seitdem st. Rspr., zuletzt BVerfG, Beschl. v. 2. 5. 2018 – 1 BvR 3042/14, NJW 2018, 3299, 3300 Rn. 18; Beschl. v. 11. 1. 2016 @ 1 BvR 1687/14, NZS 2016, 224; Beschl. v. 30. 11. 2011 – 1 BvR 3269/08, 1 BvR 656/10, NZS 2012, 462, 46 Rn. 15; Beschl. v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, DStR 2010, 1721, 1723 Rn. 84. 170 Sachs/Nußberger, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 25. 171 Exemplarisch BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 1 BvL 18/11, NJW 2013, 1418, 1419 Rn. 44; Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, NVwZ 2006, 559, 564 Rn. 126 m.w.N.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

GG vor, „wenn hinreichende Sachgründe vorhanden sind, die eine Differenzierung verfassungsrechtlich rechtfertigen können“.172 Spezifische Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im jeweiligen Fall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, können freilich nicht abstrakt und allgemein, sondern stets bezogen auf die jeweils betroffenen verschiedenen Sachund Regelungsbereiche bestimmt werden.173 Gleiches gilt für die Problematik, unter welchen Voraussetzungen ein Akt hoheitlicher Gewalt lediglich am Willkürverbot zu messen oder einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Je nach Anknüpfungspunkt und Art der Differenzierung unterliegen verschiedene Hoheitsakte einer abgestuften Prüfungsintensität.174 Es besteht also ein „gleitender Prüfungsmaßstab“175, der je nach Regelungsmaterie eine unterschiedliche Kontrolldichte verlangt. Anerkannt ist, dass eine bloße Willkürkontrolle insbesondere dann nicht mehr ausreicht, wenn der personale Schutzzweck des Art. 3 Abs. 1 GG betroffen ist, wenn also bei der Gleich- bzw. Ungleichbehandlung an personenbezogene, den Differenzierungskriterien des Art. 3 Abs. 3 GG angenäherte Elemente und nicht an sachbezogene Merkmale angeknüpft wird.176 Auf der anderen Seite sind sachbezogene Differenzierungen nicht automatisch lediglich der Willkürkontrolle unterworfen. Im Gegenteil hat das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dass die „engere Bindung […] nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt [ist]. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt.“177

Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass eine trennscharfe Differenzierung zwischen sach- und personenbezogenen Merkmalen oftmals nur schwerlich möglich ist, wirken sich sachbezogene Unterscheidungen doch oftmals jedenfalls auch auf Personen(-gruppen) aus.178 Für juristische Personen, soweit ihnen gemäß Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsfähigkeit zukommt, gilt grundsätzlich nichts Abweichendes. 172

BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 1 BvL 18/11, NJW 2013, 1418, 1419 Rn. 46. BVerfG, Beschl. v. 19. 12. 2012 – 1 BvL 18/11, NJW 2013, 1418, 1419 Rn. 45; Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, NVwZ 2006, 559, 564 Rn. 126 m.w.N. 174 St. Rspr., s. beispielhaft BVerfG, Beschl. v. 7. 2. 2012 @ 1 BvL 14/07, NJW 2012, 1711; Beschl. v. 21. 7. 2010 – 1 BvR 611/07 u. a., NJW 2010, 2783; Beschl. v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/ 02, NJW 2007, 573; s. auch Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 20 ff. 175 BeckOK-GG/Kischel, 42. Ed. 2019, Art. 3 Rn. 45. 176 BVerfG, Beschl. v. 23. 5. 2017 – 2 BvR 883/14, 2 BvR 905/14, NVwZ 2017, 1689, 1893 Rn. 83; Beschl. v. 19. 12. 2012 – 1 BvL 18/11, NJW 2013, 1418, 1419 Rn. 45; Beschl. v. 30. 7. 2008 – 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08, NJW 2008, 2409, 2417 Rn. 150; Urt. v. 2. 3. 1999 – 1 BvL 2/91, NZA 1999, 435, 437; Beschl. v. 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., NJW 1993, 1517; Britz, NJW 2014, 346 ff.; ErfK/Schmidt, 20. Aufl. 2020, Art. 3 GG Rn. 38; Jarass/ Pieroth/Jarass, GG, 15. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 24. 177 Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., NJW 1993, 1517; hierzu Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 26. 178 Sachs/Nußberger, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 27: v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 138. 173

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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Der Umstand, dass viele von ihnen Zusammenschlüsse natürlicher Personen bilden, verbietet es, eine Ungleichbehandlung juristischer Personen von vornherein als sachverhaltsbezogen einzustufen.179 Auf dieser Grundlage hat das Bundesverfassungsgericht exemplarisch eine mittlere Prüfungsintensität für die Regelungen des Beitragsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung angenommen, die sich durch eine Ungleichbehandlung von Personengruppen ohne Anknüpfung an personenbezogene Merkmale auszeichnen, indem sie je nach Zugehörigkeit zu einer bestimmten Krankenkasse unterschiedlich hohe Beitragssätze ermöglichen. Hier hat das Gericht hinsichtlich des Maßstabs der gleichheitsrechtlichen Prüfung einen Mittelweg gewählt. So sollten weder eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit geboten noch eine bloße Willkürkontrolle ausreichend sein.180 Denn es gehe zwar um eine Ungleichbehandlung von Personengruppen durch die Festlegung unterschiedlich hoher Beiträge, die aber nicht an personenbezogene Merkmale anknüpfe, sondern an den Sachverhalt der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Krankenkasse.181 Danach müsse eine Regelung, die unterschiedliche Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung bewirke, einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten, wenngleich hierbei nicht der strengste Maßstab anzulegen ist.

Überdies geht das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umso engere Grenzen gesteckt sind, je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann.182 Auch dies gilt grundsätzlich gleichermaßen für juristische Personen.183 Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall eine bloße Willkürkontrolle nicht ausreichend; eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung dagegen würde angesichts des Differenzierungskriteriums den Grundrechtsschutz überdehnen. Das bedeutet bezogen auf hiesige Fragestellung konkret: - Bei der steuerfinanzierten Bezuschussung wird an die formale Organisationsform als öffentlich-rechtlich respektive privatrechtlich organisiertes Versicherungsunternehmen und damit an ein sachbezogenes Differenzierungskriterium angeknüpft. Ob eine Kranken- oder Pflegeversicherung vom Bundeszuschuss profitiert, hängt allein davon ab, ob sie gesetzlich oder privat ist. Das bloße Abstellen auf dieses sachbezogene Kriterium spricht für eine mildere Prüfungsintensität. 179

BVerfG, Urt. v. 2. 3. 1999 – 1 BvL 2 – 91, NJW 1999, 1535, 1536. BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, NVwZ 2006, 559, 566 Rn. 166; Beschl. v. 8. 2. 1994 – 1 BvR 1237/85, NJW 1994, 2410 f. 181 BVerfG, Beschl. v. 8. 2. 1994 – 1 BvR 1237/85, NJW 1994, 2410 f. 182 BVerfG, Beschl. v. 11. 12. 2019 – 1 BvR 3087/14, NZA 2020, 37, 38 Rn. 9; Beschl. v. 2. 5. 2018 – 1 BvR 3042/14, NJW 2018, 3299, 3300 Rn. 18; Beschl. v. 11. 1. 2016 @ 1 BvR 1687/ 14, NZS 2016, 224; Beschl. v. 26. 1. 1993 – 1 BvL 38/92 u. a., NJW 1993, 1517; Beschl. v. 30. 5. 1990 – 1 BvL 2/83 u. a., NJW 1990, 2246, 2247; Beschl. v. 16. 3. 1982 – 1 BvR 938/81, NJW 1982, 206; hierzu Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 27; Sachs/Nußberger, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 3 Rn. 32; v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Abs. 1 Rn. 146. 183 BVerfG, Beschl. v. 29. 3. 2017 – 2 BvL 6/11, DStR 2017, 1094, 1100 Rn. 105; Urt. v. 2. 3. 1999 – 1 BvL 2 – 91, NJW 1999, 1535, 1536. 180

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C. Die Finanzierung durch Steuern

Gestützt wird dies dadurch, dass dem Gesetzgeber im Bereich des Sozialversicherungsrechts auch unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitssatzes anerkanntermaßen ein weiter Spielraum zukommt, der sich auch in der Finanzierung der Versicherungssysteme niederschlagen kann.184 - Auf der anderen Seite ist der mittelbare Personenbezug nicht von der Hand zu weisen: Die privaten Kranken- und Pflegeversicherungen bilden als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit Zusammenschlüsse aus natürlichen Personen, den Versicherten. Auch bei anderen Formen juristischer Personen des Privatrechts stehen dahinter mittelbar die Versicherten. Soll es sich bei der Finanzierung durch den Bundeszuschuss zwar um eine Unterstützung bestimmter Leistungen handeln, so handelt es sich um solche Leistungen, die – wenn auch nur mittelbar – jedenfalls auch den Versicherten zugutekommen. Wenn nun aber die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen bei der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung durch den Steuerzuschuss unterstützt wird, benachteiligt dies mittelbar die Versicherten der privaten Kranken- und Pflegeversicherungen respektive die durch versicherungsfremde Leistungen begünstigten Personen in der privaten Versicherung, denn hier verbleibt zum Kostenausgleich allein die Prämienzahlung, die die Versicherten belastet. Umso deutlicher wird die Benachteiligung der Versicherten in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, nimmt man eine andere Zweckbindung als die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen an: Die Gruppe der in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung Versicherten müsste über ihre Steuern in einem solchen Fall Versicherungsleistungen der gesetzlichen Kassen mitfinanzieren. Da das Finanzierungsmodell in der privaten Versicherung unangetastet bliebe, ergäben sich hier keine Einspareffekte. Die gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherungen erhielten hingegen Unterstützungszahlungen für Leistungen, für die Versicherungsbeiträge jedenfalls nicht mehr in dem vorherigen Umfang aufgewandt werden müssten. Insofern ist eine finanzielle Entlastung für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung anzunehmen, da sich die Steuerfinanzierung entlastend auf die Höhe der zu entrichtenden Beiträge auswirkt.185 Wenn man schon die mittelbare Benachteiligung der Privatversicherten erkennt, wenn die Sozialkassen finanzielle Unterstützung durch den Bund zur Deckung von Aufwendungen für versicherungsfremde Leistungen erhalten, wird man dies erst recht annehmen müssen, wenn es sich um die Finanzierung anderer Kosten handelt. Insofern ist der Personenbezug, der trotz Anknüpfung an ein sachbezogenes Differenzierungskriterium besteht, diesbezüglich sogar in erhöhtem Maße anzunehmen. Folge ist, dass eine bloße Willkürkontrolle nicht genügen kann. 184

Grundlegend BVerfG, Beschl. v. 18. 7. 2005 – 2 BvF 2/01, NVwZ 2006, 559; s. auch Jarass/Pieroth/Jarass, GG, 16. Aufl. 2020, Art. 3 Rn. 70. 185 Ähnlich Sodan/Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 120, der jedoch bereits die Verfassungsmäßigkeit des § 221 SGB V anzweifelt.

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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Es wird deutlich, dass eine Bestimmung der Prüfungsintensität, die den Personenbezug gänzlich ausblendet, nicht sachgerecht wäre. Für die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG kann nicht lediglich festgestellt werden, dass sich das Vorhaben, nur die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung steuerfinanziert zu bezuschussen, als nicht offensichtlich sachfremd i.S.d. Willkürverbotes erweist. Vielmehr ist das Vorliegen hinreichender Sachgründe erforderlich, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind – wenngleich die Prüfungsintensität aufgrund des sachbezogenen Differenzierungskriteriums als eher gering einzuordnen, das Vorhaben also keiner strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Im Ergebnis wird damit ein Mittelweg hinsichtlich der Rechtfertigungsanforderungen beschritten.

4. Keine Präjudizierung durch das Bundesverfassungsgericht Das Ergebnis dieser Prüfung ist dabei nicht durch die bisherigen Judikate des Bundesverfassungsgerichts präjudiziert. Zwar hat das Gericht in der Vergangenheit ausdrücklich anerkannt, dass § 221 Abs. 1 SGB V, der vorsieht, dass der Bund zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der gesetzlichen Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen Steuerzuschüsse an den Gesundheitsfonds leistet, die privaten Krankenkassen nicht in ihrem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Recht auf Gleichbehandlung verletzt.186 Was auf den ersten Blick wie ein allgemeingültiger Hinweis für die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit jedweder Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung wirkt und auch die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von Steuerzuschüssen zur sozialen Pflegeversicherung vorzuzeichnen scheint, kann bei näherer Betrachtung jedoch nicht auf andere Konstellation übertragen werden. a) Die Position des Bundesverfassungsgerichts zur Krankenversicherung im Hinblick auf versicherungsfremde Leistungen Mit einer Verfassungsbeschwerde hatten mehrere private Krankenversicherungsgesellschaften § 221 Abs. 1 SGB V angegriffen, da sie sich durch die Norm in ihrem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Recht auf Gleichbehandlung verletzt sahen. Denn die Bundeszuschüsse an die gesetzlichen Krankenkassen nach § 221 Abs. 1 SGB V verschlechterten nach Ansicht der Beschwerdeführer „die Situation der privaten Krankenversicherungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen, welche im Wettbewerb um freiwillig Versicherte in Konkurrenz stünden, in gleichheitswidriger Weise. Ziel der Regelung sei ausweislich der Gesetzgebungsmate186 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

rialien eine Subventionierung der beitragsfreien Mitversicherung von Kindern. Obwohl es sich hierbei nicht um eine Sonderlast der gesetzlichen Krankenversicherung handele, komme der privaten Krankenversicherung keine entsprechende Leistung zugute.“187 Indes wies das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde bereits als unzulässig zurück, da es an der notwendigen eigenen Betroffenheit der Beschwerdeführer fehle: „Unzulässig sind die Verfassungsbeschwerden schließlich, soweit sie sich gegen § 221 Abs. 1 SGB V richten. […] Denn die Beschwerdeführer […] sind durch § 221 Abs. 1 SGB V nicht selbst betroffen.“188

Es fehle an einer Benachteiligung der privaten Krankenversicherungsgesellschaften gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse: „Durch § 221 Abs. 1 SGB V wird der Bund verpflichtet, den gesetzlichen Krankenkassen als Abgeltung für versicherungsfremde Leistungen die im Gesetz genannten Geldleistungen zur Verfügung zu stellen. Eine Verwendung des Geldes für spezielle Personengruppen oder besondere Zwecke sieht das Gesetz nicht vor; es fließt in den allgemeinen Haushalt der Krankenkassen. Die Geldleistungen des Bundes führen deshalb im Ergebnis zu einer alle Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen gleichmäßig begünstigenden Ermäßigung der Beitragssätze (§§ 241 ff. SGB V). Eine solche allgemeine, vom Bundeszuschuss ermöglichte Beitragssenkung hat keinen mit der Verfassungsbeschwerde angreifbaren Nachteil der privaten Krankenversicherungsunternehmen zur Folge. Soweit die Unternehmen argumentieren, § 221 Abs. 1 SGB V sei eine Maßnahme des Familienlastenausgleichs und der Gesetzgeber daher gehalten, entsprechende Begünstigungen auch den Privatversicherten zur Verfügung zu stellen, rügen sie bereits keine Verletzung eigener Rechte; denn die privaten Krankenversicherungsunternehmen erheben für die Versicherung eines Kindes einen nach versicherungsrechtlichen Regeln risikoäquivalent berechneten Beitrag.“189

An einer Benachteiligung gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse fehlt es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf § 221 Abs. 1 SGB V, da die Norm darauf abzielt, diejenigen Nachteile, die den gesetzlichen Krankenkassen durch die kostenfreie Mitversicherung Familienangehöriger entstehen, auszugleichen. Demgegenüber erheben die privaten Krankenversicherungen für die Mitversicherung eines Kindes einen risikoäquivalenten Beitrag – sie versichern Kinder anders als die gesetzliche Krankenkasse gerade nicht kostenfrei. Damit nehmen sie offensichtlich nicht im selben Maße gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahr wie die gesetzliche Krankenkasse, sodass sie auch keinen vergleichbaren finanziellen Ausgleich benötigen. Durch den auf Grundlage von § 221 Abs. 1 SGB V gewährten Steuerzuschuss werden mithin keine Nachteile zulasten der privaten Krankenver187 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, juris, Rn. 80. 188 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2035 Rn. 135 f. 189 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2035 f. Rn. 137 f.

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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sicherungsgesellschaften geschaffen, sondern vielmehr bestehende Nachteile der gesetzlichen Krankenkassen ausgeglichen. b) Fehlende Übertragbarkeit auf andere versicherungsfremde Leistungen Eine allgemeine Aussage lässt sich der Entscheidung indes im Hinblick auf die Gewährung von Steuerzuschüssen zur gesetzlichen Krankenversicherung nur für den Fall entnehmen, dass der Steuerzuschuss für solche versicherungsfremden Leistungen gewährt wird, die allein die Sozialkassen erbringen. Denn das Bundesverfassungsgericht argumentiert im Hinblick auf § 221 Abs. 1 SGB V, dass den privaten Krankenkassen durch den Steuerzuschuss kein Nachteil entstehe, da die Norm praktisch dazu diene, die beitragsfreie Mitversicherung Familienangehöriger in der sozialen Krankenversicherung auszugleichen. In der privaten Krankenversicherung besteht eine solche kostenlose Mitversicherungsmöglichkeit jedoch gar nicht, sodass sie im Hinblick auf die kostenfreie Mitversicherung Familienangehöriger nicht im selben Maße gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahrnehmen, wie die gesetzlichen Krankenkassen – und daher insofern auch keinen finanziellen Ausgleich benötigen. Seitens der privaten Krankenversicherung bestehen mithin – anders als bei den gesetzlichen Krankenkassen – gar keine ausgleichbedürftigen Nachteile. Vielmehr entstünde erst durch die Gewährung von Steuerzuschüssen auch an die private Krankenversicherung ein Nachteil zulasten der gesetzlichen Krankenkassen. Wo gesetzliche und private Krankenkassen nun aber – anders als hinsichtlich der beitragsfreien Mitversicherung Familienangehöriger – in gleichem Maße versicherungsfremde Leistungen erbringen, nehmen sie auch in gleichem Umfang gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahr. Beide Versicherungszweige werden finanziell gleichermaßen belastet, sodass kein ausgleichsbedürftiger Nachteil zulasten nur der gesetzlichen Krankenversicherung besteht. Einen Nachteil begründet vielmehr erst die einseitige Gewährung von Steuerzuschüssen an die gesetzliche Krankenversicherung – der dann zulasten der privaten Krankenversicherung geht. Ihnen entsteht in diesem Fall durch die Gewährung des Steuerzuschusses ein unter Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG mit der Verfassungsbeschwerde angreifbarer Nachteil. Daher kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur dort Präjudizwirkung entfalten, wo allein die gesetzliche Krankenversicherung eine versicherungsfremde Leistung erbringt – nicht jedoch in Bereichen, wo die gesetzlichen und privaten Krankenkassen dieselben Lasten tragen. c) Fehlende Übertragbarkeit auf die Pflegeversicherung Ferner lässt sich die Rechtsprechung auch nicht auf die Gewährung etwaiger Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Pflegeversicherung übertragen. Denn auch hier kann das zentrale Argument des Bundesverfassungsgerichts, dass die private, anders

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C. Die Finanzierung durch Steuern

als die gesetzliche Krankenversicherung, Familienangehörige nicht kostenlos mitversichere und daher eben auch nicht im selben Umfang versicherungsfremde Leistungen erbringe, nicht verfangen. Sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Pflegeversicherung können Kinder des Versicherten kostenlos mitversichert werden. Insofern nehmen nicht allein die sozialen Pflegekassen gesamtgesellschaftliche Aufgaben wahr. Vielmehr sind beide Versicherungsträger in gleicher Weise belastet. Wird nun einseitig allein der gesetzlichen Pflegeversicherung ein Steuerzuschuss gewährt, stellt dies – da sie in der Pflegeversicherung anders als in der Krankenversicherung Kinder ebenfalls kostenfrei mitversichern – eine Ungleichbehandlung zulasten der privaten Pflegeversicherung dar. Darüber hinaus soll der Bundeszuschuss des § 221 Abs. 1 SGB V zwar zum Ausgleich sämtlicher durch die soziale Krankenversicherung erbrachter versicherungsfremder Leistungen dienen; die praktisch bedeutendste versicherungsfremde Leistung in der Krankenversicherung ist indes zweifellos die kostenfreie Mitversicherung Familienangehöriger.190 Diese Leistung wird gerade nur von den gesetzlichen, nicht aber den privaten Krankenkassen erbracht, sodass es keine unzulässige Ungleichbehandlung zulasten der privaten Krankenversicherungen darstellt, wenn ihnen kein entsprechender Steuerzuschuss gewährt wird. In der Pflegeversicherung gilt dies einerseits – wie dargelegt – bereits deshalb nicht gleichermaßen, weil hier die kostenlose Mitversicherung von Kindern auch in der privaten Pflegeversicherung möglich ist. Bedeutung erlangen zahlreiche andere Aspekte. Zu nennen sind insbesondere die Förderung des Auf- und Ausbaus ehrenamtlicher Pflege, an dem die privaten Pflegeversicherungen proportional zu ihrem Versichertenaufkommen beteiligt werden,191 sowie die Einführung von Pflegekursen für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen.192 Hinzu treten Leistungen im Rahmen stationärer Pflege behinderter Menschen i.S.v. § 43a SGB XI. Diese versicherungsfremden Leistungen erbringt die private Pflegeversicherung ebenso wie die sozialen Pflegekassen – und gerade hierin liegt der wesentliche Unterschied zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: War dort eine Differenzierung zwischen den Versicherungsträgern möglich, weil nur die gesetzliche Krankenversicherung die relevanten versicherungsfremden Leistungen erbringt, kann dies umgekehrt nicht gelten. Erbringen private und gesetzliche Pflegeversicherung dieselben versicherungsfremden Leistungen, muss beiden ein Steuerzuschuss gewährt werden. Erhalten diesen Zuschuss hingegen nur die gesetzlichen Pflegekassen, stellt dies eine Ungleichbehandlung zulasten der privaten Pflegeversicherung dar. 190

BT-Drs. 16/3100, S. 181. BeckOK-Sozialrecht/Streppel-Molitor, 55. Ed. 2019, § 45c SGB XI Rn. 2. 192 Raffelhüschen/Moog/Vatter, Studie des Forschungszentrums Generationenverträge zur Fehlfinanzierung in der deutschen Sozialversicherung, Juni 2011, abrufbar unter http://www. fiwi1.uni-freiburg.de/publikationen/280.pdf, S. 51, Abruf v. 2. 4. 2020; s. hierzu auch den Beitrag der Verbraucherzentrale Bundesverband v. 22. 1. 2019: „Steuerzuschuss zur Pflegeversicherung notwendig“, abrufbar unter https://www.vzbv.de/pressemitteilung/steuerzuschuss-zurpflegeversicherung-notwendig, Abruf v. 2. 4. 2020. 191

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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5. Gründe der Unterscheidung Auf der Suche nach hinreichenden Sachgründen, die eine bezuschussungsrechtliche Ungleichbehandlung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung respektive sozialer und privater Pflegeversicherung verfassungsrechtlich legitimieren können, kann nun unmittelbar daran angeknüpft werden. Der Blick ist damit auf diejenigen Vertreter der Literatur zu richten, die einen Bundeszuschuss aus Steuermitteln favorisieren oder sich mit einem solchen – sei es auch kritisch – auseinandersetzen. Denn die Rechtfertigungsbedürftigkeit der Ungleichbehandlung wird anerkannt, und so sucht man eben nach solchen Gründen. Vorgeschlagen und entsprechend diskutiert wird eine Ungleichbehandlung auf Grund der unterschiedlichen Organisationsform von öffentlich-rechtlich verfasster Kranken- und Pflegeversicherung und privatrechtlich verfasster Kranken- und Pflegeversicherung (nachstehend unter 1.); der unterschiedlichen Finanzierung und Beitragsstruktur beider Versicherungstypen (unter 2.); des unterschiedlichen Risikoprofils (unter 3.), der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit (unter 4.) sowie der partiellen Beihilfeberechtigung (unter 5.) der versicherten Personen. Ob es sich indes auch nur bei einem dieser Differenzierungsziele tatsächlich um einen hinreichenden Grund handelt, der in einem angemessenen Verhältnis zum Ausmaß der Ungleichbehandlung steht, ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen. a) Unterschiedliche Organisation öffentlich-rechtlich/privatrechtlich Die unterschiedliche Organisationsform von privater und gesetzlicher Krankenversicherung sowie privater und sozialer Pflegeversicherung wird als Differenzierungsgrund vorgeschlagen.193 Doch dies für sich allein kann kein sachlicher Grund sein, um eine Differenzierung im Hinblick auf den Bundeszuschuss zu legitimieren. Immer dann, wenn das Gesetz eine Ungleichbehandlung aufgrund der Organisationsform vornimmt, liegt der rechtfertigende Differenzierungsgrund in den Folgen der jeweiligen Organisationsform selbst begründet. Wenn nicht wegen der öffentlichrechtlichen Organisationsform bezuschusst wird, dann kann auch nicht wegen privatrechtlicher Organisationsform nicht bezuschusst werden. Exemplarisch sei auf Fälle verwiesen, in denen eine unterschiedliche Organisationsform privater oder öffentlicher Einrichtungen eine unterschiedliche Aufsicht über diese Einrichtungen erfordert, oder aber auf Fälle, in denen ein privates Unternehmen nach dem BGB anders haftet als ein hoheitlich agierendes Unternehmen nach den Grundsätzen der Amtshaftung.194 Hier läge gerade in der Gleichbehandlung beider Fälle eine Ungleichbehandlung. 193 Angedeutet bei Greß/Haun/Jacobs, Zur Stärkung der Solidarität bei der Pflegefinanzierung, Pflege-Report 2019, 241, abrufbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/ 978-3-662-58935-9_19, Abruf v. 2. 4. 2020. 194 Zu den unterschiedlichen Anforderungen an die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen und Privater allein aufgrund der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem

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C. Die Finanzierung durch Steuern

Bei dem Steuerzuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung kann daher die fraglos gegebene unterschiedliche Organisationsstruktur nur dann eine bezuschussungsrechtliche Ungleichbehandlung rechtfertigen, wenn gerade aus ihr Unterschiede erwachsen, an denen die Bezuschussung anknüpft. Darum geht es beim Steuerzuschuss aber nicht. b) Unterschiedliche Finanzierung Ein zweiter Differenzierungsgrund, der gelegentlich für eine Ungleichbehandlung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sowie von privater und sozialer Pflegeversicherung im Hinblick auf einen Bundeszuschuss aus Steuermitteln angeführt wird, liegt in einer unterschiedlichen Finanzierung beider Versicherungstypen.195 aa) Krankenversicherung Betrachtet man die Finanzierungsstruktur indes genauer, fällt auf, dass sich sowohl die private als auch die gesetzliche Krankenversicherung primär über Beiträge bzw. Prämien und sekundär über (sonstige) Einnahmen finanziert. Oben wurde bereits dargelegt:196 Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen beruht – ebenso wie in der privaten Krankenversicherung – nahezu ausschließlich auf den Beiträgen ihrer Mitglieder.197 Hinzu treten zwar sonstige Einnahmen, welche aus Zuschüssen, Erstattungs- und Ersatzansprüchen oder aus Erträgen, Zinsen und Gebühren resultieren;198 der Abgeltung der Leistungen dienen aber dem Grunde nach die Versicherungsbeiträge, die sowohl in gesetzlicher als auch in privater Krankenversicherung aufgebracht werden müssen. Hieran ändert auch die unterschiedliche Berechnung der Beiträge nichts. Dass sich die Beitragshöhe in der privaten Krankenversicherung nach dem Äquivalenzprinzip richtet, mithin über die Tarifierung und ggf. die individuelle Risikoprüfung mittelbar auf das individuelle Krankheitsrisiko des jeweiligen Versicherten abRecht s. monographisch am Beispiel von Kindertagesstätten Oberhardt, Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB im Spannungsfeld zur Amtshaftung, 2010, S. 153. 195 S. dazu Greß/Haun/Jacobs, Zur Stärkung der Solidarität bei der Pflegefinanzierung, Pflege-Report 2019, 241, abrufbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-66258935-9_19, Abruf v. 2. 4. 2020. 196 S. ausführlich unter Gliederungspunkt B. I. 1. 197 Hierzu BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 188; Sodan/Rixen/Kluckert, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, 3. Aufl. 2018, § 37 Rn. 2 f.; 5 ff.; Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 8 Rn. 168 f.; s. auch von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 294: „Zentrale Bedeutung kommt dem Krankenkassenbeitrag zu.“ 198 von Koppenfels-Spies, Sozialrecht, 2018, Rn. 293; Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 8 Rn. 168.

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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stellt,199 wohingegen sich die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß §§ 223 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, 226 ff. SGB V einkommensabhängig bis zur Beitragsbemessungsgrenze bemessen,200 betrifft lediglich die Art und Weise der Berechnung – nicht aber das Grundmodell, das die vorrangige Finanzierung durch Beitragszahlung statuiert. Dieser Gedanke wird umso deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass es sowohl in der privaten als auch in der gesetzlichen Krankenversicherung finanziell besser und schlechter gestellte Versicherte gibt (s. dazu auch sogleich unter Punkt 4. bei der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit). Es gibt Versicherte in der privaten Krankenversicherung, die in der gesetzlichen Krankenversicherung weniger bezahlen würden und umgekehrt. Eine pauschale legislative Bevorteilung der einen Versichertengemeinschaft wäre daher eine Benachteiligung der anderen Versichertengemeinschaft, in der es ebenfalls finanziell leistungsschwache Versicherte gibt. Wer auf den durchschnittlichen Betrag abstellt, verfehlt die Perspektive. Denn die Ungleichbehandlung ist verfassungsrechtlich kontrollfähig gerade im Hinblick auf die hinter der juristischen Person stehenden Versicherten. Eine Ungleichbehandlung dieser Gruppen muss gerechtfertigt sein. Dann kann der Einzelne nicht darauf verwiesen werden, dass andere dafür besser stehen. Dass es möglich ist, finanziell weniger leistungsfähige Gruppen gegenüber finanziell bessergestellten Gruppen zu begünstigen, zeigt bereits die Existenz verschiedener sozialrechtlicher Leistungen. Zu erinnern ist an dieser Stelle exemplarisch an das sog. Wohngeld201: Nach § 26 Abs. 1 SGB I bzw. § 1 Abs. 2 WoGG wird es als Zuschuss zur Miete oder als Zuschuss zu den Aufwendungen für den eigengenutzten Wohnraum gewährt. Gewährung und Höhe des Wohngeldes sind dabei kumulativ abhängig von den in § 4 WoGG genannten Berechnungsgrößen, namentlich der Anzahl der Haushaltsmitglieder, der zu berücksichtigenden Miete bzw. Belastung sowie – ganz zentral – dem Gesamteinkommen. Die Bemessung erfolgt also im Rahmen des § 19 WoGG individuell. Die unterschiedliche Beitragsberechnung (und daher auch abweichende Beitragshöhe) ändert aber nichts an der Tatsache, dass in beiden Versicherungsformen die gesamte Versichertengemeinschaft die Beiträge aufbringen muss, aus denen die (versicherungsfremden) Leistungen finanziert werden. Allein die Verteilung zwischen den einzelnen Versicherten divergiert. Das begründet aber keinen sachlichen Grund, um die eine Versichertengemeinschaft per Bundeszuschuss zu entlasten und die andere hierbei vollkommen außen vor zu lassen.

199 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706, 814, 819, 832, 837/08, BVerfGE 123, 186, 189; Beckmann/Matusche-Beckmann/Stormberg, 3. Aufl. 2015, Versicherungsrechts-Handbuch, § 44 Rn. 11. 200 Krauskopf/Vossen, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, 105. EL Januar 2020, § 1 Rn. 6; Waltermann, Sozialrecht, 14. Aufl. 2020, § 8 Rn. 172. 201 S. dazu näher unter Gliederungspunkt VI. 4.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

bb) Pflegeversicherung Dass unabhängig von der Organisationsform eine Finanzierung durch Beiträge und (sonstige) Einnahmen erfolgt, gilt gleichermaßen für die Pflegeversicherung, § 54 Abs. 1 SGB XI sowie § 110 SGB XI i.V.m. den technischen Berechnungsgrundlagen des Versicherungsunternehmens. Die Finanzierung erfolgt primär durch Beiträge. Allein die Berechnung der Beiträge erfolgt wie eingangs dargelegt auf unterschiedliche Art und Weise: Während die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung einkommensabhängig berechnet werden, § 55 Abs. 1 SGB XI (gedeckelt durch die Beitragsbemessungsgrenze, § 55 Abs. 2 SGB XI), bemessen sich die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung überwiegend nach Alter, den Hauptfaktoren für ein künftiges Pflegebedürftigkeitsrisiko. Auch hier gilt aber das zur Krankenversicherung Gesagte entsprechend: In der privaten wie auch in der sozialen Pflegeversicherung gibt es finanziell besser und schlechter gestellte Versicherte. Eine pauschale legislative Bevorteilung der einen Gruppe ohne Berücksichtigung individueller Leistungsfähigkeit würde eine Schlechterstellung der anderen Gruppe bedeuten, in der es ebenfalls finanziell schwächere Versicherte gibt. Wiederum gilt: Wer hier nur auf den Durchschnitt schaut, der blendet individuelle Unterschiede in verfassungsrechtlich problematischer Weise aus. cc) Ein kurzes Zwischenfazit Der angedachte Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung aus Steuermitteln des Bundes ist im Ergebnis für die einzelnen Versicherten ebenfalls eine soziale Begünstigung, die sich positiv auf ihre Beiträge auswirkt bzw. jedenfalls ihre vorzeitige Erhöhung verhindert. Da der Steuerzuschuss jedoch nicht von der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit des betreffenden Versicherten abhängig ist, sondern von der pauschalen Zweiteilung in gesetzliche und private Krankenversicherung respektive in soziale und private Pflegeversicherung, kann von einem die darin liegende Ungleichbehandlung legitimierenden, hinreichenden Sachgrund nicht ausgegangen werden. Die Steuerbezuschuss hilft in seiner derzeit angedachten Form auch einem finanziell leistungsstarken Versicherten in der gesetzlichen Versicherung, nicht aber dem finanziell leistungsschwachen Versicherten in der privaten Versicherung. Die politischen Akteure intendieren mit ihrem Vorschlag für ein neues Finanzierungsmodell freilich das Gegenteil, fördern durch dieses aber zugleich unausweichlich die gerade aufgezeigte Konstellation. Daher vermag die unterschiedliche Berechnung der Beiträge ebenso wenig wie die daraus resultierende, unterschiedliche Beitragshöhe der einzelnen Versicherten in beiden Systemen keine Ungleichbehandlung hinsichtlich des Bundeszuschusses zu rechtfertigen.

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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c) Unterschiede im Risikoprofil der Versicherten Darüber hinaus könnte ein Grund für die Unterscheidung zwischen privater und gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung in einem möglicherweise unterschiedlichen Risikoprofil im Hinblick auf die Krankheit und die Pflegebedürftigkeit der Versicherten liegen. Dafür wäre freilich erforderlich, dass derartige Unterschiede tatsächlich bestehen.202 Das freilich kann offenbleiben. Denn auch wenn man davon ausgehen will, die Risikoprofile der in der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung sowie sozialen und privaten Pflegeversicherung Versicherten wären dauerhaft unterschiedlich, wäre das kein hinreichend sachlicher Grund, der privaten Kranken- und Pflegeversicherung einen Staatszuschuss aus Steuermitteln zu verweigern. Ein günstigeres Risikoprofil führt zu geringeren Kosten. Diese geringeren Kosten führen – im Modell – ggf. zu einem geringeren Durchschnittsbeitrag. Es gibt aber Versicherte, die in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung weniger zahlen als Versicherte mit gleichem Einkommen in der privaten Versicherung. Ein Steuerzuschuss würde damit eine einseitige Bevorzugung der Versicherten der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung darstellen, würde er nicht auch die Beitragssenkung der in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung Versicherten gleichermaßen zukommen.

d) Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der Versicherten Als weiterer Unterschied, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag, wird direkt die unterschiedliche ökonomische Leistungsfähigkeit der Versicherten in der privaten und in der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung benannt.203 So formuliert unter anderem der GKV-Spitzenverband, „den beiden Versicherungszweigen [würden] hinsichtlich sozioökonomischer Parameter (Bildung, Schulabschluss, Beruf, Einkommen, Wohnort, Wohnverha¨ ltnisse etc.) unterschiedliche Versichertenkollektive zugeordnet“204. Von dieser tatsächlichen Basis ausgehend mag man argumentieren, angesichts der durchschnittlich höheren Leistungsfähigkeit ihrer Versicherten benötige die private Kranken- und Pflegeversicherung keine finanzielle Unterstützung in Form einer 202 Hierzu Greß/Haun/Jacobs, Zur Stärkung der Solidarität bei der Pflegefinanzierung, Pflege-Report 2019, 241, 247, abrufbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3662-58935-9_19, Abruf v. 2. 4. 2020. 203 Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes v. 30. 4. 2019, abrufbar unter https://gkv-spit zenverband.de/media/dokumente/presse/p_stellungnahmen/2019_04_30_Stn_GKV-SV_Anhoe rung_Pflege.pdf, S. 8, Abruf v. 2. 4. 2020; Greß/Haun/Jacobs, Zur Stärkung der Solidarität bei der Pflegefinanzierung, Pflege-Report 2019, 241 ff., abrufbar unter https://link.springer.com/ chapter/10.1007/978-3-662-58935-9_19, Abruf v. 2. 4. 2020; Rothgang, Sozialer Fortschritt 2011, 81, 84. 204 Stellungnahme des GKV-Spitzenverbandes v. 30. 4. 2019, abrufbar unter https://gkv-spit zenverband.de/media/dokumente/presse/p_stellungnahmen/2019_04_30_Stn_GKV-SV_Anhoe rung_Pflege.pdf, S. 8, Abruf v. 2. 4. 2020.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

steuerbasierten Bezuschussung. Salopp gesagt: Wer ohnehin mehr Geld hat, der muss auch nicht durch den Steuerzahler unterstützt werden. Grundsätzlich gilt: Die unterschiedliche Leistungsfähigkeit bestimmter Personengruppen ist ein zulässiges und oftmals auch sinnvolles Kriterium, das der Gesetzgeber an verschiedener Stelle zu Recht zur Grundlage differenzierter Rechtsetzung macht. Sowohl die Beitragsbemessung als auch erst Recht die Steuerlast knüpfen an die Leistungsfähigkeit des Einzelnen an. Die Finanzierung von Leistungen über den Steuerzuschuss genügt diesem Kriterium jedoch nicht, denn es werden alle Beitragszahler begünstigt, auch die freiwillig Versicherten und die Begünstigten der beitragsfreien Ehegattenversicherung. Drei Beispiele sollen es plastisch machen: So richtet sich etwa die Höhe des Wohngelds, das gemäß § 26 Abs. 1 SGB I bzw. § 1 Abs. 2 WoGG als Zuschuss zur Miete oder als Zuschuss zu den Aufwendungen für den eigengenutzten Wohnraum in Anspruch genommen werden kann, gemäß § 4 WoGG unter anderem nach der zu berücksichtigenden Miete und der Belastung sowie dem Gesamteinkommen der berechtigten Person.205 Zur Bemessung erfolgt also eine Orientierung anhand der Leistungsfähigkeit. Gleiches gilt bezüglich der Berechnung der nunmehr gemäß § 90 Abs. 3 SGB VIII bundesweit verpflichtenden sozialen Staffelung der Elternbeiträge bei KiTa-Gebühren, welche im Zuge des am 1. Januar 2019 in Kraft getretenen Gute-KiTa-Gesetzes eingeführt wurde: So sollen, ausgehend vom Zweck der sozialen Staffelung bis hin zur gänzlichen Beitragsbefreiung, insbesondere bildungsfernen oder sozial benachteiligten Familien sowie Familien mit Migrationshintergrund zu ermöglichen, außerfamiliäre Betreuungsangebote zu nutzen, ausweislich der Gesetzesbegründung Familien mit geringem Einkommen finanzielle Unterstützung erhalten.206 Auch hierbei wird also zur Staffelung der Beiträge auf das Kriterium der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der jeweiligen Familie abgestellt. Als drittes Beispiel ist die Sozialhilfe anzuführen: Ein Anspruch auf verschiedene Leistungen nach den §§ 27 ff. SGB XII ist nur gegeben, soweit eine entsprechende Hilfsbedürftigkeit besteht. Exemplarisch verlangt § 27 Abs. 1 SGB XII für die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt, das die Person ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, welche sich ausweislich § 27 Abs. 2 S. 1 SGB XII insbesondere aus dem eigenen Einkommen und Vermögen ergeben, bestreiten kann. Wiederum wird eine finanzielle Unterstützung durch den Staat davon abhängig gemacht, dass sich der Betroffene selbst nicht als hinreichend wirtschaftlich leistungsfähig erweist.207

Die Liste an Beispielen ließe sich freilich beliebig fortführen. Deutlich wird hieran, dass die Leistungsfähigkeit dem Grunde nach ein valides Differenzierungskriterium bildet, welches in vielen Fällen eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen kann. Dennoch kann die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Versicherten im hiesigen Zusammenhang keinen hinreichenden Sachgrund darstellen. Es geht bislang bei der steuerfinanzierten Bezuschussung gerade um die finanzielle Unterstützung 205

BeckOK-Sozialrecht/Merten, 55. Ed. 2019, § 26 SGB I Rn. 19; KassKomm-Sozialversicherungsrecht/Schifferdecker, 107. EL 2019, § 26 SGB I Rn. 9. 206 BT-Drs. 19/4947, S. 2. 207 BeckOK-Sozialrecht/Gebhardt, 55. Ed. 2019, § 27 SGB XII Rn. 2; Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann/Krauß, 6. Aufl. 2019, § 27 SGB XII Rn. 10.

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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der versicherungsfremden Leistungen, also solchen, die sich durch eine gesamtgesellschaftliche Dimension auszeichnen und gerade kein Äquivalent zum Versicherungsbeitrag sind. Versicherungsfremde Leistungen betreffen eben nur solche Kosten, die angesichts der gesamtgesellschaftlichen Ausrichtung der Leistungen die Allgemeinheit zu tragen hat. Wenn aber solche Leistungen finanziert werden sollen, die sich nicht als beitragsäquivalent darstellen und damit keinen Bezug zur unmittelbaren Versicherungsleistung an die jeweiligen Versicherten aufweisen, dann erscheint es auch nicht sachgerecht, hinsichtlich der unterschiedlichen Behandlung der privaten und der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit ebendieser Versicherten zu verweisen. Mit anderen Worten: Wenn die Kosten für die benannten Leistungen die Allgemeinheit tragen soll, wird nicht ersichtlich, warum auf eine höhere oder geringere Leistungsfähigkeit der Kranken- und Pflegeversicherten, denen diese Leistungen eben nicht unmittelbar zugutekommt, abgestellt werden soll. Will man sich davon lösen und die Leistungsfähigkeit als eigenständigen Differenzierungsgrund bewerten, muss dies systematisch daran scheitern, dass die Leistungsfähigkeit eben kein Zuordnungskriterium zum einen oder anderen Versicherungszweig darstellt. Der „kleine Selbständige“ oder Beamte des mittleren Diensts kann privatversichert sein, der Top-Verdiener freiwillig in der gesetzlichen Versicherung. Die Leistungsfähigkeit ist ein Merkmal der Beitragsbemessung und der Steuerlast. Die Verteilung der Wohltaten über den Steuerzuschuss genügt aber diesem Kriterium nicht, da alle Beitragszahler begünstigt werden, insbesondere auch die freiwillig Versicherten und die „Profiteure“ der beittagsfreien Ehegattenversicherung. Das Kriterium kann daher auch nicht für eine Differenzierung der Versicherungsarten privat/öffentlich herhalten. Soweit man die Strukturunterschiede zwischen sozialer und privater Kranken- und Pflegeversicherung im Hinblick auf die ökonomische Leistungsfähigkeit der Versicherten dennoch zur Grundlage einer unterschiedlichen Behandlung macht, stellt man hierbei auf den Durchschnittsversicherten ab, ohne die individuelle Leistungsfähigkeit einzelner Versicherter zu berücksichtigen. Das ist jedoch problematisch. Mögen die Versicherten in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung zwar durchschnittlich über ein deutlich höheres Brutto-Gesamteinkommen verfügen als die Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, bedeutet dies jedoch nicht, dass nicht im Einzelfall Versicherte in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung eine geringe ökonomische Leistungsfähigkeit aufweisen können. Auf der anderen Seite wird es auch Versicherte in der gesetzlichen Versicherung geben, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit diejenige des durchschnittlichen Versicherten in der privaten Versicherung deutlich übersteigt. Wenn man nun ausschließlich die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung mit dem Argument, dass die Versicherten durchschnittlich weniger leistungsfähig sind als die Versicherten in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung, steuerlich bezuschusst, kann dies in Ausblendung der individuellen Leistungsfähigkeit der verschiedenen Versicherten zu sachwidrigen – gar willkürlichen – Ergebnissen führen.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

Von einer finanziellen Unterstützung durch einen steuerfinanzierten Bundeszuschuss würden in der Sozialversicherung nicht nur die wirtschaftlich leistungsschwachen Versicherten profitieren, sondern sie würde auch Versicherten mit hohem Einkommen zugutekommen. Es würde also – simpel heruntergebrochen – arm wie reich bezuschusst. Auf der anderen Seite könnten Privatversicherte, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit deutlich unterhalb des Durchschnitts in der privaten Krankenund Pflegeversicherung liegt, nicht von dem Steuerzuschuss profitieren. Gerade in der Anknüpfung an die durchschnittliche Leistungsfähigkeit der Versicherten aber liegt der Unterschied zu den oben genannten Beispielen, in denen die Leistungsfähigkeit ein zulässiges und sinnvolles Unterscheidungskriterium bildet: In all diesen Fällen wird an die individuelle Leistungsfähigkeit einer Person angeknüpft, um die Gewährung oder die Höhe einer bestimmten staatlichen Leistung zu bestimmen. Um es noch einmal konkret zu machen: Wer ein niedriges Einkommen hat, kann Wohngeld, finanzielle Unterstützung zu KiTa-Gebühren oder Sozialhilfe erhalten; nicht aber wird in Orientierung an dem durchschnittlichen Einkommen einer bestimmten Personengruppe stets eine bestimmte Leistung gewährt. Aufgrund dessen handelt es sich bei der steuerbasierten Bezuschussung der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, die pauschal mittelbar den Versicherten unabhängig von ihrer jeweiligen ökonomischen Leistungsfähigkeit zugutekommt, um einen gänzlich anderen Fall – vor diesem Hintergrund kann zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung das Kriterium der Leistungsfähigkeit, das in anderen Fällen ein sinnvolles Unterscheidungskriterium bilden mag, nicht herangezogen werden. Das wäre eine Vermischung von Steuer und Beitrag. e) Unterschied Beihilfeberechtigung Des Weiteren wird zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auf die Beihilfeberechtigung vieler privat Pflegeversicherter verwiesen. Ausgangspunkt der Argumentation ist, dass ein großer Teil privat Pflegeversicherter grundsätzlich beihilfeberechtigt ist und angesichts dessen bereits hinreichende finanzielle Unterstützung im Krankheits- und Pflegefall durch die Beihilfe erhält; einer zusätzlichen steuerfinanzierten Bezuschussung bedürfe es daher nicht. Zu den Beihilfeberechtigten zählen, nimmt man die nordrhein-westfälische Landesvorschrift gemäß § 1 BVO NRW als Exempel, neben Beamten, Richtern, Ruhestandsbeamten und Richtern im Ruhestand auch Witwer/Witwen, Hinterbliebene eingetragene Lebenspartner sowie Waisen. Sind diese Personen – wie das insbesondere bei Beamten der Regelfall ist – privat kranken- und pflegeversichert, muss die private Versicherung lediglich die Kosten des nicht über die Beihilfe abgedeckten Teils der gesetzlichen Kranken- und Pflegeleistungen tragen. So weisen exemplarisch Greß/ Haun/Jacobs darauf hin: „Für einen validen Vergleich von SPV- und PPV-Versicherten müssen auch die Beihilfeausgaben berücksichtigt werden. Für aktive Beamte übernimmt die staatliche Beihilfe in der

VI. Das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung von Gleichem

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Regel 50 %, für Pensionäre und Angehörige 70 % und für Kinder 80 % der Leistungssätze der Pflegeversicherung. Knapp die Hälfte der privat Pflegeversicherten zählte 2017 zu den Beihilfeberechtigten und musste deshalb lediglich den nicht über die Beihilfe abgedeckten Teil der gesetzlichen Pflegeleistungen privat versichern.“208

Die Argumentation ist missverständlich, denn er scheint von einem falschen Verständnis des Nebeneinander von Beihilfe und PPV auszugehen: Die Beihilfe erbringt einen Teil, die private Pflegeversicherungen einen anderen – und erhält aber auch nur einen geringeren Beitrag. Beamten sind daher kein besseres oder schlechteres Risiko wegen der Beihilfe. Letztlich ist damit das Schadensrisiko der privaten Versicherung nicht geringer, auch wenn – bei Zugrundelegung der Daten aus den Jahren 2017209 und 2018210 – etwa die Hälfte ihrer Versicherten einen staatlichen Beihilfeanspruch hat – und die steuerfinanzierte Beihilfe, wie dargelegt, in der Regel mindestens 50 % der Ausgaben für Kranken- und Pflegeleistungen übernimmt.211 Vor diesem Hintergrund ergäben sich zwar geringere finanzielle Belastungen als in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, die die Benachteiligung der privaten Kranken- und Pflegeversicherung durch die Nichtgewährung des Bundeszuschusses rechtfertigen könnten – aber eben nur dann, wenn nicht auch die Beträge geringer wären. Die Argumentation könnte wenn überhaupt, dann nur eine Ungleichbehandlung gegenüber den spezifischen Beamtentarifen in Pflege und Krankheit rechtfertigen – denn andere als Beamte sind je nicht beihilfeberechtigt. Zudem kann auch die Versicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung mit einer Beihilfeberechtigung verbunden sein.212 Dann aber kann nicht zur unterschiedlichen Behandlung eines gesamten Versicherungszweigs auf die Beihilfeberechtigung einiger Versicherter in der privaten Versicherung verwiesen werden – das betrifft zum einen nicht die Gesamtheit der Privatversicherten, zum anderen kann auch bei gesetzlich Versicherten eine Beihilfeberechtigung bestehen. Dass die Beihilfeberechtigung eines Teils der Versicherten in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung keinen Grund zur Ablehnung einer allgemeinen 208

Greß/Haun/Jacobs, Pflegereport 2019, 241. 49,76 % für das Jahr 2017, s. Zahlenbericht der privaten Krankenversicherung 2017, abrufbar unter https://www.pkv.de/service/broschueren/daten-und-zahlen/zahlenbericht-2017. pdb.pdf, S. 26, Abruf v. 2. 4. 2020. 210 50,32 % für das Jahr 2018, s. Zahlenbericht der privaten Krankenversicherung 2018, abrufbar unter https://www.pkv.de/service/zahlen-und-fakten/archiv-pkv-zahlenbericht/zahlen bericht-2018.pdf, S. 24, Abruf v. 2. 4. 2020. 211 Greß/Haun/Jacobs, Zur Stärkung der Solidarität bei der Pflegefinanzierung, PflegeReport 2019, 241 ff., abrufbar unter https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-662-5893 5-9_19, Abruf v. 2. 4. 2020. 212 Vorausgesetzt von BVerfG, Beschl. v. 13. 2. 2008 – 2 BvR 613/06, NVwZ 2008, 1004; s. auch das sog. „Hamburger Modell“ des Bundeslandes Hamburg: Gesetz v. 29. 5. 2018, HmbGVBl. Nr. 21 v. 1. 6. 2018, S. 199; Bürgerschafts-Drs. 21/11426 v. 19. 12. 2017 und Ausschussbericht 21/12774; hierzu Bieback, NZS 2018, 715 ff.; Scholz, Soziale Sicherheit 2018, 107; Steiner, NZS 2018, 713 ff. 209

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C. Die Finanzierung durch Steuern

steuerlichen Bezuschussung bilden kann, wird jedoch unabhängig von diesen Überlegungen deutlich, blickt man auf die beamtenrechtliche Einordnung der Beihilfe: Zwar handelt es sich bei der Beihilfegewährung nicht um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG.213 Unbestritten ist aber, dass die Gewährung von Beihilfen im Krankheits- oder Pflegefall Ausfluss der besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn bzw. des Alimentationsprinzips ist.214 Letztlich stellt sich die Beihilfegewährung damit als Leistung des Dienstherrn an den Beamten dar. Überträgt man dies auf das Arbeitsverhältnis, ist sie eine Arbeitgeberleistung, die bei der Bemessung der Besoldung berücksichtigt wird. Legt man dies zugrunde, kann die Beihilfegewährung schon systematisch nicht mit der Finanzierung von Leistungen durch Steuerzuschüsse gleichgestellt werden. Mit anderen Worten: Die Beihilfe ist eine Leistung aus dem Haushalt des Dienstherrn – und allein aus diesem Grund schon nicht mit steuerlicher Unterstützung zu vergleichen. Plakativ exemplifiziert: Würde man Beihilfeansprüche einzelner Versicherter bei der Entscheidung über die Gewährung eines Steuerzuschusses an die private Krankenversicherung berücksichtigen, wäre dies ebenso sachfremd wie die Begründung der Nichtgewährung eines Steuerzuschusses an GKV-versicherte Arbeitnehmer des Öffentlichen Dienstes mit der Berücksichtigung ihres steuerfinanzierten Arbeitsentgelts.

Überdies gilt für die soziale Pflegeversicherung: Ist ein sozial Pflegeversicherter beihilfeberechtigt, erhält er – das sagt § 28 Abs. 2 SGB XI ausdrücklich – von der sozialen Pflegeversicherung die in § 28 Abs. 1 SGB XI genannten Leistungen lediglich zur Hälfte. Das gilt auch in der privaten Pflegeversicherung. Die andere Hälfte der Kosten ist von der Beihilfe zu tragen. In diesem Leistungskatalog sind auch bestimmte versicherungsfremde Leistungen aufgeführt wie etwa Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen i.S.v. § 45 SGB XI. Dann kann nicht argumentiert werden, die private Pflegeversicherung benötige keine Bezuschussung zu Kosten, die bei der Erbringung versicherungsfremder Leistungen anfallen, weil viele privat Pflegeversicherte hinreichende finanzielle Unterstützung durch die Beihilfe erhielten. Dadurch, dass im Falle der Beihilfeberechtigung eines Versicherten in der sozialen Pflegeversicherung diese die Leistungen gemäß § 28 Abs. 2 SGB XI nur zur Hälfte gewähren muss, wird sie ebenfalls finanziell entlastet. Die Beihilfeberechtigung eines Versicherten kommt mithin gleichermaßen der privaten und der sozialen Pflegeversicherung zugute. Auch vor diesem Hintergrund kann eine unterschiedliche Behandlung im Rahmen eines steuerfinanzierten Bundeszuschusses nicht darauf gestützt werden, dass die private Pflegeversicherung aufgrund der Beihilfeberechtigung ihrer Versicherten eine hinreichende finanzielle Entlastung erhalte, die das Unterlassen der finanziellen Unterstützung rechtfertigen 213

BVerfG, Beschl. v. 2. 10. 2007 – 2 BvR 1715/03 u. a., NJW 2008, 137, 138 Rn. 23; Beschl. v. 23. 06. 1981 – 2 BvR 1067/80, NJW 1981, 1998; s. auch Maunz/Dürig/Badura, GG, 90. EL 2020, Art. 33 Rn. 71. 214 BVerfG, Beschl. v. 2. 10. 2007 – 2 BvR 1715/03 u. a., NJW 2008, 137, 138 Rn. 24; Beschl. v. 13. 11. 1990 – 2 BvF 3/88, NJW 1991, 743; Maunz/Dürig/Badura, GG, 90. EL 2020, Art. 33 Rn. 71.

VII. Steuerzuschüsse als Eingriff in die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit

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könnte. Der Verweis auf die Beihilfeberechtigung kann mithin aus verschiedenen Gründen die steuerbasierte finanzielle Unterstützung allein der gesetzlichen Versicherung nicht rechtfertigen.

VII. Steuerzuschüsse als Eingriff in die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit Steuerzuschüsse allein zur sozialen Kranken- und Pflegeversicherung können für die privaten Versicherungsgesellschaften auch einen Eingriff in ihre aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Berufs- und Unternehmensfreiheit bedeuten. Denn Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit können sowohl durch gezielte Regelungen, die sich gerade final auf die berufliche Betätigung beziehen und diese zum unmittelbaren Gegenstand haben, als auch durch faktische Einwirkungen erfolgen.215 Letztere sind Maßnahmen, die nicht unmittelbar auf die berufliche Betätigung abzielen, jedoch aufgrund ihrer deutlichen tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die Berufsfreiheit mittelbar erheblich zu beschränken.216 Derartige faktische Beeinträchtigungen setzen indes voraus, dass ihnen eine objektiv berufsregelnde Tendenz inne wohnt,217 sie also „infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen“.218 Inwiefern die Gewährung von Steuerzuschüssen an die gesetzliche, nicht aber an die private Kranken- und Pflegeversicherung Letztere in ihrer Berufsfreiheit beeinträchtigt, gilt es unter Einbeziehung vorgenannter Grundsätze herauszuarbeiten. Mit einer der vorliegenden Konstellation vergleichbaren Problematik hat sich das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit bereits in Bezug auf die auf Grundlage von § 221 Abs. 1 SGB V gewährten Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung beschäftigt.219 Indes hat das Gericht in diesem Zusammenhang die von den privaten Krankenversicherungsgesellschaften als Beschwerdeführer erhobene Verfassungsbeschwerde bereits als unzulässig zurückgewiesen, da sie durch § 221 Abs. 1 SGB V nicht selbst betroffen seien: Die Vorschrift habe „weder Einfluss auf das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen der privaten Kran215

Sachs/Mann, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 93 f. Sachs/Mann, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 94. 217 Beispielhaft BVerfG, Urt. v. 24. 11. 2010 – 1 BvF 2/05, NVwZ 2011, 94, 111, Rn. 294; BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2035 Rn. 132; BVerfG, Urt. v. 20. 4. 2004 – 1 BvR 1748/99, 905/00, NVwZ 2004, 846; Sachs/Mann, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 95. 218 BVerfG, Beschl. v. 5. 3. 1974 – 1 BvL 27/72, NJW 1974, 1317, 1318; BVerfG, Beschl. v. 12. 5. 2009 – 2 BvR 743/01, NVwZ 2009, 1030 Rn. 52; v. Mangoldt/Klein/Starck/Manssen, GG, Bd. 1, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 74. 219 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033. 216

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C. Die Finanzierung durch Steuern

kenversicherung am Markt noch hat sie eine berufsregelnde Tendenz.“220 Dazu führt das Gericht aus: „Der Vorschrift des § 221 Abs. 1 SGB V fehlt zudem eine auf die Berufsausübung der privaten Krankenversicherungsunternehmen gerichtete Zielsetzung. Sie regelt die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen. Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme diesen Begriff unter Rückgriff auf die von der gesetzlichen Krankenversicherung getragenen gesamtgesellschaftlichen Lasten definiert und vor allem auf familienpolitische Leistungen wie die beitragsfreie Versicherung von Familienangehörigen, die Beitragsfreistellung bei Bezug von Mutterschafts- und Erziehungsgeld oder das Krankengeld bei Betreuung eines kranken Kindes verwiesen. Das Bundesministerium für Gesundheit quantifiziert die gesamtgesellschaftlichen Kosten, welche die gesetzliche Krankenversicherung trägt, allein für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Ehegatten auf rund 25 Mrd. Euro. § 221 Abs. 1 SGB V zielt auf einen Lastenausgleich innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht aber auf eine Veränderung der Marktsituation zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung in Bezug auf den Personenkreis der freiwillig Versicherten.“221

Wendet man diese Grundsätze eins zu eins auch auf Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung, die für andere versicherungsfremde Leistungen als die kostenlose Mitversicherung Familienangehöriger gewährt werden, und auch auf etwaige Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Pflegeversicherung an, so wird man zu demselben Ergebnis kommen: Auch deren Gewährung zielt nicht darauf ab, die Marktsituation der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen – insbesondere im Verhältnis zu privaten Versicherungsunternehmen – zu verändern. Vielmehr bezweckt der Gesetzgeber auch insofern allein den Ausgleich derjenigen finanziellen Lasten, die der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung durch die Wahrnehmung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben entstehen. Damit wäre eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG abzulehnen. Aber können vorstehende Ausführungen tatsächlich so einschränkungslos auf etwaige Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung, die für andere versicherungsfremde Leistungen als die beitragsfreie Mitversicherung Familienangehöriger gewährt werden, sowie auf Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Pflegeversicherung übertragen werden? Zwar fehlt es dem Gesetzgeber auch insofern zweifellos an der Intention, die Position der privaten Versicherungsunternehmen zu schwächen. Die fehlende Intention einer Beschränkung der Berufsfreiheit kann indes nicht dazu führen, eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG pauschal auch dort abzulehnen, wo erhebliche faktische Beeinträchtigungen seitens des Grundrechtsträgers entstehen. Auch soweit eine staatliche Maßnahme als nicht bezweckte, aber vorhersehbare und damit letztlich in Kauf genommene Nebenfolge eine schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit bewirkt, darf ein Grundrechtseingriff nicht von 220

BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2035 Rn. 136. 221 BVerfG, Urt. v. 10. 6. 2009 – 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR 832/08, 1 BvR 837/08, NJW 2009, 2033, 2036 Rn. 139.

VII. Steuerzuschüsse als Eingriff in die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit

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vornherein ausgeschlossen sein.222 Auch wenn sich diese Formel in der neueren Rechtsprechung nicht mehr ausdrücklich wiederfindet, ist doch klar, dass schwerwiegende Beeinträchtigungen auch dann Grundrechtsrelevanz haben müssen, wenn sie nicht als vordergründiges Ziel der betreffenden Maßnahme intendiert sind. Und so liegt der Fall hier: Auf Grundlage von § 221 Abs. 1 SGB V wurde der gesetzlichen Krankenversicherung bislang ein Steuerzuschuss gewährt, um diejenigen Lasten auszugleichen, die ihnen durch die Erbringung versicherungsfremder Leistungen entstehen, wobei der Schwerpunkt dieser Leistungen die kostenfreie Mitversicherung Familienangehöriger bildet.223 Da eine solche beitragsfreie Mitversicherung in der privaten Krankenkasse nicht möglich ist, sondern sie vielmehr einen risikoäquivalent berechneten Beitrag für die versicherten Familienmitglieder erhebt, entstehen ihr auch keine Nachteile, sofern sie den darauf gerichteten Steuerzuschuss nicht erhält. Erbringen die privaten Krankenversicherungsunternehmen jedoch – anders als bei der Abgeltung der beitragsfreien Mitversicherung von Familienangehörigen sowie der Abgeltung des Pflegebonus‘ und der Kosten für anlasslose Corona-Tests – andere versicherungsfremde Leistungen im selben Maße wie die gesetzliche Krankenversicherung, erhalten zur Abgeltung dieser Aufwendungen jedoch keinen entsprechenden Steuerzuschuss, so entsteht ihnen ein erheblicher Nachteil. Dasselbe gilt auch im Rahmen der Pflegeversicherung: Der privaten Pflegeversicherung entstehen wahrnehmbare Nachteile, soweit der Bund Steuerzuschüsse nur an die gesetzlichen Pflegekassen vergibt, sie aber versicherungsfremde Leistungen im selben Maße erbringen, wie die gesetzliche Pflegeversicherung. Denn die von den privaten und sozialen Pflegekassen erbrachten versicherungsfremden Leistungen decken sich vollständig, sodass ein einseitig nur der gesetzlichen Pflegeversicherung gewährter Zuschuss die Marktsituation zulasten der privaten Pflegekassen verändert und diese damit besonders schwer in ihrer Berufsausübung trifft. Dies gilt insbesondere, da sich sowohl die gesetzliche als auch die private Kranken- und Pflegeversicherung durch Beiträge finanzieren. Wird der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung nun ein Steuerzuschuss gewährt, der den privaten Versicherungsunternehmen nicht zugutekommt, obwohl sie dieselben gesamtgesellschaftlichen Lasten tragen, hat dies zur Folge, dass die privaten Versicherungen ihre Beitragssätze anheben müssen, um weiterhin dieselben Leistungen bieten zu können. Dies wird indes dazu führen, dass sie im Vergleich zur günstigeren gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung an Attraktivität verliert. Damit verändert ein Steuerzuschuss, der auf die Finanzierung solcher Leistungen abzielt, die nicht allein die Sozialkassen erbringen, die Marktsituation zum Nachteil der privaten Kranken- und Pflegekassen und beeinträchtigt diese in ihrer aus Art. 12 Abs. 1 GG folgenden Berufsausübungsfreiheit sowie in ihrer Wettbewerbsfreiheit, die – wie das

222 BVerwG, Urt. v. 7. 12. 1995 – 3 C 23/94, NJW 1996, 3161; BVerwG, Urt. v. 18. 10. 1990 – 3 C 2/88, NJW 1991, 1766, 1768; Sachs/Mann, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 95. 223 BT-Drs. 16/3100, S. 181.

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C. Die Finanzierung durch Steuern

BVerfG in ständiger Rechtsprechung anerkennt224 – ebenfalls durch Art. 12 Abs. 1 GG verbürgt ist. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Wettbewerbsfreiheit ausdrücklich klargestellt, dass diese keinen vollumfänglichen Schutz vor jedweden Einflüssen auf den Wettbewerb gewährleistet: „Allerdings schützt die Berufsfreiheit grundsätzlich nicht vor bloßen Veränderungen der Marktdaten und Rahmenbedingungen der unternehmerischen Tätigkeit. In der bestehenden Wirtschaftsordnung umschließt das Freiheitsrecht des Art. 12 I GG das berufsbezogene Verhalten der Unternehmen am Markt nach den Grundsätzen des Wettbewerbs. Marktteilnehmer haben aber keinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen für sie gleich bleiben. Insbesondere gewährleistet das Grundrecht keinen Anspruch auf eine erfolgreiche Marktteilhabe oder künftige Erwerbsmöglichkeiten. Vielmehr unterliegen die Wettbewerbsposition und damit auch die erzielbaren Erträge dem Risiko laufender Veränderung je nach den Verhältnissen am Markt und damit nach Maßgabe seiner Funktionsbedingungen […]. Regelungen, die die Wettbewerbssituation der Unternehmen lediglich im Wege faktisch-mittelbarer Auswirkungen beeinflussen, berühren den Schutzbereich von Art. 12 I GG grundsätzlich nicht.“225

Nicht verkannt werden darf allerdings, dass sich diese Rechtsprechung zu den Grenzen der Wettbewerbsfreiheit zum einen spezifisch auf staatliches Informationshandeln bezieht. Gibt der Staat Informationen zu einzelnen Marktteilnehmern oder deren Produkten an Verbraucher heraus, so beeinflusst dies nicht unmittelbar die Marktsituation zulasten des betroffenen Unternehmens. Vielmehr stellen etwaige negative Auswirkungen allein eine mittelbare Folge des staatlichen Handelns dar, denn sie ergeben sich letztlich erst durch die Reaktionen der Verbraucher auf die jeweiligen Informationen. Zum anderen wird auch in diesem Zusammenhang nicht pauschal jedwede Verletzung des Art. 12 I GG ausgeschlossen: „Die Grundrechtsbindung aus Art. 12 I GG besteht jedoch dann, wenn Normen, die zwar selbst die Berufstätigkeit nicht unmittelbar berühren, aber Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändern, in ihrer Zielsetzung und ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen […], die mittelbaren Folgen also kein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung sind […].“226

Unterliegt schon staatliches Informationshandeln mit Blick auf die Wettbewerbsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG Einschränkungen, muss dies erst recht bei einer aktiven Einflussnahme durch staatliche Finanzierung gelten. Denn gewährt der Staat einzelnen Marktteilnehmern eine finanzielle Unterstützung durch Steuerzuschüsse, 224 BVerfG, Urt. v. 7. 11. 2017 – 2 BvE 2/11, NVwZ 2018, 51, 58 Rn. 235; BVerfG, Urt. v. 21. 10. 2014 – 2 BvE 5/11, NVwZ 2014, 1652, 1657 Rn. 155; BVerfG, Beschl. v. 23. 10. 2013 – 1 BvR 1842/11, 1 BvR 1843/11, NJW 2014, 46, 51 Rn. 114; BVerfG, Beschl. v. 4. 2. 2004 – 1 BvR 1103/03, NZS 2005, 479, 480. 225 BVerfG, Beschl. v. 21. 3. 2018 – 1 BvF 1/13, NJW 2018, 2109, 2110 Rn. 27; ähnlich auch schon BVerfG, Beschl. v. 26. 6. 2002 – 1 BvR 558/91, 1 BvR 1428/91, NJW 2002, 2621, 2622. 226 BVerfG, Beschl. v. 21. 3. 2018 – 1 BvF 1/13, NJW 2018, 2109, 2110 f. Rn. 28.

VII. Steuerzuschüsse als Eingriff in die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit

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die er anderen verwehrt, folgt die Veränderung der Wettbewerbsbedingungen unmittelbar aus der staatlichen Maßnahme selbst. Zwar besteht kein allgemeiner Schutz vor Veränderungen des Marktgeschehens, auch wenn diese vom Staat ausgehen.227 Aufgrund der aufgezeigten besonderen Schwere der insofern zulasten der privaten Versicherungsunternehmen eintretenden Folgen geht die Gewährung des Steuerzuschusses jedoch über eine bloße Veränderung des Marktgeschehens hinaus – sie kommt vielmehr faktisch einem Eingriff gleich. Auf Grundlage vorstehender Ausführungen kann mithin jedenfalls nicht pauschal ausgeschlossen werden, künftige Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung als Eingriff in die aus Art. 12 Abs. 1 GG hergeleitete Berufs- und Wettbewerbsfreiheit zu werten.

227

BVerfG, Beschl. v. 4. 2. 2004 – 1 BvR 1103/03, NZS 2005, 479, 480 Rn. 7.

D. Summa Was bleibt zusammenfassend festzuhalten? Für den ersten Teil der Ausarbeitung gilt: Die zunehmende Belastung (auch) privater Krankenversicherer mit von der Allgemeinheit zu tragenden Aufgaben im Gesundheitsbereich verstärkt schon länger zu beobachtende Tendenzen der Fehlfinanzierung in diesem Feld. Während im öffentlichen Finanzrecht der Zusammenhang zwischen Aufgabe und deren Finanzierung seit Jahrzehnten im Fokus der Diskussion und Rechtsprechung steht, erscheint dieser Zusammenhang im Sozial-(versicherungs-)recht stark vernachlässigt, wird kaum beachtet. Als bisher nicht genutzter Maßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen der privaten Kranken- bzw. Pflegeversicherung kann die Sonderabgabenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts herangezogen werden. Dadurch gelingt die Unterscheidung zwischen den grundsätzlich aus Steuermitteln zu finanzierenden allgemeinen Staatsaufgaben und besonderen Gruppen zurechenbaren besonderen öffentlichen Aufgaben. Finanzrechtlich ausgedrückt: Die Unterscheidung zwischen Gemeinlast und Sonderlast wird auch sozialrechtlich fruchtbar gemacht. Werden die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und die Kunden der privaten Krankenversicherung zu einer Finanzierungsgruppe zusammengespannt, bilden sie cum grano salis regelmäßig die Gesamtbevölkerung ab, denn die Gruppe der Nichtversicherten kann vernachlässigt werden. Das allein stellt schon einen Indikator für die Notwendigkeit der Steuerfinanzierung der betreffenden Aufgabe dar. Sind beide Versicherungstypen gesetzlich verpflichtet, in einen Finanzierungsfonds einzuzahlen, stellt sich dies für die private Krankenversicherung regelmäßig als rechtfertigungsbedürftige Sonderabgabe dar und die einschlägige Rechtsprechung kann insofern unmittelbar angewendet werden. Die vorstehenden Ausführungen konnten zeigen, dass derartige Fehlfinanzierungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung bestehen und in der Tendenz sogar zunehmen. Werden die privaten Krankenversicherungen gezwungen oder wird zumindest erwartet, sich an diesen Fehlfinanzierungen zu beteiligen, verstärkt sich die Fehlfinanzierung in ihrer Gesamtheit. Dies alles mündet in ein Postulat funktionsadäquater Finanzierung der Krankenversicherung. Diese ist grundrechtlich vorausgesetzt und dient letztlich der Funktionsfähigkeit der Absicherung der Krankheitsrisiken in der Gesamtbevölkerung. Im nächsten Schritt ist in summa festzustellen, dass ein steuerfinanzierter Bundeszuschuss zur Unterstützung der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung zum einen erhöhten Rechtfertigungsbedarf aufweist, wenn der Steuerzuschuss für andere

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Zwecke als die Abgeltung versicherungsfremder Leistungen, also nicht nur solcher Leistungen, die als Ausdruck des Solidaritätsprinzips gesamtgesellschaftlich dienlich sind, gewährt werden soll. Zum anderen birgt das Vorhaben gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken in Bezug auf den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, wenn lediglich die soziale, nicht aber die private Kranken- und Pflegeversicherung von dem Zuschuss profitieren soll, soweit beide dieselben Leistungen erbringen und damit auch dieselben finanziellen Lasten tragen. Im Einzelnen: - Der Rechtsrahmen von gesetzlicher und privater Krankenversicherung sowie von sozialer und privater Pflegeversicherung unterscheidet sich in seiner (einerseits öffentlich-rechtlichen, andererseits privatrechtlichen) Ausgestaltung. Die Finanzierung beider Pflegeversicherungstypen speist sich gleichwohl aus Einnahmen und Beiträgen; allein die Berechnung der von den Versicherten zu erbringenden Beiträge divergiert dem Grunde nach: So erfolgt in der sozialen Krankenund Pflegeversicherung eine einkommensabhängige Berechnung bis zur Beitragsbemessungsgrenze, während in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung ein risikobasierter Ansatz zu Grunde gelegt wird, der den Gesundheitszustand des Versicherten bei Vertragsschluss sowie dessen Alter bei Versicherungsbeginn berücksichtigt. - Allgemein im Bereich sozialer Sicherung stellen Beiträge und staatliche Zuschüsse aus Steuermitteln taugliche Instrumente zur Finanzierung der Träger dar, wobei der Beitrag schon der Struktur der Sozialversicherung nach die überwiegende Einnahmequelle bilden muss. Die flächendeckende Versorgung der Versicherten wird dabei durch die Beitragszahlung gewährleistet; Steuerzuschüsse können aber unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls als Finanzierungsinstrument fungieren. - Der Zweck eines Steuerzuschusses kann dabei verfassungsrechtlich gesichert in der Finanzierung versicherungsfremder Leistungen liegen. Eine allgemein anerkannte Definition fehlt, doch dürften versicherungsfremde Leistungen im weitesten Sinne solche Leistungen sein, die dem Versicherten regelmäßig nicht unmittelbar, jedenfalls aber mittelbar zugutekommen, dabei jedoch grundsätzlich nicht von der von ihm abgeschlossenen Versicherung abgedeckt sind, sodass die Versicherung bei Erbringung der Leistung nicht in Erfüllung ihrer unmittelbar aus der Versicherung folgenden Pflichten, sondern vielmehr zur Erfüllung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben tätig wird. Konkret umfasst dies in der Krankenversicherung beispielsweise die beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen und – aktuell – die Abgeltung eines Pflegebonus, die pandemiebedingte Mehrbelastung sowie die Durchführung anlassloser Corona-Tests. In der Pflegeversicherung sind als versicherungsfremde Leistungen ebenfalls die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern, insbesondere aber auch die Förderung des Auf- und Ausbaus ehrenamtlicher Pflege, Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen oder auch Leistungen im Rahmen der stationären

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Pflege behinderter Menschen zu nennen. Bei all diesen Maßnahmen handelt es sich um Leistungen, die von der Versicherung nicht als Beitragsäquivalent abgedeckt werden, sondern vielmehr als Ausdruck des Solidaritätsprinzips in der Sozialversicherung eine gesamtgesellschaftliche Dimension aufweisen. Soweit die Versicherung ebensolche Aufgaben wahrnimmt, gewährt sie letztlich Leistungen, deren Kosten ihrem Zwecke nach grundsätzlich von der Allgemeinheit zu tragen sind. - Will man sich daran orientieren, dann sind ergänzende Gründe, die als Rechtfertigung für die Gewährung staatlicher Unterstützung in Form eines Zuschusses angeführt werden, zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sie dürfen sich aber nicht allein auf die Kostenabgeltung von Versicherungsleistungen beziehen; denn hierfür ist der Beitrag vorgesehen. Hiervon ausgehend kann eine allgemeine Beitragsfinanzierung, das Halten eines bestimmten politisch oder wirtschaftspolitisch opportunen Beitragssatzes kein tauglicher Grund sind, um eine Steuerfinanzierung für die Sozialversicherung zu begründen. Auch ergänzende, bislang noch nicht diskutierte Rechtfertigungsgründe müssen damit dem Sinn und Zweck eines staatlichen Zuschusses – die Versicherung dort zu unterstützen, wo der Beitrag nicht ausreicht, weil sie eben gesamtgesellschaftliche Aufgaben erbringt – genügen. Zudem müssen diese Gründe exakt benannt werden und die Erforderlichkeit der staatlichen Unterstützung muss nachgewiesen werden. - Bei der Pflegeversicherung gilt ergänzend: Im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Ausgaben in der Pflegeversicherung haben versicherungsfremde Leistungen im Vergleich zur Krankenversicherung einen deutlich geringeren Umfang. Die Notwendigkeit einer steuerfinanzierten Bezuschussung erscheint schon aus dieser Perspektive fraglich, könnte ein Bundeszuschuss ohnehin nur eine geringe finanzielle Unterstützung leisten. - Soll nur der sozialen, nicht aber der privaten Kranken- und Pflegeversicherung der Bundeszuschuss zugutekommen, begegnet dies zudem erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug auf den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem liegt darin, dass lediglich der sozialen, nicht aber der privaten Versicherung ein Steuerzuschuss gewährt werden soll, obwohl die rechtlichen Rahmen weitgehend einander angenähert sind. - Diese Ungleichbehandlung bedarf der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal unterschiedliche Schranken, die vom bloßen Willkürverbot bis zur strengen Verhältnismäßigkeitskontrolle insbesondere bei der Anknüpfung an personale Differenzierungskriterien reichen. In Bezug auf die gegenständliche Problematik ist eine bloße Willkürkontrolle nicht ausreichend. Denn das sachbezogene Anknüpfungskriterium (Zugehörigkeit zur sozialen respektive privaten Pflegeversicherung) weist mittelbaren Personenbezug in Form einer Benachteiligung der privat Kranken- und Pflegeversicherten insofern auf, als diesen zum Kostenaus-

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gleich bezüglich versicherungsfremder Leistungen allein die Prämienzahlung verbleibt. Auf der anderen Seite würde eine strikte Verhältnismäßigkeitsprüfung angesichts des sachbezogenen Differenzierungskriteriums den Grundrechtsschutz überdehnen. Daher ist eine mittlere Prüfungsintensität anzunehmen, die das Vorliegen hinreichender Sachgründe erfordert. - Dass das BVerfG ausdrücklich festgestellt hat, dass § 221 Abs. 1 SGB V, der einen Steuerzuschuss zur Abgeltung bestimmter versicherungsfremder Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung vorsieht, private Krankenversicherungen nicht in ihrem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Recht auf Gleichbehandlung verletzt, ist nicht als Präjudiz für sämtliche Steuerzuschüsse an die Sozialkassen zu begreifen. Nur soweit eine versicherungsfremde Leistung allein von den gesetzlichen Krankenversicherungen erbracht wird, ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Steuerzuschusses durch das BVerfG anerkannt. Ausdrücklich ist dies entschieden für die kostenfreie Mitversicherung von Familienangehörigen; übertragen lässt sich dies aber auf die Abgeltung der Corona-Prämie und die Finanzierung der anlasslosen Corona-Tests. Bei der Pflegeversicherung erbringen sowohl die sozialen als auch die privaten Kassen die relevanten versicherungsfremden Leistungen. Vor diesem Hintergrund können die Erwägungen des BVerfG nicht auf die Pflegeversicherung übertragen werden. - Als hinreichender Sachgrund, der eine Ungleichbehandlung von sozialer und privater Kranken- und Pflegeversicherung rechtfertigen könnte, wird in der aktuellen Diskussion zunächst die unterschiedliche Organisationsform der Versicherungen genannt. Untersucht man allerdings andere Fälle, in denen der Gesetzgeber eine Ungleichbehandlung allein auf die unterschiedliche Organisationsform stützt, fällt auf, dass es dabei stets um Fälle geht, in denen sich aus der Organisationform selbst unterschiedliche Folgen ergeben. Und diese Folgen können einen sachlichen Grund bilden – sei es für die unterschiedliche Haftung privater und öffentlicher Unternehmen, sei es für die unterschiedliche Aufsicht über private und öffentliche Einrichtungen. Im vorliegenden Fall kann die unterschiedliche Organisationsform aber insoweit kein Anknüpfungspunkt sein, als aus der bloßen Organisationsform keine Unterschiede bei der Gewährung eines Steuerzuschusses an Kranken- und Pflegeversicherung resultieren. Für die Pflegeversicherung kommt hinzu, dass die Leistungen von privater und sozialer Pflegeversicherung materiell gleichwertig sind und sich daher keine Folgen für den Leistungsumfang ergeben. Will man die (versicherungsfremden) Leistungen der sozialen Pflegeversicherung aber gerade aus Steuermitteln des Bundes bezuschussen, die (versicherungsfremden) Leistungen der privaten Pflegeversicherung dagegen nicht, kann die Organisationsform erst recht nicht als rechtfertigender Differenzierungsgrund gelten. - Ferner wird eine partiell unterschiedliche Finanzierung von privater und sozialer Kranken- und Pflegeversicherung zur Rechtfertigung ins Feld geführt. Sowohl die gesetzliche als auch die private Kranken- und Pflegeversicherung finanziert sich

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primär aus Beitragszahlungen, im Übrigen aus (sonstigen) Einnahmen. Unterschiede in der Finanzierungsstruktur lassen sich diesbezüglich nicht feststellen; allein die Berechnung der jeweils von den Versicherten zu erbringenden Beiträge weicht grundsätzlich voneinander ab. In der sozialen Kranken- und Pflegeversicherung wird allein an das Einkommen angeknüpft, in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung vorbehaltlich des Basistarifs dagegen an Pflegebedürftigkeitsrisiken wie Gesundheitszustand und Alter. An der Tatsache, dass in beiden Versicherungstypen die Gesamtheit der Versicherten die Beiträge aufbringen muss, ändert dies freilich nichts, weshalb es sich insoweit nicht um einen hinreichend sachlichen Grund handelt – zumal es sowohl in der sozialen als auch in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung finanziell besser und finanziell schlechter situierte Versicherte gibt. - Weiterhin wird auf Unterschiede im Risikoprofil der Versicherten verwiesen. Im Hinblick auf die Krankenversicherung kann angesichts der im Wesentlichen vergleichbaren Altersstruktur in der gesetzlichen und privaten Versicherung bereits bezweifelt werden, ob tatsächliche Unterschiede im Risikoprofil der Versicherten überhaupt bestehen. In der Pflegeversicherung hingegen besteht unter Auswertung der Statistiken gegenwärtig wohl in tatsächlicher Hinsicht noch ein unterschiedliches Risikoprofil: Das Pflegerisiko der Versicherten in der sozialen Pflegeversicherung ist höher, was sich mit dem größeren Anteil an Versicherten der Risikogruppe der über 80-Jährigen begründen lässt. Mit Blick auf die in der Vergangenheit zu beobachtenden Entwicklungen ist jedoch davon auszugehen, dass sich die Risikoprofile in der Zukunft annähern werden. Jedenfalls aber hat das derzeit noch bestehende unterschiedliche Risikoprofil keine rechtliche Relevanz, weil wiederum gilt: Ein unterschiedliches Risikoprofil mag aktuell der Grund sein, warum der Durchschnittsbeitrag in der privaten Pflegeversicherung unter dem der sozialen Pflegeversicherung liegt. Dieser Durchschnittsbeitrag ist jedoch kein legitimer Anknüpfungspunkt der Bezuschussung, wenn es Versicherte der privaten Pflegeversicherung gibt, die mehr Beitrag zahlen, als sie in der sozialen Pflegeversicherung zahlen würden. - Als weiterer Unterschied, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag, wird die unterschiedliche ökonomische Leistungsfähigkeit der Versicherten angeführt. Rein tatsächlich verfügen privat Kranken- und Pflegeversicherte durchschnittlich über ein deutlich höheres Bruttoeinkommen. Zwar bildet die Leistungsfähigkeit in vielen Fällen ein zulässiges und sinnvolles Differenzierungskriterium; diesen Fällen ist indes gemein, dass – anders als hier – stets an die individuelle Leistungsfähigkeit des Betroffenen angeknüpft und nicht in Orientierung an der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit einer bestimmten Personengruppe eine bestimmte Leistung gewährt wird. Von einem geplanten Steuerzuschuss würden dagegen arm wie reich in der Sozialversicherung bezuschusst und – auf der anderen Seite – in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung arm wie reich benachteiligt. Überdies soll der Steuerzuschuss gerade die Kosten für die Erbringung solcher Leistungen abgelten, die sich eben nicht als Äquivalent zum

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Beitrag darstellen, sondern eine gesamtgesellschaftliche Dimension aufweisen. Dann aber erscheint es sachwidrig, an die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Versicherten anzuknüpfen. - Schließlich wird zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung auf die Beihilfeberechtigung vieler privat Kranken- und Pflegeversicherter verwiesen. Indes ist nicht jeder, sondern nur etwa die Hälfte der privat Kranken- und Pflegeversicherten beihilfeberechtigt. Darüber hinaus kommt auch der sozialen Pflegeversicherung eine Beihilfeberechtigung ihrer Versicherten als finanzielle Entlastung zugute, indem sie in diesem Fall gemäß § 28 Abs. 1 SGB XI die Leistungen nur zur Hälfte tragen muss. Insbesondere aber kann die Beihilfegewährung schon systematisch nicht mit der Finanzierung von Leistungen durch Steuerzuschüsse gleichgestellt werden, handelt es sich bei ihrer Gewährung um den Ausdruck der besonderen Fürsorgepflicht des Dienstherrn und damit eine Leistung aus seinem Haushalt. Vor diesem Hintergrund kann auch die Beihilfeberechtigung keinen hinreichenden Sachgrund für die Ungleichbehandlung bilden. - Letztlich fehlt ein hinreichender Sachgrund, der die unterschiedliche Behandlung von privater und gesetzlicher Kranken- und Pflegeversicherung rechtfertigen kann, soweit sie dieselben versicherungsfremden Leistungen erbringen und damit dieselben finanziellen Lasten tragen. Daher wäre in diesem Fall eine Verletzung der privaten Kranken- und Pflegeversicherungen und ihrer Versicherten in ihrem aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Recht auf Gleichbehandlung die zwingende Konsequenz. - Des Weiteren kann auch ein Verstoß gegen die Berufs- und Wettbewerbsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG jedenfalls nicht pauschal ausgeschlossen werden. Zwar hat das BVerfG in der Vergangenheit im Kontext der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 221 Abs. 1 SGB V bereits die Selbstbetroffenheit der privaten Krankenversicherung mit der Begründung verneint, die Vorschrift habe weder Einfluss auf das berufsbezogene Verhalten der privaten Krankenversicherungen am Markt noch berufsregelnde Tendenz; es fehle an der auf die Berufsausübung gerichteten Zwecksetzung. Eine entsprechende Zielsetzung wird man auch bezüglich weitergehender Steuerzuschüsse zur gesetzlichen Krankenversicherung sowie im Hinblick auf einen etwaigen Steuerzuschuss zur sozialen Pflegeversicherung ablehnen müssen. Gleichwohl kann die fehlende Intention einer Beschränkung der Berufs- und Wettbewerbsfreiheit nicht dazu führen, eine Grundrechtsverletzung auch dort abzulehnen, wo erhebliche faktische Beeinträchtigungen seitens des Grundrechtsträgers entstehen. Wo gesetzliche und private Versicherung die gleichen versicherungsfremden Leistungen erbringen, verändert ein einseitig gewährter Zuschuss die Marktsituation zu Lasten der privaten Kranken- und Pflegeversicherung. Ist nach der Rechtsprechung des BVerfG zu staatlichem Informationshandeln, das allenfalls mittelbar zu negativen Auswirkungen führen kann, zudem anerkannt, dass eine Verletzung der Berufsund Wettbewerbsfreiheit jedenfalls dann nicht ausgeschlossen erscheint, wenn

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Normen zwar die Berufstätigkeit selbst nicht berühren, wohl aber in ihren mittelbar-faktischen Wirkungen einem Eingriff als funktionales Äquivalent gleichkommen, so muss dies erst recht bei einer aktiven Einflussnahme durch staatliche Finanzierung gelten.

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